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German Pages 517 [518] Year 2015
Tino Schölz Die Gefallenen besänftigen und ihre Taten rühmen
Tino Schölz
»Die Gefallenen besänftigen und ihre Taten rühmen« Gefallenenkult und politische Verfasstheit in Japan seit der Mitte des 19. Jahrhunderts
»Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs-und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT«
ISBN 978-3-486-76361-4 ISBN (PDF) 978-3-486-85878-5 ISBN (EPUB) 978-3-11-039906-6 Set-ISBN 978-3-486-85879-2 Zugleich Dissertation im Fach Geschichte an der Philosophischen Fakultät I der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Besuch von Angehörigen des Heeres am Yasukuni-Schrein aus Anlass des Großen Schreinfestes. Postkarte aus der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges, Original im Besitz des Autors. Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt Einleitung — 1
Teil I: Vormoderne und frühneuzeitliche Traditionslinien 1
Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes — 37 1.1 Die politische und religiöse Ordnung der Edo-Zeit — 39 1.2 Krieg und Umgang mit Kriegstoten in Altertum und Mittelalter — 44 1.3 Entstehung von Bestattungsriten und Totengedenken im Shintō — 51 1.4 Die Verehrung loyaler Untertanen — 65 1.5 Der goryō-Glauben und das Konzept der „Befriedung des Reiches“ — 73 1.6 Vergöttlichung von Verstorbenen — 78
Teil II: Gefallenenkult im autoritären Nationalstaat (1853–1945) 2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes — 85 2.1 Nationalstaatsbildung und Militärreform — 86 2.2 Politischer Totenkult — 107 2.3 Träger des Totengedenkens — 140 3
Gefallenenkult einer imperialen Großmacht — 147 3.1 Japans Weg zur Großmacht — 148 3.2 Neue Träger des Totengedenkens — 160 3.3 Gefallenengedenken — 168 3.4 Regionale Gedenkformen an die Verlierer der Bürgerkriege — 202
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Gefallenenkult im totalen Krieg — 215 4.1 Japan und seine Streitkräfte im Asiatisch-Pazifischen Krieg — 216 4.2 Gefallenenkult — 235 4.3 Stellung und Funktion der Hinterbliebenen — 276
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Inhalt
Teil III: Gefallenenkult im demokratischen Japan (1945–2005) 5
Die Reformen der Besatzungszeit — 285 5.1 Japans „Stunde Null“, Besatzungszeit und Wiederbewaffnung — 287 5.2 Gefallenenkult — 293 5.3 Entstehung der Hinterbliebenenbewegung — 319
6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität — 331 6.1 Unabhängigkeit, konservative Herrschaft und Ausbau der Streitkräfte — 331 6.2 Akteure: Der Japanische Hinterbliebenenverband — 352 6.3 Gefallenengedenken nach 1952 — 368 7 Bilanz — 427 Anhang — 441 Denkmalsinschrift für Kusunoki Masashige — 441 Kaiserliche Ermahnung zur Wehrpflicht — 442 Kaiserliche Ansprache an die Soldaten und Matrosen des Reiches — 444 Reisai norito, Yasukuni-Schrein — 445 Gebet des Kaiserlichen Gesandten aus Anlass der Kriegserklärung an die USA und Großbritannien, Yasukuni-Schrein, 1941 — 446 Gelübde für den ewigen Frieden (Abe Shinzō, 26. 12. 2013) — 447 Glossar ausgewählter japanischer Begriffe — 449 Personen, Institutionen und Organisationen — 449 Sachwortverzeichnis — 453 Quellen- und Literaturverzeichnis — 461 Quellen — 461 Literatur — 473
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Denkmal für Kusunoki Masashige, Minatogawa-Schrein, Kōbe (1692) — 70 Abb. 2: Grabmäler für Anführer der Taira in der Schlacht von Dannoura, Akama jingū, Shimonoseki (ca. 1600) — 76 Abb. 3: Kōrai-jin teki-mikata kyō-hi, Oku-no-in, Kōya-san (1599) — 77 Abb. 4: Grabanlage für Angehörige der Kihei-tai, Sakurayama jinja, Shimonoseki — 112 Abb. 5: Sakurayama jinja und Grabanlage für Angehörige der Kihei-tai, Shimonoseki — 113 Abb. 6: Grabsteine von Yoshida Shōin und Takasugi Shinsaku, Sakurayama jinja, Shimonoseki — 115 Abb. 7: Gedenkanlage für die Toten des Fürstentums Satsuma, Sokushū-in, Kyōto (1869) — 121 Abb. 8: shōkon-Schrein des Fürstentums Mito und Grabanlagen, Higashiyama ryōzen gokoku jinja, Kyōto — 121 Abb. 9: Anzahl der Gründungen von shōkon-Schreinen zwischen 1864 und 1873 — 123 Abb. 10: Besuch des chokushi am Yasukuni-Schrein — 127 Abb. 11: Yasukuni-Schrein (1942) — 127 Abb. 12: Sammelgrab für Regierungssoldaten, Kenkō-in, Saga — 137 Abb. 13: Friedhof für Gefallene der kaiserlichen Streitkräfte im Südwest-Krieg, Takatsuki kangun bochi, Takatsuki, Präfektur Kumamoto — 138 Abb. 14: Dai-ichi daitai no hi, Hagi-shi gokoku jinja, Hagi — 144 Abb. 15: Ankunft der Urnen Gefallener am Bahnhof (1932) — 175 Abb. 16: Begräbnisprozession (Mugon no gaisen), Kōbe, 21. April 1939 — 175 Abb. 17: Soldatengrab von Feldwebel Itaya Eishō, Shōfuku-ji, Niigata — 177 Abb. 18: Chūkon-hi, Landesverteidigungsschrein Shimabara, Shimabara — 181 Abb. 19: Denkmal für die Gefallenen der Ersten Armee, Nittai-ji, Nagoya (1903) — 184 Abb. 20: Shōchū-hi, Hakusan jinja, Niigata (1908) — 185 Abb. 21: Skulpturen Gefallener, Naka-no-in, Minami-chita, Aichi (nach 1937) — 188 Abb. 22: Halle der Heldenseelen, Jōshō-in, Fujieda, Präfektur Shizuoka (1907) — 188 Abb. 23: Shōkon yuniwa, Außerordentliches Schreinfest, Yasukuni jinja (1906) — 191 Abb. 24: Sumo-Wettkampf, Außerordentliches Schreinfest, Yasukuni jinja (1906) — 192 Abb. 25: Ausstellung von Beutestücken des Russ.-Jap. Krieges, Außerordentliches Schreinfest, Yasukuni jinja (1906) — 193 Abb. 26: Denkmal für Hirose Takeo, Tōkyō (1911) — 198 Abb. 27: Reiterdenkmal für Kusunoki Masashige, Tōkyō (1910) — 201 Abb. 28: 5-sen-Geldschein mit Darstellung des Reiterdenkmals von Kusunoki in Tōkyō — 201 Abb. 29: Hekketsu-hi, Hakodate (1875) — 209 Abb. 30: Nanshū bochi, Kagoshima — 210 Abb. 31: Grabanlage für die Toten des Shinpū-ren, Kumamoto (1921) — 212 Abb. 32: Denkmal Saigō Takamoris im Park von Ueno, Tōkyō (1898) — 214 Abb. 33: Chūrei-tō, Kanazawa rikugun bochi, Kanazawa (1941) — 239 Abb. 34: Tahō-tō, Gokoku-ji, Tōkyō (1902) — 241 Abb. 35: Sammelgrabanlagen, Tani rikugun bochi, Fukuoka (1935–1940) — 243 Abb. 36: Sammelgrab für Gefallene des Heeres, Mandschurischer Zwischenfall, Gokoku-ji, Tōkyō — 247 Abb. 37: Öffentliche Bestattungsfeier, Takasaki (1932) — 250
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 38: Abb. 39: Abb. 40: Abb. 41: Abb. 42: Abb. 43:
Herbeirufung der Seelen der Gefallenen, Yasukuni jinja (1937) — 253 Prozession bei der Einschreinungszeremonie am Yasukuni jinja (1942) — 253 Shōwa-tennō beim Verlassen des Yasukuni jinja (Okt. 1942) — 254 Schüler beim Besuch des Yasukuni jinja (1937) — 260 Bronzeskulptur der Nikudan san-yūshi, Seishō-ji, Tōkyō (1934) — 269 „Verehrt die loyalen Seelen, beschützt die Hinterbliebenen!“ Postkarte der Patriotischen Frauenvereinigung — 279 Gokoku jinja von Shimabara (2009) — 312 Sammelgrabanlage für die Urnen Gefallener, Gokoku-ji, Tōkyō — 318 Kenotaph, Mumei senbotsu-sha no haka, Tōkyō (1959) — 375 Chokushi beim „Ordentlichen Herbstfest“ (2013) — 379 Chinrei-sha, Yasukuni-Schrein, Tōkyō — 401 Boshin-eki Tō-gun irei-hi, Niigata-ken gokoku jinja, Niigata (1988) — 404 Dai-Tōa seisen daihi, Ishikawa-ken gokoku jinja, Kanazawa (2000) — 408 Denkmal für Feuerwehrleute, die im Dienst ums Leben gekommen sind, Kagoshimaken gokoku jinja, Kagoshima (1979) — 409 Shōwa junnan-sha hōmu-shi tsuitō-hi, Kōya-san, Präfektur Wakayama (1994) — 414 Shōwa junnan-sha hōmu-shi tsuitō-hi, Kōya-san, Präfektur Wakayama (1994) — 414 Denkmalsstiftungen in der Präfektur Kanagawa, 1946–1995 — 415 Statue der Mutter, Nagasaki-ken gokoku jinja, Nagasaki — 416 Denkmalsstiftungen in der Präfektur Tōkyō 1946–1995 — 417 Sōkai junshoku-sha kenshō-hi, Konpira-gū, Takamatsu, Präfektur Kaga (1952) — 418 Jiei-tai junshoku-sha irei-hi, Verteidigungsministerium, Tōkyō (1980/2003) — 422 Yūken jinja, Verteidigungsministerium, Tōkyō — 424
Abb. 44: Abb. 45: Abb. 46: Abb. 47: Abb. 48: Abb. 49: Abb. 50: Abb. 51: Abb. 52: Abb. 53: Abb. 55: Abb. 54: Abb. 56: Abb. 57: Abb. 58: Abb. 59:
Einleitung Gefallenengedenken in Japan als historisches Problem. Kriegerische Gewalt und gewaltsamer Tod waren für viele Jahrhunderte zentrale Phänomene der japanischen Geschichte. Aber schon ein oberflächlicher Blick zeigt, dass sich die Erscheinungsformen und Entwicklungswege der kriegerischen Gewalt in Japan deutlich von der kriegerischen Vergangenheit der zeitgenössischen europäischen Staaten unterscheiden. Die Frühe Neuzeit in Europa ist geprägt durch die Erfahrungen lang andauernder militärischer Konflikte von zunächst Religions-, dann Sukzessions- und Kabinetts- und schließlich Revolutions- und Befreiungskriegen; in ihnen und durch sie vollzog sich eine Verstaatlichung des Krieges.1 Diese veränderte die Kriegführung in Europa und beeinflusste Staatsbildungsprozesse, die durch die zunehmend staatlich geregelte Vorbereitung auf einen Krieg entscheidend vorangetrieben wurden.2 Im Gegensatz zur europäischen Entwicklung einer beinahe kontinuierlichen Kriegführung etablierte sich in Japan nach dem blutigen „Zeitalter der Bürgerkriege“ (sengoku jidai), das über ein Jahrhundert angedauert und nahezu alle Herrschaftsverhältnisse umgewälzt hatte, zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Friedensordnung der Edo-Zeit (1600–1853/54).3 Die pax Tokugawa
1 Zur Kriegs- und Gewaltgeschichte Europas in der Frühen Neuzeit vgl. etwa Parker, Geoffrey: Die militärische Revolution. Die Kriegskunst und der Aufstieg des Westens, Frankfurt a. M./ New York: Campus 1990; Black, Jeremy: A Military Revolution? Military Change and European Society 1550–1800, Basingstroke: Palgrave Macmillan 1990; Howard, Michael: Der Krieg in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zu den neuen Kriegen der Gegenwart, 2. erw. Auflage München: C. H. Beck 2010 oder zuletzt Martines, Lauro: Blutiges Zeitalter. Europa im Krieg 1450–1700, Darmstadt: Theiss 2015. Zum Wandel der Kriegsformen siehe etwa Beyrau, Dietrich/ Hochgeschwender, Michael/Langewiesche, Dieter (Hg.): Formen des Krieges. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn u. a.: Ferdinand Schönigh 2007. 2 Dieser Zusammenhang wird bereits seit dem 19. und frühen 20. Jahrhundert in klassischen Studien der Historiographie thematisiert. Siehe z. B. Ranke, Leopold von: Die großen Mächte. Fragment historischer Ansichten, In: Ders.: Die großen Mächte, Politisches Gespräch, hg. von Mulack, Ulrich, Frankfurt a. M./Leipzig: Insel 1995, S. 9–70; Delbrück, Hans: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte, 4 Bde., Berlin: Walter de Gruyter 1962–1966 (1900–1920) oder Hintze, Otto: Staatsverfassung und Heeresverfassung, In: Ders.: Staat und Verfassung. Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Verfassungsgeschichte, hg. von Oestreich, Gerhard, 3. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1970, S. 52–83. 3 Zur japanischen Geschichte im Mittelalter und vor allem im Zeitalter der Bürgerkriege siehe Souyri, Pierre: The World Turned Upside Down. Medieval Japanese Society, New York: Columbia University Press 2001; Hall, John W./Nagahara, Keiji u. a. (Hg.): Japan Before Tokugawa. Political Consolidation and Economic Growth 1500–1650, Princeton: Princeton University Press 1981; Yamamuro, Kōzō: Medieval Japan (= Cambridge History of Japan 3), Cambridge: Cambridge University Press 1990; Sansom, George B.: A History of Japan. Band 2: 1334–1615, London: The Cresset Press 1961.
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verhinderte für über zwei Jahrhunderte bis zur Ankunft US-amerikanischer Kriegsschiffe und der erzwungenen Landesöffnung in der Mitte des 19. Jahrhunderts kriegerische Auseinandersetzungen sowohl im Inneren als auch nach außen.4 Dieser Umstand fand in der vordergründigen „Zähmung der Samurai“ (Ikegami Eiko) seinen sozialgeschichtlichen Niederschlag.5 Der herrschende Stand der Krieger entwickelte sich zwar in der Edo-Zeit faktisch zu einem Stand von Berufsbeamten weiter. Doch lebte er weiter nach den normativen Vorgaben einer traditionellen, wenn auch teilweise modifizierten vormodernen Kriegerethik, des später so genannten bushi-dō („Weg des Kriegers“).6 Diese Normen betonten, nun meist ethisch aufgeladen, die kontinuierliche Kampf- und Todesbereitschaft und forderten das Erlernen und dauerhafte Üben militärischer Techniken, v. a. der Kampfkünste, ein. So verblieb die Spitze der sozialen Hierarchie, die etwa 5–6 % der japanischen Bevölkerung umfasste, trotz der herrschenden Friedensordnung hochgradig militarisiert. Diese Kontinuität war eine entscheidende Bedingung für die abrupte Gewaltexplosion in der japanischen Innenpolitik in den Jahren nach der Landesöffnung 1853/54. Zugleich blieben Militarisierung und Gewaltanwendung in der Edo-Zeit ständisch definiert und eingegrenzt: der weitaus größte Teil der Bevölkerung – die Bauern, Händler, Handwerker, der Hofadel, shintōistische wie buddhistische Priester und die Paria (sog. eta und hinin) – konstituierte modern gesprochen die „Zivilbevölkerung“, die seit der Trennung von Kriegern und Bauern (heinō bunri) Ende des 16. Jahrhunderts explizit vom Geltungsbe-
4 Vgl. einführend zur Geschichte der Edo-Zeit Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart, Paderborn/München u. a.: Schönigh 2006 (passim); Diestelrath, Günther: Die vorindustrielle Dynamik der Frühen Neuzeit, In: Kreiner, Josef (Hg.): Geschichte Japans, Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2012, S. 204–260; Totman, Conrad: Early Modern Japan, Berkeley: University of California Press 1993; Hall, John W.: Early Modern Japan (= Cambridge History of Japan 4), Cambridge/New York u. a.: Cambridge University Press 1991; Nakane, Chie/Ōishi, Shinzaburō (Hg.): Tokugawa Japan. The Social and Economic Antecendants of Modern Japan, Tōkyō: University of Tokyo Press 1990; und Kap. 1.1 dieser Studie, dort auch weiterführende Literatur. 5 Vgl. Ikegami, Eiko: The Taming of the Samurai. Honorific Individualism and the Making of Modern Japan, Cambridge (Mass.)/London: Harvard University Press 1995. 6 Gainty, Denis: The New Warriors. Samurai in Early Modern Japan, In: Friday, Karl F.: Japan Emerging. Premodern History to 1850, Boulder: Westview Press 2012, S. 344–355; zur Konstruktion und Bedeutung des bushi-dō in der Moderne zuletzt Benesch, Oleg: Inventing the Way of the Samurai. Nationalism, Internationalism, and Bushidō in Modern Japan, Oxford: Oxford University Press 2014; Goto-Jones, Christopher: The Way of Revering the Emperor. Imperial Philosophy and Bushidō in Modern Japan, In: Shillony, Ben-Ami (Hg.): The Emperors of Modern Japan, Leiden/Boston: E. J. Brill 2008, S. 23–52.
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reich des Kriegerethos ausgeschlossen war und keinerlei Übung im Gebrauch von Waffen hatte.7 Nach der Landesöffnung glichen sich dann die Problemlagen in Japan und im Westen in Bezug auf militärische Auseinandersetzungen und die gesellschaftlichen Herausforderungen des Umganges mit kriegerischer Gewalt schnell an: die moderne japanische Geschichte, die Herausbildung des japanischen Nationalstaates ist nun ähnlich mit Krieg und Gewalt verwoben wie im Falle der meisten westlichen Großmächte.8 Zunächst wurde Japan zum Objekt der imperialistischen Politik der expandierenden europäisch-nordamerikanischen Gesellschaften, die in der erzwungenen Landesöffnung, der Unterzeichnung ungleicher Handelsverträge ab 1854 und dem Beschuss von Kagoshima 1863 und Shimonoseki 1864 gipfelte.9 Eine Phase gewaltsamer Austragung innenpolitischer Konflikte schloss sich an; diplomatische Ränkespiele, Mordanschläge und versuchte coups d’état, ein sich über anderthalb Jahre erstreckender Bürgerkrieg (Boshin-Krieg 1868/69) und Feldzüge der Zentralregierung gegen mehrere lokale Aufstände (insbesondere der sog. Südwest-Krieg 1877) führten schließlich zum Zusammenbruch der alten und zur Errichtung und Festigung einer neuen politischen Ordnung (Meiji ishin, Meiji-Erneuerung).10 Die Bildung des modernen japanischen Staates ging also vor allem in den Jahren um 1868 mit einer gewaltsamen Politik gegen Opponenten einher. Getragen wurde die politische Erneuerung von Angehörigen der alten Eliten vor allem aus dem Südwesten des Landes; es handelte sich hierbei mithin auch um eine Elitenkonkurrenz, die über die Frage, wie der Herausfor-
7 Was freilich zahllose gewaltförmige Proteste, vor allem Subsistenzrevolten von Bauern, nicht ausschloss. Siehe Bix, Herbert P.: Peasant Protest in Japan 1590–1884, New Haven/London: Yale University Press 1986. 8 Siehe als Einführung in die moderne Geschichte Japans z. B. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans; Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan. Von Meiji bis Heisei, Berlin: Akademie-Verlag 1996; Krebs, Gerhard: Das moderne Japan 1868–1952. Von der Meiji-Restauration bis zum Friedensvertrag von San Francisco, München: Oldenbourg 2009. Zu den westlichen Kriegserfahrungen exemplarisch Schild, Georg (Hg.): The American Experience of War, Paderborn: Schöningh 2010; Hyam, Ronald: Britains Imperial Century 1815–1914. A Study of Empire and Expansion, Basingstroke: Palgrave 2002. 9 Vgl. z. B. Beasley, William G.: Great Britain and the Opening of Japan 1834–1858, Sandgate: Curzon Press 1995 (1951); Kajima, Morinosuke: Geschichte der japanischen Außenbeziehungen. Band 1: Von der Landesöffnung bis zur Meiji-Restauration, übersetzt von Kracht, Klaus, Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1976. 10 Zur Meiji-Restauration klassisch Beasley, William G.: The Meiji Restoration, Stanford: Stanford University Press/London: Oxford University Press 1973; Totman, Conrad D.: The Collapse of the Tokugawa bakufu 1862–1868, Honolulu: University of Hawai’i Press 1980; Mitani, Hiroshi: Meiji ishin o kangaeru, Tōkyō: Iwanami shoten 2012.
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derung durch die westlichen Mächte adäquat begegnet werden konnte, in bürgerkriegsähnlichen Konflikten ausgetragen wurde. Nach diesen Auseinandersetzungen im Inneren, die nicht nur in der japanischen Forschung wiederholt in eine Reihe mit den zeitgleich stattfindenden deutschen und italienischen Einigungskriegen und dem Bürgerkrieg in den USA gestellt wurden, wandte sich das japanische Kaiserreich politisch wie militärisch nach außen. Sowohl klassische zwischenstaatliche Kriege gegen China 1894/95, Russland 1904/05 und – nicht zu vergessen – das Deutsche Reich 1914 als auch die militärische Dimension einer imperialen Expansionspolitik in Form von Kolonialkriegen z. B. in Taiwan 1895, von militärischen Interventionen aus Anlass des Boxeraufstandes in China 1900/01 oder eines Besatzungsregimes wie in Korea, das 1910 formal annektiert wurde, stellen wichtige kriegerische Zäsuren in der politischen Geschichte des jungen Nationalstaates dar.11 Sie brachten Japan ein großes Kolonialreich in Ostasien und den Status einer internationalen Großmacht ein. Erst im als einem totalen Krieg geführten Asiatisch-Pazifischen Krieg 1931–1945 endete schließlich der Versuch des Kaiserreiches, sich zur unumstrittenen Vormacht und zum Beherrscher Ost- und Südostasiens aufzuschwingen, mit der militärischen Niederlage und dem Verlust der Besitzungen in Übersee. Die Verluste der Bürgerkriege (nach 1868) und der imperialen Kriege nach außen (seit 1894) erzwangen gesellschaftliche Erinnerungsformen an die Gefallenen dieser Kämpfe und führten zur Herausbildung eines eigenständigen japanischen Totenkultes. Bedingung für diese politisch-militärische Expansion war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Schaffung moderner Streitkräfte und sie tragender wirtschaftlicher und sozialer Strukturen, die von der Regierung unter die Devise „Reiches Land und starke Armee“ (fukoku kyōhei) gestellt wurden. Der Aufbau neuer Streitkräfte und die mit ihnen verbundenen Neuerungen im militärischen Sektor waren damit Motor und zugleich Ausdruck von umfassenden Modernisierungsprozessen, die sich unter den Schlagworten Nationalstaatsbildung und Industrialisierung zusammenfassen lassen.12 Dabei ist die Schaffung des japani-
11 Vgl. z. B. Beasley, William G.: Japanese Imperialism 1894–1945, Oxford: Clarendon Press 1991; Conroy, Hilary: The Japanese Seizure of Korea 1868–1910. A Study of Realism and Idealism in International Relations, Philadelphia: University of Pennsylvania Press 1974 (1960). Siehe auch Kap. 3.1 dieser Studie. 12 Wenn im Folgenden der Begriff „Modernisierung“ verwendet wird, so geschieht dies, in Anlehnung an Miroslav Hroch, aus pragmatischen Gründen und ohne damit auf modernisierungstheoretische Debatten einzugehen. Vgl. Hroch, Miroslav: Das Europa der Nationen. Die moderne Nationsbildung im europäischen Vergleich, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, S. 75. Zur Anwendung des Modernisierungsparadigmas auf Japan siehe Krämer, Hans Martin: Alte und Neue Modernisierungstheorie in Japan, In: Ders./Schölz, Tino/Conrad, Sebastian (Hg.):
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schen Nationalstaates in der Typologie Theodor Schieders an der Grenze anzusiedeln zwischen klassischer Staatsnation, wo sich die Nation durch die Transformation eines alten Staatsgebildes (allerdings hier nicht nationaldemokratisch von unten, sondern von oben) konstituiert, und unifizierendem Nationalstaat, der unterschiedliche und z. T. auch autonome regionale politische Gebilde sowie diejenigen Teile der Gesellschaft, welche bisher eher unpolitisch waren, in einen neuen staatlichen bzw. nationalen Zusammenhang integriert.13 Langfristig führte diese Integration zur Überwindung einer ständischen Ordnung, welche die Legitimität von Gewaltanwendung sozial definiert hatte, was einer Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten durch den Staat entgegengestanden hatte. Mit dem Nationalstaat entstanden zugleich neue Legitimations- und Deutungsmuster des politischen Kollektivs im Allgemeinen und des soldatischen Sterbens im Besonderen.14 Der sichtbarste Ausdruck des Aufbaus moderner, am Westen orientierter nationaler Streitkräfte war dabei neben der rapiden militärtechnologischen Modernisierung die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1873. Mit der allgemeinen Wehrpflicht wurden die bisher vorhandenen schichtspezifischen,
Geschichtswissenschaft in Japan. Themen, Ansätze und Theorien, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006, S. 135–160. 13 Vgl. Schieder, Theodor: Typologie und Erscheinungsformen des Nationalstaats in Europa, In: Ders.: Nationalismus und Nationalstaat. Studien zum nationalen Problem im modernen Europa, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1991, S. 65–86; Ders.: Probleme der Nationalismus-Forschung, In: a. a. O., S. 102–112; vgl. auch Reinhard, Wolfgang: Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München: C. H. Beck 2002, S. 446–449; Hroch, Miroslav: Das Europa der Nationen, S. 41–42. Zum aktuellen Stand der Nationalismus- und Nationalstaatsforschung siehe auch Salzborn, Samuel (Hg.): Staat und Nation. Die Theorien der Nationalismusforschung in der Diskussion, Stuttgart: Franz Steiner 2011; klassisch: Anderson, Benedict: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Berlin: Propyläen 1998; Hobsbawm, Eric: Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780, Frankfurt a. M. u. a.: Campus 1991; Wehler, Hans-Ulrich: Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen, München: C. H. Beck 2001. 14 Vgl für die analogen europäisch-nordamerikanischen Befunde z. B. aus religionswissenschaftlicher Perspektive Berghoff, Peter: Der Tod des politischen Kollektivs. Politische Religion und das Sterben und Töten für Volk, Nation und Rasse, Berlin: Akademie Verlag 1997; darüber hinaus Leonhard, Jörn: Bellizismus und Nation. Kriegsdeutung und Nationsbestimmung in Europa und den Vereinigten Staaten 1750–1914, München: Oldenbourg 2008; Flacke, Monika (Hg.): Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama, 2. Aufl. München/Berlin: Koehler und Amelang 2001; Buschmann, Nikolaus/Langewiesche, Dieter (Hg.): Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA, Frankfurt a. M.: Campus 2004. Zum Zusammenhang von Nation, Staatsbürger und Wehrpflicht vgl. z. B. Jansen, Christian (Hg.): Der Bürger als Soldat. Die Militarisierung europäischer Gesellschaften im langen 19. Jahrhundert. Ein internationaler Vergleich, Essen: Klartext 2004.
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ständisch konturierten Unterschiede in Bezug auf das Militärische eingeebnet. Nun wurden potentiell alle Männer für Krieg und Kampf mobilisiert, mit ihrem möglichen zukünftigen Tod auf dem Schlachtfeld konfrontiert – und ideell auf diesen eingestimmt. Damit entstand ein nationaler Gefallenenkult. Vor dem Hintergrund der außenpolitischen Bedrohung, der gewaltsam ausgetragenen innenpolitischen Auseinandersetzungen und schließlich der Ausbildung eines modernen, auf den Monarchen hin ausgerichteten Nationalstaates entwickelte sich der neuzeitliche Gefallenenkult in Japan; die spezifischen Entstehungsbedingungen erwiesen sich dabei als langfristig prägend und konstituierten eine Pfadabhängigkeit seiner weiteren Entwicklung. Wie seine Pendants in anderen Gesellschaften waren auch in Japan die wichtigsten Aufgaben des politischen Totenkultes, als „Identitätsstiftung der Überlebenden“ (Reinhart Koselleck) den Tod des Soldaten sinnhaft zu deuten und zugleich moralisch zu überhöhen.15 Er erfüllt damit die Funktion, sowohl den Tod des Soldaten als auch
15 Konzeptionell zur Geschichte des Totenkultes Koselleck, Reinhart: Kriegerdenkmale als Identitätsstiftung der Überlebenden, In: Marquard, Odo/Stierle, Karl-Heinz (Hg.): Identität, München: Wilhelm Fink Verlag 1979, S. 255–276; Ders.: Die Transformation der politischen Totenmale im 20. Jahrhundert, In: Transit 22 (2001/2002), S. 59–86; Ders./Jeismann, Michael (Hg.): Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne, München: Wilhelm Fink Verlag 1994; Mosse, George L.: Gefallen für das Vaterland. Nationales Heldentum und namenloses Sterben, Stuttgart: Klett-Cotta 1993; Winter, Jay: Sites of Memory, Sites of Mourning. The Great War in European Cultural History: Cambridge: Cambridge University Press 1995 (beide mit einem Fokus auf dem Ersten Weltkrieg); Hettling, Manfred: Nationale Weichenstellung und Individualisierung der Erinnerung. Politischer Totenkult im Vergleich, In: Ders./Echternkamp, Jörg (Hg.): Gefallenengedenken im globalen Vergleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung, München: Oldenbourg 2012, S. 11–42; für die mittelalterliche Tradition Kantorowicz, Ernst H.: Pro patria mori in Medieval Political Thought, In: The American Historical Review 56 (1951), Heft 3, S. 472–492. Für den internationalen Vergleich siehe Hettling, Manfred / Echternkamp, Jörg (Hg.): Gefallenengedenken im globalen Vergleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung, München: Oldenbourg 2012, für einen vergleichenden Zugang innerhalb der westlichen Gesellschaften z. B. Koselleck, Reinhart: Zur politischen Ikonologie des gewaltsamen Todes. Ein deutsch-französischer Vergleich, Basel: Schwabe 1998; Capdevila, Luc / Voldman, Daniéle: War Dead. Western Societies and the Casualties of War, Edinburgh: Edinburgh University Press 2006; Borg, Alan: War Memorials. From Antiquity to the Present, London: Leo Cooper 1991; Jeismann, Michael: Das Vaterland der Feinde. Studien zum nationalen Feindbegriff und Selbstverständnis in Deutschland und Frankreich 1792–1918, Stuttgart: Klett-Cotta 1992. Als Länderstudien vgl. exemplarisch Janz, Oliver: Das sybolische Kapital der Trauer. Nation, Religion und Familie im italienischen Gefallenenkult des Ersten Weltkrieges, Tübingen: Max Niemeyer 2009; Mayo, James M.: War Memorials as Political Landscape. The American Experience and Beyond, New York u. a.: Praeger 1988; Giller, Joachim / Mader, Hubert / Seidl, Christina (Hg.): Wo sind sie geblieben …? Kriegerdenkmäler und Gefallenenehrung in Österreich, Wien:
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die politische Entität zu legitimieren sowie die Bevölkerung für den Staat und seine Ziele zu mobilisieren – als Soldaten, die die Bereitschaft zeigen sollen, im Kampf ihr Leben für die Gemeinschaft zu lassen, oder als Hinterbliebene und Trauernde, die in den Praktiken des Totengedenkens Teilhabe am Kollektiv erfahren und zugleich zum Ausdruck bringen. Darüber hinaus kann man den europäisch-nordamerikanischen Gefallenenkult insbesondere durch vier weitere Merkmale charakterisieren: erstens durch die Säkularisierung bzw. die Diesseitigkeit der Sinnstiftung des gewaltsamen Todes, also die Ersetzung christlicher Jenseitsverheißung durch eine diesseitige Dauerhaftigkeit über das Lebensende hinaus. Zweitens ist der Gefallenenkult im Westen durch eine Individualisierung geprägt, durch welche jeder Gefallene erinnerungswürdig und eine ständischhierarchische Erinnerung obsolet wurde. Drittens zielt der politische Totenkult auf eine Verstetigung der Erinnerung bzw. Memorialisierung und Ritualisierung, zum einen in Form von Gedenkobjekten wie Denkmälern, Gedenktafeln oder den Books of Honor, die die Namen aller Gefallenen verzeichnen, und zum anderen in Form von Riten, die ein dauerhaftes und meist regelmäßiges Memorieren zum Ziel haben. Viertens ist schließlich die Demokratisierung zu nennen, denn die Bereitschaft zum „Tode für das Vaterland“ ist meist mit der Erwartung, Verheißung oder Gewährung politischer Teilhabe verknüpft, welche wiederum für die Herausbildung eines modernen Verständnisses des Staatsbürgers im Rahmen des Nationalstaates konstitutiv war.16 Blickt man vor dem Hintergrund dieser an westlichen Beispielen gewonnenen strukturellen Gemeinsamkeiten eines staatlichen Gefallenengedenkens auf die japanische Entwicklung, treten neben den Parallelen insbesondere auch zwei grundsätzliche Unterschiede deutlich hervor, in denen die Spezifika des japanischen Gefallenenkults greifbar werden. Die Übereinstimmungen des
Österreichischer Bundesverlag 1992; Goebel, Stefan: The Great War and Medieval Memory. War, Remembrance and Medievalism in Britain and Germany 1914–1940, Cambridge: Cambridge University Press 2007; Inglis, Kenneth Stanley: Sacred Places. War Memorials in the Australian Landscape, Carlton South: Melbourne University Press 1998. 16 Vgl. Koselleck, Reinhart: Kriegerdenkmale als Identitätsstiftung der Überlebenden, S. 259– 260; Jeismann, Michael/Westheider, Rolf: Wofür stirbt der Bürger? Nationaler Totenkult und Staatsbürgertum in Deutschland und Frankreich seit der Französischen Revolution, In: Koselleck, Reinhart/Jeismann, Michael (Hg.): Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne, München: Wilhelm Fink Verlag 1994, S. 23–50, hier S. 25; Hettling, Manfred: Nationale Weichenstellung und Individualisierung der Erinnerung, S. 11–12; Ders./Echternkamp, Jörg: Deutschland – Heroisierung und Opferstilisierung. Grundelemente des Gefallenengedenkens von 1813 bis heute, In: Diess.: Gefallenengedenken im globalen Vergleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung, München: Oldenbourg 2012, S. 123–158, hier S. 126–134.
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japanischen Beispiels mit den westlichen Ländern liegen erstens in der Errichtung von Objekten und der Gestaltung von damit verbundenen Praktiken, also der Memorialisierung und Ritualisierung, und zweitens in der alle ständischen Unterschiede aufhebenden Individualisierung. So werden zum einen im modernen politischen Totenkult in Japan ebenfalls seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Toten (zumindest dem Anspruch nach) individuell bestattet und wird ihrer in Festen und Gedenkzeremonien gedacht. Zum anderen werden ihre Namen auf Denkmälern oder in Listen, ihr Abbild in Form von Photographien, von Plastiken usw. verewigt. Durch eine Vielzahl von sozialen Praktiken und die Nutzung unterschiedlichster Medien wurde hierdurch eine Sichtbarkeit soldatischen Sterbens in und zugleich eine Teilhabe der Öffentlichkeit hergestellt, die zeitgenössische Phänomene in westlichen Gesellschaften bei weitem übertroffen haben dürfte. Unterschiede hingegen sind in Bezug auf die Frage der Religion und der politischen Teilhabe zu konstatieren. Die staatlichen Sinnstiftungsmuster sind in Japan erstens nicht genuin säkular geprägt, sondern – vor 1945 explizit und offen in Form des Staatsshintō (kokka shintō), heute in abgeschwächter Form – religiös. In ihrem Zentrum standen seit 1868 die sog. shōkon-Zeremonien, bei denen die Seelen der Gefallenen durch besondere Riten zu speziellen shintōistischen Heiligtümern, den shōkon-sha („Schrein zur Herbeirufung der Seelen“), dessen berühmtester und wichtigster der Yasukuni-Schrein in Tōkyō ist, durch Priester herbeigerufen, besänftigt und schließlich deifiziert wurden.17 Dabei wurden sie nicht nur durch die Priesterschaft, Militärangehörige, Hinterbliebene und Kameraden, sondern auch durch den im Staatsshintō ebenfalls vergöttlichten Tennō verehrt. Als „Götter der Landesverteidigung“ (gokoku no kami) ist ihre primäre Aufgabe der Schutz der Herrschaft des Tennō, der Regierung und des Landes vor ausländischen Mächten.18 Zweitens erfolgte im japanischen Gefallenenkult im Gegensatz zum Westen keine legitimatorische Verbindung vom Tod des Soldaten und einer politischen Teilhabe; vielmehr verblieben die staatlichen Deutungsmuster vor 1945 im Rahmen der vor der Niederlage im Asiatisch-Pazifischen Krieg sakrosankten, auf den Monarchen hin ausgerichteten Herrschaftsstrukturen des japanischen Kaiserreiches.19 Sie verstanden den Soldaten als loyalen Untertanen
17 Vg. hierzu ausführlich Kap. 2.2.1, dort auch weiterführende Literatur. 18 Siehe das „Gebet aus Anlaß des Jahresfestes“ (reisai norito) des Yasukuni-Schreines im Anhang 4. 19 Offen bleibt, ob die Mobilisierung der Bevölkerung in den Kolonien in der Endphase des Asiatisch-Pazifischen Krieges den Weg zur Egalität mit den Bewohnern der Metropole hätte eröffnen können, wenn auch eine „equality of all beneath the emperor’s benevolent gaze (isshi dōjin)“. Zu den Diskussionen um die und die Praxis der Öffnung der japanischen Streitkräfte für die Bewohner insbesondere Koreas siehe Fujitani, Takashi: Race for Empire. Koreans as Japanese
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und interpretierten seinen Tod als Ausdruck von Ergebenheit gegenüber dem Tennō. Konzepte wie der Kampf für die Nation, das Volk oder den Staat traten gegenüber dieser dominanten Deutung in den Hintergrund. Dieses Grundmuster entsprach der offiziellen Weltanschauung des Kaiserreiches, der kokutai-Ideologie, die als besondere Elemente der politischen Verfasstheit Japans erstens die göttliche Abstammung des Kaiserhauses, zweitens die Bedeutung der konfuzianischen Tugenden (vor allem der Loyalität zum Herrscher, chū) und drittens das Konzept des japanischen Staates als einer großen Familie (kazoku kokka) mit dem Tennō als pater familias betonte.20 Die Deutungsfigur des Todes für den Monarchen und die religiöse Aufladung behielten sowohl unter den Bedingungen der Demokratisierungstendenzen der Taishō-Zeit (1912–1926) und der ersten Jahre der anschließenden Shōwa-Zeit als auch unter den Bedingungen der totalen Kriegführung und des massenhaften Sterbens von Soldaten und Zivilisten während des Asiatisch-Pazifischen Krieges (1931–1945) ihre Gültigkeit. Die religiöse Begründung der Herrschaft des Tennō als Legitimationsinstanz politischer Ordnung führte damit vor 1945 zu einem dezidierten und dominierenden monarchischen und religiösen Bezug im Gefallenenkult und determinierte dessen Pfadstruktur. Dies stand der „genuinen Säkularisierung“, die Koselleck für die europäisch-nordamerikanische Tradition diagnostiziert hat, diametral entgegen. In Japan entwickelte sich stattdessen als eine Neuschöpfung unter Rückgriff auf tatsächliche oder erfundene historische Traditionen zwischen 1868 und 1945 eine „politische Sakralisierung“, welche die Institutionen und das Handeln des Nationalstaates mit religiösen Bedeutungen verband. Erst die vollständige militärische Niederlage 1945, die durch die US-Amerikaner und die japanische Regierung in der Besatzungszeit initiierten Reformen sowie die innerjapanischen Reaktionen hierauf veränderten sowohl die politische Verfasstheit als auch die Inhalte des Gefallenenkultes in Japan.21 Anders
and Japanese as Americans during World War II, Berkeley u. a.: University of California Press 2011, S. 40–77, Zitat S. 48. 20 Vgl. einführend zur kokutai-Ideologie Antoni, Klaus: Kokutai. Das Nationalwesen als japanische Utopie, In: Ders.: Der himmlische Herrscher und sein Staat. Essays zur Stellung des Tennō im modernen Japan, München: Iudicium 1991, S. 31–59; Ders.: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens (kokutai). Der religiöse Traditionalismus in Neuzeit und Moderne Japans, Leiden/Boston/Köln: E. J. Brill 1998; Shimazono, Susumu: State Shinto and Emperor Veneration, In: Shillony, Ben-Ami (Hg.): Emperors of Modern Japan, Leiden/Boston: E. J. Brill 2008, S. 53–78; Zöllner, Reinhard: Lorenz von Stein und kokutai, In: Oriens extremus 33 (1990), Heft 1, S. 65–76. 21 Grundlegend für die Besatzungszeit Dower, John W.: Embracing Defeat. Japan in the Wake of World War II, New York/London: W. W. Norton 1999; Ders.: Empire and Aftermath. Yoshida
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gewendet: die Erfahrung der vollständigen Niederlage und die grundlegende Neustrukturierung der politischen Ordnung veränderten die Rahmenbedingungen und erzwangen eine Pfadänderung in der Geschichte des politischen Totenkultes. Für seine weitere Entwicklung nach 1945 waren dabei sechs Faktoren bestimmend: Erstens beendeten die Besatzungsbehörden die bisherigen Praktiken des Gefallenengedenkens wie die Durchführung öffentlicher Beisetzungen oder Gedenkzeremonien, die Errichtung neuer Denkmäler, aber auch sozialstaatliche Maßnahmen wie Pensionszahlungen an Hinterbliebene. Auch wurde die Denkmalslandschaft radikal verändert, indem über 6.000 Gefallenendenkmäler abgerissen und über 1.000 weitere in ihrer Erscheinungsform verändert wurden.22 Weit folgenschwerer waren zweitens die Veränderungen, die mit der abrupt veränderten Rolle des Shōwa-tennō einhergingen und die eine Fortführung des monarchischen Bezuges in seiner alten Form verhinderten. In der öffentlichen Inszenierung wurde in den ersten Monaten der Besatzungszeit aus dem quasiabsoluten Monarchen und omnipotenten Oberbefehlshaber der Kaiserlichen Streitkräfte ein demokratie- und friedliebendes Staatsoberhaupt, das dem Eintritt seines Landes in den Krieg ablehnend gegenübergestanden habe.23 Damit war das soldatische Sterben im gerade beendeten Asiatisch-Pazifischen Krieg nicht mehr direkt als ein Akt der Loyalität ihm gegenüber interpretierbar. Drittens distanzierte sich die japanische Gesellschaft nach 1945 nachhaltig von Krieg und Militär und wandte sich über alle politischen Lager hinweg dem Pazifismus zu.24 Frieden wurde neben Demokratie zum neuen Staatsziel erhoben, und die neue Verfassung von 1946 untersagt den Unterhalt von Streitkräften. Schließlich verhinderte viertens das Ende des Staatsshintō in den ersten Jahren der Besatzungszeit, das mit dem Gebot der Trennung von Staat und Religion ebenfalls Eingang in die neue Verfassung fand, de jure eine Fortführung des religiösen Gefallenen-
Shigeru and the Japanese Experience, Cambridge (Mass.)/London: Council on East Asian Studies 1988 (1979); Takemae, Eiji: The Allied Occupation of Japan, übers. von Ricketts, Robert/ Swann, Sebastian, New York/London: continuum 2003; Amemiya, Shōichi: Senryō to kaikaku (= Shiriizu Nihon kin-gendai-shi 7), Tōkyō: Iwanami shoten 2008; Rekishi-gaku kenkyū-kai/Nihonshi kenkyū-kai (Hg.): Sengo Nihon-ron (= Nihon-shi kōza 10), Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppankai 2005; zur veränderten Rolle des Tennō Ruoff, Kenneth J.: The People’s Emperor. Democracy and the Japanese Monarchy 1945–1995, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 2001. Siehe auch Kap. 5.1 dieser Studie, dort weiterführende Literatur. 22 Lucken, Michael: Remodelling Public Space. The Fate of War Monuments 1945–1948, In: Schwentker, Wolfgang/Saaler, Sven (Hg.): The Power of Memory in Modern Japan, Folkestone: Global Oriental 2008, S. 135–154, hier S. 138–139. 23 Vgl. Ruoff, Kenneth J.: The People’s Emperor. 24 Orr, James J.: The Victim as Hero. Ideologies of Peace and National Identity in Postwar Japan, Honolulu: University of Hawai’i Press 2001.
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kultes durch den Staat.25 Jedoch wurden fünftens die shōkon-Schreine trotz ihrer Funktion als Säule des Staatsshintō nicht zerstört, sondern als religiöse Körperschaften in die Unabhängigkeit entlassen, wodurch sie nach einer kurzen Übergangsphase in Lehre und ritueller Praxis die klassischen Deutungsangebote des staatlichen Gefallenengedenkens (und anderer Lehren des Staatsshintō) aus der Zeit vor 1945 tradieren konnten. Schließlich standen sechstens der Demokratisierung der politischen Ordnung Japans in der Besatzungszeit eine nur bedingte Distanzierung von der imperialen Vergangenheit und eine ebenso nur bedingte Akzeptanz der neuen Verfassung durch die in der Nachkriegszeit fast durchgängig herrschenden konservativen politischen Eliten gegenüber. Daraus resultierte ein Spannungsverhältnis von Kontinuität und Bruch, das auch den Pfad des politischen Totenkultes in der Nachkriegszeit bestimmte.26 Es machte eine bruchlose Anknüpfung an die Traditionsbestände der Totenehrung aus der Zeit vor 1945 schwierig bzw. unmöglich, erschwerte bzw. verhinderte aber zugleich eine nachhaltige inhaltliche Neupositionierung des japanischen Staates nach der Niederlage im Asiatisch-Pazifischen Krieg, konkret auch in Hinblick auf den Umgang mit Gefallenen. Die „erzwungene Distanzierung“ des Staates von den überkommenen Formen des Gefallenengedenkens nach Kriegsende verlangte also eine Lösung von den auf den Monarchen ausgerichteten und religiös konnotierten Sinnstiftungsmustern, seinen Orten und Symbolen sowie die Entwicklung neuer Formen der Totenehrung. Mit der nicht auf die Vergangenheit vor, sondern auf die Gegenwart und Zukunft nach 1945 gerichteten Formel der „Fundamente des Friedens“ (heiwa no ishizue) fand der japanische Staat eine neue integrative Deutungsfigur. Sie gestattete es, die Ehrung der Kriegstoten wiederzubeleben, ohne sich von der imperialen Vergangenheit explizit distanzieren zu müssen, diese aber zugleich mit dem Pazifismus und der Demokratie der neuen politischen Ordnung zu verknüpfen. Darüber hinaus ist die japanische Gesellschaft seit der Rückgewinnung der Souveränität 1952 aber durch ein spannungsreiches Neben- und Gegeneinander traditioneller und
25 Zum Ende des Staatsshintō bis heute klassisch v. a. Woodard, William P.: The Allied Occupation of Japan 1945–1952 and Japanese Religions, Leiden: E. J. Brill 1972. Woodard war während der Besatzungszeit Mitarbeiter der für religiöse Fragen zuständigen Abteilung der Besatzungsbehörden und verfügte daher über eine exzellente Expertise, die in seine Studie einfloss. 26 Weiterführend sowie Deutschland und Japan vergleichend Hettling, Manfred/Schölz, Tino: Kako to no danzetsu to renzoku. 1945-nen irai no Doitsu to Nihon ni okeru kako to no torikumi, In: Yōroppa kenkyū 6 (2007), S. 93–118.
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neuer Deutungen soldatischen Sterbens gekennzeichnet.27 Dieses ging mit einer nachhaltigen Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Trägergruppen einher, die durch die zurückgenommene Rolle des Staates zudem einen tiefgreifenden Funktionswandel durchmachten. Das Gefallenengedenken ist seither politisch hochgradig umstritten und bis heute eine der zentralen Bühnen der Auseinandersetzungen über den Umgang mit der Vergangenheit, die Beziehungen insbesondere zu den ostasiatischen Nachbarn wie auch die Festlegungen der Nachkriegsverfassung.28 Die Konflikte bündeln sich dabei vor allem in der Frage der Besuche japanischer Premierminister am Yasukuni-Schrein. Sie werden als solche spätestens seit den 1980er Jahren international als Indikator für den Umgang Japans mit seiner aggressiven Expansionspolitik vor 1945 wahrgenommen, was nicht zuletzt die mediale Aufmerksamkeit gegenüber dem „Kriegsschrein“ auch in Deutschland belegt.29 Systematisch lassen sich hierbei freilich vor allem drei zentrale Konfliktfelder unterscheiden: erstens das Problem der symbolpolitischen (und damit verknüpft der normativen) Distanzierung von der imperialen Vergangenheit Japans,30 zweitens die Frage, wer im japanischen Gefallenengedenken erinnert wird (und wer nicht), sowie drittens der Komplex der Trennung von Staat und Religion und damit einer möglichen Wiederbelebung staatsshintōistischer Riten und Praktiken durch den Staat.31 Dabei belegen sowohl die Ehrung der Gefallenen aus den Kriegen vor 1945 als auch der Umgang mit den Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte nach 1950 die Widersprüchlichkeit und die Spannungen, welche die japanische Öffentlichkeit seit 1945 bis in die Gegenwart in dieser Frage kennzeichnen. Fragestellung. Die vorliegende Studie verfolgt das Ziel, die Prozesse der Herausbildung und Transformation des öffentlichen Gefallenenkultes in Japan vor dem Hintergrund des Wandels der politischen Verfasstheit der japanischen Gesellschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart in ihren Grundzügen darzustellen und zu analysieren. Der Fokus liegt hierbei zum einen auf
27 Die Bandbreite möglicher Deutungsmuster zeigt sich vor allem in der regionalen Differenzierung der Denkmalslandschaft oder der in allen Präfekturen Japans vertretenen shōkon-Schreine, vor allem der sog. Landesverteidigungsschreine. Siehe hierzu vor allem Kap. 6.3. 28 Streng genommen erlangte Japan seine volle Souveränität erst mit der Rückgabe Okinawas im Mai 1972 wieder. Für die Zeit nach 1952 vgl. Kap. 6.1, dort weiterführende Literatur. 29 So zuletzt etwa Welt online am 22. April 2015 im Beitrag „Große Pilgerfahrt zu umstrittenem Kriegsschrein“ (www.welt.de/politik/ausland/article139906792/Grosse-Pilgerfahrt-zu-umstrittenem-Kriegsschrein.html, zuletzt eingesehen am 28. April 2015). 30 Hierzu weiterführend Osa, Shizue: Senryō-ki, senryō kūkan to sensō no kioku, Tōkyō: Yūshisha 2013. 31 Hardacre, Helen: Shintō and the State 1868–1988, Princeton: Princeton University Press 1989.
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den wichtigsten Strukturen und Ausprägungen des staatlichen Totenkultes und zum anderen auf der Funktion, dem Handeln und der Interaktion von staatlichen Institutionen und von bedeutenden Trägergruppen des Gefallenengedenkens. Konkret werden dabei in einer diachronen Analyse erstens die Muster von Deutung und Legitimation soldatischen Sterbens, zweitens die Mechanismen von Inklusion und Exklusion in die japanische Erinnerungslandschaft des Kriegstotengedenkens, drittens die konkreten Repräsentationen des Gefallenenkultes in Form von Objekten und Riten, welche die Deutungsangebote des politischen Totenkultes vermitteln und auf Dauer stellen, und viertens dessen jeweilige Träger und deren Interaktion, m. a. W. die Akteurskonstellationen des öffentlichen Gedenkens, untersucht. Dabei wird grundsätzlich versucht, nicht nur die zentralstaatliche nationale Gedenkkultur zu analysieren, sondern erweiternd und ergänzend auch regionale und lokale Ausprägungen mit in die Betrachtung einzubeziehen, wodurch eine größere Vielfalt des politischen Totenkults als bei einer Beschränkung allein auf die zentralstaatliche Ebene sichtbar wird. Die Studie geht dabei von folgenden vier Grundannahmen aus, die den Interpretationsrahmen und die Leitperspektiven bestimmen: 1. Gefallenenkult ist zwar ein globales Phänomen, seine konkrete Ausprägung in einem Staat basiert aber auf der jeweiligen politischen Verfasstheit und den jeweiligen historischen Erfahrungen in Bezug auf Krieg und das Ausüben und Erleiden von Gewalt. Die Rückgebundenheit des politischen Totenkultes an die spezifischen Staatsbildungsprozesse, an den jeweiligen nationalen Handlungsrahmen sowie dessen Transformationsprozesse konstituiert damit gleichsam eine globale Grundgemeinsamkeit, die jede Analyse des Gefallenengedenkens zugleich zu einer Untersuchung eines zentralen Elementes der Entwicklung neuzeitlicher Staatlichkeit macht.32 Dieser Zusammenhang verweist erstens auf die Funktion von Gewalterfahrungen für die Konstruktionen politischer Kollektive und Identitäten.33 Diese werden durch vielfältige Mechanismen vermittelt bzw. in Enscheidungen transformiert, oft durch symbolische Politik, aber auch durch sozialstaatliche Maßnahmen.34
32 Vgl. Hettling, Manfred: Nationale Weichenstellung und Individualisierung der Erinnerung, S. 11–12. 33 Berghoff, Peter: Der Tod des politischen Kollektivs; Leonhard, Jörn: Bellizismus und Nation; Flacke, Monika (Hg.): Mythen der Nationen; Buschmann, Nikolaus/Langewiesche, Dieter (Hg.): Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA. 34 Siehe hierzu etwa Schröer, Christina: Republik im Experiment. Symbolische Politik im revolutionären Frankreich (1792–1799), Köln/Weimar: Böhlau 2014; Skocpol, Theda: Protecting Soldiers and Mothers. Political Origins of Social Policy in the United States, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 1992.
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Zweitens haben die Gewalterfahrungen die Entstehung der jeweiligen nationalen Erinnerungskulturen grundlegend geprägt.35 Und drittens wird damit schließlich noch einmal der bereits oben erwähnte Zusammenhang von Staatsbildung, Kriegführung und Militärverfassung unterstrichen. Dieser Zusammenhang ist in Europa bereits seit der Renaissance zu beobachten. Aber erst mit der Herausbildung des modernen Nationalstaates, in Europa seit dem 18. Jahrhundert, in Japan seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, gewann er eine besondere Dynamik. Wie in den westlichen Gesellschaften erforderte auch in Japan die sich in wenigen Jahrzehnten komprimiert vollziehende Schaffung des Nationalstaates neue Legitimations- und Deutungsmuster des politischen Kollektivs und des soldatischen Sterbens. Der Wandel des Gefallenengedenkens in den folgenden anderthalb Jahrhunderten erweist sich daraufhin als Faktor wie Indikator der Transformation der politischen Verfasstheit und der Deutungen der Erfahrungen von Krieg und Gewaltanwendung. Anders gewendet: Der moderne Gefallenenkult entsteht zwar zeitlich parallel und gemeinsam mit dem modernen Nationalstaat. Er darf aber in der historischen Analyse nicht auf eine Funktion des Nationalstaates (oder gar des Nationalismus) verkürzt werden. 2. Neben der Verfasstheit des politischen Kollektivs und den konkreten Erfahrungen in Bezug auf Gewalt ist der neuzeitliche Gefallenenkult – wie nota bene auch der Nationalismus – in Japan durch die religiösen und kulturellen Prägungen
35 Berding, Helmut/Heller, Klaus/Speitkamp, Winfried (Hg.): Krieg und Erinnerung. Fallstudien zum 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000. Zur Einführung in das inzwischen reich bearbeitete Feld Erinnerungskultur klassisch Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München: C. H. Beck 1992; Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München: C. H. Beck 1999; Cornelißen, Christoph: Was heißt Erinnerungskultur? Begriff – Methoden – Perspektiven, In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 54 (2003), S. 548–563. Ein kritischer Überblick über die Konzepte bei Jureit, Ulrike: Opferidentifikation und Erlösungshoffnung. Beobachtungen im erinnerungspolitischen Rampenlicht, In: Dies./Schneider, Christian: Gefühlte Opfer. Illusionen der Vergangenheitsbewältigung, Stuttgart: Klett-Cotta 2010, S. 17–103; Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, Stuttgart: J. B. Metzler 2005. Für den hier diskutierten Zusammenhang siehe auch Cornelißen, Christoph/Klinkhammer, Lutz/Schwentker, Wolfgang (Hg.): Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan seit 1945, Frankfurt a. M. 2004; Schwentker, Wolfgang/Saaler, Sven (Hg.): The Power of Memory in Modern Japan, Folkestone: Global Oriental 2008. Für den ostasiatischen Kontext zuletzt auch Tsuru bunka daigaku hikaku bunka gakka (Hg.): Semegiau kioku. Rekishi no sai-kōchiku o meguru hikaku bunka-ron, Tōkyō: Kashiwa shobō 2013; Ikō, Toshiya: Sensō wa dō kioku sareru no ka. Nit-Chū ryōkoku no kyōmei to sōkoku, Tōkyō: Kashiwa shobō 2014.
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bestimmt,36 die sich erheblich von den religiösen (christlich-monotheistischen) und kulturellen (v. a. auf den antiken Denkschulen aufbauenden philosophischen) Traditionen der europäisch-nordamerikanischen Gesellschaften unterscheiden.37 Dies zeigt sich vor allem in der Divergenz von Todes- und Jenseitsvorstellungen, im Umgang mit Verstorbenen, in den Ritualen der Trauer oder in andersartigen Konzepten von Göttlichkeit, Apotheose usw.38 Diese Differenz bei gleichzeitigen historischen Parallelen in Bezug auf politische, gesellschaftliche und ökonomische sowie kulturelle Modernisierungsprozesse seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ohne die Erfahrung einer kolonialen Überformung begründet zugleich die Relevanz des japanischen Beispiels für einen möglichen Vergleich mit den europäisch-nordamerikanischen Befunden.39 3. Der politische Totenkult stiftet, indem er den Tod des Soldaten politisch deutet, zum einen Identität, zum anderen Legitimität. Er ist Faktor wie Indikator sowohl der Legitimität der politischen Ordnung als auch der Anwendung von legitimer Gewalt in einer Gesellschaft.40 Beide sind zwar systema-
36 Siehe zu diesem Zusammenhang auch Anderson, Benedict: Die Erfindung der Nation; Antoni, Klaus/Kubota, Hiroshi u. a. (Hg.): Religion and National Identity in the Japanese Context, Hamburg: LIT-Verlag 2002; Kap 1 der vorliegenden Studie, dort weiterführende Literatur. 37 Zu den westlichen Befunden siehe z. B. Krumeich, Gerd/Lehmann, Hartmut: „Gott mit uns“. Nation, Religion und Gewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000; Holzem, Andreas: Religion und Kriegserfahrung. Christentum und Judentum des Westens in der Neuzeit, In: Schild, Georg/Schindling, Anton (Hg.): Kriegserfahrungen – Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit. Neue Horizonte der Forschung, Paderborn: Schöningh 2009, S. 135–178. 38 Zum kultur- und religionswissenschaftlichen Vergleich von Vorstellungen und Pratiken in Bezug auf Tod und Verstorbene Hertz, Robert: Beitrag zur Untersuchung der kollektiven Repräsentation des Todes, In: Ders.: Das Sakrale, die Sünde und der Tod. Religions-, kultur- und wissensoziologische Untersuchungen, Konstanz: UVK 2007, S. 65–180; Ariès, Philippe: Geschichte des Todes, München: dtv 1982; Assmann, Jan/Maciejewski, Franz u. a. (Hg.): Der Abschied von den Toten. Trauerrituale im Kulturvergleich, Göttingen: Wallstein 2005; Klimkeit, Hans-Joachim (Hg.): Tod und Jenseits im Glauben der Völker, Wiesbaden: Harrasowitz 1993; Macho, Thomas: Tod und Trauer im kulturwissenschaftlichen Vergleich, In: Assmann, Jan (Hg.): Der Tod als Thema der Kulturtheorie. Todesbilder und Totenriten im Alten Ägypten, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2000, S. 89–119; Hasenfratz, Hans-Peter: Der Tod in der Welt der Religionen, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2009. 39 Jürgen Osterhammel bezeichnete Japan für die außereuropäische Vergleichskonstellation unter allen nicht-westlichen Gesellschaften den am besten geeigneten, für manche Zwecke sogar den einzig möglichen Kandidaten. Vgl. Osterhammel, Jürgen: Sozialgeschichte im Zivilisationsvergleich, In: Ders.: Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaates. Studien zu Beziehungsgeschichte und Zivilisationsvergleich, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001, S. 46–72, hier S. 51. 40 Vgl. Hettling, Manfred: Nationale Weichenstellung und Individualisierung der Erinnerung, S. 11–12.
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tisch voneinander zu unterscheiden, waren und sind aber meist aufeinander bezogen. Im Gegenzug dient er aber auch der Abgrenzung, zum einen (meist zeitgenössisch) vom tatsächlichen oder imaginierten Gegner des politischen Kollektivs, zum anderen (oft im diachronen Wandel) auch von Staats- oder Gesellschaftsordnungen, von denen sich dieses Kollektiv distanziert. 4. Das Beispiel Japans zeigt, dass politischer Totenkult nicht nur, im Sinne Kosellecks, als Identitätsstiftung der Überlebenden verstanden werden sollte.41 Denn darüber hinaus verfügten die mit ihm verbundenen Leitbilder, normativ aufgeladenen Handlungsmuster und religiöse Vorstellungen insbesondere in den Jahrzehnten vor 1945 sowohl über eine handlungsleitende als auch über eine identitätsstiftende Funktion für die den eigenen Tod antizipierenden Soldaten (und in der Endphase des Asiatisch-Pazifischen Krieges auch zunehmend Zivilisten), mithin also vor dem eigenen gewaltsamen Tod. Dieser Zusammenhang verweist in besonderem Maße auf die Frage nach der Relevanz des Gefallenenkultes für soziales Handeln in einer Gesellschaft im Krieg. Die Analyse verbindet politik-, sozial- und kulturgeschichtliche Zugänge. Dieser Methodenpluralismus spiegelt den Umstand, dass sich das Phänomen politischer Totenkult nicht über einen konkreten methodischen Zugang allein hinreichend analysieren lässt. Vielmehr verfügt es durch die Rückbindung an das jeweilige politische Kollektiv über politische, durch die Breite der sozialen Trägerschaft u. ä. über gesellschaftliche oder durch die kulturelle und religiöse Bedingtheit, aber auch durch die Gegenständlichkeit der Objekte und die mit ihnen verbundenen sozialen Praktiken über kulturelle Dimensionen, welche gerade in ihrer Wechselwirkung zu untersuchen sind. Außerdem wurde ein diachroner Längsschnittzugriff gewählt, um den historischen Wandel im langen Bogen analysieren zu können. Jeder kürzere Analysezeitraum würde die Sichtbarmachung der Traditionen und die Erforschung ihres Beharrungsvermögens, mit anderen Worten die Analyse der Pfadstruktur des japanischen Gefallenengedenkens, erschweren. Die Periodisierung und der Zuschnitt der einzelnen Teile orientieren sich dabei an den klassischen Umbrüchen der politischen Geschichte Japans, welche die Militär- und Kriegsgeschichte geprägt und damit die Realität des soldatischen Sterbens strukturiert haben. Die Festlegung, den Schwerpunkt dieser Studie zum einen auf die wichtigsten Strukturen und Ausprägungen des staatlichen Gefallenengedenkens und zum
41 Hier konkret verstanden als Denkmalsgestaltung. Koselleck, Reinhart: Kriegerdenkmale als Identitätsstiftung der Überlebenden.
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anderen auf die Funktion und das Handeln seiner kollektiven Träger zu legen, um damit den Wandel des politischen Totenkultes in Abhängigkeit von den Transformationsprozessen der politischen Verfasstheit der japanischen Gesellschaft im langen Bogen sichtbar zu machen, ist zwangsläufig eine Entscheidung gegen mögliche andere Zugriffe. So findet etwa die Frage nach einer Wahrnehmung „von unten“, also nach der Rezeption der von oben entwickelten und gesellschaftlich vermittelten Deutungsmuster soldatischen Sterbens oder auch nach privaten Formen der Erinnerung an Gefallene innerhalb der Familie oder im dörflichen Nahraum keine systematische Berücksichtigung. Nur exemplarisch und partiell ist es möglich, den kontrastierend ergänzenden Blick auf Rezeptionsvorgänge von unten zu legen. Ausgespart bleiben darüber hinaus auch zum einen ökonomische Aspekte, etwa die Frage nach sozialstaatlichen Regelungssystemen für Versehrte und Hinterbliebene, zum anderen im engeren Sinne kunstgeschichtliche Fragen, z. B. nach den visuellen Elementen und den ihnen eigenen Traditionen, und schließlich genderspezifische Dimensionen des Gegenstandes (wie den Geschlechterrollen und -stereotypen im Gefallenenkult, der Rolle von Frauen als Hinterbliebene etc.).42 Die Konzentration auf die oben skizzierten historischen Schwerpunkte ist dabei zum Teil der Überlieferung bzw. dem Forschungsstand geschuldet; darüber hinaus hätte eine systematische Berücksichtigung weiterer Schwerpunkte den Rahmen der vorliegenden Studie gesprengt. Auch die transnationale Dimension kann nicht umfassend berücksichtigt werden. So können die Einflüsse der chinesischen und koreanischen Traditionen in der Entstehungsphase nur ausnahmsweise sichtbar gemacht werden, und auch die Erscheinungen des Gefallenenkultes in den japanischen Kolonien vor 1945 können hier ebensowenig analysiert werden wie nationale Grenzen übergreifende Rezeptions- und Transferprozesse, die sich z. B. in der partiellen Übernahme japa-
42 Vgl. zu diesem Thema etwa: Kawamura, Kunimitsu: Yasukuni to onna. Jūgun kangofu to ‚Kudan no haha‘ o megutte, In: Ders. (Hg.): Senshi-sha no yukue. Katari to hyōshō kara, Tōkyō: Seikyū-sha 2003, S. 192–246; Taya Cook, Haruko: Women’s Deaths as Weapons of War in Japan’s ‚Final Battle‘, In: Molony, Barbara/Uno, Kathleen (Hg.): Gendering Modern Japanese History, Cambridge (Mass.)/London: Harvard University Asia Center 2005, S. 326–358; in Bezug auf Männer Cook, Theodore F. Jr.: Making ‚Soldiers‘. The Imperial Army and the Japanese Man in Meiji Society and State, In: a. a. O., S. 259–294; Germer, Andrea/Mackie, Vera/Wöhr, Ulrike (Hg.): Gender, Nation and State in Modern Japan, London/New York: Routledge 2014; Karlin, Jason G.: Gender and Nation in Meiji Japan. Modernity, Loss, and the Doing of History, Honolulu: University of Hawai’i Press 2014. Zu Deutschland etwa Frevert, Ute: Die kasernierte Nation. Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland, München: C. H. Beck 2001; Hagemann, Karen: „Mannlicher Muth und teutsche Ehre.“ Nation, Militär und Geschlecht zur Zeit der antinapoleonischen Kriege Preußens, Paderborn: Schönigh 2001.
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nischer Traditionen in den bis 1945 als Kolonien beherrschten Gesellschaften Taiwans oder Südkoreas zeigen. Darüber hinaus wird politischer Totenkult hier in Anlehnung an Koselleck als Gefallenengedenken im engeren Sinne verstanden; die Rolle von Toten für die Legitimation von Herrschaft oder politische Integration im weiteren Sinne wird nicht systematisch betrachtet.43 Schließlich wird Okinawa nicht in diese Studie einbezogen, da es sich in mehrfacher Hinsicht um einen Sonderfall handelt – so verfügt es durch seine Vorgeschichte als Königreich Ryūkyū über abweichende historische und religiöse Traditionen, es wurde erst im Verlauf der Meiji-Zeit in den japanischen Staat integriert, es erlebte mit dem Kampf um Okinawa im Sommer 1945 eine besonders verheerende Landschlacht, wodurch die Kriegs- und Gewalterfahrungen der Bevölkerung deutlich von denen der Hauptinseln differieren, und es unterstand zwischen 1945 und 1972 der USamerikanischen Verwaltung, so dass sich auch die strukturellen Rahmenbedingungen der Nachkriegszeit nachhaltig vom Rest Japans unterscheiden.44 Gliederung. Die Studie gliedert sich in drei Teile. In Teil I erfolgt eine Beschreibung und synthetisierende Bilanzierung der unterschiedlichen religiösen, kulturellen und ideellen Traditionselemente, auf denen der moderne Totenkult in seiner Entstehungsphase in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufbaute. Nach einer knappen Skizzierung der politischen und religiösen Rahmenbedingungen der Edo-Zeit (1600–1853/54) erfolgt eine Analyse des Umganges mit Kriegstoten in der japanischen Vor- und Frühmoderne sowie religiöser Entwicklungen wie der Herausbildung shintōistischer und buddhistischer Bestattungszeremonien. Zu diesen weit zurückreichenden Traditionselementen sind auch die kultische Praxis der Besänftigung von Rachegeistern (goryō-Glaube) sowie ideelle Deutungsmuster wie die Ethik des Kriegeradels oder die konfuzianisch beeinflusste Verehrung loyaler Untertanen zu zählen. Ohne eine hinreichende Berücksichtigung vor- und frühmoderner Traditionen sowie der weit zurückreichenden religiösen und kulturellen Deutungsmuster bliebe eine Untersuchung des neuzeitlichen Gefallenenkultes unzureichend.
43 Als Beispiele für politischen Totenkult von Herrscherpersönlichkeiten vgl. Rader, Olaf B.: Grab und Herrschaft. Politischer Totenkult von Alexander dem Großen bis Lenin, München: C. H. Beck 2003; für Japan Hirai, Atsuko: Government by Mourning. Death and Political Integration in Japan 1603–1912, Cambridge (Mass.)/London: Harvard University Press 2014; Antoni, Klaus: Taisō no rei. Die Beisetzung des Shōwa-Tennō (24. Februar 1989) aus historischer Sicht, In: Ders.: Der himmlische Herrscher und sein Staat. Essays zur Stellung des Tennō im modernen Japan, München: Iudicium 1991, S. 190–239. 44 Siehe zur Gedenkkultur Okinawas zuletzt Kitamura, Tsuyoshi: Shisha-tachi no sengo-shi. Okinawa senseki o meguru hitobito no kioku, Tōkyō: Ochanomizu shobō 2009.
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Daran schließt sich der Hauptteil an, welcher das öffentliche Gefallenengedenken im Nationalstaat von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart beschreibt und analysiert. Teil II umfasst dabei die Phase des autoritär-monarchischen Nationalstaates, Teil III untersucht die Veränderungen, die mit der Niederlage 1945 und der anschließenden Demokratisierung einhergingen. Zunächst wird der Entstehungsprozess des politischen Totenkultes in der revolutionären Bakumatsu- (1853–1868) und frühen Meiji-Zeit (1868–1877) vor dem Hintergrund von Landesöffnung, mehrerer Bürgerkriege und beginnender Nationalstaatsbildung (mit einer tiefgreifenden Transformation der Staats- und Militärverfassung) sowie nachhaltiger Änderungen in nahezu allen Bereichen der japanischen Gesellschaft analysiert (Kap. 2). Danach werden die Veränderungen untersucht, welche aus der Transformation Japans zu einer imperialen Großmacht folgten. Diese führte militärisch erfolgreiche Kriege gegen ihre Nachbarn China (1894/95) und Russland (1904/05), verleibte Taiwan (1895) und Korea (1905/1910) in sein Kolonialreich ein und verfolgte nicht nur nach außen eine offene Expansionspolitik, sondern etablierte parallel im Inneren mit der Meiji-Verfassung von 1889/90 eine konstitutionelle Staatsordnung mit zugleich bemerkenswerten Ansätzen einer Demokratisierung in der Taishō-Zeit (Kap. 3). Inwiefern das öffentliche Gefallenengedenken in Japan unter den Bedingungen der totalen Kriegführung und des massenhaften Sterbens von Soldaten und Zivilisten während des Asiatisch-Pazifischen Krieges (1931–1945) eine Veränderung, eine Intensivierung, eine Radikalisierung oder auch eine diktatorische Überformung zeitigte, wird anschließend diskutiert (Kap. 4). Teil III der Studie untersucht das öffentliche Gefallenengedenken unter den Bedingungen einer demokratischen Verfasstheit der japanischen Gesellschaft seit 1945. Die Leitfrage dabei lautet, inwieweit die Erfahrung der Niederlage und einer tiefgreifenden Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine Pfadänderung in der Geschichte des politischen Totenkultes herbeigeführt hat. Die Analyse des demokratischen Japans erfordert dabei immer die parallele Untersuchung der „historischen“ Toten aus der Zeit der autoritären Herrschaftsordnung vor 1945 und der Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte (Jiei-tai) seit dem Ende der Besatzungsherrschaft. Als politische Faktoren sind hierbei die Bedingungen des Kalten Krieges und die Wiederbewaffnung, der Aufstieg Japans zu einer ökonomischen Großmacht sowie die Teilnahme an internationalen Friedens- und Kampfeinsätzen seit den 1990er Jahren zu berücksichtigen. Damit rücken nicht nur die Toten aus zwei unterschiedlichen politischen Ordnungen in den Mittelpunkt der Analyse, sondern auch die Probleme, die sich daraus für den staatlichen Gefallenenkult nach 1945 ergaben. Denn das demokratische Japan ist zum einen einer politischen Distanzierung von der politischen Verfasstheit in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges vor 1945 verpflichtet,
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zum anderen aber auch einem integrierenden Totengedenken, das beansprucht, nach wie vor alle für den Tennō gefallenen Soldaten zu erinnern und zu ehren. Deshalb werden zuerst die Veränderungen, welche sich unter den Bedingungen von Besatzungsherrschaft, Demokratisierungs- und Demilitarisierungsprozessen (1945–1952) vollzogen haben, ausführlich analysiert (Kap. 5). Inwiefern sich die neu implementierten Formen und Bedingungen des Totenkults als dauerhaft erweisen konnten und inwiefern sich im Japan der Nachkriegsordnung neue und eigenständige Elemente eines demokratischen Gefallenenkultes entwickelt haben, steht abschließend zur Diskussion (Kap. 6). Der Aufbau der Kapitel ist dabei im diachronen Ablauf analog. Es werden jeweils die gleichen Problemkomplexe erörtert. Das ermöglicht es, strukturelle Kontinuitäten wie auch grundlegende Veränderungen im Verlauf der anderthalb Jahrhunderte sichtbar zu machen. Zuerst werden Grundprobleme der politischen Verfasstheit der japanischen Gesellschaft in der jeweiligen Epoche, die Entwicklung des Militärs und die Kriegserfahrungen der japanischen Gesellschaft als Rahmenbedingungen des politischen Totenkults dargestellt. Sie markieren gewissermaßen die historische Herausforderung, unter der sich das Gefallenengedenken herausbildete und fortentwickelte. Anschließend werden die wichtigsten staatlichen und gesellschaftlichen Träger des offiziellen Totengedenkens in ihrer Funktion und Interaktion untersucht. Schließlich wird das eigentliche Gefallenengedenken in seinen Grundformen beschrieben und in seinen Bezügen und Strukturen analysiert. Dabei wird auf einen strikt analogen, sich an einem systematischen Frageraster orientierenden Aufbau verzichtet, da er zum einen die Dynamik der unterschiedlichen Epochen nur ungenau abbilden könnte, und zum anderen Überlieferung und Forschungsstand keine streng systematische Darstellung zulassen. So spiegelt etwa die ungleichgewichtige Behandlung der sozialen Trägergruppen in den einzelnen Kapiteln die Tatsache, dass gesellschaftliche Institutionen, welche die bis dato primär binnenmilitärischen Gedenkpraktiken aufgriffen und in den gesellschaftlichen Raum transferierten, erst in der zweiten Hälfte der Meiji-Zeit entstanden sind. Einen grundlegenden Funktionswandel erfuhren diese dann aber erst mit der Trennung von Staat und Religion nach 1945. Quellen und Literatur. Durch den multiperspektivischen Zugriff auf den Gegenstand wird eine Vielzahl unterschiedlicher Quellenarten für die Studie nutzbar. a) An erster Stelle stehen hierbei die materiellen Objekte des politischen Totenkultes wie Denkmäler, Schreine, Tempel, Friedhöfe, aber auch Museen, die in mehreren längeren Aufenthalten zwischen 2005 und 2015 in Japan besichtigt, erfasst und dokumentiert wurden. Neben dem Yasukuni-Schrein, dessen Geschichte wegen seiner herausgehobenen Bedeutung als zentralem Geden-
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kort eine maßgebliche Rolle einnimmt, sind hier an shintōistischen Heiligtümern vor allem der Sakurayama jinja und der Akama jingū in Shimonoseki, der Minatogawa jinja für Kusunoki Masashige in Kōbe, die Gokoku jina in Asahikawa, Fukuoka, Hagi, Hakodate, Hiroshima, Kagoshima, Kanazawa, Kōbe, Kumamoto, Kyōto, Miyazaki, Nagasaki, Naha, Nara, Niigata, Okayama, Saga, Sapporo, Shimabara, Shizuoka, Takayama, Tsu und Yamaguchi sowie der Nanshū jinja in Kagoshima und der Nagaoka shōkon-sha zu nennen. Darüber hinaus wurden auch eine Reihe von Soldatenfriedhöfen erfasst: die Heeresfriedhöfe Omine (Omine rikugun bochi) und Hanaokayama (Hanaokayama rikugun bochi) in Kumamoto sowie in Fukuoka, Kanazawa, Hiroshima, Nagoya und Ōsaka sowie der Friedhof der Regierungstruppen (Kangun bochi) in Nanamoto in der Präfektur Kumamoto, die Gräber für die in der Schlacht von Toba-Fushimi Gefallenen aus Chōshū in Kyōto, die Grabanlagen für die gefallenen Regierungstruppen beim Saga-Aufstand im Kenkō-in in Saga, der Friedhof für die Gefallenen der Streitkräfte Saigō Takamoris im Südwest-Krieg (Nanshū bochi) in Kagoshima, der Friedhof der Weiße-TigerBrigade (Byakko-tai bochi) in Aizu-Wakamatsu, der Friedhof für die Angehörigen der Kihei-tai am Tōgyō-an in Shimonoseki sowie die Friedhöfe des Gokoku-ji in Tōkyō und des Oku-no-in auf dem Kōya-san in der Präfektur Wakayama. Schließlich wurden zahlreiche Denkmalsanlagen für die vorliegende Studie herangezogen und erfasst. Es handelt sich dabei nicht nur im engeren Sinne um Denkmäler (chūkon-hi) und Grabmäler (chūrei-tō, die eine Kombination aus Denkmal und Grabanlage darstellen) für Gefallene oder nach dem Asiatisch-Pazifischen Krieg als Kriegsverbrecher Hingerichtete, sondern auch um Gedenkobjekte für historische Persönlichkeiten der vormodernen wie modernen japanischen Geschichte, Denkmäler zur Erinnerung an spezifische militärische Ereignisse wie Feldzüge, an militärische Einheiten usw. An publiziertem Material sind Gesamtaufnahmen der Denkmalsbestände in mehreren Präfekturen (u. a. Okinawa, Yamaguchi, Tōkyō, Gunma, Chiba, Saitama, Ibaraki, Shizuoka und Kanagawa), eine leider unvollständige landesweite Erhebung von Denkmälern mit Bezug zum Krieg und eine landesweite Erhebung der Militärfriedhöfe zu nennen.45 Bei der Auswertung
45 Zaidan hōjin Okinawa-ken heiwa kinen zaidan (Hg.): Okinawa no irei-tō, hi, Itoman: Bunshin insatsu 2007; Yasukuni jinja: Tōkyō-to chūkon-hi nado konryū chōsa-shū, Tōkyō: Taiyō-sha 1995; Ders.: Kanagawa-ken chūkon-hi nado konryū chōsa-shū, Tōkyō: Taiyō-sha 1996; die landesweite Erhebung der Denkmäler mit einem Bezug zum Krieg Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan (Hg.): Kin-gendai no sensō ni kan-suru kinen-hi, Sakura: Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsukan 2003; Chiba-ken gokoku jinja/Ebine, Isao: Chiba-ken no chūkon-hi. Go-sōritsu 120-nen kinen, Chiba: Chiba-ken gokoku jinja 1998; Gunma-ken gokoku jinja/Ebine, Isao: Gunma-ken
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materieller Objekte wurden auf der Textebene zum einen Inschriften, die Auskunft etwa über Denkmalsstifter, den Zeitpunkt der Errichtung oder auch bauliche Veränderungen wie Renovierungen enthalten, zum anderen zusätzlich öffentlich zugängliches Informationsmaterial wie erläuternde Tafeln oder entsprechende Handzettel, die meist von lokalen historischen Vereinigungen verfasst worden sind, herangezogen. Diese präsentieren oft eine bemerkenswerte Fülle an Informationen zur Geschichte dieser Objekte. b) Ferner wurden auch Bildmedien des Gefallenenkultes herangezogen, welche visuelle Informationen enthalten. Damit können sowohl einzelne Objekte, die nicht mehr existieren, in ihrer physischen Beschaffenheit erschlossen, können Veränderungen erkannt und die Rezeption und populare Vermittlung (wenigstens ansatzweise) sichtbar gemacht werden. Zu nennen sind hier etwa Bilder, v. a. die offiziösen Photosammlungen der Außerordentlichen Schreinfeste am Yasukuni,46 aber auch Postkarten oder Filme, welche vor allem Rückschlüsse auf Praktiken des Gefallenengedenkens zulassen,
no chūrei-tō nado. Go-chinza 60-shūnen kinen, Takasaki: Asao-sha 2001; Ebine, Isao: Sensō no ishibumi. Saitama-ken, Urawa: Saitama shinbun-sha 1985; Ders.: Chūkon-hi. Ibaraki-ken, 2 Bde., Tōkyō: Tōsen shuppan 1984; Shizuoka-ken gokoku jinja: Shizuoka-ken chūkon-hi nado zenshū, Shizuoka: Shizuoka-ken gokoku jinja 1991; Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei: Furusato to chūkon-hi, Yamaguchi: Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei 1997; für die nördlichen Inseln der Gotō-Gruppe Hiyama, Yukio: Kindai Nihon senbotsu-sha irei no shūkyō-sei ni tsuite. Nagasaki-ken Minami-matsuura-gun Shin-kamigotō-chō o jirei ni, In: Chūkyō daigaku shakai kagaku kenkyū 26 (2006) 2, S. 1–229; für die Militärfriedhöfe Yamabe, Masahiko: Zenkoku riku-kaigun bochi ichiran, In: Arai, Katsuhiro/Ichinose, Toshiya (Hg.): Irei to haka (= Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan kenkyū hōkoku 102), Sakura: Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan 2003, S. 593–696. 46 Rinji taisai iin: Meiji 39-nen 5-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Tōkyō: Ogawa Kazumasa shuppan 1906; Rikugun-shō: Shōwa 8-nen 4-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Wakayama: Taishō shashin kōgei-jo 1933; Yasukuni jinja rinji taisai iin: Shōwa 12-nen 4-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Wakayama: Taishō shashin kōgei-sho 1937; Dass.: Shōwa 13-nen Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Wakayama: Taishō shashin kōgei-sho 1938; Dass.: Shōwa 14-nen 10-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Wakayama: Taishō shashin kōgei-sho 1939; Dass.: Shōwa 15-nen 4-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Wakayama: Taishō shashin kōgei-sho 1940; Dass.: Shōwa 15-nen 10-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Tōkyō: Kobayashi Matanana insatsu 1940; Dass.: Shōwa 16-nen 4-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Tōkyō: Kobayashi Matanana shuppan 1941; Dass.: Shōwa 16-nen 10-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Tōkyō: Kobayashi Matanana shuppan 1941; Dass.: Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō, Tōkyō: Seiun-dō 1942. Zahlreiche weitere Bildmedien zum Thema sind in der Datenbank zum Gefallenengedenken des Kenkyū suishin kaihatsu sentaa der Kokugaku-in Universität einsehbar unter www2.kokugakuin.ac.jp/kaihatsu/maa/resource.html (letzter Zugriff 30. Juni 2015).
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oder auch Geldscheine und Schulbücher, welche wichtige Repräsentationen des politischen Gefallenenkultes im Alltag darstellten. c) Eine besondere Bedeutung für die Analyse des öffentlichen Gefallenengedenkens kommt offiziellen staatlichen Dokumenten zu, vor allem Erlassen, Verlautbarungen, Mitteilungen, Berichten usw. Sie formulierten einerseits – vor allem in Form von Reden, Beileidsbekundungen, der Verleihung von Orden und Rangerhöhungen usw. – Deutungen soldatischen Sterbens. Zum anderen setzten sie in Form von Gesetzen, Befehlen, Anordnungen und Verwaltungsvorschriften, Urteilen und Begnadigungen rechtliche Normierungen für die Praxis des Umganges mit den Körpern Gefallener, den Formen des Gedenkens, die Errichtung von Denkmälern, Friedhöfen usw. d) Unter den Interviews, welche zum einen schriftlich nicht dokumentierte Aspekte vertieften und zum anderen gegenwärtige Entwicklungen sowie die individuelle Sicht von Akteuren beleuchteten, sind vor allem drei besonders hervorzuheben: mit Itagaki Tadashi, dem langjährigen Generalsekretär des Japanischen Hinterbliebenenverbandes und Mitglied des Oberhauses, am 11. März 2007, mit Sakamoto Yasuhiko, Oberpriester des Kumamoto-ken gokoku jinja und Nakamura Masaya, ebenfalls Priester am Kumamoto-ken gokoku jinja, am 28. Oktober 2012 und schließlich mit Matsumoto Tadashi, Priester am Kagoshima-ken gokoku jinja, am 27. Oktober 2012. e) Für die Analyse der Geschichte des Yasukuni-Schreines konnte zum einen auf die sehr umfangreiche vierbändige Quellensammlung, die im Gefolge des einhundertsten Jubiläums seiner Gründung vom Yasukuni jinja selbst herausgegeben wurde,47 zum anderen auf die Quellensammlungen zur Yasukuni-Problematik des Research and Legislative Reference Bureau der Bibliothek des Japanischen Parlamentes zurückgegriffen werden, welche zuerst 1976 und in einer erheblich erweiterten Neuauflage 2007 publiziert wurden.48 Erstere enthält vor allem Quellen aus der Provenienz des Schreines, letztere primär Quellen aus der Perspektive staatlicher Organe wie der Verwaltung oder des Parlamentes, womit sie insbesondere die öffentlichen und politischen Auseinandersetzungen in der Nachkriegszeit dokumentiert. Schließlich wurde auch der Bestand der Civil Information and Education Section des General
47 Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, 3 Bände, Tōkyō: Yasukuni jinja 1983–1984 und Ders. (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Jireki nenpyō, Tōkyō: Yasukuni jinja 1987. 48 Kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 1976 und Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsakyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007.
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Headquarter / Supreme Commander of the Allied Powers und die William P. Woodard Papers in Bezug auf die Geschichte des Yasukuni-Schreines in der Besatzungszeit hin ausgewertet.49 f) Schließlich fanden für die Analyse der Trägergruppen vor allem zwei Quellengattungen Verwendung: zum einen Zeitungen für Mitglieder, zum anderen Selbstdarstellungen von Organisationen wie z. B. Eigengeschichten von gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren auf den unterschiedlichsten Ebenen, wovon letztere vor allem aus Anlass von Gründungsjubiläen herausgegeben wurden und wichtige, sonst nicht zugängliche Quellen aus der Geschichte der entsprechenden Organisation abdrucken.50 Beide Gruppen ermöglichen in der Zusammenschau eine Analyse etwa der Organisationsstruktur, Finanzierung, Vernetzung, der Agenda oder von konkretem sozialen Handeln dieser Akteure. Darüber hinaus baut die vorliegende Studie auf einer ausdifferenzierten Forschungslandschaft in Japan auf.51 Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem politischen Totenkult in Japan kann man dabei grob in drei große Phasen unterteilen,52 die sich jedoch zeitlich durchaus auch verschränken.
49 Beide werden im Archiv der Bibliothek des Japanischen Parlamentes in Tōkyō (Kensei shiryōshitsu) als Microfiche verwahrt. 50 Zu den ausgewerteten Verbandzeitungen und Verbandsgeschichten gehören z. B. die Sensō gisei-sha, die Izoku shinbun, die Nihon izoku kōsei renmei kaihō und die Nihon izoku tsūshin. Selbstdarstellungen z. B. Nihon izoku-kai: Eirei to tomo ni sanjū-nen. Yasukuni jinja kokka goji undō no ayumi, Tōkyō 1976; Dies.: Nihon izoku-kai 15-nen-shi, Tōkyō: Nihon izoku-kai jimu-kyoku 1962; Kanagawa-ken izoku-kai: Kanagawa-ken izoku-kai 25-nen-shi, Tōkyō: Shinkyō-sha 1975; Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei: Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei 50-nenshi, Yamaguchi: Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei 1997; Onshi zaidan dōhō engo-kai kaishi hensan iin-kai (Hg.): Onshi zaidan dōhō engo-kai kaishi, Tōkyō: Dōhō engo-kai kaishi hensan iin 1960. Als Bsp. für einen staatlichen Akteur Kōsei-shō shakai, engo-kyoku engo gojū-nen-shi henshū iin-kai (Hg.): Engo gojū-nen-shi, Tōkyō: Gyōsei 1997. Darüber hinaus z.B. Zenkoku gokoku jinja-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai 25-nen-shi, Tōkyō: Zenkoku gokoku jinja-kai 1972; Gojū-nenshi henshū iin-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai gojū-nen-shi, Tōkyō: Zenkoku gokoku jinja-kai 1997. 51 Der vorliegende Überblick zum Forschungsstand zielt bewusst nicht auf Vollständigkeit, sondern v. a. darauf, die wichtigsten Monographien zum Thema in Bezug auf ihre thematische Schwerpunktsetzung und Fragestellung kurz vorzustellen. Ausführlicher wird die Literatur in den einzelnen Kapiteln erörtert. Eine umfassende Bibliographie der japanischen Forschung in Kokugaku-in daigaku kenkyū kaihatsu suishin sentaa (Hg.): Irei to kenshō no aida. Kin-gendai Nihon no senshi-sha-kan o megutte, Tōkyō: Kinsei-sha 2008, S. 281–302. 52 Vgl. Nishimura, Akira: Sengo Nihon to sensō shisha irei. Shizume to furui no dainamizumu, Tōkyō: Yūshi-sha 2006, S. 6–10; Azegami, Naoki: Irei, In: Rekishi kagaku kyōgi-kai (Hg.): Sengo rekishi-gaku yōgo jiten, Tōkyō: Tōkyō-dō shuppan 2012, S. 318.
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Der Hintergrund für die erste Phase, die zeitlich etwa in den 1970er und 1980er Jahren anzusiedeln ist, wurde dabei durch die politischen wie juristischen Auseinandersetzungen um den Yasukuni-Schrein gebildet, konkret um die Rücküberführung des Schreines in staatliche Trägerschaft, um die Besuche des Schreins durch Repräsentanten des japanischen Staates und um die Verfassungsmäßigkeit des offiziellen Gefallenengedenkens im Lichte des Gebotes der Trennung von Staat und Religion. Die zeitgenössische Politisierung spiegelte sich dabei in der Forschung wider, und sie stellt bis heute über alle Phasen und Richtungen hinweg ein wichtiges Merkmal – und zugleich Problem – der japanischen Forschung dar. Die bedeutendste Studie aus traditionskritischer Perspektive wurde dabei von dem zur marxistischen kōza-Fraktion zu rechnenden Historiker und Religionswissenschaftler Murakami Shigeyoshi 1974 mit „Irei to shōkon“ vorgelegt.53 Dessen bis heute in der Problemformulierung grundlegende Arbeit war einer der wenigen Versuche, die Geschichte des politischen Totenkultes im langen Bogen von den Anfängen in der Bakumatsu-Zeit (1853/54–1868) bis zur Gegenwart und dabei insbesondere seine Einbettung in den Staatsshintō sowie die politische Verfasstheit des Tennō-Systems zu analysieren. Hierdurch gelang es ihm, sowohl dessen religiöse Dimension als auch seine politische Funktion für die Konstitution des japanischen Nationalstaates in der MeijiZeit herauszuarbeiten. Allerdings lagen der zeitliche Schwerpunkt der Analyse Murakamis auf der Zeit vor 1945 und der inhaltliche Fokus auf der Geschichte der shōkon-Schreine, wodurch er zentrale Dimensionen und Entwicklungen wie die Bedeutung der öffentlichen Bestattungen vor 1945 oder die Transformation des staatlichen Gefallenengedenkens sowie dessen Pluralität nicht hinreichend berücksichtigte. In eine Reihe mit der Studie Murakamis gehört auch die 1984 vom Militärhistoriker Ōe Shinobu vorgelegte Monographie über die Geschichte des Yasukuni-Schreines.54 Ōhara Yasuo, ein Shintō-Forscher, stellte hingegen in seiner 1984 publizierten Studie „Chūkon-hi no kenkyū“ die Zuschreibung unter
53 Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon. Yasukuni no shisō, Tōkyō: Iwanami shoten 2001 (1974). Die kōza-Fraktion (wörtlich: Vorlesungs-Fraktion) war seit den 1930er Jahren gemeinsam mit der rōnō-Fraktion (wörtlich: Arbeiter-und-Bauern-Fraktion) die wichtigste Strömung innerhalb der marxistischen Geschichtswissenschaft in Japan. Der Hauptkonflikt zwischen beiden Schulen kreiste um die Frage, ob Japan mit der Meiji-Restauration bereits das Stadium einer bürgerlichen Gesellschaft erreicht habe, oder ob sich Japan noch in einem halbfeudalen Stadium befunden habe. Vgl. zu diesem zentralen Problem der japanischen Historiographie Hoston, Germaine A.: Marxism and the Crisis of Development in Prewar Japan, Princeton: Princeton University Press 1988; Gayle, Curtis Anderson: Marxist History and Postwar Japanese Nationalism, London/New York: RoutledgeCurzon 2003. 54 Ōe, Shinobu: Yasukuni jinja, Tōkyō: Iwanami shoten 2002 (1984).
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anderen Murakamis in Frage, wonach die wichtigste Denkmalsform, die „Steine für die loyalen Seelen“, über die religiöse Funktion der Seelenbesänftigung verfüge.55 Die Wiedererrichtung von chūkon-hi nach 1952 und ihre Nutzung für öffentliche Zeremonien war zu diesem Zeitpunkt Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Ōhara zielte mit seiner Studie auf eine Relativierung der religiösen Dimension des Gefallenengedenkens, mit dem klar erkennbaren politischen Anspruch, die wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben umstrittene Bereitstellung öffentlicher Mittel für Denkmäler argumentativ zu unterstützen. Dabei liegt das wichtigste Verdienst der Studie Ōharas darin, auch die Themenfelder Denkmäler und Grabmäler für loyale Seelen (chūrei-tō), die soziale Praxis in Bezug auf Denkmäler und damit auch auf die Träger des Gefallenengedenkens eröffnet zu haben. Trotz der unterschiedlichen politischen Prämissen ist den grundlegenden Arbeiten von Murakami und Ōhara aber gemein, dass sie primär auf die Frage nach dem politischen und religiösen Charakter der Erinnerungsstätten zielten und dafür vor allem die staatliche Ebene und die Institutionengeschichte in den Blick genommen haben.56 In dieser Phase wurden auch die bedeutendsten Quellenpublikationen zur Geschichte des Yasukuni-Schreines veröffentlicht, die wichtige Impulse für die empirische Erforschung des politischen Totenkultes lieferten und bis heute grundlegend sind.57 Die zweite Phase führte durch eine Diversifizierung der methodischen Zugänge und eine Hinwendung zu Teilaspekten zu einem auch empirisch differenzierteren Bild des Gefallenengedenkens. Methodisch sind dabei im engeren Sinne geschichtswissenschaftliche (im Rahmen der Regional- und Sozialgeschichte und der Neuen Militärgeschichte) und anthropologische bzw. ethnologische Herangehensweisen zu konstatieren.58 Dabei wurden sowohl Regional- und Lokalstudien erarbeitet als auch staatliche Subsysteme wie das Militär als Akteur in Form von Fallstudien auf der Mikroebene in den Blick genommen. Harada Keiichi untersuchte in seiner Sozialgeschichte des japanischen Militärs zwischen 1868 und 1945 die binnenmilitärischen Praktiken sowohl im Umgang mit dem Körper von Gefallenen und der Anlage von Militärfriedhöfen als auch in Gedenkritualen.59 2013 erweiterte er mit seiner Studie über Militärfriedhöfe und den Nationalstaat
55 Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, Tōkyō: Akatsuki shobō 1984. 56 Nishimura, Akira: Sengo Nihon to sensō shisha irei, S. 6. 57 Kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Yasukuni jinja mondai shiryō-shū; Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, 3 Bände; Ders. (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Jireki nenpyō. 58 Nishimura, Akira: Sengo Nihon to sensō shisha irei, S. 6. 59 Harada, Keiichi: Kokumin-gun no shinwa. Heishi ni naru to iu koto, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2001.
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„Heishi wa doko e itta“ die Ergebnisse seiner Arbeiten durch einen Vergleich der japanischen Befunde mit Taiwan, Südkorea, den USA, dem Commonwealth sowie Deutschland und Österreich.60 Motoyasu Hiroshi legte 2002 mit seiner Studie über die Garnisonsstadt Kanazawa als Raum für das Totengedenken eine glänzende Studie nicht nur über lokale Praktiken, sondern zugleich über das Verhältnis von Militär und lokaler Gesellschaft vor.61 Letzteren Gegenstand untersuchte auch Arakawa Shōji in seiner Fallstudie zu Shizuoka.62 Schließlich gab Imai Akihiko wichtige Impulse für die Erforschung des Umganges des japanischen Staates mit den unterlegenen Opfern des Boshin-Krieges und der Entwicklung alternativer Gedenkformen im Lager der einstigen Opposition.63 Die anthropologische Forschung hingegen, die in der vorliegenden Studie nur ausnahmsweise berücksichtigt werden konnte, bemüht sich zum einen um eine Analyse des Umganges mit toten Soldaten durch die Bevölkerung und zum anderen um eine Einordnung der religiösen Aspekte des Gefallenenkultes in den japanischen Volksglauben. So thematisierte die durch den frühen Tod von Tanakamaru Katsuhiko Fragment gebliebene Studie „Samayoeru eirei-tachi“ die Differenz von Deutungsmustern des Staates und der Familien. Im Bild von den zwischen beiden „umherschwirrenden Heldenseelen“ hat er dafür eine einprägsame Formel gefunden. 64 Iwata Shigenori hingegen verortet den mit den Kriegsgefallenen verbundenen Seelenglauben in der japanischen Volksreligion und dem Ahnenkult.65 Shintani Takanori untersucht das Gefallenengedenken im Kontext einer japanischen Geschichte des Todes und stellt damit auch Bezüge zur vormodernen Geschichte her.66 Schließlich ist als dritter Schwerpunkt in dieser Phase auch eine Hinwendung zu sozialund alltagsgeschichtlichen Analysen wichtiger Akteursgruppen zu verzeichnen. Zu nennen ist hier zum einen die 1995 publizierte Studie „Izoku to sengo“ von Tanaka Nobumasa, Tanaka Hiroshi und Hata Nagami, die mit dem Japanischen
60 Harada, Keiichi: Heishi wa doko e itta. Gunyō bochi to kokumin kokka, Tōkyō: Yūshi-sha 2013. 61 Motoyasu, Hiroshi: Gunto no irei kūkan. Kokumin tōgō to senshi-sha-tachi, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2002. 62 Arakawa, Shōji: Guntai to chiiki (= Shiriizu Nihon kindai kara no toi 6), Tōkyō: Aoki shoten 2001. 63 Imai, Akihiko: Kindai Nihon to senshi-sha saishi, Tōkyō: Tōyō shorin 2005; Ders.: Han-seifugun senbotsu-sha no irei, Tōkyō: Ochanomizu shobō 2013. 64 Tanakamaru, Katsuhiko: Samayoeru eirei-tachi. Kuni no mitama, ie no hotoke, Tōkyō: Kashiwa shobō 2002. 65 Iwata, Shigenori: Senshi-sha reikon no yukue. Sensō to minzoku, Tōkyō: Yoshikawa kōbunkan 2003; Ders.: ,O-haka‘ no tanjō. Shisha saishi no minzoku-shi, Tōkyō: Iwanami shoten 2006 (passim). 66 Shintani, Takanori: O-sōshiki. Shi to irei no Nihon-shi, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2009.
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Hinterbliebenenverband den wichtigsten bürgergesellschaftlichen Akteur nach dem Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges sowohl in seinen Binnenstrukturen als auch in Bezug auf seine Relevanz in den politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um ein angemessenes Erinnern an die Kriegstoten in den Blick nehmen.67 Zum anderen zwei Studien von Ichinose Toshiya über die Sozialgeschichte der Heimatfront, in denen er die soziale Funktion der Gesellschaft und der Hinterbliebenen für die Mobilisierung, aber auch den Umgang mit soldatischem Sterben über den Epochenbruch von 1945 hinweg thematisiert.68 Parallel dazu sind seit der Jahrtausendwende zwei neue Tendenzen zu beobachten. Zum einen erhielt die Erforschung des Yasukuni-Schreines durch die offiziellen Besuche von Premierminister Koizumi Jun’ichirō zwischen 2001 und 2006 und die daraufhin einsetzenden innen- wie außenpolitischen Kontroversen neue Impulse. So wurden nach 2001 eine Reihe neuer Studien zur Geschichte des Yasukuni-Schreines vorgelegt, die erneut durch eine politische Aufladung gekennzeichnet sind. Zu nennen sind hier zum einen – aus einer kritischen Perspektive – die Geschichte des Yasukuni nach 1945 durch Tanaka Nobumasa und die Arbeit von Akazawa Shirō über den Yasukuni und die Zukunft des Gefallenengedenkens in Japan.69 Takahashi Tetsuya, Ideenhistoriker und Philosoph, analysiert die japanischen Befunde erstmals systematisch im Rahmen eines internationalen Vergleichs (vor allem mit den USA und Deutschland) und fragt nach dem staatlichen Umgang mit Opfern von öffentlicher Gewalt.70 Aus konservativer Sicht legte Hata Ikuhiko 2010 eine neue Studie über die Eingeschreinten des Yasukuni vor, womit die Frage der Inklusion und Exklusion in den Gefallenenkult erneut und auf breiter empirischer Basis thematisiert wurde.71 Und schließlich wurde an der shintōistischen Kokugaku-in-Universität mit einer Arbeitsgruppe die Frage der religiösen Dimension des politischen Totenkultes in Japan in Form von inzwischen drei Sammelbänden erneut aufgegriffen.72 Zum anderen sind
67 Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, Tōkyō: Iwanami shoten 1995. 68 Ichinose, Toshiya: Jūgo no shakai-shi. Senshi-sha to izoku, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2005; Ders.: Furusato wa naze heishi o koroshita ka, Tōkyō: Kadokawa gakujutsu shuppan 2010. 69 Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, Tōkyō: Iwanami shoten 2002; Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja. Semegiau ,senbotsu-sha tsuitō‘ no yukue, Tōkyō: Iwanami shoten 2005. 70 Takahashi, Tetsuya: Kokka to gisei, Tōkyō: Nihon hōsō shuppan kyōkai 2005; Ders.: Yasukuni mondai, Tōkyō: Chikuma shobō 2005. 71 Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saishin-tachi, Tōkyō: Shinchō-sha 2010. 72 Kokugaku-in daigaku kenkyū kaihatsu suishin sentaa (Hg.): Irei to kenshō no aida; Dass. (Hg.): Reikon, irei, kenshō. Shisha e no kioku sōchi, Tōkyō: Kinsei-sha 2010; Dass. (Hg.): Shōkon to irei no keifu. Yasukuni no shisō o tou, Tōkyō: Kinsei-sha 2013.
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als zweite Tendenz das Auftauchen von kulturwissenschaftlichen Zugängen und eine Verortung des Gegenstandes in den internationalen Forschungskontext zur Erinnerungskultur und zu Formen von Repräsentation von Vergangenheit zu beobachten. Hierfür stehen etwa die Arbeiten von Kawamura Kunimitsu.73 In der westlichen Japanforschung liegen ebenfalls erste Studien – jedoch in Zahl und Umfang bisher begrenzter – vor, die Teilaspekte behandeln oder sich auf eine bestimmte Epoche konzentrieren. Auch hier ist die Aufmerksamkeit vor allem auf die Problematik des Yasukuni-Schreines und die Geschichte des Staatsshintō gerichtet. Fragen des politischen Totenkultes wurden erstmals in den 1930er und 1940er Jahren in den wichtigen Studien von Daniel Clarence Holtom zum Staatsshintō thematisiert, aber bis in die 1970er Jahre von der Forschung nicht weiter aufgegriffen.74 William P. Woodard, selbst Mitarbeiter in der mit Religionsfragen befassten Abteilung der Besatzungsbehörden, legte 1972 eine breite und quellengesättigte Analyse der religionspolitischen Maßnahmen der Besatzungszeit vor und diskutierte dabei auch den Umgang mit Denkmälern, die Praxis von Beisetzungsfeierlichkeiten für Gefallene usw.75 Indirekt stellt diese Arbeit selbst eine wichtige Quelle für die Intentionen des GHQ zwischen 1945 und 1952 dar. Im deutschsprachigen Raum beginnt die Beschäftigung mit der Thematik in den 1970er Jahren, als der Shintō-Forscher und Staatsrechtler Ernst Lokowandt einen Grundstein für die Analyse der frühen institutionellen Geschichte des Gefallenengedenkens legte. Er untersuchte die rechtliche Entwicklung des Staatsshintō in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit und ging dabei auch auf die institutionelle Einbindung der shōkon-Schreine in den staatlichen Kult ein.76 Darüber hinaus legte er in seiner Quellensammlung zum Verhältnis von Staat und Shintō wichtige Texte der Kontroverse um die Bewegung zur Überführung des YasukuniSchreines in staatliche Trägerschaft zu Ende der 1960er und Beginn der 1970er Jahre in deutscher Sprache vor.77 Unter anderem angeregt durch die Politisierung des Verhältnisses von Staat und Shintō im Umfeld des Yasukuni-Besuches von
73 Etwa Kawamura, Kunimitsu (Hg.): Senshi-sha no yukue. Katari to hyōshō kara, Tōkyō: Seikyū-sha 2003; Ders.: Seisen no ikonogurafi. Tennō to heishi, senshi-sha no zuzō, hyōshō, Tōkyō: Seikyū-sha 2007. 74 Holtom, Daniel Clarence: The National Faith of Japan. A Study in Modern Shinto, London/ New York: Kegan Paul International 1995 (1938); Ders.: Modern Japan and Shintō Nationalism. A Study of Present Day Trends in Japanese Religions, New York: Paragon Book 1963 (1947). 75 Woodard, William P.: The Allied Occupation of Japan 1945–1952. 76 Lokowandt, Ernst: Die rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit (1868–1890), Wiesbaden: Otto Harassowitz 1978. 77 Lokowandt, Ernst: (Hg.): Zum Verhältnis von Staat und Shintō im heutigen Japan, Wiesbaden: Otto Harrassowitz 1981.
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Premierminister Nakasone 1985 publizierte auch Helen Hardacre 1989 eine Studie zu ebendiesem Thema, die erstmals in westlicher Sprache einen Überblick im langen Bogen anstrebte und dabei die Frage von Kontinuität und Diskontinuität aufgriff.78 Jedoch nimmt der Gefallenenkult als Teilaspekt in der Arbeit Hardacres nur eine untergeordnete Rolle ein. Für 1990er und 2000er Jahre ist schließlich analog zur japanischen Forschungslandschaft eine weitere thematische Diversifizierung zu beobachten. Zwar blieben wichtige Studien der Analyse von Teilaspekten der Yasukuni-Problematik verpflichtet. Zu nennen sind hier erstens und vor allem die Arbeiten von Klaus Antoni, der die Frage der Einordnung der Gottheiten des Yasukuni-Schreines in die Tradition der Besänftigung von Rachegeistern (goryō) und die Funktion des Yasukuni für die kokutai-Ideologie analysiert hat.79 In einer Studie über das Verhältnis von katholischer Kirche und japanischem Staat in der Ära des Zweiten Weltkriegs untersuchte Hans Martin Krämer zweitens unter anderem den sog. Sophia-Zwischenfall und damit das Spannungsverhältnis von Religionsfreiheit und staatlichem Gefallenenkult vor 1945.80 Sven Saaler schließlich verortete die Yasukuni-Problematik und die öffentlichen Debatten um die Errichtung einer neuen, nicht-religiösen Gedenkstätte für die Kriegstoten seit den 1990er Jahren im Zusammenhang von Erinnerungspolitik und Geschichtsrevisionismus.81 Und auch John Breen konzentrierte sich viertens in seinem Sammelband zum Yasukuni-Schrein vor allem auf die Bedeutung der Kontroversen um die offiziellen Besuche japanischer Premierminister am Schrein für die chinesisch-japanischen Beziehungen und damit auf die internationale Dimension des Gefallenengedenkens.82 Daneben richteten Untersuchungen auch erstmals den Blick auf andere Praktiken des Gefallenengedenkens oder auf dessen Träger. Peter Fischer analysierte 1997 Konflikte um öffentliche Bestattungen von Gefallenen während des Asiatisch-Pazifischen Krieges und nahm dabei insbesondere die buddhistischen und shintōistischen Gemeinschaf-
78 Hardacre, Helen: Shintō and the State 1868–1988. 79 Antoni, Klaus: Yasukuni und der „Schlimme Tod“ des Kriegers, In: Ders.: Der himmlische Herrscher und sein Staat. Essays zur Stellung des Tennō im modernen Japan, München: Iudicium 1991, S. 155–189; Ders: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens (kokutai). 80 Krämer, Hans Martin: Unterdrückung oder Integration? Die staatliche Behandlung der katholischen Kirche in Japan 1932–1945, Marburg: Förderverein „Marburger Japan-Reihe“ 2002. 81 Saaler, Sven: Ein Ersatz für den Yasukuni-Schrein? Die Diskussion über eine neue Gedenkstätte für Japans Kriegsopfer, In: Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (NOAG) 74 (2004), Heft 1–2, S. 59–89; Ders.: Politics, Memory and Public Opinion. The History Textbook Controversy and Japanese Society, München: Iudicium 2005. 82 Breen, John (Hg.): Yasukuni, the War Dead and the Struggle for Japan’s Past, London: Hurst & Co. 2007.
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ten als Handelnde in den Blick.83 In einer vergleichenden Studie über Akteure der Vergangenheitsbewältigung analysierte Franziska Seraphim mit dem Schreinamt (Jinja honchō), dem Japanischen Hinterbliebenenverband (Nihon izoku-kai) und der Wadatsumi-kai wichtige gesellschaftliche Akteure der Gefallenenehrung nach 1945, stellte jedoch kaum Fragen nach der Kontinuität und Diskontinuität gegenüber der Zeit vor 1945.84 David O’Brien untersuchte in seiner Arbeit 1996 die juristischen Auseinandersetzungen um die Trennung von Staat und Religion, dabei aber nicht nur die rechtlichen Auseinandersetzungen im engeren Sinne, sondern analysierte ebenfalls in einem breiten Zugriff vor allem die Gegner des traditionellen Gefallenengedenkens nach 1945.85 2002 hat Emiko Ohnuki-Tierney eine Studie veröffentlicht, die am Beispiel der Kamikaze-Piloten die ästhetischen Repräsentationen des Gefallenenkultes in der Kriegs- und Nachkriegszeit analysierte.86 Und schließlich legte Naoko Shimazu mit ihrer breit angelegten Studie zum RussischJapanischen Krieg 1904/05 von 2009 eine glänzende Fallstudie auch über den politischen Totenkult dieser Jahre vor, in der die staatlicher Deutungsangebote und die Wahrnehmung und Kriegserfahrung der Bevölkerung am Beispiel der Deutungen und Praktiken von Soldaten, Hinterbliebenen usw. verbunden werden.87 Die vorliegende Studie unterscheidet sich als Längsschnittstudie von der bisherigen Forschung. Sie setzt sich das Ziel, den Gefallenenkult erstens in seiner historischen Genese, zweitens in seinen religiösen und kulturellen Traditionen und schließlich drittens in seinen politischen Funktionen zu untersuchen. Damit werden an einem zentralen Bereich moderner Staatlichkeit, der Herausbildung des innerstaatlichen Gewaltmonopols, der Rechtfertigung staatlicher Gewalt und der Verpflichtung des einzelnen zum militärischen Dienst für das Gemeinwesen Kernelemente der japanischen Nationalstaatsbildung seit deren Beginn im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart analysiert. Doch liegt der Fokus dabei nicht
83 Fischer, Peter: Der Streit zwischen Shintō und Buddhismus um die öffentlichen Bestattungen der japanischen Gefallenen am Vorabend des Pazifischen Krieges, In: Antoni, Klaus (Hg.): Rituale und ihre Urheber. Invented Traditions in der japanischen Religionsgeschichte, Hamburg: LIT-Verlag 1997, S. 143–176. 84 Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics in Japan 1945–2005, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 2006. 85 O’Brien, David O. unter Mitarbeit von Ohkoshi, Yasuo: To Dream of Dreams. Religious Freedom and Constitutional Politics in Postwar Japan, Honolulu: University of Hawai’i Press 1996. 86 Ohnuki-Tierney, Emiko: Kamikaze, Cherry Blossoms, and Nationalisms. The Militarization of Aesthetics in Japanese History, Chicago: University of Chicago Press 2002. 87 Shimazu, Naoko: Japanese Society at War. Death, Memory and the Russo-Japanese War, Cambridge 2009; als Vorarbeit hierzu Dies.: The Myth of the Patriotic Soldier. Japanese Attitudes towards Death in the Russo-Japanese War, In: War and Society 19 (2001), Heft 2, S. 69–89.
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primär auf dem Begriff der „Nation“, sondern dem der politischen Verfasstheit, um die Funktion des Gefallenengedenkens für die in den anderthalb Jahrhunderten unterschiedlichen politischen Systeme genauer bestimmen zu können. Dadurch treten Gemeinsamkeiten und Unterschiede des japanischen Wegs zur Entstehung moderner, national verfasster Staatlichkeit deutlicher hervor. Nicht zuletzt hofft diese Studie damit auch, einen Baustein für eine künftige vergleichende Diskussion zu liefern, welche den Umgang mit den Gefallenen in verschiedenen Kulturkreisen analysiert, ohne die westlichen Traditionen und Modelle von Nation, Staatlichkeit und politischem Totenkult als Maßstab oder auch nur historisches Vorbild zu nehmen. Der japanische Fall präsentiert sich auch hier als besonders privilegiertes Vergleichsbeispiel. Die historische Analyse des japanischen Gefallenenkultes zeigt dabei, dass Japan einen eigenen Pfad zur Herausbildung eines Gefallenenkultes beschritt und keineswegs eine „nachholende Übernahme“ des westlichen Modells erfolgte, das in Europa (und weniger in Nordamerika) in den Revolutions- und nationalen Staatsbildungskriegen seit 1789 entstanden war. Dank. Diese Studie ist buchstäblich das Ergebnis einer langen Reise. Sie begann vor vielen Jahren mit der Frage, warum japanische Politiker immer wieder zum Yasukuni-Schrein pilgern und damit, wie mir schien, völlig unnötige Konflikte in Kauf nehmen. Nach vielen Reisekilometern, die mich durch ganz Japan geführt haben, und einigen laufenden Metern durchgearbeiteter Quellen und Literatur ist es nun an der Zeit, einen ersten Halt einzulegen und eine Zwischenbilanz über das bisher Erfahrene zu ziehen – in Form eines Buches, das an der Philosophischen Fakultät I der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Dissertation für das Fach Geschichte angenommen wurde. Es ist mir ein Bedürfnis, nun herzlich Dank zu sagen für die vielfältige Unterstützung, ohne die dieses Projekt nicht so weit gediehen wäre. An erster Stelle ist hier mein Doktorvater Prof. Dr. Manfred Hettling zu nennen, zum einen, weil er sich auf das ihm fremde Japan einließ und in seiner nahezu grenzenlosen Neugier immer neue Fragen stellte, von denen ich bisher nur einen Bruchteil beantworten konnte, und zum anderen, weil er auch die Abfassung der Arbeit in jeder nur denkbaren Weise gefördert hat. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Gesine Foljanty-Jost, die mein Interesse an Japan überhaupt erst geweckt und den japanologischen Anteil der Studie begleitet hat. An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Universität von Tōkyō möchte ich ebenso den Kolleginnen und Kollegen am Internationalen Graduiertenkolleg „Formwandel der Bürgergesellschaft“ meinen Dank aussprechen, hier vor allem Prof. Dr. Michael G. Müller, Prof. Dr. Patrick Wagner, Prof. Dr. Harald Bluhm und Dr. Maik Hendrik Sprotte, die jederzeit als Gesprächspartner bereitstanden und vor allem auch mein Verständnis vom Funktionieren des Wissenschaftsbetriebes sehr vertieften. In Japan habe ich von der grenzenlosen Kooperations-
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bereitschaft u. a. von Prof. Matsumoto Akira (Niigata), Prof. Hata Nagami (Tōkyō), Prof. Dr. Harada Keiichi (Kyōto), Prof. Dr. Hiyama Yukio (Nagoya), Prof. Dr. Ishida Yūji (Tōkyō), Prof. Dr. Kurata Kayo (Kumamoto), Dr. Higashiyama Kyōko (Nagoya), der Kollegen von der Gunji shakai kenkyū-kai und vieler anderer profitieren dürfen, die ihr Wissen mit mir teilten, Orte des Gefallenengedenkens mit mir bereisten, mir Quellen vorstellten oder Aspekte der Studie mit mir diskutierten. Besonders dankbar bin ich auch den zahlreichen Priestern an Schreinen und Tempeln oder auch Vertretern von Organisationen, die ihre Heiligtümer manchmal bis in eigentlich für die Öffentlichkeit nicht zugängliche Winkel hinein öffneten, dem Laien geduldig die religiöse Dimension ihrer Tätigkeit erläuterten oder mir einen Einblick in die Geschichte und Gegenwart ihrer Einrichtung bzw. Organisation gaben. Hervorheben möchte ich hier vor allem Matsumoto Tadashi vom Kagoshima-ken gokoku jinja, Sakamoto Yasuhiko und Nakamura Masaya vom Kumamoto-ken gokoku jinja wie auch Itagaki Tadashi vom Japanischen Hinterbliebenenverband. Besonders verpflichtet bin ich den Kollegen vom Kenkyū suishin sentaa der Kokugakuin-Universität in Tōkyō, die den Abdruck zahlreicher historischer Bildquellen aus ihrer digitalen Datenbank zur Geschichte des Gefallenengedenkens genehmigten. Schließlich hat mir Mandy Thielemann immer wieder über alle technischen Hürden des Projektes geholfen, wofür auch ihr großer Dank gebührt. Editorische Hinweise. Die Wiedergabe japanischer Begriffe folgt dem modifizierten Hepburn-System; bei vormodernen Wörtern wird der heutige Lautstand wiedergegeben. Auch die Wiedergabe von Schriftzeichen im Glossar und Literaturverzeichnis erfolgt in der modernisierten japanischen Form. Die Transkription japanischer Namen folgt der in Ostasien üblichen Reihenfolge Familienname – persönlicher Name. Im Falle der Änderung des persönlichen Namens wird der Einheitlichkeit halber nur die heute gebräuchliche Form verwendet (z. B. durchgängig Yamagata Aritomo statt Yamagata Kyōsuke usw.). Datumsangaben sind dem westlichen Kalender angepasst, bei Datumsangaben aus der Zeit vor 1873 sind in Klammern zusätzlich die Angaben nach dem japanischen Kalender beigefügt (nengō-Monat-Tag). Bei direkten wie indirekten Zitaten ist die Rechtschreibung ebenfalls aus Gründen der Einheitlichkeit ohne gesonderte Kennzeichnung an die revidierte deutsche Rechtschreibung bzw. an das modifizierte Hepburn-System angepasst worden. Übersetzungen aus dem Japanischen und Englischen sind nicht gesondert als solche gekennzeichnet. Chinesische Namen und Begriffe folgen dem Pinyin-System, wobei jedoch auf die Wiedergabe diakritischer Zeichen verzichtet wurde. Im Falle von Namen und Begriffen, die in europäischen Sprachen abweichend von asiatischen Namen bekannt sind, werden der besseren Wiedererkennung halber die in westlichen Sprachen gebräuchlichen Formen verwendet (z. B. Port Arthur anstelle von Ryōjun bzw. Lüshun, Seeschlacht von Tsushima an Stelle von Nihon-kai kaisen).
Teil I: Vormoderne und frühneuzeitliche Traditionslinien
1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes Der politische Totenkult entstand in Japan in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Kontext der politischen, sozio-ökonomischen und kulturellen Transformationsprozesse, die den Übergang Japans zu einem modernen Nationalstaat markieren. Seine Herausbildung und Entwicklung ist wiederum eng mit der Geschichte des Shintō und der Entstehung des Staatsshintō als genuiner Schöpfung des jungen japanischen Nationalstaates verbunden.1 Er baute dabei jedoch auf älteren, vor- und frühmodernen Traditionsbeständen auf, deren Aneignung in komplexen Prozessen von partieller Übernahme, Umbildung, Neuerfindung und Abgrenzung erfolgte. Damit unterscheidet sich die religiöse Prägung des japanischen Gefallenenkultes grundlegend von religiösen Prägungen in anderen Gesellschaften. Während in aller Regel davon ausgegangen werden kann, dass bestehende und tief verwurzelte religiöse Vorstellungen und Praktiken das moderne staatliche Gefallenengedenken beeinflussen – man denke nur im europäisch-nordamerikanischen Kontext an Rückgriffe auf die christliche Ikonographie bei der Denkmalsgestaltung oder die Durchführung von Trauergottesdiensten –, wurde in Japan im 19. Jahrhundert mit dem Staatsshintō sukzessive eine spezifische Neuschöpfung auch der religiösen Prägung selbst vollzogen, welche seither über eigene sakrale Orte, eine mehr oder minder spezifische rituelle Praxis und eine eigene Priesterschaft verfügt. Damit war und ist in Japan die Ehrung sowohl gefallener Soldaten als auch von Opfern bewaffneter Konflikte in ihrem Kern auch im ursprünglichen Wortsinne ein politischer Totenkult.
1 Zur Geschichte des und der Diskussionen um den Staatsshintō vgl. u. a. Azegami, Naoki: ‚Mura no chinju‘ to senzen Nihon. ‚Kokka shintō‘ no chiiki shakai-shi, Tōkyō: Yūshi-sha 2009; Murakami, Shigeyoshi: Kokka shintō, Tōkyō: Iwanami shoten 1970; Sakamoto, Koremaru: Kokka shintō keisei katei no kenkyū, Tōkyō: Iwanami shoten 1994; Ders. (Hg.): Kokka shintō saikō. Saisei itchi kokka no keisei to tenkai, Tōkyō: Kōbun-dō 2006; Shimazono, Susumu: Kokka shintō to Nihonjin, Tōkyō: Iwanami shoten 2010; Yamaguchi, Teruomi: Meiji kokka to ‚shūkyō‘, Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 1999; Yasumaru, Yoshio: Kamigami no Meiji ishin, Tōkyō: Iwanami shoten 1979; Ders.: Kindai tennō-zō no keisei, Tōkyō: Iwanami shoten 1992. Zur Geschichte der Diskussion um den Begriff Staatsshintō siehe auch Azegami, Naoki: Kokka shintō, In: Rekishi kagaku kyōgi-kai (Hg.): Sengo rekishi-gaku yōgo jiten, Tōkyō: Tōkyō-dō shuppan 2012, S. 316. In westlichen Sprachen klassisch u. a. Lokowandt, Ernst: Die rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit; Hardacre, Helen: Shintō and the State 1868–1988; Murakami, Shigeyoshi: Japanese Religion in the Modern Century, Tōkyō: University of Tokyo Press 1980; Sakamoto, Koremaru: The Structure of State Shinto. Its Creation, Development and Demise, In: Breen, John/Teeuwen, Mark (Hg.): Shinto in History. Ways of the Kami, London/New York: Routledge 2000, S. 272–294; Shimazono, Susumu: State Shinto and Emperor Veneration.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
Im folgenden ersten Teil werden die historischen, kulturellen und religiösen Traditionselemente, auf welchen der moderne politische Totenkult – teils modifizierend, teils umwandelnd, teils durch neue Elemente ergänzend – aufbaute, beschrieben und bilanziert. Konkret werden dabei erstens die vormodernen historischen Traditionen in Bezug auf die Legitimation von Krieg und den Umgang mit Kriegstoten, zweitens die Herausbildung shintōistischer Bestattungsriten und Formen des Totengedenkens, drittens die Entwicklung einer Tradition der Verehrung loyaler Untertanen, viertens der goryō-Glaube und fünftens schließlich die Praxis der Vergöttlichung von Verstorbenen in der japanischen Geschichte synthetisierend diskutiert. Zunächst sollen jedoch kurz die politischen, religions- und geistesgeschichtlichen Rahmenbedingungen der Konstitutionsprozesse dieser später in den politischen Totenkult einfließenden Vorstellungen und Praktiken während der Edo-Zeit skizziert und analysiert werden. Bevor wir uns jedoch diesen Entwicklungen zuwenden, ist noch kurz auf ein allgemeines Problem der japanischen Religionsgeschichte hinzuweisen. Für die längste Zeit der japanischen Geschichte ist in Religion, Philosophie und in Bezug auf rituelle und kultische Handlungen im Brauchtum ein Zustand des Synkretismus konstitutiv. Insofern ist der Gebrauch von Kategorien wie Buddhismus, Shintō, Konfuzianismus, Daoismus oder Volksreligion insbesondere in der Analyse der vor- und frühmodernen Geschichte in den meisten Fällen eine ahistorische Projektion. Erschwerend kommt zur synkretistischen Verschmelzung und den daraus resultierenden wechselseitigen Beeinflussungen und Transferprozessen die extreme Differenzierung der verschiedenen in der japanischen Gesellschaft vorhandenen Glaubenssysteme, vor allem des Buddhismus, in verschiedene Schulen und Lehrtraditionen hinzu. Diese Differenzierung verlangt in Analyse und Darstellung eine Abstraktionsleistung, welche dem historischen Einzelfall nicht immer Gerechtigkeit widerfahren lassen kann. Doch sollte bei all dem nicht aus den Augen verloren werden, dass die Bedingung für und die Folge des Synkretismus eine Klammer an religionsübergreifenden Gemeinsamkeiten war, die man mit Horie Ichirō in folgenden Punkten zusammenfassen kann: Erstens handelt es sich dabei um die Betonung kindlicher Pietät (kō) und des Ahnenkultes, der seit dem Altertum mit der Landwirtschaft und dem japanischen Familiensystem verbunden ist, zweitens einen tiefverwurzelten und allgemein verbreiteten Glauben an die Geister der Verstorbenen in Verbindung mit ebendiesem Ahnenkult, wie auch den eher animistischen Konzepten von bösen und guten Geist-Aktivitäten. Drittens ist die Betonung von on (Verpflichtungen oder Gewogenheit, welche von Vorgesetzen, Menschen oder übermenschlichen Existenzen eingegangen bzw. vergeben werden) und hōon (der Rückzahlung von on) hervorzuheben, viertens die enge Verbindung zwischen Mensch und Göttlichem, der sich vor allem auch in einer unkomplizierten Deifikation von Menschen zeigt. Fünftens gehört zu den
1.1 Die politische und religiöse Ordnung der Edo-Zeit
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religionsübergreifenden Gemeinsamkeiten die gegenseitige Beeinflussung und Durchmischung von differenten religiösen Traditionen, oder, mit anderen Worten, ihr synkretistischer Charakter, und schließlich sechstens die Koexistenz von heterogenen Religionen in einer Familie oder in einer Person.2
1.1 Die politische und religiöse Ordnung der Edo-Zeit Die politische Ordnung der Edo-Zeit (1600–1853/54) entstand in den Reichseinigungsprozessen in der zweiten Hälfte des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts, welche wiederum das sich über mehr als ein Jahrhundert erstreckende Zeitalter der Bürgerkriege (sengoku jidai) beendeten.3 Das politische System der Edo-Zeit, das bakuhan-System, blieb dabei über zweieinhalb Jahrhunderte erstaunlich stabil und erinnert an föderale Strukturen.4 Es beruhte auf drei Säulen, erstens dem Shōgunat der Familie Tokugawa (dem bakufu) mit Sitz in Edo, dem heutigen Tōkyō, das als Zentralregierung fungierte, zweitens etwa 250 Fürstentümern (han), die über verwandtschaftliche Beziehungen, Vasallen- und Treueverhältnisse sowie Bündnisse an die Familie Tokugawa gebunden waren, ein
2 Vgl. Horie, Ichirō: The Appearance of Individual Self-Consciousness in Japanese Religion and Its Historical Transformations, In: Moore, Charles A. (Hg.): The Japanese Mind. Essentials in Japanese Philosophy and Culture, Honolulu: East-West Center Press and University of Hawaii Press 1967, S. 201–227, hier S. 214; siehe auch Smith, Robert J.: Ancestor Worship in Contemporary Japan, Stanford: Stanford University Press 1974, S. 6. 3 Vgl. als Überblickswerke bzw. Einführung zur Geschichte der Edo-Zeit z. B. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans (passim); Diestelrath, Günther: Die vorindustrielle Dynamik der Frühen Neuzeit; Totman, Conrad: Early Modern Japan; Hall, John W.: Early Modern Japan; Nakane, Chie/ Ōishi, Shinzaburō (Hg.): Tokugawa Japan; Friday, Karl F. (Hg.): Japan Emerging. Premodern History to 1850, Boulder: Westview Press 2012 (passim). 4 Zum bakuhan-System Hall, John W.: The bakuhan System, In: Ders. (Hg.): Early Modern Japan (= Cambridge History of Japan 4), Cambridge/New York u. a.: Cambridge University Press 1991, S. 128–182; Bolitho, Harold: The han, In: a. a. O., S. 183–234; Ōishi, Shinzaburō: The Bakuhan System, In: Nakane, Chie/Ders. (Hg.): Tokugawa Japan. The Social and Economic Antecendants of Modern Japan, Tōkyō: University of Tokyo Press 1990, S. 11–36; Ravina, Mark: Land and Lordship in Early Modern Japan, Stanford: Stanford University Press 1999; Vaporis, Constantine Nomikos: Tour of Duty. Samurai, Military Service in Edo, and Culture in Early Modern Japan, Honolulu: University of Hawai’i Press 2008; Yamaguchi, Keiji/Sasaki, Junnosuke (Hg.): Bakuhan taisei (= Taikei Nihon rekishi 4), Tōkyō: Nihon hyōron-sha 1971; Sasaki, Junnosuke: Bakuhan-sei kokka-ron, 2 Bde., Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 1984; Ders. (Hg.): Kinsei (= Taikei Nihon kokka-shi 3), Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 1975. Die Bezeichnung han, die hier als „Fürstentum“ übersetzt wird, wird im Deutschen oft auch als „Lehnsfürstentum“ bzw. als „Daimyat“ wiedergegeben.
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unterschiedliches Maß an Autonomie genossen und teilweise auch als „innere Gegenmächte“ zum Shōgunat fungierten,5 und drittens einem im politischen Alltagsgeschäft bedeutungslosen, trotzdem dem Shōgunat als Quelle politischer Legitimität dienenden Kaiserhaus mit Sitz in Kyōto.6 Die Außenbeziehungen Japans in der Edo-Zeit sind durch die sogenannte Politik der Landesabschließung (sakoku) gekennzeichnet, durch die der Außenhandel äußerst restriktiv gehandhabt und Ausländern der Zugang zu Japan weitgehend verwehrt wurde.7 Japanern waren darüber hinaus Reisen ins Ausland bei Todesstrafe untersagt. Zur Sicherung der Herrschaft war die Gesellschaft in ein starres hierarchisches geburtsständisches System von vier Schichten – den Kriegern (shi), Bauern (nō), Handwerkern (kō) und Händlern (shō) – eingeteilt, das durch den Hofadel (kuge) und die Paria (eta und hinin) sowie die buddhistische und shintōistische Priesterschaft ergänzt war.8 Soziale Mobilität im Sinne eines Wechsels in einen anderen Stand war ebenfalls untersagt, was freilich mit dem Mittel der Adoption unterlaufen werden konnte. Die Krieger standen in diesem System an der Spitze der sozialen Hierarchie, hatten sich aber seit dem Beginn der Edo-Zeit und damit dem Ende kriegerischer Handlungen mehr und mehr in eine Schicht von Verwaltungsbeamten transformiert, die vom Land getrennt und in den Städten ansässig waren.9 Die Samurai blieben ihrem Herren in Loyalität verbunden und
5 Vgl. in Anlehnung an Bourdieu Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 34. 6 Zum Kaiserhaus in der Edo-Zeit siehe Webb, Herschel: The Japanese Imperial Institution in the Tokugawa Period, New York/London: Columbia University Press 1968; Earl, David Margarey: Emperor and Nation in Japan. Political Thinkers in the Tokugawa Period, Seattle: University of Washington Press 1964; Wakabayashi, Bob Tadashi: In Name Only. Imperial Sovereignty in Early Modern Japan, In: Journal of Japanese Studies 17 (1991), Heft 1, S. 25–57; Meyer, Eva-Maria: Japans Kaiserhof in der Edo-Zeit. Unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1846 bis 1867, Hamburg: LIT-Verlag 1999; Yamaguchi, Kazuo: Chōtei to kuge shakai, In: Rekishi-gaku kenkyūkai/Nihon-shi kenkyū-kai (Hg.): Kinsei shakai ron (= Nihon-shi kōza 6), Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 2005, S. 231–268. 7 So war der Kontakt zu ausländischen Händlern (v. a. Holländern und Chinesen) weitgehend auf Nagasaki beschränkt; darüber hinaus unterhielt das Fürstentum Tsushima Beziehungen zu Korea, das Fürstentum Satsuma zum Königreich Ryūkyū, dem heutigen Okinawa, und das Fürstentum Matsumae zu den Ainu auf Ezo (Hokkaidō). Vgl. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 25–27. Siehe auch Laver, Michael: A Whole New World (Order). Early Modern Japanese Foreign Relations 1550–1850, In: Friday, Karl F. (Hg.): Japan Emerging. Premodern History to 1850, Boulder: Westview Press 2012, S. 333–343. 8 Zur Gesellschaft der Edo-Zeit Nakane, Chie: Tokugawa Society, In: Dies./Ōishi, Shinzaburō (Hg.): Tokugawa Japan. The Social and Economic Antecendants of Modern Japan, Tōkyō: University of Tokyo Press 1990, S. 213–231. 9 Bereits der zweite Reichseiniger Toyotomi Hideyoshi hatte in den 1580er Jahren nachdrücklich versucht, die Krieger vom Rest der Bevölkerung radikal abzugrenzen. Neben der Einführung der
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erhielten dafür Lehen, die jedoch zunehmend als Renten bzw. geldwerte Leistungen (kuramai chigyō) vergeben wurden.10 Diese Transformation der bushi zu Verwaltungsbeamten führte jedoch nicht dazu, dass sie ihrer Funktion als professionalisierte Krieger verlustig gegangen wären. Vielmehr behielten sie ein Monopol auf militärische Gewaltausübung (was auch ein permanentes Einüben erforderte) und blieben dabei den normativen Vorgaben eines Kriegerethos unterworfen, der später – freilich nach zahlreichen Umgestaltungen und Bedeutungsaufladungen – unter dem Schlagwort bushi-dō weltweit Beachtung gefunden hat.11 Diese relativ festgefügte und zugleich fein austarierte politische und soziale Ordnung geriet gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch wirtschaftliche Probleme mehr und mehr aus der Balance.12 Klimatische Veränderungen verursachten Missernten und Hungersnöte. Die Folge waren damit Hand in Hand gehende soziale Verwerfungen wie Bauernaufstände, die endemische Verschuldung von Samurai und der kontinuierliche soziale Aufstieg der Kaufleute.13 Reformversuche seitens des Shōgunats und einzelner Fürstentümer belegen das zeitgenössische Krisenbewusstsein.14 Dieses wurde durch den zunehmenden äußeren Druck der westlichen Mächte, vor allem Russlands, Großbritanniens und der USA, verstärkt. Sie stellten seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die japanische Abschließungspolitik in Frage und führten schließlich gewaltsam eine Öffnung
Ständeordnung diente die sog. „Schwerterjagd“ der Entwaffnung der „Zivilbevölkerung“. Vgl. hierzu Yoshida, Yuriko: Heinō bunri to chiiki shakai, Tōkyō: Azekura shobō 2000; Gainty, Denis: The New Warriors. Samurai in Early Modern Japan, In: Friday, Karl F. (Hg.): Japan Emerging. Premodern History to 1850, Boulder: Westview Press 2012, S. 344–355; Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 49–50. 10 Vgl. einführend zu den bushi in der Edo-Zeit Schwentker, Wolfgang: Die Samurai, 3. Aufl. München: C. H. Beck 2008; Ikegami, Eiko: The Taming of the Samurai; Historisches Museum der Pfalz Speyer (Hg.): Samurai, Ostfildern: Thorbecke 2008; Varley, H. Paul: The Samurai, Harmondsworth: Penguin 1974. 11 Siehe unten Kap. 1.2; zum bushi-dō siehe zuletzt Benesch, Oleg: Inventing the Way of the Samurai. 12 Vgl. Totman, Conrad: Early Modern Japan, S. 397–539; Kitajima, Masamoto: Bakuhan-sei no kumon, Tōkyō: Chūō kōron-sha 1966; siehe auch Kap. 2.1, dort weiterführende Literatur. 13 Vgl. zu diesem Zusammenhang Norman, E. Herbert: Die Meiji-Restauration, In: Menzel, Ulrich (Hg.): Im Schatten des Siegers: Japan. Band 2: Staat und Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1989, S. 9–76. 14 Bolitho, Harold: The Tenpō Crisis, In: Jansen, Marius B. (Hg.): The Nineteenth Century (= The Cambridge History of Japan 5), Cambridge: Cambridge University Press 1989, S. 116–167; Ikeda, Yoshimasa: Tenpō kaikaku-ron, In: Rekishi-gaku kenkyū-kai/Nihon-shi kenkyū-kai (Hg.): Bakuhan-sei shakai (= Kōza Nihon-shi 4), Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 1970, S. 287–313.
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des Landes herbei.15 Die Landesöffnung wiederum wirkte gleichsam als ein Katalysator, indem sie die langfristig wirkenden politischen und gesellschaftlichen Konfliktlagen verschärfte und ihnen eine neue Dynamik verlieh. Sie eskalierten schließlich in einem Bürgerkrieg (dem Boshin-Krieg) und der Meiji-Restauration, die das Ende des japanischen ancien régime und die Geburt des modernen Nationalstaates markieren. Flankiert wurden die politischen und sozioökonomischen Prozesse, welche die politische Ordnung der pax Tokugawa in Gefahr und schließlich zum Einsturz brachten, durch Entwicklungen in der Religions- und Geistesgeschichte.16 Diese verfügen für die hier diskutierten Zusammenhänge insofern über eine besondere Relevanz, als sie nicht nur à la longue die Herrschaft der Tokugawa delegitimierten, sondern auch ein wesentliches geistesgeschichtliches Fundament der japanischen Nationalstaatsbildung im Allgemeinen und des politischen Totenkultes im Besonderen bildeten. Ideologisch und religionspolitisch stützte sich das Shōgunat seit seiner Gründung vor allem auf den Konfuzianismus und den Buddhismus; diese bildeten vor dem Shintō, der zu dieser Zeit eher unbedeutend war, die herrschenden Lehren.17 Der Buddhismus war über das sogenannte danka- bzw. terauke-System, das jeden Japaner unterhalb des Samurai-Standes zwang, sich bei einem Tempel registrieren zu lassen, ein direktes Instrument zur Kontrolle der Bevölkerung.18 Der Konfuzianismus wiederum entwickelte sich in
15 Beasley, William G.: Great Britain and the Opening of Japan 1834–1858; Konishi, Shirō: Kaikoku to jōi (= Nihon no rekishi 19), Tōkyō: Chūō kōron-sha 1966. 16 Vgl. zur Geistesgeschichte der Edo-Zeit Watanabe, Hiroshi: A History of Japanese Political Thought 1600–1901, Tōkyō: International House of Japan 2012; Harootunian, H. D.: Toward Restoration. The Growth of Political Consciousness in Tokugawa Japan, Berkeley/Los Angeles/ Oxford: University of California Press 1970; Kracht, Klaus: Studien zur Geschichte des Denkens im Japan des 17. bis 19. Jahrhunderts. Chu-Hsi-konfuzianische Geist-Diskurse, Wiesbaden: Otto Harrassowitz 1986; Antoni, Klaus: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens; Najita, Tetsuo: History and Nature in Eigteenth-century Tokugawa Thought, In: Hall, John W. (Hg.): Early Modern Japan (= Cambridge History of Japan 4), Cambridge/New York u. a.: Cambridge University Press 1991, S. 596–659; Pörtner, Peter/Heise, Jens: Die Philosophie Japans. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart: Kröner 1995, S. 231–326. 17 Vgl. Lokowandt, Ernst: Die rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit, S. 7. Die Bedeutung des Neokonfuzianismus als Regierungsideologie der TokugawaZeit wird relativiert und stattdessen die Bedeutung des Shintō betont von Ooms, Herman: NeoConfucianism and the Formation of Early Tokugawa Ideology. Contours of a Problem, In: Nosco, Peter (Hg.): Confucianism and Tokugawa Culture, Princeton: Princeton University Press 1984, S. 27–61; vgl. auch Antoni, Klaus: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens, S. 48–51. 18 Siehe weiterführend Hōzawa, Naohide: Bakuhan kenryoku to jidan seido, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2004; Ders.: Jidan seido to sōsai bukkyō, In: Shimazono, Susumu u. a. (Hg.): Sei to
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der Tradition des Neokonfuzianismus in Anlehnung an den song-zeitlichen chinesischen Gelehrten Zhu Xi (1130–1200) zur tragenden Staatsphilosophie, indem er vor allem die politische Ordnung, das Wirtschaftssystem, ethische Fragen und Probleme der Erziehung thematisierte.19 Dabei war aber das Verhältnis zwischen Buddhismus und Konfuzianismus durchaus konfliktgeladen und spannungsreich. Für die weitere Entwicklung des japanischen Nationalismus und auch des politischen Totenkultes war nun entscheidend, dass die gemeinsame Abgrenzung vom bzw. offene Gegnerschaft zum Buddhismus durch bestimmte neokonfuzianische und shintōistische Kreise (wie dem Yoshida-Shintō) langfristig eine Verschmelzung von Denkmustern, Werten und religiösen Praktiken förderte, die in die Entwicklung einer protonationalistischen oppositionellen Strömung und langfristig des Staatsshintō münden sollte. Schon die Ablehnung buddhistischer Annahmen barg damit Sprengstoff und lud zunächst religiöse Fragen politisch auf. Dies sollte sich beim Transfer entsprechender religiöser und ethischer Vorstellungen und Praktiken in den politischen Raum, insbesondere in der Umsetzung religionspolitischer Maßnahmen einzelner Fürstentümer, zeigen (s. u.). Diese Entwicklungen gingen einher mit einer Rückbesinnung auf die (zunächst chinesische) Geschichte, welche in die Entstehung der sog. Alte Schule (kogaku) und schließlich der Nationale Schule (bzw. Landeswissenschaften, kokugaku) und der Mito-Schule (Mito-gaku) mündete.20 Diese drei Schulen verschrieben sich dem Studium der ältesten japanischen Literatur und Geschichte, in denen sie einen unverfälschten, nicht durch indische (buddhistische) und chinesische (konfuzianische) Vorstellungen getrübten japanischen Geist vermuteten.21 Durch sie erlebten nun der Shintō und mit ihm das Kaiserhaus auf lange Sicht eine weitere Aufwertung, welche die Rolle des Shintō und die tatsächliche legi-
shi (= Shiriizu Nihon-jin to shūkyō 3), Tōkyō: Shunju-sha 2015, S. 25–51; Hur, Nam-lin: Death and Social Order in Tokugawa Japan. Buddhism, Anti-Christianity, and the Danka System, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 2007; Marcure, Kenneth A.: The Danka System, In: Monumenta Nipponica 40 (1985), Heft 1, S. 39–67; Tamamuro, Fumio: The Development of the Temple-Parishioner System, In: Japanese Journal of Religious Studies 36 (2009), Heft 1, S. 11–26. 19 Weiterführend Nosco, Peter (Hg.): Confucianism and Tokugawa Culture, Princeton: Princeton University Press 1984; zur Geschichte des Konfuzianismus in China siehe Paul, Gregor: Konfuzius und Konfuzianismus. Eine Einführung, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2010. 20 Matsumoto, Sannosuke: Kokugaku no seiritsu, In: Ienaga, Saburō u. a. (Hg.): Kinsei (= Iwanami kōza Nihon rekishi 12), Tōkyō: Iwanami shoten 1963, S. 155–198. 21 Vgl. Antoni, Klaus: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens; Maruyama, Masao: Studies in the Intellectual History of Tokugawa Japan, Princeton: Princeton University Press 1974; Koschmann, J. Victor: The Mito Ideology. Discourse, Reform, and Insurrection in Late Tokugawa Japan, 1790–1864, Berkeley/Los Angeles u. a.: University of California Press 1987; Yoshida, Toshizumi: Mito-gaku to Meiji ishin, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2003.
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timatorische Funktion des Hofes im Machtgefüge des Tokugawa-Staates weit überschritt. Die Position des Tennō wurde zu einem Leitthema der Debatten über die politische Verfasstheit des Landes.22 Dabei war zunächst keineswegs ausgemacht, dass diese im öffentlichen Raum durchaus einflussreichen Schulen mit ihren Lehren tatsächlich die Herrschaft der Tokugawa, die ja im Auftrag des Kaiserhauses herrschten, insgesamt delegitimieren würden. Als die innenpolitischen Konflikte in der Mitte des 19. Jahrhunderts aber schließlich um zwei Fragen kreisten, einmal die Frage der politischen Ordnung im Inneren und zum anderen die Frage des Verhältnisses Japans nach außen, d. h. vor allem den Umgang mit den Westmächten, griffen die Gegner der Tokugawa auf Deutungsfiguren und Denkmuster von Nationaler und Mito-Schule zurück und delegitimierten u. a. mit der Forderung nach direkter Herrschaft des Tennō die politische Ordnung der Edo-Zeit – und brachten sie schließlich zum Einsturz.
1.2 Krieg und Umgang mit Kriegstoten in Altertum und Mittelalter Fragt man nach Traditionslinien des Krieges und des Umgangs mit Kriegs toten in der Neuzeit in Japan, muss man die historischen Präzedenzfälle nicht nur des durch zahlreiche Kriege gekennzeichneten Mittelalters und damit der Zeit der Samurai, sondern zunächst auch die bewaffneten Konflikte des Altertums, mithin der Phase der Herausbildung und Konsolidierung des japanischen Staates, thematisieren. Die Notwendigkeit dieser Analyse im „langen Bogen“ ist nicht nur wegen der langen Friedensperiode in der Edo-Zeit notwendig. Vielmehr erwiesen sich die Traditionen des Altertums und Mittelalters als äußerst langfristig wirksam. Im japanischen Altertum finden sich im Wesentlichen drei Arten von militärischen Auseinandersetzungen: erstens Kriege gegen äußere Feinde wie Feldzüge auf der koreanischen Halbinsel (insbesondere im 6. und 7. Jahrhundert) oder gegen die „Barbaren“ (emishi) im Nordosten der Hauptinsel Honshū (vor allem bis zu Beginn des 9. Jahrhunderts), zweitens innere Unruhen und drittens (auch) mit Waffengewalt ausgetragene Machtkämpfe zwischen rivalisierenden Gruppen innerhalb der Herrschaftselite am Kaiserhof.23 Auch wenn man einschränkend
22 Vgl. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 46. 23 Vgl. zu den militärischen Auseinandersetzungen auf dem Festland Mori, Kimiaki: Higashi Ajia no dōran to Wa-koku, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2006; für die Kriege im Nordosten Suzuki, Takuya: Emishi to Tōhoku sensō, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2008 und für die Kämpfe
1.2 Krieg und Umgang mit Kriegstoten in Altertum und Mittelalter
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bemerken muss, dass unser Wissen über diese Konflikte vor allem auf den offiziellen Chroniken und damit der Überlieferung des Kaiserhofes beruht und deshalb ein Bias anzunehmen ist, weisen die Begleitumstände dieser Kämpfe doch bereits eine Reihe von Charakteristika auf, die für die weitere Entwicklung der Legitimation von Krieg und des Umgangs mit Kriegstoten in Japan hervorzuheben sind. Erstens waren Kriege und bewaffnete Konflikte im Altertum legitimatorisch auf den Tennō und das Kaiserhaus und damit auch auf die Legitimität von Herrschaft bezogen.24 Als gerechter Krieg wurde dabei, in Anlehnung an chinesische philosophische Vorstellungen, jeder Krieg angesehen, der durch den Herrscher geführt wurde, was aber im Umkehrschluss auch bedeutete, dass nur ein solcher Waffengang ein gerechter Krieg war.25 Dabei konnte die Legitimität eines im Namen des Kaisers geführten Krieges nicht in Frage gestellt werden, herrschte dieser doch im Einklang mit dem Mandat des Himmels; ein erfolgreich geführter Feldzug unterstrich also ex post nochmals dessen Legitimität.26 In den Zeremonien im Umfeld von Kriegen spiegelte sich dabei die religiöse Dimension von Herrschaft im Altertum: So sind sowohl die Durchführung shintōistischer Rituale wie das Darbringen von Opfern in den Schreinen von Ise oder des Kriegsgottes Hachiman in Usa auf Kyūshū, zu denen das Kaiserhaus eine besondere Beziehung unterhielt, als auch buddhistischer Zeremonien wie das ninnō-e überliefert, die ebenfalls dem Schutz des Reiches vor Feinden dienten.27 Auch im engeren Sinne militärische Zeremonien wie die Ernennung eines militärischen Oberbefehlshabers für einen Feldzug (shōgun), die mittels der Verleihung entsprechender (Zeremonial-)Schwerter erfolgte, symbolisierten diesen Bezug zur politischen Ordnung. Und schließlich sind auch die Bezeichnungen der Streitkräfte in den offiziellen Dokumenten ein Beleg hierfür: So wurde bereits im japanischen Altertum für die kaiserlichen Armeen die Bezeichnung kangun (Regierungstruppen) verwendet, welche die Rechtmäßigkeit und Legitimität der kaiserlichen Seite betonte, für ihre Gegner hingegen abwertende und delegitimierende Bezeichnungen, in aller Regel Zusammensetzungen mit dem Wort zoku (Rebell, Aufrührer oder Verräter) wie zokushū oder zokuto (Rebellengesindel) oder auch zokugun (Rebellenarmee).
rivalisierender Gruppen am Kaiserhof z. B. Kuramoto, Kazuhiro: Jinshin no ran, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2007. 24 Nakabayashi, Takayuki: Kodai no shūkyō to chinkon (tsuitō), In: Atarashii rekishigaku no tame ni (2007), Heft 269, S. 14–24, hier S. 18–19. 25 Vgl. Friday, Karl F.: Samurai, Warfare, and the State in Early Medieval Japan, London/New York: Routledge 2004, S. 21. 26 Ebenda. 27 Nakabayashi, Takayuki: Kodai no shūkyō to chinkon (tsuitō), S. 18–19.
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Zweitens ist festzuhalten, dass bereits im Altertum eine rudimentäre Form von Fürsorge für die Hinterbliebenen von Kriegsgefallenen etabliert und gesetzlich geregelt wurde. Sie erstreckte sich sowohl auf die Kosten von Bestattungs- und Trauerfeierlichkeiten als auch auf die materielle Versorgung der Angehörigen. Im Altertum galt in Japan eine Dienst- und Wehrpflicht, nach der ca. ein Drittel der männlichen Bevölkerung ausgehoben werden konnte.28 Hierzu wurden spezielle Register angelegt, welche die Wehrdienstleistenden verzeichneten. Nach Beendigung eines Feldzuges mussten von den Befehlshabern detaillierte Berichte über denselben erstellt werden, welche u. a. auch die Zahlen der Gefallenen, der Verwundeten und der Gefangenen enthielten. Die Beisetzung von Kriegstoten – sie zerfiel in der Regel in die beiden Elemente sōgi und maisō – lag grundsätzlich in der Verantwortung der Angehörigen bzw. des uji-Geschlechtes, dem der Tote entstammte, und erfolgte im Einklang mit dem Rangsystem. Der Staat unterstützte die Familien jedoch in Form von je nach Rang des Verstorbenen genau festgelegten Geschenken usw. Hatte sich der Gefallene im Kampf ausgezeichnet, erfolgte eine posthume Rangerhöhung. Staatliche Trauerfeiern für die Gefallenen gab es aber augenscheinlich weder im Felde noch nach der Rückkehr der Truppen in die Hauptstadt.29 Die Versorgung der Hinterbliebenen erfolgte in Form von Sonderregelungen in der Zuteilung von Staatsland (kubunden).30 Hatte der Gefallene Kinder, wurde der seiner Familie für ihn zugewiesene Anteil am Staatsland nicht eingezogen, wie es normalerweise im Falle des Ablebens vorgesehen war, sondern verblieb (zunächst) bei seinen Nachfahren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass trotz dieser formalen Regelungen die sterblichen Überreste zahlreicher Kriegstoter nicht systematisch bestattet wurden – nicht zuletzt wegen der bis ins Mittelalter verbreiteten Praxis, Leichname in die Wildnis zu verbringen und sie dort verwesen zu lassen. Widersprüchliche Befunde ergeben sich im Falle von inneren Unruhen bzw. Machtkämpfen innerhalb der Herrschaftselite des Staates: Es gab sowohl Fälle, in denen die Leichname von Gegnern ehrenvoll bestattet wurden, als auch Fälle, in denen es zu Grab- und Leichenschändung kam.31
28 Offen bleibt die Frage, wie umfassend das System der Dienst- und Wehrpflicht, welches quellenmäßig in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts für die Truppen des Hofes nachweisbar ist, tatsächlich war. Daneben scheinen auch militärische Strukturen bei den Geschlechterverbänden weiterexistiert zu haben. Inwiefern diese vielleicht über eine Kontinuität – sei es strukturell oder in Bezug auf die Kampfesweise – zu den in der zweiten Hälfte der Heian-Zeit entstehenden Samurai-Verbänden verfügen, muss entsprechend ebenfalls offen bleiben. Vgl. Ikegami, Eiko: Taming of the Samurai, S. 51–55. 29 Nakabayashi, Takayuki: Kodai no shūkyō to chinkon (tsuitō), S. 20. 30 Siehe zum kubunden-System Inoue, Kiyoshi: Geschichte Japans, Frankfurt a. M./New York: Campus 1993, S. 61–62. 31 Nakabayashi, Takayuki: Kodai no shūkyō to chinkon (tsuitō), S. 20.
1.2 Krieg und Umgang mit Kriegstoten in Altertum und Mittelalter
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Schließlich ist drittens zu konstatieren, dass buddhistische Mönche im Altertum Seelenmessen (kuyō-e) durchführten, die sich auf die Gefallenen beider Seiten bezogen. Dieses Prinzip, die Seelen der Gefallenen des eigenen wie des gegnerischen Lagers ins Jenseits zu geleiten bzw. ihnen zu opfern, wurde mit onshin byōdō, Gleichheit von Freund und Feind, bezeichnet. Auch wenn es hierzu kaum Quellenbelege gibt, geht die Forschung davon aus, dass diese Seelenmessen im Auftrag des Staates durchgeführt wurden.32 Die zweite Hälfte der Heian-Zeit (894–1185) erlebte mit der Entstehung einer (sehr heterogenen) Schicht von professionalisierten Kriegern, der Samurai oder bushi, welche die bisherigen Dienst- bzw. Wehrpflichtigen des Staates des Altertums seit dem Ende des 8. Jahrhunderts ablösten und ersetzten, eine militärische Revolution, welche die Kriegführung bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts nachhaltig prägen sollte.33 Im Aufstieg der Samurai verschränkten sich mehrere sozioökonomische, kulturgeschichtliche und politische wie militärische Prozesse.34 Für unseren Kontext von besonderer Bedeutung ist dabei erstens die sich über mehrere Jahrhunderte hinziehende „Demilitarisierung“ bzw. Zivilisierung des Kaisers und des Hofadels, welche unter anderem im Kontext der im Shintō wurzelnden Furcht vor ritueller Unreinheit (kegare) am Kaiserhof oder der Bedeutungszunahme des buddhistischen Tötungsverbotes (sesshō kindan) zu sehen ist.35 Hierdurch wurden in einem langfristigen Prozess Krieg und militärischer Habitus (zu dem traditionell auch Phänomene wie etwa die Jagd zu rechnen sind), welche im Altertum noch selbstverständliche Attribute von Herrschaft waren, delegitimiert und zugleich delegiert an als kulturell minderwertig angesehene Statusgruppen wie eben die Krieger.36 Dieser freiwillige Verzicht auf die
32 A. a. O., S. 22. 33 Zum angelsächsischen Forschungsstand zur Entstehung der Samurai siehe den Rezensionsartikel von Collcutt, Martin: The “Emergence of the Samurai” and the Military History of Early Japan, In: Harvard Journal of Asiatic Studies 56 (1996), Heft 1, S. 151–164. 34 Schwentker, Wolfgang: Die Samurai; Friday, Karl F.: Hired Swords. The Rise of Private Warrior Power in Early Japan, Stanford: Stanford University Press 1992; Ders.: Samurai, Warfare and the State in Early Medieval Japan, New York/London: Routledge 2004; Farris, William Wayne: Heavenly Warriors. The Evolution of Japan’s Military 500–1300, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 1992; Ferejohn, John A./Rosenbluth, Frances McCall (Hg.): War and State Building in Medieval Japan, Stanford: Stanford University Press 2010. 35 Vgl. zum sesshō kindan Taira Masayuki: Sesshō kindan no rekishi-teki tenkai, In: Ōyama, Kyōhei (Hg.): Nihon shakai no shi-teki kōzō. Kodai, chūsei, Kyōto: Shibunkaku 1997, S. 149–171; Vollmer, Klaus: Tötungsverbot (sesshō kindan) und Freilassungszeremonien (hōjōe). Geschichte und Interpretation buddhistischer Rituale in Japan, In: Antoni, Klaus (Hg.): Rituale und ihre Urheber. Invented Traditions in der japanischen Religionsgeschichte, Hamburg: LIT-Verlag 1997, S. 77–104. 36 Ein weiteres Beispiel ist das Delegieren von Aufgaben im Umfeld von Bestattungen an die zur Gruppe der Paria gehörenden hinin, denen insgesamt der Umgang mit Leichnamen übertragen wurde.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
militärische Komponente von Herrschaft bzw. auf Gewalt durch den Kaiserhof war im gewissen Sinne eine Voraussetzung für die Trennung von Hofaristokratie und Kriegeradel,37 wie sie in den Zeiten der aufeinanderfolgenden Shōgunate von Kamakura, Muromachi und Edo (Ende des 12. bis Mitte des 19. Jahrhunderts) charakteristisch war, und er erforderte mit der Meiji-Restauration dann auch die Notwendigkeit einer „Remilitarisierung“ des Kaiserhauses. Zweitens generierte die Sozialstruktur der entstehenden Schicht der Krieger, die immer wieder den Vergleich mit Phänomenen des europäischen Feudalismus provoziert hat,38 die besondere Betonung von Loyalität bzw. Solidarität in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese wurde wiederum mit einem spezifischen Ehrbegriff aufgeladen, der nun auch die Bereitschaft implizierte, in der Schlacht in den Tod zu gehen. Vorerst war diese Bereitwilligkeit weder eine allseits akzeptierte normative Vorschrift noch eine allseits befolgte Praxis. In der späten Heian-Zeit war es etwa noch üblich, im Falle einer Niederlage vom Schlachtfeld zu fliehen oder sich dem Feind zu ergeben. Entsprechend blieb die Zahl der Opfer auch bei größeren bewaffneten Auseinandersetzungen vergleichsweise gering.39 Doch bereits in der Schlacht von Uji im Jahre 1180 zeigte sich eine die Zeitgenossen erstaunende Bereitschaft, in auswegloser Situation bis zum letzten Mann zu kämpfen.40 Die Aufladung des Kampfes mit dem Konzept der Ehre vollzog sich vor dem Hintergrund einer bis ins 15. Jahrhundert vorherrschenden Militärtaktik, welche aus dem Einzelkampf schwer bewaffneter und möglichst anerkannter Samurai bestand. Das Verhalten der Kombattanten wurde von Beobachtern (dem aus Vasallen, Knappen und Dienern bestehenden Gefolge, das eher selten in den Kampf eingriff) registriert und anschließend den Angehörigen, vor allem aber auch dem Oberbefehlshaber kommuniziert. Insofern war der Kampf zwischen zwei Gegnern immer auch ein Kampf um Anerkennung, was etwa der ritualisier-
37 Diese Trennung bedeutete freilich nicht, dass sich der Hofadel nicht der Krieger und auch der Gewaltanwendung als Mittel der Konfliktlösung bediente; der Aufstieg und folgende Konflikt der Minamoto und Taira, der schließlich im Genpei-Krieg (1180–1185) und der Errichtung des Shōgunats von Kamakura (1192) mündete, war das Resultat von Bemühungen des Hofadels, interne Rivalitäten mit Hilfe von militärischer Gewalt zu lösen. 38 Klassisch bereits bei Bloch, Marc: Die Feudalgesellschaft, Berlin/Wien: Propyläen 1982 (1939), hier S. 530–533; Hintze, Otto: Wesen und Verbreitung des Feudalismus, In: Ders.: Staat und Verfassung. Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Verfassungsgeschichte, hg. von Oestreich, Gerhard, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1970 (1929), S. 84–119; siehe zuletzt auch Taranchefusuki, Detorefu (Taranczewski, Detlev)/Kondō, Shigekazu u. a. (Hg.): Chūsei Nihon to Seiō. Takyoku to bunken no jidai, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2009. 39 Friday, Karl F.: Hired Swords, S. 117–119; Ikegami, Eiko: Taming of the Samurai, S. 96; Schwentker, Wolfgang: Samurai, S. 78. 40 Ikegami, Eiko: Taming of the Samurai, S. 96.
1.2 Krieg und Umgang mit Kriegstoten in Altertum und Mittelalter
49
ten Selbstvorstellung der Gegner vor dem Kampf oder der archaisch anmutende Praxis des Sammelns und Präsentierens der abgeschlagenen Köpfe der Gegner nach einer Schlacht einen unmittelbaren Sinn verlieh. Da schließlich der Oberbefehlshaber, also der Lehnsherr, seine Anerkennung für geleistete Taten wiederum in aller Regel in Form der Vergabe von Ländereien ausdrückte, hatte diese Form des Kampfes somit immer auch eine ökonomische Dimension.41 Eng mit der Betonung von Loyalität und der Aufladung des Kampfes mit einem spezifischen Ehrbegriff verknüpft war drittens eine Neubewertung von Todesbereitschaft und Art und Weise des Sterbens, die sich insbesondere auch an der Entstehung der Praxis des rituellen Selbstmordes (seppuku, im Westen meist harakiri) zeigt.42 Aus ihr entwickelte sich schließlich eine regelrechte „Obsession des ehrenvollen und ‚schönen‘ Todes.“43 In den Quellen ist diese Verbindung seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts fassbar, wobei zunächst die Arten der Selbsttötung noch recht mannigfach waren. Darunter ist wohl auch die Tötung durch Kämpfer der eigenen Seite im Falle einer tödlichen Verwundung zu subsumieren, wodurch vermieden werden sollte, dass der Verwundete vom Gegner getötet, sein Kopf als Trophäe erbeutet und er somit entehrt würde.44 Im Zentrum der ehrenvollen Selbsttötung aber stand der normative Anspruch autonomen Handelns, welcher Selbstkontrolle, Würde und eben Autonomie auch in auswegloser Situation – kurz: die Fähigkeit, das eigene Schicksal bestimmen zu können – verlangte und mit dem Konzept von Ehre verband.45 Diese Verknüpfung im Konzept des ehrenvollen Todes auf dem Schlachtfeld wurde ebenfalls zunächst weder allseits akzeptiert noch konsequent befolgt. Vielmehr kann man die Geschichte der Selbsttötungen von Kriegern als eine Geschichte der zunehmenden Verbreitung durch Medien wie die zahlreichen Kriegerepen des Mittelalters und der schrittweisen Akzeptanz dieser kulturellen Norm in der Schicht der Samurai deuten. Keinesfalls darf man sie aber auf eine Art von ritualisierter Praxis reduzieren: Der leitende Anspruch auf eine Autonomie des Handels erklärt vielmehr auch vermeintlich gegenteilige Verhaltensweisen. So überliefern die Kriegerepen auch zahlreiche Beispiele, dass viele
41 Taranczewski, Detlev: Der frühe Feudalismus, In: Kreiner, Josef (Hg.): Geschichte Japans, Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2011, S. 94–148, hier S. 128–129; Ikegami, Eiko: Taming of the Samurai, S. 101–102. 42 Vgl. Sprotte, Maik Hendrik: Sterben als Ehre. Zum Wesen der rituellen Selbsttötung (seppuku), In: Historisches Museum der Pfalz Speyer (Hg.): Samurai, Ostfildern: Thorbecke 2008, S. 164–171. 43 Ikegami, Eiko: Taming of the Samurai, S. 103. 44 A. a. O., S. 101. 45 A. a. O., S. 109–113.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
Vasallen es geradezu als Ehre ansahen, des Verrates verdächtig zu sein oder dass sie in aussichtsloser Lage vom Lehnsherren abfielen.46 Diese Autonomie manifestierte sich schließlich auch in der sogenannten „Todesgefolgschaft“ (junshi), welche die Selbsttötung von Vasallen beim Tode ihres Lehnsherren bezeichnete und ebenfalls die Verbindung von Loyalität und Todesbereitschaft zum Ausdruck brachte.47 Diese Praxis war insbesondere nach einer verlorenen Schlacht weit verbreitet. Der berühmteste Fall ist wohl der Massenselbstmord von mehreren hundert Vasallen der Hōjō nach dem Fall von Kamakura im Jahre 1333.48 Mit dem Beginn der Edo-Zeit und der damit zusammenfallenden Pazifizierung Japans nach innen und der Landesabschließung nach außen verlor das Konzept vom ehrenvollen Tod auf dem Schlachtfeld seine praktische Relevanz, wurde auf eine kulturelle Norm reduziert und fand als solche Eingang in den „Weg der Krieger“ (bushi-dō bzw. shidō), wie die frühen Versuche einer systematischen und schriftlich niedergelegten Fassung der ethischen Normen der Samurai in den ersten Jahrzehnten der Tokugawa-Herrschaft zunehmend genannt wurden.49 Das zeigt sich am deutlichsten im zwischen 1710 und 1716 verfassten Hagakure („Hinter den Blättern“) von Yamamoto Jin’uemon Tsunetomo (1659–1719), einem Samurai aus dem Fürstentum Saga auf der Insel Kyūshū, das als eine wichtige zeitgenössische Quelle für das Selbstverständnis und damit internalisierte Normen von Kriegern in der Mitte der Edo-Zeit gelten kann.50 Bereits der viel zitierte Beginn des Hagakure greift die Verknüpfung von radikaler Todesbereitschaft und Freiheit im Kontext des Samurai-Ethos auf: „Der Weg des Samurai [bushi-dō, TS] ist der Tod. Wer als Samurai zwischen Leben und Tod zu wählen hat, wird sofort den Tod wählen. Das ist nichts Besonderes, man muss nur fest dazu entschlossen sein. Zu sagen, dass Sterben, oder die eigene Bestimmung erreicht zu haben, ein sinnloser Tod sei, kann nur die Denkweise des verweichlichten Budō sein. Hat man sich zwischen Leben und Tod zu entscheiden und begreift, welcher
46 Vgl. Taranczewski, Detlev: Der frühe Feudalismus, S. 129. 47 Schwentker, Wolfgang: Samurai, S. 80–81. 48 Ebenda. 49 Wobei einschränkend zu betonen ist, dass die idealisierte Überhöhung des bushi-dō vor allem ein Produkt der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist und dass aus Traktaten wie dem Hagakure oder dem Shidō von Yamaga Sokō (1622–1685) nur bedingt auf die Lebenswirklichkeit der Samurai der Edo-Zeit geschlossen werden kann. Siehe zur Geschichte des bushi-dō Friday, Karl F.: Bushidō or Bull? A Medieval Historian’s Perspective on the Imperial Army and the Japanese Warrior Tradition, In: The History Teacher 27 (1994), Heft 3, S. 339–349, hier S. 340–341; Benesch, Oleg: Inventing the Way of the Samurai. 50 Zum Hagakure vgl. Ikegami, Eiko: Taming of the Samurai, S. 279–280.
1.3 Entstehung von Bestattungsriten und Totengedenken im Shintō
51
Art die eigene Bestimmung ist, dann ist dies unübertroffen. Wir alle lieben das Leben. Deshalb richten wir uns größtenteils nach dem, was wir schätzen. Wenn man ohne Ziel leben würde, wäre man ein Feigling. […] Denn zu sterben und dabei das Ziel zu verfehlen, wäre Begeisterung für einen sinnlosen Tod. […] Das ist die Quintessenz des Samuraidaseins. Jeden Morgen und jeden Abend sich selbst zu erneuern, ist wie sterben, und wenn man in seinem Körper lebt, als wäre dieser bereits tot, erreicht man die Freiheit des Wegs des Samurai, dann gibt es keine Fehler, und man kann die Pflichten des Hauses, dem man dient, voll erfüllen.“51
Dieser im Hagakure und anderen Schriften formulierte Anspruch auf einen den Tod verachtenden Habitus konkurrierte freilich mit einer politischen und gesellschaftlichen Realität, welche nicht nur kaum Räume eröffnete, diesen zu praktizieren, sondern sogar aktiv die Zivilisierung der Samurai und ihre Transformation in einen Stand von Verwaltungsbeamten forcierte. Trotzdem war die Zivilisierung der Samurai – darauf weist Ikegami Eiko zu Recht hin – niemals so erfolgreich, dass die normativen Vorgaben des Kriegerstandes ausgelöscht worden wären; sie blieben vielmehr in Zeiten politischer und sozialer Krisen abrufbar.52
1.3 Entstehung von Bestattungsriten und Totengedenken im Shintō Einer der Grundpfeiler des modernen staatlichen Gefallenenkultes in Japan ist die shintōistische Apotheose der Seelen der Gefallenen in den sog. shōkonZeremonien. Hierzu wird die Seele eines Kriegstoten von Priestern herbeigerufen (shōkon), in den „Gottkörper“ (shintai), meist einen Spiegel oder ein Schwert, eines Shintō- Heiligtums eingeschreint (gōshi) und zu einer Gottheit (kami oder mikoto) erhoben. Diese Praxis und die ihr zugrundeliegenden shintōistischen bzw. konfuzianischen Vorstellungen weichen erheblich von den gesellschaftlich dominanten Formen des Totengedenkens ab, welche seit der Edo-Zeit buddhistisch geprägt waren und sind. Sie wurde vielmehr, gemeinsam mit shintōistischen Bestattungsriten, im Laufe des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit durch protonationalistische und antibuddhistische Strömungen in bewusster Abgrenzung von und Konkurrenz zu den buddhistischen Vorstellungen und Praktiken entwickelt. Dieser historisch begründete Gegensatz, der durch synkretistische
51 Yamamoto, Tsunetomo: Hagakure. Der Weg des Samurai, übers. von Eisenhofer-Halim, Hannelore, Erftstadt: area-Verlag 2006, S. 16–17. 52 Vgl. Ikegami, Eiko: Taming of the Samurai, S. 298.
52
1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
polytheistische Vorstellungen im Alltag immer wieder abgefedert, aber nie aufgelöst wurde, ist für das Verständnis der Problem- und Konfliktlagen des neuzeitlichen Gefallenenkultes von besonderer Wichtigkeit. Die Entstehung einer Praxis des Herbeirufens und Einschreinens der Seelen von Gefallenen soll deshalb im Folgenden analysiert werden; zum besseren Verständnis sollen jedoch zunächst die Entwicklung der buddhistischen Totenriten in Japan und seine wichtigsten Elemente kurz idealtypisch skizziert werden.
1.3.1
Bestattungsriten und Totengedenken im japanischen Buddhismus
In der heutigen japanischen Gesellschaft ist der Umgang mit Verstorbenen, sind Bestattungsriten und Totengedenken zum größten Teil durch den Buddhismus geprägt, was wiederum auf eine Art von „Arbeitsteilung“ zwischen den japanischen Religionen zurückgeführt wird. Diese Prägung ihrerseits ist Folge einer schrittweisen und sich über den Zeitraum mehrerer Jahrhunderte erstreckenden Verdrängung und Überlagerung älterer (indigen japanischer) Vorstellungen und Praktiken, welche jedoch erst in den letzten drei Jahrhunderten weitgehend verschwanden.53 Der Überlieferung nach erreichte die buddhistische Lehre Japan erstmals gemeinsam mit anderen kontinentalen Kulturtechniken Mitte des 6. Jahrhunderts n.Chr., als der Herrscher des koreanischen Teilstaates Baekje (Paekche) dem japanischen Hof eine Statue des Shakyamuni, Ritualgegenstände und einige Sutren übersandte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Buddhismus bereits zahlreiche Elemente der festländischen chinesischen und koreanischen Tradition, v. a. des Daoismus und Konfuzianismus, aufgenommen. Nach längeren Auseinandersetzungen rivalisierender Adelsfamilien um den neuen Glauben wurden buddhistische Praktiken schließlich in die Zeremonien des Hofes integriert und seine Verbreitung seit der Wende zum 7. Jahrhundert aktiv gefördert. Damit etablierte sich schließlich der Buddhismus in Japan als Staatskult und Gelehrtenreligion.54 Für die Aristokratie sind ebenfalls seit dem 7. Jahrhundert buddhistische Beisetzun-
53 Vgl. zur Geschichte des Buddhismus in Japan zuletzt Kleine, Christoph: Der Buddhismus in Japan. Geschichte, Lehre, Praxis, Tübingen: Mohr Siebeck 2011; Stone, Jacqueline I.: Buddhism, In: Swanson, Paul L./Chilson, Clark (Hg.): Nanzan Guide to Japanese Religions, Honolulu: University of Hawai’i Press 2006, S. 38–64; Eder, Matthias: Geschichte der japanischen Religion. Band 2: Japan mit und unter dem Buddhismus, Nagoya: Japan Publ. 1978. Dort jeweils weiterführende Literatur. Allgemein zur Geschichte des Buddhismus siehe Brück, Michael von: Einführung in den Buddhismus, Frankfurt a. M./Leipzig: Verlag der Weltreligionen 2007, zu Japan S. 367–425. 54 Kleine, Christoph: Der Buddhismus in Japan, S. 6–27.
1.3 Entstehung von Bestattungsriten und Totengedenken im Shintō
53
gen und Totenrituale wie das urabon überliefert, ein „Geisterfest“, das ursprünglich der Errettung der Ahnen aus der Hölle bzw. niederen Bereichen der Wiedergeburt diente und heute im Sommer als ein Allerseelenfest begangen wird.55 Die buddhistische Lehre von den Wiedergeburten bzw. dem Daseinskreislauf (sanskrit samsara, japanisch rinne) prägte nachhaltig die japanischen Diesseits- und Jenseitsvorstellungen.56 Dabei kennt der Buddhismus sechs Möglichkeiten (die „Sechs Wege“, rokudō) einer Wiedergeburt in eine irdische Existenz: als (sterblicher) Gott, Mensch, Kriegergeist (bzw. Titan), Hungergeist, als Tier oder Bewohner einer der zahlreichen Höllen.57 Hinzu kommen die vier Stufen der Buddhaschaft (Schüler, von selbst zur Erleuchtung gelangter Buddha, künftiger Buddha und Buddha), so dass der Buddhismus insgesamt „zehn Welten“ (jikkai) als Orte eines künftigen Lebens bzw. Daseinsformen kennt. Neben diesen Sphären des Diesseits und von diesen streng getrennt steht das Nirvana, das durch die Auslöschung alles Diesseitigen definiert wird.58 Für die Herausbildung und Verbreitung buddhistischer Totenriten in Japan war entscheidend, dass zu der klassischen Lehre, wonach das irdische Leben über die künftige Wiedergeburt entscheide (Karma), die Vorstellung hinzutrat, man könne der Seele in einer Übergangsphase (chūin oder chūu) von zunächst 49 Tagen, später 33 oder auch 49 Jahren durch Opfergaben und das Rezitieren von Sutren helfen und so durch das Eingreifen von Priestern und Angehörigen das Schicksal beeinflussen.59 Hierdurch verbreitete sich schließlich seit dem Mit-
55 Offen bleibt die Frage, inwieweit der Ahnenkult bereits ein Element der einheimischen religiösen Praktiken in Japan vor der Einführung des Buddhismus war. Zu den Vorstellungen von Tod und Jenseits im Man’yō-shū vgl. Naumann, Nelly: Die einheimische Religion Japans, Band 1, S. 239–243. 56 Vgl. Takemura, Makio/Tamura, Yoshirō.: Jenseitsvorstellungen, buddhistische, In: Hammitzsch, Horst (Hg.): Japan-Handbuch, Wiesbaden: Franz-Steiner-Verlag 1981, Sp. 1588–1590. Siehe auch Vogel, Claus: Tod und Jenseits nach der Lehre des Buddha, In: Klimkeit, Hans-Joachim: Tod und Jenseits im Glauben der Völker, Wiesbaden: Harrassowitz 1978, S. 145–157. 57 Vgl. Scheid, Bernhard: Jenseitsvorstellungen, in: Ders.: Religion in Japan. Ein Web-Handbuch (http://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Mythen:Jenseits, abgerufen 20. 12. 2011); Keown, Damien: Der Buddhismus. Eine kurze Einführung, Stuttgart: Philipp Reclam 2001, S. 44–48; Nur, Ham-lin: Death and Social Order in Tokugawa Japan, S. 17–18. Siehe zu den Jenseitsvorstellungen in Japan auch Stone, Jaqueline I./Namba Walter, Mariko (Hg.): Death and the Afterlife in Japanese Buddhism, Honolulu: University of Hawai’i Press 2008; Formanek, Susanne/LaFleur, William (Hg.): Practicing the Afterlife. Perspectives from Japan, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2004. 58 Vgl. Scheid, Bernhard: Jenseitsvorstellungen. 59 Bernstein, Andrew: Modern Passings. Death Rites, Politics, and Social Change in Imperial Japan, Honolulu: University of Hawai’i Press 2006, S. 24.
54
1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
telalter in allen Schichten der japanischen Gesellschaft die rituelle Praxis von Opfergaben für die Verstorbenen (kuyō) in Form von Weihrauch, Lebensmitteln, Blumen oder Licht, welche den Seelen eine glückliche Hinübergeburt ermöglichen, den Weg zur Erlösung weisen bzw. die Richter der Unterwelt besänftigen sollten.60 Seit der Mitte der Kamakura-Zeit (1185–1333) hatten die verschiedenen buddhistischen Schulen – erneut durch die Aufnahme und Verschmelzung unterschiedlicher Traditionsbestände und die weitere Übernahme chinesischer Vorstellungen – schließlich mehr oder minder feste Formen in Bezug auf den Umgang mit Verstorbenen entwickelt.61 Diese verbanden buddhistische Praktiken wie die Weihe des Sterbenden bzw. Verstorbenen zum buddhistischen Priester, die Vergabe eines posthumen buddhistischen Namens (kaimyō), die bereits erwähnten Opfergaben (kuyō) oder das Lesen von Sutren mit konfuzianischen Praktiken wie der ritualisierten Waschung und Ankleidung des Leichnams oder der Anfertigung einer Ahnentafel (ihai) zur Einschreinung der Seele des Verstorbenen.62 Diese Elemente können sich je nach Schule in ihrer konkreten Ausprägung unterscheiden, stellen aber über die verschiedenen Denominationen hinweg bis heute die wichtigsten Bestandteile buddhistischer Totenriten in Japan dar. Wenden wir uns nun kurz dem Umgang mit den sterblichen Überresten im Buddhismus zu. Heute assoziiert man im Allgemeinen die Feuerbestattung mit dem japanischen Buddhismus, doch ist auch diese Tatsache ein Ergebnis langfristiger Entwicklungs- und Transformationsprozesse. In den heiligen Schriften des Buddhismus gibt es keine Vorschrift zur Kremation; stattdessen werden explizit vier Möglichkeiten der Beisetzung genannt: Erd- (dosō), See- bzw. Wasser(suisō), Freiland- (fūsō) und schließlich die Feuerbestattung (kasō).63 Wegen der Überlieferung, dass Shakyamuni kremiert und seine Asche in einer Stupa bzw. Pagode als Reliquie aufbewahrt worden sei, galt die Feuerbestattung auf dem Weg zur Buddhaschaft bzw. in eines der buddhistischen Paradiese jedoch als besonders erfolgversprechend. Dabei blieb die Feuerbestattung in der Nara- und Heian-Zeit zunächst ein auf den Kaiserhof und die Aristokratie beschränktes
60 Siehe weiterführend auch Stone, Jaqueline I.: With the Help of “Good Friends”. Deathbed Ritual Practices in Early Medieval Japan, In: Dies./Namba Walter, Mariko (Hg.): Death and the Afterlife in Japanese Buddhism, Honolulu: University of Hawai’i Press 2008, S. 61–101. 61 Das Folgende nach Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 25–27. 62 Ebenda. Siehe zur Bandbreite der Zeremonien auch Hur, Nam-lin: Death and Social Order in Tokugawa Japan, S. 141–194. 63 Bernstein, Andrew: Modern Passings , S. 29. Siehe zu den Bestattungspraktiken auch Goodwin, Janet R.: Shooting the Dead to Paradise, In: Journal of Japanese Religions 16 (1989), Heft 1, S. 61–80.
1.3 Entstehung von Bestattungsriten und Totengedenken im Shintō
55
Elitenphänomen. Erst mit der Popularisierung des Buddhismus seit der Kamakura-Zeit verbreitete sich auch die Praxis der Kremation in breiteren Schichten der Bevölkerung, ohne jedoch zur bevorzugten Bestattungsform zu avancieren.64 Vielmehr blieben auch die Erdbestattung oder das Verbringen der Leichname in die Wildnis, etwa in die Berge, wo sie der Verwesung ausgesetzt wurden, in der Vor- und Frühmoderne selbst im Rahmen buddhistischer Schulen durchaus üblich.65 In Westjapan (Kinki und Chūgoku) und Shikoku, später auch in der Kantō-Ebene war darüber hinaus das sog. Doppelgrab-System (ryōbo-sei) weit verbreitet. Hier wurde neben dem eigentlichen Grab (umebaka oder sutebaka), das die sterblichen Überreste barg, ein zweites „Besuchsgrab“ (mairibaka) errichtet, das sich im Gegensatz zu ersterem meist innerhalb des Dorfes befand und Ort regelmäßiger ritueller Handlungen durch Angehörige war.66 Analog war auch die Errichtung von Grabsteinen, -stelen oder -stupas keine allgemeine Praxis. Der Fokus der buddhistischen Totenriten richtete sich nach der Beisetzung ohnehin bald auf buddhistische (Haus-)Altäre (chūin-dan für jüngst Verstorbene), wo die Toten- bzw. Ahnentafel, welche den posthumen Namen und das Sterbedatum enthält, eingeordnet wurde. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass für die Durchsetzung buddhistischer Bestattungsrituale als vorherrschende Praxis des Umganges mit Verstorbenen zwei Faktoren von besonderer Bedeutung waren. Zum einen sind die Tabuvorschriften an Shintō-Schreinen zu nennen: die Vorstellung, dass Tod zu ritueller Unreinheit (kegare) führe und diese wiederum von kami und ihren Schreinen fernzuhalten sei. Damit enthielt der Shintō gewissermaßen eine Leerstelle, welche vom Buddhismus besetzt werden konnte. Zum anderen war die Einführung des danka- bzw. terauke-Systems in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zentral, welche den Buddhismus fest in die politische Ordnung der Edo-Zeit integrierte.67 Dieses System, das zunächst zum Aufspüren von Christen ersonnen worden war, band jede japanische Familie an einen buddhistischen Tempel, bei dem man sich als Gemeindemitglied (danka) registrieren und zu dessen Unterhalt man beitragen musste. Damit ging auch die Durchführung eines individuellen Totenkultes – mit Bestattungs- und Trauerriten, mit Seelenmessen
64 Tatsächlich wurden noch 1950 lediglich 54 % der Verstorbenen kremiert. Vgl. Hur, Nam-lin: Death and Social Order in Tokugawa Japan, S. 416 FN 204. 65 Goodwin, Janet R: Shooting the Dead to Paradise, S. 65. 66 Hur, Nam-lin: Death and Social Order in Tokugawa Japan, S. 168–169. Siehe zum Doppelgrabsystem auch Iwata, Shigenori: ‚O-haka‘ no tanjō. 67 Vgl. Hōzawa, Naohide: Bakuhan kenryoku to jidan seido; Tamamuro, Fumio: The Development of the Temple-Parishioner System; Nur, Ham-lin: Death and Social Order in Tokugawa Japan; Marcure, Kenneth A.: The Danka System, S. 40–47.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
für einzelne Verstorbene und mit diversen Praktiken des eher auf die Gesamtheit der Vorfahren gerichteten Ahnenkultes – in die Hand dieser Tempel über, was buddhistische Formen des Umganges mit den Toten nun auch in den unteren Schichten der japanischen Gesellschaft verankerte. Der Buddhismus wurde zum „Begräbnis-Buddhismus“ (sōshiki bukkyō) und die buddhistischen Priester gewannen damit die Kontrolle sowohl über die Lebenden als auch die Toten.68
1.3.2 Totengedenken im Shintō und im Konfuzianismus Während der Tokugawa-Zeit waren buddhistische Tempel durch die Etablierung des danka-Systems quasi staatliche Akteure, welche über die Lebenden wie die Toten eine Kontrollfunktion ausübten; zugleich verbreiteten sich nun in allen Schichten der japanischen Gesellschaft buddhistische Vorstellungen und Praktiken des Umganges mit Verstorbenen. Dagegen – und nota bene gegen die mit dieser Vorherrschaft verbundenen ökonomischen Vorteile – entstand mit der Zeit eine Opposition, welche vor allem durch Anhänger des Konfuzianismus und des Shintō, durch Vertreter der Nationalen Schule (die Anhänger der kokugaku) und später der Mito-Schule getragen wurde. Während die Konfuzianer dabei auf ein ausdifferenziertes System von Riten zurückgreifen konnten, das auf dem chinesischen Festland entwickelt worden war, waren die Nativisten gezwungen, schrittweise eine radikal neue Lehre in Bezug auf den Tod und das Jenseits und eigene, vom Buddhismus abweichende Zeremonien zu entwickeln. Hierzu wurden Texte aus dem japanischen Altertum nach Zeugnissen einer unverfälschten japanischen Praxis des Umganges mit Toten durchsucht sowie Riten aus dem Yoshida-Shintō zur Verehrung von kami adaptiert. Trotz ihrer Suche nach authentischen und unverfälschten „japanischen“ Riten verschmolzen sie dabei shintōistische Vorstellungen vom „Jenseits“ (anoyo) und konfuzianische Vorstellungen von kindlicher Pietät und Ahnenkult. Auch wenn bei den sich schrittweise herausbildenden shintōistischen Totenzeremonien signifikante regionale und zeitliche Unterschiede zu beobachten sind, kann man doch als ihr gemeinsames Ziel die Apotheose, d. h. eine Transformation der Seele eines Verstorbenen in einen kami, benennen. Konfuzianische Kritik an der Feuerbestattung. Bis zur Tokugawa-Zeit waren in Japan Buddhismus und Konfuzianismus eng miteinander verbunden. Im 17. Jahrhundert jedoch begannen konfuzianische Gelehrte, zunehmend antibuddhistische Positionen zu vertreten und den Konfuzianismus vom Buddhismus zu
68 Vgl. zum Problem des sōshiki bukkyō Nur, Ham-lin: Death and Social Order in Tokugawa Japan, S. 20–21; Hōzawa, Naohide: Jidan seido to sōshiki bukkyō.
1.3 Entstehung von Bestattungsriten und Totengedenken im Shintō
57
emanzipieren.69 Vor allem in der Tradition der Schule des song-zeitlichen Neokonfuzianers Zhu Xi (1130–1200) zielte man auf eine Stabilisierung der politischen und sozialen Ordnung und kritisierte deshalb den Buddhismus als „jenseitig“ (segai-teki), seine Priester als unproduktiv und damit der Gesellschaft abträglich.70 Darüber hinaus stand die Lehre von der Wiedergeburt, der Mittelpunkt der buddhistischen Totenriten, im Gegensatz zum Ahnenkult und damit zum Familienmodell des Konfuzianismus. Integrale Bestandteile der konfuzianischen Totenriten waren stattdessen das Herbeirufen der Seele eines Verstorbenen (shōkon), ihre Einschreinung (hyōi) in einem Ahnentäfelchen (shishu), welches später seinen Platz in einem Ahnenschrein (shidō) findet, sowie deren ununterbrochene Verehrung durch Angehörige und Nachfahren.71 In dieser Tradition galt der korrekte Umgang mit den Verstorbenen – sowohl bei der Bestattung als auch im Vollzug des Ahnenkultes – entsprechend als bevorzugte Gelegenheit, die Kardinaltugend kindliche Pietät (kō) zum Ausdruck zu bringen und unter Beweis zu stellen.72 Vor diesem Hintergrund geriet vor allem die buddhistische Praxis der Feuerbestattung in die Kritik konfuzianischer Gelehrter. Als Bezugspunkt fungierte dabei die wahrscheinlich auf Zhu Xi selbst zurückgehende Schrift „Familienrituale des Zhu Xi“ (Wengong jiali, japanisch Bun-kō karei),73 welche die korrekte Durchführung konfuzianischer Riten bei Volljährigkeit, Hochzeit, Bestattung und Ahnenverehrung behandelte. In ihr wurden der Vollzug buddhistischer Riten und Praktiken bei Bestattungen explizit untersagt und im Kommentarteil buddhistische Jenseitsvorstellungen wie auch die Möglichkeit, überhaupt nach dem Tode das Schicksal der Seele beeinflussen zu können, nachdrücklich abgelehnt.74
69 Zum Gegensatz von Konfuzianismus und Buddhismus in der ersten Hälfte der Edo-Zeit insbesondere in Bezug auf die Bestattungspraxis siehe v. a. Takahashi, Fumihiro: Kinsei no shisei-kan. Tokugawa zenki jukyō to bukkyō, Tōkyō: Perikan-sha 2006. 70 A. a. O., S. 2; Ketelaar, James Edward: Of Heretics and Martyrs in Meiji Japan. Buddhism and its Persecution, Princeton: Princeton University Press 1990, S. 19. 71 Vgl. Hata, Nagami: ‚Shōkon saishi‘-kō I. Shōkon saishi no rekishi-teki keisei to tenkai, In: Ryūkei hōgaku 8 (2008), Heft 2, S. 9–66, hier S. 18; Takahashi, Fumihiro: ,Sōsai shisetu‘ ni okeru ,Karei‘ juyō. Tokugawa jukyō ni okeru bukkyō hihan no ichi-hōkō, In: Ders.: Kinsei no shisei-kan, S. 120–138, hier S. 122–133. 72 Hata, Nagami: ‚Shōkon saishi‘-kō I, S. 18; Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 43. 73 Wengong bzw. japanisch Bun-kō ist der posthume Name Zhu Xis. Der Verständlichkeit halber und in Anlehnung an die übliche Praxis wird hier durchgängig der geläufigere Name Zhu Xi verwendet. 74 Ebrey, Patricia Buckley (Hg./Übers.): Chu Hsi’s Family Rituals. A Twelfth-Century Chinese Manual for the Performance of Cappings, Weddings, Funerals, and Ancestral Rites, Princeton: Princeton University Press 1991, hier S. 79–80.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
Einer der einflussreichsten Texte, welcher aus neokonfuzianischer Position Kritik an buddhistischer Lehre und Praxis formulierte, war der dem Gelehrten Kumazawa Banzan (1619–1691) zugeschriebene Essay „Plädoyer für Beerdigungen“ (Sōsai benron).75 In ihm wurden die buddhistische Totenriten als Degeneration ursprünglicher konfuzianischer Praktiken gebrandmarkt und zur Rückkehr zu denselben aufgefordert, mithin dazu, die Seelen der Verstorbenen zu ehren statt sie zu retten.76 Auch das „Plädoyer für Beerdigungen“ verwies darauf, dass der Umgang mit dem Leichnam eines Verstorbenen durch die Nachkommen deren kindliche Pietät zum Ausdruck zu bringen habe, weshalb die sterblichen Überreste mit der gleichen Zuneigung wie zu Lebzeiten – durch die Leichenwaschung, die Gabe von Lebensmitteln usw. – zu ehren seien. Entsprechend musste dem Autor des Sōsai benron die Kremation als einer der pietätlosesten Akte und ein besonders schweres Vergehen erscheinen. Stattdessen wurde – auch dies analog zu den Vorgaben der „Familienrituale des Zhu Xi“ – die Verwendung von stabilen Schlafsärgen, mithin die Erdbestattung, gefordert.77 Auch der ehemalige buddhistische Priester Yasui Sanesuke (Lebensdaten unbekannt) betonte in seiner wahrscheinlich 1685 fertiggestellten Schrift „Wider die Kremation“ (Hikasō ron), dass die Zerstörung des Körpers von Vater oder Mutter durch die Verbrennung dem natürlichen Gefühl der Liebe und Achtung (keiai no kokoro) den Eltern gegenüber entgegenstehe und deshalb die pietätloseste Handlung (fukō daiichi no shoi) sei.78 Dabei verweist er auch auf die Tatsache, dass im alten China die Verbrennung als Strafe für besonders schwere Verbrechen wie den Mord an Eltern oder Geschwistern gegolten habe.79 Schließlich findet sich bei Yasui ein Argumentationsmuster, das als Zwischenschritt hin zur shintōistischen antibuddhistischen Kritik der Edo-Zeit angesehen werden muss: die Kremation wird zu
75 Zu Kumazawa Banzans Kritik am Buddhismus vgl. Pfulb, Gerhard: Soziale Ordnung als Problem. Auffassungen über soziale Ordnung im japanischen Konfuzianismus 1660–1750, Bochum: Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer 1993, S. 14. Kumazawa selbst ist übrigens nicht zur neokonfuzianischen Zhu Xi-Schule, sondern zur Yōmei-Schule zu rechnen. Vgl. zu beiden Shimada, Kenji: Die neo-konfuzianische Philosophie. Die Schulrichtungen Chu Hsis und Wang Yangmings, Berlin: Dietrich Reimer 1987. Zum Sōsai benron Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 43–45. Bernstein geht von einer Autorschaft Kumazawas aus, welche in der japanischen Forschung neuerdings hinterfragt wird. Vgl. auch Hata, Nagami: ‚Shōkon saishi‘-kō I, S. 30, FN 24. Dort weiterführende Literatur. 76 Hierfür und für das Folgende Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 44–45. 77 Ebenda. 78 Vgl. zu Yasui Takahashi, Fumihiro: Yasui Sanesuke „Hi-kasō ron“ no bukkyō hihan, In: Ders.: Kinsei no shisei-kan, S. 68–94, hier S. 73. Der Originaltext des Hi-kasō ron ist zu finden unter http:// archive.wul.waseda.ac.jp/kosho/i13/i13_00907/i13_00907_0042/ (Zugriff 12. Dezember 2011). 79 Takahashi, Fumihiro: “Hi-kasō ron” no bukkyō hihan, S. 75.
1.3 Entstehung von Bestattungsriten und Totengedenken im Shintō
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einem fremden Brauch erklärt, denn im „Götterland“ (shinkoku) Japan gelte in den Schreinen Feuer als unrein (hi no kegare) und die Kremation sei deshalb mit einem strengen Tabu belegt.80 Bevor im Folgenden die Entwicklung shintōistischer Totenriten analysiert wird, sei noch kurz darauf hingewiesen, dass die Ablehnung der Verbrennung im 17. Jahrhundert erstmals in einigen Fürstentümern in Politik umgesetzt wurde. So sind Versuche in den Fürstentümern Tosa (unter dem Karō Nonaka Kenzan, 1615–1663), Aizu (unter dem Fürsten Hoshina Masayuki, 1611–1672), Okayama (unter dem Fürsten Ikeda Mitsumasa, 1609–1682) und Mito (unter dem Fürsten Tokugawa Mitsukuni, 1628–1700) überliefert, entweder die Kremation zu verbieten oder sogar buddhistische Totenrituale vollständig durch konfuzianische Bestattungen zu ersetzen.81 Sie waren, worauf Hata Nagami zu Recht hinweist, sicherlich nur möglich, weil die betreffenden Fürsten Nachfahren von Tokugawa Ieyasu, dem Begründer des Tokugawa-Shōgunats, waren und deshalb eine relativ unabhängige Politik verfolgen konnten, was anderen Fürstentümern verwehrt blieb.82 Langfristig war diesen Versuchen jedoch kein Erfolg beschieden, da sie die Opposition der buddhistischen Priesterschaft, des Shōgunats wegen der Gefährdung des danka-Systems und schließlich auch der Bevölkerung, die an den überkommenen Zeremonien festhalten wollte, hervorriefen.83 Die Entwicklung shintōistischer Totenriten. Parallel zur konfuzianischen Kritik an buddhistischen Totenriten und zum Versuch, davon unabhängige konfuzianische Bestattungspraktiken zu etablieren, sind analoge Entwicklungen auch für den Shintō zu konstatieren. Sie waren teilweise, wie oben am Beispiel Yasui Sanesukes gezeigt, miteinander verbunden, teilweise unabhängig voneinander. Dabei war der Ausgangspunkt ähnlich: Der Shintō stand, wie Ernst Lokowandt formulierte, seit der Heian-Zeit „ganz im Schatten des Buddhismus“; er war sowohl in seiner Lehre als auch organisatorisch buddhisiert.84 Insofern bedeutete der Versuch, vom Buddhismus unabhängige Riten und Vorstellungen zu entwickeln, zugleich eine versuchte Emanzipation vom Buddhismus. Der wichtigste und folgenreichste wurde durch die Familie Yoshida unternommen. Diese entwickelte seit dem 15. Jahrhundert schrittweise shintōistische Begräb-
80 A. a. O., S. 76. 81 Vgl. Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 44–45; Hata, Nagami: ‚Shōkon saishi‘ kō I, S. 19–23. 82 A. a. O., S. 23. 83 So erreichte der Karō Nonaka Kenzan im Fürstentum Tosa ein Ende der Kremationen nicht durch wiederholte Verbote, sondern erst durch Stigmatisierung, als er die Verbrennung von Leichnamen Hingerichteter anordnete. Vgl. Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 46. 84 Lokowandt, Ernst: Shintō, S. 82.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
nisriten und Jenseitsvorstellungen, welche im 19. Jahrhundert – über zahlreiche Umwege und Zwischenschritte – zu einem Bezugspunkt des neuzeitlichen Gefallenenkultes in Japan wurden.85 Die Familie Yoshida wurde im 14. Jahrhundert als Zweigfamilie der Familie Urabe begründet, welche seit dem Altertum am Kaiserhof in Kyōto die Funktion der Orakelleser und Vizevorsteher des Götteramtes (Jingi-kan) innehatte.86 Noch der Begründer dieser Linie, Yoshida Kanehiro (1348–1402), war ein Anhänger buddhistischer Lehren und trat vor seinem Tod dem buddhistischen Klerus bei. Seine Nachfahren aber brachen mit dieser Tradition, als sie mit dem Yuiitsu shintō (dem „Einen und Einzigen Shintō“) ein vom Buddhismus unabhängiges Lehrsystem schufen, in dessen Mittelpunkt die Verehrung von kami stand. Dessen eigentlicher Begründer Yoshida Kanetomo (1435–1511) kehrte schließlich das bis dato herrschende Verhältnis von Buddhismus und Shintō um, indem er buddhistische Gottheiten zu Erscheinungen (Avatar) von kami erklärte – bis dahin war man in den synkretistischen Vorstellungen des honji suijaku in aller Regel vom Gegenteil ausgegangen.87 Für unseren Zusammenhang ist wichtig, dass der Yoshida-Shintō das Wesen bzw. das Herz (kokoro) jedes Menschen als unsterblich und identisch mit dem Wesen von kami ansah.88 Von dieser Annahme aus war es nur noch ein kleiner Schritt hin zur Apotheose von Verstorbenen. Nach seinem Tode im Jahre 1511 wurde denn auch Kanetomo zum Gott erhoben und als kami eingeschreint. Auch sein Nachfolger Kanemigi (1516–1573) erklärte, er wolle nach seinem Ableben zu einem Schutzgott (shugoshin) seiner Familie werden.89
85 Zur Geschichte der shintōistischen Bestattungsriten im Yoshida-Shintō siehe Okada, Shōji: Kinsei shintō no jomaku. Yoshida-ke no sōrei o tsūro toshite, In: Katō, Takahisa (Hg.): Shinsōsai daijiten, Tōkyō: Ebisu kōshō 1997, S. 323–343; Kenney, Elizabeth: Shinto Funerals in the Edo Period, In: Japanese Journal of Religious Studies 27 (2000), Heft 3–4, S. 239–271. 86 Zur Geschichte des Yoshida-Shintō siehe v. a. Scheid, Bernhard: Der Eine und Einzige Weg der Götter. Yoshida Kanetomo und die Erfindung des Shinto, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2001; Lokowandt, Ernst: Shintō, S. 82–85; vgl. auch Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 47–48. 87 Zum honji suijaku siehe zuletzt Teeuwen, Mark/Rambelli, Fabio (Hg.): Buddhas and Kami in Japan. Honji Suijaku as a Combinatory Paradigm, London/New York: Routledge 2003. 88 Scheid, Bernhard: Schlachtenlärm in den Gefilden der kami. Shintōistische Vergöttlichung im Fadenkreuz weltlicher und geistlicher Machtpolitik, In: Eisenhofer-Halim, Hannelore (Hg.): Wandel zwischen den Welten. Festschrift für Johannes Laube, Frankfurt a. M.: Peter Lang Verlag 2003, S. 619–645, hier S. 630. 89 Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 48; Kenney, Elizabeth: Shinto Funerals in the Edo Period, S. 243–248.
1.3 Entstehung von Bestattungsriten und Totengedenken im Shintō
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Der Yuiitsu shintō der Yoshida entwickelte aber nicht nur Vorstellungen und Praktiken zur Deifikation von Verstorbenen und deren Transformation in Schutzgottheiten, sondern auch spezifische Bestattungsriten – wobei freilich anzumerken ist, dass auch diese nicht, wie von ihren Initiatoren behauptet, von genuin konfuzianischen und buddhistischen Elementen frei waren. Die Tatsache aber, dass überhaupt shintōistische Bestattungsriten entwickelt wurden, ist insofern bemerkenswert, als sie letztlich eine Lösung vom bis heute vorherrschenden und spätestens seit der Heian-Zeit nachweisbaren Todestabu in der einheimischen Religion Japans darstellen. Die rituelle Unreinheit (kegare) sollte dabei durch Reinigungsriten (o-harai) und spezifische Gebete überwunden werden. Die frühen Shintō-Begräbnisse wiesen dabei nach Elizabeth Kenney fünf Charakteristika auf, die zugleich die wichtigsten Unterschiede zu buddhistischen Bestattungen markieren: die Abwesenheit buddhistischer Priester, die (Erd-)Bestattung des Leichnams, die Durchführung der Beisetzung in der Nacht, das Versprechen des Verstorbenen, ein Schutzgott der Familie zu werden, und schließlich die Praxis, einen kleinen Shintō-Schrein (shadan, mitamaya bzw. reisha) über dem Grab zu errichten und dort Riten durchzuführen.90 Es ist hier nicht der Ort, die Entwicklung der Shintō-Begräbnisse im Einzelnen weiter zu verfolgen; bereits seit dem 18. Jahrhundert waren sie sehr ausdifferenziert,91 und auch heute verfügt der Shintō über ein komplexes und regionale Unterschiede aufweisendes System von Bestattungsriten und Memorialpraktiken, die dem Buddhismus in nichts nachstehen.92 Für den Kontext der Herausbildung des politischen Totenkultes im 19. Jahrhundert sind an dieser Stelle jedoch vor allem drei Punkte zu betonen. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass ein elementarer Bestandteil dieser shintōistischen Riten die Herbeirufung der Seele des Verstorbenen, deren Einschreinung in einen Kultgegenstand, ihre Transformation in eine Schutzgottheit
90 A. a. O., S. 248. Parallel legten die Yoshida für ihre Verstorbenen noch ein zweites Grab an, das nach buddhistischem Brauch mit einer Stupa bzw. Pagode markiert wurde. Es ist heute nicht mehr nachvollziehbar, ob an dieser Grabstätte Überreste des Verstorbenen wie Fingernägel oder Haare beigesetzt wurden, oder andere Gegenstände, die einen Bezug zum Verstorbenen aufwiesen. Diese Praxis erinnert an den v. a. in Westjapan vorkommenden Brauch des Doppelgrabes, wo neben dem eigentlichen Grab ein „Besuchsgrab“ errichtet wurde, doch scheint die Zuordnung beider Gräber nach Buddhismus bzw. Shintō ungewöhnlich. 91 Vgl. die Analyse der Beisetzung des Shintō-Priesters Nemoto Tanemaro 1764 bei Kenney, Elizabeth: Shinto Funerals in the Edo Period, S. 248–257. 92 Vgl. die detaillierte Darstellung der gegenwärtigen Praxis bei Ono, Kazuteru/Ono, Kazunobu: Shinsōsai no saigi, In: Katō, Takahisa (Hg.): Shinsōsai daijiten, Tōkyō: Ebisu shuppan 1997, S. 94–119.
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der Familie sowie deren spätere Verehrung in einem Ahnenschrein bildet. Diese Vorstellungen und Praktiken sollten im 19. Jahrhundert Eingang in die rituelle Praxis des Gefallenenkultes finden. Die Voraussetzung dafür war zweitens die Entwicklung spezifischer Vorstellungen von der Natur der menschlichen Seele und ihrem Schicksal nach dem Tode. Insbesondere in der „Nationalen Schule“ (kokugaku), welche Ideen des reinen Shintō aufgriff und v. a. im 18. Jahrhundert eine der wichtigsten intellektuellen Strömungen des Landes wurde, suchte man in der Tradition eine unverfälschte japanische Alternative zu als fremdländisch apostrophierten Vorstellungen vom Jenseits bzw. dem Leben nach dem Tode. Da jedoch die ältesten literarischen Quellen und damit die wichtigsten Autoritäten, das Kojiki („Chronik der alten Begebenheiten“, kompiliert 712), das Nihon shoki („Chronik Japans“, kompiliert 720) und das Man’yōshū („Sammlung der zehntausend Blätter“, kompiliert 759), in denen man diese Alternative zu finden hoffte, wenig Konkretes enthielten, entwickelten sich innerhalb der kokugaku divergierende Positionen. Motoori Norinaga (1730–1801), einer der Begründer der Nationalen Schule, griff dabei zunächst die pessimistische Jenseitsdeutung aus der Erzählung um das Götterpaar Izanami und Izanagi auf, wonach die Verstorbenen in ein Reich der Finsternis (yomi no kuni) eingingen, in dem Verwesung und Verfall herrsche.93 Hirata Atsutane (1776–1843), ebenfalls einer der führenden kokugaku-Gelehrten, hingegen lehnte diese Interpretation ab. Stattdessen entwickelte er in seiner 1813 publizierten und zeitgenössisch bereits umstrittenen Schrift Tama no mihashira („Der wahre Pfeiler der Seele“) eine abweichende Jenseitsvorstellung.94 Der Mensch bestehe aus den vier Elementen Erde, Wasser, Feuer und Luft. Der Körper, weil er aus Wasser und Erde gemacht sei, müsse verfaulen und gehöre deshalb zur Welt des yomi; die Seele aber, die göttlichen Ursprunges sei und auch bald wieder göttlich werde (yagate kami ni te), löse sich gemeinsam mit Feuer und Luft vom Körper.95 Sie gehe nun aber nicht in ein fernes Jenseits ein, sondern verbleibe auf ewig in Japan, um im Totenreich, das vom kami Ōkuninushi regiert
93 Vgl. zur mythischen Überlieferung um den Tod der Schöpfungsgöttin Izanami und das Totenreich Naumann, Nelly: Die Mythen des alten Japan, München: C. H. Beck 1996, S. 41–52. 94 Vgl. Yoshida, Masaki: Hirata Atsutane. Reikon no yukue, Tōkyō: Kōdan-sha 2009, S. 151–239; Hirata, Atsutane: Tama no mihashira, In: Tahara, Tsuguo/Seki, Akira u. a. (Hg): Hirata Atsutane, Ban Nobutomo, Ōkuni Takamasa (= Nihon shisō taikei 50), Tōkyō: Iwanami shoten 1973, S. 11– 133. Auszüge aus “Der wahre Pfeiler der Seele” in englischer Übersetzung als Hirata, Atsutane: Life after Death, In: Tsunoda, Ryusaku/De Bary, William Theodore (Hg.): Sources of Japanese Tradition, Band 2, New York: Columbia University Press 1964, S. 44–46; siehe auch Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 50–51. 95 Hirata, Atsutane: Life after Dead, S. 44–45; Yoshida, Masaki: Hirata Atsutane, S. 219.
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werde, zu dienen. 96 Das Reich des Ōkuninushi sei eine unsichtbare Welt, die aber nur unvollständig von der sichtbaren Welt getrennt sei, da man etwa das Handeln der Menschen wahrnehmen könne. Damit existiert für Atsutane keine strikte Trennung zwischen Diesseits und Jenseits; die Seelen Verstorbener können sich demnach etwa zugleich im Totenreich als auch bei ihrem Grab aufhalten und mit den Lebenden interagieren, diese schützen oder die Zukunft offenbaren.97 Drittens ist schließlich die politische Brisanz der skizzierten Entwicklungen zu berücksichtigen, denn in Anbetracht der Tatsache, dass der Begräbnis-Buddhismus durch das danka-System ein Element der Herrschaftsstabilisierung der Tokugawa bildete, bargen sie zugleich eine politische Sprengkraft, welche durch die Verbindung mit der protonationalistischen kokugaku zusätzlich an Dynamik gewann. Diese politische Sprengkraft war nur bedingt intendiert, aber trotzdem nicht zu übersehen. Entsprechend entschlossen reagierte das Shōgunat auf die Politik einzelner Fürstentümer, shintōistische Bestattungen zuzulassen oder sogar aktiv zu fördern. Hierbei handelte es sich in aller Regel um diejenigen Fürstentümer, die bereits gegen die Praxis der Kremation vorgegangen waren bzw. die konfuzianische Bestattungsriten gefördert hatten – ein Beleg für die enge Verknüpfung beider Tendenzen. Die Politik der Unterstützung von Shintō-Bestattungen ist bereits im 17. Jahrhundert nachzuweisen, etwa durch lokale Behörden im Fürstentum Okayama im Jahre 1666, wo diese Förderung in der Gesellschaft durchaus Anklang fand und dazu führte, dass das Gros der Bevölkerung – im Gegensatz zu den Vorgaben des danka-Systems – shintōistisch registriert und auch bestattet wurde.98 An Dynamik gewann die Bewegung zur Einführung von ShintōBestattungen jedoch erst in der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1785 gestattete etwa das bakufu zunächst Shintō-Priestern – sofern sie eine Bestätigung durch die Yoshida erhalten hatten – die Durchführung shintōistischer Beisetzungen für sie selbst und ihre Söhne.99 Das konsequenteste Vorgehen gegen den Buddhismus und seine Bestattungsriten ist schließlich im Fürstentum Mito unter Tokugawa Nariaki (1800–1860) zu konstatieren.100 Dieses Fürstentum war seit dem 17. Jahrhundert ein Zentrum der kokugaku und anschließend ihrer radikalen Nachfolgerin, der Mito-Schule (Mito-gaku), der sie auch ihren Namen lieh. Diese war in der Betonung der Auserwähltheit Japans,
96 A. a. O., S. 210–215. Ōkuninushi, wörtlich „Großer Landesherr“ bzw. „Herr des Großen Landes“, gilt in den Mythen als Sohn des Susanoo und Hauptgott der irdischen Götter, im Gegensatz zu den himmlischen Göttern mit der Hauptgöttin Amaterasu. 97 A. a. O., S. 230–239. 98 Kenney, Elizabeth: Shinto Funerals in the Edo Period, S. 241. 99 A. a. O., S. 240. 100 Vgl. hierzu Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 53–55.
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der göttlichen Abstammung des Kaiserhauses und damit der Legitimität kaiserlicher Herrschaft sowie der Ablehnung alles Fremden – kurz: der sonnō jōi- (Verehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren) Ideologie – einer der geistigen Vorläufer der Meiji-Restauration.101 Vor diesem Hintergrund ist neben anderen Reformmaßnahmen auch die Politik der radikalen Ablehnung der buddhistischen Totenriten in diesem Fürstentum zu sehen. Hier wurde – wie bereits in Okayama im 17. Jahrhundert – versucht, das danka-System gänzlich abzuschaffen und durch ein System der Registrierung an lokalen Shintō-Schreinen (ujiko) zu ersetzen. 1833 untersagte man die Kremation und schrieb 1844 sogar Shintō-Bestattungen für alle Dörfer vor.102 Darüber hinaus wurden Tempel geschlossen und BuddhaStatuen und Tempelglocken eingeschmolzen, um Kanonen zu fertigen.103 Freilich war Nariakis antibuddhistischer Politik und seinen Reformen kein langer Erfolg beschieden. Sie führten zur Absetzung des Fürsten durch das bakufu und stürzten Mito in eine schwere innere Krise, welche in Terrorakte gegen das Shōgunat und vier Jahre nach Nariakis Tod schließlich in einen bewaffneten Aufstand (TenguRebellion 1864) mündete. Erfolgreicher gestalteten sich analoge Bemühungen im Fürstentum Tsuwano, ebenfalls einem Zentrum der sonnō-jōi-Ideologie, wo schließlich 1867 Shintō-Bestattungen verbindlich für alle Einwohner vorgeschrieben wurden.104 Dem vorausgegangen waren seit den 1840er Jahren andauernde Versuche von Shintō-Priestern unter der Führung des kokugaku-Gelehrten Oka Kumaomi (1783–1851), shintōistische Totenriten einzuführen.105 In Tsuwano war die Bewegung dabei erfolgreich, weil sie weniger radikal vorging. Und es sollten in den 1860er und frühen 1870er Jahren vor allem Männer aus diesem Fürstentum Tsuwano – Ōkuni Takamasa (1793–1871), Fukuba Bisei (1831–1907) und schließlich der Daimyō von Tsuwano, Kamei Koremi (1825–1885) – sein, welche die Religionspolitik des jungen Meiji-Staates gestalteten und dabei auch zentrale Riten des neuen Gefallenenkultes schufen.
101 Vgl. Koschmann, J. Victor: The Mito Ideology. Discourse, Reform, and Insurrection in Late Tokugawa Japan, 1790–1864, Berkeley/Los Angeles u. a.: University of California Press 1987; Yoshida, Toshizumi: Mito-gaku to Meiji ishin, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2003. 102 Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 54. 103 Koschmann, J. Victor: Mito Ideology, S. 147. 104 Hata, Nagami: ‚Shōkon saishi‘ kō I, S. 31. 105 A. a. O., S. 31–36; Bernstein, Andrew: Modern Passings, S. 55. Siehe zur Einführung shintōistischer Bestattungen nach der Meiji-Restauration auch Sakamoto, Koremaru: Jinsōsai no fukyū to kasō kinshi mondai, In: Ders.: Kokka shintō keisei katei no kenkyū, Tōkyō: Iwanami shoten 1994, S. 418–449.
1.4 Die Verehrung loyaler Untertanen
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1.4 Die Verehrung loyaler Untertanen Eine dritte zentrale Traditionslinie, welche schließlich in die Herausbildung des neuzeitlichen Gefallenenkultes in Japan in der Mitte des 19. Jahrhunderts mündet, ist die Verehrung loyaler Untertanen (chūshin kenshō), welche ebenfalls in der Mitte der Edo-Zeit schrittweise im Umfeld der eben erwähnten Mito-Schule entstand.106 Sie ist eng mit der Rückbesinnung auf die Herrschaft der Tennō im Altertum verknüpft. Gegenstand der Verehrung wurden historische Personen aus dem Altertum und Mittelalter, die sich im Laufe der Geschichte besonders um das Kaiserhaus verdient gemacht, dabei Opfer gebracht und insbesondere ihre Treue zum Kaiserhaus mit dem Leben bezahlt hatten. Die Beispiele sind zahlreich: verehrt wurde etwa der Hofbeamte Wake no Kiyomaro (733–799), der der Überlieferung nach im Jahre 769 durch die Einholung eines Orakelspruches vom Schrein Usa Hachiman-gū auf Kyūshū die Thronbesteigung des buddhistischen Mönches Dōkyō (700–772) und damit einen Dynastiewechsel verhindert hatte, wofür er zunächst in die Verbannung geschickt wurde, später aber, nach erfolgter Rehabilitierung, bis zum Minister zur Rechten, einem der wichtigsten Ämter am Kaiserhof, aufstieg.107 Oder Fujiwara no Takaie (979–1044), der im Jahre 1019 einen massiven Angriff von Piraten auf die Insel Kyūshū (Toi-Invasion) abwehrte. Zentrale Bedeutung erlangten jedoch vor allem die Anhänger des Kaisers GoDaigo (1288/1318–1339), der in der sogenannten Kenmu-Restauration (1333–1336) das Kamakura-Shōgunat stürzen und für kurze Zeit die direkte kaiserliche Herrschaft nach dem Vorbild des Altertums wiederherstellen konnte; ein Unterfangen, dem freilich nur ein kurzer Erfolg beschieden war, denn es führte schließlich das Kaiserhaus in ein beinahe sechzig Jahre andauerndes Schisma – die Zeit des Nord- und Südhofes (Nanboku-chō).108 Am Beispiel eines seiner Feldherrn, Kusunoki Masashige (1294?-1336), soll im Folgenden gezeigt werden, wie sich der Kult um die loyalen Untertanen konkret entwickelte und welche Bedeutung er für die Entstehung des neuzeitlichen japanischen Gefallenenkultes hatte. Zunächst soll dabei das Leben Kusunokis kurz skizziert werden.109 Zu seiner Herkunft und seiner frühen Biographie sind kaum
106 Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon, S. 14–22. 107 Zu Wake no Kiyomaro siehe Bohner, Hermann: Wake-no-Kiyomaro-den, In: Monumenta Nipponica 3 (1940), Heft 1, S. 240–273. 108 Zur Kenmu-Restauration siehe Globe, Andrew Edmund: Kenmu. Go-Daigo’s Revolution. Cambridge (Mass.)/London: Harvard University Press 1996. 109 Zu Kusunoki vgl. Koike, Kenji (Übers.)/Roggendorf, Josef S. J. (Einl.): Kusunoki Masashige. Auszüge aus dem Taiheiki. In: Monumenta Nipponica 4 (1941), Heft 1, S. 133–165; Morris, Ivan: „Sieben Leben für das Reich“. Kusunoki Masashige, 14. Jahrhundert, In: Ders.: Samurai
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
gesicherte Informationen überliefert; er entstammte wohl einer mittleren Samurai-Familie aus der Provinz Kawachi (im Südosten der heutigen Präfektur Ōsaka) und wurde um 1294 geboren. Bereits früh soll er an Hand chinesischer Lehrbücher in Strategie unterwiesen worden sein. Sein Aufstieg aber war eng mit dem Schicksal des Kaisers Go-Daigo verbunden. Der Legende nach habe Go-Daigo den unbedeutenden Samurai rufen lassen, als er sich selbst in einer ausweglosen Situation befand und dabei einen Traum gehabt habe, in dem der Thron („der nach Süden gewandte Sitz“) im Schutze eines großen Baumes gestanden habe.110 Die Kombination von Baum und Süden ergibt das Schriftzeichen kusunoki, den Kampferbaum, woraus der Kaiser die Schlussfolgerung gezogen habe, seine Herrschaft dem Schutze Kusunokis anzuvertrauen. Kusunoki schloss sich dem Kaiser an und gelobte ihm Treue. Seit 1331 kämpfte er wiederholt gegen die Feinde des Tennō, wobei es ihm – insbesondere bei den Verteidigungen der Festungen Akasaka und Chihaya – mehrfach gelang, in ausweglos scheinender Lage durch taktisches Geschick, die Ausnutzung des Überraschungsmomentes und Täuschung militärische Erfolge gegen überlegene Gegner zu erringen. Diese trugen wesentlich zum Sturz des Kamakura-Shōgunats im Jahre 1333 und zur Wiederrichtung einer direkten kaiserlichen Herrschaft unter Go-Daigo bei. Kusunoki wurde als Dank zum Zivil- (kokushi) und Militärgouverneur (shugo) seiner Heimatprovinz Kawachi sowie zum shugo der angrenzenden Provinz Izumi ernannt, womit er den Höhepunkt seiner Laufbahn erreichte. Als sich 1335 der mächtige Heerführer Ashikaga Takauji (1305–1358), der noch 1333 auf Seiten Go-Daigos gekämpft hatte, gegen den Kaiser wandte und sich anschickte, Kyōto zu erobern, wurde Kusunoki, gemeinsam mit Nitta Yoshisada (1301–1338), der Oberbefehl über die kaiserlichen Truppen erteilt und – gegen seinen ausdrücklichen Rat – von Go-Daigo angewiesen, gegen die überlegenen Kräfte des Gegners eine Entscheidungsschlacht herbeizuführen. Trotz des Wissens, in den sicheren Tod und die Niederlage zu gehen, fügte er sich dem kaiserlichen Befehl. Als in der Schlacht am Minatogawa am 4. Juli 1336 (Engen 1–5-25) nahezu sein gesamtes Heer den Tod gefunden hatte, zog sich Masashige gemeinsam mit seinem Bruder Masaue und weiteren Getreuen in ein nahegelegenes Bauernhaus zurück, wo sie sich das Leben nahmen.
oder Von der Würde des Scheiterns. Tragische Helden in der Geschichte Japans, Frankfurt a. M./ Leipzig: Insel Verlag 1999, S. 136–179; Varley, H. Paul: Imperial Restoration in Medieval Japan, New York/London: Cambridge University Press 1971 (passim); Weber, Till: Kusunoki Masashige. Japans seltsamer Held. In: OAG-Notizen 5 (2006), S. 12–30; Schmidt, Jan: Kusunoki Masashige und Ashikaga Takauji. Die Instrumentalisierung zweier Krieger des 14. Jahrhunderts im 19. und 20. Jahrhundert, In: Historisches Museum der Pfalz Speyer (Hg.): Samurai, Ostfildern: Thorbecke 2008, S. 212–219. 110 Vgl. Koike/Roggendorf: Kusunoki Masashige, S. 139–140.
1.4 Die Verehrung loyaler Untertanen
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Neben seinen erfolgreichen militärischen Operationen in den Jahren zuvor war es vor allem Kusunokis Haltung, mit der er in die aussichtslose Schlacht am Minatogawa zog, die ihn später zum Inbegriff von Kaisertreue und seinen Tod zu einem Referenzpunkt des neuzeitlichen Gefallenenkultes werden ließen. Diese wurde in verschiedenen Episoden vor allem in der „Chronik des Großen Friedens“, dem Taihei-ki, überliefert. Berühmtheit erlangte dabei vor allem der Abschied von seinem Sohn Masatsura nahe Sakurai. Hier übergab der Vater seinem neun- oder zehnjährigen Sohn ein vom Kaiser verliehenes Schwert und ein Buch über Strategie und erteilte ihm damit den Auftrag, den Kampf für die kaiserliche Sache fortzusetzen.111 Die Chronik Taihei-ki tradiert dabei folgende Worte Masashiges an seinen Sohn: „Wenn dir auch nur eins meiner Worte im Ohre haften bleibt, so folge meiner Weisung ohne Fehl! Die Schlacht, die uns bevorsteht, wird über das Geschick des Reiches entscheiden, dessen bin ich gewiss, und vielleicht sehe ich dein Antlitz nun zum letzten Mal. Wenn es bekannt wird, dass Masashige gefallen ist, wisse, dass dann der Shōgun [Ashikaga Takauji, TS] die Herrschaft über das ganze Land an sich reißen wird. Du aber sollst nie, um für den Augenblick das Leben zu retten, die glühende Treue langer Jahre (tanen no chūretsu) aufgeben und dich dem Feind ergeben.“112
Die Abschiedsworte der Brüder nach der verlorenen Schlacht und vor dem gemeinsamen Selbstmord bilden dabei sicherlich das „berühmteste Gespräch in der kaisertreuen japanischen Überlieferung.“113 Das Taihei-ki schildert diese Szene wie folgt: „Masashige, der auf dem obersten Platz saß, sagte zu seinem Bruder Masasue: ‚Der letzte Gedanke vor dem Tod, so heißt es, soll über das Wohl und Wehe im Jenseits entscheiden. Was hast du dir zu wünschen für die Neun Welten?‘ Da brach Masasue in fröhliches Lachen aus und sagte: ‚Mein Wunsch ist, siebenmal als derselbe Mensch wiedergeboren zu werden, um die Feinde des Reiches zu vernichten.‘ Ebenso heiter sprach Masashige: ‚Gewiss ist es ein böser Gedanke, voll des Sündenkarmas, aber auch ich denke wie du. Wohlan denn! Auf dass wir immer wieder geboren werden, bis sich unser Herzenswunsch erfüllt!‘ So beteuerten sie zueinander, dann erstachen sich die Brüder und brachen über demselben Kissen zusammen.“114
111 Dieser „Abschied von Sakurai“ sollte vor allem Ende des 19. Jahrhunderts, als er in einem Lied vertont wurde, das Aufnahme in die Grundschullehrbücher fand, ein wichtiger Bezugspunkt für den militärischen Totenkult werden. Das Lied, das 1945 von den US-Besatzungsbehörden verboten wurde, weist bis heute Popularität auf. Siehe unten Kap. 3.4 und Morris, Ivan: „Sieben Leben für das Reich“, S. 166. 112 Koike/Roggendorf: Kusunoki Masashige, S. 161. 113 Morris, Ivan: „Sieben Leben für das Reich“, S. 168. 114 Koike/Roggendorf: Kusunoki Masashige, S. 164–165.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
Die Niederlage in der Schlacht von Minatogawa 1336 sollte sich in mehrfacher Hinsicht als ein epochales Ereignis in der Geschichte des japanischen Mittelalters erweisen. Zunächst einmal führte sie zur Begründung des zweiten bakufu in Japan, des Muromachi-Shōgunats unter dem siegreichen Heerführer Ashikaga Takauji. Weiterhin markiert sie das Ende der Kenmu-Restauration und damit des Versuchs des Kaisers Go-Daigo, die direkte kaiserliche Herrschaft in Japan wiederherzustellen. Der Kaiser musste – obwohl in Besitz der Regalien des Kaiserhauses – nach Yoshino fliehen und mitansehen, wie die Ashikaga in Kyōto Kaiser Kōmyō (reg. 1336–1348) installierten, welcher seinerseits 1338 Ashikaga Takauji zum Shōgun ernannte. In der Folge festigte sich ein Schisma des Kaiserhauses, das sich zwischen 1336 und 1392 in einen Nord- und einen Südhof (in Kyōto bzw. Yoshino) aufspaltete (Nanboku-chō), die sich in den Folgejahren weiterhin bekämpften. Für unseren Kontext ist dabei wichtig, dass die Frage der Legitimität der rivalisierenden Linien eine der zentralen Konfliktlinien bildete – eine Frage, deren Beantwortung wiederum Auswirkungen auf die Loyalität von Kriegern zum Kaiserhaus (im Falle des Südhofes) oder zum Shōgunat, welches freilich seinerseits seine Legitimität durch die Ernennung durch den Nordhof zog, hatte. Beide Seiten beanspruchten, für eine gerechte Sache in den Krieg zu ziehen, beide Seiten verdammten den Gegner als Rebellen, die sich gegen die legitime politische Ordnung auflehnten.115 Die Niederlage des südlichen Hofes am Ende der Nanboku-Zeit führte dazu, dass Kusunoki zunächst in Vergessenheit geriet oder, wenn überhaupt, als Verräter erinnert wurde. Dies begann sich erst zu ändern, als das Taihei-ki im späten 15. und 16. Jahrhundert an Popularität gewann. In der Edo-Zeit avancierte es zu einem der verbreitetsten und beliebtesten Epen, und Kusunoki wurde hierdurch immer populärer.116 Dabei wurden vor allem die Geschichte der Kusunoki und die Opfer, welche sie der kaiserlichen Sache gebracht hatten, Masashiges militärisches Genie und seine überlegene Moral – anders gesagt: vor allem seine Loyalität zum Herrscher – von den Lesern bzw. Hörern des Epos aufge-
115 So berichtet etwa das Tokushi yoron von Arai Hakuseki (1657–1725) von einer Diskussion im Lager der Ashikaga im Jahre 1336, die die Bedeutung des Führens der kaiserlichen Flagge zeigt. Hier vertritt Akamatsu Enshin gegenüber Ashikaga Takauji die Position: „The banner an army fights under is of vital importance. The imperial army carries the imperial standart in the forefront. Our army, alas, has no banner to rise against it, so that we appear to be the enemy of the Imperial Court. […] The reason why our side failed last year was because the imperial armies in the western provinces had divine support, so that when we opposed the divine will we were defeated every time.“ Ackroyd, Joyce (Hg./Übers.): Lessons from History. Arai Hakuseki’s Tokushi Yoron, St. Lucia/London/New York: University of Queensland Press 1982, S. 192–193. 116 Varley, H. Paul: Imperial Restoration, S. 142–144.
1.4 Die Verehrung loyaler Untertanen
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griffen. Darüber hinaus dienten seine Kämpfe spätestens seit der Edo-Zeit als Studienobjekte für Taktik und Strategie bei der Ausbildung von Samurai. 117 Ein weiteres Indiz für die Kusunoki-Renaissance gegen Ende des Mittelalters ist die posthume Begnadigung und seine Lösung aus der Acht (chokkan onmen; er war zu einem „Feind des Hofes“ (chōteki) erklärt worden) durch Kaiser Ōgimachi im Jahre 1559; sie war die Voraussetzung für die Transformation des Generals von einem Verräter hin zu einem verehrungswürdigen Helden.118 Seit dem 17. Jahrhundert entwickelte sich unter dem Namen Nanshi sūhai bzw. Nankō sūhai ein regelrechter Kult um Kusunoki, welche eine der wichtigsten Traditionslinien des neuzeitlichen Gefallenenkultes werden sollte.119 Zugleich markierte dieser Wandel eine Neubewertung der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Sturz des Kamakura-Shōgunats, der Auseinandersetzung zwischen den beiden Höfen und der politischen Ordnung in Japan.120 Hier lag die besondere politische Brisanz der Kusunoki-Verehrung: Eine Anerkennung der Legitimität des Südhofes, für den Masashige sein Leben gegeben hatte, bedeutete nämlich zugleich die InFrage-Stellung der Legitimität der nördlichen Linie des Kaiserhauses, welche bis heute den Thron innehat. Dieser Zusammenhang sollte bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein politische Konflikte und publizistische Kontroversen auslösen. Im 17. Jahrhundert schließlich entwickelte die frühe Mito-Schule eine regelrechte Kusunoki-Verehrung, als deren Startpunkt und wichtigstes Zeichen die Errichtung eines Gedenksteines an der Stelle, an welcher Masashige der Überlieferung nach den Tod gefunden haben und bestattet sein soll, gesehen werden kann (vgl. Abb. 1). Seine Entstehung geht auf zwei der Gründerfiguren der MitoSchule zurück: Tokugawa Mitsukuni (1628–1700), Fürst von Mito, finanzierte das Denkmal und verfasste die Inschrift „Aa, chūshin Nanshi no haka“ („Ah, das Grab des loyalen Untertanen Kusunoki“), welche die Vorderseite des Gedenksteines schmückt.121 Der aus China stammende konfuzianische Gelehrte Zhu Zhiyu
117 Morita, Yasunosuke: Minatogawa jinja shi. Band 2: Keigyo, Kōbe: Minatogawa jinja shamusho 1978, S. 159–206. 118 Nach Varley erfolgte die Begnadigung erst 1563, s. Varley, H. Paul: Imperial Restoration, S. 144. 119 Nankō ist die sinojapanische Lesung der Schriftzeichen „Kusunoki“ und „Fürst“, analog steht auch in Nanshi Nan für Kusunoki, während shi honorativ gebraucht wird. 120 Varley, H. Paul: Imperial Restoration, S. 145. 121 Die Inschrift auf der Vorderseite rekurriert auf eine Inschrift auf einer Grabstele für den Prinzen Ji Zha von Wu (bzw. Ji Zhe, jap. Ki Satsu, Lebensdaten unbekannt, ca. 6./5. Jahrhundert v. Chr.), welche Konfuzius zugeschrieben wird. Vgl. Morita, Yasunosuke: Minatogawa jinja shi. Band 2: Keigyo, S. 318. Ji Zha galt in der Zeit der Frühlings- und Herbstannalen in China als ein Ideal an Weisheit und Rechtschaffenheit und zugleich als begnadeter Kämpfer.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
Abb. 1: Denkmal für Kusunoki Masashige, Minatogawa-Schrein, Kōbe (1692)
(jap. Shu Shunsui, 1600–1682) hingegen verfasste – ebenfalls im klassischen Chinesisch – die aussagekräftige Eloge auf der Rückseite des Steines (inbun).122 In dieser Inschrift wird das Leben Kusunokis heroisierend wiedergegeben, wobei er selbst als Inbegriff von Loyalität und Pietät beschrieben wird (vgl. die Übersetzung in Anhang 1). Diese beiden Kardinaltugenden des Konfuzianismus wiederum werden in ihrer zentralen Bedeutung sowohl für die politische als auch die kosmische Ordnung herausgestellt und Kusunoki damit zu einem idealen Krieger und Untertan stilisiert. Zwei Elemente dieser Inschrift verdienen dabei besondere Beachtung. Erstens finden wir Kusunoki nun in einen vollständigen Helden transformiert. Seine militärischen Fähigkeiten werden auf seine charakterlichen Vorzüge zurückgeführt, welche ihn als ideale Verkörperung der konfuzianischen Kardinaltugenden erscheinen lassen, sein Scheitern hingegen auf die mangelnde Weisheit des Hofes. Hinzu kommt zweitens, dass nicht nur der Tod an sich, sondern die Umstände dieses Todes erinnerungswürdig sind, da auch sie den Charakter Kusunokis zum Ausdruck bringen. Diese Verbindung von Art und Weise des Todes – oder, abstrakt gesprochen, (zugeschriebenen)
122 A. a. O., S. 321; Minatogawa jinja (Hg.): Dai-nan-kō, erw. Neuaufl. Kōbe: Takanawa insatsu 2009, S. 79–88.
1.4 Die Verehrung loyaler Untertanen
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Charaktereigenschaften – und Erinnerungswürdigkeit bzw. Heldenverehrung ist in der japanischen Geschichte der Vormoderne gerade bei den „tragischen“, d. h. gescheiterten „Helden“ häufig anzutreffen, aber keinesfalls selbstverständlich.123 Das Tokushi yoron von Arai Hakuseki (1657–1725) etwa, eines der bedeutendsten Geschichtswerke der Edo-Zeit, das ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Rehabilitierung der Sache des Südhofes und zur Kusunoki-Verehrung leistete, erklärte Masashige zwar ebenfalls zum herausragendsten Vasallen des Kaisers Go-Daigo, begründete dies aber mit dem Umstand, dass Kusunoki vor der eigentlichen Kenmu-Restauration als einziger in Japan dem Kaiser gegenüber loyal geblieben sei und er mit seiner kleinen Streitmacht gegen das KamakuraShōgunat gekämpft habe.124 Mit der Errichtung des Gedenksteines am Ort der Schlacht von Minatogawa entwickelte sich dieser zu einem Zentrum der Kusunoki-Verehrung. Bereits wenige Jahre nach dem Gedenkstein wurde eine Halle (hi-dō) errichtet, welche das Denkmal schützte und ihm zusätzlich das Gepräge einer Kultstätte verlieh. Stiftungen vor allem von Votivlaternen (tōrō) machten die Anerkennung Kusunokis durch verschiedene Fürsten öffentlich sichtbar. Am Denkmal wurden regelmäßig sowohl Gedenkfeiern durchgeführt, etwa aus Anlass der Jahrestage von Kusunokis Tod (1695, 1735, 1785, 1835 usw.), als auch religiöse Zeremonien wie buddhistischen Totengedenkfeiern (kuyō, nachweislich seit 1712) abgehalten. Spätestens seit 1785 ist seine Verehrung als shintōistische Gottheit (kami) nachweisbar.125 Schließlich entwickelte sich das Grab Kusunokis, dessen Anlage deshalb schrittweise vergrößert und verschönert wurde, zu einem Reiseziel und einer Wallfahrtsstätte, das von so illustren Gästen wie dem konfuzianischen Gelehrten und Naturforscher Kaibara Ekken, dem Haiku-Dichter Matsuo Bashō oder dem Historiker Rai San‘yō aufgesucht wurde.126 Auch Philipp Franz
123 Vgl. hierzu Morris, Ivan: Samurai oder Von der Würde des Scheiterns. Tragische Helden in der Geschichte Japans, Frankfurt a. M./Leipzig: Insel Verlag 1999 (1975). 124 Vgl. Ackroyd, Joyce (Hg./Übers.): Lessons from History, S. 185. Kusunoki rangiert damit für Arai Hakuseki vor Nitta Yoshisada, jedoch hinter Prinz Morinaga, der jedoch nicht zu sehr gelobt zu werden verdiene, habe er doch für die Sache seines eigenen Vaters gekämpft. Zur Bedeutung des Tokushi yoron für die Neubewertung der Kenmu-Restauration siehe auch Varley, H. Paul: Imperial Restoration, S. 149–150. 125 Vgl. Minatogawa jinja (Hg.): Dai-Nan-kō, S. 105–118. 126 Ebenda. Bereits während der Herrschaft des Kaisers Go-Hanazono (1428–1464) scheint Kusunoki Masashige als „Rachegeist“ (s. u.) in den Nitta-Schrein von Noda, Uwa-chō (in der heutigen Stadt Seiyo, Präfektur Ehime) eingeschreint worden zu sein, doch geriet diese Erhebung zum Gott augenscheinlich jenseits dieses Schreines in Vergessenheit. Bereits das Taihei-ki berichtet vom „Wirken“ des Geistes von Kusunoki als Rachegeist. Vgl. hierzu Morita, Yasunosuke: Minatogawa jinja shi. Band 2: Keigyo, S. 65–90, insbesondere S. 77.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
von Siebold besuchte während seiner Reise nach Edo 1826 das Grab Kusunokis und beschrieb es später in seinem „Nippon“.127 In der Mitte des 19. Jahrhunderts und insbesondere nach der gewaltsamen Landesöffnung 1853 entwickelte sich das Grab Masashiges schließlich zu einem der zentralen Bezugspunkte der kaisertreuen und dem Shōgunat gegenüber feindlich eingestellten Kräfte. Yoshida Shōin (1830–1859), einer der wichtigsten Aktivisten im Kampf gegen das bakufu und geistiger Ziehvater zahlreicher Führungspersönlichkeiten der Meiji-Restauration, besuchte mindestens vier Mal das Grab Kusunokis und bezog sich in seiner Schrift Shichisei-setsu (1856) direkt auf Masashige. In dieser Abhandlung vergleicht er sich selbst mit dem mittelalterlichen Heros, wobei er der Hoffnung Ausdruck verleiht, dass sein Scheitern – er wurde tatsächlich drei Jahre später zum Tode verurteilt und hingerichtet – ebenfalls eine Inspiration künftiger Generationen sein werde und ihm sieben Leben zur Verwirklichung seiner Ziele vergönnt sein mögen.128 Resümierend lässt sich festhalten, dass mit Kusunoki Masashige und anderen „loyalen Vasallen“ der japanischen Geschichte, insbesondere der Kenmu-Restauration und der Zeit des Nord- und Südhofes, populäre historische Bezugspersonen einer politischen Strömung und ihres sich entwickelnden Gefallenenkultes gefunden waren, deren Leben und Sterben als Ausdruck einer grenzenlosen Loyalität zum Kaiser gedeutet wurden und die auf Grund ihrer Popularität zugleich geeignet waren, als handlungsleitende Vorbilder genutzt und inszeniert zu werden.
127 Vgl. Siebold, Philipp Franz von: Nippon. Archiv zur Beschreibung Archiv zur Beschreibung von Japan und dessen Neben- und Schutzländern Jezo mit den südlichen Kurilen, Sachalin, Korea und den Liukiu-Inseln, zweite Aufl. Würzburg/Leipzig: Verlag der k. u. k. Hofbuchhandlung von Leo Wöhr 1897, S. 155. Siebold beschreibt, dass der „vergötterte Held“ inzwischen zu einem Schutzpatron der Zahnleidenden und der Seefahrer geworden und das Dorf in der Nähe des Grabes deshalb „durch Zahnärzte und Quacksalber“ berühmt sei. 128 Earl, David Margarey: Emperor and Nation in Japan. Political Thinkers of the Tokugawa Period, Seattle: University of Washington Press 1964, S. 188. Auch für Saigō Takamori stellte Kusunoki eine zentrale Bezugsfigur dar. Vgl. den Ausstellungskatalog Zaidan hōjin Saigō Nanshū kenshō-kai (Hg.): ‚Nankō to Saigō Takamori-ten‘ zuroku (= Sonderheft Keiten aijin 29 (2011)). Zahlreiche politische Führer der Meiji-Zeit wie Itō Hirobumi, Okuma Shigenobu oder Etō Shinpei stifteten ebenfalls Votivlaternen für das Grab Masashiges.
1.5 Der goryō-Glauben und das Konzept der „Befriedung des Reiches“
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1.5 Der goryō-Glauben und das Konzept der „Befriedung des Reiches“ Eine vierte Traditionslinie des modernen politischen Totenkultes, die bereits wiederholt – freilich als „häretische Interpretation der Yasukuni-Götter“ (Klaus Antoni) – Gegenstand der Forschung geworden ist, ist die Vorstellung von Rachegeistern bzw. Racheseelen (onryō bzw. goryō),129 welche seit dem Altertum in der japanischen Gesellschaft nachweisbar ist und deren Höhepunkt bereits in der Heian-Zeit (794–1185) lag.130 Im Kern basiert der Glaube an Rachegeister auf der Annahme, dass Verstorbene, deren Tod als unnatürlich angesehen wurde, weil er gewaltsam herbeigeführt worden oder in jungen Jahren erfolgt war, oder die zu Lebzeiten Opfer von Unrecht geworden waren, den Lebenden grollen (urami o motsu) und aus Rache Schaden zuzufügen trachten (tatari). Dabei muss sich dieser Groll keineswegs nur gegen die Urheber des Unrechts oder dessen Angehörige richten. Vielmehr schrieb man ihnen neben Alpträumen und unnatürlichen Todesfällen in den Familien ihrer Gegner vor allem seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts auch die Verursachung von Blitzschlag, Erdbeben oder epidemischen Krankheiten zu, mithin die Fähigkeit, das Reich und die öffentliche Ordnung ins Chaos zu stürzen.131 Berühmte Beispiele für Rachegeister aus Hof-
129 Semantisch sind die beiden Begriffe goryō – wörtlich: ehrenwerter Geist – und onryō – wörtlich: grollender Geist – verschieden; im japanischen Volksglauben gingen und gehen beide Typen ineinander über. 130 Zum goryō-Glauben seit dem Altertum vgl. Naumann, Nelly: Die einheimische Religion Japans. Band 1: Bis zum Ende der Heian-Zeit, Leiden/New York u. a.: E. J. Brill 1988, S. 207–218; Dies.: Die einheimische Religion Japans. Band 2: Synkretistische Lehren und religiöse Entwicklungen von der Kamakura- bis zum Beginn der Edo-Zeit, Leiden/New York u. a.: E. J. Brill 1994, passim; Dies.: Yama no Kami – die japanische Berggottheit. Teil II: Zusätzliche Vorstellungen, In: Asian Folklore Studies 23 (1964), Heft 2, S. 48–199, hier S. 115–122; Plutschow, Herbert: The Fear of Evil Spirits in Japanese Culture, In: Transactions of the Asiatic Society of Japan, 3. Folge 18 (1983), S. 133–151; Yamada, Yūji: Bakko suru onryō. Tatari to chinkon no Nihon-shi, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2007; Ders.: Onryō to wa nani ka. Sugawara no Michizane, Taira no Masakado, Sutoku-in, Tōkyō: Chūō kōron shinsha 2014. Zur Bedeutung des goryō-Kultes für den Gefallenenkult in Japan siehe Antoni, Klaus: Yasukuni und der schlimme Tod des Kriegers; Ōe, Shinobu: Yasukuni jinja, S. 117–120. 131 In den Worten des Mönches Jiens (1155–1225) im Siebten und letzten Band des Gukanshō, eines der wichtigsten Geschichtswerke des frühen japanischen Mittelalters: „The main point about a vengeful soul [onryō, TS] is that it bears a deep grudge and makes those who caused the grudge objects of its revenge even while the resentful person is still alive. When the vengeful soul is seeking to destroy the objects of its resentment – all the way from small houses to the state as a whole [shōka yori tenka ni mo oyobite, TS] the state is thrown into disorder by the slanders and lies it generates. The destruction of people is brought about in exactly the same way. And
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kreisen sind etwa der Staatsmann Sugawara no Michizane (845–903), der wegen einer Intrige bei Hof in die Verbannung nach Kyūshū geschickt worden war und dort nach wenigen Jahren starb, oder Kronprinz Sawara (Sawara-shinnō, 750?– 785), der nach der wahrscheinlich in seinem Wissen erfolgten Ermordung des Höflings Fujiwara no Tanetsugu (737–785) nach Awaji verbannt wurde und auf den Weg dorthin ums Leben kam. Zum Schutz vor und für die Besänftigung von Rachegeistern wurden neben speziellen Bestattungszeremonien bereits im Altertum spezifische Riten entwickelt, welche von buddhistischen Priestern, Bergasketen oder Divinationsmeistern abgehalten wurden und in denen sich buddhistische, daoistische und einheimische Vorstellungen und Praktiken mischten.132 Hierzu zählte zunächst etwa eine Zeremonie zur Herbeirufung und Besänftigung der Seelen (chinkon gyōji bzw. chinkon-sai), welche zur Erlösung des grollenden Geistes beitragen sollte, oder die posthume Erhebung des Verstorbenen in einen höheren Hofrang, welche das erlittene Unrecht wiedergutmachen sollte. Im Falle des oben erwähnten Prinzen Sawara konnte dies sogar die posthume Ernennung zum Kaiser (Sudō-tennō) und die Erhebung seines Grabes in den Rang eines kaiserlichen Hügelgrabes bedeuten.133 Seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts ist die Tendenz zu beobachten, die grollenden Totengeister nicht mehr nur zu besänftigen, sondern sie zu vergöttlichen, wobei sie die Funktion von Schutzgöttern annehmen konnten.134 Zu ihren Ehren wurden religiöse Feste (goryō-e) abgehalten, die den Charakter von Volksfesten annehmen und auf denen Tänze, Pferderennen, Ringkämpfe oder Bogenschießen dargeboten wurden oder Schausteller auftreten konnten, und Schreine wie die goryō-Schreine oder der Kitano Tenman-gū für den erwähnten Sugawara no Michizane errichtet.135 Für unseren Kontext ist nun von Bedeutung, dass diese Vorstellungen und Praktiken gegen Ende der Heian-Zeit, konkret in der zweiten Hälfte des 12. Jahr-
if the vengeful soul is unable to obtain its revenge while in this visible world, it will do so from the realm of the invisible.“ Brown, Delmer M./Ishida, Ichirō (Hg.): The Future and the Past. A Translation and Study of the Gukanshō, an Interpretive History of Japan Written in 1219, Berkeley: University of California Press 1979, S. 220–221. Die entsprechende Passage im Original in Okami, Masao/Akamatsu, Toshihide (Hg.): Gukanshō (= Nihon koten bungaku taikei 86), Tōkyō: Iwanami shoten 1967, S. 339. 132 Siehe zur buddhistischen Seelenbesänftigung Kleine, Christoph: Der Buddhismus in Japan, S. 200–202. 133 Vgl. Naumann, Nelly: Einheimische Religion, Band 1, S. 208–209. 134 A. a. O., S. 213. 135 Vgl. a. a. O., S. 216–219.
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hunderts, als militärische Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Familien am Kaiserhof und Kriegerklans in regelrechte Kriege wie den Genpei-Krieg übergingen, auch auf gegnerische Gefallene ausgedehnt wurden.136 Der Besänftigung der Seelen von Kriegstoten fiel damit die Funktion der Befriedung des Reiches zu, und zwar nicht nur auf der symbolisch-politischen, sondern auch auf einer transzendentalen Ebene. So ordnete etwa Ex-Kaiser Go-Shirakawa-in 1187, zwei Jahre nach der Schlacht von Dannoura, an, auf dem Kōya-san und im Tō-ji in Kyōto buddhistische Totenfeiern zur Besänftigung der onryō aller gefallener Taira-Krieger, mithin der unterlegenen Seite im vorangegangenen Krieg, durchzuführen.137 Auch Minamoto no Yoritomo, der Begründer des KamakuraShōgunats und Sieger des Genpei-Krieges, veranlasste wiederholt, Zeremonien zur Besänftigung seiner getöteten Gegner abzuhalten, wobei sich in seinem Falle die Angst vor Rache wohl mit Reue für eigene Taten vermischte. So ließ er 1197 84.000 kleine steinerne Pagoden bzw. Stupas (hōkyōin-tō) errichten, die je eine Kopie des Hōkyōin darani-Sutra enthielten. Diesem wurde die Kraft zugeschrieben, von Sünden zu erlösen.138 Eine solche Besänftigung konnte auch noch Jahrhunderte nach dem historischen Ereignis erfolgen. So wurde etwa um 1600 im heutigen Akama jingū in Shimonoseki, dem Grab des Kaisers Antoku, der 1185 in der Schlacht von Dannoura sein Leben verloren hatte, (symbolische) Grabanlagen für sieben Anführer der Taira errichtet, um ihre Seelen zu besänftigen (vgl. Abb. 2).139 Übrigens sind auch Beispiele von Gefallenen überliefert, wo das Wirken als zorniger Rachegeist mit einer Karriere als (regionalem) Volkshelden Hand in Hand ging und beide Elemente in einer Apotheose aufgehoben wurden. Dies belegt etwa die Einschreinung des Taira no Masakado (-940), eines Rebellen gegen den Kaiserhof in der Heian-Zeit, dessen Aufstand gewaltsam niedergeschlagen worden war, in den Kanda-Schrein (den Kanda myōjin im heutigen Tōkyō) im Jahre 1309.140
136 Vgl. Suzuki, Satoshi/Seki, Yukihiko: Tōjō to chinkon no chūsei, Tōkyō: Yamakawa shuppansha 2010; Higuchi, Kunio: Nihon chūsei no nairan to chinkon, In: Rekishi hyōron 628 (2002), S. 28–40. 137 A. a. O., S. 29. Go-Shirakawa-in war zu diesem Zeitpunkt ein ehemaliger Tennō, der abgedankt hatte, um „aus dem Kloster heraus“ Politik zu bestimmen. Zum insei-System, der „Klosterherrschaft“ im japanischen Kaiserhaus vgl. Hurst, G. Cameron III: Insei. Abdicated Sovereigns in the Politics of Late Heian Japan 1086–1185, New York: Columbia University Press 1976. 138 Higuchi, Kunio: Nihon chūsei no nairan to chinkon, S. 31. 139 Furukawa, Kaoru: Aoki kaikyō no nagare, In: Akama jingū (Hg.): Akama jingū. Shimonoseki genpei shiseki to bunka-zai, Shimonoseki: Akama jingū 1985, S. 4–32, hier S. 12. 140 Stramigioli, Giuliana: Preliminary Notes on Masakadoki and the Taira no Masakado Story. In: Monumenta Nipponica 28 (1973), Heft 3, S. 261–293, hier S. 293; Friday, Karl F.: The First Sa-
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Abb. 2: Grabmäler für Anführer der Taira in der Schlacht von Dannoura, Akama jingū, Shimonoseki (ca. 1600)
In der Mitte der Kamakura-Zeit, mit der erfolgreichen Abwehr der Mongoleninvasionen 1274 und 1281, ist schließlich die Ehrung der Kriegstoten nicht nur der bisherigen Gegner, sondern beider Seiten durch die Sieger nachweisbar, was eine schrittweise Überlagerung ursprünglicher goryō-Konzepte durch buddhistische Vorstellungen und Praktiken markiert. So diente etwa der Bau des buddhistischen Tempelkomplexes Engaku-ji in Kamakura durch den Regenten Hōjō no Tokimune (1225–1284) ab 1277 explizit der Besänftigung sowohl der japanischen als auch der mongolischen, chinesischen und koreanischen Opfer der beiden Invasionsversuche. Nach dem Sturz des Kamakura-Shōgunats und dem Sieg in der Schlacht am Minatogawa ließ der Sieger und neue Shōgun Ashikaga Takauji ab 1338 in jeder der 66 Provinzen Japans (mit Ausnahme der Provinz Yamato) mindestens je eine „Pagode bzw. Stupa der Gnade Buddhas“ (Rishō-tō) und einen „Tempel des friedlichen Landes“ bzw. „Tempel zur Befriedung des Reiches“ (Ankoku-ji) errichten (bzw. bereits bestehende Tempel umbenennen), um die Opfer der militärischen Auseinandersetzungen seit 1331 zu besänftigen und um Frieden zu bitten.141 Und noch 1599 ließen der Fürst von Satsuma, Shimazu Yoshi-
murai. The Life and Legend of the Warrior Rebel Taira Masakado, Hoboken: John Wiley & Sons 2008; Kawajiri, Akio: Taira no Masakado no ran (= Sensō no Nihon-shi 4), Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2007. 141 Imaeda, Aishin: Ankoku-ji, In: Kokushi daijiten henshū iin-kai (Hg.): Kokushi daijiten. Band 1, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 1979, S. 374–375; Sansom, George B.: A History of Japan.
1.5 Der goryō-Glauben und das Konzept der „Befriedung des Reiches“
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Abb. 3: Kōrai-jin teki-mikata kyō-hi, Oku-no-in, Kōya-san (1599)
hiro, und sein Sohn auf dem Kōya-san einen Stein für die Darbringung von Opfergaben (kuyō-hi) für chinesische wie japanische Tote der Korea-Invasionen von Toyotomi Hideyoshi aufstellen (vgl. Abb. 3).142 Schließlich ist für das Mittelalter – erstmals mit den Kämpfen im Kontext der Kenmu-Restauration – noch eine weitere Praxis zu konstatieren, in welcher sich auch ein Wandel des Umganges mit dem Kriegstod ausdrückt: Auf den Schlachtfeldern finden sich nun spezielle buddhistische Priester, sogenannte „Feldgeistliche“ bzw. „Feldlagerpriester“ (jinsō), die zum einen durch Gebete (nenbutsu)
Band 2: 1334–1615, London: The Cresset Press 1961, S. 101; Antoni, Klaus: Yasukuni, S. 167–172. Antoni verweist dabei zu Recht darauf, dass neben der spirituellen Funktion die politische Funktion der Ankoku-ji, die Kontrolle der Ashikaga über das Land und hier insbesondere die regionalen Machthaber in den einzelnen Provinzen zu stärken, nicht übersehen werden darf, ja dominierend erscheint. 142 Vgl. Yamada, Yūji: Onryō to wa nani ka, S. 189–190; Mori, Kenji: Kinsei no senshi-sha saishi. Yanagawa-han, Miike-han o chūshin ni, In: Murakami, Kōkyō/Nishimura, Akira (Hg.): Irei no keifu. Shisha o kioku suru kyōdō-tai, Tōkyō: Shinwa-sha 2013, S. 53–93, hier S. 61–62. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließ Fürst Shimazu Tadashige neben dem originalen Stein noch einen zweiten mit einer englischen Übersetzung der Inschrift aufstellen. Die zentrale Passage der Inschrift wird dabei wie folgt wiedergegeben: „To the end therefore, that those who fell in the Corean War foe and friend a like may be gathered everyone into the way which leads to Buddhahood.“
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
den Sterbenden eine glückliche Hinübergeburt ermöglichen und sie damit vor einem Schicksal als Rachegeist bewahren, zum anderen die sterblichen Überreste bestatten, den Hinterbliebenen die abgeschlagenen Köpfe der Gefallenen überbringen und von deren letzten Stunden berichten sollten.143 Sie rekrutierten sich meist aus der Jishū-Schule in der Nachfolge des Ippen.144 Auch wenn sich an dieser Stelle die schrittweise Durchsetzung buddhistischer Vorstellungen und Praktiken zeigt, sind die Verbindungen zum goryō-Glauben doch ebenso unverkennbar. Letztlich muss man sogar davon ausgehen, dass zeitgenössisch die Tatsache, dass die inneren Kämpfe in Japan nicht enden wollten, auch auf das fortgesetzte Wirken von Rachegeistern zurückgeführt wurde.145 Zusammenfassend kann man sagen, dass eine korrekte, quasi „ordnungsgemäße“ Behandlung der Seelen der Gefallenen beider Seiten in der Geschichte des Altertums und des Mittelalters nicht nur politische, sondern auch immense religiöse Implikationen aufwies. Hierbei bildeten die skizzierten und teils auch widersprüchlichen synkretistischen Vorstellungen und Praktiken des goryō-Glaubens ein zentrales Element, welches zahlreichen Wandlungen unterworfen war. Dabei ist nochmals die doppelte Schutzfunktion zu betonen: sie umfasste sowohl den religiösen Schutz des Reiches bzw. des Kaiserhauses vor potentiellen Rachegeistern durch diverse Riten und Praktiken, als auch den Schutz durch vergöttlichte ehemalige Rachegeister, also die Seelen der Gefallenen.
1.6 Vergöttlichung von Verstorbenen Eng verwandt mit der Entwicklung shintōistischer Bestattungsriten wie auch der Praxis der Rangerhöhungen und Apotheose von Rachegeistern, auf die in den
143 Higuchi, Kunio: Nihon chūsei no nairan to chinkon, S. 35. Das Taihei-ki etwa berichtet im sechsten Band vom Tod von Honma Kurō Sukesada und Hitomi Shirō On’a in der Schlacht um Akasaka: „Ein heiliger Mann (hijiri), welcher ihnen bis dahin gefolgt war und für sie die letzten zehn Anrufungen des Namens Amida-Buddhas (saigo no jū-nen) darbrachte, bat um beider Häupter, um sie zum Tempel Tennō-ji zu bringen, wo er von all dem, was passiert war, von Anfang an Honmas Sohn Gennai Hyōe Suketada berichtete.“ Kurze Zeit darauf bestattete (sōrei) der Priester die Köpfe auf einem nahen Feld. Gotō, Tanji/Kamada, Kisaburō (Hg.): Taihei-ki. Band 1 (= Nihon koten bungaku taikei 34), Tōkyō: Iwanami shoten 1960, S. 201–202. Fehlerhaft die Übersetzung jener Passage bei McCullough, Helen Craig (Hg./Übers.): The Taiheiki. A Chronicle of Medieval Japan, Boston: Tuttle 2004 (1959), S. 168. 144 Kleine, Christoph: Buddhismus in Japan, S. 356; Ōyama, Shin’ichi: Bushi no shōji-kan. Teil 3: Chūsei bushi to Ippen, Jishū no shūhen, In: Nihon daigaku sōgō shakai jōhō kenkyū-ka kiyō 9 (2008), S. 221–232. 145 Higuchi, Kunio: Nihon chūsei no nairan to chinkon, S. 38.
1.6 Vergöttlichung von Verstorbenen
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vorigen Abschnitten eingegangen wurde, aber auch mit der Ehrung loyaler Helden der Vergangenheit ist die Vergöttlichung von Verstorbenen, welche in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der Zeit der Reichseinigung, auftrat.146 Sie bildet eine weitere Traditionslinie für den neuzeitlichen politischen Totenkult. Die letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts sind durch letztlich erfolgreiche Versuche der drei sogenannten „Reichseiniger“ Oda Nobunaga (1534–1582), Toyotomi Hideyoshi (1536–1598) und Tokugawa Ieyasu (1542–1616) gekennzeichnet, auf Dauer angelegte neue politische (und damit korrespondierend gesellschaftliche) Strukturen zu schaffen. Dadurch erst konnten die schon über ein Jahrhundert andauernden Bürgerkriege beendet werden. Die Apotheose der letzten beiden Reichseiniger Hideyoshi und Ieyasu – im Falle Nobunagas ist umstritten, ob bereits bei ihm Tendenzen zur Selbstvergöttlichung vorhanden waren – diente dabei unter anderem der Herstellung und Sicherung der Legitimität der Herrschaft der eigenen Familie und ist damit im Kontext ihrer Herrschaftsstabilisierung zu sehen.147 Hideyoshi wurde 1599, nachdem er zunächst nach buddhistischem Ritus beigesetzt worden war, unter dem Namen Toyokuni daimyōjin bzw. Hōkoku daimyōjin („Große Lichtgottheit des fruchtbaren Landes“) zum kami erhoben und in einen neu errichteten Schrein im Südosten Kyōtos eingeschreint. Dabei befand sich in unmittelbarer Nähe dieses Schreines der Hōkō-ji, der ebenfalls neu angelegte buddhistische Familientempel der Toyotomi, dessen Schutz der Toyokuni-Schrein in Analogie zum Tō-daiji und dem Schrein des Kriegsgottes Hachiman in Nara dienen sollte. Auch sein Rivale und Erbe Ieyasu wurde nach seinem Ableben 1616 deifiziert, und zwar unter dem Namen Tōshō daigongen („Den Osten erhellende Gottheit“). Für ihn wurde zunächst in der Nähe seines Alterssitzes Sunpu, auf dem Berg Kunō im heutigen Shizuoka, später in Nikkō eine Schreinanlage errichtet, die auch sein Grab enthält. In beiden Fällen waren die Deifikations- und Begräbnisriten synkretistisch und wurden sowohl von buddhistischen Priestern als auch Vertretern des Yoshida-Shintō durchgeführt. Die Vergöttlichung selbst wurde dabei aber
146 Siehe hierzu Scheid, Bernhard: Schlachtenlärm in den Gefilden der kami; Ders.: Shinto as a Religion for the Warrior Class. The Case of Yoshikawa Koretaru. In: Japanese Journal of Religious Studies 29 (2002), Heft 3–4, S. 299–324; Boot, Willem Jan: The Death of a Shogun. Deification in Early Modern Japan. In: Breen, John/Teeuwen, Mark (Hg.): Shinto in History. Ways of the Kami, London/New York: Routledge 2000, S. 144–166; Ders.: The Religious Background of the Deification of Tokugawa Ieyasu. In: Boscaro, Adriana/Gatti, Franco u. a. (Hg.): Rethinking Japan. Band 2: Social Sciences, Ideology and Thought, Sandgate: Japan Library 1990, S. 331–338; Roberts, Luke S.: Performing the Great Peace. Political Space and Open Secrets in Tokugawa Japan, Honolulu: University of Hawai’i Press 2012, S. 136–166. 147 Scheid, Bernhard: Schlachtenlärm in den Gefilden der kami, S. 619–621, zu Nobunaga a. a. O., S. 620, FN 1080.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
nach allgemeinen shintōistischen Zeremonien und spezifischen Bestimmungen des Yoshida-Ritus vollzogen. Im Falle Ieyasus fanden die ersten Zeremonien in der zweiten Nacht nach dem Tode des Fürsten statt.148 Hierzu wurde die Gottheit zunächst in einen temporären Hilfsschrein (karidono) mit einem Spiegel als shintai („Gottkörper“) gerufen, von wo aus sie seiner Fertigstellung durch die sog. „Hauptverlegungszeremonie“ (sengū-shiki) in ein entsprechendes „Hauptheiligtum“ überführt werden sollte. In der Prozession der Hauptverlegungszeremonie wurde ein Tragschrein (mikoshi) verwendet und alles Licht gelöscht, die Gottheit erneut herbeigerufen und im Göttersitz eingeschreint.149 Bei der Einschreinung in den Tōshō-gū in Nikkō im darauffolgenden Jahr orientierte man sich freilich an den Riten des Ichijitsu-Shintō und damit bereits wieder stärker an buddhistischen Praktiken. So wurde Ieyasu zwar als kami verehrt, dieser aber zugleich als Inkarnation des Yakushi nyorai-Buddha begriffen. Bei der Vergöttlichung der beiden Reichseiniger griff man auf ältere religiöse Vorstellungen und Praktiken der Deifikation etwa der oben besprochenen goryō zurück. So wurde der Name der neuen Gottheit offiziell vom Tennō sanktioniert und seine Verleihung ging mit einer posthumen Erhebung in den Wahren Ersten Hofrang einher. Neu im Vergleich zu älteren Formen war bei der Apotheose der beiden Reichseiniger, dass sie sich erstens unmittelbar an den Tod und die Bestattung des Verstorbenen anschloss und zweitens auf dessen Willen zurückging. Drittens kam hinzu, dass der Schutz der eigenen Dynastie wie auch des Landes die wichtigste Aufgabe der neuen Gottheit wurde.150 Das Gebet während der Erhebung Ieyasus spricht der neuen Gottheit darüber hinaus die Funktion der Friedenssicherung im Reich zu.151 Im weiteren Verlauf der Edo-Zeit wurde denn auch tatsächlich diese Sicherung des Friedens auf das Wirken der Vergöttlichten zurückgeführt.152 Als weitere Analogien zu den deifizierten Rachegeistern wurden
148 Das Folgende nach a. a. O., S. 635–637. 149 Vgl. zum Ablauf Boot, Willem Jan: Death of a Shogun, S. 149–150. 150 Scheid, Bernhard: Schlachtenlärm in den Gefilden der kami, S. 621. Siehe auch Boot zu den unterschiedlichen Überlieferungen der Funktionen des vergöttlichten Ieyasu, der einmal als Schutzgott der acht Provinzen, d. h. der Kantō-Region, ein anderes Mal als Beschützer seiner Nachfahren, des Buddhismus und des Kaiserhauses sowie der Militärherrschaft gilt. Vgl. Boot, Willem Jan: Religious Background, S. 336–337. 151 Dieses Gebet ist in englischer Übersetzung abgedruckt in Boot, Willem Jan: Death of a Shogun, S. 150. 152 Boot verweist in diesem Kontext etwa auf eine Passage eines Ediktes des achten TokugawaShōguns, Yoshimune, aus dem Jahre 1721, das vor versammelten Daimyō verlesen wurde: “That I myself and all of you have met with a period of peace, in which the empire is well-ordered, and that we live in ease, is solely due to the divine virtue of the Toshogu [Tōshō-gu no shintoku, TS].” Boot, Willem Jan: Religious Background, S. 331.
1.6 Vergöttlichung von Verstorbenen
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auch die Schreinfeste als Volksfeste gefeiert. Auch architektonisch orientierte man sich beim Bau der Schreinanlagen sowohl Hideyoshis in Kyōto als auch Ieyasus auf dem Berg Kunō und schließlich in Nikkō am Kitano tenman-gū, dem Schrein des vergöttlichten Sugawara no Michizane. Darüber hinaus konnte auch, wie im Falle Ieyasus, eine Anlehung an den sich entwickelnden Kult loyaler Untertanen erfolgen. So wurde etwa Ieyasu in der offiziellen „Entstehungsgeschichte des Tōshō daigongen“, dem Tōshō daigongen engi, als Nachfahre Nitta Yoshisadas, eines der Generäle Go-Daigos in der Kenmu-Restauration, bezeichnet.153 Auch wenn die Tokugawa nach der Apotheose Ieyasus davon absahen, weitere Vertreter ihrer Familie in den Rang eines kami zu erheben und sie stattdessen zu buddhistischen Begräbnis- und Totenritualen zurückkehrten, finden sich in der Edo-Zeit wiederholt Deifizierungen von verstorbenen Fürsten. Diese sind im Kontext der oben erwähnten Ablehnung buddhistischer Bestattungspraktiken und der Entwicklung shintōistischer Begräbnisriten und damit auch der Opposition zu den Herrschaftspraktiken der Tokugawa zu sehen. Ein wichtiges Beispiel hierfür dürfte der ebenfalls bereits oben erwähnte Fürst von Aizu Hoshina Masayuki (1611–1672) sein, der selbst übrigens ein Halbbruder des dritten Shōgun aus dem Hause Tokugawa, Iemitsu, war. Hoshina Masayuki wurde 1673 nach seinem Tode shintōistisch bestattet, zum kami mit dem Namen Hanitsu reishin erhoben und für ihn nachfolgend der Hanitsu-Schrein im heutigen Inawashiro errichtet.154 Auch Shimazu Nariakira (1809–1858), als Fürst von Satsuma einer der einflussreichsten Politiker in der Endphase der Edo-Zeit, wurde fünf Jahre nach seinem Tod als shintōistische Gottheit unter dem Namen Terukuni daimyōjin in den Terukuni-Schrein von Kagoshima eingeschreint. Auch wenn die Zahl der deifizierten Personen in der Edo-Zeit überschaubar blieb, sollten die historische Signifikanz und Vorbildwirkung nicht unterschätzt werden. Vielmehr ist Bernhard Scheid zuzustimmen, der insbesondere im vergöttlichten Hideyoshi einen „Stichwortgeber späterer Entwicklungen“ sieht.155 Im 18. Jahrhundert schließlich gewann der Kult des Tōshō daigongen landesweite Bedeutung. Diese Transformation Verstorbener zu Gottheiten, welche Familie und Land schützen und Frieden garantieren, floss im 19. Jahrhundert dann ebenfalls in den modernen staatlichen Gefallenenkult ein.
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153 A. a. O., S. 334–335. 154 Scheid, Bernhard: Schlachtenlärm in den Gefilden der kami, S. 642 FN 1138; Okada, Shōji: Kinsei shintō no jomaku, S. 338. 155 Scheid, Bernhard: Schlachtenlärm in den Gefilden der kami, S. 643.
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1 Traditionsbestände des japanischen Gefallenenkultes
In der vor- und frühmodernen Tradition Japans existierten sehr heterogene und zum Teil auch konkurrierende Todes- und Jenseitsvorstellungen sowie Praktiken des Umgangs mit Verstorbenen. Zwar wurden diese Gegensätze im Alltag durch den Synkretismus der Religionen abgeschwächt, doch verstanden sich insbesondere die konfuzianische Kritik an der Feuerbestattung und die Entwicklung shintōistischer Bestattungsriten als Abgrenzung von buddhistischen Traditionen. Damit bargen sie erhebliches politisches Konfliktpotential, gehörte das danka-System doch zu den Stützen der politischen Ordnung der Tokugawa in der Edo-Zeit. Die Konflikte, die hier vor allem zwischen dem Buddhismus und dem Shintō aufbrachen, stehen am Beginn der Entwicklung einer vom Buddhismus abweichenden spezifischen Gedenkpraxis an die Gefallenen und sollten den politischen Totenkult im 19. und 20. Jahrhundert langfristig prägen. Trotz dieser Gegensätze lassen sich über die religiösen Differenzierungen hinweg jedoch auch Gemeinsamkeit beobachten. Dazu gehört vor allem, dass eine ordnungsgemäße Behandlung von Kriegstoten (in Form der Besänftigung der Seelen von Freund und Feind) kultisch geboten war. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass in den japanischen Religionen Diesseits und Jenseits als sehr eng verbunden gelten und den Seelen Verstorbener große Einflussmöglichkeiten auf die Welt der Lebenden zugeschrieben werden. Die Entwicklung shintōistischer Bestattungs- und Trauerrituale wies darüber hinaus enge Berührungspunkte mit der Praxis der Apotheose bedeutender Herrscherpersönlichkeiten in den Reichseinigungsprozessen an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert auf, aber auch mit der sich in der Edo-Zeit entwickelnden Verehrung von Untertanen, die dem Herrscher treu ergeben gewesen waren und ihr Leben für den Kaiser geopfert hatten. Letztere spiegelte den zentralen Stellenwert der Loyalität in den Normen des später bushi-dō genannten Kriegerethos, die zwar zunächst nahezu ausschließlich auf das Verhältnis des Vasallen zum Lehnsherrn ausgerichtet gewesen war, sich nun aber in der Lehre der Nationalen und der Mito-Schule zunehmend auf den Tennō bezog. Damit waren wichtige Traditionslinien des Gefallenengedenkens zugleich Teil der Renaissance des Kaiserhauses. Dabei war der Monarch, obwohl er bereits im späten Altertum „zivilisiert“ worden war und in der Edo-Zeit kaum noch über politische Macht verfügte, trotzdem auch Quelle der Legitimation sowohl der politischen Ordnung als auch eines gerechten Krieges. Es sollte der Politisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts, den Bürgerkriegen und der einsetzenden Nationalstaatsbildung vorbehalten bleiben, auf diesen unterschiedlichen Traditionslinien einen neuartigen politischen Totenkult aufzubauen.
Teil II: Gefallenenkult im autoritären Nationalstaat (1853–1945)
2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes Das 19. Jahrhundert, insbesondere die Zeit zwischen 1853 und 1890, stellt in der japanischen Geschichte eine tiefgreifende Transformationsphase dar. Sie betraf nahezu alle Bereiche des privaten wie öffentlichen Lebens, und man kann sie mit Recht in Anlehnung an Jürgen Osterhammel als eine Zeit der „Verwandlung der Welt“ bezeichnen, hier verstanden als Verwandlung der Lebenswelt im Gefolge von Nationalstaatsbildung und industrieller Modernisierung.1 Diese Transformation verlief alles andere als friedlich, auch wenn die absoluten Opferzahlen im Vergleich zu anderen Umbruchphasen in der japanischen oder auch europäischen Geschichte vergleichsweise gering waren.2 Vielmehr ging sie mit Bürgerkriegen, zahlreichen größeren und kleineren Aufständen, Unruhen, Mord, Terror und politischer Verfolgung, mit der Bedrohung durch die Imperialismen europäischer Großmächte und der USA sowie dem beginnenden Imperialismus Japans gegen seine ostasiatischen Nachbarn einher. Diese Gewalterfahrungen, die Transformation Japans von der hierarchisch-ständischen Ordnung der Tokugawa-Zeit hin zum sich nun schrittweise etablierenden, „modernen“ zentralisierten japanischen Nationalstaat der Meiji-Zeit und die Revolution des Militärischen bildeten die Konstitutionsbedingungen der Entstehung des neuzeitlichen staatlichen Gefallenenkultes. Dessen Formierungsprozess, der sich schrittweise auf der Basis langfristig wirkender Traditionslinien vollzog, ältere Elemente aufnahm und verschmolz, aber auch mit überkommenen Mustern brach und spezifisch Neues entwickelte, soll im Folgenden analysiert werden. Dabei wird nach der Interdependenz der historischen Rahmenbedingungen – sprich der spezifischen Gewalterfahrungen der japanischen Gesellschaft – und den Deutungsmustern und -figuren des sich etablierenden staatlichen Gefallenenkultes gefragt. Im Folgenden werden zunächst der historische Kontext von Bürgerkriegen und beginnender Expansion sowie die Umwandlung des Heeres von ständischen Streitkräften zu einer Wehrpflichtarmee analysiert, anschließend die wichtigsten Stationen der Herausbildung des neuen Totenkultes und seine charakteristischen Elemente herausgearbeitet und abschließend seine wichtigsten Träger untersucht.
1 Osterhammel, Jürgen: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München: C. H. Beck 2009. 2 Mitani, Hiroshi: Die Formierung von Öffentlichkeit in Japan. Eine Bilanz in vergleichender Perspektive (= Arbeitspapiere des Internationalen Graduiertenkollegs Halle-Tōkyō 10), Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2011, S. 14.
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2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
2.1 Nationalstaatsbildung und Militärreform 2.1.1
„Schwarze Schiffe“, Meiji-Restauration und Bürgerkriege
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts versuchten westliche Mächte wiederholt, die Politik der Landesabschließung des Tokugawa-Shōgunats zu beenden.3 Erfolg beschieden war schließlich einer kleinen Flottille US-amerikanischer Kriegsschiffe unter dem Befehl von Commodore Matthew C. Perry, der seine „Schwarzen Schiffe“ im Juli 1853 in die Bucht von Uraga einlaufen ließ und der unter Androhung von Gewalt einen Brief des US-Präsidenten, in dem dieser den Abschluss eines Freundschafts- und Handelsvertrages vorschlug, an Beamte des Shōgunats übergab. Im August, also nur einen Monat später, folgte übrigens eine russische Flottille unter Admiral J. W. Putjatin (1803–1883), der in Nagasaki seinerseits ein Schreiben mit der Bitte um Aufnahme diplomatischer Beziehungen überbrachte. Dieses in beiden Schreiben formulierte Ansinnen führte in Japan zu heftigen Debatten über eine angemessene Reaktion. Das Shōgunat holte dabei – eine ungeheuerliche Neuerung – erstmals auch die Meinung der Öffentlichkeit ein.4 Obwohl die Gegner der Landesöffnung innerhalb der politischen Führungsschicht die Oberhand zu behalten schienen und bereits Vorbereitungen für einen militärischen Konflikt getroffen wurden, erzwangen eine neuerliche Demonstration militärischer Stärke und die wiederkehrende Androhung von Gewalt den Abschluss des Friedens- und Freundschaftsvertrages mit den USA, welcher die
3 Beasley, William B.: Great Britain and the Opening of Japan; Kajima, Morinosuke: Geschichte der japanischen Außenbeziehungen. Band 1: Von der Landesöffnung bis zur Meiji-Restauration, übersetzt von Kracht, Klaus, Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1976. Vgl. als Überblickswerke zur Geschichte Japans in der Bakumatsu- und frühen Meiji-Zeit und für das Folgende u. a. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans; Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan. Von Meiji bis Heisei; Jansen, Marius B.: The Making of Modern Japan, Cambridge (Mass.)/London: Harvard University Press 2000; Totman, Conrad D.: The Collapse of the Tokugawa bakufu 1862–1868; Beasley, William G.: The Meiji Restoration; Rekishi-gaku kenkyū-kai/ Nihon-shi kenkyū-kai (Hg.): Meiji ishin (= Kōza Nihon-shi 5), Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 1970; Tanaka, Akira: Bakumatsu ishin-shi no kenkyū, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 1996; Inoue, Katsuo: Bakumatsu, ishin (= Shiriizu kingendai-shi 1), Tōkyō: Iwanami shoten 2006; Rekishigaku kenkyū-kai/Nihon-shi kenkyū-kai (Hg.): Kindai no seiritsu (= Nihon-shi kōza 8), Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 2005; Mitani, Hiroshi: Meiji ishin o kangaeru, Tōkyō: Iwanami shoten 2012. 4 Bisweilen wird dieses Ereignis in der Forschung sogar als der Beginn der Existenz einer japanischen Öffentlichkeit angesehen, vgl. Mitani, Hiroshi: Formierung von Öffentlichkeit in Japan, S. 5–6; Ders. (Hg.): Higashi Ajia no kōron keisei, Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 2004.
2.1 Nationalstaatsbildung und Militärreform
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Öffnung von zunächst zwei Häfen festschrieb.5 Ein 1857 abgeschlossener Folgevertrag schließlich billigte den Amerikanern einseitig zahlreiche Rechte zu;6 die übrigen westlichen Mächte folgten dem Beispiel der Vereinigten Staaten und schlossen ebenfalls „Ungleiche Verträge“ mit Japan ab.7 Diese außenpolitische Bedrohungslage brachte das labile Kräftegleichgewicht der politischen Ordnung des Tokugawa-Staates aus der Balance. Dabei hatte sich die Fragilität dieser politischen Ordnung in den Jahrzehnten vor der Landesöffnung bereits angekündigt und vorbereitet.8 Hierbei verschränkten sich sozioökonomische, politische und kulturelle Prozesse, deren historische Relevanz und Beziehung zueinander in der Forschung seit Jahrzehnten zahlreiche Kontroversen ausgelöst haben, denen hier aber nicht im Einzelnen nachgegangen werden soll.9 Systematisch kann man sie – ohne freilich teleologisch verkürzen und fließende Übergänge ausblenden zu wollen – zum einen als Krise der alten Ordnung, zum anderen als Vorstufen und die Herausbildung einer neuen Ordnung beschreiben. Die Stabilität der alten Ordnung zeigte sich zunächst durch soziale Unruhen bedroht, die seit den 1830er Jahren deutlich zunahmen.10 Durch Missernten ausgelöste Hungersnöte in Zentral- und Nordjapan und daraus resultierende Aufstände offenbarten in der Tenpō-Ära (1830–1844) die Unfähigkeit der Verwaltung, auf diese Krisen angemessen zu reagieren.11 Die Lage verschlimmerte sich
5 Vgl. den Vertrag über Frieden und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Staat Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 31. März 1854, In: Kajima, Morinosuke: Geschichte der japanischen Außenbeziehungen, S. 6–8. Die chinesische Erfahrung im Ersten Opiumkrieg (1839–1842) unterstrich dabei die militärtechnologische Überlegenheit der westlichen Mächte und damit die Brisanz der Androhung militärischer Gewalt. Auch die Bedeutung des Zweiten Opiumkrieges, der 1856 ausbrach, darf in seiner Relevanz für die zeitgleichen Vorgänge in Japan nicht unterschätzt werden. Vgl. Konishi, Shirō: Kaikoku to jōi (= Nihon no rekishi 19), Tōkyō: Chūō kōron-sha 1966, S. 2–4; Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 23. 6 Vertrag zwischen dem Staat Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 17. Juni 1857, In: Kajima, Morinosuke: Geschichte der japanischen Außenbeziehungen, S. 10–11. 7 Vgl. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 163. 8 Vgl. Jansen, Marius B.: The Meiji Restoration, In. Ders. (Hg.): The Emergence of Meiji Japan, Cambridge: Cambridge University Press 1995, S. 144–202, hier S. 144–150. 9 Totman, Conrad D.: The Collapse of the Tokugawa bakufu 1862–1868. 10 Von ca. 3000 Bauernaufständen, die für die 250jährige Geschichte der Edo-Zeit überliefert sind, fielen mehr als 800 in die Jahre ab 1830. Hartmann, Rudolf: Geschichte der modernen Japan, S. 20. 11 Vgl. Bolitho, Harold: The Tenpō Crisis; unter den Aufständen war derjenige unter Führung von Ōshio Heihachirō (1793–1837), bei dem weite Teile Ōsakas zerstört wurden, sicherlich der bedeutendste. Zu Ōshio vgl. Najita, Tetsuo: Ōshio Heihachirō (1793–1837), In: Craig, Albert M./ Shively, David (Hg.): Personality in Japanese History, Berkeley/Los Angeles/London: University
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2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
just während der Ankunft Perrys weiter durch eine Kette von Naturkatastrophen – Erdbeben und durch sie ausgelöste Tsunamis – in den Jahren 1854 und 1855.12 Darüber hinaus verhinderten machtpolitische Rivalitäten innerhalb des bakufu und damit verbundene politische Kurswechsel zwischen der Landesöffnung und der Meiji-Restauration ein stringentes und konsequentes politisches Handeln des Shōgunats. Schließlich bedeutete die erzwungene Landesöffnung einen tiefen Einschnitt für das überkommene Muster der Legitimation und damit die Akzeptanz der Herrschaft der Tokugawa, die sich auf die Ernennung zum „Generalissimus zur Unterwerfung“ bzw. „zur Züchtigung der Barbaren“ (seii tai-shōgun) durch den Kaiser stützte. Dem mit diesem Amt verbundenen Anspruch konnte das Shōgunat aber augenscheinlich nicht mehr gerecht werden. Die Situation wurde hier verschärft, als der Kaiserhof 1854 mit der Ablehnung der Landesöffnung und schließlich 1863 mit dem „Befehl zur Vertreibung der Barbaren“ (Jōi jikkō no chokumei) als erstaunlich einflussreicher Akteur auf die politische Bühne zurückkehrte. Parallel erfolgte ein Erstarken der Opposition zur Tokugawa-Herrschaft, deren regionale Zentren mit den Fürstentümern Satsuma, Chōshū, Tosa und Hizen im Südwesten Japans lagen.13 Ein wesentlicher Faktor für deren politisches Gewicht in der Endphase der Edo-Zeit war dabei ihre Finanzkraft. Chōshū etwa hatte teilweise bereits im 18. Jahrhundert, vor allem aber im Angesicht der sozialen Unruhen der 1830er Jahre mit einer Reihe ökonomischer und fiskalpolitischer Reformen seine Finanzverfassung auf eine solide Basis gestellt.14 Hierzu zählten eine Landvermessung, wiederholte Schuldenschnitte bzw. Tilgungsaufschübe, Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen in der Landwirtschaft oder in Hafenanlagen und Handelsunternehmungen, die Einführung von Monopolen etwa auf Papier usw., aber auch Frugalitätsprogramme zur Kostensenkung. Diese ermöglichten Chōshū nun Reformen im Militärwesen des Fürstentums, die wiederum das politische Gewicht verstärkten.15 Dabei erwies sich die Bildung von Freiwil-
of California Press 1970, S. 155–179; Morris, Ivan: „Rettet das Volk!“ Ōshio Heihachirō, 19. Jahrhundert, In: Ders.: Samurai oder Von der Würde des Scheiterns. Tragische Helden in der Geschichte Japans, Frankfurt a. M./Leipzig: Insel Verlag 1999 (1975), S. 223–265. 12 Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 150–156. 13 Vgl. zur Rolle Chōshūs in der Meiji-Restauration v. a. Tanaka, Akira: Chōshū-han to Meiji ishin, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 1998; Craig, Albert M.: Chōshū in the Meiji Restoration, Lanham/Boulder u. a.: Lexington Books 2000 (1961); zu Satsuma siehe z. B. Sasaki, Suguru: Bakumatsu seiji to Satsuma-han, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2004; zu Hizen z. B. Mōri, Toshihiko: Bakumatsu ishin to Saga-han. Nihon seiyō-ka no genten, Tōkyō: Chūō kōron shinsho 2008. 14 Vgl. Craig, Albert M.: Chōshū in the Meiji Restoration, S. 26–78. 15 Vgl. hierzu a. a. O., S. 270–285; Hackett, Roger F.: Yamagata Aritomo in the Rise of Modern Japan 1838–1922, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 1971, S. 24–27.
2.1 Nationalstaatsbildung und Militärreform
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ligenverbänden (shotai), die nicht mehr nur Samurai, sondern auch Bauern und Händler umfassten und die teils regulär waren, teils den Charakter von irregulären privaten Verbänden hatten, in Hinblick auf die militärische Stärke Chōshūs als besonders bedeutsam. Sie wurden vor allem auch im Gebrauch westlicher Waffen wie Gewehren und Geschützen, welche durch das finanzkräftige Fürstentum angeschafft worden waren und die man teils auch selbst herzustellen trachtete, ausgebildet. Mitte der 1860er Jahre existierten bereits mehr als 150 solcher Einheiten, die eine wesentliche Verstärkung der regulären Truppen Chōshūs darstellten und deren berühmteste die von Takasugi Shinsaku gegründete Kiheitai („Irreguläre Einheit“) war.16 Ihr geistiges Rüstzeug erhielten die künftigen Gegner der Tokugawa in zahlreichen inzwischen neu eröffneten Schulen in der politisierten Tradition der oben bereits erwähnten kokugaku (Nationalen Schule) und der Mito-Schule, aber auch der sog. „Hollandwissenschaften“ (Ran-gaku). Sie alle stellten mit unterschiedlichen Stoßrichtungen und Argumentationsmustern politische Positionen und Maßnahmen des bakufu und damit dessen grundsätzliche Legitimität in Frage, forderten in Anbetracht der (militärtechnischen) Überlegenheit des Westens Reformen ein oder betonten auf Grundlage historischer Studien und der in Quellen des Altertums und des Mittelalters behaupteten göttlichen Abstammung den Herrschaftsanspruch und damit die Souveränität des Tennō.17 Systematisch kreisten die Debatten vor allem um zwei Fragen: zum einen um die Frage der politischen Struktur, konkret des Verhältnisses von Tennō und Shōgunat. Zum anderen um die Frage des Verhältnisses zu den europäischen Mächten und den USA. Dabei war die Bandbreite der vertretenen Positionen durchaus sehr groß: die Verehrung des Kaisers etwa musste nicht notwendig in die Gegnerschaft zum bakufu umschlagen, sondern es gab auch gewichtige Stimmen, die unter den Schlagworten „Verehrt den Kaiser, achtet das Shōgunat“ (sonnō keifu) und „Einheit von Hof und Kriegern“ (kōbu gattai) eine Kooperation beider Institutionen anmahnten (und dies als Fortsetzung von oder als Rückkehr zu traditionellen Herrschaftsmustern ansahen). Auch die Formel „Verehrung des Kaisers, Vertreibung der Barbaren“ (sonnō jōi) war zunächst keineswegs gegen die Tokugawa gerichtet, sondern sollte vielmehr die Politik des ersten TokugawaShōgun Ieyasu kennzeichnen, der ebenfalls den Kaiser verehrt und mit der Chris-
16 Zu den Kihei-tai vgl. Tanaka, Akira: Takasugi Shinsaku to kihei-tai, Tōkyō: Iwanami shoten 1985; Furukawa, Kaoru: Chōshū kihei-tai. Eikō to zasetsu, Ōsaka: Sōgen-sha 2005 (1972). 17 Für die Politisierung der Mito-Schule war dabei das Konzept der „Untrennbarkeit von Wissenschaft und praktischer Anwendung“ (gakumon jigyō fusho) von besonderer Bedeutung. Vgl. Antoni, Klaus: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens, S. 160. Vgl. auch Harootunian, H. D.: Toward Restoration. The Growth of Political Consciousness in Tokugawa Japan, Berkeley/Los Angeles/Oxford: University of California Press 1970.
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tenverfolgung und der Landesabschließung die Barbaren vertrieben habe.18 Erst mit der Unfähigkeit des bakufu, dem Vordringen des Westens Einhalt zu gebieten und damit dem Befehl des Kaiserhauses nachzukommen, konnte diese Phrase die Aufladung zur oppositionellen Kampfparole erfahren. Entscheidend für den weiteren Gang der Dinge war aber die Radikalisierung der prokaiserlichen und Anti-Tokugawa-Kräfte. In ihr wurden Ideen in handlungsleitende Konzepte und politische Programme transformiert. Radikale Loyalisten (shishi), vor allem aus den südwestlichen Fürstentümern, waren nun bereit, diese notfalls unter Anwendung von Gewalt und auch unter Einsatz des eigenen Lebens in die Tat umzusetzen.19 Für diese Aktivisten wiederum war die oben erwähnte Überhöhung loyaler Untertanen, die als historische Vorbilder einer Aufopferung für die kaiserliche Sache und damit in ihrem Verständnis ihres eigenen Handelns dienten, von besonderer Bedeutung. Die aufgestauten Konfliktlagen mündeten mit der Radikalisierung der shishi und den harten Reaktionen des Shōgunats in eine Phase der Eskalation der Gewalt. Diese richtete sich sowohl gegen politische Gegner, die man mit Attentaten und Hinrichtungen bekämpfte, als auch gegen Ausländer, die z. T. auf offener Straße angegriffen und getötet und deren Gesandtschaftsgebäude wiederholt überfallen wurden. Der Westen seinerseits antwortete auf diese Zunahme von Gewalt ebenfalls mit militärischen Mitteln: im August 1863 wurde Kagoshima, die Hauptstadt des Fürstentums Satsuma, von britischen Kriegsschiffen angegriffen, im September 1864 nach dem Beschuss westlicher Schiffe Stellungen des Fürs tentums Chōshū in Shimonoseki durch eine gemeinsame Strafexpedition britischer, französischer, amerikanischer und holländischer Truppen zerstört.20 Mit der Zeit lief alles auf einen Bürgerkrieg zu. Im August 1864 unternahmen prokaiserliche und antiwestliche Samurai unter Führung von Truppen aus dem Fürsten-
18 Diese Formel ist im Umfeld der Mito-gaku erstmals im sog. Kōdō-kan-Manifest des Fujita Tōko (1806–1855) aus dem Jahre 1838 nachweisbar, eines Manuskriptes, das zur Eröffnung der neuen Fürstentumsschule von Mito verlesen wurde. Vgl. Bitō, Masahide: Sonnō jōi, In: Kodansha Encyclopedia of Japan, Band 7, Tōkyō: Kodansha 1983, S. 228. 19 Die Bezeichnung shishi bedeutet wörtlich „Mann von Gesinnung“ bzw. „willensstarker Mann“. Sie rekurriert auf eine Passage in den Gesprächen des Konfuzius, wo es in Nr. 9 des 15. Kapitels heisst: „Ein Mann von starkem Willen und hoher Moral [jap. shishi jinjin, TS] wird niemals versuchen, sein Leben auf Kosten seiner Überzeugung zu retten. Er ist sogar bereit, sein Leben für seine Überzeugung zu opfern.“ Konfuzius: Gespräche (Lun-yu), hg. und übers. von Moritz, Ralf, Stuttgart: Reclam 2014, S. 100. Siehe zu den shishi auch Huber, Thomas M: “Men of High Purpose” and the Politics of Direct Action 1862–1864, In: Najita, Tetsuo/Koschmann, J. Victor (Hg.): Conflict in Modern Japanese History. The Neglected Tradition, Princeton: Princeton University Press 1982, S. 107–127. 20 Craig, Albert M.: Chōshū in the Meiji Restoration, S. 231–236.
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tum Chōshū einen ersten Versuch, den Kaiserpalast von Kyōto zu besetzen, um die Person des Kaisers in ihre Gewalt zu bringen und die Herrschaft des Tennō zu restaurieren (Kinmon no hen bzw. Hamaguri gomon no hen).21 Dieser Versuch wurde durch Truppen aus den Fürstentümern Aizu und Satsuma, die formal mit der Verteidigung des Kaiserpalastes betraut waren, in einer blutigen Schlacht abgewehrt, bei der große Teile der alten Kaiserstadt in Flammen aufgingen. Das Shōgunat ließ Chōshū zum „Feind des Hofes“ (chōteki) erklären und führte 1864 und 1866 zwei Strafexpeditionen gegen das Fürstentum durch. Während die erste noch siegreich verlief, konnte sich das Heer der Tokugawa trotz der Tatsache, dass mehr als 120.000 Mann aufgeboten wurden, bei der zweiten nicht mehr gegen Chōshū, das mit einer Militärreform die eigenen Streitkräfte modernisiert hatte, durchsetzen.22 Damit war auch die militärische Schwäche des Shōgunats offenbar geworden. Im gleichen Jahr begruben die beiden mächtigsten Fürstentümer Südwestjapans, Satsuma und Chōshū, die noch zwei Jahre zuvor beim Kinmon no hen gegeneinander gefochten hatten, ihre Feindseligkeiten und bildeten eine geheime Allianz (Sat-Chō dōmei) mit dem Ziel einer Rückgabe der politischen Macht an den Kaiserhof. Einflussreiche Teile des Hofadels und weitere Fürstentümer wurden in den Bund einbezogen. Damit war die Allianz gebildet, die schließlich den Sturz des Shōgun Yoshinobu und eine Neubegründung der politischen Ordnung erreichen sollte. Am 9. November 1867 sanktionierte der zu diesem Zeitpunkt erst 14jährige Tennō Mutsuhito im „Geheimen Edikt zur Niederwerfung des Shōgunats“ (Tōbaku no mitchoku) – ganz in der Tradition der Sanktionierung von Gewalt durch den Kaiserhof – die „Auslöschung“ (tenriku) des „Verräters Yoshinobu“ (zokushin Yoshinobu) und verlieh damit den Gegnern des bakufu die Aura kaiserlicher Legitimation; 23 sie waren zu kangun, zu „Regierungstruppen“, geworden. Einen Tag zuvor hatte Yoshinobu – in der Hoffnung, einen Bürgerkrieg zu vermeiden und seiner Familie Macht und Einfluss zu sichern – dem Tennō seinen Rücktritt angeboten, der angenommen worden war; erwartungsgemäß war er aber auch mit der Führung der Regierungsgeschäfte beauftragt worden.24 Nun bot sich den Gegnern der Tokugawa die Gelegenheit, mittels eines Staatsstreiches endgültig den Sturz des Shōgunats zu erreichen. Am Morgen des 3. Januar 1868 besetzten Truppen aus den Fürstentümern Satsuma, Chōshū,
21 Beasley, William G.: The Meiji Restoration, S. 228–231. 22 Craig, Albert M.: Chōshū in the Meiji Restoration, S. 231–338. 23 Vgl. Konishi, Shirō: Kaikoku to jōi, S. 476–479; eine englische Übersetzung des Ediktes als Edict to Subjugate the Shogun Tokugawa Yoshinobu, In: De Bary, William Theodore/Gluck, Carol/Tiedemann, Arthur E. (Hg.): Sources of Japanese Tradition. Band 2: 1600 to 2000, 2. erw. Aufl. New York: Columbia University Press 2005, S. 670. 24 Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 25–26.
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Tosa, Owari und Fukui den Kaiserpalast. Noch am selben Tag erklärte ein Kaiserliches Edikt die Abschaffung des bakufu und die Restauration der Monarchie (ōsei fukko). Die folgende Berufung der neuen Regierung (des Großen Staatsrates Dajō-kan) mit Anti-Tokugawa-Politikern (und die Nicht-Berufung von TokugawaKräften und damit ihr Ausschluss von der neuen Regierung) ließ aber den – von vielen befürchteten – Bürgerkrieg, den Boshin-Krieg, ausbrechen, der sich vom Januar 1868 bis Juni 1869 hinzog und weite Teile Mittel- und Nordjapans erfasste.25 Militärisch kann man diesen Krieg in vier Phasen einteilen: die Kämpfe um die Region Kyōto-Ōsaka im Januar und Februar 1868 (mit den Schlachten von Fushimi, Toba und Ōsaka), den anschließenden Feldzug nach Osten (Tō-sei und Kantō no sōran mit der kampflosen Übergabe der Festung von Edo und der Schlacht von Ueno im Juli 1868), den Feldzug im Nordosten (Tōhoku, Echigo sensō mit der Schlacht um Wakamatsu im Fürstentum Aizu, Oktober/November 1868) und schließlich die Niederwerfung der inzwischen auf Hokkaidō gegründeten Republik Ezo unter ihrem Präsidenten Enomoto Takeaki (1836–1908) (Hakodate sensō, bis April 1869). Er endete mit einem vollständigen Sieg der Truppen der neuen kaiserlichen Regierung. Die „Kosten“ dieses Krieges an Menschenleben werden sich dabei wohl nicht mehr abschließend beziffern lassen.26 Genauere – wenn auch widersprüchliche – Zahlen liegen lediglich für die kaiserliche Seite vor. Von etwa 120.000 Mann mobilisierten Truppen fielen knapp 4.000, ähnlich hoch war die Zahl der Verwundeten. Die Opfer der antikaiserlichen Kräfte beliefen sich in den anderthalb Jahren des Krieges auf mindestens 4.700 Mann und etwa 1.500 Verwundete. Nach anderen Schätzungen ist von mindestens 15.000 Opfern auf beiden Seiten auszugehen. Zu beachten ist aber, dass hierbei weder zivile Opfer noch zu Arbeitsdiensten Eingesetzte (gunbu) mitgerechnet werden,
25 Hōya, Tōru: Boshin sensō (= Sensō no Nihon-shi 18), Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2007; Ishii, Takashi: Boshin sensō ron, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2008; Haraguchi, Kiyoshi: Boshin sensō, Tōkyō: Hanawa shobō 1963; Sasaki, Suguru: Boshin sensō. Haisha no Meiji ishin, Tōkyō: Chūō kōron shinsha 2013 (1977); Hoshi, Ryōichi: Ō-U-Etsu reppan dōmei. Higashi Nihon seifu juritsu no yume, Tōkyō: Chūō kōron shinsha 2009 (1995). Der Boshin-Krieg ist bisher kaum Gegenstand der westlichen Japanforschung geworden; Ausnahmen bilden Sheldon, Charles D.: The Politics of the Civil War of 1868, In: Beasley, William G. (Hg.): Modern Japan. Aspects of History, Literature, and Society, Berkeley/Los Angeles: University of California Press 1975, S. 27–51; Bolitho, Harold: The Echigo War 1868, In: Monumenta Nipponica 34 (1979), Heft 3, S. 259–277; Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army. It’s Rise and Fall 1853–1945, Lawrence (Kansas): University Press of Kansas 2009, S. 7–20. Tokugawa Yoshinobu selbst akzeptierte dabei seine Absetzung durch den Tennō und untersagte seinen Anhängern Widerstand gegen die neue Regierung. Er zog sich in einen Tempel und später auf Ländereien in den Stammlanden der Tokugawa in der heutigen Präfektur Shizuoka zurück. 26 Hōya, Tōru: Boshin sensō, S. 287–290.
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so dass die tatsächlichen Opferzahlen wohl noch deutlich höher gewesen sein dürften.27 Insbesondere die Zivilbevölkerung litt unter den Kriegshandlungen. Konnten sich die Truppen aus dem Südwesten durch die Legitimation des Kaisers und das Versprechen einer drastischen Senkung der Steuer- und Abgabenlast zunächst die Unterstützung von Teilen der Bevölkerung sichern, griffen sie bei ihrem Vordringen in die Gebiete der Tokugawa und ihrer Anhänger zunehmend auf Gewalt zurück, um die Kooperation der lokalen Bevölkerung bei Versorgung und Transport- und Arbeitsdiensten zu erzwingen oder Guerilla-Einheiten zu bekämpfen. In Akita etwa wurden in der Endphase des Krieges mehr als ein Drittel aller Häuser von Regierungstruppen in Brand gesetzt.28 Die Kooperation der Bevölkerung wurde auf diesem Wege erzwungen. Ähnlich hart gingen die Truppen gegen Gefangene vor. In Fortsetzung der Tradition der Samurai, die Köpfe ihrer geschlagenen Gegner als Beleg für den eigenen militärischen Erfolg zu sammeln, wurden – trotz wiederholt erlassener gegenläufiger Befehle – nicht nur Gefallene, sondern auch zahlreiche Gefangene enthauptet.29 Gefangene Gegner galten in der traditionellen, auf der Samurai-Ethik aufbauenden Wahrnehmung der Sieger als „Feiglinge“, die nicht „bis zum Letzten“ gekämpft hatten, und darüber hinaus als „Rebellen“, die einer legitimitätslosen Richtung anhingen. Beides machte sie in den Augen der Kämpfer der kaiserlichen Seite zu einer äußerst gering geachteten Gruppe, die im Prinzip ihr Leben verwirkt hatte. Diese Praxis erklärt nicht nur die zahlreichen Selbstmorde im Falle einer Niederlage, sondern sie ist – wegen der Zuschreibung als „Rebell“ – auch Ausdruck für die weitreichenden Folgen der kangun-zokugun-Dichotomie. Denn in der Logik dieser auf den Vorstellungen vom gerechten Krieg des Altertums aufbauenden Deutung standen sich eben nicht zwei gleichberechtigte Gegner im Kampfe gegenüber, sondern kaiserliche Truppen und Rebellen. Der Sieg der prokaiserlichen Kräfte im Bürgerkrieg bedeutete zunächst einmal die Durchsetzung der politischen Macht der neuen Regierung im Lande durch die Beseitigung der militärischen Machtmittel ihrer Gegner. Damit war die Meiji-Restauration im engeren Sinne, verstanden als Sturz der Tokugawa und der Aufbau einer neuen Regierung mit dem Tennō an der Spitze, abgeschlossen. Zugleich war eine wesentliche Voraussetzung für die folgenden Umwälzungsprozesse der Meiji-Zeit geschaffen, welche die Reformmaßnahmen aus der Endphase des bakufu z. T. aufgriffen und fortführten, nun aber auf das ganze Land bezogen. Diese längerfristig wirkenden Transformationsprozesse, für welche die Bezeich-
27 A. a. O., S. 288. 28 Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 12. 29 A. a. O., S. 17; Hōya, Tōru: Boshin sensō, S. 220–222.
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nung Meiji-Renovation bzw. Meiji-Erneuerung sicherlich angemessener ist,30 umfassten alle Bereiche des politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. An deren Ende stand ein „modernes“ Japan. Seine politische Struktur war ein Nationalstaat, der als autoritärer Obrigkeitsstaat mit einem zunächst absoluten, mit der Verfassung von 1889/90 dann in eine konstitutionelle Ordnung eingebundenen Monarchen an der Spitze und einer oligarchischen politischen Elite zu charakterisieren ist, der über einen rationalisierten und vereinheitlichten Verwaltungs-, Polizei- und Militärapparat, aber auch einen Nukleus an bürgergesellschaftlichen Strukturen und Verhaltensmustern sowie politischer Teilhabe verfügte.31 Seine ökonomische Verfasstheit war gekennzeichnet durch Industrialisierung, den Aufbau vernetzter Infrastruktursysteme und die Einbeziehung in globale Handels- und Finanzströme. Seine Sozialstruktur wiederum war durch den Übergang von einer (primär agrarisch geprägten) hierarchisch-ständischen zu einer sozial weit mobileren und über neue, differenzierte Sozialformationen verfügende Gesellschaft geprägt. Insofern kann und muss man die Meiji-Restauration und den mit ihm einhergehenden Bürgerkrieg als den eigentlichen Gründungsakt des neuzeitlichen Japan begreifen, dessen Bedeutung weit über die politische Geschichte im engeren Sinne hinausgreift. Für die nun einsetzende Geschichte der Meiji-Zeit war aber auch bedeutsam, dass mit dem kriegerischen Erfolg im Boshin-Krieg trotz der Stabilisierung des neuen Regimes zunächst keine umfassende Pazifizierung erreicht worden war.32 Die Konzentration politischer und administrativer Spitzenämter in den Händen von Aktivisten aus den südwestlichen Fürstentümern, welche die Führung der Meiji-Restauration übernommen hatten, und der damit einhergehende weitgehende Ausschluss der ehemaligen Gegner von Führungspositionen, aber auch Konflikte über den künftigen politischen Kurs führten zum Entstehen sowohl einer liberalen wie auch konservativ-nationalistischen Opposition zum neuen Regime, welche auch die 1870er Jahre noch äußerst konfliktreich und gewaltsam werden ließen. Nach dem Ende des Bürgerkrieges stand Japan vor zwei außenpolitischen Herausforderungen. Einerseits zielte die japanische Außenpolitik auf die Revi-
30 Der japanische Terminus Meiji ishin schließt diese Bedeutungsvarianten ein, ist jedoch eher prospektiv zu verstehen. 31 Zur Bürgergesellschaft im Japan seit der Meiji-Zeit siehe den programmatischen Aufsatz von Sprotte, Maik Hendrik: Zivilgesellschaft als staatliche Veranstaltung? Eine Spurensuche im Japan vor 1945 (= Arbeitspapiere des Internationalen Graduiertenkollegs „Formenwandel der Bürgergesellschaft“ Halle-Tōkyō 12), Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2012. 32 Daneben gab es zeitgenössisch auch zahlreiche Bauernaufstände. Vgl. Inoue, Katsuo: Bakumatsu, ishin, S. 187–189.
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sion der Ungleichen Verträge mit den Westmächten, welche die Souveränität des jungen Nationalstaates empfindlich einschränkten. Die diplomatischen Schritte, die unternommen wurden, um die in ihnen festgeschriebenen für Japan nachteiligen Bestimmungen aufzuheben, sollten die Beziehungen zu den europäischen Staaten und den USA bis in die 1890er Jahre hinein bestimmen. Erst 1899 konnte die Revision der „Verträge der Schande“ abgeschlossen werden.33 Daneben war Japan aber schnell bereit, außenpolitisch Konflikte mit den ostasiatischen Nachbarn zu riskieren. Hier traten vielschichtige und zum Teil auch gegensätzliche Interessenlagen zu Tage, welche einerseits die Außenpolitik bestimmten, andererseits aber auch zu innenpolitischen Zerwürfnissen innerhalb der recht jungen und noch instabilen Regierungskoalition in Japan führten. Systematisch kann man das Agieren Japans gegenüber seinen ostasiatischen Nachbarn dabei in zwei Kategorien teilen: einmal ging es um die Beilegung offener Grenzfragen bzw. die Sicherung des Staatsgebietes, zum anderen um militärische Expansionsbestrebungen. Erstere betraf vor allem die Sicherung der Einbeziehung Hokkaidōs, das bis dahin nur dünn von Japanern und den Ureinwohnern Ainu besiedelt war, in das japanische Staatsgebiet und die Klärung der Zugehörigkeit von Sachalin und den Kurilen zu Japan oder Russland. Hier konnte 1875 ein Vertrag mit dem Zarenreich geschlossen werden, welcher Sachalin Russland, die Kurilen Japan zusprach.34 Langwieriger und konfliktreicher gestaltete sich die Inkorporation des Königreiches Ryūkyū in das japanische Staatsgebiet. Dieses hatte sich in der Frühen Neuzeit, obwohl es zu Beginn des 17. Jahrhunderts vom Fürstentum Satsuma unterworfen worden war, zwischen Japan und China eine relative Unabhängigkeit bewahrt, indem es beiden Tributzahlungen leistete und somit formal deren Suzeränität anerkannte. Tōkyō riskierte einen Konflikt mit China, als es Ryūkyū in mehreren Schritten einseitig in sein Staatsgebiet zu integrieren suchte, was 1879, militärisch abgesichert, mit der Umwandlung in die Präfektur Okinawa erreicht werden sollte. Die ungelöste Frage der Suzeränität bzw. Souveränität über Ryūkyū – neben einem innenpolitischen Momentum – löste auch die Taiwan-Expedition 1874 aus.35 Gut zwei Jahre zuvor waren 54 Mann
33 Tatsächlich verloren die letzten Bestimmungen der ungleichen Verträge erst 1911 ihre Gültigkeit. Vgl. zur Revision der ungleichen Verträge Beasley, William G.: Japanese Imperialism 1894–1945, S. 33–34. 34 Inoue, Katsuo: Bakumatsu, ishin, S. 216–217. 35 Mōri, Toshihiko: Taiwan shuppei. Dai-Nihon teikoku no kaimaku-geki, Tōkyō: Chūō kōron shinsha 1996; Gordon, Leonhard: Japan’s Abortive Colonial Venture in Taiwan 1874, In: The Journal of Modern History 37 (1965), Heft 2, S. 171–185; Eskildsen, Robert: Of Civilization and Savages. The Mimetic Imperialism of Japan’s 1874 Expedition to Taiwan, In: The American Historical Review 107 (2002), Heft 2, S. 388–418; die Interpretation, China habe im Vertrag von 1874 die
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Besatzung eines in Seenot geratenen Schiffes aus Ryūkyū von Angehörigen des indigenen Volkes der Paiwan getötet worden. Als sich der Qing-Hof in Beijing, dem Taiwan formal unterstand, weigerte, eine Entschädigung zu zahlen, entsandte Tōkyō eine Strafexpedition von 3.600 Mann, um gegen die Ureinwohner vorzugehen und unter dem Vorwand der Zivilisierung der nicht-chinesischen Bewohner Taiwans die Anlage von Kolonien auf der Insel vorzubereiten.36 Dieser schlecht vorbereitete Versuch imperialistischen Gebarens endete zwar in einem Fiasko: Kämpfe fanden kaum statt, und neben 12 Gefallenen starben mehr als 550 Soldaten an tropischen Krankheiten, vor allem der Malaria. China fand sich aber schließlich nach langwierigen Verhandlungen zu einer Entschädigungszahlung bereit und erkannte dabei faktisch die Oberhoheit Japans über Ryūkyū an, indem es die getöteten Seeleute als Untertanen Japans bezeichnete.37 Neben der Beilegung offener Grenzfragen sind darüber hinaus bereits für die 1870er Jahre offen militärische Expansionsbestrebungen zu verzeichnen. Mag man bei der Frage der Bewertung der Politik Tōkyōs gegenüber Ryūkyū noch zögern, lässt sich das Verhalten Japans gegenüber Korea eindeutig der zweiten Kategorie zurechnen.38 Bereits 1873 zerbrach faktisch die Regierung, weil zwischen Befürwortern und Gegnern einer Invasion Koreas – Korea hatte auf vermeintlich beleidigende Weise auf den japanischen Wunsch zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen reagiert, was als Vorwand für einen Krieg gegen das benachbarte Königreich dienen sollte – kein Konsens erreicht werden konnte (sei-Kan-ron).39 Diese Debatte markierte eine der wichtigsten Regierungskrisen der neuen MeijiRegierung, bei der sich die Befürworter einer friedlichen Lösung durchsetzten.40
japanische Oberhoheit über Ryūkyū anerkannt, ablehnend Leung, Edwin Pak-Wah: The Quasi War in East Asia. Japan’s Expedition to Taiwan and the Ryūkyū Controversy, In: Modern Asian Studies 17 (1983), Heft 2, S. 257–281. 36 Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 205 und 219–220. 37 Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 74. 38 Vgl. zur japanischen Politik gegenüber Korea die klassischen Studien Conroy, Hilary: The Japanese Seizure of Korea 1868–1910; Calman, Donald: The Nature and Origins of Japanese Imperialism. A Reinterpretation of the Great Crises of 1873, London/New York: Routledge 1992; Duus, Peter: The Abacus and the Sword. The Japanese Penetration of Korea 1895–1910, Berkeley/Los Angeles/London: University of California Press 1995, hier S. 29–48. 39 Mayo, Marlene J.: The Korean Crisis of 1873 and Early Meiji Foreign Policy, In: Journal of Asian Studies 31 (1972), Heft 4, S. 793–819; Calman, Donald: Nature and Origins of Japanese Imperialism. 40 Die Konflikt fiel mit dem Ende der Iwakura-Mission zusammen, in der zahlreiche hochrangige Regierungsvertreter die USA und Europa bereisten, primär um über die Revision der Ungleichen Verträge zu verhandeln. Für die Dauer der Mission und die damit verbundene Abwesenheit war vereinbart worden, dass die Rumpfregierung in Tōkyō keine größeren Projekte in Angriff
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Drei Jahre später erzwang Japan jedoch mit militärischem Druck – durch die Entsendung von Kriegsschiffen und mehreren tausend Soldaten – und in Analogie zu den eigenen Erfahrungen in der Mitte der 1850er Jahre die gewaltsame Landesöffnung Koreas und den Abschluss eines ungleichen Vertrages (Vertrag von Kanghwa). Die japanische Regierung eröffnete damit ein Konfliktfeld, dass nach Kriegen gegen China und Russland schließlich 1910 in die formalen Annexion Koreas münden sollte.41 Die 1870er Jahre gestalteten sich aber nicht nur außen-, sondern auch innenpolitisch äußerst turbulent und konfliktreich. Der Hintergrund dieser Konflikte wurde durch politische Maßnahmen zur Auflösung des Standes der Samurai, insbesondere die Abschaffung der letzten sozialen Privilegien der Krieger und die Einstellung der Soldzahlungen durch die Regierung, gebildet.42 1874 kam es in der Präfektur Saga zu einem Aufstand von mehr als 12.000 Samurai unter Führung des prominenten Reformpolitikers Etō Shinpei (1834–1874), der nach der Niederschlagung des Aufstandes hingerichtet wurde; 1876 gleich zu mehreren SamuraiAufständen, deren regionale Zentren mit Hagi in Chōshū und Kumamoto und Akizuki auf Kyūshū ehemalige Fürstentümer waren, die sich aktiv am Sturz der Tokugawa beteiligt hatten.43 Auch diese wurden äußerst blutig niedergeschlagen. 1877 schließlich brach in den Präfekturen Kagoshima und Kumamoto der letzte und größte Samurai-Aufstand aus, der Satsuma-Aufstand, der im Japanischen als Südwest-Krieg (Seinan sensō) bezeichnet wird.44 Unter Führung von Saigō Taka-
nehmen sollte. Die Debatte um die Invasion Koreas fiel mit dem Ende der Mission zusammen. Vertreter der Rumpfregierung wie Saigō Takamori, Itagaki Taisuke, Etō Shinpei oder Außenminister Soejima Sanetomi waren mehrheitlich Befürworter, Teilnehmer der Mission wie Iwakura Tomomi oder Ōkubo Toshimichi eher Gegner einer Militäraktion. Für sie stand zunächst der Aufbau des Staates auf der politischen Agenda. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Großen Staatsrat (Dajō-kan) gingen zahlreiche Befürworter in die Opposition und führten z. T. bewaffnete Aufstände gegen die Meiji-Regierung an. Zu den unterschiedlichen Standpunkten siehe auch Consequences of the Iwakura Mission: Saigō and Ōkubo on Korea, In: De Bary, William Theodore/ Gluck, Carol/Tiedemann, Arthur E. (Hg.): Sources of Japanese Tradition. Band 2: 1600 to 2000, 2. erw. Aufl. New York: Columbia University Press 2005, S. 681–688. 41 Vgl. unten Kap 3.1. 42 Vgl. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 228; Koike-Good, Ursula: Die Auflösung der Samuraiklasse und die Samuraiaufstände. Ein Beitrag zur japanischen Geschichte von 1868 bis 1876, Bern/Berlin u. a.: Peter Lang Verlag 1994; Gotō, Yasushi: Shizoku hanran no kenkyū, Tōkyō: Aoki shoten 1968; Ikai, Takaaki: Kindai-ka to shizoku. Shizoku hanran no rekishi-teki ichi, In: Katsuta, Masaharu u. a. (Hg.): Kindai kokka no keisei (= Kōza Meiji ishin 4), Tōkyō: Yūshi-sha 2012, S. 91–122. 43 Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 228. 44 Ogawara, Masamichi: Seinan sensō. Saigō Takamori to Nihon saigo no naisen, Tōkyō: Chūkō shinsho 2007; Ikai, Takaaki: Saigō Takamori. Seinan sensō e no michi, Tōkyō: Iwanami shoten
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mori, einem der bekanntesten Feldherren des Boshin-Krieges, griffen mehr als 30.000 ehemalige Samurai zu den Waffen.45 Den „Rebellen“ schickte die Regierung in Tōkyō modern ausgerüstete und aus Wehrpflichtigen bestehende Streitkräfte von mehr als 60.000 Mann entgegen. Ihre Legitimation als Regierungstruppen (kangun) bezogen sie auch hier durch das kaiserliche Mandat.46 Die Kämpfe zogen sich über mehr als sieben Monate hin, endeten schließlich aber mit der vollständigen Niederlage der Aufständischen. Dabei war die Zahl der Opfer in diesem zweiten großen militärisch ausgetragenen Konflikt innerhalb eines Jahrzehnts, der diese Phase blutiger Auseinandersetzungen im Inneren zugleich zu ihrem Abschluss brachte, ähnlich hoch wie im gesamten Boshin-Krieg.
2.1.2 Transformation der Streitkräfte und Einführung der Wehrpflicht Die Transformation der Streitkräfte in Japan vollzog sich vor diesem Hintergrund von Bürgerkriegen und Aufständen einerseits und einer tatsächlichen oder zumindest antizipierten permanenten Bedrohung durch die europäischen Mächte und die USA sowie einer eigenen expansiven Außenpolitik andererseits. Die Umwandlungsprozesse machten aus Kriegerheeren, die aus dem Stand der Samurai gebildet und in ihren jeweiligen Fürstentümern in Loyalität auf den eigenen Fürsten bezogen waren, ein vereinheitlichtes, kaserniertes und stehendes Volksheer, das auf den Zentralstaat und den Tennō ausgerichtet, militärtechnisch modernisiert und an westlichen Organisationsstrukturen orien-
1992; Ders.: Shizoku hanran to Saigō densetsu, In: Matsuo, Masahito (Hg.): Meiji ishin to bunmei kaika (= Nihon no jidai-shi 21), Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2004, S. 275–302; Buck, James H.: The Satsuma Rebellion of 1877. From Kagoshima through the Siege of Kumamoto Castle, In: Monumenta Nipponica 28 (1973), Heft 4, S. 427–446; Ravina, Mark: The Last Samurai. The Life and Battles of Saigō Takamori, Hoboken: John Wiley & Sons 2004; Koike-Good, Ursula: Auflösung der Samuraiklasse, S. 179–198. 45 Siehe zu Saigō Morris, Ivan: Die Apotheose Saigōs des Großen. Saigō Takamori, 19. Jahrhundert, In: Ders.: Samurai oder Von der Würde des Scheiterns. Tragische Helden in der Geschichte Japans, Frankfurt a. M./Leipzig: Insel Verlag 1999 (1975), S. 266–334; Ravina, Mark: The Last Samurai. 46 Wobei anzumerken ist, dass Saigō sein Handeln ebenfalls in Bezug zum Kaiser und die auf der kaiserlichen Seite Gefallenen des Boshin-Krieges stellte. So ließ er vor dem Ausbruch des Südwest-Krieges jährlich eine Delegation ausgewählter Schüler zu deren Gräbern im Nordosten Japans pilgern. Daneben berief er sich aber auch auf das Volk. Vgl. Koike-Good, Ursula: Auflösung der Samuraiklasse, S. 181.
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tiert war.47 Dabei dienten die japanischen Truppen potentiell immer zugleich sowohl als Instrument einer Konfrontation mit ausländischen Mächten als auch als Mittel für Auseinandersetzungen im Inneren und damit als ultima ratio zur Durchsetzung politischer Entscheidungen und Reformmaßnahmen.48 Diese zweite Dimension verlor erst mit dem erfolgreichen Aufbau eines umfassenden Polizeisystems Ende der 1870er und in den 1880er Jahren an Bedeutung, ohne sich freilich gänzlich zu verlieren. Den skizzierten Transformationsprozess kann man dabei im Wesentlichen in drei Phasen unterteilen. Bei der ersten Phase handelt es sich um eine Phase intellektueller Debatten um den idealisierten „Bauernkrieger“ (nōhei) der Vergangenheit, dessen Tradition in den historisch argumentierenden Schriften neokonfuzianischer Provenienz bzw. der Mito-Schule diskutiert wurde. Diese griffen bald auch Kritik am Stand der Samurai auf, die erst durch eine Differenzierung der Bauernkrieger in Bauern und Krieger entstanden seien.49 Die Trennung der Vergangenheit in ein „Goldenes Zeitalter“ des Altertums und eine degenerierte Epoche der Kriegerherrschaft fand also auch in den Debatten um die Wehrverfassung einen unmittelbaren Niederschlag. Analog zu der vor allem mit der Nationalen Schule und der Mito-Schule verbundenen Forderung nach einer Rückkehr zu den Zuständen einer „unverfälschten“ japanischen Gesellschaft des Altertums und damit zu Topoi wie der Wiederbelebung des Shintō oder der Betonung der göttlichen Abstammung des Kaiserhauses finden sich auch in den Erörterungen über nōhei Plädoyers für die Aufhebung der zeitgenössischen Trennung von Krieger und Bauer. Als mit dem vermehrten Erscheinen westlicher Schiffe in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Probleme der Küsten- und Landesverteidigung akut wurden, wurde von Militärtheoretikern und -reformern zunehmend eine (als kostengüns-
47 Vgl. Norman, E. Herbert: Soldiers and Peasants in Japan. The Origins of Conscription, In: The Pacific Review 16 (1943), Heft 1, S. 47–64 und Heft 2, S. 149–165; Ogawa, Gōtarō: Conscription System in Japan, New York: Oxford University Press 1921; Katō, Yōko: Chōhei-sei to kindai Nihon 1868–1945, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 1996; Harada, Keiichi: Kokumin-gun no shinwa; Ichinose, Toshiya: Kindai Nihon no chōhei-sei to shakai, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2008. Siehe darüber hinaus allgemein zur Geschichte der Streitkräfte im modernen Japan u. a. auch Ōhama, Tetsuya: Tennō no guntai, Tōkyō: Kōdan-sha 2015; Fujiwara, Akira: Gunji-shi, 4 Bde., Tōkyō: Tōyō keizai shinpō-sha 1961; Yoshida, Yutaka: Nihon no guntai. Heishi-tachi no kindaishi, Tōkyō: Iwanami shoten 2006. 48 Hackett, Roger F.: Yamagata Aritomo in the Rise of Modern Japan, S. 58; Kublin betont sogar, die Abwehr ausländischer Mächte sei in der frühen Meiji-Zeit sekundär gewesen. Vgl. Kublin, Hyman: The “Modern Army” of Early Meiji Japan, In: The Far Eastern Quarterly 9 (1949), Heft 1, S. 20–49, hier S. 22. 49 Norman, E. Herbert: Soldiers and Peasants, S. 50–51.
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tig angesehene) Mobilisierung von Nicht-Samurai insbesondere für die Verteidigung gegen fremde Schiffe, aber auch für den Katastrophenschutz gefordert.50 Die zweite Phase, die etwa in der Mitte der 1850er Jahre einsetzte, war durch eine beginnende Umsetzung entsprechender Konzepte in einigen Fürstentümern geprägt. Beispielhaft hierfür war die Aufstellung von auch Bauern, Handwerker und Händler umfassenden und sehr unterschiedlich strukturierten und zusammengesetzten milizartigen Verbänden und später von regelrechten Freiwilligenverbänden (shotai) wie etwa den oben erwähnten Kihei-tai in Chōshū.51 Damit aber wurde eines der Fundamente der Herrschaftssicherung der Tokugawa, nämlich das in einem rigiden Ständesystem verankerte Gewaltmonopol der Samurai, zu Fall gebracht bzw. überwunden – wobei freilich anzumerken ist, dass man in Anbetracht der zahlreichen Aufstände der Edo-Zeit ohnehin eher von einer – jedoch juristisch sehr hart sanktionierten – Norm denn einer Praxis sprechen muss. Trotzdem muss man dem Konzept des Bauernkriegers eine erhebliche soziale Sprengkraft zuschreiben.52 Hinzu kommt, dass durch die Mobilisierung von Nicht-Samurai nun nicht mehr nur professionalisierte Krieger mit einer tief verwurzelten Kriegerethik, sondern erstmals seit dem Mittelalter wieder Zivilisten mobilisiert und mit einem möglichen Tod auf dem Schlachtfeld konfrontiert wurden. Parallel zu dieser einsetzenden Änderung der Sozialstruktur des Militärs erfolgte in der Bakumatsu-Zeit die schrittweise Einführung westlicher Kampftechniken – sowohl in Hinblick auf Bewaffnung und Ausrüstung als auch in Bezug auf taktische Formationen. Feuerwaffen waren in der japanischen Geschichte kein Novum und ihre Benutzung nicht unbekannt; nach der Reichseinigung zu Beginn des 17. Jahrhunderts war ihr Gebrauch jedoch nur wenig verbreitet gewesen.53 Nach der Landesöffnung wurden nun westliche Berater als Truppenausbilder hinzugezogen, traten Gewehr und Geschütz neben Schwert und Bogen. Nach dem Boshin-Krieg, der mit einer Mischung aus traditionellen Samuraisowie Freiwilligen- und Bauernverbänden und von moderner westlicher und tradi-
50 A. a. O., S. 52–54. 51 Ein weiteres Beispiel sind etwa die Verbände der „Volkskrieger“ (minpei) in Tosa, die 1854 gegründet worden waren und die aus Bauern, Seeleuten und Jägern gebildet und von herrenlosen Samurai (rōnin), Dorfvorstehern oder Landsamurai (gōshi) befehligt wurden. A. a. O., S. 57; Furukawa, Kaoru: Chōshū kihei-tai. Insgesamt ist für die zweite Hälfte der 1860er Jahre die Existenz von „Bauernheeren“ in 18 Fürstentümern überliefert. 52 Vgl. Inoue, Katsuo: Bakumatsu, ishin, S. 96–97. 53 Vgl. Perrin, Noel: Keine Feuerwaffen mehr. Japans Rückkehr zum Schwert 1543–1879, Stuttgart: Klett-Cotta 1996 (1972). Dabei sind die Gründe für die geringe Verwendung von Feuerwaffen durchaus umstritten. Neben der von Perrin betonten Ästhetisierung des Schwertkampfes sind politische Dimensionen wie die Pazifizierungsmaßnahmen der Tokugawa in ihrer Bedeutung für diese Entwicklung sicher nicht zu vernachlässigen.
2.1 Nationalstaatsbildung und Militärreform
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tioneller japanischer Bewaffnung geführt wurde, begann eine dritte Phase, welche einerseits durch Maßnahmen zur Auflösung des Standes der Samurai und der aus ihnen gebildeten Heere, andererseits zum Aufbau einer Wehrpflichtigenarmee gekennzeichnet war.54 Diese Entwicklung war dabei keineswegs selbstverständlich. Bereits drei Monate nach Beendigung der Kämpfe, im Juni 1869, entbrannte innerhalb der Regierung eine Debatte über die Strukturen der neu zu schaffenden Streitkräfte.55 Im Kern ging es dabei um die Frage, ob die Streitkräfte künftig als Berufsarmee strukturiert und im Wesentlichen aus ehemaligen Samurai gebildet werden sollten oder statt dessen als Wehrpflichtarmee, zu der alle Schichten der Bevölkerung heranzuziehen wären. Die erste Position wurde eher von Politikern aus Satsuma und Tosa, etwa von Ōkubo Toshimichi (1830–1878) oder Tani Kanjō, letztere von Vertretern Chōshūs, etwa vom Vizeminister für Militärangelegenheiten Ōmura Masujirō (das Amt des Ministers hatte ein kaiserlicher Prinz, Arisugawa no miya, inne) oder Yamagata Aritomo, den beiden Gründungsvätern des späteren Heeres, vertreten.56 Eine Umsetzung des Konzeptes einer Berufsarmee barg dabei sicherlich das Potential einer Weiterexistenz einer Kriegerkaste bzw. ihre Transformation in eine (wahrscheinlich relativ autonom verfasste) „neo-feudale ProfiTruppe“,57 die Entscheidung gegen dieses Konzept insofern eine freilich kaum intendierte, langfristig wirkende sozialhistorische und politische Weichenstellung. Im Gegensatz dazu bot das Konzept der Wehrpflicht die Möglichkeit, größere Teile der (männlichen) Bevölkerung zu mobilisieren und kurzfristig an das neue Regime, langfristig an den Nationalstaat zu binden. Die Auflösung der Schicht der Samurai erfolgte schrittweise; sie begann bereits während des Boshin-Krieges und erstreckte sich bis zum Ende der 1870er
54 Der Aufbau der Wehrpflichtarmee stellte dabei zugleich die effektivste Einzelmaßnahme dar, welche die Regierung zur Konsolidierung ihrer Herrschaft ergreifen konnte. Sansom, George B.: The Western World and Japan. A Study in the Interaction of European and Asiatic Cultures, New York: Alfred A. Knopf 1950, S. 326. 55 Vgl. für das Folgende Koike-Good, Ursula: Auflösung der Samuraiklasse, S. 71–77; Hackett, Roger F.: Yamagata Aritomo, S. 60–64. Yamada Akiyoshi (1844–1892), aus Chōshū stammender Generalmajor des Heeres, schlug etwa vor, die Einführung der Wehrpflicht für acht bis zehn Jahre zu verschieben, in der Zwischenzeit Offiziere und Unteroffiziere auszubilden und im Rahmen der Schulbildung das Volk militärisch zu erziehen. Hierzu sollten alle männlichen Schüler zwischen 10 und 16 Jahren täglich zwischen 30 und 60 Minuten Unterricht erhalten und sonntags in den Dörfern Exerzierübungen abgehalten werden. Vgl. a. a. O., S. 62; Yamada, Akiyoshi: Heisei ni tsuki kenpaku-sho, In: Yui, Masaomi/Fujiwara, Akira/Yoshida, Yutaka (Hg.): Guntai, heishi (= Nihon kindai shisō taikei 4), 5. Aufl. Tōkyō: Iwanami shoten 2000, S. 91–109. 56 Nicht abschließend geklärt werden kann die Position von Saigō Takamori, der sich einer öffentlichen Äußerung in dieser Frage enthielt, im Gegenzug aber später von beiden Lagern als Befürworter der eigenen Position geführt wurde. Siehe auch a. a. O., S. 63–64. 57 Osterhammel, Jürgen: Verwandlung der Welt, S. 885.
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Jahre. Sie bahnte sich mit der Demobilisierung der Streitkräfte der einzelnen Fürstentümer und ihrer zahlenmäßigen Begrenzung entsprechend des nominellen Finanzaufkommens an. Kurz nach der Auflösung der bisherigen Fürstentümer und der Einrichtung der Präfekturen (haihan chiken) als neuer zentralisierter Verwaltungseinheiten 1871 wurden auch deren verbliebene militärische Strukturen abgeschafft, die noch existierenden Truppenverbände in die neben Tōkyō ebenfalls an strategisch wichtigen Orten neu eingerichteten Garnisonen (chindai) von Sendai, Ōsaka und Kumamoto integriert.58 Zugleich wurde mit der Reduktion und späteren Ablösung der Soldzahlungen durch den Staat – mit der Auflösung der Fürstentümer waren diese in die Verantwortung des Zentralstaates übergegangen – das ökonomische Fundament der Samurai als sozialer Schicht zerstört; im Gegenzug erhielten sie das Recht auf freie Berufswahl und wurden damit sozialer und ökonomischer Mobilität ausgesetzt.59 Die in mehreren Etappen vollzogene Einführung eines neuen Adelssystems nach 1869 deprivilegierte große Teile der ehemaligen Samurai, die über die Zwischenstufe eines Niederadels (shizoku) schließlich zu Gemeinen (heimin) wurden, was durch die Abschaffung des Schwerterprivilegs 1876 auch symbolisch sichtbar wurde. Die Keimzelle der neuen Streitkräfte wurde durch die Kaiserliche Garde (goshinpei, später umbenannt in konoe-hei) gebildet, die in ihrem Kern aus Verbänden der wichtigsten kaisertreuen Fürstentümer des Boshin-Krieges (Chōshū, Satsuma und Tosa) und damit der Säulen der neuen Regierung bestand. Sie unterstand ausschließlich dem Kaiserhof, setzte sich im Wesentlichen aus Infanterie- und Artillerieverbänden zusammen und war in Tōkyō stationiert. Parallel dazu erfolgte die bereits erwähnte Gründung von drei weiteren Garnisonen (chindai) in Sendai, Ōsaka und Kumamoto,60 1873 nochmals um Hiroshima und Nagoya ergänzt, die eine effektive militärische Kontrolle ihrer jeweiligen Regionen sicherstellen sollten – einem Anspruch, dem sie in den ersten Jahren in Anbetracht der zahlenmäßigen Schwäche kaum genügten. 1872 erfolgte schließlich die Aufspaltung des Militärministeriums (Hyōbu-shō) in zwei Behörden für Heer und Marine, wodurch die institutionelle Trennung beider Waffengattungen, die bis zur Demilitarisierung Japans nach dem Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges bestehen sollte, hergestellt war.
58 Koike-Good, Ursula: Auflösung der Samuraiklasse, S. 73. 59 Vgl. Fukaya, Hakuji: Kashizoku chitsuroku shobun no kenkyū, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 1979; Senda, Minoru: Ishin seiken no chitsuroku shobun. Tennō-sei to haihan chiken, Tōkyō: Kaimei shoin 1979; Satō, Shigerō: Kindai tennō-sei keisei-ki no kenkyū. Hitotsu no haihan chiken-ron, Tōkyō: San’ichi shobō 1987. 60 Norman, E. Herbert: Soldiers and Peasants, S. 157.
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Der wichtigste Schritt hin zum Aufbau der neuen Streitkräfte und zugleich einer der tiefsten Eingriffe des neuen Staates in die Gesellschaft aber war die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahre 1873. Die „Kaiserliche Ermahnung zur allgemeinen Wehrpflicht“ (Chōhei kokuyu) vom 28. November 1872, die wenige Wochen vor der eigentlichen „Verordnung zur allgemeinen Wehrpflicht“ (Chōhei-rei) publiziert wurde, formulierte dabei die Gründe für die grundlegende Neuordnung der Wehrverfassung (vgl. Anhang 2). Typisch für Legitimationsmuster der frühen Meiji-Zeit ist dabei die Mischung von (tatsächlichen oder erfundenen) historischen und aktuellen Bedeutungszuschreibungen. Das System der allgemeinen Aushebung wie auch der kaiserliche Oberbefehl werden zu idealen „Einrichtungen des Altertums“ erhoben, die im Laufe der Geschichte durch das Auftreten der Samurai, die als moralisch minderwertig beschrieben werden, degeneriert seien.61 Neben die historische Legitimation tritt dann aber – freilich nur in dieser frühen Phase – eine gegenwartsbezogene emanzipatorische Deutungsstrategie. Die allmähliche Erteilung von Freiheitsrechten an die vier Stände sei der Weg, Egalität und die allgemeine Gültigkeit von Grundrechten sicherzustellen und die ständische Differenzierung aufzuheben. Die Gleichheit selbst wird dabei jedoch über den Dienst definiert und nicht, wie analog in den westlichen Gesellschaften, über den Tod fürs Vaterland. Schließlich wird die Wehrpflicht als Pflicht, dem Lande zu dienen, zu einem universalen und gleichsam natürlichen Prinzip erhoben, analog der Pflicht, Steuern zu zahlen. Trotz dieses emanzipatorischen Versprechens stieß die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht auf nachhaltigen Widerstand in der Bevölkerung. Dieser reichte von passiven Maßnahmen wie der Flucht nach Okinawa oder Hokkaidō, wo die Wehrpflicht erst Ende der 1890er Jahre eingeführt wurde, über die Begründung von Zweigfamilien (bunke) oder Adoption, wodurch jüngere Brüder in anderen Familien zu Familienoberhäuptern, die von der Wehrpflicht befreit waren, aufstiegen, wofür sogar neue Ausdrücke wie „Soldatenadoptivkind“ (heitai yōshi) oder „Wehrpflichtadoptivsohn“ (chōhei yōshi) geprägt wurden, bis hin zu regelrechten Aufständen vornehmlich von Bauern und ehemaligen Samurai.62 Letztere fielen meist mit Protesten gegen andere Reformmaßnahmen wie die Einführung der Schulpflicht oder des gregorianischen Kalenders sowie gegen
61 Vgl. hierfür und für das Folgende die Übersetzung der „Kaiserlichen Ermahnung zur Allgemeinen Wehrpflicht“ im Anhang 2. Das Original in: Chōhei kokuyu, In: Yui, Masaomi/Fujiwara, Akira/Yoshida, Yutaka (Hg.): Guntai, heishi, S. 67–68; vgl. auch die Teilübersetzungen in Ogawa, Gōtarō: Conscription System in Japan, S. 10–15 und Koike-Good, Ursula: Auflösung der Samuraiklasse, S. 62–63 (fälschlich auf den 28. Januar 1872 datiert). 62 Tobe, Ryōichi: Gyakusetsu no guntai (= Nihon no kindai 9), Tōkyō: Chūō kōron-sha 1998, S. 40–45; Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 30–31.
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Steuererhöhungen und Preissteigerungen zusammen. Sie werden im kollektiven Gedächtnis häufig als „Blutsteuer-Rebellionen“ (ketsuzei sōdō) erinnert, wobei sie auf ein vermeintliches Missverständnis der Formulierung „Blutsteuer“ in der „Ermahnung zur allgemeinen Wehrpflicht“ zurückgeführt werden.63 Danach seien viele Bauern davon ausgegangen, dass den jungen Rekruten tatsächlich Blut abgenommen und dieses anschließend wahlweise an westliche Händler verkauft, das zum Einfärben von Uniformen oder Wolldecken verwendet oder aus dem Wein (budōshu) gekeltert würde.64 In den Jahren 1873 und 1874 brachen insgesamt 14 Aufstände gegen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht aus; bei den größten von ihnen auf den Gebieten der heutigen Präfekturen Okayama, Tottori und Kagawa gingen die Zahlen der Aufständischen jeweils in die Zehntausende, sie konnten nur mühsam niedergeschlagen werden.65 Die Einführung und Umsetzung der Wehrpflicht konnten sie freilich nicht aufhalten. Tatsächlich aber waren die Streitkräfte der frühen Meiji-Zeit von ihrem selbst erklärten Ziel, ein nationales Volksheer zu sein, noch weit entfernt. Dafür war die tatsächliche Zahl der Männer, die unterhalten werden konnten, zu klein, und dazu waren auch die Regelungen, nach denen man von der Wehrpflicht ausgenommen war bzw. man sich ablösen konnte, zu weit gefasst. So bestand – analog zum französischen System, an dem man sich in Fragen des Heeres zu Beginn der 1870er Jahre zunächst orientierte – die Möglichkeit, gegen eine Zahlung von 270 Yen vom Militärdienst befreit zu werden. Ausgenommen von einer Einberufung waren ferner Familienvorstände bzw. deren direkte Erben, Beamte und Personen, die über eine spezifische Bildung verfügten – wenn man den Begriff übertragen will, „Bildungsbürger“: Schüler der Militärakademie(n) und anderer staatlicher Schulen, Studenten, die an ausländischen Universitäten studiert hatten sowie schließlich alle, die die körperlichen Anforderungen an den Militärdienst nicht erfüllten, nämlich Kranke und Männer, deren Körpergröße 150 Zentimeter nicht erreichte, und schließlich Verbrecher.66 Tatsächlich wurde nur ein sehr geringer Prozentsatz einer Kohorte wirklich zum Dienst im Heer eingezogen; er lag in den Jahren zwischen 1873 und 1878 zwischen 2,4 und 5,3 Prozent. 1898, also nach dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg, wurde erstmals eine Quote von über
63 E. Herbert Norman wies bereits in den 1940er Jahren auch auf die ökonomische Dimension einmal der Wehrpflicht für die vom Abzug von Arbeitskraft betroffenen Familien, aber auch der parallelen fiskalpolitischen Maßnahmen für den Ausbruch der „Blutsteuer-Rebellionen“ hin. Vgl. Norman, E. Herbert: Soldiers and Peasants, S. 159. 64 Tobe, Ryōichi: Gyakusetsu no guntai, S. 42. 65 Vgl. a. a. O., S. 42–43; Koike-Good, Ursula: Auflösung der Samuraiklasse, S. 81 FN 29. 66 A. a. O., S. 75; Vgl. auch die Übersicht über die Entwicklung der Regelungen in Bezug auf die Wehrpflicht zwischen 1873 und 1942 bei Katō, Yōko: Chōhei-sei to kindai Nihon, S. 46–50.
2.1 Nationalstaatsbildung und Militärreform
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10 % erreicht.67 Die aktive Dienstzeit (gen’eki) betrug dabei zunächst drei Jahre; anschließend kehrte man ins Zivilleben zurück, konnte aber für den Zeitraum von zunächst zwei, später drei Jahren zum „Ersten Reserveheer“ (Dai-ichi kōbigun, später yobi-gun) bzw. von drei, später vier Jahren zum „Zweiten Reserveheer“ (Dai-ni kōbi-gun, später kōbi-gun) einberufen werden.68 Darüber hinaus gab es noch „Volksheer“ (Minpei-tai) genannte landwehrähnliche Strukturen, für die alle Männer, die eine bestimmte Altersgrenze überschritten hatten, mobilisiert werden konnten.69
2.1.3 Der Tennō und die Streitkräfte Die Funktion des Tennō und seiner Dynastie sowie der Loyalität zum Kaiserhaus in den Legitimationsmustern der Anti-Bakufu-Bewegung in der Spätphase der Edo-Zeit, im Boshin-Krieg und bei der Begründung der politischen Ordnung der Meiji-Zeit findet in dem besonderen monarchischen Bezug beim Aufbau der neuen Streitkräfte seine Entsprechung. Hierzu mussten zunächst zwei Bedingungen erfüllt werden: zum einen die „Militarisierung“ des Kaisers. Zwar galt der Tennō seit dem Altertum als Herr über Krieg und Frieden und legitimatorische Quelle eines gerechten Krieges; unter dem Einfluss des Tötungsverbotes des Buddhismus und shintōistischer Reinheitsvorstellungen jedoch war direkte Gewaltausübung delegitimiert und an die „niedere“ Statusgruppe der Krieger delegiert, der Kaiser damit „zivilisiert“ worden.70 Als Symbol hierfür galt das faktische Schwerterverbot auf dem Gelände des Kaiserpalastes, welches seit Jahrhunderten in Kraft war. Diese Praxis wurde erstmals 1863 unter Kaiser Kōmei verändert, der sich selbst wohl im Falle eines Krieges gegen die Westmächte nach der von ihm geforderten Vertreibung der Barbaren an die Spitze der japanischen Truppen zu stellen gedachte.71 Entsprechend wurden Mitglieder der kaiserlichen Familie und Hofadlige angewiesen, beim Passieren der Tore des Kaiserpalastes in Kyōto wieder Schwerter zu tragen. Darüber hinaus beobachteten Kaiser und Kronprinz,
67 Vgl. a. a. O., S. 20. Dabei ist anzumerken, dass die Tauglichkeitsprüfungen zunächst sehr rigide waren. Bezogen auf die Tauglichkeit lag die Quote der tatsächlich Eingezogenen aber trotzdem nur bei etwa 25 Prozent. Vgl Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 28. 68 Vgl. zu den Dienstzeiten Katō, Yōko: Chōhei-sei to kindai Nihon, S. 46. 69 Koike-Good, Ursula: Auflösung der Samuraiklasse, S. 74. 70 Vgl. oben Kap. 1.2. 71 Dies kann man aus einer entsprechenden Anfrage des Kanzlers Takatsukasa Sukehiro an die Fürsten, die sich aktuell in Kyōto aufhielten, folgern. Vgl. Keene, Donald: Emperor of Japan. Meiji and his World 1852–1912, New York: Columbia University Press 2002, S. 75.
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sehr zum Missfallen zahlreicher Hofadliger, die darin eine Profanation der göttlichen Autorität des Tennō erblickten, die ersten militärischen Übungen auf dem Palastgelände, welche in Kyōto anwesende (und teilweise auch mit Gewehren und Geschützen ausgerüstete) Truppen aus den Fürstentümern Aizu, Tottori, Tokushima, Yonezawa und Okayama vor dem Kenshun-Tor abzuhalten hatten.72 Sie zielten darauf, die militärische Unerfahrenheit von Kaiser und Thronfolger abzubauen und den Tennō damit überhaupt erst in die Lage versetzen, den Oberbefehl über Streitkräfte zu übernehmen. Auch nach der Thronbesteigung Mutsuhitos 1867 und der Meiji-Restauration wurde die „Militarisierung“ des Herrschers konsequent und für alle sichtbar fortgesetzt.73 Als Vorbilder dienten habituelle Muster europäischer Monarchen, die im 18. Jahrhundert einen analogen Prozess durchlaufen hatten. So zeigte sich der Meiji-tennō 1873 erstmals in einer neuen, an westlichen Modellen orientierten Heeresuniform; die Einführung eines Ordenssystems 1875, das neben dem System der Hofränge und den neuen Adelsrängen das wichtigste Gratifikationsinstrument des modernen Staates wurde, sollte die Verbundenheit vor allem auch mit den Streitkräften zum Ausdruck bringen. Weiterhin besuchten und absolvierten Mitglieder des Kaiserhauses die neu gegründeten Militärakademien, übernahmen (wenn auch oft nur pro forma) wichtige Ämter in den Streitkräften und wurden in Generalsränge befördert.74 Schließlich sollten die Teilnahme an Manövern, in denen der Kaiser bisweilen selbst eine Attacke führte, die Abnahme von Paraden und die Durchführung diverser militärischer Zeremonien wie die Verleihung der Truppenfahnen die Sonderbeziehung des Monarchen zu seinen Streitkräften symbolisieren und stärken.75 Die zweite Bedingung für die Etablierung eines zentralen monarchischen Bezuges bei den Streitkräften bestand darin, die jungen Rekruten in einen Loyalitätsbezug zum Herrscher zu stellen. Hierzu diente ein umfassendes Programm, das die moralische Erziehung der Soldaten zum Ziel hatte und in dessen Zentrum Kaiserliche Reskripte standen. Das erste dieser Reskripte, das Gunjin dokuhō, wurde 1872 erlassen und blieb bis 1934 in Kraft; neben zahlreichen verhaltenssteuernden Vorschriften zur Sicherung militärischer Disziplin in Form von Ge-
72 A. a. O., S. 75–76. 73 Siehe einführend zur Biographie des Meiji-tennō Keene, Donald: Emperor of Japan; Hara, Takeshi: The “Great Emperor” Meiji, In: Shillony, Ben-Ami (Hg.): The Emperors of Modern Japan, Leiden/Boston: E. J. Brill 2008, S. 213–225. 74 So hatte bereits im Boshin-Krieg formal der Onkel des Meiji-tennō, Prinz Arisugawa no miya Taruhito-shinnō (1835–1895), den Oberbefehl über die kaiserlichen Streitkräfte inne, bis zu seinem Tode auch im Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg (1894–1895). 75 Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 31–33.
2.2 Politischer Totenkult
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und Verboten betonte es als wichtigste Aufgabe der Streitkräfte, die kaiserliche Autorität zur Entfaltung zu bringen (kōi o hakki shi), und damit die Loyalität zum Thron.76 So war auch die Erziehung in der Wehrpflichtigenarmee in Japan ein Schritt auf dem Weg, das ganze Land „in eine einzige große zivile und militärische Universität“ zu verwandeln (kaidai o motte bunbu no ichi-daigakkō to minashi), wie es Yamagata Aritomo in seiner Denkschrift zur Einführung der Wehrpflicht 1872 formulierte.77 Die Etablierung einer Sonderbeziehung des Tennō zu den Streitkräften war eingebettet in die Transformation der Monarchie im Formierungsprozess des zentralisierten, autoritären japanischen Nationalstaates. Die spezifische und gegenseitige Bindung von Tennō und den Streitkräften stellt dabei einen Faktor wie Indikator der Nationalstaatsbildung dar.78 Auch wenn der Begriff des Tennō in den letzten Jahren der Edo-Zeit in den Köpfen der Menschen präsent war, war das Verständnis dessen, was „Tennō“ eigentlich bedeutet, höchst differenziert. Jenseits der politischen Eliten war das Bild des Kaisers, sieht man einmal von den Aktivisten der sonnō-jōi-Bewegung ab, in der Regel eher unpolitisch und durch folkloristische, teilweise auch religiöse Vorstellungen geprägt.79 Es war also ein durchaus weiter Weg hin zum Verständnis des Monarchen als uneingeschränktem Souverän, allseits akzeptierter Legitimationsquelle, zentralem Bezugspunkt politischen Handelns, Symbol der politischen Ordnung und der Nation, Hort der Tradition und Motor des Fortschritts.
2.2 Politischer Totenkult 2.2.1 Entstehung der shōkon-Zeremonien In der Übergangsphase von der Edo- zur Meiji-Zeit, die durch politische Instabilität, offene Gewaltanwendung und Terror, durch Bürgerkrieg und Aufstände
76 Abgedruckt als Dokuhō, In: Yui, Masaomi/Fujiwara, Akira/Yoshida, Yutaka (Hg.): Guntai, heishi, S. 179–180; vgl. auch Tobe, Ryōichi: Gyakusetsu no guntai, S. 58–60. 77 Yamagata, Aritomo: Shuitsu ni fuhei o ron-zu, In: Yui, Masaomi/Fujiwara, Akira/Yoshida, Yutaka (Hg.): Guntai, heishi, S. 49–53, hier S. 51. 78 Fujitani, Takashi: Splendid Monarchy. Power and Pageantry in Modern Japan, Berkeley/Los Angeles/London: University of California Press 1996; Yasumaru, Yoshio: Kindai tennō-zō no keisei; Keene, Donald: Emperor of Japan; Shillony, Ben-Ami (Hg.): The Emperors of Modern Japan, Leiden/Boston: E. J. Brill 2008. 79 Fujitani, Takashi: Splendid Monarchy, S. 5–9. Kritisch dazu zuletzt Hirai, Atsuko: Government by Mourning, S. 10.
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2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
gekennzeichnet war und die zahlreiche Opfer forderte, wurde der neuzeitliche Gefallenenkult in Japan entwickelt. Dabei wurde der politische Totenkult langfristig durch die spezifischen Entstehungsbedingungen dieser Transformationsphase geprägt. In seinem Zentrum stand mit dem shōkon-Glauben, einem der Hauptpfeiler des Staatsshintō und damit eng mit der ebenfalls primär religiös begründeten Legitimation der politischen Ordnung verbunden, ein dezidiert religiöses Sinnstiftungsmuster, das sich schrittweise auf der Basis fortdauernder Traditionslinien entwickelte, ältere Elemente aufnahm und verschmolz, aber auch mit überkommenen Mustern brach und spezifisch Neues entwickelte. Dabei machte er eine bemerkenswerte Transformation von zunächst oppositionellen, privaten Zeremonien im Südwesten Japans und Kyōto hin zu exklusiven staatlichen Riten durch, die schließlich nach der Meiji-Restauration von oben zunächst innerhalb der Streitkräfte, dann auch in der Gesellschaft durchgesetzt wurden. Dieser Transformationsprozess markiert gleichsam die Entwicklungsschritte des shōkon-Glaubens, die im Folgenden skizziert werden. Der shōkon-Glauben bildete sich in der Endphase der Edo-Zeit im Umfeld der oppositionellen und zunehmend gegen die Herrschaft der Tokugawa gerichteten sonnō-jōi-Bewegung.80 Mit ihrer Radikalisierung seit der Ankunft der „Schwarzen Schiffe“ verloren zahlreiche militante Aktivisten (shishi) ihr Leben: teils als Opfer von Säuberungsaktionen durch das Shōgunat wie Yoshida Shōin, teils im Zusammenhang von Attentats- und Aufstandsversuchen; sie fielen in Kämpfen, wurden ermordet oder hingerichtet. Die Brennpunkte der Entwicklung des shōkon-Glaubens befanden sich dabei einerseits in Kyōto, das als Sitz des Kaiserhauses geographisch den Fokus der sonnō-jōi-Bewegung bildete und in dem wiederholt politische Konflikte gewaltsam ausgetragen wurden, und andererseits im Fürstentum Chōshū, das in den Jahren vor 1868 Schauplatz eines Bürgerkrieges, zweier Strafexpeditionen seitens des Shōgunats und einer Strafexpedition westlicher Truppen gegen Küstenbefestigungen in Shimonoseki wurde und dessen radikale Aktivisten sowohl in Edo als auch Kyōto immer wieder mit militanten Aktionen in Erscheinung traten. Entsprechend hatte Chōshū innerhalb wie außerhalb der Grenzen des Fürstentums zahlreiche Opfer zu beklagen und der
80 Allgemein zur Entstehungsgeschichte des shōkon-Glaubens und der shōkon-Schreine siehe v. a. Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon; Hata, Nagami: ,Shōkon saishi‘-kō I; Kobayashi, Kenzō/Terunuma, Yoshibumi: Shōkon-sha seiritsu-shi no kenkyū, Tōkyō: Kinsei-sha 1969; Katō, Takahisa: Shōkon-sha no genryū, In: Ders.: Jinja no shi-teki kenkyū, Tōkyō: Ōfū-sha 1976, S. 445– 465; Tsuda, Tsutomu: Shōkon-sha no hassei. Yasukuni jinja, gokoku jinja no genryū o motomete, In: Kokugaku-in daigaku kenkyū kaihatsu suishin sentaa kenkyū kiyō 3 (2009), S. 1–47; Ders.: Shōkon-sha kara Yasukuni jinja e no hatten, In: Kokugaku-in daigaku kenkyū kaihatsu suishin sentaa (Hg.): Shōkon to irei no keifu. Yasukuni no shisō o tou, Tōkyō: Kinsei-sha 2013, S. 32–61.
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Umgang mit ihrem Tod stellte eine besondere Herausforderung sowohl für ihre Weggefährten als auch für die politische Führung von Chōshū dar.81 Dabei verblieben die Totenzeremonien sowohl der politische Führung des Fürstentums Chōshū als auch des Kaiserhauses zunächst noch im Rahmen der traditionellen buddhistischen Vorgaben. In Chōshū wurden die Namen der Toten in einem buddhistischen Tempel in ein Totenregister (kako-chō) aufgenommen und Seelenmessen (segaki daie) für sie gefeiert. Bei einem segaki daie handelt es sich um eine buddhistische Zeremonie, die konkret für die Seelen Verstorbener gefeiert wird, welche nicht betrauert werden und die deshalb Hunger leiden. Dabei wurde der Tod der politischen Aktivisten selbst als Akt der Loyalität gegenüber dem Fürstentum bzw. dem Fürsten gewertet.82 Die Deutungsfigur, den Tod als Akt der Loyalität gegenüber dem Kaiserhaus zu interpretieren, die dem eigenen Selbstverständnis viel eher entsprochen hätte, war zunächst wegen der sich an der Tagespolitik orientierenden ambivalenten und wechselhaften Haltung des Hofes der sonnō-jōi-Bewegung gegenüber zu diesem Zeitpunkt nur schwer umzusetzen. Zu wandelhaft waren noch die Kräfteverhältnissen bei Hof und zwischen Hof und Shōgunat. Auch die Gegenseite folgte traditionellen buddhistischen Vorgaben. Im August 1864 kam es in Kyōto zu einem Aufstand prokaiserlicher antiwestlicher Kräfte unter Führung Chōshūs, die versuchten, den Kaiserpalast unter ihre Kontrolle und den Tennō in ihre Gewalt zu bringen (Hamaguri gomon no hen bzw. Kinmon no hen). Dieser Versuch scheiterte am erbitterten Widerstand von Truppen aus den Fürstentümern Aizu und Satsuma. Anschließend ordnete Kaiser Kōmei die Bestattung der Gefallenen an und ließ im Herbst desselben Jahres im Chion-in, einer der wichtigsten buddhistischen Tempelanlagen Kyōtos, für die Seelen der Gefallenen beider Seiten ebenfalls eine buddhistische Seelenmesse (segaki daie) abhalten.83 Auch hier verblieb der Umgang mit den Opfern von Gewalt im Rahmen der traditionellen Muster der Gleichbehandlung von Freund und Feind (onshin byōdō), denn es wurden die Gefallenen beider Seiten gleichermaßen bestattet und ihrer Seelen gedacht, obwohl die Truppen aus Chōshū offiziell zu „Feinden des Hofes“ (chōteki) erklärt worden waren. Parallel zur Durchführung von buddhistischen Totenzeremonien entwickelten sich im prokaiserlichen Lager auch die shintōistischen shōkon-Zeremonien.
81 Hata, Nagami: ,Shōkon saishi‘-kō I, S. 45. 82 Ebenda. Die ersten buddhistischen Zeremonien fanden dabei bereits 1851, also zwei Jahre vor der Ankunft der „Schwarzen Schiffe“ unter Perry, statt. Das chōsai vom 1853 wurde im Haustempel (bōdai-ji) der Fürstenfamilie Mōri, dem Daishō-in in Hagi, durchgeführt. Vgl. auch Tsuda, Tsutomu: Shōkon-sha no hassei, S. 4–5. 83 Katō, Takahisa: Shōkon-sha no genryū, S. 445.
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Zwei Jahre zuvor, im Jahre 1862, hatten prokaiserliche und antiwestliche Kreise in Kyōto begonnen, shintōistische Riten für gefallene, ermordete oder hingerichtete Loyalisten abzuhalten. Gerade in und um Kyōto, das als Sitz des Kaiserhauses im Fokus der sonnō-jōi-Bewegung lag, hatten zahlreiche Aktivisten ihr Leben verloren. Viele von ihnen bestattete man auf dem Ryōzen ryōmei-sha, einer Begräbnisstätte, die 1823 in Higashiyama in Kyōto begründet worden war und die über enge Beziehungen zum Yoshida-Shintō verfügte, so dass hier auch schon länger shintōistische Begräbniszeremonien durchgeführt worden waren.84 Zugleich unterhielt Murakami Kunihira, Priester am Ryōmei-sha und devoter Anhänger der Nationalen Schule, enge Verbindungen zu den Mōri, der Fürstenfamilie von Chōshū.85 Beide Faktoren dürften dazu beigetragen haben, dass getötete Loyalisten hier von ihren Kameraden – übrigens mehr oder minder heimlich – bestattet wurden. 86 Diese Begräbnisse erfolgten in der Regel nicht nach den vom Shōgunat vorgeschriebenen buddhistischen, sondern unter Leitung von Murakami nach shintōistischem Ritus. Hier zeigen sich also eindrücklich sowohl die Verbindung von Ablehnung buddhistischer Praktiken (in Opposition zum Shōgunat) und Einführung shintōistischer Totenriten (in der Tradition der Nationalen Schule und im Eintreten für die Herrschaft des Kaiserhauses) als auch die eminente politische Aufladung dieser Fragen in der Endphase der Edo-Zeit. An dieser Begräbnisstelle führten kaisertreue Loyalisten am 12. Februar 1863 (Bunkyu 2–12-24) die erste „Zeremonie zum Herbeirufen der Seele(n)“ (shōkon saishi) durch, bei der man sich an Praktiken shintōistischer Bestattungszeremonien orientierte, ohne jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits einen Schrein zu errichten. An ihr nahmen insgesamt 66 Personen teil, die vor allem aus dem Fürstentum Chōshū stammten. Geleitet wurde sie durch den Shintō-Priester Furukawa Miyuki (1810–1883), während für die Planung einflussreiche Shintō-Ideologen, Befürworter shintōistischer Bestattungsriten und einer radikalen Trennung von Shintō und Buddhismus wie Fukuba Bisei (1831–1907) und Ōtani Hidemi (?-1902)
84 Imamura, Ayumi: Jinsōsai kara ‚shōkon‘ e. Kyōto Higashiyama ryōmei-sha ni okeru shōkon no hen’yō, In: Shisen 103 (2006), S. 1–17, hier S. 2–8. 85 Nakamura, Takeo: Bakumatsu-ki Ryōmei-sha to Chōshū Mōri-ke. Higashiyama shōkon-sha seiritsu no zenshi, In: Gunji shigaku 47 (2011), Heft 3, S. 145–149. 86 Der berühmteste auf dem Ryōmei-sha bestattete Loyalist ist Sakamoto Ryōma (1836–1867), der am Vorabend der Restauration wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Allianz zwischen Chōshū und Satsuma hatte und wenige Tage vor dem coup d’état vom 3. Januar 1868 ermordet wurde. Er ist bis heute eine der beliebtesten historischen Persönlichkeiten in Japan. Vgl. Jansen, Marius B.: Sakamoto Ryōma and the Meiji Restoration, New York/Chichester: Columbia University Press 1994 (1961).
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aus dem Fürstentum Tsuwano oder Sera Toshisada (1816–1878) aus Chōshū verantwortlich zeichneten.87 Wenige Monate später, am 7. September 1863 (Bunkyu 3–07-25), führte die Gruppe um Fukuba im Yasaka-Schrein in Kyōto, in unmittelbarer Nähe des Ortes der ersten Zeremonie, ein zweites shōkon-sai für die Opfer der sonnō-jōiBewegung – also auch hier nur der prokaiserlichen Seite – durch. Dieses markiert eine Weiterentwicklung der vorangegangenen Riten.88 Erstmals wurde nun ein kleiner Schrein (shōkon-shi) errichtet, für den eigens ein Stück Land erworben worden war. Eine zweite Neuerung war, dass die Namen der 46 Verstorbenen, deren Seelen man herbeirief und einschreinte, individuell genannt wurden. Hierzu zählten etwa Tokugawa Nariaki, der Fürst von Mito, oder Yoshida Shōin.89 Um diesen Schrein vor den Augen des Shōgunats zu verbergen, wurde er nach dem shōkon-sai abgebaut und beim Wohnsitz der Familie Fukuba wieder errichtet; seit 1931 wurde das Gebäude schließlich als Moto-no-miya (wörtl. „UrsprungsSchrein“) nach Tōkyō verbracht und auf dem Gelände des Yasukuni-Schreines aufgestellt, wo es sich noch heute befindet. Parallel wurden Versuche unternommen, innerhalb der bestehenden Rechtsordnung eine Rehabilitation der Opfer der eigenen Seite zu erreichen. 1862 etwa kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kaiserhof und dem Shōgunat, als der Tennō in einem Schreiben die Rehabilitierung der Opfer der Ansei-Säuberungen, zu denen etwa Yoshida Shōin gehörte, forderte, was schließlich in Form einer Amnestie aus Anlass der Hochzeit des Shōgun mit der kaiserlichen Prinzessin Kazu-no-miya, einem Versuch, die Einheit von Hof und bakufu herzustellen, auch tatsächlich umgesetzt wurde.90 Zudem sind Versuche festzustellen, auch die sterblichen Überreste einer würdevollen Behandlung zuzuführen. Yoshida Shōin etwa wurde 1863 von seinen Schülern – allen voran Takasugi Shinsaku (1839–1867), dem Begründer der Kihei-tai und eine der Schlüsselfiguren der Antibakufu-Bewegung, und Itō Hirobumi, dem späteren Premierminister der Meiji-Zeit
87 Das Gebet (norito) ist abgedruckt in Katō, Takahisa: Shōkon-sha no genryū, S. 452–453. Die Liste der Teilnehmer a. a. O., S. 446–447. Siehe auch Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyakunen-shi. Jireki nenpyō, S. 36. 88 Hata, Nagami: ‚Shōkon saishi‘-kō I, S. 60–61; Katō, Takahisa: Shōkon-sha no genryū, S. 455– 460. Das Gebet (norito) aus Anlaß der Zeremonie 1863 a. a. O., S. 459–460. Siehe auch Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Jireki nenpyō, S. 37. 89 Tokugawa Nariaki starb wahrscheinlich an einem Herzinfarkt; es hielt sich aber lange Zeit das Gerücht, er sei vom Shōgunat ermordet worden. Dies dürfte die Grundlage für seine Einschreinung sein. Eine Übersicht über die Namen der hier Verehrten in Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 512–516. 90 Vgl. Hata, Nagami: ,Shōkon saishi‘-kō I, S. 56–57.
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Abb. 4: Grabanlage für Angehörige der Kihei-tai, Sakurayama jinja, Shimonoseki
und Vater der Verfassung von 1889 – in Edo neu bestattet. 91 Auch diese Umbettung erfolgte nach shintōistischem Ritus, obwohl Yoshida selbst für sich in seinem Testament wohl eher konfuzianische Zeremonien vorgesehen zu haben scheint.92 Für die Schüler Yoshidas schien ein anderer als ein shintōistischer Ritus für die Bestattung eines kaisertreuen Loyalisten vier Jahre nach dem Tod des Lehrers nicht mehr denkbar. Parallel zu den Entwicklungen in Kyōto begann auch in Chōshū 1864 der Wandel hin zu shintōistischen Riten für Gefallene.93 Nach dem Angriff europäischer Truppen auf Küstenbatterien in Shimonoseki in Reaktion auf den vorhergehenden Beschuss westlicher Schiffe durch Verbände des Fürstentums wurde ebenfalls auf Initiative von Takasugi Shinsaku und unter Mitwirkung von Shiraishi Shōichirō, einem radikalen antibuddhistischen und proshintōistischen Aktivisten, ein „Ort zum Herbeirufen der Seelen“ (shōkon-jō) der Gefallenen der Kiheitai durch Mitglieder der Einheit und Anwohner errichtet, der im Sommer 1865
91 Tsuda, Tsutomu: Shōkon-sha no hassei, S. 22–24. Sein neues Grab befindet sich in Wakabayashi, Setagaya-ku, heute Standort des Yoshida-Schreins. 92 A. a. O., S. 23. 93 Nakamura, Takeo: Bakumatsu-ki Ryōmei-sha to Chōshū Mōri-ke, S. 146.
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Abb. 5: Sakurayama jinja und Grabanlage für Angehörige der Kihei-tai, Shimonoseki
fertiggestellt wurde.94 Inzwischen war es sowohl innerhalb Chōshūs zu einem Bürgerkrieg als auch zu einem Konflikt mit dem Nachbarfürstentum gekommen, der unter den Angehörigen der Kihei-tai erneut zahlreiche Opfer gefordert hatte. Wenige Wochen nach der Fertigstellung hielten die Überlebenden eine Zeremonie zum Herbeirufen der Seelen (shōkon-sai) ab, über deren Ablauf wir nicht unterrichtet sind; anschließend wurde eine kleine „Ritenhalle“ (shidō) erbaut, aus der schließlich ein Schrein hervorging. Da an dieser Stelle zahlreiche Kirschbäume gepflanzt wurden, die Anlage also mit dem Symbol der zunehmend nationalistisch aufgeladenen Kirschblüte verbunden wurde, nannte man den Schrein bald „Kirschberg-Schrein“ (Sakurayama jinja).95 Der Sakurayama jinja markiert eine wichtige Etappe in der Entwicklung der shōkon-Schreine. Obwohl er ein shintōistisches Heiligtum ist, findet sich auf seinem Gelände eine Grabanlage (vgl. Abb. 4 und Abb. 5), was für zahlreiche shōkon-Schreine aus der Bakumatsu- und frühen Meiji-Zeit nicht ungewöhn-
94 Shiraishis Tagebuch ist entsprechend auch die wichtigste Quelle für das Entstehen des Sakurayama shōkon-jō in Shimonoseki. 95 Kawamura, Kunimitsu: Yasukuni jinja to jinja no kindai, In: Ders. (Hg.): Senshi-sha no yukue. Katari to hyōshō kara, Tōkyō: Seikyū-sha 2003, S. 100–138, hier S. 104–105. Zum Motiv der Kirschblüte vgl. Ohnuki-Tierney, Emiko: Kamikaze, Cherry Blossoms, and Nationalisms.
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lich ist. Dies belegen etwa die Beispiele von Hagi, Nagaoka (Präf. Niigata) oder Hakodate. Die Grabanlage am Sakurayama jinja in Shimonoseki wurde noch vor dem eigentlichen Schrein angelegt und umfasst sowohl Gräber für tatsächliche Opfer der sonnō-jōi-Bewegung als auch (symbolische) Gräber für zu diesem Zeitpunkt noch lebende Mitglieder der Kihei-tai, die ihren Tod in künftigen Auseinandersetzungen antizipierten. Die Anlage gewann damit quasi eine prospektive Dimension, die später auch für den Yasukuni-Schrein typisch werden sollte. Insofern handelt es sich beim Sakurayama jinja nicht um ein Instrument der Identitätsstiftung der Überlebenden, sondern der Lebenden, die ihren Tod vorwegnehmen. Dabei enthielten auch die Gräber der tatsächlichen Opfer keine sterblichen Überreste, sondern allenfalls von den Toten besonders geschätzte persönliche Gegenstände.96 Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie eine rituelle Funktion hatten und als Ort für das Herbeirufen der individuellen Totenseele gedacht waren. Bemerkenswert ist weiterhin, dass alle ohne Ansehung ihres Standes einen einheitlichen, schlichten Grabstein erhielten, mit Ausnahme von Yoshida Shōin, dem Lehrer zahlreicher hier bestatteter Loyalisten und Vorkämpfer der kaiserlichen Sache, für den im Zentrum ein etwas größerer Stein errichtet wurde (vgl. Abb. 6).97 Die Inschriften auf den Grabsteinen tragen die individuellen Namen, ergänzt um die Bezeichnung „göttlicher Geist“ (shinrei), im Falle Yoshidas etwa Shōin Yoshida sensei shinrei, der die Apotheose des Toten markiert. Darüber hinaus sind das Todesdatum und die -ursache (Tod im Kampf, starb an den Folgen einer Verletzung, Krankheit usw.) verzeichnet. Der Zugang zum Gräberfeld wird heute durch ein shintōistisches torii markiert. Übrigens erstreckte sich die Verehrung im Sakurayama-Schrein auch keinesfalls ausschließlich auf Menschen, die gewaltsam ihr Leben verloren hatten: Nach seinem (natürlichen) Tod 1922 wurde auch Yamagata Aritomo, der wesentlich an der Entstehung dieses Schreines mitgewirkt hatte und später für Jahrzehnte eine der einflussreichsten Figuren der japanischen Politik werden sollte, in diesem Schrein verehrt. Der Sakurayama shōkon-jō fungierte schließlich als Vorbild für analoge Anlagen, die im ganzen Fürstentum Chōshū errichtet wurden – insgesamt zwanzig, je eine für jeden Kreis, die die Gefallenen dieser Region ehrten; hinzu kamen mindestens zwei Schreine für Aktivisten, die außerhalb Chōshūs durch Attentate ums
96 Im Falle des Hofadligen Nishiki-no-kōji Yorinori (1835–1864) eine Hofmütze (Eboshi), Kariginu-Kleidung, ein Hakama und ein Fächer. Vgl. Tsuda, Tsutomu: Shōkon-sha no hassei, S. 17–18. 97 Die Grabstelen waren zunächst aus Holz gefertigt, wurden aber bereits 1868 durch Stelen aus Stein ersetzt. Die Anlage besteht heute aus insgesamt 391 Gräbern. Atsuki, Kenji: Sakurayama kenkō-roku. Sakurayama jinja enkaku-shi, Shimonoseki: Sakurayama jinja 1968.
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Abb. 6: Grabsteine von Yoshida Shōin (links) und Takasugi Shinsaku (rechts), Sakurayama jinja, Shimonoseki
Leben gekommen waren.98 Auch sie verfügten meist über Grabanlagen, wobei auch mehrere Fälle von tatsächlichen Bestattungen auf dem Gelände von shōkonSchreinen belegt sind.99 Die Meiji-Restauration führte auch im politischen Totenkult zu einem fundamentalen Wandel. Erstens wurden mit dem Sieg der Anti-Tokugawa-Kräfte im Bürgerkrieg die Träger eines bisher oppositionellen Totengedenkens zu staatlichen Akteuren, womit die von ihnen neu entwickelten Praktiken, die bisher privater Natur waren, in den staatlichen Raum transferiert werden konnten. Dieser Transfer war zweitens eingebettet in eine Neubestimmung der normativen Bezüge wie auch der Strukturen der staatlichen Ordnung. Drittens gab es auch in Bezug auf die Deutungsangebote der Toten eine wichtige Verschiebung: Zwar blieb der Topos des Todes für den Kaiser durchaus erhalten, doch wurden aus bisher verfemten Rebellen nun Vorkämpfer einer neuen Ordnung. Dies zeitigte langfristige Folgen. Die Transformation von oppositionellen Loyalisten zu staatlichen Akteuren bedeutete für die Ehrung der Gefallenen zunächst konkret, dass einige der
98 Hata, Nagami: ‚Shōkon saishi‘-kō I, S. 46. 99 Tsuda, Tsutomu: Shōkon-sha no hassei, S. 15.
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Männer, die 1863 noch im privaten Rahmen in Kyōto an der Entwicklung und Durchführung der shōkon-Zeremonien für die Toten der kaiserlichen Sache mitgewirkt hatten, nun als Regierungsbeamte in die Schlüsselfunktionen der staatlichen Religionspolitik aufrückten. Zu nennen sind hier vor allem Akteure aus dem Fürstentum Tsuwano, wie Fukuba Bisei, Ōkuni Takamasa oder Fürst Kamei Koremi. Durch sie wurde in der Frühphase der Meiji-Zeit insbesondere die rituelle Dimension des neuen staatlichen Totenkultes entschieden und ihr Ausbau weiter vorangetrieben. So bekam der Gefallenenkult in Form des Amtes für Schreinwesen (Jingi-kan) einen institutionellen Anker und wurde in die radikale proshintōistische und antibuddhistische wie antichristliche Religionspolitik der neuen Regierung eingebettet. 100 Für sie stehen vor allem die radikale Trennung von Shintō und Buddhismus (shinbutsu bunri) und die offene Bekämpfung des Buddhismus, die Errichtung staatsshintōistischer Strukturen durch die Gewinnung der administrativen Kontrolle über die Schreine des Landes und schließlich die Umsetzung des Konzeptes einer „Einheit von Kult und Regierung“ (saisei itchi), welches eine theokratische Staatsform mit dem Tennō als weltlichem und religiösem Oberhaupt beschreibt.101 Dieser Zusammenhang erklärt, weshalb sich das Gefallenengedenken des jungen Meiji-Staates radikaler als zuvor von buddhistischen Traditionen (etwa der Durchführung buddhistischer Seelenmessen), aber mehr noch von dem Konzept der Gleichbehandlung von Freund und Feind löste. Diese sollten nun durch die shintōistische Apotheose, welche die seit 1863 entwickelte Praxis der shōkon-Zeremonien aufgriff und weiterentwickelte, und
100 Der Einrichtung des Jingi-kan ging zunächst die Gründung des Jingi jimu-ka (Abteilung für Schreinwesen) und dessen Umwandlung in das Jingi jimu-kyoku (Büro für Schreinwesen) im Februar 1868 voraus; bis 1872 wurde das Jingi-kan dann in ein Schrein-Ministerium (Jingi-shō) umgewandelt, bevor es im Religionsministerium (Kyōbu-shō) aufging. Vgl. zur Entwicklung der Behördenstruktur in Bezug auf den Shintō Lokowandt, Ernst: Die rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō, S. 108–116. 101 Zur Religionspolitik der frühen Meiji-Zeit grundlegend und weiterführend Holtom, Daniel Clarence: The National Faith of Japan. A Study in Modern Shinto, London/New York: Kegan Paul International 1995 (1938); Kishimoto, Hideo (Hg.): Japanese Religion in the Meiji Era (= Japanese Culture in the Meiji Era 2), Tōkyō: Ōbun-sha 1956; Murakami, Shigeyoshi: Kokka shintō. Zur Rolle der kokugaku-Gelehrten für die Religionspolitik der frühen Meiji-Zeit siehe auch Sakamoto, Koremaru: Meiji ishin to kokugaku-sha, Tōkyō: Daimei-dō 1993; Lokowandt, Ernst: Die rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō; Antoni, Klaus: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens; Hardacre, Helen: Shintō and the State 1868–1988; Ketelaar, James Edward: Of Heretics and Martyrs in Meiji Japan; Yasumaru, Yoshio: Kamigami no Meiji ishin, Tōkyō: Iwanami shoten 1979; Nitta, Hitoshi: Kindai seikyō kankei no kiso-teki kenkyū, Tōkyō: Taimei-dō 1997; Hayashi, Makoto: Religion in the Modern Period, In: Swanson, Paul L./Chilson, Clark (Hg.): Nanzan Guide to Japanese Religions, S. 202–219.
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eine starre und radikale Dichotomie ersetzt werden, die auf den Gegenbegriffen von Loyalität zum Kaiser und Rebellion aufbaute. Die neue Regierung plante und vollzog wenige Monate nach der Übernahme der politischen Macht die Etablierung eines zentralen, staatlichen Gefallenenkultes. Dieser Schritt erfolgte vor dem Hintergrund des andauernden Boshin-Krieges und hatte damit zwei Funktionen: sowohl eine gegenwartsbezogene als auch eine vergangenheitspolitische. Er war sowohl Antwort auf akute Herausforderungen, nämlich das fortwährende Sterben von Soldaten im Kampf, und damit auf Gegenwart und Zukunft gerichtete Sinnstiftung und Legitimierung des Todes, als auch Mittel und Ausdruck politischer Herrschaftssicherung, von Legitimierung durch die Toten insbesondere der vergangenen anderthalb Jahrzehnte. Dies verdeutlichen die beiden Erlasse des Großen Staatsrates vom 29. Juni 1868 (Meiji 1–5-10), welche in Higashiyama in Kyōto – dem Ort der beiden shōkon-Zeremonien von 1863 – zum einen die Errichtung eines zentralen Schreines zum Gedenken an die ums Leben gekommenen Loyalisten der Bakumatsu-Zeit, zum anderen eines Schreines für die Opfer des Boshin-Krieges und „Personen, die sich künftig für Belange des Kaisers ins Verderben stürzen“ werden, anordnen. Beide Erlasse stehen am Beginn einer neuen Phase in der Entwicklung der shōkon-Schreine. Der (umfangreichere) Erlass zur Ehrung der Toten seit der gewaltsamen Landesöffnung 1853 ist als Absichtserklärung der jungen Regierung in Bezug auf die Interpretation des staatlichen Gefallenenkultes der frühen Meiji-Zeit in dreifacher Hinsicht bedeutsam. Erstens formuliert er den Willen, in einer Zeit politischen Umbruches „Belohnung und Strafe wieder in Ordnung zu bringen, Treue zu zeigen und im ganzen Reiche die Gefühle des Volkes zu erheben,“ wobei sowohl Kusunoki Masashige als auch Toyotomi Hideyoshi als historische Vorbilder „unvergleichlicher Treue“ genannt werden.102 In diesem Zusammenhang seien auch diejenigen „Samurai wie Mitkämpfer aus dem Volk“ zu sehen, welche „für das Recht eintretend in unvergleichlicher Treue dem Reiche vorangingen, für die Belange des Staates ihr Leben ließen oder unter falscher Beschuldigung ins Unglück kamen.“ Semantisch wird also an dieser Stelle noch die ständische Differenzierung in Samurai und Mitkämpfer aufrechterhalten. Mit ihren Taten, so fährt der Erlass fort, hätten sie „wahre Loyalität“ gezeigt und sich bemüht, „die Stellung des kaiserlichen Thrones wieder herzustellen.“ Dem Schrein in Kyōto,
102 Kichū irai shōgi seichū kokuji ni taoru no mono no reikon o i-shi Higashiyama ni shau o mōkete kore o gōshi seshimu, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 17, in der deutschen Übersetzung nach Lokowandt, Ernst: Die rechtliche Entwicklung des StaatsShintō, S. 259–260.
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der ihnen zu Ehren errichtet werden soll, werden dabei die Aufgaben zugesprochen, „ihre Entschlossenheit wahrhaftig zu preisen“, „ein Vergessen der Namen derer, die große Verdienste um den Staat haben“, zu verhindern, „ihre Gesinnung im ganzen Reiche bekanntzumachen“ und schließlich „den loyalen Seelen Trost zu schaffen“ (chūkon o nagusameraretaku).103 Neben die „weltliche“ Dimension der Ehrung der Opfer und der Sicherstellung der Erinnerung tritt mithin die spezifische religiöse Dimension der Seelentröstung. Die zentrale Deutungsfigur für das Leben und Sterben der Gefallenen ist dabei die konfuzianische Tugend der Loyalität (chū), die sich in der Bezeichnung „loyale Seele“ (chūkon) für die Toten auch in diesem Schlüsseltext der frühen Meiji-Zeit wiederfindet. Neben der Schreinanlage für die Opfer der sonnō-jōi-Bewegung plante die Regierung, wie gesagt, die Errichtung eines zweiten (und größeren) Schreines in Higashiyama, der die Opfer, welche die kaiserliche Seite seit Ausbruch des BoshinKrieges zu beklagen hatte, ehren sollte. Darüber hinaus sollten „auch Personen, die sich künftig für Belange des Kaisers ins Verderben stürzen, unverzüglich mitverehrt werden.“104 Damit gewann der politische Totenkult nun auch eine weitere prospektive Dimension. Noch war aber an den Bau von Schreinanlagen nicht zu denken; vielmehr absorbierte der Fortgang des Boshin-Krieges die Ressourcen der neuen Regierung. Trotzdem führte sie am 27. und 28. August 1868 (Meiji 1–7-10 bzw. Meiji 1–7-11) auf dem Exerzierplatz Kawahigashi sōren-jō in Kyōto das erste öffentliche shōkon-sai in der alten Kaiserstadt durch.105 Auch hier waren wieder Fukuba Bisei und Kamei Koremi anwesend, woran sich die personelle Kontinuität bei der Entwicklung der shōkon-Zeremonien in Kyōto ablesen lässt. Eingeschreint wurden diesmal insgesamt 347 Gefallene aus 32 Fürstentümern, ihnen wurden Reis und Sake geopfert. In den Quellen zu diesem shōkon-sai ist erstmals greifbar, was später zu einem Charakteristikum auch des Gefallenengedenkens in Japan insgesamt werden sollte: die Gedenkzeremonien wurden mit volksfestartigen Amüsements verbunden, so dass sie nicht nur ein erhabenes und ernstes Gepräge aufwiesen. Hierdurch wurde auch die Bevölkerung Kyōtos an die Gefallenenehrung herangeführt, was ein weiteres Novum der Gedenkzeremonien bedeutete. Sie wurden nun zugleich in den öffentlichen Raum überführt. Die Verlagerung der Hauptstadt nach Edo, das in Tōkyō umbenannt wurde, verlagerte dann im
103 Ebenda. 104 Higashiyama ni issha o tate tōshun Fushimi sensō irai senshi-sha no reikon o saishi seshimu, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 17, in der deutschen Übersetzung nach Lokowandt, Ernst: Die rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō, S. 260. 105 Vgl. hierzu Hata, Nagami: ,Shōkon saishi‘-kō I, S. 62–64; Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon, S. 35–36; Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 12–15.
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weiteren Verlauf des Jahres 1868 den regionalen Fokus der Gefallenenehrung. Die geplante zentrale Schreinanlage wurde nicht mehr in Kyōto, sondern in Tōkyō als der spätere Yasukuni-Schrein gebaut. Trotzdem blieb auch Kyōto ein Zentrum der Verehrung der Toten der unruhigen Jahre zwischen der Landesöffnung und dem Boshin-Krieg. Das belegen zahlreiche shōkon-Anlagen in und um die alte Hauptstadt, die allerdings nicht vom Zentralstaat, sondern meist von den Fürstentümern bis 1870 für die eigenen Gefallenen angelegt wurden. Sie zeigen zum einen, wie wichtig die alten politischen Entitäten als Bezugsgrößen, aber auch als Träger des Totengedenkens in der frühen Meiji-Zeit waren, und zum anderen, dass die Lösung des Gefallenenkultes vom Buddhismus zu diesem Zeitpunkt noch unvollständig war. So legte das Fürstentum Satsuma auf dem Gelände des buddhistischen Tempels Sokushū-in im Tōfuku-ji eine eigene Gedenkanlage zur Herbeirufung der Seelen der Gefallenen des Fürstentums während des BoshinKrieges (Kagoshima-han shōkon-hi) an. Der Tempel hatte bereits in der Edo-Zeit Verbindungen zum Fürstenhaus von Satsuma unterhalten und sein Gelände war während der Schlacht von Toba-Fushimi im Januar 1868 von Truppen des Fürstentums gehalten worden. 1869 wurde ein „Stein für die Gefallenen der Eroberung des Ostens“ (Tō-sei senbō no hi) erbaut, dessen Inschrift von Saigō Takamori verfasst wurde. Daneben – mit Blickrichtung Westen, also auf die Heimat der Toten hin ausgerichtet – wurden fünf weitere Gedenksteine errichtet, auf denen, nach militärischen Einheiten gegliedert, die Namen von 524 Toten und ihr jeweiliger militärischer Rang verzeichnet sind (vgl. Abb. 7). Eine Nebenlinie der Shimazu wiederum errichtete kurze Zeit darauf im buddhistischen Daiun-in einen „Hügel zur Herbeirufung der Seelen des Fürstentums Sadohara“ (Sadoharahan shōkon-zuka). Auch an anderen Stellen in und um Kyōto wurden kurz nach Beendigung des Krieges shōkon-Schreine, -Steine u. ä. errichtet. Das Zentrum des politischen Totenkultes der alten Kaiserstadt bildete jedoch die shōkon-Anlage auf dem Ryōzen in Higashiyama, der Ort der ersten Zeremonien zur Herbeirufung der Seelen, der nun schrittweise zu einem „Altar der kaisertreuen Loyalisten der Restauration“ (ishin kinnō shishi no saidan) ausgebaut wurde, wie 1933 der Titel eines Bandes zur Geschichte des Schreines lautete.106 Zusätzlich zum heutigen Higashiyama ryōzen gokoku jinja errichteten neun Fürstentümer (bzw. Präfekturen) auf dem Gelände eigene kleinere shōkon-Anlagen (vgl. Abb. 8), in denen 3.116 Tote eingeschreint wurden. Daneben finden sich die Gräber von 386 Loyalisten der Bakumatsu- und frühen Meiji-Zeit, unter anderen von namhaften Persönlichkeiten wie Sakamoto Ryōma oder auch Kido Takayoshi, der 1877 verstarb. In der
106 Zaidan hōjin teikoku kōmin kyōiku kyōkai: Ishin kinnō shishi no saidan Kyōto ryōzen shōkon-sha, Tōkyō: Zaidan hōjin teikoku kōmin kyōiku kyōkai 1933.
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Gegenwart ist die Anlage nicht nur der zentrale Schrein für die Gefallenen der Präfektur Kyōto in den folgenden Kriegen Japans bis 1945, sondern insbesondere wegen der Gräber berühmter Loyalisten ein von Touristen vielbesuchter Ort. Nach der kampflosen Übergabe von Edo, das seit dem 17. Jahrhundert Sitz der Tokugawa-Shōgune gewesen war, und der Verlagerung der Hauptstadt in die Kantō-Ebene verschob sich, wie erwähnt, auch der Fokus der Gefallenenehrung dorthin. Bereits wenige Tage nach der Besetzung der Festung von Edo durch die kaiserlichen Truppen begannen Vorbereitungen für ein shōkon-sai für die bisher in den Kämpfen in Ostjapan Gefallenen und ihren Verwundungen Erlegenen der kaiserlichen Seite. Hierbei handelte es sich um das erste „Fest zum Herbeirufen der Seelen“, das durch den neuen Staat – hier konkret unter der Leitung des Oberbefehlshabers Prinz Arisugawa-no-miya Taruhito – durchgeführt wurde und damit den Charakter einer offiziellen staatlichen Veranstaltung hatte. Zugleich ist es das erste Fest, dessen Ablauf überliefert ist.107 Symbolisch überformte man dabei die Tradition der Tokugawa, nahm sie gleichsam in Besitz: Als Ort für die Zeremonie wählte man den Großen Saal des Nishi-no-maru in der Festung von Edo, also in demjenigen Teil der Anlage, in dem auch die Grab- bzw. Gedenkanlagen (byōsho) der verstorbenen Shōgune und ein Schrein für Ieyasu (Tōshō-gū) lagen und wo sich heute der Kaiserpalast befindet; auch verwendete man wahrscheinlich einen der dort vorgefundenen Spiegel als „Gottkörper“ (shintai) für die Einschreinung der herbeigerufenen Seelen der Gefallenen. Dieser soll übrigens bis heute im Yasukuni-Schrein verwendet werden.108 In der Front des Raumes errichtete man einen „Göttersitz“ (shinza bzw. tamatoko), der das rituelle Zentrum der Zeremonie bildete.109 Nach der Durchführung ritueller Reinigungen wurden hier shinji110 und Zweige des im Shintō heiligen Sakaki-Baumes plat-
107 Vgl. Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 3–11; Hata, Nagami: ,Shōkon saishi‘-kō I, S. 61–62; Kawamura, Kunimitsu: Yasukuni jinja to jinja no kindai, S. 105–106; Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon, S. 34–35. 108 Der Spiegel im Hauptschrein wurde allerdings erst nach dem Ende des Südwest-Krieges mit aus Deutschland importiertem Glas hergestellt. Vgl. Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni no inori. Gosōritsu 130-nen kinen, Tōkyō: Sankei shinbun 1999, S. 45. 109 Vgl. Edo-jō nishi-no-maru ō-hiroma ni okeru shōkon-sai, In: Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 5–6; Kawamura, Kunimitsu: Yasukuni jinja to jinja no kindai, S. 105. 110 Ob mit shinji, wie zu vermuten ist, der besagte Spiegel gemeint ist oder noch ein oder mehrere andere Kultgegenstände, ist nicht mehr aufzuklären. Der verwendete Terminus shinji, wörtlich Göttersiegel, im übertragenen Sinne Schatz eines Schreines, kann sowohl für die Gesamtheit der drei göttlichen Insignien Spiegel, Schwert und Edelstein stehen, als auch nur das Krummjuwel bezeichnen.
2.2 Politischer Totenkult
121
Abb. 7: Gedenkanlage für die Toten des Fürstentums Satsuma, Sokushū-in, Kyōto (1869)
Abb. 8: shōkon-Schrein des Fürstentums Mito und Grabanlagen, Higashiyama ryōzen gokoku jinja, Kyōto
122
2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
ziert und ein kleiner Schrein als temporärer Aufenthaltsort der Seelen (himorogi) aufgestellt, worauf Ōkubo Hatsutarō (1846–1915), der die eigentliche Zeremonie leitete, vortrat und den Ritus zur Herbeirufung der Seelen vollzog. Die Zeremonie fand im Beisein des Prinzen Arisugawa-no-miya Taruhito, der ihr präsidierte, und zahlreicher hochrangiger Würdenträger, zu denen vor allem Kommandanten und Offiziere der Truppen aus den einzelnen Fürstentümern gehörten, statt. Diese brachten nun Opfergaben dar, worauf das Gebet (norito) verlesen wurde. Anschließend traten die Honoratioren erneut zur Andacht (reihai) vor, teilten die Opfergaben auf und verabschiedeten die nunmehr vergöttlichten Seelen.111 Der während dieser Zeremonie verlesene Gebetstext (saibun) ist dabei in dreifacher Hinsicht bemerkenswert: zum einen weist er den während der Zeremonie herbeigerufenen Seelen der Gefallenen die Aufgabe zu, die kaiserliche Herrschaft (sumera ga miyo) immerdar zu schützen. Zum anderen stellt er die Kriegsparteien in einen dichotomischen Gegensatz. Auf der einen Seite die kaiserlichen Streitkräfte (kangun), die Tokugawa und ihre Anhänger hingegen werden als Rebellentruppen (zokugun) gekennzeichnet. Explizit wird die Schuld (tsumi) des ehemaligen Shōgun Tokugawa Yoshinobu festgeschrieben, der als „Rädelsführer“ (hitogo no kami) „ohne Etikette“ (iya naki) sei, womit er gegen zentrale normativen Vorgaben des Konfuzianismus verstößt.112 Auch die inkriminierenden Bezeichnungen für seine Anhänger sind zutiefst pejorativ, ihnen wird das Urteilsvermögen abgesprochen und ihr Widerstand als „Schmeißfliegengewimmel des widerlichen Gesindels, das den Weg nicht kennt“ (michi shiranu shiko no yatsu no sabae-nasu) diffamiert.113 Die kaiserlichen Streitkräfte (miikusa) hingegen werden drittens auf eine Stufe mit Kusunoki Masashige gestellt, der also auch an dieser Stelle wieder als historischer Bezug figuriert. Innerhalb eines Jahres beschloss dann die Regierung, in der neuen Hauptstadt einen zentralen Schrein für die Gefallenen des Boshin-Krieges zu errichten, welche einerseits die Vorgaben des Erlasses zur Errichtung des Schreines für die Gefallenen des Boshin-Krieges in Kyōto aufgreifen und zugleich die bisherige Praxis der Durchführung von shōkon-Zeremonien durch die Streitkräfte im Felde, zu der auch das shōkon-sai in der Festung von Edo zu rechnen ist, ergänzen sollte. Als wichtigste Vorbereitungsmaßnahme hierzu diente die Meldung aller Namen, Sterbedaten und persönlichen Angaben der Gefallenen durch die jeweiligen Fürstentümer an das Götteramt, die einerseits eine individuelle Einschreinung und
111 Ebenda. 112 Vgl. a. a. O., S. 105–106; Edo-jō nishi-no-maru ō-hiroma ni okeru saiten no sai no saibun, In: Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 6–8, hier S. 7. 113 Ebenda.
2.2 Politischer Totenkult
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Namensnennung ermöglichen sollte, andererseits als ein Schritt zur Realisierung der inzwischen zugesagten Hilfsmaßnahmen (kyūjo) für hinterbliebene Frauen und Kinder intendiert war.114 Parallel wurden auch in den Kampfgebieten des sich noch bis Ende Juni 1869 hinziehenden Boshin-Krieges Gedenkzeremonien abgehalten und weitere Schreine errichtet. Zeitgleich erging an die Fürstentümer der Befehl, in ihren jeweiligen Herrschaftsgebieten ebenfalls mindestens einen shōkon-Schrein zu errichten und dort, nach shintōistischem Ritus, Zeremonien für die Gefallenen der kaiserlichen Seite, die aus dem eigenen Territorium stammten, abzuhalten. Tatsächlich wurden allein in den drei Jahren zwischen 1868 und 1870 79 Schreine errichtet, in dem Jahrzehnt von 1864 bis 1873 insgesamt 103 Heiligtümer (vgl. Abb. 9115).116 Der shōkon-Glaube sollte auf diesem Wege von oben im ganzen Lande durchgesetzt werden.117 45
42
Anzahl der Gründungen
40 35 30 25
22
20
15
15 10 5 0
5
5
5
4
1 1864
1865
1866
1867
1868 1869 Jahr
1870
1871
2
2
1872
1873
Abb. 9: Anzahl der Gründungen von shōkon-Schreinen zwischen 1864 und 1873
114 Fukoku des Gyōsei-kan Nr. 1094: Bogo irai kokuji ni rōshi himei no shi o togeru mono oyobi dasseki ryūri no mono nado o saten shi, saishi moshikuwa kyūjo o shikō seshimu, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryōshū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 18. 115 Daten nach Kobayashi, Kenzō/Terunuma, Yoshibumi: Shōkon-sha seiritsu-shi no kenkyū, S. 213–222. Die 16 Schreine zwischen 1864 und 1867 wurden schwerpunktmäßig im Fürstentum Chōshū begründet. 116 Insgesamt wurden bis 1949 mindestens 150 shōkon-Schreine bzw. gōkoku-Schreine im ganzen Land angelegt. Nicht eingerechnet sind dabei Schreine in den Kolonien. Vgl. Kobayashi, Kenzō/Terunuma, Yoshibumi: Shōkon-sha seiritsu-shi no kenkyū, S. 213–222. 117 Murakami: Irei to shōkon, S. 88–91.
124
2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
Seit Beginn der 1870er Jahre wurde der Tōkyō shōkon-sha, wie der 1869 errichtete neue Schrein zunächst genannt wurde, mehr und mehr zur zentralen staatlichen Gedenkstätte für die Gefallenen ausgebaut. Seine Anlage beendete die Konstituierungsphase und vollendete den klassischen politischen Totenkult, wies aber im Vergleich zu seinen Vorgängern und Vorläufern einige Besonderheiten auf. Zum einen bildete er die zentrale nationale Gedenkstätte für die Opfer der kaiserlichen Seite seit der gewaltsamen Landesöffnung im Jahre 1853, der aber zugleich prospektiv war, d. h. auch der Ehrung künftiger Gefallener dienen sollte. Insofern wurden hier bereits Deutungs- und Legitimationsmuster künftiger militärischer Konflikte vorweggenommen – und, bezieht man die Schreine für die loyalen Untertanen mit ein, auf die unten eingegangen wird (Kap. 2.2.3), historisch gleichsam transzendiert. Zum anderen ist die Wahl des Ortes, an dem der Schrein errichtet wurde, signifikant. Seine Anlage in einem damals recht dichtbebauten Viertel nördlich der Festung von Edo, auf einem ehemaligen Exerzierplatz des Shōgunats auf dem Kudan-Hügel, bedeutete die Lösung des wichtigsten shōkon-Schreins von existierenden Grabanlagen, mit denen sie noch in Shimonoseki und Higashiyama und später auch noch etwa in Hakodate oder Nagaoka verbunden waren.118 Drittens ist mit der Einschreinungszeremonie für die Gefallenen der Niederschlagung des Saga-Aufstandes 1874 in den Tōkyō shōkon-sha, die auf shintōistischen Bestattungsriten und der Praxis der Bakumatsu-Zeit aufbaute, eine Fixierung der zeremoniellen Abläufe festzustellen. Es wurde üblich, die Seelen der Gefallenen zunächst zu einem shōkon yuniwa, einem zuvor rituell gereinigtem Ort nahe des Schreines,119 herbeizurufen (vgl. Abb. 23 S. 191 und Abb. 38 S. 253), sie von dort in einer Prozession, von militärischen Ehrenwachen flankiert, mit einer Sänfte zur Haupthalle des Schreines (seiden) zu transportieren (vgl. Abb. 39 S. 253) und sie dort mittels einer weiteren Zeremonie in den eigentlichen Gottkörper (shintai) einzuschreinen (gōshi).120 Hierdurch wurden sie zu
118 Zunächst war die Errichtung des Schreines auf dem Tōkyō überblickenden Edo-mizaka (im heutigen Matsudo) oder im Stadtteil Ueno, auf dem Gelände des heutigen Ueno-Parks, geplant worden, wo 1868 tatsächlich Kämpfe zwischen den kaiserlichen Truppen und Anhängern der Tokugawa, den Shōgi-tai, stattgefunden hatten (Schlacht von Ueno). Hier hatte sich ursprünglich der Haustempel der Tokugawa, der Kan’ei-ji, der auch die Gräber von sechs Shōgunen barg, befunden. Dieser war in den Kämpfen weitgehend zerstört und darüber hinaus gefallene Angehörige der Shōgi-tai hier kremiert worden. Vizeheeresminister Ōmura Masujirō habe diesen Plan jedoch verhindert, da „Ueno Gebiet der Seelen Verstorbener“ bzw. der Kudan-Hügel im Nordwesten des Kaiserpalastes günstig gelegen sei. Vgl. Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja-shi, Tōkyō: Yasukuni jinja 1911, S. 30; Kawamura, Kunimitsu: Yasukuni jinja to jinja no kindai, S. 110–111. 119 Vgl. Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 505–511. 120 Kawamura, Kunimitsu: Yasukuni jinja to jinja no kindai, S. 112.
2.2 Politischer Totenkult
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„Heldenseelen“ (eirei) bzw. „Göttern der Landesverteidigung“ (gokoku no kami) erhoben. Anschließend sollen sie in einer Welt (yūkyō) leben, die als sehr real, aber friedlich imaginiert wird und sich räumlich unmittelbar über dem Yasukuni befinde.121 Hier gingen die Seelen sogar Berufen nach.122 Das „Gebet aus Anlass des Ordentlichen Jahresfestes“ (reisai norito), welches der Oberpriester des Yasukuni-Schreines an sie richtet, definiert dabei als ihre primäre Aufgaben den Schutz der kaiserlichen Herrschaft, der kaiserlichen Familie und der Regierung sowie den Schutz des Landes vor ausländischen Mächten.123 Darüber hinaus wird ihnen auch in wichtigen staatlichen oder militärischen Angelegenheiten (wie Kriegserklärungen, Schlachterfolgen usw.) Bericht erstattet, was ebenfalls meist mit Fürbitten verbunden wird.124 Daneben wurden regelmäßig abzuhaltende „Ordentliche Schreinfeste“ (rei-taisai) etabliert, die den Jahresrhythmus des Schreinlebens strukturierten. „Außerordentliche Schreinfeste“ (rinji taisai) dienten darüber hinaus der Einschreinung neu hinzugekommener Gefallener. Die Ordentlichen Schreinfeste wurden an den Jahrestagen militärischer Erfolge (konkret der Schlachten von Fushimi und Ueno sowie den Kapitulationen von Hakodate und Aizu, letzterer freilich um einen Tag verschoben, da er mit dem Geburtstag des Meiji-tennō zusammenfiel) durchgeführt und orientierten sich damit zunächst an den wichtigsten Etappen des Boshin-Krieges.125 Viertens war der Tōkyō shōkon-sha bereits in seiner Entstehungsphase keineswegs ein Ort allein eines solennen und erhabenen Charakters, sondern ein Ort auch des Vergnügens und der Attraktionen, wie etwa die Durchführung von Sumo-Wettkämpfen und Feuerwerken oder die Errichtung einer der ersten Pferderennbahnen
121 Der Teil der Seele, der dabei zum Yasukuni gerufen wird, ist der kon. Vgl. hierzu Memorandum, Subject: Yasukuni Jinja Enshrinement Ceremonies, 30 April – 1 May 1946, Source: Dr. A. Nelson’s report of a conference with Priests Yokoi and Takeuchi of the Yasukuni Shrine and his attendance at enshrinement ceremonies (May 1946), 19. August 1946 (Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand William P. Woodard Papers, Box 28/6, Nr. 16). 122 Ebenda. 123 Vgl. Reisai norito, Anhang 4. 124 Vgl. das Gebet des Kaiserlichen Gesandten aus Anlass der Kriegserklärung an die USA und Großbritannien, Yasukuni-Schrein, 1941, Anhang 5. Eine nach wie vor offene „theologische“ Frage ist die nach dem Verhältnis des Tennō zu den Gottheiten des Yasukuni. Auch wenn der Kaiser (in persona oder in Gestalt seines Gesandten, des chokushi) die kami des Yasukuni verehrt, befiehlt er ihnen doch zugleich, was das in Anhang 5 abgedruckte Gebet eindeutig belegt. Siehe zum Verhältnis des Tennō zu den kami des Yasukuni auch Breen, John: Yasukuni and the Loss of Historical Memory, In: Ders. (Hg.): Yasukuni, the War Dead and the Struggle for Japan’s Past, London: Hurst 2007, S. 143–162, hier S. 146–147. 125 Vgl. Imai, Akihiko: Kindai Nihon to senshi-sha saishi, S. 40.
126
2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
Japans vor dem Schrein zeigte, 126 der hierdurch zu einem wichtigen Ort im öffentlichen Raum und auch zu einem Repräsentanten von Modernisierung der neuen Hauptstadt avancierte. Fünftens schließlich unterstrich der Schrein die Sonderbeziehungen des Tennō zu „seinen“ im Aufbau befindlichen Streitkräften und den Gefallenen. Der künftige Yasukuni-Schrein war einer der Schreine, die der Meiji-tennō, neben anderen Angehörigen des Kaiserhauses, seit 1874 wiederholt selbst besuchte, wodurch seine Bedeutung nachhaltig demonstriert und – durch mediale Verbreitung – für die Öffentlichkeit symbolisiert wurde.127 Aus Anlass seines ersten Besuches verfasste der Tennō ein tanka-Kurzgedicht, welches die Haltung des Monarchen gegenüber dem Schrein zum Ausdruck bringen sollte: „Wa ga kuni no tame o tsukuseru hitobito no Na mo Musashino ni tomuru tamagaki.“ („Der Schrein, der selbst die Namen derjenigen, die ihr Leben für unser Land gegeben haben, in Musashino bewahrt“).128
Die Sonderbeziehung des Tennō zum Schrein wurde darüber hinaus durch die Entsendung eines Kaiserlichen Gesandten (chokushi) zu den Schreinfesten unterstrichen (vgl. Abb. 10), der seit der Gründung des Tōkyō shōkon-sha 1869 an den Schreinfesten und wichtigen Zeremonien teilnimmt sowie Opfergaben (meist aus Papier oder Seide) und Glückwünsche darbringt (hōhei).129 Sechstens schließlich erhielt der Schrein eine administrative Sonderstellung, als die Verwaltung des Schreines, im Gegensatz zu den anderen Schreinen des Landes, die dem Schreinund später vom Innenministerium unterstanden, zunehmend in die Hände der Streitkräfte überging. In der zweiten Hälfte der 1870er Jahre fand die Etablierung des shōkonGlaubens schließlich ihren vorläufigen Abschluss. 1875 ordnete die Regierung an, dass die Seelen aller Opfer der kaiserlichen Seite auch in den Tōkyō shōkonsha einzuschreinen seien: der Schrein avancierte damit zur einzigen zentralen Gedenkstätte für die Toten der kaiserlichen Seite seit der Ankunft der „Schwar-
126 Kawamura, Kunimitsu: Yasukuni jinja to jinja no kindai, S. 111. Die Pferderennbahn auf dem Gelände des Yasukuni-Schreines existierte bis 1901. 127 Vg. zum Verhältnis von Schrein und Kaiserhaus Yasukuni jinja: Yasukuni jinja hyaku-nenshi. Shiryō-hen, Band 2, S. 1–40, hier insbesondere auch die Übersicht über die Besuche a. a. O., S. 3–11. 128 A. a. O., S. 16–17. Das hier als „Schrein“ übersetzte Nomen tamagaki bezeichnet wörtlich die Einfriedung eines Schreines, ist hier aber im übertragenen Sinne zu verstehen; Musashino ist die historische Bezeichnung für einen Teil der heutigen Präfektur Tōkyō, die vom alten Provinznamen Musashi no kuni abgeleitet wurde. 129 Eine Übersicht über die chokushi seit 1869 in a. a. O., S. 26–37.
2.2 Politischer Totenkult
Abb. 10: Besuch des chokushi am Yasukuni-Schrein
Abb. 11: Yasukuni-Schrein (1942)
127
128
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zen Schiffe“. Diese Sonderstellung wurde 1879 unterstrichen, als der Tennō dem Schrein nach der Pazifizierung des Landes durch die Niederschlagung des letzten Samurai-Aufstandes, des Südwest-Krieges, einen neuen Namen verlieh: Yasukuni jinja, der „Schrein des friedlichen Landes“ (Abb. 11).130
2.2.2 Exklusivität des Gefallenenkultes Die Legitimationsmuster der kaiserlichen Seite in den Jahren um die Meiji-Restauration und insbesondere die kangun-zokugun-Dichotomie bedingte als weiteres Charakteristikum die doppelte Exklusivität des Gefallenenkultes. Damit löste sich der Umgang mit Gefallenen von der traditionellen vormodernen Praxis der Gleichheit bzw. Gleichbehandlung von Freund und Feind (onshin byōdō) nach dem Tode. Verehrt wurden ausschließlich die militärischen Toten der eigenen Seite, denn nur sie hatten für die Sache des Kaisers gekämpft und nur ihr Tod galt als Ausdruck selbstbestimmten loyalen Handelns. Im Gegenzug erstreckte sich die Totenehrung weder auf zivile Opfer, deren Tod letztlich zufälligen Charakter hatte, noch auf die Opfer der gegnerischen Seite, die nicht als legitime Widersacher, sondern zuallererst als Gegner des Tennō galten und somit als Verräter bzw. Rebellen verurteilt wurden. Sie konnte sogar zu einem besonders ehrverletzenden Umgang mit den verstorbenen Gegnern führen. Im Boshin-Krieg zeigte sich dies vor allem am Verbot einer ordnungsgemäßen Bestattung der Leichen und einer Durchführung von Trauerritualen für die Gefallenen der gegnerischen Seite. Traurige Berühmtheit erlangte dabei der Umgang mit den Toten der Streitkräfte des Fürstentums Aizu, das seitens der neuen Regierung als „Rädelsführer der Feinde des Hofes“ (chōteki no kyokai) angesehenen wurde.131 Nach den Kämpfen,
130 Vgl. Umbenennung des Tōkyōer Totengedenkschreines in Yasukuni Schrein, Einreihung unter die Reichsschreine der Sonderklasse (4. Juni 1879), In: Lokowandt, Ernst: Rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō in der Meiji-Zeit, S. 328–329. Das Original ist abgedruckt als Tōkyō shōkon-sha Yasukuni jinja to kaishō bekkaku kanpei-sha retsu naimū riku-kaigun sanshō kanri saiten sono ta toriatsukai kubun, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 24. Siehe für die Hintergründe auch Sakamoto, Koremaru: Yasukuni jinja no sōken to shōkon-sha no seibi, In: Ders.: Kokka shintō keisei katei no kenkyū, Tōkyō: Iwanami shoten 1994, S. 386–417. 131 Vgl. zum Umgang mit den Gefallenen des Fürstentums Aizu Imai, Akihiko: Kindai Nihon to senshi-sha saishi; Ders.: Han-seifu-gun senbotsu-sha no irei; Ders.: Kindai ni okeru ‚zokugun‘ senshi-sha no saishi. Aizu Boshin sen’eki o jirei to shite, In: Kokugaku-in daigaku kenkyū kaihatsu suishin sentaa (Hg.): Reikon, irei, kenshō. Shisha e no kioku sōchi, Tōkyō: Kinsei-sha 2010, S. 74–96; Aizu shigakkai (Hg.): Boshin sensō junnan-sha bohi chōsa, Aizu-Wakamatsu: Aizu chōrei gikai 1987; Tanaka, Satoru: Shisha no seiji-gaku. Kindai Aizu no senshi-sha to ai-
2.2 Politischer Totenkult
129
bei der die Truppen Chōshūs und Satsumas sowohl gegen Kombattanten wie auch die Zivilbevölkerung äußerst brutal und rücksichtslos agierten, wurde – etwa nach der Schlacht um den Bonari-Pass (Bonari no tōge) oder nach der Erstürmung der Festung von Wakamatsu – eine Bestattung der Gefallenen der antikaiserlichen Seite bei strengster Strafe untersagt. Ihre Leichname sollten vielmehr an Ort und Stelle den Elementen und der Verwesung preisgegeben werden und Vögeln und Hunden zum Fraß dienen. Waren heimlich durch Angehörige bzw. Anwohner Beisetzungen durchgeführt worden und hatten die Behörden Kenntnis davon erlangt, wurden diese verhaftet und die Leichname wieder ausgegraben und erneut der Natur ausgesetzt. Eine Ausnahme wurde nach langwierigen Verhandlungen zunächst lediglich für die später so berühmten 19 jungen Krieger der „Weißen-Tiger-Truppe“ (Byakko-tai) gemacht, die sich, als sie die Festung von Wakamatsu erstürmt glaubten, auf dem Iimori-Berg selbst getötet hatten. Aber auch ihre Beisetzung hatte nachts zu erfolgen. Schließlich gestatteten Vertreter der neuen Regierung die Bestattung von Gefallenen durch Angehörige der Schicht der Paria (eta bzw. hinin) auf einem Hügel, auf den bisher die Leichen hingerichteter Verbrecher und die Kadaver toter Pferde verbracht worden waren. Trotz zahlreicher Bittschriften von Angehörigen und Kameraden, die um eine übliche Behandlung als Kriegsgefallener nachsuchten, demonstrierte der Staat so nachdrücklich ihre Kategorisierung als Verbrecher. Die Vorgabe, dass Paria die Beisetzung durchzuführen hatten, bedeutete, dass Angehörige und Kameraden aus dem Kriegeradel faktisch von einer Teilnahme ausgeschlossen waren, war es ihnen doch nicht einmal gestattet, ein Wort mit den Diskriminierten der Unterschicht zu wechseln. Für die Verhandlungen über die Bestattungsmodalitäten musste man folglich auf einen Beamten der Falknerei des Fürstentums zurückgreifen, für den für die Beschaffung von Tierfutter Sonderbestimmungen galten. Auch sind Einzelfälle überliefert, wo Samurai ihren Status aufgaben, um an der Regelung bzw. Durchführung von Beisetzungen mitwirken zu können. Erst fünf Monate nach den Kämpfen wurden schließlich die inzwischen stark verwesten Körper der Gefallenen im Fürstentum Aizu nach buddhistischen Riten in Sammelgräbern beigesetzt, die vorzugsweise auf dem Gelände von Tempeln, welche die eta und hinin nutzten, angelegt wurden. Ob es die hygienische Situa-
dentiti (= Dissertation Kōbe daigaku daigaku-in kokusai kyōryoku kenkyū-ka 2007), (online abrufbar unter: http://www.lib.kobe-u.ac.jp/infolib/ meta_pub/G0000003kernel_D1004158 , letzter Zugriff 7. Oktober 2010); Ders.: Senshi-sha no kioku/bōkyaku. Kindai Aizu to Yasukuni jinja no kankei o tegakari ni, In: Ji-sedai jinbun shakai kenkyū 3 (2007), S. 323–337 (online abrufbar unter: http://www.lib.kobe-u.ac.jp/infolib/meta_pub/ G0000003kernel_90000595 , letzter Zugriff 7. Oktober 2010); Shimoda, Hiraku: Lost and Found. Recovering Regional Identity in Imperial Japan, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 2014, hier S. 83–96.
130
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tion insbesondere in den Siedlungen, politische Erwägungen oder der Nachdruck waren, mit dem die betroffenen Angehörigen ihre Bitten vorbrachten, die letztlich zum Sinneswandel der Sieger führte, lässt sich nicht ermitteln. Die Behörden achteten im Folgenden sehr darauf, dass die Toten nicht geehrt würden. Ein zaghafter Versuch war unternommen worden, als auf dem Sammelgrab im Amida-Tempel (Amida-ji) ein Grabpfosten bzw. -stein mit der Inschrift „Seelen der Märtyrer“ (junnan no tama) aufgestellt und eine kleine Gebetshalle (haiden) errichtet wurde. Beide mussten auf Befehl der neuen Obrigkeit sofort wieder zerstört und durch die neutrale Inschrift „Pfosten, den Tod Verstorbener zu betrauern“ (chōshi-hyō) ersetzt werden.132 Danach folgten die Totenzeremonien, die an den Gräbern der Gefallenen durchgeführt wurden, der buddhistischen Tradition: Es wurden Andachten gehalten und Opfergaben (kuyō) dargebracht sowie durch verschiedene Schulen gemeinsam buddhistische Seelenmessen (segaki-e) gelesen, die jedoch in einem privaten Kontext verblieben. Eine Ehrung durch den japanischen Staat erfolgte nicht. Dies ist als eindeutiger Bruch mit der vormodernen Tradition der Praxis der Gleichbehandlung von Freund und Feind oder auch der Besänftigung feindlicher Rachegeister zu sehen, welche Formen der Totenehrung verlangten. Erst 1876 hob die Regierung das Verbot zur Totenehrung der Gefallenen, die im BoshinKrieg auf Seiten des bakufu gegen die Meiji-Regierung gekämpft hatten, offiziell auf.133 Im Gegensatz dazu wurden die Gefallenen der kaiserlichen Seite in den Kampfgebieten kremiert und in Einzelgräbern beigesetzt, die inzwischen nach Fürstentümern getrennt errichtet und mit traditionellen Elementen wie Votivlaternen (tōrō) ausgestattet worden waren. Bereits vor Ort wurden erste shōkonZeremonien abgehalten und die Seelen der Gefallenen 1869 schließlich in den Tōkyō shōkon-sha eingeschreint.134 Aus Angst vor gewaltsamen Protesten der Bevölkerung wurde jedoch die Errichtung eines shōkon-Schreines in Aizu seitens der Regierung bis 1871 aufgeschoben.
132 Imai, Akihiko: Kindai Nihon to senshi-sha saishi, S. 48–49. 133 Vgl. Boshin kishi no sai ōshi ni teikō shi senbotsu no mono saishi shikkō o yurusu (= Dajōkan tasshigaki Nr. 108 vom 18. August 1876 (Meiji 9)) (online abrufbar unter: http://kindai.da.ndl. go.jp/ info:ndljp/pid/787954/232 , letzter Zugriff 09. April 2012); Imai, Akihiko: Kindai Nihon to senshi-sha saishi, S. 57. 1913 gründete sich in Aizu schließlich als Stiftung öffentlichen Rechts die Aizu chōrei gikai, deren erklärtes Ziel die Ehrung der Kriegstoten der „östlichen Armee“ ist. In ihren Händen liegt bis heute die Durchführung von Totenzeremonien auf dem Gebiet der Gemeinde Aizu-Wakamatsu, wobei ihrerseits freilich die Gräber und Seelen der Gefallenen der kaiserlichen Seite ausgeschlossen bleiben. 134 A. a. O., S. 39–42.
2.2 Politischer Totenkult
131
Übrigens hinterließ diese Art der Behandlung bis heute Narben im kollektiven Bewusstsein der Menschen in Nordostjapan. Nach wiederholten Anläufen kam es erstmals 1996 zu einem Treffen der Bürgermeister der Städte Hagi, der ehemaligen Hauptstadt des Fürstentums Chōshū, und von Aizu-Wakamatsu. Dabei mussten die Vertreter Hagis betonen, als Privatpersonen (shijin) in nichtoffizieller Funktion (hi-kōshiki) aufzutreten, was freilich nicht verhinderte, dass ihnen der Handschlag zum Zeichen der Versöhnung verwehrt blieb.135 Nota bene differierten – und differiert bis heute – Selbstbezeichnung und damit auch Selbstbild in denjenigen Regionen, die Widerstand gegen die neue Regierung leisteten. Hier wurden beide Lager mit den neutralen Begriffen „östliche“ bzw. „westliche Armee“ (Tō-gun und Sei-gun) benannt. Zugleich verzichtete auch das pro-bakufu-Lager nicht auf das symbolische Kapital einer Unterstützung durch das Kaiserhaus. So ernannte die Allianz nordöstlicher Fürstentümer den kaiserlichen Prinzen Rinnō-ji no miya Kōgen-hō-shinnō (1847–1895), den späteren Kitashirakawa no miya Yoshihisa-shinnō zu ihrem Oberbefehlshaber (sōtoku).136 Umstritten ist, ob er möglicherweise sogar zu einem Gegenkaiser unter dem Namen Tōbu-tennō ausgerufen wurde. Einer künftigen Karriere in den kaiserlichen Truppen sollte dieses Intermezzo im Leben des Prinzen freilich nicht entgegenstehen, er wurde später zum Oberbefehlshaber der Kaiserlichen Leibgarde ernannt und starb nach dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg bei der Besetzung Taiwans.
2.2.3 Historischer Totenkult: Chūshin kenshō und Kusunoki-Verehrung Die Entstehung der Praxis des Herbeirufens und Einschreinens der Seelen von Gefallenen war schließlich eng mit der Verehrung historischer „loyaler Untertanen“ (chūshin kenshō) und der in der Endphase der Edo-Zeit deutlich zunehmenden Kusunoki-Verehrung, die sich vor allem an der Durchführung von „KusunokiFesten“ (Nankō-sai) zeigte, verknüpft.137 Sie war ein elementarer Bestandteil der prokaiserlichen Ideologie, wie sie in der Nationalen Schule und der Mito-Schule
135 Vgl. a. a. O., S. 19–20. 136 A. a. O., S. 25–26. Der Prinz war zum Zeitpunkt des Ausbruches des Boshin-Krieges Abt am Haustempel der Tokugawa in Edo, dem Kan’ei-ji. In der japanischen Forschung wird wiederholt die Auffassung vertreten, dass die Ernennung eines kaiserlichen Prinzen zum Abt dieses Tempels der Kontrolle des Kaiserhauses und dem Zugriff auf einen potentiellen Thronprätendenten im Konfliktfall durch das bakufu diente. 137 Hata, Nagami: ,Shōkon saishi‘-kō I, S. 47.
132
2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
entwickelt worden war.138 Die regionale Zentren der sonnō jōi-Bewegung, nämlich die Fürstentümer Satsuma, Chōshū, Mito, Tsuwano, Kurume und Saga, waren folgerichtig zugleich die Zentren der Verehrung des kaisertreuen Feldherren aus dem 14. Jahrhundert. Zahlreiche Loyalisten, welche in verschiedenen Revolten und Verschwörungen gegen das bakufu in den Jahren um die Meiji-Restauration ums Leben kamen, wie etwa Yoshida Shōin, Arima Shinshichi (1825–1862), Yokoi Shōnan (1809–1869) oder Maki Yasuomi bzw. Izumi (1813–1864), waren devote Verehrer Kusunokis. Maki etwa, selbst shintōistischer Priester des Suiten-gū von Kurume, Anhänger von Aizawa Sheishisai und Autor mehrerer prokaiserlicher Pamphlete, der sich nach dem gescheiterten Versuch der Eroberung des Kaiserpalastes 1864 (Kinmon no hen), an dem er teilgenommen hatte, das Leben nahm, hatte sich explizit Kusunoki als Leitbild für das eigene Handeln erwählt und wurde von seinen Zeitgenossen als „Kusunoki unserer Tage“ (ima-Nankō) bezeichnet.139 Dabei setzte sich Maki nachdrücklich dafür ein, die historischen Anhänger des Kaiserhauses zu deifizieren und sie zu ehren, indem man ihnen posthum Hofränge verlieh.140 Der erste „loyale Untertan“, der in der Spätphase der Edo-Zeit deifiziert wurde, war jedoch nicht Kusunoki, sondern Wake no Kiyomaro, der der Überlieferung nach während des sog. Dōkyō-Zwischenfalls im 8. Jahrhundert als ranghoher Beamter einen Dynastiewechsel verhindert hatte.141 Kaiser Kōmei erhob ihn bereits 1851 zum Gott, verlieh ihm den Namen Goō daimyōjin („Große, den Monarchen schützende Lichtgottheit“) und beförderte ihn posthum in den Wahren Ersten Hofrang. Auch ihm wurde mit seiner Erhebung eine Schutzfunktion (goō) zugeschrieben. Für den Hofadligen wurde in Kyōto ein Schrein, der heutige GoōSchrein, errichtet. Dieser wird später in den Rang eines Reichsschreines der Sonderklasse erhoben und sogar in die Nähe des Kaiserpalastes transferiert.142 1864 forderte der Regent von Satsuma, Shimazu Hisamitsu (1817–1887) in einer Petition, „in Minatogawa einen Schrein (shau) zu errichten und dort künftig die Seelen (tama) von Prinz Morinaga, Kusunoki Masashige und anderen anzubeten (hōshi sen).“143 Diese Forderung zielte darauf, nicht nur Kusunoki selbst zu vergöttlichen, sondern alle Anhänger des Kaisers Go-Daigo und seiner Nachfolger, die während der Kenmu-Restauration und des sich anschließenden
138 Vgl. oben Kap. 1.3. 139 Vgl. Yamaguchi, Muneyuki: Maki Izumi, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 1989. 140 Hata, Nagami: ,Shōkon saishi‘-kō I, S. 47. 141 Vgl. oben Kap. 1.4. 142 Tokoro, Isao: Wake no Kiyomaro to Goō jinja, Kyōto: Goō jinja 2014. 143 Hata, Nagami: ,Shōkon saishi‘-kō I, S. 48; Morita, Yasunosuke: Minatogawa jinja-shi. Band 2: Keigyo, S. 856–857.
2.2 Politischer Totenkult
133
Schismas für die Sache ihres Herrschers ums Leben gekommen waren, und den Schrein als Ort für Fürbitten und Gelübde zur „Verteidigung des Landes und zur Vertreibung der Barbaren“ (gokoku jōi) zu nutzen.144 Der Fürst von Owari, Tokugawa Yoshikatsu (1824–1883), ging 1867 in einer Denkschrift an den Kaiserhof über diesen Vorschlag noch hinaus, als er die Errichtung eines Schreines zu Ehren Kusunokis in Kyōto empfahl und die Ehrung der Toten der BakumatsuZeit direkt damit verknüpfte. Er regte an, in einem Zweigschrein (sessha) auch die Seelen all jener „zu besänftigen und einzuschreinen“, die „in neuerer Zeit für den Staat ihr Leben verloren haben.“145 Die empfohlene „Besänftigung der Seelen“ zeigt aber zugleich, dass der Vorschlag aus Owari noch stärker in den traditionellen Umgangsformen mit Gefallenen verblieb als die Überlegungen in Satsuma. Tab. 1: Schreine zu Ehren kaiserlicher Loyalisten. (Nach Hata, Nagami: ‚Shōkon saishi‘-kō I, S. 51.) Gründung Schrein
Eingeschreinte Hauptgottheit(en)
Status des Schreins
heutiger Ort
1868 1868 1868 1869 1870 1871 1873 1878 1879
Minatogawa-Schrein Kamakura Kikuchi-Schrein Iinoya-gū Fujishima-Schrein Yoshino jingū Yatsushiro-gū Nawa-Schrein Abeno-Schrein
bekkaku kanpei-sha kanpei chūsha bekkaku kanpei-sha kanpei chūsha bekkaku kanpei-sha kanpei dai-sha kanpei chūsha bekkaku kanpei-sha bekkaku kanpei-sha
Kōbe Kamakura Kikuchi Hamamatsu Fukui Yoshino Yatsushiro Ōyama Ōsaka
1882 1882 1885
Yūki-Schrein Komikado-Schrein Ryōzen-Schrein
bekkaku kanpei-sha bekkaku kanpei-sha bekkaku kanpei-sha
Tsu Narita Date
1885
Shijōnawate-Schrein
bekkaku kanpei-sha
Shijōnawate
1890
Kanegasaki-gū
Kusunoki Masashige Prinz Morinaga Kikuchi Taketoki Prinz Muneyoshi Nitta Yoshisada Kaiser Go-daigo Prinz Muneyoshi Nawa Nagatoshi Kitabatake Chikafusa, Kitabatake Akiie Yūki Munehiro Fujiwara Morokata Kitabatake Chikafusa, Kitabatake Akiie u. a. Kusunoki Masatsura u. a., Prinz Tsuneyoshi Prinz Takayoshi, Prinz Tsuneyoshi
kanpei chūsha
Tsuruga
1928
Kitabatake-Schrein
Kitabatake Akiyoshi
bekkaku kanpei-sha
Tsu
144 Ebenda. 145 Die Denkschrift ist abgedruckt in a. a. O., S. 855–856, hier S. 856.
134
2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
Nur wenige Monate nach der Restauration der kaiserlichen Herrschaft ging die neue Regierung daran, den Forderungen Rechnung zu tragen und Schreine zu Ehren der historischen „loyalen Untertanen“ zu errichten. Den Beginn machte dabei Ende Juni 1868, einen Tag vor dem Erlass zu Errichtung des Schreines für die Gefallenen in Higashiyama, der Schrein zu Ehren Kusunokis, der Minatogawa-Schrein (Minatogawa jinja).146 Man erbaute ihn am mutmaßlichen Ort seines Selbstmordes, der sich seit der Errichtung des Gedenksteines durch Tokugawa Mitsukuni bereits zu einem Wallfahrtsort der Kusunoki-Verehrung entwickelt hatte. Auch hier verband man, wie bereits beim Sakurayama-Schrein in Shimonoseki, dem Ryōzen-Schrein in Higashiyama oder dem oben erwähnten Schrein für Wake no Kiyomaro in Kyōto, die Schreinanlage mit der überlieferten Grabanlage. Neben Kusunoki wurden sein Sohn Masatsura, sein Bruder Masasue, der sich gemeinsam mit Masashige das Leben genommen hatte, und 16 weitere Angehörige der Familie und schließlich Kikuchi Takeyoshi offiziell durch den Tennō in den Status einer Gottheit erhoben und eingeschreint; seine Gemahlin erhielt einen eigenen Nebenschrein, den Kannabi jinja.147 Darüber hinaus demonstrierten der junge Kaiser und zahlreiche Politiker wie Itō Hirobumi oder Etō Shinpei durch Stiftungen etwa von Votivlaternen (tōrō) ihre Unterstützung für das neue Heiligtum. Der Minatogawa-Schrein bildete aber nur den Startpunkt der Errichtung einer ganzen Reihe von Schreinen im ganzen Land, die der Verehrung historischer Leitbilder an Treue und Loyalität gegenüber dem Kaiserhaus dienen sollten. Im Mittelpunkt standen dabei Persönlichkeiten der Kenmu-Restauration und Anhänger des Südhofes während der sich anschließenden Nanboku-Zeit (vgl. Tab. 1). Dabei wurden für Angehörige des Kaiserhauses jingū (Großschreine) und für Vasallen jinja (Schreine) angelegt. Beide bildeten in der offiziellen Hierarchie der Schreine (shakaku) eine eigene Kategorie, die „Reichsschreine der Sonderklasse“ (bekkaku kanpei-sha), zu der auch der Yasukuni-Schrein gehörte, oder wurden in die Kategorie der „Reichsschreine“
146 Vgl. zur Errichtung des Minatogawa-Schreines Morita, Yasunosuke: Minatogawa jinja-shi. Band 3: Chinza, Kōbe: Minatogawa jinja shamusho 1987, S. 21–78 und 99–133. Im gleichen Monat führte die Regierung am Todestag des mittelalterlichen Helden auf dem Exerzierplatz Kawahigashi sōren-jō in Kyōto – also am selben Ort, an dem auch das große shōkon-sai von Kyōto durchgeführt wurde – das erste staatliche Fest zu Ehren Kusunoki Masashiges nach shintōistischem Ritus (Nankō-sai) durch. Auch hier waren wieder die Verantwortlichen für die Religionspolitik der neuen Regierung, etwa Fukuba Bisei oder Kamei Koremi, anwesend. Schließlich konnte auch bei diesem Fest die Bevölkerung teilnehmen. 147 Vgl Minatogawa jinja (Hg.): Dai-Nan-kō, S. 58–70. Auch Kikuchi, der selbst einer kaisertreuen Familie entstammte, nahm sich nach der Schlacht am Minatogawa das Leben.
2.2 Politischer Totenkult
135
(kanpei-sha) integriert.148 Insofern ordnete sich die Verehrung der zeitgenössischen Gefallenen ein in ein umfassendes, die japanische Geschichte übergreifendes System der Ehrung von loyalen Untertanen (chūshin kenshō), das den historischen Referenzrahmen für den neuzeitlichen Gefallenenkult bildete. Zugleich stellte der politische Totenkult an dieser Stelle ein wichtiges Element des sich herausbildenden Staatsshintō und der auf den Monarchen bezogenen politischen Ordnung dar. Damit verfügten die Schreine über eine explizite, auf Gegenwart und Zukunft hin ausgerichtete politische Dimension, welche mindestens gleichberechtigt neben die religiöse Dimension trat.
2.2.4 Die Einführung von Militärfriedhöfen Neben der Etablierung von auf das Jenseits gerichteten staatsshintōistischen Totenzeremonien ging mit der Einführung der Wehrpflicht auch eine weitere Neuerung einher, die für die Geschichte des Gefallenenkultes in Japan bedeutsam werden sollte: Die Anlage von spezifischen Friedhöfen für Militärangehörige.149
148 Vgl. zu den Schrein-Rängen der frühen Meiji-Zeit Lokowandt, Ernst: Rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō, S. 117–122 und 172–181; Nakamura, Akira: Bekkaku kanpei-sha sōken jirei ni kan-suru ichi-kōsatsu, In: Kokugakuin daigaku kenkyū kaihatsu suishin sentaa kenkyū kiyō 3 (2009), S. 113–134. Zu den „Reichsschreinen der Sonderklasse“ gehörten auch Schreine für andere historische Persönlichkeiten, die sich um die Sache des Kaiserhauses verdient gemacht hatten, wie der Tanzan-Schrein (für Fujiwara no Kamatari) in Sakurai, die von Tokugawa Ieyasu zerstörten Schreine seiner Vorgänger, nämlich der Toyokuni-Schrein (Toyotomi Hideyoshi) und der Takeisao-Schrein (Oda Nobunaga) in Kyōto, die bereits aus der Edo-Zeit stammenden Schreine für Ieyasu selbst, also die beiden Tōshō-gū in Nikkō und auf dem Kunō-zan in Shizuoka, Schreine für berühmte Feldherren der Zeit der kämpfenden Reiche wie der Uesugi-Schrein (Uesugi Kenshin) in Yonezawa, der Toyosaki-Schrein und der Noda-Schrein (für Mōri Motonari und andere Mitglieder der Fürstenfamilie von Chōshū) in Yamaguchi und schließlich Schreine für Loyalisten der Edo-Zeit wie der Tokiwa-Schrein in Mito (für die Fürsten Tokugawa Mitsukuni und Tokugawa Nariaki). Hinzu kamen „Reichsschreine der ersten Klasse“ für diejenigen Kaiser, die im Kontext oder in Folge von kriegerischen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen waren, wie der Akama jingū in Shimonoseki für Kaiser Antoku, der in der Schlacht von Dannoura 1185 ertrunken war. Gerade bei letzteren ist die religiöse Dimension der Besänftigung der Seelen und des goryō-Glaubens nicht zu verkennen. 149 Vgl. zur Geschichte der Militärfriedhöfe in Japan v. a. Oda, Yasunori/Yokoyama, Atsuo u. a. (Hg.): Rikugun bochi ga kataru Nihon no sensō, Tōkyō: Mineruva shobō 2006; Arai, Katsuhiro/Ichinose, Toshiya (Hg.): Irei to haka (= Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan kenkyū hōkoku 102), Sakura: Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan 2003; Harada, Keiichi: ‚Bankotsu karu‘ kūkan no keisei. Rikugun bochi no seido to jittai o chūshin ni, In: Bukkyō daigaku bungaku-bu ronshū 82 (1998), wiederabgedruckt als ‚Bankotsu karu‘ kūkan. Gun’yō bochi, In:
136
2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
Diese erfolgte in den ersten Jahren unabhängig von militärischen Auseinandersetzungen. Die Gefallenen (der neuen Regierung) des Boshin-Krieges und der Niederschlagung der verschiedenen Aufstandsbewegungen im Laufe der 1870er Jahre hatte man räumlich konzentriert und meist in individuellen Gräbern unmittelbar in den Kampfgebieten bestattet. Eine Ausnahme bildete lediglich der Militärfriedhof von Saga, wo die Gefallenen des Saga-Aufstandes von 1874 in einem buddhistischen Tempel, dem Kenkō-in, in Sammelgräbern beigesetzt wurden (vgl. Abb. 12). Die Militärfriedhöfe hingegen dienten zunächst für Tote, die während des Dienstes in den neu angelegten Garnisonen durch Krankheit oder Unfälle ihr Leben verloren hatten. Sie zeichneten sich in der ersten Phase ihres Bestehens also durch eine spezifische negative Distinktion aus, die auch einen sprachlichen Niederschlag fand. Während die Namensgebung für die Grabanlagen für die Gefallenen im Nordosten Japans und dann auch auf Kyūshū bewusst die kangun-zokugun-Dichotomie aufgriff und die Friedhöfe als kangun bochi (Friedhof der Regierungstruppen, vgl. Abb. 13) bezeichnet wurden, wählte man für die Friedhöfe für diejenigen Angehörigen der Streitkräfte, die nicht bei Militäraktionen ums Leben gekommenen waren, die neutralen Begriffe rikugun bzw. kaigun maisō-chi (Bestattungsplatz des Heeres bzw. der Marine).150 Bereits seit der Mitte der 1870er Jahre verwischte sich diese Trennung freilich wieder, als Verletzte aus Kampfhandlungen oder mit Ansteckungskrankheiten Infizierte in den Militärhospitälern verstarben und nun ebenfalls auf den neu angelegten Friedhöfen bestattet wurden. In diesem Falle wurden aber die Grabsteine mit einer Inschrift versehen, welche die Teilnahme am entsprechenden Feldzug dokumentierte, etwa im Falle des Südwest-Krieges 1877 „Feldzug zur Niederwerfung der Rebellen der Präfektur Kagoshima im Jahre Meiji 10“ (Meiji jū-nen Kagoshima-ken zokuto seitō no eki).151 Zweitens bildeten die beide Typen von Militärfriedhöfen – durchaus im Unterschied zu den Gefallenen des Boshin-Krieges – seit Beginn der 1870er Jahre
Ders.: Kokumin-gun no shinwa. Heishi ni naru to iu koto, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2001, S. 213–256; Yokoyama, Atsuo: Senbotsu-sha, heieki jūji-sha no irei tsuitō to rikugun bochi. Sanadayama rikugun bochi no jirei o chūshin ni, In: Gunji shigaku 47 (2011), Heft 3, S. 35–55. 150 Harada, Keiichi: Riku-kaigun bochi seido-shi, In: Arai, Katsuhiro/Ichinose, Toshiya (Hg.): Irei to haka (= Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan kenkyū hōkoku 102), Sakura: Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan 2003, S. 97–160, hier S. 98–100. Tatsächlich wurden die Friedhöfe für die Gefallenen des Saga-Aufstandes und des Südwest-Krieges zunächst als „Friedof des Heeres“ (rikugun bochi) bezeichnet, mit der Übertragung der Verwaltung an das Innenministerium jedoch umbenannt. 151 Komatsu, Tadashi: Seinan sensō bohi-gun ga kataru mono, In: Oda, Yasunori/Yokoyama, Atsuo u. a. (Hg.): Rikugun bochi ga kataru Nihon no sensō, Tōkyō: Mineruva shobō 2006, S. 77– 104, hier S. 84.
2.2 Politischer Totenkult
137
Abb. 12: Sammelgrab für Regierungssoldaten, Kenkō-in, Saga
in ihrer Anlage die militärische Hierarchie ab. Seit 1869 waren zunächst ohne Ansehung des Dienstgrades den Hinterbliebenen 10 Ryō gezahlt worden, aus denen die Kosten für die Trauerfeier, die eigentliche Bestattung und die Errichtung eines Grabsteines finanziert werden konnten. Die Bestattungen blieben so individualisiert und auch räumlich diversifiziert, da sie meist in einem buddhistischen Tempel nach Wahl der Hinterbliebenen erfolgten. Mit der Einführung des landesweiten Systems der Militärfriedhöfe zwischen 1871 und 1873 für die beiden Teilstreitkräfte wurden erstmals auch jenseits militärischer Auseinandersetzungen an spezifischen Orten konzentrierte und nach einem festgelegten Reglement ablaufende Bestattungspraktiken etabliert, die in den Folgejahren schrittweise für die verschiedenen Truppengattungen und Standorte vereinheitlicht und systematisiert wurden. In Bezug auf Aufwand und Durchführung der Bestattung, die Lage des Grabes innerhalb des Friedhofes und die Größe des Grabsteines wurde nun je nach der Ranggruppe des Verstorbenen unterschieden (vgl. Abb. 13). Analog dazu differierte auch die finanzielle Unterstützung, die aus den Mitteln der Finanzabteilung des Militärministeriums (Hyōbu-shō kaikei-kyoku) bzw. ihren Pendants nach dessen Aufspaltung in Heeres- und Marineministerium 1873 bereitgestellt wurde.
138
2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
Abb. 13: Friedhof für Gefallene der kaiserlichen Streitkräfte im SüdwestKrieg, Takatsuki kangun bochi, Takatsuki, Präfektur Kumamoto (Im Vordergrund größere Grabsteine für Offiziere, im Hintergrund kleinere für einfache Soldaten.)
Drittens markieren auch die Militärfriedhöfe in ihrer Entstehung die zunehmende räumliche Trennung von Begräbnisplatz und shintōistischer Schreinanlage. In den frühesten Dokumenten der Heeresadministration, welche 1871 die Anlage von Militärfriedhöfen behandeln, ging man noch wie selbstverständlich davon aus, dass einerseits die Verstorbenen nach shintōistischem Ritus zu bestatten seien, und andererseits auch ein shōkon-Schrein auf ihrem Gelände zu errichten sei und dass an diesem Ort die Seelen der Verstorbenen einzuschreinen (gōsai) und damit zu besänftigen seien.152 Anhand von Karten kann belegt werden, dass der wahrscheinlich älteste Militärfriedhof Japans auf dem Sanadayama in Ōsaka mindestens bis 1903, möglicherweise sogar bis 1918 tatsächlich über einen eigenen shōkon-Schrein verfügte.153 Dies entsprach der Praxis älterer shōkon-Anlagen aus der Zeit des Boshin-Krieges wie etwa in Hagi, Niigata oder Hakodate, die ebenfalls Schrein und Gräber verbanden. Auch der HanaokayamaFriedhof des Heeres (Hanaokayama rikugun bochi) in Kumamoto befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des gleichnamigen shōkon-Schreines. Darüber hinaus gibt es aber keine Quellen, die den Schluss zuließen, dass auch an den anderen, nach 1872 errichteten Friedhöfen Schreine errichtet wurden. Analog etwa zum Yasukuni-Schrein setzte sich damit langfristig auch an dieser Stelle die Trennung von Schrein und Begräbnisstätte durch. Als shintōistische Elemente blieben damit lediglich die pyramidenförmigen Spitzen der Grabsteine (vgl. auch
152 Harada, Keiichi: Riku-kaigun bochi seido-shi, S. 100. 153 Zum shōkon-Schrein des Sanodayama-Heeresfriedhofes und den hier bzw. innerhalb der Mauern der ehemaligen Festung von Ōsaka durchgeführten shōkon-Zeremonien vgl. Yokoyama, Atsuo: Senbotsu-sha, heieki jūji-sha no irei tsuitō to rikugun bochi, S. 38–40. Die wenigen überlieferten Quellen legen dabei den Schluss nahe, dass die shōkon-Zeremonien den inzwischen etablierten Formen (Herbeirufung der Totenseelen, Einschreinung usw.) folgten. Weiterhin wurde durch ein Feuerwerk, Kyōgen-Aufführungen und Sumo-Wettkämpfe erfolgreich die Attraktivität für Besucher sichergestellt. Vgl. ebenda.
2.2 Politischer Totenkult
139
Abb. 13) sowie shintōistische torii und Votivlaternen (tōrō) erhalten, die oft von den zugehörigen Einheiten gestiftet wurden. Mit der Anlage der Militärfriedhöfe in den 1870er Jahren führten die japanischen Streitkräfte ein neues Element in die Praxis der Bestattung in Japan ein. Ihre Einführung diente einem doppelten Zweck: Einerseits war sie praktischen Erwägungen geschuldet, denn die vergleichsweise hohe Zahl von Toten der noch jungen Streitkräfte verlangte im Alltag nach einem schnellen und unaufwendigen Umgang mit den sterblichen Überresten, den die Praxis der Übergabe an die Hinterbliebenen zu diesem Zeitpunkt nicht gewährleisten konnte.154 Andererseits religiösen Erwägungen, denn von der korrekten Durchführung einer shintōistischen Bestattung und einer anschließenden kultischen Verehrung erwarteten die Behörden auch eine Besänftigung der Totenseelen (irei mo yasushi).155 Insofern reiht sich diese Entwicklung ebenfalls in die Verbreitung shintōistischer Jenseits- und Totenriten durch den Staat der frühen Meiji-Zeit ein, wobei sie tatsächlich bald durch die Funktion der Ehrung der Gefallenen und der Sicherstellung ihres Ruhmes in der Nachwelt abgelöst wurde.156 Aufschlussreich ist aber, dass sich die Beisetzung auf den Militärfriedhöfen nicht als alleinige Form durchsetzte. Eine Bestattung auf einem Soldatenfriedhof hatte zur Folge, dass Angehörige der Streitkräfte i. d. R. fern der Heimat und nicht im Familiengrab beigesetzt wurden und ihnen eine rituelle Verabschiedung durch die Familie und damit eine „Rückkehr“ zur Familie verwehrt wurde. In den 1870er Jahren war diese Form des Umganges mit den sterblichen Überresten dabei freilich noch nicht verbindlich: Zunächst blieb eine Bestattung durch die Hinterbliebenen möglich, sollten sie innerhalb von zwei Tagen die sterblichen Überreste in Verwahrung nehmen, was allerdings im Alltag kaum zu realisieren gewesen sein dürfte. Auch war eine Umbettung nach einer Ruhezeit von zehn Jahren erlaubt.157 Verpflichtend sollte die Bestattung auf einem Militärfriedhof erst nach dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg, im Jahre 1897, werden. Faktisch sollte sich aber um die Jahrhundertwende der Brauch der Teilung der sterblichen Überreste
154 Vgl. Harada, Keiichi: ‚Bankotsu karu‘ kūkan, S. 215–216. 155 Ebenda. 156 So wurde als Ziel der shōkon-Zeremonie 1877 formuliert, dass „die Ehre [der Gefallenen, TS] in Ewigkeit nicht vergehe“ (meiyo bansei kuchizu). Yokoyama, Atsuo: Senbotsu-sha, heieki jūjisha no irei tsuitō to rikugun bochi, S. 39. 157 Relativ lange blieben auf den Militärfriedhöfen übrigens Erdbestattungen üblich. Die Praxis der Kremation, die sonst in den Städten auch aus hygienischen Gründen relativ früh Erdbestattungen weitgehend ablöste, setzte sich hier erst später durch. Diese Duchsetzung muss als Bedingung für die dann einsetzende Praxis der Teilung der sterblichen Überreste der Soldaten verstanden werden.
140
2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
und der iterativen Beisetzung sowohl auf dem Soldatenfriedhof als auch in einem speziellen Grab in der Heimatgemeinde etablieren (vgl. unten Kap. 3.3.3). Trotz dieser Einschränkung, die dem Gefallenengedenken in Japan eine zusätzliche Dynamik verleihen sollte, waren mit den Militärfriedhöfen eine neue Praxis für Militärangehörige, die Beisetzung auf spezifischen Friedhöfen, und mit ihnen am Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges 1945 landesweit weitere über 80 Orte eines nationalen politischen Totenkultes etabliert.
2.3 Träger des Totengedenkens Nach über zwei Jahrhunderten des Friedens wurde in den beiden Jahrzehnten zwischen der Landesöffnung und der endgültigen Stabilisierung des Meiji-Staates landesweit ein zwar auf den historischen Traditionen aufbauendes, aber doch in wesentlichen Bestandteilen auch von diesen abweichendes Gefallenengedenken etabliert. Getragen wurde diese Entwicklung zum einen durch einige wenige und relativ kleine Personenkreise aus radikalen Samurai, Gelehrten der kokugaku und Mito-gaku, Shintō-Priestern und Aktivisten der sonnō-jōi-Bewegung, zum anderen durch militärische Einheiten vor und während des Boshin-Krieges wie den Freiwilligenverband der Kihei-tai und schließlich durch die in den 1870er Jahren neu etablierten Streitkräfte. Entscheidend war dabei die Transformation des Totengedenkens von zunächst privaten Zeremonien in der Bakumatsu-Zeit hin zu einer staatlichen Gedenkpraxis, die mit dem Aufstieg der Sieger der MeijiRestauration ins Zentrum der politischen und militärischen Macht des Landes einherging. Hier formulierten sie die Religionspolitik, sorgten für die landesweite Errichtung von shōkon-Schreinen, betten den politischen Totenkult in den Staatsshintō ein und entwickelten eine binnenmilitärische Gedenkkultur. Einer jener Personenkreise, der vor allem ab 1863 für die Entwicklung der eigentlichen shōkon-Zeremonien und ab 1868 für die Gestaltung der radikalen religionspolitischen Maßnahmen des Staates verantwortlich war, gruppierte sich um den Fürsten Kamei Koremi (1825–1885) und die Gelehrten Ōkuni Takamasa (1793–1871) und Fukuba Bisei (1831–1907).158 Kamei Koremi war seit 1839 Daimyō von Tsuwano, Ōkuni und Fukuba – letzterer zugleich ein Schüler Ōkunis – wirkten beide als Lehrer an der Schule des Fürstentums, dem Yōrō-kan. Alle
158 Die Forschung konzentrierte sich bisher vor allem auf die Person Ōkunis. Vgl. zuletzt Hata, Nagami: Ōkuni Takamasa no rekishi ninshiki to seiji shisō, In: Ryūkei hōgaku 13 (2013), Heft 1, S. 1–60, klassisch Brüll, Lydia: Ōkuni Takamasa und seine Weltanschauung. Ein Beitrag zum Gedankengut der Kokugaku, Wiesbaden: Harassowitz 1966.
2.3 Träger des Totengedenkens
141
drei waren glühende Anhänger der kokugaku, Befürworter einer Wiederherstellung der direkten kaiserlichen Herrschaft und der Trennung von Shintō und Buddhismus.159 Insbesondere zielten sie darauf, den Shintō und die Ideologie der Kaiserverehrung zu festen Stützen des Staates auszubauen. Bereits vor der MeijiRestauration leiteten sie in Tsuwano entsprechende Schritte ein: neben buddhistischen führten sie auch shintōistische Bestattungen ein (vgl. oben Kap. 1.3), reduzierten die Zahl von buddhistischen Tempeln und Priestern, verordneten aber auch in Bezug auf Organisationsstrukturen und Ritus der Shintō-Schreine grundlegende Reformen.160 Auf nationaler Ebene bemühte sich Tsuwano in der Bakumatsu-Zeit, zwischen Shōgunat, Kaiserhaus und den kaisertreuen Aktivisten zu vermitteln, was nicht zuletzt auf die räumlichen Nachbarschaft wie auch die ideologischen Nähe zu Chōshū, einem der Zentren der sonnō-jōi-Bewegung, zurückzuführen sein dürfte. Insbesondere Fukuba Bisei unterhielt ab 1862 sowohl zum Kaiserhof als auch zu den oppositionellen Loyalisten enge Kontakte. In Kyōto wirkte Fukuba 1863 wesentlich an der Vorbereitung und Durchführung der ersten shōkon-Zeremonien für die Opfer der sonnō-jōi-Bewegung im Higashiyama ryōmei-sha bzw. im Yasaka-Schrein mit (vgl. Kap. 2.2).161 Neben Fukuba nahmen weitere Schüler Ōkuni Takamasas und kokugaku-Gelehrte, Shintō-Priester, Befürworter einer Restauration des Shintō und der Einführung shintōistischer Bestattungen wie Furukawa Miyuki (1810–1883), Ōtani Hidemi (?-1902), Sera Toshisada (1816–1878), Nagao Ikusaburō (1837–1864) und Nishikawa Yoshisuke (1816–1880) bei der ersten shōkon-Zeremonie 1863 eine herausgehobene Stellung ein.162 Mit der Restauration 1868 rückten Kamei, Fukuba und kurzzeitig auch der bereits hochbetagte Ōkuni in die Schaltstellen der Religionspolitik des neuen Staates ein, insbesondere die Abteilung für Schreinwesen (Jingi jimu-kyoku) bzw. das Amt für Schreinwesen (Jingi-kan), und prägten diese. Konkret verordneten sie die Trennung von Shintō und Buddhismus (shinbutsu bunri), die Entfernung buddhistischer Ritualgegenstände aus Schreinen, die Einführung shintōistischer
159 Vgl. zu Fukuba Sakamoto, Ken’ichi: Shintō-ka, kokugaku-sha toshite no Fukuba Bisei, In: Shintō shūkyō 48 (1967), S. 1–40. 160 Vgl. Breen, John: Ideologues, Bureaucrats and Priests. On “Shinto” and “Buddhism”, In: Ders./Teeuwen Mark: Shinto in History. Ways of the Kami, Abingdon: Routledge 2000, S. 230– 251, hier S. 234–237. Siehe auch die von Breen stellenweise deutlich abweichende Analyse Ketelaar, James Edward: Of Heretics and Martyrs in Meiji Japan, S. 44–45; vgl. zur Bedeutung des kokugaku-Gelehrten Oka Kumaomi und die Geschichte des Yōrō-kan in Tsuwano auch Katō, Takahisa: Tomitake-yama Hachiman-gū shikan Oka Kumaomi no kyōgaku katsudō, In: Ders.: Jinja no shi-teki kenkyū, Tōkyō: Ōfū-sha 1976, S. 274–412. 161 Vgl. Katō, Takahisa: Shōkon-sha no genryū, S. 452–460. 162 Vgl. a. a. O., S. 448–451.
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2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
Bestattungsriten im ganzen Land und die Wiederherstellung kaiserlicher Grabanlagen und schrieben die Riten und Zeremonien am Kaiserhof neu bzw. um. 163 Dabei integrierten sie die neu geschaffenen Institutionen und die rituelle Praxis des politischen Totenkultes in die theokratischen Strukturen des entstehenden Staatsshintō. Ein zweiter Personenkreis von Trägern des shōkon-Gedenkens wurde von radikalen Mitgliedern der irregulären militärischen Verbände aus Chōshū wie den Kihei-tai gebildet, die sich dem Kampf für das Kaiserhaus und die Vertreibung der Ausländer verschrieben hatten. Diese Gruppe unterhielt ihrerseits engen Kontakt zum Netzwerk um Fukuba, Kamei und Ōkuni. Auch sie entwickelten parallel shintōistische Riten, um ihrer toten Mitkämpfer in den zahlreichen gewaltsamen Auseinandersetzungen der Bakumatsu-Zeit zu gedenken. Zentrale Bedeutung erlangte hierfür in dieser Gruppe neben Shiraishi Shōichirō vor allem Aoyama Kiyoshi (1815–1891), der einer Familie von Shintō-Priestern in Hagi, der Hauptstadt des Fürstentums Chōshū, entstammte.164 Aoyama war seit Beginn der Bakumatsu-Zeit im Umfeld der sonnō-jōi-Bewegung aktiv, wobei auch er über Sera Toshisada persönlich mit den Männern um Fukuba in Verbindung stand. Nach der Landesöffnung studierte er intensiv die japanische Geschichte des Altertums und trat unter anderem für die Förderung der Nationalen Schule, die „Wiederherstellung der nationalen Gebräuche“, die Trennung von Shintō und Buddhismus, die Wiedereinführung eines dem Staatsrat übergeordneten Götterkultusamtes (Jingi-kan) bei Hofe – also eine administrative Sonderstellung des Shintō – und für das Verbot von Feuerbestattungen ein.165 Darüber hinaus wirkte er vor der Meiji-Restauration am Meirin-kan, der Schule des Fürstentums Chōshū, als Lehrer. In diese Zeit fällt Aoyamas Verbindung mit den radikalen Kihei-tai, die unter Führung von Takasugi Shinsaku, Kidō Takayoshi, Yamagata Aritomo und Itō Hirobumi ihre Waffen gegen das Shōgunat wie auch Ausländer in Japan erhoben. Aoyama wirkte hier in Chōshū wiederholt an zentraler Stelle bei Gedenkfeierlichkeiten für die Opfer der sonnō-jōi-Bewegung mit, etwa an den shintōistischen Totenriten für den Hofadligen Nishiki-no-kōji Yorinori (1835– 1864) oder für Fukuhara Mototake bzw. Echigo (1815–1864). Nishiki-no-kōji war wegen seiner Haltung gegen das Shōgunat beim Bunkyu-Zwischenfall 1863 vom
163 Antoni, Klaus: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens, S. 180–202; Lokowandt, Ernst: Die rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit (passim); Hardacre, Helen: Shintō and the State, S. 27–32. 164 Siehe Aoyama, Mikio/Aoyama, Takao/Hori, Masaaki: Yasukuni no genryū. Shodai gūji Aoyama Kiyoshi no kiseki, Fukuoka: Gen shobō 2010. 165 Vgl. auch Aoyama, Kiyoshi: Jingi-dō kenpaku-sho, In: a. a. O., S. 200–203.
2.3 Träger des Totengedenkens
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Hofe geflohen und im Exil in Chōshū verstorben,166 Fukuhara hatte sich als verantwortlicher Politiker seines Fürstentums nach der Ersten Strafexpedition des Shōgunats gegen Chōshū das Leben genommen. Aoyama und seine Gefährten betten diese Zeremonien in Gedenkfeierlichkeiten für Kusunoki Masashige ein, womit sie den Bezug ihres eigenen Handelns zu diesem historischen Inbegriff von Loyalität zum Tennō unterstrichen. 1865 schließlich leiteten Aoyama und Shiraishi Shōichirō (1812–1880) nach der Fertigstellung des späteren Sakurayama jinja in Shimonoseki die erste shōkon-Zeremonie in diesem Shintō-Heiligtum, das die Kihei-tai für ihre Gefallenen errichtet hatte. Darüber hinaus engagierte er sich in Shimonoseki auch für die Transformation des buddhistischen Amida-Tempels, in dem sich der Überlieferung nach das Grab des 1185 im Genpei-Krieg ums Leben gekommenen Kaisers Antoku befindet, zu einem Shintō-Schrein mit dem Namen Akama jingū. In der Person Aoyamas bündelten sich also gewissermaßen Ideen und Praktiken der sonnō-jōi-Bewegung, der eng mit ihr zusammenhängenden Bewegung zur Restauration des Shintō, der Kusunoki-Verehrung und der Entstehung der shōkon-Zeremonien. So verwundert es nicht, dass er, wohl auf Vorschlag Kidō Takayoshis, selbst einer der Anführer der Kihei-tai und inzwischen Staatsrat, nach 1871 im Tōkyō shōkon-sha ebenfalls shōkon-Zeremonien leitete und schließlich 1879 zum erstem Oberpriester (gūji) des Yasukuni-Schreines ernannt wurde.167 Analog zu den Kihei-tai aus Chōshū bildeten sich während des Boshin-Krieges auch in anderen Fürstentümern (zunächst irreguläre) militärische Verbände aus sonnō-jōi-Aktivisten, die auf Seiten der kaiserlichen Truppen gegen das Shōgunat kämpften. Die Sunshū sekishin-tai („Truppe aufrechten Herzens aus Suruga“) und die Enshū hōkoku-tai („Truppe zum Dienst am Land aus Tōtōmi“), beide aus der heutigen Präfektur Shizuoka, umfassten dabei jeweils mehrere hundert radikale Shintō-Priester, die sich selbst in der Tradition der Nationalen Schule Hirata Atsutanes und Kamo Mabuchis (1697–1769) sahen. Aus diesen Einheiten von Shintō-Priestern rekrutierte sich eine dritte Gruppe von Trägern des Totengedenkens, die wie der Personenkreis um Aoyama und die Kihei-tai vor allem auch für den Transfer der shōkon-Zeremonien in den binnenmilitärischen Raum verantwortlich war. Sie nahmen 1868 unter anderem am großen shōkonsai in der Festung von Edo für die in Ostjapan gefallenen kaiserlichen Soldaten teil, das von einem ihrer Mitglieder, dem Shintō-Priester Ōkubo Hatsutarō von der Enshū hōkoku-tai, geleitet wurde (vgl. oben Kap. 2.2.1). 1869 wurden schließlich
166 Vgl. hierzu Meyer, Eva-Maria: Japans Kaiserhof in der Edo-Zeit , S. 169–171. 167 Siehe hierzu auch Yoshihara, Yasukazu: Yasukuni jinja to bakumatsu ishin no saishin-tachi, S. 41–42.
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2 Die Herausbildung des modernen Totenkultes
62 Männer aus beiden Einheiten als niedere Priester (shashi) am Tōkyō shōkonsha eingestellt und in einer eigenen Priesterschule geschult.168 Auch wenn ihre Zahl ab Mitte 1871 schrittweise, wohl nicht zuletzt aus monetären Gründen, im Kontext der Reformen der Priesterhierarchie an Schreinen wieder deutlich reduziert wurde, bildeten sie in den ersten Jahren der Meiji-Zeit das personelle Rückgrat des politischen Totenkultes in der Hauptstadt.169
Abb. 14: Dai-ichi daitai no hi („Stein des ersten Regiments“) und Grabsteine für Gefallene (im Hintergrund), Hagi-shi gokoku jinja, Hagi
168 Vgl. Suzuki, Motoyuki: Yasukuni jinja wa naze tsukurareta no ka. Hōkoku-tai, Sekishintai to Tōkyō shōkon-sha, In: Shizuoka kenritsu chūō toshokan rekishi bunka jōhō sentaa (Hg.): Shiryō ni manabu Shizuoka-ken no rekishi, Shizuoka: Shizuoka-ken kyōiku iin-kai 2009, S. 96– 97; Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Jireki nenpyō, S. 44–45. Mit Kamo Mizuho (1840–1909) war auch der Nachfolger Aoyama Kiyoshis als Oberpriester des Yasukuni-Schreines ein ehemaliges Mitglied der Enshū hōkoku-tai, der zwischenzeitlich in der Marine Karriere gemacht hatte. 169 A. a. O., S. 47–49.
2.3 Träger des Totengedenkens
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Daneben aber wurde der politische Totenkult in der frühen Meiji-Zeit vor allem auch von den militärischen Verbänden selbst getragen. Dies zeigte sich insbesondere in der Stiftung von Gedenkobjekten, die vor allem bei den shōkon-Schreinen oder auf den Gefallenenfriedhöfen errichtet wurden. Am häufigsten wurden zum einen Votivlaternen (tōrō) aus Bronze oder Stein, zum anderen shintōistische Schreintore (torii) aufgestellt, was der traditionellen japanischen Gedenkpraxis entspricht und die auch für klassische Schreine und Tempelanlagen typisch sind. Ihnen ist in aller Regel neben dem Datum auch der Name des Stifters, hier also meist der militärischen Einheit, eingeschrieben. An manchen Schreinen entstanden so über die Jahrzehnte hinweg regelrechte Alleen von Laternen. Daneben wurden aber auch Gedenksteine errichtet. So finden sich etwa im Hagi-shi gokoku jinja noch neben Grabsteinen, Votivlaternen vier von militärischen Verbänden wie Regimentern oder Bataillonen gestiftete Denkmäler aus den Jahren zwischen 1869 und 1872 (vgl. Abb. 14). Es handelt sich hierbei um eine wahrscheinlich von westlichen Einflüssen unabhängige Entwicklung von Regimentsdenkmälern. In der Formensprache griffen sie auf traditionelle ostasiatische Muster zurück. Sie verzeichnen auf der Vorderseite jeweils die Geschichte der Einheit, auf der Rückseite die Namen, bisweilen zusätzlich auch das Alter und kurze Informationen zu den Gefallenen dieser Einheit im Boshin-Krieg. Zahlreiche weitere Beispiele, etwa in Kumamoto, ließen sich anführen. Sie alle belegen, dass sich der politische Totenkult bereits wenige Jahre nach der Meiji-Restauration auch als binnenmilitärische Gedenkpraxis fest etabliert hatte.
3 Gefallenenkult einer imperialen Großmacht Der weitere Verlauf der Meiji-Zeit, zwischen dem Ende der 1870er Jahre und dem Übergang zur Taishō-Zeit in dem Jahrzehnt zwischen dem Russisch-Japanischen Krieg (1904–05), der Annexion Koreas 1910, dem Tod des Meiji-tennō 1912 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, ist durch die schrittweise Festigung des japanischen Nationalstaates und zugleich den Aufstieg des Inselreiches zu einer imperialen Großmacht gekennzeichnet. Japan führte erfolgreich zwei blutige Kriege gegen seine Nachbarn China und Russland und annektierte mit Taiwan und Korea überseeische Kolonien, welche den japanischen Nationalstaat parallel in ein multiethnisches Imperium verwandelten. Diese veränderten politischen Rahmenbedingungen gingen Hand in Hand mit einer Weiterentwicklung des Gefallenenkultes, der sich nun von einer ursprünglich staatlichen Veranstaltung – also einem top-down-Projekt – auch zu einem Projekt der nationalstaatlichen japanischen Öffentlichkeit wandelte. Voraussetzungen hierfür waren erstens die Entwicklung früher bürgergesellschaftlicher (hier verstanden als intermediäre und selbstorganisierte) Vereinigungen und Handlungsmuster, für die die zahlreichen Wohlfahrtsorganisationen für Kriegsopfer in der Zeit vor 1945 geradezu paradigmatisch stehen.1 Der kontinuierliche Ausbau der Truppen in Friedenszeiten bedeutete zweitens durch die zunehmende Zahl der Rekruten und Garnisonsorte eine immer enger werdende Verzahnung von Militär und Gesellschaft. Eine dritte Bedingung bildete ein modernes System massenmedialer Durchdringung der Gesellschaft, welches Kommunikationssysteme wie die Telegraphie, das Telephon oder das Postwesen zur Grundlage hatte und das sich von Zeitungen und Bildern über Theater bis hin zu Kinderspielen, Schulbüchern oder Liedern erstreckte.2 Aber auch die Kriege selbst führten zu neuen Herausforderungen an die Totenehrung: einmal rein quantitativ, denn die Zahl der mobilisierten Soldaten, der Gefallenen und Verwundeten wie auch der Hinterbliebenen betrug ein Vielfaches im Vergleich zum Boshin- oder dem Südwest-Krieg. Zweitens veränderte sich auch qualitativ die Aufgabenstellung des politischen Totenkultes im Vergleich zur Frühphase der Meiji-Zeit, denn an Stelle von inneren Auseinander-
1 Vgl. hierzu Schölz, Tino: „Sich um die Versehrten und Hinterbliebenen im Geiste echter Mütter und Schwestern kümmern.“ Wohlfahrtsorganisationen für Kriegsopfer unter besonderer Berücksichtigung des Patriotischen Frauenverbandes, In. Ders./Sprotte, Maik Hendrik (Hg.): Der mobilisierte Bürger? Aspekte einer zivilgesellschaftlichen Partizipation im Japan der Kriegszeit (1931–1945) (= Formwandel der Bürgergesellschaft. Arbeitspapiere des Internationalen Graduiertenkollegs Halle-Tōkyō 6), Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2010, S. 35–46. 2 Siehe beispielhaft für die Photographie etwa Inoue, Yūko: Nis-Shin, Nichi-Ro sensō to shashin hōdō. Senjō o kakeru shashin-shi-tachi, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2012.
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3 Gefallenenkult einer imperialen Großmacht
setzungen, von Bürgerkrieg, politischen Revolten und Unruhen waren Expansionskriege getreten, die als Staatenkriege in Übersee geführt wurden. Trotz dieser veränderten Bedingungen änderten sich die Deutungsmuster des Gefallenenkultes hingegen kaum; vielmehr verfestigten sie sich, was man zugleich als Indiz dafür verstehen kann, wie sehr sie inzwischen mit den auf den Tennō hin ausgerichteten Legitimationsmustern der politischen Ordnung verknüpft waren.
3.1 Japans Weg zur Großmacht Die Etablierung und Festigung des japanischen Nationalstaates und die Kriege, welche das Inselreich 1894–1895 gegen China und 1904–05 gegen Russland führte, waren eng miteinander verschränkt.3 Auch wenn der militärische Widerstand gegen die neue Ordnung mit der Niederschlagung der Satsuma-Rebellion im Südwest-Krieg erlosch, waren die 1880er Jahre durch eine nachhaltige Opposition gegen die Meiji-Oligarchie gekennzeichnet. Die Ursachen sind zum einen sozioökonomisch in den Folgen der Fiskal- und Privatisierungspolitik Matsukata Masayoshis in den 1880er Jahren insbesondere für den Agrarsektor, zum anderen politisch in der Verweigerung politischer Teilhabe durch die Oligarchie zu suchen. Beide Konflikte speisten die sog. „Bewegung für Freiheit und Bürgerrechte“ (Jiyū minken undō), die über einen großen Rückhalt gerade auch in der ländlichen Bevölkerung verfügte und erheblichen Druck auf die Regierung ausübte.4 Die Einführung eines konstitutionellen Regierungssystems, welche die Innenpolitik der 1880er Jahre bestimmte, war eine Reaktion auf diese Bewegung, aber in der Summe eine Revolution von oben, die den Schutz der bestehenden Ordnung sicherstellen sollte.5 Dieser Zusammenhang erklärt auch den
3 Vgl. zuletzt z. B. Saya, Makito: The Sino-Japanese War and the Birth of Japanese Nationalism, Tōkyō: International House of Japan 2011. 4 Hierzu klassisch: Irokawa, Daikichi: The Culture of the Meiji Period, Princeton: Princeton University Press 1985; Maruyama, Masao: Geschichte der Bewegung für Freiheit und Volksrechte, In: Ders: Freiheit und Nation in Japan. Ausgewählte Aufsätze 1969–1949, Bd. 2, hg. von Seifert, Wolfgang, München: Iudicium 2012, S. 57–97; Vlastos, Stephen: Opposition Movements in Early Meiji Japan 1868–1885, In: Jansen, Marius B. (Hg.): The Emergence of Meiji Japan, Cambridge/ New York u. a.: Cambridge University Press 1995, S: 203–267; Hane, Mikiso: Modern Japan. A Historical Survey, Boulder/San Francisco/Oxford: Westview Press 1986, S. 110–131; Makihara, Norio: Kyakubun to kokka no aida. Kindai minshū no seiji ishiki, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 1998; Ders.: Minken to kenpō (= Shiriizu Nihon kin-gendai-shi 2), Tōkyō: Iwanami shoten 2006. 5 Akita, George: Foundations of Constitutional Government in Modern Japan 1868–1900, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 1967.
3.1 Japans Weg zur Großmacht
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autoritären und repressiven Charakter der politischen Ordnung der Meiji-Zeit, der trotz aller gewährten Freiheiten und eröffneten Partizipationschancen etwa auf lokaler Ebene vorherrschte. Es blieb dem Ausbruch des Ersten Chinesisch-Japanischen Krieges vorbehalten, diese Frontstellung, welche auch die ersten Jahre parlamentarischer Arbeit lähmte, aufzubrechen bzw. zu überwölben, indem er die inneren Konflikte in einen Staatenkrieg ablenkte. Insofern ist es nicht übertrieben zu behaupten, dass der Erste Chinesisch-Japanische Krieg die eigentliche Geburtsstunde des modernen japanischen Nationalismus und des Nationalstaates markierte. In den 1880er Jahren wurde die Innenpolitik, wie gesagt, durch die Einführung eines konstitutionellen Regierungssystems bestimmt.6 Dessen wichtigste Elemente waren ein Zwei-Kammern-Parlament, das sich aus Herren- und Abgeordnetenhaus zusammensetzte, das Kabinett (naikaku), das an die Stelle des Großen Staatsrates (Dajō-kan) trat, und der Geheime Staats- bzw. Kronrat (Sūmitsu-in), welcher den Tennō in der Ausübung seiner verfassungsmäßigen Prärogativen unterstützte, das aber auch um eine kommunale Selbstverwaltung ergänzt war.7 Hinzu kam die kleine Gruppe der „Elder Statesmen“ (genrō), welche die eigentlichen Häupter der Meiji-Oligarchie umfasste und die bis in die TaishōZeit hinein Entscheidungen des politischen Systems dominierten.8 Die „Verfassung des Großjapanischen Kaiserreiches“ (Dai-Nihon teikoku kenpō), die 1889 vom Tennō oktroyiert wurde (und die bis 1946/47 unverändert in Kraft blieb),
6 Zu den politischen Reformen der 1880er Jahre und zur Entstehung der Verfassung vgl. Banno, Junji: The Establishment of the Japanese Constitutional System, übers. von Stockwin, J. A. A., London/New York: Routledge 1992 (1971); Andō, Junko: Die Entstehung der Meiji-Verfassung. Zur Rolle des deutschen Konstitutionalismus im modernen japanischen Staatswesen, München: Iudicium 2000; Emura, Eiichi (Hg.): Kenpō kōsō (= Nihon kindai shisō taikei 9), 4. Aufl. Tōkyō: Iwanami shoten 2000. 7 Die Einberufung des ersten Parlamentes 1890 markierte gewissermaßen den Schlussstein der neuen Staatsarchitektur; 1881 hatte der Meiji-tennō unter dem Druck der politischen Opposition gegen die Meiji-Oligarchie in einem Edikt das In-Kraft-Treten einer Verfassung für 1890 angekündigt, das Kabinettssystem war 1885 eingeführt worden, der Geheime Staatsrat 1888 ebenso wie die Städte- und Gemeindeordnung. 8 Die Gruppe der genrō umfasste Itō Hirobumi, Yamagata Aritomo, Matsukata Masayoshi, Inoue Kaoru, Saionji Kinmochi, Saigō Tsugumichi, Katsura Tarō, Ōyama Iwao und Kuroda Kiyotaka. Sie waren die (überlebenden) Gründungsväter des Meiji-Staates, die über Jahre die wichtigsten Staatsämter bekleidet hatten und bis zu ihrem jeweiligen Tod über Klientelbeziehungen zentralen Einfluss auf Bürokratie, Streitkräfte und die Politik aufrechterhalten konnten. Institutionell basierte ihre Macht auf dem Status als Berater des Monarchen. Meist behielten sie das letzte Wort in politischen Grundsatzfragen wie der Besetzung der wichtigsten Staatsämter, Fragen von Krieg und Frieden, internationalen Verträgen usw.
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3 Gefallenenkult einer imperialen Großmacht
zementierte dabei die alles überragende Stellung des Monarchen im Verfassungsgefüge: er war alleiniger Inhaber der Souveränität (Art. 4) und damit der legislativen, exekutiven und judikativen Gewalt, dessen Herrschaftsanspruch aus der ununterbrochene Linie kaiserlicher Herrschaft (bansei ikkei) abgeleitet wurde (Art. 1), er war „heilig“ (shinsei ni shite) und „unverletzlich“ (Art. 3), Oberbefehlshaber über Heer und Marine (Art. 11) und Herr über Krieg und Frieden (Art. 13).9 Mit den Reformen der staatlichen Struktur Japans in den 1880er Jahren näherte sich diese schrittweise den zeitgenössischen Gegebenheiten in Europa und den USA an, wobei die Väter der Meiji-Verfassung eindeutig die autoritärmonarchische Ausrichtung preußisch-deutscher Provenienz vor der eher parlamentarisch orientierten Verfassungsordnung Großbritanniens bevorzugten. Diese politische Ausrichtung spiegelte sich auch im japanischen Nationalismus jener Epoche wider, der in einem hohen Maße auf den Staat, den Monarchen und das Land ausgerichtet blieb.10 Bezüge zur Nation im Sinne des Volkes sind zwar ebenfalls vorhanden, aber weniger stark ausgeprägt als zeitgleich in den europäischen Gesellschaften. Eine gängige Formel war denn auch „Loyalität zum Herrscher und Liebe zum Land“ (chūkun aikoku), welche die normative Vorgaben von Patriotismus und Kaisertreue zusammenband. Auch die kokutai-Ideologie, die aus der Tradition der Nationalen Schule und der Mito-Schule hervorging und damit über die gleiche Wurzel wie der shōkon-Glaube verfügt, aber durchaus auch Impulse westlicher Verfassungsdiskussionen aufnahm und die in der Mitte der Meiji-Zeit gewissermaßen zur offiziellen Staatsideologie avancierte,11 ist in diesem Kontext von besonderer Bedeutung. Nach Klaus Antoni stehen in ihrem Kern drei (idealtypische) Elemente: erstens die Betonung der göttlichen Abstammung des Kaiserhauses und damit die Heiligkeit der Dynastie, zweitens der Verweis auf konfuzianische Tugenden, insbesondere die Loyalität, die als identisch mit der Kindesliebe postuliert werde, und schließlich drittens der Familismus bzw. das Familienstaatsmodell, das die japanische Gesellschaft nicht in einem übertrage-
9 Vgl. Dai-Nihon teikoku kenpō, In: Emura, Eiichi (Hg.): Kenpō kōsō (= Nihon kindai shisō taikei 9), 4. Aufl. Tōkyō: Iwanami shoten 2000, S. 429–434. Eine deutsche Übersetzung als Die Verfassung des Kaiserreichs Japan, In: Stead, Alfred (Hg.): Unser Vaterland Japan. Ein Quellenbuch, geschrieben von Japanern, 2. Aufl. Leipzig: E. A. Seemann 1904, S. 685–689. 10 Vgl. hierzu auch Gluck, Carol: Japan’s Modern Myths. Ideology in the Late Meiji Period, Princeton: Princeton University Press 1985; allgemein zum Nationalismus in Japan siehe auch Shimazu, Naoko (Hg.): Nationalisms in Japan, London/New York: Routledge 2006; Doak, Kevin M.: A History of Nationalism in Modern Japan. Placing the People, Leiden/Boston: E. J. Brill 2007. 11 Antoni, Klaus: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens; Ders.: Kokutai; Zöllner, Reinhard: Lorenz von Stein und kokutai; Shimazono, Susumu: State Shinto and Emperor Veneration.
3.1 Japans Weg zur Großmacht
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nen Sinne, sondern als eine reale Familie begreife, die auf die Gemeinschaft göttlicher Ahnen zurückgehe.12 Diese Konzeption, die im Kaiserlichen Erziehungserlass von 1890 (Kyōiku ni kan-suru chokugo) seinen paradigmatischen Ausdruck fand, muss als notwendige und konstitutive Ergänzung zur Meiji-Verfassung und der ihr zugrundeliegenden liberalen und konstitutionalistischen Normen verstanden werden.13 Für den hier diskutierten Kontext ist wichtig, dass mit dem Familienstaatsmodell und der Betonung konfuzianischer Werte die emanzipatorisch-egalitären Tendenzen der frühen Meiji-Zeit, die sich etwa auch bei der Einführung der Wehrpflicht gezeigt hatten, eingehegt wurden. Denn die konfuzianische Familie ist keine Gemeinschaft von Gleichen, sondern eine hierarchische Struktur. Dem Individuum wurde somit weiterhin die Rolle des Untertanen zugewiesen. Darüber hinaus wurde durch die kokutai-Ideologie das Verhältnis von Monarch und Untertan moralisch aufgeladen. Denn nicht nur die Herrschaft des Tennō als konstitutionellem Monarchen wurde durch die Abstammung von einer „heiligen“ (shinsei naru) apostrophierten Linie von Vorfahren (und damit nicht durch eine moderne Verfassungsgesetzgebung) legitimiert, sondern auch dem Volk die Rolle als Nachfahren guter und loyaler Untertanen zugeschrieben.14 Dies implizierte, worauf Kevin Doak nachdrücklich verweist, dass mangelnde Loyalität gegenüber dem Kaiser sowohl als Verrat an den eigenen Ahnen als auch als ein unmoralischer Akt verstanden werden musste.15 Trotz der sakralen Aura, die den Kaiser umgab bzw. mit der er umgeben wurde, gingen die Menschen der Meiji-Zeit jedoch selten soweit, den Tennō selbst als Gott anzusehen.16 Zwar sind zahlreiche Episoden überliefert, die den Schluss zulassen, dass dem Meiji-tennō göttliche Kräfte zugeschrieben wurden oder er eine Behandlung erfuhr, die in der religiösen Praxis einem göttlichen Wesen zukommt. Diese sind aber eher der Ebene des Volksglaubens zuzuordnen. Die Außenpolitik Japans kreiste in den Jahren zwischen 1880 und dem RussischJapanischen Krieg um zwei Fragen.17 Zum einen strebte Japan eine Lösung des
12 Antoni, Klaus: Kokutai, insbesondere S. 46–47. 13 Vgl. zum Kaiserlichen Erziehungserlass Antoni, Klaus: Shintō und die Konzeption des japanischen Nationalwesens, S. 214–218, dort auch eine deutsche Übersetzung des vollständigen Textes. 14 Doak, Kevin M.: A History of Nationalism in Modern Japan, S. 93. 15 Ebenda. 16 Vgl. Shillony, Ben-Ami: Enigma of the Emperors. Sacred Subservience in Japanese History, Folkestone: Global Oriental 2005, S. 161–163. 17 Iriye, Akira: Japan’s Drive to Great Power Status, In: Jansen, Marius B. (Hg.): The Emergence of Meiji Japan, Cambridge/New York u. a.: Cambridge University Press 1995, S. 268–330, hier S. 294–330.
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3 Gefallenenkult einer imperialen Großmacht
alten Problems der Revision der Ungleichen Verträge mit den Westmächten aus der Bakumatsu-Zeit an. Diese setzten das Inselreich weiterhin den nachteiligen Folgen des Vertragshafensystems (ungleiche Zollbestimmungen, Konsulargerichtsbarkeit, Extraterritorialität usw.) aus und ihre Rückgängigmachung war deshalb inzwischen sowohl nach innen wie auch nach außen eine Frage des nationalen Prestiges geworden. Zielstrebige Verhandlungen führten 1894 zum Erfolg, als die westlichen Vertragsparteien dem Abschluss neuer, auf Beidseitigkeit beruhender Verträge zustimmten, wobei sich die Verhandlungen noch bis 1899 hinzogen.18 Zum anderen trat Japan in den Kampf um Einfluss und später um die Vorherrschaft im nordostasiatischen Raum ein, der zum einen um die Beherrschung Koreas und der Mandschurei, zum anderen um den Zugang nach China geführt wurde, in dem unter dem Druck der imperialistischen Westmächte und eben auch Japans fortschreitende Auflösungserscheinungen sichtbar wurden. Der bereits seit langem schwelende Konflikt zwischen China und Japan um Einfluss in Korea eskalierte im Sommer 1894.19 Bereits seit den 1870er Jahren hatte sich die Rivalität beider Staaten auf der Halbinsel bemerkbar gemacht, die jedoch bis dato diplomatisch eingehegt werden konnte. Die Interessengegensätze beider Großmächte korrelierten dabei mit innerkoreanischen Konfliktlagen um den Modernisierungspfad des Landes und die Anlehnung an einen der beiden Nachbarn. Der Vertrag von Tianjin von 1885 hatte vorgesehen, dass beide Mächte über gleiche militärische Rechte in Korea verfügten. Als Korea nun zur Niederschlagung eines Bauernaufstandes zusätzliche chinesische Truppen ins Land rief, nutzte die japanische Regierung dies zur Eskalation des Konfliktes und ließ chinesische Stellungen und Transporte in Korea angreifen. Eine Woche später, am 1. August 1894, erklärte der Tennō schließlich dem chinesischen Kaiserreich den Krieg. Militärisch waren die japanischen Truppen, die freilich auch von koreanischen Truppen und zahllosen koreanischen Arbeitskräften unterstützt wurden, die für Transport- oder Pionierarbeiten herangezogen (und z. T. zwangsrekrutiert) worden waren, den chinesischen an Land wie zur See drückend überlegen, so
18 Vgl. zur Revision der ungleichen Verträge Beasley, William G.: Japanese, S. 33–34. 19 Siehe zum Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg u. a. Paine, S. C. M.: The Sino-Japanese War of 1894–1895. Perceptions, Power, and Primacy, Cambridge/New York u. a.: Cambridge University Press 2005; Saya, Makito: The Sino-Japanese War and the Birth of Japanese Nationalism; Beasley, Japanese Imperialism, S. 41–68; Hiyama, Yukio (Hg.): Kindai Nihon no keisei to Nis-Shin sensō. Sensō no shakai-shi, Tōkyō: Yūzan-kaku 2001; Harada, Keiichi: Nis-Shin sensō (= Sensō no Nihon-shi 19), Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2008; Ders.: Nis-Shin, Nichi-Ro sensō (= Shiriizu Nihon kin-gendai-shi 3), Tōkyō: Iwanami shoten 2007; Ōtani, Tadashi: Nis-Shin sensō. Kindai Nihon hatsu no taigai sensō no jitsuzō, Tōkyō: Chūō kōron shinsha 2014.
3.1 Japans Weg zur Großmacht
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dass sie alle Landschlachten für sich entscheiden, die chinesische Flotte entscheidend schlagen und in die Mandschurei vordringen konnten. Der Friede von Shimonoseki 1895 führte zur Anerkennung der „Unabhängigkeit Koreas“ durch China, der Abtretung Taiwans und der Liaodong-Halbinsel mit der Festung von Port Arthur (die jedoch auf Druck Deutschlands, Frankreichs und Russlands zurückgegeben werden musste, nur um dann in russische Hände überzugehen) und zur Zahlung einer umfangreichen Entschädigung in Höhe von 230 Millionen Tael.20 Dabei führte der Friedensvertrag für Japan noch nicht zu einem Ende der Kämpfe; vielmehr zogen sich in der neu gewonnen Kolonie Taiwan die Kämpfe um die Besitznahme (gegen chinesische Aufständische und Ureinwohner) noch bis 1896 hin.21 Innerhalb Japans führte der Sieg auf dem Kontinent einerseits zu einer Befriedung der innenpolitischen Konfliktlagen, andererseits zu einem eminenten Prestigegewinn sowohl für die Streitkräfte als auch für die politische Führung. Außenpolitisch hingegen hatte man zwar China als Gegner ausgeschaltet, dafür aber erschien Russland umso machtvoller auf der politischen Bühne in der Mandschurei und in Korea. Ein umfassendes Rüstungsprogramm, das aus den Gewinnen des Krieges gegen China finanziert wurde, bereitete die japanischen Streitkräfte auf einen neuen Waffengang, nunmehr gegen einen weit stärkeren Gegner, vor.22 Dabei zeigte sich die Überlegenheit der japanischen Truppen in Fernost bereits aus Anlass der Niederschlagung des Boxeraufstandes 1900/01, als sich Japan als einzige der imperialistischen Großmächte in der Lage zeigte, in kurzer Zeit eine große Zahl von Truppen für einen nahen Kriegsschauplatz zu mobilisieren. Da die bevorstehende Vollendung der Transsibirischen Eisenbahn diesen Zustand nachhaltig zu verändern drohte und die Möglichkeit als realistisch einzuschätzen war, dass die Mandschurei und das nördliche Korea ganz unter den Einfluss des nach Osten, zu einem eisfreien Hafen drängenden Russland geraten könnte, forderten Militärs, aber auch gewichtige Stimmen in der Öffentlichkeit immer
20 Vgl. zur diplomatischen Situation Kajima, Morinosuke (Hg.): The Diplomacy of Japan 1894– 1922. Band 1: Sino-Japanese War and Triple Intervention, Tōkyō: The Kajima Institute of International Peace 1976. Der Text des Friedensvertrages in englischer Übersetzung in a. a. O., S. 262–271. 21 Vgl. zur Unterwerfung Taiwans Harada, Keiichi: Nis-Shin, Nichi-Ro sensō, S. 95–116; Weggel, Oskar: Die Geschichte Taiwans, Köln/Weimar u. a.: Böhlau 1991, S. 62–66. Siehe zur japanischen Kolonialherrschaft auf Taiwan auch Heé, Nadine: Imperiales Wissen und koloniale Gewalt. Japans Herrschaft in Taiwan 1895–1945, Frankfurt a. M. : Campus 2012. 22 Etwa 85 % der chinesischen Kriegskontributionen flossen in die weitere Aufrüstung von Heer und Marine, deren Anteil am Staatshaushalt sich um den Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg insgesamt von ca. 30 % auf ca. 50 % erhöhte. Vgl. Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 85. Siehe zur Aufrüstung auch Harada, Keiichi: Nis-Shin, Nichi-Ro sensō, S. 124–125.
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häufiger einen militärischen Konflikt mit dem Zarenreich. Als mit dem Abschluss der britisch-japanischen Allianz 1902 die Gefahr eines Eingreifens einer dritten Macht gebannt war, steuerte die japanische Regierung zielstrebig auf den Waffengang zu, den sie mit einem völkerrechtswidrigen Überfall auf Port Arthur einleitete.23 Die primären Kriegsziele waren dabei die Zurückdrängung Russlands aus der Mandschurei und die Sicherstellung der japanischen Oberhoheit über Korea. Dabei gestaltete sich die militärische Auseinandersetzung zwischen beiden Ländern als weit umfangreicher als ursprünglich intendiert. Japan mobilisierte mehr als eine Million Mann, von denen knapp 950.000 an der Front eingesetzt wurden. Die Kämpfe waren äußerst erbittert. Vor allem die Schlacht um Port Arthur, die besondere internationale Aufmerksamkeit erregte, nahm in vielerlei Hinsicht den Stellungskrieg des Ersten Weltkrieges vorweg. Die militärischen Erfolge Japans, namentlich die Siege in Port Arthur, bei Mukden und in der Seeschlacht von Tsushima, waren jedoch teuer erkauft. Mehr als 88.000 Soldaten kamen allein auf japanischer Seite ums Leben, was konkret Verlustquoten zwischen 30 und 45 % der eingesetzten Truppen bedeutete. Der Ausbruch der Russischen Revolution von 1905 förderte auf Seiten des Zarenreiches die Verhandlungsbereitschaft; Japan war sowohl militärisch als auch finanziell erschöpft und deshalb seinerseits an einem Verhandlungsfrieden interessiert. Unter Vermittlung der USA kam es im September 1905 zum Abschluss des Friedensvertrages von Portsmouth, in dem Russland die Oberhoheit Japans über Korea anerkannte, die Pachtrechte über die Halbinsel Liaodong und die Südmandschurische Eisenbahn sowie Südsachalin an Japan abtrat.24 Politisch bedeutete der Sieg neben dem ungeheuren (weltweiten) Prestigezuwachs – erstmals hatte ein nichtwestliches Land eine westliche Großmacht geschlagen – vor allem die Herrschaft über
23 Die hundertste Wiederkehr des Russisch-Japanischen Krieges hat sowohl in Japan als auch im Westen eine wahre Flut an Publikationen hervorgebracht. Für die westliche Forschung siehe etwa Sprotte, Maik Hendrik/Seifert, Wolfgang/Löwe, Heinz-Dietrich (Hg.): Der russisch-japanische Krieg 1904/05. Anbruch einer neuen Zeit? Wiesbaden: Otto Harrassowitz 2007; Kreiner, Josef (Hg.): Der Russisch-Japanische Krieg (1904/05), Bonn: Bonn University Press 2005; Krebs, Gerhard: World War Zero oder Der Nullte Weltkrieg? Neuere Literatur zum Russisch-Japanischen Krieg 1904/05, In: NOAG 183–184 (2008), S. 187–248. Dort auch weiterführende Literatur. Zum japanischen Forschungsstand vgl. zuletzt Yamada, Akira: Sekai-shi no naka no Nichi-Ro sensō (= Sensō no Nihon-shi 20), Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2009; Harada, Keiichi: Nis-Shin, NichiRo sensō; Yamamuro, Shin’ichi: Nichi-Ro sensō no seiki. Rensa shiten kara miru Nihon to sekai, Tōkyō: Iwanami shoten 2005; Ōe, Shinobu: Nichi-Ro sensō no gunji-teki kenkyū, Tōkyō: Iwanami shoten 1976. 24 Vgl. Kajima, Morinosuke (Hg.): The Diplomacy of Japan 1894–1922. Band 2: Anglo-Japanese Alliance and Russo-Japanese War, Tōkyō: The Kajima Institute of International Peace 1978. Der Friedensvertrag von Portsmouth in a. a. O., S. 390–396.
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Korea, das 1905 in ein Protektorat und 1910 schließlich in eine Kolonie umgewandelt wurde, wodurch das Inselreich endgültig zu einer international anerkannten, imperialen Großmacht aufstieg. Der Friedensvertrag von Versailles im Jahre 1919 sollte diesen Bedeutungszuwachs schließlich auch völkerrechtlich anerkennen, insofern als Japan hier offiziell zu den fünf Großmächten gezählt wurde.25 Auch für die Streitkräfte markierten die Jahrzehnte nach 1880 einen kontinuierlichen, freilich keinesfalls geradlinig verlaufenden Wandlungsprozess. Neben tiefgreifenden, am preußisch-deutschen Militärsystem orientierten Strukturreformen in Bezug auf Organisation (Einführung des Divisionssystems) und Ausbildung beim Heer sind vor allem drei Veränderungen, auf die oben bereits kurz hingewiesen wurde, von besonderer Bedeutung für die Beziehung von Militär und Politik bzw. Gesellschaft.26 Erstens erfolgte ein kontinuierlicher quantitativer Aufbau der Streitkräfte. Das Heer allein etwa wuchs von ca. 34.000 Mann 1875 auf ca. 74.000 Mann im Jahre 1893 und schließlich auf ca. 192.000 im Jahre 1903 an.27 Daneben wurde auch die Reserve, in der zahlreiche Freiwillige dienten, kontinuierlich erweitert, so dass im Kriegsfall die Truppen nahezu verdoppelt werden konnten. Dabei war die allgemeine Wehrpflicht jedoch noch immer bei weitem nicht so allgemein, wie sie sich dem Namen nach gab; vielmehr erfolgte eine weit überproportionale Einberufung von Rekruten, die dem primären Sektor entstammten. Hingegen waren bei der Aushebung Industriearbeiter, Angestellte usw., verglichen mit ihrem Anteil an der männlichen Bevölkerung, unterrepräsentiert.28 Ein Kantonsystem legte die Aushebung von Rekruten eines Regimentes aus einem geographisch fest umrissenen lokalen (und entsprechend meist ländlichen und weniger dem städtischen) Raum fest. Diese Praxis führte einerseits zu engen Bindungen zwischen den Rekruten und ihren jeweiligen lokalen Herkunftsgemeinden, die durch öffentliche Feiern zur Verabschiedung und Wieder-
25 Die Kriegserfahrungen Japans im Ersten Weltkrieg und damit des ersten wirklichen totalen Krieges differierten erheblich von denen der europäischen Mächte oder der USA, denn Japan besetzte zwar die deutschen Schutzgebiete in China (Qingdao) und in der Südsee, weigerte sich aber beharrlich und erfolgreich, Truppen auf den europäischen Kriegsschauplatz zu verlegen. Systematisch werden der Erste Weltkrieg und die Sibirienintervention 1918–1922 im Kontext des totalen Krieges in Kapitel 4 behandelt. 26 Zu den Militärreformen der 1880er Jahre vgl. Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 47– 69; Tobe, Ryōichi: Gyakusetsu no guntai, S. 107–121; Yūi, Masaomi/Fujiwara, Akira/Yoshida, Yutaka (Hg.): Guntai, heishi; Yamada, Akira: Gunbu no seiritsu, In: Yoshida, Yutaka u. a. (Hg.): Kin-gendai 2 (= Iwanami kōza Nihon rekishi 16), Tōkyō: Iwanami shoten 2014, S. 249–280. 27 Tobe, Ryōichi: Gyakusetsu no guntai, S. 108. 28 Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 66.
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kehr der Wehrpflichtigen, aber auch bei Bestattungen von Gefallenen symbolisch repräsentiert und damit vertieft wurden. Andererseits erhöhte sie aber auch den sozialen Druck sowohl für die Rekruten als auch ihre (zurückbleibenden) Familien.29 Die enge Verschränkung der Truppen und der lokalen Gemeinschaften sollte sich nachhaltig auf die Mobilisierung der „Heimatfront“ (jūgo) in Kriegswie Friedenszeiten und damit auch insgesamt auf das Verhältnis von Militär und Gesellschaft auswirken. Zweitens sicherten sich die Streitkräfte zunehmend eine Sonderstellung im sich verändernden politischen Gefüge des Meiji-Staates. Auf diese arbeitete vor allem Yamagata Aritomo, dessen Führungsrolle in der Armee seit der Mitte der 1870er Jahre unumstritten war, systematisch hin.30 Die Streitkräfte entzogen sich damit dem potentiellen politischen Zugriff ziviler Staatsorgane wie des Parlamentes, der politischen Parteien sowie der Regierung und blieben weiterhin allein auf den Tennō hin ausgerichtet. Auf die verfassungsrechtliche Sonderstellung durch das Recht des Monarchen auf den Oberbefehl über die Streitkräfte (tōsui-ken) wurde oben bereits hingewiesen. Auch die Organisationsstruktur von Heer und Marine spiegelten diese Sonderstellung wieder: Zwar waren die Minister für Heer und Marine seit 1885 Mitglieder des Kabinetts, durch die Gründung von Generalund Admiralsstab (1878 bzw. 1893) sowie die Einführung des Generalinspekteurs für Militärische Ausbildung (Kyōiku sōkan-bu) für das Heer 1898 wurden die operative Führung, Kriegsplanung usw. (gunrei-ken) und die militärische Erziehung jedoch von einem möglichen zivilen Zugriff ausgenommen.31 Bei den beiden Ministerien verblieben lediglich administrative Aufgaben (gunsei-ken). Zugleich verfügten die beiden Streitkräfteminister und die Chefs der beiden Stäbe – im Gegensatz zum Premierminister – nach preußischem Vorbild über das Immediat recht. Schließlich legte ab 1900 das „System des aktiven Dienstes der Streitkräfteminister“ (gunbu daijin gen’eki bukan-sei) fest, dass die Ressortleiter von Heer und Marine Generäle bzw. Admiräle in den obersten beiden Diensträngen im aktiven Dienst sein mussten. War die Einführung dieser gesetzlichen Regelung, die übrigens lediglich gängige Praxis festschrieb, zunächst ebenfalls primär zur Abwehr einer möglichen zivilen Kontrolle über die Streitkräfte gedacht gewesen, entwickelte sich diese Norm im Gegenzug bald zu einem Instrument der militäri-
29 A. a. O., S. 67. 30 Saaler, Sven: Zwischen Demokratie und Militarismus. Die Kaiserlich-Japanische Armee in der Politik der Taishō-Zeit (1912–1926), Bonn: Bier’sche Verlagsanstalt 2000, S. 30–31. 31 Zur Geschichte der Generalsstäbe vgl. Ōe, Shinobu: Nihon no sanbō honbu, Tōkyō: Chūō kōron 1985; Kurono, Taeru: Sanbō honbu to rikugun daigakkō, Tōkyō: Kōdan-sha 2004; Evans, David C./Peattie, Mark R.: Kaigun. Strategy, Tactics, and Technology in the Imperial Japanese Navy 1887–1941, Annapolis: Naval Institute Press 1997, S. 25–31.
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schen Kontrolle der Regierung. War nämlich eine der beiden Teilstreitkräfte mit politischen Entscheidungen des Kabinetts unzufrieden, konnte sie den eigenen Minister zurückziehen und damit das Kabinett selbst zu Fall bringen, oder sie konnte die Bildung eines neuen Kabinetts verhindern, indem sie keinen Minister nominierte.32 Wiederholt genügte schon die Androhung des Gebrauchs dieses Instrumentes. So verblieb dem Parlament (und damit den in ihm vertretenen politischen Parteien) lediglich das klassische Druckmittel in Bezug auf das Militär, nämlich die Budgethoheit. Die Verfassung hatte aber auch dieses Mittel des Parlamentes abgeschwächt, denn verweigerte es die Verabschiedung eines Haushaltes, konnte die Regierung auf Basis des Vorjahreshaushaltes weiterregieren. Und tatsächlich entwickelte sich in den Jahren zwischen dem Zusammentreten des ersten Reichstages 1890 und dem Ausbruch des Ersten Chinesisch-Japanischen Krieges die Auseinandersetzungen über den Rüstungsetat zum wichtigsten Konfliktfeld zwischen Regierung und Parlament.33 Drittens wurde diese institutionelle Sonderstellung des Militärs durch eine weitere Vertiefung der normativ aufgeladenen Bezüge des Soldatseins flankiert. Diese zielte wiederum auf die Loyalität der Streitkräfte zum Thron, die Abgrenzung von den politischen Parteien und damit insgesamt von der Sphäre des Politischen sowie auf eine weitere Stärkung der Sonderbeziehung von Monarch und Militär. Den Anlass hierfür bildete die zunehmende Politisierung der Streitkräfte in den späten 1870er und frühen 1880er Jahren, die sich vor allem in der sog. TakebashiMeuterei der Garde-Artillerie 1878, aber auch in der Petition von vier Generälen aus Anlass des Skandals um die Hokkaidō-Entwicklungsbehörde während der sog. „Krise von 1881“ (Meiji jūyon-nen seihen) und an der Teilnahme von Militärs an der „Bewegung für Freiheit und Volksrechte“ zeigte.34 Bereits 1872 hatte ein Lehrbuch für Soldaten als Aufgabe des Militärs definiert, „den Willen des Kaisers
32 Heer und Marine brachten so tatsächlich 1940 das Kabinett Yonai zu Fall; 1914 wurde das Zustandekommen des Kabinetts Kiyoura durch die Marine, 1937 des Kabinetts Ugaki durch das Heer verhindert. Entsprechend gehörte diese Regelung auch zu einer der am heftigsten umstrittenen Normen vor 1945, die nach 1913 mehrfach verändert wurde. Vgl. Saaler, Sven: Zwischen Demokratie und Militarismus, S. 35–37 und S. 402–407. 33 Vgl. hierzu Schencking, J. Charles: Making Waves. Politics, Propaganda, and the Making of the Imperial Japanese Navy 1868–1922, Stanford: Stanford University Press 2005, S. 50–77; Fraser, Andrew/Mason, R. H. P./Mitchell, Philip: Japan’s Early Parliaments 1890–1905. Structure, Issues and Trends, London/New York: Routledge 1995; zur frühen Geschichte der politischen Parteien und der Jiyū minken undō siehe Makihara, Norio: Minken to kenpō sowie die klassische Studie von Scalapino, Robert A.: Democracy and the Party Movement in Prewar Japan. The Failure of the First Attempt, Berkeley/Los Angeles: University of California Press 1967. 34 Vgl. Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 51–52; zur „Krise von 1881“ vgl. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 236–237.
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auszuführen, die Grundlagen des Landes zu stärken sowie Volk und Nation zu schützen“, weshalb Soldaten „die Loyalität zum Kaiser zu ihrem handlungsleitenden Prinzip“ zu machen hätten.35 Nur wenige Wochen nach der TakebashiMeuterei wurde den Offizieren die „Ermahnung an die Soldaten“ (Gunjin kunkai) ausgehändigt, die von Yamagata Aritomo persönlich verfasst worden war und die erneut die moralischen Bezüge des Soldatseins hervorhob.36 Darin betonte Yamagata als die drei unverzichtbaren Leitwerte für Angehörige der Streitkräfte Loyalität (chūjitsu), Tapferkeit (yūkan) und unbedingten Gehorsam (fukujū).37 Auf diesen beruhe der „Geist des Soldaten“ (gunjin no seishin), dem eine besondere historische Dignität zugesprochen wurde, indem man insbesondere Treue und Tapferkeit als von den Vorfahren ererbte Verhaltensweisen apostrophierte. Im Januar 1882 erhielten die normativen Bezüge des Militärs die offizielle Sanktionierung durch den „Kaiserlichen Erlass an die Soldaten und Matrosen“ (Gunjin chokuyu), der bis zum Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges die wichtigste und zugleich sakrosankte Grundlage sowohl der geistigen Erziehung der japanischen Streitkräfte als auch der Aufrechterhaltung eines „soldatischen Geistes“ in der japanischen Gesellschaft durch den Reichsreservistenverband bildete.38 Auch dieser Text zielt explizit auf die Sonderbeziehung von Monarch und Streitkräften. Der monarchische Oberbefehl über die Truppen wird darin zu einem überzeitlichen Prinzip erhoben, das dem kokutai und den Einrichtungen der kaiserlichen Ahnen entspräche und das auf den mythischen ersten Kaiser, Jinmu-tennō, zurückgeführt wird.39 Fürderhin sollten die Soldaten und Matrosen den Herrscher als ihr Haupt (tōshu), er seinerseits wiederum die Truppen als seine rechte Hand ansehen (kokō to tanomi).40 Im Hauptteil des Kaiserlichen Erlasses werden fünf
35 Hackett, Roger F.: Yamagata Aritomo, S. 83. 36 Yamagata, Aritomo: Gunjin kunkai, In: Yūi, Masaomi/Fujiwara, Akira/Yoshida, Yutaka (Hg.): Guntai, heishi, S. 162–172. Vgl. auch Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 48; Saaler, Sven: Zwischen Demokatie und Militarismus, S. 31; Hackett, Roger F.: Yamagata Aritomo, S. 84–85. 37 Yamagata, Aritomo: Gunjin kunkai, S. 164. 38 Vgl. Gluck, Carol: Japan’s Modern Myths, S. 53–54; Saaler, Sven: Zwischen Demokratie und Militarismus, S. 31–32; Ohnuki-Tierney, Emiko: Kamikaze, Cherry Blossoms, and Nationalisms, S. 79–80; Umetani, Noboru: Gunjin chokuyu seiritsu-shi no kenkyū, In: Ōsaka daigaku bungakubu kiyō 8 (1961), S. 77–273. 39 Vgl. Gunjin chokuyu, In: Yūi, Masaomi/Fujiwara, Akira/Yoshida, Yutaka (Hg.): Guntai, heishi, S. 172–177, eine englische Übersetzung als Imperial Precepts to the Soldiers and Sailors, In: McNelly, Theodore (Hg.): Sources in Modern East Asian History and Politics, New York: Appleton-Century-Crofts 1967, S. 53–57. 40 Der hier verwendete Begriff kokō, im übertragenen Sinne die rechte Hand, war bis dahin nur ausgewählten Vasallen eines Herrschers vorbehalten, entwickelte sich nach der Veröffentlichung des Kaiserlichen Erlasses aber zu einem Synonym für die Streitkräfte.
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handlungsleitende Vorschriften formuliert, welche als zentrale Werte Loyalität (chūsetsu o tsukusu), schickliches Benehmen (reigi o tadashiku su), Mut (buyū o tōtobu), Redlichkeit (shingi o omonzu) und Enthaltsamkeit (shisso o shi to su) benennen. Dabei wird an der zentralen Bedeutung der Loyalität kein Zweifel gelassen, die Loyalität aber zugleich auch mit einem spezifischen Ehrbegriff aufgeladen und auch der Tod des Soldaten in diesen Kontext gestellt: „Für Angehörige des Militärs muss die wichtigste Pflicht umfassende Loyalität sein. Ein jeder, der in unserem Land geboren ist, muss sein Wollen darauf richten, ihm völlig zu dienen [sich ihm aufzuopfern]. Noch weniger kann man einen Soldaten oder Matrosen, solange er nicht diesen Geist verinnerlicht hat, als befähigt [brauchbar] erachten. Ein Militärangehöriger, dessen Gesinnung des Dienstes am Vaterland [der Opferbereitschaft für das Vaterland] nicht unerschütterlich ist, gleicht einer Puppe, auch wenn er über noch so große Fertigkeiten in den Künsten und Techniken oder Fähigkeiten in den Wissenschaften verfügt. Auch wenn ihre Formationen geschlossen und diszipliniert sind, wird eine Truppe, welche die Treue nicht kennt, im Ernstfall wie ein wilder Haufen sein. Wisst also, dass die Stärke und Schwäche der Streitkräfte [Zunahme und Abnahme der Macht der Streitkräfte] über Glück und Unglück des Staates entscheiden, denn es ist die Sache der Heeresmacht, den Staat zu verteidigen und seine Macht durchzusetzen. Lasst euch deshalb nicht von der öffentlichen Meinung beirren und mischt euch nicht in die Politik, sondern erfüllt zielstrebig eure wichtigste Pflicht umfassender Loyalität. Seid dabei immer eingedenk, dass die Gerechtigkeit schwerer als ein Gebirge, der Tod aber leichter als die Feder eine Elster ist. Ladet niemals Schimpf und Schande auf euch, indem ihr diesen Prinzipien untreu werdet und sie vergesst.“41
Schließlich wurde auch das politische Betätigungsverbot für Militärangehörige – wie übrigens auch für andere Staatsangestellte wie Polizisten und Lehrer, aber auch Schüler und Studenten – schrittweise juristisch festgeschrieben. Die Heeresregelung Nr. 100 vom 29. Dezember 1881 etwa drohte für „die Partizipation von Soldaten in politischen Dingen“, konkret „die Mitwirkung in Debatten, das Halten von Reden oder den Gebrauch des geschriebenen Wortes, um politische Ideen zu verbreiten“, einen Arrest zwischen einem Monat und drei Jahren an.42 Auch hierdurch wurde die Abgrenzung der Streitkräfte von der Sphäre des Politischen weiter verschärft. Die hier skizzierte Sonderstellung des Militärs garantierte, dass dieses auch unter den Bedingungen einer konstitutionellen politischen Ordnung das „Militär des Kaisers“ (tennō no guntai) blieb, welches die loyalistischen Gründungsväter von Heer und Marine avisiert hatten. Dies war die Voraussetzung dafür,
41 Gunjin chokuyu, S. 174. 42 Hackett, Roger F.: Yamagata Aritomo, S. 85–86.
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dass erstens der primäre und alles überragende Bezugspunkt der Streitkräfte vor Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges der Monarch blieb, vor dem Bezüge wie die Nation (kokumin), das Volk (minzoku) oder das Land (kuni) zurücktraten. Auch wenn auf der Ebene der einfachen Soldaten Bezüge zur Familie (ie), zur Gemeinde oder der Heimat (furusato) dominierten, fanden diese doch – im Gegensatz zu ihrer dominierenden Rolle als Träger und Adressat des Gefallenengedenkens – einen allenfalls vermittelten Eingang in die offiziellen staatlichen Legitimationsmuster soldatischen Handelns und Sterbens. Zweitens konnten die beiden Teilstreitkräfte unter diesen Bedingungen (freilich auch intern sehr differenzierte) unabhängige Akteure der Innenpolitik bleiben, die sich einer zivilen Kontrolle zu entziehen und zugleich mit dem Anspruch auf Überparteilichkeit und Gemeinwohlorientierung politisch äußerst erfolgreich zu agieren vermochten. Gegenüber den politischen Repräsentanten des Volkes, der Volksvertretung, den Parteien usw., die als interessengeleitet abgelehnt wurden, tat sich mithin eine institutionalisierte Kluft auf, die die japanischen Innenpolitik – freilich in sehr unterschiedlicher Intensität – bis zum Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges strukturell beeinflussen sollte. Dies hatte drittens wiederum Folgen für die normativen Bezüge militärischen Handelns. Der dominierende monarchische Bezug, die weitgehende Eigenständigkeit der Streitkräfte und das Fehlen eines parlamentarischen Regierungssystems reduzierten automatisch die Notwendigkeit politischer Aushandlungsprozesse über die Legitimität von Gewalt für die Sanktionierung staatlichen Handelns. Mit Loyalität, Gehorsam, Tapferkeit oder auch Vaterlandsliebe zielten die normativen Bezüge um die Jahrhundertwende primär auf den Habitus, auf durch das Individuum zu verkörpernde Tugenden; Wertekategorien wie Frieden, Sicherheit o. ä. waren nur deutlich abgeschwächt vorhanden.43 Diese strukturellen Bedingungen sollten auch den politischen Totenkult nachhaltig beeinflussen.
3.2 Neue Träger des Totengedenkens Neben den veränderten politischen Rahmenbedingungen traten v. a. im Umfeld des Ersten Chinesisch-Japanischen und des Russisch-Japanischen Krieges neue gesellschaftliche Träger des politischen Totenkultes auf. Diese transformierten das Gefallenengedenken von einem staatlichen Projekt, das im ersten Jahrzehnt nach der Meiji-Restauration vor allem vom Militär und der staatlichen Bürokratie
43 Vgl. etwa auch die aus Anlass des Endes des Ersten Chinesisch-Japanischen Krieges verfasste Kaiserliche Ansprache an die Soldaten und Matrosen des Reiches (13. Mai 1895), Anhang 3.
3.2 Neue Träger des Totengedenkens
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getragen worden war, zu einem Betätigungsfeld der japanischen Öffentlichkeit. Der politische Totenkult ist damit nicht mehr primär als top-down-Projekt, wie die gängigen Interpretationen des Staatsshintō suggerieren, sondern als Interaktion von oben und unten unter den Bedingungen einer pluralisierten Akteursstruktur zu verstehen. Dabei ist politisches und gesellschaftliches Handeln auf der Bühne der Gefallenenehrung und damit im öffentlichen Raum Faktor wie Indikator eines Aufbruches von selbstorganisierten und autonom handelnden Assoziationen in Japan. Das belegen besonders eindrücklich die zahlreichen Organisationen, die sich vor 1945 der Unterstützung von Kriegsopfern und Hinterbliebenen verschrieben haben.44 Die Bandbreite dieser Vereinigungen war sehr groß. Sie umfasste lediglich lokal oder regional aktive und bisweilen auch nur sehr kurzlebige Selbsthilfevereine ebenso wie vergleichsweise eng mit dem Staat kooperierende oder vom Staat geförderte, landesweit agierende und bis in die Kolonien ausgreifende Großverbände und Massenorganisationen wie das Japanische Rote Kreuz (Nihon sekijūji-sha), den Patriotischen Frauenverband (Aikoku fujin-kai)45 oder den Reichsreservistenverband (Teikoku zaigō gunjinkai).46 Die lediglich lokal und regional aktiven Vereinigungen sind dabei häufig aus den sog. Chōhei irō gikai (wörtlich: Vereinigungen, um der Pflicht zur Belohnung für den Wehrdienst nachzukommen) entstanden, die in den 1880er und 1890er Jahren gegründet worden waren. Sie zielten meist darauf, mit finanziellen Mitteln, die sie unter ihren Mitgliedern akquiriert hatten, ökonomische Notlagen junger Rekruten bei der Beendigung des Wehrdienstes abzufedern.47 Sie
44 Vgl. Schölz, Tino: „Sich um die Versehrten und Hinterbliebenen kümmern“; Ichinose, Toshiya: Furusato wa naze heishi o koroshita ka, Tōkyō: Kadokawa gakujutsu shuppan 2010, hier S. 14–15. 45 Bisher handelt es sich bei diesem Thema eher um ein Forschungsdesidert. Eine sehr gute Einführung bietet Gunshi, Jun: Kindai Nihon no kokumin dōin. ‚Rinpo sōfu‘ to chiiki tōgō, Tōkyō: Tōsui shobō 2009. Zur Geschichte der Aikoku fujin-kai siehe Morita, Keiko: Shiriizu Aikoku fujinkai, 4 Bände, Niigata: Taiyō shobō 2007–2008; zum Japanischen Roten Kreuz Kurozawa, Fumitaka/Kawai, Toshinobu (Hg.): Nihon sekijūji-sha to jindō enjo, Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 2009; zur Frühgeschichte auch Käser, Frank H.: Japan und das Rote Kreuz 1867–1905 (= Dissertation an der Freien Universität Berlin 2014). 46 Fujii, Tadatoshi: Zaigō gunjin-kai. Ryōhei ryōmin kara akagami, gyokusai e, Tōkyō: Iwanami shoten 2009; Smethurst, Richard J: A Social Basis for Prewar Japanese Militarism. The Army and the Rural Community, Berkeley/Los Angeles/London: University of California Press 1974. 47 Vgl. Kishimoto, Masaya: Senzen-ki senbotsu-sha izoku engo seido no enkaku. Onkyū-hō no hensen o chūshin ni, In: Shōwa no kurashi kenkyū 1 (2002), S. 45–97, hier S. 81–82. Der Terminus gikai verweist dabei auf den Umstand, dass man mit der Gründung besagter Organisationen einer (allerdings nicht näher bezeichneten) Pflicht gehorcht habe. Alternativ finden sich auch Namen wie Chōhei irō-kai, Heiin irō-kai oder Heiin taigū kumiai.
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stehen damit exemplarisch für das Grundprinzip des Meiji-zeitlichen Armenfürsorgewesens, für das das Prinzip der gesellschaftlichen, also nicht-staatlichen Zuständigkeit vor Ort charakteristisch ist.48 Die landesweit agierenden Organisationen hingegen waren zentralistisch strukturiert, wobei die lokalen und regionalen Unterabteilungen über ein unterschiedlich hohes Maß an Autonomie verfügten, aber ebenfalls das Prinzip der Hilfe vor Ort verfolgten. Gemeinsam war beiden Gruppen, dass sie in aller Regel von Honoratioren geleitet wurden, etwa den Leitern der Selbstverwaltungsorgane wie Bürgermeistern oder im Falle von Frauenvereinigungen deren Gattinnen. Sie bekleideten ihre Funktionen ehrenamtlich und trugen nicht unerheblich zum sozialen Prestige der Mitgliedschaft in den jeweiligen Organisationen bei. Besondere Beachtung verdient darüber hinaus der Umstand, dass – im Gegensatz zu anderen Bereichen – die Vereinigungen, Verbände und Gesellschaften mit Bezug zur Wohlfahrt für Hinterbliebene und Kriegsversehrte keine Domäne ausschließlich der Männer waren. Vielmehr waren Organisationen wie der Patriotische Frauenverband oder auch das Japanische Rote Kreuz eine der wichtigsten Bühnen für das organisierte Agieren von Frauen in der Öffentlichkeit. Durch ein Engagement in diesem Bereich war es Frauen möglich, politisch und sozial relevant zu handeln, ohne sich in Widerspruch zu den offiziellen Rollenbildern des Staates zu begeben oder die vom Recht gezogenen Grenzen, vor allem das Verbot politischer Betätigung, zu überschreiten. In Bezug auf die Bedeutung dieser neuen Träger des politischen Totenkultes ist zu betonen, dass sowohl das Selbst- bzw. Rollenverständnis der handelnden Akteure als auch ihre Deutungen des soldatischen Sterbens im Wesentlichen im Rahmen der staatlichen und damit offiziell sanktionierten Muster verblieben. Auch sie interpretierten den Tod auf dem Schlachtfeld als Akt der Loyalität gegenüber dem Herrscher (chūshi), wiesen Angehörigen Rollen wie die der guten Mutter (kenbo) zu oder verstanden das eigene Handeln als patriotischen Akt.49 Die konkreten Hilfestellungen für die Kriegsversehrten und Hinterbliebenen galten dabei in aller Regel als Ausdruck eines als spezifisch japanisch apostrophierten rinpo sōfu, des Prinzips gegenseitiger Unterstützung und Hilfe in der
48 Allgemein zur Armenfürsorge in der Meiji-Zeit siehe Yoshida, Kyūichi: Shin Nihon shakai jigyō no rekishi, Tōkyō: Keisō shobō 2004; vergleichend Hiramatsu, Hideto: Armenwesen und Armenpflege in den Städten Köln und Ōsaka im Vergleich (= Dissertation an der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg 2011). 49 Tobishiki, Shūichi (Hg.): Aikoku fujin-kai yonjū-nen-shi, Tōkyō: Aikoku fujin-kai 1941, S. 22. Die Namenslesung des Herausgebers ist nicht einheitlich; er wird bisweilen auch mit Hijiki oder Tobihō transkribiert.
3.2 Neue Träger des Totengedenkens
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Nachbarschaft, aus dem das eigene Handeln abgeleitet wurde.50 Zwar erkannte auch der japanische Staat eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber den Hinterbliebenen an. Für das wohlfahrtsgesellschaftliche Handeln jedoch betonten sowohl die offiziellen staatlichen Verlautbarungen als auch die Wohlfahrtsorganisationen selbst das Prinzip der zusätzlichen Unterstützung von staatlichen Interventionen. Nichtstaatliche (bürgerliche) Organisationen (minkan dantai) würden an der Stelle aktiv, wo behördliche Hilfe wegen der begrenzten Ressourcen des Staates nicht mehr möglich sei oder wo an Recht gebundene und auf die Allgemeinheit zielende administrative Maßnahmen in der Anwendung auf den Einzelfall versagten.51 Die aktive, „patriotische“ Beteiligung am Krieg an Front und Heimatfront wurde dabei in Japan auch nicht mit der Forderung nach politischer Partizipation verbunden. Die politische Dynamik, die „Kampf und Tod fürs Vaterland“ etwa im Preußen der Befreiungskriege oder später im Ersten Weltkrieg implizierte, entwickelte sich damit in Japan an dieser Stelle nicht. Die Ziele, Handlungsfelder und Aktivitäten der Organisationen waren meist sehr ähnlich und nicht auf den politischen Totenkult beschränkt. Im Zentrum stand die materielle wie immaterielle Hilfe für die Familien von Kriegsopfern. Da sich mit den Kriegen in Übersee auch die Praxis fest etablierte, zumindest Teile der sterblichen Überreste an die Hinterbliebenen zu übergeben, gehörten aber auch Beisetzungen und damit die Mitwirkung am Gefallenengedenken beinahe zwangsläufig zu ihrem Aufgabenbereich. Die Möglichkeiten der jeweiligen Organisationen waren durch die erheblichen Unterschiede bei den materiellen Ressourcen und Mitgliederzahlen sehr differenziert, weshalb Kooperationen vor Ort etwa bei Trauer- und Beisetzungsfeierlichkeiten für Kriegsgefallene, bei der Denkmalsstiftung usw. die Regel waren. Das Aktionsniveau wiederum war sehr breitgefächert. Manche Organisationen, wie etwa die Teikoku gunjin kōenkai, akquirierten lediglich finanzielle Mittel.52 Andere entwickelten sich – vor allem im Umfeld des Russisch-Japanischen Krieges – zu zentralen Akteuren der (Selbst-)Mobilisierung der japanischen Gesellschaft im Krieg. Die Bandbreite der Aktivitäten soll im Folgenden an zwei der wichtigsten Organisationen, der Aikoku fujin-kai (Patriotischer Frauenverband) und den Reservistenvereinigungen, kurz illustriert werden.
50 Dabei wurde rinpo sōfu vor 1945 als überzeitliche Tradition japanischer Moral konstruiert, vgl. etwa Gunji hogo-in: Izoku no shiori. Onten to engo, Tōkyō: Dai-Nihon insatsu kabushiki gaisha 1941, S. 19. Zur kritischen Auseinandersetzung mit der Tradierung dieser Zuschreibung durch die Forschung in Form der Betonung eines vormodernen Charakters des rinpo sōfu siehe Gunshi, Jun: Kindai Nihon no kokumin dōin, S. 6. 51 Rikugun-shō: Senbotsu shōhei no izoku no tame ni, o. O. 1938, S. 2. 52 Kishimoto, Masaya: Engo seido no enkaku, S. 82.
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Der Patriotische Frauenverband wurde 1901 auf Initiative von Okumura Ioko, die enge Beziehungen sowohl zum Kaiserhof als auch zu Kreisen ehemaliger Samurai unterhielt, gegründet. Dabei wurde sie von einflussreichen Adligen wie Konoe Atsumaro unterstützt. Die Gründungsmitglieder des Patriotischen Frauenverbandes entstammen zu einem erheblichen Teil ebenfalls einflussreichen Adelsfamilien wie den Iwakura, Konoe, Matsudaira, Ogasawara oder Shimazu, doch zählten zu den Gründerinnen auch Frauen aus der Mittelschicht. Weibliche Mitglieder des Kaiserhauses bildeten eine eigene Kategorie der Ehrenmitglieder (meiyo kaiin) und die Kaiserliche Prinzessin Chieko, Gattin des Kaiserlichen Prinzen Kan’in-no-miya Kotohito, übernahm den Vorsitz (sōsai), was erheblich zur sozialen Strahlkraft einer Mitgliedschaft in der Aikoku fujin-kai beitrug. Auch wegen der relativ hohen Mitgliedsbeiträge (1901 mindestens ein Yen jährlich für eine Laufzeit von 10 Jahren) entstammten in der Gründungsphase die Mitglieder meist der Mittel- und Oberschicht. Das Ziel das Patriotischen Frauenverbandes war es, finanzielle Mittel für die Familien von Hinterbliebenen und Kriegsversehrten aufzubringen, konkret je Mitglied mindestens „diejenige Summe, die man für einen han’eri zahlen“ würde. So könnten die Soldaten im Felde „zum Schild Seiner Majestät“ werden und „ohne zu zaudern auf das Schlachtfeld stürmen“, da sie ihre Angehörigen versorgt wüssten.53 In den ersten anderthalb Jahrzehnten seines Bestehens konzentrierte sich der Patriotische Frauenverband zunächst satzungsgemäß auf die materielle wie immaterielle Hilfe für Familien von Hinterbliebenen und Kriegsversehrten. Da diese primär aus sozial ärmeren Schichten stammten, geriet damit wie gesagt auch bald die Mitwirkung bei und die Unterstützung von Trauer- und Beisetzungsfeierlichkeiten für Gefallene auf die Agenda. Auch betreute die Aikoku fujin-kai Hinterbliebene bei ihren Besuchen am Yasukuni-Schrein, etwa durch die kostenlose Bereitstellung von Speisen und Getränken an einem eigenen Stand. Darüber hinaus engagierte sich der Verband aber vor allem für die materielle Unterstützung der Angehörigen der Gefallenen, indem er für Schulgeld oder Zusatzrenten aufkam. Daneben unterstützte die Aikoku fujin-kai auch aktiv Kriegsanstrengungen: Sie spendete etwa Ausstattungsgegenstände für Militärhospitäler, sandte den Soldaten im Felde Liebesgaben wie die legendären imon-bukuro oder die senninbari, oder verabschiedete Rekruten in die Kasernen und Truppen an die Front.54
53 Vgl. Tobishiki, Shūichi: Aikoku fujin-kai yonjū-nen-shi, S. 22. Bei einem han’eri handelt es sich um einen austauschbaren Kimonokragen. 54 Bei imon-bukuro handelte es sich um Pakete, die Soldaten an der Front aus der Heimat gesandt wurden. Sie enthielten meist Briefe, Photographien, Alltagsgegenstände wie Seife, Kleidungsstücke, Lebensmittel oder Amulette. Sennin-bari waren Leibbinden, die von je 1.000 Frau-
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Als noch bedeutsamer als der Patriotische Frauenverband sollten sich im Umfeld der Gefallenenehrung freilich die „Kriegervereine“ (shōbu-kai) und „Reservistenvereinigungen“ (zaigō gunjin-dan) erweisen, welche sich 1910 schließlich im „Reichsreservistenverband“ (Teikoku zaigō gunjin-kai) als nationaler Dachorganisation zusammenschlossen. Sozialgeschichtlich basierte ihre Entstehung auf den Änderungen der Bestimmungen über die Wehrpflicht von 1889, hier vor allem auf der Einführung des Einjährig-Freiwilligen-Systems nach preußischem Vorbild.55 Diese Änderungen zielten darauf, zum einen die zahlreichen Ausnahmeregelungen für eine Einberufung zu beenden, um damit sowohl die Truppenstärke insgesamt zu erhöhen als auch junge Männer aus mittleren und höheren, vor allem über höhere Bildung verfügenden Schichten der Bevölkerung als Führungspersonal an die Streitkräfte zu binden.56 Damit sollte zum anderen das soziale Prestige des Militärs insgesamt erhöht werden, das in Anbetracht der Sozialstruktur der Wehrpflichtigenarmee eher gering war. Tatsächlich war diese sozialstrukturelle Veränderung bei den Streitkräften für die Zunahme an sozialem Prestige seit den 1890er Jahren wahrscheinlich ebenso wichtig wie die militärischen Erfolge in den Kriegen von 1894/95 und 1904/05. Zugleich festigte sie das Band zwischen dem Heer (weniger der elitären Marine) und den lokalen Eliten und damit langfristig auch den lokalen Gemeinschaften. Auf der Grasswurzelebene bildeten sich vor allem in den ländlichen Gemeinden seit Ende der 1880er Jahre zahlreiche „Kriegervereine“ (shōbu-kai) und „Reservistenvereinigungen“ (zaigō gunjin-dan), die vor allem aus jungen Reserveoffizieren und älteren Veteranen bestanden.57 Diese setzten sich zum Ziel, in ihren lokalen Gemeinschaften „kriegerischen Geist“ (shōbu seishin) zu verbreiten. Dem diente eine breite Palette an Aktivitäten: öffentliche Respektbezeugungen gegen-
en mit einem roten Faden bestickt wurden und welche die Soldaten im Felde beschützen sollten. Das Versenden beider war seit dem Russisch-Japanischen Krieg üblich. Zur Tradition der Verabschiedung von Truppen im Russisch-Japanischen Krieg siehe Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 61–71. 55 Das Einjährig-Freiwilligen-System war nach den Befreiungskriegen in Preußen eingeführt worden. Es sah vor, dass junge Männer aus dem Besitz- und Bildungsbürgertum freiwillig einen verkürzten Wehrdienst von einem Jahr ableisten konnten, bei dem sie sich jedoch selbst finanzieren und ausrüsten mussten. Nach dem einen Jahr wurden sie meist in einem unteren Offiziersrang entlassen und dienten anschließend als Offiziere der Reserve. Vgl. Frevert, Ute: Die kasernierte Nation. Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland, München: C. H. Beck 2001, S. 66–79. 56 Smethurst, Richard J.: Social Basis for Prewar Japanese Militarism, S. 7. 57 Vgl. Sasaki, Ryūji: Nihon gunkoku shugi no shakai-teki kiban no keisei, In: Nihon-shi kenkyū 68 (1963), S. 1–30, hier S. 9–19. Dabei betont insbesondere die ältere Forschung, dass soziale Hierarchien eher tradiert und verfestigt denn aufgelöst wurden.
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über dem Kaiserhaus aus Anlass imperialer Fest- und Feiertage, materielle wie immaterielle Unterstützung von Kriegsversehrten und von Familien, deren Söhne eingezogen worden waren oder patriotischer Unterricht für Frauen und Kinder. Von besonderer Bedeutung war aber darüber hinaus auch die Unterstützung der Hinterbliebenen von Kriegstoten, die Teilnahme am Gefallenengedenken, konkret an Beisetzungen oder auch die Mitwirkung bei Gedenkzeremonien.58 Das Heer unterstützte diese Organisationen nachdrücklich, förderte und begleitete auch in manchen Regionen ihre Verbreitung; trotzdem blieben sie zunächst noch weitgehend unabhängig. 1906 gab es landesweit bereits etwa 4.000, 1910 etwa 11.000 solcher Vereinigungen. Der schließlich 1910 gegründete Reichsreservistenverband hingegen, der als Dachorganisation fungieren sollte und damit eine Kontrollfunktion hatte, war – auch institutionell – weit enger an das Heer angelehnt, so dass er bisweilen als halbstaatliche Organisation gilt. Seine Gründung ging wesentlich auf die Initiative von Oberstleutnant Tanaka Giichi (1863–1929) zurück, dem späteren General und Premierminister, der zu diesem Zeitpunkt Chef der Abteilung für militärische Angelegenheiten im Ministerium des Heeres war. Die Aktivitäten des Verbandes unterschieden sich dabei kaum von denen seiner Vorgänger, die nun als Zweigstellen inkorporiert wurden. Neu war vor allem, dass seine lokalen Unterorganisationen nach 1910 zum wichtigsten Stifter von Denkmälern für die Gefallenen und von regelmäßigen Gedenkzeremonien an diesen Gedenkorten avancierten.59 Er verzeichnete ein kontinuierliches Wachstum und hatte im Jahre 1936 14.000 Unterorganisationen (bunkai) und etwa 3 Millionen Mitglieder, allesamt Männer zwischen 20 und 40, von denen nun aber etwa die Hälfte nie aktiv in den Streitkräften gedient hatte. Diese Öffnung in die Gesellschaft hinein macht für diese Phase die gängige Übersetzung als Reservistenverband in der Sache irreführend. Um die Teikoku zaigō gunjin-kai gruppierten sich in den Folgejahren noch weitere Organisationen: 1915 das Großjapanische Jugendkorps (Dai-Nihon seinendan), 1926 die Jugend-Trainingszentren (Seinen kunren-jo) und schließlich 1932 die Wehrfrauenvereinigung (Kokubō fujin-kai), wodurch noch einmal ca. 10 Millionen Menschen zu dessen Netzwerk hinzukamen.60 Die Pluralisierung der Träger des Gefallenengedenkens und die damit einhergehende Ausweitung einer primär binnenmilitärischen und staatlichen Praxis zeitigten sehr unterschiedliche, teils auch gegenläufige Folgen. Die große
58 Vgl. ebenda; Smethurst, Richard J.: Social Basis for Prewar Japanese Militarism, S. 8. Darüber hinaus wirkten sie aber auch an allgemeinen öffentlichen Aufgaben, bei Baumaßnahmen oder auch dem Katastrophenschutz mit. 59 Vgl. unten Kap. 3.3. 60 Smethurst, Richard J.: Social Basis for Prewar Japanese Militarism, S. XIV.
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regionale und lokale Heterogenität ermöglichte etwa auf lokaler Ebene auch die verstärkte Teilnahme der buddhistischen Priesterschaft an den Bestattungsund Gedenkzeremonien. Hierdurch konnten auch traditionelle Elemente des buddhistischen oder volksreligiösen Totengedenkens in den Gefallenenkult integriert werden. Voraussetzung hierfür war freilich auch eine Annäherung der buddhistischen Schulen an die vom Staat vertretenen Positionen und offiziellen Deutungsfiguren. Dies wiederum schwächte den antibuddhistischen Charakter des politischen Totenkultes ab und erhöhte im Gegenzug seine gesellschaftliche Akzeptanz. Andererseits wirkte das Auftreten von landesweit organisierten Trägern des Gefallenenkultes langfristig als ein wichtiger Faktor für die Vereinheitlichung von Gedenkformen und -praktiken, wie sich vor allem bei der Denkmalsstiftung zeigen sollte. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch auf die Rolle der Presse, vor allem der lokalen Zeitungen, hinzuweisen. Auch sie wirkte zum einen als wichtiges Medium für die Verbreitung der staatlichen Deutungsmuster des Sterbens, aber auch der kollektiven Umgangsformen mit dem Tod der Soldaten durch Staat, Gesellschaft und auch Individuen. Zum anderen „personalisierte“ sie die Kriegserfahrungen in Übersee vor allem durch individualisierte Geschichten, in der die Lokalpresse nur allzu gern Bezüge zu militärischen Einheiten herstellte, die aus derselben Region stammten. Auf diese Weise fanden idealisierte und ästhetisierte, mithin heroisierende Repräsentationen soldatischen Sterbens in Übersee ebenso Eingang in den Alltag wie die Formen eines angemessenen Gedenkens an die Kriegsgefallenen. Die Rolle der Presse als Faktor für die Beziehung insbesondere von Militär und lokaler Gesellschaft schließlich wurde hierdurch ebenfalls weiter aufgewertet.61 Die zahlreichen Aktivitäten der neuen gesellschaftlichen Akteure halfen zweifelsohne, insbesondere in Kriegszeiten Streitkräfte und Zivilbevölkerung enger als bisher zu verzahnen. Zugleich sollte dieser Befund aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die existierende Kluft zwischen beiden vor 1945 nie ganz überbrückt werden konnte.62 Signifikante Teile der Bevölkerung blieben dem Militär gegenüber indifferent oder sogar latent feindlich eingestellt, worauf politische Kommentatoren zwischen 1890 und 1920 immer wieder hinwiesen.63 Trotzdem machten die neuen Träger das Gefallenengedenken zu einem Projekt der japanischen Öffentlichkeit. Durch die Teilnahme am kollektiv organisierten Totenkult wurde die Teilhabe an der Nation sichtbar und zugleich erfahrbar, und
61 Arakawa, Shōji: Guntai to chiiki, S. 293–294. 62 Vgl. Lone, Stewart: Provincial Life and the Military in Imperial Japan. The Phantom Samurai, Abingdon: Routledge 2010, S. 42. 63 Ebenda.
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das Gedenken an die toten Soldaten wurde so Faktor wie Indikator der sich vollendenden Nationalstaatsbildung.
3.3 Gefallenengedenken 3.3.1 Legitimation des Krieges In einem Krieg zwischen Staaten war das klassische Legitimationsmuster innerjapanischer Konflikte, nach welcher die Gegner der kaiserlichen Regierung zu Rebellen erklärt wurden, nicht mehr anwendbar. An seine Stelle trat eine veränderte legitimierende Deutung des Krieges, die einerseits klassische Elemente tradierte, andererseits aber auch neue Legitimationsmuster aufgriff. Unverändert blieb, dass der Tennō aus seiner (seit 1890 auch verfassungsrechtlich sanktionierten) Autorität heraus und unter Berufung auf seine göttlichen Ahnen Krieg erklärte. Zugleich lehnte sich das japanische Kaiserreich aber sowohl an klassische chinesische Konzepte als auch an das westliche Völkerrecht an. Unter Rückgriff auf das konfuzianische Konzept der Gerechtigkeit (gi) bei Menzius wurden die Kriege gegen China und Russland als „gerechte Kriege“ (gisen) verstanden.64 Der parallele Verweis auf das Völkerrecht war unmittelbarer Ausdruck des eigenen Modernitätsverständnisses. Als Kriegsziele wurden in den offiziellen Verlautbarungen einmal die Unabhängigkeit Koreas (und damit eben die Wahrung des Völkerrechtes) sowie der „Frieden im Fernen Osten“ und, sekundär, die „Lebensinteressen unseres Reiches“ definiert.65 Als ferner Abglanz der dichotomischen Gegenüberstellung von Freund und Feind in den Bürgerkriegen der frühen Meiji-Zeit können in den offiziellen Kriegserklärungen schließlich wenig subtile moralische Zuschreibungen gelten, wonach sowohl China im Krieg 1894/95 als auch Russland 1904/05 als „verschlagen und hinterlistig“ oder „ehrgeizig und gewaltbereit“ bezeichnet werden. In der Öffentlichkeit hingegen wurde der Konflikt mit China primär als ein Konflikt zwischen Modernität und Rückständigkeit, Zivilisation und Barbarei gedeutet.66 Im Gegensatz zur frühen Meiji-Zeit, wo die Feindschaft zum Tennō als alleiniges Kriterium ausreichte, wurden damit erstmals in der neueren japanischen Geschichte inhaltliche Ziele
64 Vgl. A. a. O., S. 26. 65 Vgl. Kaiserliche Kundgebung bei der Kriegserklärung gegen China (1. August 1894), In: Stead, Alfred (Hg.): Unser Vaterland Japan, S. 669–671; Kriegserklärung gegen Russland (1904), In: a. a. O., S. 677–679. 66 Lone, Stewart: Provincial Life and the Military, S. 26.
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eines militärischen Konfliktes konkret benannt und auch komplexere, dem Völkerrecht entsprechende Begründungen vorgenommen. Diese Verschiebung spiegelte den erweiterten Adressatenkreis, dem nun nicht nur die zu mobilisierende Nation, sondern auch die Staatengemeinschaft angehörte. Bemerkenswert ist jedoch, dass diese veränderte Legitimation und auch die neuen Deutungen von Krieg die Sinnstiftungen des Todes in ebendiesen Kriegen nicht veränderten.
3.3.2 Tod und Ehre In die Zeit der ersten beiden großen Staatenkriege des modernen Japan fällt eine Aufladung des Konzeptes der „Ehre“ (meiyo) im Kontext des Krieges, die ja bereits innerhalb der ethischen Normen der Samurai einen zentralen Stellenwert eingenommen hatte.67 Hierbei handelt es sich um einen wichtigen Teilaspekt des Transfers der in der Vor- und Frühmoderne ständisch bestimmten Kriegerethik in die moderne nationalstaatliche Ordnung, deren Vorbedingung wiederum die erfolgreiche Auflösung der Samurai als sozialer Stand in den 1870er Jahren war. Die Verwendung des Attributes „ehrenvoll“ stieg hierdurch im Umfeld der Streitkräfte sprunghaft an und wurde in sehr verschiedenen Kontexten verwendet: Es findet sich sowohl im Zusammenhang mit Verletzungen (meiyo no fushō), konnte den Verletzten selbst bezeichnen (meiyo no fushō-sha) oder sogar, wenn auch eher selten, einen Kriegsgefangenen näher beschreiben (meiyo no furyo).68 Besondere Bedeutung erlangte aber die Verbindung der Ehre mit dem soldatischen Sterben, die sich in Bezeichnungen wie „ehrenvoller Tod auf dem Schlachtfeld“ (meiyo no senshi) oder „ehrenvoller loyaler Tod“ (meiyo no chūshi) zeigt. Dabei wurde die Zuschreibung einer spezifischen Ehre nicht nur auf die Toten selbst, sondern auch auf die Familien der Hinterbliebenen ausgeweitet, für die sich der Ausdruck „ehrenvolle Familie“ bzw. „ehrenvolles Haus“ (homare no ie) einzubürgern begann. Eng damit verknüpft ist das verstärkte Auftauchen eines Konzeptes, dessen Existenz ebenfalls bereits vor dem Ausbruch des Russisch-Japanischen Krieges nachweisbar ist: die Zuschreibung, dass der Tod auf dem Schlachtfeld ehrenvoller als eine Gefangennahme sei.69 Auch wenn dieser Topos erst im Asiatisch-Pazifischen Krieg seine volle fatale Wirkung entfalten und hier nachgerade zu einem Charakteristikum der japanischen Streitkräfte im Vergleich zu den Kriegsgegnern
67 Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 97–104; Arakawa, Shōji: Guntai to chiiki, S. 292–293. 68 Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 99. 69 Zu Kriegsgefangenschaft im Russisch-Japanischen Krieg siehe Fukiura, Tadamasa: Horyotachi no Nichi-Ro sensō, Tōkyō: NHK bukkusu 2005.
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werden sollte (vgl. unten Kap. 4.2), begann seine Propagierung und Popularisierung insbesondere durch das Heer doch bereits um die Jahrhundertwende. Dabei wurden erneut Helden aus der Militärgeschichte des Altertums und des Mittelalters als Vorbilder bemüht, welche sich selbst das Leben genommen hatten.70 Gefangenschaft wurde nun in der Öffentlichkeit als Schande bezeichnet, geächtet und mit individueller Feigheit assoziiert und so geradezu zu einem Gegenbegriff zur Ehre aufgebaut. Entsprechend mussten japanische Gefangene, die den Krieg überlebt und in die Heimat zurückgekehrt waren, mit Beschimpfungen rechnen und Rechenschaft ablegen, weshalb sie zugelassen hätten, in Kriegsgefangenschaft geraten zu sein. Auch wenn nach dem Krieg offizielle Sanktionen seitens der Streitkräfte meist ausblieben, war der gesellschaftliche Druck ungleich größer – Folge vor allem auch der lokalen Verwurzelung der Regimenter. So kam es vor, dass ehemalige Kriegsgefangene etwa aus ihren Dörfern wegziehen mussten, weil Ausgrenzungen und Beschimpfungen unerträglich geworden waren. Auch hielt sich hartnäckig das Gerücht, ein Parlamentsabgeordneter habe wegen der Schande, dass sein Sohn Kriegsgefangener sei, Selbstmord begangen.71 In diesem Kontext wird auch verständlich, dass eine Vielzahl japanischer Kriegsgefangener – nota bene in Abweichung von den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung – bei ihrer Gefangennahme ihre tatsächlichen Namen verschwiegen und sich selbst stattdessen unter Namen von Helden der japanischen Geschichte wie etwa Miyamoto Musashi registrieren ließen.72 Nach dem Krieg gegen Russland fand dieser Topos auch Eingang in offizielles Schrifttum des Militärs bzw. die semioffizielle Publizistik. So betonte etwa das Handbuch der Infanterie (Hohei kyōtei) aus dem Jahre 1911: „In den Armeen Europas, der USA und anderer Länder scheint es keine äußerste Schande zu sein, vor dem Feind zu kapitulieren und sich in Gefangenschaft zu begeben. Dies zeigte sich zum Beispiel daran, dass beim Feldzug der Jahre Meiji 37/38 [1904–1905, TS] bei der Kapitulation von Port Arthur (Ryojun kaijō) und der Seeschlacht von Tsushima (Nihon-kai kaisen) usw. viele russische Soldaten in Gefangenschaft gingen. Wir japanische Soldaten mit dem aus alten Zeiten von unseren Ahnen ererbten Yamato damashii [Japanischer Geist, TS] und dem bushi-dō, wo im Krieg der Tod eine Ehre (shi o homare to nashi) und das Leben eine Schande sind, dürfen uns auch im Falle einer Niederlage niemals in Gefangenschaft begeben. Mit anderen Worten: Ergeben sich uns gegnerische Soldaten und begeben sich in unsere Gefangenschaft, so müssen wir ihnen eine angemessene Behandlung angedei-
70 Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 119. 71 A. a. O., S. 120. 72 Nakamura, Yoko: Bushidō-Diskurs. Die Analyse der Diskrepanz zwischen Ideal und Realität im Bushidō-Diskurs aus dem Jahr 1904 (Dissertation Universität Wien, 2008), S. 104.
3.3 Gefallenengedenken
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hen lassen. Trotzdem darf es in unserem Fall niemals diese äußerst schmachvolle und feige Handlung (dai-chijoku, dai-hikyō no kōi) geben, vor dem Feind zu kapitulieren und sich in seine Gefangenschaft zu begeben.“73
Weiter heißt es im Lehrbuch der Infanterie: „Ist es Zeit zu sterben, und man stirbt nicht, ist dies eine Schande, die größer ist als der Tod. Bevor Du als ein Ziegelstein weiterexistierst, sei lieber ein Edelstein, der splittert! Dies ist wahrhaftig der Stolz des japanischen Mannes, der grundlegende Geist (konpon seishin) der kaiserlichen Soldaten.“74
Damit findet sich nicht nur erstmals, worauf Ichinose Toshiya zurecht hinweist, das Motiv des „splitternden Edelsteines“, das in seiner sinojapanischen Lesung gyokusai in der offiziellen Rhetorik als Schlagwort für den Kampf bis zum letzten Mann in der Endphase des Asiatisch-Pazifischen Krieges diente, im offiziellen Schrifttum des Heeres.75 Zugleich wertet dieser Text auch habituelle Muster der Samurai auf, die in der frühen Meiji-Zeit als degeneriert galten und von denen sich das Militär abgegrenzt hatte. Anders gewendet: Auch der normativ aufgeladene Ehrbegriff in den Streitkräften der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der eine so fatale Relevanz für soziales Handeln von Menschen im Krieg gewinnen sollte, war allenfalls eine gebrochene Tradition, die sich zwar auf Leitbilder und Handlungsmuster der Vergangenheit berief, in ihrer konkreten Ausprägung aber ein Produkt der spezifischen Entstehungsbedingungen der Jahrhundertwende war.
3.3.3 Gedenkpraktiken Die Trauer- und Gedenkrituale für die Gefallenen waren prinzipiell zweigeteilt, sie umfassten zum einen Bestattungen, zum anderen Einschreinungszeremonien für die Seelen der Kriegstoten. Dabei ist für beide Elemente eine iterative, mehrstufige Struktur charakteristisch, wie sie heute in vielen Streitkräften, etwa auch aktuell in der Bundeswehr, die Regel ist.76 Diese elaborierte, zeitgenössisch
73 Kōsei-dō hensan-bu: Hohei kyōtei, Tōkyō: Kōsei-dō 1911, S. 172–173; vgl. auch Ichinose, To shiya: Meiji, Taishō, Shōwa guntai manyuaru. Hito wa naze senjō e itta no ka, Tōkyō: Kōbun-sha 2004, S. 116–117. 74 Kōsei-dō hensan-bu: Hohei kyōtei, S. 173. 75 Ichinose, Toshiya: Meiji, Taishō, Shōwa guntai manyuaru, S. 117. Die Formulierung „lieber ein Edelstein, der splittert als ein Ziegelstein, der weiterexistiert“ geht dabei auf die chinesische „Geschichte der nördlichen Qi“ (Bei Qi Shu, jap. Hoku-Sei-sho) aus dem 7. Jahrhundert zurück. 76 Unter iterativer Struktur wird hier die Mehrstufigkeit bzw. Wiederholung von Trauerritualen
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im Vergleich zu den europäischen Nationen eher ungewöhnliche (und nota bene auch kostspielige) Praxis zeitigte zwei Folgen: Einmal realisierte und demons trierte sie die Sinnstiftung und Bedeutungszuschreibung des soldatischen Sterbens für und durch den japanischen Nationalstaat, konkret gegenüber den (überlebenden) Kameraden, den Hinterbliebenen, aber auch der Öffentlichkeit in toto als Träger und zugleich Adressaten des politischen Totenkultes. Hierdurch wurden die staatlichen Vorgaben für den Einzelnen erfahrbar. Damit ist diese Praxis Faktor wie Indikator auch der (Selbst-)Mobilisierung der japanischen Gesellschaft im und durch den Krieg und ihre Durchdringung durch den Nationalstaat. Zugleich wurde die besondere Ehrzuschreibung für die Hinterbliebenen auf Grund des Kriegstodes eines Angehörigen sowohl auf lokaler und regionaler als auch auf nationaler Ebene unmittelbar öffentlich vollzogen und damit in gesellschaftliches Handeln transformiert. Insofern zeigt sich an dieser Stelle auch der sich ändernde Stellenwert der Gefallenen in der japanischen Gesellschaft. Bestattungen. Der Umgang mit den sterblichen Überresten Gefallener bzw. an Kriegsverletzungen Verstorbener wurde durch die Streitkräfte in verschiedenen Regularien festgeschrieben, deren wichtigste in Bezug auf das Heer die Verordnung des Heeresministeriums (Rikugun-shō-rei) Nr. 22 von 1897, die „Bestimmungen des Heeres zur Bestattung in Kriegszeiten“ (Senji rikugun maisō kisoku) vom 17. Juli 1894 und die „Bestimmungen zur Bestattung von Kriegsgefallenen und zur Säuberung von Kampfplätzen“ (Senjō sōji oyobi senshi-sha maisō kisoku) vom 30. Mai 1904 waren.77 In ihnen wurde grundsätzlich gefordert, dass Gefallene zu kremieren und ihre Asche auf einem Militärfriedhof bzw. „speziell festgelegten Grundstücken“ (toku ni sentei shitaru tochi) beizusetzen sei. Mit letzteren sind wahrscheinlich Soldatenfriedhöfe in den Kampfgebieten gemeint. Darüber hinaus schrieben die Regularien eine Hierarchisierung der Gefallenen fest, insofern als für Generäle und Offiziere Einzelkremation und individuelle Gräber, für Unteroffiziere und Mannschaften hingegen Kollektivkremation und die Anlage von Sammelgräbern vorgesehen waren. Eine weitere Differenzierung konnte nach Zugehörigkeit (Soldat oder Zivilangestellter bei den Streitkräften) erfolgen, wie die Befunde auf dem Soldatenfriedhof von Sendai ausweisen.78 Mit dem Ausbruch des
verstanden. So finden etwa heute im Falle eines Toten der Bundeswehr in Afghanistan Aufbahrungs- und Trauerzeremonien vor Ort im Feldlager, bei der Überführung des Leichnams vor dem Abflug, bei der Ankunft in Köln-Wahn, ein Gedenkgottesdienst in der Heimatgemeinde und die anschließende Beisetzung, meist im Familienkreis, statt. Dabei ist der Teilnehmer- und Adressatenkreis meist unterschiedlich. 77 Harada, Keiichi: Kokumin-gun no shinwa, S. 218–222. Für die Marine existierten analoge Bestimmungen, auf die jedoch in Anbetracht der deutlich geringeren Zahl an Opfern und der nur geringen Abweichungen von den Regelungen des Heeres im Folgenden nicht näher eingegangen wird. 78 A. a. O., S. 219.
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Russisch-Japanischen Krieges, der großangelegte Schlachten und damit hohe Opferzahlen mit sich brachte – erstmals gab es mehr direkt Gefallene als Soldaten, die im Lazarett Krankheiten oder ihren Verwundungen erlegen waren –, wurden diese Bestimmungen weiter präzisiert und den neuen Bedingungen angepasst. So sahen die „Bestimmungen“ von 1904 vor, dass in jeder Einheit sog. „Säuberungstrupps“ (sōjitai) zu bilden seien, welche nach Leichnamen und Verwundeten suchen und deren persönliche Habe sicherstellen sollten.79 Japanische Soldaten sollten anschließend kremiert, russische Soldaten erdbestattet werden, wobei bei der Ortswahl auf hygienische Probleme besondere Rücksicht zu nehmen war. Die kremierten sterblichen Überreste (ikotsu) sollten dann zunächst provisorisch auf dem Schlachtfeld bestattet (kari-maisō), Haare der Verstorbenen (ihatsu) hingegen ebenfalls in Urnen in die Heimat verschickt werden. Bei den provisorischen Bestattungen wurde gleichfalls die militärische Hierarchie gewahrt, denn auch hier erhielten Offiziere im Gegensatz zu den Sammelgrabanlagen für Unteroffiziere und Mannschaften gesonderte Gräber. Da eine spätere Umbettung (kaisō) auf die Militärfriedhöfe der japanischen Hauptinseln vorgesehen und für diese bereits ein elaboriertes verwaltungstechnisches Verfahren inauguriert worden war, war es naheliegend, die hier geltenden Vorschriften (zumindest dem Anspruch nach) auch für die Feldzüge aufrechtzuerhalten. Während aber die Beisetzung auf einem Militärfriedhof als Prinzip vorgesehen war, wurde durchaus auch eine Übergabe der Asche (oder eben anderer „sterblicher Überreste“ wie Haare oder Fingernägel) der Gefallenen an Hinterbliebene praktiziert.80 In diesem Fall war auf dem Militärfriedhof trotzdem ein Grabstein zu errichten, so dass die Zugehörigkeit zu den Streitkräften auf diesem Wege symbolisch ausgedrückt blieb. Aus dieser Praxis entwickelte sich eine Pluralität der Bestattungen, die für den Umgang mit den militärischen Toten in Japan vor 1945 charakteristisch war und die dem Gefallenenkult auch eine zusätzliche Dynamik verlieh. Neben die temporäre Bestattung im Feld und die (symbolische oder reale) Bestattung auf dem Militärfriedhof trat ein „öffentliches Begräbnis“, das durch die Heimatgemeinde veranstaltet wurde.81 Dieses konnte der eigentlichen Beisetzung der Urne durch die Familie vorgelagert sein oder mit dieser zu einer Zeremonie verschmolzen werden.82 Öffentliche Begräbniszeremonien waren während bzw. nach dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg,
79 A. a. O., S. 219–222. 80 A. a. O., S. 225. 81 Die Bezeichnungen für diese Bestattungen differierten; am Geläufigsten waren „Gemeindebestattung“ (sonsō), wörtlich „Dorfbestattung“, und „öffentliche Bestattung“ (kōsō). 82 Im Falle von ihren Verletzungen Erlegenen konnte die Kremation als zusätzliches Element hinzukommen; hier wurde die Asche, wie heute noch üblich, vor der eigentlichen Beisetzung mehrere Wochen im Haus aufbewahrt.
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als die Zahl der Opfer relativ gering war und viele Kriegsversehrte in der Heimat ihr Leben verloren hatten, außergewöhnlich groß und kostspielig – hier konnten leicht über 1.000 oder sogar 2.000 Teilnehmer anwesend sein.83 Die anfallenden Kosten waren durch die Familien selbst meist nicht zu tragen, was im Gegenzug die finanzielle Beteiligung der Gemeinde, der Honoratioren oder auch der gesellschaftlichen Organisationen umso wichtiger machte. Während des Krieges 1904/05 wurden sie etwas kleiner, liefen aber weitgehend nach dem gleichen Muster ab. Zunächst nahm die Gemeinde den Toten symbolisch in Empfang, indem offizielle Vertreter (meist der Bürgermeister persönlich) die Urne (in Form einer Holzkiste) mit den sterblichen Überresten etwa am Bahnhof von Vertretern der Einheit des Gefallenen in Empfang nahm (vgl. Abb. 1584).85 Von hier wurden sie in einen öffentlichen Raum, z. B. in das Rathaus, eine Schule oder einen Tempel, überführt, wo im Beisein lokaler und regionaler Honoratioren auch aus den Nachbargemeinden und von der Kreis- und Präfekturebene meist buddhistische Zeremonien wie das Lesen von Sutren oder das Abbrennen von Weihrauch vollzogen wurden, bevor sie an die Hinterbliebenen selbst übergeben wurden. Im Falle von Iwata Tamizō etwa, der im November 1896 im Militärkrankenhaus von Tōkyō an einer Verletzung verstorben war, die er auf Taiwan erlittenen hatte, nahmen an der Begräbnisprozession neben den Angehörigen als Honoratioren konkret der Kreisvorsteher (gunchō), der Polizeihauptmeister (keibu), zwei Abgeordnete des Präfekturparlamentes, Vertreter der Wehrbezirksverwaltung, der Bürgermeister, Vertreter des Roten Kreuzes, Abgeordnete der Gemeindeversammlung, acht Priester verschiedener buddhistischer Tempel, Vertreter des Regi-
83 Vgl. o. A.: Kaisetsu, In: Tōkyō-to (Hg.): To-shi shiryō shūsei. Band 1: Nis-Shin sensō to Tōkyō, Tōkyō: Gyōsei 1998, S. xxiii-lxi; Tanakamaru, Katsuhiko: Samayoeru eirei-tachi, S. 27–32; Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 127; Shirakawa, Tetsuo: Chiiki ni okeru kindai Nihon no ‚senbotsu-sha irei‘ gyōji. Shōkon-sai to senshi-sha sōgi no hikaku kōsatsu, In: Shirin 87 (2004), Heft 4, S. 94–124, hier S. 109. 84 Die Abbildung stammt aus der Zeit des Mandschurischen Zwischenfalls, steht aber exemplarisch für die hochgradig ritualisierte Ankunft der Urnen der Gefallenen am Bahnhof des Regimentsstandortes bzw. der Heimatgemeinde, wo sie vom Stammregiment und Honoratioren der Gemeinde in Empfang genommen wurden. Die Urnen wurden dabei in aller Regel von Regimentskameraden oder Reservisten getragen. 85 Vgl. hierfür und für das Folgende a. a. O., S. 109–111.
3.3 Gefallenengedenken
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Abb. 15: Ankunft der Urnen Gefallener am Bahnhof (1932)
Abb. 16: Begräbnisprozession (Mugon no gaisen), Kōbe, 21. April 1939
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ments, Ordensinhaber, Lehrer und Schüler teil (vgl. Abb. 1686).87 Eine Sonderstellung nahmen bei den öffentlichen Bestattungen Abgeordnete der Schulen ein. In der Regel waren die Schulen am Ort und, falls abweichend, vom Verstorbenen besuchte Schulen durch Lehrer und Schüler vertreten. Sie wurden im Laufe der Zeit mehr und mehr auch aktiv in die Gestaltung der Bestattungen einbezogen, etwa in Form des Singens von patriotischen Liedern usw. Die zahlreich überlieferten Trauerreden, die hochgradig stilisiert sind, was auch hier einerseits auf die umfassende Presseberichterstattung, andererseits auf die vermehrte Publikation von Leitfäden und Textsammlungen zurückzuführen ist, verblieben semantisch in ihrer Deutung des Soldatentodes im Rahmen der offiziellen staatlichen Deutungsmuster und rhetorischen Figuren wie der Interpretation des Sterbens als einem Akt der Loyalität gegenüber dem Herrscher, als Ausdruck der Pflicht zum Dienst am Vaterland, des „ehrenvollen Todes“ usw.88 Dabei wurden auch zunehmend Textbausteine etwa aus dem Gunjin chokuyu oder dem Kaiserliche Erziehungserlass verwendet, wodurch direkt auf deren Autorität Bezug genommen wurde. Im Zentrum der Veranstaltung standen jedoch die Hinterbliebenen, welche einerseits die Adressaten waren, von denen aber andererseits das würdige Ausfüllen der ihnen durch Staat und Gesellschaft zugeschriebenen Rollenbilder einer „ehrenvollen Familie“ erwartet wurde. Private Trauer war bei den offiziellen Begräbniszeremonien nicht vorgesehen. Die Sonderstellung der Familie der Hinterbliebenen wurde schließlich durch die Praxis der Errichtung von sog. „Soldatengräbern“ (gunjin-baka) auf den zivilen Friedhöfen durch die Angehörigen unterstrichen und zugleich öffentlich symbolisiert. Die sowohl in Größe als auch Materialbeschaffenheit herausragenden (und finanziell kostspieligen) Gräber wurden individuell für die Gefallenen errichtet, befanden sich aber meist direkt neben dem Familiengrab. Sie bilden in der Formensprache eine Mischung aus traditionellen buddhistischen und den für Soldatengräber vorgesehenen shintōistischen Elementen und tragen oft militäri-
86 Die hier vorliegende Abbildung stammt zwar aus der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges, veranschaulicht aber ebenfalls die Präsenz zahlreicher Gruppen bei einer solchen Prozession. Den Zug bilden zunächst buddhistische, dann shintōistische Priester. Es folgen Soldaten, welche die weiß eingeschlagenen Urnen von Gefallenen tragen. Links und recht des Zuges haben Vertreterinnen der Wehrfrauenvereinigung (Kokubō fujin-kai) Aufstellung genommen, im Vordergrund Schüler. 87 Vgl. Iwata Tamizō sōgi gyōretsu oyobi sōgi-ba mitori-zu, In: Tōkyō-to (Hg.): To-shi shiryō shūsei, Band 1: Nis-Shin sensō to Tōkyō, S. 488–489. 88 Vgl. etwa die Trauerreden aus Anlaß der öffentlichen Beisetzung von Nakamura Hirosuke vom 29. Mai 1895 in der Gemeinde Sayama im Kreis Kita-Tama (Präfektur Tōkyō) in: a. a. O., S. 494–496.
3.3 Gefallenengedenken
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Abb. 17: Soldatengrab von Feldwebel Itaya Eishō (gef. 1904, links) und Familiengrab (rechts), Shōfuku-ji, Niigata
sche Symbole. Die Inschriften geben meist Einzelheiten zur militärischen Vita des Verstorbenen wie Rang oder erhaltene Auszeichnungen, aber auch die Namen der Stifter – eben der Angehörigen – wieder (vgl. Abb. 17). Die skizzierte Praxis der iterativen Beisetzungen im Felde, auf den Militärfriedhöfen wie auch in den Gemeinden zeitigte zwei Folgen. Erstens bedeutete sie eine öffentliche und für alle Beteiligten erfahrbare und oftmals auch wiederholbare Umsetzung der inhaltlichen Vorgaben der offiziellen staatlichen Deutungsmuster des Totengedenkens. Es ist davon auszugehen, dass dieser Zusammenhang dem Gefallenenkult in Japan eine zusätzliche Dynamik verlieh, die im Falle einer alleinigen Beisetzung in Übersee und anschließender Gedenkzeremonien in der Heimat so wahrscheinlich nicht aufgetreten wäre. Zweitens wurde mit dem Krieg von 1894/95 und vor allem 1904/05 die pastorale Tätigkeit buddhistischer Priester, vor allem der Jōdo shinshū-Schule des Nishi hongan-ji, an der Front wie in der Heimat zu einem weit verbreiteten Phänomen.89 Diese pastoralen Aktivi-
89 Diese waren im Gegenzug freilich nur möglich, weil sich auch die buddhistischen Priester den staatlichen Deutungsmustern anpassten, wie das Beispiel von Ōtani Kōzui eindrucksvoll
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3 Gefallenenkult einer imperialen Großmacht
täten buddhistischer Priester, der Mangel an zentralstaatlicher Steuerung auf der lokalen Ebene sowie die daraus resultierende relative Freiheit der Akteure vor Ort vor allem bei den Bestattungen führten wiederum dazu, dass parallel zu den staatlichen Vorgaben auch traditionelle Elemente wie Formen des buddhistischen oder volksreligiösen Totengedenkens sowohl in den im engeren Sinne militärischen wie auch in den lokalen Totenkult integriert werden konnten und wurden. Dies erhöhte die gesellschaftliche Akzeptanz des Totengedenkens und schwächte zugleich dessen antibuddhistischen Charakter, der sich noch in der frühen Meiji-Zeit gezeigt hatte, zusätzlich ab. Shōkon-Zeremonien. Parallel zu den Bestattungen blieben die shōkonZeremonien die wichtigste Form der öffentlichen Ehrung der Gefallenen. Auch für sie war der iterative Charakter ein wichtiges Kennzeichen. Shōkon-Zeremonien wurden sowohl im Felde als auch in der Heimat – falls ein entsprechendes Heiligtum vorhanden war – sowohl auf der Ebene der Städte und Gemeinden, der Landkreise und Präfekturen wie auch auf nationaler Ebene durchgeführt. Hinzu kamen auch hier Zeremonien im Rahmen des Militärs, vor allem auf der Ebene der Regimenter und der Divisionen. Dabei waren sowohl die Kriterien als auch die Durchführung einer Einschreinung inzwischen präzise festgelegt und damit standardisiert. Erste shōkon-sai wurden nach Shintō-Ritus bereits während der Feldzüge auf dem asiatischen Festland durch die Truppen selbst im Rahmen der unterschiedlichen Verbände (Kompanie, Regiment, Division usw.) durchgeführt. Waren keine Priester anwesend, konnte deren Funktion durch Offiziere, die die typische Kleidung von Shintō-Priestern anlegten, ausgefüllt werden.90 An die shintōistische Zeremonie schloss sich oft noch eine buddhistische Seelenmesse an. Schließlich folgte auch bei den shōkon-sai ein volksfestartiges Element, das Belustigungen (yokyō) wie Sumo-Wettkämpfe, Kostümwettbewerbe, Schwertkämpfe oder klassische Theater- und Tanzvorführungen umfassen konnte und bei dem Essen und alkoholische Getränke bereitgestellt wurden. Dieser Teil bildete eine willkommene Abwechslung zum tristen Alltag der Soldaten wie auch
zeigt. Am Tag nach der Kriegserklärung an Russland 1904 erklärte der Abt des Nishi hongan-ji: „You are fortunate to be in the military ranks now, as this is a fine opportunity to serve the lord and the country with one’s death, and leave fame for one thousend years to come. Throughout one’s lifetime of some 50 years, some will not be able to avoid death, and when the times comes, there is nothing better than to die. Your situation today is enviable. When the time comes to be mobilized, advance without a thought of returning alive, whether you return alive triumphant, or die as a corpse strewn in the field, your glory will remain beyond death.“ Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 95. Siehe zum Verhältnis der verschiedenen Religionen zu den Kriegen der Meiji-Zeit auch Ogawara Masamichi: Kindai Nihon no sensō to shūkyō, Tōkyō: Kōdan-sha 2010. 90 Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 115–116.
3.3 Gefallenengedenken
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zur sonst eher spärlichen Versorgung und war entsprechend beliebt. Neben der sozialen hatten diese Zeremonien auch eine eminente politische Funktion, lösten sie doch – und weit eher als der konkrete Umgang mit den Leichnamen im Felde – das Versprechen der Streitkräfte ein, die Gefallenen als „ehrenvolle Kriegstote“ zu behandeln91 – was freilich keineswegs dazu führte, dass dieses Deutungsmuster seitens der Soldaten auch tatsächlich angenommen wurde. Auch in der Heimat wurden die Gedenkzeremonien für die Gefallenen, in aller Regel in der Form von shōkon-Zeremonien, fortgesetzt. Im Zentrum der Memorialpraxis stand dabei die lokale Ebene, konkret vor allem die Gemeinden und die Landkreise (gun). Daneben scheinen auch private Einschreinungszeremonien (shisai gōshi) an lokalen shōkon-Schreinen bzw. -Steinen üblich gewesen zu sein, dessen Bedingung allerdings die Einschreinung in den Yasukuni jinja und eine Genehmigung der Präfekturverwaltung war.92 Aber auch militärische Einheiten führten nach der Rückkehr in ihre Standorte nochmals shōkon-Feiern durch. Dieser lokale Gefallenenkult blieb, wie schon bei den Bestattungen, organisatorisch gesehen relativ staatsfern, insofern als die Finanzierung oder die Durchführung in den Händen lokaler Honoratioren (Bürgermeister, Schuldirektoren, Spitzen der Vereine, Unternehmer oder Großgrundbesitzer) verblieb. Die Kosten wurden meist durch die Gemeindekasse und private Spenden beglichen. Trotz dieser Staatsferne ist eine Tendenz zur Vereinheitlichung der Inhalte sowohl in Hinblick auf die Symbolik, die Semantik und die Abläufe zu beobachten. Auch hier dürfte die Kommunikation idealisierter Praktiken in Form der Presseberichterstattung oder der landesweit zusammengeschlossenen Organisationen, der Handbücher für Reden wie auch die Genehmigungsverfahren etwa für die Einschreinungen als Katalysatoren der Vereinheitlichung gewirkt haben. Denkmäler. Neben diesen Praktiken etablierte sich in Japan in der Phase des Ersten Chinesisch-Japanischen und des Russisch-Japanischen Krieges auf lokaler Ebene das Denkmal fest als dauerhaftes Medium der Erinnerung an die Gefallenen.93 Dabei waren die Denkmäler, die nach dem Ersten Chinesisch-Japanischen
91 A. a. O., S. 116. 92 Yamazaki, Arinobu: Nichi-Ro sen’eki chūshi-sha kenpi narabi ni shōkon-sha gōshi tetsuzuki, Tōkyō: Kaitsu-sha 1906, S. 57–59. 93 Vgl. zur Geschichte der Denkmäler für Gefallene in Japan Shingū, Jōji: Sensō-hi o yomu, Tōkyō: Kōyō shuppan 2001; Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, Tōkyō: Akatsuki shobō 1984; Kagotani, Jirō: Shichōson no chūkon-hi, chūrei-tō ni tsuite. Yasukuni mondai ni yosete, In: Rekishi hyōron 292 (1974), S. 49–71; Ders.: Senbotsu-sha-hi to ,chūkon-hi‘. Aru chūkon-hi soshō ni yosete, In: Rekishi hyōron 406 (1984), S. 27–55; Awazu, Kenta: Senbotsu-sha irei to shūgō-teki kioku. Chūkon chūrei o meguru gensetsu to chūrei kōsō mondai o chūshin ni, In: Nihon-shi kenkyū 501 (2004), S. 176–206; Ders.: War Memorials in Modern Japanese Context. The Trans-
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Krieg errichtet wurden, zunächst noch sehr heterogen: Es handelte sich um Denkmäler (kinen-hi) für Gefallene, aber auch allgemein für Kriegsteilnehmer, individuelle, durch Angehörige errichtete Denkmäler, Regiments- oder Divisionsdenkmäler, Steine zum Herbeirufen der Seelen (shōkon-hi), Denkmäler zur Erinnerung an den Feldzug gegen China oder Siegesdenkmäler wie „Triumphsteine“ (gaisenhi) oder „Steine zum Gedenken an die Unterwerfung des Qing-Reiches“ (sei-Shin kinen-hi). Besonders häufig waren darunter Denkmäler, welche die Namen der Gefallenen und der Kriegsteilnehmer aus der Kommune nebeneinander aufführten und die Toten lediglich durch einen zusätzlichen Vermerk „gefallen“ (senshi oder senbotsu) unterschieden.94 In Bezug auf die Stiftung kann man grob zwei Gruppen differenzieren: zum einen ging die Errichtung auf die Initiative lokaler Honoratioren, der Gemeinde oder lokaler Vereine bzw. von deren lokalen Unterorganisationen zurück, zum anderen auf Hinterbliebene, die für ihre gefallenen Angehörigen eine individualisierte Erinnerung sicherstellen wollten – wobei auch kollektiv gestiftete Denkmäler wegen der geringen Zahl an Opfern etwa einer Gemeinde durchaus nur einzelne Gefallene erinnern konnten. Individualisierte Gedenksteine enthielten (meist auf ihrer Rückseite oder an den Seiten eingraviert) oft auch längere und z. T. äußerst detailreiche biographische Ausführungen, welche den militärischen Werdegang, die Teilnahme an Feldzügen bzw. Schlachten, Auszeichnungen und Ehrungen (insbesondere die Verleihung von Orden) sowie oft minutiöse Informationen zu Ort und Zeitpunkt des Todes verzeichneten.95 Hierin unterschieden sie sich kaum von den individuellen Soldatengräbern auf zivilen Friedhöfen. Darüber hinaus zeigten die Denkmäler die Gefallenen als Menschen, welche mit Loyalität zum Herrscher, Vaterlandsliebe und den Normen des Familiensystems die ethischen Vorgaben des Kaiserlichen Erziehungserlasses oder des Kaiserlichen Erlasses an die Soldaten und Matrosen erfüllt hätten.96
formation of Nationalistic Representation, In: Antoni, Klaus/Kubota, Hiroshi u. a. (Hg.): Religion and National Identity in the Japanese Context, Münster: LIT-Verlag 2002, S. 37–49; Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 135–147. 94 In der Präfektur Aichi z. B. 50 von 114 Denkmälern. Vgl. Saya, Makito: Sino-Japanese War, S. 154. 95 Die Informationen konnten sich sogar auf die Rückführung der sterblichen Überreste und die Bestattung erstrecken. Vgl. z. B. für den Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg das Denkmal für Masura Takeo auf dem Gelände des Jōkō jinja in Ōaza, Kōnosu-shi (Präfektur Saitama). Die Inschrift ist abgedruckt in Shingū, Jōji: Sensō-hi o yomu, S. 70–71. Für den Russisch-Japanischen Krieg vgl. das im März 1906 auf Betreiben seines Vaters errichtete Denkmal für Nagoya Kiyomatsu in Izumi-machi in Hōya (Präfektur Tōkyō). Die Inschrift ist abgedruckt in Yasukuni jinja (Hg.): Tōkyō-to chūkon-hi nado konryū chōsa-shū, Tōkyō: Taiyō-sha 1995, S. 198–199. 96 Shingū, Jōji: Sensō-hi o yomu, S. 136.
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Abb. 18: Chūkon-hi, Landesverteidigungsschrein Shimabara, Shimabara
Nach dem Russisch-Japanischen Krieg gab es zwei Wellen der Denkmalsstiftung, die einmal 1906–1907 und dann 1910–1912 ihre jeweiligen Höhepunkte erreichten.97 In der ersten Phase ist dabei noch, analog zu den Befunden des Krieges von 1894–1895, eine relativ große Bandbreite bei der Denkmalsgestaltung zu erkennen. Auch zeitgenössische Handbücher wie die „Prozedur der Errichtung von Denkmälern für loyale Verstorbene [Gefallene] des Russisch-Japanischen Feldzuges und deren Einschreinung in shōkon-Schreine“ von Yamazaki Arinobu bildeten diese Breite durchaus ab.98 Jedoch nimmt – in Anbetracht der weit größeren Zahl an Opfern – die Zahl der kollektiv gestifteten Denkmäler für Individuen nun signifikant ab. Die zweite Welle markiert dann darüber hinaus einen nachhaltigen Wandel sowohl in Hinblick auf Stifter als auch die Deutung des Kriegstodes. Zum einen wurden die Denkmäler nun vor allem durch den ebenfalls 1910 gegründeten Reichsreservistenverband, der seinerseits engste Beziehungen zum Heer unterhielt, errichtet – was freilich keineswegs bedeutete, dass
97 Die Befunde sind hier natürlich regional sehr unterschiedlich. In den Präfekturen Tōkyō und Kanagawa etwa fällt das Gros der Denkmalserrichtung in die Jahre 1906/07. Vgl. die Gesamtaufnahme der Gefallenendenkmäler für beide Präfekturen Yasukuni jinja (Hg.): Tōkyō-to chūkon-hi nado konryū chōsa-shū; Ders. (Hg.): Kanagawa-ken chūkon-hi nado konryū chōsa-shū. 98 Yamazaki, Arinobu: Nichi-Ro sen’eki chūshi-sha kenpi narabi ni shōkon-sha gōshi tetsuzuki.
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die lokalen Eliten nicht mehr wesentlich zur Finanzierung beizutragen hatten.99 Dabei trugen die Denkmäler nun beinahe ausschließlich den Namen „Stein für loyale Seelen“ (chūkon-hi) oder verwandte Ausdrücke wie hyōchū-hi („Stein, der Loyalität ausdrückt“) oder shōchū-hi („Stein der leuchtenden Loyalität“), worin sich eine weitere Annäherung an die offiziellen staatlichen Deutungsmuster zeigt (vgl. Abb. 18). Auch wenn chūkon-hi zunächst für die Gefallenen des RussischJapanischen Krieges errichtet wurden, zielten sie doch zusätzlich darauf, auch die Toten älterer Konflikte wie des Südwest-Krieges oder des Ersten ChinesischJapanischen Krieges zu erinnern und damit gleichsam zu einem Brennpunkt des lokalen Totenkultes zu werden.100 Trotz des Befundes der noch relativ ungesteuerte Entwicklung bei der Errichtung von Denkmälern im Land sind bereits seit den 1880er Jahren Tendenzen der staatlichen Behörden zu beobachten, die Denkmalsstiftung und -errichtung zu kontrollieren. Bereits 1886 wurde ein mehrstufiges Genehmigungsverfahren eingeführt (und in den Folgejahren weiter adaptiert), das eine Stellungnahme der örtlichen Polizeibehörden, einen Dienstweg über die Lokal- und Präfekturverwaltung und die letztendliche Bewilligung durch das Innenministerium vorsah, wenn ein Denkmal auf öffentlichem Gelände errichtet werden sollte.101 Hierzu musste neben der Beibringung von Bauplänen und Finanzierungsnachweisen auch der Zweck des Denkmals benannt werden. Die Genehmigungspraxis in der Präfektur Saitama legt den Schluss nahe, dass das Innenministerium dabei vor allem auf zwei Felder besonderes Augenmerk richtete. Zum einen sollte eine religiöse Nutzung der Denkmäler verhindert werden. So wurden der Bau von Denkmälern untersagt, welche der Durchführung religiöser (buddhistischer wie shintōistischer) Riten wie des segaki-e dienen oder die selbst Gegenstand der Verehrung werden sollten, für deren Dienst die Bezahlung von Shintō-Priestern vorgesehen oder an denen die Darbringung religiöser Opfer wie Sake intendiert war.102 Zum anderen nahm die Bürokratie Einfluss auf die konkrete Denkmalsgestaltung. So verfügte das Innenministerium etwa 1906, dass Denkmäler nicht die Form von Grabanlagen nachahmen durften. Nach dem Russisch-Japanischen Krieg wurde zusätzliches Augenmerk darauf gelegt, dass Denkmalsinschriften nicht zu außenpolitischen Verwicklungen mit dem ehemaligen Kriegsgegner führten, die etwa bei der Verwendung des Begriffes sei-Ro („Unterwerfung Russlands“) in Analogie zu Namensgebungen nach dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg zu befürchten waren. Auch legt die weit-
99 Ōe, Shinobu: Yasukuni jinja, S. 168–169. 100 Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 142. 101 Awazu, Kenta: War Memorials, S. 40–41; Kagotani, Jirō: Senbotsu-sha-hi to chūkon-hi, S. 39–43. 102 Kagotani, Jirō: Senbotsu-sha-hi to chūkon-hi, S. 40–42; Awazu, Kenta: War Memorials, S. 41.
3.3 Gefallenengedenken
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gehende Abwesenheit von (teilweise auch religiös aufgeladenen) Begriffen wie „Trauer“ (tsuitō bzw. aitō) den Schluss nahe, dass die Denkmalsstifter im Großen und Ganzen der offiziellen Zielsetzung, wonach ein Denkmal „einen Anreiz für die Nachkommen künftiger Generationen darstellen“ solle (kōsei shison o shōrei sen to suru), folgten.103 Bereits 1905 hatte das Innenministerium schließlich verfügt, dass nur ein Denkmal je administrativer Einheit errichtet werden solle, was sowohl der Konzentration der lokalen Denkmalslandschaft an einem Ort als auch der Vereinheitlichung der Denkmalsgestaltung den entscheidenden Impuls gab. Interessanterweise führte diese „Zentralisierung“ der Erinnerung zu einer nochmaligen Zunahme der Errichtung privater Denkmäler durch Familien von Hinterbliebenen auf deren privaten Grundstücken, ein Phänomen, das bereits seit dem Ende des Ersten Chinesisch-Japanischen Krieges zu beobachten war.104 Dabei wurde aber auch bei diesen nach 1904/05 errichteten privaten Denkmälern vor allem die moralische Qualität des verstorbenen Familienangehörigen gewürdigt. Neben die Tugend der Loyalität zum Herrscher (chū) tritt dabei oft die Betonung der kindlichen Pietät gegenüber den Eltern (kō), womit der Rahmen der ethischen Vorgaben des Staates jedoch nicht durchbrochen wurde.105 Ikonographisch unterscheiden sich japanische Gefallenendenkmäler deutlich von ihren Pendants in Europa.106 Während diese in der Regel figürlich sind, d. h. einen Soldaten abbilden, einen symbolischen Verweis auf Soldatentum wie ein Schwert o. ä. enthalten oder eine religiöse Symbolik wie Kreuz oder Palme aufweisen, handelt es sich bei den japanischen Gefallenendenkmäler meist um Steine, deren Vorderseite eine (meist kurze) Inschrift schmückt. Ansonsten wird der Stein eher naturbelassen. Die Inschrift bildet in aller Regel die Kalligraphie eines berühmten Militärs oder Politikers ab, so z. B. des Oberbefehlshabers der betreffenden Einheit.107 Diese ist meist mit der Bezeichnung des Denkmals iden-
103 Die von Awazu Kenta an Hand der 1898 geplanten Errichtung eines „Trauersteines“ (tsuitō no hi) in Agano (Präfektur Saitama) vertretene Interpretation, wonach das Wort „Trauer“ zur Ablehnung geführt habe, hält einer Überprüfung nicht Stand. Das Innenministerium störte sich in diesem Fall nicht an der Verwendung von tsuitō bzw. aitō, sondern an der geplanten Verwendung nicht benötigter Spendengelder für die Durchführung religiöser Zeremonien. Vgl. Awazu, Kenta: War Memorials, S. 41 und Shaji koseki-bu keidai Chichibu-gun Agano-mura Agano jinja keidai konpi fu-kyoka (20. Juli 1899) (Saitama-ken kōbun-sho, Rep. m-2377–10). 104 Shingū, Jōji: Sensō-hi o yomu, S. 159. 105 A. a. O., S. 205; Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 145. 106 A. a. O., S. 239–240. 107 Bisher liegen keine umfassenden Ergebnisse vor, wer vor 1945 Inschriften verfasst hat. Eine Auswertung für die Präfektur Chiba hat für Mitte der 1990er Jahre ergeben, dass zu diesem Zeitpunkt von 781 Denkmälern 291 (= 37 %) Inschriften von Militärs tragen, 92 (= 12 %) von
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Abb. 19: Denkmal für die Gefallenen der Ersten Armee, Nittai-ji, Nagoya (1903)
tisch. Auf der Rückseite können sich weitere Ausführungen wie Namenslisten Gefallener oder der Stifter, Ausführungen zur Errichtung des Denkmals oder eine kurze Eloge finden. Sind japanische Gefallenendenkmäler doch figürlich gestaltet, nehmen sie oft die Gestalt einer Granate an. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel hierfür ist das „Denkmal für die Gefallenen der Ersten Armee“ (Dai-ichigun senshi-sha kinen-hi), das 1903 mit einer Höhe von fast 22 Metern in Nagoya errichtet wurde (vgl. Abb. 19).108 Aber auch figürliche Darstellungen von realen Personen (wie etwa die Hirose Takeos von 1911, vgl. Abb. 26, S. 198) oder von
Privatpersonen, 71 (= 9 %) von buddhistischen oder shintōistischen Priestern, 61 (= 8 %) vom Premierminister, 53 (= 7 %) vom Gouverneur der Präfektur, 14 (= 2 %) von Angehörigen des Kaiserhauses und 9 (= 1 %) von „Prominenten“. 190 (= 24 %) tragen keine gesonderte Inschrift. Siehe Chiba-ken gokoku jinja/Ebine, Isao: Chiba-ken no chūkon-hi, S. 462. Berücksichtigt man, dass die Denkmäler mit Inschriften von Militärs vor allem aus der Zeit vor 1945 stammen dürften, wird ihr prozentualer Anteil noch erheblich höher gewesen sein. 108 Vgl. hierzu Haga, Shōji: Nis-Shin sensō kinen-hi kō. Aichi-ken o rei to shite, In: Nagoya daigaku bungaku-bu kenkyū ronshū 44 (1998), S. 205–231. Ursprünglich befand sich das Denkmal in Nagoya auf einer zentralen Straßenkreuzung in der Innenstadt, 1920 wurde es auf das Gelände des Nittai-ji verlagert. Insgesamt finden sich auf ihm die Namen von 726 Gefallenen. Ein analoges Denkmal wurde in Hiroshima errichtet, dessen Division ebenfalls zur Ersten Armee gehörte. Dieses wurde beim Atombombenabwurf 1945 zerstört.
3.3 Gefallenengedenken
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Abb. 20: Stein der leuchtenden Loyalität (Shōchū-hi), Hakusan jinja, Niigata (1908)
mythischen Personen wie des „Reichsgründers“ Jimmu-tennō in Niigata von 1908 (vgl. Abb. 20) sind für Gefallenendenkmäler nachweisbar, wenn auch eher selten.109 Als bevorzugter Ort der Errichtung galt dabei das Gelände von Schreinen oder Tempeln, aber auch öffentliche Parkanlagen oder vor Rathäusern.110 Die Praxis, chūkon-hi auf oder vor Schulhöfen zu errichten, was ein wichtiges
109 Wenn auch davon auszugehen ist, dass plastische Denkmäler, weil sie als martialischer und nationalistischer galten, nach 1945 häufiger als Denkmäler in Form von Natursteinen beseitigt worden sein dürften. 110 Gesamtaufnahmen zur Denkmalslandschaft einzelner Präfekturen differenzieren bisher nicht nach dem Zusammenhang von Entstehungsdatum und Ort der Errichtung, so dass kaum generalisierende Aussagen zu einzelnen Regionen möglich sind. Zwischen 1895 und 1939 wurden nach Untersuchungen von Kagotani Jirō in der Präfektur Ōsaka insgesamt 736 Denkmäler errichtet, 255 davon wiesen einen Bezug zum Thema Krieg auf. Davon sind wiederum 139 (= 54,5 %) chūkon-hi, 53 (= 20,8 %) Denkmäler für Feldzüge (sen’eki kinen-hi), 37 (= 14,5 %) individuelle Denkmäler für Kriegsgefallene (senbotsu-sha kojin-hi), 12 (= 4,7 %) Denkmäler für Soldaten, die ihren Verwundungen erlagen, 11 (= 4,3 %) Triumphdenkmäler (gaisen no hi) und schließlich 3 (= 1,2 %) Grabmäler für loyale Seelen (chūrei-tō). Die chūkon-hi verteilen sich dabei räumlich wie folgt: Schulen: 68 (= 48 %), Schreine: 11 (7,8 %), Tempel: 11 (7,8 %), Rathäuser: 11 (7,8 %), Parks: 3, Öffentliche Einrichtungen: 3, Deiche: 4, Öffentliche Flächen: 3, Privatgelände: 6, nicht mehr bestimmbar: 22. Damit verfügten in diesem Zeitraum etwas mehr als der Hälfte aller administrativen Einheiten in der Präfektur Ōsaka über einen chūkon-hi. Vgl. Kagotani, Jirō: Kindai Nihon ni okeru kyōiku to kokka no shisō, Kyōto: Aunsha 1994, S. 366–384.
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Element einer stärkeren Verzahnung von Schulbildung und Gefallenengedenken darstellt, scheint dabei jedoch erst in der späten Taishō- und der frühen ShōwaZeit allgemein üblich geworden zu sein. Schließlich entwickelte sich in den Jahren um den Ersten Chinesisch-Japanischen und den Russisch-Japanischen Krieg um die Denkmäler auch eine rituelle soziale Praxis in Form von shōkon- bzw. chūkon-Festen (shōkon- bzw. chūkon-sai, wörtl. „Fest zum Herbeirufen der Seelen“ bzw. „Fest der loyalen Seele“), die in der Regel von örtlichen Vereinen organisiert wurden, aber weite Teile der Bevölkerung mit einbezogen, so dass mehrere tausend Teilnehmer durchaus die Regel waren.111 Die Honoratioren der Gemeinde und teilweise der Region, die Spitzen der örtlichen Verwaltung, Offiziere, aber auch die Familien der Hinterbliebenen als Ehrengäste, Vereine, die Jugendbünde (seinen-kai), Schüler usw. nahmen dabei eine besondere Rolle ein. Diese Gedenkzeremonien, deren Häufigkeit von jährlichen oder halbjährlichen bis zu monatlichen Durchführungen schwanken konnte, begannen mit einer oft mehrtägig andauernden Reinigung der Gräber der Gefallenen, um dann am eigentlichen Tag der Zeremonie in einem Besuch der Gräber und einer anschließenden Gedenkfeier zunächst in einem lokalen Tempel, der Schule, einem Park oder später eben des chūkon-hi zu münden, was dessen Funktion als zentralen Ort des lokalen Totenkultes weiter festigte.112 Dass dabei meist auch religiöse Zeremonien vollzogen wurden, widersprach der staatliche Politik, eine religiöse Nutzung der chūkon-hi zu verhindern. Wie auch bei den Einschreinungszeremonien folgten auf den zeremoniellen Teil in aller Regel „Amüsements“, so dass sie schließlich auch den Charakter von Dorf- bzw. Gemeindefesten annehmen konnten. Bilder und figürliche Darstellungen. Mit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden Gefallene schließlich vermehrt in Form von Bildern oder auch von plastischen Darstellungen etwa auf Gräbern, in Tempeln oder auch Museen erinnert. Dies illustriert zum einen die Individualisierung als wichtiges Merkmal
111 Vgl. für die lokalen shōkon-sai Shirakawa, Tetsuo: Chiiki ni okeru kindai Nihon no ‚senbotsusha irei‘ gyōji, S. 103–108. 112 Smethurst, Richard J.: Social Basis for Prewar Japanese Militarism, S. 172–173; Ōe, Shinobu: Yasukuni jinja, S. 169–172. Ōhara Yasuo hingegen bestreitet nachdrücklich die Gleichsetzung der shōkon-sai an den chūkon-hi mit den klassischen shōkon-Zeremonien etwa am Yasukuni. Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 75–79; Fukuchi, Shigetaka: Gunkoku Nihon no keisei. Shizoku ishiki no tenkai to sono shūmatsu, Tōkyō: Shunjū-sha 1959, S. 113. Die Festlichkeiten spiegelten, wie schon die öffentlichen Beisetzungen, durchaus die offiziöse lokale Hierarchie wieder, insofern als etwa die Sitzordnung nach verliehenen Orden und Auszeichnungen, staatlichen Pensionen oder auch militärischem Rang arrangiert wurde.
3.3 Gefallenengedenken
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des politischen Totenkultes in Japan, markiert in seinem Umfang aber zugleich einen wichtigen Unterschied zum westlichen Gefallenenkult. Diese Praxis wurde gewissermaßen von höchster Stelle, in Form eines Gedichtes des Meiji-tennō von 1904, autorisiert. In ihm brachte er den Wunsch zum Ausdruck, dass die Gestalt derjenigen Menschen, die ihr Leben für das Land geopfert haben, bis in ferne Zukunft ausgehängt (bzw. „hochgehalten“, kakagesasemashi) werden möge.113 Auf dem Gelände des Kaiserpalastes in Tōkyō wurden entsprechend Gebäude, die sog. Gyo-fu, errichtet, in denen für die einzelnen Feldzüge Japans neben Kriegstrophäen auch Gemälde und Photographien einzelner Gefallener – konkret von Offizieren und Unteroffizieren – ausgestellt und Namensregister der japanischen Kriegstoten aufbewahrt wurden. Konkret handelte es sich dabei in der Meiji-Zeit um das Shinten-fu für den Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg, das Kaien-fu für die Expedition zur Niederschlagung des Boxeraufstandes im Jahre 1900 und das Ken’an-fu für den Russisch-Japanischen Krieg.114 In der Taishō-Zeit wurden zusätzlich noch das Junmei-fu für den Ersten Weltkrieg und die Sibirien-Intervention und in den 1930er Jahren das Kenchū-fu für den Mandschurischen und den Shanghai-Zwischenfall erbaut. Sie alle waren öffentlich zugänglich und verbanden die Erinnerung an die militärischen Erfolge Japans mit dem Gedenken an die Toten, denen hier buchstäblich ein Gesicht gegeben wurde. Dieser Brauch wurde später vor allem in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges wieder aufgegriffen, als in zahlreichen öffentlichen Gebäuden und vor allem Schulen sog. „Heldenseelenzimmer“ (eirei-shitsu) eingerichtet wurden, in denen ebenfalls Photographien der Gefallenen aufbewahrt (und zum Teil kultisch verehrt) wurden (vgl. Kap. 4.2). Bis in die Gegenwart finden sich auch in zahlreichen Tempeln entsprechende Porträtbilder von Soldaten in Uniform. Schließlich dürfte auch die heute noch weit verbreitete Praxis der Ausstellung von Photographien und Gemälden von Kriegstoten in den Museen des Yasukuni-Schreins (dem Yūshū-kan) und der Landesverteidigungsschreine in den verschiedenen Präfekturen auf diese Tradition zurückzuführen sein. Die verbreiteteste Form der plastischen Darstellung einzelner Gefallener waren aber die individuellen Stein- oder Betonskulpturen auf den Soldatengräbern in den Heimatgemeinden. Da sie fast vollständig nach dem Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges zerstört wurden, ist eine umfassende Untersu-
113 „Sue tohoku [tooku] kakagesasemashi kuni no tame mi o sutetarishi hito no sugata.“ Meiji jingū (Hg.): Shinshō Meiji-tennō gyoshū Shōken-kōtaigō gyoshū, Tōkyō: Kadokawa shoten 1987, S. 97. 114 Vgl. zum Shinten-fu auch Miyagawa, Tetsujirō: Shinten-fu haiken-ki, Tōkyō: Hosei-dō 1902; Kyōiku sōkan-bu (Hg.): Shinten-fu Kaian-fu Ken’an-fu ni tsuite, Tōkyō: Seibu-dō 1935.
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Abb. 21: Skulpturen Gefallener, Naka-no-in, Minami-chita, Aichi (nach 1937)
Abb. 22: Halle der Heldenseelen, Jōshō-in, Fujieda, Präfektur Shizuoka (1907)
3.3 Gefallenengedenken
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chung nicht mehr möglich. Die heute noch vorhandenen Beispiele (v. a. aus der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges) repräsentieren den Toten individuell als Soldaten, in seiner Uniform, mit den ihm verliehenen Orden, teilweise auch mit militärischen Attributen wie einem Schwert, einem Gewehr oder einem Feldstecher (vgl. Abb. 21). Bisweilen findet sich sogar die Plastik eines Hundes bei der Skulptur des Gefallenen. Die Gesichtszüge sind, soweit sich das beurteilen lässt, nicht idealisiert, sondern der konkreten Gestalt nachempfunden, so dass man davon ausgehen kann, dass Photographien als Vorlagen die Statuen dienten. Ein Sonderfall scheint schließlich die „Halle der Heldenseelen“ (Eirei-den) des Jōshō-in in Fujieda (Präfektur Shizuoka) zu sein, die bis heute Holzstatuen von insgesamt 224 Gefallenen des Russisch-Japanischen Krieges des Kreises Shida (Shida-gun) beherbergt (Abb. 22). Die Idee zur Errichtung einer solchen Halle für die Kriegstoten aus den umliegenden Gemeinden stand dabei offensichtlich im Zusammenhang mit Plänen zur baulichen Erneuerung und Erweiterung des bereits seit dem 17. Jahrhundert an dieser Stelle befindlichen buddhistischen Tempels. Insgesamt wurden unter den Angehörigen und in den umliegenden Gemeinden Spenden in Höhe von 4.500 Yen gesammelt, mit denen die Anfertigung der Holzstatuen finanziert wurde. Deren Herstellung erfolgte durch eine Holzschnitzfirma in Nagoya nach photographischen Vorlagen, die von den Hinterbliebenen zur Verfügung gestellt worden waren. Bei der Eröffnung der Anlage im Januar 1907 war der Gouverneur der Präfektur Shizuoka anwesend, der Oberbefehlshaber der japanischen Streitkräfte in der Mandschurei, Feldmarschall Ōyama Iwao, steuerte eine von ihm verfasste Kalligraphie für den Tempel bei. Auch diese Statuen zeichnen sich nicht nur durch individuelle Gesichtszüge aus, sondern sie tragen ebenfalls die ihnen verliehenen Orden und ihre spezifische Uniform, nach Teilstreitkraft, Truppengattung, Rang und Einheit unterschieden. Ihre Größe ist jedoch, mit Ausnahme eines Offiziers in der Mitte, dessen Statue herausgehoben ist, gleich. Ein Holztäfelchen vor jeder Statue verzeichnet jeweils den Namen und die Herkunftsgemeinde des Gefallenen. Darüber hinaus wird jeder Gefallene gleichermaßen als „zu verehrende Seele der Landesverteidigung“ (gokoku sonrei) bezeichnet. Den einzelnen Toten werden bis heute nach buddhistischem Ritus Opfergaben dargebracht und jährlich mindestens eine Totenmesse gelesen. Auch wenn die „Halle der Heldenseelen“ des Jōshō-in in ihrer Anlage außergewöhnlich ist, steht sie doch in vielerlei Hinsicht exemplarisch für den politischen Totenkult nach dem Russisch-Japanischen Krieg. Erstens wird jeder einzelne Gefallene hier individuell, und zwar nicht nur mit seinem Namen, sondern auch mit seiner Gestalt erinnert. Die Nennung des Herkunftsortes stellt zweitens die Verbindung zur Heimatgemeinde her. Das Gedenken an die Toten ist drittens insofern egalitär, als mit Ausnahme des Kommandanten, dessen Statue die
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anderen etwas überragt und die sich im Zentrum befindet, alle Gefallenen auf die gleiche Art und Weise erinnert werden und ihre Plastiken auch die gleiche Größe aufweisen. Viertens werden die Verstorbenen religiös verehrt, wenn auch hier nicht nach shintōistischem, sondern nach buddhistischem Ritus. Daran zeigt sich, dass auch der Buddhismus auf lokaler Ebene signifikant in das Gefallenengedenken einbezogen war. Schließlich belegt fünftens die Finanzierung der Anlage durch Spenden, in welchem Maße der politische Totenkult nach der Jahrhundertwende in Japan durch die lokale Öffentlichkeit getragen wurde. Yasukuni-Schrein und Hinterbliebene. Während sich also auf lokaler und regionaler Ebene sowohl innerhalb des Militärs als auch in der zivilen Bevölkerung ein elaborierter und zugleich sehr differenzierter Gefallenenkult entwickelte, blieb seitens des Staates aber der Yasukuni-Schrein im Zentrum der Ehrung für tote Soldaten. Damit knüpfte die Gefallenenehrung unmittelbar an die Formen und Praktiken der Bürgerkriege an und baute auf diesen auf, wobei der Tod als Ausdruck von Loyalität und Patriotismus das Konzept war, das die Differenz von Bürgerkrieg und Staatenkrieg überwölbte. In Bezug auf die staatsshintōistische rituelle Praxis sind entsprechend keine signifikanten Veränderungen zu beobachten. Der schrittweise Ausbau des Schreines, dessen Anlage auf Staatskosten immer komplexer ausgestattet wurde, machte jedoch seine weiter gesteigerte Bedeutung für den nationalstaatlichen politischen Totenkult sichtbar.115 Das Kaiserhaus unterstützte diese Maßnahmen wiederholt durch großzügige Spenden aus seinem Privatvermögen, wobei es freilich einer subtilen Ironie nicht entbehrte, dass letzteres gerade auch durch die Reparationszahlungen Chinas nach dem Frieden von Shimonoseki 1895 erheblich angewachsen war. Diese Stiftungen unterstrichen, ebenso wie Besuche des Kaisers, der Kaiserin und kaiserlicher Prinzen aus Anlass der Einschreinungsfeierlichkeiten, erneut die Sonderbeziehung zwischen der Herrscherfamilie und dem Schrein. Fanden die Besuche aus Anlass eines „Außerordentlichen Schreinfestes“ und damit einer Einschreinungszeremonie statt, wurden sie sehr aufwendig inszeniert. Beim Besuch des Meiji-tennō am 17. Dezember 1895 etwa waren die Schulen, Banken und Geschäfte der Hauptstadt geschlossen; Menschenmassen säumten den Weg vom Palast zum Schreingelände und begrüßten den Herrscher, der u. a. von den Ministern für Heer und Marine begleitet wurde, mit immer neuen Vivat-Rufen.116 Letztlich demonstrierte auch der Vollzug von Entscheidungen zu Fragen der Inklusion und Exklusion von Opfern des Krieges, dass es Sache des Tennō war zu entscheiden, wer in den Yasukuni aufzunehmen und damit zu vereh-
115 Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon, S. 142–144. 116 Saya, Makito: The Sino-Japanese War, S. 145.
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Abb. 23: Shōkon yuniwa, Außerordentliches Schreinfest, Yasukuni jinja (1906)
ren war (und wer nicht). Insbesondere der Krieg von 1894/95 hatte insgesamt deutlich weniger direkte Kriegstote hervorgebracht als Opfer von Krankheiten wie Cholera oder Typhus, von Unfällen, Erfrierungen usw.117 Diese galten in den militärischen Behörden z. T. als in eigener Verantwortung (jiko sekinin) liegende bzw. nichtmilitärische Todesursachen und entsprachen damit nicht den Voraussetzungen für eine Apotheose im Yasukuni. Erst ein „kaiserlicher Sonderbefehl“ (tokushi) änderte die formalen Voraussetzungen, wodurch schlechte hygienische Bedingungen in den Verantwortungsbereich der Streitkräfte gelegt wurden und nun das Gros der Toten des Ersten Chinesisch-Japanischen Krieges in einer zusätzlichen Kategorie auch tatsächlich in den Yasukuni jinja eingeschreint werden konnten. Trotzdem wurden die individuellen Voraussetzungen weiterhin genau geprüft. Der Bataillonskommandant Major Koshi Masatsune etwa hatte am 27. Juli 1894 Selbstmord begangen, um Verantwortung für die Flucht koreanischer (Zwangs-)Arbeiter, die bei seiner Einheit in der Etappe eingesetzt waren, zu übernehmen. Obwohl ein solches Verhalten in analogen Fällen höchst anerkannt war, wurde er nicht eingeschreint. Die Ursache ist
117 Im Kampf beziehungsweise an im Kampf zugezogenen Verletzungen starben im Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg 1.417 Militärangehörige (Soldaten und Zivilangestellte der Streitkräfte), 12.071 an Infektionskrankheiten, in Folge von Unfällen usw. Die Gesamtzahl der Opfer betrug auf japanischer Seite 21.159 Menschen. Vgl. Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saishin-tachi, S. 54–55.
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wohl darin zu suchen, dass schon wenige Stunden später neue Arbeiter eintrafen und einem weiteren Vormarsch nichts mehr im Wege stand.118 Mit der Einschreinung in den Yasukuni war übrigens auch die Nennung in den regelmäßig aus Anlass der Einschreinungszeremonien herausgegebenen Publikationen und schließlich in der vom Schrein herausgegebenen „Geschichte der loyalen Seelen des Yasukuni-Schreines“ (Yasukuni jinja chūkon-shi) verbunden. Diese wurde, nach langjährigen Vorbereitungen, schließlich ab 1935 in fünf Bänden, nach einzelnen Feldzügen unterteilt, publiziert und verzeichnete die Namen, das Sterbedatum, Ort des Todes, den militärischen Rang und das Herkunftsgebiet der Gefallenen bzw. der ihnen Gleichgestellten.119 Hier haben wir es mit einer besonderen Form der Individualisierung der Erinnerung zu tun, die nicht beim Verzeichnen der Namen der Gefallenen auf Denkmälern oder in den Namensrollen der Schreine verblieb, sondern mit der Publikation eine zusätzliche Form der Verstetigung des Gedenkens anstrebte.
Abb. 24: Sumo-Wettkampf, Außerordentliches Schreinfest, Yasukuni jinja (1906)
Neu war, wie gesagt, im Falle beider Kriege, dass nun nicht mehr primär das Militär, sondern verstärkt auch die Hinterbliebenen zur einer eigenständigen Ziel-
118 A. a. O., S. 59. 119 Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja chūkon-shi. 5 Bände, Tōkyō: Yasukuni jinja shamu-sho 1935; vgl. auch Harada, Keiichi: Kokumin-gun no shinwa, S. 188.
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Abb. 25: Ausstellung von Beutestücken des Russ.-Jap. Krieges, Außerordentliches Schreinfest, Yasukuni jinja (1906)
gruppe des lokalen wie auch des staatlichen Gefallenenkultes und damit konkret auch des Yasukuni-Schreines avancierte. Diese Veränderung wird am deutlichsten in der systematischen Einbeziehung von Hinterbliebenen in die Feste und Zeremonien des Yasukuni. Am ersten „Außerordentlichen Schreinfest“ (rinji taisai) nach dem Ende des Krieges gegen China, das vom 15. bis 19. Dezember 1895 dauerte und in dem zunächst 1.132 Gefallene eingeschreint wurden, nahmen etwa 300 Familien von Hinterbliebenen (ca. 2.000 Personen) teil.120 Bei der Einschreinungszeremonie nach dem Krieg gegen Russland vom 2. Mai 1905 und den sich in den folgenden Tagen anschließenden Festlichkeiten hingegen ist bereits die Teilnahme von mehr als 9.000 Familien von Hinterbliebenen, insgesamt mehr als 25.000 Menschen allein aus dieser Gruppe, aus ganz Japan festzustellen.121 Die Familien der Hinterbliebenen erhielten dabei etwa verbilligte Fahrkarten, um in die Hauptstadt zu gelangen, und rabattierte Übernachtungsmöglichkeiten. Auch diesmal konnten sie nicht nur an den eigentlichen Einschreinungszeremonien
120 Zu diesem Zeitpunkt wurden nur vier Kategorien von Kriegstoten eingeschreint: Individuen, die im Kampf gefallen sind, die einer Verletzung erlegen sind, die sie sich im Kampf zugezogen hatten, die durch Unfälle während des Kampfes ums Leben gekommen sind und schließlich Personen, die in feindlicher Gefangenschaft verstorben sind. Saya, Makito: The Sino-Japanese War, S. 144. Die oben erwähnte Erweiterung durch kaiserlichen Befehl erfolgte erst später. 121 Das Folgende nach Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 150–152.
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teilnehmen und ihre neu deifizierten Angehörigen anbeten, sondern sich auch an den zahlreichen „Amüsements“ (yokyō) erfreuen, die aus Anlass der Feierlichkeiten im unmittelbaren Umfeld des Yasukuni dargeboten wurden. Hierzu gehörten etwa Feuerwerke, Nō- und Kyōgen-Aufführen, Sumo- und Schwertwettkämpfe, Tanzvorführungen usw. (siehe Abb. 24). Auch an dieser Stelle wirkten Vereine und Verbände wie der Patriotische Frauenverband auf vielfältige Weise bei der Organisation und Durchführung der Feierlichkeiten oder der Betreuung der Familien der Hinterbliebenen mit. Eine besondere Attraktion stellte dabei das Yūshū-kan dar, eine Museumshalle direkt neben dem Schrein, in der einerseits Trophäen des letzten Feldzuges wie erbeutete Regimentsfahnen und Waffen, andererseits auch modernes militärisches Gerät wie Suchscheinwerfer, Torpedos oder Geschütze ausgestellt wurden (Abb. 25). In den ersten Maitagen 1905 wurde diese Ausstellung allein von über 45.000 Menschen besucht. Daneben erhielten die Familien der Hinterbliebenen privilegierten Zugang zu anderen Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt wie den Zoo, die kaiserlichen Museen sowie den Akasaka-Palast oder den Garten des Hama rikyū, einer Nebenresidenz des Tennō in der Hauptstadt. Schließlich wurden zahlreiche weitere „Amüsements“ empfohlen wie der Besuch von Ausstellungen und Filmen oder eines Konzertes, welches die „Gesellschaft zur Unterstützung der Hinterbliebenen von Militärangehörigen“ (Gunjin izoku kyūgo-kai) organisiert hatte. All diese Aktivitäten hatten einen doppelten Effekt. Zum einen integrierten sie die Hinterbliebenen in den staatlichen Gefallenenkult auf der Ebene des Nationalstaates, wodurch sie im übertragenen Sinne auch einen Beitrag zur Integration des Nationalstaates leisteten.122 Zum anderen zielten sie gewissermaßen auf die von Takahashi Tetsuya als „Alchemie der Gefühle der Angehörigen“ bezeichneten „Besänftigung der Hinterbliebenen“ und halfen damit, eine weitere zentrale Funktion des Gefallenenkultes zu erfüllen.123 Die (teils sehr weite) Reise in die Hauptstadt war ein zusätzlicher Ausdruck des Sonderstatus, den die Hinterbliebenen durch den Tod ihres Angehörigen erlangt hatten und der sie in ihren jeweiligen Gemeinschaften heraushob und gesellschaftliche Anerkennung generierte bzw. generieren konnte. Gerade an dieser Stelle kann vor allem die eminente symbolische Funktion des Kaiserhauses wie auch anderer hoher Adelsfamilien, die sowohl bei der religiösen Ehrung der Gefallenen als auch bei der Betreuung der Hinterbliebenen präsent waren
122 Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 152. 123 Vgl. Takahashi, Tetsuya: Yasukuni mondai, S. 43–45; Ders.: Legacies of Empire. The Yasukuni Shrine Controvery, In: Breen, John (Hg.): Yasukuni, the War Dead and the Struggle for Japan’s Past, London: Hurst & Co. 2007, S. 105–124, hier S. 120.
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und damit auch an dieser Stelle deren Sonderstatus unterstrichen, nicht überschätzt werden.124 Trotz seiner zentralen Stellung für den politischen Totenkult und der unbestreitbaren Popularisierung, die mit der Einbeziehung der Hinterbliebenen und der Gesellschaft einherging, ist jedoch auch festzuhalten, dass der YasukuniSchrein selbst in den Jahren nach Beendigung des Russisch-Japanischen Krieges noch keine zentrale Stellung im öffentlichen Bewusstsein einnahm und einnehmen konnte.125 Das mag nicht zuletzt auch auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass die Zahl der Opfer des Krieges mit etwa 88.000 Gefallenen sowohl in absoluten Zahlen wie auch im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung relativ gering blieb.126 Trotzdem war aber mit dem Yasukuni jinja eine spezifische Form des Gedenkens an die Gefallenen wie auch auf diese bezogene Handlungsmuster entwickelt, die sich in der japanischen Gesellschaft verbreiteten, als die Zahl der Toten in den folgenden Kriegen in Übersee anstieg.
3.3.4 Heroisierung moderner „Götter des Krieges“ Im Russisch-Japanische Krieg erreichten die Heroisierung von ausgewählten Militärangehörigen und die Apotheose von Gefallenen mit der Geburt moderner „Götter des Krieges“ (gunshin bzw. gunjin) eine neue Stufe. Sie traten als zeitgenössische Äquivalente neben die historischen Heroen der Epoche der bushi wie etwa Kusunoki.127 Dieser individualisierte Heldenkult hatte erste Vorläufer im Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg, konkret vor allem in zwei Episoden, die ein großes Medienecho hervorriefen und landesweite Beachtung fanden. Einmal handelte es sich um die Geschichte des „beherzten Matrosen“ (yūkan naru suihei)
124 Hierbei spielten vor allem auch die Familien der ehemaligen daimyō eine besondere Rolle, die in den Regionen ihrer ehemaligen Fürstentümer oft noch über ein besonderes Prestige verfügten. Darüber hinaus gehörten sie auch im neuen, in der Meiji-Zeit eingeführten Adelssystem zu den obersten Klassen. 125 Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 153–154; Ōe, Shinobu: Yasukuni jinja, S. 122–124. 126 Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 154. 127 Vgl. zu den neuen „Göttern des Krieges“ Yamamuro, Kentoku: Gunshin. Kindai Nihon ga unda ‚eiyū‘-tachi no kiseki, Tōkyō: Chūō kōron shinsha 2007; Shintani, Takanori: O-sōshiki, S. 194–248; Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 197–229. Zur abweichenden mittelalterlichen Tradition des mit den gleichen chinesischen Schriftzeichen geschriebenen, aber im Unterschied zur Moderne ikusagami gelesenen Begriffes siehe Saeki, Shin’ichi: Ikusagami-kō, In: Takahashi, Kazuki (Hg.): Chū-kinsei ni okeru bushi to buke no shiryō-ron-teki kenkyū (= Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan kenkyū hōkoku 182), Sakura: Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan 2014, S. 7–28.
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Miura Torajirō, der an Bord des japanischen Flaggschiffes Matsushima in der Seeschlacht vom Yalu im September 1894 schwer verletzt wurde, sich aber vor seinem Tode beim Ersten Offizier erkundigte, ob das gegnerische Schiff Dingyuan noch nicht gesunken sei. Zum anderen um die Geschichte des Trompeters Kikuchi (bzw. Kiguchi) Kohei, der trotz einer schweren Verletzung bei einem Gefecht um eine Fuhrt am Ansong im Juli 1894 weiter das Angriffssignal blies, bis er, „die Trompete noch immer an den Lippen, starb“ (rappa o kuchi ni ateta mama de shinde imashita).128 Eine Vielzahl ähnlicher Geschichten, welche die Zeitgenossen emotional sehr berührten, wurden im Umfeld des Krieges von 1894/95 in Zeitungsund Magazinartikeln berichtet und fanden schnell Eingang in die Populärkultur. Hierbei spielten Lieder, Theaterstücke, Holzstiche oder Spiele, welche das Leben und Sterben dieser jungen Helden des japanischen Nationalstaates behandelten, eine besondere Rolle. Mit dem Eingang dieser Geschichten in das Erziehungssystem, wozu vor allem kurze Geschichten im Moralkunde- und im Japanischunterricht und die Verwendung eigens komponierter Lieder im Musikunterricht dienten, wurde ihr Tod auf dem Schlachtfeld in einer ästhetisierten Form zu historischen Referenzpunkten und zum Vorbild künftiger Generationen stilisiert.129 Mit dem Russisch-Japanischen Krieg aber erreicht dieser Kult um einzelne Helden in Form der gunshin eine neue Stufe. Diese „Götter des Krieges“ kann man bis zum Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges in drei Kategorien unterteilen, die zugleich für unterschiedliche Phasen in der Entwicklung dieses Phänomens stehen.130 Die erste Gruppe umfasste Kommandeure im Rang von Stabsoffizieren, also mittleren Alters, die im Kampf für ihre Untergebenen das Leben riskierten und dabei fielen. Eine zweite Gruppe wurde von Feldherren gebildet, welchen große militärische Erfolge zugeschrieben wurden. Beide Typen entstanden während des Russisch-Japanischen Krieges. Während des Asiatisch-Pazifischen Krieges kam schließlich eine dritte Gruppe hinzu: sie bestand aus kleinen oder größeren und in der Regel aus eher jüngeren Männern gebildeten Kollektiven, die
128 Vgl. für beide Episoden Saya, Makito: Sino-Japanese War, S. 52–64. Das Zitat stammt aus dem Schulbuch des Kultusministeriums für Moralkundeunterricht von 1903. Monbu-shō: Jinjō shōgaku shūshin-sho. Dai-ni gakunen jidō-yō, Hiroshima: Hiroshima tosho 1903, S. 24–25. Zur medialen Vermittlung der Heroengeschichten des Ersten Chinesisch-Japanischen und des Russisch-Japanischen Krieges in Schulbüchern siehe Yamanaka, Hisashi: Yasukuni no ko. Kyōkasho, kodomo no hon ni miru Yasukuni jinja, Tōkyō: Ōtsuki shoten 2014, S. 126–150. 129 Eines der wichtigsten Lieder in diesem Zusamenhang war das 1895 von Oku Yoshiisa auf einen Text von Sasaki Nobutsuna komponierte Yūkan naru suihei („Der tapfere Matrose“). Oku war einer der profiliertesten Komponisten der Meiji-Zeit, der sich vor allem durch zahlreiche Kompositionen im Staatsauftrag auszeichnete. 130 Diese Kategorisierung folgt Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. XI-XIII.
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ihr Leben für die Erringung eines taktischen Zieles opferten. In dieser Kategorie spielte der militärische Dienstgrad keine Rolle, es konnte sich sowohl um einfache Soldaten bzw. Matrosen als auch um Offiziere handeln. Die neue Kategorie der gunshin umfasste also sowohl einen modernen Feldherrenkult als auch eine Sonderform des Gefallenenkultes, die nicht mehr primär den Tod für den Tennō, sondern den Einsatz für andere oder den Opfertod für ein konkretes militärisches Ziel als besonders erinnerungswürdig beschrieb. Der erste und wahrscheinlich auch wichtigste dieser „Götter des Krieges“ war dabei Fregattenkapitän Hirose Takeo (1868–1904), der während der sogenannten zweiten Blockade von Port Arthur ums Leben kam.131 Er war zu diesem Zeitpunkt Kapitän des Blockadeschiffs Fukui-maru. Als bereits alle Besatzungsmitglieder das Beiboot bestiegen hatten, bemerkte er plötzlich, dass der Maat Sugino Magoshichi noch fehlte. Nach einer erfolglosen Suche wurde Hirose, als sein Beiboot vom sinkenden Schiff ablegte, von einem russischen Geschoss getroffen, das seinen Körper vollständig zerfetzte. Innerhalb kürzester Zeit baute die Marine Hirose systematisch zu einem nationalen Helden auf, der alle Anforderungen eines „Modellsoldaten“ (gunjin no kikan) erfüllte. Dabei eigneten sich drei Eigenschaften des Marineoffiziers besonders gut, seinen Zeitgenossen (und künftigen Generationen) als Vorbild vorgestellt zu werden: Zum einen hatte er sich als hochrangiger Offizier für einen rangmäßig unbedeutenden Untergebenen eingesetzt, womit er die Fürsorgepflicht des Vorgesetzten für seine Untergebenen versinnbildlichte. Zum anderen war er jedoch in seinem Rang nicht so exaltiert, um für Soldaten wie Bevölkerung nicht über ausreichend Identifikationspotential zu verfügen. Schließlich hatte er drittens ausweislich seines Abschiedsgedichtes, das übrigens direkt auf den Tod Kusunoki Masashiges in der Schlacht am Minatogawa rekurrierte, eine todesverachtende Gesinnung bewiesen: Ich wünschte, siebenmal wiedergeboren zu werden Und mein Leben meinem Land opfern zu können. Bereit zu sterben, mein Geist ist fest, Und im Glauben, wieder den Sieg erringen zu können, Lächelnd gehe ich an Bord.132
Diese drei Kriterien machten ihn zu einem idealen Objekt staatlicher Heldenverehrung, die mit einem regelrechten Propagandafeldzug in der japanischen Öffentlichkeit durch die Marine einherging. Das wichtigste Medium war dabei eine Reihe
131 Vgl. zu Hirose als modernem „Gott des Krieges“ a. a. O., S. 19–47 und 63–84; Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 197–229; Shintani, Takanori: O-sōshiki, S. 195–223. 132 Vgl. Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. 40.
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Abb. 26: Denkmal für Hirose Takeo, Tōkyō (1911)
von Bestattungszeremonien, die sich von der Ankunft der sterblichen Überreste auf dem Marinestützpunkt Sasebo auf Kyūshū am 2. April 1904 bis zum tatsächlichen Begräbnis am 13. April 1904 in Tōkyō erstreckten.133 Die Zeremonien in Tōkyō waren groß angelegt, mit einer Prozession mit den sterblichen Überresten, die von Schülern gesäumt war, und einer Gedenkveranstaltung, an der hochrangige Offiziere, Minister, Angehörige des Kaiserhauses und des Hochadels und sogar das diplomatische Korps und über 100 ausländische Pressevertreter teilnahmen. Bereits eine Woche später wurde eine Medienkampagne ins Leben gerufen, eine Bronzestatue zu errichten. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass die Finanzierung dieses Denkmals nicht nur durch die Streitkräfte, sondern durch die Öffentlichkeit erfolgte, was durch ein Subskriptionssystem erreicht wurde. Am fünften Jahrestag der Seeschlacht von Tsushima wurde schließlich ein über zehn Meter hohes Bronzedenkmal auf einer Kreuzung vor dem Mansei-bashi-Bahnhof in Tōkyō eingeweiht, das Hirose wie auch den verschollenen Sugino zeigte (vgl. Abb. 26). In seiner Heimat, Bungo Takeda (Präfektur Oita), wurde für Hirose nicht nur ein weiteres Denkmal, sondern 1935 sogar ein eigener Schrein (Hirose jinja)
133 Hirose war darüber hinaus posthum befördert und mit dem Orden des Goldenen Phönix ausgezeichnet worden.
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errichtet, der durch Premierminister Okada Keisuke eingeweiht wurde.134 Damit erreichte seine Apotheose eine neue Qualität, war er doch nun nicht nur im Umfeld des Yasukuni und der übrigen shōkon-Zeremonien zum Gott erhoben, sondern er verfügte sogar über ein eigenes Heiligtum. Dies führte den Fregattenkapitän endgültig in den Kreis der großen Kriegerhelden der japanischen Geschichte. Die modernen „Götter des Krieges“, für die Hirose hier exemplarisch steht, erlangten ihren Status durch großangelegte Öffentlichkeitskampagnen, die sich modernster Medien bedienten. Ihr Leben und Sterben wurde Gegenstand von Presse- und Zeitschriftenartikeln, Ölgemälde und Holzschnitte wurden angefertigt, Hiroses Bestattung sogar filmisch festgehalten. Wie schon im Krieg von 1894/95 trug die Aufnahme in die schulischen Lehrpläne wesentlich zur Popularisierung der Gefallenen bei. Nicht zuletzt spielte auch hier die Musik eine wichtige Rolle; bis in die Zeit nach 1945 hinein waren mindestens drei Lieder über Hirose äußerst bekannt und beliebt. Die Medien und Popularisierungsstrategien waren übrigens bei den Pendants der modernen „Götter des Krieges“, den historischen Kriegshelden aus Altertum und Mittelalter, identisch. Sie wurden durch die modernen Toten nicht etwa verdrängt, sondern blieben zentrale Bezugspunkte des politischen Totenkultes. Kusunoki etwa wurde 1880 nochmals posthum in den Wahren Ersten Hofrang befördert,135 ihm zu Ehren wurde – unter anderem auf dem Platz vor dem Kaiserpalast in Tōkyō (vgl. Abb. 27) – zahlreiche bronzene Reiterdenkmäler errichtet, Episoden aus dem Leben Masashiges wurden in Schulbüchern erzählt, sein Antlitz auf Briefmarken und Geldscheinen dargestellt (vgl. Abb. 28), selbst neue Lieder komponiert, die Szenen aus dem Leben des Helden zum Gegenstand hatten.136 Dabei gab es allein mindestens sechs Lieder, welche das Leben und Sterben Kusunokis zum Gegenstand hatten und die Aufnahme in die Grundschullehrbücher fanden. Das berühmteste dieser Lieder ist der „Abschied von Sakurai“ (Sakurai no wakare bzw. Sakurai no ketsubetsu), das ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts entstand. Es behandelt den Abschied Masashiges von seinem kleinen Sohn Masatsura vor seinem Aufbruch in die aussichtslose Schlacht vom Minatogawa. Während der Sohn an der Seite seines Vaters zu
134 Siehe zum Hirose-Schrein Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 225–228. Auch an anderen Orten des Landes, etwa in Takayama, wurde Hirose ein Denkmal in Form einer Büste errichtet. Schließlich wurde auch für Sugino in dessen Heimatgemeinde ein eigenes Bronzedenkmal gestiftet, das ihn in Lebensgröße zeigte. 135 Minatogawa jinja (Hg.): Dai-Nan-kō, S. 125. 136 Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Kusunoki-Denkmäler Morita, Yasunosuke: Minatogawa jinja shi. Band 3: Chinza, S 337–368. Im Schulunterricht war Kusunokis Geschichte Gegenstand in mindestens vier verschiedenen Fächern: dem Lese-, Geschichts-, Moralkunde- und Musikunterricht. Vgl. a. a. O., S. 396–429, dort zahlreiche Beispiele.
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sterben gedenkt, wird er von seinem Vater zur Mutter geschickt, um in Zukunft den Kampf für die kaiserliche Sache fortzusetzen: „Der Abend kommt an Sakurais grüner Furt, im Schatten der Bäume zügelt er [Masashige] sein Pferd und grübelt, was die Zukunft für ihn hält. Ist es Tau, oder sind es Tränen, die auf den Ärmel seiner Rüstung fallen? Masashige trocknet seine Tränen und ruft den Sohn. ‚Dein Vater‘, spricht er, ‚zieht zur Hyōgo-Bucht, und wird sein Leben opfern. Du, Masatsura, der du mich begleitet hast, eile geschwind nach Haus zurück.‘ ‚Lieber Vater‘, ruft der Junge, ‚was sagt Ihr da? Wie kann ich Euch verlassen und nach Hause gehen? Vielleicht bin ich zu jung, doch will ich mit Euch ziehn, auf Eurer Reise in die andere Welt.‘ ‚Nicht für mich schick ich dich nach Haus. Bald schon, wenn ich tot bin, ist das Land in Takaujis Hand. Du, mein Sohn, werde groß und geschwind und dann ein Mann, so dass du dienst dem Kaiser und dem Reich! Hier das edle Schwert, das Seine Majestät mir gab vor Jahren. Nun ist es dein, zum Gedenken an unsern letzten Abschied. Geh, Masatsura, zurück in unser Dorf, deine alte Mutter wartet!‚ Traurige Blicke beim Abschied von Vater und Sohn, und durch den Frühsommerregen hören sie den Klageruf des hototogisu, der blutige Tränen weint bei seinem Ruf. Oh, wen kann ein solches Lied nicht rühren?“137
Der „Abschied von Sakurai“ steht dabei aber nicht nur für die Medien des Gefallenenkultes, sondern das Stück verdeutlicht zugleich dessen Erfolgsbedingun-
137 Sakurai no ketsubetsu, In: a. a. O., S. 423–425; in der deutschen Übersetzung nach Morris, Ivan: „Sieben Leben für das Reich“, S. 166–167.
3.3 Gefallenengedenken
Abb. 27: Reiterdenkmal für Kusunoki Masashige, Tōkyō (1910)
Abb. 28: 5-sen-Geldschein mit Darstellung des Reiterdenkmals von Kusunoki in Tōkyō
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gen. Denn ohne eine entsprechende Reaktion der Öffentlichkeit wären die Versuche des Staates oder konkret der Streitkräfte, einen Heroenkult zu etablieren, wenig erfolgversprechend gewesen.138 Wichtig war dabei augenscheinlich eine emotionale Ansprache des Publikums, die „Rührung“ (kandō) hervorrief. Dies sprach gerade auch die letzte Zeile des Liedes über den mittelalterlichen Feldherren direkt an. Haltung oder Gesinnung allein, so wichtig sie waren, reichten dafür nicht aus, es musste eine „tragische Situation“ hinzukommen, die gerade auch durch die Melodieführung unterstrichen wurde.139
3.4 Regionale Gedenkformen an die Verlierer der Bürgerkriege Während sich mit dem Ende der militärischen Auseinandersetzungen der Bürgerkriege und inneren Unruhen die politischen Strukturen und mit ihnen auch die Formen des staatlichen Gefallenengedenkens festigten und fortentwickelten, entstanden in der japanischen Gesellschaft auch Praktiken des Gedenkens an diejenigen Opfer der zwei Jahrzehnte zwischen der Landesöffnung und dem Ende des Südwest-Krieges 1877, die durch die fortdauernde Exklusivität vom staatlichen Totenkult ausgeschlossenen blieben.140 Ihr Ausgangspunkt war der Umgang mit den sterblichen Überresten der Kriegstoten. Sie wurden zunächst vor allem von überlebenden Kameraden und Hinterbliebenen in den jeweiligen Herkunftsregionen bzw. Kampfgebieten getragen. Für ihre weitere Entwicklung spielten buddhistische und shintōistische Gedenkfeiern, bei denen zu bestimmten Jubiläen des Todes eines Individuums gedacht wird, eine wichtige Rolle. Dabei konnte dieses „Gegengedenken“ dazu dienen, sowohl vom jungen Nationalstaat abweichende regionale Identitäten als auch die Integration in die Nation zu befördern.
138 Shimazu, Naoko: Japanese Society at War, S. 204. 139 Die Noten des Sakurai no wakare sind abgedruckt in Morris, Ivan: Samurai oder Von der Würde des Scheiterns, S. 464. Vgl. zur Geschichte der patriotischen Kriegslieder allgemein Horiuchi, Keizō: Teihon Nihon no gunka, Tōkyō: Jitsugyō no Nihon-sha 1969; zur Schulmusik Eppstein, Ury: School Songs, the War, and Nationalist Indoctrination in Japan, In: Kowner, Rotham (Hg.): Rethinking the Russo-Japanese War 1904–05. Band 1: Centennial Perspectives, Folkestone: Global Oriental 2007, S. 185–201. 140 Vgl. für die Entwicklung der historischen Erinnerung an die Unterstützer der Tokugawa v. a. Wert, Michael: Meiji Restoration Losers. Memory and Tokugawa Supporters in Modern Japan, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 2013; Shimoda, Hiraku: Lost and Found. Recovering Regional Identity in Imperial Japan, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 2014; Tanaka, Satoru: Shisha no seiji-gaku. Kindai Aizu no senshi-sha to aidentitii; zum Umgang mit den Kriegstoten der Gegner der Meiji-Regierung vor allem Imai, Akihiko: Han-seifu-gun senbotsu-sha no irei; Ders. Kindai Nihon to senshi-sha saishi.
3.4 Regionale Gedenkformen an die Verlierer der Bürgerkriege
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Zwar dominierte spätestens seit den 1890er Jahren die Integrationsfunktion, doch erfolgte auch später keine vollständige Einbeziehung der gegnerischen Opfer in den staatlichen politischen Totenkult. Trotz zahlreicher Überschneidungen und partieller Übernahmen mit und aus dem shōkon-Glauben behinderten die Weichenstellungen der Bürgerkriegsepoche die Entwicklung von lagerübergreifenden, die ehemaligen Kriegsgegner einschließenden Gedenkpraktiken. Für die Entwicklung der alternativen Gedenkformen wurden vier Bedingungen relevant. Erstens stabilisierte sich, wie gesagt, die politische Ordnung zum Ende der 1880er Jahre hin endgültig. Das zeigte sich zum einen an der zurückgehenden Bedeutung der oppositionellen Bewegung für Freiheit und Volksrechte, zum anderen am In-Kraft-Treten der Meiji-Verfassung 1890. Diese Stabilisierung ihrerseits war wiederum Voraussetzung dafür, dass das Heilen alter Wunden zunehmend auf die politische Agenda rückte. Juristisch fand diese Entwicklung in der „Großen Amnestie“ (Taisha-rei) vom 11. Februar 1889 ihren Niederschlag, welche aus Anlass der Verkündung der Verfassung vom Tennō erlassen wurde und zahlreiche politische Straftäter der Vergangenheit begnadigte.141 Die Amnestie erstreckte sich dabei nicht nur auf aktuell Inhaftierte der Bewegung für Freiheit und Volksrechte, sondern auch auf namhafte „Rebellen“ der 1870er Jahre. Insbesondere wurde Saigō Takamori (1828–1877), der den SatsumaAufstand angeführt hatte, nicht nur begnadigt, sondern für seine Verdienste um die Meiji-Restauration posthum sogar in den „Wahren Dritten Hofrang“ erhoben. Damit sanktionierte der japanische Staat die öffentliche Wahrnehmung, dass die Leistungen, die er dem Thron erbracht hatte, seine Rebellion überstrahlten.142 Dabei demonstrierte diese juristische Rehabilitierung nicht nur die Bereitschaft der politischen Führungsriege, die bereits existierenden diversen Praktiken des „Gegengedenkens“ im Land zu akzeptieren, sondern sie symbolisierte zugleich den Versuch, diese auch aktiv in ein nationalstaatliches, die alten Frontstellungen übergreifendes Narrativ zu integrieren.143
141 Vgl. Kenpō o happu suru ni atari taisha o okonawashimuru no ken (= Chokurei Nr. 12 vom 11. Februar 1889 (Meiji 22)), (online abrufbar unter: http://kindai.da.ndl.go.jp/info:ndljp/ pid/787976/95 , letzter Zugriff 13. April 2012). Siehe auch Terasaki, Osamu: Meiji kenpō happu no taisha-rei kankei shiryō. Saiban-sho-betsu ki-mi-ketsu hanzai-hyō to shamen-sha meibo, In: Seiji-gaku ronshū (Komazawa daigaku) 34 (1991), S. 129–205. 142 Keene, Donald: Emperor of Japan, S. 423. Analoge Erhebungen fanden auch im Falle anderer Aktivisten der Bakumatsu-Zeit statt; Yoshida Shōin etwa wurde aus diesem Anlass posthum in den Wahren Vierten Hofrang erhoben. 143 Die endgültige Überwindung der alten Feindschaft im Hochadel markierte im Jahre 1928 die Hochzeit von Prinz Chichibu no miya Yasuhito (1902–1953), dem jüngeren Bruder des Shōwatennō, mit Matsudaira Setsuko (1909–1995), die sowohl eine Enkeltochter von Matsudaira Ka-
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Neben der Stabilisierung der politischen Ordnung ist zweitens die Volatilität der spezifischen personellen und machtpolitischen Konstellationen der politischen Führungskräfte insbesondere in den Jahren vor und nach dem Boshin-Krieg zu berücksichtigen. Mit der Restauration der kaiserlichen Herrschaft konnten die bisherigen Verteidiger des Hofes, wie die Truppen des Fürstentums Aizu, plötzlich Rebellen werden – ebenso plötzlich, wie sich die kaisertreuen Aktivisten aus den Fürstentümern Chōshū oder Mito, die vor 1868 seitens des Hofes zu Rebellen erklärt worden waren, in kaiserliche Truppen verwandelten. Freunde und Verwandte, die im Vorfeld und während des Bürgerkrieges 1868/69 gemeinsam für die Meiji-Restauration gekämpft hatten, konnten sich wenige Jahre später als erbitterte Feinde gegenüberstehen, und ehemalige Samurai des antikaiserlichen Lagers wurden als Soldaten zur Niederschlagung der Aufstände der 1870er Jahre eingesetzt. Mit Etō Shinpei beim Saga-Aufstand und Saigō Takamori beim Südwest-Krieg wurden zwei der größten und bedeutendsten Widerstandsbewegungen gegen den neuen Staat von Männern angeführt, welche in den Jahren zuvor zum engsten Führungszirkel eben jenes Staates gehört und die sich im Kampf gegen die Tokugawa als Truppenführer ausgezeichnet hatten. Zwei der engsten Verwandten Saigōs, sein jüngerer Bruder Tsugumichi (1843–1902) und sein Cousin Ōyama Iwao (1842–1916), gehörten seit den 1870er Jahren zum innersten Kreis der Oligarchen, hatten zahlreiche Kabinettsposten inne und beendeten ihre militärischen Karrieren respektive als Großadmiral bzw. Feldmarschall (gensui). Der Bruder des Großadmirals Tōgō Heihachirō (1848–1934), des Siegers der Seeschlacht von Tsushima, hingegen war im Südwest-Krieg auf Seiten der Regierungsgegner gefallen. Auf der anderen Seite gelang es – wenn auch nur wenigen – Gefolgsleuten der Tokugawa, im neuen Staat Karriere zu machen. Berühmtestes Beispiel hierfür ist Enomoto Takeaki (1836–1908), der als Präsident der Republik Ezo auf Hokkaidō bis 1869 der Meiji-Regierung militärisch Widerstand geleistet hatte und nach seiner Begnadigung verschiedene wichtige Posten im Militär und der Administration bekleidete. Und schließlich hatten auch die ehemaligen Fürsten der Edo-Zeit, an welche ihre Samurai durch Lehns- und Treueverhältnisse gebunden gewesen waren, als kazoku im neuen Adelssystem prestige- und einflussreiche Ämter im politischen System inne. Solche personellen Verflechtungen, Verwandtschafts-, Freundschafts- und Loyalitätsbeziehungen waren zum einen ein wichtiger Faktor dafür, dass der japanische Staat zunehmend Erinnerungspraktiken akzeptierte, die sich positiv auf die ehemaligen Kriegsgegner bezogen. Zum anderen engagierten sich vor allem seit den 1890er Jahren hoch-
tamori, dem ehemaligen Fürsten von Aizu, als auch von Nabeshima Naohiro, dem ehemaligen Fürsten von Saga, war.
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rangige Regierungsvertreter selbst als Denkmalsstifter, wodurch die schrittweise Vermittlung von staatlicher und oppositioneller Erinnerungspolitik auch öffentlich sichtbar wurde. Aber auch jenseits der politischen Führungsebene brachten die militärischen Auseinandersetzungen Änderungen bei der Zugehörigkeit zur starren Dichotomie von Unterstützern und Gegnern des Meiji-Staates mit sich. Da die Regierung in Tōkyō im Ernstfall gern ehemalige Samurai aus den nordöstlichen Provinzen wie Aizu oder Nagaoka anwarb, um sie – wenn auch formal meist als Polizeitruppen – gegen die Aufständischen im Südwesten ins Feld zu führen, bekamen die ehemaligen Rebellen nicht nur eine Gelegenheit, sich im Kampf an Gegnern von einst zu rächen, sondern auch ihre Loyalität zur Nation einzuüben und unter Beweis zu stellen. Mit der Zeit verschoben sich aber nicht nur die politischen Konstellationen, sondern auch die historischen Narrative über die Erfahrungen seit der Landesöffnung. So war nach über zwei Jahrzehnten die unmittelbare Erinnerung an die Ereignisse der Bakumatsu- und frühen Meiji-Zeit verblasst. Dies ermöglichte es, historische Ereignisse romantisch zu idealisieren und beschönigend auszuschmücken. Der Übergang in das kollektive Gedächtnis ging dabei oft mit einer Vernachlässigung historischer Faktizität einher. So kann man etwa für die Mitglieder der „Weißen-Tiger-Brigade“ (Byakkō-tai) zeigen, wie sich die Erinnerung vor allem in den 1880er und 1890er Jahren mehr und mehr von den überlieferten Tatsachen entfernte.144 Analysiert man etwa die bildlichen Darstellungen der Selbstmorde der jungen Krieger, die sich zu Beginn der Schlacht um die Festung von Wakamatsu das Leben genommen hatten, als sie fälschlich den Kampf verloren glaubten, kann man feststellen, dass sich ihr Aussehen schrittweise hin zu traditionellen Samurai veränderte. Waren sie zunächst noch realitätsgetreu in Uniformjacken und Hosen abgebildet worden, erschienen sie im Laufe der 1890er Jahre zunehmend in japanischer Kleidung, Haartracht usw.145 Auch die literarische Überlieferung schmückte den Tod der Jugendlichen immer weiter aus: So hätten sie vor ihrem Selbstmord Gedichte wie das Seiki no uta (das „Lied vom rechten Charakter“) rezitiert, oder man legte ihnen pathetische letzte Äußerungen in den Mund, womit man sie ebenfalls in die Tradition einreihte.146 Und selbst ihre Zahl vermehrte sich über die Jahre: War zunächst von 16 Toten die Rede, wurden 1889 schließlich 19 Gräber auf dem Iimori-Berg als Gedenkstätte errichtet.
144 Tanaka, Satoru: Shisha no seiji-gaku, S. 142. 145 Ebenda. 146 Shimoda, Hiraku: Lost and Found, S. 117–118.
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Drittens wurde die Betonung der Loyalität gegenüber dem Thron als ein Element bedeutsam, das die ehemaligen politischen Frontstellungen überwölbte und die Gegner von einst einigte. Hierzu gab es verschiedene Strategien, die parallel Anwendung fanden. Eine davon war, die besondere Kaisertreue in den Jahren vor 1868 etwa der Truppen des Fürstentums Aizu zu betonen, deren Kampf gegen die Aktivisten aus Chōshū oder Tosa etwa beim Kinmon no hen 1864 durch den damaligen Tennō Kōmei sanktioniert worden war. Diese Strategie konnte zwar das Handeln des bakufu-Lagers in den Jahren vor 1868 legitimieren, aber nicht die „Rebellion“ gegen den Thron im Boshin-Krieg oder den folgenden Aufständen rechtfertigen. Hierzu war eine spezifische Umdeutung der Rebellion, die ja das zentrale Motiv der kangun-zokugun-Dichotomie bildete, zu einem Akt der Loyalität gegenüber dem Tennō notwendig.147 Die Voraussetzungen hierfür bildeten wiederum zwei Spezifika des japanischen Loyalitätsbegriffes. Zum einen war nach Maruyama in der Tradition der japanischen Kriegerethik an Stelle von zielbezogenen Überlegungen oder Ergebnissen vor allem die „Reinheit der Gesinnung“ ein wichtiges Kriterium in der Bewertung von Loyalität.148 Zum anderen ging Loyalität in diesem klassischen Verständnis nicht in einem strengen Kadavergehorsam auf. Vielmehr gab es mit dem Prinzip des kansō das Ethos des aktiven, hartnäckigen und auch konflikthaften „Einwirkens“ des Untertanen auf seinen Herren, um diesen zu einem als richtig erkannten Handeln zu bewegen.149 Unter Berufung auf dieses Verständnis war es möglich, in den Jahren nach dem Boshin-Krieg selbst militärischen Widerstand gegen die Befehle und Machtmittel des Kaisers als Akte loyalen Handelns nicht nur gegenüber dem eigenen Fürsten, sondern auch und vor allem gegenüber dem Tennō zu interpretieren. Das einigende Band der Loyalität zum Herrscher transzendierte in diesem Narrativ die politischen Gegensätze, die sich bis 1869 vor allem an der Konfliktlinie für oder wider das Shōgunat, nach 1869 an der Frage des konkreten Modernisierungskur-
147 Seit 1911 belegten mehrere Publikationen zur Geschichte des Fürsten Matsudaira Katamori die besondere Loyalität Aizus gegenüber dem Thron im Kampf mit den Loyalisten aus Chōshū und Tosa mit einem entsprechenden Autograph (shinkan) des Kōmei-tennō. Die Regierung hatte bereits seit 1901 Kenntnis von diesem Schreiben, aber zunächst versucht, eine Veröffentlichung zu verhindern. Nach der Veröffentlichung erfolgten mehrere Petitionen an die Regierung und Diskussionen im Parlament, in denen eine Einschreinung der Toten vom Kinmon no hen aus dem Fürstentum Aizu in den Yasukuni-Schrein gefordert wurde. Die Einschreinung erfolgte schließlich 1915, also erst nach dem Tod des Meiji-tennō. Vgl. Yoshihara, Yasukazu: Yasukuni jinja to bakumatsu ishin no saijin-tachi. Meiji kokka no ‚eirei‘ sōshutsu, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2014, S. 174–181. 148 Vgl. Maruyama, Masao: Loyalität und Rebellion, München: Iudicium 1997, S. 30. 149 A. a. O., S. 31–32.
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ses des Landes entzündet hatten. Im Gegenzug wurde die Rebellion als Verwirklichung traditioneller japanischer Normen und Werte, eben des bushi-dō als des Weges der Krieger, verstanden.150 Dass sich der japanische Staat allerdings nur widerwillig mit dieser Umdeutung der Rebellion hin zu einem Akt der Loyalität abfand, zeigen die Schulbücher des Kultusministeriums. In ihnen wurde, obwohl z. B. die Rehabilitierung Saigōs und anderer Erwähnung fand, trotzdem bis zum Asiatisch-Pazifischen Krieg an der pejorativen Sprache gegenüber den Rebellen von einst festgehalten. Hier sollte erst die Schulbuchrevision von 1941 eine Änderung bringen. Viertens bildeten sich besonders in den 1890er Jahren gesellschaftliche Organisationen, die sich zu den wichtigsten Trägern dieser alternativen Gedenkformen entwickelten. In ihnen engagierten sich vor allem Hinterbliebene, ehemalige Kameraden, lokale Honoratioren oder Adlige, die einen persönlichen Bezug zu den Ereignissen um die Meiji-Restauration und die mit ihr verbundenen Konflikte hatten. Ein bekanntes Beispiel ist die Shidan-kai (etwa: „Vereinigung zum Gespräch über Geschichte“ bzw. „Vereinigung für historische Narration“), die 1890 gegründet wurde.151 Ihre offiziellen Ziele waren das Sammeln und Aufzeichnen von historischen Informationen zur Bakumatsu- und frühen Meiji-Zeit, insbesondere in Form von Erinnerungen von Zeitzeugen, den sog. Sokki-roku, und nach der Jahrhundertwende eine ausgewogenere, weniger durch die Regierungsperspektive bestimmte Geschichtsschreibung der betreffenden Jahrzehnte. Ihre Arbeit kulminierte in zahlreichen Publikationen, deren berühmteste die „Biographischen Aufzeichnungen der im Krieg gefallenen Märtyrer-Aktivisten“ (Senbō junnan shishi jinmei-roku) aus dem Jahre 1907 ist.152 Im Gegensatz zu den Publikationen des Yasukuni-Schreines sind in dieser Veröffentlichung die Namen und Kurzbiographien der Toten beider Seiten im Boshin-Krieg verzeichnet und es sind auch nicht nur Kriegstote im engeren Sinne, sondern auch Menschen, die nach 1843 durch Krankheiten, Selbstmord oder unter „mysteriösen Umständen“ ihr Leben verloren haben, aufgeführt. Die Shidan-kai selbst diente dabei als ein wichtiger Vermittler für Personen, die sich um eine politische oder juristische Rehabilitation ihrer Angehörigen bemühten.153 Durch den Vorsitz von Graf Higashikuze Michitomi (1834–1912), der einer alten Hofadelsfamilie entstammte
150 Hier bot sie vor allem in den 1930er Jahren für die Putschversuche und Attentate rechter Kreise im Offizierskorps Anknüpfungsmöglichkeiten für Ressentiments und aktives Handeln gegen die Modernisierung und „Verwestlichung“ des Landes. 151 Vgl. zur Shidan-kai Wert, Michael: Meiji Restoration Losers, S. 88–89. 152 Shidan-kai (Hg.): Senbō junnan shishi jinmei-roku. Kan’ei gan – Meiji nijū-yo-nen kikan, Tōkyō: Kyōdō shuppan 1907. 153 Wert, Michael: Meiji Restoration Losers, S. 88 f.
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und selbst ein namhafter Aktivist der kaisertreuen Seite der Bakumatsu-Zeit gewesen war, und die Patronage namhafter Fürsten beider Lager im Bürgerkrieg konnten nach der Jahrhundertwende sowohl der Zugang zum Hof als auch ein die alten Frontstellungen übergreifender Ansatz der Arbeit der Shidan-kai sichergestellt werden. Wie aber entwickelten sich die Gedenkpraktiken an die Gegner des Thrones in der Meiji-Zeit konkret? Ihr Ausgangspunkt war meist der Umgang mit den Leichnamen der Gefallenen, deren ehrenvolle Bestattung im Boshin-Krieg insbesondere in Aizu, aber auch auf Hokkaidō zunächst unter Androhung schwerster Strafen untersagt war (siehe auch Kap. 2.2.2). Diese Anordnung ließ sich allerdings nicht lange aufrechterhalten. In Hakodate etwa wurde sie im Falle der etwa 800 Toten der Republik Ezo durch den Unternehmer Yanagawa Kumakichi (1825–1913) unterlaufen, der die Gefallenen nach wenigen Tagen in einer Nacht- und Nebelaktion in Absprache mit buddhistischen Priestern in verschiedenen lokalen Tempeln heimlich beisetzen ließ. Yanagawa wurde daraufhin von einem Militärgericht zunächst zum Tode verurteilt, vom Befehlshaber der kaiserlichen Truppen aber in Anbetracht des bewiesenen Mutes kurz vor der Hinrichtung begnadigt.154 Obwohl die Verehrung der Toten weiterhin verboten war, ließ die Gruppe um Yanagawa die Toten zum Jahrestag der zweiten Wiederkehr des Todestages (san-kai-ki) 1871 auf den die Stadt überragenden Hakodate-yama umbetten und zum Jahrestag der sechsten Wiederkehr (shichi-kai-ki) im Jahre 1875 an dieser Stelle einen obeliskförmigen Gedenkstein, den Hekketsu-hi bzw. Hekiketsu-hi, errichten (vgl. Abb. 29).155 Beide Aktionen waren lokale Initiativen und standen im Zusammenhang mit dem buddhistischen Totengedenken, und entsprechend findet sich noch heute in einem Raum im unteren Teil des Hekketsu-hi eine buddhistische Totentafel. Die Inschrift des über sechs Meter hohen Denkmals verweist auf ein Zitat aus einem der Klassiker der chinesischen Philosophie, dem 26. Buch des Zhuang Zi, wonach sich das Blut von Helden, die für Loyalität ihr Leben gelassen haben, nach drei Jahren in Jaspis, also einen Edelstein, verwandle.156 Die Kalligraphie für die Denkmalsinschrift stammt von Ōtori Keisuke (1833–1911), Armeeminister in der kurzlebigen Republik Ezo, der nach seiner Begnadigung für die Meiji-Regierung arbeitete. Ebenfalls seit 1875 werden jährlich (seit dem Folgejahr im Juni) durch Priester der Nichiren-Schule vor dem Gedenkstein buddhistische Totenzeremonien durchgeführt. Offen ist allerdings, ob sich der Gedenkstein tatsächlich lediglich an die Toten der Kämpfe um Hakodate 1869 richtet; vielmehr gibt es Hinweise, dass der
154 Imai, Akihiko: Kindai Nihon to senshi-sha saishi, S. 107–108. 155 Zum Hekketsu-hi a. a. O., S. 110–115. 156 Imai, Kindai Nihon to senshi-sha saishi, S. 112. Fehlerhaft die deutsche Übersetzung bei Dschuang Dsi: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland, Düsseldorf 1972, S. 275.
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Abb. 29: Hekketsu-hi, Hakodate (1875)
Hekketsu-hi ursprünglich der Erinnerung aller Toten der Koalition gegen die MeijiRegierung im Bürgerkrieg von 1868/69 gewidmet war.157 Die Unbestimmtheit der Denkmalsinschrift lässt jedenfalls auch diese Möglichkeit zu. Verwies die gesellschaftlich getragene Erinnerung an die Kriegstoten in Hokkaidō in den ersten Jahren nach dem Boshin-Krieg weitgehend noch auf die buddhistische bzw. klassische chinesische Tradition, stand vor allem der Südwest-Krieg für zwei weitere Entwicklungen: zum einen für die weitere Abschwächung des exkludierenden Charakters des Totengedenkens, insofern als hier erstmals ein ehrenvoller Umgang mit den sterblichen Überresten gefallener Aufständischer zugelassen wurde. Zum anderen für die Entwicklung shintōistischer Gedenkpraktiken an die toten Rebellen. Diese Entwicklung korrelierte mit der Aufhebung des staatlichen Verbots für das Gedenken an die Toten des BoshinKrieges, die auf Seiten des bakufu gekämpft hatten, im Jahre 1876.158 So wurden
157 Imai, Kindai Nihon no senshi-sha saishi, S. 116. 158 Vgl. Boshin kishi no sai ōshi ni teikō shi senbotsu no mono saishi shikkō o yurusu (= Dajōkan tasshigaki Nr. 108 vom 18. August 1876 (Meiji 9)) (online abrufbar unter: http://kindai.da.ndl. go.jp/ info:ndljp/pid/787954/232 , letzter Zugriff 09. April 2012); Imai, Akihiko: Kindai Nihon to senshi-sha saishi, S. 57. 1913 gründete sich in Aizu schließlich als Stiftung öffentlichen Rechts die
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Abb. 30: Nanshū bochi, Kagoshima
1877 nach dem Ende der Kämpfe in Kagoshima die toten Aufständischen des Südwest-Krieges unter aktiver Mitwirkung der Behörden bestattet. Bereits zwei Jahre später wurden die sterblichen Überreste von über 2.000 Toten zusammengeführt, so dass an der Stätte des Grabes von Saigō Takamori, dem sog. Nanshū bochi, eine zentrale Grabanlage für die im offiziellen Kontext nach wie vor als Rebellen geltenden Gefallenen geschaffen wurde (vgl. Abb. 30).159 Sie wurde in
Aizu chōrei gikai, zu der sich zunächst 65 Hinterbliebene und Veteranen zusammenschlossen, und deren erklärtes Ziel die Ehrung der Kriegstoten der „östlichen Armee“ ist. In ihren Händen liegt seit 1916 die Durchführung von Totenzeremonien auf dem Gebiet der Gemeinde AizuWakamatsu, wobei ihrerseits freilich die Gräber und Seelen der Gefallenen der kaiserlichen Seite ausgeschlossen bleiben. Ihre Forderung, die Toten auch der „östlichen Armee“ in den YasukuniSchrein aufzunehmen, konnte sie bis heute nicht durchsetzen. Vgl. Wert, Michael: Meiji Restoration Losers, S. 88; Shimoda Hiraku: Lost and Found, S. 89–91. 159 Siehe zur Geschichte der Bestattung und Verehrung Saigōs und seiner Anhänger Imai, Akihiko: Han-seifū-gun senbotsu-sha no irei, S. 265–377; Miyamoto, Takashi: Nanshū bochi, Nanshū jinja ni okeru Satsu-gun senbotsu-sha no irei to saishi, In: Kokugaku-in daigaku kenkyū kaihatsu suishin sentaa (Hg.): Shōkon to irei no keifu. Yasukuni no shisō o tou, Tōkyō: Kinsei-sha 2013, S. 265–295.
3.4 Regionale Gedenkformen an die Verlierer der Bürgerkriege
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den Folgejahren durch Umbettungen schrittweise erweitert. Die Gräber sind meist Einzelgräber und der buddhistischen Formensprache verpflichtet, doch finden sich auch shintōistische Grabsteine. Gemeinsam ist ihnen, dass sie neben dem Namen meist das Geburts- und Sterbedatum enthalten sowie das Alter, die Herkunftsgemeinde, die militärische Einheit, den Dienstgrad und den Ort des Todes. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Gräber des Nanshū bochi kaum von den Gräbern auf Soldatenfriedhöfen der Regierungstruppen. Darüber hinaus existieren auf dem Friedhof auch Sammelgrabanlagen wie die für die Nakatsu-Brigade (Nakatsu-tai) aus der Präfektur Ōita. Auch auf ihnen sind die Namen der Toten individuell verzeichnet. Sehr schnell entwickelte sich die Grabanlage zu einem Zentrum für Pilgerfahrten, und man errichtete ein erstes Gebäude zum Gedenken an die Toten. 1913 – und damit zeitlich deutlich nach der juristischen Rehabilitierung – wurde auf dem Nanshū bochi ein erstes shintōistisches Heiligtum errichtet, das 1922 in einen Schrein (Nanshū jinja) umgewandelt wurde, in dem heute die Seelen Saigō Takamoris und von über 6.800 auf seiner Seite Gefallenen als Gottheiten verehrt werden. Im Umfeld des einhundertsten Jahrestages des SüdwestKrieges wurden schließlich am Nanshū-Schrein ein shōkon-Stein errichtet, bei dem auch die Namen aller toten Aufständischen verzeichnet sind, und ein großes Museum eröffnet, das über das Leben Saigōs und den Südwest-Krieg informiert. Die lokale Gedenkkultur konnte sich also auf lange Sicht in ihren Formen dem staatlichen Totenkult durchaus annähern, blieb aber auch in Kagoshima sowohl räumlich als auch institutionell, in Bezug auf Friedhöfe wie auch Schreine vom staatlichen Gefallenengedenken strikt getrennt. Denn die Toten der kaiserlichen Truppen wurden auch im Südwest-Krieg auf speziellen Friedhöfen beigesetzt und ihre Seelen werden im gokoku-Schrein der Präfektur Kagoshima und im YasukuniSchrein verehrt.160 Analoge Befunde sind etwa auch für die Toten des Shinpū-ren-Aufstandes in Kagoshima oder des Saga-Aufstandes von 1874 festzustellen.161 Für die Toten der Shinpū-ren („Vereinigung des Götterwindes“) bzw. Keishin-tō („Partei der Götterverehrung“),162 einer ultranationalistischen und radikal-shintōistischen Gruppierung unter Führung des Shintō-Priesters Ōtaguro Tomoo (1834–1876), die
160 Auf den Schlachtfeldern von Kumamoto wie Tabaruzaka wurden ebenfalls Sammelgrabanlagen für die Anhänger Saigōs angelegt, aber auch sie blieben räumlich wie in der Anlage von den Gräbern der Regierungstruppen getrennt. 161 Siehe zum Umgang mit den Toten des Shinpū-ren-Aufstandes Imai, Akihiko: Kindai Nihon no senshi-sha saishi, S. 123–144, für den Saga-Aufstand a. a. O., S. 145–198. 162 Vgl. zur Shinpū-ren-Rebellion Rogers, John M.: Divine Destruction. The Shinpūren Rebellion of 1876, In: Hardacre, Helen/Kern, Adam L.: New Directions in the Study of Meiji Japan, Leiden: E. J. Brill 1997, S. 408–439.
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3 Gefallenenkult einer imperialen Großmacht
Abb. 31: Grabanlage für die Toten des Shinpū-ren, Kumamoto (1921)
im Oktober 1876 die Garnison von Kumamoto angriff und dabei zahlreiche Soldaten tötete, sollte es bis 1924 dauern, bis sie juristisch rehabilitiert und ihr Name wiederhergestellt wurde. Trotzdem begann auch in ihrem Fall die Totenehrung bereits früher. 1885 errichteten Gleichgesinnte und Hinterbliebene zwei Denkmäler in Kumamoto: zum einen den „Stein der aufrichtigen Loyalität“ (Seichū no hi) für die sonnō-jōi-Aktivisten um Miyabe Teizō (1820–1864), die 1864 in Kyōto ihr Leben verloren hatten, und zum anderen den „Stein der einhundertdreiundzwanzig Krieger“ (Hyaku nijūsan-shi no hi) für die toten Aufständischen.163 Auch hier wurden die Aufständischen der Meiji-Zeit mit den Loyalisten der BakumatsuZeit auf eine Stufe gestellt und die Gedenkstätten und damit auch das Gedenken miteinander verbunden. Auf dem Gelände wurden weiterhin zahlreiche Kirschbäume angepflanzt, womit ein weiterer symbolischer Verweis auf den Kriegstod hergestellt wurde. 1913 errichteten sie aus Anlass des 50. Todestages Miyabes und seiner Anhänger einen Schrein, den Sakurayama shidō (1948 in Sakurayama jinja umbenannt), in dem neben der Sonnengöttin Amaterasu u. a. auch die Seelen der Gefallenen als Gottheiten verehrt werden; 1915 schlossen sich die Hinterbliebenen und Anhänger auch formal zu einer Vereinigung, der Sakurayama dōshi-kai, zusammen. Schließlich erfolgte 1921 noch die Errichtung einer
163 Imai, Kindai Nihon no senshi-sha saishi, S. 130–131.
3.4 Regionale Gedenkformen an die Verlierer der Bürgerkriege
213
Grabanlage (vgl. Abb. 31), welche sich explizit die Gräber der 47 Rōnin von Akō und damit eine der berühmtesten Geschichten der japanischen Überlieferung über die Treue der Samurai gegenüber ihrem Lehnsherren zum Vorbild nahm.164 Der spezifischen shintōistischen Ausrichtung der Shinpū-ren entsprechend folgt auch diese Grabanlage, wie die Militärfriedhöfe, der shintōistischen Ikonographie, sterbliche Überreste sind in den Gräbern aber wohl nicht enthalten. Die Entwicklung regionaler Gedenkformen an die Verlierer der bewaffneten Auseinandersetzungen der Bakumatsu- und frühen Meiji-Zeit zeigte sich auch in der Denkmalsstiftung. Wie die Beispiele von Hakodate oder Kumamoto zeigen, wurden zwar vergleichsweise früh Denkmäler für die Gegner der kaiserlichen Streitkräfte in den ehemaligen Kampfgebieten errichtet, doch kaum an prominenter Stelle oder an signifikanten öffentlichen Plätzen. Dies sollte sich erst 1898 mit der Errichtung des Denkmals für Saigō Takamori im Park von Ueno, einem der zentralen öffentlichen Orte der Hauptstadt, ändern. Diese Denkmalsstiftung wäre in Anbetracht seiner Rolle im Südwest-Krieg ohne die Rehabilitation Saigōs 1889 im Kontext der Großen Amnestie und seiner Erhebung in den „Wahren Dritten Hofrang“ für seine Verdienste im Boshin-Krieg kaum denkbar gewesen. Für die Errichtung hatten sich auch zahlreiche Regierungsvertreter eingesetzt. Allerdings ist die Repräsentation Saigōs, worauf Michael Wert nachdrücklich hinweist, bewusst unmilitärisch. Er ist in informeller traditioneller Kleidung abgebildet, mit einem Hund an der Leine spazierend. An seine Rolle als einen der militärischen Führer des Boshin-Krieges erinnert lediglich der Umstand, dass sein Blick auf die Burg von Edo bzw. den Kaiserpalast gerichtet ist.165 Damit unterscheidet sich das Denkmals Saigōs nachdrücklich von zeitgenössischen Denkmälern anderer militärischer Führer, die in aller Regel in Uniform und meist auch hoch zu Ross abgebildet wurden. Während man also einerseits festhalten kann, dass sich spätestens mit den 1890er Jahren in einigen Regionen Japans auch Gedenkpraktiken an die Gegner des Thrones in den militärischen Auseinandersetzungen bis 1877 etabliert hatten, muss man andererseits doch darauf hinweisen, dass das Gedenken an die Verlierer der Bürgerkriege vor 1945 vom offiziellen staatlichen Gedenken strikt getrennt blieb. Die ehemaligen Kriegsgegner wurden nie den kaiserlichen Streitkräften gleichgestellt. Eine Verehrung der Toten in den staatlichen shōkon-Schreinen, allen voran dem Yasukuni-Schrein, blieb exklusiv den Siegern vorbehalten, trotz aller Petitionen von Angehörigen und Veteranen und trotz der Umdeutung auch
164 Imai, Akihiko: Kindai Nihon no senshi-sha saishi, S. 134. 165 Vgl. Wert, Michael: Meiji Restoration Losers, S. 77.
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3 Gefallenenkult einer imperialen Großmacht
Abb. 32: Denkmal Saigō Takamoris im Park von Ueno, Tōkyō (1898)
der Rebellionen als Akte der Loyalität.166 Nur der Tod für den Tennō sicherte vor 1945 die Inklusion in den politischen Totenkult des japanischen Kaiserreiches.
166 Dabei konnte Fehlverhalten in den Reihen der kaiserlichen Truppen posthum durchaus noch revidiert werden. Diese kann man etwa am Beispiel von Sagara Sōzō, eines Truppenführers der Sekihō-tai, belegen. Dieser hatte sich den Unmut seiner Vorgesetzten zugezogen, als er während des Vormarsches der kaiserlichen Truppen auf Edo eigenmächtig Bauern die Halbierung ihrer Steuerlast durch den neuen Staat zugesagt hatte. Er wurde daraufhin mit sieben weiteren Angehörigen seiner Truppe zum Tode verurteilt und hingerichtet, und seinem Verband, der Ersten Abteilung der Sekihō-tai, der Status der kaiserlichen Streitkräfte aberkannt. 1928 erfolgte seine formale juristische Rehabilitation und die Verleihung des „Wahren Fünften Hofranges“, 1929 seine Einschreinung in den Yasukuni. Vgl. a. a. O., S. 87–88.
4 Gefallenenkult im totalen Krieg Die Geschichte des totalen Krieges in Japan weicht vom Verlauf zu seinen Pendants bei den europäischen Großmächten signifikant ab.1 Der Russisch-Japanische Krieg hatte zwar in seinem militärischen Verlauf, insbesondere der Belagerung von Port Arthur, in taktischen Fragen die Veränderung des Krieges hin zum totalen Krieg angedeutet. Der Stellungskrieg, der Einsatz von Stacheldraht oder von Maschinengewehrstellungen hatte hohe Opfer gefordert. Doch mit etwa 88.000 Toten und etwa 146.000 Verwundeten blieben Staat und Gesellschaft in Japan die Erfahrungen massenhaften Sterbens in den Dimensionen des amerikanischen Bürgerkrieges oder der beiden Weltkriege zu diesem Zeitpunkt noch erspart. Ähnliches ist für den Ersten Weltkrieg zu konstatieren. Zwar nahm Japan am Krieg gegen Deutschland auf Seiten der Entente teil, doch entsandte es abgesehen von einem Flottenverband in das Mittelmeer keine kämpfenden Einheiten auf den europäischen Kriegsschauplatz. Trotzdem rief die indirekte Erfahrung des totalen Krieges in der Alten Welt ein entsprechendes Bewußtsein um den Wandel des Charakters moderner militärischer Konflikte sowohl bei den politischen wie militärischen Eliten als auch in der Öffentlichkeit hervor.2 Der Verlauf der Pariser Friedenskonferenz, die Umstände der Gründung des Völkerbundes und die Konferenz von Washington 1922, welche die Nachkriegsordnung in Ostasien neu regeln sollte, erhöhten in den politischen, militärischen und gesellschaftlichen Eliten eher das Gefühl der Bedrohung und der mangelhaften Vorbereitung auf einen möglichen (und durchaus als wahrscheinlich eingeschätzten) militärischen Konflikt vor allem mit den USA. Paradoxerweise war es das sicherheitspolitische Krisenbewusstsein, einen totalen Krieg gegen eine der Großmächte nicht führen zu können, das Japan zu Beginn der 1930er Jahre just in jenen totalen
1 Zum totalen Krieg vgl. Förster, Stig: Das Zeitalter des totalen Krieges 1861–1945. Konzeptionelle Überlegungen für einen historischen Strukturvergleich, In: Mittelweg 36 6 (1999), S. 12–29; Ders.: Die Weltkriege als Kriege neuen Typs. Einführende Bemerkungen, In: Thoß, Bruno/Volkmann, Hans-Erich: Erster Weltkrieg – Zweiter Weltkrieg. Ein Vergleich. Krieg, Kriegserlebnis, Kriegserfahrung in Deutschland, Paderborn u. a.: Ferdinand Schönigh 2002, S. 33–42. Siehe auch Chickering, Roger/Förster, Stig (Hg.): Great War, Total War. Combat and Mobilization on the Western Front 1914–1918, Cambridge/New York: Cambridge University Press 2000; Chickering, Roger/ Förster, Stig (Hg.): The Shadows of Total War. Europe, East Asia, and the United States 1919– 1939, Cambridge/New York: Cambridge University Press 2003 und Chickering, Roger/Förster, Stig/Greiner, Bernd (Hg.): A World at Total War. Global Conflict and the Politics of Destruction 1937–1945, Cambridge/New York: Cambridge University Press 2005. 2 Siehe hierzu Schölz, Tino: Transnationale Kriegserfahrung. Der „Endweltkrieg“ Ishiwara Kanjis, München: Iudicium 2015 (im Druck).
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4 Gefallenenkult im totalen Krieg
Krieg trieb, der seine politische Strukturen veränderte und an dessen Ende die vollständige militärische Niederlage und der Zusammenbruch des japanischen Imperiums in Ostasien standen. Welche Auswirkungen aber hatten die Änderungen der politischen Verfasstheit Japans im Zeitalter des totalen Krieges und hatte das massenhafte Sterben von Soldaten und Zivilisten im Asiatisch-Pazifischen Krieg auf den politischen Totenkult des Landes?
4.1 Japan und seine Streitkräfte im Asiatisch-Pazifischen Krieg 4.1.1
Grundlinien der Entwicklungen der Taishō-Zeit
Die Zeit zwischen dem Ende der Meiji-Zeit, das etwa mit dem Ende des RussischJapanischen Krieges 1905, der endgültigen Annexion Koreas 1910 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu datieren ist, und dem Ausbruch des AsiatischPazifischen Krieges, dessen erster Akt die faktische Annexion der Mandschurei (sog. Mandschurischer Zwischenfall, Manshū jihen) zwischen September 1931 und März 1933 darstellt, war innenpolitisch eine Zeit der vorsichtigen, keineswegs geradlinig verlaufenden Liberalisierung und Demokratisierung.3 Diese vollzogen sich im Rahmen der rechtlichen Normierungen der Meiji-Verfassung, die weiterhin unverändert in Kraft blieb, veränderten diese aber dahingehend, dass sich nach zahlreichen und lang andauernden Konflikten de facto 1918 die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament und damit Parteienkabinette und mit der Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts 1925 eine umfängliche politische Partizipation durchsetzten. Diese Verschiebungen markierten zugleich einen Rückgang der Bedeutung der Meiji-Oligarchie, der sie tragenden Konzeption überparteilicher staatlicher Machtausübung sowie des Militärs in der Innenpolitik. Parallel verbreitete sich in den 1920er Jahren unter dem
3 Zur Taishō-Zeit grundlegend u. a. Gordon, Andrew: Labor and Imperial Democracy in Prewar Japan, Berkeley/Los Angeles/London: University of California Press 1991; Mitani, Taichirō: The Establishment of Party Cabinets 1898–1932, In: Duus, Peter (Hg.): Cambridge History of Japan. Band 6: The Twentieth Century, Cambridge/New York: Cambridge University Press 1988, S. 55– 96; Meyer, Harald: Die „Taishō-Demokratie“. Begriffsgeschichtliche Studien zur Demokratierezeption in Japan von 1900 bis 1920, Bern u. a.: Peter Lang-Verlag 2005; Mathias, Regine: Das Entstehen einer modernen städtischen Gesellschaft und Kultur 1900/1905–1932, In: Kreiner, Josef (Hg.): Geschichte Japans, Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2010, S. 332–380; Sakai, Tetsuya: Taishō demokurashii taisei no hōkai. Naisei to gaikō, Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 1992; Narita, Ryūichi: Taishō demokurashii (Shiriizu Nihon kin-gendai-shi 4), Tōkyō: Iwanami shoten 2007.
4.1 Japan und seine Streitkräfte im Asiatisch-Pazifischen Krieg
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Einfluss der Oktoberrevolution und der Gründung der UdSSR zunehmend auch sozialistisches Gedankengut, was sich in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, in Arbeitskämpfen in der Stadt wie auf dem Land und in der Gründung der Kommunistischen Partei Japans 1922 zeigte, die freilich noch am Tage ihrer Gründung verboten wurde.4 Statt der Konfrontation von Kapital und Arbeit sollte sich aber in der Taishō-Zeit vor allem auch die Kluft zwischen Stadt und Land weiter verbreitern, da insbesondere die urbane Populärkultur mit Zeitungen, Monatszeitschriften, Radio und Film Medien zur Verbreitung neuer differenzierter Lebensstile und kultureller Praktiken zur Verfügung stellte.5 Ökonomisch bedeutete der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zunächst einen ungeheuren Stimulus. Der Rückzug der europäischen Mächte aus Ostasien eröffnete der japanischen Wirtschaft neue Märkte und brachte einen Aufschwung für die Transportindustrie, den Schiffbau usw. mit sich, Rüstungsaufträge förderten die Schwer-, das Fehlen der deutschen Konkurrenz die chemische Industrie. Das Ende des Krieges wiederum führte zu einer dramatischen Abschwächung des Wachstums. Für die Wirtschaft waren die 1920er Jahre Krisenjahre, die mit den ökonomischen Folgen des großen Kantō-Erdbebens von 1923, dem großen Bankencrash von 1927 und schließlich der Weltwirtschaftskrise ab 1929 ihre Tiefpunkte erlebte. Die daraus resultierende Verschärfung der sozialen Problemlagen führte, durchaus in Analogie zu Deutschland, zu einem weiteren Vertrauensverlust in die Problemlösungskompetenz der politischen Parteien. Außenpolitisch verfolgte Japan zunächst weiterhin erfolgreich seine Politik imperialer Expansion in Ostasien und im pazifischen Raum. Die Teilnahme am Ersten Weltkrieg auf Seiten der Entente hatte Tōkyō einen Teil der deutschen
4 Der Frühsozialismus erreichte Japan bereits in der späten Meiji-Zeit, wurde aber auch hier systematisch unterdrückt. Vgl. hierzu Sprotte, Maik Hendrik: Konfliktaustragung im autoritären Herrschaftssystem. Eine historische Fallstudie zur frühsozialistischen Bewegung im Japan der Meiji-Zeit, Marburg: Tectum Verlag 2001; Duus, Peter/Schreiner, Irwin: Socialism, Liberalism, and Marxism 1901–1931, In: Duus, Peter (Hg.): Cambridge History of Japan. Band 6: The Twentieth Century, S. 654–710. Bezeichnend ist, dass auch die Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts flankiert wurde durch das „Gesetz zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ (Chian iji-hō), welches Versuche der Änderung des kokutai und der Abschaffung privaten Besitzes unter Strafe stellte. Damit sollten potentielle Risiken, welche die Demokratisierung mit sich bringen könnte, von vornherein eingedämmt werden. Analog war schon die Meiji-Verfassung zusammen mit dem Kaiserlichen Erziehungserlass von 1890 in Kraft getreten, der ebenfalls dem Schutze des kokutai dienen sollte. 5 Harootunian, Harry D.: Overcome by Modernity. History, Culture, and Community in Interwar Japan, Princeton/Oxford: Princeton University Press 2000; Schäfer, Fabian: Public Opinion, Propaganda, Ideology. Theories on the Press and its Social Function in Interwar Japan 1918–1937, Leiden/Boston u. a.: E. J. Brill 2012.
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4 Gefallenenkult im totalen Krieg
Schutzgebiete in der Südsee (in Mikronesien die Karolinen-, Mariannen- und Marshall-Inseln) und ökonomische Privilegien im ehemaligen Pachtgebiet Shandong mit Jiaozhou (Kiautschu) und damit eine Erweiterung seines Kolonialbesitzes eingebracht. China gegenüber konnten mit den „21 Forderungen“ 1915 zahlreiche territoriale und wirtschaftliche Zugeständnisse durchgesetzt werden, welche das informelle Imperium im Reich der Mitte weiter ausbauen helfen sollten.6 Diese aggressive Politik gegenüber dem ostasiatischen Nachbarn schürte neues Misstrauen in den USA und provozierte heftige antijapanische Proteste in China, die 1919 in der „Bewegung vom 4. Mai“ gipfelten. Die 1920er Jahre standen zwar einerseits im Zeichen der Kooperation mit den Siegermächten des Ersten Weltkrieges, zu denen ja auch Japan selbst gehörte. So nahm man mit der Sibirien-Intervention an den Versuchen zur Niederschlagung der Bolschewiki in Sowjetrussland teil und beteiligte sich mit dem Vertragssystem von Washington 1922 an den Versuchen zur Schaffung einer an Interessenausgleich, kollektiver Sicherheit und Abrüstung orientierten Nachkriegsordnung für Ostasien und den pazifischen Raum.7 Der Verlauf der Friedenskonferenz von Paris hingegen bedeutete andererseits mit der Ablehnung der japanischen Initiative, die Gleichberechtigung der Rassen in der Satzung des Völkerbundes festzuschreiben, eine herbe Enttäuschung.8 Auch wenn die diplomatischen Niederlagen bei den japanischen Eliten ein Gefühl der Bedrohung und mangelhafter Vorbereitung auf einen möglichen militärischen Konflikt vor allem mit den USA hervorriefen, blieb die Außenpolitik der ostasiatischen Vormacht insbesondere unter Außenminister Shidehara Kijūrō doch in den 1920er Jahren auf Konfliktminimierung und Kooperation mit den westlichen Großmächten hin ausgerichtet.
6 Duus, Peter/Myers, Ramon H. (Hg.): The Japanese Informal Empire in China 1895–1937, Princeton: Princeton University Press 1989. Für die chinesische Perspektive Etō, Shinkichi: China’s International Relations 1911–1931, In: Fairbank, John K./Feuerwerker, Albert (Hg.): The Cambridge History of China. Band 13: Republican China 1912–1949, Part 2, Cambridge/New York: Cambridge University Press 1986, S. 74–115, hier S. 92–100. Zur militärischen Dimension siehe Kobayashi, Hiroharu: Sōryoku-sen to demokurashii. Dai-ichiji sekai taisen, Shiberia kanshō sensō (= Sensō no Nihon-shi 21), Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2008. 7 Vgl. Iriye, Akira: After Imperialism. The Search for a New Order in the Far East 1921–1931, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 1965. 8 Shimazu, Naoko: Japan, Race and Equality. The Racial Equality Proposal of 1919, London/New York 1998.
4.1 Japan und seine Streitkräfte im Asiatisch-Pazifischen Krieg
219
4.1.2 Japans Weg in den Asiatisch-Pazifischen Krieg Der Asiatisch-Pazifische Krieg ist in seinen Ursachen und seinem Verlauf weit weniger konsistent als der Zweite Weltkrieg in Europa.9 So herrscht in der Forschung bis heute kein Konsens über die Bewertung dieses Krieges, was sich nicht zuletzt in den unterschiedlichen Bezeichnungen widerspiegelt. Systematisch kann man den Krieg in drei Elemente gliedern: erstens Japans Expansionskrieg gegen Ostasien, insbesondere China, ab 1931; zweitens den Krieg zwischen Japan und den Westmächten (USA, Großbritannien und dem Empire sowie den Niederlanden) um die Vorherrschaft in Ostasien ab 1941, und schließlich drittens den Angriff der UdSSR auf Japan in der letzten Woche des Krieges (ein Konflikt, der heute fast vergessen scheint, der aber sowohl für das Ende des Zweiten Weltkrieges als auch den Kalten Krieg in Fernost von immenser Bedeutung war). Zeitlich kann man ebenfalls drei große Abschnitte ausmachen: Erstens den sog. „Mandschurischen Zwischenfall“ (Manshū jihen) 1931–1933, der mit der Gründung des Marionettenstaates Manzhouguo (jap. Manshū-koku) mit dem letzten chinesischen Kaiser Puyi an der Spitze zunächst die drei nordöstlichen Provinzen des ehemaligen Qing-Reiches unter japanische Kontrolle brachte.10 Zweitens den sog. „Chinesischen Zwischenfall“ (Shina jihen) bzw. in der heutigen Terminologie den Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg (Nit-Chū sensō) ab 1937, der mit dem sog. „Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke“ ausgelöst wurde und sich als regelrechter Krieg zwischen Japan auf der einen und den Guomindang unter Jiang Jieshi (Chiang Kai-shek) und den Kommunisten unter Mao Zedong auf der anderen Seite bis 1945 hinzog.11 Der Krieg in China wiederum führte direkt zur Konfrontation vor allem mit den USA, die ein japanisch dominiertes China nicht hinzunehmen bereit waren. Der Krieg gegen den Westen, oft als „Pazifischer Krieg“ (Taiheiyō
9 Als facettenreiche Einführung in den Asiatisch-Pazifischen Krieg siehe Kurasawa, Aiko/Sugihara, Tōru/Narita, Ryūichi u. a. (Hg.): Iwanami kōza Ajia, Taiheiyō sensō, 8 Bde., Tōkyō: Iwanami shoten 2005–2006, klassisch z. B. Eguchi, Keiichi: Jūgo-nen sensō shōshi, Tōkyō: Aoki shoten 1986; Fujiwara, Akira: Taiheiyō sensō, Tōkyō: Aoki shoten 1982. 10 Die japanische Bezeichnung „Zwischenfall“ (jihen) war zeitgenössisch keinesfalls, wie heute teilweise fälschlich angenommen wird, eine beschönigende Bezeichnung, sondern ein juristischer Begriff, der einen Krieg bezeichnete, der ohne formale Kriegserklärung geführt wurde. Analogien wären etwa die Weigerung Frankreichs, den Algerienkrieg als solchen zu bezeichnen, oder in der Gegenwart das militärische Engagement der „Koalition der Willigen“ im Irak. 11 Für die militärische Dimension des Mandschurischen Zwischenfalls und des Krieges gegen China siehe zuletzt Ikō, Toshiya: Manshū jihen kara Nit-Chū zenmen sensō e (= sensō no Nihonshi 22), Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2007; für die chinesische Perspektive Mitter, Rana: China’s War with Japan 1937–1945. The Struggle for Survival, London: Penguin 2014.
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4 Gefallenenkult im totalen Krieg
sensō) bezeichnet, verband beide Kriege miteinander, was die zeitgenössische japanische Bezeichnung als „Großostasiatischer Krieg“ (Dai-Tōa sensō) zum Ausdruck brachte. In diesem Krieg überrollte Japan zunächst Südostasien und den Südpazifik und drang bis in den Dschungel von Burma in Richtung auf das britische Indien vor, bevor nach den Schlachten von Midway und Guadalcanal die strategische Initiative an die Alliierten überging, die sich schrittweise mit der Strategie des „Insel-Hoppings“ an die japanischen Hauptinseln herankämpften. Trotz einiger sehr blutiger Grenzkriege 1938 und 1939 zwischen Japan und der UdSSR trat letztere erst am 9. August 1945 unter Bruch des Nichtangriffsvertrages zwischen beiden Ländern in den Krieg ein und drang, ohne dass die japanischen und mandschurischen Streitkräfte noch nachhaltig Widerstand leisten konnten, in die Mandschurei vor. Der Kriegseintritt der Sowjetunion war für die japanische Entscheidung, die Potsdamer Erklärung anzunehmen und damit zu kapitulieren, mindestens ebenso entscheidend wie der Einsatz der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki durch die USA in den letzten Tagen des Krieges. Die Frage nach den Ursachen des Krieges ist ebenfalls sehr differenziert zu beantworten, spiegelt sie doch die Komplexität seines Charakters und seines Verlaufs wider. Man kann sie grob in eine sicherheitspolitische, eine außenpolitische und schließlich eine innenpolitische Dimension gliedern, die freilich jeweils eng miteinander verschlungen sind. Außenpolitisch verschoben sich insbesondere seit der zweiten Hälfte der 1920er Jahre die Kräfteverhältnisse in Ostasien, wodurch die Vormachtstellung Japans in der Region in Frage gestellt wurde. Ausgelöst wurde die außenpolitische Dynamik dabei zum einen durch den Aufstieg der Sowjetunion zur Großmacht nach der Beendigung des Bürgerkrieges, zum anderen durch die politische und militärische Einigung Chinas unter den Guomindang. Besonders letztere hatte eine deutlich erkennbare antijapanische, sich vor allem gegen dessen informelles Imperium richtende Tendenz, die sich etwa in Streikbewegungen chinesischer Arbeiter in japanischen Firmen auf dem Festland oder in Boykottaktionen gegen japanische Waren zeigte. Die japanischen Reaktionen auf beide Entwicklungen wiederum verschlechterten ihrerseits die Beziehungen zu den Westmächten, so dass das Ende der 1920er Jahre statt durch außenpolitische Kooperation mehr und mehr durch Konfrontation gekennzeichnet war.12 Innenpolitisch sind die 1930er Jahre ebenfalls durch eine steigende Instabilität charakterisiert, welche auf eine zunehmende Fraktionalisierung der politischen Eliten zurückgeführt werden muss. War die Meiji-Zeit noch durch eine oligarchische Herrschaftsstruktur gekennzeichnet, wurde diese nun durch eine
12 Iriye, Akira: After Imperialism.
4.1 Japan und seine Streitkräfte im Asiatisch-Pazifischen Krieg
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Polykratie abgelöst, die als Mit- und Gegeneinander einer pluralen Akteurskonstellation mit ständig wechselnden Koalitionen beschrieben werden kann.13 Im Heer etwa konkurrierte eine auf technische Modernisierung der Streitkräfte und die Errichtung eines „Wehrstaates“ (kokubō kokka) hin ausgerichtete „Kontrollfraktion“ (tōsei-ha) mit einer „Fraktion des Kaiserlichen Weges“ (kōdō-ha), welche stattdessen die geistige Mobilmachung betonte. Das Heer wiederum rivalisierte mit der Marine um Prestige und Ressourcenallokation insbesondere in Fragen des Rüstungsetats, man suchte und fand Verbündete in anderen Zweigen der Bürokratie wie dem Außenministerium, die ebenso heillos über politische Zielrichtungen (und natürlich Macht und Einfluss) zerstritten waren. Beide Teilstreitkräfte konnten aber auch gemeinsam mit den wie gegen die politischen Parteien agieren usw.14 Hinzu kam seit Beginn der 1930er Jahre die Bereitschaft rechter Gruppierungen und von Teilen von Heer und Marine (vor allem auf der Ebene von Stabsoffizieren), ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen. So destabilisierten Attentate (wie die Ermordung von Premierminister Inukai Tsuyoshi 1932 oder des ehemaligen Finanzministers Inoue Junnosuke ebenfalls 1932) wie auch Putschversuche – die wichtigsten im März 1932 (Go-ichi-go jiken) und im Februar 1936 (Ni-ni-roku jiken) – die politische Ordnung zusätzlich.15 Diese Strukturen
13 Der Versuch, an Stelle der genrō der Meiji-Zeit eine informelle neue Gruppe von elder statesmen in Form der jūshin zu etablieren, zu denen etwa der Vorsitzende des Geheimen Staatsrates, der Minister für den Kaiserlichen Haushalt und ehemalige Premierminister gezählt wurden, zeitigte kaum die gewünschten Erfolge. Bis zu seinem Tod 1940 blieb der letzte genrō, Fürst Saionji Kinmochi, in seiner Funktion als Ratgeber des Tennō faktisch der Königsmacher der japanischen Politik. 14 Zu den Konflikten innerhalb des Heeres klassisch: Crowley, James B.: Japanese Army Factionalism in the Early 1930’s, In: The Journal of Asian Studies 21 (1962), Heft 3, S. 309–326; Shinobu, Seizaburō: From Party Politics to Military Dictatorship, In: The Developing Economies 5 (1967), Heft 4, S. 666–684; zum schwindenden Einfluss der politischen Parteien Berger, Gordon M.: Parties out of Power in Japan 1931–1941, Princeton: Princeton University Press 1977. 15 Storry, Richard: The Double Patriots. A Study in Japanese Nationalism, Boston: Houghton Mifflin 1956; Wilson, George M.: Radical Nationalist in Japan. Kita Ikki, 1883–1937, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 1969; Shillony, Ben-Ami: Revolt in Japan. The Young Officers and the February 26, 1936 Incident, Princeton: Princeton University Press 1973; Laurinat, Marion: Kita Ikki (1883–1937) und der Februarputsch 1936. Eine historische Untersuchung japanischer Quellen des Militärgerichtsverfahrens, Berlin: Lit-Verlag 2006; Large, Stephen S.: Extremist Nationalism in Early Shōwa Japan. Inoue Nisshō an the ‚Blood Pledge Corps‘ Incident 1932, In: Modern Asian Studies 35 (2001), Heft 3, S. 553–564; Shigemoto, Tokoro: Die Beziehungen zwischen Terrorismus und Nichirenismus. Kita Ikki, Ōkawa Shūmei, Inoue Nisshō, In: Fischer, Peter (Hg.): Buddhismus und Nationalismus im modernen Japan, Bochum: Studienverlag Dr. N. Brockmeyer 1979, S. 96–117; Hata, Ikuhiko: Gun-fashizumu undō-shi, Tōkyō: Kawade shobō shinsha1962; Tobe, Ryōichi: Gyakusetsu no guntai.
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führten in den 1930er Jahren zu einem immer schnelleren Wechsel der Kabinette wie auch politischer Zielsetzungen. Trotzdem lassen sich in dieser Zeit drei politikbestimmende Trends ausmachen. Dabei handelt es sich erstens um den Aufstieg der Militärführung im staatlichen Institutionengefüge und den politischen Entscheidungsprozessen. Sichtbarstes Zeichen dieser Bedeutungszunahme war die Wiedereinführung des Prinzips, wonach die Minister für Heer und Marine Offiziere im aktiven Dienst sein mussten (gunbu daijin gen’eki bukan-sei), im Mai 1936.16 Diese Regelung machte die Bildung einer neuen Regierung faktisch von der direkten oder indirekten Zustimmung der beiden Teilstreitkräfte abhängig, eine Einflussmöglichkeit, die beide in den Folgejahren auch wiederholt nutzten. Parallel ging zweitens die Bedeutung von Parteipolitikern bei der Besetzung von Spitzenämtern zurück, was seinen sichtbarsten Ausdruck im Ende der sogenannten Parteienkabinette und der zunehmenden Zahl von Militärs und Bürokraten an den Schaltstellen des politischen Systems fand. Diese Tendenz war Ergebnis expliziter Versuche, in Form von „Regierungen der nationalen Einheit“ die Interessengegensätze innerhalb der Eliten auszugleichen und hierdurch ein gemeinwohlorientiertes, überparteiliches Regierungshandeln jenseits einer primär Partikularinteressen dienenden und als korrupt wahrgenommenen Parteipolitik sicherzustellen und so eine weitere Gewalteskalation zu verhindern bzw. einzudämmen.17 Drittens sah sich das seit der Taishō-Zeit doch alles in allem demokratisch-liberale politische System mit nachhaltigen Forderungen nach tiefgreifenden Reformen konfrontiert, die von unterschiedlichsten Akteuren vorgetragen wurden. Die Spannbreite reichte hierbei vom linken bis ins rechte politische Lager. Insbesondere die nationalistische Rechte erlebte dabei durch den Mandschurischen Zwischenfall 1931–1933 einen nachhaltigen Aufschwung, als eine wesentlich durch die Medien getragene patriotische Welle, die das Land erfasste, zahlreichen extremen Organisationen Auftrieb verlieh.18 Im Hinblick auf den Asiatisch-Pazifischen Krieg dürfte jedoch die wichtigste Reformgruppierung durch jene Kreise des Heeres gebildet worden sein, welche sich für den Umbau Japans zu einem „Wehrstaat“ (kokubō kokka) einsetzten, um das Land auf einen totalen Krieg vorzubereiten.19 Diese sicherheitspolitische Dimension bildete das dritte Momentum für Japans Weg in den Krieg.
16 Vgl. Tobe, Ryōichi: Gyakusetsu no guntai, S. 277–280 und oben Kap. 3.1. 17 Vgl. hierzu auch Berger, Gordon M.: Parties out of Power in Japan, S. 45. 18 Siehe zum Verhältnis von Medien und Hurra-Patriotismus während des Manshū jihen Young, Louise: Japan’s Total Empire. Manchuria and the Culture of Wartime Imperialism, Berkeley/Los Angeles/London: University of California Press 1998, S. 55–114. 19 Vgl. hierzu weiterführend Kōketsu, Atsushi: Sōryoku-sen taisei kenkyū. Nihon rikugun no kokka sōdō-in kōsō, Tōkyō: San’ichi shobō 1981; Ders.: Nihon rikugun no sōryoku-sen seisaku,
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Die instabile politische Lage im Inneren war die Voraussetzung für ein relativ eigenmächtiges Handeln von Offizieren der im japanischen Pachtgebiet Liaodong stationierten Guandong-Armee (Kantō-gun, auch Kwantung-Armee), welche gegen den ausdrücklichen Befehl der Heeresführung in Tōkyō im September 1931 den Mandschurischen Zwischenfall auslösten.20 In ihrem Agieren verschränkten sich sicherheitspolitische Motive und eine aus ihrer Sicht notwendige Reaktion auf eine außenpolitische Bedrohungslage. Die fortschreitende politische und militärische Einigung Chinas unter den Nationalisten Jiang Jieshis bedrohte in ihren Augen das informelle Imperium in China und vor allem in der Mandschurei. Die Kontrolle über diese rohstoffreiche und relativ dünn besiedelte Region schien im Gegenzug aber zwingend erforderlich, um Japan in jenen „Wehrstaat“ umzubauen, der als Bedingung für das erfolgreiche Führen eines totalen Krieges gesehen wurde. Letztlich war es aber genau jene militärische Aggression gegen die Mandschurei – die übrigens noch mit einem Nebenkriegsschauplatz in Shanghai (Shanhai jihen) versehen wurde –, welche die Konfrontation mit China immer weiter eskalierte, die Gegnerschaft zu den Westmächten, die ihrerseits um ihren Einfluss in China fürchten mussten, vertiefte und Japan das Bündnis mit Deutschland und Italien suchen ließ.21 Während aber der Mandschurische Zwischenfall aus japanischer Perspektive militärisch noch äußerst erfolgreich geführt werden konnte, war das japanische Militär nicht in der Lage, den neuerlichen Krieg gegen China ab Juli 1937
Okayama: Daigaku kyōiku shuppan 1999; Kurono, Takeru: Teikoku kokubō hōshin no kenkyū. Riku-kaigun kokubō shisō no tenkai to tokuchō, Tōkyō: Sōwa-sha 2000; Kobayashi, Hideo: Teikoku Nihon to sōryoku-sen taisei. Senzen, sengo no renzoku to Ajia, Tōkyō: Yūshi-sha 2004; Crowley, James B.: Japan’s Quest for Autonomy. National Security and Foreign Policy 1930–1938, Princeton: Princeton University Press 1966; Barnhart, Michael A.: Japan Prepares for Total War. The Search for Economic Security 1919–1941, Ithaca/London: Cornell University Press 1987. Für die internationale Dimension zuletzt Maiolo, Joseph: Cry Havoc. How the Arms Race Drove the World to War 1931–1941, New York: Basic Books 2010. 20 Vgl. Schölz, Tino: Transnationale Kriegserfahrung; Peattie, Mark R.: Ishiwara Kanji and Japan’s Confrontation with the West, Princeton: Princeton University Press 1975; Young, Louise: Japan’s Total Empire; Matsusaka, Yoshihisa Tak: The Making of Japanese Manchuria 1904–1932, Cambridge (Mass.)/London: Harvard University Press 2001; Yamamuro, Shin’ichi: Manchuria under Japanese Dominion, übersetzt von Fogel, Joshua A., Philadelphia: University of Pennsylvania Press 2006; Morley, James William (Hg.): Japan Erupts. The London Naval Conference and the Manchurian Incident 1928–1932. Selected Translations from Taiheiyō sensō e no michi, New York: Columbia University Press 1984; Ogata, Sadako: Defiance in Manchuria. The Making of Japanese Foreign Policy 1931–1932, Westport: Greenwood Press 1984 (1964). 21 Hierzu etwa Krebs, Gerhard/Martin, Bernd (Hg.): Formierung und Fall der Achse Berlin– Tōkyō, Müchen: Iudicium 1994.
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wie ursprünglich erwartet binnen weniger Monate zu beenden. Stattdessen entwickelte er sich zu einem lang anhaltenden, totalen Krieg. Die politischen und militärischen Eliten reagierten (freilich alles andere als einmütig) ab Herbst 1937 auf den bevorstehenden militärischen Dauerkonflikt mit der schrittweisen Errichtung einer „Neuen Ordnung“ (shin-taisei), dessen erklärtes Ziel die Mobilisierung aller materiellen und immateriellen Ressourcen des Landes für den totalen Krieg war.22 Diese „Neue Ordnung“ basierte institutionell vor allem auf drei Säulen: Erstens dem „Gesetz zur Generalmobilmachung des Staates“ (Kokka sō-dōin-hō) von 1938, zweitens der durch den Staat ins Leben gerufenen „Bewegung zur Geistigen Mobilmachung der Nation“ (Kokumin seishin sō-dōin undō) ab Oktober 1937 und drittens der „Unterstützungsvereinigung der kaiserlichen Herrschaft“ (Taisei yokusan-kai), die im Oktober 1940 als Einheitspartei gegründet wurde.23 Während die institutionelle Grundordnung des Meiji-Staates offiziell unangetastet blieb, bedeutete die „Neue Ordnung“ faktisch eine Umstrukturierung der politischen Ordnung, deren Ergebnis in der japanischen Historiographie als „System von 1940“ (yonjū-nen taisei) bzw. als „System des totalen Krieges“ (sōryoku-sen taisei) bezeichnet wird.24 Tatsächlich ermächtigten die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen die Regierung in Tōkyō zu einer umfassenden zentralen Regulierung von Rohstoffbewirtschaftung, Kapital und Arbeitskräften, Handel, Transport und Nachrichtenwesen.25 Darüber hinaus zielte die Gründung der Taisei yokusan-kai darauf, die (den politischen Apparat zunehmend lähmenden) Interessengegensätze innerhalb der Eliten des Landes zu vermitteln und
22 Wobei zu betonen ist, dass die „Neue Ordnung“ und die Mobilisierung der japanischen Bevölkerung in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges keineswegs nur eine Folge staatlichen Handelns war; vielmehr muss sie als ein komplexer Interaktionsprozess von staatlichen und gesellschaftlichen (und ökonomischen) Akteuren verstanden werden. Vgl. hierzu Sprotte, Maik Hendrik/Schölz, Tino (Hg.): Der mobilisierte Bürger. Aspekte einer zivilgesellschaftlichen Partizipation im Japan der Kriegszeit 1931–1945 (= Arbeitspapiere des Internationalen Graduiertenkollegs Halle-Tōkyō 6), Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2010. 23 Vgl. auch Dōmei tsūshin-sha (Hg./Übers.): Wartime Legislation in Japan. A Selection of Important Laws Enacted or Revised in 1941, Tōkyō: Nippon shōgyō tsūshin-sha 1941. 24 Zwei inzwischen klassische Texte der japanischen Historiographie liegen auch in westlichen Sprachen vor: Yamanouchi, Yasushi/Narita, Ryūichi/Koschmann, J. Victor (Hg.): Total War and ‚Modernization‘, Ithaca: Cornell University East Asia Program 1998; Kurozawa, Fumitaka: Das System von 1940 und das Problem der politischen Führung in Japan. Eine Überlegung zur Neueinschätzung der Shōwa-Zeit, In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 47 (1999), Heft 2, S. 130– 152. Vgl. auch Schölz, Tino: Faschismuskonzepte in der japanischen Zeitgeschichtsforschung, In: Ders./Krämer, Hans Martin/Conrad, Sebastian (Hg.): Geschichtswissenschaft in Japan. Themen, Ansätze und Theorien, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006, S. 107–134, hier S. 130–134. 25 Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 190.
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damit effizientes staatliches Handeln zu ermöglichen. Eine straffe Hierarchie, an deren Spitze qua Amt der Premierminister stand und deren kleinste Einheiten auf der lokalen Ebene die Nachbarschaftsvereinigungen (tonari-gumi bzw. rinpohan) waren, sollte diese Effizienz auch auf der vertikalen Ebene bis in den letzten Winkel durchzusetzen helfen. Parallel wurden die zahlreichen autonomen Vereine und Organisationen des Landes in Massenorganisationen überführt, welche ebenfalls der Unterstützungsvereinigung der kaiserlichen Herrschaft unterstanden und die auf diese Weise in die politischen Strukturen eingebunden wurden. Bereits der Zweite Chinesisch-Japanische Krieg veränderte auch den Alltag an der „Heimatfront“ (jūgo) nachhaltig.26 Der Staat regulierte (zumindest dem Anspruch nach) zunehmend alle Bereiche des gesellschaftlichen wie auch des privaten Lebens und schränkte persönliche Freiheiten immer weiter ein. Das zeigte sich zunächst vor allem in ökonomischer Hinsicht durch die Zwangsbewirtschaftung nicht nur von militärischen Gütern, sondern auch von Kleidung, Lebensmitteln, Medizin und medizinischen Geräten, Fahrzeugen, Brenn- und Baustoffen, Strom, Rohstoffen und Maschinen.27 Der Aufbau der Rüstungs- zu Lasten der Konsumgüterindustrie hatte zur Folge, dass bereits am Ende der 1930er Jahre wichtige Alltagsgüter nicht mehr vorhanden waren. Schließlich mussten sogar Grundnahrungsmittel wie Reis oder Zucker rationiert werden.28 Doch konnten Hunger und Unterernährung vor allem im letzten Kriegsjahr und auch die Entwicklung eines Schwarzmarktes auf diesem Wege nicht vermieden werden. Zunehmend wurde die Bevölkerung für Arbeiten in der Rüstungsindustrie und der Landwirtschaft mobilisiert, insbesondere auch (unverheiratete) Frauen sowie Schüler und Studenten. Darüber hinaus wurde auch der Alltag immer weiter militarisiert. Uniformierte Kleidung wurde ebenso üblich wie militärische Umgangsformen. Gleiches galt für den schulischen Alltag: Das Schulsystem wurde mit der Einführung der „Volksschule“ (kokumin gakkō) umgebaut, deren offiziell propagierte Ziele die „Befolgung des kaiserlichen Weges“ und „die
26 Vgl. zur Alltagsgeschichte der Heimatfront u. a. Havens, Thomas R. H.: Valley of Darkness. The Japanese People and World War Two, Lanham/New York/London: University Press of America 1986; Yoshimi, Yoshiaki: Grassroots Fascism. The War Experience of the Japanese People, New York: Columbia University Press 2015; Shillony, Ben-Ami: Politics and Culture in Wartime Japan, Oxford: Clarendon Press 1981; Ichinose, Toshiya: Jūgo no shakai-shi. Zur ökonomischen Mobilisierung Rice, Richard: Economic Mobilization in Wartime Japan. Business, Bureaucracy, and Military in Conflict, In: The Journal of Asian Studies 38 (1979), Heft 4, S. 689–706. 27 Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 368–369; Ienaga, Saburō: The Pacific War 1931–1945. A Critical Perspective on Japan’s Role in World War II, New York: Pantheon Books 1978, S. 193. 28 Ebenda.
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Sicherstellung einer fundamentalen geistigen Ausbildung des Volkes“ waren.29 Hier nahm der Wehrsport ebenso einen immer breiteren Raum ein wie die „geistige Erziehung“ der künftigen Generation von Soldaten, ihren Schwestern und zukünftigen Ehefrauen. Schließlich gerieten auch die Medien immer stärker unter staatliche Kontrolle und wurden, wo sie es bisher nicht freiwillig getan hatten, in den Dienst der offiziellen Propaganda gestellt.30 In seiner Endphase erreichte der Krieg auch die japanischen Hauptinseln mit voller Wucht und hob tatsächlich, wie in den Theorien des totalen Krieges stets antizipiert, die Trennung von Streitkräften und Zivilbevölkerung auf. Die japanischen Großstädte wurden, beginnend mit Tōkyō im März 1945, Ziel von systematischen Flächenbombardements der US-Luftwaffe. Allein in Tōkyō starben in der Nacht vom 9. auf den 10. März 1945 etwa 100.000 Menschen. Nur der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima forderte noch mehr Opfer. Insgesamt verloren etwa eine halbe Million Zivilisten im alliierten Bombenhagel ihr Leben, mehr als zehn Millionen Menschen flohen aus den Städten aufs Land bzw. wurden dorthin evakuiert, was wiederum die dörflichen Gemeinden vor erhebliche Probleme stellte. Schon in den Schlachten um Saipan und Okinawa mobilisierte das japanische Militär auch die Zivilbevölkerung für die Kämpfe, und so sollte auch die nach einer Landung der Alliierten auf Kyūshū erwartete „Entscheidungsschlacht um die Hauptinseln“ (Hondō kessen) nicht mehr nur vom Militär, sondern faktisch von der gesamten Bevölkerung geführt werden, die sich mit aller Macht einer Invasion entgegenstemmen sollte. Während die Streitkräfte und hier vor allem das Heer das Land in diese finale Schlacht treiben wollten, fanden sich in der Führung des Landes nach der verlorenen Schlacht um Okinawa zunehmend Stimmen, die eine Fortsetzung des Kampfes als aussichtslos und eine Kapitulation als den einzigen Weg ansahen, die völlige Katastrophe abzuwenden.31 Dass der Krieg noch bis August weitergeführt wurde, lag nicht zuletzt daran, dass die japanische Regierung den Krieg nur um den Preis des Erhalts der Institution des Tennō und damit der Bewahrung des japanischen kokutai zu beenden bereit war. Dabei gab sich Tōkyō der trügerischen Illusion hin, die UdSSR würde als Vermittler bereitstehen. Es war der dreifache Schock der Abwürfe der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki
29 Ienaga, Saburō: The Pacific War, S. 106. 30 Kushner, Barak: The Thought War. Japanese Imperial Propaganda, Honolulu: University of Hawai’i Press 2006. 31 Vgl. für die politischen Prozesse, die schließlich zur Kapitulation Japans führten, detailliert Krebs, Gerhard: Japan im Pazifischen Krieg. Herrschaftssystem, politische Willensbildung und Friedenssuche, München: Iudicium 2010, S. 650–766.
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sowie der sowjetischen Kriegserklärung an Japan am 9. August und der Angriff der Roten Armee auf die Mandschurei, der die Aussichtslosigkeit einer Fortsetzung des Krieges offenbarte. Am 14. August informierte die japanische Regierung die Alliierten, dass sie bereit sei, die Potsdamer Deklaration anzunehmen, am Mittag des folgenden Tages erklärte der Tennō in einer Rundfunkansprache, dass man nun das „Untragbare tragen müsse“.32 Das Großjapanische Kaiserreich kapitulierte schließlich offiziell am 2. September an Bord des Schlachtschiffes Missouri, wo Douglas MacArthur die Flagge des Kommodore Perry hatte aufhängen lassen. Die Unterschriften unter der Kapitulationsurkunde besiegelten das Ende der Geschichte des japanischen Imperiums in Fernost.
4.1.3 Die Kaiserlichen Streitkräfte im Asiatisch-Pazifischen Krieg In den 1920er Jahren und vor allem während des Asiatisch-Pazifischen Krieges erfolgte eine nochmalige Transformation von Heer und Marine hin zu den „Streitkräften des Kaiserreiches“ (kōkoku-gun) bzw. den „Imperialen Streitkräften“ (kōgun). Nach Humphreys unterschied sich dabei insbesondere das Heer in folgenden vier Punkten signifikant von seinem Meiji-zeitlichen Vorgänger.33 Erstens verlor das Heer mit dem Tode Yamagata Aritomos 1922 seine zentrale Führungsfigur. Da in der Folgezeit niemand in der Lage war, Yamagata zu ersetzen, habe es an einer Instanz gefehlt, die unterschiedlichen Fraktionen im Offizierskorps unter Kontrolle zu halten und gegensätzliche Interessen und Konflikte auszugleichen. Zweitens blieb das Heer der Vorstellung verhaftet, eine überlegene, durch intensiven „geistigen Unterricht“ (seishin kyōiku) vermittelte Moral sei in der Lage, auch einen materiell deutlich überlegenen Feind in die Knie zu zwingen. Drittens war das Gros der Heeresoffiziere überzeugt, es besitze eine Prärogative, sich in die innen- wie außenpolitischen Belange der Nation einzumischen.34 Hierzu habe es systematisch Öffentlichkeitsarbeit geleistet und sich dabei modernster Propagandatechniken bedient. Viertens schließlich war die Weltsicht des Militärs
32 Das Kaiserliche Edikt zum Kriegsende in einer Übersetzung von Eva Maria Meyer ist abgedruckt in Worte des Tennō, In: Kagami. Neue Folge 16 (1989), Heft 1–2, S. 100–113, hier S. 109–113. 33 Vgl. für das Folgende Humphreys, Leonard A.: The Way of the Heavenly Sword. The Japanese Army in the 1920’s, Stanford: Stanford University Press 1995, S. viii. Siehe für das Militär seit den 1920er Jahren auch Ōe, Shinobu: Tennō no guntai (= Shōwa no rekishi 3), Tōkyō: Shōgaku-kan 1994. 34 Diese Politisierung des Militärs ist natürlich auch Folge des Legitimitätsverlustes der politischen Parteien im Verlauf der Taishō- und zu Beginn der Shōwa-Zeit. Vgl. Tobe, Ryōichi: Gyakusetsu no guntai, S. 251–256.
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apokalyptisch, und diese habe die Nation schlussendlich den Pfad hin zu außenpolitischer Konfrontation und schließlich zum Krieg einschlagen lassen.35 Für den hier diskutierten Zusammenhang ist dabei von besonderer Bedeutung, dass das soldatische Sterben und der Gefallenenkult, dass Tapferkeit und Loyalität damit noch einmal stärker als bisher ins Zentrum der militärischen Ideologie rückten, mit fatalen Folgen für soziales Handeln im japanischen Militär. Zum einen galt gerade die Todesbereitschaft als zentrales Element der apostrophierten „moralischen Überlegenheit“ der japanischen Streitkräfte gegenüber den ihrerseits materiell weit überlegenen, mit modernster Technologie und Ausrüstung ausgestatteten westlichen Kontrahenten. Auf der anderen Seite bedeutete die aktive Öffentlichkeitsarbeit des Militärs, dass auch die japanische Öffentlichkeit in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges in einem sehr hohen Maße der propagandistischen Aufladung dieses Themas ausgesetzt war. Diese erneute Aufladung fand auch im offiziellen Schrifttum der Streitkräfte ihren Niederschlag. Als Ergänzung des Kaiserlichen Erlasses an die Soldaten und Matrosen von 1882 erließ Heeresminister Tōjō Hideki im Januar 1941 eine „Instruktion für das Feld“ (Senjin-kun), welche vor dem Hintergrund eines Rückganges bei der Disziplin auf dem chinesischen Kriegsschauplatz ethische Normen für die Soldaten im Krieg formulierte und die mit Recht als die „Frontausgabe des Kaiserlichen Erlasses an die Soldaten und Matrosen“ (Gunjin chokuyu no senjōban) bezeichnet wird.36 Bis heute ist dieses Dokument vor allem wegen der in ihm enthaltenen Vorschrift „lebend nicht die Schande einer Gefangennahme auf sich zu nehmen“ (ikite ryoshū no hazukashime o ukezu) und des darin implizierten Verbots einer Kapitulation berüchtigt; darüber hinaus stellt es aber auch eine wichtige Quelle für die offizielle Sicht des Heeres auf den Tod und die Deutung des Kriegstodes dar. Bereits im Zusammenhang mit dem sog. Nomonhan-Zwischenfall (Nomonhan jiken), einem kurzen, aber sehr heftigen Grenzkrieg mit der UdSSR im Frühjahr und Sommer 1939, war der äußerst rigide Umgang sowohl mit repatriierten Soldaten, die zuvor in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten waren, als auch mit Frontoffizieren, die einen Rückzug oder den Verlust der (vom Tennō verliehenen und damit sakrosankten) Regimentsfahnen zu verantworten hatten, zu beobach-
35 Humphreys, Leonard A.: The Way of the Heavenly Sword, S. viii. 36 Vgl. Yoshida, Yutaka/Mori, Shigeki: Ajia Taiheiyō sensō (= Sensō no Nihon-shi 23), Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2007, S. 249–251, hier S. 249; Mikuni, Ichirō: Senchū yōgo-shū, Tōkyō: Iwanami shoten 1985, S. 170–173; Kawano, Hitoshi: ‚Gyokusai‘ no guntai, ‚seikan‘ no guntai. NichiBei heishi ga mita Taiheiyō sensō, Tōkyō: Kodan-sha 2001, S. 176–177.
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ten.37 Der soziale Druck auf Militärangehörige, in auswegloser Situation bis zum letzten Atemzug zu kämpfen oder sich selbst vor einer möglichen Gefangennahme – oder, wenn erfolgt, während der Gefangenschaft – das Leben zu nehmen, der dabei in zahlreichen Einzelschicksalen überdeutlich wird,38 belegt eindrücklich die Eigendynamik, die sich aus der normativen Aufladung des Gefallenenkultes entwickelte. Bereits während der Kämpfe sind Fälle überliefert, wo japanische Soldaten auf Kameraden in sowjetischer Kriegsgefangenschaft schossen, „weil diese Angsthasen nicht einmal Selbstmord“ begingen.39 Von den etwa 3.000 beim Nomonhan-Zwischenfall in Gefangenschaft Geratenen wurden lediglich ca. 200 Mann repatriiert; nach Schätzungen schlossen etwa eintausend Mann für sich eine Rückkehr nach Japan aus und blieben in Russland, der Rest dürfte in Gefangenschaft verstorben sein oder Selbstmord begangen haben.40 Das Schicksal der Repatriierten demonstrierte eindrücklich das Klima im japanischen Heer in Bezug auf das Schicksal der Gefangennahme. Dabei wurden formale Regelungen und Prozeduren weitgehend vermieden; vielmehr entwickelte sich ein informelles System, das jedoch relativ gleichförmig agierte. Zahlreiche Offiziere begingen Selbstmord, um Verantwortung für tatsächliches oder vermeintliches militärisches Fehlverhalten zu übernehmen und so ihre Ehre wieder herzustellen. Dabei wurde häufig durch Vorgesetzte oder Kameraden Druck auf sie ausgeübt, indem etwa ein Verfahren vor einem Kriegsgericht angedroht oder ihnen schlicht eine Waffe als Aufforderung zum Suizid überbracht wurde. Nach einem Selbstmord galten sie offiziell als Gefallene. Andere Offiziere wurden – auch hier meist unter strenger Geheimhaltung – durch das Heeresministerium in den Ruhestand ver-
37 Vgl. Coox, Alvin D.: Nomonhan. Japan against Russia 1939, Stanford: Stanford University Press 1990; Drea, Edward J.: Nomonhan. Japanese-Soviet Tactical Combat 1939, Fort Leavenworth: Combat Studies Institute 1981; Goldman, Stuart D.: Nomonhan 1939. The Red Army’s Victory that Shaped World War II, Annapolis: Naval Institute Press 2012. Der Nomonhan-Zwischenfall war dabei der letzte und blutigste Grenzkonflikt zwischen beiden Mächten; seit dem Mandschurischen Zwischenfall gab es immer wieder kleinere Auseinandersetzungen um den exakten Grenzverlauf zwischen Japan und Manshū-koku auf der einen und der UdSSR (und der Mongolischen VR) auf der anderen Seite. 1938 war es bereits zu einem größeren Konflikt im Dreiländereck Korea-Mandschurei-UdSSR (Zhanggufeng-Zwischenfall, jap. Chōkohō jiken) gekommen, bei dem über 500 japanische Soldaten ihr Leben verloren. Beim Nomonhan-Zwischenfall ist davon auszugehen, dass auf beiden Seiten zwischen 30.000 und 65.000 Menschen starben. Vgl. Coox, Alvin D.: Nomonhan, S. 923. 38 Das Folgende nach a. a. O., S. 928–979, dort zahlreiche Einzelschicksale. 39 A. a. O., S. 929. 40 A. a. O., S. 951. Sehr zur Beschämung japanischer Offizieller konnten die japanischen Truppen im Gegenzug lediglich zwei (!) Angehörige der Roten Armee an die sowjetischen Behörden übergeben.
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setzt, teilweise mit reduzierten Bezügen und der Verweigerung der üblichen Ehrbezeugungen. Soldaten und Unteroffiziere hingegen wurden in der Regel vor ein Kriegsgericht gestellt. Waren sie unverletzt in Gefangenschaft geraten, wurden sie wegen Feigheit vor dem Feind – konkret wegen „Mangel an Willen (ishi) zu Widerstand [gegen den Feind, TS] oder Selbstmord“ – verurteilt, Verletzte hingegen meist freigesprochen oder zu leichten Strafen wie Arrest von wenigen Tagen verurteilt.41 Aber auch ein Freispruch bedeutete keineswegs Rehabilitierung. Innerhalb des Militärs wurden die ehemaligen Gefangenen oft in andere Einheiten in der Mandschurei oder China (und nie auf die japanischen Hauptinseln) versetzt. Dabei wurde seitens der Vorgesetzten Wert darauf gelegt, dass nie zwei von ihnen in derselben Einheit dienten. Darüber hinaus schien nach der Entlassung eine Rückkehr nach Japan oder auch nur die Kontaktaufnahme zur eigenen Familie als kaum denkbar, falls man nicht als vermisst galt, sondern zwischenzeitlich für tot erklärt worden war. So blieb für zahlreiche Kriegsgefangene nach ihrem faktischen sozialen Tod nur die Möglichkeit, sich unter einem neuen Namen eine neue Existenz aufzubauen. Seinen traurigen Höhepunkt erreichte die Betonung der Todesbereitschaft und ihre Transformation in soziales Handeln in den letzten Jahren des AsiatischPazifischen Krieges mit der Praxis des sogenannten gyokusai. Gyokusai bedeutet wörtlich „splitternder Edelstein“ bzw. „splitternde Jade“, wobei das Motiv auf die Formulierung „lieber ein Edelstein [sein], der splittert, als ein Ziegelstein, der weiterexistiert“ aus der chinesischen „Geschichte der nördlichen Qi“ (Bei Qi Shu, jap. Hoku-Sei-sho) aus dem 7. Jahrhundert zurückgeht.42 Semantisch wurde dieser Begriff seit der späten Meiji-Zeit mit einem Kampf bis zum letzten Atemzug in auswegloser Situation verbunden (vgl. oben Kap. 3.3.3). Das erste Mal kam das gyokusai-Konzept in der Schlacht um Attu zur Anwendung, wenn auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht als offizielle Strategie der Streitkräfte.43 Als im Mai 1943 die US-Army mit überlegenen Kräften die vor der Küste Alaskas gelegene Aleuteninsel angriff, verteidigte die etwa 2.650 Mann starke Besatzung unter dem Befehl von Oberst Yamasaki Yasuyo die Insel in sich über zwei Wochen hinziehenden Kämpfen ohne Hilfe von außen buchstäblich bis zum letzten Atemzug. Am 23. Mai betonte der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nördliche Gebiete
41 Yoshida, Yutaka/Mori, Shigeki: Ajia Taiheiyō sensō, S. 252–253. 42 Vgl. auch Mikuni, Ichirō: Senchū yōgo-shū, S. 90–91. In der konfuzianischen Tradition werden dabei die Qualitäten des Jade-Edelsteines mit den Tugenden des Edlen (junzi, jap. kunshi) gleichgesetzt, wodurch der gyokusai-Begriff implizit auch auf die moralischen Imperative des Konfuzianismus verweist. 43 Vgl. Kawano, Hitoshi: ‚Gyokusai‘ no guntai, ‚seikan‘ no guntai; Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 231; Yoshida, Yutaka/Mori, Shigeki: Ajia Taiheiyō sensō, S. 251–253.
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(Hoppō-gun) Higuchi Kiichirō in einem Telegramm an Yamasaki, er erwarte, „dass die Bereitschaft vorhanden ist, alle Maßnahmen zu ergreifen und nach der Ausradierung (jinmetsu) der feindlichen Truppen zu trachten, wenn es aber zum letzten komme tapfer gyokusai zu begehen und damit die Blüte des Geistes der Kaiserlichen Soldaten zur Entfaltung zu bringen (kōkoku gunjin no seishin no seika o hakki suru)“.44 Wenige Tage später, am 29. Mai, führten die überlebenden japanischen Soldaten den indirekt geforderten Selbstmordangriff auf die amerikanischen Stellungen aus. In seiner letzten Meldung an das Hauptquartier hatte Yamasaki zuvor mitgeteilt, dass er allen Soldaten wie Verwundeten befohlen habe, bis zum Tode zu kämpfen, um der Schmach einer Gefangennahme zu entgehen.45 Die seit der Zeit des Russisch-Japanischen Krieges und insbesondere mit der „Instruktion für das Feld“ von 1941 vollzogene Aufladung der Bedeutung des Todes und die negative Konnotation von Gefangenschaft fanden an dieser Stelle ihren unmittelbaren Niederschlag. Ein Militärarzt tötete alle Verwundeten bzw. Kranken, die nicht in der Lage waren, am Angriff teilzunehmen, was offiziell als Selbstmord (jiketsu), um nicht dem Feind in die Hände zu fallen, verbrämt wurde. Zuletzt stürmten etwa 300 japanische Soldaten unter der persönlichen Führung Yamasakis die amerikanischen Stellungen. Nur 28 von ihnen überlebten den äußerst brutalen Kampf Mann gegen Mann, darunter kein einziger Offizier. Während der Kampf bis zum letzten Atemzug auf Attu noch auf die Initiative regionaler Befehlshaber in Person Higuchis und Yamasakis zurückzugehen scheint, wurde das Konzept in der Folgezeit schließlich Teil der offiziellen, durch das Kaiserliche Hauptquartier sanktionierten Militärstrategie der Streitkräfte für den Asiatisch-Pazifischen Krieg. Vor dem Hintergrund einerseits der kontinuierlich zunehmenden Überlegenheit der USA an Truppen und Material, andererseits aber der offensichtlichen Schonung der eigenen Soldaten durch die amerikanischen Befehlshaber erschien gyokusai die einzig erfolgversprechende Strategie, den Krieg in die Länge zu ziehen und beim Gegner in Anbetracht hoher Opferzahlen die Bereitschaft zu einem Verhandlungsfrieden zu erreichen. Darüber hinaus sollte auf diesem Wege unbedingte Kampfbereitschaft und damit eine moralische Überlegenheit gegenüber westlichen Soldaten, denen in der Perspektive des japanischen Militärs das eigene Leben wertvoller als die Nation war, demonstriert werden. Erreichte man nun eine Verlustrate von 1:1 (d. h. ein toter oder verletzter amerikanischer Soldat pro japanischem Gefallenen), so das Kalkül japanischer
44 A. a. O., S. 251. Der Terminus „die Blüte des Geistes der Kaiserlichen Soldaten zur Entfaltung bringen“ rekurrierte auf den Kaiserlichen Erziehungserlass, wo als Ziel der ethischen Normen „die Entfaltung der Blüte des kokutai“ formuliert wird. 45 Drea, Edward J.: Japan’s Imperial Army, S. 231.
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Militärs, könnte man in Anbetracht der schieren Größe der japanischen Armee (mit über fünf Millionen Mann) die USA und ihre Verbündeten an den Verhandlungstisch zwingen.46 Im Sommer 1944 änderte die japanische Militärführung die gyokusai-Strategie für die Schlachten im Pazifik insofern, als nun nicht mehr ein letzter Angriff auf die feindlichen Stellungen vorgesehen war. Dieser hatte – so er denn je vorhanden war – seinen militärischen Nutzen eingebüßt, da die Alliierten sich inzwischen auf ihn vorbereiteten. Wirkungsvoller schien vielmehr eine Strategie des „Eingrabens“, bei der kleine und kleinste Einheiten als Widerstandsnester gebildet wurden, welche den Gegner mit einer Guerilla-Taktik möglichst lange im zu verteidigenden Gebiet aufhalten sollten. Trotz dieser veränderten taktischen Ausrichtung blieb der Grundgedanke jedoch unverändert: Man erwartete von den japanischen Streitkräften, dass sie bis zum letzten Atemzug kämpften und nicht vor der feindlichen Übermacht kapitulierten. So kommunizierte die japanische Presse in der Heimat auch weiterhin die Auslöschung ganzer Besatzungen auf den Inseln des Pazifischen Ozeans als gyokusai. Auf Tawara fielen im November 1943 4.690 von 4.836 Mann der auf der Insel stationierten Einheiten (129 der 146 Überlebenden waren koreanische Zwangsarbeiter); während der Schlacht von Saipan im Juli 1944 gerieten lediglich 921 Soldaten der 30.000 Mann starken japanischen Besatzung in amerikanische Gefangenschaft. 97 % waren gefallen oder hatten Selbstmord begangen. Auf Saipan wurde auch erstmals die Zivilbevölkerung im großen Stil Opfer der gyokusai-Ideologie, als der Anspruch, nicht in Gefangenschaft zu geraten, auch auf sie ausgedehnt wurde. Mindestens 30 % der Inselbevölkerung, etwa 10.000 Menschen (nach anderen Schätzungen sogar 20.000 und damit 60 %) töteten sich selbst oder wurden durch das Heer zum Selbstmord gezwungen.47 Dabei stieg die Verlustrate der US-Streitkräfte kontinuierlich an, wodurch dem japanischen Oberkommando eine Sinnhaftigkeit des Kampfes bis zum letzten Atemzug suggeriert wurde.48 Für die Soldaten wie auch ihre Angehörigen bedeutete damit aber eine Verlegung vor allem auf den pazifischen Kriegsschauplatz das Wissen um den sicheren Tod und eine Rückkehr in die Heimat als „Heldenseele“. Die Schlacht um Okinawa von April bis Juni 1945 ließ erahnen, welchen Preis eine alliierte Landung auf den japanischen Haup-
46 Earhart, David C.: Certain Victory. Images of World War II in the Japanese Media, Armonk/ London: M. E. Sharpe 2008, S. 393. 47 A. a. O., S. 398–399. 48 Bei Iō-shima (Iwo Jima) hatten die US-Streitkräfte 24.700 Opfer zu beklagen, davon 6.900 Tote, die Japaner verloren etwa 21.000 Mann, womit die angestrebte Rate von 1:1 sogar „übertroffen“ wurde.
4.1 Japan und seine Streitkräfte im Asiatisch-Pazifischen Krieg
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tinseln, wie sie für den November 1945 und das Frühjahr 1946 bereits geplant war, gefordert hätte. Von den 172.000 Mann alliierter Truppen wurden mehr als 50.000 getötet oder verwundet, auf japanischer Seite wurde nahezu die gesamte Besatzung der Insel, mehr als 110.000 Mann, getötet. Darüber hinaus kamen etwa 150.000 Zivilisten ums Leben, die von ihren eigenen Streitkräften zu Kampf- und Hilfseinsätzen rekrutiert, als Flüchtlinge ins Feuer gerieten, sich selbst töteten oder von ihren Truppen in den Selbstmord getrieben oder sogar ermordet wurden. Neben der gyokusai-Strategie erlangten in der Endphase des Asiatisch-Pazifischen Krieges vor allem die sog. Kamikaze-Piloten traurige Berühmtheit.49 Als die materielle Überlegenheit der US-Marine nach der fast vollständigen Ausschaltung der japanischen Flotte in der Seeschlacht im Golf von Leyte im Oktober 1944 militärisch nicht mehr zu kompensieren war, sollten sogenannte „Sonderangriffseinheiten“ (tokubetsu kōgeki-tai bzw. tokkō-tai) ein weiteres Vordringen der alliierten Flottenverbände verhindern. Auch ihr Einsatz war das Ergebnis einer militärischen Logik, die darauf zielte, mit den begrenzten Mitteln möglichst viele feindliche Schiffe zu versenken und zugleich den westlichen Gegnern die Kampfbereitschaft und Entschlossenheit der japanischen Truppen zu demonstrieren. Und in der Tat darf man die psychische Wirkung der Kamikaze-Angriffe auf die alliierten Schiffe nicht unterschätzen. Der Tod dieser Hekatomben japanischer Soldaten hat immer wieder zu der Frage geführt, wie jene Bereitschaft, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen oder sich in aussichtsloser Lage lieber selbst zu töten als in Gefangenschaft zu begeben, zu erklären sei. Zu kurz greifen dabei sicher diejenigen Erklärungsansätze, die allein auf spezifische historische oder kulturelle Prägungen wie den Kriegerethos der Samurai, den bushi-dō, oder die Indoktrination der japanischen Bevölkerung mit der Ideologie des Militärs verweisen.50 Es handelte sich bei ihnen auch nicht im engeren Sinne um Verzweiflungstaten, sondern sie waren durch die Militärführung sorgfältig geplant und kalkuliert worden. Sie war also vielmehr Produkt eines komplexen historischen Prozesses, in dem sich militärstrategische Überlegungen, Festlegungen der Militärdoktrin in Bezug auf taktische Fragen, aber auch differenzierte innermilitärische wie gesellschaftliche Deutungen von Loyalität, Kriegstod und sozialer Ehre – und daraus abgeleitet wiederum Erwartungshal-
49 Zu den Kamikaze Ohnuki-Tierney, Emiko: Kamikaze, Cherry Blossoms, and Nationalism; Scherer, Klaus: Kamikaze. Todesbefehl für Japans Jugend. Überlebende berichten, München: Iudicium 2001; Morris, Ivan: „Wie Kirschblüten im Frühling.“ Die Kamikaze-Kämpfer, 20. Jahrhundert, In: Ders.: Samurai oder Von der Würde des Scheiterns. Tragische Helden in der Geschichte Japans, Frankfurt a. M./Leipzig: Insel Verlag 1999, S. 335–407. 50 Fletcher, W. Miles III: The Fifteen-Year War, In: Tsutsui, William M. (Hg.): A Companion to Japanese History, Chichester: Wiley-Blackwell 2009, S. 241–262, hier S. 250–251.
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tungen für konkretes Handeln – überlagerten.51 Der Gefallenenkult stellt dabei nicht das einzige, wohl aber ein zentrales Element dieses Deutungsrahmens dar. Neben der Strategie, mit immer aussichtsloser werdender militärischer Lage das Leben der eigenen Soldaten nicht zu schonen, brachte der Krieg für das japanische Militär aber noch eine Reihe weiterer Änderungen mit sich. Für den hier diskutierten Kontext ist dabei an erster Stelle sicherlich die schiere Vergrößerung der Truppenzahlen zu nennen. Diese spiegelt sich bereits in den Zahlen der Einberufungen wider: Wurden 1933 noch 20 % eines Jahrganges eingezogen, waren es 1937 bereits 23 %, 1940 47 % und 1944 schließlich 68 % eines Jahrganges.52 1943 wurde darüber hinaus das Mindestalter für Wehrpflichtige von 20 auf 19 Jahre abgesenkt. Damit wurden faktisch alle Tauglichen zu den Waffen gerufen. Parallel verlängerte man schrittweise die Dauer der Reservedienstzeiten und zog immer mehr Reservisten ein, so dass sich das Durchschnittsalter der japanischen Soldaten bis Kriegsende kontinuierlich erhöhte.53 Im Mai 1942 wurde die Wehrpflicht dann auch auf Männer in Korea ausgedehnt; die etwa 170.000 ab Mai 1944 tatsächlich eingezogenen Koreaner wurden jedoch primär in der Etappe und in Bautrupps eingesetzt.54 Insgesamt bedeutete diese Vergrößerung der Streitkräfte vor allem, dass nun erstmals tatsächlich nahezu die gesamte männliche Bevölkerung den Erfahrungen des Krieges ausgesetzt war. Aber auch die „Heimatfront“, d. h. vor allem die Frauen, aber auch Kinder, Jugendliche und Alte, wurden in einer bisher nicht gekannten Weise für den Krieg mobilisiert. Als der Krieg dann ab Frühjahr 1945 mit den massiven alliierten Luftangriffen auch das japanische Kernland erreichte, war damit erstmals seit den Bürgerkriegen des 19. Jahrhunderts auch die Zivilbevölkerung wieder direkt kriegerischem Handeln ausgesetzt. Schließlich wies auch der Tod der Soldaten im Asiatisch-Pazifischen Krieg eine doppelte Spezifik auf. Zum einen ist die zeitliche Dimension zu beachten. Die Zahl der Opfer zwischen 1937 und 1941 lag etwa zwischen 185.000 und 230.000 Mann.55 In der Zeit nach Dezember 1941 kamen etwa zwischen 2,1 und 2,3 Millio-
51 Zu den taktischen Fragen Tobe, Ryōichi: Gyakusetsu no guntai, S. 297–300. 52 A. a. O., S. 326. 53 A. a. O., S. 328. 54 Yoshida, Yutaka: Ajia Taiheiyō sensō, S. 111–112. Siehe auch Fujitani, Takashi: Race for Empire. 55 Dower gibt für den Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg für den Zeitraum 1937–1941 insgesamt 185.647 japanische Gefallene an, vgl. Dower, John W.: War without Mercy. Race and Power in the Pacific War, New York: Pantheon Books 1986, S. 297; Gruhl hingegen kalkuliert für den Zeitraum 1931–1941 mit etwa 250.000 japanischen Gefallenen. Vgl. Gruhl, Werner: Imperial Japan’s World War Two 1931–1945, New Brunswick/London: Transaction Publishers 2007, S. 144.
4.2 Gefallenenkult
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nen japanische Soldaten ums Leben.56 Dabei starben die meisten von ihnen auf den Kriegsschauplätzen gegen die westlichen Alliierten; die Zahl der Opfer mit knapp über 200.000 an den Frontabschnitten in China blieb weiterhin vergleichsweise gering, vor allem auch in Anbetracht der etwa 3,1 Millionen gefallenen chinesischen Militärangehörigen im Zeitraum seit 1931. Zum anderen ist zu beachten, dass ein erheblicher Teil der japanischen Opfer im Pazifik nicht durch direkte Kampfeinwirkungen ums Leben kam. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 1,4 Millionen japanische Soldaten vor allem im pazifischen Raum, aber auch in Burma an Unterernährung oder dadurch hervorgerufene bzw. begünstigte Anfälligkeit für Krankheiten wie Malaria, Beriberi usw. starben.57 Grund hierfür war vor allem die Unterbrechung der japanischen Versorgungswege nach dem Verlust der Luft- und Seehoheit, die man spätestens mit der Schlacht von Leyte 1944 ansetzen muss. Die Überdehnung der japanischen Front hatte die Nachschublinien äußerst anfällig gemacht, was die Alliierten bewusst ausnutzten. So waren bei Kriegsende durchaus noch große japanische Truppenverbände in Südostasien und im pazifischen Raum stationiert, die letztlich vom Oberkommando in Tōkyō auf sich selbst gestellt worden waren. Hinzu kam, dass neben 182.000 toten Marineangehörigen, die auf hoher See ihr Leben verloren, auch etwa 176.000 Angehörige des Heeres vor allem bei Angriffen auf Truppentransporte auf offener See ums Leben kamen.58
4.2 Gefallenenkult Auf der Ebene der Politik schien spätestens mit der Gründung der Taisei yokusankai und der sie tragenden Massenorganisationen Zentralisierung als der Königsweg, um die im totalen Krieg als notwendig erachtete vollständige Kontrolle des Staates über die Gesellschaft und ihre totale Mobilisierung sicherzustellen. Analoge Tendenzen sind auch für den Gefallenenkult festzustellen. Sie belegen die Bedeutung, welche der Totenehrung und dem Umgang mit den Hinterbliebenen durch die politischen Eliten für den Kriegserfolg beigemessen wurde. Die enorme Sichtbarkeit der Gefallenen hingegen war für den japanischen Staat durchaus
56 Vgl. ebenda. Der Yasukuni-Schrein verehrt offiziell 2.123.833 Opfer des „Großostasiatischen Krieges“, Dower geht auch hier, gestützt auf nicht näher spezifizierte Zahlen der japanischen Regierung, von einer geringeren Opferzahl, nämlich 1.555.308 Toten aus. Dower, John W.: War without Mercy, S. 297. 57 Yoshida, Yutaka/Mori, Shigeki: Ajia, Taiheiyō sensō, S. 256; Fujiwara, Akira: Uejini shita eirei-tachi, Tōkyō: Aoki shoten 2001. 58 Yoshida, Yutaka/Mori, Shigeki: Ajia, Taiheiyō sensō, S. 257.
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ambivalent: Zum einen diente sie als Mittel zur Mobilisierung, zur Verstärkung der Kriegsanstrengungen und als Vorbild für Kampf- und Todesbereitschaft. Zum anderen stellte ihre Präsenz in der japanischen Öffentlichkeit doch auch in mehrfacher Hinsicht ein potentielles Risiko dar: Mit zunehmender Dauer des Krieges veranschaulichten sie die immer größer werdenden Verluste des japanischen Militärs, und ihre Hinterbliebenen (wie übrigens, wenn auch abgeschwächt, die Familien der Millionen von Einberufenen) bedeuteten durch ihre schiere Zahl für die unterschiedlichen Ebenen der Verwaltung und die lokalen Gemeinschaften eine sozialpolitische und ökonomische Herausforderung. Schließlich existierte das Problem, ob und wie lange die Hinterbliebenen die staatlichen Sinnzuschreibungen und Rollenmuster im Kontext des politischen Totenkultes akzeptierten oder ob sich – wie im Westen seit langem zu beobachten – eine emanzipatorische Dynamik entfalten würde, welche die Legitimationsmuster von Herrschaft in Japan insgesamt in Frage stellen könnte.
4.2.1 Organisatorische Zentralisierung Eine der wichtigsten Veränderungen in Bezug auf die shōkon-Schreine während des Asiatisch-Pazifischen Krieges war ihre organisatorische Systematisierung und Zentralisierung durch den Staat. Mit Ausbruch des Mandschurischen Zwischenfalls – Japan verlor in diesem Krieg über 17.000 Soldaten, was die höchste Zahl an Opfern seit dem Russisch-Japanischen Krieg bedeutete – nahm die Zahl von neu errichteten shōkon-Schreinen zu. Der Trend dazu hatte schon etwas früher eingesetzt: So wurden allein zwischen 1928 und 1931 13 neue Schreine gebaut, die meisten als private Stiftungen.59 Die Gesamtzahl an offiziellen staatlichen wie privaten shōkon-Schreinen betrug nun 137. Hinzu kamen 1.013 unter Verwaltung staatlicher Stellen stehende „shōkon-Grabanlagen“ (shōkon funbo), welche sterbliche Überreste oder „geliebte Gegenstände“ (ihin) o. ä. von Gefallenen enthielten.60 Der Ausbruch des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges verlieh dieser Entwicklung einen weiteren Schub; die Zahl der Anträge zur Errichtung von Schreinen und Denkmälern für die Kriegsgefallenen nahm nochmals deutlich zu. Bereits im Februar 1938 sah sich das Innenministerium in einer Verordnung „betreffend die Errichtung von shōkon-Schreinen und Denkmälern mit Bezug zum Chinesischen Zwischenfall“ genötigt zu verfügen, nach Möglichkeit von der Stiftung separater Denkmäler und Schreinanlagen Abstand zu nehmen und statt-
59 Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon, S. 171. 60 Vgl. zu dieser Praxis oben Kap. 2.2.
4.2 Gefallenenkult
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dessen kollektive Denkmäler für alle Gefallene (zen-senshi-sha no gōdō kinen-hi) durch die jeweilige Gemeinde bzw. in Zusammenarbeit von Gemeinde und „einflussreichen Organisationen“ (yūryoku dantai) zu errichten.61 Im gleichen Jahr begann das Innenministerium mit den Vorbereitungen für die Stärkung der organisatorischen Kontrolle der shōkon-Schreine durch ihre Integration in ein landesweites System von „Landesverteidigungsschreinen“ (gokoku jinja).62 Obwohl es sowohl staatliche (kansai) als auch private (shisai) Schreine gab, war für beide Kategorien bis dato doch kennzeichnend, dass sie regional stark verwurzelt und damit relativ autonom waren.63 Die Einführung des Systems der „Landesverteidigungsschreine“ muss insofern als Versuch der Bürokratie gewertet werden, zumindest die wichtigen shōkon-Schreine einer stärkeren zentralstaatlichen Kontrolle zu unterwerfen und sie letztlich in regionale Zweigschreine des Yasukuni zu transformieren.64 Die administrative Umsetzung erfolgte im März 1939 mit der „Verordnung zur Reform und Kontrolle des Systems der shōkon-Schreine“, welche auch die Umbenennung in „Landesverteidigungsschreine“ (gokoku jinja) verfügte. Damit spiegelten die shintōistischen Heiligtümer eine der Funktionen der hier verehrten Heldenseelen, nämlich die Verteidigung der kaiserlichen Herrschaft und des Landes, nun auch im Namen wider.65 Zugleich wurde festgelegt, dass es im Prinzip je Präfektur einen „designierten Landesverteidigungsschrein“ (shitei gokoku jinja) geben sollte. Hierzu wurden entweder bereits existierende shōkon-Schreine ausgewählt oder neue Anlagen wie in Gifu oder Niigata errichtet.66 Tatsächlich wurde dabei übrigens auch von dem Prinzip ein Schrein je Präfektur abgewichen: Gab es bereits wichtige Schreinanlagen, konnten, wie etwa in Hokkaidō, auch mehrere designierte gokoku-Schreine je Präfektur bestimmt werden. In diesen sollten diejenigen Gefallenen, die im Yasukuni jinja verehrt wurden und in der entsprechenden Präfektur ihr Familienregister (koseki) hatten – mit anderen Worten die aus dieser Präfektur stammten –, eingeschreint werden. Unterhalb der offiziell anerkannten Schreine gab es weitere 83 gokoku-Schreine,
61 Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon, S. 178–179. 62 Vgl. für den Zentralisierungsprozess Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 100–112. 63 Zur Differenzierung beider Schreintypen a. a. O., S. 93–100. 64 Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon, S. 179. 65 Vgl. Shōkon-sha seido no kaizen seibi ni kan-suru ken (Naimu-shō jinja-kyoku-chō tsūchō vom 15. März 1939), In: Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 3, S. 345–351. 66 Vgl. die Übersicht der gokoku-Schreine in Yasukuni jinja: Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 3, S. 366–377; Yasukuni jinja (Hg.): Furusato no gokoku jinja to Yasukuni jinja, Tōkyō: Tenden-sha 2007.
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die quasi in lokale Trägerschaft übergingen (bzw. verblieben) sowie die privaten shōkon-Schreine, wo Name und Status weitgehend unverändert blieben. Während also einerseits die Tendenzen der organisatorischen Zentralisierung und der Schaffung eines faktisch landesweiten Systems von regionalen Zweigschreinen des Yasukuni zu beobachten ist, ist doch andererseits auch zu betonen, dass die administrative Vereinheitlichung an einem entscheidenden Punkt unvollständig blieb. Denn im Gegensatz zu den gokoku-Schreinen, die der Abteilung für Schreine des Innenministeriums unterstanden (und auch durch sie und durch die regionale Ebene finanziert wurden), verblieb der Yasukuni-Schrein selbst in Bezug auf Verwaltung wie Finanzierung in der Trägerschaft des Militärs, wodurch die institutionelle Sonderstellung des zentralen Heiligtums in Tōkyō weiter aufrechterhalten wurde.
4.2.2 Bestattungen Der Trend zur stärkeren staatlichen Kontrolle des Gefallenengedenkens zeigt sich auch bei einer weiteren Neuerung in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges, nämlich der geplanten systematischen Errichtung von „Grabmälern für die loyalen Seelen“ (chūrei-tō, wörtlich „Stupa“ bzw. „Pagode der loyalen Seelen“) für die sterblichen Überreste der Gefallenen (vgl. Abb. 33).67 Tatsächlich handelte es sich hierbei um Gemeinschaftsgrabanlagen, in denen Urnen mit der Asche oder zumindest Teilen der Asche verstorbener Soldaten aufbewahrt wurden. Die Praxis der Errichtung solcher Grabmäler reicht vereinzelt bis in die Zeit des Ersten Chinesisch-Japanischen Krieges zurück, vor allem während des Russisch-Japanischen Krieges wurden sie auch vermehrt angelegt, vor allem in der Nähe der Kampfgebiete in Übersee.68 Wie oben (vgl. Kap. 3.3.1) dargestellt, for-
67 Das Schriftzeichen tō in der Zusammensetzung chūrei-tō bedeutet wörtlich Pagode oder Stupa und assoziiert damit bereits sprachlich buddhistische Vorstellungen. Da die tatsächliche Gestalt der meisten chūrei-tō jedoch erheblich von der Form einer Stupa oder Pagode abwich, wird hier die neutralere Übersetzung „Grabmal“ gewählt. Vgl. für das Folgende v. a. Imai, Akihiko: Churei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu. Sono haisen made no keii, In: Sekizawa, Mayumi (Hg.): Sensō taiken no kiroku to katari ni kan-suru shiryō-ron-teki kenkyū (= Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan kenkyū hōkoku 147), Sakura: Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan 2008, S. 375–416; Ders.: Kindai Nihon to senshi-sha saishi, S. 313–331; Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 113–144; Takenaka, Akiko: Architecture for Mass Mobilization. The Chūreitō Memorial Construction Movement, In: Tansman, Alan (Hg.): The Culture of Japanese Fascism, Durham: Duke University Press 2009, S. 235–253. 68 Vgl. zu den chūrei-tō auf dem chinesischen Festland Yokoyama, Atsuo: Nihon-gun ga Chūgoku ni kensetsu shita jūsan-ki no chūrei-tō, In Nihon kenkyū 49 (2014), S. 57–116.
4.2 Gefallenenkult
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Abb. 33: Chūrei-tō, Kanazawa rikugun bochi, Kanazawa (1941)
derten die diversen Regularien in Bezug auf die Bestattung von Kriegsgefallenen bzw. von an Kriegsverletzungen Verstorbenen die Kremierung der Leichname. Die kremierten sterblichen Überreste (ikotsu) sollten dann zunächst provisorisch auf dem Schlachtfeld bestattet (kari-maisō), Haare der Verstorbenen (ihatsu) o. ä. hingegen in Urnen in die Heimat verschickt werden. Schließlich war eine spätere Umbettung (kaisō) der ikotsu auf die Militärfriedhöfe der japanischen Hauptinseln und/oder die Übergabe an die Hinterbliebenen vorgesehen. Diese Praxis erstreckte sich aber nicht auf die Gesamtheit der sterblichen Überreste. Denn jenseits der vorgeschriebenen Praxis errichteten die japanischen Streitkräfte Sammelgräber, die ebenfalls sterbliche Überreste von Gefallenen aufnahmen. Wahrscheinlich wurden nach der Kremation nur die Knochen (ikotsu), nicht aber die eigentliche Asche (ihai) der Verstorbenen individuell nach Japan verschickt, was insbesondere bei der Praxis der Kollektivkremation unterhalb der Offizierschargen naheliegend wäre.69 Es sind aber durchaus auch andere Gründe denkbar, etwa Zeitmangel, die Umstände einer Kampfsituation, eine nicht mehr durchführbare Zuordnung der sterblichen Überreste zum Zeitpunkt der Bestat-
69 Imai, Akihiko: Churei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 379–380.
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tung oder der Umbettung o. ä.70 Nach dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg wurden die Urnen aus entsprechenden Sammelgräbern nach Japan verbracht und zunächst in der Reliquienhalle (Shari-den) des Sennyū-Tempels in Kyōto aufbewahrt. Dies ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen handelt es sich beim Sennyū-ji um einen der Familientempel des Kaiserhauses, der die Gräber zahlreicher Tennō enthält, darunter auch das Grab des Kōmei-tennō, des Vaters des Meiji-Kaisers. Zum anderen belegt die Wahl der Reliquienhalle als Aufbewahrungsort eindeutig buddhistische Einflüsse. Weitere zeigten sich sowohl ikonographisch als auch bei der Wahl des Ortes, als im Herbst 1902 im GokokuTempel in Tōkyō, einem der wichtigsten Begräbnisplätze der neuen Hauptstadt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Militärfriedhof der Metropole, mit dem Tahō-tō (vgl. Abb. 34) ein Sammelgrab errichtet wurde, das die Gestalt einer Pagode hatte und in dessen Inneren im Dezember 1902 die Urnen, die bisher in Kyōto gelagert worden waren, beigesetzt wurden. In seiner Front befand sich ursprünglich eine Gebetshalle (haiden) mit Namen „Halle der loyalen Seelen“ (Chūrei-dō). Wurde nach dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg mit dem Tahō-tō noch ein Sammelgrab auf den japanischen Hauptinseln errichtet, sollte sich diese Praxis bereits nach dem Russisch-Japanischen Krieg ändern.71 Nun errichtete das Heer analoge, jedoch ungleich größer dimensionierte Anlagen in der Mandschurei, die das Hauptkampfgebiet des Krieges dargestellt hatte. Sie erhielten den Namen chūrei-tō. Bereits 1906 wurden zwei von ihnen in Shenyang (Mukden) und Andong (heute Dandong) eingeweiht, gefolgt von Liaoyang 1907, Dalian (Dairen) 1908 und schließlich Lüshun (Port Arthur) 1909.72 Diese Anlagen waren weithin bekannt und entwickelten sich zum einen zu bevorzugten Orten für militärische Zeremonien, zum anderen zu Anziehungspunkten sowohl für den florierenden Schlachtfeldtourismus als auch für Ausflüge. So fanden sie Eingang in die kognitiven Landkarten der japanischen Öffentlichkeit in Bezug auf die Kolonien.
70 Vgl. zur Praxis der Kremation im Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg auch Namihira, Emiko: Nihon-jin no shi no katachi. Dentō girei kara Yasukuni made, Tōkyō: Asahi shinbun-sha 2004, S. 127–135. 71 Wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass es auch auf den japanischen Hauptinseln in wenigen ausgewählten Tempeln analoge Anlagen geben hat, u. a. in Filialtempeln des Nishi-Honganji. Beispiele in Imai, Akihiko: Churei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 387–388. 72 Vgl. Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenyū, S. 119; Imai, Akihiko: Chūrei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 380. Im Falle von Port Arthur war die Anlage zweigeteilt: hinter einem als Hyōchūtō bezeichneten denkmalsartigen Turm, auf dessen Spitze eine Granate dargestellt ist, befand sich ein Schrein (!) mit Namen Nōkotsu jinja bzw. Nōkotsu-hokora, der die sterblichen Überreste aufnahm.
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Abb. 34: Tahō-tō, Gokoku-ji, Tōkyō (1902)
Mit Ausbruch des Mandschurischen Zwischenfalls im September 1931 wurde die Praxis der Errichtung von chūrei-tō sowohl im neu gegründeten Marionettenstaat Manshū-koku als auch im nördlichen Korea wieder aufgenommen.73 So wurden entsprechende Anlagen in der neuen Hauptstadt Xinjing (jap. Shinkyō, heute Changchun), in Harbin, Quiquihar und in Mudanjiang sowie später auch im chinesischen Kernland in Chengde (früher Jehol) sowie in Ranam in Korea errichtet.74 Während also die Erbauung von chūrei-tō durch das Heer auf dem asiatischen Festland zu einer gängigen Praxis geworden war, kam es auf den japanischen Hauptinseln erst mit dem Beginn des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges zu einer analogen Entwicklung, die dann jedoch umso nachhaltiger einsetzte. Sie wurde auf lokaler Ebene bereits vor dem Ausbruch des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges durch den Major (und späteren Generalmajor) Sakurai Tokutarō, zu diesem Zeitpunkt Kommandeur eines Bataillons im 24. Infanterieregiment in Fukuoka, ausgelöst.75 Dieser setzte sich für die großflächige Umgestaltung des Militärfriedhofes von Fukuoka ein, wobei individuelle Gräber aufgelöst und in Sammelgräber überführt wurden. Dabei legte man insgesamt vier solcher Sammelgräber an, je eines für den Ersten Chinesisch-Japanischen
73 Beim Mandschurischen Zwischenfall kämpften auf japanischen Seite neben der GuandongArmee (Kantō-gun) auch Einheiten der sog. Korea-Armee (Chōsen-gun), die aus auf der Halbinsel stationierten Einheiten des japanischen Heeres gebildet war. 74 Imai, Akihiko: Chūrei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 382. 75 Vgl. Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 122.
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und den Russisch-Japanischen Krieg, den Ersten Weltkrieg und die Sibirienintervention sowie schließlich für im Dienst umgekommene Offiziere und Soldaten (junshoku shōhei).76 Sie bestehen jeweils aus einem teils unterirdischen Gruftraum und einem darüber befindlichen Obelisken, dem der Name, das Errichtungsdatum und der Name des jeweiligen Generals, der die Kalligraphie für den Stein verfasst hat, eingeschrieben sind. In den mit Türen abgeschlossenen Grufträumen befinden sich Regale mit weißen Keramikurnen, die die Asche der Verstorbenen bergen. Mit der Errichtung dieser Grabmäler sollte auf die zunehmende Verödung von Soldatengräbern auf militärischen wie zivilen Friedhöfen sowie auf den Rückgang von Grabbesuchen reagiert werden. Sakurai regte deshalb an, in jeder Stadt und Gemeinde einen chūrei-tō zu errichten, der als ein durch die Anwohner der Kommune zu pflegendes „Ehrengrab“ bzw. „Ehrenfriedhof“ (meiyo bochi) die sterblichen Überreste aller Gefallenen dieser Kommune aufnehmen könne und solle.77 Die Umgestaltung des Militärfriedhofes von Fukuoka war also in den Augen Sakurais nur ein erster Schritt, der jedoch äußerst erfolgversprechend schien. Denn sie erfuhr eine überraschend große gesellschaftliche Unterstützung, wie die Teilnahme von über 38.000 Menschen an den Arbeiten in den Jahren 1935 und 1936 belegt.78 Das Mobilisierungspotential der Anlage von Sammelgrabanlagen blieb auch in Tōkyō nicht unbemerkt, und der Ausbruch des Zweiten ChinesischJapanischen Krieges brachte einen neuen Handlungsbedarf – sowohl in Hinblick auf die Mobilisierung der Bevölkerung für den Krieg als auch auf den Umgang mit der wachsenden Zahl der Gefallenen – mit sich. Neben der Einführung der landesweiten Organisationsstruktur der gokoku-Schreine schien ein nationales Programm zur Errichtung von chūrei-tō erfolgversprechend, das Erreichen beider Ziele erfolgreich zu verbinden. Am zweiten Jahrestag des Ausbruches des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges, am 7. Juli 1939, wurde im Gunjin kaikan, dem Sitz des Reichsreservistenverbandes in direkter Nachbarschaft zum Yasukuni-Schrein, die „Großjapanische Vereinigung zur Ehrung der loyalen Seelen“ (Dai-Nihon chūrei kenshō-kai) gegründet.79 Die Gründungsfeier unterstrich die Bedeutung, die der Staat dieser neuen Organisation und ihren Zielen beimaß: mehr als 900 Honoratioren aus allen Bereichen des gesellschaftlichen und poli-
76 1940 wurden noch zwei weitere Anlagen hinzugefügt: eine für den Mandschurischen Zwischenfall und den Shanghai-Zwischenfall, eine weitere für den Chinesischen Zwischenfall (Shina jihen), d. h. den Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg. 77 Imai, Akihiko: Chūrei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 383. 78 Ebenda. 79 Siehe zur Dai-Nihon chūrei kenshō-kai auch Takenaka, Akiko: Architecture for Mass Mobilization.
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Abb. 35: Sammelgrabanlagen, Tani rikugun bochi, Fukuoka (1935–1940)
tischen Lebens waren anwesend, darunter auch die beiden Kaiserlichen Prinzen Chichibu no miya und Takamatsu no miya. Den Ehrenvorsitz übernahm Premierminister Hiranuma Kiichirō, Vorsitzender wurde General a. D. Hishikari Takashi, als Ratgeber ehrenhalber (meiyo komon) fungierten etwa Konoe Fumimaro in seiner Funktion als Vorsitzender des Geheimen Staatsrates oder die beiden Generalgouverneure von Taiwan und Korea. Die tatsächliche Leitung lag in Händen von Bürokraten und Militärs, auf regionaler Ebene der jeweiligen Gouverneure und Präfekturverwaltungen. Man muss deshalb von einer halbstaatlichen Organisation sprechen, die nicht mehr mit den klassischen Begriffen des Honoratiorenwesens beschrieben werden kann. Als Ziel der Dai-Nihon chūrei kenshō-kai, die als Stiftung öffentlichen Rechtes (zaidan hōjin) firmierte, definierten ihre Statuten, „die Gebeine der loyalen Gefallenen (chūshi-sha no ikotsu), die in den Kaiserlichen Streitkräften zu Märtyrern geworden seien, anzubeten (gōshi shi) und ihre loyalen Seelen zu ehren (chūrei o kenshō suru).“80 Konkret umgesetzt
80 Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 116–117. Bemerkenswert ist hierbei die Formulierung
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werden sollte dies neben allgemeinen Unternehmungen zur Gefallenenehrung eben durch die Förderung der Errichtung und den Unterhalt von chūrei-tō sowohl an „Orten wesentlicher Kampfhandlungen der Kaiserlichen Streitkräfte“ (kōgun shuyō kaisen-chi) als auch auf den japanischen Hauptinseln (naichi).81 Direkt nach ihrer Gründung begann sie, ihre Ziele in die Tat umzusetzen. Dabei sollte sich vor allem die großangelegte Propaganda- und Aquirierungskampagne mit dem Slogan „Ein Tag kriegsgefallen“ (ichinichi senshi) als öffentlichkeitswirksam erweisen.82 Sie wurde landesweit mit Unterstützung von Verwaltung und Presse, Unternehmen und Schulen durchgeführt. Hier wurde dazu aufgerufen, Einkommen und Arbeitsleistung eines Tages für die Errichtung von chūrei-tō aufzubringen. Sakurai Tokutarō, der mit öffentlichen Reden eine Schlüsselrolle in dieser Kampagne einnahm, begründete dabei die Notwendigkeit der Bewegung in einer Ansprache Ende Juni 1939 wie folgt: „Das Ziel der Arbeit der Vereinigung für die Ehrung [der loyalen Seelen, TS] ist die Errichtung je eines chūrei-tō in den verschiedenen Hauptkampfgebieten auf dem Festland und im Mutterland mit den Gemeinden als Einheit. Mit diesen als geistigem Mittelpunkt unserer Nation gehen wir auf das Ziel des Aufbaus Ostasiens (Tōa kensetsu) zu. Aber es dürfen nicht nur die Militärs sein, die mit den Gebeinen auf dieses Ziel zugehen. Die ehrenwerten Kriegsgefallenen haben stellvertretend für uns ihr Leben für uns gegeben und das Land verteidigt. Wir müssen gegenüber den chūrei-tō, die ihre Gebeine enthalten, ein Gefühl der Hochachtung aus tiefstem Herzen aufrechterhalten, den Geist der Gefallenen weitertragen und das Große Werk der Entwicklung Asiens (kō-A no taigyō) mutig vorantreiben. Das ganze Land dient selbstlos den Kriegsgefallenen, die sich stellvertretend für uns geopfert haben, so, als wäre man selbst für einen Tag gefallen. Freiwillig spenden. Dies ist der Geist Japans (Nihon seishin). Dank der Kriegsgefallenen können wir heute friedlich leben. Wir setzen uns nachdrücklich für den Aufbau des Festlandes ein und halten dabei die loyalen Seelen in höchstem Respekt. Dies ist auch ein Teil der Bewegung für die geistige Mobilmachung der Nation. Nur durch die chūrei-tō, die den Geist der Gefallenen in sich bergen, können wir das Gefühl, diese zu besuchen, unseren Kindern und Enkelkindern weitergeben.“83
ikotsu o gōshi shi, da gōshi sich eigentlich auf die shintōistische Tradition bezieht und „einschreinen und gemeinsam verehren“ bedeutet. Im vorliegenden Fall scheint die Übersetzung „anzubeten“ jedoch angemessener. 81 Imai, Akihiko: Chūrei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 384. 82 Takenaka, Akiko: Architecture for Mass Mobilization, S. 241. 83 Ichinichi dake senshi. Sono tsumori de eirei ni hōshi se yo. Riku-dai kyōkan Sakurai chūsa kataru, In: Ōsaka Mainichi shinbun, 1. Juli 1939 (Morgenausgabe), S. 12. Vgl. auch Imai, Akihiko: Chūrei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 385.
4.2 Gefallenenkult
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In einem Interview ergänzte Sakurai kurze Zeit später: „Chūrei-tō sind die Pfeiler des hakkō ichiu, über diesen chūrei-tō wird das Haus des hakkō ichiu errichtet, und es wird sicher dahin kommen, dass Großostasien durch den Geist der Loyalität zusammengeschlossen wird. Da die Aufrichtigkeit der Nation der 100 Millionen zu den chūrei-tō, die die ehrenwerten Gebeine der Gefallenen bergen, hingezogen wird, wird überall bei ihnen Glückseligkeit herrschen.“84
In mehrfacher Hinsicht verbleiben die Aussagen Sakurais über den Kriegstod und über Gefallene im Rahmen der klassischen Deutungsfiguren und gängigen sprachlichen Muster. Deutlich wird aber auch, dass die Gefallenen die Funktion der Legitimation von Kriegszielen aufweisen. Dabei wird vor allem auf den Aufbau Ostasiens und mit dem Schlagwort hakkō ichiu (Acht Bänder bzw. Pfeiler – ein Dach) sowohl auf die mythische Begründung der Herrschaft des Tennō als auch den daraus abgeleiteten imperialen Herrschaftsanspruch des Inselreiches verwiesen.85 Bemerkenswert ist schließlich, dass die Gefallenenehrung nicht mehr nur als Aufgabe des Staates, des Tennō oder der Streitkräfte gesehen wird. Vielmehr wird das „Weitertragen des Geistes der Gefallenen“ zu einer konkreten Aufgabe der gesamten Nation, zu einem Teil der geistigen Mobilmachung und damit der Kriegsanstrengung stilisiert. Wenn auch kaum intendiert, barg der Versuch, landesweit chūrei-tō zu errichten, welche die Gebeine der Verstorbenen aufnehmen sollten, über enormes religiöses und damit auch politisches Konfliktpotential.86 Denn während Vertreter der buddhistischen Religionsgemeinschaften im Land grosso modo das Projekt nachdrücklich begrüßten und früh ihre Unterstützung signalisierten, leisteten shintōistische Kreise ebenso nachdrücklichen Widerstand. Dabei spielten sowohl materielle Interessen als auch ideologische Annahmen und Frontstellungen eine wesentliche Rolle, die letztlich, trotz aller Annäherung des Buddhismus an den Staat, auf die oben (vgl. Kap. 1) beschriebenen historischen Konfliktlagen und Entwicklungen im Verhältnis beider Religionen zurückzuführen sind. So wurde
84 A. a. O., S. 385–386. 85 Hakkō ichiu, wörtlich: Acht Bänder – ein Dach, oft auch als Acht Pfeiler – ein Dach übersetzt. Slogan, der insbesondere seit 1940 in der japanischen Kriegspropaganda und Verlautbarungen der Regierung als Synonym für die Errichtung einer neuen Ordnung in Ostasien weite Verwendung fand. In diesem Kontext auch in der übertragenen Bedeutung von universale Brüderschaft. Der Begriff hakkō ichiu stammt ursprünglich aus den amtlichen Reichsannalen Nihon shoki aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts und verweist auf die Reichsgründung durch den mythischen ersten Tennō Jinmū und den Bau seiner Hauptstadt bzw. seines Palastes. Die acht Bänder stehen dabei für die verschiedenen Himmelsrichtungen, d. h. die ganze Welt. 86 Vgl. Imai, Akihiko: Kindai Nihon no senshi-sha saishi, S. 317–321.
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etwa von buddhistischer Seite der Vorschlag eingebracht, zur Kostenminimierung, wie es offiziell hieß, chūrei-tō auf dem Lande mit existierenden Tempeln zu verbinden, was zweifelsohne eine Aufwertung für letztere bedeutet hätte. Dies erschien nicht zuletzt auch in finanzieller Hinsicht lohnenswert, ist doch Totenehrung bis heute die wichtigste Einnahmequelle der zahlreichen buddhistischen Schulen. Für die Schreine hingegen barg die Errichtung eines landesweiten Netzes von Grabanlagen für Gefallene die Gefahr, dass sie ihre Vorrangstellung im politischen Totenkult verlieren könnten. Deshalb zielten sie, vertreten durch die Nationale Vereinigung der Shintō-Priester (Zenkoku shinshoku-kai), zunächst darauf, dass die potentiellen Konkurrenten nicht zu Orten ritueller Handlung aufgewertet würden. Dabei wurde nachdrücklich auf die mögliche Sprengkraft verwiesen, die dem Totenkult innewohne. Würde nämlich neben dem staatlichen Gefallenenkult, der sich auf die religiöse Autorität des Tennō stützte, so das Hauptargument, ein nationaler, durch das Volk getragener Gefallenenkult etabliert, würde damit auch „ein Modell für den Gegensatz von Monarch und Nation, wie in den Staaten Europas und den USA,“ geschaffen.87 Auch eine mögliche räumliche Verknüpfung mit den präfekturalen gokoku-Schreinen wurde abgelehnt, da eine solche die Reinheit der shintōistischen Riten gefährde.88 Dieses Argument verwundert umso mehr, als gerade die frühen shōkon-Schreine wie der Sakurayama jinja in Shimonoseki oder die Anlagen von Hakodate, Niigata usw. unmittelbar mit Grabanlagen verbunden sind. Der Mobilisierungseffekt, der vom Militär durch die Errichtung der chūrei-tō erwartet wurde, sollte vielmehr durch die Anlage der gokoku-Schreine im ganzen Land sichergestellt werden. Für die nun anstehenden politischen Aushandlungsprozesse innerhalb der Bürokratie war entscheidend, dass das Innenministerium, in dem mit der Abteilung für Schreine die Verwaltung der shintōistischen Heiligtümer (und hier insbesondere auch der gokoku jinja) angesiedelt war, sich unter dem Druck dieser Argumentation zunehmend zu einem Gegner der Vereinigung für die Ehrung der loyalen Seelen und des sie tragenden Heeres entwickelte. Der Konflikt zwischen beiden Lagern wurde schließlich im November 1939 mit einem Kompromiss beigelegt. Danach sollten die chūrei-tō primär als öffentliche Grabanlagen dienen, die als solche durch die öffentliche Hand zu unterhalten seien, durch die Gemeinden bzw. Präfekturen durchzuführende Zeremonien jedoch nicht abgehalten werden. Konsequenterweise sollte auch die Teilnahme an Pilgerbesuchen – im Gegensatz zu den Schreinen – freigestellt bleiben. Darüber hinaus wurde vereinbart,
87 So argumentierte 1939 Takimoto Toyonosuke, Priester am Atago-Schrein in Kyōto. Vgl. Imai, Akihiko: Chūrei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 388; Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 129. 88 Imai, Akihiko: Chūrei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 388–389.
4.2 Gefallenenkult
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Abb. 36: Sammelgrab für Gefallene des Heeres, Mandschurischer Zwischenfall, Gokoku-ji, Tōkyō
dass in Städten oder Gemeinden, in denen bereits ein Militärfriedhof existierte, keine zusätzlichen chūrei-tō errichtet werden, vielmehr die Friedhöfe Zentren der Bestattung von Gefallenen bleiben sollten. Schließlich musste bei der Errichtung von chūrei-tō auf Schreinanlagen Rücksicht genommen und insbesondere shintōistische Elemente wie Schreintore (torii) u. ä. vermieden werden.89 Mit diesem Kompromiss war die Bewegung zu Errichtung eines landesweiten Systems von chūrei-tō, die doch immerhin im Wesentlichen vom Heer und anderen politischen Eliten des Landes getragen wurde und die das Potential der Entwicklung einer vom shintōistischen Gefallenenkult abweichenden kultischen Praxis aufwies, nach nur wenigen Monaten gewissermaßen eingehegt worden. Zugleich war an dieser Stelle aber offenbar geworden, wie groß das religiöse und politische Konfliktpotential war, das der Gefallenenkult in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges in Japan sowohl für das Verhältnis von Buddhismus und Shintō als auch für die Legitimation der politischen Ordnung noch immer barg bzw. bergen konnte. Trotzdem bedeuteten die Planungen für die landesweite Errichtung der chūrei-tō eine wesentliche Erweiterung des klassischen staatlichen Gefallenenkultes, der primär auf dem shōkon-Gedanken und den individuellen Bestattungen aufbaute und sich neben den Militärfriedhöfen um den Yasukuni, die gokokuSchreine und die chūkon-hi in den Gemeinden gruppierte. In den folgenden sechs
89 A. a. O., S. 389–391; Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 130–131.
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Jahren bis zum Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges gelang es freilich nicht, das ursprüngliche ambitionierte Ziel zu realisieren. Die Umsetzung, die allgemein vor dem Problem der immer rapider voranschreitenden Ressourcenknappheit – Baustoffe wie Stahl und Zement waren Mangelware – stand, erfolgte dabei regional höchst differenziert. Heute finden sich in den Präfekturen Hiroshima und Niigata je zwei, in Hokkaidō und Nagano je drei, in Miyagi sechs, in Kyōto 11, in Kanagawa 15, in Saitama 20, in Tochigi 23, in Ibaraki 24, in Fukuoka (der Heimat Sakurais) hingegen 77 und in Gunma sogar 104 chūrei-tō.90 Einige von ihnen sind übrigens keine neu errichtete Anlagen, sondern um eine Grabanlage erweiterte chūkon-hi. Als den wohl nachhaltigsten „Erfolg“ der Bewegung für die Ehrung der loyalen Seelen mag man verbuchen, dass auf den Militärfriedhöfen, wie von Sakurai in Fukuoka praktiziert, individuelle Gräber zunehmend durch Sammelgräber für einzelne Feldzüge ersetzt wurden (vgl. Abb. 36), wodurch das Meiji-zeitliche Prinzip der individualisierten Grabanlage weiter zurückgedrängt wurde. Der Gegensatz zwischen Buddhismus und Shintō zeigte sich während des Asiatisch-Pazifischen Krieges aber nicht nur bei der Errichtung der chūrei-tō. Auch im Umfeld der öffentlichen Bestattungen, die analog zu den in der späten Meiji-Zeit entwickelten Praktiken erfolgten, traten spätestens seit 1937 wiederholt Konflikte auf.91 Wie Peter Fischer an Hand der Monatsberichte der Geheimpolizei (tokkō geppō) herausgearbeitet hat, kreisten sie vor allem um die Frage, ob die öffentlichen Bestattungen (kōsō) oder Gedächtnisfeiern wie die Zeremonien zur Besänftigung der Seelen (irei-sai) nach shintōistischem oder buddhistischem Ritus zu erfolgen haben. Auch hier verschränkten sich, wie schon bei der Auseinandersetzung um die Bewegung für die Ehrung der loyalen Seelen, konkrete ökonomische Interessen und religiöse Gegensätze. Auf lokaler Ebene waren neben Überredungsversuchen der Angehörigen oder Debatten in den Gemeindevertre-
90 Imai, Akihiko: Chūrei-tō kensetsu ni kan-suru kōsatsu, S. 391. Zum Sonderfall Gunma siehe auch Gunma-ken gokoku jinja/Ebine, Isao: Gunma-ken no chūrei-tō nado, Takasaki: Asao-sha 2001; Imai, Akihiko: Kindai Nihon no senshi-sha saishi, S. 321–327. Jedoch ist zu beachten, dass diese Zahlen nur eingeschränkt aussagekräftig sind, da auch nach 1945 chūrei-tō fertiggestellt oder neu errichtet wurden und unter den aufgeführten auch solche sind, deren Erbauungsdatum unbekannt ist. 91 Vgl. für das Folgende Fischer, Peter: Der Streit zwischen Shintō und Buddhismus um die öffentlichen Bestattungen der japanischen Gefallenen am Vorabend des Pazifischen Krieges, In: Antoni, Klaus (Hg.): Rituale und ihre Urheber. Invented Traditions in der japanischen Religionsgeschichte, Hamburg: LIT-Verlag 1997, S. 143–176. Allgemein zur Geschichte des Buddhismus in der Kriegszeit siehe Victoria, Brian A.: Zen, Nationalismus und Krieg. Eine unheimliche Allianz, Berlin: Theseus 1999; Fischer, Peter (Hg.): Buddhismus und Nationalismus im modernen Japan, Bochum: Studienverlag Dr. N. Brockmeyer 1979.
4.2 Gefallenenkult
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tungen, die für die Durchführung der öffentlichen Bestattungen verantwortlich waren, auch zunehmend Schmähungen der Gegenseite und damit im übertragenen Sinne innerer Zwist zu konstatieren, was eine verstärkte Aufmerksamkeit der staatlichen Sicherheitsbehörden hervorrief. Gegen eine (zumindest so wahrgenommene) Dominanz buddhistischer Priester bei den öffentlichen Bestattungen agierten shintōistische und nationalistische Kreise sowohl auf den japanischen Hauptinseln als auch in den Kolonien spätestens seit 1937, vor allem aber auch 1941, indem sie forderten, dass öffentliche Bestattungen strikt nach Shintō-Ritus (und zwar konkret nach den Vorgaben für die Bestattungen des Kaiserhauses) durchzuführen seien, da es sich dabei um das nationale Zeremoniell des Kaiserreiches handele.92 Dagegen argumentierten buddhistische Kreise, bei einer Bestattung sei zum einen die Religion des Verstorbenen bzw. seiner Familie zu achten. Zum anderen betonten sie, dass der Buddhismus durchaus zur nationalen Tradition Japans gehöre und es darüber hinaus auch mitnichten angebracht sei, sich bei Bestattungen von Untertanen an den Regelungen in Bezug auf das Herrscherhaus auszurichten.93 Letztlich sollte es zu keiner grundsätzlichen Lösung der hier kurz skizzierten Gegensätze kommen, da die Bürokratie nicht bereit war, eine prinzipielle Auseinandersetzung mit dem Buddhismus einzugehen. Vielmehr blieb es während des Krieges Sache der lokalen Ebene, eine Lösung herbeizuführen, die sich meist pragmatisch an den Gegebenheiten und Kräfteverhältnissen vor Ort orientiert zu haben scheint. Trotzdem veranschaulicht auch dieses Beispiel, dass die Gefallenenehrung in Japan in den Jahren vor 1945 erstens keineswegs festgefügt und festgelegt war, sondern vielmehr Ursache von Konflikten sein konnte und politischen wie gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen unterlag. Damit wird an dieser Stelle auch eine Grenze der Durchsetzungsfähigkeit (wie wohl auch der Attraktivität) des staatlichen Totenkultes sichtbar. Zweitens belegt es aber auch, dass sich auch an dieser Stelle die Konstitutionsbedingungen der Gefallenenehrung letztlich langfristig auswirkten, insofern als sich die Edo-zeitlichen Konfliktlinien in Bezug auf Bestattungsrituale als Argumentationsmuster in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges erhalten haben. Schließlich sind abschließend in Bezug auf die iterativen Bestattungen der Gefallenen auf den Militärfriedhöfen und in den Heimatgemeinden, die nach wie vor ein zentrales Element des politischen Totenkultes auf der lokalen Ebene bildeten, in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges zwei weitere Verschiebungen zu konstatieren. Zum einen handelte es sich um die Vereinheitlichung der individuellen Gräber auf den Militärfriedhöfen, die in der Meiji-Zeit zwar bereits weitgehend
92 Fischer, Peter: Streit zwischen Shintō und Buddhismus, S. 158. 93 A. a. O., S. 159–160.
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Abb. 37: Öffentliche Bestattungsfeier, Takasaki (1932)
einheitlich, aber nach Rangklassen differenziert waren. Diese Differenzierung – sie hatte durch die Errichtung von Sammelgrabanlagen wie den chūrei-tō ohnehin schon an Bedeutung eingebüßt – wurde 1940 aufgegeben.94 Die Grabsteine waren nun alle gleich hoch, und auch die Inschriften und die ikonographische Gestaltung wurden vereinheitlicht. Damit setzte sich auch für die individuellen Soldatengräber auf den offiziellen Friedhöfen für Militärangehörige in Japan das Prinzip der Egalität aller Gefallenen endgültig durch, das sich in Europa bereits mit dem Ersten Weltkrieg voll entfaltet hatte. Eine zweite Verschiebung betraf den Zeitpunkt und den Umfang der Bestattungs- und Gedenkzeremonien. Wie die Untersuchungen von Morishita Tōru für die Präfektur Ōsaka zeigen, konnten die öffentlichen Bestattungen in den Heimatgemeinden Ende der 1930er und in der ersten Hälfte der 1940er Jahre nicht mehr mit dem dramatischen Anstieg der Opferzahlen Schritt halten. Dies führte zum einen zu einer schleichenden Zusammenlegung der Bestattungszeremonien auf einige wenige Daten im Jahr. Damit verlängerte sich der Zeit-
94 Vgl. Morishita, Tōru: Irei, tsuitō to minshū. Ikotsu, haka, bukkyō, In: Harada, Keiichi (Hg.): Koto, shōto no guntai. Kinki (Chiiki no naka no guntai 4), Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2015, S. 189–223, hier S. 202.
4.2 Gefallenenkult
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raum zwischen Tod und offizieller Bestattungszeremonie in der Heimatgemeinde von ca. ein bis drei Monaten zu Beginn des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges auf etwa sechs Monate zu Beginn des Pazifischen Krieges bis auf schließlich ca. ein bis zwei Jahre in dessen Endphase.95 Da Japan die meisten Opfer in der Endphase des Krieges zu beklagen hatte, ist damit davon auszugehen, dass der größte Teil der Gefallenen de facto keine eigene Bestattungsfeier während des Krieges mehr erhielt. Zugleich scheint auch der Aufwand für die offiziellen Trauerfeiern, vergleicht man sie etwa mit den Praktiken während des Mandschurischen Zwischenfalls oder auch noch zu Beginn des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges, schrittweise verringert worden zu sein.96 Die wesentlichen Elemente und die in ihnen transportierten Deutungsangebote und Sinnstiftungsmuster des Kriegstodes unterlagen hingegen keinem signifikanten Wandel. Auch gewährleisteten die Bestattungszeremonien trotz des Rückgangs ihrer Häufigkeit nach wie vor eine hohe Sichtbarkeit soldatischen Sterbens in der Öffentlichkeit. Nicht der totale Krieg mit der Erfahrung massenhaften Sterbens, sondern erste die Kriegsniederlage sollte hier eine grundlegende Pfadänderung erzwingen.
4.2.3 Yasukuni-Schrein In der Phase des Asiatisch-Pazifischen Krieges entfaltete der Yasukuni-Schrein in der japanischen Öffentlichkeit seine größte Bedeutung.97 Augenfällig wurde diese Bedeutungszunahme bereits durch die baulichen Veränderungen, die zu Beginn der 1930er Jahre ihren Abschluss fanden. Auch wenn sie z. T. die Schäden und Zerstörungen während des Großen Kantō-Bebens vom 1. September 1923 zum Anlass hatten, beinhaltete das Um- und Neubauprogramm doch eine signifikante Umgestaltung des Schreingeländes und seiner Gebäude. So wurde etwa 1932 ein neues und größeres, aus Beton errichtetes und an traditionelle japanische architektonische Formen angelehntes Gebäude für das Militärmuseum Yūshū-kan eröffnet und 1934 das neue „Göttertor“ (shinmon) fertiggestellt, das auf den mittleren Torflügeln je mit einer goldene Chrysantheme das kaiserliche Wappen aufweist und eines der neuen Merkpunkte auf der kognitiven Landkarte der Hauptstadt werden sollte und bis heute emblematisch für den Schrein steht. 1938 wurde der Ort zum Herbeirufen der Seelen der Gefallenen (shōkon yuniwa) verlegt, um der größeren Zahl der Hinterbliebenen bei den Einschreinungszeremonien gerecht werden zu können,
95 A. a. O., S. 210. 96 A. a. O., S. 206–208. 97 Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon, S. 168.
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und 1935 vor dem Hauptzugang zwei große, 13 Meter hohe steinerne Laternen aufgestellt, an deren Postamenten je sieben Reliefs mit Szenen aus der Geschichte von Heer und Marine zwischen dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg und dem Mandschurischen Zwischenfall angebracht wurden und die damit letztlich als Denkmäler der glorifizierten Geschichte der beiden Teilstreitkräfte dienen.98 Diese Um- und Neugestaltung ging mit der Entfernung zahlreicher Einrichtungen vom Schreingelände einher, die dem „Amüsement“ der Besucher dienten, wie dem Zirkus, der „Guckkastenschau“ (nozoki karakuri), Geschäften oder Bühnen zur Vorführung von Zauberkunststücken wie dem mizu-gei oder rokurokubi.99 Diese Umgestaltung der Schreinanlage deutete bereits an, dass sich in den 1930er Jahren, konkret v. a. der Zeit zwischen dem Mandschurischen Zwischenfall und dem Ausbruch des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges, der Charakter der Feierlichkeiten am Yasukuni-Schrein deutlich verschob – obwohl sich die rituellen Praktiken des Schreines in ihrem religiösen Kern nicht veränderten.100 Nach wie vor wurden die Seelen der Gefallenen von Shintō-Priestern in aufwendigen Zeremonien und im Beisein von ihren Hinterbliebenen und Militärs zum Schrein gerufen, in den „Gottkörper“ des Yasukuni jinja eingeschreint, zu „Göttern der Landesverteidigung“ bzw. „Heldenseelen“ erhoben und hier in tagtäglichen Ritualen religiös verehrt und angebetet (vgl. auch Abb. 38 und Abb. 39101). Das volksfestartige Moment der „Amüsements“ allerdings wurde mehr und mehr
98 Vgl. Yasukuni jinja (Hg.): Shin yōkoso Yasukuni jinja e, Tōkyō: Kindai shuppan-sha 2007, S. 44–45 und 51. Die Reliefs zeigen auf der Seite des Heeres das Kaiserliche Hauptquartier in Hiroshima während des Ersten Chinesisch-Japanischen Krieges, die Erstürmung von Tianjin (Tientsin) während der Niederschlagung des Boxeraufstandes, den feierlichen Einmarsch in Shenyang (Mukden) während des Russisch-Japanischen Krieges, einen Panzerzug aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, kämpfende Polizeieinheiten bei der Niederschlagung eines Aufstandes auf Taiwan im Jahre 1908, die Bakudan san-yūshi während des Shanghai-Zwischenfalls und die Erstürmung der Chinesischen Mauer bei Jehol, auf der Seite der Marine die Seeschlacht im Gelben Meer während des Ersten Chinesisch-Japanischen Krieges, den Tod von Hirose Takeo, Tōgō Heihachirō als Oberbefehlshaber auf dem japanischen Flaggschiff Mikasa während der Seeschlacht von Tsushima aus dem Russisch-Japanischen Krieg, Schiffe des japanischen Mittelmeergeschwaders aus dem Ersten Weltkrieg, einen Luftkampf und Teile der japanischen Marineinfanterie während des Shanghai-Zwischenfalls und schließlich Frauen des Japanischen Roten Kreuzes bei ihrer Arbeit im Felde. 99 Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon, S. 177. 100 Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saishin-tachi, S. 94–95. 101 Die Darstellung zeigt die Prozession der Heldenseelen in einer Sänfte, in der die herbeigerufenen Seelen der Gefallenen zum Heiligtum getragen werden, wo sie endgültig eingeschreint werden. Links und rechts des Weges Hinterbliebene. Dieser Ritus wird in Analogie zu shintōistischen Bestattungsriten und zur Edo-zeitlichen Praxis der Vergöttlichung Verstorbener nachts durchgeführt und dabei alles Licht gelöscht.
4.2 Gefallenenkult
Abb. 38: Herbeirufung der Seelen der Gefallenen, Yasukuni jinja (1937)
Abb. 39: Prozession bei der Einschreinungszeremonie am Yasukuni jinja (1942)
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aus dem Schreinleben verdrängt, um einer würdevollen Stimmung Raum zu schaffen. Den Höhepunkt in der Ausgestaltung der Feierlichkeiten bildete dabei sicherlich das Schreinfest vom April 1942, das sich über fünf Tage hinzog. Es stand unter dem Eindruck der militärischen Erfolge gegen die Westmächte in den ersten Monaten nach dem Angriff auf Pearl Harbor. An diesem Fest nahmen über 30.000 Hinterbliebene teil, unter ihnen 5.000 Kriegswaisen, die aus dem ganzen Land kostenlos in Sonderzügen nach Tōkyō gereist waren, die in besonderen Hotels übernachteten und für die ein umfassendes Programm mit Höhepunkten wie Theater- und Konzertaufführungen, der Teilnahme an einer Truppenparade, der Besichtigung von erbeuteten Waffen usw. erarbeitet worden war. Der Besuch des Tennō am Yasukuni am 25. April 1942 wurde live im Radio übertragen und im ganzen japanischen Herrschaftsbereich – im Mutterland, den Kolonien wie den besetzten Gebieten – um 10.15 Uhr mit einer Schweigeminute des gesamten Volkes begangen (vgl. auch Abb. 40).102
Abb. 40: Shōwa-tennō beim Verlassen des Yasukuni jinja (Okt. 1942)
102 A. a. O., S. 96–97.
4.2 Gefallenenkult
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Die gesteigerte mediale Vermittlung des Yasukuni jinja (wie auch des Gefallenenkultes in toto) war ein weiteres Charakteristikum der Kriegsjahre. Sie bediente sich sowohl der klassischen Medien wie Presse, Schulbücher oder Lieder wie auch der modernen Massenmedien, hier vor allem der Schallplatte, des Radios und des Filmes.103 Ihre Zielgruppen waren dabei Kinder, Hinterbliebene, Soldaten und die Nation als Ganzes.104 Zum einen diente sie der Vermittlung von Wissen über den Schrein, zum anderen bemühte sie sich, über eine emotionale Ansprache bei den Rezipienten Empathie zu erregen, vor allem den Hinterbliebenen ein Muster erwünschten bzw. erwarteten Verhaltens zu geben, ihre Bindung an den Schrein herzustellen bzw. zu vertiefen sowie im weitesten Sinne der geistigen Mobilmachung von Militär und Nation zu dienen. 1940 etwa kam die Schallplatte „Die kleine Meiko und das shatō no taimen“ auf den Markt.105 Dabei ist ein Gespräch zwischen der etwa sechsjährigen Meiko und ihrer großen Schwester aufgenommen, die gemeinsam den Yasukuni besuchen. Der Text ist mit einer rhythmischen Hintergrundmusik unterlegt, welche die positive Grundstimmung ebenso musikalisch darstellt wie die Beschreibung frühlingshaften Wetters. Den Aufhänger für das Gespräch bildet die Frage, was eigentlich mit shatō no taimen gemeint sei, was „in der Front des Schreines“, aber auch „Wiedersehen am Schrein“ bedeutet. Dieser Begriff bezieht sich damit direkt auf den Abschiedsgruß „Auf Wiedersehen am Yasukuni“, mit dem sich Soldaten von ihren Familien, aber auch Kameraden vor der Schlacht voneinander verabschiedeten. „Meiko: Heute ist ein schöner Sonntag. Der Himmel ist strahlend blau, und der Duft des frischen Grün ist angenehm. Ich gehe jetzt mit meiner großen Schwester auf einen Pilgerbesuch zum Yasukuni-Schrein. Schwester, was ist eigentlich ‚shatō no taimen‘? Schwester: Nun ja, shatō no taimen. Meiko, weißt du … Meiko: Nun sag’ doch schon! Schwester: Das wirst du gleich sehen. Auch Meiko wird das gut verstehen, wenn man den Pilgerbesuch beim Yasukuni-Schrein in Kudan macht. Meiko: Oh, das ist ja ein großes Schreintor (torii)! Schwester: Nicht wahr? Das ist prächtig, oder? So, die Hände waschen und den Mund reinigen. Meiko: Ja, ist gewaschen.
103 Zum Film in der Kriegszeit in Japan vgl. Dower, John W.: Japanese Cinema goes to War, In. Ders.: Japan in War and Peace. Selected Essays, New York: New Press 1993, S. 33–54. 104 Zur medialen Vermittlung des Yasukuni in Bezug auf Kinder siehe Yamanaka, Hisashi: Yasukuni no ko. 105 Vgl. Yasukuni jinja (Hg.): Shin yōkoso Yasukuni jinja e, Tōkyō: Kindai shuppan-sha 2007, S. 108. Die Rolle der Meiko wurde von der damals sechsjährigen Nakamura Meiko gesprochen, die später zu einer berühmten Schauspielerin avancierte. Der Text stammte von ihrem Vater, Nakamura Masatsune.
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Schwester: So, vor uns haben wie die Gebetshalle (haiden). Achtung! Fertig? Meiko: Den gemeingesinnten, gefallenen Heldenseelen der Kaiserlichen Streitkräfte wollen wir eine Minute stillen Angedenkens darbringen! Schwester: Meiko, in diesem Schrein werden die Heldenseelen der Landesverteidigung (gokoku no eirei) als Götter (kami) verehrt. Hast du verstanden? Nun, tiefe Verbeugung. Meiko: Schwester, der große Bruder, der dort drüben seinen Pilgerbesuch abstattet, spricht irgendwie mit sich selbst. Schwester: Ja, das höre ich auch. Meiko: Der große Bruder da sagt: ‚Bitte sei beruhigt, Vater. Ich mache das ganz bestimmt entschlossen. Ich mache das natürlich, Vater! Die Kalligraphie, die ich heute vom Lehrer in der Schule zurückbekommen habe, hat, wie hier zu sehen, ein ‚sehr gut‘ bekommen. Vater, sieh nur! Ich werde ganz sicher lernen, und ich werde ganz sicher ein prächtiger Mensch! Ende des Berichtes!‘ Schwester: Meiko, das hast du dir aber gut gemerkt! Meiko: Auch die große Schwester da drüben spricht mit sich selbst, nicht wahr? Schwester: Stimmt. Diese Schwester sagte folgendes: ‚Bruder, dank dir geht es allen in der Familie gut. Sei bitte beruhigt! Die Blumen im Garten, die du so gepflegt hast, blühen dieses Jahr besonders schön. Ich habe welche mitgebracht, damit du sie dir ansehen kannst. Heute sind es Tulpen. Weil morgen bestimmt die Hyazinthen aufgehen, warte bitte mit Vorfreude. Ich bringe sie bestimmt mit!‘ Nun, Meiko, jetzt verstehst du, oder? Auf diese Weise kommen die Hinterbliebenen jeden Tag hierher, um die Seelen ihrer Väter oder Brüder zu treffen. Schau nur! Kein einziger von ihnen weint! Alle sprechen fröhlich und glücklich. Du hast vorhin nach dem shatō no taimen gefragt. Das genau ist es! Das hast du doch verstanden? Meiko: Verstanden. Das habe ich gut verstanden! Ehrenwerte Götter der Landesverteidigung! Auch Meiko wird sich mit allen anfreunden, wie die Erwachsenen lernen, und das Beste für das Land geben! Ende des Berichtes! Schwester: So, dann wollen wir noch einmal eine Schweigeminute halten. Tiefe Verbeugung!“106
Während „Die kleine Meiko und das shatō no taimen“ bei der Vermittlung kognitiver Topoi über den Yasukuni von einer positiven Grundstimmung getragen ist, leben andere Lieder der Kriegszeit wie etwa das noch heute sehr populäre Kudan no haha („Die Mutter von Kudan“), das den Besuch der Mutter eines Kriegsgefallenen beim Yasukuni beschreibt, oder auch das Dōki no sakura („Kirschbäume des gleichen Jahrganges“), welches die Freundschaft zweier Soldaten zum Inhalt hat, die sich wünschen, niemals getrennt zu werden, von der Spannung von Text und meist pentatonischer Melodieführung und damit von Patriotismus und Trauer. Hierdurch wird eine subtile Emotionalisierung und beim Zuhörer bzw. Sänger Empathie erzeugt. Die sprachlichen und ikonographischen Motive sind bei den verschiedenen Formen medialer Darstellung weitgehend identisch:
106 Yasukuni jinja shamu-sho (Hg.): Yasukuni jinja no uta. Audio-CD, 1999.
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Verwiesen wird meist auf Bauwerke wie das große torii und das „Göttertor“, das bis heute den bevorzugten Ort für Gruppenphotos darstellt, allgemein auf die beeindruckende Größe des Schreines oder auf das Kirschbaum- bzw. -blütenmotiv, das emblematisch für den Soldatentod steht – und das gemeinsam mit der Chrysantheme des Kaiserhauses seit der Nachkriegszeit auch das Wappen des Schreines bildet. Ebenso häufige ikonographische Topoi sind die Besuche des Tennō, von Mitgliedern der kaiserlichen Familie oder von Regierungsmitgliedern am Schrein, Truppen, die vor der Verlegung an die Front den Schrein aufsuchen, Freude, Ehre oder Genugtuung für die Hinterbliebenen in Anbetracht des Ausmaßes der Ehrung für die gefallenen Angehörigen, die Ehrbezeigungen am Schrein selbst durch Witwen oder Waisen, schließlich gutes Wetter.107 Sprachlich verbleiben die Texte im Rahmen von inzwischen zu kanonischen Schlagworten bzw. Phrasen avancierten Auszügen aus Meiji-zeitlichen Schlüsseltexten mit thematischen Bezug zum soldatischen Sterben wie dem Kaiserlichen Erlass an die Soldaten und Matrosen von 1881, dem Kaiserlichen Erziehungserlass von 1890 oder den Erlassen zur Gründung der shōkon-Schreine. Die wohl neben der Kirschblüte bedeutendste Repräsentation des Soldatentodes freilich bildete das 1937 komponierte Lied Umi yukaba, das während des Asiatisch-Pazifischen Krieges zur offiziellen Nebenhymne des Kaiserreiches avancierte. Sein Text – insbesondere seine erste Zeile – wurde selbst zu einem Schlagwort für die Kampf- und Todesbereitschaft der Streitkräfte, seine Melodie wurde im Radio in Verbindung mit der Bekanntgabe von gyokusai durch das Kaiserliche Hauptquartier gespielt. Sie wird noch heute am Yasukuni-Schrein an Feiertagen wie dem Jahrestag des Kriegsendes nach der Kaiserhymne, aber auch bei den Totengedenkzeremonien der Marine der Selbstverteidigungsstreitkräfte intoniert:
107 Zur Ikonographie des Yasukuni in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges vgl. Kawamura, Kunimitsu: Seisen no ikonogurafi; Earhart, David C.: Certain Victory; Yamanaka, Hisashi: Yasukuni no ko; Hayakawa, Tadanori: Shinkoku Nihon no tondemo kessen seikatsu, Tōkyō: Gōdō shuppan 2010. Zahlreiche offiziöse Bildquellen sind in der Datenbank zum Gefallenengedenken des Kenkyū suishin kaihatsu sentaa der Kokugaku-in Universität online einsehbar unter http://www2.kokugakuin.ac.jp/kaihatsu/maa/resource.html (letzter Zugriff 30. Juni 2015). Hier v. a. Photoalben, die die Hinterbliebenen zur Erinnerung an die Einschreinungszeremonie ihres Angehörigen erhielten, z. B.: Rinji taisai iin: Meiji 39-nen 5-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō; Rikugun-shō: Shōwa 8-nen 4-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō; Yasukuni jinja rinji taisai iin: Shōwa 12-nen 4-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō; Dass.: Shōwa 13-nen Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō; Dass.: Shōwa 14-nen 10-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō; Dass.: Shōwa 15-nen 4-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō; Dass.: Shōwa 15-nen 10-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō; Dass.: Shōwa 16-nen 4-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō; Dass.: Shōwa 16-nen 10-gatsu Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō; Dass.: Yasukuni jinja rinji taisai kinen shashin-jō.
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„Fahre ich zur See, bin ich bereit, als Leiche im Wasser zu treiben, Geh' ich in die Berge, bin ich bereit, dass meine Leiche von Gras überwachsen sein wird. An der Seite meines Herrschers, nur hier, will ich sterben, Ohne zu zögern.“108
Es ist heute nur noch schwer zu beurteilen, welche Wirkung die massenmediale Vermittlung des Yasukuni erzeugte. Zeitgenössisch wurden zahlreiche Dokumente publiziert, welche sog. kansō-bun (wörtlich: Text über Gefühle und Gedanken) enthalten, die Teilnehmer von Besuchen am Yasukuni, vor allem auch Schüler, über ihre Gedanken und Eindrücke während des Besuches verfasst haben. Diese spiegeln nahezu ausschließlich die offiziellen Deutungsmuster und reproduzierte Erwartungshaltungen wider. Sie sind ein Indiz für den Grad der Durchdringung der offiziellen Sprache, auch wenn sich kaum abschätzen lässt, inwieweit diese authentisch sind oder Ergebnisse von (Selbst-)Zensur. So schrieb etwa der Sechstklässler Ikeda Yasuyoshi aus Anlass einer Reise von Kriegswaisen aus der Präfektur Yamagata 1942: „Am Tag des Pilgerbesuches am Yasukuni-Schrein war ich seit dem Morgen fröhlich. Mein Herz klopfte vor Aufregung. Auch im Zug war ich ungeduldig, mein Herz war ganz angefüllt mit dem Gedanken, bald im Yasukuni-Schrein Vater zu treffen. Alle zeigten ihr fröhliches Gesicht. Als wir aus dem Zug ausstiegen, ragte am Ende der Straße auf dem Hügel ein großes bronzenes torii in den weiten, wolkenlosen Himmel empor. Dahinter stand ganz erhaben die Bronzestatue von Ōmura Masujirō. Kurz nachdem wir das große bronzene torii durchschritten hatten, erreichten wir den Rastplatz und machten eine Pause. Auch da waren die Gesichter aller voll Freude. Endlich kam mit dem ‚Präfektur Yamagata – auf!‘ der langersehnte Zeitpunkt, Vater zu treffen. Die Hände waschen, den Mund ausspülen, und wir bewegten uns auf die Gebetshalle (haiden) zu. Als ich bei der Gebetshalle ankam, war das erste, was ich sah, ein großer Spiegel. Die Heldentaten unserer Väter zeigen sich im Lichte dieses großen Spiegels. Ich kenne das Angesicht meines Vaters nicht, aber ich erinnerte mich an die Gestalt meines Vaters, wie ich sie auf Photos gesehen hatte. Der Ton unseres Klatschens in die Hände durchbrach die Stille und es hallte laut. Schließlich der Befehl ‚Schweigeminute! (mokutō)‘ Mit geschlossenen Augen senkten wir den Kopf. Ich berichtete ihm: ‚Vater, ich bin schon so groß geworden. Sei beruhigt, denn in der Familie sind alle gesund. Mein älterer Bruder ist jetzt im dritten Jahr Schüler der [Regionalen] Jugendschule [des Heeres] in Sendai. Meine ältere Schwester ist im zweiten Jahr auf der Mädchenschule. Ich bin jetzt in der sechsten Klasse. Sei bitte beruhigt!‘ Dann bat
108 Umi yukaba wurde in seiner populärsten Fassung 1937 von Nobutoki Kiyoshi komponiert, der Text entstammt dem Man’yōshū, das im 8. Jahrhundert kompiliert wurde. Schon vor 1937 wurde der Text bereits häufig im Kontext des politischen Totenkultes verwendet. So findet er sich oft in Reden – Trauerreden für Gefallene, Einweihungsreden für Denkmäler usw.
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ich ihn: ‚Vater, ich lerne jetzt mit aller Kraft. Bitte hilf mir dabei!‘ Ich hob den Kopf, schaute zum Spiegel und schloss die Augen. Vaters Gestalt stand vor meinem inneren Auge und verschwand nicht. Mit dem Befehl ‚Schweigeminute beendet!‘ öffnete ich die Augen. Ich hatte das Gefühl, als sagte mir Vater aus dem Dunkel des Schreines ‚Freut mich, dass du gekommen bist!‘ Ich starrte weiter in den Spiegel.“109
Freilich konnten weder die hohe mediale Aufmerksamkeit noch die propagandistischen Maßnahmen darüber hinwegtäuschen, dass die Lage des Landes, aber auch des Schreines gegen Ende des Krieges immer bedrohlicher wurde. Beim letzten Außerordentlichen Schreinfest im April 1945, bei dem über 41.000 Gefallene, unter ihnen auch Admiral Yamamoto Isoroku, neu eingeschreint wurden, sprach die Presse noch von mehreren zehntausend spontanen Besuchern, doch war zum einen die Teilnahme der Hinterbliebenen aus dem Land fast zum Erliegen gekommen, und zum anderen waren Tōkyō und andere japanische Großstädte seit Wochen Ziel amerikanischer Flächenbombardements, die weite Teile der Hauptstadt bereits zerstört hatten.110 So war es eigentlich fast ein Wunder, dass die Anlage des Yasukuni den Krieg ohne nennenswerte Schäden überstand. Der Asiatisch-Pazifische Krieg war in vielerlei Hinsicht für Japan eine neue Art von Krieg. Es handelte sich um einen totalen Krieg, der die Grenzen von Militär und Zivilbevölkerung, von Front und Heimatfront verschwimmen ließ und in dem immer mehr Zivilisten für Kriegsanstrengungen wie Rüstung, Stellungsbau usw. mobilisiert wurden. Es war ein globaler Krieg, dessen Schlachtfelder in aus japanischer Perspektive so entlegenen Gebieten wie der Inselwelt des Südpazifiks, dem Dschungel Burmas, den Steppen von Mandschurei und Mongolei und natürlich auf dem chinesischen Festland lagen. Es war ein Krieg, der auch als heimatlicher Krieg geführt wurde, in dem erstmals seit den Mongoleninvasionen im 13. Jahrhundert japanisches Hoheitsgebiet betroffen war. Schließlich war es ein transnationaler Krieg, denn Japaner kämpften in den Streitkräften von Manshūkoku, formal als Angehörige des japanischen oder des mandschurischen Staates, Koreaner und Taiwanesen wurden als Untertanen des japanischen Imperiums zu den Waffen gerufen. Das Schicksal zahlreicher japanischer Militärangehöriger war insbesondere in der zweiten Hälfte des Pazifischen Krieges, als sich militä-
109 Ikeda, Yasuyoshi: Yasukuni jinja shatō nite, In: Zaidan hōjin gunjin engo-kai Yamagataken shibu (Hg.): Dai-yon-kai Yasukuni jinja sanpai iji kansō-bun shūroku, Yamagata: Shōei-dō insatsu 1942, S. 1–2. Insgesamt nahmen an dieser Reise 85 Schüler im fünften und sechsten Schuljahr aus der Präfektur Yamagata teil. 110 Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saishin-tachi, S. 98.
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Abb. 41: Schüler beim Besuch des Yasukuni jinja (1937)
rische Niederlagen in entfernten Kampfgebieten häuften, ungewiss: Waren sie gefallen, in Gefangenschaft geraten, oder kämpften sie auf verlorenen Außenposten weiter? Den Namenslisten der Kriegsgefangenen, welche die Alliierten nach den Bestimmungen der Genfer Konvention übermittelten, war kaum zu trauen, war es doch längst üblich geworden, den Amerikanern und Briten falsche Namen zu nennen, um die Angehörigen in der Heimat nicht der sozialen Stigmatisierung auszusetzen. Für die mit dem Gefallenenkult befasste Militärbürokratie bedeutete diese veränderte Art des Krieges eine bisher ungeahnte Herausforderung: Wie sollte man mit der Einschreinungspraxis auf diese neuen Dimensionen des Krieges reagieren? Konnte sie den Anspruch aufrechterhalten, wie bisher in speziellen Kommissionen die Todesumstände jedes einzelnen Gefallenen zu prüfen und dann zu entscheiden, welche Namen auf die Listen zur Einschreinung gesetzt wurden, welche dem Tennō vorgelegt und die formal von ihm unterzeichnet wurden, bevor sie an den Yasukuni übermittelt und die tatsächliche Einschreinung vollzogen werden konnte? Tatsächlich war die Praxis der Entscheidungsfindung über Inklusion und Exklusion in den Gefallenenkult in seiner gewohnten Form nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dieses Problem zeitigte unmittelbar zwei Folgen. Zum einen verlängerte sich die Zeitspanne, die zwischen Tod und Einschreinung lag, deutlich. Zum anderen wurden in Heer und Marine 1944 die Regelungen in Bezug auf die Anerkennung und Kategorisierung als Kriegsgefallener, seinen Verwundungen Erlegener, an Krankheiten Verstorbener usw.
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erheblich modifiziert.111 Die wichtigste Neuerung war, dass Kriegsgefallene oder an ihren Verwundungen Verstorbene nun in aller Regel ohne detaillierte Prüfung eingeschreint wurden, und nur in Fällen, wo es begründete Zweifel gab, eine Apotheose zurückgestellt oder vorbehaltlich erfolgen konnte.112 Weiterhin gab es jetzt Kategorien, in welchen Fällen man einer Vergöttlichung verlustig ging (shinkaku o sokonau): Hierzu zählten Soldaten, welche in Gefängnissen oder den Strafkompanien des Heeres (rikugun kyōka-tai bzw. rikugun chōji-tai), nach Freilassung aus der gegnerischen Gefangenschaft, an Geschlechtskrankheiten oder an Wunden verstarben, die aus privaten Streitigkeiten resultierten, aber auch private Versorger des Militärs oder Soldaten, die in der Mandschurei vor Ausbruch des Mandschurischen Zwischenfalls (und damit in Friedenszeiten) durch Banden ihr Leben verloren hatten.113 Schließlich wurde die japanische Öffentlichkeit in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges auch mit den Problemen möglicher Handlungsspielräume in Bezug auf das Gefallenengedenken und des Verhältnisses des staatsshintōistischen Gefallenenkultes zu anderen Religionen konfrontiert, als die Frage der Verbindlichkeit eines Besuches des Yasukuni-Schreines aufkam.114 Ausgelöst wurde diese Auseinandersetzung durch die Nicht-Teilnahme von zwei oder drei katholischen Studenten der Sophia-Universität an einem „Pilgerbesuch“ (sanpai) im Mai 1932, der im Rahmen der an den Universitäten faktisch verbindlichen Militärschulungen durchgeführt wurde und eine Gruppe von etwa 60 Studenten eigentlich in das Museum des Yasukuni, das Yūshū-kan, führen sollte. Während das Verhalten der katholischen Studenten zunächst nur Reaktionen durch verschiedene Zweige der Bürokratie hervorrief, änderte sich die Situation, als im Oktober und November 1932 verschiedene Zeitungen über den Vorfall berichteten und das Heeresministerium im Dezember demonstrativ den für die Militärschulungen zuständigen
111 Yasukuni jinja gōshi-sha chōsa oyobi jōshin naisoku (15. Juli 1944), In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 42–56; Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saishin-tachi, S. 101–102. 112 Ebenda. Wobei im letzten Fall zu fragen ist, wie eine vorbehaltliche Erhebung zu einer Gottheit wieder rückgängig gemacht werden könnte. Interessanterweise vertritt der Yasukuni heute in Anbetracht zahlreicher juristischer Auseinandersetzungen um von Hinterbliebenen gewünschten Ausschreinungen die Position, dies sei zeremoniell nicht durchführbar. Vgl. unten Kap. 6.3. 113 Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saishin-tachi, S. 104. 114 Vgl. zum sog. Zwischenfall der Sophia-Universität Krämer, Hans Martin: Unterdrückung oder Integration?, S. 17–42.
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Offizier abzog, ohne einen Nachfolger zu benennen. Damit entwickelte sich die Angelegenheit für die von Jesuiten betriebene und von Studiengebühren abhängige Universität zu einer ernsthaften Bedrohung, denn binnen eines Jahres sank die Zahl der neu immatrikulierten Schulabsolventen in Folge dieses Konfliktes auf etwas über ein Drittel. Das Problem wurde erst beigelegt, als sich die SophiaUniversität unter anderem verpflichtete, „dass alle Studenten die nationalen Heiligtümer als Ausdruck zivilen Glaubens besuchen“, und einen „wahrhaft nationalen Unterricht durchzuführen.“115 In seinem Kern ging es bei diesem Konflikt um die Fragen der Verbindlichkeit des Staatsshintō auf der einen und des Verhältnisses von Shintō und anderen Religionen, hier konkret des Christentums, auf der anderen Seite. Das Problem der Verbindlichkeit des Staatsshintō reicht dabei bis in die Meiji-Zeit zurück. Die Meiji-Verfassung 1889/90 garantierte in Art. 28 die Religionsfreiheit: „Japanische Untertanen sollen Freiheit in religiösem Glauben haben, soweit er nicht störend auf Friede und Ordnung einwirkt und den Pflichten als Untertan nicht zuwider ist.“116 Vor diesem Hintergrund war es juristisch notwendig, den Staatsshintō eben nicht zu einer Religion zu erklären, sondern vielmehr zu einem staatlichen Kult und zu einer Pflicht der Untertanen. Diese juristische Wendung zeitigte in vielerlei Hinsicht Folgen: Erst so war es möglich, aber auch notwendig, etwa shintōistische Glaubensinhalte in den Schulen im Geschichts- oder im Moralkundeunterricht zu vermitteln, während ein Religionsunterricht – der sich in dieser Kategorisierung vor allem auf Buddhismus oder das Christentum bezogen hätte – seit 1899 de jure verboten war. Da die Schreinpriester an den staatlichen Schreinen den Status von Staatsbeamten hatten, war es nur folgerichtig, die Regelung administrativer Belange durch das Amt für Schreinangelegenheiten seit der Mitte der Meiji-Zeit im Innen- und nicht im Kultusministerium anzusiedeln. Und aus der Meiji-Verfassung selbst konnte eine Pflicht zum Besuch bei Schreinen abgeleitet werden, durfte die Religionsfreiheit doch den Pflichten des Untertanen keinen Abbruch tun. Insofern, und das macht die besondere Relevanz des Sophia-Zwischenfalls von 1932 aus, betraf die Frage des Besuches des YasukuniSchreines in einem ganz anderen Sinne als in den Staaten Europas oder den USA auch die Frage des Verhältnisses des Einzelnen zu Staat und Nation, aber auch den Legitimationsmustern der staatlichen Ordnung. Der sog. Zwischenfall der Sophia-Universität belegt dabei, wie eng die strukturellen Spielräume für abwei-
115 A. a. O., S. 19. 116 Die Verfassung des Kaiserreiches Japan, In: Stead, Alfred: Unser Vaterland Japan. Ein Quellenbuch, geschrieben von Japanern, Leipzig: E. A. Seemann 1904, S. 685–689, hier S. 686.
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chendes Verhalten in Bezug auf die Teilnahme am Gefallenengedenken im Japan des Asiatisch-Pazifischen Krieges sein konnten.
4.2.4 Militärschreine Durch die shōkon-Zeremonien wurden seit der Bakumatsu-Zeit Gefallene oder Soldaten, die ihren Verwundungen erlegen waren, zu Göttern erhoben, als welche sie im Yasukuni, den gokoku- und shōkon-Schreinen und den chūkon-hi verehrt wurden. Typisch für ihre Apotheose war, dass sie in diesen Schreinen exklusiv verehrt wurden. Dieses Prinzip wurde jedoch in Form der sog. „Militärschreine“ (einai jinja, wörtlich „Schrein in der Kaserne“ oder „Schrein im Lager“) in zweierlei Hinsicht aufgeweicht. Bei den Militärschreinen, über deren Existenz wegen fehlender Quellen kaum etwas bekannt ist und die entsprechend bisher nur selten Gegenstand der Forschung geworden sind, handelte es sich um (meist kleine) shintōistische Schreinanlagen in militärischen Einrichtungen, etwa auf dem Gelände von Kasernen, Offiziersschulen oder auch an Bord von Schiffen der Marine.117 Erste einai jinja gab es bereits in der späten Meiji-Zeit und in der Taishō-Zeit, 94 % der heute noch bekannten 150 Schreine hingegen wurden erst zwischen dem Beginn der Shōwa-Zeit und dem Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges angelegt.118 Religionsgeschichtlich müssen sie zum Teil im Kontext der Gehöftgottheiten (yashiki-gami), von Fruchtbarkeitskulten (Inari-Kult) und dem Kult des Krieger- und Schutzgottes Hachiman gesehen werden, so dass die Vermutung naheliegt, dass mit der Anlage der Militärschreine ältere lokale Kultplätze überformt bzw. integriert wurden. In den meisten Fällen wurden in ihnen mehrere Gottheiten verehrt, vor allem die Sonnengöttin Amaterasu ō-mikami, der Hauptgott der irdischen Götter Ōkuninushi oder eben der Fruchtbarkeits- und Reisgott Inari. Hierzu wurden von den entsprechenden Heiligtümern dieser Gottheiten wie dem Ise-Schrein usw. Inkarnationen in neue Gottkörper transferiert (bunrei) und in die Militärschreine überführt. Neben diesen „klassischen“ Shintō-Gottheiten wurden in den einai jinja die Toten der jeweiligen militärischen Einheit, die den
117 Vgl. als explorativen Studien zu den Militärschreinen Sakai, Hisayoshi: Einai jinja nado no sōken, In: Sekizawa, Mayumi (Hg.): Sensō taiken no kiroku to katari ni kan-suru shiryō-ron-teki kenkyū (= Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan kenkyū hōkoku 147), Sakura: Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-kan 2008, S. 315–374; Motoyasu, Hiroshi: Einai jinja to chiiki shakai. ‚Gunto‘ Kanazawa no jirei o chūshin ni, In: a. a. O., S. 269–314. 118 Vgl. die Übersicht über die Militärschreine bei Sakai, Hisayoshi: Einai jinja nado no sōken, S. 366–371.
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Schrein unterhielt, als kami eingeschreint. Damit begann hier die Praxis, die militärischen Toten nicht mehr exklusiv religiös zu verehren, sondern sie anderen Göttern gleichzustellen. An der Einschreinung der Toten wirkte der Yasukuni mit.119 Hierzu musste die Einheit dem Schrein eine detaillierte Liste vorlegen, wer eingeschreint werden sollte (mit den persönlichen Angaben wie den Sterbedaten usw.). Diese wurde mit dem „Götterregister“ des Yasukuni abgeglichen, bevor der Yasukuni seinerseits einen „Gottkörper“ (shintai)120 als mitamashiro für den neuen Schrein anfertigte, wobei der Yasukuni – im Gegensatz zu Schreinen wie Ise – betonte, dass es sich dabei nicht um eine Teilung der Seele (bunrei) handele. Darüber hinaus ist eine zweite bemerkenswerte Änderung zu beobachten. Zahlreiche Einheiten wünschten, dass neben den Gefallenen auch in Friedenszeiten im Dienst Umgekommene (junshoku-sha) – insbesondere bei Unfällen etwa in den Flugschulen Verstorbene – verehrt würden, die traditionell nicht Gegenstand einer Apotheose des Yasukuni werden konnten. Trotzdem wurden sie hier durch den Yasukuni Personen, die einer Kriegsverletzung erlegen sind, gleichgestellt und in das „Götterregister“ bzw. „Seelenregister“ (reiji-bo) aufgenommen und damit schließlich auch eingeschreint.121 Während auf diese Weise die Militärschreine auch zu inoffiziellen Zweigschreinen des Yasukuni wurden, wurde hier erstmals die Exklusivität des Yasukuni aufgeweicht. Damit wurden bereits vor 1945 Präzedenzfälle für eine Praxis geschaffen, die nach dem Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges von den Landesverteidigungsschreinen weitergeführt werden sollte (vgl. unten Kap. 6.3).
4.2.5 Denkmäler In der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges stieg die Zahl der Neuerrichtung von chūkon-hi und anderen Denkmälern für die Gefallenen trotz des sprunghaften Anstiegs der Zahl der Kriegstoten nicht mehr signifikant an, sondern verblieb in etwa auf dem Niveau der Zwischenkriegszeit. Diese Tatsache ist vor allem auf zwei Sachverhalte zurückzuführen. Erstens behielt die bürokratische Vorgabe, wonach es je Kommune nur ein Denkmal für die Gefallenen dieser Gemeinde geben solle, ihre Gültigkeit. Diese Denkmäler waren seit der späten Meiji-Zeit, konkret vor allem nach dem Ende des Russisch-Japanischen Krieges, bereits
119 Vgl. hierzu a. a. O., S. 332–336. 120 Traditionell handelte es sich auch hier wieder meist um einen Spiegel, in einem Fall auch um ein Schwert. 121 A. a. O., S. 335–336.
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zahlreich errichtet worden. So wurden etwa in der Präfektur Tōkyō in der MeijiZeit (1868–1912) insgesamt 183 Denkmäler, in der Taishō-Zeit (1912–1926) 33 und in den ersten zwanzig Jahren der Shōwa-Zeit (bis 1945) nur noch 38 Denkmäler gestiftet.122 Im Vergleich dazu ist in der deutlich ländlicher geprägten Präfektur Kanagawa zwar ein Anstieg in der frühen Shōwa- im Vergleich zur Taishō-Zeit in absoluten Zahlen zu erkennen, im Jahresdurchschnitt (3,8 neu errichtete Denkmäler pro Jahr in der Taishō-Zeit zu 3,7 Denkmälern in der frühen Shōwa-Zeit) jedoch ebenfalls keine signifikante Verschiebung zu beobachten.123 In Chiba nahm die Zahl der in einem Jahr errichteten Denkmäler im Vergleich zur TaishōZeit sogar noch ab.124 Neben der bürokratischen Beschränkung konzentrierte sich zweitens die Errichtung neuer Gedenkanlagen seit den 1930er Jahren auf die chūrei-tō, die als Sammelgrabanlagen für die sterblichen Überreste von Gefallenen konzipiert waren (vgl. oben Kap. 4.3.2). Hierdurch standen sie stärker in einer buddhistischen Tradition und damit im Gegensatz zu den eher shintōistischen Traditionen verpflichteten Denkmalsanlagen. Während also das massenhafte Sterben im Asiatisch-Pazifischen Krieg keinen wesentlichen Impuls für die Errichtung neuer Denkmäler darstellte, veränderte sich die rituelle Praxis jedoch signifikant. Obwohl seit der Meiji-Zeit seitens der staatlichen Verwaltung sehr großer Augenmerk darauf gerichtet worden war, die Transformation von chūkon-hi zu religiösen Stätten zu verhindern, ist seit den 1930er Jahren genau diese Tendenz zu beobachten.125 Sie werden nun – analog zum Yasukuni-Schrein oder zu den Landesverteidigungsschreinen – Ziel von „Pilgerbesuchen“ (sanpai) und Objekt von (primär shintōistischen) Zeremonien (reihai). Dies zeigt sich besonders eindrücklich an der seit Beginn der 1930er Jahre verstärkt zu beobachtenden Verbindung von Gefallenengedenken mit dem Schulsystem. Etwa die Hälfte der chūkon-hi war auf dem Gelände von Schulen errichtet worden, so dass die enge Verzahnung von Bildungssystem und politischem Totenkult auch in Bezug auf Denkmäler bereits eine lange Tradition hatte.126 Neu war, dass seit Beginn der 1930er Jahre chūkon-hi auch explizit in Dokumenten der Ministerialbürokratie oder der Schulen als „Objekte des Lernens“ bezeichnet wurden. So hatten sich die Schüler nun beim Passieren eines Denkmals zu verbeugen. Vor den chūkon-hi wurden Zeremonien wie Feste zum Herbeirufen der Seelen (shōkon-sai) oder das Yasukuni-Fest (Yasukuni-sai), das zeitlich pa-
122 Yasukuni jinja (Hg.): Tōkyō-to chūkon-hi nado konryū chōsa-shū, S. 277–278. 123 Yasukuni jinja (Hg.): Kanagawa-ken chūkon-hi nado konryū chōsa-shū, S. 309–310. 124 Chiba-ken gokoku jinja/Ebine, Isao: Chiba-ken no chūkon-hi, S. 453–454. 125 Kagotani, Jirō: Senbotsu-sha-hi to chūkon-hi, S. 48–51. 126 Vgl. oben Kap. 2.2.4.
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rallel zum Großen Frühjahrs-Schreinfest in Tōkyō durchgeführt wurde, abgehalten; hierbei wurden Kaiserliche Erlasse usw. verlesen, Blumen niedergelegt und Opfergaben dargebracht.127 In diesem Kontext wurden die Anlagen z. T. auch baulich verändert, etwa durch die Hinzufügung von Blumenvasen und Tischen aus Stein usw. Schließlich gehörte auch die Säuberung der Denkmäler und ihres Umfeldes seit den 1930er Jahren fest zum schulischen Programm. Die enge Verknüpfung von Gefallenengedenken und Erziehungssystem zeigte sich übrigens auch an anderer Stelle. Bereits erwähnt wurde, dass Trauerfeiern nicht selten auf Schulhöfen durchgeführt wurden; Schüler nahmen sowohl an diesen Trauerfeiern und öffentlichen Bestattungen als auch an den „wortlosen Triumphzügen“ (mugon no gaisen) teil, mit denen die Asche der Gefallenen in den Hafen- und Regimentsstädten geehrt wurde (vgl. oben Abb. 16 S. 175). Darüber hinaus wurden insbesondere in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges in den Schulen sogenannte eirei-shitsu („Heldenseelenzimmer“, bisweilen auch die Aula) angelegt, die mit Photographien der Gefallenen der jeweiligen Schule geschmückt waren und die Gegenstand der Verehrung durch Lehrer und Schüler wurden.128 So wurden vor ihnen Zeremonien ab- und Ansprachen gehalten, etwa auch kaiserliche Proklamationen verlesen. Oft waren sie analog zu den Bildern des Kaiserpaares und zum Kaiserlichen Erziehungserlass von 1890 durch einen Vorhang geschützt, was die Göttlichkeit der Heldenseelen zusätzlich unterstrich. Die Reden, die bei den Einweihungsfeierlichkeiten für Denkmäler, Bestattungen usw. gehalten wurden, blieben auch in dieser Phase standardisiert und waren aus (für den Zuhörer bzw. Leser erkennbaren) Textbausteinen zusammengesetzt, welche das offizielle staatliche Deutungsangebot des Gefallenenkultes in Form von festgelegten Schlagworten reflektierten. Dies belegt etwa folgender Vorschlag für eine Rede zur Einweihung eines chūkon-hi in der 14. Auflage der „Sammlung von Grußworten und Reden bei Zeremonien im Krieg“ (Senji-ka no shikiji aisatsu enzetsu-shū) von Nagano Mitsunori von 1939 eindrücklich: „‚Geh ich zum Meer, bin ich bereit, als Leiche im Wasser zu treiben, zu den Bergen bin ich bereit, von Gras überwachsen zu werden. An der Seite des Herrschers, nur hier, will ich sterben, ohne mich umzuschauen‘ sagt man, ja, sich selbst für Kaiser und Reich zu opfern ist von alters her ein Charakteristikum der Soldaten unseres Landes. Und weil dies so ist haben, denke ich, unsere Soldaten, die sich, beginnend mit dem beiden großen Feldzügen gegen China und Russland, dann im Mandschurischen Zwischenfall bis zum nunmehrigen Chinesischen Zwischenfall für Kaiser und Reich, für den Erhabenen Herrscher aufgeopfert haben, dies ohne das geringste Bedauern getan. Darüber muss man betonen, dass sie, wenn
127 Kagotani, Jirō: Senbotsu-sha-hi to chūkon-hi, S. 48–53. 128 Vgl. Kawamura, Seisen no ikonogurafi, S. 220–222.
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sie im Yasukuni-Schrein als Götter der Landesverteidigung verehrt werden und sie damit ihren Namen auf ewig in das Buch der Geschichte eingetragen haben, zwar tot sind, ihr Ruhm aber auf ewig weiterlebt. Jedoch waren die gefallenen Helden doch Männer in der Blüte ihrer Jugend, mit viel versprechender Zukunft. Gleichwohl kann ich persönlich meine tiefe Trauer, dass sie auf halben Wege ums Leben kamen, kaum verbergen. Um die Heldenseelen im Jenseits ein wenig zu besänftigen, haben in unserer Stadt Gleichgesinnte gemeinsam geplant und einen chūkon-hi errichtet. Jetzt haben wir den chūkon-hi fertiggestellt, der nun einen Ort unserer Stadt schmückt. Wohl werden diejenigen, die ihn anbeten (ehren, verehren) den loyalen Geist reflektierend sich erheben (sich aufraffen). So ist dieses Unternehmen wahrhaft ein erfolgreiches staatliches Werk. Deswegen hat die Errichtung des chūkon-hi eine wirklich wichtige Bedeutung. Ein wenig mein Gefühl zusammenfassend, möchte ich mich für die Ehre Ihrer Anwesenheit bedanken.“129
Vor allem drei Elemente belegen, wie stark sich dieser Vorschlag für eine Rede zur Einweihung eines Denkmals an den offiziellen staatlichen Deutungsmustern orientierte. Sie beginnt erstens mit einem Zitat des Liedes Umi yukaba, dessen Text neben der Kirschblüte eine der wichtigsten Metaphern für die Kampf- und Todesbereitschaft der japanischen Streitkräfte war. Zweitens wird in der Rede das Opfer für Kaiser und Reich (kunkoku no tame ni) als ein überzeitliches Charakteristikum der japanischen Truppen beschrieben, wodurch die Kriegstoten in eine Reihe mit den Helden der japanischen Geschichte gestellt werden. Auch an dieser Stelle verschränkt sich die historische Deutungsfigur mit den auf die Tradition bezogenen Legitimationsmustern der politischen Ordnung. Durch die Einschreinung in den Yasukuni avancieren die Gefallenen drittens zu Göttern der Landesverteidigung (gokoku no kami). Als solche sei ihnen ein dauerhaftes, ruhmvolles Erinnern sichergestellt. Damit belegt auch diese an erkennbaren Phrasen reiche Rede, wie sehr offizielle Legitimationsstrategien des Gefallenenkultes die öffentliche Sprache in der Zeit des totalen Krieges durchsetzten.
4.2.6 „Götter des Krieges“ im Asiatisch-Pazifischen Krieg Neben den skizzierten allgemeinen Veränderungen finden sich auch während des Asiatisch-Pazifischen Krieges „Götter des Krieges“ (gunshin bzw. gunjin) wieder, die seit der Zeit der nationalstaatlichen Kriege gegen China und Russland – neben den historischen Heroen aus Altertum und Mittelalter – ein wichtiges
129 Nagano, Mitsunori: Chūkon-hi jomaku-shiki shukuji sakurei. In: Nagano, Mitsunori (Hg.): Senji-ka no shikiji aisatsu enzetsu-shū. 14. Aufl. Tōkyō: Fubun-kan shoten 1939, S. 168–169.
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Element des politischen Totenkultes darstellen. Bei den vorangegangenen militärischen Konflikten wurden durch das Militär und die Öffentlichkeit entweder militärisch erfolgreiche Feldherren (wie Nogi Maresuke oder Tōgō Heihachirō) oder aber mittlere Offiziere (wie Fregattenkapitän Hirose Takeo), die sich vorbildlich für ihre Untergebenen eingesetzt und dabei ihr Leben verloren hatten, zu gunshin erhoben. Nun kam eine neue Kategorie hinzu: kleine oder größere Gruppen von Militärs, welche für das Erreichen eines bestimmten taktischen Ziels im Kampf gestorben waren.130 Dabei spielte es keine Rolle mehr, ob es sich um einfache Soldaten oder Offiziere handelte. Bereits kurz nach dem Ausbruch der Kämpfe auf dem asiatischen Festland, während des sog. Shanghai-Zwischenfalls 1932, wurden die ersten der neuen „Götter des Krieges“ der Shōwa-Zeit geschaffen. Drei jungen Soldaten des 18. Pionierbataillons wurde am 22. Februar 1932 von ihrem Vorgesetzten befohlen, eine Bresche in einen chinesischen Stacheldrahtverhau, der das Vorrücken der japanischen Truppen aufhielt und bereits zahlreiche Opfer gefordert hatte, zu sprengen.131 Dabei hatte die Sprengladung eine zu kurze Zündschnur, so dass sie bei der Explosion selbst ums Leben kamen. Augenzeugen zu Folge hatten sie eigentlich versucht, eine andere Sprengladung zu nutzen, doch befahl ihr Vorgesetzter die Verwendung dieser Ladung, welche die drei schließlich in den Tod riss. In der offiziellen Darstellung des Heeres hingegen hatten sie sich entschieden, die Sprengladung zu zünden und mit ihr in die feindliche Stellung zu stürmen, als sie erkannt hatten, dass sie die Ladung nicht mehr zünden könnten, wenn sie einmal an der Stellung angebracht worden wäre.132 Als nur wenige Tage darauf die Zeitungen die Geschichte (in der offiziellen Version) abdruckten, begann damit eine bis dato in Japan einmalige massenmediale Inszenierung. Die „Drei menschlichen Bomben“ (San-nikudan) oder die „Drei Helden der Sprengladung“ (Bakudan san-yūshi), wie sie nun genannt wurden, wurden allein im März 1932 Gegenstand acht verschiedener Filme, darüber hinaus diverser Theaterstücke, mindestens sechs verschiedener Lieder, zahlloser Zeitungsartikel, von Reportagen in Zeitschriften und von Romanen. Die Zeitungen Ōsaka Asahi und Ōsaka Mainichi allein sammelten für die Hinterbliebenen durch Spendenaufrufe die damals gewaltige Summe von über 65.000 Yen; auch Grundschüler sammelten Geld und übergaben sie an Offiziere, die die Beträge weiterleiten sollten.133 Die Angehörigen wurden hierdurch ebenfalls Gegenstand der Berichterstattung. Schließlich wurden ihnen mehrere Denkmäler
130 Shintani, Takanori: O-sōshiki, S. 228–248 und oben Kap. 3.4. 131 Vgl. Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. 189–260; Earhart, David C.: Certain Victory, S. 76–78. 132 Ebenda. 133 Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. 193.
4.2 Gefallenenkult
269
errichtet und sogar ein Gericht in einer Cafeteria in Ōsaka nach ihnen benannt (vgl. Abb. 42).134 Eine besondere Ehrung wurde ihnen zuteil, als sie posthum nicht nur einen, wie es im Falle des Kriegstodes üblich war, sondern gleich zwei Ränge befördert wurden, ein bis dato einmaliger Akt in der modernen japanischen Militärgeschichte. Auch habe sich, wie Heeresminister Araki Sadao zu berichten wusste, der Tennō gerührt gezeigt.135 Tenor der medialen Darstellung in Bezug auf die „Drei menschlichen Bomben“ war, dass sie einen überzeitlichen japanischen Geist (Yamato damashii) verkörpert und sich so in die lange Ahnlinie japanischer Helden seit dem Altertum eingereiht hätten.
Abb. 42: Bronzeskulptur der Nikudan san-yūshi, Seishō-ji, Tōkyō (1934)
Hatte im Mandschurischen Zwischenfall die japanische Bevölkerung die Heroisierung spezieller Gefallener als gunshin in Form der „Drei menschlichen Bomben“ getragen, ist für den Zweiten Chinesisch-Japanische Krieg eine geringere Bereitschaft der Bevölkerung festzustellen, einzelne Gefallene in der Öffentlichkeit nach ihrem Tod besonders herauszustellen, obwohl es etwa in Gestalt des Panzerkommandanten Nishizumi Kōjirō, der mit seinem Panzer in China an über dreißig
134 Zu den Denkmälern a. a. O., S. 239–260. 135 A. a. O., S. 194.
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4 Gefallenenkult im totalen Krieg
Kämpfen teilgenommen hatte, bevor er 1938 ums Leben kam, seitens des Heeres analoge Versuche gab und Nishizumi auch erstmals offiziell als gunshin bezeichnet wurde.136 Das sollte sich erst nach dem Ausbruch des Pazifischen Krieges ändern, als nun Angehörige der Tokubetsu kōgeki-tai („Sondereinheit für Angriffe“) besonders herausgestellt wurden. Der erste (freilich noch keineswegs als solcher intendierte) „Selbstmordangriff“ japanischer Marineeinheiten war durch fünf KleinstU-Boote im Zuge des Überfalls auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 erfolgt. Dieser hatte sein taktisches Ziel verfehlt, da wahrscheinlich keines der U-Boote in den gut gesicherten Hafen eindringen konnte.137 Neun der zehn Mann Besatzung hatten dabei ihr Leben verloren, nur einer, Sakamaki Kazuo, konnte sich aus seinem sinkenden Boot retten und war in Kriegsgefangenschaft geraten.138 Zuerst erfuhr die japanische Öffentlichkeit aus Gründen der Geheimhaltung von ihrem Schicksal nichts. Erst nach drei Monaten, nachdem das Kaiserliche Hauptquartier die Taktik des Angriffs mit Kleinst-U-Booten bekanntgegeben hatte, begannen die Medien unter Anleitung bzw. Mitwirkung staatlicher und militärischer Stellen wie des Nachrichtenbüros der Marine am 7. März 1942 mit einer umfangreichen Berichterstattung. Bald bürgerte sich für sie die Namen „Neun Götter des Krieges“ (kyūgunshin) und „Neun Pfeiler der Shōwa-Zeit“ (Shōwa no kyū-bashira) ein, wobei der Begriff hashira (Pfeiler), da es sich bei ihm um das Zählwort für Götter handelt, unmittelbar auf ihre Apotheose verwies. Auch sie wurden, wie die „Drei menschlichen Bomben“, um zwei Ränge befördert und sie erhielten, obwohl ihre Leichname nicht geborgen worden waren, am 8. April durch die Marine ein öffentliches Begräbnis im Hibiya-Park, bei dem ihai (also im Vorfeld zu diesem Zweck aufbewahrte Fingernägel, Haare o. ä.) der Verstorbenen Verwendung fanden. Sowohl mit der Wahl des Ortes als auch im Ritus knüpfte die Marine wieder an das Prozedere, das bei Fregattenkapitän Hirose etabliert worden war, an.139 An der Zeremonie selbst nahmen, neben den Hinterbliebenen, Premierminister Tōjō Hideki, Marineminister Shimada Shigetarō und der Chef des Admiralstabs Nagano Osami teil, sowie,
136 1940 wurde auch über ihn ein eigener Spielfilm produziert, vgl. Dower, John W.: Japanese Cinema goes to War, S. 36–38. 137 Umstritten ist, ob es einem von ihnen, dem I 16, doch gelungen ist, in den Hafen einzudringen und seine Torpedos abzufeuern. Seine Überreste wurden bis heute nicht aufgefunden. Offiziell wurde ihm seitens der japanischen Marine die Versenkung eines US-Schlachtschiffes, wahrscheinlich der USS Arizona, zugeschrieben. Vgl. Earhart, David C.: Certain Victory, S. 414–415. 138 Straus, Ulrich A.: Anguish of Surrender, S. 8–16. 139 Vgl. zur öffentlichen Beisetzung Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. 284–290. Üblicherweise fanden Trauerfeiern bzw. Bestattungszeremonien der Marine in den jeweiligen Häfen statt; eine Feier im Hibiya-Park in Tōkyō hatte es zuletzt im Falle Hiroses gegeben. Er war freilich bis dato auch der einzige gunshin der Marine gewesen.
4.2 Gefallenenkult
271
nach zeitgenössischer Berichterstattung, über 100.000 „gewöhnliche Bürger“.140 In Zeitungen und Zeitschriften wurden ihre Photos, Namen und Geburtsorte abgedruckt, zum Teil auch ihre Abschiedsgedichte, -briefe und -kalligraphien, die sie der Tradition entsprechend angefertigt hatten. Wurde also zum einen direkt an die Tradition der gunshin aus der Zeit des Ersten Chinesisch-Japanischen und des Russisch-Japanischen Krieges angeknüpft, gab es zum anderen doch auch signifikante Verschiebungen. Erstens findet in einem gewissermaßen offiziösen Artikel zu den „Neun Pfeilern der Shōwa-Zeit“, verfasst vom Chef des Informationsbüros der Marine Hirade Hideo für die Zeitschrift Shashin shūhō (Illustriertes Wochenmagazin), dem Publikationsorgan des Informationsbüros des Kabinetts, eine bemerkenswerte Umdeutung der Gefallenen statt.141 In ihm formulierte Hirade: „Der Geist des ‚an der Seite meines Herrschers will ich sterben‘ […] Egal, wie lange der Großostasiatische Krieg andauert, egal, wie stark der Feind auch werden wird: Diese Helden trafen eine feste Entscheidung, als das Vaterland (sōkoku) sie brauchte. Sie würden sieben Leben für die Nation geben, egal, wie oft sie tatsächlich in dieser Welt wiedergeboren werden, diese tapferen Krieger, denen man die Verteidigung des Landes anvertrauen konnte. Es ist wahrhaft beklagenswert, dass die Zahl der Leben, welche sie geben können, nicht so zahlreich wie das Haar auf ihren Häuptern ist. Die Helden der Sondereinheit für Angriffe sind Götter des Krieges (ikusa no kami) und zugleich Götter der Aufrichtung des Friedens (heiwa kensetsu no kami). Das, was nach dem Ende des Großostasiatischen Krieges kommen wird, muss ein ewiger Weltfriede (sekai eikyū no heiwa) sein. In genau jenem Moment werden diese ‚Götter des Krieges‘ zu ‚Göttern des Friedens‘ (heiwa no kami). Denn die Zerstörungen des Augenblicks sind keine Zerstörungen um der Zerstörung willen, sondern Zerstörungen um des Friedens willen. Diese Helden der Landesverteidigung sind Kinder von uns japanischen Bürgern (wareware Nihon kokumin), sind unsere älteren und jüngeren Brüder.“142
140 A. a. O., S. 285. 141 Hirade, Hideo: Junchū hi-nashi gunshin kyū-bashira. Tokubetsu kōgeki-tai ikun kashikoku mo jōbun ni tas-suru, In: Shashin shūhō 212 (1942), S. 3–7. Vgl. auch Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. 274–280; Earhart, David C.: Certain Victory, S. 415–419. 142 Hirade, Hideo: Junchū hi-nashi gunshin kyū-bashira, S. 7.; zur Umdeutung von „Göttern des Krieges“ zu „Göttern des Friedens“ siehe auch Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. 277. Bemerkenswert ist darüber hinaus auch der Gebrauch des Begriffes kokumin, der ebenfalls in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges an Bedeutung gewann. Er steht sowohl für den „Bürger“ als Individuum als auch für die „Nation“ als Ganzes. Er stellt in jenen Jahren keinen wirklichen Gegenbegriff zu shinmin (Untertan) dar, betont vielmehr die Einheit von Herrscher und Beherrschten. Siehe weiterführend zum Bürgerbegriff in Japan auch Hettling, Manfred/Schölz, Tino (Hg.): Bürger und shimin. Wortfelder, Begriffstraditionen und Übersetzungsprozesse im Deutschen und Japanischen, München: Iudicium 2015.
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4 Gefallenenkult im totalen Krieg
Während der Chef des Informationsbüros der Marine also in der Überschrift auf die dritte Zeile des Liedes Umi yukaba (vgl. oben Kap. 4.3) und im ersten hier zitierten Abschnitt auf die Abschiedsworte beim Selbstmord Kusunoki Masashiges verweist und damit an Traditionsbestände des klassischen Gefallenenkultes anknüpft, nimmt er mit der Gleichsetzung der „Götter des Kampfes“ mit „Göttern der Aufrichtung des Friedens“ eine signifikante Weiterung vor, welche die Umdeutungen der Nachkriegszeit, als die vergöttlichten Heldenseelen ebenfalls zugleich zu „Fundamenten des Friedens“ erklärt werden, gewissermaßen vorwegnimmt (vgl. unten Kap. 5.3). Darüber hinaus ist auch diese Zuschreibung ein Indikator dafür, dass der heldenhafte Tod nun zunehmend auch in Verbindung mit einer Ziel- und Zukunftsvision bzw. mit einer Benennung der Sinnhaftigkeit von Kampf und Tod interpretiert wurde bzw. werden musste. Hier deutete sich eine subtile Neuakzentuierung der Wertbezüge an, denn eine solche Aufwertung des Friedens im offen militaristischen Japan jener Tage war keinesfalls selbstverständlich. Zweitens ist eine Veränderung in den Medien der Repräsentation feststellbar. Während die „Neun Pfeiler der Shōwa-Zeit“ wie ihre Vorgänger in Form von Bildern und Filmen, Liedern und literarischen Texten verehrt wurden, wurden für sie während des Krieges weder Denkmäler noch, wie im Falle Hiroses, Schreine errichtet.143 Ob dies tatsächlich allein, wie Yamamuro Kentoku argumentiert, mit der prekären Rohstofflage des Landes erklärt werden kann, ist an Hand des gegenwärtigen Forschungsstandes nicht zu beantworten. Drittens erfolgte eine noch stärkere Einbeziehung der gunshin in die Erziehung. Wie schon in früheren Fällen fanden Narrative über die heroisierten Toten Eingang in den schulischen Unterricht oder wurden Gegenstand von Publikationen, die sich explizit an Kinder wandten.144 Neu war, dass bereits im Sommer 1942 Mitglieder der Jugendorganisation der Stadt Tōkyō (Tōkyō-shi seishonen-dan), einer Unterorganisation der „Unterstützungsvereinigung der kaiserlichen Herrschaft“, „Delegationen zur Verehrung der Götter des Krieges“ (gunshin keishō haken-dan) bildeten und aufs Land reisten, welche die Geburtshäuser und Heimatorte der „Götter des Krieges“ besichtigten und deren Hin-
143 Yamamuro, Kentoku: Gunshin , S. 331. 144 Als Beispiel für die Zeit vor dem Ausbruch des Pazifischen Krieges vgl. etwa die Beilage Yasukuni no hana („Blume des Yasukuni“) der Zeitschrift Shufu no tomo vom Mai 1939. Während das Deckblatt einen Jungen und ein Mädchen zeigt, wie sie sich vor dem Yasukuni-Schrein verbeugen, sind innen je auf einer Doppelseite die Geschichten des Panzerkommandanten Nishizumi, des Jagdfliegers Nangō, der Krankenschwester Takeuchi Kiyoko, von Kawasoe Shimako, die als Frau eines Bahnhofsvorstehers während des Mandschurischen Zwischenfalls das Büro ihres Mannes gegen chinesische „Banditen“ verteidigte und dabei ums Leben kam, und schließlich von Fregattenkapitän Hirose Takeo und von Regimentskommandeur Tachibana aus dem Russisch-Japanischen Krieg erzählt und illustriert.
4.2 Gefallenenkult
273
terbliebene besuchten.145 Sie wurden dabei von Journalisten begleitet, die z. T. reich bebilderte Reportagen über diese Besuche produzierten. Auf diese Weise wurden Kinder und Jugendliche unmittelbar auch in die Schaffung des Mythos der gunshin einbezogen, welcher so direkt der Indoktrination der Kinder und Jugendlichen dienen sollte. Im Gegenzug hatte diese Praxis aber auch zur Folge, dass insbesondere die Mütter der „Götter des Krieges“ eine zusätzliche und besondere Aufmerksamkeit erfuhren. Ihre Erziehung der späteren gunshin wurde als vorbildhaft herausgestellt, hatten sie doch erst das aufopferungsvolle Handeln der Söhne möglich gemacht, indem sie ihnen Opferbereitschaft und Loyalität beigebracht hätten.146 Dabei wurde die einfache Herkunft, meist aus ländlichen Regionen, in den Medien besonders betont, denn ein solcher sozialer Hintergrund erhöhte das Identifikationspotential. Insofern waren die „Götter des Krieges“ allen Angehörigen der Streitkräfte gleich, ihre Sonderstellung leitete sich lediglich davon ab, dass sie die Gelegenheit gehabt hatten, die allen Japanern innewohnenden Tugenden Loyalität und Mut demonstrieren zu können. So wurden auch die Familien der Hinterbliebenen, insbesondere die Mütter, und die Heimatgemeinden ein Element massenmedialer Repräsentation. Diese Verschränkung erhöhte im Gegenzug wiederum den sozialen Druck auf die „Freiwilligen“ bei Selbstmordeinsätzen – eine Entwicklung, die bereits in der Zeit des Russisch-Japanischen Krieges eingesetzt hatte. Sie gingen auf eine neue Weise nicht nur für Kaiser und Nation, sondern auch für ihre Familien, ihre Mütter und auch ihre Heimat (im Sinne ihrer Heimatgemeinden) in den Tod.147 Bezeichnend für die öffentliche Repräsentation der „Neun Pfeiler der ShōwaZeit“ ist aber viertens auch, dass Sakamaki Kazuo, der zehnte U-Boot-Fahrer, der als erster japanischer Soldat in amerikanische Gefangenschaft geraten war, geradezu mit einer damnatio memoriae belegt wurde.148 Die US-Behörden hatten entsprechend der Bestimmungen der Genfer Konvention über das Rote Kreuz die japanischen Behörden von der Gefangennahme in Kenntnis gesetzt. In den Medien wurde er mit keiner Silbe erwähnt. Seiner Familie wurde mitgeteilt, er sei zu einem streng geheimen Auftrag im Marinehafen Yokosuka abkommandiert worden und können deshalb keinen Kontakt zu ihr aufnehmen, 1944 wurde er offiziell in die Reserve versetzt. Doch obwohl sein Bild aus der Gruppenaufnahme der U-BootFahrer entfernt worden war, bevor sie an die Medien gegeben wurde, blieb es aufmerksamen Beobachtern nicht verborgen, dass es bei fünf Kleinst-U-Booten mit je
145 Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. 290–295. 146 Earhart, David C.: Certain Victory, S. 427; Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. 280–284. 147 Earhart, David C.: Certain Victory, S. 427. 148 Straus, Ulrich A.: Anguish of Surrender, S. 10–11.
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4 Gefallenenkult im totalen Krieg
zwei Mann Besatzung eine Differenz zu den neun Toten gab. So war das Schicksal Sakamakis zumindest unter den Offizieren der Marine ein offenes Geheimnis.149 Es sollte bis 1944 dauern, bis das japanische Militär wieder auf „Sondereinheiten für Angriffe“ setzte. Die militärische Lage im Pazifik hatte sich inzwischen dramatisch verschlechtert: Mit den verlorenen Schlachten von Midway, Guadalcanal und der beginnenden Offensive der alliierten Streitkräfte gegen die Philippinen waren mit den Flugzeugträgern wesentliche Teile der japanischen Flotte verloren, die See- und Lufthoheit an die Alliierten übergegangen. Gyokusai verzögerten zwar den gegnerischen Vormarsch und machten ihn verlustreicher, konnten ihn aber nicht aufhalten. Die neu geschaffenen Kamikaze-Einheiten sollten deshalb, so die Hoffnung der Militärführung, das Blatt wenden. In ihrem Namen Kamikaze tokkō-tai rekurrierten sie sowohl auf die „Sondereinheiten“ (tokkō-tai bzw. tokubetsu kōgeki-tai) als auch mit den „Götterwinden“ (kamikaze) auf die legendären Taifune, welche Ende des 13. Jahrhunderts die Versuche einer Invasion Japans durch die Mongolen unter Kublai Khan zu Nichte gemacht hatten.150 Neben den heute vor allem bekannten Flugzeugen, die sich auf gegnerische Schiffe stürzten, wurden auch spezielle fahrbare Torpedos (kaiten) entwickelt, die ebenfalls vom Piloten direkt ins Ziel gesteuert werden sollten.151 Während aber der offizielle staatliche Totenkult in Form des Yasukuni-Schreins keinen Unterschied zwischen den Toten machte, erfuhren sie in den Medien eine Sonderbehandlung, die an die gunshin früherer Konflikte erinnerte. So wurden nach einem Kamikaze-Angriff die Namen und Abschiedsgedichte der Gefallenen im Radio verlesen, ihre Photos, ihre Heimatorte, auch Details über ihre Kindheit in Zeitungen veröffentlicht.152 Damit waren sie als Individuen identifizierbar, ganz im Unterschied etwa zu den gyokusai-Einheiten, wo lediglich die kommandierenden Offiziere eine besondere Aufmerksamkeit erfuhren. Schließlich wurden auch die Verabschiedungen der Piloten ritualisiert, wobei eine spezifische sakrale Aura geschaffen wurde. So wurden besonders oft die shintōistischen Reinigungsrituale dargestellt, deren die Soldaten vor ihrem Abflug unterzogen wurden. Schließlich fertigten sie in aller Regel ein Abschiedsgedicht oder eine entsprechende Kalligraphie an, tranken ein Schälchen Sake, sangen mit ihren Kameraden ein Abschiedslied und starteten, während Schulkinder oder junge Frauen ihnen zum Lebewohl zuwinkten. Die so suggerierte Todesbereitschaft
149 Ebenda. 150 Vgl. zu den Kamikaze-Einheiten Ohnuki-Tierney, Emiko: Kamikaze, Cherry Blossoms, and Nationalisms; Scherer, Klaus: Kamikaze; Morris, Ivan: „Wie Kirschblüten im Frühling.“ 151 Ohnuki-Tierney, Emiko: Kamikaze, Cherry Blossoms, and Nationalism, S. 160–161. 152 Earhart, David C.: Certain Victory, S. 433.
4.2 Gefallenenkult
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knüpfte mit Elementen wie dem Abschiedsgedicht durchaus an Traditionen aus den Tagen der Samurai an und stellte sich mit Bezeichnungen wie kikusui (Chrysanthemenfluß bzw. Chrysantheme über Wasser), dem Wappen Kusunoki Masashiges, für ihre Angriffe in der Schlacht von Okinawa direkt in eine Linie mit den Helden der japanischen Vergangenheit.153 So sollte die Heimat motiviert werden, die Kriegsanstrengungen weiterhin zu tragen bzw. zu ertragen und am Tage der bevorstehenden „Entscheidungsschlacht um die Hauptinseln“ (Hondo kessen) ebenso mutig und selbstbeherrscht in den Tod zu gehen. Schließlich gab es, wie schon in der Zeit des Russisch-Japanischen Krieges, die Kategorie der Feldherren. In dieser Gruppe überstrahlte Admiral Yamamoto Isoroku bald alle anderen. Spätestens mit dem erfolgreichen Angriff auf Pearl Harbor avancierte der Oberkommandierende der Vereinigten Flotten (rengō kantai shirei chōkan) zu einem nationalen Helden, der in eine Reihe mit den heroisierten Befehlshabern der Meiji-Zeit gestellt wurde. Nachdem er durch Einheiten der US-Luftwaffe in der Operation Vengeance am 18. April über Bougainville auf einem Inspektionsflug abgeschossen worden war, wurden seine sterblichen Überreste vor Ort eingeäschert und an Bord des Schlachtschiffes Musashi nach Japan überführt. Erst kurz vor deren Ankunft in Tōkyō wurde die Öffentlichkeit informiert, die sich schockiert zeigte. Zehntausende säumten den Weg, als seine Asche durch die Straßen der Hauptstadt gefahren wurde, zwischen 20.000 und 30.000 Menschen erwiesen in den darauffolgenden Tagen den im Gebäude der Suikō-sha aufgebahrten sterblichen Überresten die letzte Ehre.154 Anschließend erhielt Yamamoto ein Staatsbegräbnis (kokusō), das ebenfalls – wie bei Hirose Takeo, den „Neun Pfeilern der Shōwa-Zeit“ oder bei Tōgō Heihachirōs Staatsbegräbnis 1934 – im Hibiya-Park durchgeführt wurde. Auch diesmal waren Mitglieder des Kaiserhauses, die Spitzen der Verfassungsorgane, Minister und Vertreter des diplomatischen Korps sowie die offiziellen Vertreter von über 140 Organisationen anwesend. Insgesamt versammelten sich etwa 100.000 Menschen, obwohl
153 Weber, Till: Kusunoki Masashige, S. 28. Die Namen der Einheiten lassen sich in Kategorien unterteilen: Erstens Bezeichnungen, welche Japan symbolisieren (z. B. Yamato, Asahi), zweitens Termini, die auf den Tennō rekurrieren, wie Shōwa oder kōkon (Seele des Kaisers), drittens Bezeichnungen, welche die Haltung des Soldaten gegenüber dem Tennō zum Ausdruck bringen, wie Loyalität und Tapferkeit (chūyū), und schließlich die hier besonders wichtigen Symbole für den Tod für den Tennō, etwa die Kirsche (Yamazakura), mitate (Schild des Kaisers), gokoku (Schutz des Landes) oder eben kikusui (Chrysanthemenfluß). Ohnuki-Tierney, Emiko: Kamizake, Cherry Blossoms, and Nationalism, S. 164–165. 154 Yamamuro, Kentoku: Gunshin, S. 306. Die Suikō-sha war eine Vereinigung ehemaliger Offiziere und Unteroffiziere der Marine, ihr Gegenstück beim Heer war die Kaikō-sha.
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ursprünglich nur 20.000 zugelassen worden waren.155 Die Trauerfeier wurde live in den gesamten japanischen Herrschaftsbereich übertragen, und zum Abschluss der Übertragung wurde landesweit, in Schulen und Betrieben, eine Schweigeminute gehalten, bevor alle das Lied Umi yukaba anstimmten.156 Yamamotos Asche wurden anschließend geteilt und zum einen auf dem Tama-Friedhof neben Tōgō Heihachirō, dem Sieger der Seeschlacht von Tsushima 1905, zum anderen im Familiengrab in Nagaoka (Präfektur Niigata) beigesetzt. Zugleich wurde er posthum zum Großadmiral (gensui) befördert.
4.3 Stellung und Funktion der Hinterbliebenen Der sprunghafte Anstieg der Zahl der Gefallenen im Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg und vor allem nach dem Ausbruch des Pazifischen Krieges bedeute zwangsläufig auch die Zunahme der Zahl der Hinterbliebenen. Diese quantitative Zunahme stellte sowohl die Politik als auch die gesellschaftlichen Träger des Totengedenkens vor große Herausforderungen. Ließen sich die in Zeiten begrenzter nationalstaatlicher Kriege entwickelten Formen des Umganges mit den Familien der Hinterbliebenen, die Sozialfürsorge und ehrendes Totengedenken einschlossen, auch unter den Bedingungen totaler Kriegführung aufrechterhalten? Und wie ließ sich gewährleisten, dass ihre schiere Zahl keine Gefahr für die „geistige Mobilmachung“ der Nation darstellte? Welche Bedeutung hatten schließlich die Herausforderungen durch die gestiegene Zahl der Gefallenen und Hinterbliebenen und die Zentralisierungsbemühungen des Staates im Kontext der „Neuen Ordnung“ für die Interaktion zwischen der Bürokratie und den gesellschaftlichen Akteuren des Gefallenengedenkens? Die dramatisch gestiegene Zahl der Hinterbliebenen stellte für die japanische Bürokratie wie auch die gesellschaftlichen Träger des Totengedenkens konkret zunächst in zweierlei Hinsicht ein Problem dar. Zum einen handelte es sich um eine ökonomische Dimension in Form der zahlreichen Unterstützungszahlungen und finanziellen Sondergratifikationen, welche aus Anlass früherer militärischer Konflikte eingeführt worden waren.157 Verbunden mit der ökonomischen war auch eine soziale Dimension in Form von Konflikten innerhalb der Familien, die mit dem Voranschreiten des Asiatisch-Pazifischen Krieges immer häufiger zu regelrechten „Streitereien der Hinterbliebenen“ (izoku funsō) eskalierten und
155 A. a. O., S. 307. 156 A. a. O., S. 308. 157 Siehe hierzu Kishimoto, Masaya: Senzen-ki senbotsu-sha izoku engo seido no enkaku.
4.3 Stellung und Funktion der Hinterbliebenen
277
die sowohl die Bürokratie als auch die mit der Betreuung von Hinterbliebenen befassten gesellschaftlichen Organisationen beschäftigten. Hintergrund dieser Konflikte war die rechtliche Regelung, wonach die Familien je nach Zahl ihrer Mitglieder (und, nota bene, nach Bedürftigkeit) staatliche oder von der Gesellschaft aufgebrachte Unterstützungsleistungen erhielten. Das Festhalten am patriarchalischen Familiensystem bedeutete dabei, dass in der Regel der Vater des Gefallenen (und nicht dessen Witwe oder Waisen) direkt Zielperson und Ansprechpartner der Verwaltung darstellte. Staat und Gesellschaft reagierten auf diese Herausforderungen mit einer Verdichtung von normativen Vorgaben, deren berühmtestes Beispiel die „Prinzipien zur Führung von Hinterbliebenen von Kriegsgefallenen“ (Senbotsu-sha izoku shidō yōkō) sind, die im Januar 1941 den zuständigen lokalen Behörden und gesellschaftlichen Organisationen kommuniziert wurden. Damit zielte man auf die „geistige Erziehung“ bzw. „geistige Führung“ (seishin shidō) der Hinterbliebenen und eine (weitere) Verinnerlichung zentraler Wertvorstellungen und Deutungsmuster, welche staatliches Handeln insbesondere in Form ökonomischer Unterstützung längerfristig obsolet werden lassen und zugleich das „Gefährdungspotential“ für die geistige Mobilmachung bannen sollte. Sein Leben für Herrscher und Land zu geben sei, so die Prinzipen, eine Pflicht des japanischen Untertanen (Nihon shinmin); die Ehrung der Heldenseelen der Gefallenen im Yasukuni durch den Tennō hingegen die höchste Ehre (kōei), die einer Familie erwiesen werden könne. Hinterbliebene sollten ein Gefühl der Dankbarkeit in der Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen, das japanische Familiensystem achten und sich vor allem bemühen, Unabhängigkeit von staatlichen Unterstützungsleistungen sicherzustellen.158 Als wichtiges Instrument zur Verinnerlichung sollte dabei der „Eid der Hinterbliebenen“ (Izoku no chikai) dienen, der die öffentliche Erwartungshaltung an die Familien der Gefallenen eindrücklich dokumentiert: „Wir Hinterbliebene wollen die Tiefe der kaiserlichen Gnade (kōon) in unserem Herzen bewahren und uns mehr und mehr dem Dienst widmen! Wir Hinterbliebene wollen nie die Bildung vernachlässigen und stets mit einem Gefühl der Dankbarkeit der Öffentlichkeit gegenübertreten! Wir Hinterbliebene wollen uns die Ehre unserer Familie bewusst machen und uneigennützig innerhalb des ganzen Hauses nach Harmonie streben! Wir Hinterbliebene wollen unsere Kinder ausgezeichnet aufziehen und sie die Gesinnung von Vater und Bruder weitertragen lassen! Wir Hinterbliebene wollen nicht unnötig von anderen abhängig sein und vielmehr prinzipiell an der Arbeit als Grundlage unserer Existenz festhalten!“159
158 Ichinose, Toshiya: Jūgo no shakai-shi, S. 119. 159 A.a.O., S. 121.
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4 Gefallenenkult im totalen Krieg
Dabei sollte sich die „geistige Führung“ zahlreicher unterschiedlicher Medien bedienen. Dazu zählten erstens spezielle Publikationen, die von der staatlichen Verwaltung, aber auch regionalen und lokalen Organisationen herausgegeben wurden und die handbuchartig wichtige Informationen für Hinterbliebene enthalten konnten. Zweitens sind Filme, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, aber auch individuelle Beratung zu nennen, die in speziellen Beratungszentren der Lokalverwaltung (gunji engo sōdan-sho) stattfinden, aber auch die Form von Hausbesuchen annehmen konnten.160 Drittens gab es auch die Form gemeinsamer Aktivitäten wie die Besuche des Yasukuni-Schreines in Tōkyō, der Landesverteidigungsschreine in der Region usw., aber etwa auch gemeinsame Tätigkeiten wie die Unterstützung der Familien von Hinterbliebenen bei der Feldarbeit (vgl. Abb. 42161). Hierdurch blieben die Hinterbliebenen in ein dichtes Netz sozialer Interaktion eingebunden, das einerseits dazu diente, ihnen die sozialen Erwartungen an ein angemessenes Verhalten zu kommunizieren. Andererseits, und das sollte in seiner langfristigen Bedeutung nicht unterschätzt werden, wurden auf diese Weise bereits während des Asiatisch-Pazifischen Krieges Vergemeinschaftungsprozesse der Hinterbliebenen in Gang gesetzt, ohne die die Dynamik der Hinterbliebenenbewegung nach 1945 nicht zu erklären ist. Die institutionelle Voraussetzung für diese enge Einbindung der Hinterbliebenen war der Zusammenschluss der zahlreichen Trägerorganisationen des politischen Totenkultes und der Unterstützung von Hinterbliebenen, die mit den Zentralisierungsmaßnahmen der „Neuen Ordnung“ (shin-taisei) einherging. Bereits 1938 wurde mit dem Ziel einer bis dato als defizitär beschriebenen Koordination von staatlichen und nichtstaatlichen Wohlfahrtsmaßnahmen für die Familien von Hinterbliebenen und Kriegsversehrten die „Kaiserliche Stiftung Vereinigung zur Unterstützung von Soldaten“ (Onshi zaidan hōjin gunjin engo-kai) ins Leben gerufen, der sich eine Reihe älterer Organisationen wie die Dai-Nihon gunjin engo-kai, die Teikoku gunji kōen-kai oder die Shinbu ikuei-kai freiwillig
160 Beispiele für spezielle Publikationen für Hinterbliebene sind etwa Gunji hogo-in: Izoku no shiori. Onten to engo, Tōkyō: Dai-Nihon insatsu kabushiki gaisha 1941; Rikugun-shō: Senbotsu shōhei no izoku no tame ni, o.O. 1938. 161 Die Postkarte zeigt Mitglieder des Patriotischen Frauenverbandes, die eine Familie von Hinterbliebenen besuchen, bevor sie ihr bei der Feldarbeit helfen. Sie stammt aus der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges. Die Überschrift lautet „Verehrt die loyalen Seelen, beschützt die Hinterbliebenen!“ (Aoge chūkon, mamore yo izoku). Die Aikoku fujin-kai produzierte in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges ganze Postkartenreihen, welche ihre Aktivitäten dokumentierten und zugleich das Bild, die Hinterbliebenen seien in ein dichtes Netz sozialer Fürsorge eingebunden, öffentlichkeitswirksam verbreiteten. Andere Postkarten zeigten etwa Kriegerwitwen, die sich als Näherinnen betätigen, oder Mitglieder des Verbandes, die Kriegswaisen unterrichten.
4.3 Stellung und Funktion der Hinterbliebenen
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Abb. 43: „Verehrt die loyalen Seelen, beschützt die Hinterbliebenen!“ Postkarte der Patriotischen Frauenvereinigung
anschlossen und ihr Vermögen übertrugen.162 Parallel erfolgten eine Umstrukturierung der staatlichen Verwaltung in diesem Sektor und die Gründung des Wohlfahrtsministeriums. Zwischen beiden Ebenen erfolgte eine enge Kooperation. Nach 1938 wurde ein landesweites flächendeckendes Netz der Gunjin engokai aufgebaut, das sich einerseits auf Verwaltungseinrichtungen, andererseits auf die vorhandene Infrastruktur der Vorläuferorganisationen stützte und bis in die kleinsten Dörfer hineinreichte. Auf der lokalen Ebene fungierten die „Vereinigungen für den Dienst am Vaterland an der Heimatfront“ (Jūgo hōkō-kai) als kleinste organisatorische Einheit.163 Diese Zentralisierung und die mit ihr einher-
162 Vgl. hierfür Schölz, Tino: „Sich um die Versehrten und Hinterbliebenen im Geiste echter Mütter kümmern.“, S. 41–44. Vgl. auch Onshi zaidan dōhō engo-kai (Hg.): Onshi zaidan dōhō engo-kai kaishi, Tōkyō: Tōkyō-to dōhō engo-kai jigyō-kyoku 1960, S. 5–7. 163 Zu den Jūgo hōkō-kai vgl. Ichinose, Toshiya: Gunji engo to Jūgo hōkō-kai, In: Nihon-shi kenkyū 627 (2000), S. 71–87; Miyaura, Tadashi: Gunji engo jigyō ni okeru dōin, shigen-ka no
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4 Gefallenenkult im totalen Krieg
gehende organisatorische Verdichtung markieren zugleich die wichtigsten Verschiebungen in Bezug auf die Träger des politischen Totenkultes in der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges. Die Verzahnung staatlicher und gesellschaftlicher Akteure erreichte hierdurch eine neue Qualität. Die faktische automatische Mitgliedschaft in den Organisationen der Taisei yokusan-kai nach 1940 zeitigte dabei zwei Folgen. Zum einen vergrößerte sich das Reservoir der organisierten Träger des politischen Totenkultes noch einmal erheblich. Zum anderen verlor sich aber de facto die Freiwilligkeit einer Teilhabe am öffentlichen Gefallenengedenken in Japan. Schließlich ist nicht nur auf der institutionellen, sondern auch auf der sprachlichen Ebene für die Jahre des Asiatisch-Pazifischen Krieges eine verstärkte Kommunikation sozialer Erwartungshaltungen an die Hinterbliebenen durch die weitere Zunahme einer floskelhafter Semantik im Kontext der Trauerund Gedenkpraktiken zu verzeichnen. Diese spiegelte die offiziellen staatlichen Deutungsfiguren des Gefallenenkultes wider und beförderte zugleich deren weitere Durchsetzung. So wurde es etwa immer unüblicher, gängige sprachliche Ausdrucksformen der Trauer oder des Mitgefühls zu verwenden. Stattdessen galten Phrasen wie „Herzlichen Glückwunsch, dass ihm die Ehre widerfuhr, auf dem Schlachtfeld zu sterben“ oder „der Wunsch eines Soldaten ist in Erfüllung gegangen“ als angemessen.164 Auch die sozialen Erwartungen an Hinterbliebene, sprich ein angemessenes Verhalten in solchen Situationen, waren allgemein bekannt und mussten erfüllt werden. So galt es als beschämend, öffentlich in Tränen auszubrechen und damit seine Trauer kundzutun. Vielmehr galten Antworten wie „Dank ihres Wohlwollens war er in der Lage, einen ehrenvollen Tod auf dem Schlachtfeld zu finden. Dies war sein größter Wunsch. Für uns Hinterbliebene ist es genug, dass wir so die große Güte des Tennō zurückzahlen können“ u.ä. als angemessene Reaktion und damit als soziale Norm.165 Natürlich kann keine Rede davon sein, dass diese von allen erfüllt, geschweige denn vollständig internalisiert worden ist. So sind durchaus Beispiele überliefert, wo sich Angehörige der öffentlichen Anforderung entzogen. Doch wurden solche Fälle kaum publik. Das heißt mit anderen Worten, dass in Bezug auf das Gedenken an Kriegstote zwar Handlungsspielräume vorhanden waren, diese öffentlich aber nicht sichtbar wurden. Diese fehlende Sichtbarkeit dürfte ein wichtiger Faktor für den
kōsatsu. Nishi-Tama-gun Kosogi-mura no jirei o chūshin ni, In: Seisaku kagaku 12 (2004), Heft 1, S. 111–124. 164 Straus, Ulrich A.: Anguish of Surrender, S. 38. 165 Ebenda.
4.3 Stellung und Funktion der Hinterbliebenen
281
Umstand gewesen sein, dass der politische Totenkult vor 1945 die Legitimität der politischen Ordnung stützte. Dies erklärt auch, warum das Gefallenengedenken im Unterschied zum nationalsozialistischen Deutschland seine Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit nicht einbüßte, sondern um ein vielfaches größer gewesen sein dürfte. So blieb der Gefallenenkult eines der wichtigsten Medien, Zustimmung zum Staat, seinen Zielen und seinem Handeln sowie Teilhabe an der Nation zum Ausdruck zu bringen. Es sollte der Zeit nach dem August 1945 vorbehalten bleiben, mit dem Verweis auf den Tod von Millionen von Soldaten auch politische Opposition zu legitimieren.
Teil III: Gefallenenkult im demokratischen Japan (1945–2005)
5 Die Reformen der Besatzungszeit Die Niederlage 1945, die anschließende Besatzungszeit, die durch die Amerikaner und die japanische Regierung durchgeführten Reformen sowie die innerjapanischen Reaktionen hierauf veränderten die politische Verfasstheit in Japan fundamental. Der Verlust aller territorialen Erwerbungen seit dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg und damit der Kolonien in Ost- und Südostasien transformierte Japan von einer multiethnischen, imperialen Großmacht zurück zu einem auch sprachlich und kulturell weitgehend homogenen Nationalstaat, der sein außenpolitisches Heil in der Kooperation vor allem mit der Supermacht USA suchte und sucht.1 Die zentrale Rolle alles Militärischen und der Drang nach imperialer Expansion, welche die Geschichte des Inselreiches zwischen 1868 und 1945 immer wieder dominiert hatten, wichen einer pazifistischen Grundhaltung in der japanischen Gesellschaft, welche die politischen Lager übergreift und weitgehend unumstritten ist. In Artikel 9 seiner Verfassung verzichtet Japan auf das Recht auf Kriegführung wie auf den Unterhalt von Land-, Luft- und Seestreitkräften. Die konstitutionelle Monarchie mit stark autoritären Zügen wurde von einem parlamentarischen Regierungssystem abgelöst, in dem die Demokratie fest verankert ist. Die Souveränität liegt nicht mehr beim Tennō, der nun verfassungsrechtlich Symbol des japanischen Staates und der Einheit des Volkes ist, sondern beim japanischen Volk. Aus den Untertanen des Tennō wurden damit Staatsbürger, deren umfassende Grundrechte durch die Verfassung garantiert sind. Selbstverwaltungskörperschaften auf lokaler und regionaler Ebene schränken die Macht des Zentralstaates ein, auch wenn bei letzterem vergleichsweise viele Kompetenzen verblieben. Die Transformationsprozesse, die auf die militärische Niederlage folgten, waren dabei äußerst vielschichtig und komplex. Sie konnten teilweise auf Entwicklungen in und Traditionen der japanischen Gesellschaft aus der Zeit vor 1945, der Vorkriegs- wie der Kriegszeit, aufbauen, teilweise markierten sie auch einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit.2 Manche Reform war kurzlebig,
1 Im Vergleich zu anderen Industrienationen ist die Zahl der Angehörigen ethnischer Minderheiten in Japan heute vergleichsweise gering. Die größte Gruppe machen dabei ursprünglich aus Korea stammende Menschen aus, die meist während der Kolonialzeit zwangsweise oder freiwillig nach Japan kamen. Bei ihnen handelt es sich heute um ca. 600–700.000 Menschen. Sondergruppen stellen weiterhin die Bewohner Okinawas, welche bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Königreich Ryūkyū über einen eigenen Staat und auch eine eigene Kultur verfügten, und die heute sehr kleine Gruppe der Ainu auf Hokkaidō dar. 2 In der japanischen Forschung werden seit Beginn der 1990er Jahre verstärkt die Kontinuitäten zwischen Kriegs- und Besatzungszeit betont und inzwischen zum Paradigma des „Systems
286
5 Die Reformen der Besatzungszeit
andere brauchten Jahrzehnte, bis sie ihre volle Wirkung entfalteten, die einen waren allseits akzeptiert, andere umstritten, einige verfehlten auch ihr Ziel oder es klafften Anspruch und Realität auseinander. Sie waren eingebettet in eine spezifische Form der Vergangenheitsthematisierung durch die konservativen politischen Eliten, welche insbesondere in der Anfangsphase der Besatzungszeit die Kontinuität gerade der politischen Verfasstheit unter dem Stichwort „Bewahrung des kokutai“ (kokutai no goji) betonte und den politischen Neuanfang und den damit verbundenen radikalen Wandel als Rückkehr zu den eigentlichen Traditionen der japanischen Geschichte interpretierte.3 So begann etwa die legendäre Neujahrsbotschaft des Tennō vom 1. Januar 1946, welche im Westen vor allem wegen des (vermeintlichen) Widerrufs seiner Göttlichkeit, in Japan selbst aber meist unter dem Namen „Kaiserliches Edikt zum Aufbau eines neuen Japan“ (Shin-Nihon kensetsu no chokusho) bekannt ist, mit einem Rekurs auf den FünfArtikel-Eid des Meiji-tennō aus dem Jahr 1868; der Aufbau eines neuen Japan sollte somit auf Grundlage der Prinzipien der Meiji-Zeit erfolgen.4 Und die neue Verfassung wurde für das Parlament auch erst annehmbar, als der Premierminister, vom Tennō sanktioniert, erklärte, mit ebendieser neuen Verfassung werde das kokutai aufrechterhalten.5
von 1940“ (yonjū-nen taisei) verdichtet. Vgl. hierzu etwa Kurozawa, Fumitaka: Das System von 1940 und das Problem der politischen Führung in Japan, In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 47 (1999), Heft 2, S. 130–152; Mori, Takemaro: Sōryoku-sen, fashizumu, sengo kaikaku, In: Kurasawa, Aiko u. a. (Hg.): Naze, ima Ajia Taiheiyō sensō ka (= Iwanami kōza Ajia Taiheiyō sensō 1), Tōkyō: Iwanami shoten 2005, S. 125–160., hier S. 127–132; Takaoka, Hiroyuki: Fashizumu, sōryoku-sen, kindai-ka, In: Rekishi hyōron 645 (2004), S. 54–63, hier S. 59–60. Dort jeweils weiterführende Literatur. Auch Reinhard Zöllner subsumiert Kriegs- und Besatzungszeit unter der gemeinsamen Überschrift „Japan im Kriegszustand (1931–1952)“, jedoch ohne die Gründe zu explizieren. Vgl. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 384–398. 3 Zum deutsch-japanischen Vergleich der Vergangenheitsthematisierung vgl. auch Hettling, Manfred/Schölz, Tino: Kako to no danzetsu to renzoku. 4 Vgl. Die Neujahrsbotschaft des Tennō vom 1. Januar 1946, In: Lokowandt, Ernst (Hg.): Zum Verhältnis von Staat und Shintō im heutigen Japan, Wiesbaden: Otto Harrassowitz 1981, S. 68–69, hier S. 68. Vgl. auch Dower, John W.: Embracing Defeat, S. 308–314. 5 Im Abschlußreport des Unterhauskomitees zu Verfassungsfragen heißt es zu dieser Frage: „The first chapter of the Revised Constitution expressly provides that the Emperor of one line unbroken through ages is assured of his position as a Monarch who on the basis of the sovereign will of the people unifies them coevally with Heaven and Earth, from eternity to eternity. Thus, it had been possible to confirm the solemn fact that the Emperor, while being in the midst of the people, stands outside the pale of actual politics and still maintains his authority as the center of the life of the people and as the source of their spiritual guidance. This accomplishment the absolute majority of the committee have received with the utmost joy and satisfaction.“ Teikoku gikai shūgi-in hon-kaigi (24. August 1946), In: http://teikokugikai-i.ndl.go.jp/cgi-bin/TEIKOKU/swt_
5.1 Japans „Stunde Null“, Besatzungszeit und Wiederbewaffnung
287
Der Demokratisierung der politischen Ordnung Japans in der Besatzungszeit stand mithin eine nur bedingte Distanzierung von der Vergangenheit vor 1945 durch konservative politische Eliten gegenüber. Dieses Spannungsverhältnis von Kontinuität und Bruch bestimmte den Pfad des politischen Totenkults in der Nachkriegszeit grundlegend; es machte eine bruchlose Anknüpfung an die Traditionsbestände der Totenehrung aus der Zeit vor der 1945 schwierig bzw. unmöglich, erschwerte bzw. verhinderte aber zugleich eine inhaltliche Neupositionierung des japanischen Staates nach der Niederlage im Asiatisch-Pazifischen Krieg in Hinblick auf den Umgang mit Gefallenen.
5.1 Japans „Stunde Null“, Besatzungszeit und Wiederbewaffnung 5.1.1
Japans „Stunde Null“
Mit der Annahme der Potsdamer Deklaration und der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde am 2. September 1945 unterstellte sich Japan der alliierten Kontrolle.6 Diese unterschied sich von den Gegebenheiten in Deutschland in einigen Punkten signifikant, die als Rahmenbedingungen auch für die Entwicklung des politischen Totenkultes nach 1945 – wie übrigens auch für Fragen der damit eng verbundenen Vergangenheitsthematisierung – in Japan über eine besondere Relevanz verfügen. Hier ist erstens die andersartige Akteurskonstellation auf internationaler Ebene zu nennen. Denn während etwa Deutschland in vier Besatzungszonen geteilt wurde, konnten die USA ein analoges Ansinnen ihrer Bündnispartner für Japan erfolgreich abwehren. Zwar wurde auch hier offiziell die Besatzung im Namen aller Siegermächte durchgeführt. So bestand die Far Eastern Commission in Washington, die nominell die Richtlinien der Besatzungs-
dispdoc.cgi? SESSION=14350&SAVED_RID=3&PAGE=0&POS=0&TOTAL=0&SRV_ID=5&DOC_ID= 3631&DPAGE=1&DTOTAL=13&DPOS=4&SORT_DIR=1&SORT_TYPE=1&MODE=1&DMY=15163, hier in der englischen Übersetzung nach Dower, John W.: Embracing Defeat, S. 390. Der Bezug auf die ununterbrochene Linie kaiserlicher Herrschaft (bansei ikkei, wörtlich: zehntausend Jahre - eine Linie) ist ein direkter Rekurs auf die Meiji-Verfassung (Art. 1) und die offizielle Definition des kokutai, wie sie nach 1925 japanische Gerichte vorgenommen hatten, und damit auf eines der zentralen Elemente der kokutai-Ideologie. 6 Siehe als Überblicksdarstellungen zur Besatzungszeit Dower, John W.: Embracing Defeat; Takemae, Eiji: The Allied Occupation of Japan; Amemiya, Shōichi: Senryō to kaikaku; Ders.: Senji sengo taisei-ron; Iokibe, Makoto: Beikoku no Nihon senryō seisaku, 2 Bde., Tōkyō: Chūō kōronsha 1985.
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
politik bestimmen sollte, aus Vertretern von elf Staaten, und der Allied Council in Tōkyō aus vier Mächten (USA, Großbritannien, China und der UdSSR). Faktisch lag die Macht jedoch in Händen des Supreme Commander for the Allied Powers (SCAP) General Douglas MacArthur und seines Stabes, des General Headquarter (GHQ). Damit war die USA de facto alleinige Besatzungsmacht. Hinzu kam, dass wichtige ehemalige Kriegsgegner und Opfer der japanischen Aggression nach 1945 in einer Position relativer Schwäche waren, da sie in Bürger- (China, Korea) bzw. Dekolonisierungskriege (Indonesien, Vietnam) verstrickt waren. Im Unterschied zu Deutschland, wo mit Kriegsende auch alle staatlichen Strukturen weitgehend zusammengebrochen waren, blieben zweitens der japanischen Staatsapparat über die Kapitulation hinaus intakt und sukzessive Regierungen im Amt, die als gewichtige Akteure in den Aushandlungsprozessen über die Weichenstellungen der Nachkriegsordnung fungierten. Diese Bedeutung konnte ihnen durch die Grundsatzentscheidung der Besatzungsbehörden zuwachsen, die notwendigen Reformen im Wesentlichen durch die japanische Regierung durchführen zu lassen. Die Kontinuität der staatlichen Strukturen korrespondierte mit einer ungemein hohen personellen Kontinuität der verschiedenen Eliten,7 deren sichtbarstes Symbol die Nicht-Abdankung des Shōwa-tennō war. Drittens war die Besatzungszeit vergleichsweise kurz, bereits am 28. April 1952 erhielt Japan mit dem In-Kraft-Treten des Friedensvertrages von San Francisco seine volle Souveränität zurück.8 Viertens stand die Politik der Besatzungszeit sehr früh unter dem Einfluss des Kalten Krieges, der mit dem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges in China unmittelbar nach der japanischen Kapitulation und dem Korea-Krieg 1950–53 in direkter Nachbarschaft zu Japan in „heiße Kriege“ übergegangen war.9 Gestützt durch eine stark anwachsende Gewerkschaftsbewegung erstarkte innenpolitisch das sozialistische Lager; in den ersten Wahlen nach dem In-Kraft-Treten der neuen Verfassung wurde die Sozialistische Partei nach Sitzen stärkste Kraft im Unterhaus und stelle ab Mai 1947 im Kabinett Katayama erstmals in der japa-
7 In Japan wurden durch die Säuberungen 0,29 % der Bevölkerung aus Ämtern entlassen, im Gegensatz zu 2,5 % in der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland. Während hier im Durschschnitt 16,47 Personen durch einen Prüfer überprüft wurden, waren es in Japan 769,6 Personen und eine Prüfung dauerte im Schnitt weniger als eine Minute. Vgl. Halliday, Jon: Japan unter amerikanischer Besatzung. „Zwischenspiel“ und Neuordnung, In: Menzel, Ulrich (Hg.): Im Schatten des Siegers: Japan. Band 2: Staat und Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1989, S. 99–185, hier S. 116–120. 8 Ausnahmen bildeten die Amami-Inseln, die 1953, die Ogasawara-Inseln, die 1968, und Okinawa, das erst 1972 unter japanische Verwaltung zurückkehrten. 9 Vgl. hierzu auch Greiner, Bernd/Müller, Christian/Walter, Dierk (Hg.): Heiße Kriege im Kalten Krieg, Hamburg: HIS-Verlag 2006.
5.1 Japans „Stunde Null“, Besatzungszeit und Wiederbewaffnung
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nischen Geschichte den Regierungschef. Der Kalte Krieg und die durch die politischen Eliten antizipierte Gefahr eines „Abdriftens“ Japans in das kommunistische bzw. pro-sowjetische Lager führten zu einem schrittweisen Gegensteuern, dessen Auftakt bereits das Verbot eines geplanten Generalstreiks durch die USBesatzungsbehörden am 1. Februar 1947 war. Dieser „Umkehr-“ bzw. „Gegenkurs“ (gyaku-kōsu) markierte die zentrale Scheidelinie in der Geschichte der Besatzungszeit, nach der wichtige Reformen der frühen Phase zurückgenommen, die liberal-konservative Herrschaft gestärkt, Kriegsverbrecher nicht weiter verfolgt und stattdessen Säuberungsaktionen gegen kommunistische Funktionäre bzw. Unterstützer der KPJ (red purge, jap. reddo paaji) eingeleitet wurden und Japan in der Perspektive der Amerikaner vom Kriegsgegner zu einem Bündnispartner in der bipolaren Weltordnung wurde.10 Nicht zuletzt aus diesen Gründen bedeutete die Besatzungszeit für Japan Neuanfang und Kontinuität zugleich. In den ersten Monaten wurden zahlreiche Reformen angestoßen, die vor allem auf Demilitarisierung und die Demokratisierung des politischen Systems zielten. Zunächst wurden die japanischen Streitkräfte aufgelöst. Die Demobilisierung war eine gewaltige logistische Herausforderung, befanden sich bei Kriegsende doch noch mehr als 3,3 Millionen Angehörige des Heeres und etwa 370.000 Offiziere und Mannschaften der Marine in den Kolonien bzw. besetzten Gebieten.11 Nach ihrer physischen Rückführung mussten diese Menschen wegen der Auflösung der Truppen einen Weg ins zivile Leben in Japan (zurück)finden.12 Da Japan alle Erwerbungen, die das Inselreich seit dem Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg gemacht hatte, mit der Annahme der Potsdamer Erklärung verlor, kamen etwa 3,21 Millionen Zivilisten ebenfalls vor allem aus den Kolonien und der Mandschurei hinzu, die wie die ehemaligen Militärangehörigen auf die Heimatinseln repatriiert und in die japanische Gesellschaft (re) integriert werden mussten.13 Im weiteren Sinne dienten auch die „Säuberungen“,
10 Zu den unterschiedlichen Perspektiven auf die Phasenunterteilung der Besatzungszeit vgl. Metzler, Mark: The Occupation, In: Tsutsui, William M. (Hg.): A Companion to Japanese History, Chicester: Wiley-Blackwell 2007, S. 265–280, hier S. 266–267. Metzler betont dabei zu Recht, dass eine Revision der Besatzungspolitik in den einzelnen Politikfeldern zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten und aus unterschiedlichen Interessenlagen heraus erfolgte. In Bezug auf die Finanzpolitik etwa markierte erst die sog. Dodge-Line von 1949 eine Revision der bis dato verfolgten, auf Inflation hin ausgerichteten Politik. Zugleich gab es auch Kontinuitäten zwischen beiden Phasen. 11 Yoshida, Yutaka/Mori, Shigeki: Ajia, Taiheiyō sensō, S. 296. 12 Vgl. zu diesem Komplex zuletzt Yoshida, Yutaka: Heishi-tachi no sengo-shi, Tōkyō: Iwanami shoten 2011. 13 Yoshida, Yutaka/Mori, Shigeki: Ajia, Taiheiyō sensō, S. 296. Umgekehrt lebten etwa eine Mil-
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
in welchen Stützen des Kriegsregimes die politische Betätigung oder die Arbeit in der Verwaltung, der Wissenschaft oder in Spitzenpositionen der Wirtschaft untersagt wurden, und die Kriegsverbrecherprozesse als wichtige Schritte von Demilitarisierung und Demokratisierung. Das Herzstück der politischen Reformen war die Verabschiedung der neuen Verfassung, die – zunächst gegen den Widerstand der japanischen Regierung, die eine Reform der Meiji-Verfassung für ausreichend erachtete – von den Amerikanern initiiert und am 3. November 1946 vom japanischen Parlament angenommen wurde.14 Die Souveränität lag nun beim japanischen Volk, der Tennō hingegen, der nach der Meiji-Verfassung Souverän gewesen war, avancierte zum „Symbol des Staates und der Einheit des japanischen Volkes“ (Art. 1), der lediglich repräsentative Aufgaben wahrnimmt. Die neue Verfassung markierte damit die verfassungsrechtliche Transformation von einer konstitutionellen zu einer parlamentarischen Monarchie. Die gesetzgebende Gewalt ruht in einem Zweikammerparlament, dessen beide Kammern in freien und geheimen Wahlen gewählt werden (Art. 43). Der Adel, dessen Vertreter bisher das Herrenhaus konstituierten, wurde ebenfalls abgeschafft (Art. 14,2) und das aktive und passive Wahlrecht von Frauen festgeschrieben.15 Die Regierung wiederum ist nicht mehr dem Tennō, sondern als Kollektivorgan dem Parlament (konkret dem Repräsentanten- bzw. Unterhaus) verantwortlich (Art. 66,3). Die Verfassung garantiert grundlegende Menschen- und Bürgerrechte wie die Gleichheit aller vor dem Gesetz (Art. 14), die Versammlungs- und Meinungsfreiheit (Art. 21), Religionsfreiheit (Art. 20), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 35) und erklärt das Recht der Bürger als Individuen auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück zu normativen Vorgaben des politischen Handelns. Eine Besonderheit der Verfassung von 1946 stellt die sog. Kriegsverzichtsklausel dar, die in der Präambel und in Art. 9 festgelegt ist. In letzterem wird das Recht auf Kriegführung negiert: „In aufrichtigem Streben nach einem auf Gerechtigkeit und
lionen Menschen aus den Kolonien bzw. besetzten Gebieten, v. a. Koreaner, auf den japanischen Hauptinseln. Diese waren vor 1945 teils freiwillig in die Metropole gekommen, teils als Zwangsarbeiter verschleppt worden und sollten bzw. mussten nun in ihre jeweiligen Heimatländer rückgeführt werden. Vgl. zum Komplex der Repatriierung zuletzt vor allem Watt, Lori: When Empire Comes Home. Repatriation and Reintegration in Postwar Japan, Cambridge (Mass.)/London: Harvard University Center 2009. 14 Vgl. Nakamura, Masanori: The Japanese Monarchy. Ambassador Joseph Grew and the Making of the „Symbol emperor system“ 1931–1991, Armonk: M. E. Sharpe 1992; Dower, John: Embracing Defeat, S. 346–404; Koseki, Shōichi: Nihon-koku kenpō no tanjō, Tōkyō: Iwanami shoten 2009. 15 Tatsächlich erfolgte die Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechtes bereits zum Zeitpunkt der ersten freien Wahlen der Nachkriegszeit im April 1946. Vgl. Dower, John: Embracing Defeat, S. 242.
5.1 Japans „Stunde Null“, Besatzungszeit und Wiederbewaffnung
291
Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und die Androhung oder Ausübung von militärischer Gewalt als ein Mittel zur Regelung internationaler Streitigkeiten.“16 Darüber hinaus verzichtet Japan in Art. 9 auf den Unterhalt von Land-, Luft- und Seestreitkräften, womit de jure eine Wiederbewaffnung auch nach dem Ende der Besatzungszeit im Rahmen der gegenwärtigen Verfassungsordnung ausgeschlossen blieb.17 Die Demokratisierung des politischen Systems wurde durch weitere Maßnahmen flankiert. Bereits kurz nach Kriegsende waren politische Gefangene freigelassen, die Einschränkungen von Grundrechten wie der Meinungsfreiheit durch Kontrollgesetze wie das Gesetz zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit von 1925 (Chian iji-hō) weitgehend aufgehoben und Parteien zugelassen worden.18 Hinzu kamen die Reform des Erziehungssystems und als Maßnahmen zur Sicherung der soziökonomischen Grundlagen einer demokratischen Entwicklung die Bodenreform, die Zerschlagung der die Wirtschaft dominierenden Firmenkonglomerate (zaibatsu) und die Einführung von Schutzmaßnahmen für Arbeiter wie die Wiederzulassung von Gewerkschaften.
5.1.2
Beginnende Wiederbewaffnung
Die radikale Demilitarisierungspolitik der amerikanischen Besatzungsbehörden wurde allerdings nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit aller Konsequenz verfolgt. Der Übergang des Kalten Krieges in Ostasien in bewaffnete militärische Konflikte, der „Gegenkurs“ in der Politik der Besatzungszeit und der Wandel Japans hin zum Bündnispartner der USA warf auch die Frage der künftigen Außen- und Sicherheitspolitik des Inselstaates auf. Diese gewann in der ersten Hälfte 1950 eine neue Dynamik, als die Verhandlungen über die Ausgestaltung eines Friedensvertrages begannen und zeitgleich der Korea-Krieg ausbrach. Letzterer band binnen kürzester Zeit nahezu die gesamten verfügbaren Kampfverbände der US-Streitkräfte in Japan und verschärfte zugleich Ängste vor einer kommunistischen Machtübernahme, was die strategische Bedeutung Japans für die USA nochmals erhöhte. Nur zwei Wochen nach Beginn der Kampfhandlungen auf der Halbinsel und am Tage der Ernennung von MacArthur zum Oberbefehlshaber der UN-Truppen forderte diese die japanische Regierung auf, zur
16 Röhl, Wilhelm: Die Japanische Verfassung, Frankfurt a. M. 1963, S. 98. 17 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 9 vgl. Dower, John: Embracing Defeat, S. 394–398. 18 Takemae, Eiji: The Allied Occupation of Japan, S. 238–240.
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
„Aufrechterhaltung der öffentlichen Friedens und der Sicherheit“ die bestehenden Polizeikräfte durch eine Nationale Polizeireserve zu ergänzen. Bereits vier Wochen später, am 10. August, – und damit beinahe auf den Tag genau fünf Jahre nach dem Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges – beschritt Japan mit der Einführung einer „Nationalen“ bzw. „Staatlichen Polizeireserve“ (Kokka keisatsu yobi-tai) mit einer Stärke von 75.000 Mann und dem Ausbau der Küstenwache (Kaijō yobi-tai) um 8.000 Mann den Weg zur Wiederbewaffnung.19 Die Aufstellung der neuen Verbände erfolgte in engster Abstimmung mit den US-Behörden, welche unter anderem Waffen und Ausrüstung zur Verfügung stellten. Auch die taktische Schulung erfolgte nach amerikanischem Vorbild. Institutionell waren die neuen Streitkräfte damit eine völlig neue Organisation, doch verfügte die Polizeireserve insbesondere im Offizierskorps über eine beachtliche personelle Kontinuität zu den Streitkräften (aber auch zur Polizei) aus der Zeit vor 1945 und insbesondere auch zum Heer von Manshū-koku, dessen (japanischstämmige) Offiziere kein Gegenstand der Säuberungsaktionen der US-Behörden unmittelbar nach Kriegsende gewesen waren, was sie im Gegensatz zu den Angehörigen des japanischen Offizierskorps für einen Dienst in den neuen Polizeikräften formal qualifizierte.20 Auch in der Marine gab es institutionelle Kontinuitäten etwa in Form der Minensuchverbände, die auch nach 1945 mit der Räumung der Seewege um Japan betraut waren. Auch wenn Japan offiziell nicht an den Kämpfen auf der koreanischen Halbinsel beteiligt war, unterstützte es doch vollständig die amerikanischen Kriegs-
19 Vgl. zur Polizeireserve a. a. O., S. 487–490; Katō, Yōzō: Die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte von der Gründung bis zur Gegenwart, In: Maul, Heinz Eberhard (Hg.): Militärmacht Japan? Sicherheitspolitik und Streitkräfte, München: Iudicium 1991, S. 66–99, hier S. 66–73; French, Thomas: National Police Reserve. The Origin of Japan’s Self Defense Forces, Leiden/Boston: Global Oriental 2014; zur Marine Auer, James E.: The Postwar Rearmament of Japanese Maritime Forces 1945–1971, London: Praeger 1973; Dower, John W.: Empire and Aftermath. Yoshida Shigeru and the Japanese Experience, Cambridge (Mass.)/London: Council on East Asian Studies 1988 (1979), S. 377–400. 20 Oberst Hattori Takushirō, ein früherer Generalstabsoffizier des Heeres und nach dem Krieg in leitender Position an verschiedenen Stellen im Demobilisierungsministerium angestellt, hatte bereits ab 1947 mit Billigung und Rückendeckung der Abteilung für Geheimdienst (G2) des SCAP ein Netzwerk ehemaliger Offiziere aufgebaut, das als Kern künftiger Streitkräfte dienen sollte. Auch wenn der Versuch, Hattori an die Spitze der Polizeireserve zu stellen, am Widerstand MacArthurs und auch Yoshidas scheiterte, fanden nach und nach zahlreiche ehemalige Offiziere den Weg in die neue Truppe. Vgl. Takemae, Eiji: The Allied Occupation of Japan, S. 488–489; siehe auch Katō, Yōzō: Die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte, S. 70–73. French hingegen betont vor allem die personellen Kontinuitäten zu Polizeikräften in der Zeit vor 1945, vgl. French, Thomas: National Police Reserve, S. 166–176.
5.2 Gefallenenkult
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anstrengungen und war so indirekt Kriegspartei.21 Unter dem Oberbefehl der USMarine waren etwa 46 Minensuchboote im Einsatz; dabei verloren 52 Japaner ihr Leben, 349 wurden verletzt.22 Vor allem nutzten die amerikanischen Streitkräfte, im Wesentlichen als Ergebnis geheimer Abmachungen, im großen Umfang japanische Logistik (Transportkapazitäten, Kommunikationskanäle) und verließen sich auf das Know-how und die Ortskenntnis von Spezialisten, die wenige Jahre zuvor in der japanischen Kolonie tätig gewesen waren. Die wichtigste Unterstützungsleistung freilich wurde durch die japanische Rüstungsindustrie erbracht, die bald auch Waffen und Munition, Transport- und Kommunikationsmittel an den Kriegsschauplatz lieferte und als Werkstatt der US-Streitkräfte fungierte. Dies führte zu einem regelrechten Boom in der japanischen Wirtschaft, vor allem der Schwerindustrie, den Premierminister Yoshida als ein „Geschenk der Götter“ bezeichnete.23
5.2 Gefallenenkult Der Umbruch 1945 bedeutete eine Pfadänderung in der Geschichte des politischen Totenkultes in Japan. Er veränderte die Rahmenbedingungen und die Inhalte des Gefallenenkultes in Japan fundamental; eine bruchlose Anknüpfung an die Traditionsbestände der Totenehrung war damit unmöglich. Sechs Faktoren waren für die Veränderungen seit 1945 bestimmend.24 Erstens beendeten die Maßnahmen der amerikanischen Besatzungsbehörden gegen den japanischen Militarismus, zum Teil vermittelt durch Anordnungen japanischer Regierungsstellen in Form der informal mandatory guidance, vorerst den staatlichen Gefallenenkult. Dabei ging man auch gegen die Verbindung von Gefallenenehrung und Erziehungssystem nachdrücklich vor. Konkret forderte die amerikanische Besatzungsmacht (1) das Ende der staatlichen oder öffentlichen Unterstützung für Beisetzungen oder Trauer- bzw. Gedenkveranstaltungen für Gefallene, was bedeutete, dass alle öffentlichen Zeremonien bis zum Ende der
21 Takemae, Eiji: The Allied Occupation of Japan, S. 489–490; siehe auch Drifte, Reinhard: Japans Verwicklung in den Koreakrieg, In: Bochumer Jahrbuch zur Ostasienforschung 2 (1979), S. 416–434. 22 Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 397. 23 Takemae, Eiji: The Allied Occupation of Japan, S. 485. 24 Vgl. Schölz, Tino: „Heldenseelen“ und „Fundamente des Friedens.“ Gefallenenkult und Kaiserloyalität, In: Hettling, Manfred/Echternkamp, Jörg: Gefallenengedenken im globalen Vergleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung, München: Oldenbourg 2013, S. 301–328, hier S. 312–316.
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
Besatzungszeit faktisch beendet und das Gedenken in den privaten Raum verwiesen wurde; (2) die Beseitigung von Denkmälern und Statuen mit einer klaren militaristischen Aussage aus dem öffentlichen Raum; (3) die Verringerung des gesellschaftlichen Einflusses der Schreine zur Verehrung der Kriegstoten;25 sowie (4) neben dem Verbot von Ehrbezeugungen für Hinterbliebene (etwa die Verleihung und das Führen von Titeln wie „ehrenwertes Haus“ durch die Familien der Hinterbliebenen) die Einstellung von Pensionszahlungen an selbige.26 Auch wenn die Forschung bisher keine abschließenden Ergebnisse zur Umsetzung dieser Weisungen vorlegen konnte, die regional und zeitlich höchst unterschiedlich erfolgte und meist von den Gegebenheiten vor Ort abhing, kann man doch konstatieren, dass durch diese Weisungen zunächst das Ende der überkommenen Form des staatlichen Totengedenkens erzwungen wurde. Öffentliche Beisetzungen und auch Einschreinungen in den Yasukuni-Schrein, die Landesverteidigungs- oder andere shōkon-Schreine erfolgten zwischen 1946 und 1952 de facto nicht mehr. Auch die lokale Denkmalslandschaft wurde damit zunächst einmal dramatisch verändert: Die Mehrzahl der „Steine für die loyalen Seelen“ (ca. 6.000 chūkon-hi) wurde abgerissen; 900 von ihnen insbesondere von den Schulhöfen an weniger sichtbare Orte verlagert, die „Heldenseelenzimmer“ (eirei-shitsu) verschwanden ohne großes Aufheben aus den Schulen.27 Weitere knapp 1.000 chūkon-hi mussten ihre Erscheinungsform ändern,28 die chūrei-tō, deren Errichtung in vielen Orten noch gar nicht abgeschlossen war, sollten auf staatlichen Befehl hin aufgelöst und die sterblichen Überreste entweder den Hinterbliebenen übergeben oder in Massengräbern beigesetzt werden.29 Folgenschwerer und weitreichender als die eher praktische Aspekte betreffenden Normsetzungen der Alliierten waren jedoch zweitens die Verwerfungen, die auf die abrupt veränderte Rolle des Tennō nach Kriegsende zurückzuführen
25 Woodard, William P.: The Allied Occupation of Japan 1945–1952 and Japanese Religions, S. 148–149. 26 Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 83–89. 27 Dabei hatte die entsprechende Verordnung des Kultusministeriums in Bezug auf die „Heldenseelenzimmer“ lediglich verfügt, dass shintōistische Symbole zu entfernen seien. Vgl. Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 169–170. 28 Detaillierte Angaben bei Woodard, William P.: Allied Occupation and Japanese Religions, S. 153. 29 Lucken, Michael: Remodelling Public Space, S. 138–139. Für die chūrei-tō ist zu konstatieren, dass sie z. T. nicht aufgelöst wurden, sondern auch nach 1945 von Hinterbliebenen Urnen mit sterblichen Überresten Gefallener in ihnen aufgestellt wurden. Vgl. Morishita, Tōru: Kojin bohi kara chūrei-tō e, In: Oda, Yasunori/Yokoyama, Atsuo u. a. (Hg.): Rikugun bochi ga kataru Nihon no sensō, Tōkyō: Mineruva shobō 2006, S. 191–214, hier S. 200.
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sind. Vor und während des Krieges war der Kaiser der zentrale Bezugspunkt der politischen Ordnung und der Streitkräfte im Allgemeinen wie auch des politischen Totenkultes im Besonderen. In seinem Namen und auf seinen Befehl hin waren die japanischen Truppen in den Asiatisch-Pazifischen Krieg gezogen. Seine Rolle war nicht nur verfassungsrechtlich sanktioniert, sondern durch seine öffentliche Inszenierung als quasi omnipotenter Oberbefehlshaber von Heer und Marine für alle Untertanen sichtbar repräsentiert.30 Im Gegensatz zu Deutschland aber, wo der Krieg mit dem Selbstmord Hitlers endete, oder Italien, wo die Monarchie im Mai 1946 durch eine Volksabstimmung beendet wurde und die Mitglieder des Königshauses ins Exil gingen, blieb Hirohito bis zu seinem Tode 1989 auf dem Thron. Die Aufrechterhaltung der kaiserlichen Herrschaft als zentrales Element des kokutai war für die politischen und militärischen Eliten in den letzten Monaten des Krieges das wichtigste Kriterium für die Fortführung der Kämpf und der zentrale handlungsleitende Topos in den Debatten um die Annahme der Potsdamer Deklaration und damit um die Kapitulation. Das gilt auch die japanische Regierung in den ersten Monaten der Besatzungszeit. Kokutai no goji, die „Bewahrung des kokutai“, war denn auch neben der Herstellung des Friedens einer der Schlüsselbegriffe des Kaiserlichen Erlasses zum Kriegsende vom 15. August 1945, und er spielte selbst noch in den Debatten des japanischen Parlamentes über die neue Verfassung im Herbst 1946 eine wichtige Rolle.31 Dabei war die Kontinuität auf dem Kaiserthron keineswegs unumstritten. In den ersten Jahren nach Kriegsende wurde nicht nur in linken Kreisen vehement die konkrete Kriegsschuld des Tennō hinterfragt und/oder seine Abdankung gefordert, entweder weil man ihn persönlich verantwortlich hielt oder er stellvertretend die politische Verantwortung übernehmen und damit den Weg für einen Neuanfang auch der Monarchie freimachen sollte.32 Letztere Position wurde sogar von Mitgliedern des Kaiserhauses selbst vertreten. Zusätzlich stand in den ersten Monaten der Besatzungszeit die Möglichkeit einer Anklage als Kriegsverbrecher vor dem Tribunal von Tōkyō im Raum. Bedingung für die Kontinuität auf dem Thron war die durch das Kaiserhaus und die konservativen Eliten angestoßene Wandlung des Monarchen hin zum demokratie- und friedliebenden, von den Militärs betrogenen Staatsoberhaupt, das dem Eintritt seines Landes in den Krieg ablehnend gegenübergestan-
30 Zur Ikonographie des Tennō während des Krieges vgl. Kawamura, Kunimitsu: Seisen no ikonogurafi, S. 35–96; Earhart: Certain Victory, S. 11–35. 31 Vgl. Dower, John W.: Embracing Defeat, S. 388–390. 32 Yoshida, Yutaka: Nihon-jin no sensō-kan. Sengo-shi no naka no hen’yō, Tōkyō: Iwanami shoten 1995, S. 42–49.
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den habe.33 Diese abrupte Transformation hatte aber zwangsläufig gravierende Auswirkungen auf den Totenkult. War nämlich der Krieg gegen den Willen des Monarchen geführt worden, ließen sich Kampf und Tod des Soldaten im Krieg nicht mehr unmittelbar als Akt der Loyalität ihm gegenüber deuten. Die Bedeutung dieser Entwicklung sollte man übrigens für die Entwicklung demokratischer Traditionen in der Nachkriegszeit nicht unterschätzen, eröffnete die Abkehr vom primär monarchischen Bezug doch erst die Möglichkeit der Entwicklung eines demokratischen Bezuges in den japanischen Streitkräften und der Öffentlichkeit seit den 1950er Jahren. Drittens distanzierte sich die japanische Gesellschaft nach der Niederlage nachhaltig von Krieg und Militär und folgt seitdem weitgehend einer pazifistischen Grundhaltung.34 Diese Distanzierung stellte einen, wenn nicht sogar den fundamentalsten Bruch mit der Vergangenheit nach 1945 dar. Während es in Europa und Nordamerika eine nennenswerte Tradition pazifistischen Gedankengutes gab, fehlte eine solche in Japan nahezu vollständig. In den 1920er Jahren gab es zwar auch in der japanischen Politik und Öffentlichkeit Stimmen, die sich für Abrüstung einsetzten, doch zielten sie eher auf innenpolitische Konfliktlagen um den Staatshaushalt, die Rolle des Militärs innerhalb der staatlichen Strukturen oder auf die Sicherstellung der balance of power zwischen den Großmächten.35 So blieb auch die Opposition gegen den Krieg auf eine sehr kleine Gruppe von Intellektuellen, Kommunisten und Sozialisten sowie Vertreter religiöser Minderheiten beschränkt.36 Frieden wurde zwar in der Kriegspropaganda zum politischen Ziel erhoben, allerdings als Ergebnis des Krieges. Eine nennenswerte Verschiebung trat erst in der letzten Phase des Asiatisch-Pazifischen Krieges ein, als die militärische Situation immer aussichtsloser wurde, die Luftangriffe auf Städte zunahmen, sich die Versorgungslage weiter verschlechterte, die Zahl der militärischen wie zivilen Opfer dramatisch anstieg und schließlich der Alltag für viele Japaner insbesondere in den Städten zu einer Frage des puren Überlebens wurde. Die radikale Distanzierung von Krieg und Militär seit August 1945 war damit unmittelbarer Ausdruck der Opfererfahrung des japanischen Volkes in den letzten Kriegsmonaten. Zusätzlich wurde sie durch die Umerziehungsmaßnahmen der US-Besatzungsbehörden und auch die Kriegsverbrechertribunale
33 Vgl. Ruoff, Kenneth J.: The People’s Emperor. 34 Zum Pazifismus in der Nachkriegszeit siehe Orr, James J.: The Victim as Hero; Yamamoto, Mari: Grassroots Pacifism in Post-war Japan. The Rebirth of a Nation, London/New York: RoutledgeCurzon 2004. 35 Ishida, Takeshi: Nihon no seiji to kotoba. Band 2: ‚Heiwa‘ to ‚kokka‘, Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 1989, S. 42–65; Yamamoto, Mari: Grassroots Pacifism in Post-war Japan, S. 4. 36 A. a. O., S. 5.
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gestützt, welche die Verantwortung der Streitkräfte für den Krieg, die verfolgten Kriegsziele, aber auch (einige der) Kriegsverbrechen thematisierten und explizit darauf zielten, das japanische Militär nachhaltig zu diskreditieren.37 Die Distanzierung von Krieg und Militär war und blieb bis weit ins gemäßigte politische Lager und auch konservative und nationalistische Kreise hinein weitgehend unumstritten.38 Frieden wurde neben Demokratie zum neuen Staatsziel erhoben, indirekt zuerst im berühmten Edikt des Tennō zum Kriegsende, in dem er die Einstellung der Kampfhandlungen als Weg zur Erreichung eines „Großen Friedens“ beschrieb.39 „Friedensstaat“ (heiwa kokka) und „Kulturstaat“ (bunka kokka) dienten damit als normative Vorgaben für die politische Nachkriegsordnung, die durch zahlreiche kaiserliche und staatliche Verlautbarungen auch offiziell sanktioniert wurden. 1946 fand, wie oben erwähnt, das Friedensgebot schließlich Eingang in die Japanische Verfassung, deren Artikel 9 – neben der Präambel – das Recht auf Kriegführung wie auch den Unterhalt von Streitkräften negiert.40 Dieses Verfassungsgebot von Frieden als Staatsziel bei gleichzeitiger Aufgabe des Unterhalts von Streitkräften, aber mehr noch der pazifistische Tenor der japanischen Nachkriegsgesellschaft stellten somit (zumindest in der ersten Phase der Besatzungszeit) ein weiteres Hindernis für eine an die politischen und militärischen Traditionen anknüpfenden Form des Gefallenenkultes dar. Als sich die Verschärfung des Kalten Krieges mit dem „Gegen-“ bzw. „Umkehrkurs“ (gyaku-
37 Vgl. (in vergleichender Perspektive) Marxen, Klaus/Miyazawa, Kōichi/Werle, Gerhard: Der Umgang mit Kriegs- und Besatzungsunrecht in Japan und Deutschland, Berlin: Berlin-Verlag 2001; Cohen, David: Öffentliche Erinnerung und Kriegsverbrecherprozesse in Asien und Europa, In: Cornelißen, Christoph/Klinkhammer, Lutz/Schwentker, Wolfgang (Hg.): Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan seit 1945, Frankfurt a. M.: Fischer 2003, S. 51–66; Seraphim, Franziska: Kriegsverbrecherprozesse in Asien und globale Erinnerungskulturen, In: a. a. O., S. 77–94; Schölz, Tino (Hg.): Kriegsverbrechen und Öffentlichkeit in Japan (= Arbeitspapiere des Internationalen Graduiertenkollegs Halle-Tōkyō 4), Halle: Martin-Luther-Universität 2009. 38 Im Mai 1946 sprachen sich in einer Umfrage der Mainichi shinbun 70 % der Befragten dafür aus, eine Kriegsverzichtsklausel in die neue Verfassung aufzunehmen, nur 28 % waren dagegen. Vgl. Kido, Eiichi: Die Remilitarisierung Japans nach 1945. Rückkehr zu einem militanten Nationalismus?, Bonn: Pahl-Rugenstein Verlag 2009, S. 47. 39 Eine Übersetzung der Kaiserlichen Ediktes zum Kriegsende von Eva-Maria Meyer ist abgedruckt in: Worte des Tennō, in: Kagami. Neue Folge 16 (1989), Heft 1–2, S. 100–113, hier S. 109–113. 40 „In aufrichtigem Streben nach einem auf Gerechtigkeit und Ordnung gegründeten internationalen Frieden verzichtet das japanische Volk für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und die Androhung oder Ausübung von militärischer Gewalt als ein Mittel zur Regelung internationaler Streitigkeiten. Zur Erreichung des Zwecks des Absatz 1 werden Land-, See- und Luftstreitkräfte sowie andere Kriegsmittel nicht unterhalten. Ein Kriegsführungsrecht des Staates wird nicht anerkannt.“ Röhl, Wilhelm: Die Japanische Verfassung, Frankfurt a. M. 1963, S. 98.
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kōsu) 1947 auch auf die Besatzungspolitik durchschlug und sich die sicherheitspolitische Lage in Ostasien mit dem Ausbruch des Korea-Krieges, der schließlich in einen faktischen militärischen Konflikt zwischen den USA und China mündete, nachhaltig veränderte, meldeten sich auch in Japan vor allem im konservativen Lager verstärkt Befürworter zu Wort, die eine Wiederaufrüstung und eine Verfassungsreform forderten. Diese blieben aber in der japanischen Öffentlichkeit in einer Minderheitenposition. Auch die faktische Wiederbewaffnung ab 1950 sollte daran nichts ändern.41 Viertens wurde schließlich die Fortführung des religiösen Gefallenenkultes in Form staatlicher Zeremonien an den shōkon-Schreinen verfassungsrechtlich unmöglich. Die einschneidendste Maßnahme seitens der Besatzungsbehörden war dabei die sog. Shintō-Direktive (Shintō shirei), die am 15. Dezember 1945 unter dem Titel „Abolition of Governmental Sponsorship, Support, Perpetuation, Control and Dissemination of State Shinto (Kokka Shinto, Jinja Shinto)“ als SCAPIN 448 erlassen wurde.42 Die Abfassung des Textes ging auf Leutnant William K. Bunce zurück, der einer der einflussreichsten Figuren innerhalb der US-Besatzungsbehörden bei der Formulierung der US-Politik in Bezug auf den Gefallenenkult werden sollte. Im Zusammenhang mit dem politischen Totenkult waren dabei folgende Punkte von besonderer Bedeutung: Erstens wurde die Förderung, Unterstützung, Aufrechterhaltung, Kontrolle und Verbreitung des Shintō durch den japanischen Staat auf zentraler, regionaler und lokaler Ebene wie auch durch Angestellte des Staates untersagt (1a). Analog wurde zweitens auch die Finanzierung shintōistischer Einrichtungen mit Mitteln der öffentlichen Hand unterbunden (1b). Drittens waren Lehre, Praktiken, Riten, Zeremonien und Bräuche des Shintō von allen Elementen militaristischer und ultranationalistischer Ideologie zu befreien (1c). Viertens geriet auch die Verbindung von Staatsshintō und dem Erziehungssystem ins Visier der Besatzungsbehörden. So sollten shintōistische Inhalte aus Lehrmaterialien, die von Institutionen verwendet wurden, die zumindest teilweise mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden, durch die Zensur entfernt werden. Darüber hinaus musste auch der Besuch von Schreinen oder das Abhalten shintōistischer Zeremonien durch Bildungseinrichtungen unterbleiben (1h). Schließlich erstreckten sich die Maßnahmen der
41 Zur Wiederbewaffnung allgemein French, Thomas: National Police Reserve; Kido, Eiichi: Die Remilitarisierung Japans nach 1945; Katō, Yōzō: Die japanischen Selbstverteidigungsstreiträfte von der Gründung bis zur Gegenwart. 42 Der Text der Shintō-Direktive in Woodard, William P.: The Allied Occupation of Japan 1945– 1952 and Japanese Religions, S. 295–299. Vgl. zur Entstehung a. a. O., S. 54–74; Hardacre, Helen; Shintō and the State, S. 136–137; Takemae, Eiji: The Allied Occupation of Japan, S. 375–377; Ōhara, Yasuo: Shintō shirei no kenkyū, Tōkyō: Hara shobō 1993.
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Shintō-Direktive gegen Militarismus und Ultranationalismus fünftens auch auf die Sprache. So wurde der Gebrauch von Begriffen und Konzepten wie Dai-Tōa sensō („Großostasiatischer Krieg“) oder hakkō ichiu („Acht Bänder bzw. Pfeiler – ein Dach“), die der Legitimation des Krieges gedient hatten, verboten (1j). Die Shintō-Direktive griff stärker als alle anderen Maßnahmen in die Gegebenheiten an den shōkon-Schreinen ein. Sie betraf sowohl die institutionelle (und finanzielle) Einbindung der Schreine in den japanischen Staat als auch ideologische und religiöse Voraussetzungen und erstreckte sich schließlich mit dem Verbot der Besuche durch Schulklassen auf etablierte Praktiken der Vorkriegsund Kriegszeit. Das Jahr 1946 brachte weitere Veränderungen der Rahmenbedingungen des Gefallenenkultes mit sich. In seiner Neujahrbotschaft widerrief der Tennō am 1. Januar 1946 seine Göttlichkeit wie auch die Überlegenheit des japanischen Volkes und versetzte damit Grundannahmen staatsshintōistischer Vorstellungen und der staatlichen Propaganda der Kriegszeit einen entscheidenden Schlag. Die Bande zwischen dem Tennō und dem japanischen Volk beruhten nämlich, so Hirohito, „immer auf gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Verehrung“ und seien „keineswegs Produkte reiner Mythen und Legenden.“ Sie beruhten „nicht auf dem Wahn, der Tennō sei ein gegenwärtiger Gott und das japanische Volk anderen überlegen, oder es hätte gar die Aufgabe, die Welt zu beherrschen.“43 Schließlich zementierte die neue Verfassung vom November 1946 die Trennung von Staat und Religion und damit vom Shintō. Absatz 3 des Artikel 20 der Japanischen Verfassung legt fest, dass sich „der Staat und seine Organe […] der religiösen Erziehung und jeder anderen Art religiöser Betätigung zu enthalten“ haben;44 Artikel 89 verleiht dem Finanzierungsverbot Verfassungsrang: „Öffentliche Geldmittel und anderes öffentliches Vermögen dürfen zur Verwendung durch religiöse Unternehmungen oder Vereinigungen, zu deren Gunsten oder Erhaltung, sowie für mildtätige, bildende oder wohltätige Werke, die nicht der öffentlichen Aufsicht unterstehen, weder ausgegeben noch zur Verfügung gestellt werden.“45 Fünftens. Während diese juristischen Neuregelungen den Staatsshintō also in seiner überlieferten Form zerstörten, wurden die shōkon-Schreine selbst jedoch, obwohl sie ein wichtiger Pfeiler des Staatsshintō und zentrale Orte der Kriegs ideologie waren, nicht zerstört, sondern in religiöse Körperschaften (shūkyō hōjin) umgewandelt und damit faktisch in die Unabhängigkeit entlassen. Durch
43 Die Neujahrbotschaft des Tennō vom 1. Januar 1946, In: Lokowandt, Ernst (Hg.): Zum Verhältnis von Staat und Shintō im heutigen Japan, S. 68–69, hier S. 69. 44 Röhl, Wilhelm: Japanische Verfassung, S. 104. 45 A.a.O., S. 139.
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diese Umwandlung standen sie nunmehr unter dem Schutz des Gebotes der Religionsfreiheit. Nach einer eher kurzen Übergangsphase, die mit der Wiedergewinnung der staatlichen Souveränität endete und in denen sich die shōkon-Schreine eher an Demilitarisierung, Demokratie und Frieden orientiert hatten, konnten sie so die religiöse Lehre und rituelle Praxis der Zeit vor 1945 unter dem Schutz der Verfassung in die Nachkriegszeit tradieren.46 Hierdurch hatten sich die Möglichkeit, Horte und Referenzpunkte der klassischen Deutungsangebote des modernen politischen Totenkultes (und weiterer Lehren des Staatsshintō aus der Zeit vor 1945) zu bleiben, auch wenn sie staatlichen Repräsentanten, nähme man das Gebot der Trennung von Staat und Religion ernst, verschlossen wären. Mit anderen Worten: Das religiöse Deutungsmuster blieb weiterhin verfügbar, durfte und darf aber durch den japanischen Staat nicht mehr offen abgerufen werden. Sechstens schließlich gingen die oben skizzierten Veränderungen mit einer nachhaltigen Veränderung auf der Ebene der Träger des politischen Totenkultes einher. Seit der Zeit der nationalstaatlichen Kriege gegen China und Russland um die Jahrhundertwende wurde der politische Totenkult im Wesentlichen zum einen durch staatliche Akteure wie das Militär oder die shōkon-Schreine, die im Rahmen des Staatsshintō ebenfalls fest in den staatlichen Strukturen verankert waren, und zum anderen durch gesellschaftliche Organisationen wie den Reichsreservistenverband (Teikoku zaigō gunjin-kai), den Verband zur Unterstützung der Soldaten (Gunjin engo-kai), den Wehrfrauenverband (Kokubō fujin-kai) oder den Patriotischen Frauenverband (Aikoku fujin-kai) getragen. Nach dem Asiatisch-Pazifischen Krieg wurden letztere als militaristische und ultranationalistische Organisationen ebenso aufgelöst wie die Streitkräfte selbst. Die Schreine hingegen verloren ihren staatlichen Charakter und wurden mit der Transformation in religiöse Körperschaften zu Teilen der Gesellschaft. Im Gegenzug entstanden neue gesellschaftliche Organisationen wie der Japanische Hinterbliebenenverband (Nihon izoku-kai) oder die „Vereinigung, die den Heldenseelen antwortet“ (Eirei ni kotaeru kai), die in den folgenden Jahrzehnten die Rolle zentraler Träger des Gefallenengedenkens einnehmen sollten. Ihr Entstehen ist eng mit den Veränderungen der politischen und gesellschaftlichen Realität nach 1945
46 Bezeichnend für diese Entwicklung ist die Namensgebung der Schreine insbesondere auf der regionalen und lokalen Ebene. Während der Besatzungszeit tilgten viele gokoku jinja in ihren Namen die Bezüge zur Landesverteidigung und gaben sich unverfängliche regionale Bezeichnungen wie z. B. der Saga-ken gokoku jinja (Landesverteidigungsschrein der Präfektur Saga) in Hizen jinja (Hizen-Schrein) usw.; diese Benennungen wurden allesamt nach 1952 wieder rückgängig gemacht. Die Umbenennungspraxis ist im Einzelnen nachvollziehbar in Yasukuni jinja (Hg.): Furusato no gokoku jinja to Yasukuni jinja, S. 64–215.
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verbunden, und unterstreicht zugleich die gesellschaftliche Relevanz des politischen Totenkultes in der japanischen Gesellschaft.
5.2.1 Yasukuni-Schrein Für den Yasukuni-Schrein bedeuteten Kriegsniederlage und die einsetzenden Reformmaßnahmen der Besatzungsbehörden einen tiefen Einschnitt.47 Die Herausforderungen, vor die der Schrein gestellt wurde, waren dabei vor allem institutioneller und ideologischer Natur. Die Antworten, die auf diese Herausforderungen gefunden wurden, waren das Ergebnis komplexer Aushandlungs- und Interaktionsprozesse zwischen den amerikanischen Besatzungsbehörden (und z. T. ihren japanischen Helfern), verschiedenen (auch wechselnden) Stellen der japanischen Bürokratie und dem Yasukuni-Schrein selbst. Analoge Befunde sind übrigens auch für die Landesverteidigungsschreine auf regionaler Ebene zu konstatieren, auch wenn hier übergreifende Studien bisher nicht vorliegen. Auf diese äußerst komplexen Prozesse kann im Folgenden nicht näher eingegangen werden; grosso modo lässt sich aber – wie auch für andere Felder der Besatzungspolitik – feststellen, dass sie keineswegs nach dem Muster „Vorgabe der Besatzungsmacht – Umsetzung durch die japanische Seite“ beschrieben werden können.48 Vielmehr waren sie die Frucht einer komplexen Akteursstruktur mit unterschiedlichen Interessen und realen oder bloß antizipierten Erwartungshaltungen, von sanftem oder wirklichem Druck wie auch von vorauseilendem Gehorsam, von Umsetzung wie von Verschleppung von Anordnungen oder gemachten Zusagen und nicht zuletzt auch von sprachlichen und kulturellen Missverständnissen. Institutionell bedeuteten das Ende des Staatsshintō, die Demobilisierung der Streitkräfte und der Umbau der staatlichen Bürokratie zunächst also vor allem,
47 Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 30. Siehe allgemein zur Geschichte des Yasukuni in der Besatzungszeit vor allem a. a. O., S. 29–58; Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 1–28. 48 Vgl. Mullins, Mark R.: How Yasukuni Shrine survived the Occupation. A Critical Examination of Popular Claims, In: Monumenta Nipponica 65 (2010), Heft 1, S. 89–136; Allgemein zu den Aushandlungsprozessen siehe etwa die prominenten und bereits gut untersuchten Beispiele der Entstehung der Nachkriegsverfassung oder der Formulierung der Bildungspolitik. Vgl. Dower, John: Embracing Defeat, S. 346–404; Koseki, Shōichi: Nihon-koku kenpō no tanjō; Krämer, Hans Martin: Neubeginn unter US-amerikanischer Besatzung? Hochschulreform in Japan zwischen Kontinuität und Diskontinuität 1919–1952, Berlin: Akademie-Verlag 2006; Ders.: Just Who Reversed the Course? The Red Purge in Higher Education During the Occupation of Japan, In: Social Science Japan Journal 8 (2005), Heft 1, S. 1–18.
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dass seine verwaltungstechnische Einbindung in die staatlichen Strukturen zerschlagen wurde. Der Yasukuni-Schrein hatte in der Zeit vor 1945 den beiden Teilstreitkräften unterstanden. Mit der Demobilisierung wurden auch die Ministerien für Heer und Marine vorübergehend in die Ministerien für Demobilisierung Nr. 1 und Nr. 2 (Dai-ichi bzw. Dai-ni fukuin-shō) umgewandelt und schließlich aufgelöst. Ähnlich erging es dem Schreinamt des Innenministeriums, womit ein weiterer wichtiger Akteur im Institutionengefüge des Staatsshintō als Ansprechpartner des Schreines aufhörte zu existieren. Zugleich ist aber auch zu betonen, dass das personelle und institutionelle Beziehungsgeflecht zwischen Schrein und staatlicher Bürokratie nicht vollständig aufgelöst wurde. Zum einen wurden die für Kriegsgefallene und Hinterbliebene vor allem zuständigen Abteilungen des ehemaligen Heeres und der Marine und des Wohlfahrtsministeriums (Kōsei-shō) zunächst auf lokaler und regionaler, im Oktober 1947 bzw. im Januar 1948 auch auf zentralstaatlicher Ebene zusammengelegt und in letzteres integriert.49 Bis heute stellt die Abteilung für Soziales und Unterstützung (Shakai, engo-kyoku) im Ministerium für Wohlfahrt und Arbeit, wie es inzwischen heißt, den wichtigsten Interaktionspartner (und Fürsprecher) des Yasukuni innerhalb der staatlichen Bürokratie dar. Zum anderen zeigen die Quellenbefunde, dass in der Besatzungszeit auch die Kontakte zum Ministerium (seit 1947 Büro, seit 1949 Amt) für den Kaiserlichen Haushalt sehr eng blieben, worin sich die andauernde Ausrichtung des Yasukuni auf den Tennō bzw. die kaiserlichen Familie spiegelte. Darüber hinaus bedeuteten das Ende des Staatsshintō und die Reformen der Besatzungszeit für den Yasukuni-Schrein vor allem einen institutionellen Neuanfang. Nach langwierigen Diskussionen wandelte sich der Yasukuni jinja im September 1946 in eine religiöse Körperschaft (shūkyō hōjin) um. Damit gelang es der japanischen Seite, eine Transformation des Schreines in eine nicht-religiöse „denkmalsartige Einrichtung“ (kinen-hi-teki na mono) oder einen „Ahnenschrein“ bzw. ein „Mausoleum“ (mitamaya bzw. byō), wie von den Besatzungsbehörden vorgeschlagen, abzuwenden – nicht zuletzt, um eine Säkularisierung des Schreines (und damit des Gefallenengedenkens insgesamt) zu verhindern.50 Dabei trat der Yasukuni nach seiner Umwandlung interessanterweise nicht der bereits im Februar 1946 gebildeten Assoziation der Shintō-Schreine (Jinja honchō) bei, welche ebenfalls die Rechtsform einer religiösen Körperschaft angenommen hatte und zumindest teilweise die Funktionen des Amtes für Schreinangelegenheiten des Innenminis-
49 Vgl. Kōsei-shō shakai, engo-kyoku engo gojū-nen-shi henshū iin-kai (Hg.): Engo gojū-nenshi, S. 144–145. 50 Vgl. Ōe, Shinobu: Yasukuni jinja, S. 38–39.
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teriums übernahm, sondern blieb institutionell unabhängig.51 Für den YasukuniSchrein bedeutete diese Umwandlung zum einen formal die endgültige Lösung von staatlichen Strukturen und die juristische Selbständigkeit, zum anderen war er seinerseits nun mit dem Inkrafttreten der Nachkriegsverfassung durch das darin enthaltene Gebot der Religionsfreiheit staatlichen Zugriffen de jure entzogen. Die Lösung vom Staat implizierte weitere Herausforderungen für den Schrein, in deren Zentrum zunächst Eigentumsfragen standen. Wie bei anderen Einrichtungen des Staatsshintō seit der Meiji-Zeit waren Grund und Boden des Yasukuni staatliches Eigentum. Mit der Transformation in religiöse Körperschaften wurden diese durch den japanischen Staat in der Regel an die Schreine übertragen. Im Falle des Yasukuni, der Landesverteidigungs- und der shōkon-Schreine in den Provinzen aber wurde eine Überlassung durch die Besatzungsbehörden explizit untersagt, da es sich bei ihnen um „militaristische Schreine“ (gunkoku-teki jinja) handele.52 Eine mögliche Übertragung wurde deshalb seitens des GHQ an Maßnahmen zur Demilitarisierung gekoppelt, wurde jedoch erst nach dem Inkrafttreten des Friedensvertrages von San Francisco 1952 realisiert. Daneben bestand für den Schrein das Problem, seine finanzielle Lage abzusichern. Hierzu diente etwa die Verpachtung des Gebäudes des Yūshū-kan, das bis dato das Militärmuseum beherbergt hatte und das inzwischen durch die Besatzungsbehörden geschlossen worden war (vgl. unten). Schließlich sind die Versuche des Yasukuni, ab Sommer 1946 mit der Yasukuni-kai („Yasukuni-Vereinigung“) oder der Yasukuni-kō („Yasukuni-Gemeinde“) Hinterbliebenenorganisationen bzw. Vereinigungen von Gläubigen ins Leben zu rufen, auch im Kontext der angestrebten Sicherung einer sozialen wie finanziellen Basis für den Schrein zu sehen.53 Auch ideologisch bedeuteten die veränderte Rolle des Tennō, die pazifistische und antimilitaristische Grundhaltung der japanischen Bevölkerung usw. eine fundamentale Veränderung der Rahmenbedingungen, die eine (zumindest vorübergehende) Neupositionierung des Yasukuni-Schreines auch in Bezug auf die Deutungsangebote des Gefallenenkultes erzwang. Erstmals sah sich der Schrein sogar Forderungen nach seiner Abschaffung ausgesetzt, die in der Öffentlichkeit vorgetragen wurden.54 Darüber hinaus nahm bereits wenige Tage nach Kriegs-
51 Vgl. zum Jinja honchō Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics in Japan, S. 35–59. 52 Vgl. Disposition of State-Owned Land used by Religious Institutions. SCAPIN 1334 (CIE) vom 13. November 1946, In: Woodard, William P: The Allied Occupation of Japan 1945–1952 and Japanese Religions, S. 300–301, hier S. 301. 53 Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 56–57. 54 Prominentestes Beispiel hierfür ist der Artikel „Yasukuni jinja haishi no gi“ (Ansicht zur Abschaffung des Yasukuni-Schreines) des liberalen Journalisten und Politikers Ishibashi Tanzan,
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ende auch die Zahl der Besucher am Schrein signifikant ab. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Fürbitten für den Sieg, die traditionell am Schrein dargebracht wurden, ihren Sinn verloren hatten.55 Vom 19.-23. November 1945, inmitten der unsicheren Zukunft nach Kriegsende und wenige Tage vor der Umwandlung der Streitkräfte- in Demobilisierungsministerien, wurde am Yasukuni eine „Außerordentliche Große shōkon-Zeremonie“ (rinji dai-shōkon-sai) durchgeführt. Die Planungen für diese Zeremonie als einem „letzten Dienst“ (saikō no hōshi) vor der Auflösung der Streitkräfte „für die während des Chinesischen Zwischenfalles und des Großostasiatischen Krieges gefallenen Heldenseelen“ hatten seitens der beteiligten Behörden (den Ministerien für Heer, Marine und den kaiserlichen Haushalt, dem Schreinamt des Innenministeriums und dem Yasukuni) bereits im September begonnen.56 Bemerkenswert ist, dass in den ursprünglichen Planungen des Heeresministeriums eine Ausweitung der Bedingungen für eine Einschreinung vorgesehen war, welche die bisherige Praxis der Einschreinungen fundamental verändert hätte. Der Kreis der Einzuschreinenden wurde dabei wie folgt definiert: „Erstens: Personen, die bis zum Ende des Großostasiatischen Krieges gefallen oder einer Verletzung oder Krankheit erlegen sind, die sie sich im Kriegsdienst zugezogen haben, und Personen, die während ihres Dienstes bei der Eisenbahn, auf Schiffen oder als Mitglieder der Freiwilligen Kampftruppen (Giyū sentō-tai) usw. den Tod gefunden haben. Zweitens: Personen, die während des Dienstes in Rüstungsbetrieben den Tod gefunden haben. Drittens: Personen, die kurz vor oder kurz nach dem Ende des Großostasiatischen Krieges aus Patriotismus Selbstmord begangen haben oder verstorben sind. Viertens: Gewöhnliche Menschen (jōjin), die durch Kampfhandlungen des Feindes ums Leben gekommen sind [zivile Kriegsopfer, Passagiere von Eisenbahn oder Schiffen, die in Zügen oder Schiffen verunglückt sind].“57
Eine Realisierung dieser Planungen hätte zum einen die Auswahlkriterien für eine Einschreinung verändert, insofern als nun alle Opfer des Krieges für eine
der 1956–57 Premierminister werden sollte. Dieser forderte am 13. Oktober 1945 in der Tōyō keizai shinpō, deren Chefredakteur er war, sowohl aus einem pazifistischen Bewußtsein heraus als auch in Anbetracht der internationalen Lage und der möglichen Reaktionen des GHQ eine Schließung des Schreines. Vgl. Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 3–6; Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 31. 55 Ebenda. 56 Vgl. Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 268–280. 57 Yasukuni jinja gōshi nado ni kan-suru ken (Shōwa 20–9-21), In: Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 268–272, hier S. 269.
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Verehrung im Yasukuni-Schrein qualifiziert worden wären. Damit trug dieser Vorschlag explizit der Realität eines totalen Krieges Rechnung, in dem – anders als in den älteren Konflikten – im großen Maßstab zivile Opfer zu beklagen und auch die japanischen Hauptinseln zum Kriegsschauplatz geworden waren.58 Neben der Einschreinung in den Yasukuni sah der ursprüngliche Vorschlag parallel ein irei-sai („Zeremonie zur Besänftigung der Seelen“) vor, das ebenfalls zivile Kriegsopfer berücksichtigen und das unter der Federführung der Regierung außerhalb des Yasukuni durchgeführt werden sollte.59 Während der Schrein selbst diesen vorgeschlagenen Veränderungen neutral gegenüberstand – er betonte in einer Stellungnahme, es sei nicht seine Sache zu entscheiden, wer eingeschreint werde –, lehnten das Marineministerium das Ansinnen zum Teil, das Ministerium für den kaiserlichen Haushalt in Anbetracht des „Wesens des Yasukuni-Schreines“ (Yasukuni jinja no honshitsu-jō) nachdrücklich ab.60 Daneben existierte für die beteiligten Behörden ein weiteres Problem. Kurz nach Beendigung des Krieges existierten weder gesicherte Angaben über die Zahl noch die Namen und die Sterbedaten der tatsächlich Gefallenen. Damit war die etablierte Praxis einer Apotheose im Yasukuni-Schrein nicht aufrechtzuerhalten, für die die Namen der Gefallenen erforderlich sind. Diese sah eigentlich vor, dass die Ministerien für Heer und Marine, nachdem die individuellen Todesumstände untersucht worden waren und diese für eine Einschreinung qualifizierten, die Namen der Gefallenen in einer Liste, dem „Götterregister“ (reiji-bo), verzeichneten. Diese wurde anschließend dem Tennō zur Bestätigung vorgelegt, bevor die Seelen der Gefallenen zum shōkon yuniwa nahe des Schreines gerufen und in den Yasukuni überführt wurden. Hier wurde die Einschreinung selbst durch die Reflexion der Namen der vergöttlichten Seelen im Spiegel, dem Gottkörper des Schreines, vollzogen. Die Zeremonie, welche am Abend des 19. November 1945 stattfand, wurde in Anbetracht der fehlenden Namen schließlich in einer abgewandelten Form durchgeführt. Zwar wurden die Seelen aller vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation am 2. September 1945 Gefallenen kollektiv herbeigerufen.61 Auf die Eintragung in das „Seelenregister“ und die eigentliche (individualisierte) Einschreinung in den Gottkörper des Yasukuni musste an dieser Stelle jedoch verzichtet werden.
58 Ebenda. 59 A. a. O., S. 268. 60 Siehe die Stellungnahmen des Yasukuni-Schreines und der Ministerien für Marine und den kaiserlichen Haushalt a. a. O., S. 269–271. Vgl. auch Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 33. 61 Vgl. Tanaka, Nobumasa: Yasukuni sengo-shi, S. 9.
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Neben diesen durch „Sachzwänge“ hervorgerufenen Veränderungen machte aber insbesondere auch die Präsenz von Vertretern der US-Besatzungsbehörden, allen voran des Leiters der Abteilung Civil Information and Education, Brigadegeneral Kenneth R. Dyke, Abwandlungen der bisherigen Gepflogenheiten unumgänglich. Diese zeigten sich vor allem beim eigentlichen shōkon-sai am Folgetag, das im Beisein des Tennō und weiterer Mitglieder der Kaiserfamilie, von Premierminister Shidehara Kijūrō und seines Kabinettes, Angehörigen von Heer und Marine und Hinterbliebenen unter der Leitung des letzten Generalstabschefs des Heeres, Generaloberst Umezu Yoshijirō, durchgeführt wurde. In Anbetracht der Gefahr, als Hort des japanischen Militarismus angesehen zu werden und damit die weitere Existenz des Schreines zu gefährden, galt es nun, das eindeutig militärische Gepräge der Zeremonien abzuschwächen. Sichtbarstes Zeichen hierfür war, dass der Tennō nicht mehr, wie aus Anlass der letzten 20 offiziellen Pilgerbesuche am Schrein, die Uniform des Oberbefehlshabers der Streitkräfte, sondern die eigens neu entworfene und sich an das Aussehen von Schuluniformen anlehnende „Tennō-Kleidung“ (tennō-fuku) trug. Auch den teilnehmenden Militärs war nahegelegt worden, möglichst nicht in Uniform, sondern in Zivil zu erscheinen.62 Die „Außerordentliche Große shōkon-Zeremonie“ vom November 1945 markierte damit in gewisser Weise den Übergang des Schreines in die Besatzungszeit. Letztmalig spielte das vor der Auflösung stehende Militär eine sichtbare und tragende Rolle sowohl bei der Vorbereitung wie auch der Durchführung. Das Ablegen der Uniformen symbolisierte geradezu das Verschwinden militärischer zeremonieller Bestandteile in der rituellen Praxis des Schreines, die Auflösung der Streitkräfte das Ende der Verbindung von soldatischer und ziviler Gedenk tradition. In dieser Hinsicht wurde der Yasukuni nach 1945 de-militarisiert bzw. zivilisiert. Freilich nur in dieser Hinsicht. Denn die Aufrechterhaltung der Exklusivität des Yasukuni jinja, des Prinzips, dass der Tod auf dem Schlachtfeld das entscheidende Kriterium für eine Einschreinung blieb, bedeutete auch, dass eine Transformation des Schreines hin zu einer Stätte des Gedenkens aller Opfer des Krieges verhindert wurde. Die Maßnahmen zur „Demilitarisierung“ des Schreines setzten sich 1946 fort, wobei die Neuerungen keinesfalls einen Bruch mit der Tradition des YasukuniSchreines darstellen mussten. Sie erfassten zunächst die personelle Ebene. War es bisher üblich, dass der Oberpriester des Schreines (gūji) den obersten Rängen der Streitkräfte entstammte, wurde mit Tsukuba Fujimaro als Nachfolger für Generaloberst a. D. Suzuki Takao, der dieses Amt seit 1938 innegehabt hatte und am 17. Januar 1946 zurücktrat, ein Mitglied einer Nebenlinie des Kaiserhauses
62 Vgl. Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 36–37.
5.2 Gefallenenkult
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dessen Nachfolger.63 Neben der Lösung vom Militär vertiefte diese Wahl zugleich also auch die Verbindung von Schrein und kaiserlicher Familie.64 Damit übten zu Beginn des Jahres 1946 ehemalige Militärs keine Funktion mehr am Schrein aus.65 Daneben existierten Planungen, die Nutzung des Schreingeländes und damit den Charakter des Yasukuni erneut zu verändern. Das Militärmuseum Yūshū-kan, das in den Jahren vor 1945 eine der größten Attraktionen auf dem Schreingelände gewesen war, musste wegen seines militaristischen Charakters geschlossen werden. Nun wurde geprüft, es in einen „Ort für Vergnügungen“ (goraku-jō) mit einem Kinosaal und Gelegenheiten zum Karussell- und Rollschuhfahren sowie Tischtennisspielen umzuwandeln.66 In den Verhandlungen mit den Besatzungsbehörden verwies man seitens des Yasukuni darauf, dass der wahre Charakter des Shintō im Lachen zu finden sei.67 Eine Realisierung dieser Überlegungen hätte durchaus in der Tradition des Schreines gestanden, der ja erst in den Jahren des Asiatisch-Pazifischen Krieges seinen Charakter als Ort für Amüsements verloren hatte. Jedoch galt nun die Aufweichung des solennen Charakters für einen Ort der Ehrung der Toten nicht mehr als angemessen. So wurde das Gebäude des Yūshūkan, dessen Museum in den nächsten Jahrzehnten geschlossen bleiben sollte, schließlich 1946 an die Versicherung Fukoku seimei verpachtet, die es zu ihrem Firmensitz ausbaute.68 Die Pachteinnahmen bildeten in der Folgezeit übrigens einen wichtigen Anteil der Finanzierung des Schreines. Schließlich begannen die US-amerikanischen Behörden auch, aktiv auf Änderungen bei der Ausgestaltun-
63 Suzuki Takao war ein Bruder von Admiral Suzuki Kantarō, der von April bis August 1945 als Premierminister amtierte und in dessen Amtszeit die Kapitulation Japans fiel. Tsukuba wiederum war Sohn des Kaiserlichen Prinzen Yamashina no miya Kikumaro, hatte jedoch 1928 mit der Annahme des Names Tsukuba die kaiserliche Familie offiziell verlassen und eine eigene Familie gegründet (shinseki kōka). Tsukuba war nota bene eines der wenigen Mitglieder des Kaiserhauses, die vor dem Krieg keine militärische Ausbildung genossen hatten; wegen gesundheitlicher Probleme hatte er statt dessen eine Karriere als Historiker angestrebt und war zugleich bis zu dessen Abschaffung Mitglied des Herrenhauses. Nach dem Krieg war er auch prominentes Mitglied der Anti-Atomwaffen-Bewegung in Japan. Vgl. Breen, John: Introduction. A Yasukuni Genealogy, In: Ders. (Hg.): Yasukuni, the War Dead, and the Struggle for Japan’s Past, London: Hurst & Co. 2007, S. 1–21, hier S. 8–9. 64 Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 46. 65 Vgl. Outline of Discussion Between Lt. Bunce and Second Priest Yokoi vom 21. Januar 1946, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 80–81, hier S. 80. 66 Vgl. Tanaka, Nobumasa: Yasukuni sengo-shi, S. 16–17; Akazawa, Shirō, S. 48–49. 67 Outline of Discussion Between Lt. Bunce and Second Priest Yokoi vom 21. Januar 1946, S. 80. 68 Die Fukoku seimei war 1923 als Versicherungsgesellschaft für Wehrpflichtige gegründet worden, was sich im ursprünglichen Namen Fukoku chōhei kaisha widerspiegelte.
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gen der Feierlichkeiten am Schrein hinzuwirken. Dies zeigte sich zunächst bei der Frage der Termine für die Durchführung der „Ordentlichen Schreinfeste“ (rei-taisai), welche seit 1917 an den Jahrestagen der Siegesparaden des Heeres (30. April) und der Flotte (23. Oktober) nach dem Russisch-Japanischen Krieg stattfanden und damit direkt an die militärischen Triumphe der Meiji-Zeit erinnerten.69 Aus diesem Grunde musste der Schrein ab August 1946 andere Tage wählen und legte nach Rücksprache mit dem Ministerium für den Kaiserlichen Haushalt die Feierlichkeiten fortan auf die traditionellen Tage der Tag- und Nachtgleiche, freilich nun mit dem 22. April und dem 18. Oktober an den aktuellen Kalender angepasst.70 Offiziell wurde dieser Schritt denn auch im September 1946 durch den Schrein mit der bevorstehenden Verkündung der neuen Verfassung und der darin enthaltenen Kriegsverzichtsklausel begründet.71 Von zentraler Bedeutung war darüber hinaus die Frage, wie sich die religiöse Vorstellung und Praxis des Schreines weiter entwickeln sollte. Im September 1946 forderte das GHQ die Einstellung sowohl möglicher weiterer Einschreinungen im Beisein von Hinterbliebenen als auch deren im Umfeld einer Einschreinung regulär erfolgende Benachrichtigung durch den Yasukuni.72 Da dies auf den Protest und Widerstand von Angehörigen von Gefallenen stieß, führte der Yasukuni ab 1948 ein inoffizielles „Fest der Aufbewahrung der Seelenregister“ (Reiji hōan-sai) durch, bei dem ebenfalls wie bei den nun untersagten Einschreinungszeremonien eine Liste mit den Namen der vergöttlichten Gefallenen in die Haupthalle (honden) des Schreines überführt wurde.73 Bereits am 1. April 1946 hatte sich der Schrein eine neue Satzung gegeben, welche in der Folgezeit als Leitfaden für die Ziele, Handlungen und Strukturen des Yasukuni fungierte.74 Als Aufgabe des Schreines definiert diese Satzung: „Der Yasukuni-Schrein hat, beruhend auf dem Kaiserlichen Wunsch des ‚friedlichen Landes‘, wie er zum Zeit-
69 Vgl. Harada, Keiichi: Irei to tsuitō. Sensō kinen-bi kara shūsen kinen-bi e, In: Kurasawa Aiko u. a. (Hg): Iwanami kōza Ajia Taiheiyō sensō. Band 2: Sensō no seiji-gaku, Tōkyō: Iwanami shoten 2005, S. 291–316, hier S. 293. Die zentralen Quellen zur Festlegung der Daten in Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 388–418. 70 A. a. O., S. 294; Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 50. 71 Ebenda; vgl. auch Yasukuni jinja saishi kitei ichibu kaisei-an (9. September 1946), In: Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 1, S. 411–414, hier S. 413. 72 Diese Weisung ist im Kontext der zahlreichen zeitgleichen Maßnahmen des GHQ zu verstehen, die sich gegen die offiziellen Formen der Gefallenenehrung richtete. 73 Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 52. 74 Yasukuni jinja kisoku, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 82–83; vgl. auch Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 46.
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punkt der Gründung des Schreines vom Meiji-tennō gewährt wurde, zum Ziel, die Seelen derer, die für die Sache des Landes ihr Leben gegeben haben, als Gottheit [zu verehren], ihre göttlichen Tugenden erstrahlen zu lassen, darüber hinaus Wege zur Tröstung der Hinterbliebenen zu verwirklichen und damit eine friedliche und warmherzige Volkssitte (heiwa junkō naru minfū) zu befördern.“75 Der offizielle Vorschlag des japanischen Kultusministeriums vom 2. Dezember 1946 zur Zukunft des Yasukuni und der Landesverteidigungsschreine griff diese Überlegung auf und formulierte als künftige Aufgabe, „den Yasukuni ‚zu seiner originären Bestimmung als ein Schrein zur Besänftigung der Seelen der Kriegstoten‘ an Stelle einer Institution zur Verbreitung des Militarismus zurückzuführen“.76 Dabei wird die Seelentröstung irei als die eigentliche traditionelle Aufgabe des Schreines verstanden, an deren Tradition anzuknüpfen sei. Im Juli 1947 wurde schließlich mit dem mitama matsuri („Seelenfest“) ein neues Fest am Schrein etabliert, das in der Nachkriegszeit eine besondere Bedeutung im Jahresablauf des Yasukuni gewinnen sollte.77 Es ähnelt als matsuri klassischen Volksfesten, wie sie im Sommer in vielen Regionen Japans begangen werden, und auch die Besucher waren und sind keineswegs nur Angehörige von Gefallenen. Die zeitliche Nähe zum traditionellen buddhistischen Totenfest O-bon und die Integration von buddhistischen und shintōistischen Elementen bzw. von Vorstellungen des Ahnenkultes hat bei den Bewohnern Tōkyōs zusätzlich zur Attraktivität dieses Festes und damit auch des Schreines insgesamt beigetragen.78 Der Yasukuni selbst bezeichnet das mitama matsuri denn auch als „friedliche und kulturelle religiöse Zeremonie“ (heiwa-teki bunka-teki saishi), die, worauf Akazawa Shirō zu Recht verweist, mit staatlicher Gefallenenehrung kaum etwas gemein hat.79 Schließlich näherte sich der Yasukuni in der Besatzungszeit noch in einer weiteren Hinsicht traditionellen Shintō-Heiligtümern an. So wurden ab 1948 im März das Mädchenfest (hina matsuri) gefeiert und 1947 erstmals Hochzeiten und das 7-5-3-Fest für Kinder durchgeführt.80 Zusammenfassend kann man konstatieren, dass die Besatzungszeit sowohl in institutioneller als auch in ideologischer Hinsicht einen tiefen Einschnitt in der Geschichte des Yasukuni-Schreins markierte. Auf die grundlegenden Verän-
75 Yasukuni jinja kisoku, S. 82. 76 Education Ministries Plan for Dealing with Military Shrines, 2. Dezember 1946, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryōshū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 97. 77 Vgl. Yasukuni jinja: Yasukuni no inori, S. 174. 78 Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 46 und S. 57. 79 Ebenda. 80 Yasukuni jinja: Yasukuni no inori, S. 173.
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derungen der strukturellen Rahmenbedingungen reagierte der Schrein, der nun erstmals in seiner Geschichte formal vom japanischen Staat unabhängig war, mit einer Anpassung an den zeitgenössischen Pazifismus, jedoch unterblieb ein vollständiger und radikaler Bruch mit der Vergangenheit. Der religiöse Grundgehalt des Gefallenengedenkens im Schrein blieb ebenso erhalten wie der exklusive Charakter seiner Einschreinungspraxis. Die Änderungen der Besatzungszeit blieben in dieser Hinsicht durchaus mit den Meiji-zeitlichen Gründungstraditionen vereinbar.
5.2.2 Landesverteidigungsschreine Die Landesverteidigungsschreine (gokoku jinja) standen mit dem Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges strukturell vor ähnlichen Herausforderungen wie der Yasukuni-Schrein, als dessen Zweigschreine sie durch die „Verordnung zur Reform und Kontrolle des Systems der shōkon-Schreine“ vom März 1939 faktisch fungierten.81 Institutionell unterstanden sie zwar vor 1945 nicht wie dieser den Ministerien für Heer und Marine, sondern der Abteilung für Schreine (Jingi-in) des Innenministeriums. Doch bedeutete das Ende des Staatsshintō, die Trennung von Staat und Religion und die Auflösung der Abteilung für Schreine des Innenministeriums im Februar 1946, dass auch die gokoku jinja aus der Einbindung in die staatlichen Verwaltungsstrukturen entlassen wurden. Das neue Maß an Freiheit bedeutete im Gegenzug aber auch ein hohes Maß an Unsicherheit in Bezug auf die wirtschaftliche Basis. Daneben erzwangen die veränderte Rolle des Tennō und die pazifistische und antimilitaristische Grundhaltung der japanischen Bevölkerung auch im Falle der Landesverteidigungsschreine eine (zumindest vorübergehende) ideologische Neupositionierung in Bezug auf die Deutungsangebote des Gefallenenkultes. Trotz dieser strukturell ähnlichen Bedingungen unterschied sich die Situation der Landesverteidigungsschreine in zwei Punkten von der des YasukuniSchreines. Im Gegensatz zu diesem waren 14 Anlagen insbesondere in den Großstädten in Folge der alliierten Luftangriffe teilweise oder vollständig zerstört,
81 Die systematische Erforschung der Geschichte der Landesverteidigungsschreine nach 1945 steht bisher aus. Ansätze bei Shirakawa,Tetsuo: 1930–1950-nendai ‚senbotsu-sha irei‘ no dōkō. Gokoku jinja o chūshin ni, In: Nihon-shi kenkyū 571 (2010), S. 141–171. Vgl. auch Zenkoku gokoku jinja-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai 25-nen-shi; Gojū-nen-shi henshū iin-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai gojū-nen-shi.
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etwa in Hiroshima und Nagasaki, in Ōsaka usw.82 Darüber hinaus differierte auch die Rolle der Besatzungsbehörden. Zu Beginn der Besatzungszeit kannte das GHQ nach eigenem Bekunden noch nicht einmal die geographische Lage oder die Verteilung der gokoku jinja im Land.83 Entsprechend dürfte zunächst der Veränderungsdruck, der durch die Besatzungsbehörden ausgeübt wurde, regional sehr unterschiedlich und in toto geringer gewesen sein als im Falle des zentralen Shintō-Heiligtums in Tōkyō. Erst ab 1946 beobachtete das GHQ die Aktivitäten der einzelnen Landesverteidigungsschreine, ließ sich detaillierte Berichte erstellen und Reformmaßnahmen z. T. bis in Einzelheiten abstimmen.84 Die institutionelle Neuausrichtung der Landesverteidigungsschreine erfolgte in der ersten Jahreshälfte 1946.85 Sie wurden einzeln in religiöse Körperschaften (shūkyō hōjin) umgewandelt und damit faktisch in die Unabhängigkeit entlassen, traten dabei jedoch der Assoziation der Shintō-Schreine (Jinja honchō) bei, innerhalb derer sie später eine eigene Kategorie bildeten. Durch diese Umwandlung standen auch sie nunmehr unter dem Schutz der Religionsfreiheit vor staatlichem Zugriff. Tatsächlich differierte die Situation der Schreine erheblich. Den ehemaligen sog. designierten Landesverteidigungsschreinen (shitei gokoku jinja), von denen es im Prinzip je Präfektur einen geben sollte, gelang es relativ bald, durch die Anbindung von sie tragenden gesellschaftlichen Gruppen wie den in dieser Zeit entstehenden Hinterbliebenenvereinigungen oder den sog. „Unterstützungsvereinigungen“ (hōsan-kai) die ökonomischen Grundlagen zu sichern und somit ihre Unabhängigkeit im Geflecht der Assoziation der Shintō-Schreine zu wahren. Die kleineren gokoku-Schreine hingegen waren oft nicht in der Lage, eine eigene Priesterschaft zu unterhalten. In Shimabara etwa führte dies dazu, dass der
82 Eine Übersicht über die zerstörten Schreine und ihren Wiederaufbau in Zenkoku gokoku jinja-kai, Zenkoku gokoku jinja-kai 25-nen-shi, S. 328. 83 Vgl. etwa rückblickend das Memorandum for the Chief of Staff: Proposed Disposition of State-Owned Precints of Shinto Shrines for the War Dead and Proposed Amelioration on Policy of Commemoration of War Dead by the State vom 4. September 1951, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 105–107, hier S. 105. 84 Dies belegen die z. T. detaillierten Berichte zu den einzelnen gokoku jinja, die im Bestand der Civil Information and Education Section des GHQ/SCAP überliefert sind. Siehe Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand GHQ/SCAP Records, Civil Information and Education Section, Analysis and Research Division, Research Unit (Religious), Rep. NARA RG 331, CIE (B) 07033–07096 (Microfiche). 85 Wie unten ausgeführt, änderten zu diesem Zeitpunkt zahlreiche gokoku jinja ihren Namen. Da dies zeitlich und regional in einer sehr unterschiedlichen Dynamik geschah, wird im Folgenden der Einfachheit halber trotz dieser Tatsache von Landesverteidigungsschreinen gesprochen.
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dortige Schrein durch den Priester eines benachbarten Shintō-Heiligtums betreut wird und heute mehr und mehr verfällt (vgl. Abb. 44).
Abb. 44: Gokoku jinja von Shimabara (2009)
Offen blieb an dieser Stelle die institutionelle Beziehung zum Yasukuni-Schrein, der, wie oben dargestellt, der Assoziation der Shintō-Schreine nicht beitrat. Seitens der Landesverteidigungsschreine wurden dabei an den Yasukuni durchaus widersprüchliche Wünsche geäußert: er möge (wie die gokoku jinja) entweder der Assoziation der Shintō-Schreine beitreten und damit seine Sonderrolle als singulärer Schrein aufgeben oder aber auch eine besondere Religionsgemeinschaft mit dem Yasukuni als Mittelpunkt gründen.86 Beide Vorschläge zeigen deutlich, dass eine auch organisatorische Annäherung zwischen dem Yasukuni und den ehemaligen gokoku jinja angestrebt wurde. Der Yasukuni selbst blieb diesen Vorschlägen gegenüber distanziert, denn er kalkulierte bereits zu diesem Zeitpunkt die Chancen, dass der Schrein wieder verstaatlicht würde und/oder der japanische Staat am Schrein Zeremonien durchführte, als deutlich höher, wenn er unabhängig bliebe.87 Seit dem Frühjahr 1951 nahmen deshalb Planungen der Priester der Landesverteidigungsschreine Gestalt an, eine landesweite Organisation mit dem Namen „Urayasu-kai“, zu gründen, die ihren Sitz im Yasukuni jinja
86 Shirakawa,Tetsuo: 1930–1950-nendai ‚senbotsu-sha irei‘ no dōkō, S. 153. 87 Ebenda.
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nehmen und beide stärker miteinander verschränken sollte.88 Diese Vereinigung, der die jeweiligen Oberpriester (gūji) der Landesverteidigungsschreine qua Amt angehörten, wurde schließlich im Mai 1952 aus der Taufe gehoben. Die institutionelle Unabhängigkeit der beiden wichtigsten religiösen Einrichtungen des politischen Totenkultes in Japan blieb aber trotzdem bis heute erhalten. Ideologisch reagierten die Landesverteidigungsschreine auf die veränderten Rahmenbedingungen der Besatzungszeit zunächst mit einer Änderung ihrer Namen. Die Tilgung der Bezüge zur Landesverteidigung und die Orientierung an unverfänglichen regionalen Bezeichnungen sollte dabei die Neuausrichtung auf Demilitarisierung, Demokratie und Frieden zum Ausdruck bringen und reagierte zugleich auf die Vorgaben der Besatzungsbehörden. So wurde etwa aus dem Sagaken gokoku jinja (Landesverteidigungsschrein der Präfektur Saga) der Hizen jinja (Hizen-Schrein) usw., Bezeichnungen, die übrigens nach 1952 allesamt wieder rückgängig gemacht wurden.89 In der zweiten Jahreshälfte 1946 sind weitere Aktivitäten der Schreine zu einer inhaltlichen Neupositionierung innerhalb der japanischen Gesellschaft auszumachen, die die Fortexistenz der Schreine sicherstellen sollte. Ein wichtiges Dokument hierfür sind die „Hauptpunkte zur Reform der Landesverteidigungsschreine“ (Gokoku jinja kaisei yōkō), das durch eine Kommission von Oberpriestern der ehemaligen designierten gokoku-Schreine im November 1946 in enger Abstimmung mit dem Jinja honchō verfasst wurde und mit dem man explizit auf die veränderten politischen Rahmenbedingungen reagieren wollte.90 Konkret wurde darin festgeschrieben, erstens den Namen gokoku jina zu vermeiden und stattdessen Bezeichnungen wie shōkon-sha oder shizutama jinja („Schrein zur Besänftigung der Seelen“) zu wählen. Zweitens sollten im Einklang mit der ursprünglichen Intention der shōkon-Schreine Personen verehrt werden, die sich für die Gesellschaft und die Öffentlichkeit (shakai kōkyō) geopfert hätten bzw. in Ausübung ihres Dienstes ums Leben gekommen seien (junnan junshoku seru hitobito). Drittens seien die Zeremonien auf die Besänftigung und Ehrung der Eingeschreinten zu begrenzen und zwei Mal im Jahr als irei-sai („Fest zur Besänf-
88 Urayasu ist ein alter poetischer Name für Japan, so dass Urayasu-kai wörtlich als „JapanVereinigung“ zu übersetzen wäre. Vgl. Gojū-nen-shi henshū iin-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai gojū-nen-shi, S. 40–42. Die Urayasu-kai wurde 1956 schließlich in die „Nationale Vereinigung der Oberpriester der Landesverteidigungsschreine“ (Zenkoku gokoku jinja gūji-kai) umbenannt. Zenkoku gokoku jinja-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai 25-nen-shi, S. 76–77. 89 Die Umbenennungspraxis ist im Einzelnen nachvollziehbar in Yasukuni jinja (Hg.): Furusato no gokoku jinja to Yasukuni jinja, S. 64–215. 90 Zum Entstehungskontext des Textes siehe Gojū-nen-shi henshū iin-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai gojū-nen-shi, S. 22–25; vgl. auch Shirakawa, Tetsuo: 1930–1950-nendai ‚senbotsu-sha irei‘ no dōkō, S. 151.
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tigung der Seelen“) abzuhalten. Religiöse Zeremonien, die an anderen Schreinen gefeiert werden, wollte man hingegen nicht durchführen. Viertens sollten keine hauptamtlichen Priester eingesetzt, fünftens Hinterbliebenenverbände, die zur Finanzierung der Schreine beitragen, aufgelöst und sechstens schließlich sollte Land im Besitz des Staates oder von Gebietskörperschaften weitgehend zurückgegeben werden.91 Mit diesen Reformvorschlägen sind im Vergleich zur Vorkriegs- und Kriegszeit fundamentale Verschiebungen verbunden. Zunächst wird im Falle der gokoku jinja der Kreis der potentiell Einzuschreinenden mit der Aufnahme von Menschen, die ihr Leben für die Öffentlichkeit – im übertragenen Sinne für das Gemeinwohl – oder in Ausübung ihres Dienstes verloren haben, erweitert und damit die bisherige Exklusivität der Gefallenen in der Totenehrung aufgegeben.92 Diese Neuorientierung ist Faktor wie Indikator für die Lösung von den Vorgaben des klassischen nationalstaatlichen Gefallenenkultes, der den Tod für den Tennō im Krieg zur Voraussetzung für eine Apotheose gemacht hatte. Vielmehr erfolgt nun eine Gleichstellung der Kriegstoten mit Opfern für das Gemeinwohl aus anderen Berufsgruppen. Diese Entscheidung markiert eine Trennung der Praxis der Einschreinung im Yasukuni und den Landesverteidigungsschreinen, die in den folgenden Jahrzehnten punktuell auch zu Konflikten zwischen diesen beiden wichtigsten Trägern des klassischen shintōistischen Gefallenengedenkens in Japan führte. Zugleich eröffneten diese Vorschläge aber auch die Möglichkeit, die Toten der bewaffneten Einheiten des demokratischen Japan – die es in der Besatzungszeit etwa durch den verdeckten Einsatz von Minensuchbooten im Korea-Krieg bald geben sollte – potentiell in die Totenehrung an den gokoku jinja zu integrieren. Schließlich wurde der religiöse Charakter der Totenehrung festgeschrieben und mit der Besänftigung der Seelen (irei) deren wichtigste Funktion
91 Gojū-nen-shi henshū iin-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai gojū-nen-shi, S. 23. Siehe auch Principles of the Reform of the Gokoku Jinja (Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand GHQ/SCAP Records, Civil Information and Education Section, Analysis and Research Division, Research Unit (Religious), Gokoku Jinja, General, Rep. NARA RG 331, CIE (B) 07087 (Microfiche)). 92 Nach einer Umfrage des Jinja honchō vom 26. September 1946 erwarteten 39 Schreine, künftig Opfer für das Gemeinwohl einzuschreinen, sieben weitere Schreine Personen, die sich um die Kultur verdient gemacht haben. Lediglich neun Schreine hätten zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Erwägung gezogen, ihre Einschreinungspraxis zu ändern. Gokoku Jina. Preliminary Report on of Survey conducted by Jinja Honcho, 26 September, 1946 (25. Oktober 1946) (Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand GHQ/SCAP Records, Civil Information and Education Section, Analysis and Research Division, Research Unit (Religious), Gokoku Jinja, Ceremonies, Rep. NARA RG 331, CIE (B) 07034 (Microfiche)).
5.2 Gefallenenkult
315
markiert. Damit war an dieser Stelle die Grundlage für eine moderate Trennung sowohl von den Traditionen der Vorkriegs- und Kriegszeit als auch von der Praxis des Yasukuni-Schreines gelegt.
5.2.3 Denkmäler Im Kontext der Maßnahmen zur Zerschlagung des Staatsshintō und der Demilitarisierung gingen die US-Besatzungsbehörden zwischen 1945 und 1948 nachdrücklich gegen Denkmäler vor, die in ihrer Wahrnehmung der Verbreitung militaristischen und ultranationalistischen Gedankengutes dienten. Damit geriet auch die Frage der Denkmäler mit einem Bezug zum Gefallenenkult auf die politische Agenda.93 Die entscheidenden Bestimmungen für den Umgang mit denselben wurden dabei das „Rundschreiben in Sachen Maßnahmen mit Bezug zu chūrei-tō und chūkon-hi“ vom 27. November 1946.94 Darin wurde unter anderem festgelegt, dass erstens Denkmäler, welche sich innerhalb von Schulen, auf Schulgelände usw. befinden, abzubauen seien, ebenso zweitens Denkmäler, welche innerhalb oder außerhalb von öffentlichen Gebäuden oder auf öffentlichem Gelände errichtet worden waren, sofern sie militaristische oder ultranationalistische Doktrinen wie die Überlegenheit des Tennō, des japanischen Volkes oder der japanischen Inseln zu verbreiten helfen, oder die Lösung zwischenstaatlicher Konflikte durch die Anwendung von Gewalt propagieren. Einfache Denkmäler wie etwa in Bezug auf den Russisch-Japanischen Krieg hingegen müssten nicht abgerissen werden.95 Einige Wochen zuvor war bereits die Errichtung neuer Denkmäler untersagt worden. Die Umsetzung dieser Weisungen hatte eine dramatische Veränderung der Denkmalslandschaft in Japan zur Folge. Zwischen Ende 1946 und Mai 1948 wurden fast 6.000 Denkmäler und Statuen – übrigens nicht nur mit Bezug auf Kriegstote – abgebaut, weitere über 900 an weniger prominente Stellen verlagert. So wurde etwa das Denkmal für den „Gott des Krieges“ Hirose Takeo am Manseibashi-Bahnhof in Tōkyō (Abb. 27), das die Luftangriffe unbeschadet überstanden hatte, im Juli 1946 abgerissen. Darüber hinaus bekamen weitere 908 Denkmäler und 29 Statuen ein neues Aussehen, sei es durch eine Veränderung der ikono-
93 Vgl. für das Folgende Lucken, Michael: Remodelling Public Space; Ōhara, Yasuo: Shintō shirei no kenkyū, S. 201–229; Woodard, William P.: The Allied Occupation of Japan 1945–1952 and Japanese Religions, S. 148–157. 94 Chūrei-tō, chūkon-hi nado no sochi ni tsuite (27. November 1946), In: Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 3, S. 89–90. Vgl. auch Ōhara, Yasuo: Shintō shirei no kenkyū, S. 213–214. 95 Ebenda.
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
graphischen Darstellung oder durch eine Änderung der Inschrift. Nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Statuen und Denkmälern überlebte diese radikale Umgestaltung unversehrt.96 Unter den wenigen Ausnahmen von Denkmälern, welche erhalten blieben, ragen zwei Gruppen hervor. Zum einen wurden die militärischen Denkmäler für Angehörige des Kaiserhauses wie die Prinzen Arisugawa und Kitashirakawa nicht zerstört, sondern an weniger sichtbare Orte verlagert. In der Begründung der Kommission zur Untersuchung der Entfernung von chūrei-tō und chūkon-hi heißt es dazu vielsagend, dass der Kaiser keine Verantwortung für den Krieg trage, weshalb auch keine Notwendigkeit gesehen werde, die Denkmäler für Angehörige des Kaiserhauses zu zerstören.97 Zum anderen blieb das Reiterdenkmal von Kusunoki Masashige auf dem Platz vor dem Kaiserpalast in Tōkyō und damit eine der wichtigsten Repräsentationen des offiziellen politischen Totenkultes aus der Zeit vor 1945 unverändert an seinem hochsymbolischen Ort.
5.2.4 Militärfriedhöfe Die Militärfriedhöfe, die vor 1945 von den Ministerien für Heer und Marine verwaltet wurden, waren ein wichtiger Ort des Totengedenkens. Dies galt sowohl für das binnenmilitärische Erinnern an die gefallenen Kameraden, als auch für die Erinnerungspraktiken durch Hinterbliebene, die die Gräber ihrer Angehörigen besuchten, und durch gesellschaftliche Organisationen, die etwa in gemeinsamen Aktionen Militärfriedhöfe aufsuchten und säuberten.98 Die Demilitarisierung und die damit verbundene Auflösung der Streitkräfte bedeutete auch für die Militärfriedhöfe, dass sie aus der bisherigen in neue administrative Zuständigkeiten überführt werden mussten. Im Oktober 1945 teilte das Heeresministerium, das seiner Auflösung entgegensah, per Rundschreiben mit, dass die Verwaltung der Grabanlagen ebenso wie die Oberaufsicht über die Vereinigung zur Verehrung der loyalen Seelen in die Zuständigkeit des Ministeriums für Wohlfahrt übergehe.99 Sterbliche Überreste wie die Asche oder Haare u.dgl. sollten nach einer
96 Zahlen nach Woodard, William P.: The Allied Occupation of Japan, S. 153. Eine nach Präfekturen gegliederte Übersicht bei Ōhara, Yasuo: Shintō shirei no kenkyū, S. 221. 97 Lucken, Michael: Remodelling Public Space, S. 145–146. 98 Vgl. zur Geschichte der Militärfriedhöfe nach 1945 vor allem Harada, Keiichi: Gun’yō bochi no sengo-shi. Hen’yō to iji o megutte, In: Bukkyō daigaku bungaku-bu ronshū 86 (2002), S. 27–41; Ders.: Heishi wa doko e itta, S. 162–174; Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 171–197. 99 Rikugun bochi no ikan, chūrei-tō no shori, oyobi Chūrei kenshō-kai no kantoku ni kan-suru ken, abgedruckt in Harada, Keiichi: Gun’yō bochi no sengo-shi, S. 30; Ōhara, Yasuo: Chūkon-hi no kenkyū, S. 172.
5.2 Gefallenenkult
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Teilung (bunkotsu) weiterhin in den lokalen „Grabmälern für die loyalen Seelen“ (chūrei-tō) beigesetzt werden, falls die Hinterbliebenen dies wünschten, der Bau weiterer Gemeinschaftsgrabanlagen durch die Dai-Nihon chūrei kenshō-kai („Großjapanische Vereinigung zur Verehrung der loyalen Seelen“) vorangetrieben und die sterblichen Überreste, die aus Grabanlagen in Übersee nach Japan verbracht würden, ebenfalls „an geeigneter Stelle“ beigesetzt werden. Zu diesem Zeitpunkt konzentrierte sich die Ministerialbürokratie also v. a. auf das Problem der administrativen Zuständigkeit. In Bezug auf die Beisetzungen und den Unterhalt der Militärfriedhöfe hingegen sollte die bisherige Praxis fortgeschrieben werden. Die Dynamik der Besatzungspolitik, insbesondere der vielstufige und in seinem Ergebnis weit umfassender als ursprünglich intendierte Umbau der staatlichen Strukturen (in Bezug auf Verfassung und Verwaltung) und die Vorgaben der Besatzungsbehörden in Bezug auf Demokratisierungsmaßnahmen machte diese ursprüngliche Planung jedoch bald zunichte. Im Juni 1946 wurden die ehemaligen Militärfriedhöfe, die offiziell als Staatsland weiterhin im Besitz des Zentralstaates (unter der Verwaltung des Finanzministeriums) verblieben, kostenlos und auf Dauer an die Präfekturen bzw. Gemeinden verliehen. Die Verantwortung für Verwaltung und Instandhaltung sowie Zeremonien hingegen sollte, „unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten“ (chihō no jijō ni ōjite) an die Gemeinden, religiöse Organisationen (shūkyō dantai) oder Hinterbliebenenvereinigungen übergehen, wobei auch anderen Religionsgemeinschaften die Durchführung von Feiern zu gestatten war.100 Insgesamt handelte es sich zu diesem Zeitpunkt um 83 Friedhöfe des ehemaligen Heeres mit einer Fläche von 724.102,5 m3 und 7 Friedhöfe der früheren Marine mit einer Fläche von 99.531,3 m3, die nun übrigens nicht mehr nach Teilstreitkraft differenziert, sondern einheitlich als Militärfriedhöfe (gun’yō bochi) bezeichnet wurden.101 Mit Ausnahme von Okinawa und Saitama gab es in jeder Präfektur mindestens einen Friedhof, in Nagasaki sogar sechs. Tatsächlich bedeutete diese Regelung, dass die einheitliche, zentralstaatliche Behandlung der Militärfriedhöfe aufgegeben und der Weg für lokale Sonderlösungen freigemacht wurde. Auch die religiöse Öffnung trug zur Diversifizierung der rituellen Praxis bei. Obwohl die Besatzungsmacht eigentlich die Auflösung der chūrei-tō verfügt hatte, wurde dieser Anordnung jedoch kaum Folge geleistet. Bereits während der Besatzungszeit, aber auch nach der Wiedergewinnung der Souveränität wurden weiterhin, obwohl nicht mehr verpflichtend, zahlreiche Urnen mit sterblichen
100 Harada, Keiichi: Gun’yō bochi no sengo-shi, S. 37; Harada, Keiichi: Kokumin-gun no shinwa, S. 241–242. 101 Harada, Keiichi: Gun’yō bochi no sengo-shi, S. 37. Im Folgemonat erhöhte sich die Zahl um weitere zwölf. Eine Übersicht über die Militärfriedhöfe in Harada, Keiichi: Kokumin-gun no shinwa, S. 236–241.
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
Abb. 45: Sammelgrabanlage für die Urnen Gefallener, Gokoku-ji, Tōkyō
Überresten in den chūrei-tō (bzw. später errichteten „Urnenhallen“, den sog. nōkotsu-dō) bestattet.102 Heute ist diese lokale und regionale Diversifizierung das wohl wichtigste Charakteristikum der ehemaligen Militärfriedhöfe, die insbesondere auf die sehr unterschiedlichen Akteurskonstellationen vor Ort zurückzuführen ist.103 Ihre Mehrzahl untersteht heute Grünflächenämtern der Kommunen, die kleinere Zahl wird durch lokale Unterorganisationen des Japanischen Hinterbliebenenverbandes oder auch von buddhistischen Tempeln verwaltet. Die meisten von ihnen sind ihrer ursprünglich herausgehobenen Stellung vollständig entkleidet, manche regelrecht verwildert und augenscheinlich dem Vergessen anheim gegeben. Wieder andere, insbesondere wenn sie über einen chūrei-tō oder eine nōkotsu-dō (Urnenhalle) verfügen und sich ein mitglieder- und/oder finanzstarker lokaler Hinterbliebenenverband für sie einsetzt, haben sich – wie etwa in Kanazawa – zu lokalen Zentren der Erinnerung an die Kriegsgefallenen entwickelt. Nicht selten werden auch andere Denkmäler in ihrer Nachbarschaft errichtet. Häufig wurden sie jedoch in ihrem Ausmaß verkleinert, wobei individuelle Gräber oft aufgelöst und die sterblichen Überreste in bestehende oder neu errichtete Sammelgraban-
102 Vgl. Morishita, Tōru: Kojin bohi kara chūrei-tō e, S. 200. 103 Zur gegenwärtigen Situation der Militärfriedhöfe vgl. Arai, Katsuhiro/Ichinose, Toshiya (Hg.): Irei to haka, hier insbesondere Yamabe, Masahiko: Zenkoku riku-kaigun bochi ichiran.
5.3 Entstehung der Hinterbliebenenbewegung
319
lagen umgebettet wurden (vgl. Abb. 45). Bisweilen wurden die ehemaligen Militärfriedhöfe (wie etwa im Falle des Gokoku-ji in Tōkyō oder des Omine-Friedhofes in Kumamoto) in zivile Friedhofsanlagen integriert, wobei gerade in Großstädten die Verkleinerung auch materiellen Interessen gedient haben mag. In der Regel findet heute mindestens einmal im Jahr eine Gedenkzeremonie statt, die je nach Trägerschaft mehr oder minder stark religiös geprägt ist. Als Orte des öffentlichen Gedenkens an die Gefallenen spielen sie seither jedoch grosso modo und von wenigen Ausnahmen abgesehen kaum noch eine Rolle.
5.3 Entstehung der Hinterbliebenenbewegung Eine der zentralen Veränderungen des politischen Totenkultes in Japan nach 1945 vollzog sich auf der Ebene der gesellschaftlichen Träger. Seit der Zeit der Kriege gegen China und Russland um die Jahrhundertwende waren (z. T. staatsnahe) bürgergesellschaftliche Organisationen wie der Reichsreservistenverband (Teikoku zaigō gunjin-kai), der Verband zur Unterstützung der Soldaten (Gunjin engo-kai), der Wehrfrauenverband (Kokubō fujin-kai) oder der Patriotische Frauenverband (Aikoku fujin-kai) wichtige Träger vor allem des lokalen und regionalen Gefallenenkultes und der mit ihm verbundenen gesellschaftlichen (Selbst-) Mobilisierung.104 Dies galt insbesondere auch für die Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges, in der staatlichen Zentralisierungsbestrebungen zwar organisatorische Veränderungen – konkret einen Zusammenschluss unter dem Dach der Unterstützungsvereinigung für die kaiserliche Herrschaft – hervorgebracht hatten, ihre Funktion für das Gefallenengedenken und auch die (soziale) Fürsorge der Hinterbliebenen im Angesicht der zunehmenden Opferzahlen aber eher noch verstärkt worden war. Sie hatten sich in Anbetracht der nur schwach ausgeprägten Sozialfürsorge für die Familien der Gefallenen durch die staatlichen Organe zu wichtigen Ansprechpartnern für Hinterbliebene entwickelt. Inhaltlich bildeten vor 1945 Gefallenenkult und Fürsorge für Hinterbliebene eine Einheit, ebenso wie die Trägerschaft durch staatliche Organe und staatsnahe bürgergesellschaftliche Organisationen in enger Kooperation und Abstimmung erfolgte. Die Maßnahmen der Besatzungsbehörden zielten darauf, dieses Beziehungsgeflecht zu zerschlagen. Im Rahmen der Demilitarisierungs- und Demokratisierungspolitik des GHQ wurden die meisten Großorganisationen, die im Feld der Hinterbliebenenfürsorge und des politischen Gefallenenkultes aktiv waren, unmittelbar nach Kriegsende verboten und ihre Führungskräfte im Rahmen der
104 Vgl oben Kap. 3.2 und 4.4.
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
folgenden Säuberungswellen mit einem Betätigungsverbot belegt. Andere wie die Gunjin engo-kai („Vereinigung zur Unterstützung von Soldaten“) und die Sensai engo-kai („Vereinigung zur Unterstützung von Kriegsopfern“), welche die materielle und ideelle Hilfe für zivile Kriegsopfer zum Ziel hatte, schlossen sich unter einem neuen Namen und zum Teil auch mit gewandelter Zielsetzung (hier konkret zur Dōhō engo-kai, der „Vereinigung zur Unterstützung von Landsleuten“) zusammen, konnten aber wegen der allgemein schwierigen ökonomischen Situation, die sich auch auf sie auswirkte, ihre Funktionen nur noch bedingt erfüllen.105 Hinzu kam, dass die Besatzungsbehörden auch das staatliche Unterstützungssystem für Hinterbliebene zerschlugen. Mit Weisung vom 24. November 1945 (SCAPIN 338, „Pensions and Benefits“) in Form eines Memorandums waren alle „öffentlichen und privaten Pensions-, und andere Gehalts- oder Subventionszahlungen“ an Hinterbliebene einzustellen.106 Dabei war die Weisung keineswegs nur auf Hinterbliebene beschränkt; vielmehr galt sie ebenso für Kriegsversehrte, für ehemalige Mitglieder bzw. Angestellte von inzwischen auf Grund von Anweisungen der Besatzungsbehörden aufgelösten Organisationen, für Menschen, die auf Grund ihrer Position in der Kriegszeit politisch gesäubert, und schließlich für Menschen, die durch das GHQ angeklagt, inhaftiert oder verurteilt worden waren.107 Begründet wurde diese Weisung zum einen mit der fiskalpolitischen Notwendigkeit von Einsparungen im Staatshaushalt, zum anderen mit der Rolle der Pensionszahlungen für die Perpetuierung des japanischen Militarismus vor 1945, wo sie einen wichtigen Anreiz gebildet hätten, überhaupt Soldat zu werden. Ehemalige Militärangehörige bzw. ihre Hinterbliebenen sollten nun keine eigene Kategorie im staatlichen Fürsorgesystem mehr bilden, sondern allenfalls in den Genuss allgemeiner Wohlfahrtsmaßnahmen kommen. Die japanische Regierung setzte diese Weisungen der Besatzungsbehörden in Form des Kaiserlichen Erlasses Nr. 68 mit Wirkung zum 1. Februar 1946 und einer Reihe von Folgeerlassen um.108 Die soziale und ökonomische Lage der Hinterbliebenen verschärfte sich damit dramatisch, auch wenn es große Unterschiede in Hinblick auf die konkrete
105 Zur Geschichte der „Vereinigung zur Unterstützung der Landsleute“ vgl. Onshi zaidan dōhō engo-kai kaishi hensan iin-kai (Hg.): Onshi zaidan dōhō engo-kai kaishi, Tōkyō: Dōhō engo-kai kaishi hensan iin 1960. 106 Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 83–84; Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics, S. 66–67. 107 Ebenda. 108 Der Kaiserliche Erlass Nr. 68 ist abgedruckt in Sōri-fu onkyū-kyoku (Hg.): Onkyū seidō-shi, Tōkyō: Ōkura-shō insatsu-kyoku 1964, S. 535–537. Die Folgeerlasse wie etwa der Kaiserliche Erlass Nr. 112 bezogen sich auf weitere Sonderleistungen an Hinterbliebene wie die kostenlose bzw. vergünstigte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
5.3 Entstehung der Hinterbliebenenbewegung
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Situation gab. Faktoren waren etwa das Stadt-Land-Gefälle, Alter, soziale Schichtung, die Zahl der Familienmitglieder, die versorgt werden mussten oder zur Versorgung der Familie beitragen konnten, insbesondere von Kindern, der Zugang zu bzw. der Verlust von Erwerbsmöglichkeiten (besonders in der Rüstungsindustrie), die Frage, ob man zu den Bombenopfern gehörte und damit allen Besitz verloren hatte oder nicht usw. Auch das Verbot der öffentlichen (Ko)Finanzierung von Beisetzungen und Trauerfeiern von Gefallenen durch die Besatzungsmacht bedeutete für diejenigen Familien, die erst nach Kriegsende vom Tod ihrer Angehörigen erfuhren, eine zusätzliche ökonomische Belastung.109 Neben der nachhaltigen Verschlechterung der ökonomischen Lage brachten die Kriegsniederlage und die Reformen der frühen Besatzungszeit für die Familien der Kriegsgefallenen auch eine dramatische Verschlechterung ihres Status‘ und ihres öffentlichen Ansehens mit sich. Vor und während des Krieges verfügten Hinterbliebene über eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung, die sich vielfältig zeigte: etwa in den offiziell geführten Bezeichnungen „ehrenwertes Haus“ bzw. „ehrenvolle Familie“ (homare no ie), die durch besondere Tafeln am Wohnhaus, mit Abzeichen usw. für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht wurden, oder in den speziellen Ehrbezeugungen im Alltag wie dem Aufstehen und Anbieten von Sitzplätzen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch gegen solche Formen der öffentlichen Ehrbezeugung gingen die Besatzungsbehörden vor. Und schließlich wurde in der Gesellschaft zunehmend auch die Sinnzuschreibung des Kriegstodes aus der Zeit vor dem August 1945 (wie auch die Sinnhaftigkeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges insgesamt) hinterfragt, und nicht selten wurde er nicht mehr als „ehrenvoller Kriegstod“ (meiyo no senshi), sondern als „sinnloses“ bzw. „vergebliches Opfer“ (inujini, wörtl: „Hundetod“) gewertet. Wie tief diese radikale Verschlechterung der ökonomischen Lage und der plötzliche Umbruch des sozialen Status‘ wie auch das Aufbrechen der etablierten Deutungen des Todes ihrer Angehörigen von den Familien der Gefallenen in ihrem kollektiven Bewußtsein als Einschnitt wahrgenommen wurde, mag man daran ersehen, dass die Besatzungszeit von ihnen bis heute oft als „Winterzeit“ ihrer Geschichte erzählt wird.110 In Reaktion darauf gründeten sich seit Anfang 1946 in verschiedenen Regionen Japans Vereinigungen von Hinterbliebenen, die bald eine regelrechte Bewegung ausmachten und die sich zu landesweiten Orga-
109 Vgl. Kōsō nado ni tsuite (1. November 1946), In: Ōhara, Yasuo: Shintō shirei no kenkyū, S. 367–368. 110 Hata, Nagami: Izoku undō no keisei to tenkai. Kōwa izen to kōwa-go, In: Kurasawa, Aiko u. a. (Hg.): Sensō no seiji-gaku (= Iwanami kōza Ajia, Taiheiyō sensō 2), Tōkyō: Iwanami shoten 2005, S. 317–345, hier S. 318.
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
nisationen zusammenschlossen.111 Dabei sind unterschiedliche Muster auszumachen. Zu Beginn handelte es sich um eine Grasswurzelbewegung, bei der sich insbesondere Kriegerwitwen mit dem Ziel der gegenseitigen Hilfe assoziierten. Als Startpunkt hierfür wird allgemein der Aufruf zur Gründung einer landesweiten Organisation durch Makino Shūji, den Leiter des von der Dōhō engo-kai betriebenen Musashino-Heimes für Kriegerwitwen und -waisen in Tōkyō, angesehen.112 Bereits im November 1945 hatte er eine Kettenbriefaktion angestoßen, doch landesweite Aufmerksamkeit erregte er erst, als er am 8. Februar 1946 im Rahmen einer Radiosendung in der Reihe „Unsere Worte“ (Watashi-tachi no kotoba) von NHK einen Appell mit dem Titel „Gründet eine Hilfsorganisation für Hinterbliebene von Kriegsopfern!“ (Sensō gisei-sha izoku kyūen-kai o tsukure) verlas.113 Als dieser Aufruf auf großen Zuspruch stieß, begann man mit den Bewohnerinnen von Makinos Musashino-Heim als organisatorischem Nukleus zahlreiche Aktivitäten wie die Akquise von finanziellen Mitteln oder Verhandlungen mit Behörden – hier insbesondere auch den Besatzungsbehörden – zur Vorbereitung der Gründung einer „Union der Hinterbliebenen von Kriegsopfern“ (Sensō gisei-sha izoku dōmei), die schließlich am 9. Juni 1946 in Kyōbashi in Tōkyō von über 1.500 Hinterbliebenen aus der Taufe gehoben wurde.114
111 Vgl. zur Frühgeschichte der der Hinterbliebenenbewegung v. a. Hata, Nagami: Izoku undō no keisei to tenkai; Kitagawa, Kenzō: Sengo no shuppatsu. Bunka undō, seinen-dan, sensō mibōjin, Tōkyō: Aoki shoten 2000; Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo; Imai, Isamu: Senbotsu-sha izoku undō no keisei to sengo kokka e no sai-tōgō. Sensō gisei-sha izoku dōmei bunretsu o megutte, In: Tsukuba daigaku rekishi, jinrui-gaku- kei nenpō Nihon-shisō (2002), S. 83–108; Ders.: Sengo kokka to no kankei kakuritsu o motometa senbotsu-sha izoku undo. Senryō-ka no tenkai to ‚aikoku-shin‘ mondai, In: Tsukuba daigaku rekishi, jinrui-gaku-kei nenpō Nihon-shi-sō (2003), S. 115–134; Hatano, Sumio: Izoku no meisō. Nihon izoku-kai to ‚kioku no kyōgō‘, In: Hosoya, Chihiro/Iriye, Akira/Ōshiba, Ryō (Hg.): Kioku toshite no Paaru haabaa, Tōkyō: Mineruva shobō 2004, S. 256–272; Kawaguchi, Emiko: Sensō mibōjin. Higai to kagai no hazama de, Tōkyō: Domesu shuppan 2003; Jōshita, Ken’ichi: Senryō-ki no Nihon izoku kōsei renmei no katsudō to sono seiji-teki eikyō-ryoku, In: Ritsumeikan daigaku jinbun kagaku kenkyū-jo kiyō 97 (2012), S. 91–114; Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics, S. 60–85. 112 Zur Biographie Makino Shūjis (1905–1964) vgl. Kitakawa, Kenzō: Sengo no shuppatsu, S. 142–143. 113 Makino, Shūji: Sensō gisei-sha undō no reimei-ki. Izoku nenkin-sei jisshi o hikaete no kaiko, In: Kōsei (Nov. 1951), S. 48–53, hier S. 48–49; vgl. auch Kitagawa, Kenzō: Sengo no shuppatsu, S. 143–144. 114 A. a. O., S. 147; Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 41; Hata, Nagami: Izoku undō no keisei to tenkai, S. 324–326. Neben den Hinterbliebenen waren Vertreter des Wohlfahrtsministeriums, der Dōhō engo-kai sowie verschiedener politischer Parteien anwesend, die in Grußadressen jeweils eine Zusammenarbeit in Aussicht stellten.
5.3 Entstehung der Hinterbliebenenbewegung
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Die Semantik der wenigen überlieferten offiziellen Dokumente der Sensō gisei-sha izoku dōmei zeigt deutlich eine kritische Haltung dieser Organisation zum Asiatisch-Pazifischen Krieg und die damit verbundene Distanzierung von der imperialen Vergangenheit Japans, die vor allem auch durch ihre Nähe zum Duktus der zeitgenössischen äußerst populären marxistischen Faschismusdebatten auffällt.115 So sahen sich die Hinterbliebenen als „Opfer eines vom Militarismus verursachten Invasionskrieges“ (gunkoku shugi no hikiokoshita shinryaku sensō no gisei-sha); beim Krieg selbst habe es sich um einen „kapitalistischen imperialistischen Krieg“ (shihon shugi-teki, teikoku shugi sensō) gehandelt, bei der politischen Ordnung vor dem August 1945 um ein „Feudalsystem“ (hōkensei). In Abgrenzung zur Vergangenheit benannte die „Union“ als ihre handlungsleitenden Maxime Antimilitarismus, die Forderung nach Frieden und den Schutz von Menschenrechten. Die Kernpunkte ihres Programmes führten entsprechend folgende fünf Punkte an: „Wir trösten gemeinsam das Leid der Kriegsopfer und ermutigen und helfen einander, ein Dasein neu aufzubauen (seikatsu saiken). Wir erwarten durch die Kraft autonomer gemeinsamer Aktionen die Etablierung und Ausdehnung eines Rechts auf menschenwürdige Lebensbedingungen (seikatsu-ken). Wir schreiten tatkräftig bei der Verurteilung des Militarismus und beim Aufbau eines friedlichen Japan (heiwa Nihon) voran. Wir beseitigen das Feudalsystem und errichten eine demokratische Gesellschaft der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Wir sind unparteiisch, achten aber die politische, geistige und religiöse Freiheit jedes Mitgliedes.“116
Neben der Grasswurzelbewegung „von unten“, die schließlich zur Gründung der „Union der Hinterbliebenen von Kriegsopfern“ führte, ist ein zweites Gründungsmuster von Hinterbliebenenorganisationen auszumachen. Hier ging die Initiative primär „von außen“ bzw. „von oben“ aus. Dabei sind vor allem erstens die Verwaltungsstäbe bzw. dort angestellte Mitarbeiter der in Auflösung befindlichen Militärverwaltungen (v. a. auf Regimentsebene die für die Hinterbliebenen zuständigen sewa-bu), aber auch diverser Abteilungen der Wohlfahrtsadministration (kōsei-ka) auf der Ebene der Lokal- und Präfekturverwaltung, zweitens Bürgermeister in Städten und Gemeinden und drittens Funktionäre von Organisationen wie der Dōhō engo-kai zu nennen.117 Beispiele hierfür sind die Präfek-
115 Vgl. Schölz, Tino: Faschismuskonzepte in der japanischen Zeitgeschichtsforschung, S. 113–122. 116 Sensō gisei-sha izoku dōmei yōryō, In: Sensō gisei-sha, 1. Juni 1946, S. 1. 117 Kitagawa, Kenzō: Sengo no shuppatsu, S. 158–159.
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
turen Hyōgo, Kanagawa, Yamaguchi oder Fukuoka.118 Hinzu kam, dass auch der Yasukuni-Schrein (in Person des Stellvertretenden Oberpriesters Ikeda Ryōhachi und von Ōtani Fujinosuke, einem ehemaligen Generalstabsoffizier, der nach dem Krieg im Demobilisierungs- und später in Wohlfahrtsministerium tätig war und damit geradezu ein Paradebeispiel für die Kontinuität in der für das Gefallenengedenken zuständigen Verwaltung darstellt) in den Regionen für die Gründung von Hinterbliebenenorganisationen warb.119 In Hinblick auf die soziale Trägerschaft unterschieden sich diese deutlich von den primär von Kriegerwitwen gebildeten Organisationen. Zum einen spielten hier die Eltern der Gefallenen und insbesondere die Väter eine zentrale Rolle, zum anderen blieben soziale Hierarchien und die traditionelle Nähe zur „Obrigkeit“ im Sinne lokaler Eliten und der staatlichen Verwaltung in einem weit höheren Maße erhalten. So bekamen die frühen Hinterbliebenenorganisationen oft Räumlichkeiten der Lokalverwaltung zur Verfügung gestellt und die Verwaltung konnte sogar die Aufbewahrung und Verwaltung finanzieller Mittel übernehmen.120 Neben diesem Entstehungskontext kam dabei sicher auch regionale Faktoren eine Bedeutung zu, denn in eher ländlichen Präfekturen wie Yamaguchi oder Fukui war die Relevanz traditioneller Familienmuster erheblich größer, weshalb die Stellung der Eltern (insbesondere der Väter) ebenfalls bedeutender war. Zugleich scheinen hier auch die Sozialbeziehungen der Vorkriegszeit in einem weit höherem Maße perpetuiert worden zu sein als in den eher auf Egalität zielenden Vereinigungen, die durch die Kriegerwitwen „von unten“ gebildet worden waren. Schon Makino betonte zu Beginn der 1950er Jahre im Rückblick die Differenzierung der Hinterbliebenenbewegung in der frühen Nachkriegszeit je nach Trägerschaft.121 Diejenigen Gruppen, die im Wesentlichen auf der Initiative von Kriegerwitwen beruhten, fokussierten vor allem auf die ökonomische Dimension und Probleme des Alltags, womit sie die Notlage der jungen Mütter, die oftmals unter schwierigen Umständen Kinder zu versorgen hatten, widerspiegelten. Die regionalen Zentren dieser Richtung waren neben Tōkyō vor allem Toyama, Ibaraki und Nagano. Für die eher von den Eltern von Kriegsgefallenen getragenen Gruppen hingegen standen Fragen der Totenehrung (Bestattung, Gefallenengedenken) im Zentrum der Aufmerksamkeit. Bei den Konfliktlinien, die zuneh-
118 A. a. O., S. 163–166. 119 Vgl. Yasukuni jinja: Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Jireki nenpyō, S. 486. 120 Ein Beispiel hierfür ist die Präfektur Kanagawa, wo die Verwaltung den gesamten Gründungsprozess sehr eng begleitete. Vgl. Kanagawa-ken izoku-kai: Kanagawa-ken izoku-kai 25-nen-shi, S. 18–30. 121 Vgl. Makino, Shūji: Sensō gisei-sha undō no reimei-ki, S. 51. Siehe auch Hata, Nagami: Izoku undō no keisei to tenkai, S. 325.
5.3 Entstehung der Hinterbliebenenbewegung
325
mend aufbrachen und die teilweise soweit gingen, dass es in einzelnen Orten und Regionen konkurrierende Organisationen gab,122 verschmolzen so soziale und ideologische Differenzen. Denn die Perpetuierung sozialer Hierarchien – also die Dominanz von (ehemaligen) Verwaltungsbeamten, von lokalen Honoratioren oder auch Offizierswitwen – wurde als Fortsetzung einer „feudalen“ bzw. „militaristischen“ Gesellschaftsordnung kritisiert, diese Kritik wiederum auf der Gegenseite als gefährliches marxistisches, auf Umsturz zielendes Gedankengut wahrgenommen. Im Mai 1947 brachen die Konflikte zwischen beiden Strömungen auch auf der nationalen Ebene offen auf. Im Ergebnis spaltete sich die Hinterbliebenenbewegung schließlich. Neben den sozialen Konflikten waren dabei vor allem Fragen der politischen Orientierung der „Union der Hinterbliebenen der Kriegsopfer“ ausschlaggebend.123 In Bezug auf die politische Ausrichtung sind vor allem zwei Konfliktfelder auszumachen: Zum einen die Frage des Verhältnisses zur Monarchie und zum Kaiserhaus, zum anderen die Frage der Deutung des Soldatentodes. Die Zielsetzungen – soweit sie sich aus den wenigen überlieferten Quellen rekonstruieren lassen – der von den Kriegerwitwen dominierten Unterorganisationen der „Union“ waren politisch eher dem sozialistischen bzw. kommunistischen Lager nahestehend, wo sich vor allem die KPJ offen für eine Abschaffung der Monarchie und die Umwandlung Japans in eine Republik aussprach. In Anwesenheit des Prinzen Takamatsu no miya, der zugleich Präsident der Dōhō engo-kai war und damit die Kontinuität der traditionellen Verbindung von Sozialfürsorge und Kaiserhaus verkörperte, kam es am 9. Mai 1947 zum offenen Eklat. Auf der Hauptversammlung der „Union“ brachte Komatsu Katsuko, eine Unterhausabgeordnete der Kommunistischen Partei Japans, nach einem ermutigenden Grußwort des Prinzen „Ein Hoch auf die Abschaffung des Tennō-Systems und die Diktatur des Proletariats!“ (Tennō-sei haishi, puroretaria dokusai banzai!) aus.124 Daraufhin zogen am zweiten Tag der Hauptversammlung die Vertreter zahlreicher Präfekturen aus und versammelten sich unter freiem Himmel, um die Gründung einer neuen gesamtstaatlichen Hinterbliebenenorganisation vorzubereiten.
122 A. a. O., S. 333–336; Kitagawa, Kenzō: Sengo no shuppatsu, S. 149. 123 Vgl. Imai, Isamu: Senbotsu-sha izoku undō no keisei to sengo kokka e no sai-tōgō, S. 100– 105; Hata Nagami hingegen wertet die zunehmende Linksorientierung der Sensō gisei-sha izoku dōmei als weniger entscheidend für den Spaltungsprozess. Vgl. Hata, Nagami: Izoku undō no keisei to tenkai, S. 333. 124 Vgl. A. a.O, S. 328; Imai, Isamu: Senbotsu-sha izoku undō no keisei to sengo kokka e no saitōgō, S. 102–103; Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei: Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei 50-nen-shi, Yamaguchi: Yamaguchi-ken izoku renmei 1997, S. 72.
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5 Die Reformen der Besatzungszeit
Im Hintergrund schwelte ein zusätzlicher Konflikt um die Frage der Deutung des Soldatentodes. Bei der „Versammlung unter freiem Himmel“, welche die Spaltung der Hinterbliebenenbewegung markierte, wurde unter anderem gefordert, die „Sinnhaftigkeit des Todes der Gefallenen wiederzubeleben“ (shi no igi o arashimeru) und die staatliche „Ehrung der Heldenseelen“ (eirei no kenshō) gleichberechtigt neben der Wohlfahrt der Hinterbliebenen ins Zentrum der Agenda zu rücken.125 Zwar hatte sich auch die „Union“ nicht aus dem Schatten des Yasukuni-Schreines und damit der klassischen Deutungsmuster soldatischen Sterbens lösen können, was man etwa daran sehen kann, dass mehr als 300 Mitglieder der Gründungsversammlung im Juni 1946 nach deren Beendigung mit LKWs zum Yasukuni fuhren, wobei sie nota bene ihre neue Hymne zur Melodie der „Partisanen vom Amur“ sangen.126 Dieser Besuch markierte den ersten kollektiven Pilgerbesuch von Hinterbliebenen nach Kriegsende. In der Agenda der „Union“ aber spielten Fragen des Gefallenenkultes in Anbetracht der ökonomischen Probleme nur eine untergeordnete Rolle. Die neue nationale Organisation der Hinterbliebenen, die „Japanische Vereinigung für die Wohlfahrt der Hinterbliebenen“ (Nihon izoku kōsei renmei), welche nach mehreren Vorbereitungstreffen offiziell am 17./18. November 1947 gegründet wurde, stellte in mehrfacher Hinsicht das Gegenstück zur „Union der Hinterbliebenen von Kriegsopfern“ dar. Zunächst ist festzuhalten, dass die „Vereinigung“ auf der organisatorischen Ebene – im Gegensatz zur „Union“ – über einen festen Unterbau in den Präfekturen, Städten und Gemeinden verfügte. Da ihre Vorgängerin relativ schnell in der Bedeutungslosigkeit versank und sich 1949 auch formal auflöste, fehlte ihr ein ernstzunehmender Konkurrent, so dass sie sich bald als wichtigster Vertreter der Hinterbliebenen etablieren konnte. Aus ihrem Entstehungszusammenhang heraus verfügte sie über relativ gute Beziehungen zur Verwaltung, auch wenn diese sicherlich regional unterschiedlich intensiv waren. Darüber hinaus wurde auch die Dominanz von Männern auf der Leitungsebene der Organisation sichtbar. Von den 21 Mitgliedern des Vorstandes waren nur noch fünf Frauen.127 Für die Frauen wurden in zahlreichen Zweigvereinigungen sogenannte fujin-bu (wörtlich „Damenabteilungen“) gegründet. Zum Vorsitzenden wurde auf Betreiben Ōtani Fujinosukes Nagashima Ginzō (1901–
125 Vgl. Nihon izoku-kai: Nihon izoku-kai 15-nen-shi, Tōkyō: Nihon izoku-kai jimu-kyoku 1962, S. 18; Kitagawa, Kenzō: Sengo no shuppatsu, S. 150. 126 Hata, Nagami: Izoku undō no keisei to tenkai, S. 330–331. 127 A. a. O., S. 338.
5.3 Entstehung der Hinterbliebenenbewegung
327
1984) gewählt, ein Unternehmer und ehemaliger Abgeordneter des japanischen Herrenhauses.128 Zugleich darf nicht übersehen werden, dass es auch Elemente der Kontinuität zur „Union der Hinterbliebenen von Kriegsopfern“ gab. An erster Stelle ist hier sicherlich das Eintreten für eine ökonomische Sicherung der Angehörigen der Gefallenen zu nennen. Dieses sollte für die folgenden Jahrzehnte ein zentrales Element der Agenda auch der „Vereinigung“ bleiben. Daneben trat aber mindestens gleichberechtigt die Forderung nach einer angemessenen Ehrung der Gefallenen. Auch in Bezug auf das Verhältnis zum Kaiserhaus ist eine einschneidende Veränderung festzustellen. In einem hochgradig symbolpolitischen und zugleich emotionalen Akt besuchten die Vertreter von Hinterbliebenenorganisationen aus 33 Präfekturen, die am Vortrag die Gründung der Nihon izoku kōsei renmei beschlossen hatten, bereits am 14. Juli 1947 den Palast, um mit dem Tennō, der Kaiserin und dem Kronprinzen zusammenzutreffen. Dieses Treffen stellte im Falle der Angehörigen der Kriegstoten die symbolische „Wiederherstellung“ der Beziehung von Herrscher und Untertanen sicher.129 Der Überlieferung nach richtete dabei der Tennō an die Angehörigen der Gefallenen die Worte: „Es ist sicher schmerzhaft, aber gedulden Sie sich bitte. Helfen Sie sich alle gegenseitig, und leben Sie bitte freudig (akaruku ikite kudasai)!“130 Darauf antwortete der Vertreter der Hinterbliebenen, Fujimoto Tomojirō: „Wir sind entschlossen, dem Geist der Heldenseelen (eirei seishin) folgend, hart für den Wiederaufbau Japans zu arbeiten. […] Unsere uns lieben Verwandten sind in dem Glauben an den Frieden und das Wohlergehen Japans gestorben. Nach der Niederlage, in dieser Zeit des Durcheinanders, sind sie zwar tot, aber ihr Tod hat keine Vollendung gefunden. Wir Hinterbliebenen sind entschlossen, für den möglichst schnellen Wiederaufbau Japans an die Spitze zu treten und hart zu arbeiten.“131 Darauf brachen viele Teilnehmer gerührt in Tränen aus, sangen die Kaiserhymne und brachten ein dreifaches „Banzai!“ aus. Das Zusammentreffen der Hinterbliebenen mit der Kaiserfamilie – es ist heute nicht mehr feststellbar, ob es spontan oder geplant war – bildete für die Gründung der Nihon izoku kōsei renmei einen ungemein wichtigen Impuls. Seit diesem Zeitpunkt stellt das Kaiserhaus (erneut) einen zentralen Bezugspunkt für
128 Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics in Japan, S. 69–70. 129 Hata, Nagami: Izoku undō no keisei to tenkai, S. 329. 130 Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei: Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei 50-nen-shi, S. 73. 131 Nihon izoku-kai: Nihon izoku-kai 15-nen-shi, S. 19; Hata, Nagami: Izoku undō no keisei to tenkai, S. 329.
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den Mainstream der Hinterbliebenenbewegung dar. In gewisser Weise markiert dieses Treffen den Schulterschluss mit der alten politischen Ordnung aus der Zeit vor 1945. Der Tennō erkannte das Leid und auch die schwierige Lage der Angehörigen an, diese stellten sich im Gegenzug in den Dienst des Wiederaufbaus des Landes. Damit wurde gleichzeitig eine neue Deutung des Todes der Kriegsgefallenen etabliert. Sie waren kein sinnloses Opfer, sondern verpflichteten mit ihrem Tod für den Frieden und das Wohlergehen des Landes die Hinterbliebenen (und man könnte wohl einschließen: die Überlebenden des Krieges) zum Eintreten für den Wiederaufbau. Die Opfer des Krieges wurden damit wieder zu Opfern für eine Sache. Auffallend ist, dass der Tod für den Tennō, der im Gefallenenkult vor 1945 die zentrale Bezugsgröße gewesen war, keine Rolle mehr spielte. Ob intendiert oder nicht wurden damit quasi en passant die Kriegsgefallenen auch ihrer potentiellen politischen Sprengkraft für die Kontinuität des Kaiserhauses beraubt, über welche sie in der Deutung als sinnlose Opfer der Vorkriegsordnung oder als Opfer eines militaristischen und imperialistischen Aggressionskrieges verfügten. Diese Deutung fand sich auch in dem programmatischen Artikel „Über den Auftrag der Nihon izoku kōsei renmei“ von Generalsekretär Morita Shunsuke wieder, der am 10. Februar 1949 in der Verbandszeitung erschien und damit in gewisser Weise zur offiziellen Deutung avancierte: „Die Hinterbliebenen haben in diesem Krieg eine Hauptstütze ihrer Familie verloren und damit am eigenen Leibe erfahren, dass nichts so fürchterlich ist wie der Krieg. Deshalb haben auch die Hinterbliebenen stärker als alle anderen Menschen den Wunsch, dass der Frieden auf ewig aufrechterhalten werde. Unsere Väter, Männer und Söhne, die wir im Krieg verloren haben, sind nicht in den Krieg gezogen, weil sie selbst dies wünschten, sondern sie zogen ins Feld, weil dies befohlen und damit unausweichlich war, und fielen daraufhin. Da die Toten damit sozusagen zu Fundamenten des heutigen friedlichen Japan (heiwa Nihon no ishizue) geworden sind, wünschen wir Hinterbliebenen auch, dass es einen Weg geben möge, die Seelen der Verstorbenen zu besänftigen (mitama o an-zuru).“132
Mit heiwa Nihon no ishizue („Fundamente des friedlichen Japan“) bzw. heiwa no ishizue („Fundamente des Friedens“) war für die Nihon izoku kōsei renmei die neue, äußerst griffige semantische Formel gefunden, welche die Um- bzw. Neudeutung des soldatischen Sterbens in einem neuen Ausdruck zusammenfasste und repräsentierte. Er verschmolz die Sinnhaftigkeit des Todes auf den Schlachtfeldern des Asiatisch-Pazifischen Krieges mit dem Pazifismus und der neuen politischen Ordnung der Nachkriegszeit. Zugleich markierte er einen fundamentalen
132 Morita, Shunsuke: Nihon izoku kōsei renmei no ninmu ni tsuite, In: Nihon izoku kōsei kaihō, 10. Februar 1949, S. 2.
5.3 Entstehung der Hinterbliebenenbewegung
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Bruch mit der Tradition des japanischen Gefallenenkultes seit der Meiji-Zeit. Vor 1945 baute der politische Totenkult auf der Deutung auf, dass die Soldaten freiwillig ihr Leben für den Tennō gaben. In der Interpretation Moritas aus dem Jahre 1949 sind beide Elemente verschwunden. Die Freiwilligkeit ist ersetzt durch die Ausweglosigkeit, die aus dem Befehl resultierte, und der Tennō ist allenfalls noch indirekt in der Formel des Friedens präsent. Insofern ist die Neuinterpretation des Soldatentodes, die hier für die Besatzungszeit einen vorläufigen Abschluss fand, Faktor wie Indikator auch der Neuinterpretation der historischen Rolle des Tennō in der japanischen Zeitgeschichte.
6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität Die skizzierten fundamentalen Verschiebungen der politischen Verfasstheit Japans und die Neufiguration der Konstellation gesellschaftlicher Trägergruppen und damit die Veränderungen der Rahmenbedingungen des politischen Totenkultes während der Besatzungszeit erzwangen eine Distanzierung von den traditionellen Formen des offiziellen Gefallenengedenkens durch den Staat. Eine Lösung von den religiös konnotierten Sinnstiftungsmustern, ihren Orten und Symbolen machte im Gegenzug die Entwicklung neuer, nichtreligiöser Formen der Totenehrung möglich und zugleich notwendig. Bei dieser grundlegenden Neuausrichtung handelt es sich um eine Pfadänderung in der Geschichte des politischen Totenkultes, die mit der Neuausrichtung der politischen und gesellschaftlichen Verfasstheit des Landes verbunden war. Nach der Rückgewinnung der Souveränität 1952 spaltet der politische Streit über eine angemessene Form des Totengedenkens das Land und wurde in den folgenden Jahrzehnten zu einer der zentralen Bühnen der Auseinandersetzungen über den Umgang mit der Vergangenheit, die Beziehungen zu den ostasiatischen Nachbarländern wie auch den Umgang mit den Festlegungen der Nachkriegsverfassung. Dabei sind vor allem drei große Konfliktfelder zu erkennen: erstens die symbolpolitische (und damit verknüpft die normative) Distanzierung von der imperialen Vergangenheit Japans, zweitens die Frage, an wen und an wen nicht erinnert wird, sowie drittens die Trennung von Staat und Religion und eine mögliche Wiederbelebung staatsshintōistischer Riten und Praktiken durch den Staat. Die Entwicklungen blieben dabei widersprüchlich und spannungsreich, wie im Folgenden an den Beispielen der Ehrung der Gefallenen aus der Zeit vor 1945 und der Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte nach 1950 verdeutlicht werden soll. Zuvor jedoch werden die politischen Rahmenbedingungen und die Akteursstruktur – letztere mit dem Schwerpunkt auf der Geschichte des bedeutendsten gesellschaftlichen Trägers des Gefallenengedenkens nach 1952, des Japanischen Hinterbliebenenverbandes und seiner politischen und sozialen Netzwerke, analysiert und in ihren wichtigsten Entwicklungslinien dargestellt.
6.1 Unabhängigkeit, konservative Herrschaft und Ausbau der Streitkräfte 6.1.1
Politische Rahmenbedingungen
Der Kalte Krieg war der bestimmende Faktor für den Friedensvertrag von San Francisco und Japans Rückkehr in die Völkergemeinschaft, die vor allem im Kontext mit dem parallel verlaufenden Korea-Krieg gesehen werden müssen. Die außen-
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
politische Orientierung am westlichen Lager spiegelte sich bereits in den Verhandlungen wider: die Sowjetunion, Indien, Polen, die ČSSR und andere Staaten nahmen an den Verhandlungen nicht teil oder verließen sie unter Protest, mit der UdSSR, der VR China und Korea (das freilich als ehemalige Kolonie auch kein Kriegsgegner gewesen war) wurden drei unmittelbare Nachbarn Japans nicht in das Vertragswerk integriert. Statt mit der Volksrepublik schloss Japan am Tag des In-Kraft-Tretens des Friedensvertrages von San Francisco mit der Republik China unter Jiang Jieshi (Chiang Kai-shek) auf Taiwan einen separaten Friedensvertrag („Vertrag von Taipeh“).1 Zwischen der UdSSR bzw. Russland und Japan steht ein Friedensschluss bis heute aus. Insofern war der Vertrag von San Francisco eine Art von „Sonderfrieden“, der den Asiatisch-Pazifischen Krieg und aus ihm resultierende Konflikte nicht umfassend und abschließend beilegte. Dass der Friedensvertrag selbst für Japan relativ mild war, war keinesfalls selbstverständlich, sondern Ergebnis zäher Verhandlungen und der für Japan alles in allem positiven Haltung der USA, die ebenfalls primär auf die internationale Lage in Ostasien zurückgeführt werden muss. Mit dem Vertrag vom 8. September 1951 wurde der Kriegszustand zwischen den Signatarstaaten offiziell beendet und Japan am 28. April 1952 wieder in die Unabhängigkeit entlassen (Art. 1).2 Darüber hinaus gab Japan auch formal die Hoheit über alle seit 1895 erworbenen Gebiete, also vor allem Korea, Taiwan, das südliche Sachalin oder das ehemalige Kolonialreich im Südpazifik, auf (Art. 2). Okinawa und andere kleinere Inselgruppen – wie die heute zwischen Japan, China und Taiwan umstrittenen Senkaku- bzw. Diaoyu-Inseln – wurden der Treuhand der UNO, faktisch der Verwaltung durch die USA übergeben (Art. 3). Japan verzichtete auf alle Eigentumsansprüche gegenüber den ehemals besetzten Gebieten und Kolonien und erklärte sich darüber hinaus bereit, Reparationen für Kriegsschäden zu zahlen (Art. 14), im Gegenzug wurde jedoch auch anerkannt, dass Japans Ressourcen nicht ausreichend seien, umfassende Reparationen zu leisten und zugleich eine überlebensfähige Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Entsprechend wurden Regelungen in Bezug auf Entschädigungsleistungen bilateralen Verhandlungen anheim-
1 Nach der Gründung der Volksrepublik China unter Mao herrschte auch unter den westlichen Verbündeten keine Einigkeit über die Frage, ob die VR oder die nationalistische Regierung auf Taiwan China vertrete. Großbritannien, Indien u. a. hatten die VR völkerrechtlich bereits anerkannt, die USA hingegen nicht. Entsprechend wurde keine der beiden Parteien nach San Francisco eingeladen. Mit dem Vertrag von Taipeh erkannte Japan faktisch die Republik China auf Taiwan völkerrechtlich an. 2 Treaty of San Francisco between the Allied Powers and Japan (Treaty of Peace with Japan) vom 8. September 1951 (online abrufbar unter http://en.wikisource.org/wiki/Treaty_of_San_Francisco, zuletzt eingesehen am 13. September 2012).
6.1 Unabhängigkeit, konservative Herrschaft und Ausbau der Streitkräfte
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gestellt.3 Für Japan bedeutete dies, dass es vor allem mit den südostasiatischen Staaten aus einer Position der relativen Stärke heraus sehr günstige Bedingungen für die finanzielle Wiedergutmachung verhandeln konnte, die in aller Regel als Wirtschaftshilfe geleistet wurde und damit auch der japanischen Wirtschaft selbst zu Gute kam.4 Schließlich musste Japan im Friedensvertrag die Schuldsprüche der alliierten Kriegsverbrecherprozesse, namentlich des Tribunals von Tōkyō, anerkennen (Art. 11). Parallel zum Friedensvertrag wurde der „Vertrag über gegenseitige Kooperation und Sicherheit“ mit den USA geschlossen, der aus den ehemaligen Kriegsgegnern formal Bündnispartner machte.5 Dabei bestimmte der Vertrag in Artikel I, dass die US-Streitkräfte sowohl der Abwehr äußerer Angriffe als auch der Niederschlagung von großen Unruhen innerhalb Japans, falls diese durch Anstiftung oder Intervention ausländischer Mächte – konkret also den Kommunismus – veranlasst seien, dienen sollten.6 Entsprechend wurde den USA das Recht eingeräumt, weiterhin in Japan militärische Stützpunkte zu unterhalten. Hinzu kam, dass mit dem Friedensvertrag auch Okinawa, die Ogasawara- und Amami-Inseln und andere kleinere Eilande zunächst unter US-Verwaltung blieben. Die politische, militärische und ökonomische Ausrichtung auf die USA blieb in den folgenden Jahrzehnten die zentrale, wenn auch nicht unumstrittene Maxime der japanischen Außen- und Sicherheitspolitik.7 Sie fand ihre Verdichtung in der
3 Ara, Takashi: Tai-Nichi kōwa no teiketsu to ryōdo, baishō mondai, In: Fujiwara, Akira/Imai, Seiichi (Hg.): Jūgo-nen sensō-shi. Band 4: Senryō to kōwa, Tōkyō: Aoki shoten 1989, S. 207–247, hier S. 239. 4 Vgl. hierzu auch Fuhrt, Volker: Erzwungene Reue. Vergangenheitsbewältigung und Kriegsschulddiskussion in Japan 1952–1998, Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2002, S. 32–34; Asahi shinbun sengo hoshō mondai shuzai-han: Sengo hoshō to wa nani ka, Tōkyō: Asahi shinbun-sha 1999, S. 95–107. 5 Zum Zustandekommen von Friedens- und Sicherheitsvertrag siehe u. a. Toyoshita, Narahiko: Anpo jōyaku no seiritsu. Yoshida gaikō to tennō gaikō, Tōkyō: Iwanami shoten 1996; Hosoya, Chihiro: San Furanshisuko kōwa e no michi, Tōkyō: Chūō kōron-sha 1984; Dower, John W.: Empire and Aftermath, S. 367–414. 6 Vgl. Security Treaty Between the United States and Japan vom 8. September 1951 (online abrufbar unter http://avalon.law.yale.edu/20th_century/japan001.asp, zuletzt eingesehen am 13. September 2012). 7 Zur japanischen Sicherheitspolitik siehe Weinstein, Martin E.: Japan’s Postwar Defense Policy 1947–1968, New York/London 1971; Katzenstein, Peter J./Okawara, Nobuo: Japan’s National Security. Structures, Norms and Policy Responses in a Changing World, Ithaca: Cornell East Asia Series 1993; Katzenstein, Peter J.: Cultural Norms and National Security. Police and Military in Postwar Japan, Ithaca/London: Cornell University Press 1996; zur amerikanischen Perspektive auf die ersten anderthalb Jahrzehnte der Nachkriegszeit Swenson-Wright, John: Unequal Allies? United States Security and Alliance Policy toward Japan 1945–1960, Stanford: Stanford University Press 2004.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
sog. „Yoshida-Doktrin“ (Yoshida dokutorin), die dem wirtschaftlichen Wiederaufbau höchste Priorität einräumte. Bedingung hierfür war der – bald auch nuklear definierte – militärische Schutzschirm der USA, der eine signifikante Wiederaufrüstung unnötig machte. Der Preis dafür war aber eben jene außenpolitische wie auch militärische (und zunächst auch technologische) Anbindung an den ehemaligen Kriegsgegner und dessen Verbündete im Kalten Krieg. Das „System von San Francisco“ hatte dabei Japan zwar von einem Großteil des ostasiatischen Festlandes abgeschnitten, zugleich aber (schrittweise bis in die 1960er Jahre) den Zugang nach Nordamerika, Europa und Südostasien sowie Südkorea und Taiwan sichergestellt.8 In ökonomischer Hinsicht zahlte sich diese Strategie langfristig aus: Angetrieben durch den vom Korea-Krieg ausgelösten Boom erreichten Landwirtschaft und Industrie bereits 1951 wieder das Vorkriegsniveau (konkret den Stand von 1934 bzw. 1936), die Industrieproduktion und das Nationaleinkommen verdoppelten sich zwischen 1950 und 1955 beinahe.9 Dieses Wachstum bildete den Grundstock für den enormen wirtschaftlichen Aufschwung Japans, der das Land vor allem in dem Jahrzehnt vor dem Ersten Ölschock zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen ließ. Auch innenpolitisch festigten sich in den ersten Jahren nach der Wiedererlangung der Souveränität die Strukturen.10 Nach zahlreichen innerparteilichen Machtkämpfen, Abspaltungen und Vereinigungen fand sich das liberal-konservative Lager im November 1955 in einer neuen Partei, der Liberaldemokratischen Partei (Jiyū minshū-tō, LDP) zusammen, die in den folgenden vier Jahrzehnten kontinuierlich parlamentarische Mehrheiten sichern und die Regierung stellen konnte.11 Kurz zuvor, im Oktober 1955, hatten sich auch der rechte und der linke Flügel der Sozialisten wieder zur Sozialistischen Partei Japans (Nihon shakai-tō,
8 Jansen, Marius B.: The Making of Modern Japan, S. 703. 9 Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 234. 10 Vgl. zum politischen System Japans Stockwin, J. A. A.: Japan. Divided Politics in a Growth Economy, 2. Auflage, London: Weidenfeld and Nicolson 1982; Klein, Axel: Das politische System Japans, Bonn: Bier’sche Verlagsanstalt 2006; Kevenhörster, Paul: Politik, In: Ders./Pascha, Werner/Shire, Karen: Japan. Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, 2. Auflage, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2010, S. 237–364. 11 Weiterführend zur Geschichte der LDP zuletzt Krauss, Ellis S./Pekannen, Robert J.: The Rise and Fall of Japan’s LDP. Political Party Organizations as Historical Institutions, Ithaka: Cornell University Press 2011; Kitaoka, Shin’ichi: Jimin-tō. Seiken-tō no 38-nen, Tōkyō: Chūō kōron shinsha 2008; Tominomori Eiji: Sengo hoshu-tō-shi, Tōkyō: Iwanami shoten 2006. Vgl. auch Pohl, Manfred: Hintergründe einer „Einparteien-Demokratie“: Die Anatomie der japanischen Regierungspartei, In: Menzel, Ulrich (Hg.): Im Schatten des Siegers: Japan. Band 2: Staat und Gesellschaft, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1989, S. 275–304; Thayer, Nathaniel B.: How the Conservatives Rule Japan, Princeton: Princeton University Press 1969.
6.1 Unabhängigkeit, konservative Herrschaft und Ausbau der Streitkräfte
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SPJ) zusammengeschlossen, welche bis in die 1980er Jahre die wichtigste Oppositionspartei war und die bei den Wahlen bis in die 1960er Jahre hinein etwa 30 %, in den 1970er und 80er Jahren etwa um die 20 % der Direktwahlstimmen auf sich vereinigte.12 Diese Struktur der Alleinherrschaft der LDP bei gleichzeitiger starker Opposition unter Führung der SPJ (und der Existenz zahlreicher kleinerer Oppositionsparteien wie der Kommunistischen Partei u. a.), die jedoch über lange Zeit stark intern zerstritten war, wird traditionell als „EineinhalbparteienSystem“ bzw. nach ihrem Entstehungsjahr als das „System von 1955“ (55-nen taisei) bezeichnet. Die bemerkenswerte Kontinuität dieses Systems ist auf eine Reihe struktureller Faktoren zurückzuführen, die zugleich als Spezifika der Parteienlandschaft über weite Strecken der Nachkriegszeit in Japan anzusehen sind.13 Hierzu gehörte erstens ein Wahlsystem, in dem bei den politisch gewichtigeren Unterhauswahlen in einzelnen Wahlkreisen einzelne, teilweise (in den sog. mittleren Wahlkreisen) aber auch mehrere Abgeordnete direkt gewählt wurden. Dies hatte zur Folge, dass innerhalb eines Wahlkreises auch Vertreter ein und derselben Partei gegeneinander antreten konnten, wodurch wiederum Parteiprogramme in Bezug auf die Wahlentscheidung an Bedeutung verloren. So konnte zweitens zwar eine Partei in einem Wahlkreis durchaus mehrere Kandidaten ins Parlament nach Tōkyō entsenden, doch war der Preis dafür nicht selten die innerparteiliche Konkurrenz von Abgeordneten aus demselben Wahlkreis. Diese wurde drittens durch das Faktionswesen insbesondere innerhalb der LDP weiter verschärft. Bei den Faktionen (habatsu) handelt es sich um Gruppen bzw. Seilschaften, die sich meist um einen oder mehrere einflussreiche Politiker bilden und die miteinander hauptsächlich um Ämtervergabe, aber auch um den Zugang zu (finanziellen) Ressourcen konkurrieren. Ihre wichtigste Funktion lag und liegt daher auch primär darin, den Zugang zu Regierungs- und Parteiämtern sowie zu Geld für die immens teuren Wahlkämpfe sicherzustellen, für die Anführer der einzelnen Faktionen wiederum, sich Unterstützung in innerparteilichen Auseinandersetzungen zu sichern und damit das eigene politische Gewicht zu erhöhen. Im Gegensatz zur SPJ spielten dabei programmatische oder ideologische Unterschiede bei der LDP eine eher untergeordnete Rolle, was wiederum viertens Voraussetzung für eine relative inhaltliche Breite der langjährigen Regierungspartei war. Hierdurch
12 Vgl. zur Entstehungsgeschichte der SPJ die klassischen Studien Cole, Allan B./Totten, George O./Uyehara, Cecil H.: Socialist Parties in Postwar Japan., New Haven: Yale University Press 1966; Stockwin, J. A. A.: The Japanese Socialist Party and Neutralism.A Study of Political Party and its Foreign Policy, London/New York: Cambridge University Press 1968. 13 Weiterführend Klein, Axel: Das politische System Japans.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
gelang es ihr, durchaus auch unterschiedliche politische und gesellschaftliche Strömungen zu integrieren, was im Gegenzug wiederum ihre politische Attraktivität erhöhte. Dies zeigte sich nicht zuletzt an den divergierenden Haltungen zu den Fragen der außenpolitischen Orientierung und der Wiederbewaffnung, aber durchaus auch bei Fragen des politischen Totenkultes, auf die unten näher eingegangen wird. Insgesamt kann man hier idealtypisch zwei Strömungen ausmachen: einmal eine proamerikanische Tendenz, die auf eine möglichst enge Anbindung an die USA zielte, und eine andere antiamerikanische bzw. nationalistische Tendenz, welche eine stärker von den USA unabhängige Außen- und Sicherheitspolitik befürwortete. Entsprechend divergierte auch das Verhältnis gegenüber der Verfassungsordnung: während sie für die gemäßigten und liberalen Kräfte innerhalb der Regierungspartei den akzeptierten Rahmen politischen Handelns setzte, galt und gilt sie den verfassungsrevisionistischen Kreisen der LDP als Oktroy der Besatzungsmacht und damit als Symbol der über die Besatzungszeit hinweg andauernden Abhängigkeit vom ehemaligen Kriegsgegner. Während Yoshida Shigeru selbst die nach ihm benannte enge außenpolitische Anlehnung an die USA vertrat, forcierte etwa Hatoyama Ichirō (1883–1959), der Yoshida im Dezember 1954 im Amt des Premierministers nachfolgte, in seiner Amtszeit sowohl die Bemühungen um eine Revision der Verfassung, hier vor allem der Kriegsverzichtsklausel des Artikels 9, als auch einen Ausgleich mit der Sowjetunion und damit eine eigenständige Außenpolitik. Mit der UdSSR konnte entsprechend im Oktober 1956 ein Abkommen über die Beendigung des Kriegszustandes geschlossen werden, was Japan unter anderem den Zugang zur UNO sowie die Rückkehr der japanischen Kriegsgefangenen sicherte.14 Auch für Kishi Nobusuke, Premierminister zwischen 1957 und 1960, war die Revision der Verfassung ein zentraler Punkt seiner politischen Agenda. Die Konfrontation dieser unterschiedlichen Strömungen und ihre wechselnden Kräfteverhältnisse setzten sich in den folgenden Jahrzehnten fort und beeinflussten nicht nur die Außenoder Sicherheitspolitik, sondern auch, wie unten ausgeführt wird, die Vergangenheitsthematisierung und damit auch den Gefallenenkult durch den japanischen Staat nachhaltig. Spätestens der Amtsantritt Hatoyama Ichirōs als Premierminister symbolisierte darüber hinaus auch die endgültige Rückkehr der konservativen Eliten der Kriegszeit an die höchsten Schaltstellen der politischen Macht. Bereits Yoshida war als Karrierediplomat und Schwiegersohn von Makino Nobuaki (1861–1949),
14 Vgl. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 401; Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 242–243.
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der seinerseits mehrfach das Amt des Außenministers und des Ministers für den Kaiserlichen Haushalt ausgeübt hatte, ein Mitglied der traditionellen politischen Führungsschicht, war aber als Befürworter einer Verständigung und später eines Friedensschlusses mit den Westmächten Teil der Opposition zum Regime von Tōjō Hideki, wofür er kurzzeitig auch inhaftiert worden war. Hatoyama hingegen war zwischen 1931 und 1934 Kultusminister und wegen seiner Aktivitäten in jenen Jahren nach 1945 von den Besatzungsbehörden im Kontext der Säuberungsmaßnahmen mit einem Betätigungsverbot belegt worden. Als Hatoyamas Außenminister fungierte Shigemitsu Mamoru (1887–1957), der bereits vor 1945 wiederholt Minister für Auswärtige Angelegenheiten und für Großostasien gewesen und der durch das Tōkyō-Tribunal als einer der Hauptkriegsverbrecher zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war. Seinen Höhepunkt erreichte diese Tendenz freilich mit dem Amtsantritt von Kishi Nobusuke (1896–1987) als Premierminister, der während des Krieges Minister für Handel und Industrie im Kabinett Tōjō gewesen und ebenfalls bis 1948 als mutmaßlicher Kriegsverbrecher der Kategorie A inhaftiert worden war. Die Tatsache, dass insbesondere politische (und analog militärische, wirtschaftliche usw.) Eliten nach 1952 nahezu bruchlos an ihre Karrieren anknüpfen konnten, ist sowohl ein wichtiger Faktor wie auch Indikator für den Umgang der japanischen Gesellschaft mit der imperialen Vergangenheit vor dem August 1945.15 Neben der Etablierung festgefügter politischer Strukturen in der Mitte der 1950er Jahre waren die ersten Jahrzehnte nach Wiedererlangung der Souveränität durch einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung geprägt, der Japan schließlich zur zweitgrößten Volkswirtschaft machte. Dabei beruhte das „hochgradige Wirtschaftswachstum“ (kōdo keizai seichō) nota bene nicht zuletzt auch auf Instrumenten einer staatlichen Wirtschaftsplanung, die ihrerseits auf staatliche Maßnahmen und Instrumente im Kontext der Mobilisierung während des Asiatisch-Pazifischen Krieges zurückzuführen sind.16 Der ökonomische Aufschwung wiederum stabilisierte nicht nur die Herrschaft der regierenden wirtschaftsfreundlichen LDP weiter, sondern er führte auch zu einem neuen nationalen Selbstbewusstsein insbesondere auch in Bezug auf die Deutung der jüngeren Ver-
15 Hettling, Manfred/Schölz, Tino: Kako to no danzetsu to renzoku, S. 100–102. 16 Vgl. als Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung in der Nachkriegszeit etwa Klenner, Wolfgang: Grundzüge der wirtschaftlichen Entwicklung und der Wirtschaftspolitik seit dem Zweiten Weltkrieg, In: Menzel, Ulrich (Hg.): Im Schatten des Siegers: Japan. Band 3: Ökonomie und Politik, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1989, S. 63–96. Zu den Kontinuitäten der Wirtschaftspolitik zur Kriegszeit siehe Kobayashi, Hideo: Teikoku Nihon to sōryoku-sen taisei; Ders: ‚Nihon kabushiki gaisha‘ o tsukutta otoko. Miyazaki Masayoshi no shōgai, Tōkyō: Shogakkan 1995; Johnson, Chalmers A.: MITI and the Japanese Miracle. The Growth of Industrial Policy 1925–1975, Stanford: Stanford University Press 1982.
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gangenheit. Indikatoren dieser Tendenz waren etwa in der Historiographie der späten 1950er Jahren die Kritik an marxistischen Erklärungsansätzen in der Zeitgeschichte wie die „Debatte um die Geschichte der Shōwa-Zeit“ (Shōwa-shi ronsō) oder die aus nichtakademischen intellektuellen Kreisen offen vorgetragenen apologetischen Deutungen des Asiatisch-Pazifischen Krieges.17 Der Schriftsteller Hayashi Fusao etwa interpretierte in seiner Abhandlung „Über die Bejahung des Großostasiatischen Krieges“ diesen als Teil eines hundertjährigen Kampfes um nationale Selbstbehauptung, der nur scheinbar ein Aggressionskrieg gewesen sei, vielmehr der Befreiung der Völker Ostasiens gedient habe.18 Das Verhältnis zu den USA als primärer außenpolitischer Bezugsgröße konnte ebenfalls in jenen Jahren neu austariert werden. Mit dem Abschluss des innenpolitisch heftig umstrittenen revidierten Sicherheitsvertrages (des sog. Anpo-Vertrages, vgl. unten) gelang es im Februar 1960, die Rolle eines Junior- in die eines mehr oder minder gleichberechtigten Bündnispartners zu transferieren. Trotz der zentralen militärstrategischen Bedeutung Okinawas für die amerikanische Kriegführung in Vietnam konnte Tōkyō die Rückkehr der Inseln unter die japanische Souveränität vereinbaren, die im Mai 1972 in Kraft trat – freilich bei fortdauernder hoher Präsenz von US-Militärbasen auf dem Archipel.19 Diese umfassen noch heute etwa ein Fünftel der eigentlichen Hauptinsel Okinawa. Zugleich markierten die beiden Nixon-Schocks (Aufnahme der diplomatischen Beziehungen der USA mit der VR China bei gleichzeitigem Abbruch der Beziehungen zu Taiwan und die Aufhebung der Dollar-Konvertierbarkeit in Gold) einen Einschnitt in den Beziehungen zwischen den USA und Japan, da sie einerseits den Beginn ökonomischer Auseinandersetzungen, andererseits in der Perzeption der japanischen politischen Eliten auch eine schwindende Verlässlichkeit der Asienpolitik der Vereinigten Staaten markierten.20 In Bezug auf die China-Politik folgte Tōkyō jedoch der neuen Linie Washingtons: 1972 nahm Japan ebenfalls diplomatische
17 Vgl. Schölz, Tino: Faschismuskonzepte in der japanischen Zeitgeschichtsforschung, S. 125–127; Conrad, Sebastian: Auf der Suche nach der verlorenen Nation. Geschichtsschreibung in Westdeutschland und Japan 1945–1960, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1999, S. 286–298. 18 Vgl. Hayashi, Fusao: Dai-Tōa sensō kōtei ron, Tōkyō: Banchō shobō 1964; Seifert, Wolfgang: Nationalismus im Nachkriegs-Japan. Ein Beitrag zur Ideologie der völkischen Nationalisten, Hamburg: Institut für Asienkunde 1977, S. 242–253. 19 Vgl. primär für die amerikanische Perspektive bei der Rückgabe Okinawas Miyazato, Seigen: Nichi-Bei kankei to Okinawa 1945–1972, Tōkyō: Iwanami shoten 2000; ferner Aldous, Christopher: Achieving Reversion. Protest and Authority in Okinawa 1952–1970, In: Modern Asian Studies 37 (2003), Heft 2, S. 485–508; Kōno, Yasuko: Okinawa henkan o meguru seiji to gaikō. NichiBei kankei-shi no bunmyaku, Tōkyō: Tōkyō daigaku shuppan-kai 1994. 20 Takeda, Haruhito: Kōdo seichō (= Shiriizu Nihon kin-gendai-shi 8), Tōkyō: Iwanami shoten 2008, S. 176–182.
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Beziehungen zur Volksrepublik auf, was im Gegenzug den Abbruch der diplomatischen (freilich nicht der wirtschaftlichen) Beziehungen mit Taiwan implizierte. Wenig bekannt ist übrigens, dass in der Gemeinsamen Erklärung vom 29. September 1972 Japan auch seine Verantwortung (sekinin) für die immensen Schäden (jūdai na songai), die Japan dem chinesischen Volk durch den Krieg zugefügt habe, ausdrücklich anerkannte und sein Bedauern (hansei) hierüber zum Ausdruck brachte.21 1978 schließlich konnte zwischen Japan und der Volksrepublik China ein Friedens- und Freundschaftsvertrag geschlossen werden, der einerseits die Beziehungen zwischen beiden Staaten normalisierte, andererseits aber offene Territorialfragen wie die Zugehörigkeit der Sengaku- bzw. Diaoyu-Inseln nicht abschließend klärte – eine Hypothek, welche die Beziehungen beider Länder bis heute negativ beeinflusst.22 Waren die 1970er Jahre in der japanischen Innenpolitik eher durch eine gewisse Labilität gekennzeichnet, die vor allem auf eine wirtschaftlich instabile Lage im Gefolge der beiden Ölkrisen und politisch auf Skandale wie den Lockheed-Skandal, welche die Glaubwürdigkeit der LDP in Frage stellten, zurückging, zeichneten sich die 1980er Jahre sowohl ökonomisch als auch politisch durch eine neugewonnene Stabilität aus.23 Premierminister Nakasone Yasuhiro (geb. 1918, Premierminister 1982–1987) vertrat dabei unter den Schlagworten „Generalabrechnung der Nachkriegspolitik“ (sengo seiji no sō-kessan) und „Internationaler Staat Japan“ (kokusai kokka Nihon) – d. h. ein sich seiner internationalen Rolle als (Wirtschafts-)Großmacht auch politisch und militärisch stellendes Japan – eine offen nationalistische Politik, die Japan zu einem der Pfeiler auch der antisowjetischen Politik werden ließ. Dessen ungeachtet war Japan als ökonomische, freilich weltpolitisch alles in allem doch eher zurückhaltende Großmacht ein Gigant auf tönernen Füßen. Dies zeigte sich Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre, die für Japan einen
21 Vgl. Nit-Chū kyōdō seimei (29. September 1972), In: Rekishi-gaku kenkyū-kai (Hg.): Nihon-shi shiryō. Band 5: Gendai, Tōkyō: Iwanami shoten 1997, S. 346–349, hier S. 348; eine englischsprachige Fassung des Joint Communique of the Government of Japan and the Government of the People’s Republic of China vom 29. September 1972 ist online abrufbar unter: www.mofa.go.jp/ region/asia-paci/china/joint72.html (zuletzt eingesehen am 13. November 2012). Im Gegenzug verzichtete China übrigens auf eine finanzielle Wiedergutmachung für die Schäden, die es im Asiatisch-Pazifischen Krieg erlitten hatte. 22 Vgl. Nihon-koku to Chūka jinmin kyōwa-koku to no aida no heiwa yūkō jōyaku (12. August 1978), In: Rekishi-gaku kenkyū-kai (Hg.): Nihon-shi shiryō. Band 5: Gendai, Tōkyō: Iwanami shoten 1997, S. 392–393; eine englischsprachige Fassung des Treaty of Peace and Friendship between Japan and the People’s Republic of China ist online abrufbar unter: http://en.wikisource. org/ wiki/Treaty_of_Peace_and_Friendship_between_Japan_and_the_People’s_Republic_of_China (zuletzt eingesehen am 13. November 2012). 23 Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 287.
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tiefen Einschnitt in der Entwicklung der Nachkriegszeit markierten.24 Symbolisch wurde dieser Wandel durch den Tod des Shōwa-tennō im Januar 1989 markiert, der 1926 den Thron bestiegen hatte. Zum einen bewirkte das Platzen der sogenannten Seifenblasen-Wirtschaft (Bubble Economy) im Jahre 1990 eine anhaltende Krise der japanischen Finanz- und Immobilienwirtschaft, welche schließlich auch Auswirkungen auf die Realwirtschaft hatte. Ökonomische Stagnation und Deflation waren die Folgen. Neben die ökonomische Krise trat eine politische, die mittelfristig die Auflösung der Machtstrukturen des Eineinhalbparteien-Systems bewirkte. Zahlreiche Skandale erschütterten die Glaubwürdigkeit der LDP, die 1989 erstmals eine Wahl verlor und 1993 vorübergehend in die Opposition gehen musste.25 Ein All-Parteienbündnis gegen die LDP, das stattdessen die Regierung stellen konnte, blieb freilich nicht von langer Dauer. Bereits 1994 kehrten die Liberaldemokraten in einer Koalition an die Regierung zurück, wobei sie, obwohl sie die größere Partei darstellten, zunächst nicht das Amt des Premierministers besetzten. So war zum Zeitpunkt des 50. Jahrestages des Kriegsendes ein Vertreter der Sozialistischen Partei (Murayama Tomiichi, geb. 1924) für etwa achtzehn Monate Regierungschef. Verbunden war die Koalition mit der seit Jahrzehnten bekämpften LDP mit einem fundamentalen außen- und sicherheitspolitischen Kurswechsel der Sozialisten, die im Juli 1994 die Verfassungsmäßigkeit der Existenz der Selbstverteidigungsstreitkräfte anerkannten und den Japanisch-Amerikanischen Sicherheitsvertrag akzeptierten. Im Gegenzug ermöglichte diese spezifische politische Konstellation im Umfeld des Jahrestages des Kriegsendes eine kritische Thematisierung der imperialen Vergangenheit durch den Premierminister, was in dieser Form für einen Premier aus den Reihen der LDP nur schwer vorstellbar war.26 Strukturell veränderten die Wahlrechtsreformen der 1990er Jahre die japanische Politik. Das System der Mehrerwahlkreise wurde aufgegeben und durch ein Wahlrecht ersetzt, nach dem 300 Sitze des Unterhauses in direkter Wahl in einem Wahlkreis (nach dem Mehrheitswahlrecht) vergeben werden und 200 Sitze nach dem Prinzip der Verhältniswahl. Parallel nahm die Bindekraft der großen Parteien in Bezug auf ihre Stammwählerschaft ab, was einerseits zu größeren Wählerwanderungen führte, andererseits aber in einem gegenläufigen Trend die Verankerung der einzelnen Politiker in ihrem Wahlkreis teilweise noch stärkte. Die LDP als Partei konnte sich nach ihrem zwischenzeitlichen Machtverlust in der Mitte der 1990er Jahre nicht mehr in dem Maße auf ihre klassischen Vorfeldorganisationen und finanzielle Zuwendungen von Industrie und Handel stützen, und sie verlor Teile
24 Vgl. für das Folgende auch Klein, Axel: Das politische System Japans, S. 161–177. 25 Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 420–421. 26 Vgl. unten Kap. 6.2.
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ihrer Faktionen durch Abspaltungen in Folge innerparteilicher Auseinandersetzungen, so dass ihre Machtbasis insgesamt gesehen weit weniger gefestigt war, als dies Wahlergebnisse suggerieren. Ihre Erfolge scheinen zunehmend an die Popularität ihres Führungspersonals geknüpft zu sein. Dies ist für die Vergangenheitspolitik des japanischen Staates insofern von Bedeutung, als konflikhaftes Handeln in diesem Politikfeld insgesamt auch Entschlussfreudigkeit, Prägnanz, Konfliktbereitschaft und damit charakterliche Stärke medial repräsentieren können und damit auch zu einem Teil von Imagepolitik geworden ist. Daneben gerieten in den folgenden Jahren auch jenseits der Liberaldemokraten bisher festgefügte Strukturen der Parteienlandschaft in Bewegung. Prominentestes Opfer dieser Entwicklung war die SPJ, welche schrittweise in der politischen Bedeutungslosigkeit versank. Daneben erwuchs in der 1998 gegründeten Demokratischen Partei (Minshu-tō, DPJ) eine neue (gemäßigt konservative) Kraft, deren Entstehung vorübergehgend die Tendenz hin zur Formierung eines Zweiparteiensystems markierte.27 Ihr gelang es zwar, zwischen 2009 und 2012 die LDP an der Regierung abzulösen, sie konnte sich aber (zumindest nach heutigem Stand) nicht als dauerhafte Alternative im politischen Spektrum etablieren. So bleiben Volatilität und Labilität wichtige Merkmale der politischen Ordnung für die ersten anderthalb Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts. Vor allem aber stehen die politischen Eliten Japans vor immensen neuen Herausforderungen. Neben der ökonomischen und fiskalischen Dauerkrise erweisen sich außen- und sicherheitspolitische Probleme als immer drängender, die mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation, der Kernwaffenstrategie Nordkoreas, dem politischen, ökonomischen und militärischen Aufstieg Chinas sowie der damit einhergehenden Verschiebung der Kräfteverhältnisse in Ostasien, mit Mächterivalitäten und ungelösten Territorialkonflikten verbunden sind. Die Vergangenheitsthematisierung und damit auch das Gefallenengedenken in Japan sind heute integraler Bestandteil dieser internationalen Konfliktlagen, die ihnen eine neue Dynamik verleihen.
6.1.2 Die japanischen Streitkräfte nach 1952 Der rasche Aufbau der japanischen Streitkräfte seit 1950 erfolgte auf Druck und mit massiver Unterstützung der USA.28 Schon 1951 forderte der Senator und spätere
27 Vgl. zur DPJ Klein, Axel: Das politische System Japans, S. 201–204, 185–186 und 216–218. 28 Siehe zur Frühgeschichte der Wiederbewaffnung Japans zuletzt French, Thomas: National Police Reserve; zur Marine Auer, James E.: The Postwar Rearmament of Japanese Maritime Forces 1945–1971; Hertrich, André: „Man kann nicht erwarten, dass japanische Soldaten ihr Leben für
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Außenminister John F. Dulles, zu diesem Zeitpunkt offizieller Berater des State Department und Chefunterhändler des Friedensvertrages, die Aufstellung von Truppen in einer Stärke von 300.000 bis 350.000 Mann.29 Premierminister Yoshida lehnte diese Forderung zunächst ab, da erstens die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes eine Wiederbewaffnung in einer solchen Dimension nicht zugelassen habe, zweitens das Misstrauen gegenüber Japan in anderen Ländern in „aktiven Hass“ hätte umschlagen können und drittens auch die Wiederbewaffnung im Gegensatz zur Nachkriegsverfassung gestanden habe.30 Trotzdem erfolgte im Januar 1952 die Aufstockung der Streitkräfte auf 110.000 Mann, im Juli desselben Jahres die Umbenennung der Nationalen Polizeireserve in „Sicherheitstruppen“ (Hoan-tai). 1954 schließlich fand der Aufbau der neuen Streitkräfte mit ihrer Umwandlung in die Selbstverteidigungsstreitkräfte (Jiei-tai) ihren organisatorischen Schlusspunkt. Dabei wurden drei Teilstreitkräfte (Land-, See- und Luftstreitkräfte) mit einer Gesamtstärke von schließlich 180.000 Mann gebildet und ihre Administration in einem Amt für Verteidigung (Bōei-chō) zusammengefasst. Der Ausbau der japanischen Streitkräfte nach der Wiedererlangung der Souveränität erfolgte dabei ebenfalls unter massiver Hilfe der USA.31 Zwischen 1951 und 1958, als das Programm auslief, leisteten die USA Militärhilfe in Höhe von 1,2 Mrd. Dollar, lieferten Ausrüstungsgegenstände und Waffen und stellten Militärberater zur Verfügung. Im gleichen Zeitraum (1952–1960) gab Japan im Durchschnitt etwa 10 % seines Haushaltes für Verteidigung aus, eine Zahl, die in den folgenden Jahren immer weiter abnehmen sollte und sich schließlich seit 1976 bei ca. 6 % des Staatshaushaltes bzw. 1 % des BIP einpegelte.32 Besonderes Augen-
die Demokratie geben.“ Die japanische Wiederbewaffnung 1950–1954 und die Frage eines neuen Tugendkatalogs für die Selbstverteidigungsstreitkräfte, In: Ludwig, Ulrike/Pöhlmann, Markus/ Zimmermann, John (Hg.): Ehre und Pflichterfüllung als Codes militärischer Tugenden, Paderborn: Schöningh 2014, nur online erhältlich unter: www.schoeningh.de/fileadmin/downloads/ schoeningh/77312Ludwig_Hertrich_S. 01_18.pdf (letzter Zugriff 30. Januar 2015). Allgemein zur Geschichte der Jiei-tai Katō, Yōzō: Die japanischen Selbstverteidigungsstreiträfte von der Gründung bis zur Gegenwart; Maul, Heinz Eberhard (Hg.): Militärmacht Japan? Sicherheitspolitik und Streitkräfte, München: Iudicium 1991; Hughes, Christopher W.: Japan’s Remilitarisation, Abingdon: Routledge 2009; Frühstück, Sabine: Uneasy Warriors. Gender, Memory, and Popular Culture in the Japanese Army, Berkeley u. a.: University of California Press 2007. 29 Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 235. 30 Vgl. ebenda; Yoshida, Shigeru: Japan im Wiederaufsteig. Die Yoshida-Memoiren, Düsseldorf/ Köln: Eugen Diederichs Verlag 1963, S. 265. 31 Iriye, Akira: Japan and the Wider World. From Mid-Nineteenth Century to the Present, London/New York: Longman 1997, S. 127. 32 Vgl. Sakanaka, Tomohisa: Das japanische Verteidigungsbudget. Ein politischer Zankapfel, In: Maul, Heinz Eberhard (Hg.): Militärmacht Japan? Sicherheitspolitik und Streitkräfte, München: Iudicium-Verlag 1991, S. 197–225; Kido, Eiichi: Die Remilitarisierung Japans nach 1945, S. 62–63.
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merk wurde seitdem vor allem auf die technische Ausrüstung und die Modernität der Waffensysteme gelegt. Seit der Mitte der 1950er Jahre verfügt Japan auch wieder über eine bedeutende Rüstungsindustrie, nachdem sie im Kontext der Demilitarisierungspolitik zu Beginn der Besatzungszeit weitgehend demontiert worden war. Seit 1967 werden etwa 90 % der Rüstungsgüter der Selbstverteidigungsstreitkräfte in Japan produziert, darunter Handfeuerwaffen, leichte und mittlere Panzer, Kampfflugzeuge sowie Zerstörer, Minenleger und U-Boote.33 Die Wiederbewaffnung Japans wie auch die sicherheitspolitische Orientierung an den USA seit 1950 waren jahrzehntelang eines der großen innenpolitischen Konfliktfelder, stand sie doch im eklatanten Widerspruch sowohl zur pazifistischen Grundhaltung der japanischen Bevölkerung, die sich vor allem in der großen Friedens- und Antiatomwaffenbewegung zeigte, als auch zu den Festlegungen des Artikels 9 der Verfassung. Die Antiatomwaffenbewegung erreichte ihren ersten Höhepunkt, nachdem japanische Fischer durch den Wasserstoffbombentest Castle Bravo am 28. Februar 1954 auf dem Bikini-Atoll radioaktiv verstrahlt und damit nach Hiroshima und Nagasaki zum dritten Mal Japaner Opfer von Kernwaffen geworden waren.34 In einer sich anschließenden Unterschriftenkampagne, die auf der Graswurzelebene von Frauen im Stadtteil Suginami-ku in Tōkyō initiiert wurde, sprachen sich bis Jahresende bei einer Gesamtbevölkerung von 80 Millionen zunächst 20, bis August 1955 – dem zehnten Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki – sogar 30 Millionen Japaner für die Ächtung von Nuklearwaffen aus.35 Auch entwickelte sich bereits früh – im Sommer 1952 – Widerstand gegen den Sicherheitsvertrag und die aus ihm resultierende Stationierung von US-Truppen in Japan und deren Militärbasen, der bisweilen in gewaltsamen Auseinandersetzungen eskalierte.36 Dieser Konflikt erreichte schließlich im sog. Anpo-Kampf (Anpo tōsō) von 1960 seinen Höhepunkt.37 An der Revision des Sicherheitsvertrages zwischen Tōkyō und Washington (Anzen hoshō jōyaku, kurz Anpo),
33 Vgl. auch Drifte, Reinhard: Japans Rüstung und seine Wirtschaft. Neue Wechselbeziehungen zwischen zwei Potentialen, In: Maul, Heinz Eberhard (Hg.): Militärmacht Japan? Sicherheitspolitik und Streitkräfte, München: Iudicium-Verlag 1991, S. 163–196; Mutsu, Gorō: Self Defense Forces, In: Kodansha Encyclopadia of Japan. Band 7, Tōkyō/New York: Kodansha 1983, S. 58–60, hier S. 60. 34 Vgl. dazu Yamamoto, Mari: Grassroots Pacifism in Post-War Japan, S. 167–172; Beyer, Eva: Vergangenheitsthematisierung in der japanischen Friedensbewegung am Beispiel der Gensui-kyō (Dissertation an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2014). 35 Kido, Eiichi: Die Remilitarisierung Japans nach 1945, S. 56–57. 36 Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 236. 37 Vgl. zum Anpo tōsō Oguma, Eiji: ‚Minshu‘ to ‚aikoku‘. Sengo Nihon no nashonarizumu to kōkyō-sei, Tōkyō: Shinyō-sha 2002, S. 499–548; Ders.: Der Auftritt des Bürgers (= Zivilgesellschaft und lokale Demokratie 6), Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2008; Ave-
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dessen überarbeitete Fassung im Februar 1960 dem japanischen Parlament zur Ratifizierung vorgelegt wurde, entzündete sich sowohl innerhalb wie außerhalb des Parlamentes eine Oppositionsbewegung, die nach Schätzungen etwa 20 Millionen Japaner integrierte und an deren Spitze die Sozialistische Partei und der Gewerkschaftsverband Sōhyō standen. Die Revision des Vertrages selbst brachte zahlreiche Verbesserungen für die japanische Seite mit sich – er beinhaltete nun erstmals die Verpflichtung der USA zu militärischem Beistand im Falle eines Angriffs, ohne dass es eine analoge Verpflichtung im Falle einer militärischen Auseinandersetzung der Vereinigten Staaten gab, er enthielt nicht mehr den Passus, wonach US-Truppen zur Niederschlagung eines Aufstandes im Inneren eingesetzt werden konnten und er begrenzte die Geltungsdauer auf zehn Jahre und machte damit (zumindest hypothetisch) eine Kündigung möglich.38 Japan wurde damit von einem Junior- zu einem gleichberechtigten Partner, die militärische wurde durch politische und ökonomische Kooperation ergänzt.39 Trotzdem mobilisierte dieser Vertrag die Massen, da er – zumindest in der Perzeption seiner Gegner – Japan in einen militärischen Konflikt der Vereinigten Staaten in Asien hätte hineinziehen können. Auch wenn die Ratifizierung des Sicherheitsvertrages – das erklärte Ziel der Anti-Anpo-Bewegung – nicht verhindert werden konnte, demonstrierte sie doch nachdrücklich die Konflikthaftigkeit, welche die außen- und sicherheitspolitische Partnerschaft mit den USA mit sich brachte.40 Die Politik musste in der Folgezeit auf diese Konflikthaftigkeit Rücksicht nehmen. Entsprechend formulierte die Regierung – zumindest offiziell – in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre zwei „Prinzipien“, welche die militärische Handlungsfähigkeit des Landes einschränkten. Es handelt sich dabei zum einen um die „Drei Nicht-Nuklear-Prinzipien“ (hikaku san-gensoku), welche 1967 verkündet und 1971 durch eine Resolution des japanischen Parlamentes bekräftigt wurden. Anlass für diese Erklärung war dabei einerseits die nukleare Aufrüstung der VR China, andererseits die bevorstehende Rückgabe Okinawas an Japan, was die Frage der Nuklearwaffen der US-Streitkräfte auf japanischem Territorium auf die politische Agenda rückte. In den „Drei NichtNuklear-Prinzipien“ verpflichtete sich Japan, Kernwaffen weder zu besitzen noch
nell, Simon Andrew: Making Japanese Citizens. Civil Society and the Mythology of the Shimin in Postwar Japan, Berkeley: University of California Press 2010. 38 Nihon-koku to Amerika gasshū-koku to no aida no sōgo kyōryoku oyobi anzen hoshō jōyaku, In: Rekishi-gaku kenkyū-kai (Hg.): Nihon-shi shiryō. Band 5: Gendai, Tōkyō: Iwanami shoten 1997, S. 287–289. 39 Hartmann, Rudolf: Geschichte des modernen Japan, S. 252–253. 40 Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass der Anpo tōsō zum Rücktritt der Regierung Kishi führte und mittel- und langfristig als ein wichtiger Faktor für die Neubestimmung des Verhältnisses von Bürger und Staat wirkte.
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zu produzieren und sie auch nicht auf japanisches Territorium einführen zu lassen. Entsprechend trat Tōkyō auch dem Atomwaffensperrvertrag bei.41 Zum anderen verkündete die Regierung Satō ebenfalls 1967 die „Drei Waffenexport-Prinzipien“ (buki yushutsu san-gensoku), wonach Japan erstens in kommunistische Länder, zweitens in Länder, wo dies eine UNO-Resolution verbiete, und drittens in Länder, die Konfliktpartei sind oder zu werden drohten, keine Waffen liefern werde.42 Überwölbt wurden diese Entwicklungen von der anhaltenden Kontroverse über die Verfassungskonformität der Selbstverteidigungsstreitkräfte und des Militärbündnisses mit den USA. Die Existenz der Jiei-tai steht im offensichtlichen Widerspruch zum Artikel 9 der Verfassung, in dem das Inselreich sowohl auf das Recht auf Kriegführung wie auch den Unterhalt von Land-, Luft- und Seestreitkräften explizit verzichtet. Dieser klar erkennbare Verfassungsbruch war nur durch juristische Kasuistik zu übertünchen. Hierzu bezog sich die Regierung auf das Recht auf Selbstverteidigung (jiei-ken), das aus dem Völkerrecht (insbesondere dem Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen und dem darin angeführten Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung und einer analogen Passage im Friedensvertrag von San Francisco) abgeleitet sowie vom Recht auf Kriegführung unterschieden wurde. In diesem Kontext wird großer Wert auf einen Sondercharakter der japanischen Streitkräfte als Selbstverteidigungsstreitkräfte gelegt, der sowohl semantisch in der Selbstbezeichnung seinen Niederschlag findet als auch in der militärischen Praxis, konkret etwa der Militärdoktrin oder der Ausrüstung. Während die offizielle Linie Tōkyōs auf diese Weise die Existenz der Streitkräfte mit den Normsetzungen der Verfassung vereinbar zu gestalten trachtet, wird sie von verschiedenen politischen Richtungen vehement kritisiert. Hierbei lassen sich im Großen und Ganzen vor allem zwei Lager ausmachen. Zum einen wurde und wird eine „pazifistische“ Position vorgetragen, welche die Rückkehr zum Geist der Nachkriegsverfassung von 1946/47 fordert und für eine Abschaffung der Streitkräfte plädiert, zum anderen eine „revisionistische“ Position, welche offen für eine Revision (auch) des Artikels 9 der meist als von den Amerikanern oktroyiert perzipierten Verfassung eintritt.43 Letztere hatte
41 Inzwischen gilt als gesichert, dass Japan zumindest das dritte Prinzip nicht eingehalten hat; vielmehr scheint sowohl Konsens mit der US-Administration bestanden zu haben, im Ernstfall Kernwaffen in Okinawa zu stationieren, als auch stillschweigende Duldung zu herrschen, wenn nuklear bewaffnete Kriegsschiffe und U-Boote Marinestützpunkte auf japanischen Territorium anlaufen. Vgl. Kido, Eiichi: Die Remilitarisierung Japans nach 1945, S. 58–59. 42 A. a. O., S. 60–62. 43 Vgl. Kobayashi, Hiroaki: Die japanische Verfassungsproblematik. Die Kriegsverzichtsklausel im Zerrbild der Diskussion, In: Maul, Heinz Eberhard (Hg.): Militärmacht Japan? Sicherheitspolitik und Streitkräfte, München: Iudicium-Verlag 1991, S. 226–258. Die Sozialistische Partei
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auch innerhalb der Reihen der LDP zahlreiche Anhänger; schon in der Gründungsphase 1955 war die Änderung der Verfassung und hierbei auch des Artikels 9 erklärtes Ziel der Liberaldemokratischen Partei.44 Verknüpft wurde damit übrigens auf beiden Seiten meist auch die Forderung, eine von Amerika unabhängige Außen- und Sicherheitspolitik zu verfolgen. Diese spezifischen politischen und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Wiederbewaffnung Japans waren entscheidende Faktoren dafür, dass sich der Charakter der Selbstverteidigungsstreitkräfte nachhaltig von den Kaiserlichen Streitkräften aus der Zeit vor 1945 unterscheidet. Erstens ist festzuhalten, dass die japanischen Streitkräfte nie wieder jene autarke und dominante Position im politischen Machtgefüge anstrebten oder erreichen konnten, wie sie sie in den Jahrzehnten vor 1945 innegehabt hatten. Das Militär wurde nach 1952 kein eigenständiger Akteur, sondern blieb dem Primat der parlamentarischen Politik unterworfen.45 Auch der Bezug zum Monarchen, der in anderen Demokratien wie etwa Großbritannien oder den skandinavischen Ländern eine wichtige Funktion für das Selbstverständnis der Truppen erfüllt, wurde im Falle der Selbstverteidigungsstreitkräfte nicht wiederhergestellt. Stattdessen blieben die Jiei-tai, im Einklang mit Artikel 66 der Verfassung, unter dem Oberbefehl des Premierministers, der die Kommandogewalt an den Chef des Amtes für Verteidigung (seit 2009 Ministerium für Verteidigung) delegiert.46 Zweitens differiert die gesellschaftliche Verankerung der Streitkräfte vor 1945 und nach 1955 nachhaltig. Während das Militär seit der Meiji-Zeit eine zunehmend dominierende Rolle in der japanischen Gesellschaft spielte und man deshalb auch mit Fug und Recht von einem japanischen Militarismus sprechen kann, verblieben nach 1955 weite Teile der Gesellschaft den Selbstverteidigungsstreitkräften gegenüber in einer kritische Distanz oder bestenfalls in Gleichgültigkeit. Dabei ist sicher auch die Tatsache, dass es sich bei den Jiei-tai nicht um eine Wehrpflichtigen-, sondern eine Freiwilligen-
Japans als wichtigste Oppositionspartei hatte bereits 1951 auf einem Parteitag die sog. „Vier Friedensprinzipien“ beschlossen, worin sie einen allgemeinen Frieden (also auch mit den ehemaligen Kriegsgegnern im sozialistischen Lager) und die Neutralität Japans forderten und die Bereitstellung von Militärbasen für die US-Streitkräfte und die Wiederbewaffnung Japans ablehnten. Vgl. Kido, Eiichi: Die Remilitarisierung Japans nach 1945, S. 53. Dieser Beschluss bildete bis zum Ende des Kalten Krieges den Kern der sicherheitspolitischen Agenda der SPJ. 44 Vgl. Kitaoka, Shin’ichi: Jimin-tō, S. 74. 45 Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 399. Weiterführend Hughes, Christopher W.: Japan’s Remilitarisation, S. 53–66. 46 Art. 66, Satz 2 der Verfassung bestimmt, dass sowohl der Premierminister als auch alle Kabinettsmitglieder Zivilisten sein müssen. Daraus ist abzuleiten, dass alle militärischen Strukturen ziviler Kontrolle unterworfen sein müssen.
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armee handelt, ein gewichtiger Faktor, ebenso wie eine Reihe von Skandalen zu Beginn der 1970er Jahre.47 Schließlich spiegeln auch die offiziell formulierten Aufgaben, wie sie in den „Richtlinien der nationalen Verteidigung“ (Kokubō no kihon hōshin) von 1957 vom Nationalen Verteidigungsrat beschlossen wurden, die außen- und sicherheitspolitische Situation Japans wider: „Ziel der nationalen Verteidigung ist es, eine direkte oder indirekte Aggression zu verhindern und, im Falle einer Invasion, diese abzuwehren, um die Unabhängigkeit und den Frieden eines für die Demokratie einstehenden Japan zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, werden folgende Grundsätze aufgestellt: 1) Unterstützung der Aktivitäten der Vereinten Nationen und Förderung der internationalen Zusammenarbeit, um damit einen Beitrag zum Weltfrieden zu leisten 2) Förderung der nationalen Wohlfahrt und Wachhalten des patriotischen Empfindens, um damit eine feste Grundlage für die nationale Sicherheit zu legen 3) Fortschreitende Entwicklung wirksamer Verteidigungskraft in den Grenzen nationaler Möglichkeiten und in einem für die Selbstverteidigung notwendigen Umfang 4) Abwehren externer Angriffe durch Anwendung der Sicherheitsvereinbarungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika bis zur Möglichkeit eines Eingreifens durch die Vereinten Nationen.“48
Die japanische Sicherheitsdoktrin ist damit eindeutig auf Landesverteidigung im Rahmen der Partnerschaft mit den USA und der Mechanismen kollektiver Sicherheit durch die Vereinten Nationen orientiert. Trotzdem nahm Japan – anders als etwa Südkorea – auch nach seinem Beitritt zur UNO bis in die 1990er Jahre hinein nicht mit Truppen an internationalen „friedenssichernden Maßnahmen“ – sei es an Blauhelmeinsätzen, sei es an vom UN-Sicherheitsrat sanktionierten Kampfeinsätzen – teil.49 Auslandsentsendungen gab es bis zu diesem Zeitpunkt allen-
47 Vgl. Itō, Kōbun: Die japanische Selbstverteidigung und das Volk. Sicherheit versus Pazifismus, In: Maul, Heinz Eberhard: Militärmacht Japan? Sicherheitspolitik und Streitkräfte, München: Iudicium-Verlag 1991, S. 259–288, hier S. 278–279. Konkret handelte es sich dabei zum einen um den „Mishima-Zwischenfall“, bei dem der Schriftsteller Mishima Yukio am 25. November 1970 in den Führungsstab des Heeres in Ichigaya eindringen und den kommandierenden Offizier als Geisel nehmen konnte und hier, nachdem er erfolglos zu einem Putsch und zur Revision der Verfassung aufgerufen hatte, rituellen Selbstmord (seppuku) beging. Zum anderen um den sog. „Shizukuishi-Zwischenfall“ 1971, als bei einem Zusammenstoß eines Jagdflugzeuges mit einer Passagiermaschine der Luftfahrtgesellschaft All Nippon Airways 162 Passagiere ums Leben kamen. 48 Kokubō no kihon hōshin, zit. nach Katō, Yōzō: Die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte, S. 81–82. 49 Anläßlich der Gesetzesvorlage über die Jiei-tai beschloss das Oberhaus am 2. Juni 1954 folgende Resolution: „Angesichts der Gründung der Selbstverteidigungsstreitkräfte bekräftigt das
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falls im kleineren Umfang zu Manövern und zu Ausbildungszwecken. Zugleich definierten die Richtlinien mit Unabhängigkeit, Frieden und Demokratie zentrale normative Kategorien für die Streitkräfte, die ebenfalls den fundamentalen Bruch zur Tradition der Kaiserlichen Streitkräfte verdeutlichen.50 Unter der Regierung von Premierminister Nakasone Yasuhiro (1982–1987) gewannen verteidigungspolitische Fragen eine neue Dynamik. Nakasone selbst, während des Krieges Stabsoffizier der Kaiserlichen Marine, seit 1947 Mitglied des Unterhauses und von 1970 bis 1971 Chef des Verteidigungsamtes, war einer der ausgewiesendsten Sicherheitspolitiker der LDP und zugleich seit Jahrzehnten einer der Wortführer sowohl einer Reform der aus seiner Sicht von der amerikanischen Besatzungsmacht aufgezwungenen Verfassung als auch einer offen nationalistischen Politik. Unter den Schlagworten „Generalabrechnung der Nachkriegspolitik“ (sengo seiji no sō-kessan) und „Internationaler Staat Japan“ (kokusai kokka Nihon) postulierte er sowohl eine Erhöhung der Militärausgaben über die inzwischen traditionellen 1 % des BIP hinaus als auch eine militärstrategische Neuausrichtung hin zur großflächigen Verteidigung der maritimen Nachschubwege und Seelinien Japans.51 Neben der Aufrüstung der Jiei-tai schürten insbesondere Nakasones martialische Rhetorik von Japan als dem „unsinkbaren Flugzeugträger“ (Nihon rettō fuchin kūbo) und die Ankündigungen, notfalls der sowjetischen Marine die Durchfahrt durch die Straßen von Tsushima, Tsugaru und die La-Pérouse-Straße zu verweigern sowie aktiv seiner internationalen Rolle gerecht werden zu wollen, Sorgen bei den asiatischen Nachbarländern vor einem Wiedererstarken des Militärs bzw. des Militarismus in Japan. In diesem Kontext sind auch die vergangenheitspolitischen Aktivitäten der Regierung Nakasone wie der offizielle Besuch am Yasukuni-Schrein oder die Versuche, nationalistische Elemente im Bildungswesen zu stärken, zu sehen, auf die unten näher eingegangen wird. Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Ost-West-Konfrontation änderte sich auch die sicherheitspolitische Lage in Ostasien nachhaltig. Insgesamt gesehen erscheint dabei die Sicherheitsarchitektur in Nordost- und Ostasien paradoxer-
Oberhaus erneut, dass gemäß den Bestimmungen der bestehenden Verfassung sowie aus Rücksichtnahme auf den Geist der glühenden Friedensliebe unseres Volkes eine Entsendung ins Ausland nicht erfolgen wird.“ Zit. nach a. a. O., S. 83. 50 André Hertrich betont hingegen, dass Verweise auf die normativen Kategorien, vor allem der Bezug zur Demokratie, eher als „schmückendes Beiwerk“ in den Tugend- und Wertekatalogen der Selbstverteidigungsstreitkräfte zu bewerten seien. Hertrich, André: „Man kann nicht erwarten, dass japanische Soldaten ihr Leben für die Demokratie geben“, hier S. 18. 51 Vgl. für die Politik der Nakasone-Ära Ishikawa, Masumi: Sengo seiji-shi, Tōkyō: Iwanami shoten 1995, S. 159–167.
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weise heute fragiler als in den Jahren vor 1989. Zwar verlor mit der Sowjetunion bzw. Russland einer der traditionell in der Region bedeutendsten Akteure machtpolitisch an Einfluss, doch gewann im Gegenzug die VR China mit ihrem enormen wirtschaftlichen Wachstum und einem durchaus aggressiven außenpolitischen Gebaren weltpolitisch an Relevanz. Dabei bergen die nach wie vor bestehende Konfrontation in Korea, die Taiwan-Frage und, wie aktuell erneut deutlich wird, auch ungelöste Territorialkonflikte zwischen Japan und China, Taiwan, Südkorea und auch Russland über enormen Zündstoff und das Potential einer militärischen Eskalation. Darüber hinaus verschärfte das Atomwaffen- und Raketenprogramm Nordkoreas seit der Mitte der 1990er Jahre die sicherheitspolitische Gefahrenlage für Japan zusätzlich. Schließlich bedeutete das Streben Japans nach einem Ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dass auch militärisches Handeln im Rahmen der UNO eine neue Bedeutung gewann. Diese veränderten Rahmenbedingungen blieben auch auf die Selbstverteidigungsstreitkräfte nicht ohne Rückwirkungen. Das erste Thema, das dabei (unter anderem auf Druck der USA) 1990/91 mit dem Ersten Golfkrieg auf die politische Agenda gesetzt wurde, war die aktive (und nicht nur finanzielle) Beteiligung an internationalen Peace Keeping Operations (PKO). Während sich dabei Tōkyō bei der Befreiung Kuweits einer direkten militärischen Beteiligung noch weitgehend entziehen konnte, finanzierte Japan neben der Bundesrepublik den Krieg zu einem erheblichen Teil. Zwischen dem Herbst 1991 und dem Sommer 1992 schuf das Parlament mit dem sog. „PKOUnterstützungsgesetz“ (PKO kyōryoku-hō) die rechtlichen Grundlagen für Auslandseinsätze der Jiei-tai.52 In diesem Zusammenhang formulierte die Regierung fünf Prinzipien, welche für eine Beteiligung der Selbstverteidigungsstreitkräfte gelten sollten: Erstens müsse es einen Konsens über den Abschluss eines Waffenstillstandes geben, zweitens die Zustimmung des Landes, in das die Truppen entsandt werden sollen, drittens die Vorgabe einer strikten Neutralität der japanischen Streitkräfte, viertens die Ankündigung, dass bei Nichterfüllung dieser Bedingungen die japanische Mission sofort abgebrochen werde und fünftens, dass der Einsatz von Waffen auf das absolut Notwendige, insbesondere die Selbstverteidigung, zu beschränken sei.53 Entsprechend waren die japanischen PKO-Kräfte in den ersten Jahren lediglich mit leichten, später auch mit mittleren Handfeuerwaffen ausgerüstet.
52 Vgl. Kokusai rengō heiwa iji katsudō nado ni tai-suru kyōryoku ni kan-suru hōritsu, In: Rekishi-gaku kenkyū-kai (Hg.): Nihon-shi shiryō. Band 5: Gendai, Tōkyō: Iwanami shoten 1997, S. 396–366. 53 Kido, Eiichi: Die Remilitarisierung Japans nach 1945, S. 96.
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Am 17. September 1992 entsandte die japanische Regierung tatsächlich erstmals Angehörige der Jiei-tai als Blauhelmsoldaten nach Kambodscha, es folgten Einsätze in Mosambik (Mai 1993 bis Januar 1995), Ruanda (September bis Dezember 1994) und auf den Golanhöhen (seit Januar 1996).54 Weitere Entsendungen nach Ost-Timor, den Sudan, Nepal oder Haiti kamen hinzu, schließlich nach 2001 auch humanitäre Einsätze im Rahmen der UN-Missionen in Afghanistan und im Irak. Zweitens band sich Japan durch eine schrittweise Neudefinition von zentralen Bestimmungen des Sicherheitsvertrages auch stärker an die Militärpolitik der USA im asiatisch-pazifischen Raum. Während der Anpo-Vertrag selbst in Art. 6 noch die Sicherheit Japans und die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit im Fernen Osten artikulierte und damit faktisch einen Angriff auf japanisches Territorium zur Bedingung für den Bündnisfall machte, wurden die geographischen Bezüge der Sicherheitspolitik ab 1996 immer weiter ausgeweitet.55 Hinzu kam, dass Japan sich in der Folge auch bereit erklärte, quasi-militärische Aktivitäten wie das Räumen von Minen, die Rettung von amerikanischen Schiffbrüchigen oder das Durchsuchen von Schiffen durchzuführen. Analog begann in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre der Umbau der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte, dessen zentrales Element eine Reduktion der Truppenstärke im Gegenzug zur Modernisierung der technologischen Ausrüstung war. Drittens schließlich forcierten die Ereignisse im Gefolge des 11. September 2001 Japans Teilnahme an internationalen Einsätzen und auch die politischen Diskussionen um eine Neufassung des Artikels 9 der Verfassung. Wenige Tage nach Beginn der Afghanistan-Intervention verabschiedete das japanische Parlament das „Sondergesetz in Bezug auf Anti-Terror-Maßnahmen“, das den Weg für die logistische Unterstützung der US-Streitkräfte freimachte. Die Jiei-tai nahmen auch bei diesem militärischen Konflikt nicht mit Kampftruppen teil, unterstützten die USA aber durch die Bereitstellung von Versorgungsgütern in internationalen Gewässern und internationalem Luftraum sowie mit nachrichtendienstlichen Informationen.56 Der Irakkrieg wurde durch die Regierung Koizumi ebenfalls unterstützt. Nach dem offiziellen Ende der Kampfhandlun-
54 A. a. O., S. 97. 55 Vgl. Nichi-Bei anpo kyōdō sengen. Nijūis-seiki ni mukete no dōmei (17. April 1996), In: Rekishi-gaku kenkyū-kai (Hg.): Nihon-shi shiryō. Band 5: Gendai, Tōkyō: Iwanami shoten 1997, S. 403–405; Kido, Eiichi: Die Remilitarisierung Japans nach 1945, S. 106. 56 Zu diesem Zweck wurden 1.380 Angehörige der Jiei-tai in den Indischen Ozean entsandt. Vgl. a. a. O., S. 125.
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gen entsandte die Regierung etwa 450 Angehörige der Streitkräfte für Wiederaufbaumaßnahmen in sog. „Nichtkampfgebiete“.57 Zwischen 2004 und 2006 waren dabei insgesamt etwa 5.600 Mann im Irak stationiert. Auch diesmal nahmen sie nicht aktiv an Kampfhandlungen teil, sondern vor allem an zivilen Aufbaumaßnahmen wie der Errichtung von Wasseraufbereitungsanlagen oder anderen Infrastrukturgütern, erbrachten aber auch (bis 2008) logistische Dienstleistungen für die US-Streitkräfte wie den Transport von bewaffneten Soldaten oder Gütern in Einsatzgebiete.58 Parallel setzte die LDP auch die Frage einer Änderung der pazifistischen Konstitution wieder auf die politische Tagesordnung, um nicht mehr nur durch Verfassungspraxis, sondern auch durch Verfassungsrecht die Existenz der japanischen Streitkräfte und ihr z. T. seit Jahrzehnten etabliertes Handeln abzusichern. Entsprechend war die Änderung des Artikels 9 ein zentrales Element des Verfassungsentwurfes, den die Regierungspartei 2005 offiziell akzeptierte. Sie sah vor, die Selbstverteidigungsstreitkräfte umzubenennen, von Jiei-tai zu Jiei-gun. Während beide Begriffe letztlich im Deutschen als „Selbstverteidigungsstreitkräfte“ zu übersetzen sind, unterscheidet sich doch ihre semantische Konnotation. Tai steht nämlich eher für „Truppe“, gun hingegen für regelrechte Streitkräfte (in der umgangssprachlichen Bedeutung des deutschen Begriffes „Armee“), eine Bezeichnung, die auch vor 1945 für Heer (rikugun) und Marine (kaigun) verwendet worden war.59 Als Aufgaben der Truppen waren in dem Entwurf die Garantie des Friedens und der Unabhängigkeit Japans sowie die Sicherheit des Staates und des Volkes, aber auch die Teilnahme an kooperativ durchgeführten Handlungen zur Wahrung von Sicherheit und Frieden der internationalen Gemeinschaft sowie die Bewahrung der öffentlichen Ordnung im Notfall vorgesehen.60 Auch wenn die avisierte Verfassungsänderung, die auch zahlreiche andere Punkte wie eine gewandelte Stellung des Tennō, leicht veränderte Zuschnitte der Kompetenzen der Verfassungsorgane, ein Aufweichen der Trennung von Staat und Religion usw. enthält, bisher nicht realisiert werden konnte, wurde mit der Erhebung des Amtes für Selbstverteidigung (Bōei-chō) zu einem regelrechten
57 Zur medialen Diskussion und der Repräsentation der Jiei-tai im Irak siehe Podoler, Guy: Death and the Japanese Self-Defence-Forces. Anticipation, Deployment and Cultural Scripts, In: Ders. (Hg.): War and Militarism in Modern Japan, Folkestone: Global Oriental 2009, S. 172–186. 58 Vgl. zum Irak-Einsatz der Jiei-tai Herten, Mark: Japan und der Irak-Krieg. Eine außenpolitische Analyse, Saarbrücken: VDM-Verlag 2007. 59 Im April 2012 nahm die LDP in ihren offiziellen Entwurf für eine neue Verfassung die Bezeichnung kokubō-gun (wörtl.: „Wehrmacht“) als angestrebten neuen Namen für die Selbstverteidigungsstreitkräfte an. 60 Vgl. Kido, Eiichi: Japans Remilitarisierung nach 1945, S. 142.
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Ministerium (Bōei-shō) und seines Leiters (chōkan) zu einem Minister (daijin) im Januar 2007 schließlich administrativ wie symbolisch eine weitere Aufwertung der Jiei-tai vollzogen. Durch die überwältigenden parlamentarischen Mehrheiten, die die LDP und ihr Koalitionspartner unter Abe Shinzō seit 2012 sichern konnten, sind die Verfassungsänderung und die gesetzliche Absicherung einer veränderten Sicherheitspolitik nach Jahrzehnten erstmals in greifbare Nähe gerückt. Schließlich ist viertens auch eine Verstärkung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit Japans mit befreundeten Staaten im asiatisch-pazifischen Raum, insbesondere mit Südkorea und Australien, zu konstatieren. Die Kooperation mit Südkorea begann bereits Mitte der 1990er Jahre in Anbetracht des nordkoreanischen Atomprogramms und wurde vorübergehend auch mit gemeinsamen militärischen Übungen intensiviert, aktuell hingegen wird sie durch Konflikte um die Vergangenheitsthematisierung und auch die ungelösten Gebietsstreitigkeiten im Japanischen Meer überschattet. Dabei ist für die Kooperationen mit anderen asiatischen Ländern charakteristisch, dass sie sich meist in einem trilateralen Rahmen mit Hinzuziehung der USA vollzieht. Hier bleibt abzuwarten, ob das aktive Ausgreifen Chinas in seine Nachbarregionen der Zusammenarbeit Japans mit anderen Anrainern des Pazifiks in Ost- und Südostasien in Fragen der regionalen Sicherheit einen zusätzlichen Impuls verleihen wird.
6.2 Akteure: Der Japanische Hinterbliebenenverband Spannungen und Konflikte prägen seit 1952 das Gedenken an die Kriegstoten in Japan. Dies findet seine Entsprechung in der hohen Politisierung der Akteure aus den Sphären der Politik, der Gesellschaft und seit der Internationalisierung der Yasukuni-Problematik Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre auch der Wirtschaft. Sie tragen den oft angeführten „Bürgerkrieg um die Erinnerung“ (Kang Sanjung) in der japanischen Öffentlichkeit um eine angemessene Form des öffentlichen Erinnerns und Gedenkens aus, der in unterschiedlicher Intensität, auf diversen Bühnen und mit wechselnden Schwerpunktsetzungen letztlich um das Problem des Umganges mit und der Thematisierung bzw. Repräsentation der imperialen und imperialistischen Vergangenheit Japans vor August 1945 kreist. Dabei kann man bei den unterschiedlichen Lagern nur bedingt von einzelnen Akteuren sprechen; vielmehr handelt es sich meist um komplexe Netzwerkstrukturen, die durch eine hohe Verflechtung sowohl in personeller Hinsicht (insbesondere auf der Leitungs- und Funktionärsebene) als auch in Bezug auf Interessen und vertretene Ideen gekennzeichnet sind. Zugleich sind diese Netzwerke keine
6.2 Akteure: Der Japanische Hinterbliebenenverband
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homogenen Strukturen. Sie können einerseits intern eine große Bandbreite aufweisen, andererseits unterliegen sie diachronen Wandlungsprozessen in Bezug auf politischen Einfluss und Mobilisierungspotential, Zugang und Nutzung von Ressourcen, soziale und generationelle Zusammensetzung usw. Dies soll im Folgenden am Beispiel des Japanischen Hinterbliebenenverbandes (Nihon izokukai; im Folgenden Izoku-kai), der sich seit der Rückgewinnung der Souveränität schrittweise zum wichtigsten konservativen Träger des politischen Totenkults entwickelte, exemplarisch analysiert werden.61 Dabei werden insbesondere die Erfolgsbedingungen (im Sinne der Durchsetzung von Interessen), aber auch die Grenzen des Handelns dieses Akteurs herausgearbeitet. Die Izoku-kai ging 1953 aus der „Japanischen Vereinigung für die Wohlfahrt der Hinterbliebenen“ (Nihon izoku kōsei renmei) hervor, welche im November 1947 als konservative politische Gegengründung gegen die als zu „links“ stehende „Union der Hinterbliebenen von Kriegsopfern“ (Sensō gisei-sha izoku dōmei) ins Leben gerufen worden war (vgl. oben Kap. 5.3).62 Dabei war der Konflikt, der letztlich die Spaltung hervorgerufen hatte, vor allem entlang zweier Linien aufgebrochen: Zum einen der Frage des Verhältnisses zur Monarchie und zum Kaiserhaus, zum anderen der Frage der Deutung des Soldatentodes. Die mit ihrer Gründung verbundene schrittweise politische und ideologische Engführung, die sich vor allem seit der zweiten Hälfte der 1950er Jahre endgültig durchsetzte und auf die unten noch näher eingegangen wird, hatte zur Folge, dass die Izoku-kai auch in Spitzenzeiten tatsächlich nur etwa 60 % der Hinterbliebenen als Mitglieder verzeichnen konnte.63 Dabei ist auch diese Zahl letztlich nicht gesichert, da die Organisationsstruktur (formal unabhängige lokale Zusammenschlüsse, die ihrerseits auf der Ebene der Präfekturen eigenständige Vereinigungen bilden, welche nur lose zentralstaatlich in einem Dachverband
61 Eine umfassende Untersuchung der gesellschaftlichen Akteure im Feld der Vergangenheitspolitik steht noch immer aus. Ansätze bei Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo (zu anderen Akteuren der Hinterbliebenenbewegung); Akteure verschiedener Lager (neben der Izoku-kai z. B. die Assoziation der Shintō-Schreine, die Wadatsumi-kai, die Lehrergewerkschaft usw.) untersucht Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics in Japan; passim auch Hatano, Sumio: Kokka to rekishi. Sengo Nihon no rekishi mondai, Tōkyō: Chūō kōron shinsha 2011. 62 Wie stark die Ablehung gegen die „radikalen“ Positionen der „Union der Hinterbliebenen von Kriegsgefallenen“ durch (ultra-)konservative Funktionäre des späteren Hinterbliebenenverband bis heute ist, zeigt sich etwa daran, dass Itagaki Tadashi, für Jahrzehnte Generalsekretär des Verbandes und die „graue Eminenz“ der Izoku-kai, bis heute von ersterer als dem „Rotbanner-Hinterbliebenenverband“ (Akahata izoku-kai) spricht. Die Akahata ist das Parteiorgan der Kommunistischen Partei Japans. Gespräch mit Itagaki Tadashi am 11. März 2007. 63 Hatano, Sumio: Kokka to rekishi, S. 107.
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organisiert sind, was bedeutet, dass der einzelne Hinterbliebene nur Mitglied seiner lokalen Unterorganisation ist) eine hohe lokale Diversifikation in Bezug auf die Mitgliedschaft zulässt. So entscheidet in machen ländlichen Regionen allein der Status als Hinterbliebener über die Mitgliedschaft, ohne dass es ein formalisiertes Aufnahmeverfahren gäbe.64 Für den politischen Einfluss des Hinterbliebenenverbandes war aber entscheidend, dass Regierung und Bürokratie ihn trotz der nicht umfassenden Mitgliedschaft für viele Jahrzehnte als alleinigen Vertreter der Hinterbliebenen akzeptierte, was z. B. den formalisierten Zugang zu parlamentarischen Ausschüssen, Anhörungen bei Gesetzgebungsverfahren usw. sicherstellte.65 Die beiden entscheidenden Faktoren für den Erfolg des Hinterbliebenenverbandes in den politischen Aushandlungsprozessen in Bezug auf die Vergangenheitsthematisierung über weite Strecken der Nachkriegszeit sind zum einen die extrem hohe Vernetzung insbesondere mit der LDP und anderen bürgergesellschaftlichen Organisationen in diesem Politikfeld, zum anderen das Mobilisierungspotential der Izoku-kai. Das bedeutet im Gegenzug aber auch, dass die Besonderheiten des politischen Systems in Japan und die spezifischen Strukturen der konservativen Herrschaft, mithin die politische Verfasstheit Japans nach 1952 eine langfristig große Bedeutung des Hinterbliebenenverbandes erst ermöglicht haben. Dabei war die enge Bindung an die konservative Regierungspartei (und damit faktisch auch an den Staat) zunächst alles andere als selbstverständlich. Zwar zeigte sich der japanische Staat nach dem Abschluss des Friedensvertrages von San Francisco schnell bereit, in einem parteiübergreifenden Konsens auf die materiell angespannte Lage vieler Hinterbliebener zu reagieren und mit dem „Gesetz über die Unterstützung von Hinterbliebenen von Kriegsgefallenen und Kriegsinvaliden usw.“ (Senshōbyō-sha senbotsu-sha tō izoku nado engo-hō), das am 30. April 1952, also zwei Tage nach dem Inkrafttreten des Friedensvertrages, verabschiedet wurde, und dem Pensionsgesetz für ehemalige Militärangehörige (Onkyū-hō) das System der finanziellen Unterstützung durch den Staat in Form von Renten- und Pensionszahlungen (nenkin), Beileidszahlungen (chōi-kin) usw. wiederherzustellen. Damit wurde zugleich ein wichtiges Element der Demobilisierungsmaßnahmen der Besatzungsbehörden rückgängig gemacht.66 Auf weitergehende Forderungen – pro Gefallenem belief sich die Gesamtsumme der
64 Vgl. auch Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 11–14. 65 Vgl. auch a. a. O., S. 194–195. 66 Zu den rechtlichen Grundlagen in Form der entsprechenden Gesetze und zugehörigen Verordnungen und Ausführungsbestimmungen Kōsei-shō (Hg.): Senshōbyō-sha senbotsu-sha izoku tō engo-hō kankei hōki-shū, Tōkyō: Kōsei-shō 1958.
6.2 Akteure: Der Japanische Hinterbliebenenverband
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Zahlungen auf 50.000 Yen, was aus Sicht der Hinterbliebenen mindestens hätte verdoppelt werden müssen – ging die Regierung jedoch nicht ein, ja Premierminister Yoshida weigerte sich sogar, mit Vertretern von 53 Hinterbliebenen zusammenzutreffen, welche in eisiger Kälte vor seinem privaten Landhaus in Ōiso ausharrten, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen.67 Erst seit Ende der 1950er Jahre agiert der Hinterbliebenenverband im engen Bündnis mit der LDP. In Bezug auf das Funktionieren als Interessenverband lassen sich im Falle der Izoku-kai idealtypisch zwei Zugänge ausmachen, welche den Einfluss auf die Politik – und hier insbesondere auf das eigene Politikfeld – sicherstellen sollten. Dabei handelte es sich zum einen darum, eigene Vertreter ins Parlament zu entsenden und diese nach Möglichkeit in den für die Durchsetzung der eigenen Interessen relevanten Ausschüssen und Ministerien, vor allem dem Ministerium für Wohlfahrt (später für Wohlfahrt und Arbeit) etwa als Staatssekretäre zu platzieren. So war an dieser Stelle bereits vergleichsweise früh ein Phänomen zu beobachten, das seit den 1970er Jahren unter dem Begriff zoku-giin (etwa Expertenbzw. Fachabgeordneter) typisch für den japanischen Parlamentarismus werden sollte. Zum anderen handelte es sich um die Strategie, mittels der Mobilisierung der eigenen Anhänger und mit Hilfe der vorhandenen Organisationsstrukturen Abgeordnete bei Wahlen aktiv zu unterstützen und so im Gegenzug deren politisches „Wohlverhalten“ sicherzustellen.68 Insbesondere die zweite Strategie baute auf der Tatsache auf, dass die konservativen Parteien vor und die LDP nach 1955 lange Zeit faktisch Honoratiorenparteien waren, die über eine nur schwach ausgeprägte Massenbasis verfügten, was ihre Abhängigkeit von sog. Vorfeldorganisationen erhöhte. Darüber hinaus führte das Wahlrecht, hier besonders die Existenz der „Mehrerwahlkreise“ dazu, dass oft bereits wenige Stimmen für den Wahlerfolg entscheidend waren. Auch dieser Zusammenhang erhöhte das Interesse des einzelnen Parlamentariers, sich die Unterstützung des mitgliederstarken und mobilisierungsfähigen Verbandes für die nächste Wahl zu sichern. Für die Sicherung dieser Unterstützung wiederum waren und sind auf der zentralstaatlichen Ebene vor allem zwei Dinge entscheidend: die Alimentierung der eigenen Wählerklientel durch die Zustimmung zu einer Anhebung der Hinterbliebenenpensionen und die Unterstützung des Yasukuni-Schreines.69
67 Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 54. 68 A. a. O., S. 195–196. 69 Dabei ist meines Erachtens in Hinblick auf das Funktionieren der japanischen Demokratie vor allem die Erhöhung der Pensionen kritisch. Da Teile der Mittel indirekt über Mitgliedsbeiträge und Spenden wieder in den Wahlkampf der eigenen Partei bzw. der Parlamentarier fließen, muss man hier letztlich von Selbstalimentierung bzw. einer indirekten Form der Parteienfinanzierung sprechen.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
Beide Strategien verschränkten sich in der Praxis, bekannte und einflussreiche Politiker in Spitzenfunktionen der Izoku-kai zu wählen. Auf diese Weise konnte der Zugang zu den politisch-administrativen Entscheidungszentren sichergestellt werden, was die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung von Interessen und zugleich die „Sichtbarkeit“ erhöhte. Dass bei der Auswahl primär nach funktionalen Kriterien entschieden wurde, zeigt sich auch daran, dass gerade die einflussreichsten Vorsitzenden der Izoku-kai selbst keine Hinterbliebenen waren. Auf Nagashima Ginzō (1901–1984, amtierte 1948–1953), der langjähriges Mitglied des Herrenhauses und später des Oberhauses war und seinen Sohn im Krieg verloren hatte, folgte der Unternehmer und Politiker Takahashi Ryūtarō (1875–1967, amtierte 1954–1961), der mit der Übernahme des Amtes des Ministers für Internationalen Handel und Industrie aus dem Amt schied. Dessen Nachfolger wiederum waren zunächst Yasui Seiichirō (1891–1962, amtierte 1961–1962), langjähriger Gouverneur von Tōkyō, und dann Kaya Okinori (1889–1977, amtierte 1962–1977), der während des Asiatisch-Pazifischen Krieges Finanzminister in den Kabinetten Konoe und Tōjō gewesen, im Tōkyō-Tribunal als Hauptkriegsverbrecher zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und der nach seiner Freilassung 1955 seine politische Karriere wieder aufnahm. Hier wurde er übrigens insbesondere von Kishi Nobusuke gefördert, der mit ihm gemeinsam in Sugamo inhaftiert gewesen war. Dem Kabinett Ikeda gehörte Kaya von 1963–1964 als Justizminister an. Nach dessen Tod wurde Murakami Isamu (1902–1991, amtierte 1977–1985) zum Vorsitzenden der Izoku-kai gewählt. Murakami führte eine eigene Faktion innerhalb der LDP (Murakami-ha) und amtierte mehrfach als Minister für Post und für Bauangelegenheiten. Anschließend wurde 1993 mit Hashimoto Ryūtarō (1937–2006), dessen Vater Ryōgo als Minister für Wohlfahrt bereits über enge Kontakte zum Hinterbliebenenverband verfügt hatte, ein Politiker zum Vorsitzenden gewählt, der wenige Monate darauf zum Chef des Rats für politische Angelegenheiten (Seimu chōsakai) der LDP aufstieg, 1995 zum Vize- und 1996 schließlich zum Premierminister.70 Schließlich gehörten auch Koga Makoto, Vorsitzender von 2002–2012, und sein Nachfolger Otsuji Hidehisa (seit 2012) zur Gruppe der Spitzenfunktionäre der LDP.71 Letzterer war unter Koizumi Minister für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt und stand damit dem für die Hinterbliebenen zuständigen Ministerium vor und amtierte vor der Übernahme der Präsidentschaft der Izoku-kai als Vizepräsident des Oberhauses. Diese Struktur, die hier für die Spitze der Izoku-kai aufgezeigt ist, setzte und setzt sich auch nach unten fort. So sind einflussreiche Politiker des LDP
70 Vgl. die Übersicht in a. a. O., S. 71. 71 Koga und Otsuji sind allerdings beide Halbwaisen, die ihre Väter im Asiatisch-Pazifischen Krieg verloren haben.
6.2 Akteure: Der Japanische Hinterbliebenenverband
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– sei es auf zentralstaatlicher, regionaler oder lokaler Ebene – auf allen Ebenen der Izoku-kai in wichtigen Ämtern aktiv, womit eine maximale personelle Vernetzung mit der Regierungspartei sichergestellt wird. 72 Darüber hinaus hatte bereits die Vorläuferorganisation der Izoku-kai, die „Japanische Vereinigung für die Wohlfahrt der Hinterbliebenen“, 1951 damit begonnen, auch in beiden Kammern des Parlaments in Form von „Vereinigungen von Hinterbliebenen-Parlamentariern“ (Ikazoku giin renmei) eine eigene Basis aufzubauen. Die Gründung der Organisation für das Oberhaus im Februar 1951 erfolgte lediglich durch elf Mitglieder.73 Eine analoge Vereinigung für das Unterhaus, die im November des Folgejahres gebildet wurde, kam zu diesem Zeitpunkt bereits auf 328 Mitglieder.74 Bei diesen Organisationen, über deren tatsächliches Wirken kaum etwas bekannt ist, handelt es sich um Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die augenscheinlich als Adressaten des Hinterbliebenenverbandes dienen und die entsprechend im Parlament aktiv werden und/oder zumindest ein Interesse daran haben, mit der Izoku-kai in Verbindung gebracht zu werden.75 Denn formal dürfte die Mitgliedschaft in einer dieser Vereinigungen eine zentrale Voraussetzung für die Unterstützung der Izoku-kai in einer Wahl sein.76 Jedoch ist die Izoku-kai nicht nur mit der LDP selbst auf das engste vernetzt. Entsprechende Beziehungen werden zu anderen, in den analogen Politikfeldern aktiven gesellschaftlichen Organisationen unterhalten, welche dieselben bzw. ähnliche Interessen und Ideen vertreten. Zu nennen wäre hier etwa die „Vereinigung der Kriegskameraden“ (Sen’yū-kai) als Veteranenverband,77 die „Japanische
72 Nihon izoku-kai: Nihon izoku-kai 15-nen-shi, S. 213–224 gibt eine Übersicht über die wichtigsten Funktionäre auf der Ebene der Präfekturen bis Anfang der 1960er Jahre. 73 Sangi-in-nai ni izoku giin renmei kessei, In: Nihon izoku tsūshin 21 (1. März 1951), S. 2. Zwar sprechen die Quellen von einer bereits existierenden Vereinigung, wahrscheinlich die 1950 gegründete „Hinterbliebene von Gefallenen und Kriegsopfern-Parlamentarier-Vereinigung“ (Senshi sensai-sha ikazoku giin renmei), über deren Wirken jedoch kaum etwas bekannt ist. 74 Gi-in renmei umaru, In: Nihon izoku tsūshin 42/43 (1. Januar 1953), S. 3. 75 Vgl. Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 202. 76 Um einerseits den Bestimmungen des Wahlrechts und der Parteienfinanzierung, andererseits den rechtlichen Rahmenbedingungen politischen Handelns einer Stiftung Genüge zu leisten, wird der Hinterbliebenenverband selbst nicht aktiv; vielmehr existiert zu diesem Zweck eine weitere Organisation, die „Vereinigung von Hinterbliebenen und Politik“ (Izoku seiji renmei). Auch über diese Organisation ist jenseits der Tatsache, dass die Führungsspitze personell mit der Izoku-kai identisch ist, nahezu nichts bekannt. Vgl. a. a. O., S. 203–205. 77 Zur Sen’yū-kai siehe Zenkoku sen’yū-kai rengō-kai: Sen’yū-ren jū-nen no ayumi. Kessei jūsshū-nen kinen, Tōkyō: Zenkoku senyū-kai rengō-kai 1979; Takahashi, Saburō/Mizobe, Akio u. a.: Kyōdō kenkyū Sen‘yū-kai, erweiterte Neuauflage Tōkyō: Impakuto shuppan-kai 2005 (1983); Sen’yū-kai kenkyū-kai: Sen’yū kenkyū nōto, Tōkyō: Seikyū-sha 2012, Yoshida, Yutaka: Heishitachi no sengo-shi, Tōkyō: Iwanami shoten 2011.
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Vereinigung der kriegsversehrten Militärs“ (Nihon shōi gunjin-kai), die „Nationale Vereinigung für die Zahlung von Pensionen an Militärpersonen“ (Gun-on renmei zenkoku rengo-kai), die „Vereinigung, welche den Heldenseelen antwortet“ (Eirei ni kotaeru kai), die „Japan-Konferenz“ (Nippon kaigi) usw. Auch zu den entsprechenden Stellen in der Verwaltung unterhalten diese Organisationen enge Kontakte, die z. T., wie oben gezeigt wurde, in die Zeit vor 1945 zurückreichen (vgl. Kap. 5.2). Die Verwaltung übernimmt Aufgaben wie die Zuarbeit für die Einschreinungszeremonien am Yasukuni-Schrein oder auch die Federführung bei der Durchführung von offiziellen Gedenkzeremonien, ist verantwortlich für die Auszahlung der Hinterbliebenenpensionen (und damit auch für Fragen der Anerkennung des Status eines Hinterbliebenen), war und ist Ansprechpartner für soziale Maßnahmen für Kriegerwitwen und -waisen. Auch wirkt sie aktiv bei Reisen von Angehörigen in die ehemaligen Kriegsgebiete mit.78 Im Gegenzug delegiert die Verwaltung auch Aufgaben an die Izoku-kai wie etwa die Suche nach sterblichen Überresten von Gefallenen in Übersee.79 Und schließlich sind die engen Beziehungen zum Yasukuni-Schrein, zu den Landesverteidigungsschreinen in den Präfekturen und zur Assoziation der Shintō-Schreine (Jinja honchō) zu nennen, die in gewisser Weise den zentralen ideologischen Bezugspunkt der Izoku-kai darstellen und gerade auch auf der regionalen Ebene zugleich organisatorisch wie räumlich eine entscheidende Basis der Hinterbliebenenbewegung bilden. Nimmt man diese komplexe Netzwerkstruktur aus Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten in ihrer Gesamtheit in den Blick, kann man in Anlehung an ein berühmtes Erklärungsmodell der japanischen Politik wohl von einem „Eisernen Dreieck“ der Vergangenheitsthematisierung sprechen, das sich für viele Jahrzehnte nicht nur auf der Ebene des Zentralstaates, sondern bis auf die lokale Ebene hin fortsetzte. In Bezug auf die zentralen Themen der politischen Agenda kann man die Geschichte des Hinterbliebenenverbandes nach 1952 auf der zentralstaatlichen Ebene letztlich – stark vergröbernd – in vier Phasen unterteilen. In der Anfangsphase, d. h. in der Zeit als „Vereinigung für die Wohlfahrt der Hinterbliebenen“ (Nihon izoku kōsei renmei, 1947–1953) stand die kritische soziale Lage der Hinterbliebenen in Mittelpunkt. Obwohl, wie oben gezeigt wurde (vgl. Kap. 5.2), neben der Frage des Verhältnisses der Hinterbliebenen zum Kaiserhaus auch Fragen der Deutungen des soldatischen Sterbens den Auslöser für die Gründung der „Vereinigung“
78 Vgl. zu diesem wenig bekannten Komplex Kōsei-shō shakai, engo-kyoku engo gojū-nen-shi henshū iin-kai (Hg.): Engo gojū-nen-shi, S. 369–373. 79 Hamai, Kazufumi: Kaigai senbotsu-sha no sengo-shi. Ikotsu kikan to irei, Tōkyō: Yoshikawa kōbun-kan 2014.
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gebildet hatten, trat das Gefallenengedenken in dieser Phase doch alles in allem in den Hintergrund. An der vom Ersten Nationalen Kongress der Hinterbliebenen am 23. Februar 1951 verabschiedeten „Erklärung“ (Sengen) lassen sich sowohl die Agenda als auch die ihr zugrundeliegenden Deutungen der Vergangenheit ablesen. Darin hieß es, dass die Hinterbliebenen die größten Opfer des Krieges (sensō no saidai no gisei-sha) seien, mithin dass keine andere Opfergruppe im Land mit ihnen gleichgestellt werden könne. Ihre Angehörigen seien im Dienst ums Leben gekommen, weshalb sie der Staat natürlich entschädigen müsse (tōzen hoshō subeki).80 Die Deutung des Kriegstodes wird mithin an dieser Stelle primär als Begründung für die Legitimität der eigenen Ansprüche angeführt. Die „Entschließung“ (Ketsugi) des Kongresses präzisierte schließlich diese Forderungen, indem an Parlament und Regierung appelliert werden sollte, das Pensions- und Rentensystem für Hinterbliebene wieder einzuführen, die Erziehungskosten für Kriegswaisen vollständig aus dem Staatshaushalt zu finanzieren und die Unterstützung für Kriegerwitwen auszubauen. Darüber hinaus sollte ermöglicht werden, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts (kōkyō dantai) und damit auch Selbstverwaltungskörperschaften Gedenkzeremonien (irei gyōji, wörtlich „Zeremonien zur Seelenbesänftigung“) für Kriegsgefallene durchführen können.81 Der Appell für ein in den Augen der Hinterbliebenen angemessenes Gefallenengedenken spielte also zu diesem Zeitpunkt eine eher nachrangige Rolle. Im Vergleich dazu ergab sich bereits beim Zweiten Kongress am 22. November 1951 eine interessante Verschiebung. Hier wurde der Passus, dass die Angehörigen im Dienst ums Leben gekommen seien, durch die Formulierung ersetzt, dass sie für Staat und Volk (kokka minzoku no tame) ihr Leben verloren hätten.82 Damit deutete sich bereits der Übergang in eine zweite Phase an, in der neben der Forderung nach angemessener finanzieller Unterstützung das Totengedenken an Bedeutung gewann. Dieser Übergang erfolgte parallel zur Rückgewinnung der Souveränität und zur Neuregelung des rechtlichen Status der Organisation, an deren Ende die Umwandlung in eine Stiftung (zaidan hōjin) sowie die Namensänderung in Nippon bzw. Nihon izoku-kai („Japanischer Hinterbliebenenverband“) im März bzw. Juni 1953 stand. Den Anlass für diese Transformation bildete die juristische Frage der Nutzung des ehemaligen Gunjin kaikan (Haus der Soldaten) in der Nach-
80 Vgl. Zenkoku izoku daihyō-sha taikai sengen, In: Nihon izoku tsūshin 21 (1. März 1951), S. 2. 81 Zenkoku izoku daihyō-sha taikai ketsugi, In: Nihon izoku tsūshin 21 (1. März 1951), S. 2; siehe auch Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 55. 82 Sengen, In: Nihon izoku tsūshin 30 (1. Dezember 1951), S. 2; vgl. auch Nihon izoku-kai: Nihon izoku-kai 15-nen-shi, S. 42–43; Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics in Japan, S. 81.
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barschaft des Yasukuni-Schreines und des Kaiserpalastes.83 Dieses Gebäude, das zwischen 1934 und 1936 vom Reichsreservistenverband errichtet worden war, war bereits während des Krieges Schauplatz zahlreicher historischer Ereignisse. So war es etwa während des Putsches vom 26. Februar 1936 Sitz des Oberbefehls nach der Verkündung des Kriegsrechts, und im Oktober 1940 fand hier die Gründungszeremonie der „Unterstützungsvereinigung der kaiserlichen Herrschaft“ (Taisei yokusan-kai) statt, der nach dem Vorbild der NSDAP ins Leben gerufenen Einheitspartei. Dieser hochgradig symbolische Ort, der sich nach der Auflösung der militaristischen bzw. ultranationalistischen Organisationen durch das GHQ in Staatseigentum befand und über zahlreiche sozial nutzbare Einrichtungen wie Übernachtungsmöglichkeiten, Restaurants, Säle, Orte für Hochzeitszeremonien usw. verfügte, sollte kostenlos an die Hinterbliebenen übergeben werden, um Besuche am Yasukuni, aber auch die Durchführung von Hochzeiten usw. zu verbilligen oder überhaupt erst zu ermöglichen.84 Die kostenlose Übertragung des Nutzungsrechts an diesem Gebäude wiederum machte eine Änderung des rechtlichen Status notwendig. Die Einnahmen aus der Nutzung (Hotel- und Restaurantbetrieb, Durchführung von Veranstaltungen wie Hochzeiten, Tagungen usw.) dieses in bester Lage befindlichen Gebäudes, dann übrigens umbenannt in Kudan kaikan (Kudan-Haus), stellte bis 2011 eine der wichtigsten Einnahmequellen für die nationalstaatliche Ebene der Izoku-kai dar.85
83 Nihon izoku-kai: Nihon izoku-kai 15-nen-shi, S. 60–64; Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/ Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 58–60. 84 Insbesondere für die Witwen von Gefallenen stellte (übrigens bereits seit dem Asiatisch-Pazifischen Krieg) eine Wiederverheiratung ein wichtiges soziales Problem dar. Die Witwen standen hier in einem Spannungsverhältnis zwischen ihrer materiellen Notlage, welche durch eine Wiederverheiratung gemindert werden konnte, und den normativen Vorgaben des traditionellen Familiensystems. Vgl. Ueno, Masumi: Shōi gunjin, sensō mibōjin, sensai koji, In: Kurasawa, Aiko u. a. (Hg.): Nichijō seikatsu no naka no sōryoku-sen (= Iwanami kōza Ajia Taiheiyō sensō 6), Tōkyō: Iwanami shoten 2006, S. 181–208. So stellte auch die Beratung in Fragen der Wiederverheiratung eine der wichtigen Aufgaben des Hinterbliebenenverbandes dar, und die Nutzung des ehemaligen Gunjin kaikan als Ort für die Durchführung von Hochzeiten hat hier ihren Ursprung. In den letzten Jahrzehnten entwickelte sich hieraus freilich eine lukrative Einnahmequelle. Tatsächlich wurde das ehemalige Gunjin kaikan 1952/53 noch von den US-Streitkräften unter anderem als Offizierskasino genutzt, so dass es faktisch erst 1957 in den Besitz der Izoku-kai überging. Das Gesetz über die kostenlose Verleihung von Staatseigentum an den Hinterbliebenenverband ist abgedruckt als Zaidan hōjin Nihon izoku-kai ni tai-suru kokuyū zaisan no mushō taifu ni kan-suru hōritsu, In: Nihon izoku-kai: Nihon izoku-kai 15-nen-shi, S. 178–179. 85 Der Betrieb wurde 2011 eingestellt, nachdem während des Bebens vom 11. März ein Mensch durch herabstürzende Teile im Gebäude ums Leben kam.
6.2 Akteure: Der Japanische Hinterbliebenenverband
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Das im Zuge des veränderten rechtlichen Status notwendig gewordene neue Stiftungsstatut vom März und vor allem vom Oktober 1953 unterschied sich bereits deutlich von der Satzung seines Vorgängers. Zwar enthielt auch das Stiftungsstatut noch als wichtigste Ziele unter anderem die Förderung der Wohlfahrt der Hinterbliebenen (izoku no fukushi no zōshin) und den Aufbau eines friedlichen Japan (heiwa Nihon no kensetsu). Doch fehlten im Vergleich zur älteren Fassung vor allem die drei Punkte „Verhinderung von Krieg“ (sensō no bōshi), „Aufrichtung eines ewigen Weltfriedens“ (sekai kōkyū no heiwa no kakuritsu) und schließlich der „Beitrag zur Wohlfahrt der gesamten Menschheit“ (zen-jinrui no fukushi ni kōken).86 Im Gegenzug werden nun die „Ehrung der Heldenseelen“ (eirei no kenshō) zu den Zielen und „Handlungen in Bezug auf Ehrung und Besänftigung der Heldenseelen“ (eirei no kenshō narabi ni irei ni kan-suru jigyō) zu den Aktivitäten der Izoku-kai explizit hinzugefügt. Mit anderen Worten: mit der neuen Stiftungssatzung trat das Gefallenengedenken nun auch explizit an die Stelle einer global ausgerichteten pazifistischen Orientierung. Die zweite wichtige Verschiebung, welche den Übergang in die zweite Phase markierte und die langfristig zum schwersten Konflikt im Kontext des Gefallenengedenkens führen sollte, vollzog sich auf der Vorstandssitzung der „Vereinigung“ am 10. und 11. Juni 1952. Im hier verabschiedeten „Überblick über die Grundlinien der Aktivitäten dieses Jahres“ (Kon-nendo undō hōshin no taikō) wurde symbolisch der Brückenschlag zu den Kriegsverbrechern – und damit natürlich auch hin zu einer explizit affirmativen Haltung in Bezug auf den Asiatisch-Pazifischen Krieg – vollzogen. Der Vorstand entschied erstens, dass die Hinterbliebenen der von den alliierten Kriegsverbrechertribunalen zum Tode Verurteilten Mitglied in der „Vereinigung“ werden konnten, zweitens, dass man sich dafür einsetzen wolle, die Seelen der Kriegsverbrecher, aber auch der Toten der für den Krieg mobilisierten Studenten und der Freiwilligenverbände in den Yasukuni jinja, falls dies nicht möglich sei in die jeweiligen gokoku jinja einzuschreinen, und drittens, für einen „Tag des Dankes der Nation gegenüber den Kriegsgefallenen“ (senbotsu-sha ni tai-suru kokumin kansha no hi) zu kämpfen.87 Damit hatte sich die Hinterbliebenenbewegung bereits sechs Monate nach dem Ende der Besatzungszeit endgültig von den Beschränkungen des GHQ, das eine Mitgliedschaft von Angehörigen von ver-
86 Vgl. vor allem den § 4 der Nihon izoku kōsei renmei kiyaku, In: Nihon izoku-kai: Nihon izokukai 15-nen-shi, S. 70–72, hier S. 70 und die § 2 und 3 des Stiftungsstatutes Zaidan hōjin Nihon izoku-kai kifu kōi, In: a. a. O., S. 173–177, hier S. 173. Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 61–65. 87 Vgl. Kon-nendo undō hōshin no taikō o kessu, In: Nihon izoku tsūshin 37 (1. Juli 1952), S. 1; vgl. auch Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 56–57.
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urteilten Kriegsverbrechern untersagt hatte, gelöst und zugleich eine deutliche Änderung ihrer Agenda vollzogen. Die ideologische – und zugleich auch parteipolitische – Engführung der Izoku-kai erreichte schließlich während der Präsidentschaft von Kaya Okinori (1962–1977) ihren Höhepunkt. Dies zeigte sich vor allem an der Yasukuni-Problematik, die in dieser Zeit endgültig ins Zentrum der Konflikte um den japanischen Gefallenenkult rückte, und der Verknüpfung derselben mit der Frage der Bewertung der zum Tode verurteilten Kriegsverbrecher. Gerade in Bezug auf den zweiten Punkt ist die Bedeutung eines persönlichen Momentes nicht zu übersehen. Kaya selbst war als Finanzminister unter Konoe Fumimaro und Tōjō Hideki nach dem Krieg als Hauptkriegsverbrecher zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Bis zu seiner Begnadigung 1955 hatte er fast zehn Jahre in Haft verbracht. Auch der zweitwichtigste Mann jener Jahre, Generalsekretär Itagaki Tadashi (geb. 1924, Generalsekretär der Izoku-kai ab 1972), der während des Krieges als Offizier in Korea stationiert gewesen war und anschließend mehrere Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft verbracht hatte, war als Sohn von Itagaki Seishirō persönlich von der Kriegsverbrecherproblematik betroffen. Itagaki Seishirō war einer der Verschwörer, die 1931 die Mandschurei unter japanische Kontrolle gebracht hatten, und hatte nach 1937 mehrfach als Heeresminister und Generalstabschef amtiert, bevor er 1948 vom Tribunal von Tōkyō zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Während der Präsidentschaft Kayas forcierte der Hinterbliebenenverband erstens die Verabschiedung des Gesetzes zur Überführung des Yasukuni-Schreines in staatliche Trägerschaft und erhob nach dessen endgültigem Scheitern zweitens die Forderung nach den offiziellen Pilgerbesuchen (kōshiki sanpai) des Premierministers am Yasukuni, ein Thema, das bis heute im Zentrum der Auseinandersetzungen um den Schrein steht. Neben der binnenpolitischen Forcierung bemühte sich die Izoku-kai in jenen Jahren auch um eine sichtbare Mobilisierung der eigenen Anhänger in der Öffentlichkeit. Hierzu wurden mehrere Unterschriftenaktionen ins Leben gerufen (die größte von ihnen zielte auf die Zahl von 20 Millionen Unterstützern), Demonstrationen abgehalten, Bücher und Broschüren publiziert usw. Auch bemühte man sich erfolgreich um entsprechende Resolutionen regionaler und lokaler Parlamente.88 Um über das Lager der Hinterbliebenen hinaus Teile der Gesellschaft mobilisieren zu können, gründete die Izoku-kai mit ihren verbündeten Organisationen wie der Sen’yūkai, der ehemaligen Offiziersvereinigung Kaikō-sha, dem Jinja honchō oder auch der Veteranenvereinigung der Jiei-tai, der Taiyū-kai, 1976 die Eirei ni kotaeru kai
88 Vgl. hierzu Nihon izoku-kai: Eirei to tomo ni sanjū-nen. Yasukuni jinja kokka goji undō no ayumi, Tōkyō: Nihon izoku-kai 1976.
6.2 Akteure: Der Japanische Hinterbliebenenverband
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(wörtlich: „Vereinigung, die den Heldenseelen antwortet“), deren Geschäftsführung ebenfalls zunächst Itagaki übernahm und deren Regionalbüros und Mitarbeiter mit denen der Izoku-kai weitgehend identisch sind.89 Es handelt sich bei dieser Organisation also eindeutig um eine Gründung „von oben“, deren Ziel die Parallelisierung von gesellschaftlichem und politischem Druck darstellt. Sie selbst gibt an, dass sie über etwa 1,2 Millionen Mitglieder verfügt.90 Darüber hinaus stand das System Kaya-Itagaki (Hata Nagami) dafür, dass die LDP die Forderungen der Hinterbliebenen nach einer Ausweitung der finanziellen Unterstützung erfüllte und die Izoku-kai im Gegenzug ihre Mitglieder in den Wahlen mobilisierte, mit anderen Worten dafür, dass sich der Schulterschluss zwischen beiden Akteuren zu einer engen Symbiose weiterentwickelte. Diese ideologische, parteipolitische und auch religiöse Engführung – im Japanischen als uchi-muki bezeichnet – blieb jedoch nicht ohne Folgen.91 Neben zahlreichen Hinterbliebenen, welche der Organisation schlicht den Rücken kehrten, gründeten 1969 Christen – zeitlich parallel zum ersten Entwurf eines Gesetzes zur Überführung des Yasukuni-Schreines in staatliche Trägerschaft – eine erste Gegenorganisation, die Kirisuto-sha izoku no kai („Hinterbliebenenvereinigung von Christen“).92 In ihren Grundüberzeugungen unterschieden sie sich deutlich von der affirmativen Haltung zu Krieg und soldatischem Sterben, wie sie die Izoku-kai vertrat. So forderten sie, dass sich das Gedenken an Kriegsgefallene am individuellen Glauben orientieren müsse. Darüber hinaus sei der Begriff „Heldenseele“ (eirei) abzulehnen, da insbesondere auch der im Rahmen der Hinterbliebenenbewegung häufig verwendete Terminus „Geist der Heldenseelen“ (eirei seishin) letztlich die Überzeugung zum Ausdruck bringe, dass die Gefallenen auf Befehl des Tennō hin in den Krieg gezogen und mit Freuden gestorben seien. Schließlich sei ein Schuldbekenntnis gegenüber den Angehörigen von Kriegstoten in den Ländern Asiens notwendig.93 Diese Organisation von Christen bildete den Ausgangspunkt für eine explizit an Pazifismus, Versöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern und den Prinzipien der Religionsfreiheit orientierten Bewegung,
89 Siehe zur Eirei ni kotaeru kai auch Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics in Japan, S. 254–256. 90 Sie selbst zielte in Anlehnung an die Zahl der Gefallenen des Asiatisch-Pazifischen Krieges auf eine Mitgliederstärke von 2,5 Millionen. Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 226–229. 91 Vgl. Hatano, Sumio: Izoku no meisō. Nihon izoku-kai to ‚kioku no kyōgō‘, In: Hosoya, Chihiro/Iriye, Akira/Ōshiba, Ryō (Hg.): Kioku toshite no Paaru haabaa, Tōkyō: Mineruva shobō 2004, S. 256–272, hier S. 259–261. 92 Vgl. hierzu Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 155–158. 93 Ebenda.
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welche sich 1986 den Namen Heiwa izoku-kai („Friedens-Hinterbliebenenvereinigung“) gab, die heute ebenfalls über landesweite Strukturen, freilich weder über analoge Ressourcen, Mitglieder- noch Einflussstrukturen verfügt. Schließlich steht diese Phase der engen Anbindung an die LDP und die ideologische Verengung während der Präsidentschaft Kayas damit auch für erhebliche politische und gesellschaftliche Mobilisierung gegen den Hinterbliebenenverband, welche durch die Oppositionsparteien wie die SPJ oder die KPJ, Gewerkschaften, Teile der marxistisch beeinflussten Geschichtswissenschaft, aber etwa auch christliche oder buddhistische Vereinigungen getragen wurde. So wurde das Gefallenengedenken zentrale Bühne nicht nur für Konflikte um die Vergangenheitsthematisierung, sondern auch um das Verhältnis zu den Vorgaben der Verfassung oder auch (ab den 1980er Jahren) die Bedeutung von Aussöhnung für die Beziehungen zu den Nachbarländern. Im Gegenzug bedeutete das hohe Mobilisierungspotential des Gefallenenkultes für die jeweiligen politischen Lager aber auch, dass die Herstellung eines politischen und gesellschaftlichen Konsenses in diesen Fragen für Jahrzehnte erschwert bzw. unmöglich gemacht wurde. Misst man politischen Einfluss an der erfolgreichen Durchsetzung der eigenen Agenda, kommt man im Falle der Izoku-kai für jene Jahre zu einer ambivalenten Einschätzung: Sehr erfolgreich war der Hinterbliebenenverband in Bezug auf die Sicherstellung finanzieller Unterstützung für ihre Mitglieder und die Einbeziehung bestimmter Opfergruppen in den Geltungsbereich der staatlichen Fürsorgeregelungen. Im Oktober 1978 wurden die Hauptkriegsverbrecher in den Yasukuni jinja eingeschreint, und am 13. April 1982 beschloss das Kabinett schließlich, jährlich den 15. August als „Tag der Trauer um die Gefallenen und des Gebets für den Frieden“ (Senbotsu-sha tsuitō shi, heiwa o kinen suru hi) einzuführen. Damit waren nach drei Jahrzehnten wichtige Forderungen der im Oktober 1952 verabschiedeten Agenda realisiert worden.94 Andererseits gelang es dem Hinterbliebenenverband weder, die Überführung des Yasukuni-Schreines in staatliche Trägerschaft zu realisieren, noch, die offiziellen Besuche der Premierminister am Schrein als dauerhafte Praxis zu etablieren. Die dritte Phase in der Geschichte der Izoku-kai setzte mit dem tiefgreifenden politischen Wandel ein, welcher das Ende des Kalten Krieges mit sich brachte. Im Inneren gerieten die relativ festgefügten Strukturen, auf denen die Dauerherrschaft der LDP aufbaute, nicht zuletzt durch zahlreiche (Bestechungs-)Skandale, eine Wahlrechtsreform usw. in Bewegung. Sichtbarster Ausdruck dieser innenpolitischen Dynamik war die Tatsache, dass die Liberaldemokratische Partei 1993 erstmals in die Opposition musste. Darüber hinaus intensivierte das Ende
94 Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 57.
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der Ost-West-Konfrontation eine außenpolitische und vor allem auch außenwirtschaftliche Dynamik, welche die Beziehungen Japans zu seinen ostasiatischen Nachbarländern – den größten Opfern des Asiatisch-Pazifischen Krieges – weiter veränderte.95 Hierdurch geriet die Izoku-kai in zweifacher Hinsicht in die Defensive. Zum einen wurden die Vergangenheitsthematisierung und -bewältigung im Allgemeinen und der Gefallenenkult im Besonderen noch einmal verstärkt in den Sog außenpolitischer und ökonomischer Interessen und Rücksichtnahmen gezogen. Die bisher im Wesentlichen innenpolitisch geprägte Interessenund Akteurskonstellation wurde also gewissermaßen um eine Außendimension erweitert.96 Zum anderen brachte die Verschiebung des innenpolitischen Machtgefüges – die ihrerseits wiederum mit einer Abnahme der Mobilisierungsfähigkeit in Folge des biologischen Faktors einherging – beinahe zwangsläufig auch eine Verringerung der Durchsetzungsfähigkeit des Hinterbliebenenverbandes als Träger des Gefallenengedenkens mit sich. Diese vorerst letzte Phase in der Geschichte der Izoku-kai ist denn auch primär durch die Abwehr eines zu starken Abrückens der politischen Eliten von den eigenen Deutungsmustern der Vergangenheit und die Zunahme der Bedeutung erinnerungspolitischen Handelns gekennzeichnet. Für letztere steht die Errichtung des „Museums der Shōwa-Zeit“ (Shōwa-kan), welches 1999 auf dem Gelände des Kudan kaikan errichtet wurde,97 für ersteres der Kampf gegen eine Resolution des japanischen Parlamentes zum 50. Jahrestag des Kriegsendes. Dieser soll abschließend kurz dargestellt werden. Kurz nach seiner Wahl zum (ersten Nicht-LDP-) Premierminister erklärte Hosokawa Morihiro in einer Pressekonferenz, er sei sich bewusst, dass der letzte Weltkrieg ein Aggressions- bzw. Invasionskrieg (shinryaku sensō) und ein falscher Krieg (machigatta sensō) gewesen sei.98 Dabei griff er zwar eine Formulierung Nakasones auf, der bereits in den 1980er Jahren im Zusammenhang mit den Schulbuchkont-
95 Vgl. Hatano, Sumio: Kokka to rekishi, S. 170–171. 96 Während bis zum Ende des Kalten Krieges Fragen der finanziellen Entschädigung und Wiedergutmachung fast ausschließlich um das Problem einer angemessenen Alimentierung innerjapanischer Opfer kreiste, wurden in den 1990er Jahren erstmals auch Fragen der Entschädigung für individuelle Opfer der japanischen Aggression und Kolonialherrschaft in Ostasien wie die ianfu (wörtlich Trostfrauen, tatsächlich Zwangsprostituierte der japanischen Streitkräfte vor 1945), Zwangsarbeiter u. ä. auf die politische Agenda gesetzt. Vgl. hierzu etwa Fuhrt, Volker: Erzwungene Reue?, S. 145–185. 97 Vgl. zur Vorgeschichte der Errichtung des Shōwa-kan Kōsei-shō shakai, engo-kyoku engo gojū-nen-shi henshū iin-kai (Hg.): Engo gojū-nen-shi, S. 468–473; Saaler, Sven: Politics, Memory, and Public Opinion, S. 104–110. 98 Vgl. zur Erklärung Hosokawas Yoshida, Yutaka: Nihon-jin no sensō-kan, S. 2–4.
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roversen von einem „falschen Krieg“ gesprochen hatte, der für China den Charakter einer Invasion gehabt habe, doch stellte Hosokawa nun den gesamten Krieg (saki no taisen) in diesen Kontext.99 In der Nationalen Gedenkzeremonie für die Gefallenen am 15. August 1993 ging er sogar noch weiter und gedachte hierbei in seiner Ansprache nicht nur der Gefallenen Japans, sondern sprach „die Grenzen überschreitend“ (kokkyō o koete) den Hinterbliebenen der Kriegsopfer der gesamten Welt (zen-sekai subete no sensō gisei-sha no izoku) seine Anteilnahme aus.100 Sowohl die Pressekonferenz als auch die Rede Hosokawas muss man nicht nur als Versuch werten, ernsthaft eine Verständigung mit den ehemaligen Kriegsgegnern in Ostasien anzustreben, sondern zugleich als eine Kampfansage der neuen Regierung an die etablierten Deutungsmuster der Vergangenheit der Izoku-kai und ihrer Gleichgesinnten. Als Planungen der Regierung Murayama, die 1994 aus der Sozialdemokratischen Partei, der LDP sowie der Shintō Sakigake gebildet worden war, bekannt wurden, zum 50. Jahrestag des Kriegsendes eine Erklärung des Parlamentes zu verabschieden, die ein Schuldeingeständnis (shazai) und eine Entschuldigung (hansei) für Krieg und Kolonialherrschaft enthalten sollte, entschied der Hinterbliebenenverband, aktiv gegen die Verabschiedung dieser Erklärung vorzugehen.101 Dazu entwickelte er drei Strategien. Erstens begann er, mit Hilfe seiner politischen Netzwerke auf lokale und regionale Parlamente Druck auszuüben, damit diese Resolutionen über „die Trauer um Kriegsgefallene und die Entschlossenheit für den ewigen Frieden“ (senbotsu-sha no tsuitō to kōkyū heiwa no ketsui) zu verabschieden und damit von der Peripherie aus Druck auf den Zentralstaat aufzubauen, die überkommenen Muster der Gefallenenehrung aufrechtzuerhalten. Neben zahllosen Kommunalparlamenten stimmten auch 18 Präfekturparlamente für eine entsprechende Resolution.102 Zweitens sollten innerhalb des Parlamentes und seiner Fraktionen Diskussionen in Gang gesetzt werden, wodurch die Bedeutung der Tatsache unterstrichen werden sollte, dass man nicht vergessen dürfe, dass Frieden und Wohlstand der Gegenwart auf den Fundamenten der über zwei Millionen Kriegsgefallenen errichtet worden seien, welche ihr Leben geopfert hätten, während sie ihre Hoffnungen auf die Unabhängigkeit Japans und den Frieden Asiens setzten. Mit anderen Worten: Durch die Abgeordneten sollten die Deutungen der Kriegsgefallenen als Fundamente des Friedens und des AsiatischPazifischen Krieges als eines Kampfes um die Unabhängigkeit Japans und damit
99 Hatano, Sumio: Izoku no meisō, S. 263–264; Ders.: Kokka to rekishi, S. 172. Zur Schulbuchkontroverse der 1980er Jahre siehe Fuhrt, Volker: Erzwungene Reue?, S. 80–147. 100 Hatano, Sumio: Kokka to rekishi, S. 172. 101 Das Folgende nach a. a. O., S. 177–179. 102 Vgl. auch Hatano, Sumio: Izoku no meisō, S. 265–266.
6.2 Akteure: Der Japanische Hinterbliebenenverband
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eines Verteidigungskrieges gegen die westliche Aggression betont werden. Drittens begann die Izoku-kai mit über 30 verbündeten gesellschaftlichen Organisationen öffentlichkeitswirksame Aktionen wie Demonstrationen, Vorträge und eine Petitionskampagne, welche 4,37 Millionen Unterschriften gegen den Parlamentsbeschluss sammeln konnte.103 Mit diesen Aktivitäten konnte die Izoku-kai zwar die Verabschiedung der Erklärung des Parlamentes, welche am 9. Juni 1995 erfolgte, nicht verhindern. Aber es gelangen zwei symbolisch wichtige Erfolge. Zum einen wurde in den Text der Erklärung, der bereits durch zahlreiche Kompromissformeln, welche zwischen den Regierungsfraktionen gefunden werden mussten, abgeschwächt worden war, ein Passus über die Trauer um die Kriegsgefallenen eingefügt. Die Gefallenen der eigenen Seite wurden also nicht gänzlich, wie befürchtet, von einer Würdigung der Opfer des Krieges und der Kolonialherrschaft in den ostasiatischen Nachbarländern überdeckt. Zum anderen stimmten von 502 Abgeordneten des Unterhauses nur 230, also nur 45 % der Angehörigen dieser Kammer, für die Entschließung. 241 Parlamentarier (von der LDP wie Oppositionsparteien, vor allem der ebenfalls konservativen Shinshin-tō) blieben der Abstimmung demonstrativ fern. Dem Oberhaus wurde ein entsprechender Entwurf gar nicht mehr zur Abstimmung vorgelegt. Mitte der 1990er Jahre waren die Izoku-kai und die mit ihr verbündeten Organisationen mithin nicht mehr in der Lage, die eigene Deutung der Vergangenheit oder des soldatischen Sterbens in den politischen Aushandlungsprozessen zur Vergangenheitspolitik durchzusetzen. Sie verfügte aber noch über genügend Einfluss, erinnerungspolitische Maßnahmen zu obstruieren bzw. zu konterkarieren. Auch wenn nur schwer Aussagen über das aktuelle politische Gewicht des Hinterbliebenenverbandes zu machen sind, ist doch davon auszugehen, dass insbesondere in den letzten Jahren der Einfluss der Izoku-kai graduell weiter im Rückgang begriffen ist. Sichtbares Zeichen hierfür ist die Abnahme des Mobilisierungspotentials bei Wahlen. Waren es 1980 (bei der Wahl von Itagaki Tadashi ins Oberhaus) noch 920.000 Stimmen, die er auf sich vereinen konnte, wurde sein Nachfolger Mizouchi Toshiei 2004 nur noch von 170.000 Wählern unterstützt.104 Die Diskussion der Bedeutung von Akteuren in historischen Prozessen an einem Beispiel – wie hier der Rolle des Hinterbliebenenverbandes für die Entwicklung des Gefallenengedenkens in Japan nach 1952 – birgt nahezu zwangsläufig die Gefahr, dass andere Akteure vernachlässigt, strukturelle Rahmenbedingungen nicht hin-
103 A. a. O., S. 267. 104 War Widows Battling for Survival, In: Daily Yomiuri Online vom 24. Mai 2005 (online abrufbar unter www.yomiuri.co.jp/newse/20050525wo33.htm , zuletzt eingesehen am 24. Mai 2005).
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reichend gewürdigt und komplexe Konstellationen und Entwicklungen zu stark vereinfacht werden. Deshalb sei an dieser Stelle noch einmal explizit betont, dass die Izoku-kai zwar seit den 1950er Jahren der wichtigste gesellschaftliche Träger des Gefallenengedenkens war, sie aber ihren politischen Erfolg nur durch die Aufrechterhaltung einer komplexen Netzwerkstruktur realisieren konnte, die politische und andere gesellschaftliche Akteure umfasste und die eng mit den spezifischen Rahmenbedingungen der politischen Verfasstheit Japans nach 1952 verwoben war. Ohne die Dauerherrschaft der LDP, deren Struktur als Honoratiorenpartei, die den Vorfeldorganisationen eine besondere Rolle zukommen ließ, die Besonderheiten des Wahlrechts, die enge Verbundenheit mit der Verwaltung, die der Izoku-kai quasi einen Alleinvertretungsanspruch zugebilligt hat – um nur einige Faktoren zu nennen – , hätte der Hinterbliebenenverband nicht seine politische und gesellschaftliche Relevanz erringen können. Zu der komplexen Akteurskonstellation gehören aber selbstredend auch die politischen Gegner – auch auf lokaler und regionaler Ebene –, die in eine umfassende Analyse der Interessen- und Einflussstrukturen einbezogen werden müssten, was hier jedoch nicht geleistet werden kann. Insgesamt lässt sich aber festhalten, dass Gefallenengedenken und Vergangenheitsthematisierung konstitutive und konstituierende Bestandteile der politischen Lagerbildung in der Nachkriegszeit bildeten. Diese Tatsache ist zum einen Faktor wie Indikator für die hohe Konflikthaftigkeit des Gefallenengedenkens in Japan nach 1952, und sie verdeutlicht und unterstreicht zum anderen die Relevanz des politischen Totenkultes für die japanische Gesellschaft.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952 Die Rückgewinnung der Souveränität im April 1952 bedeutete für das Gefallenengedenken in Japan zunächst vor allem eine Ermöglichung von Veränderung. Mit dem Wegfall des Besatzungsregimes verloren die Ver- und Gebote in Bezug auf den politischen Totenkult, die durch das Oberkommando der US-Streitkräfte erlassen worden waren, ihre Gültigkeit. Auch schwächte sich die Notwendigkeit politischer Rücksichtnahme gegenüber dem neuen Bündnispartner – die nach 1947 ohnehin schwächer ausgeprägt war als im Falle der weit komplizierteren Besatzungskonstellation in Deutschland – auf Seiten der japanischen Politik deutlich ab. Zugleich behielten aber insbesondere die rechtlichen Neusetzungen, welche während der Besatzungszeit durch die japanische Gesetzgebung oder Verwaltung erfolgt waren, (zunächst) ihre Gültigkeit, allen voran die Verfassung von 1946/47. Diese ist bis heute unverändert in Kraft. Als langfristig bedeutsam sollten sich vor allem drei Veränderungen erweisen. Erstens war der Wegfall der juristischer Ver- und Gebote des GHQ in Bezug auf den politischen Totenkult
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wie die Untersagung der Durchführung von öffentlichen Beisetzungen oder von öffentlichen Trauer- und Gedenkzeremonien für Kriegstote, der Errichtung von Denkmälern, der Teilnahme staatlicher, regionaler oder lokaler Repräsentanten in ihrer offiziellen Funktion an Zeremonien usw. eine notwendige Bedingung für das Wiedererstehen einer öffentlichen Totenehrung. Zweitens bedeutete die endgültige Aufhebung der Säuberungsbeschlüsse in Bezug auf ehemalige Politiker, Militärs oder Angehörige von als militaristisch wahrgenommenen, staatsnahen gesellschaftlichen Organisationen wie etwa des „Reichsreservistenverbandes“ die Ermöglichung einer Rückkehr von wichtigen Akteuren der Vorkriegs- und Kriegszeit in den öffentlichen Raum.105 Drittens schuf der Wegfall des Verbots der Zahlung von Pensionen an die Hinterbliebenen von Gefallenen die Option, die ökonomische Situation der Angehörigen der Kriegstoten durch staatliche Alimentierung zu verändern. Und doch ließen sich, selbst wenn dies intendiert worden wäre, die Zeiger der Uhr nicht einfach zurückstellen. Hierzu waren die Veränderungen in der politischen Verfasstheit der japanischen Gesellschaft nach 1945 trotz aller Kontinuitäten zu fundamental. Die in Kapitel 5 skizzierten Transformationen der Rahmenbedingungen des Gefallenenkultes wie die neue Rolle des Tennō, die Veränderungen der Trägerstruktur, die pazifistische Grundhaltung der japanischen Gesellschaft oder die Neuregelungen der Verfassung in Bezug auf Religion, aber auch die immer weiter voranschreitende Diversifizierung der Gesellschaft verhinderten eine (bzw. boten Schutz vor einer) Rückkehr zu den Vorstellungen und Praktiken vor der Kapitulation und der Demokratisierung, sie bildeten mithin die Grenzen der Ermöglichung von Veränderungen. Dabei blieb die Haltung der japanischen Gesellschaft gegenüber den Gefallenen und ihren Angehörigen zu Beginn der 1950er Jahre durchaus ambivalent. Idealtypisch lassen sich hier vier Deutungsmuster soldatischen Sterbens ausmachen. Nach 1952 dominierte die Figur der „Fundamente des Friedens“ (heiwa no ishizue) die japanische Öffentlichkeit. Sie lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die Gefallenen für das Vaterland (und nicht mehr für den Tennō) gestorben seien und ihr Tod die Grundlage für den Aufbau eines demokratischen und wirtschaftlich prosperierenden Japan gewesen sei. In dieser gleichsam prospektiven, auf Gegenwart und Zukunft gerichteten Deutung war eine Differenzierung der Gefallenen durch eine Thematisierung individueller Verantwortung (sowohl der Toten etwa für Kriegsverbrechen, aber auch insgesamt der politischen Eliten für den Krieg) nicht notwendig. Vielmehr war sie äußerst integrativ und schlug gewissermaßen eine Brücke zwischen der imperialen Vergangenheit und der Nachkriegs-
105 Vgl. Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 61. Organisationen wie der Reichsreservistenverband oder die Aikoku fujin-kai selbst wurden indes nicht wiederbelebt.
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zeit. Daneben wurde zweitens – etwa in einem Teil der Hinterbliebenenbewegung oder auch in einigen pazifistischen Organisationen – das Bild perpetuiert, dass es sich bei den Gefallenen um Opfer des japanischen Militarismus gehandelt habe.106 Im Gegensatz zum Konzept der „Fundamente des Friedens“ erfolgte hier eine Differenzierung des Militärs in eine kleine Gruppe der Militärführung, die als Täter Verantwortung für den Krieg trugen, und die Masse der Soldaten, die quasi passive Opfer des Handelns der Militärführung und/oder struktureller Bedingungen waren. Daneben existierte drittens – insbesondere auch in antimilitaristischen und pazifistischen Strömungen – eine wenig differenzierende Sichtweise auf das Militär, die kaum zwischen einfachen Soldaten, Gefallenen oder der militärischen Führung unterschied. Vielmehr wurde hier das Militär in toto für den Krieg, die militärische Niederlage und die daraus resultierende Not der Bevölkerung verantwortlich gemacht. Diese Sicht baute auf dem in weiten Teilen der Bevölkerung herrschenden Bewußtsein auf, (von der militärischen Führung des Landes) betrogen worden zu sein (damasareta ishiki).107 In dieser Deutung – und nur in diesem Sinne – wurden alle Gefallenen und ihre Angehörigen nicht als „Opfer“ des Krieges, sondern als Teil des Militärs und damit als „Täter“ wahrgenommen. Schließlich existierte und existiert als vierte Strömung eine Deutung, die direkt an Topoi der Vorkriegs- und Kriegszeit anschloss und die Kriegstoten primär als Opfer für den Staat (allerdings kaum für den Tennō) versteht. Vor diesem sehr fragmentierten gesellschaftlichen Hintergrund entwickelten sich, diesen widerspiegelnd, zahlreiche zunächst private, von Angehörigen oder Freunden getragene, religiöse wie nichtreligiöse und auch regional und lokal sehr differenzierte neue Gedenkund Trauerformen, die mit der Zeit auch einen (semi-)offiziellen Charakter annehmen konnten und die neben die offiziellen staatlichen Zeremonien traten.108 Insgesamt standen jedoch Staat und Gesellschaft in Japan vor zwei Herausforderungen: zum einen vor der Herausforderung, vor dem Hintergrund dieser divergierenden Deutungen eine Antwort auf die Frage zu finden, wie der Gefallenen aus der Zeit vor dem August 1945 gedacht werden sollte. Da es sich bei der Erinnerung an die Toten der Kaiserlichen Streitkräfte immer um ein Gedenken
106 Vgl. oben Kap. 5.3. 107 Yoshida, Yutaka: Nihon-jin no sensō-kan, S. 57–59. James J. Orr hat, in Anlehnung an Publizisten der frühen Nachkriegszeit wie Itami Mansaku oder Ōkuma Nobuyuki, zu Recht darauf verwiesen, dass das Bewußtsein, betrogen worden zu sein, langfristig auch Folgen für die Entwicklung der Demokratie und des Verhältnisses von Bürger und Staat in Japan zeitigen musste. Es erschwerte die Reflexion über individuelle Verantwortung im Krieg und daraus abgeleitet ein Verständnis, wonach Individuen Verantwortung für das Handeln des Staates tragen. Vgl. Orr, James J.: The Victim as Hero, S. 33. 108 Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 62 und S. 66–67.
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über den Systembruch hinweg handelt, ist der Gefallenenkult nach innen damit ein integraler Bestandteil von Vergangenheitsthematisierung. Darauf zurückzuführen ist wiederum, dass nach außen – über die Zeitachse in unterschiedlicher Intensität – schließlich auch eine internationale Dimension hinzutrat. Zum anderen stellte sich die Herausforderung, wie der Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte vor dem Hintergrund ihrer verfassungsrechtlich umstrittenen Existenz, aber auch vor dem Hintergrund der Traditionsbestände des Gefallenenkultes in Japan zu gedenken sei.
6.3.1 Die Gefallenen vergangener Kriege Neue Gedenkformen. Am 2. Mai 1952, also nur vier Tage, nachdem der Friedensvertrag von San Francisco in Kraft getreten war, nahm der japanische Staat die Ehrung der Gefallenen wieder auf. Hierzu wurde im Shinjuku gyoen in Tōkyō im Beisein des Kaiserpaares und der Vertreter der Verfassungsorgane eine nationale Gedenkzeremonie durchgeführt.109 Die Rede des Premierministers Yoshida Shigeru bei dieser Gedenkveranstaltung verband dabei eindrücklich traditionelle Deutungsmuster soldatischen Sterbens mit den Erfordernissen der Nachkriegsordnung: „Jetzt, zu einer Zeit, da der Friedensvertrag in Kraft tritt und Japan als unabhängiger Staat wieder in die internationale Gesellschaft zurückkehrt, führe ich die nationale Gedenkzeremonie für alle seit dem Chinesischen Zwischenfall Gefallenen durch, bete für ihre Glückseligkeit im Jenseits, möchte mein tiefes Mitgefühl für das Leid und den Schmerz der Familien der Hinterbliebenen zum Ausdruck bringen und bete, dass ein solches großes Unglück nie wieder auftritt. Wenn ich an die Menschen, die durch den Krieg gelitten haben und an die drei Millionen Landsleute, die im Ausland festgehalten werden, denke, kann ich meine echte Trauer nicht verbergen. Alle, die im Krieg Märtyrer des Vaterlandes (sokoku ni jun-zerareta kakui) geworden sind, wurden durch das Opfer ihres Lebens zu ehrenwerten Fundamenten des Friedens (heiwa no ishizue), und hierdurch glaube ich ohne Zweifel an die Entwicklung eines demokratischen Japan. Heute, aus Anlass der Gedenkfeier, lasse ich meine Gedanken zu den Gefallenen schweifen, und ich bete in aller Ehrerbietung für ihre Glückseligkeit im Jenseits.“110
109 Vgl. hierfür und für das Folgende auch Schölz, Tino: „Heldenseelen“ und „Fundamente des Friedens“, S. 317–320. 110 Sōri daijin shikiji, In: Nihon izoku tsūshin 35 (5. 5. 1952), S. 2.
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Im Vergleich zu den klassischen Deutungsmustern aus der Zeit vor 1945 werden in diesem Text zwei zentrale semantische Verschiebungen deutlich. Die Gefallenen wurden jetzt nicht mehr als „loyale Seelen“ (chūrei bzw. chūkon), die für den Kaiser ihr Leben gelassen haben, sondern als „Märtyrer des Vaterlandes“ (sokoku ni jun-zerareta kakui) erinnert. Die Loyalität gegenüber dem Herrscher ist also durch den Dienst für das Vaterland ersetzt worden. Dabei griff Yoshida mit einer leichten Abänderung auf einen Begriff zurück, der ebenfalls seit der Mitte des 19. Jahrhunderts für Opfer der kaiserlichen Sache Verwendung gefunden hatte.111 Es handelte sich also nicht um eine semantische Neuschöpfung, sondern eine Umdeutung eines etablierten Begriffes, der doch auch bewusst Anknüpfungsmöglichkeiten zur Rhetorik der Meiji-Zeit und des Asiatisch-Pazifischen Krieges zuließ. Daneben bezeichnete Yoshida die Gefallenen ebenfalls als „Fundamente des Friedens“ (heiwa no ishizue), wodurch ihr Tod zu einer Grundlage des Wiederaufstieges Japans in der Nachkriegsära erhoben wurde. Damit griff er auf die Formulierung zurück, welche seit wenigen Jahren als Schlagwort für die Deutung soldatischen Sterbens durch den Hinterbliebenenverband Verwendung fand. Neben dieser Verschiebung ist bemerkenswert, dass die Gedenkveranstaltung vom Mai 1952 zwar für die Kriegsgefallenen durchgeführt wurde, aber auch anderer Opfergruppen und auch der Repatriierten aus den ehemaligen Kolonien („Menschen, die im Krieg gelitten haben“) und der Kriegsgefangenen explizit gedacht wurde, sie also zu diesem Zeitpunkt durchaus noch über einen integrativen Charakter verfügte. Seit Beginn der 1960er Jahre etablierte sich schrittweise der Jahrestag des Kriegsendes (15. August, shūsen no hi) als staatlicher Gedenktag für die Opfer des Krieges.112 Diese Entwicklung vollzog sich vor dem Hintergrund des „Hochwirtschaftswachstums“, des Verblassens der direkten Erinnerung an den Krieg und
111 Vgl. etwa auch das Schreiben „In Sachen der Einschreinung der für das Vaterland Märtyrer gewordenen Patrioten in den Yasukuni-Schrein“ vom Innenminister Hara Kei an Premierminister Yamamoto Gonbei vom 3. März 1914 Junkoku shishi o Yasukuni jinja e gōshi ni kansuru ken (Taishō san-nen san-gatsu mikka Naimu-shō Meiji yonjū ni shū hei dai-nana-go Naimu daijin Hara Kei hatsu Naikaku sōri daijin Yamamoto Gonbei ate), In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 26. Hier werden die Einzuschreinenden (konkret Kämpfer für die kaiserliche Sache in der letzten Phase der Edo-Zeit) bezeichnet als „kokunan ni jun-jitaru iwayuru kinnō aikoku no shishi“ („sogenannte dem Herrscher in Loyalität ergebene und das Vaterland liebende Männer von hoher Gesinnung, die Märtyrer [in Zeiten, T. S.] der Staatsgefährdung geworden sind“). 112 Genaugenommen handelt es sich beim 15. August um den Tag der Kaiserlichen Erklärung zum Kriegsende. Japan hatte den Alliierten bereits am 14. August die Annahme der Potsdamer Deklaration kommuniziert, die formale Kapitulation erfolgte am 2. September 1945.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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dem hieraus resultierenden neuen Nationalismus. Dies bedeutete eine Abkehr von den traditionellen Gedenktagen für die Gefallenen, die im Yasukuni-Schrein vor 1945 an Jahrestagen wichtiger militärischer Erfolge (vor 1917 des Boshin-Krieges von 1868/69, nach 1917 des Russisch-Japanischen Krieges von 1904/05) begangen worden waren. Sicher spielte hierbei auch die Nähe des 15. August zum buddhistischen Totenfest (O-bon) eine gewichtige Rolle.113 Seit 1963 führt die japanische Regierung jährlich am 15. August eine offizielle „Nationale Gedenkzeremonie für die Opfer des Krieges“ (Zenkoku senbotsu-sha tsuitō-shiki) durch. Sie wird vom Kaiserpaar und den Spitzen der Verfassungsorgane im Beisein mehrerer Tausend Hinterbliebener durchgeführt und hat offiziell einen nicht-religiösen Charakter – obwohl in den letzten Jahren von einer Ehrung der Seelen (tama) der Kriegsopfer gesprochen wird.114 Semantisch greifen die Vertreter der Regierung in ihren Grußworten bei dieser Gelegenheit in der Regel die Formel Yoshidas von 1952 auf, schreiben den Kriegsopfern Bedeutung als „Fundamente des Friedens“ zu und bezeichnen ihren Tod als Grundlage für den Aufbau eines dem Frieden verpflichteten und demokratischen Japan. Schließlich erfolgte eine weitere Aufwertung des 15. August zu einem Gedenktag für die Gefallenen. Zu Beginn der 1980er Jahre wurde durch konservative politische und gesellschaftliche Gruppierungen die Einführung eines „Tages der Heldenseelen“ (eirei no hi) gefordert. Die japanische Regierung nahm diese Forderung schließlich auf, indem sie den 15. August als einen offiziellen Gedenktag einführte. Allerdings verknüpfte sie erneut Gefallenenehrung mit Pazifismus, indem sie 1982 entschied, den 15. August zum „Tag der Trauer um die Kriegstoten und zum Gebet für den Frieden“ (Senbotsu-sha o tsuitō shi heiwa o kinen suru hi) zu erklären.115 Ist also auf der semantischen und symbolpolitischen Ebene der Gefallenenehrung eine deutliche (politisch und gesellschaftlich im Großen und Ganzen akzeptierte) Verschiebung nach 1952 zu konstatieren, entspann sich bereits um die Frage eines angemessenen Gedenkortes eine aufschlussreiche Kontroverse. Unmittelbar nach Wiedererlangung der Souveränität 1952 hatte das japanische Parlament entschieden, die sterblichen Überreste japanischer Gefallener in den Kampfgebieten zu bergen und nach Japan zurückzuführen. Damit knüpfte man an die Gepflogenheiten der Zeit vor 1945 an und berücksichtigte zugleich analoge
113 Vgl. Harada, Keiichi: Irei to tsuitō. Sensō kinen-bi kara shūsen kinen-bi e, In: Kurasawa, Aiko u. a. (Hg.): Sensō no seiji-gaku (= Iwanami kōza Ajia Taiheiyō sensō 2), Tōkyō: Iwanami shoten 2005, S. 291–316. 114 Die Inschrift auf der Gedenkstele, vor der die Zeremonie durchgeführt wird, lautet: Zenkoku senbotsu-sha no tama („Seelen der Kriegstoten im gesamten Land“). 115 Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Akira/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 174–177.
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Praktiken etwa der USA. Entsprechend wurden 1952 erstmals Expeditionen nach Übersee durchgeführt, die im Wesentlichen aus Vertretern des Ministeriums für Wohlfahrt und des Hinterbliebenenverbandes gebildet wurden.116 Sie dauern bis heute an, ihr geographischer Schwerpunkt liegt dabei vor allem in Südostasien. Die sterblichen Überreste werden nach ihrer Bergung wie vor 1945 kremiert und in Urnen nach Japan gebracht. Zusätzlich wird, vorausgesetzt, die lokalen Behörden stimmen dem zu, vor Ort ein Denkmal für die Kriegstoten errichtet. Wenn möglich sollten die Urnen an die Hinterbliebenen übergeben werden. Da aber eine erhebliche Zahl namentlich nicht mehr zugeordnet oder Hinterbliebene nicht ausgemacht werden konnten, beschloss das Kabinett im Dezember 1953 die Errichtung eines „Grabmals des unbekannten Gefallenen“ (mumei senbotsusha no haka).117 Die ursprüngliche Forderung, für den Standort einen Teil des Schreingeländes des Yasukuni zu nutzen, musste wegen verfassungsrechtlicher Bedenken und aus religiösen Gründen bald fallengelassen werden. Die offizielle Geschichte des Wohlfahrtsministeriums führt hierzu kryptisch aus, der YasukuniSchrein habe auf Anfrage mitgeteilt, dass gegen eine Trennung von Grab und Schrein zur Verehrung der Seelen nichts einzuwenden sei.118 Diese Antwort muss man als Absage an eine Errichtung auf dem Schreingelände durch den Yasukuni selbst verstehen, die auf die Reinheitsvorschriften des Shintō zurückzuführen sein dürfte. Trotzdem wollte man auf die symbolische Nähe zum Kaiserpalast und zum Yasukuni nicht verzichten, und so fiel die Wahl schließlich auf Chidorigafuchi in der Nachbarschaft zu beiden (Abb. 46). Weiterhin erklärte man das Grab wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben explizit zu einer nicht-religiösen Einrichtung, um hier staatliche Zeremonien für die Toten durchführen zu können und auch Besuche ausländischer Staatsgäste oder von Militärdelegationen zu ermöglichen. Seit seiner Fertigstellung – seit 1965 regelmäßig – werden hier im Frühjahr staatliche Gedenkzeremonien (hairei-shiki) im Beisein von Vertretern des Kaiserhauses und der Staatsorgane ausgerichtet. Auch nichtstaatliche Organisationen wie der Hinterbliebenenverband oder buddhistische Schulen können Gedenkveranstaltungen durchführen, nachdem sie eine Genehmigung durch das für die Verwaltung der Anlage zuständige Ministerium erlangt haben.119 Inzwi-
116 Eine detaillierte Übersicht über die Expeditionen zur Sammlung der sterblichen Überreste in Kōsei-shō shakai, engo-kyoku engo gojū-nen-shi henshū iin-kai (Hg.): Engo gojū-nen-shi, S. 528–577; vgl. auch Hamai, Kazufumi: Kaigai senbotsu-sha no sengo-shi. 117 Vgl. für das Folgende Saaler, Sven: Politics, Memory, and Public Opinion, S. 101–104; Kōseishō shakai, engo-kyoku engo gojū-nen-shi henshū iin-kai (Hg.): Engo gojū-nen-shi, S. 244–250. 118 A. a. O., S. 245. 119 Trotz seines Charakters als Grabanlage gelang es Chidorigafuchi nie, sich als Ort des Gedenkens an die Kriegstoten fest in der japanischen Erinnerungslandschaft zu verankern. Während
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schen haben in Chidorigafuchi die sterblichen Überreste von mehr als 350.000 Soldaten ihre letzte Ruhestätte gefunden, womit die Anlage sich in ihrem Charakter übrigens grundlegend von anderen Grabmälern unbekannter Soldaten unterscheidet, wo ein unbekannter Soldat als Symbol aller Gefallenen fungiert.120
Abb. 46: Kenotaph, Mumei senbotsu-sha no haka, Tōkyō (1959)
Chidorigafuchi scheint auf den ersten Blick ein prädestinierter Ort, um mit der Durchführung staatlicher Gedenkzeremonien für die Gefallenen auch räumlich einen Bruch mit der imperialen Vergangenheit zu vollziehen, da die Anlage – im Gegensatz etwa zum Yasukuni – weder durch eine politische oder religiöse Funktion aus der Zeit vor 1945 vorbelastet ist noch das Problem der Trennung von Staat und Religion berührt. Diese räumliche Abgrenzung wurde aber explizit nicht vollzogen. Seit seiner Gründung legen die politischen und gesellschaftlichen Unterstützer des Yasukuni (insbesondere die rechten Kreise in der Regierungs-
2001 etwa sechs Millionen Besucher zum Yasukuni-Schrein pilgerten, besuchten Chidorigafuchi im gleichen Zeitraum etwa 180.000 Menschen. Saaler, Sven: Politics, Memory, and Public Opinion, S. 102. 120 Vgl. Mosse, George L.: Gefallen für das Vaterland, S. 116–122.
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partei LDP und konservative Organisationen wie der Hinterbliebenenverband oder die Veteranenvereinigung Sen’yū-kai) ihr Augenmerk darauf, eine mögliche und von ihnen gefürchtete Aufwertung Chidorigafuchis zu einer gesellschaftlich allseits akzeptierten nationalen Gedenkstätte für die Opfer des Krieges zu verhindern. Dabei wird von den Gegnern gerade das Fehlen eines religiösen Bezuges ins Feld geführt. Ein weiteres Defizit bestehe darin, dass in Chidorigafuchi nur der Opfer seit dem „Chinesischen Zwischenfall“ (Shina jihen, d. h. dem Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg 1937–1945) gedacht werde, während der Yasukuni auch der Seelen der Märtyrer seit der Öffnung des Landes Mitte des 19. Jahrhunderts gedenke.121 Stattdessen versuchten konservative Akteure 1964 in expliziter Konkurrenz zu Chidorigafuchi die neuen staatlichen Gedenkformen schrittweise mit den Orten und Symbolen des Totengedenkens aus der Zeit vor 1945 zu verschränken, indem man die Nationale Gedenkzeremonie für die Opfer des Krieges in einem Zelt auf dem Gelände des Yasukuni abhielt.122 Als dies heftige Proteste auslöste – problematisiert wurde erneut vor allem die Trennung von Staat und Religion – verlegte man im Folgejahr den Ort nochmals. Seitdem finden sie jährlich am Mittag des 15. August im Nihon Budō-kan statt, nur wenige Meter vom Yasukuni entfernt und damit bewusst in seiner unmittelbaren Nähe.123 Einerseits etablierte also der japanische Staat neue Formen des Gedenkens. Diese ersetzten aber nicht den klassischen politischen Totenkult, der nach 1952 in wichtigen Teilen wiederbelebt wurde, was breite gesellschaftliche und politische Unterstützung fand. Beide Formen stehen heute teils in einem symbiotischen, teils in einem spannungsreichen Verhältnis zueinander. Insbesondere aber ist es der Yasukuni-Schrein, der die öffentliche Wahrnehmung des Gefallenengedenkens sowohl in Japan als auch im Ausland prägt, da die mit ihm verbundenen Konflikte die Existenz der neuen Gedenkformen verdecken. Der Yasukuni-Schrein. Im Zentrum der hohen nationalen wie internationalen Aufmerksamkeit steht ohne Frage der Yasukuni-Schrein selbst. Die Konflikte um ein (staatliches) Gefallenengedenken an dieser religiösen Stätte avancierten in den Jahren nach 1952 zu einer der zentralen Arenen für die Auseinandersetzungen um die Deutungen der japanischen Vergangenheit. Sie werden in unterschiedlichen Formen ausgetragen, durch symbolisches Handeln (oder Unterlassen) wie die Pilgerbesuche, durch Publikationen, Austellungen, Filme, und auch
121 Saaler, Sven: Politics, Memory, and Public Opinion, S. 103. 122 Im Vorjahr hatte die Zeremonie zunächst noch im Hibiya kōkai-dō stattgefunden. 123 Kōsei-shō shakai, engo-kyoku engo gojū-nen-shi henshū iin-kai (Hg.): Engo gojū-nen-shi, S. 253.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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immer wieder durch Prozesse vor japanischen Gerichten.124 Dabei lassen sich insbesondere für die ersten Jahre nach der Rückgewinnung der Souveränität, in Anlehung an Hata Ikuhiko, sechs zentrale Problemkreise ausmachen.125 Es handelt sich dabei erstens um die Frage der Teilnahme von staatlichen Vertretern (dem Tennō und Mitgliedern des Kaiserhauses, Vertretern der Regierung oder der Bürokratie) an Zeremonien des Schreines, also den sogenannten „Pilgerbesuchen“ (sanpai) am Yasukuni, zweitens um das Problem der finanziellen Unterstützung bzw. Trägerschaft des Schreines, drittens die Frage der Mitwirkung der lokalen, regionalen und der gesamtstaatlichen Verwaltung am Prozedere einer Einschreinung, viertens die Frage, wer (und wer nicht) eingeschreint wird, eng damit zusammenhängend fünftens das Problem der Einschreinung von als Kriegsverbrecher verurteilten Personen, und sechstens schließlich das Problem der Ausschreinungen. Sie ziehen ihre Brisanz aus der Tatsache, dass der religiöse Kern des shōkon-Glaubens in seinen Grundstrukturen, also konkret
124 Seit 1979 wurde vor japanischen Gerichten zu unterschiedlichsten Teilaspekten der Yasukuni-Problematik Klage erhoben, die jeweiligen Prozesse endeten jedoch in den meisten Fällen mit einer Abweisung der Klage. Im Kontext des offiziellen Pilgerbesuchs von Premierminister Koizumi 2001 etwa wurde bei elf verschiedenen Gerichten Klage eingereicht bzw. eine Revision von gefällten Urteilen beantragt. Auf die juristische Dimension der Konflikte um den politischen Totenkult kann hier nur ausnahmsweise eingegangen werden, man darf ihre Funktion für die Praxis des öffentlichen Gefallenengedenkens in Japan aber nicht unterschätzen. Ein ebenso wichtiges Thema, auf das hier nicht näher eingegangen werden kann, sind Ausstellungen als Medien der Auseinandersetzungen um den Yasukuni-Schrein. Das Yūshū-kan als Ausstellungsgebäude des Yasukuni wurde nach mehreren Zwischenschritten 1985 wiedereröffnet, das Gebäude und die Ausstellung 2002 noch einmal signifikant erweitert. Das hier vertretene offen affirmative und apologetische Geschichtsbild zur imperialen Vergangenheit Japans und die teilweise verklärenden Repräsentationen der Gefallenen, deren Bilder und Paraphernalia ausgestellt werden, haben wesentlich zur kritischen Bewertung des Schreines in den Nachbarländern Japans beigetragen. Vgl. hierzu Saaler, Sven: Politics, Memory, and Public Opinion, S. 97–101. Siehe darüber hinaus als offiziellen Führer durch die Ausstellung Ōhara, Yasuo (Hg.): Yasukuni jinja Yūshū-kan no sekai, Tōkyō: Yasukuni jinja 2003. Daneben existieren (auch transnational zusammengesetzte und agierende) Vereinigungen wie die Yasukuni jinja no kage ni hikari o kai („Vereinigung Licht in das Dunkel des Yasukuni-Schreines“), die z. B. 2015 in Deutschland eine Ausstellung zum Yasukuni organisiert haben und die sich dabei sehr kritisch mit der Geschichte und Gegenwart des Schreines auseinandersetzen. Sie belegen einerseits die Transnationalität der Verständigungsbemühungen v. a. bürgergesellschaftlicher Akteure und zugleich die Internationalisierung der Yasukuni-Problematik in der Gegenwart. 125 Vgl. für das Folgende Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saishin-tachi, S. 141–164. Zur Geschichte des Yasukuni-Schreines seit 1952 vgl. darüber hinaus vor allem Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi; Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja; Takahashi, Tetsuya: Kokka to gisei; Breen, John (Hg.): Yasukuni, the War Dead, and the Struggle for Japan’s Past; Saaler, Sven: Politics, Memory, and Public Opinion.
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die Apotheose Gefallener zu shintōistischen Gottheiten und ihre rituelle Verehrung als „Heldenseelen“ bzw. „Götter der Landesverteidigung“, durch den Yasukuni-Schrein tradiert wird. Neben seinem Charakter als religiöse Einrichtung symbolisiert und transportiert er damit aber als Ort des politischen Totenkultes zugleich spezifische politische Sinnstiftungs- und Deutungsmuster, weshalb jedes Handeln in Bezug auf den Schrein immer auch politisches und politisiertes Handeln ist. Die privaten und offiziellen Pilgerbesuche (sanpai bzw. kōshiki sanpai) von Repräsentanten des japanischen Staates am Yasukuni jinja demonstrierten nach 1952 am stärksten die engen Verschränkungen zwischen Schrein und Staat. Da das „Ordentliche Frühjahrsfest“ des Schreines zeitlich mit dem In-Kraft-Treten des Friedensvertrages von San Francisco kollidierte, stattete der Shōwa-tennō am 16. Oktober 1952 aus Anlass des „Ordentlichen Herbstfestes“ erstmals seit der „Außerordentlichen Großen shōkon-Zeremonie“ vom November 1945 dem Yasukuni wieder einen offiziellen Pilgerbesuch ab.126 Dabei hatten sich auch mehr als 3.000 Hinterbliebene eingefunden, die den Kaiser mit Banzai-Rufen begrüßten. Bis 1975 sollte der Tennō dem Schrein noch sechsmal seine Aufwartung machen. Daneben gab es seit 1953 auch zahlreiche Besuche des Kronprinzenpaares sowie des jüngeren Bruders des Kronprinzen Akihito (des jetzigen Tennō), Prinz Hitachi no miya Masahito-shinnō und von dessen Gemahlin.127 Neben den offiziellen Besuchen symbolisierten auch weitere Gepflogenheiten die Fortdauer der engen Bindung des Yasukuni jinja an das Kaiserhaus. Beispiele hierfür sind etwa die Schreinfeste aus Anlass der Geburts- und Sterbetage des Meiji-, Taishō-, Shōwa- wie auch des jetzigen Tennō,128 aber auch anderer traditioneller Festtage des Kaiserhauses wie des mythischen Reichsgründungstages (11. Februar) oder des Kanname-sai (17. Oktober), eines traditionellen Fruchtbarkeits- bzw.
126 Vgl. Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 31–32. 127 Eine Übersicht über die Besuche von Mitgliedern des Kaiserhauses bis 1981 in Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 2, S. 7–8. 128 In den meisten Fällen handelt es sich dabei um sog. yōhai-shiki bzw. yōhai-sai (wörtl. Fest der Anbetung bzw. der Ehrerbietung aus der Ferne). Viele dieser Zeremonien in Bezug auf das Kaiserhaus wurden in der Meiji-Zeit als Teil des Staatsshintō festgelegt und waren vor allem während der Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges ein wichtiges Element der geistigen Mobilmachung in den Kolonien und besetzten Gebieten. Im Falle des Todestages werden diejenigen Schreine „aus der Ferne verehrt“, die sich an den Grabanlagen der jeweiligen Kaiser befinden, also etwa im Falle Hirohitos das Shōwa-tennō Musashino no misasagi. Zum Umgang mit den Kaisergräbern in der Meiji-Zeit vgl. Lokowandt, Ernst: Der Tennō. Grundlagen des modernen japanischen Kaisertums, München: Iudicium 2012, S. 47–54.
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Erntedankfestes, das zugleich eine der wichtigsten Zeremonien zur Verehrung der kaiserlichen Ahnen darstellt.129 Schließlich wurde 1953 auch die Tradition wieder aufgenommen, dass ein chokushi genannter Gesandter des Tennō – nach der Verfassung des Symbols des japanischen Volkes – zu den Ordentlichen Schreinfesten im Frühjahr und Herbst den Yasukuni besucht (chokushi sankō) und hierbei Opfergaben des Monarchen (heihaku bzw. gohei) überbringt (vgl. Abb. 47).130
Abb. 47: Chokushi beim „Ordentlichen Herbstfest“ (2013)
Zugleich ist festzuhalten, dass die Besuche eines regierenden Tennō letztmalig 1975 stattfanden. Tagebuchnotizen und Hinweise in Memoranden von hochrangigen Hofbeamten wie Urabe Ryōgo, Tomita Tomohiko oder Tokugawa Yoshisane legen nahe, dass dies auf die Ablehnung der Einschreinung der Kriegsverbrecher der Kategorie A in den Yasukuni-Schrein im Jahre 1978 durch den Shōwa-tennō
129 Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 35. Das Kanname-sai war zwischen 1873 und 1948 einer der staatlichen Feiertage Japans. 130 Eine Übersicht über die Besuche der Kaiserlichen Gesandten zwischen 1953 und 1981 in Yasukuni jinja (Hg.): Yasukuni jinja hyaku-nen-shi. Shiryō-hen, Band 2, S. 34–38.
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selbst zurückzuführen ist.131 Auch sein Nachfolger hielt an dieser Praxis fest, ohne dass freilich die Besuche von anderen Mitgliedern des Kaiserhauses oder auch die Entsendung der Kaiserlichen Gesandten zu den Ordentlichen Schreinfesten im April und im Oktober jeden Jahres ein Ende gefunden hätten. Ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit und der Konflikte um den Schrein rückten seitdem die Besuche anderer hochrangiger Vertreter des japanischen Staates, allen voran der Premierminister.132 Die Besuche des Regierungschefs waren noch vor dem ersten Besuch des Tennō wiederaufgenommen worden. Im Oktober 1951, nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages von San Francisco und noch vor dessen In-Kraft-Treten, besuchte Premier Yoshida Shigeru, begleitet von den Präsidenten der beiden Kammern des Parlamentes und zahlreichen Ministern erstmals offiziell den Yasukuni; vier weitere Besuche sollten folgen.133 Nach einer Pause von drei Jahren zwischen 1954 und 1957 – die Premiers Ishibashi und Hatoyama pilgerten während ihrer Amtszeit nicht offiziell nach Kudan – nahm Kishi Nobusuke die Besuche wieder auf. Es folgten Ikeda mit fünf, Satō mit elf, Tanaka mit fünf, Miki mit drei, Fukuda mit vier, Ōhira mit drei und Suzuki mit neun Besuchen. Auch Nakasone stattete dem Yasukuni neun Besuche ab, bevor sein symbolisch aufgeladener zehnter Besuch am 40. Jahrestag des Kriegsendes am 15. August 1985 – also gewissermaßen parallel zur Weizsäcker-Rede in Deutschland – die Besuche japanischer Regierungschefs für ein Jahrzehnt zu einem vorläufigen Ende bringen sollte.134 Unter den weit über 30 Besuchen markiert erst derjenige Miki Takeos vom 15. August 1975, dem 30. Jahrestag des Kriegsendes, den Startpunkt einer öffentlichen Problematisierung der offiziellen Besuche der Regierungschefs. Miki verfügte nur über eine schwache Machtbasis innerhalb der LDP wie auch im Parlament, als er wegen des Rücktritts Tanakas nach dem Lockheed-Skandal
131 Vgl. Breen, John: Introduction. A Yasukuni Genealogy, S. 2–5. 132 Siehe zu den offiziellen Besuchen der Premierminister am Schrein Hardacre, Helen: Shintō and the State, S. 150–153; Sonderheft Jurisuto (Yasukuni jinja kōshiki sanpai) 848 (1985); Hata, Nagami: Koizumi shushō no Yasukuni sanpai no seiji katei. ‚Kokka to irei‘ ni kan-suru joron, In: Sensō sekinin kenkyū 36 (2002), S. 10–18; zu den Besuchen Premierminister Koizumis Seaton, Philipp: Pledge Fulfilled. Prime Minister Koizumi, Yasukuni, and the Japanese Media, In: Breen, John (Hg.): Yasukuni, War Dead and the Struggle for Japan’s Past, S. 163–188; die konservative Sichtweise belegt eindrücklich Itagaki, Tadashi: Yasukuni kōshiki sanpai no sōkatsu, Tōkyō: Tenden-sha 2003. 133 Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 53. 134 Eine Übersicht über die Besuche japanischer Regierungschefs beim Yasukuni in der Nachkriegszeit bei Hata, Nagami: Koizumi shushō no Yasukuni sanpai no seiji katei, S. 10–11 und Saaler, Sven: Politics, Memory, and Public Opinion, S. 195–196.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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im Dezember 1974 zum Premierminister gewählt wurde. Das machte ihn augenscheinlich, obwohl er selbst in der Öffentlichkeit als liberal galt, für die Forderungen der Yasukuni-Befürworter innerhalb wie außerhalb des Parlamentes umso empfänglicher.135 Nachdem 1974 die Initiative für ein Gesetz zur Überführung des Yasukuni-Schreines in staatliche Trägerschaft endgültig gescheitert war (s. u.), wurde von dessen Befürwortern nun der offizielle Besuch (kōshiki sanpai) staatlicher Repräsentanten gefordert, um die Sonderbeziehung des Staates zum Schrein zu demonstrieren. Mikis Besuch am 30. Jahrestag des Kriegsendes bedeutete dabei in zwei Punkten eine Abweichung von den bisherigen Gepflogenheiten. Bis 1975 hatten die meisten Visiten zu den oder zumindest im Umfeld der „Ordentlichen Schreinfeste(n)“ (rei-taisai) im April und Oktober, den höchsten Feiertagen im Jahreszyklus des Yasukuni, stattgefunden. Während bei diesen Festen der Seelen aller Gefallenen für die kaiserliche Sache gedacht wird, bedeutete der Besuch am 15. August erstens eine eindeutige Verschiebung des Fokus auf die Gefallenen des Asiatisch-Pazifischen Krieges. Damit war dieser Besuch auch Teil der Aufwertung des Tages des Kriegsendes zum Gedenktag an die Opfer dieses Krieges. Zweitens erklärte der Premierminister, dass er seinen Besuch als Privatperson Miki (Miki kojin) und als privaten Pilgerbesuch (shi-teki sanpai) durchgeführt habe. Zur Bekräftigung erklärte das Amt für Rechtsfragen des Kabinetts, dass er vor dem Besuch seinen Status als Privatperson öffentlich gemacht habe, weder ein öffentliches Fahrzeug benutzt, noch seinen Titel beim Eintrag in das Pilgerregister verwendet oder die Begleitung von Angestellten des Staates angefordert habe. Darüber hinaus stand noch das Problem im Raum, ob während des Besuches nach shintōistischem Ritus ein Opfer in Form eines Sakaki-Zweiges dargebracht worden und, wenn ja, ob hierfür öffentliche Mittel verwendet worden waren. Somit waren von diesem Zeitpunkt an erstmals mehr oder minder überprüfbare Kriterien für den Charakter des Besuches eines staatlichen Repräsentanten am Yasukuni jinja gegeben,136 zugleich aber auch ein neues Konfliktfeld eröffnet. Denn nach Jahrzehnten einer fehlenden Relevanz geriet hierdurch erstmals die Frage der Art und Weise eines Besuches ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Die auf Miki folgenden Premierminister besuchten ebenfalls regelmäßig den Yasukuni, doch wurde in Bezug auf die Frage eines öffentlichen Besuches keine einheitliche Linie verfolgt. Suzuki etwa ließ den Punkt bewusst offen, so dass weniger die Frage, wie der Besuch konkret erfolgte, als vielmehr das Problem, ob er überhaupt durchgeführt würde, thematisiert wurde. Eine neue Stufe erreichte
135 Hata, Nagami: Koizumi shushō no Yasukuni sanpai no seiji katei, S. 11. 136 A. a. O., S. 12.
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das Problem, als Nakasone Yasuhiro zum 40. Jahrestag des Kriegsendes dem Schrein einen offiziellen Besuch abstattete. Nakasone, der offen das Ziel einer „Generalabrechnung der Nachkriegspolitik“ anstrebte, hatte bereits ein Jahr zuvor eine „Expertenkommission zum Problem des Besuches von Staatsdienern am Yasukuni-Schrein“ (Kanryō no Yasukuni jinja sanpai mondai ni kan-suru kondan-kai) eingesetzt, deren Vorschlag zur Lösung des verfassungsrechtlichen Problems der Trennung von Staat und Religion vorsah, auf wichtige Elemente des shintōistischen Ritus beim Besuch zu verzichten bzw. sie zu verändern. Hierzu gehörten die rituelle Reinigung von Händen und Mund, die Durchführung der Purifikationszeremonie durch einen Priester (harai) und die Anzahl der Verbeugungen und des In-die-Hände-Klatschens. Darüber hinaus sollte die Opfergabe des Sakaki-Zweiges durch Blumen ersetzt werden. Nakasone führte schließlich auf diese Weise seinen Besuch durch, vermied dabei die shintōistischen Elemente, überschritt aber zugleich demonstrativ eine Reihe der von der Regierung Miki aufgestellten „roten Linien“, indem er ein staatliches Fahrzeug nutzte, sich offiziell vom Leiter des Amtes des Premierministers und dem Minister für Wohlfahrt begleiten ließ, die Kosten für die Blumen aus dem Staatshaushalt bestritt und sich als „Premierminister Nakasone Yasuhiro“ in das Pilgerregister eintrug.137 Es handelte sich also sowohl faktisch als auch in der Außendarstellung um einen „offiziellen Besuch“ (kōshiki sanpai), womit Nakasone der seit nunmehr zehn Jahren erhobenen Hauptforderung des Hinterbliebenenverbandes und seiner Verbündeten nachkam. Doch löste er damit von zwei Seiten einen Sturm der Entrüstung aus. Im Umfeld des Besuches kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Protestierenden, bei denen knapp 90 Menschen verhaftet wurden. Christliche und buddhistische Religionsgemeinschaften wie auch die Oppositionsparteien kritisierten das Vorgehen Nakasones heftig. Letztere sahen seinen Besuch als Teil des Planes, Japan in eine militärische Großmacht zu transformieren.138 Weit harscher fiel jedoch die Kritik in den asiatischen Nachbarländern aus, insbesondere in Korea und der Volksrepublik China, aber auch in Hongkong oder Singapur, deren Höhepunkt eine Reihe antijapanischer Demonstrationen in Beijing bildete.139 Spätestens damit erreichte die Yasukuni-Problematik eine zusätzliche außenpolitische bzw. internationale Dimension, die durch die noch gesteigerte Brisanz nach der Einschreinung der
137 Vgl. Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 166–170. 138 Vgl. Itagaki, Tadashi: Yasukuni kōshiki sanpai no sōkatsu, S. 162. 139 Insbesondere zur chinesischen Kritik vgl. Rose, Caroline: Stalemate. The Yasukuni Shrine Problem in Sino-Japanese Relations, In: Breen, John (Hg.): Yasukuni, the War Dead and the Struggle for Japan’s Past, S. 23–46, hier S. 29–31.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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Hauptkriegsverbrecher in den Yasukuni jinja 1978 unausweichlich war. Darüber hinaus hatten auch die Auseinandersetzungen um die Revision von Schulbüchern 1982 die neu auftretende internationale Dynamik von Fragen der japanischen Vergangenheitsthematisierung vorweggenommen.140 Daneben ist aber weniger bekannt, dass auch der Yasukuni selbst diese Form des Besuches Nakasones kritisierte, da er seinerseits seinen Charakter als shintōistisches Heiligtum als verletzt ansah. So wurde eine heimliche Purifikationszeremonie aus der Ferne durchgeführt, die wohl auch Nakasone selbst verborgen blieb. Der Oberpriester des Schreines, Matsudaira Nagayoshi, weigerte sich, den Premierminister zu begrüßen, sondern blieb während des Besuches demonstrativ im Schreinbüro.141 Die Internationalisierung des Problemkreises der Besuche von Repräsentanten des japanischen Staates am Schrein zeitigte zwei Folgen. Zum einen führte sie dazu, dass nun auch außenpolitische und außenwirtschaftliche Interessen tangiert wurden, wodurch auch neue Akteure wie etwa Wirtschaftsverbände an Bedeutung gewannen und damit für die Beteiligten die Notwendigkeit der Berücksichtigung des immer komplexeren Interessengeflechtes stieg. Zugleich wurde der Problemkreis aber auch politisch weiter aufgeladen, denn er avancierte nunmehr auch zu einem Symbol für die Machtverhältnisse zwischen Japan und seinen asiatischen Nachbarn, vor allem China, aber auch für die „Unabhängigkeit“ und „Standhaftigkeit“ der japanischen Politik im Angesicht internationaler Kritik. Wie andere Felder der Vergangenheitsthematisierung auch wurde der Yasukuni damit am Ende des 20. Jahrhunderts wieder zu einem Symbol des japanischen Nationalismus, im Duktus seiner Befürworter des Patriotismus (aikoku-shin), in der Abgrenzung nach außen. Nakasone und auch seine unmittelbaren Nachfolger nahmen zunächst von weiteren Besuchen Abstand, um keine neuen Demonstrationen zu provozieren, welche nicht im nationalen Interesse Japans lägen.142 Die verschiedenen Aspekte der Yasukuni-Problematik verdichteten sich schließlich wieder in den fünf Schreinbesuchen Premierminister Koizumi Jun’ichirōs zwischen 2001 und 2006. Bereits im Wahlkampf um den Vorsitz der LDP und damit auch um das Amt des Premierministers hatte er am 18. April 2001 erklärt, er wolle definitiv am 15. August einen Pilgerbesuch abhalten, egal, wie groß die Kritik auch ausfallen werde.143 Für viele Beobachter kam dieser Aussage überraschend, hatte sich Koizumi, obwohl selbst aus einer sehr konservativen Faktion der
140 Zur Schulbuchkontroverse von 1982 vgl. Fuhrt, Volker: Erzwungene Reue?, S. 80–144. 141 Hata, Nagami: Koizumi shushō no Yasukuni sanpai no seiji katei, S. 12–13. 142 Vgl. Rose, Caroline: Stalemate, S. 31. 143 Hata, Nagami: Koizumi shushō no Yasukuni sanpai no seiji katei, S. 14; Seaton, Philipp: Pledge Fullfilled, S. 163.
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LDP – zu diesem Zeitpunkt unter der Leitung seines Amtsvorgängers Mori Yoshirō – zuvor doch gegen einen solchen Besuch ausgesprochen. Bei der fraglichen Wahl jedoch konkurrierte Koizumi mit Hashimoto Ryūtarō, dem ehemaligen Vorsitzenden des Hinterbliebenenverbandes (und Ex-Premierminister), so dass es diesmal galt, zumindest nicht offen den Widerstand der Izoku-kai zu provozieren.144 Hinzu kam, dass Koizumi selbst das Image eines unabhängigen, durchaus auch seinen Impulsen (und eben nicht einer Vielzahl von diplomatischen Rücksichten) nachgebenden Politikers, der zu einer einmal getroffenen Entscheidung steht, pflegte. Während er selbst die Kritik der ostasiatischen Nachbarländer als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ zurückwies, nahm er tatsächlich doch auf außenpolitische Interessen Rücksicht, indem er bereits seinen ersten Besuch am 13. August 2001 durchführte. Dabei fürchtete die japanische Regierung zu diesem Zeitpunkt nicht nur negative Folgen eines Besuches am 15. August auf die Beziehungen Japans zu seinen Nachbarn, sondern auch negative Auswirkungen auf die sicherheitspolitischen Initiativen der USA im ostasiatischen Raum.145 Die Hoffnung, durch eine Verlegung des Termins eine Deeskalation zu erreichen, erfüllte sich freilich nicht. Von Jahr zu Jahr verschlechterten die Besuche Koizumis insbesondere die japanisch-chinesischen Beziehungen. Dabei wurden die Protestformen in China immer gewaltförmiger. Beschränkten sie sich bis 2005 noch auf Demonstrationen und eine kritische Berichterstattung in den Medien, wurden danach japanische Waren boykottiert oder auch japanische Restaurants in China angegriffen. Koizumi selbst besuchte 2006 zum letzten Mal als Premierminister den Yasukuni. Der Grund dafür dürfte darin zu suchen sein, dass nun selbst innerhalb des konservativen Lagers, in konservativen Tageszeitungen oder aus der Wirtschaft kritische Stimmen zu den offiziellen Besuchen laut wurden, die ihrerseits auf die veränderte Interessenkonstellation zurückzuführen sind. So rügte etwa der Japanische Wirtschaftsverband Nihon keidan-ren 2006 in Person seines Vorsitzenden Mitarai Fujio Premier Koizumi für seine Unfähigkeit, die Folgen seines Handelns abzuschätzen. Schließlich wurde just zu jener Zeit bekannt, dass auch der Shōwa-tennō selbst der Einschreinung der Hauptkriegsverbrecher gegenüber kritisch eingestellt gewesen sei und er deshalb seit Bekanntwerden dieses Sachverhaltes auf einen Besuch am Schrein verzichtet habe.146 Die Premierminister der Demokratischen Partei, die 2009–2012 die Regierung führten, orientierten sich eher an freundschaftlichen Beziehungen zu den ostasiatischen Nachbarländern und machten schon deshalb dem Schrein keine Aufwartung. Erst Abe
144 Vgl. Hata, Nagami: Koizumi shushō no Yasukuni sanpai no seiji katei, S. 13. 145 A. a. O., S. 14–15. 146 Seaton, Philipp: Pledge Fullfilled, S. 185–186.
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Shinzō, der 2012 die LDP an die Macht zurückführte, nahm die Praxis der Pilgerbesuche am Yasukuni jinja wieder auf, den er zum ersten Jahrestag der Bildung seines Kabinetts am 26. Dezember 2013 aufsuchte. Die erwartete innen- und außenpolitische Konfrontation suchte er dabei durch zwei Änderungen der bisherigen Gepflogenheiten abzuschwächen. Zum einen besuchte er nicht nur den Yasukuni selbst, sondern auch den Chinrei-sha auf dem Gelände des Schreins, in dem u. a. die Seelen derjenigen Opfer von gewaltsamen Konflikten seit der Landesöffnung eingeschreint sind, die nicht im Hauptschrein verehrt werden (vgl. unten und Abb. 48). Damit gedachte er, explizit auch die gegnerischen Opfer zu ehren. Darüber hinaus legte er ein „Gelübde des ewigen Friedens“ (kōkyū heiwa e no chikai) ab, das sich nicht nur an das inländische Publikum, sondern die internationale Öffentlichkeit richtete, weshalb es parallel in acht Sprachen veröffentlicht wurde (vgl. Anhang 6).147 Der Text bekräftigte geradezu paradigmatisch noch einmal die wesentlichen Topoi der Deutungsmuster soldatischen Sterbens, wie sie durch den japanischen Staat nach 1952 etabliert wurden. Der Frieden und Wohlstand des modernen Japan gründen sich für Abe auf dem Opfer der Gefallenen, die für ihr Land (und damit nicht mehr für den Tennō) gekämpft hätten. Auch die Angehörigen der Gefallenen – also die Hinterbliebenen – werden im Gelübde explizit erwähnt und hervorgehoben, wobei sie gleichsam als Unbeteiligte am Krieg, die die Soldaten „mit besten Wünschen“ begleiteten, repräsentiert werden. Zugleich unterstreicht Abe die religiöse Qualität der Gefallenen, indem er sie als „Heldenseelen“ (go-eirei) anspricht und sein Gelübde wie auch seinen Bericht über die Amtsführung des vergangenen Jahres an sie adressiert. Als Wertbezüge fungieren neben Frieden Demokratie, Freiheit und Wohlstand. Prospektiv wird aus der Vergangenheit die Verpflichtung abgeleitet, sich weltweit für die Verwirklichung des Friedens einzusetzen – was in Anbetracht der beabsichtigten Ausweitung internationaler Militäreinsätze durch die Regierung Abe durchaus mehrdeutig zu verstehen ist. Vor allem an die Adresse der asiatischen Nachbarländer hingegen richtet der japanische Premierminister fünf Botschaften, die er durch den Besuch am Chinrei-sha zu unterstreichen vermeint. Erstens betont er, dass sein Besuch nicht der Verehrung der Kriegsverbrecher diene, zweitens, dass Japan China und Korea respektiere und an freundschaftlichen Beziehungen zu
147 Abe naikaku sōri-daijin no danwa – Kōkyū heiwa e no chikai (online abrufbar unter www. kantei.go.jp/jp/96_abe/discource/20131226danwa.html , zuletzt aufgerufen 20. Januar 2015); die offizielle deutsche Übersetzung (online abrufbar unter http://japan.kantei.go.jp/96_abe/statement/201312/pdf/26danwa_de.pdf , zuletzt aufgerufen 20. Januar 2015) ist als Anhang 6 dieser Studie beigefügt. Darüber hinaus liegt der Text nicht nur auf Chinesisch, Koreanisch und Russisch, sondern sogar auf Arabisch vor.
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beiden interessiert sei, und drittens, dass er die kriegerische Vergangenheit seines Landes bereue (kako e no hansei). Vor allem aber habe er auch für alle Opfer des Krieges gebetet und gelobt, dass von Japan nie wieder ein Krieg ausgehe. In der Tat stellte in der Geschichte der offiziellen Pilgerbesuche am Yasukuni-Schrein sowohl der Besuch am Chinrei-sha als auch die explizite Ansprache der internationalen Öffentlichkeit durch Abe Shinzō ein Novum dar, mit denen der Premierminister offensichtlich versuchte, der erwarteten Kritik im In- und Ausland zu begegnen.148 Die Reaktionen vor allem Chinas und Südkoreas belegten allerdings schnell, dass diesem Versuch kein Erfolg beschieden war. Dafür ist die symbolische Bedeutung der offiziellen Besuche als Versuch Japans, sich affirmativ zur eigenen Geschichte vor 1945 zu verhalten, auch international bereits zu sehr festgelegt. Ebenfalls 1952 wurde zunächst die Frage der finanziellen Unterstützung des Yasukuni-Schreins und seiner Aktivitäten im Kontext des Gefallenengedenkens, seit der zweiten Hälfte der 1950er Jahre auch die Frage einer möglichen staatlichen Trägerschaft des Schreins zum Gegenstand politischer Debatten. Mehrere Abgeordnete der konservativen Liberalen Partei (Jiyū-tō) – und damit der Regierungspartei – forderten am 30. Juli dieses Jahres in einer Sitzung des Sonderausschusses des Unterhauses für die Unterstützung von Hinterbliebenen (Shūgi-in ikazoku engo tokubetsu iin-kai), dass der Staat sich bei der Benachrichtigung der Hinterbliebenen nach einer erfolgten Einschreinung (gōshi tsūchi), deren Wiedereinführung für das Folgejahr geplant war und wofür Kosten in Höhe von etwa 100 Millionen Yen veranschlagt wurden, in Form einer Spende beteiligen müsse.149 Zunächst wurde diese Forderung noch mit dem Hinweis auf das Verfassungsgebot der Trennung von Staat und Religion und das daraus abzuleitende Verbot einer öffentlichen Finanzierung der bürokratischen Dimension der Einschreinungen durch den Leiter des Amtes für Unterstützung und Repatriierte zurückgewiesen. Auf politischen Druck hin erklärte sich dasselbe Amt kurze Zeit darauf bereit zu prüfen, inwieweit eine Unterstützung im Rahmen der rechtlichen Vorgaben möglich sei.150
148 Neu sind die Gelübde für den Frieden allerdings nur im Kontext des Yasukuni-Schreines. Seit langem sind analoge Gelübde bei den Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki etabliert, so dass ein japanischer Zuhörer oder Leser Abes Erklärung in diesen Kontext einordnen dürfte. 149 Dai-jūsan-kai kokkai shūgi-in kaigai dōhō hiki-age oyobi ikazoku engo ni kan-suru chōsa tokubetsu iin kaigi-roku dai-jūkyū-gō (30. Juli 1952), In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 371–373; Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 43. 150 Vgl. a. a. O. , S. 43–44.
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Diese Entwicklung deutete bereits die Tendenz an, wie staatliche Akteure in den folgenden Jahrzehnten auf das verfassungsrechtliche Problem, das mit dem Yasukuni verknüpft ist, reagieren sollten: nämlich mit einer faktischen Aushöhlung der Verfassungsnormen. Im Juli 1953 führte die Staatliche Eisenbahn in einem nächsten Schritt einen Rabatt von 50 % für Fahrten zum Schrein in Tōkyō ein, in dessen Genuss zunächst die Hinterbliebenen der neu eingeschreinten Gefallenen kamen, wobei bei der Entscheidung über die Anspruchsberechtigung die Regelungen des Gesetzes zur finanziellen Unterstützung der Hinterbliebenen zur Anwendung kamen.151 Diese Entscheidung wiederum basierte auf einem entsprechenden Beschluss des Verkehrsausschusses des Unterhauses vom Vorjahr. Auch in dieser Hinsicht wurde also an die Gepflogenheiten der Vorkriegs- und Kriegszeit angeknüpft – wobei hier freilich die Reisekosten vollständig übernommen und hälftig durch den Staat und die Eisenbahn getragen worden waren. Auch wenn diese Praxis strenggenommen eine finanzielle Stützung nicht des Schreines, sondern der Hinterbliebenen darstellte, war sie doch eine wichtige Voraussetzung für das Wiederaufleben der Praxis der Besuche von Hinterbliebenen am Schrein, was langfristig durch die dabei entrichteten Spenden und Stiftungen wiederum auch dem Yasukuni finanziell zu Gute kam. Die Frage der möglichen staatlichen Beteiligung an der Finanzierung des Yasukuni-Schreines war letztlich auch ein wichtiger Faktor für die Entstehung der Bewegung für die Überführung des Schreines in staatliche Trägerschaft (Yasukuni jinja kokka goji undō), deren Forderungen und Aktivitäten bis in die Mitte der 1970er Jahre hinein die Yasukuni-Problematik bestimmten. Der unmittelbare Auslöser war das in der Mitte des Jahres 1954 erneut politisch virulent werdende Problem der staatlichen (Teil-)Finanzierung der Einschreinungszeremonien. Die kalkulierten Kosten hatten sich inzwischen auf 400 Millionen Yen vervierfacht, und parallel nahm auch der Druck innerhalb der konservativen Parteien zu, hierfür Mittel aus dem Staatshaushalt zur Verfügung zu stellen. Als dies erneut von der Regierung mit Verweis auf die Verfassungslage abgelehnt wurde, konnten die benötigten Mittel – 670 Millionen Yen – zwar durch eine Spendenaktion unter Federführung der „Vereinigung zur Unterstützung des YasukuniSchreines“ (Yasukuni jinja hōsan-kai), die ihrerseits wiederum vor allem vom Hinterbliebenenverband getragen wurde, aufgebracht werden. Trotzdem ließ die Unzufriedenheit mit der Situation konservative Gruppierungen innerhalb der LDP von nun an verstärkt für eine grundsätzliche Lösung des problembehafteten Verhältnisses von Staat und Schrein eintreten.152 Hier wussten sie sich Seite an
151 A. a. O., S. 44–45. 152 A. a. O., S. 60–61.
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Seite mit der Izoku-kai, mit der sich die LDP in diesen Jahren zunehmend vernetzte. Im Januar 1956 nahm der Japanische Hinterbliebenenverband auf seinem „Achten Nationalen Kongress der Hinterbliebenen von Kriegsgefallenen“ (Daihak-kai zenkoku senbotsu-sha izoku taikai) in Tōkyō erstmals offiziell die Überführung des Schreines in staatliche Trägerschaft in seine Agenda auf.153 Durch die Existenz ihres parlamentarischen Arms, der Ikazoku giin renmei, war es nur eine Frage der Zeit, wann diese Forderung auch die Diskussionen in der Volksvertretung erreichen würde. Am 14. Februar 1956 wurden im Sonderausschuss des Unterhauses für die Prüfung der Unterstützung von Hinterbliebenen und von aus dem Ausland repatriierten Landsleuten erstmals Experten zu der Frage möglicher juristischer Probleme einer staatlichen Trägerschaft des Yasukuni und einer Änderung des rechtlichen Status des Schreines als religiöse Körperschaft angehört.154 Zwei Tage darauf begründete der Kultusminister Kiyose Ichirō (1884– 1967), der während des Tribunals von Tōkyō übrigens als Hauptverteidiger Tōjō Hidekis tätig gewesen war, im Ausschuss des Unterhauses zu Kultus- und Erziehungsangelegenheiten (Shūgi-in bun-kyō iin-kai), dass einer der Gründe für die von seiner Partei angestrebte Verfassungsänderung – die ja konstituierend für den Zusammenschluss des konservativen Lagers zur LDP gewesen war – genau darin liege, die juristischen Hürden einer staatlichen Trägerschaft (kokka kanri), konkret die Artikel 20 und 89, zu beseitigen.155 Ebenfalls im Frühjahr 1956 legten sowohl Vertreter der LDP als auch der Sozialistischen Partei Japans erste Pläne für eine gesetzliche Regelung des Verhältnisses vor, welche die divergierenden, zugleich aber auch beiden Parteien gemeinsamen Sichtweisen auf den Schrein und den politischen Totenkult verdeutlichten. Gemeinsam war beiden, dass sie den Yasukuni seines religiösen Kerns entkleiden
153 Ketsugi, In: Nihon izoku tsūshin 75 (1. Januar 1956), S. 1. Die Entschließung wurde formal am 25. Januar 1956 angenommen, aber bereits am 1. Januar veröffentlicht. 154 Vgl. das Sitzungsprotokoll des Sonderausschusses des Unterhauses für die Prüfung der Unterstützung von Hinterbliebenen und von aus dem Ausland repatriierten Landsleuten vom 14. Februar 1956: Dai-nijū-yon-kai kokkai shūgi-in kaigai dōhō hikiage oyobi ikazoku engo ni kan-suru chōsa tokubetsu iin kaigi-roku dai-yon-gō (Shōwa sanjū-ichi-nen ni-gatsu jūyokka), In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 409–421; Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 61. 155 Vgl. das Sitzungsprotokoll des Ausschusses des Unterhauses für Kultus- und Erziehungsangelegenheiten vom 16. Februar 1956: Dai-nijū-yon-kai kokkai shūgi-in bun-kyō iin kaigi-roku dai-nana-gō (Shōwa sanjū-ichi-nen ni-gatsu jūroku-nichi), In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 421.
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wollten, um eine Verstaatlichung zu ermöglichen.156 Während der LDP-Vorschlag sich hierzu eines (wenig überzeugenden) semantischen Kniffes zu bedienen trachtete, der darauf zielte, aus dem Wort jinja (Schrein) das Element jin bzw. kami, das für eine shintōistische Gottheit steht, zu entfernen und als neuen Namen Yasukuni-sha zu etablieren, plädierte auch der Entwurf der SPJ für eine Umbenennung der Anlage, allerdings in „Yasukuni-Friedenshalle“ (Yasukuni heiwa-dō).157 Darüber hinaus wiesen beide Entwürfe noch zwei weitere Parallelen auf: beide Texte sprachen von den Gefallenen als Menschen, die sich für das Land (bzw. die Sache des Landes) geopfert haben (junkoku-sha bzw. kokuji ni jun-jitaru hitobito), und beide definierten als Ziel der Anlage unter anderem, die bleibenden Verdienste (itoku) der Gefallenen zu würdigen bzw. zu rühmen (kenshō suru). Mithin adressierten die Pläne der beiden wichtigsten Parteien Japans primär das verfassungsrechtliche Problem, das mit der Praxis des Gefallenengedenkens verbunden war, während sie weder die Deutung, dass es sich bei den Gefallenen um Opfer für den Staat gehandelt habe, noch die Notwendigkeit eines ehrenden politischen Totenkultes in Frage stellten. Gegen beide Entwürfe formierte sich, obwohl sie nie im Parlament zur Abstimmung gestellt wurden, schnell Widerstand. Er ging vom Yasukuni jinja selbst aus, wurde aber bald vor allem von der Vereinigung der Landesverteidigungsschreine, vom Hinterbliebenenverband sowie von der Assoziation der Shintō-Schreine (Jinja honchō) getragen. Kritisiert wurde dabei vor allem die Tatsache, den Yasukuni seines religiösen Charakters zu entkleiden, mithin das staatliche Gefallenengedenken zu säkularisieren. Bereits im April forderte die Izoku-kai in einer Stellungnahme an den Sonderausschuss des Unterhauses für die Unterstützung von Hinterbliebenen, erstens den Namen des Schreines nicht zu ändern, zweitens die Seelen der Gefallenen anzubeten, zu besänftigen und ihre Verdienste zu rühmen, sowie drittens die Spezifik und die Traditionen des Yasukuni zu achten.158 Bemerkenswert ist, dass parallel zur Anpo-Bewegung, die sich gegen den Japanisch-Amerikanischen Sicherheitsvertrag wandte, auch die entstehende Bewegung für die Überführung des Yasukuni jinja in staatliche Trägerschaft neben dem parlamentarischen Druck auf eine Mobilisierung der landesweiten Öffentlichkeit zielte. Hierzu wurde eine Unterschriftenkampagne ins
156 Vgl. Jimin-tō Yasukuni-sha-hō sōan yōkō (Shōwa sanjū-ichi-nen san-gatsu jūyokka), In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, S. 120–122 und Shakai-tō: Yasukuni heiwa-dō ni kan-suru hōritsu sōan yōkō (Shōwa sanjū-ichinen san-gatsu nijū-ni-nichi), In: a. a. O., S. 122–123; vgl. auch Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 71–72. 157 Ebenda; Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics, S. 237. 158 Nihon izoku-kai (Hg.): Eirei to tomo ni sanjū-nen, S. 42–43.
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Leben gerufen, die allein in den drei Monaten zwischen Januar und März 1960 fast drei Millionen Unterzeichner für eine Petition erreichen konnte.159 Daneben wurde sie auch auf der regionalen und lokalen Ebene aktiv: ebenfalls bis 1960 verabschiedeten sechs Präfektur- und 455 Städte- bzw. Gemeindeparlamente Resolutionen zur Befürwortung (sansei ketsugi) einer staatlichen Trägerschaft des Yasukuni jinja, welche sich gegen eine Namensänderung und für eine Achtung der Tradition und der Spezifik des Schreines aussprachen.160 Durch die Einbindung zusätzlicher Akteure wie des Jinja honchō wurde für die japanische Öffentlichkeit auch die Yasukuni-Problematik verstärkt in den breiteren Kontext der Versuche konservativer Kreise in Politik und Gesellschaft gestellt, bewusst an Traditionen und Praktiken der Vorkriegs- und Kriegszeit anzuknüpfen. Diese sind zum einen vor dem Hintergrund des Erstarkens des politischen Konservatismus und auch Nationalismus, zum anderen auch vor dem Hintergrund der extremen (auch gewaltförmigen) Polarisierung im Umfeld des Anpo-Kampfes und des rechten Terrorismus, der 1960/61 seinen ersten Höhepunkt erreichte, zu sehen. Da sich Konflikte zunächst auf die Wiedereinführung des mythischen „Reichsursprungsfestes“ (kigen-setsu, 11. Februar) als staatlichen Feiertag konzentrierten, der schließlich 1966 als „Tag zur Erinnerung an die Reichsgründung“ (Kenkoku kinen-bi) wiederbelebt wurde, verloren die Auseinandersetzungen um den Yasukuni kurzzeitig an Bedeutung.161 Trotzdem forcierte
159 Tanaka, Nobumasa: Yasukuni jinja sengo-shi, S. 80. 160 Nihon izoku-kai: Eirei to tomo ni sanjū-nen, S. 43–44. 161 Das „Reichsursprungsfest“ (kigen-setsu) wurde zu Beginn der Meiji-Zeit als Feiertag eingeführt. Es bezieht sich auf die legendäre Thronbesteigung des Jinmu-tennō im Jahre 660 v. Chr. und war vor 1945 einer der wichtigsten Tage im offiziellen Festkalender. Das 2.600-jährige Jubiläum der Reichsgründung 1940 wurde als großes nationales und die Kolonien und besetzten Gebiete umfassendes Fest begangen, das wie kein zweites die imperiale (und imperialistische) Ideologie der Kriegszeit repräsentierte. Es war zugleich Anlaß für die Errichtung des größten Nationaldenkmals in Japan, des Hakkō ichiu-Turms in Miyazaki auf Kyūshū, aber auch für bauliche Erweiterungen von Shintō-Heiligtümern mit Bezug zu Jinmu-tennō wie den Kashihara jingū, nach der Überlieferung Ort der fraglichen Thronbesteigung. Wegen der engen Verbindung zur Staatsideologie der Kriegszeit wurde der Feiertag 1948 abgeschafft. Seit Beginn der 1950er Jahre begannen konservative Kräfte, für eine Wiedereinführung zu werben. Vgl. Ruoff, Kenneth J.: Imperial Japan at Its Zenith. The Wartime Celebration of the Emire’s 2,600th Anniversary, Ithaca/London: Cornell University Press 2010; Earhart: Certain Victory, S. 54–64; Schmidt, Jan: Cui bono? Die Kampagne zum Ausbau des Kashihara-Schreins für die Feierlichkeiten zur „2600-jährigen“ Reichsgründung 1940, In: Sprotte, Maik Hendrik/Schölz, Tino: Der mobilisierte Bürger? Aspekte einer zivilgesellschaftlichen Partizipation im Japan der Kriegszeit (1931–1945) (= Formwandel der Bürgergesellschaft. Arbeitspapiere des Internationalen Graduiertenkollegs Halle-Tōkyō 6), Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2010, S. 63–76; Edwards, Walter: Forging Tradition for a Holy War: The Hakkō ichiu Tower in Miyazaki and Japanese Wartime
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die Regierung Ikeda auch zwei wichtige Projekte in Bezug auf den politischen Totenkult. Nachdem 1963 die Praxis der Verleihung von Orden (jokun) und Hofrängen (joi) wieder aufgenommen worden war, wurde diese am 7. Januar 1964 per Kabinettsbeschluss auch auf Kriegsgefallene ausgedehnt.162 In ihrer Entscheidung rekurrierte die Regierung übrigens nicht nur auf die Dankbarkeit des Staates gegenüber denjenigen Personen, die ihr Leben für das Vaterland gegeben haben, sondern begründete sie darüber hinaus mit der Würdigung ihrer verdienstvollen Taten zu Lebzeiten (seizen no kōseki o kenshō suru). Mit anderen Worten: Mit der Verleihung der Orden stellte der japanische Staat nicht nur einen positiven Bezug zum Tod für das Vaterland her, sondern bekannte sich auch affirmativ zum militärischen Handeln während des Asiatisch-Pazifischen Krieges. Auch hier erfolgte die Erfassung der Anspruchsberechtigten beim Ministerium für Wohlfahrt, das die entsprechenden Daten an das Amt für Ordensverleihungen (Shōkun-kyoku) beim Büro des Premierministers weiterleitete, das dann formal über die Auszeichnung entschied. Der Orden selbst wurde vom Tennō verliehen, die Verleihungsurkunde trägt das Siegel des Kaisers und die Unterschrift des Premierministers. In einer ersten Welle wurde zunächst im April 1964 10.000 Gefallenen posthum ein Orden verliehen, bis 1995 schließlich 2.15 Millionen Kriegstoten, so dass faktisch nahezu jeder offiziell als kriegsgefallen Anerkannte durch die Regierung ausgezeichnet wurde.163 Darüber hinaus führte die Regierung Ikeda 1963 auch die offiziellen „Nationalen Gedenkzeremonie für die Opfer des Krieges“ (Zenkoku senbotsu-sha tsuitō-shiki) ein, die seitdem jährlich (seit 1965 im Nihon budō-kan) am 15. August, dem Jahrestag des Kriegsendes, abgehalten wird (vgl. oben S. 373). Eine neue Qualität erreichte die Kontroverse um die staatliche Trägerschaft, als Premierminister Satō Eisaku im Umfeld des einhundertsten Jahrestages der Gründung des Yasukuni-Schreines (und damit ein Jahr nach der Jubiläum der Meiji-Restauration) an symbolträchtigem Ort, nämlich nach einem Pilgerbesuch beim Ise-Schrein, in dem die Sonnengöttin Amaterasu als Ahnfrau des Kaiserhauses verehrt wird, offen seine Unterstützung für die Verabschiedung eines Geset-
Ideology, In: The Journal of Japanese Studies 29 (2003), Heft 2, S. 289–324; Hedinger, Daniel: Im Wettstreit mit dem Westen. Japans Zeitalter der Ausstellungen 1854–1941, Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2011, S. 314. 162 Vgl. Senbotsu-sha no joi oyobi jokun ni tsuite (Shōwa sanjū-kyū-nen ichi-gatsu nanoka kakugi kettei), In: Kōsei-shō shakai, engo-kyoku engo gojū-nen-shi henshū iin-kai (Hg.): Engo gojūnen-shi, S. 657; Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Akira/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 170–173. 163 Kōsei-shō shakai, engo-kyoku engo gojū-nen-shi henshū iin-kai (Hg.): Engo gojū-nen-shi, S. 268–269. Darüber hinaus wurde bis 1995 74.572 Personen zusätzlich ein Hofrang verliehen. Hier liegt die administrative Verantwortlichkeit beim Personalbüro (Jinji-ka) des Amtes des Premierministers.
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zes über die staatliche Trägerschaft des Yasukuni erklärte. Eine entsprechende Vorlage wurde am 30. Juni 1969 mit Unterstützung von 238 Parlamentariern in das Unterhaus eingebracht.164 Die politische, nun vor allem wieder in der Volksvertretung ausgetragene Auseinandersetzung um diese Gesetzesvorlage dauerte bis Mitte der 1970er Jahre hinein an. Sie verlieh dem Gefallenengedenken eine neue politische Dynamik und vertiefte die politische Konfrontation um das Erbe der Besatzungszeit. Der Gesetzentwurf zum Yasukuni-Schrein zielte in der Konsequenz darauf, den rechtlichen Status des Shintō-Heiligtums zu verändern: er sollte aus einer Religiösen Körperschaft (shūkyō hōjin) in eine neu zu schaffende Rechtsform transformiert werden.165 Die Vorlage definierte in ihrem § 1 als Bestimmung des Heiligtums: „Der Yasukuni-Schrein hat zum Zweck, um das Gefühl der Verehrung des Volkes (kokumin no sonkei) gegenüber den Seelen (eirei) der im Krieg Gefallenen (senbotsu-sha) sowie der Menschen, die ihr Leben für das Land geopfert haben (kokuji ni jun-jita hitobito), auszudrücken, um ihrer bleibenden Verdienste zu gedenken (itoku o shinobi), um sie zu beschwichtigen (nagusame) und zum Ruhme ihrer Taten (jiseki o tataeru), Zeremonien, Feiern usw. durchzuführen und dadurch ihre hohen Verdienste auf ewig der Nachwelt im Gedächtnis zu bewahren (igyō o eikyū ni tsutaeru).“166
Paragraph 22 des Entwurfes griff diese Bestimmung auf und benannte als die drei Aufgaben des Schreines, dass er unter ständiger Berücksichtigung der Tradition seit seiner Gründung erstens die Namenslisten der Kriegsgefallenen (und ihnen gleichgestellter Kriegsopfer) aufbewahre und zweitens der bleibenden Verdienste der Kriegsgefallenen durch die Durchführung von Zeremonien und Feiern, um sie zu beschwichtigen, gedenke. Drittens schließlich seien bei den Feiern und Zeremonien die Taten der Gefallenen zu rühmen, um ihnen zu danken.167
164 Vgl. für das Folgende Nishikawa, Shigenori: Yasukuni hōan no tenbō, Tōkyō: Sugu shobō 1976; Nihon izoku-kai: Eirei to tomo ni sanjū-nen; Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 97–136; Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 205–229; Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics, S. 238–244. 165 In der Zeit des Kabinetts Ōbuchi (1998–2000) schließlich wurde dieser Gedanke wieder aufgegriffen; allerdings wurde nun der Vorschlag unterbreitet, eine Transformation in eine „Körperschaft mit Sonderstatus“ (tokushu hōjin) vorzunehmen. 166 Yasukuni jinja hōan teishutsu, In: Nishikawa, Shigenori: Yasukuni jinja hōan no tenbō, S. 283–296, hier S. 285, in der deutschen Übersetzung nach Lokowandt, Ernst: Zum Verhältnis von Staat und Shintō im heutigen Japan, S. 173–181, hier S. 173. 167 Yasukuni jinja hōan teishutsu, S. 289.
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In der Aufgabenzuschreibung der Gesetzesvorlage vermischten sich damit säkulare und religiöse Funktionen des Schreins: Zur ersten Kategorie gehörte die Aufbewahrung der Namen, das Gedenken der bleibenden Verdienste oder das Rühmen der Taten der Gefallenen. Die Beschwichtigung der Seelen der Gefallenen hingegen rekurrierte eindeutig auf die traditionelle religiöse Dimension eines shōkon-Schreins, die Verwendung des Begriffes „Heldenseele“ (eirei) auf die Praxis der Apotheose. Darüber hinaus ist aber auch die Betonung einer „Berücksichtigung der Tradition seit der Gründung“ (sōken irai no dentō o kaerimitsutsu) bemerkenswert. Mit ihr wird explizit auf den Gründungskontext der frühen MeijiZeit mit all seinen Konnotationen verwiesen und dieser quasi zu einem übergeordneten Prinzip erhoben, keineswegs aber auf die demokratische Tradition der Nachkriegszeit. In diesem Kontext muss man auch einen eklatanten inneren Widerspruch des Gesetzentwurfes sehen: Während einerseits die Aufgabenzuschreibung unzweifelhaft eine religiöse Dimension enthält, untersagt § 5 dem Schrein das Vertreten einer spezifischen Glaubenslehre und religiöse Aktivitäten (shūkyō-teki katsudō) wie die Unterweisung oder Betreuung von Gläubigen, und § 2 bestimmt, dass das Gesetz den Schrein nicht in eine Religionsgemeinschaft (shūkyō dantai) umwandeln solle. Auch wenn diese Passagen wohl primär wegen der verfassungsrechtlichen Problematik formuliert worden sein dürften, knüpfte die Vorlage an diesen Stellen doch zugleich mehr oder weniger direkt an die Diskussionen über den areligiösen Charakter des Staatsshintō aus der Zeit vor 1945 an.168 Der Gesetzentwurf über den Yasukuni-Schrein wurde zwischen 1969 und 1974 insgesamt fünf Mal textgleich ins Parlament eingebracht, ohne verabschiedet zu werden. Gegen die Vorlage regte sich massiver Widerstand. Innerhalb des Parlamentes trat die Opposition unter Führung der Sozialistischen Partei geschlossen gegen den Entwurf auf, und auch innerhalb der LDP wurde er in gemäßigten Kreisen abgelehnt. Eine Besonderheit der Geschäftsordnungen des japanischen Parlamentes ermöglichte dabei, durch bloßes Verzögern den Gesetzentwurf zu Fall zu bringen: Wird ein solcher nicht innerhalb der verhältnismäßig kurzen Sitzungsperioden angenommen, gilt er als gescheitert und muss in der nächsten Sitzungsperiode neu eingebracht werden.169 Erst im fünften Anlauf 1974 kam es zu einer Abstimmung im Plenum des Unterhauses, bei der der Entwurf angenommen wurde, doch scheiterte die Vorlage anschließend im Oberhaus. Außerhalb des Parlamentes erhoben insbesondere die christlichen und buddhistischen Religionsgemeinschaften ihre Stimme, und auch in der Publizistik und der Wissen-
168 Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 103. 169 Vgl. Klein, Axel: Das politische System Japans, S. 319.
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schaft wurde der Gesetzentwurf als Versuch der Aushöhlung der Verfassung oder der Wiederbelebung des Staatsshintō der Zeit vor 1945 kritisch kommentiert.170 Für den vom Marxismus beeinflussten Teil der japanischen Geschichtswissenschaft stellte er übrigens einen wichtigen Impuls für die Erforschung der Geschichte des Schreines und des Staatsshintō dar.171 Schließlich belegte ein Gutachten der Rechtsabteilung des Unterhauses vom Mai 1974, dass die Annahme des Gesetzes eine Änderung zahlreicher Zeremonien am Schrein juristisch erzwinge.172 Damit wäre faktisch eine „ordnungsgemäße kultische Behandlung“ der Götter des Yasukuni nach den Bräuchen des Shintō nicht mehr möglich gewesen. Diese Konsequenz und die schwere Wahlniederlage der LDP bei den Oberhauswahlen im Juli 1974 ließen die Regierungspartei von ihrem Vorhaben abrücken, den Yasukuni jinja per Gesetz in staatliche Trägerschaft zu überführen. Allerdings wurden hierdurch die Konflikte um das Gefallenengedenken keineswegs gelöst, sondern sie verlagerten sich auf die oben diskutierte Ebene der offiziellen Besuche am Schrein, wo sie um eine internationale Dimension und um das Problem der Einschreinung der Kriegsverbrecher der Kategorie A weiter verschärft wurden.173 Trotz seines Scheiterns darf die Bedeutung des Gesetzentwurfes zum Yasukuni jinja für die Geschichte des Gefallenengedenkens in Japan nicht unterschätzt werden. Erstens kann er als ein Indikator für die Haltung eines wesentlichen Teils der LDP und insbesondere ihres (zeitgenössisch) aktuellen wie künftigen Führungspersonals zum politischen Totenkult im Besonderen wie auch zur Vergangenheitsthematisierung im Allgemeinen dienen. Unter den 246 Abgeordneten, welche den Antrag 1973 ins Unterhaus einbrachten bzw. unterstützten, finden sich nicht nur ehemalige Premierminister wie Kishi Nobusuke, sondern auch neun spätere Premiers, nämlich Tanaka Kakuei (1972–1974), Suzuki Zenkō (1980– 1982), Takeshita Noboru (1987–1989), Uno Sōsuke (1989), Miyazawa Kiichi (1991– 1993), Hashimoto Ryūtarō (1996–1998), Obuchi Keizō (1998–2000), Mori Yoshirō (2000–2001), Koizumi Jun’ichirō (2001–2006), und auch andere einflussreiche Politiker wie Ishihara Shintarō, der bis 2012 das Amt des Gouverneurs von Tōkyō innehatte, oder Ozawa Ichirō, einer der einflussreichsten Politiker in der japanischen Parteienlandschaft, der zunächst Generalsekretär der LDP und später als Vorsitzender der Demokratischen Partei Japans, welche 2009 der LDP als Regie-
170 Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 106. 171 Vgl. Azegami Naoki: Irei, In: Rekishi kagaku kyōgi-kai (Hg.): Sengo rekishi-gaku yōgo jiten, Tōkyō: Tōkyō-dō shuppan 2012, S. 318. Die wichtigste Studie aus dem Umfeld der marxistischen Kōza-ha ist Murakami, Shigeyoshi: Irei to shōkon. 172 Yasukuni jinja hōan no gōken-sei, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsakyoku (Hg.): Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, S. 171–175, hier S. 174–175. 173 Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 109–110.
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rungspartei nachfolgte, amtierte.174 Zweitens belegt er die enge Verknüpfung der LDP mit gesellschaftlichen Akteuren wie dem Hinterbliebenenverband oder der Assoziation der Shintō-Schreine, die sich nachdrücklich für die Überführung des Yasukuni in staatliche Trägerschaft aussprachen. Zugleich zeigt er drittens aber auch die Konfliktlinien innerhalb von Politik und Gesellschaft auf, die keineswegs mit parteipolitischen Zuordnungen deckungsgleich waren. Die Wiederaufnahme der individualisierten Einschreinungen am Yasukuni zu Beginn der 1950er Jahre brachte ein weiteres Problem mit sich, nämlich die notwendige Mitwirkung von staatlichen, regionalen und auch lokalen Behörden an den Einschreinungen. Das verwaltungstechnische Prozedere einer Einschreinung verläuft innerhalb des Yasukuni jinja wie folgt: Zunächst erfolgen notwendigerweise Nachforschungen in Bezug auf die Gefallenen selbst und die Ermittlung der Hinterbliebenen und ihrer Adresse (was im Falle von mehreren Angehörigen auch die Frage der Nähe der Hinterbliebenen zum Gefallenen aufwerfen konnte), woran sich die Kompilation einer Übersicht der Lebensläufe der Gefallenen (keireki-bo) anschließt.175 Diese enthält etwa den Namen und Vornamen des Gefallenen und seinen militärischen Dienstgrad. Diese Übersicht wiederum dient als Vorlage für zwei weitere Register: zum einen das traditionell mit Pinsel geschriebene „Seelenregister“ (reiji-bo), welches bei der Einschreinungszeremonie selbst Verwendung findet und das in einem gesonderten Gebäude im Yasukuni aufbewahrt wird, zum anderen ein Index (sakuin-bo), welcher das Auffinden ermöglichen soll. Nach der Einschreinungszeremonie werden die Hinterbliebenen (noch einmal) schriftlich über den Vorgang informiert (gōshi tsūchi). Insbesondere bei den ersten der skizzierten Schritte ist der Yasukuni-Schrein dabei zwingend auf die Mitwirkung verschiedener staatlicher Behörden angewiesen. Am 19. April 1956 wurde auch diese Mitwirkung formalisiert. In dem Rundschreiben an die Präfekturen „Über die Unterstützung der Verwaltung der Einschreinung am Yasukuni jinja“ (Yasukuni jinja gōshi jimu ni tai-suru doryoku ni tsuite) bestimmte der Leiter der Abteilung für Unterstützung und Repatriierte des Wohlfahrtsministeriums, dass die für die Hinterbliebenen zuständigen sewa-ka der Präfekturverwaltungen in Bezug auf die ehemaligen Angehörigen des Heeres, die Abteilungen für Unterstützung und Repatriierte auf die ehemaligen Offiziere und schließlich die Regionalen Demobilisierungsabteilungen (chihō fukuin-bu) auf die Unteroffiziere und Mannschaften der Marine Informa-
174 Vgl. Yasukuni jinja hōan teishutsu, S. 283–285. 175 Vgl. hierzu und für das Folgende Tanaka, Nobumasa: Yasukuni jinja sengo-shi, S. 59 u. 62–66; Akazawa, Shirō: Yasukuni jinja, S. 104–107.
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tionen über den Verbleib zu sammeln und zu melden hätten. Diese Informationen würden dann in der Abteilung für Unterstützung und Repatriierte des Ministeriums in Tōkyō zusammengefasst und bewertet und anschließend dem Yasukuni-Schrein zugeleitet, der dann auf dieser Grundlage die Einschreinung vornehme. Nach deren Durchführung informiere wiederum der Schrein die genannten Behörden über den Vollzug, woraufhin diese die Hinterbliebenen offiziell informieren sollten.176 Formal gesehen bedeutete diese Praxis eine Umkehrung des Verhältnisses von Staat und Yasukuni in Bezug auf die Entscheidung, wer eingeschreint wird. Während in der Vorkriegs- und Kriegszeit die entsprechenden Listen von den Ministerien für Heer und Marine vorbereitet und nach einer formalen Entscheidung durch den Tennō dem Schrein zugeleitet wurden, wobei die Entscheidungsgewalt beim Staat lag, wirkte der Staat nach 1952 nur noch unterstützend bei Vorbereitung der Einschreinung mit, während die Entscheidungsgewalt nun allein beim Schrein liegt. Tatsächlich aber scheint der Yasukuni Einschreinungen nur auf Grundlage der Informationen des Wohlfahrtsministeriums vorzunehmen, so dass faktisch nach wie vor die staatliche Bürokratie entscheidet, wer in das Pantheon des Schreines Aufnahme findet. Die Auswahl erfolgt dabei konkret auf Grundlage der Definitionen der Anspruchsberechtigungen der Gesetze über die Unterstützung für Hinterbliebene von Kriegsgefallenen und Kriegsversehrten (Senshōbyō-sha senbotsu-sha izoku tō engo-hō), für die heimgebliebenen Familien von noch nicht Heimgekehrten (Mi-kikan-sha rusu-kazoku tō engo-hō) sowie des Pensionsgesetzes für ehemalige Militärangehörige (Onkyū-hō).177 Durch die rege Mitwirkung der lokalen, regionalen und zentralstaatlichen Behörden wurde es schließlich möglich, in einem Zeitraum von weniger als drei Jahren die individuellen Einschreinungen fast vollständig abzuschließen. Der Asiatisch-Pazifische Krieg hatte als totaler Krieg zu einer bisher in Japan ungeahnten Mobilisierung sowohl von Streitkräften als auch der Zivilbevölkerung für die Kriegsanstrengung geführt, und darüber hinaus waren auch erstmals in der japanischen Zivilbevölkerung durch die alliierten Luftangriffe während des Krieges und unter den japanischstämmigen Bewohnern der ehemaligen Kolo-
176 Vgl. Yasukuni jinja jinja gōshi jimu ni tai-suru doryoku ni tsuite, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Shinpen Yasukuni jinja mondai shiryō-shū, Tōkyō: Kokuritsu kokkai toshokan 2007, S. 204–206; siehe auch Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saishin-tachi, S. 143–144. 177 Die rechtlichen Grundlagen, vor allem auch die Definitionen der Anspruchsberechtigten, sind im Detail zu finden in Kōsei-shō (Hg.): Senshōbyō-sha senbotsu-sha izoku tō engo-hō kankei hōki-shū; vgl. auch Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saishin-tachi, S. 146.
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nien, vor allem der Mandschurei nach deren Eroberung durch die Sowjetunion, große Opfer zu beklagen. Mithin waren die Gefallenen nur noch eine Gruppe der Kriegsopfer. Diese im Vergleich zu den klassischen Staatenkriegen der Jahrhundertwende veränderte Kriegserfahrung der Gesellschaft stellte den japanischen Staat insgesamt, aber auch den Yasukuni-Schrein vor die Frage, ob der politische Totenkult auch in Bezug auf die Frage, wer (und wer nicht) als Opfer verehrt wird, an die veränderten Realitäten des totalen Krieges angepasst werden müsse. Interessanterweise war der erste Vorstoß einer Ausweitung der Kriterien für eine Einschreinung unmittelbar nach Kriegsende durch das Heer erfolgt, jedoch wegen der ablehnenden Haltung der Marine, des Innenministeriums und des Hofes nicht realisiert worden (vgl. oben Kap. 5.2.1). Mit Beginn der oben skizzierten Praxis jedoch, Einschreinungen auf Grundlage der vom Ministerium für Wohlfahrt zur Verfügung gestellten Informationen über Gefallene vorzunehmen, wurden faktisch die Kriterien für eine Apotheose im Yasukuni geändert. Die Auswahl erfolgte nun konkret auf Grundlage der Definitionen der Anspruchsberechtigungen der drei Gesetze über die Unterstützung für Hinterbliebene von Kriegsgefallenen und Kriegsversehrte, für die heimgebliebenen Familien von noch nicht Heimgekehrten sowie des Pensionsgesetzes für ehemalige Militärangehörige. Diese Definitionen, konkret vor allem die Definition der Zivilangestellten des Militärs (gunzoku), wurden schrittweise seitens des Gesetzgebers geändert. Diese Änderungen wiederum waren Ergebnis komplexer politischer Aushandlungsprozesse, bei denen der Hinterbliebenenverband, der von Politik und Bürokratie als alleiniger Vertreter der Angehörigen der Gefallenen angesehen wurde, eine gewichtige Rolle spielte und zahlreiche Forderungen (nach Aufnahme und Nichtaufnahme) durchsetzen konnte.178 Insofern spiegelt die staatliche Praxis an dieser Stelle das Selbst- und Geschichtsbild der Izoku-kai wie auch deren Mitgliederstruktur. In der Praxis unterstützt der japanische Staat im Rahmen der oben genannten Gesetze heute diejenigen Opfer materiell, die während des Krieges in einem aktiven Verhältnis zu ihm gestanden haben. Zu den Anspruchsberechtigten gehören damit neben den Angehörigen der Streitkräfte etwa Personen, die bei folgenden Tätigkeiten ihr Leben verloren haben: erstens Menschen, die auf Grundlage des Gesetzes zur Nationalen Generalmobilmachung zum Kriegshilfsdienst (in Rüstungsfabriken, auf Schiffen usw.) verpflichtet wurden, zweitens auf der Grundlage desselben Gesetzes zum Arbeitsdienst mobilisierte Schülerinnen und Schüler, drittens (zivile) Personen, die auf Befehl der Streitkräfte an Kampfhandlungen teilgenommen haben, was vor allem auf die Bevölkerung in der Mandschurei und auf Okinawa zutrifft, viertens Menschen, die bei Arbeiten im Kontext des Luftschut-
178 Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics in Japan, S. 78–79.
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zes ihr Leben verloren haben, usw.179 Schließlich kommen auch die Angehörigen von etwa 500 Offizieren, die sich nach einer militärischen Niederlage oder nach der Kapitulation das Leben genommen und damit in den Augen der Öffentlichkeit Verantwortung für die Niederlage übernommen haben, in den Genuss staatlicher Unterstützungsleistungen.180 Ausgeschlossen von dieser Gesetzgebung blieben hingegen bis heute die „passiven“ Kriegsopfer, also vor allem die zivilen Opfer von Luftangriffen wie den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki (sofern sie nicht während des Angriffs in einem Dienstverhältnis zum Staat standen).181 Diesen juristischen Vorgaben des Staates folgt der Yasukuni jinja. Faktisch bedeutet diese Praxis, dass den zivilen Opfern eine Apotheose und damit eine Ehrung im Schrein verweigert wird. In diesem Sinne wird, trotz der Erweiterung des Kreises der Einzuschreinenden, die Meiji-zeitliche Praxis, nur die militärischen Opfer der eigenen Seite einzuschreinen, aufrechterhalten. Internationale Aufmerksamkeit erhalten die Besuche japanischer Premierminister am Yasukuni schließlich heute vor allem deshalb, weil auch durch die alliierten Militärtribunale nach 1945 zum Tode verurteilte oder in der Haft verstorbene Kriegsverbrecher in den Schrein eingeschreint wurden und verehrt werden. Hier handelt es sich um eine zentrale Frage der japanischen Vergangenheitspolitik und damit auch des Selbstverständnisses von Staat und Gesellschaft. Die verurteilten Kriegsverbrecher sind dabei in zwei Kategorien unterteilt: Zum einen der Kategorie A, welche die Verantwortung für den Ausbruch des Krieges trugen, und der Kategorien B und C, welche Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit umfassten.182
179 Vgl. Tanaka/Tanaka/Hata: Izoku to sengo, S. 104–105. Im Falle Okinawas ist diese Kategorisierung besonders perfide: Um in den Genuss der staatlichen Unterstützungsleistungen zu kommen – Zivilisten erhalten keine Unterstützung – beantragten auch die Hinterbliebenen von Menschen, die von den japanischen Streitkräften ermordet wurden oder in den Selbstmord getrieben wurden, die Anerkennung als Hinterbliebene von gunzoku. Die Wohlfahrtsbürokratie prüfte diese Anträge in der Regel sehr wohlwollend, so dass heute auch getötete Kleinkinder im alter weniger Monate als Militärangehörige geführt und im Yasukuni-Schrein verehrt werden. 180 Hata, Ikuhiko: Yasukuni no saishin-tachi, S. 153–157. 181 Die zivilen Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki kamen erst seit 1957 bzw. 1968 in den Genuss staatlicher Unterstützung. Vgl. Seraphim, Franziska: War Memory and Social Politics, S. 133. 182 Vgl. zu den Kriegsverbrecherprozessen Marxen, Klaus/Miyazawa, Kōichi/Werle, Gerhard: Der Umgang mit Kriegs- und Besatzungsunrecht in Japan und Deutschland; Cohen, David: Öffentliche Erinnerung und Kriegsverbrecherprozesse in Asien und Europa; Seraphim, Franziska: Kriegsverbrecherprozesse in Asien und globale Erinnerungskulturen.
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Die gesetzlichen Regelungen zur Unterstützung der Hinterbliebenen wurden in den Jahren 1953 bis 1955 schrittweise auch auf die Angehörigen von Kriegsverbrechern (der Kategorien A, B und C) ausgedehnt.183 Damit wurden sie seitens des japanischen Staates juristisch Kriegsgefallenen gleichgestellt, so dass ihre Namen auch seitens der Bürokratie an den Yasukuni weitergeleitet wurden. Von Anfang an war man sich auf Seiten aller Beteiligter der hohen politischen Brisanz des Themas bewusst, und es erfolgten in diesem Kontext langwierige Abstimmungsprozesse zwischen Politik, Bürokratie und dem Schrein. Tatsächlich erfolgte die Einschreinung der Kriegsverbrecher der Kategorien B und C zwischen 1959 und 1967, ohne ein großes Echo in der Öffentlichkeit hervorzurufen.184 Auf eine Einschreinung der Kriegsverbrecher der Kategorie A wurde vorerst verzichtet, wohl vor allem, um die zu diesem Zeitpunkt beginnende parlamentarische Initiative zur Rücküberführung des Schreines in staatliche Trägerschaft, aber auch die internationalen Beziehungen nicht zu gefährden. Nach dem Scheitern der Gesetzesinitiative und dem Amtsantritt von Matsudaira Nagayoshi als neuem Oberpriester des Schreines hingegen wurden diese Bedenken fallengelassen.185 1978 erfolgte durch ihn schließlich die Einschreinung der Hauptkriegsverbrecher
183 Tanaka, Nobumasa/Tanaka, Hiroshi/Hata, Nagami: Izoku to sengo, S. 94–95. 184 Hata, Ikuhiko: Yasukuni no saishin-tachi, S. 169. 185 Der Tod von Tsukuba Fujimaro 1977 markierte einen tiefen Einschnitt in der Geschichte des Yasukuni-Schreines in der Nachkriegszeit. Mit Matsudaira Nagayoshi (1915–2005) wurde ein Mann sein Nachfolger als Oberpriester, der aus dem Hochadel stammte. Sein Vater Yoshitami (1882–1948) war zuletzt Minister für den Kaiserlichen Haushalt, sein Großvater Yoshinaga bzw. Shungaku (1828–1890) enstammte einer Seitenlinie der Tokugawa, war Fürst von Echizen-Fukui und Cousin des Shōgun Ieyoshi. Nagayoshi selbst hatte bis 1945 als Korvettenkapitän in der Marine gedient und war dabei zuletzt in Saigon stationiert; nach dem Krieg verfolgte er weiterhin eine militärische Laufbahn bei den Selbstverteidigungsstreitkräften. Nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven militärischen Dienst war er schließlich als Militärhistoriker in der Kriegsgeschichtlichen Abteilung des Verteidigungsamtes angestellt, bevor er zum Oberpriester des Yasukuni avancierte. Ihm fehlte also, wie schon zahlreichen seiner Vorgänger, eine Qualifikation als Shintō-Priester im engeren Sinne. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit ist ein einschneidendes Ereignis zu verzeichnen: Er ließ er um den Chinrei-sha, der 1965 wenige Meter neben dem Hauptschrein errichtet worden war und in dem die Seelen all jener Opfer von militärischen Auseinandersetztungen innerhalb Japans bzw. Japans mit seinen Nachbarn verehrt werden, die nicht im Yasukuni-Schrein selbst deifiziert worden sind, einen hohen Metallzaun errichten. Zwar halten die Priester des Yasukuni hier weiterhin täglich Zeremonien ab, doch ist es Hinterbliebenen oder Vertretern der Öffentlichkeit seitdem nicht mehr möglich, den Schrein direkt zu besuchen. Vgl. zu Matsudaira Mainichi shinbun ‚Yasukuni‘ shuzai-han: Yasukuni sengo hi-shi. A-kyū senpan o gōshi shita otoko, Tōkyō: Mainichi shinbun-sha 2007; Breen, John: Introduction. A Yasukuni Genealogy, S. 9–10; Hata, Ikuhiko: Yasukuni no saishin-tachi; 174–179.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
in einer eigenen Kategorie, der „Shōwa-Märtyrer“ (Shōwa junnan-sha), im Jahr darauf wurde der Sachverhalt der Öffentlichkeit bekannt. Die Apotheose der Kriegsverbrecher der Kategorie A stellt heute das zentrale Konfliktfeld im Kontext der Yasukuni-Problematik dar, das andere Konflikte wie die offiziellen Besuche der Premierminister am Schrein überlagerte und diesen eine zusätzliche Dynamik verlieh. Darüber hinaus gilt es national wie international als wichtigstes Symbol für die nicht erfolgte Distanzierung Japans von der imperialen Vergangenheit und offen apologetische Tendenzen. Weit weniger bekannt – und in der Öffentlichkeit bisher auch kaum problematisiert – ist, dass sich die Ehrung der Kriegsverbrecher nicht nur auf den Yasukuni oder weitere nichtstaatliche Gedenkstätten sowie die finanzielle Unterstützung für die Hinterbliebenen beschränkt, sondern dass sie auch durch den japanischen Staat selbst geehrt werden. Sie wurden explizit in den Kreis derjenigen einbezogen, welcher der Staat in der „Nationalen Trauerfeier für Kriegsopfer“ (Zenkoku senbotsu-sha tsuitō-shiki) gedenkt, und ihre Hinterbliebenen wurden zu diesen Veranstaltungen eingeladen.186 Seit einigen Jahren wird in der japanischen Politik und Öffentlichkeit diskutiert, die Kriegsverbrecher der Kategorie A aus dem Yasukuni auszuschreinen, um Besuche des Tennō beim Schrein zu ermöglichen; kaum jemand stört sich jedoch daran, dass diese Ehrung bei der offiziellen staatlichen Gedenkzeremonie bereits seit Jahrzehnten etablierte Praxis ist. Auch dies veranschaulicht einmal mehr, wie stark der Yasukuni nach wie vor die öffentliche Wahrnehmung der Gefallenenehrung in Japan dominiert. In den letzten Jahren ist um den Yasukuni schließlich ein weiteres Konfliktfeld entstanden: der Streit um die Ausschreinung. Eines der Probleme des Prozederes der Einschreinungen liegt darin begründet, dass Hinterbliebene der Einschreinung nicht widersprechen konnten, geschweige denn dass sie um Zustimmung ersucht wurden. Forderungen der Angehörigen, die Seelen ihrer Verwandten aus dem Pantheon des Yasukuni zu entlassen, werden inzwischen sowohl von Nachfahren japanischer als auch von aus Korea oder Taiwan stammenden Gefallenen der Kaiserlichen Streitkräfte, die während des Krieges teilweise zwangsweise rekrutiert worden waren, oder von Vertretern ethnischen Minderheiten innerhalb Japans (Bewohner Okinawas, Ainu) erhoben und beschäftigen – freilich
186 Vgl. die Aussage des Ministeriums für Wohlfahrt und Arbeit am 1. Februar 2002, In: Zusammengefasstes Protokoll der 2. Sitzung der Tsuitō, heiwa kinen no tame no kinen-hi shisetsu nado no arikata o kangaeru kondan-kai (online abrufbar unter www.kantei.go.jp/jp/singi/tuitou/ dai2/2gijiyousi.html , zuletzt eingesehen am 23. 02. 2009).
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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aus Sicht der Kläger bisher erfolglos – japanische Gerichte.187 Die erste nachweisbare Forderung nach einer Ausschreinungen durch Angehörige wurde 1968 im Umfeld der öffentlichen Thematisierung des Yasukuni aus Anlass der Bewegung zur Überführung des Schreines in staatliche Trägerschaft erhoben.188 Solche Ausschreinungen wurden und werden vom Yasukuni-Schrein selbst jedoch vehement abgelehnt, lediglich eine Löschung aus dem Namensregister wurde im Frühjahr 2009 angeboten, die aber die Apotheose der Gefallenen nicht rückgängig machen würde. Ähnliche Forderungen dürften bald auch in Bezug auf den Chinrei-sha erhoben werden, der 1965 zur Besänftigung der Seelen (chinrei) „all jener japanischer wie ausländischer Opfer, deren im Hauptschrein [des Yasukuni] nicht gedacht wird“, wenige Meter neben demselben errichtet wurde (vgl. Abb. 48).189
Abb. 48: Chinrei-sha, Yasukuni-Schrein, Tōkyō
187 Vgl. zu den juristischen Auseinandersetzungen um Ausschreinungen Tanaka, Nobumasa: Dokyumento Yasukuni soshō. Senshi-sha no kioku wa dare no mono ka, Tōkyō: Iwanami shoten 2007. 188 Tanaka, Nobumasa: Yasukuni no sengo-shi, S. 116–119. 189 Siehe den offiziellen Schreinführer Yasukuni jinja (Hg.): Shin yōkoso Yasukuni jinja e, Tōkyō: Kindai shuppan-sha 2007, S. 29.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
Daneben existiert in Bezug auf mögliche Ausschreinungen noch ein zweites Problem, nämlich der Fall von Personen, die für tot erklärt und eingeschreint wurden, tatsächlich aber noch lebten. Das berühmteste Beispiel stellt sicher Leutnant Onoda Hiroo dar, der nach Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges auf der philippinischen Insel Lubang bis 1974 seinen Posten hielt, weil er die Nachrichten von einer Kapitulation Japans als Propaganda der Alliierten abgetan hatte.190 Onoda war 1947 und erneut 1959 für tot erklärt und sein Familienregister gelöscht worden; 1960 erfolgte seine Einschreinung in den Yasukuni, 1969 wurde ihm posthum ein Orden verliehen. Nach seiner Rückkehr nach Japan wurde zwar sein Status in der digitalen Datenbank des Schreines in „als Überlebender bestätigt“ (seizon kakunin) geändert, es erfolgte aber keine Löschung aus dem Namensregister. Auf Anfrage erklärte der Yasukuni vielmehr, dass Onodas Seele, da er noch am Leben sei, bei der Einschreinungszeremonie „nicht gekommen sei“, mit anderen Worten die Einschreinung selbst also nicht stattgefunden hat.191 Die vorgestellten Beispiele verdeutlichen damit, wie vielschichtig die Problemlagen und die Interessen- und Akteurskonstellationen und wie konflikthaft das Gefallenengedenken am Yasukuni-Schrein in den Jahrzehnten seit der Wiedergewinnung der Souveränität war und ist. Insbesondere zeigen sie die vielfältigen Spannungen auf, die aus der säkularen Verfassungsordnung der Nachkriegszeit für die religiösen Traditionen des politischen Totenkultes erwachsen sind. Dabei belegen sie, dass in der japanischen Gesellschaft bis heute kein national wie international akzeptierter und mit den Vorgaben der Konstitution in Einklang zu bringender Konsens gefunden wurde, wie man der Toten aus der Zeit vor 1945 gedenken sollte. Die Aufladung des Yasukuni zu einem Symbol des japanischen Nationalismus und der „Unabhängigkeit“ des Landes gegenüber seinen ostasiatischen Nachbarn dürfte daran auch in naher Zukunft kaum etwas ändern. Die Landesverteidigungsschreine. Die Wiedererlangung der Souveränität im April 1952 markierte für die regionalen Landesverteidigungsschreine in den Präfekturen auf den ersten Blick einen deutlich geringeren Einschnitt als für andere Bereiche des Gefallenengedenkens. Sie behielten ihren rechtlichen Status als unabhängige religiöse Körperschaften unter dem Dach der Assoziation der ShintōSchreine (Jinja honchō), der sie während der Besatzungszeit beigetreten waren. Im Gegensatz zum Yasukuni-Schrein wurde dieser jedoch nicht in Frage gestellt, obwohl auch für die Landesverteidigungsschreine die analogen juristischen, aus den Bestimmungen der Verfassung erwachsenden Problemlagen – das Verhältnis
190 Vgl. Hata, Ikuhiko: Yasukuni jinja no saijin-tachi, S. 232–233. 191 Ebenda.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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zur regionalen und lokalen Verwaltung, die finanzielle Unterstützung, die Teilnahme von Repräsentanten der Öffentlichkeit an Feiern und Zeremonien usw. – galten und gelten. Trotz der engen Verwandtschaft als shōkon-Schreine sind nach 1952 auch keine Tendenzen einer formalen organisatorischen Verbindung zwischen Yasukuni und den Landesverteidigungsschreinen feststellbar, auch wenn es regelmäßige und enge Konsultationen gab.192 Diese fortdauernde formale Unabhängigkeit war wiederum eine strukturelle Voraussetzung für die relativ starke regionale Diversifizierung der Schreine, die sich vor allem in der unabhängigen Praxis der Einschreinungen zeigt. In zwei zentralen Punkten weichen eine ganze Reihe von gokoku-Schreinen hier inzwischen von der Überlieferung des Yasukuni ab. Erstens wurden ehemalige Gegner des kaiserlichen Regierung und damit des Tennō (vor allem aus der Bakumatsu- und frühen Meiji-Zeit) in die Tradition der shōkon-Schreine integriert und in Landesverteidigungsschreinen zu kami erhoben. Beispiele hierfür sind Saga und Kumamoto. In Saga etwa wurden 1953 die Seelen von Etō Shinpei und Shima Yoshitake, der Anführer des Saga-Aufstandes von 1874, und ihrer Anhänger eingeschreint,193 in den Landesverteidigungsschrein von Kumamoto die Seelen von 124 Opfern des Shinpū-ren-Aufstandes von 1876 und von 322 gefallenen Aufständischen des Südwest-Krieges.194 In beiden Regionen hatten sich die Gegner der Zentralregierung in Tōkyō – und hier insbesondere ihre Anführer – zu lokalen Helden entwickelt, die sich einer großen Popularität erfreuten (und erfreuen). Im Falle von Niigata erfolgte 1985 sogar die Integration der Gräber der Gefallenen der antikaiserlichen Truppen, als die sterblichen Überreste von 92 Kriegstoten in die Grabanlage des Gokoku jinja überführt wurden und 1988 ein „Stein zur Seelentröstung der Östlichen Armee im BoshinKrieg“ (Boshin-eki Tō-gun irei-hi) errichtet wurde (Abb. 49). Insofern kann man diese Praxis als Faktor wie Indikator für die regionale Verankerung der Schreine im Gegensatz zu den nationalen, zentralstaatlichen Vorgaben Tōkyōs werten. Die
192 Siehe zur Geschichte der Landesverteidigungsschreine Zenkoku gokoku jinja-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai 25-nen-shi; Gojū-nen-shi henshū iin-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai gojū-nen-shi. 193 Vgl. zur Verehrung der Opfer des Saga-Aufstandes Imai, Akihiko: Kindai Nihon to senshisha saishi, S. 145–196. Zum Gokoku jinja von Saga Saga-ken gokoku jinja: Saga-ken gokoku jinja shiori, Saga: Saga-ken gokoku jinja 1995. 194 Vgl. zur Verehrung der Opfer des Shinpū-ren-Aufstandes Imai, Akihiko: Kindai Nihon to senshi-sha saishi, S. 123–144; Hata, Ikuhiko: Yasukuni no sashin-tachi, S. 244–245. In Kagoshima, dem Zentrum des Satsuma-Aufstandes, wurde in der Taishō-Zeit ein eigener Schrein für die Aufständischen errichtet, der Nanshū jinja. Nach Aussage des Priesters Matsumoto Tadashi vom Landesverteidigungsschrein Kagoshima enthebe die Existenz dieses Schreines für Saigō Takamori und dessen Anhänger den gokoku jinja der Frage einer Einschreinung, die aber bei Nichtexistenz des Nanshū jinja sicher erfolgt wäre. Gespräch mit Matsumoto Tadashi am 27. Oktober 2012.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
zweite Abweichung stellt die Einschreinung von Menschen, die nach 1945 „im Dienst gestorben“ sind (junshoku-sha), dar. Hierbei handelt es sich primär um Angehörige der Selbstverteidigungsstreitkräfte, der Polizei oder der Feuerwehr. Diese Praxis ist unter anderem für die gokoku-Schreine von Ishikawa, Yamaguchi, Ehime, Kumamoto und Kagoshima nachweisbar.195
Abb. 49: Boshin-eki Tō-gun irei-hi, Niigata-ken gokoku jinja, Niigata (1988)
Im Falle von Kagoshima etwa geht diese Praxis auf die Besatzungszeit zurück.196 Im Gebäude der Präfekturverwaltung von Kagoshima hatte es bis zum Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges einen speziellen Schrein, den Asahizakura jinja (bzw. Kyokuō jinja), gegeben, in dem die Seelen von Polizisten und Feuerwehrleuten verehrt wurden, die in Ausübung ihrer Dienstpflichten ihr Leben verloren hatten. Nach Erlass der Shintō-Direktive MacArthurs wurde er jedoch nicht
195 Hata, Ikuhiko: Yasukuni no sashin-tachi, S. 242. 196 Vgl. hierfür und für das Folgende Kagoshima-ken gokoku jinja chinza hyaku-nen-sai jimukyoku (Hg.): Kagoshima-ken gokoku jinja go-chinza hyaku-nen ryakushi, Kagoshima: Fuchigami insatsu 1968, S. 25–26.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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zerstört, sondern in die Nachbarschaft des gokoku-Schreines (und des TerukuniSchreines für Shimazu Nariakira) in Terukuni-chō verlegt, die religiösen Aufgaben wurden von den Priestern des dortigen Landesverteidigungsschreines versehen. Als der Gokoku jinja 1948 neue Schreingebäude in Sōmuta-chō bezog, befürchtete man ein Verwildern des Asahizakura jinja, und nach Verhandlungen mit dem Leiter der Polizeibehörde der Präfektur kam man schließlich überein, die kami des Asahizakura-Schreines als „Nebengottheiten“ (aidono-gami) in den Gokoku jinja einzuschreinen. Das bedeutet, dass sie hier seit 1948 in einem speziellen „Gottkörper“ (shintai), der sich links neben dem Hauptschrein befindet, verehrt werden. Die offizielle Geschichte des Landesverteidigungsschreins von Kagoshima führt hierzu aus, dass sie sich zwar nicht für die Sache des Staates geopfert, aber ihr Leben für die Öffentlichkeit (kōkyō), konkret z. B. die Aufrechterhaltung von Frieden und Ordnung der Gesellschaft (shakai no chian iji) und den Schutz von Leben und Besitz, gegeben hätten, wofür sie „selbstverständlich die Dankbarkeit und Verehrung (kansha to sonkei) der gesamten Bevölkerung der Präfektur“ verdienten.197 Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich um 32, 1968 bereits um 131 und gegenwärtig um 146 Seelen von Polizisten und Feuerwehrleuten, die sukzessive in den folgenden Jahren eingeschreint wurden.198 Wiederum in einem getrennten Heiligtum rechts vom Hauptschrein werden seit 1965 die Seelen von Angehörigen der Jiei-tai, die im Dienst ihr Leben verloren haben, verehrt. Diese Praxis sei auf eine Initiative der Unterabteilung für die Präfektur Kagoshima der 1960 gegründeten Taiyū-kai („Vereinigung der Freunde der Streitkräfte“) zurückzuführen, die ihrerseits ein Zusammenschluss von Veteranen der Jiei-tai und von Hinterbliebenen von verstorbenen Mitgliedern der Selbstverteidigungsstreitkräfte darstellt.199 Unter Berufung auf das Beispiel anderer Schreine und die eigene Praxis der Einschreinung der Seelen der Polizisten und Feuerwehrleute stimmte der Schrein auch diesem Ansinnen zu. Auch wenn die Riten im Falle der beiden neuen Gruppen leicht von denen der Gefallenen vor 1945 abzuweichen scheinen, finden sich auch hier die Kernbestandteile des shōkon-Glaubens: In der Nacht wird eine Zeremonie zum Herbeirufen der Seelen (shōkon-sai no gi) durchgeführt, bevor sie in den Gottkörper eingeschreint und dadurch vergöttlicht
197 A. a. O., S. 25. Von einer gewissen Brisanz ist dabei die Formulierung „Aufrechterhaltung von Friede und Ordnung der Gesellschaft“. Das Gesetz zur Aufrechterhaltung von Friede und Ordnung (Chian iji-hō) von 1925 war vor 1945 eines der wichtigsten Instrumente zur Unterdrückung der bürgerlicher Freiheiten, insbesondere der Meinungsfreiheit. 198 Vgl. a. a. O., S. 26 sowie die offizielle Homepage des Schreines www.k-gokoku.or.jp/about/ index.html (zuletzt eingesehen am 04. Dezember 2012). 199 Kagoshima-ken gokoku jinja chinza hyaku-nen-sai jimu-kyoku (Hg.): Kagoshima-ken gokoku jinja go-chinza hyaku-nen ryakushi, S. 26.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
werden.200 Ursprünglich wurden die Seelen von 47 im Dienst verstorbenen Angehörigen der Jiei-tai im Gokoku-Schrein von Kagoshima verehrt, 1968 waren es 61 und heute sind es 105.201 Eine Veränderung der Praxis der Einschreinungen verlangte natürlich auch ein verändertes Prozedere bei der Entscheidung, wer (und wer nicht) zum Kreis der Einzuschreinenden gehört. Diejenigen Schreine, welche lediglich die Seelen der Kriegsgefallenen aus der Zeit vor 1945 in den Rang von Gottheiten erheben, etwa in Chiba, Shizuoka, Ōsaka oder Fukushima, folgen dabei in aller Regel weiterhin den Vorgaben des Yasukuni-Schreins, d. h. eine Einschreinung in den Yasukuni bildet hier die Voraussetzung für eine Erhebung in den regionalen Landesverteidigungsschrein. Die erfolgten Einschreinungen werden durch den Yasukuni jinja den gokoku-Schreinen regelmäßig schriftlich kommuniziert, woraufhin diejenigen Personen, deren Familienregister die eigene Präfektur als (letzten) Wohnort ausweisen, quasi automatisch binnen eines Jahres eingeschreint werden. In den übrigen Schreinen hingegen scheint – zumindest bis in die 1970er Jahre hinein – zusätzlich zu diesem Prozedere eine Bitte etwa von Angehörigen, der regionalen Zusammenschlüsse des Hinterbliebenenverbandes oder der Kameradenvereinigung Sen’yū-kai oder auch der Taiyū-kai genügt zu haben, um eine Einschreinung auszulösen. Nach der landesweiten Aufmerksamkeit, welche die Witwe von Nakaya Takafumi in ihren Prozessen gegen die Einschreinung ihres Mannes, eines Angehörigen der Selbstverteidigungsstreitkräfte, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und auf Wunsch seiner Eltern und der lokalen Taiyū-kai in den Gokoku jinja von Yamaguchi eingeschreint worden war, ausgelöst hat, scheint nun hingegen bei den Schreinen stärkere Vorsicht zu walten.202 In Kagoshima und Kumamoto etwa muss heute der juristisch nächste Angehörige eine entsprechende Bitte äußern.203 Die Frage nach den Motiven und Interessenlagen, welche das offene Abweichen einiger gokoku-Schreine von der Linie des Yasukuni jinja erklären, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden. Der Yasukuni selbst sprach sich auf einer Versammlung der „Nationalen Vereinigung der Landesverteidigungsschreine“ (Zenkoku gokoku jinja-kai) am 26. November 1963 in Person des Stellvertretenden Oberpriesters Ikeda Ryōhachi (amtierte 1948–1979) gegen
200 Gespräch mit Matsumoto Tadashi am 27. Oktober 2012. 201 Vgl. a. a. O., S. 26 sowie die offizielle Homepage des Schreines www.k-gokoku.or.jp/about/ index.html (zuletzt eingesehen am 04. Dezember 2012). 202 Vgl. zu diesem Fall O’Brien, David M.: To Dream of Dreams, S. 142–203. 203 Gespräch mit Matsumoto Tadashi am 27. Oktober 2012 und mit Sakamoto Yasuhiko und Nakamura Masaya am 28. Oktober 2012.
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eine Apotheose von Angehörigen der Jiei-tai aus, indem er darauf verwies, dass vor dem Krieg Militärs, wenn sie in Friedenszeiten ihr Leben verloren haben, nicht eingeschreint worden seien.204 Wahrscheinlich überlagern sich an dieser Stelle aus unterschiedlichen historischen Erfahrungen gespeiste Konflikte zwischen Zentrum und Peripherie, aber auch um Lehrinhalte und Deutungsangebote in Bezug auf den Tod für die Gemeinschaft. Das Beispiel der Aufnahme der Seelen der Polizisten und Feuerwehrleute im Falle Kagoshimas war eher der konkreten historischen Konstellation vor Ort geschuldet. Schließlich dürften auch materielle Interessen eine nicht unerhebliche Rolle spielen, gibt es doch Hinweise darauf, dass Einschreinungen eine nicht zu vernachlässigende Einkommensquelle für einen Schrein darstellen. Die veränderte Praxis der Einschreinungen an den Landesverteidigungsschreinen zeitigte drei Folgen, die auch für die Diskussion des politischen Totenkults in Japan nach 1952 insgesamt bedeutsam sind. Erstens brachte sie eine Erweiterung der gesellschaftlichen Basis des Schreins und eine stärkere regionale Verankerung mit sich. Damit sind sie zweitens Faktor wie Indikator einer zunehmenden regionalen und lokalen Diversifizierung des Gefallenengedenkens in der japanischen Öffentlichkeit. Eng damit zusammenhängend veränderte sie drittens die gesellschaftliche Funktion der Schreine. Sie dienen – sofern sie nicht an der politischen und religiösen Engführung des Yasukuni-Schreines festhalten – damit nicht mehr ausschließlich der Erinnerung und Vergöttlichung von Toten von inzwischen lange zurückliegenden Kriegen, sondern verschmelzen die klassischen Deutungsmuster der Vorkriegs- und Kriegszeit (Tod für den Tennō im Kampf) mit neueren Konzepten wie dem Tod für das Land, die Öffentlichkeit (kōkyō) oder die Gesellschaft (shakai). Damit stehen einige der Landesverteidigungsschreine durch die Parallelisierung des Militärs mit anderen Berufsgruppen auch für eine Neuausrichtung des Totengedenkens, welche die Exklusivität des Gefallenengedenkens überwindet. Zugleich bilden die gokoku jinja selbst regional einen in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzenden öffentlich genutzten Raum.205 Nicht selten sind mit ihnen soziale Einrichtungen oder auch Verwaltungseinrichtungen des Hinterbliebenenverbandes oder der Vereinigung der Kriegskameraden Sen’yū-kai, kleinere und mittlere Museen, aber durchaus auch (wie etwa in Tsu in der Präfektur Mie) Abgeordnetenbüros der LDP verbunden. Die Museen stellen meist militärische Paraphernalia, persönliche Erinnerungsstücke wie Photos, Abschiedsbriefe, Uniformen u. ä. von Gefallenen, aber auch Erinnerungsstücke von unterschiedlichen
204 Zenkoku gokoku jinja-kai: Zenkoku gokoku jinja-kai 25-nen-shi, S. 114. Siehe auch Hata, Ikuhiko: Yasukuni no saishin-tachi, S. 240. 205 Shirakawa, Tetsuo: 1930–1950-nendai ‚senbotsu-sha irei‘ no dōkō, S. 154–160.
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Abb. 50: Dai-Tōa seisen daihi, Ishikawa-ken gokoku jinja, Kanazawa (2000)
Aktivitäten im Kontext des Gefallenengedenkens nach 1945 wie Dokumentationen über Expeditionen zur Rückführung sterblicher Überreste nach Japan aus und bieten oft auch Möglichkeiten zur Recherche über Kriegstote wie Namenslisten usw.206 Damit knüpften sie an Meiji-zeitliche Traditionen wie die Gyo-fu im Kaiserpalast von Tōkyō oder das Yūshū-kan im Yasukuni-Schrein an, die ebenfalls die Gefallenen als Soldaten repräsentieren und ihnen vor allem mit der Ausstellung von Photographien buchstäblich ein Gesicht gaben bzw. geben. Schließlich finden sich an den Landesverteidigungsschreinen meist zahlreiche Denkmäler, die hier von lokal und regional verwurzelten Veteranen- oder spezifischen Hin-
206 Im Falle des Gokoku jinja von Kagoshima wurde ein solches Museum als Itoku kenshō-kan („Gebäude zum Ruhme der bleibenen Verdienste [der Gefallenen]“) 1966 aus Anlaß des einhundertsten Jubiläums der Schreingründung errichtet. Die Kosten beliefen sich auf 8 Millionen Yen. Vgl. Kagoshima-ken gokoku jinja chinza hyaku-nen-sai jimu-kyoku (Hg.): Kagoshima-ken gokoku jinja go-chinza hyaku-nen ryakushi, S. 23.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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Abb. 51: Denkmal für Feuerwehrleute, die im Dienst ums Leben gekommen sind, Kagoshima-ken gokoku jinja, Kagoshima (1979)
terbliebenenvereinigungen errichtet wurden und werden. Typisch ist auch die Stiftung spezieller Bäume, die an eine Organisation oder ein Ereignis erinnern sollen und meist mit einer entsprechenden Gedenkplakette oder -tafel versehen sind. Bisweilen markiert die Denkmalsstiftung dabei einen letzten Schritt vor der Auflösung einer Vereinigung, eine Tendenz, die insbesondere bei Unterorganisationen der Sen’yū-kai durch die sinkende Zahl der Mitglieder in den letzten Jahren zunehmend zu beobachten ist, oder den Übergang von der gegenwartsorientierten aktiven Unterstützung von Mitgliedern hin zu einer zukunftsorientierten Erinnerungsarbeit. Auch hier ist die Bandbreite der durch die Denkmäler repräsentierten Deutungen des Krieges und soldatischen Sterbens sehr groß. Sie reicht von affirmativen Interpretationen, dessen berühmtestes Beispiel sicher der „Große Stein des heiligen Großostasiatischen Krieges“ (Dai-Tōa seisen daihi) im Gokoku jinja von Kanazawa (vgl. Abb. 50) über heroische Darstellungen der Kamikaze-Piloten bis hin zu Friedensdenkmälern, wie im Landesverteidigungsschrein von Fukuoka, das eine Familie und Tauben als Symbole des Friedens darstellt.207 Inzwischen werden an den Landesverteidigungsschreinen auch Denkmäler für verstorbene Feuerwehrleute oder Polizisten errichtet (vgl. Abb. 51). Die Tatsache, dass die Schreine einen öffentlich genutzten Raum darstellen, markiert die verhältnismäßig enge Vernetzung der Orte des Gefallenengedenkens mit Teilen der japanischen Gesellschaft. Für die Schreine dürfte die Aufrechter-
207 Zum Dai-tōa seisen daihi siehe Saaler, Sven: Politics, Memory and Public Opinion, S. 112–114.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
haltung dieser Funktion geradezu überlebenswichtig sein, verfügen sie doch in aller Regel über keine eigene, geographisch klar umrissene Schreingemeinde (ujiko).208 So tragen bereits jetzt augenscheinlich entsprechende Organisationen wie lokale und regionale Unterabteilungen der Hinterbliebenen- und Kameradenvereinigungen, aber auch Einheiten der Selbstverteidigungsstreitkräfte wesentlich zur Finanzierung etwa von Unterhalts- und Baumaßnahmen bei.209 Jedoch muss in Anbetracht der Altersstruktur offenbleiben, wie lange dies noch trägt. Vor diesem Hintergrund ist auch die Strategie nahezu aller Landesverteidigungsschreine, auch klassische Aufgaben eines Shintō-Heiligtums wahrzunehmen, zur Sicherung der ökonomischen Basis und zur Vergrößerung der gesellschaftlichen Trägerschaft wahrscheinlich unausweichlich.210 Dazu werden heute auch traditionelle shintōistische Zeremonien durchgeführt wie der erste Besuch eines Neugeborenen beim Schrein (hatsu-miya mode) oder Hochzeitsriten, Rites des passages wie das 7-5-3-Fest für Kinder oder Feiern zum Erwachsenwerden (seijin no o-iwai), die Segnung neuer Autos oder von Grundstücken vor dem Bau eines neuen Gebäudes (jichin-sai) usw. Denkmäler. Eine umfassende Analyse der Entwicklungen in der japanischen Denkmalslandschaft in Bezug auf Gefallene nach 1952 steht noch aus. Gesamtaufnahmen der Denkmalslandschaft liegen bisher nur für ausgewählte Präfekturen vor, welche jedoch den jeweils aktuellen Stand wiedergeben, so dass eine Auswertung in Hinblick auf Veränderungen – etwa die Neuerrichtung von zwischen 1945 und 1948 abgebauten Denkmälern, Verlagerungen, Veränderungen der visuellen Botschaft usw. – nicht hinreichend systematisch ausgewertet werden können.211 Trotzdem wird im Folgenden versucht, in einem explorativen
208 Aus diesem Grund spielen für shōkon-Schreine sog. hōsan-kai (Unterstützungsvereinigungen) eine besondere Rolle. Anders als bei den ujiko, die sich primär über lokale Zugehörigkeit (also ähnlich der europäischen Kirchgemeinde auf dem Lande) bilden, haben die hōsan-kai eher Vereinscharakter. 209 Zu diesem Komplex gibt es kaum öffentlich zugängliche Quellen, doch geben Stiftertafeln oder -inschriften Hinweise auf die Herkunft finanzieller Mittel. Im Falle des Gokoku jinja der Präfektur Miyazaki etwa finden sich hier neben der Assoziation der Shintō-Schreine der Präfektur Miyazaki, oder Abgeordneten des Unter- und Oberhauses Firmen und mehrere, in und bei Miyazaki stationierte Einheiten (Offizieren und Mannschaften) der Selbstverteidigungsstreitkräfte. 210 Das 7-5-3-Fest ist ein Fest, das jährlich am 15. November begangen wird. Bei diesem Fest besuchen Kinder, die 7, 5 oder 3 Jahre alt geworden sind, mit ihren Eltern einen Schrein, um einerseits für die zurückliegenden Jahre zu danken und andererseits für Gesundheit und Wohlergehen in den nächsten Jahren zu bitten. 211 Vgl. für das Folgende Yasukuni jinja (Hg.): Tōkyō-to chūkon-hi nado konryū chōsa-shū; Ders.: Kanagawa-ken chūkon-hi nado konryū chōsa-shū; Kokuritsu rekishi minzoku hakubutsu-
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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Zugang an Hand der vorliegenden Daten einen Überblick über die Entwicklungen nach 1952 zu geben. In einem noch weit höherem Maße als im Falle der Landesverteidigungsschreine ist die regionale und lokale Diversifizierung das wichtigste Charakteristikum der Denkmalsstiftung. Entsprechend bilden die Denkmalslandschaft in Japan insgesamt und die Pluralität ihrer Stifter geradezu paradigmatisch die gesamte Breite der gesellschaftlichen Positionen zu Krieg und Militär und auch der unterschiedlichen Trägergruppen des Totenkultes ab. Dabei bilden die chūkon-hi („Stein für die loyalen Seelen“), welche sich in der Meiji-Zeit zur vorherrschenden Denkmalsform in Bezug auf die Gefallenen entwickelt hatten und die integraler Bestandteil der klassischen Deutungsangebote soldatischen Sterbens aus der Zeit vor 1945 waren, heute die mit Abstand größte Kategorie von Gefallenendenkmälern. In Tōkyō, wo es eine relativ hohe Bandbreite an Denkmälern gibt, gehören gegenwärtig ca. 20 % aller Gefallenendenkmäler zu dieser Gruppe; in den Regionen liegt ihre Zahl noch deutlich höher, in den übrigen Präfekturen des Großraumes Kantō z. B. knapp unter 50 %.212 Da zwischen 1945 und 1948 landesweit mehrere tausend chūkon-hi abgerissen oder abgebaut wurden, bedeutet dies im Gegenzug, dass nach 1952 eine Vielzahl der chūkon-hi wiedererrichtet wurden. Hinzu kommen Denkmäler, welche zwar differierende Inschriften tragen, aber ebenfalls dem shōkon-Glauben bzw. Konzepten der Vorkriegs- und Kriegszeit verpflichtet sind, wie „Steine zum Herbeirufen der Seelen“ (shōkon-hi), kleine und kleinste shōkon-Schreinanlagen, die eher Denkmals- als Schreincharakter aufweisen, die „Grabmäler für die loyalen Seelen“ (chūrei-tō), die am Übergang von Denkmal und Grabanlage angesiedelt sind, oder auch „Denkmäler für die Mär-
kan (Hg.): Kin-gendai no sensō ni kan-suru kinen-hi; Chiba-ken gokoku jinja/Ebine, Isao: Chibaken no chūkon-hi; Gunma-ken gokoku jinja/Ebine, Isao: Gunma-ken no chūrei-tō nado; Ebine, Isao: Sensō no ishibumi; Ders.: Chūkon-hi; Shizuoka-ken gokoku jinja: Shizuoka-ken chūkon-hi nado zenshū; Zaidan hōjin Yamaguchi-ken izoku renmei: Furusato to chūkon-hi. Inzwischen liegt mit der am Institut für Politikwissenschaft und Japanologie im Sommer 2012 entstandenen Magisterarbeit von Martin Wandt zur Genese der Denkmalslandschaft auf Okinawa nach 1945 eine Studie zu einer weiteren Präfektur vor. Wegen der spezifischen Rahmenbedingungen Okinawas vor und nach 1945 – Okinawa als einer der wenigen Orte in Japan mit der Erfahrung einer Landschlacht, die extrem hohe Vermischung ziviler und militärischer Opfer, die historische Erfahrung der späten Integration in den japanischen Staat Ende der 1870er Jahre, dem Problem der regionalen Identität und der Zugehörigkeit zu Japan, abweichende religiöse und kulturelle Traditionen, schließlich die Persistenz der amerikanischen Besatzung bis 1972 – muss Okinawa als Sonderfall gewertet werden und wird deshalb im Folgenden nicht systematisch berücksichtigt. Siehe zur Denkmalslandschaft auf Okinawa auch Zaidan hōjin Okinawa-ken heiwa kinen zaidan (Hg.): Okinawa no irei-tō, hi; Kitamura, Tsuyoshi: Shisha-tachi no sengo-shi. 212 Yasukuni jinja (Hg.): Tōkyō-to chūkon-hi nado konryū chōsa-shū, S. 272.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
tyrer für das Land“ (junkoku-hi). In der Präfektur Kanagawa machen diese neben 26 % chūkon-hi zusammengenommen ebenfalls ca. 26 % aus, in Chiba stellen sie neben 33 % chūkon-hi weitere 17 %, womit auch in diesen beiden Präfekturen etwa die Hälfte aller Denkmäler für Gefallene den klassischen Konzepten des politischen Totenkultes verpflichtet sind.213 Als neue Kategorien haben sich nach 1952 vor allem zwei Typen von Denkmälern etabliert: zum einen die irei-hi („Stein zur Seelentröstung“), zum anderen Gefallenendenkmäler, die einen direkten Bezug zum Frieden in ihrem Namen tragen (z. B. heiwa kinen no hi, „Stein zum Gebet für den Frieden“). Die erste Kategorie gilt heute oft als neutrale, d. h. nichtreligiöse und nichtpolitische Form der Erinnerung. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass dies auch bei den irei-hi keineswegs zutrifft. Zum einen verweisen sie mit dem Konzept der Seelentröstung auf ein genuin religiöses Konzept, zum anderen unterscheiden sich weder die Denkmalsgestaltung noch die Memorialpraxis signifikant von der Kategorie der chūkon-hi. Auch hier werden meist die individuellen Namen von Kriegstoten genannt, und auch hier werden aus Anlass von Gedenk- und Trauerfeiern in aller Regel religiöse Zeremonien von shintōistischen und buddhistischen Priestern vollzogen. Die irei-hi machen in Tōkyō heute ca. 15 % aller Denkmäler mit Bezug zu Kriegsgefallenen aus, in Kanagawa etwa 17 %, in Chiba 10 % und in Shizuoka 14,4 %. Denkmäler mit einem expliziten Friedensbezug sind im Vergleich dazu noch seltener vertreten, obwohl man in Anbetracht des Pazifismus in der japanischen Gesellschaft eine höhere Zahl erwarten würde. Tatsächlich weisen in Tōkyō lediglich 5 %, in Kanagawa 3 % einen Bezug zum Frieden auf. In Shizuoka tragen sogar nur 17 Denkmäler den Begriff „Frieden“ (heiwa) im Namen, zwölf davon sind „Fundamente des Friedens“ (Heiwa no ishizue). Eine sehr untergeordnete Rolle nehmen schließlich Denkmäler ein, die explizit dem buddhistischen Totengedenken verpflichtet sind (kuyō-tō, kuyō-hi usw.). In Tōkyō etwa gehören lediglich 3 %, in Shizuoka 0,75 % aller Denkmäler mit Bezug zu Kriegsgefallenen zu dieser Kategorie. Diese Zahlen belegen, dass sich in der japanischen Denkmalslandschaft die von den klassischen Deutungsmustern soldatischen Sterbens abweichenden Denkmalsformen bisher nicht durchgesetzt haben. Neben den Bezügen kann man die Denkmäler auch in Hinblick auf die Frage, wer konkret erinnert wird, differenzieren. Die Mehrheit der Denkmäler hat dabei
213 Diese und die folgenden Daten nach Yasukuni jinja: Kanagawa-ken chūkon-hi nado konryū chōsa-shū; Chiba-ken gokoku jinja/Ebine, Isao: Chiba-ken no chūkon-hi. Yasukuni jinja: Tōkyōto chūkon-hi nado konryū chōsa-shū; Chiba-ken gokoku jinja/Ebine, Isao: Chiba-ken no chūkonhi; Shizuoka-ken gokoku jinja: Shizuoka-ken chūkon-hi nado zenshū.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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einen geographischen Bezug, d. h. erinnert werden Gefallene aus einer bestimmten Gemeinde, Präfektur usw. In diesem Falle sind die Stifter meist Gruppen, die ebenfalls einen Bezug zu dieser Entität aufweisen: hierbei kann es sich um Verwaltungen der Heimatgemeinde handeln oder die Unterorganisation des Hinterbliebenenverbandes o. ä. Auch ikonographisch weisen diese Denkmäler oft einen Bezug zur „Heimat“ auf, indem sie die bildlichen Symbole der Herkunftsregion aufgreifen.214 Daneben hat sich als zweiter Typus das Denkmal für spezifische Opfergruppen etabliert. Hierzu zählen Denkmäler für die Opfer einer militärischen Einheit (eines Regiments, eines Schiffes, einer Kamikaze-Einheit usw.) oder auch die Opfer eines bestimmten militärischen Ereignisses (den Gefallenen der Schlacht um Iō-jima bzw. Iwo jima, der Schlacht im Golf von Leyte o. ä.). Hier erfolgen Denkmalsstiftungen meist durch Veteranenverbände, die in aller Regel aus ehemaligen Angehörigen der betroffenen militärischen Einheiten und aus Hinterbliebenen bestehen. Ikonographisch sind auch hier Bezüge zum jeweiligen Truppenverband wie ein Anker oder ein Schiffsmast für die Marine oder ein Propeller oder eine Tragfläche für eine Einheit der Heeres- oder der Marineflieger nicht unüblich. Schließlich sind zwei Sonderformen zu verzeichnen. Zum einen gibt es in Japan mehrere Denkmäler für hingerichtete Kriegsverbrecher. Hierzu zählt etwa die 1960 errichtete Grabanlage der sieben Hauptkriegsverbrecher auf dem Sangane-san in der Präfektur Aichi. Ein weiteres Beispiel ist eine Denkmalsanlage für die hingerichteten Kriegsverbrecher im Oku-no-in auf dem Kōya-san, der seit dem Altertum berühmtesten und wichtigsten Grabanlage Japans und damit an einem hochsymbolischen Ort. Dabei verdeutlicht bereits die Namensgebung die Distanzierung von den Urteilen der Militärstrafgerichtshöfe: Die Hingerichteten werden als „Märtyrer der Shōwa-Zeit“ (Shōwa junnan-sha) und als hōmushi (wörtlich „Tote des Rechtssystems“) bezeichnet; das Denkmal trägt entsprechend den Namen „Gedenkstein für die Toten des Rechtssystems und Märtyrer der Shōwa-Zeit“ (Shōwa junnan-sha hōmu-shi tsuitō-hi). Dem Standort entsprechend ist dieses Denkmal der buddhistischen Formensprache verpflichtet; zusätzlich werden in Inschriften die Namen aller knapp eintausend Hingerichteten bzw. bei der Verbüßung einer Haftstrafe Verstorbenen unter Berücksichtigung der regionalen Herkunft und des Landes, unter dessen Jurisdiktion sie standen, genannt.
214 Dies belegen besonders eindrücklich die zahlreichen Denkmäler der verschiedenen Präfekturen auf Okinawa, die sich vor allem in Mabuni/Itoman konzentrieren. So ahmen etwa die Denkmäler der Präfekturen Shizuoka die Gestalt des Fuji-san und der Präfektur Fukushima des Bandai-san nach, das Denkmal Hokkaidōs repräsentiert die Umrisse der Insel und Schneekugeln. Am Aufgang zum Denkmal der Präfektur Aomori findet sich schließlich ein großer steinerner Apfel, für den Aomori berühmt ist usw.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
Auch Verurteilte aus den ehemaligen Kolonien werden unter der jeweiligen Herkunft (Taiwan, Korea usw.) gleichberechtigt angeführt, d. h. dem multiethnischen Charakter des japanischen Kaiserreiches Rechnung getragen (vgl. Abb. 58 und Abb. 59). Letztlich sind auch die Denkmäler für Radhabinod Pal in diese Kategorie einzuordnen. Pal vertrat als Richter Indien am Tōkyō-Tribunal. Sein vom Mehrheitsvotum abweichendes Urteil wird von konservativen Kreisen heute gern als Beleg für die vermeintliche Ungerechtigkeit der Kriegsverbrecherprozesse gegen Japaner herangezogen. Entsprechende Denkmäler finden sich etwa im YasukuniSchrein oder im Gokoku jinja von Kyōto.
Abb. 52: Shōwa junnan-sha hōmu-shi tsuitō-hi, Kōya-san, Präfektur Wakayama (1994)
Abb. 53: Shōwa junnan-sha hōmu-shi tsuitō-hi, Kōya-san, Präfektur Wakayama (1994) Gedenksteine mit individuellen Namensnennungen von als Kriegsverbrechern Hingerichteter
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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Eine weitere Besonderheit der Denkmäler liegt darin, dass auch die Hinterbliebenen (in Gestalt der Izoku-kai) für sich selbst Denkmäler errichtet haben, die meist eine Mutter mit einem oder mehreren Kindern darstellen. Damit soll insbesondere an die Not der Nachkriegszeit erinnert und den Kriegerwitwen für ihren Einsatz für die Kinder gedankt werden (vgl. Abb. 54).
Abb. 54: Statue der Mutter, Nagasaki-ken gokoku jinja, Nagasaki
In Bezug auf den Zeitpunkt der Errichtung schließlich ist signifikant, dass sowohl in der Präfektur Tōkyō als auch in der Präfektur Kanagawa der Höhepunkt der Denkmalserrichtung in der Zeit unmittelbar nach der Wiedererringung der Souveränität und damit direkt nach dem Wegfall der juristischen Beschränkungen für die Errichtung neuer Denkmäler durch die Besatzungsmacht lag (vgl. Abb. 55 und 56). Insgesamt lässt sich – verallgemeinert man die vorliegenden Befunde – festhalten, dass es zwar heute sehr unterschiedliche Denkmalsformen gibt, darunter aber diejenigen Denkmäler, die den Formen des klassischen politischen Totenkultes aus der Zeit vor 1945 verpflichtet sind, die Mehrzahl bilden. Entsprechend kam es in der Vergangenheit auch in Bezug auf die Denkmäler für Kriegsgefallene wiederholt zu Konflikten, bei denen insbesondere Fragen der finanziellen Unterstützung für die (Wieder-)Errichtung, den Unterhalt und die Durchführung von Riten thematisiert und die vor allem vor Gerichten ausgetragen wurden. Landesweite Aufmerksamkeit erreichten dabei die sog. Minoo-Prozesse, die letztlich erst durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes entschieden wurden.215 Dabei waren
215 Vgl. zu den Minoo-Prozessen v. a. Tanaka, Nobumasa: Han-chū. Kamisaka Satoshi no nanajū-ni-man-ji, Tōkyō: Ichiyō-sha 1996; O’Brien, David M.: To Dream of Dreams, S. 98–141.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
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Anzahl der errichten Denkmäler
35 30 25 20 15 10 5 0 1946
1951
1956
1961
1966
1971
1976
1981
1986
1991
Jahr
Abb. 55: Denkmalsstiftungen in der Präfektur Kanagawa, 1946–1995 (Daten nach Yasukuni jinja (Hg.): Kanagawa-ken chūkon-hi nado konryū chōsa shū)
die Konfliktlagen ähnlich wie bei den Auseinandersetzungen um den YasukuniSchrein: Die Lokalverwaltung der Stadt Minoo (Präfektur Ōsaka) hatte die Umsetzung des dortigen chūkon-hi auf einen Platz gegenüber der örtlichen Grundschule finanziert. Hierauf erhoben zwei Anwohner (Kamisaka Satoshi und Reiko) Klage, es handele sich bei dieser Praxis um einen Verstoß gegen das Verfassungsgebot der Trennung von Staat und Religion und des Verbotes der staatlichen Unterstützung für religiöse Einrichtungen.216 Hierüber entspann sich eine über beinahe zwei Jahrzehnte andauernde Abfolge von Prozessen, bei der zum einen um die Frage des religiösen Charakters der chūkon-hi gestritten wurde, zum anderen um die Frage, ob der Hinterbliebenenverband, die lokale Verwaltung und andere Trä-
216 Die ursprüngliche Klageschrift aus dem Jahre 1976 ist abgedruckt in Chūkon-hi fu-shūkyo ihō kakunin seikyū jiken sojō zenbun, In: Minoo chūkon-hi iken soshō o shien suru kai (Hg.): Minoo chūkon-hi iken soshō kiroku dai-is-shū (1986), S. 1–23.
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16 14
Anzahl der errichten Denkmäler
12 10 8 6 4 2 0 1946
1951
1956
1961
1966
1971
1976
1981
1986
1991
Jahr Abb. 56: Denkmalsstiftungen in der Präfektur Tōkyō 1946–1995 (Daten nach Yasukuni jinja (Hg.): Tōkyō to chūkon-hi nado konryū chōsa shū)
gergruppen in der Durchführung von religiösen Zeremonien am „Stein für die loyalen Seelen“ nicht das Pazifismusgebot der Verfassung verletzten, und drittens, ob es sich beim Hinterbliebenenverband selbst um eine religiöse Organisation handele. Dabei entwickelten sich die Prozesse zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung um die lokale Gedenkpraxis. Entsprechend wurden die Kamisakas bald von den Oppositionsparteien, regierungskritischen Anwälten und dem sozialistischen Lager zuzurechnenden Wissenschaftlern unterstützt, während der örtliche Hinterbliebenenverband die Macht der landesweiten Vereinigung, der Lokalverwaltung und der LDP, die sich auch auf nationaler Ebene engagierte, hinter sich wusste. Zwar erhielten die Kamisakas in der ersten Instanz Recht, doch wurden in den höheren Instanzen und schließlich in einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1993 und des Landgerichts Ōsaka von 1994 die Urteile wieder aufgehoben. Auch wenn damit juristisch die Gedenkpraxis an Denkmälern sanktioniert wurde, bleibt auch sie bis heute umstritten.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
6.3.2 Die Ehrung der Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte Ähnlich widerspruchsvoll – in einer Gemengelage aus säkularen und religiösen Gedenkformen und einer Mischung aus traditionellen und neuen Formen der Gefallenenehrung – gestaltete sich nach 1950 der Umgang mit den Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte (Jiei-tai), also der Soldaten des demokratischen japanischen Staates der Gegenwart. Die fehlende Sichtbarkeit der Jiei-tai in der japanischen Öffentlichkeit, die einen grundlegenden Unterschied zur Zeit vor 1945 markiert und die auf das gespannte Verhältnis der Gesellschaft zu den Streitkräften zurückzuführen ist, spiegelt sich dabei auch in der Totenehrung. Sie ist im Wesentlichen eine binnenmilitärische Praxis, die nur punktuell zur Gesellschaft geöffnet ist.
Abb. 57: Sōkai junshoku-sha kenshō-hi, Konpira-gū, Takamatsu, Präfektur Kaga (1952)
Die strikte Begrenzung auf die Landesverteidigung und seit den 1990er Jahren auf friedenserhaltende Maßnahmen im Rahmen der Vereinten Nationen (zunächst durch Polizeikräfte, seit der Operation „Enduring freedom“ auch der Selbstverteidigungsstreitkräfte) führte dazu, dass Japan bis heute selbst beim Einsatz im Irak keine Toten bei Kampfeinsätzen, sondern lediglich bei Unfällen bzw. Suizid-
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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opfer zu beklagen hat. Eine Sonderrolle nehmen dabei allerdings die Seeminenräumverbände (sōkai-tai bzw. sōkai butai) der Seestreitkräfte der Jiei-tai ein, die übrigens als einzige militärische Einheit über eine direkte Kontinuität zur Kaiserlichen Marine verfügt. Sie wurden auch nach dem August 1945 zur Räumung der Seewege um Japan eingesetzt und waren auch am Korea-Krieg beteiligt. Für die 77 Toten, die diese Einheiten in der Besatzungszeit (und im Korea-Krieg) zu beklagen hatten, wurde bereits im Juni 1952 ein „Stein zur Ehrung der im Dienst ums Leben gekommenen Angehörigen der Seeminenräumung“ (Sōkai junshokusha kenshō-hi) errichtet (Abb. 57), der die unterschiedlichen und widersprüchlichen Dimensionen der Totenehrung der Jiei-tai eindrucksvoll belegt. Als Standort wurde dabei die Schreinanlage des Konpira-gū (bzw. Kotohira-gū) in der Präfektur Kaga gewählt, ein Heiligtum, das seit dem Altertum eine besonderen Stellenwert für die Seefahrt genießt. Neben dem Standort verweisen auch zwei Votivlaternen (tōrō) auf religiöse Bezüge. Als Stifter des Denkmals fungierten neben dem Gouverneur der Präfektur Hyōgō die Bürgermeister von 32 Hafenstädten; ikonographisch lehnt es sich an die etablierten Muster der Zeit vor 1945 an, d. h. es handelt sich um einen naturbelassenen Stein, dessen Inschrift von Premierminister Yoshida Shigeru verfasst wurde. Die Namensgebung hingegen verweist auf das Neuartige in der Totenehrung, insofern als nun von Menschen, die im Dienst ums Leben gekommen sind (junshoku-sha), gesprochen wird, die geehrt (kenshō) werden sollen. Auf seiner Rückseite finden sich eine goldfarbene Plakette, in die die Namen der Toten eingraviert sind, sowie eine weitere Plakette, die über die Entstehungsgeschichte des Monuments Auskunft gibt. Dabei werden die Toten als „Fundamente des Wiederaufbaus des Staates“ (kokka saiken no soseki) repräsentiert. An den Seiten des großzügig vor dem Denkmal angelegten Platzes, der für Zeremonien genutzt wird, wurden Kirschbäume aus Etajima angepflanzt, womit zum einen auf eines der berühmtesten Symbole für soldatischen Sterben, die Kirschblüte, und zum anderen mit der Herkunft der Bäume auf den Standort der Marineakademie und damit die Tradition der Kaiserlichen Marine verwiesen wird. Auch die jährliche „Gedenkzeremonie für die im Dienst ums Leben gekommenen Angehörigen der Seeminenräumung“ (Sōkai junshoku-sha tsuitō-shiki), die regelmäßig am letzten Sonnabend im Mai durchgeführt wird, belegt die Verankerung in der Tradition.217 Es handelt sich hierbei primär um ein militärisches Zeremoniell, bei dem aber auch Vertreter der Stiftergemeinden, lokale Politiker (wie der Abgeordnete des Wahlkreises in Tōkyō oder der Gouverneur bzw. dessen Vertreter), Hinterbliebene sowie Veteranen anwesend sind. Neben dem üblichen
217 Vgl. für das Folgende Dai 62-kai sōkai junshoku-sha tsuitō-shiki nado (online abrufbar unter www.mod.go.jp/msdf/mf/news/training/2013takamatsu.pdf, zuletzt abgerufen 15. April 2015).
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
militärischen Zeremoniell (Hissung der Flagge, Aufmarsch einer Ehrenformation, Abfeuern von Salutschüssen, Ansprachen usw.) sind dabei vor allem zwei Elemente bemerkenswert, die zum einen eine religiöse Dimension, zum anderen den Bezug zur militärischen Tradition vor 1945 veranschaulichen. In die Gedenkveranstaltung integriert bringen Shintō-Priester den Toten Opfergaben in Form von Lebensmitteln dar und führen religiöse Zeremonien wie das o-harai durch. Auch die rituelle Aufbewahrung der Namensliste der Toten erinnert z. T. an Praktiken im shintōistischen Kontext. Die Musik, die von der Militärkapelle gespielt wird, unterstreicht darüber hinaus ein ungebrochenes Traditionsbewußtsein: Hier finden sich neben dem populären „Schlachtschiffmarsch“ vor allem auch mit dem Umi yukaba („Fahre ich zur See“) oder dem Dōki no sakura („Kirschbäume des gleichen Jahrganges“) die beiden wohl berühmtesten Lieder des politischen Totenkultes aus der Zeit vor 1945. Der japanische Staat bemühte sich also sofort nach 1952, für die Toten der Jiei-tai Formen des Gedenkens zu etablieren, die traditionelle und neue Elemente verbanden, aber weitgehend im binnenmilitärischen Raum verblieben. Umso bemerkenswerter ist es, dass zwischen 1952 und 2002 in 16 Präfekturen von den insgesamt ca. 1.700 Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte nachweislich mindestens 553, also etwa 30 Prozent, zusätzlich in die jeweiligen Landesverteidigungsschreine eingeschreint wurden.218 Zwar wurden dabei die Einschreinungszeremonien augenscheinlich geringfügig abgeändert und sie erfolgen in besondere „Gottkörper“ (shintai), aber die Toten werden hier ebenfalls als gokoku no kami, als „Götter der Landesverteidigung“, verehrt.219 Damit werden sie faktisch den Kriegsgefallenen aus der Zeit vor 1945 gleichgestellt. In der Erinnerung knüpfte man mithin direkt an den religiös-militärischen Totenkult aus der Vorkriegs- und Kriegszeit an. Trotzdem sind mindestens zwei signifikante Unterschiede zu konstatieren. Erstens erfolgte bei den Toten der Jiei-tai keine Einschreinung in den Yasukuni jinja selbst. Entsprechende Initiativen von Angehörigen wurden bisher seitens des Yasukuni zurückgewiesen.220 Daraus abgeleitet ergibt
218 Hata, Ikuhiko: Yasukuni no saishin-tachi, S. 240. 219 Die Einschreinungen der Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte in die Landesverteidigungsschreine sind bisher kaum dokumentiert. Landesweite Aufmerksamkeit erreichte lediglich die Einschreinung von Nakaya Takafumi, der 1972 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam und dessen Witwe (eine Christin) sich erfolglos gegen die gōshi-Zeremonie im Landesverteidigungsschrein von Yamaguchi bis 1988 juristisch zur Wehr zu setzen suchte. Vgl. zu diesem Fall O’Brien: To Dream of Dreams, S. 142–203. Die Ausführungen an dieser Stelle stützen sich darüber hinaus auf Interviews des Autors mit Priestern an den Gokoku jinja von Kumamoto und Kagoshima im Oktober 2012. 220 Im Jahre 2006 beantragte der jüngere Bruder von Nakatani Sakatarō, einem Angehörigen
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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sich zweitens auch ein verändertes Prozedere der Einschreinung. Vor 1945 war es üblich, dass zunächst eine Einschreinung in den Yasukuni erfolgte, die ihrerseits erst nach Prüfung durch die Ministerien für Heer und Marine und auf Weisung des Tennō durchgeführt wurde. Die Einschreinung in den Yasukuni diente dann als Voraussetzung für eine Einschreinung in einen der gokoku jinja. Nach 1945 fiel diese Voraussetzung weg, so dass faktisch die Entscheidung über eine Einschreinung allein in die Hoheit des jeweiligen Schreines überging. Dies spiegelte auch den Sachverhalt wider, dass es sich bei den Landesverteidigungsschreinen auch formal juristisch um eigenständige Religiöse Körperschaften (shūkyō hōjin) handelt. Tatsächlich wurden die Einschreinungen nicht mehr durch staatliche Organe, sondern in der Regel durch Hinterbliebenenvereinigungen und die quasi regierungsamtlichen regionalen Veteranenverbände (Taiyū-kai) veranlasst, doch konnten sie hierbei auch explizit von den Selbstverteidigungsstreitkräften unterstützt werden. Die mögliche Konflikthaftigkeit einer solchen Einschreinung, die bei den juristischen Auseinandersetzungen um die Einschreinung von Nakaya Takafumi in den Gokoku jinja von Yamaguchi nach 1972 offensichtlich geworden war, führte schließlich zum einen zu einer Sensibilisierung der Schreine in Bezug auf die Frage, wer die Durchführung einer solchen Zeremonie veranlassen könne. Heute scheint sich die Praxis etabliert zu haben, dass die Zustimmung des auch juristisch nächsten Angehörigen als Voraussetzung angesehen wird. Zum anderen untersagten auch die Selbstverteidigungsstreitkräfte selbst ihren Angehörigen 1974, an der religiösen Verehrung toter Soldaten in Schreinen aktiv mitzuwirken.221 Seit der Beteiligung an friedenserhaltenden Maßnahmen im Rahmen der Vereinten Nationen in den 1990er Jahren gewann auch in Japan das Problem einer angemessenen Repräsentation der inzwischen über 1.700 Toten der Selbstvertei-
der japanischen Küstenwache, der 1950 während des Korea-Krieges bei der Explosion einer Seemine ums Leben gekommen war, als er auf Anforderung der US-Streitkräfte mit seiner Einheit an einer Minensuchaktion beteiligt war, die Einschreinung der Seele seines Bruders in den Yasukuni. Nach längeren Beratungen teilte der Yasukuni daraufhin mit, dass der Korea-Krieg momentan außerhalb der Bestimmungen für eine Einschreinung liege. Hata, Ikuhiko: Yasukuni no saishin-tachi, S. 226. 221 Vgl. den Erlass des Verteidigungsamtes Bō-jin 1 Nr. 5091 vom 19. November 1974: Shōwa yonjū kyū-nen jūichi-gatsu jūku-nichi bō-jin ichi dai-go-sen kyūjū ichi-gō bōei-chō jimu jikan kara kaku bakuryō-chō, tōgō bakuryō kaigi gichō, fuzoku kikan no chō, bōei shisetsu-chō chōkan ate tsūtatsu, In: Kokuritsu kokkai toshokan chōsa oyobi rippō kōsa-kyoku (Hg.): Yasukuni mondai shiryō-shū, S. 226.
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6 Nach der Rückgewinnung der Souveränität
digungsstreitkräfte – sei es in Form von Gedenkzeremonien, sei es in Form eines Denkmals – eine neue politische Dynamik. Kontrovers diskutiert wird seit einigen Jahren die Errichtung einer dezidiert weltlichen nationalen Gedenkstätte, die allerdings wegen eines möglichen Bedeutungsverlustes des Yasukuni auf heftigen Widerstand der rechten Kreise der LDP und konservativer Organisationen wie dem Hinterbliebenenverband trifft.222 Auch wenn 2003 ein Ausschuss am Amt des Premierministers die Einrichtung einer solchen Gedenkstätte als wünschenswert bezeichnete, ist an eine Realisierung in naher Zukunft nicht zu denken. Eine Zwischenlösung wurde im Jahre 2003 mit der Errichtung einer „Zone des Steins zur Seelentröstung von im Dienst ums Leben gekommenen Angehörigen der Selbstverteidigungsstreitkräfte“ (Jieitai junshoku-sha irei-hi chiku) auf dem Gelände des inzwischen zum Ministerium erhobenen Verteidigungsamtes in Ichigaya gefunden (vgl. Abb. 58). Im Zentrum dieser Anlage befindet sich ein „Stein zur Seelentröstung“ (irei-hi), der bereits 1980 durch Angehörige der Jiei-tai und Veteranen privat gestiftet worden war und nun in die neue Anlage integriert wurde. Er ist nicht öffentlich, sondern nur im Rahmen einer Führung durch das Ministerium zugänglich.
Abb. 58: Jiei-tai junshoku-sha irei-hi, Verteidigungsministerium, Tōkyō (1980/2003)
Die Reden, die aus Anlaß der Einweihungszeremonie dieser Anlage im Jahre 2003 vor Hinterbliebenen und Angehörigen der Streitkräfte gehalten wurden, bringen die Deutungsangebote des japanischen Staates zwischen säkularer Sinnstif-
222 Vgl. für das Folgende Schölz, Tino: „Heldenseelen“ und „Fundamente des Friedens“, S. 325–328.
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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tung und religiöser Konnotation klar zum Ausdruck. So formulierte etwa Ishiba Shigeru, Leiter des Amtes der Selbstverteidigungsstreitkräfte: „Die Jiei-tai haben seit ihrer Gründung im Jahre Shōwa 29 [1954] die erhabene Pflicht erfüllt, den Frieden und die Unabhängigkeit unseres Landes zu verteidigen und die Sicherheit des Landes zu bewahren. Heute werden ihre Aufgaben durch die Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus oder internationale friedenssichernde Maßnahmen usw. immer komplexer, und auch wir leisten einen großen Beitrag für die Bewahrung von Sicherheit und Frieden der internationalen Gemeinschaft, der unser Land angehört. Dies war nur möglich, weil jedem einzelnen Angehörigen der Jiei-tai diese Mission klar vor Augen steht und er diese Mission mit Selbstbewusstsein und Stolz und aller Kraft erfüllt hat. Vor diesem Hintergrund ist unvergesslich, dass es das ehrenvolle Opfer von Angehörigen der Selbstverteidigungsstreitkräfte gab, die leider ohne ihr Ziel zu erreichen Märtyrer ihres Berufes (Opfer ihrer Pflicht) wurden. Dieser irei-hi [Stein zur Seelentröstung] wurde Shōwa 55 [1980] durch Spenden der Soldaten errichtet, um die ruhmvollen Taten der zu Märtyrern ihres Berufes Gewordenen auf ewig zu verherrlichen (kenshō) und tiefe Ehrfurcht und Trauer zum Ausdruck zu bringen. Wie Sie sehen, formen die beiden Steine links und rechts die Gestalt des heiligen Berges Fuji, und bis jetzt werden hier 1726 „Pfeiler“ [hashira, Zählwort für Götter, i. e. Gefallene] verehrt.“223
Einerseits folgt man damit auch im Falle der Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte der für die Kriegsgefallenen geltenden semantischen Verschiebung hin zur Betonung des Friedens sowie der internationalen Verantwortung. Damit finden die außen- und sicherheitspolitischen Paradigmen Japans nach 1952 ihren Niederschlag. Mit dem Kampf gegen den Terrorismus oder den friedenssichernden Maßnahmen, die erst seit den 1990er bzw. 2000er Jahren auf der politischen Agenda stehen, werden auch aktuelle Handlungskontexte verdeutlicht und Sinnzuschreibungen vorgenommen. Zudem werden die militärischen Toten vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich problematischen Existenz von Streitkräften und der Tatsache, dass Japan bisher keine Opfer von Kampfeinsätzen, sondern lediglich Opfer von Unfällen oder Suizidopfer zu beklagen hat, nicht explizit als Gefallene erinnert, sondern letztlich in eine Reihe mit anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes gestellt, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen. Dies verdeutlicht etwa die Bezeichnung junshoku-sha. Insofern sind für Japan Dynamisierungen der Gefallenenehrung, wie sie etwa in der Bundesrepublik durch Kampfeinsätze im Ausland zu beobachten sind, bisher nicht zu konstatieren. Andererseits sind offene religiöse Bezüge auch bei der Ehrung der Toten der Jiei-tai am Ministerium für Selbstverteidigung nicht zu übersehen. So findet etwa
223 Takahashi, Tetsuya: Kokka to gisei, S. 49.
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das religiöse Konzept der Seelentröstung (irei) Verwendung, und Tote werden als „Pfeiler“ (hashira) bezeichnet. Hierbei handelt es sich um ein Zählwort für Götter, das auch vom Yasukuni für Kriegsgefallene benutzt wird. Schließlich wurde für den Bau der neuen Anlage innerhalb des Geländes des Verteidigungsamtes bewusst jene Stelle ausgewählt, an der vor dem Krieg der Schrein zur Verehrung der gefallenen Absolventen der ehemals an diesem Ort befindlichen Schule für Offiziersanwärter des Heeres (Yūken jinja) stand. Auch wurde das ehemalige Schreingebäude, in dem auch heute Opfergaben dargebracht werden, in die Anlage integriert (siehe Abb. 59). Somit verschränkt sich auch an dieser Stelle eine säkulare Sinnstiftung mit religiösen Konzepten und Orten.
Abb. 59: Yūken jinja, Verteidigungsministerium, Tōkyō
⁎⁎⁎ Auch zwei Generationen nach Kriegsende hat sich in Japan keine Form des Gedenkens an seine militärischen Toten entwickelt, die über die politischen Lager hinweg und auch durch das Ausland akzeptiert ist. Stattdessen ist Gefallenenehrung bis heute ein Konfliktherd, der in die allgemeine Auseinandersetzung um die Deutung der jüngeren Vergangenheit Japans eingebettet ist. Umstritten ist dabei sowohl die Frage, wer erinnert wird (und wer nicht), als auch die Frage, in welcher Form der Toten zu gedenken sei. Die von den konservativen Eliten des Landes und die sie stützenden gesellschaftlichen Gruppen getragene Politik des japanischen Staates, alle verurteilten Kriegsverbrecher in den Kreis der zu Ehrenden aufzunehmen und ihren Tod auf dem Schafott dem Tod von Soldaten auf dem Schlachtfeld gleichzustellen, während man die zivile Opfer im Inland wie die Bombenopfer des Asiatisch-Pazifischen Krieges zwar ehrt, sie aber von finanzieller Entschädigung ausschließt und ausländische Opfer kaum Erwähnung
6.3 Gefallenengedenken nach 1952
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finden, wird notwendig immer als Versuch gewertet werden, Japans imperiale und kriegerische Vergangenheit ex post affirmativ anzuerkennen und zu legitimieren. Das stößt sowohl im Inland als auch bei den ehemaligen Kriegsgegnern und den von Japan kolonialisierten Ländern auf Widerstand. Gleiches gilt für die Form der Totenehrung: solange sie in einer widersprüchlichen Gemengelage aus traditionellen und aktuellen Deutungsmustern sowie aus religiösen und säkularen Sinnzuschreibungen verbleibt, wird sie unverändert als Sinnbild des ambivalenten Verhältnisses Japans einerseits zu seiner Vergangenheit vor 1945, andererseits aber auch zum in den Jahren nach 1945 etablierten politischen System mit den Grundpfeilern Frieden und Demokratie und seinen in der Verfassung niedergelegten Grundsätzen wahrgenommen und interpretiert werden. Die für beide Konfliktfelder zu konstatierende enorm hohe Politisierung und ihre Funktion für die politische Mobilisierung dürften aber auch in naher Zukunft eine lagerübergreifende, im In- wie Ausland akzeptierte Lösung verhindern.
7 Bilanz 1. Die vorliegende Studie untersuchte die Herausbildung und Transformation des öffentlichen Gefallenenkultes in Japan vor dem Hintergrund des Wandels der politischen Verfasstheit der japanischen Gesellschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine Pfadänderung in der Geschichte des politischen Totenkultes wurde durch die Zäsur von 1945 mit der Niederlage im Asiatisch-Pazifischen Krieg und der sich anschließenden Demokratisierung erzwungen. Nach den beiden Teilpfaden differenziert lassen sich die wichtigsten Ergebnisse der Studie in den folgenden Punkten zusammenfassen. a) Der moderne Gefallenenkult in Japan formte sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Spannungsfeld von vier politischen Herausforderungen: außenpolitische Bedrohung, politische Instabilität im Inneren, gewaltsam ausgetragene innenpolitische Auseinandersetzungen, Ausbildung eines modernen Nationalstaates. Dabei erfolgte keineswegs eine „nachholende Übernahme“ eines westlichen Modells, das in Europa oder Nordamerika in den Revolutions- und nationalen Staatsbildungskriegen seit 1789 entstanden war. Vielmehr beschritt Japan einen eigenen Pfad zur Herausbildung eines politischen Totenkultes, dessen Geschichte sich in zwei Abschnitte mit der Zäsur von 1945 gliedern lässt. Sie entspricht damit der Entwicklung der nationalstaatlichen politischen Verfasstheit der japanischen Gesellschaft, die vor 1945 als autoritär-monarchische und nach 1945 als demokratische Ordnung zu charakterisieren ist. b) In seiner Genese baute der Gefallenenkult dabei zweitens auf teilweise sehr lang zurückreichenden, teilweise auch recht jungen historischen, religiösen und kulturellen Traditionen auf, die sich in der Spätphase der Edo- und der Bakumatsu-Zeit zunehmend verbanden und schließlich in einem sich radikalisierenden Umfeld eine gegen die politische Ordnung der Tokugawa gerichtete politische Dynamik gewannen. Als wichtige Traditionslinien wirkten dabei traditionelle monarchische Legitimationsmuster des Krieges, religiöse Konzepte und Praktiken wie die Besänftigung der Seelen, die Apotheose von Menschen oder die Entwicklung shintōistischer Bestattungsriten sowie schließlich der Heroenkult historischer Militärführer und Elemente der traditionellen Samurai-Ethik. Die Integration dieser traditionellen Elemente in das Gefallenengedenken erfolgte dabei keineswegs linear, sondern in Form eines komplexen, durch partielle Übernahme, Umbildung, Neuerfindung und Abgrenzung gekennzeichneten Prozesses. c) Dieser Entstehungskontext zeitigte drittens langfristige Folgen und prägte damit die Pfadstruktur des politischen Totenkultes zwischen 1868 und 1945.
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Hierzu gehörte zum einen die Persistenz von auf den Tennō hin ausgerichteten Legitimationsmustern, die zur zentralen Deutungsfigur sowohl des offiziellen Nationalismus in Form der kokutai-Ideologie und der Identitätskonstruktion der „Kaiserlichen Streitkräfte“ (tennō no guntai bzw. kōgun) als auch des staatlichen Gefallenengedenkens wurde. Tod und Kampf wurden hierbei primär auf den Monarchen bezogen und als Ausdruck der konfuzianischen Tugend Loyalität zum Herrscher (chū) verstanden. Die Ausrichtung auf den Herrscher war dabei weit umfassender als in zeitgenössischen westlichen Gesellschaften, wo sie zwar ebenfalls vorhanden war, wie etwa Formeln wie „Mit Gott für König und Vaterland“ oder „For King and Country“ belegen, im Totenkult des 19. Jahrhunderts aber zunehmend in Konkurrenz zu Ausrichtungen auf das Vaterland oder das Volk geriet und schrittweise an Bedeutung verlor. In Japan hingegen traten Konzepte wie der Kampf für das Volk, das Land oder den Staat vor der dominierenden monarchischen Deutung in den Hintergrund. Dementsprechend wurde der Gefallene nicht als moderner Staatsbürger oder Angehöriger der Nation (kokumin) erinnert, sondern primär als loyaler Untertan seines Herrschers (shinmin). Somit verblieben die offiziellen Deutungsfiguren des staatlichen Gefallenenkultes im Rahmen der autoritär-obrigkeitsstaatlichen, auf den Monarchen bezogenen politischen Verfasstheit des japanischen Nationalstaates. Anders als im europäischen Totenkult entwickelte er in Japan keine emanzipatorische, auf politische Teilhabe hin ausgerichtete Dynamik. Zum anderen blieb der moderne Totenkult in Japan doppelt exklusiv, was ebenfalls den Entstehungskontext des Bürgerkrieges von 1868/69 widerspiegelt. Lediglich die eigenen militärischen Opfer wurden Gegenstand der Ehrung, ausgeschlossen blieben sowohl die gegnerischen Gefallenen, die als Feinde der kaiserlichen Sache galten und in diesem Sinne als Verräter bezeichnet wurden, wie auch eigene zivile Opfer, deren Tod nicht Ausdruck selbstbestimmten loyalen Handelns war. Damit unterschied sich der Totenkult ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nachdrücklich von der vor- und frühmodernen, auf buddhistischen Vorstellungen aufbauenden Praxis der „Gleichheit von Freund und Feind“ (onshin byōdō) im Gedenken an Kriegstote. Schließlich war der Gefallenenkult als integraler Bestandteil des Staatsshintō in seinem Kern – auch dies im Gegensatz zu seinen genuin säkular geprägten westlichen Pendants – religiös. Bewusst griff man bei seiner Etablierung nicht auf buddhistische Totenzeremonien zurück, die seit Jahrhunderten den Umgang mit Verstorbenen in Japan dominiert hatten, sondern nutzte bestehende und entwickelte neue shintōistische Zeremonien, errichtete Heiligtümer und versah sie mit einer eigenen Priesterschaft. Auch institutionell war der politische Totenkult damit fester Bestandteil der Herrschaftsordnung. Das spezifisch religiöse Deutungsangebot bestand und
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besteht dabei in der Apotheose der Seelen der Gefallenen. Shintō-Priester rufen durch spezielle Zeremonien, die shōkon-Zeremonien, die Seelen zu einem shōkon-Schrein, wo sie durch die sich anschließende Zeremonie der Einschreinung (gōshi) einen festen Sitz erhalten, zum Gott erhoben und durch die Priesterschaft, den Tennō und die Bevölkerung verehrt werden. Dabei gilt der Schutz der kaiserlichen Herrschaft und des Landes als ihre originäre Aufgabe, weshalb sie als „Götter der Landesverteidigung“ (gokoku no kami) bzw. „Heldenseelen“ (eirei) bezeichnet werden. d) Trotz dieser fundamentalen Unterschiede sind aber viertens auch strukturelle Gemeinsamkeiten des staatlichen Gefallenengedenkens im Vergleich zu den westlichen Befunden festzustellen. Eine Gemeinsamkeit des japanischen Beispiels und den westlichen Ländern besteht in der Errichtung von Objekten und der Gestaltung von damit verbundenen Praktiken der Erinnerung, eine weitere in der alle ständischen Unterschiede aufhebenden Individualisierung. So wird zum einen im modernen politischen Totenkult in Japan ebenfalls seit der Mitte des 19. Jahrhunderts jeder einzelne Gefallene wenn möglich individuell auf einem Militärfriedhof und / oder in einem speziellen Einzelgrab (gunjin-baka) auf einem zivilen Friedhof bestattet und seiner in wiederkehrenden Festen und Gedenkzeremonien an der Front und in der Heimat gedacht. Zum anderen wird sein Name auf Denkmälern, in Listen usw., sein Abbild in Form von Photographien oder Plastiken verewigt. Auf der lokalen Ebene etablierten sich dabei nach dem Russisch-Japanischen Krieg die chūkon-hi („Steine für loyale Seelen“) neben Monumenten, die militärische Erfolge erinnern, als die mit Abstand wichtigste Denkmalsform, die bis heute den öffentlichen Raum dominiert. e) Fünftens brachten weder der Aufstieg Japans zu einer imperialen Großmacht in der zweiten Phase der Meiji-Zeit, die Aneignungen von Kolonien und damit der Übergang zu einem multiethnischen Imperium noch die totale Kriegführung im Asiatisch-Pazifischen Krieg eine signifikante Veränderung der Deutungsfiguren des staatlichen Gefallenenkultes mit sich. Dies ist als Indiz dafür zu werten, wie eng sie mit den sakrosankten, auf den Tennō bezogenen Legitimationsmustern der politischen Ordnung verknüpft waren. Neu war hingegen, dass sich seit dem Ersten Chinesisch-Japanischen und Russisch-Japanischen Krieg neuartige gesellschaftliche Gruppen wie der Patriotische Frauenverband oder der Reichsreservistenverband formten, welche das staatliche Deutungsangebot aufgriffen und aus einem primär staatlichen und binnenmilitärischen in den gesellschaftlichen Raum überführten. Damit wandelte sich der Gefallenenkult von einer ursprünglich staatlichen Veranstaltung – also einem top-down-Projekt – auch zu einem Projekt der nationalstaatlichen japanischen Öffentlichkeit. Sie wirkten an herausgehobener
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Stelle bei Zeremonien mit, stifteten Denkmäler, engagierten sich aber auch in der Fürsorge für Hinterbliebene usw. Hierbei ist zu betonen, dass diese neuen gesellschaftlichen Vereinigungen nicht als Gegenbewegung zum Staat fungierten. Die Voraussetzungen hierfür waren zum einen die Entwicklung früher bürgergesellschaftlicher Vereinigungen und Handlungsmuster in Japan, zum anderen eine immer enger werdende Verzahnung von Militär und Gesellschaft, die ihrerseits auf die kontinuierliche Vergrößerung der Streitkräfte zurückzuführen war, und darüber hinaus ein modernes System massenmedialer Durchdringung der Gesellschaft. Neu war schließlich auch, dass einzelne Gefallene als Individuen in moderne „Götter des Krieges“ (gunshin) transformiert und neben ihre historischen Pendants gestellt wurden. Diese wurden medial vermittelt und für eine weitere Aufwertung des Kriegstodes in der japanischen Gesellschaft funktionalisiert. f) Darüber hinaus entwickelte sich sechstens seit der zweiten Hälfte der MeijiZeit ein differenziertes und elaboriertes System von Trauer- und Gedenkpraktiken, zu dem öffentliche und private Bestattungen und Einschreinungszeremonien ebenso gehörten wie ritualisierte Besuche an Denkmälern, Schreinen und auf militärischen wie zivilen Friedhöfen. Sie alle zielten auf eine Verstetigung der Erinnerung. Kennzeichnend ist dabei ihr iterativer Charakter. Idealtypisch wurde ein Kriegstoter seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zunächst nach seinem Ableben vollständig oder zumindest teilweise kremiert und Teile der Asche (ihai) in der Nähe des Kampfgebietes in einem zentralen chūrei-tō („Grabmal für loyale Seelen“) beigesetzt. Die bei der Kremation nicht zerstörten Knochen (ikotsu) oder, falls keine sterblichen Überreste vorhanden waren, vor dem Kampf zu diesem Zweck gesondert aufbewahrte Haare oder Fingernägel des Toten (ihatsu) wurden anschließend von Regimentskameraden in einer individuellen Urne in die Heimat verbracht. Hier wurden die sterblichen Überreste zunächst von Honoratioren der Heimatgemeinde des Toten oder Reservisten in Empfang genommen (demukae) und in einer öffentlichen Prozession (mugon no gaisen) unter Beteiligung des Dorfes bzw. des Stadtteils, konkret von Militärangehörigen, Priestern, Schülern und Vertretern von Vereinen, „heimgeholt“ und in ein öffentliches Gebäude wie das Rathaus oder die Schule verbracht. Hieran schlossen sich eine öffentliche und eine private Trauerfeier an, und die erneut geteilten Gebeine wurden realiter oder zumindest symbolisch zum einen auf dem Militärfriedhof, zum anderen in einem Einzelgrab auf dem zivilen Friedhof beigesetzt. Ebenfalls iterativ, unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit und im Beisein von Hinterbliebenen wurden parallel die Einschreinungszeremonien durchgeführt: nachdem bereits im Rahmen des militärischen Verbandes ein shōkon-sai an der Front stattgefunden hatte, folgten mit der Erhebung des Gefallenen zur
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„Heldenseele“ (eirei) bzw. zu einem „Gott der Landesverteidigung“ (gokoku no kami) die offizielle Einschreinung in den Yasukuni und anschließend in den Landesverteidigungsschrein der Heimatpräfektur sowie schließlich religiöse Zeremonien am „Stein für die loyalen Seelen“ in der Heimatgemeinde. Zusätzlich erfolgte oft noch eine Sichtbarmachung der Toten in Form der „Heldenseelen-Zimmer“ (eirei-shitsu) etwa in Schulen, welche gerade auch die Verbindung des politischen Totenkultes mit dem Bildungssystem unterstrich. Die langfristige Memorialisierung wurde schließlich durch ritualisierte Besuche der Denkmäler, Schreine und Militärfriedhöfe sichergestellt. Die Überführung der Toten in die Heimat – eine Parallele etwa zur Praxis in den Vereinigten Staaten – und die Durchführung der zahlreichen Trauer- und Gedenkpraktiken stellten in der japanischen Gesellschaft eine Sichtbarkeit der Gefallenen her, die weit höher gewesen sein dürfte als in zeitgenössischen westlichen Gesellschaften. Darüber hinaus waren sie für die Öffentlichkeit ein wirksames Medium, Teilhabe an der Nation zu demonstrieren und zugleich zu erfahren. Eine Sonderrolle nahmen hier die Familien der Hinterbliebenen ein, denen durch Staat und Gesellschaft eine besondere Ehre als homare no ie („ehrenvolles Haus“ bzw. „ehrenvolle Familie“) zugesprochen wurde. Sie erfuhren nicht nur materielle Vergünstigungen, sondern ihre herausgehobene Stellung wurde öffentlich durch eigene Ehrenabzeichen, Tafeln an ihren Wohnhäusern usw. unterstrichen. Auch die Errichtung der meist sehr aufwendigen Soldatengräber (gunjin-baka) neben den Familiengräbern unterstrich ihre Bedeutung. Die Vergesellschaftung der Hinterbliebenen, die nach 1945 in Gestalt des Hinterbliebenenverbandes zu den wichtigsten gesellschaftlichen Trägern des Gefallenengedenkens aufsteigen sollten, begann hierdurch bereits Jahrzehnte früher. g) Siebtens entwickelte der Gefallenenkult eine Eigendynamik in Form von normativ aufgeladenen Leitbildern, Handlungsmustern und sozialem Druck, die über eine erhebliche Relevanz für das soziale Handeln in den japanischen Streitkräften verfügten. Seine Wirksamkeit zeigte sich bereits in der Epoche der imperialen Kriege in der zweiten Hälfte der Meiji-Zeit, erreichte ihren Höhepunkt aber in der Zeit des totalen Krieges. Zwar kann der politische Totenkult Phänomene wie gyokusai (den Kampf bis zum letzten Atemzug gegen einen überlegenen Gegner), die Kamikaze-Piloten und SelbstmordTorpedos oder auch das Verhalten bei Gefangennahme – lieber Selbstmord zu begehen als sich zu ergeben, die Ermordung von Verwundeten durch die eigenen Militärärzte usw. – nicht hinreichend erklären, folgten sie doch meist auch einem Menschenleben gering achtenden militärstrategischen Kalkül oder der militärischen Disziplin im Sinne der strikten Befolgung von Befehlen. Doch ist seine Relevanz als notwendige Bedingung für das Handeln japa-
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nischer Soldaten in diesem als heilig apostrophierten Asiatisch-Pazifischen Krieg ebensowenig zu übersehen. Die Veränderungen der politischen Verfasstheit der japanischen Gesellschaft, die nach 1945 durch die militärische Niederlage und die sich anschließende Besatzungszeit, durch Demilitarisierung und Demokratisierung geprägt war, bedeuteten eine fundamentale Umgestaltung der Rahmenbedingungen des Gefallenenkultes. Diese veränderten Strukturen machten eine bruchlose Anknüpfung an die Traditionsbestände der Totenehrung schwierig bzw. unmöglich und erzwangen eine Pfadänderung in der Geschichte des politischen Totenkultes in Japan. Für die Entwicklung des Gefallenengedenkens nach 1945 lassen sich folgende Punkte bilanzieren: a) Für die weitere Entwicklung waren vor allem fünf Faktoren bestimmend: Zum einen beendeten die US-Amerikaner durch zahlreiche Ver- und Gebote die zeitgenössische Praxis des politischen Totenkultes, wodurch dieser ein vorläufiges Ende fand. Zum zweiten bedeutete die veränderte verfassungsrechtliche Rolle des Tennō nach Kriegsende und seine Wandlung hin zum friedliebenden Staatsoberhaupt, dass eine Fortsetzung des bis dato dominierenden monarchischen Bezuges der Gefallenenehrung und ihrer Sinnzuschreibungen in der bisherigen Form unmöglich wurde. Drittens distanzierte sich die japanische Gesellschaft nach 1945 nachhaltig von Krieg und Militär und folgt seitdem weitgehend einer pazifistischen Grundhaltung. Das Friedensgebot fand 1946 auch Eingang in die japanische Fassung, was ein weiteres Hindernis für eine an die politische und militärische Tradition anknüpfende Form des politischen Totenkultes darstellt. Viertens bedeuteten das Ende des Staatsshintō und das Verfassungsgebot der Trennung von Staat und Religion, dass eine Fortführung des religiösen Gefallenenkultes in Form staatlicher Zeremonien an den shōkon-Schreinen verfassungsrechtlich unmöglich wurde. Dies wiederum erzwang fünftens einen Funktionswandel der gesellschaftlichen Trägergruppen des Totengedenkens, zu deren wichtigstem Träger der Hinterbliebenenverband aufstieg. b) Der Demokratisierung der politischen Ordnung Japans in der Besatzungszeit stand jedoch eine nur bedingte Distanzierung von der Vergangenheit vor 1945 durch die konservativen politischen Eliten gegenüber. Das daraus resultierende Spannungsverhältnis von Kontinuität und Bruch bestimmte auch den politischen Totenkult grundlegend; es machte zwar eine bruchlose Anknüpfung an die Traditionsbestände der Totenehrung aus der Zeit vor der 1945 schwierig bzw. unmöglich, erschwerte bzw. verhinderte aber zugleich eine grundlegende inhaltliche Neupositionierung des japanischen Staates nach der Niederlage im Asiatisch-Pazifischen Krieg, konkret auch in Hinblick auf
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den Umgang mit Gefallenen. Mit der nicht auf die Vergangenheit vor, sondern auf die Gegenwart und Zukunft nach 1945 gerichteten Formel der „Fundamente des Friedens“ (heiwa no ishizue), welche die Gefallenen gleichsam zur Grundlage für den Aufbau eines friedlichen Japans in der Nachkriegszeit erhob, wurde eine höchst integrative neue Deutungsfigur gefunden. Sie gestattete es, die Ehrung der Kriegstoten wiederzubeleben, ohne sich von der imperialen Vergangenheit explizit zu distanzieren, diese aber zugleich mit dem Nachkriegspazifismus und der Demokratie zu verbinden. c) Trotzdem spaltet der politische Streit über eine angemessene Form des Totengedenkens bis heute das Land und wurde in den Jahren nach 1952 eine der zentralen Bühnen der Auseinandersetzungen über den Umgang mit der Vergangenheit, über die Beziehungen zu den ostasiatischen Nachbarn wie auch den Umgang mit den Festlegungen der Nachkriegsverfassung. Dabei sind vor allem drei große Konfliktfelder zu erkennen: erstens die symbolpolitische und normative Distanzierung von der imperialen Vergangenheit Japans, zweitens die Frage, an wen und an wen nicht erinnert wird, und drittens das Problem der Trennung von Staat und Religion und die mögliche Wiederbelebung staatsshintōistischer Riten und Praktiken durch den Staat. Die Entwicklungen blieben dabei sowohl bei der Ehrung der Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte wie auch der Gefallenen der Kaiserlichen Streitkräfte aus der Zeit vor 1945 widersprüchlich und spannungsreich. Bedingung hierfür war die spezifische Konstellation der politischen und gesellschaftlichen Handlungsgruppen nach 1952, die ihrerseits sowohl einen Faktor wie einen Indikator für die spezifischen Rahmenbedingungen der politischen Verfasstheit Japans seit dem Ende der Besatzungszeit darstellt. Dies zeigt sich am Japanischen Hinterbliebenenverband geradezu paradigmatisch: Ohne die Bildung und Aufrechterhaltung einer komplexen Netzwerkstruktur, die politische und andere gesellschaftliche Akteure umfasst, ohne die Dauerherrschaft der LDP, deren Struktur als Honoratiorenpartei, die den Vorfeldorganisationen eine besondere Rolle zukommen lässt, die Besonderheiten des Wahlrechts, die enge Verbundenheit mit der Verwaltung, die der Izoku-kai quasi einen Alleinvertretungsanspruch für die Angehörigen von Gefallenen zugebilligt hat – um nur einige Bedingungen zu nennen –, hätte der Hinterbliebenenverband nicht seine politische und gesellschaftliche Relevanz in Bezug auf das Gedenken an Kriegstote im Besonderen und die Vergangenheitsthematisierung im Allgemeinen erringen können. Mit anderen Worten: Gefallenengedenken und Vergangenheitsthematisierung bildeten (und bilden) konstitutive und konstituierende Bestandteile der politischen Lagerbildung in der Nachkriegszeit; sie spiegeln die politische und gesellschaftliche Relevanz des Themas in Japan, verhindern aber zugleich
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eine interessen- und lagerübergreifende, im In- und Ausland akzeptierte Lösung. d) Die ambivalente Rolle des japanischen Staates im Spannungsfeld von Distanzierung und Bewahrung zeigt sich dabei vor allem in der sog. Yasukuni-Problematik, die heute auch international im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Die formal eigenständige religiöse Körperschaft war nach 1952 politisch über den Hinterbliebenenverband mit der regierenden LDP und institutionell mit der staatlichen Bürokratie verzahnt. Die Besuche von Mitgliedern des Herrscherhauses und die Entsendung des Kaiserlichen Gesandten (chokushi) zu den Schreinfesten symbolisieren bis heute die enge Verbindung des Yasukuni jinja mit der Monarchie, auch wenn der regierende Kaiser dem Schrein seit 1975 nicht mehr persönlich seine Aufwartung macht. Seine besondere Brisanz erhält der Yasukuni-Schrein durch die Apotheose der über 1.000 von alliierten Militärtribunalen zum Tode verurteilten Kriegsverbrechern, unter ihnen die Hauptkriegsverbrecher, die 1978 in das Pantheon des Schreines aufgenommen wurden. Darüber hinaus belegen aber auch die Kontroversen um von Angehörigen geforderte Ausschreinungen, um die Mitwirkung der Bürokratie an den Einschreinungen, um die Übernahme des Schreines in staatliche Trägerschaft und vor allem um die offiziellen Besuche von Repräsentanten des japanischen Staates die Konflikthaftigkeit eines an die religiösen Traditionen vor 1945 anknüpfenden Totengedenkens. Im Gegenzug scheiterten aber bisher auch alle Versuche auf der Ebene des Zentralstaates, durch die Aufwertung der Grabanlage von Chidorigafuchi als „Grabmal des unbekannten Gefallenen“ (mumei senbotsu-sha no haka) oder die Errichtung einer neuen Gedenkstätte für alle Kriegsopfer ein rein säkulares und auch die Exklusivität der Gefallenen überwindendes, auch die zivilen Opfer einschließendes Gedenken an die Kriegstoten zu etablieren. e) Die Bandbreite der unterschiedlichen Positionen zur japanischen Vergangenheit vor 1945 und zum Militär wie auch die Pluralität der Stifter und Trägergruppen zeigt sich heute in einer auch regional und lokal ausdifferenzierten Gedenklandschaft aus Schreinen, Friedhöfen, Denkmälern und vor allem auch Gedenkzeremonien. Für die Zeit nach 1952 sind dabei vor allem drei Tendenzen zu beobachten. Zum einen nahm die Bedeutung der ehemaligen Militärfriedhöfe im Vergleich zu den Jahrzehnten vor 1945 deutlich ab. Sie gingen nach dem Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges meist in kommunale Trägerschaft über und wurden hier, wohl nicht zuletzt aus ökonomischen und stadtplanerischen Gründen, immer weiter verkleinert, z. T. auch verlegt. Zum anderen wurde nach 1952 eine Vielzahl der in der Besatzungszeit zerstörten Denkmäler für Gefallene, vor allem unter der Ägide des Hinterbliebenenverbandes, wiedererrichtet. Heute bilden die chūkon-hi weiter-
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hin bzw. wieder den mit Abstand wichtigsten Denkmalstyp. Neu etablierte Typen wie die irei-hi (Stein zur Seelentröstung) oder Denkmäler mit einem expliziten Bezug zum Frieden sind im Verhältnis dazu klar in der Minderzahl. Schließlich ist ein deutlicher Differenzierungsprozess bei den regionalen Landesverteidigungsschreinen zu beobachten. Gemeinsam ist ihnen zum einen, dass sie sich zu lokalen Brennpunkten der Denkmalslandschaft entwickelt haben, und zum anderen, dass sie sich für traditionelle Zeremonien von Shintō-Schreinen wie Hochzeiten, Segnungen usw. öffnen. Heute unterscheiden sich die gokoku-Schreine aber zum Teil signifikant in ihrer Einschreinungspraxis von der früheren Begrenzung auf „loyale“ Gefallene, wodurch die Exklusivität des politischen Totengedenkens aus der Zeit vor 1945 aufgehoben wird. So gibt es heute Schreine, die die Gegner aus den Bürgerkriegen der Bakumatsu- und Meiji-Zeit, und andere, die auch Angehörige der Feuerwehr, der Polizei oder auch der Selbstverteidigungsstreitkräfte, die ihr Leben im Dienst verloren haben, verehren. f) Schließlich spiegelt auch der Umgang mit den Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte die Spannungen und Widersprüchlichkeiten des Gefallenengedenkens in Japan wider. Auf der einen Seite bemüht sich der japanische Staat, Deutungsmuster für soldatisches Sterben zu finden, welche normative Vorgaben von Politik und Gesellschaft und außen- und sicherheitspolitische Paradigmen wie Demokratie, Frieden und internationale Kooperation im Rahmen der UNO und des Bündnisses mit den USA aufgreifen und reflektieren. Trotzdem wurde auch an dieser Stelle kein genuin säkularer politischer Totenkult etabliert; vielmehr bleibt die Ehrung der Toten auch der Jiei-tai weiterhin zugleich religiösen und traditionellen Bezügen verpflichtet. Eine Gleichstellung der Toten der Selbstverteidigungsstreitkräfte und der Toten der Kaiserlichen Streitkräfte in Form einer Einschreinung in den Yasukuni erfolgt aber bis heute nicht. 2. Perspektiven für die künftige Forschung. Vor allem drei Bereiche bilden lohnenswerte Gegenstände für weiterführende, insbesondere auch die vergleichende Erforschung des Gefallenengedenkens in Japan. a) Hierzu gehört einmal die Perspektive „von unten“ als notwendige Ergänzung bzw. Erweiterung der vorliegenden, vorwiegend auf eine strukturgeschichtliche Analyse hin ausgerichteten Studie. Von besonderem Interesse dürften dabei zum einen die Wahrnehmungs- und Rezeptionsmuster des staatlichen Gefallenengedenkens durch Soldaten und Hinterbliebene sein, zum anderen aber auch volksreligiöse Vorstellungen und Praktiken des Totengedenkens. An dieser Stelle sind auch die buddhistischen Schulen und die christlichen Kirchen zu nennen, deren Dogmen und Praktiken sich von den staatsshintōistischen
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Vorgaben z. T. erheblich unterschieden. Zu diesem Themenkomplex liegen bereits erste Studien vor, die jedoch noch keine umfassende Bewertung des Gegenstandes zulassen.1 Hierbei erscheint insbesondere die Erarbeitung von Regional- und Fallstudien sinnvoll. Zum einen dürfte vor allem hier die bottom-up-Analyse operationalisierbar sein, und zum anderen können hierdurch die Befunde für die gesamtstaatliche (nationale) Ebene, aber auch die Bewertung der Träger des Totengedenkens weiter differenziert werden. b) Darüber hinaus scheint vor allem eine Diskussion der transnationalen Dimension des Gefallenengedenkens in Japan ein lohnenswerter Gegenstand für weiterführende Forschung. Drei Themenkomplexe dürften dabei besonders gewinnbringend sein. Erstens ist hier sicherlich die Frage der Beeinflussung der japanischen Gegebenheiten durch zeitgenössische ostasiatische, europäische und nordamerikanische Vorstellungen, Praktiken und Diskussionen in Form von Transferprozessen zu nennen. Hier gab es offensichtlich sowohl in der Vormoderne, in der Phase der Nationalstaatsbildung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, im Zeitalter des totalen Krieges in den 1930er und der ersten Hälfte der 1940er Jahre als auch in der Nachkriegszeit transnationale Transfer- und Aneignungsprozesse. In diesem Kontext sind etwa für die Vor- und Frühmoderne die Rezeption von kontinentalen chinesischen und koreanischen Konzepten wie des „loyalen Untertanen“ oder auch die Ablehnung der Verbrennung von Leichnamen zu nennen, die oben ausführlich behandelt wurden. Von besonderem Interesse wäre es dabei auch, der Frage nachzugehen, inwieweit etwa der Kult um den koreanischen Admiral I Sun-sin (bzw. Yi Sun-sin, 1545–1598), der wesentlichen Anteil an der militärisch erfolgreichen Abwehr der japanischen Invasionsversuche gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatte und dem nach seinem Tod in Korea zahlreiche konfuzianische Schreine errichtet wurden, Einfluss auf die Entstehung des Kusunoki-Kultes im 17. Jahrhundert in Japan hatte. Darüber hinaus ist für die Neuzeit die Rezeption westlicher (christlicher) Motive etwa in der Ikonographie, der Motivwahl und der ästhetischen Formensprache von figürlichen Denkmälern oder bei der Komposition von Gemälden, welche den Tod im Kampf thematisieren, sicher auch das Bronzedenkmal als Repräsentationsform, anzuführen.2 Hier ist auf Beispiele wie die Repräsenta-
1 Vgl. etwa Tanakamaru, Katsuhiko: Samayoeru eirei-tachi; Ogawara, Masamichi: Kindai Nihon no sensō to shūkyō; Krämer, Hans Martin: Unterdrückung oder Integration?; Hiyama, Yukio: Kindai Nihon senbotsu-sha irei no shūkyō-sei ni tsuite. 2 Zur westlichen Ikonographie von Gefallenendenkmälern siehe etwa Koselleck, Reinhart: Die Transformation der politischen Totenmale im 20. Jahrhundert, In: Transit 22 (2001/2002), S. 59–
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tionen von Hirose Takeo und Sugino Magoshichi auf dem Denkmal vor dem Bahnhof Mansei-bashi in Tōkyō (1910) oder das Reiterdenkmal von Prinz Kitashirakawa no miya Yoshihisa-shinnō in Ueno (1903), auf die Darstellung des Todes von Oberst Yamasaki Yasuyo beim gyokusai auf der Insel Attu im entsprechenden Schlachtengemälde von Fujita Tsuguji (1943) oder auch – als lokales Beispiel für die Nachkriegszeit – die Verwendung des Sebastian-Motives in einem Relief mit dem Titel „Religiöse Märtyrer“ (junkyō-sha) auf dem Denkmal für Gefallene auf dem Omine-Friedhof in Kumamoto von Ebihara Kinosuke (1954) zu verweisen.3 Zweitens – und eng damit verbunden – wäre eine Analyse von transnationalen Verweisen in den japanischen Debatten über das Gefallenengedenken lohnenswert. Dabei dürften insbesondere die Funktionalisierungen der westlichen Zustände durch jap. Debattenteilnehmer in Diskussionen über das Gefallenengedenken herauszuarbeiten sein. Interessante Beispiele hierfür sind etwa der Verweis auf die Gepflogenheiten im Westen durch Fukuzawa Yukichi aus Anlass des Ersten ChinesischJapanischen Krieges, der in der Zeitung Jiji shinpō die Durchführung großer Gedenkzeremonien mit diesem Argument forderte, oder auch der Verweis auf eine vermeintlich universelle, eben nicht in Bezug auf länderspezifische Verortungen hin hinterfragte Praxis des Gefallenengedenkens durch konservative Kreise im Umfeld der Yasukuni-Problematik.4 Dies kann teilweise sehr fremd anmuten, wenn etwa ein Bild von Jung- und Thälmann-Pionieren, die am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow Blumen niederlegen, als Beleg hierfür angeführt wird.5 Schließlich wäre drittens nach den Einflüssen des Gefallenenkultes in der japanischen Geschichte auf die Praxis und die Deutungen gewaltsamen Sterbens in anderen Gesellschaften, vor allem den ehe-
86; Ders.: Zur politischen Ikonologie des gewaltsamen Todes. Ein deutsch-französischer Vergleich, Basel: Schwabe 1998; Borg, Alan: War Memorials. From Antiquity to the Present, London: Leo Cooper 1991; Abousnnouga, Gill/Machin, David: The Language of War Monuments, London u. a.: Bloomsbury 2013. Zur frühen Geschichte des Bronzedenkmals in Japan vgl. Saaler, Sven: Men in Metal. Representations of the Nation in Public Space in Meiji Japan 1868–1912, In: Comparativ 19 (2009), S. 27–43; allgemein Kaneko, Haruo: Nihon no dōzō, Kyōto: Tankō-sha 2012. 3 Zu den Bildern Fujitas vgl. den Vortrag „Kunst und Krieg. Die Bilder des Malers Fujita Tsuguji 1937–1945“ von Alice Buschmeier auf dem 13. Treffen der Initiative für historische Japanforschung im Mai 2009 in Berlin; Sandler, Mark H.: A Painter of the „Holy War.“ Fujita Tsuguji and the Japanese Military, In: Mayo, Marlene J./Riemer, J. Thomas (Hg.): War, Occupation, and Creativity. Japan and East Asia 1920–1960, Honolulu: University of Hawai’i Press 2001, S. 188–211; Earhart, David C.: Certain Victory, S. 380–390. 4 Zu Fukuzawas Beitrag in der Jiji shinpō siehe Takahashi, Tetsuya: Kokka to gisei, S. 78–88. 5 Zaidan hōjin Nihon izoku-kai (Hg.): Senbotsu-sha izoku no tebiki. Shōwa rokujū ichi-nen-ban, Tōkyō: Nihon seihan 1985, ohne Seitenangabe.
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maligen japanischen Kolonien, zu fragen. So ist etwa der Einfluss japanischer Deutungsmuster auf das Gefallenengedenken in Südkorea – man denke hier z. B. an die Verwendung von Konzepten und Begriffen wie „loyale Seele“, „Heldenseele“ oder auch „Landesverteidigung“ – kaum zu übersehen und auch nicht ungewöhnlich, führte doch die Besatzungsmacht Japan den Menschen auf der koreanischen Halbinsel ihre Praktiken des politischen Totenkultes vor Augen, und auch eine ganze Reihe führender koreanischer Militärs, allen voran der spätere Diktator Bak Jeong-hui (auch Park Chung-hee, 1917–1979), waren in den japanischen Streitkräften sozialisiert worden.6 Der aus Israel stammende Journalist Joseph Croitoru sieht sogar eine Kontinuität zwischen den japanischen Selbstmordangriffen während des AsiatischPazifischen Krieges über analoge Praktiken während und Repräsentationen nach dem Korea-Krieg hin zum Selbstmordanschlag im modernen Terrorismus.7 Auf Taiwan hingegen wurden, wie etwa die Geschichte des Nationalen Revolutionären Märtyrerschreins in Taibei eindrucksvoll belegt, nach dem Ende der Besatzungsherrschaft die bisherigen Landesverteidigungsschreine der Japaner durch die Guomindang für den Totenkult der Republik China genutzt, bevor sie ab den 1960er Jahren schrittweise durch neue Gebäude, deren Architektur sich an die traditioneller chinesischer Paläste anlehnt, ersetzt wurden.8 Auch das japanische Konzept der chūrei-tō als Grabmal für Soldaten fand Eingang in den politischen Totenkult der Guomindang, hier nun freilich eingebettet in die spezifischen Sitten und Gebräuche des chinesischen Volkskultes. Eine vergleichende Studie über das Schicksal der Orte und Objekte des japanischen Gefallenengedenkens in den ehemaligen Kolonien und besetzten Gebieten könnte so interessante Aufschlüsse über die Aneignungs- und Abgrenzungsprozesse in den postkolonialen Gesellschaften gewähren. Aber auch andere sinnstiftende Konzepte wie das des Märtyrers (resshi) fanden ihren Weg auf den asiatischen Kontinent und dort als
6 Zur militärischen Gedenk- und Bestattungspraxis in Südkorea siehe Harada, Keiichi: Heishi wa doko e itta, S. 278–303. 7 Croitoru, Joseph: Der Märtyrer als Waffe. Die historischen Wurzeln des Selbstmordattentats, München: Deutscher Taschenbuchverlag 2006. 8 Vgl. hierfür etwa Tsai, Chin-tang: Taiwan no Chūretsu-shi to Nihon no gokoku jinja, Yasukuni jinja to no hikaku, In: Hiyama, Yukio (Hg.): Taiwan no kindai to Nihon, Nagoya: Chūkyō daigaku shakai kagaku kenkyū-jo 2003, S. 335–357; Harada, Keiichi: Heishi wa doko e itta, S. 252–277. Zur Einführung in die aktuelle Gedenklandschaft Taiwans allgemein siehe Vickers, Edward: Frontiers of Memory. Conflict, Imperialism, and Official Histories in the Formation of Post-Cold War Taiwan Identity, In: Jager, Sheila Miyoshi/Mitter, Rana (Hg.): Ruptured Histories. War, Memory, and the Post-Cold War in Asia, Cambridge (Mass.): Harvard University Press 2007, S. 209–232.
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lieshi bzw. als liệt sĩ Eingang in die Deutungsfiguren soldatischen Sterbens etwa in der Volksrepublik China, aber auch auf Taiwan oder in Vietnam.9 All diese hier nur kurz erwähnten Beispiele verdeutlichen, dass sich das japanische Gefallenengedenken nicht autochthon entwickelte, sondern dass es vielmehr in zahlreiche transnationale Bezüge eingebunden war und ist, die systematisch herauszuarbeiten sich lohnt. c) Schließlich hofft die vorliegende Studie auch, eine international vergleichende Debatte mit anzustoßen, die Japan in die Diskussion einbezieht. Nach wie vor sind asiatische Beispiele in westlichen vergleichenden Studien zu wenig präsent; dieser Befund ist auch für das Gedenken an die Opfer politischer Gewalt zu konstatieren.10 Auf wichtige strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim Gefallenenkult ist oben bereits hingewiesen worden. Eine vergleichende Diskussion sowohl der europäisch-nordamerikanischen, aber auch anderer asiatischer Gesellschaften könnte dabei den Blick für die Ursachen und Bedingungen für die unterschiedlichen Pfade und Muster des politischen Totenkultes weiter schärfen. Dabei ist zum einen die Bedeutung religiöser und kultureller Prägungen stärker herauszuarbeiten, wobei etwa auch die Relevanz der christlichen bzw. antik-philosophischen Traditionen des Westens für erstere explizit zu bestimmen wäre. Zweitens ist auch die Spezifik der historischen Erfahrungen einer Gesellschaft in Bezug auf Staatsbildung, Krieg und Tod – etwa die Situation einer unifizierenden oder sezessionistischen Staatsgründung, eines Bürgerkrieges im eigenen Land, eines Krieges in Übersee, der Integration ehemaliger Kriegsgegner, von Opfererfahrungen usw. – in Bezug auf die Ausbildung spezifischer Muster der Totenehrung zu hinterfragen. Von zentraler Bedeutung ist aber schließlich, diese Fragen in einen (synchronen wie diachronen) Strukturvergleich zu überführen, der systematisch auf die Frage nach analogen Ausprägungen auf Grund analoger Erfordernisse und / oder analoger Verursachungen, auf die Konstituierungsprozesse und Entwicklungspfade, und schließlich auf die politischen und gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen für diese Prozesse zielt.
9 Hettling, Manfred: Nationale Weichenstellungen und Individualisierung der Erinnerung. Politischer Totenkult im Vergleich, In: Ders./Echternkamp, Jörg (Hg.): Gefallenengedenken im globalen Vergleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung, München: Oldenbourg 2012, S. 38–39. 10 Eine Ausnahme bildet neuerdings Hettling, Manfred/Echternkamp, Jörg (Hg.): Gefallenengedenken im globalen Vergleich, der u. a. Beiträge zu sechs Staaten auf dem asiatischen Kontinent enthält.
Anhang Denkmalsinschrift für Kusunoki Masashige Loyalität und Pietät gehören zum Reich, Sonne und Mond gehören zum Himmel. Gäbe es im Kosmos Sonne und Mond nicht, dann wäre es dunkel und alles blockiert; vergäße das menschliche Herz Loyalität und Pietät, wären Verrat und Auflehnung die Folge, Himmel und Erde würden umschlagen. Ich habe gehört, dass Fürst Kusunoki, Masashige mit Namen, treu, tapfer und in seinen Prinzipien fest (chūyū setsuretsu) und unter allen Patrioten unvergleichlich (kokushi musō) sei. Will man seine Taten zusammenstellen, kann man sie nicht überschauen. Im Allgemeinen war seine Art, Truppen einzusetzen, zuerst die Stärken und Schwächen einer Macht zu bestimmen und Erfolg und Misserfolg in einem Augenblick zu beurteilen. Die Menschen kennend ernannte er weise, er selbst verkörperte den Krieger (shi) und brachte Wahrhaftigkeit zum Ausdruck (makoto o osu). Hierdurch konnten alle seine Pläne in die Realität umgesetzt werden und er konnte seine Kämpfe allesamt siegreich bestehen. Er schwur bei Himmel und Erde und sein Herz war dabei unveränderlich wie Stein und Metall. Er richtete sein Handeln nicht nach seinem Vorteil aus, Schaden fürchtete er nicht. Deshalb konnte er das Herrscherhaus wiederaufrichten (ōshitsu o kōfuku shite) und nach Kyōto zurückführen. Ein Sprichwort sagt, dass man am Haupttor den Wolf abwehrt, sich aber am hinteren Tor der Tiger nähere. Die Politik des Hofes war nicht weise, ein Schurke folgte dem nächsten, der Thronfolger wurde unter falschen Anschuldigungen ermordet, die Dynastie wechselte.1 Kurz vor dem großen Erfolg lies dieser den Herren erzittern. Seine [Kusunokis, TS] Planungen waren gut, doch wurden sie nicht in die Tat umgesetzt. Von alters her bis heute gibt es noch immer keinen Feldherren, der außen einen Sieg erringt, wenn der Oberbefehlshaber neiderfüllt behindert und mittelmäßige Vasallen willkürlich handeln. Als er starb, gab er seinen Körper dem Land, den Tod ruhig ertragend. Wie man an seiner Unterweisung an seinen Sohn sieht, als er dem Tod entgegensah, gelassen der Gerechtigkeit dienend der Waise Befehle erteilend, erwähnte er kein „ich“ (gen watakushi ni oyobazu). Reicht der Geist der Loyalität nicht bis
1 Wörtlich: „Das Glockengerüst wurde verrückt“ (shōkyo o keii su). Das Glockengerüst meint dabei eine künstlerisch ausgeschmückte Aufhängung von zu rituellen Zwecken verwendeten Glocken, die schrittweise als Metapher für deren Besitzer verwendet wurde. Im 17. Jahrhundert wurde mit dieser Formulierung schließlich der Sturz der Ming- und der Übergang zur Qing-Dynastie bezeichnet. Hier rekurriert sie auf die Einsetzung der nördlichen Linie des Kaiserhauses durch Ashikaga Takauji.
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zur Sonne, ist man wohl nicht in der Lage, so wohlüberlegt Abschied zu nehmen und in den Tod zu gehen. Bei Vater und Sohn, älterem und jüngerem Bruder sind über Generationen Loyalität und Beständigkeit stark, vereinigen sich in dieser Familie Treue und Pietät. O, wie großartig! Dass bis heute nicht nachlässt, dass sie von Herrschern, Fürsten, großen Männern bis zu den Kriegern in der Provinz im Munde geführt und gepriesen werden, zeigt wohl, dass sie vielen Menschen überlegen sind. Es ist nur bedauerlich, dass es nicht möglich ist, seinen Glanz und seine große Tugend (seibi daitoku) weiter zu erhöhen, da niemand mit dem Pinsel Aufzeichnungen angefertigt hat, die man nun prüfen könnte. Dies ist das Lob des verstorbenen Fürsten Kusunoki, kami der drei Provinzen Kawachi, Settsu und Izumi, Inhaber des Wahren Dritten Hofranges und General der Kaiserlichen Leibgarde, verfasst von Zhiyu Zhu Zhiyu mit Beinamen Luyu, Kaiserlicher Gelehrter der Ming. In diesen Stein eingraviert, um unvergänglich als Vorbild zu dienen. Zhu Zhiyu: Aa, chūshin Nan-shi no haka inbun (1692), In: Minatogawa jinja (Hg.): Dai-Nan-kō, erw. Neuaufl. Kōbe: Takanawa insatsu 2009, S. 79–88; im Original im klassischen Chinesisch.
Kaiserliche Ermahnung zur Wehrpflicht In unseren Einrichtungen des Altertums gab es niemanden unter dem Himmel, der nicht Soldat gewesen wäre. Im Notfall übernahm der Kaiser den Oberbefehl (tenshi kore ga gensui to nari), wurden alle leistungsfähigen und zum Kriegsdienst tauglichen Männer rekrutiert und so die Feinde unterworfen. War die Dienstpflicht aufgehoben und kehrten die Männer nach Hause zurück, waren sie wieder Bauern, Handwerker oder Händler. Sie waren wahrlich anders als diejenigen, welche später zwei Schwerter trugen, sich selbst bushi nannten, hochmütig waren und ein müßiges Leben führten und sogar so weit gingen, Menschen zu ermorden, ohne dass die Regierung ihre Verbrechen untersuchen konnte. Seit der Ernennung von Uzuhiko zum kuni no miyatsuko von Katsuragi (sic!) durch Jinmu-tennō2 wurden die Vorkehrungen für den Kriegsfall ständig vorangetrie-
2 Dieser Passus spielt auf den Gott Utsuhiko (bzw. Saonetsuhiko no mikoto oder Shiinetsuhiko no mikoto) an, der im Kojiki und Nihongi als Führer des legendären ersten Kaisers Jinmu-tennō bei dessen Feldzug nach Osten fungierte. Er wurde laut Nihongi später zum kuni no miyatsuko von Yamato ernannt bzw. im Kojiki als deren Ahnherr bezeichnet. Vgl. Kojiki oder „Geschichte der Begebenheiten im Altertum“, In: Florenz, Karl (Hg./Übers.): Die historischen Quellen der Shinto-Religion. Aus dem Altjapanischen und Chinesischen übersetzt und erklärt, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1919, S. 3–120, hier S. 85–86 und Nihongi oder „Japanische Annalen“,
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ben, zunächst mit der Einrichtung der Provinzregimenter (gundan), dann mit der Gründung der Kaiserlichen Garde (eji) und der Provinzgarde (sakimori) und schließlich in der Jinki-Ära (724–728) und der Tenpyō-Ära (729–748) mit der Einrichtung der Sechs Garden und der Zwei Pazifizierungsgarnisonen (?) (rokufu nichin).3 Als nach der Hōgen- (1156–1159) und Heiji-Ära (1159–1160) die kaiserliche Ordnung ihre Kraft verlor, fiel die militärische Macht in die Hände der Kriegerfamilien (bumon no te ni ochi), wurden das Land in Lehen (hōken) und die Menschen in Krieger und Bauern geteilt. Später verschwanden die moralischen Verpflichtungen völlig, und man kann die daraus resultierenden Schäden nicht einzeln aufzählen. Mit der Erneuerung der Regierung gaben die Fürstentümer ihre Territorien zurück und man kehrte zu den alten Kreisen und Bezirken (gunken) zurück.4 Der Sold (roku) der vererbt ein müßiges Leben führenden Samurai wurde gekürzt und ihnen gestattet, keine Schwerter zu tragen. Allmählich werden den vier Ständen (shimin)5 die Freiheitsrechte erteilt. Dies ist der Weg, bislang Hoch und Niedrig gleich zu machen (heikin shi) und die Grundrechte allen angedeihen zu lassen (jinken o seiitsu ni suru), mit anderen Worten die Basis, um Krieger und Bauern zu vereinen. So seien die Krieger nicht mehr herkömmliche Krieger, sei das Volk nicht mehr das herkömmliche Volk, sondern sie seien gleichermaßen das allgemeine Volk des Kaiserlichen Landes, und der Weg, dem Lande zu dienen (kuni ni hō-zuru no michi),6 sei nicht unterschieden. Zwischen Himmel und Erde muss ein jeder Steuern entrichten, die für staatliche Angelegenheiten verwen-
In: a. a. O., S. 123–411, hier S. 223, 240. Die Ernennung zum kuni no miyatsuko von Katsuragi ist hier folglich irrtümlich angeführt. Der kuni no miyatsuko (auch kokuzō) war im Altertum ein Amt mit weitreichenden militärischen und polizeilichen Vollmachten, das mit der Taika-Reform (646) in das Amt des Kreisvorstehers (gunshi) umgewandelt wurde. 3 An dieser Stelle rekurriert der Text auf verschiedene Militärreformen des Altertums; bei den gundan handelt es sich um Provinzregimenter, die jedoch eher eine administrative denn eine taktische Einheit bildeten, bei den eiji um eine der fünf, später sechs Gardeeinheiten. Diese wurde aus Dienstpflichtigen aus den Provinzen gebildet, welche in der Hauptstadt mehrjährigen Dienst zu leisten hatten. Die sakimori waren Grenztruppen. Bei den rokufu handelt es sich schließlich um eine Sammelbezeichnung der Kaiserlichen Garden. Nicht eindeutig zuzuordnen ist der Ausdruck „Zwei Pazifizierungsgarnisonen“. Der hier gewählten Übersetzung liegt die Vermutung zu Grunde, dass die chinjufu von Taga-jō und Isawa-jō, die im Norden Honshūs zur Unterwerfung bzw. Kontrolle der Ezo errichtet worden waren, gemeint sind. Vgl. für das Militärsystem des japanischen Altertums Friday, Karl F.: Hired Swords (passim). 4 Der Gegensatz hōken und gunken rekurriert auf zwei grundlegende Modelle der klassischen, legalistischen ostasiatischen Staatslehre: hōken verweist dabei auf ein föderales Staatsmodell, gunken auf einen zentralistischen Einheitsstaat. Vgl. Zöllner, Reinhard: Geschichte Japans, S. 194. 5 Der Begriff shimin ist an dieser Stelle nicht mit dem homonymen Bürgerbegriff identisch. 6 Wörtlich: dem Lande [empfangene Wohltaten] zurückzugeben.
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det werden. Folglich müssen die Menschen mit aller geistigen Kraft dem Lande dienen. Die Menschen im Westen nennen dies Blutsteuer (ketsuzei). Das bedeutet, dass sie mit ihrem frischen Blut (namachi o motte) dem Lande dienen. Gibt es im Staat Unheil, müssen die Menschen einen Teil des Schadens tragen. Daraus folgt: Wenden die Menschen alle geistige Kraft auf und schützen den Staat vor Unheil, ist dies die Grundlage dafür, sich selbst vor Schaden zu bewahren. Das muss man wissen. Gibt es einmal ein Land, gibt es auch Bewaffnung, gibt es Bewaffnung, müssen die Menschen im Felde dienen. Sieht man diesen Zusammenhang, wird offensichtlich, dass die Methode des Milizsoldaten (minpei) ein natürliches Prinzip und keine zufällige Überlegung ist. Bei der Einführung muss man aber Vergangenheit und Gegenwart berücksichtigen und eine günstige Gelegenheit herbeiführen. Da dieses Militärsystem in Ländern des Abendlandes auf Grundlage jahrhundertelanger Forschung und Praxis festgelegt ist, sind die entsprechenden Regelungen äußerst ausführlich. Weil sich jedoch Regierungssystem und Geographie unterscheiden, kann man diese nicht unverändert anwenden. Deshalb sei für verschiedene Zwecke (?) / eilig (?) zu rüsten, indem man jetzt die positiven Elemente [der westlichen Militärsysteme] übernimmt, das alte Militärsystem (koseki no gunsei) ergänzt, die beiden Streitkräfte Heer und Marine aufrüstet und die jungen Männer aller vier Stände des ganzen Landes bis zum Erreichen ihres zwanzigsten Lebensjahres in die Stammrollen einträgt. Die Ortsund Gemeindevorsteher haben dieser erhabenen Absicht [des Tennō] Folge zu leisten, die Gemeinen (minsho) gemäß der Wehrpflichtverordnung zu ermahnen und die Grundlage des Schutzes des Staates bekannt zu machen. 28. Tag des 11. Monats des Jahres Meiji 5 (1872) Chōhei kokuyu, In: Yui, Masaomi / Fujiwara, Akira / Yoshida, Yutaka (Hg.): Guntai, heishi (= Nihon kindai shisō taikei 4), 5. Aufl. Tōkyō: Iwanami shoten 2000, S. 67–68.
Kaiserliche Ansprache an die Soldaten und Matrosen des Reiches „Liebe Soldaten und Matrosen! – Als im 15. Jahre des Meiji die Neugestaltung des Heeres und der Flotte beendet war, haben Wir, der Oberbefehlshaber der Landund Seemacht, fünf Verordnungen niedergelegt, die ihr als Krieger mit eurer ganzen Kraft befolgen solltet, und Wir taten Euch kund, dass ihr von ungeteiltem Ernst durchdrungen treu, höflich, tapfer, wahrhaftig und maßvoll sein solltet. Unsere an euch gerichteten Anweisungen waren so ernst gemeint, weil Wir auf euch als die Hauptsäulen Unserer Macht bauten. Seitdem hat länger als
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zehn Jahre lang Ruhe im Reich geherrscht. Als jedoch im vorigen Jahr der Krieg gegen China ausbrach, erhobt ihr euch bei einem Wort von Uns und ertrugt die schwüle Hitze des Sommers, trotztet der bitteren Kälte des Winters. Diejenigen, die zurückgeblieben sind, halfen zu Hause die Sicherheit des Reiches zu befestigen, während die ins Feld gesandten die mutige Aufgabe, den Feind anzugreifen, unternahmen. Dadurch wurde ein beispielloser Erfolg zu Wasser und zu Lande erzielt, der Zweck des Krieges erreicht und der Ruhm des Reiches über alle vier Meere verbreitet. Wir sind hoch erfreut, dass die Kaiserliche Land- und Seemacht es zu solch einer erfolgreichen Wirksamkeit gebracht hat, und zugleich erkennen Wir an, dass ihr – der fünf erwähnten Verordnungen eingedenk – euer Leben aufs Spiel gesetzt habt, um Unsere Befehle auszuführen, und die euch obliegenden Pflichten erfüllt habt, wie es den Hauptstützen Unseres Staates zukommt. Wir würdigen höchlich die Vaterlandsliebe derer, die auf dem Schlachtfeld gefallen, durch Krankheit hingerafft oder verkrüppelt worden und hegen Mitgefühl für ihr Los. Wir haben mit China Frieden geschlossen und wollen mit euch das Glück des Friedens teilen; aber Wir sind der Ansicht, dass die erhöhte Würde von Heer und Marine und der Ruhm des Reiches euren Pflichten und Verantwortlichkeiten ein größeres Gewicht gegeben haben. Wir wünschen jetzt, da sich der Ruhm der Nation vermehrt hat, mit Euch den Ruhm und die Ehre des Reiches zu teilen und zu genießen, doch können Wir nicht übersehen, dass das künftige Geschick des Staates noch in der Entwicklung begriffen ist. Wir schärfen es euch daher ein, gleichviel ob ihr im Militärdienst bleibt oder daraus entlassen nach Hause zurückkehrt, Unseren Befehlen gehorsam nachzukommen, die fünf Bestimmungen immer im Auge zu behalten und die Pflichten eines Kriegers zu erfüllen, damit ihr, wenn die Pflicht künftig ruft, zum Dienste des Vaterlands mit allem Ernste bereit seid.“ Kaiserliche Ansprache an die Soldaten und Matrosen des Reiches (18. Mai 1895), In: Stead, Alfred: Unser Vaterland Japan. Ein Quellenbuch, geschrieben von Japanern, Leipzig: E. A. Seemann 1904, S. 675–676.
Reisai norito, Yasukuni-Schrein „Prayer of the Ordinary Festival Upon the deep root of the earth stand big pillars, and the high up in the sky the rafters end. Here, I recite the prayer. In front of the most respected Yasukuni Shrine, I, the Chief Priest, read this prayer in great reverence.
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It is due to your glorious merits that His Majesty can reign over the great empire peacefully. He has ordered the Celebration of the Autumn Ordinary Festival on October 23rd. He has had as Imperial Messenger dedicate offerings. Therefore, after due purification, you shall be offered holy treasures or the mirror and the sword, clothes-soft and rough, wine, rice, or vegetables, fishes with fins broad and narrow, and seaweed taken from near and far from the shore. All are offered in large quantities. The war and navy ministers, imperial soldiers, and many government officials have gathered here to pray to you. Please approve of our sincerity. Let the reign of the emperor who rules over this country peacefully, be as enduring as the great rocks and prosper forever. Let the princes and government officials prosper like the branches of the mulberry trees. The imperial soldiers, in observance of the emperors orders, with Yamato Spirit, have been serving the Emperor from long ago. They say they do not care at all wherever they may die, if they can die in service of their Emperor. We sincerely entreat you to enable these soldiers to devote themselves to the cause of our country with pure minds. Never allow foreign countries to rise in arms against us. Let them always offer tribute by ships which will fill the oceans. Let our country be the Eternal Rice Country, Land of Plenty, Land of Peace. Let the august virtue of the emperor shine all over the world. Thus, we pray to you gods with great reverence.” Reisai norito, In: Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand GHQ/SCAP Records, Civil Information and Education Section, Analysis and Research Division, Research Unit (Religious), Yasukuni Jinja and War Bereaved Families, Rep. NARA RG 331, CIE (B) 07068–07070 (Microfiche), undatiert.
Gebet des Kaiserlichen Gesandten aus Anlass der Kriegserklärung an die USA und Großbritannien, Yasukuni-Schrein, 1941 „Ritual Prayer offered at the Festival of Reporting the Declaration of War against America and Britain. In conformity with the order of the Emperor, I, Shoten (ritualist) Prince Hiroyoshi Ito, Junior 3rd Class Court Rank and 4th Order of Merit, say in front of the altar of the Yasukuni Jinja of which even the name must be mentioned with great awe, that I have been dispatched as the Imperial Messenger to render the following prayer. Since the foundation of the Empire, the Imperial Ancestors and the successive Emperors have all devoted themselves to the promotion of universal brotherhood (yomo no umi, mina Hara-kara). Unexpectedly, however, the China Incident broke out in 1937. Therefore, the Emperor ordered that negotiations begin
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with the countries concerned for the purpose of restoring peace in Greater East Asia as soon as possible, but to no avail. Moreover, hostile feelings continued to deepen day by day, month by month. As it is, the Emperor has be doing all he can. But the winds blow all the harder and the waves get all the higher. Thus, the very existence of our Empire is being threatened. In this connection, although regrettable, it has been decided as inevitable to declare war against America and Britain. Approve peacefully serenely the fact that the Emperor, in order to report the above circumstances, dedicates offerings of thanksgiving. Make the august virtue of the Empire shine all over the world by promptly conquering the enemies coming by land, sea and air in order to allow the Emperor’s reign to last forever and ever. I ask you in humble awe to listen to the order of the Emperor. 14. December 1941” Ritual Prayer offered at the Festival of Reporting the Declaration of War against America and Britain, In: Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryōshitsu, Bestand GHQ/SCAP Records, Civil Information and Education Section, Analysis and Research Division, Research Unit (Religious), Translation – 86, CIE (B) 07071 (Microfiche), 14. Januar 1947.
Gelübde für den ewigen Frieden (Abe Shinzō, 26. 12. 2013) „Heute habe ich dem Yasukuni-Schrein einen Besuch abgestattet und den Seelen all derer, die für dieses Land gekämpft und das höchste Opfer gebracht haben, mein aufrichtiges Beileid zum Ausdruck gebracht, Ihnen meine Verehrung erwiesen und für ihren Frieden gebetet. Zugleich habe ich auch die Gedenkstätte Chinreisha besucht, um dort für die Seelen all derer zu beten, die – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – ihr Leben in Kriegen verloren haben und nicht im Yasukuni-Schrein verehrt werden. Bei meinem Gebet für die Seelen der Gefallenen ist mir zutiefst bewusst geworden, welch große Kostbarkeit der Frieden darstellt, den Japan heute genießen darf. Der Frieden und der Wohlstand, in dessen Genuss Japan heute kommt, wurden nicht allein durch diejenigen geschaffen, die in unserer heutigen Zeit leben. Unser Frieden und Wohlstand gründen sich vielmehr auf das kostbare Opfer derjenigen, die mit den besten Wünschen für ihre geliebten Ehefrauen und Kinder sowie mit liebenden Gedanken für ihre Väter und Mütter, die sie großgezogen haben, auf dem Schlachtfeld gefallen sind. Heute habe ich hierüber erneut gründlich nachgedacht und bei diesem Besuch meinen aufrichtigen Respekt und Dank zum Ausdruck gebracht.
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Von Japan darf nie wieder ein Krieg ausgehen. Dies ist auf der Grundlage der tief empfundenen Reue über die Vergangenheit meine aufrichtige Überzeugung. Ich habe vor den Seelen der Gefallenen meine große Entschlossenheit erneuert, an dem Gelübde, nie wieder einen Krieg zu verursachen, festzuhalten. Gleichzeitig habe ich bei mir geschworen eine Ära zu gestalten, die frei ist von Leid aufgrund der Verheerungen des Krieges. Japan soll ein Land sein, dass sich Hand in Hand mit seinen Freunden in Asien und überall in der Welt für die Verwirklichung des Friedens weltweit einsetzt. In den 68 Jahren, die seit dem Ende des Krieges vergangen sind, hat sich Japan zu einem freien und demokratischen Land entwickelt, und es hat beständig den Weg des Friedens beschritten. Es steht außer Zweifel, dass wir diesem Weg auch in Zukunft weiter folgen werden. Im Geist der internationalen Zusammenarbeit wird Japan auch künftig seiner Verantwortung für Frieden und Stabilität sowie für den Wohlstand in der Welt gerecht werden. Bedauerlicherweise ist es Realität, dass Besuche des Yasukuni-Schreins zu einem politischen und diplomatischen Problem geworden sind. Es gibt Stimmen, die einen Besuch dieses Schreins als eine Verehrung der Kriegsverbrecher kritisieren. Jedoch besteht der Zweck meines Besuches am heutigen Jahrestag des Amtsantritts meiner Regierung darin, den Seelen der Gefallenen darüber Bericht abzustatten, wie meine Regierung in diesem einen Jahr gewirkt hat sowie ihnen meine Entschlossenheit zu übermitteln, eine Ära zu gestalten, in der die Menschen kein zweites Mal unter den Verheerungen eines Krieges leiden müssen. Es liegt vollkommen außerhalb meiner Absicht, die Gefühle der Menschen in China und Korea zu verletzen. Vielmehr ist es – genauso wie die früheren Premierminister, die den Yasukuni-Schrein besucht haben – mein Wunsch, den gegenseitigen Charakter zu achten, Freiheit und Demokratie zu schützen sowie China und Korea zu respektieren und freundschaftliche Beziehungen zu diesen Ländern zu gestalten. Ich bitte Sie alle um Ihr Verständnis.“ Erklärung von Premierminister Shinzō Abe – „Gelübde für den ewigen Frieden“ vom 26. Dezember 2013 (offizielle deutsche Übersetzung, online unter http://japan.kantei.go.jp/96_abe/statement/201312/pdf/26danwa_de.pdf , zuletzt abgerufen 20. Januar 2015)
Glossar ausgewählter japanischer Begriffe Personen, Institutionen und Organisationen Anm: Aus Platzgründen sind die Orte des politischen Totenkultes auf S. 469 f. aufgeführt. A Aikoku fujin-kai 愛国婦人会 Aizawa Sheishisai 会沢正志斎 Akama jingū 赤間神社 Amida-ji 阿弥陀寺 Ankoku-ji 安国寺 Aoyama Kiyoshi 青山清 Arai Hakuseki 新井白石 Arima Shinshichi 有馬新七 Arisugawa no miya Taruhito-shinnō 有栖川宮熾仁親王 Asahizakura jinja 旭桜神社 Ashikaga Takauji 足利尊氏 B Bak Jeong-hui (Park Chung-hee) 朴正煕 Bōei-chō 防衛庁 Bōei-shō 防衛省 Byakko-tai 白虎隊 C Chichibu no miya 秩父宮 Chinrei-sha 鎮霊社 Chūrei-dō 忠霊堂 D Dai-ichi fukuin-shō 第一復員省 Dai-ni fukuin-shō 第二復員省 Dai-Nihon chūrei kenshō-kai 大日本忠霊顕彰会 Dai-Nihon gunjin engo-kai 大日本軍人援護会 Dai-Nihon seinen-dan 大日本青年団 Dajō-kan 太政官 Dōhō engo-kai 同胞援護会 Dōkyō 道鏡
E Ebihara Kinosuke 海老原喜之助 Eirei ni kotaeru kai 英霊にこたえる会 Enomoto Takeaki 榎本武明 Enshū hōkoku-tai 遠州報国隊 Etō Shinpei 江藤新平 F Fujiwara no Takaie 藤原隆家 Fujiwara no Tanetsugu 藤原種継 Fukuba Bisei 福羽美静 Fukuhara Mototake 福原元僴 Fukuzawa Yukichi 福沢諭吉 Furukawa Miyuki 古川躬行 G Giyū sentō-tai 義勇戦闘隊 Go-Daigo-tennō 後醍醐天皇 Gunjin engo-kai 軍人援護会 Gunjin izoku kyūgo-kai 軍人遺族救護会 Gunjin kaikan 軍人会館 Gun-on renmei zenkoku rengō-kai 軍恩連盟全国連合会 Gyo-fu 御府 H Hashimoto Ryōgo 橋本龍伍 Hashimoto Ryūtarō 橋本龍太郎 Hatoyama Ichirō 鳩山一郎 Heiwa izoku-kai 平和遺族会 Higashikuze Michitomi 東久世通禧 Hirade Hideo 平出英夫 Hirata Atsutane 平田篤胤 Hirose jinja 広瀬神社 Hirose Takeo 広瀬武夫 Hishikari Takashi 菱刈隆 Hoan-tai 保安隊
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Glossar
Hōjō 北条 Hōjō Tokimune 北条時宗 Hōkō-ji 方広寺 Hoppō-gun 北方軍 Hoshina Masayuki 保科正之 Hosokawa Morihiro 細川護煕 Hyōbu-shō 兵部省 Hyōbu-shō kaikei-kyoku 兵部省会計局 I I Sun-sin (Yi Sun-sin) 李舜臣 Ikazoku giin renmei 遺家族議員連盟 Ikeda Mitsumasa 池田光政 Itaya Eishō 板谷栄松 Ishiba Shigeru 石破茂 Ishihara Shintarō 石原慎太郎 Itagaki Seishirō 板垣征四郎 Itagaki Tadashi 板垣正 Iwata Tamizō 岩田民蔵 Izoku seiji renmei 遺族政治連盟 J Jiang Jieshi (Chiang Kai-shek) 蔣介石 Jiei-tai 自衛隊 Jingi-in 神祇院 Jingi jimu-kyoku 神祇事務局 Jingi-kan 神祇官 Jinja honchō 神社本庁 Jiyū-tō 自由党 Junmei-fu 惇明府 Jūgo hōkō-kai 銃後奉公会 K Kaien-fu 懐遠府 Kaigun 海軍 Kaijō yobi-tai 海上予備隊 Kaikō-sha 偕行社 Kamei Koremi 亀井茲監 Kamo Mabuchi 加茂真淵 Kanda myōjin 神田明神 Kannabi jinja 甘南備神社 Kantō-gun 関東軍 Kaya Okinori 賀屋興宣 Keishin-tō 敬神党 Ken’an-fu 建安府
Kenchū-fu 顕忠府 Kido Takayoshi 木戸孝允 Kihei-tai 奇兵隊 Kikuchi Kohei 木口小平 Kirisuto-sha izoku no kai キリスト者遺族の会 Kishi Nobusuke 岸信介 Kiyose Ichirō 清瀬一郎 Koga Makoto 古賀誠 Koizumi Jun’ichirō 小泉純一郎 Kokka keisatsu yobi-tai 国家警察予備隊 Kokubō fujin-kai 国防婦人会 Kōmei-tennō 公明天皇 Kōmyō-tennō 光明天皇 Konoe Fumimaro 近衛文麿 Kōsei-shō 厚生省 Kudan kaikan 九段会館 Kusunoki Masashige 楠木正成 Kyōiku sōkan-bu 教育総監部 L Luyu 魯璵 M Maki Yasuomi Izumi 真木保臣和泉 Makino Nobuaki 牧野伸顕 Makino Shūji 牧野修二 Manshū-koku 満州国 Matsudaira Nagayoshi 松平永芳 Matsudaira Yoshinaga (Shungaku) 松平慶永(春嶽) Matsudaira Yoshitami 松平慶民 Matsuo Bashō 松尾芭蕉 Miki Takeo 三木武夫 Minatogawa jinja 湊川神社 Minshu-tō 民主党 Mitarai Fujio 御手洗富士夫 Miura Torajirō 三浦虎次郎 Miyabe Teizō 宮部鼎蔵 Miyazawa Kiichi 宮澤喜一 Mori Yoshirō 森喜朗 Motoori Norinaga 本居宣長 Murakami Isamu 村上勇 Murayama Tomiichi 村山富市
Personen, Institutionen und Organisationen N Nagashima Ginzō 長島銀藏 Nagao Ikusaburō 長尾郁三郎 Nakamura Hirosuke 中村広助 Nakasone Yasuhiro 中曽根康弘 Nakatani Sakatarō 中谷坂太郎 Nakatsu-tai 中津隊 Nakaya Takafumi 中谷孝文 Nanshū jinja 南州神社 Nihon izoku-kai 日本遺族会 Nihon izoku kōsei renmei 日本遺族厚生連盟 Nihon sekijūji-sha 日本赤十字社 Nihon shakai-tō 日本社会党 Nihon shōi gunjin-kai 日本傷痍軍人会 Nippon kaigi 日本会議 Nishi hongan-ji 西本願寺 Nishikawa Yoshisuke 西川吉輔 Nishikinokōji Yorinori 錦小路頼徳 Nitta Yoshisada 新田義貞 Nogi Maresuke 乃木希典 Nonaka Kenzan 野中兼山 O Obuchi Keizō 小渕恵三 Oda Nobunaga 織田信長 Ōgimachi-tennō 正親町天皇 Oka Kumaomi 岡熊臣 Okada Keisuke 岡田啓介 Ōkubo Hatsutarō 大久保初太郎 Ōkubo Toshimichi 大久保利通 Okumura Ioko 奥村五百子 Ōkuni Takamasa 大国隆正 Ōmura Masujirō 大村益次郎 Onoda Hiroo 小野田寛朗 Onshi zaidan hōjin gunjin engo-kai 恩賜財団法人軍人援護会 Ōtaguro Tomoo 太田黒伴雄 Ōtani Fujinosuke 大谷藤之助 Ōtani, Hidemi 大谷秀実 Ōtori Keisuke 大鳥圭介 Otsuji Hidehisa 尾辻秀久 Ōyama Iwao 大山巌 Ozawa Ichirō 小沢一郎 R Rai San‘yō 頼山陽
Rinnō-ji no miya Kōgen-hō-shinnō 輪王寺宮公現法親王 S Sagara Sōzō 相楽総三 Saigō Takamori 西郷隆盛 Saigō Tsugumichi 西郷従道 Sakamoto Ryōma 坂本龍馬 Sakurai Tokutarō 桜井徳太郎 Sakurayama dōshi-kai 桜山同志会 Sakurayama jinja 桜山神社 Sakurayama shōkon-jō 桜山招魂場 Sawara-shinnō 早良親王 Seimu chōsa-kai 政務調査会 Sekihō-tai 赤報隊 Sennyū-ji 泉涌寺 Sen’yū-kai 戦友会 Sensai engo-kai 戦災援護会 Sensō gisei-sha izoku dōmei 戦争犠牲者遺族同盟 Sera Toshisada 世良利貞 Shakai, engo-kyoku 社会・援護局 Shida-gun 志太郡 Shidehara Kijūrō 幣原喜重郎 Shigemitsu Mamoru 重光葵 Shimazu Nariakira 島津斉彬 Shinbu ikuei-kai 神武育英会 Shinten-fu 振天府 Shinpū-ren 神風連 Shiraishi Shōichirō 白石正一郎 Shōkun-kyoku 賞勲局 Shōwa-kan 昭和館 Sōhyō 総評 Sudō-tennō 須藤天皇 Sugawara no Michizane 菅原道真 Sugino Magoshichi 杉野孫七 Suikō-sha 水交社 Sūmitsu-in 枢密院 Sunshū sekishin-tai 駿州赤心隊 Suzuki Takao 鈴木孝雄 Suzuki Zenkō 鈴木善幸 T Taisei yokusan-kai 大政翼賛会 Taiyū-kai 隊友会 Takahashi Ryūtarō 高橋龍太郎
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Glossar
Takamatsu no miya 高松宮 Takeshita Noboru 竹下登 Tanaka Giichi 田中義一 Tanaka Kakuei 田中角栄 Tani Kanjō 谷干城 Teikoku gunjin kōen-kai 帝国軍人後援会 Teikoku zaigō gunjin-kai 帝国在郷軍人会 Tōgō Heihachirō 東郷平八郎 Tōgyō-an 東行庵 Tōjō Hideki 東条英機 Tokugawa Ieyasu 徳川家康 Tokugawa Mitsukuni 徳川光圀 Tokugawa Nariaki 徳川斉昭 Tokugawa Yoshikatsu 徳川慶勝 Tokugawa Yoshisane 徳川義真 Tomita Tomohiko 富田智彦 Tōshō-gū 東照宮 Toyotomi Hideyoshi 豊臣秀吉 Tsukuba Fujimaro 筑波藤麿 U Umezu Yoshijirō 梅津美治郎 Uno Sōsuke 宇野宗佑 Urabe Ryōgo 卜部亮吾 Urayasu-kai 浦安会 Usa Hachiman-gū 宇佐八幡宮 V Wadatsumi-kai わだつみ会 Wake no Kiyomaro 和気清麻呂 Y Yamagata Aritomo 山縣有朋
Yamamoto Jin’uemon Tsunetomo 山本神右衛門常朝 Yamasaki Yasuyo 山崎保代 Yanagawa Kumakichi 柳川熊吉 Yasui Sanesuke 安井真祐 Yasui Seiichirō 安井誠一郎 Yasukuni jinja 靖国神社 Yasukuni jinja hōsan-kai 靖国神社奉賛会 Yasukuni jinja no kage ni hikari o kai 靖国神社の陰に光を会 Yasukuni-kai 靖国会 Yasukuni-kō 靖国講 Yokoi Shōnan 横井小楠 Yōrō-kan 養老館 Yoshida Kanehiro 吉田兼熈 Yoshida Kanemigi 吉田兼右 Yoshida Kanetomo 吉田兼倶 Yoshida Shigeru 吉田茂 Yoshida Shōin 吉田松陰 Yūken jinja 雄健神社 Yūshū-kan 遊就館 Z Zenkoku gokoku jinja gūji-kai 全国護国神社宮司会 Zenkoku gokoku jinja-kai 全国護国神社会 Zenkoku shinshoku-kai 全国神職会 Zhu Xi 朱子 Zhu Zhiyu 朱之瑜 Zhuang Zi 荘子
Sachwortverzeichnis
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Sachwortverzeichnis A aidono-gami 相殿神 aikoku-shin 愛国心 aitō 哀悼 anoyo あの世 anpo tōsō 安保闘争 Anzen hoshō jōyaku 安全保障条約 B bakudan san-yūshi 爆弾三勇士 bakufu 幕府 bakuhan taisei 幕藩体制 bakumatsu 幕末 bansei ikkei 万世一系 Bei Qi Shu (Hoku-Sei-sho) 北斉書 bekkaku kanpei-sha 別格官幣社 Bonari no tōge 母成峠 boshin sensō 戊辰戦争 budōshu 葡萄酒 buki yushutsu san-gensoku 武器輸出三原則 bunka kokka 文化国家 bunkai 分会 bunke 分家 bunkotsu 分骨 bunrei 分霊 bushi 武士 bushi-dō 武士道 byōsho 廟所 C Chian iji-hō 治安維持法 chihō fukuin-bu 地方復員部 chindai 鎮台 chinkon gyōji 鎮魂行事 chinkon-sai 鎮魂祭 chōhei irō gikai 徴兵慰労議会 Chōhei kokuyu 徴兵告諭 chōhei yōshi 徴兵養子 Chōhei-rei 徴兵令 chōi-kin 弔意金 chōkan 長官 chokkan onmen 勅勘恩免
chokushi 勅使 chokushi sankō 勅使参向 chōshi-hyō 弔死標 chōteki 朝敵 chōteki no kyokai 朝敵の巨魁 chū 忠 chūin 中陰 chūin-dan 中陰壇 chūjitsu 忠実 chūkon 忠魂 chūkon-hi 忠魂碑 Chūkon-shi 忠魂史 chūkun aikoku 忠君愛国 chūrei 忠霊 chūrei-dō 忠霊堂 chūrei-tō 忠霊塔 chūshi 忠死 chūshin 忠臣 chūshin kenshō 忠臣顕彰 chūshi-sha no ikotsu 忠死者の遺骨 chūu 中有 chūyū setsuretsu 忠勇節烈 D dai-chijoku, dai-hikyō no kōi 大恥辱・大卑怯の行為 Dai-Nihon teikoku kenpō 大日本帝国憲法 Dai-Tōa sensō 大東亜戦争 damasareta ishiki だまされた意識 danka 檀家 Dōki no sakura 同期の桜 dosō 土葬 E einai jinja 営内神社 eirei 英霊 eirei no hi 英霊の日 eirei no kenshō 英霊の顕彰 eirei-den 英霊殿 eirei seishin 英霊精神 eirei-shitsu 英霊室 eji 衛士
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Glossar
emishi 蝦夷 eta えた F fujin-bu 婦人部 fukoku kyōhei 富国強兵 fukujū 服従 fūsō 風葬 G gaisen-hi 凱旋碑 gen’eki 現役 genrō 元老 gensui 元帥 gi 義 gisen 義戦 Go-ichi-go jiken 五・一五事件 gokoku jina 護国神社 Gokoku jinja kaisei yōkō 護国神社改正要項 gokoku jōi 護国攘夷 gokoku no eirei 護国の英霊 gokoku no kami 護国の神 gokoku sonrei 護国尊霊 goō 護王 Goō daimyōjin 護王大明神 goraku-jō 娯楽場 goryō 御霊 goryō-e 御霊会 gōsai 合祭 gōshi 合祀 gōshi tsūchi 合祀通知 go-shinpei 御親兵 gūji 宮司 gun’yō bochi 軍用墓地 gunbu 軍部 gunbu daijin gen’eki bukan-sei 軍部大臣現役武官制 gunchō 郡長 gundan 軍団 gunji engo sōdan-sho 軍事援護相談所 Gunji kyūgo-hō 軍人救護法 gunjin-baka 軍人墓 Gunjin chokuyu 軍人勅諭 Gunjin chokuyu no senjō-ban 軍人勅諭の戦場版 Gunjin kunkai 軍人訓戒
gunjin no seishin 軍人の精神 gunken 郡県 gunkoku-teki jinja 軍国的神社 gunrei-ken 軍令権 gunsei-ken 軍制権 gunshin (gunjin) 軍神 gunshin keishō haken-dan 軍神敬頌派遣団 gyaku-kōsu 逆コース gyokusai 玉砕 H habatsu 派閥 Hagakure 葉隠 haiden 拝殿 haihan chiken 廃藩置県 hairei-shiki 拝礼式 hakkō ichiu 八紘一宇 Hakodate sensō 函館戦争 Hamaguri gomon no hen 蛤御門の変 han 藩 hansei 反省 hashira 柱 hatsu-miya mōde 初宮詣 heihaku 幣帛 Hekketsu-hi 碧血碑 heimin 平民 heitai yōshi 兵隊養子 heiwa kensetsu no kami 平和建設の神 heiwa kinen no hi 平和記念の碑 heiwa kokka 平和国家 heiwa Nihon 平和日本 heiwa Nihon no ishizue 平和日本の礎 heiwa Nihon no kensetsu 平和日本の建設 heiwa no ishizue 平和の礎 heiwa-teki bunka-teki saishi 平和的文化的祭祀 hi no kegare 火の穢れ hi-dō 碑堂 hi-kaku san-gensoku 非核三原則 Hi-kasō ron 非火葬論 hi-kōshiki 非公式 himorogi 神籬 hina matsuri 雛祭り hinin 非人 hōhei 奉幣 Hohei kyōtei 歩兵教程
Sachwortverzeichnis hōken 封建 hōken-sei 封建制 Hōkyōin darani 宝篋院陀羅尼 hōkyōin-tō 宝篋院塔 homare no ie 誉の家 hōmu-shi 法務死 honden 本殿 Hondo kessen 本土決戦 honji suijaku 本地垂迹 hōsan-kai 奉賛会 hōon 報恩 Hyaku nijūsan-shi no hi 百二十三士之碑 hyōchū-hi 表忠碑 hyōi 表意 I ichinichi senshi 一日戦死 ie 家 ihai 位牌 ihai 遺灰 ihatsu 遺髪 ihin 遺品 ikotsu 遺骨 ikusa no kami 戦の神 ima-Nankō 今楠公 Inari 稲荷 inbun 陰文 inujini 犬死 irei 慰霊 irei gyōji 慰霊行事 irei-hi 慰霊碑 irei-sai 慰霊祭 ishi 意志 ishin kinnō shishi no saidan 維新勤王志士の祭壇 isshi dōjin 一視同仁 Izanagi 伊邪那岐 Izanami 伊邪那美 izoku funsō 遺族紛争 Izoku no chikai 遺族の誓い J jichin-sai 地鎮祭 jiei-gun 自衛軍 jiei-ken 自衛権 jiketsu 自決
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jikkai 十界 jiko sekinin 自己責任 jingū 神宮 jinja 神社 jinja shintō 神社神道 jinmetsu 陣滅 Jinmu-tennō 神武天皇 jinsō 陣僧 Jiyū minken undō 自由民権運動 joi 叙位 Jōi jikkō no chokumei 攘夷実行の勅命 jōjin 常人 jokun 叙勲 jūgo 銃後 junnan 殉難 junkoku-hi 殉国碑 junkoku-sha 殉国者 junkyō-sha 殉教者 junshi 殉死 junshoku-sha 殉職者 junshoku shōhei 殉職将兵 K kaimyō 戒名 kaisō 改葬 kaiten 回天 kako-chō 過去帳 kami 守 kami 神 kamikaze 神風 kangun 官軍 kangun bochi 官軍墓地 kanpei-sha 官幣社 kansai 官祭 kansō 諫争 kansō-bun 感想文 Kantō no sōran 関東の争乱 karidono 仮殿 kari-maisō 仮埋葬 kasō 火葬 kazoku 華族 kegare 穢れ keiai no kokoro 敬愛の心 keibu 警部 keireki-bo 経歴簿 kenbo 賢母
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Glossar
kenkoku kinen-bi 建国記念日 Kenmu no shinsei 建武の新政 ketsugi 決議 ketsuzei 血税 ketsuzei sōdō 血税騒動 kigen-setsu 紀元節 kikusui 菊水 kinen-hi 記念碑 Kinmon no hen 禁門の変 kō 孝 kō-A no taigyō 興亜の大業 kōbu gattai 公武合体 kōdo keizai seichō 高度経済成長 kōdō-ha 皇道派 kōei 光栄 kogaku 古学 kōgun 皇軍 kōgun shuyō kaisen-chi 皇軍主要会戦地 Kojiki 古事記 kokka kanri 国家管理 kokka shintō 国家神道 Kokka sō-dōin-hō 国家総動員法 kokō 股肱 kōkoku-gun 皇国軍 kokubō kokka 国防国家 Kokubō no kihon hōshin 国防の基本方針 kokugaku 国学 kokuji 国事 kokumin 国民 kokumin gakkō 国民学校 kokumin no sonkei 国民の尊敬 Kokumin seishin sō-dōin undō 国民精神総動員運動 kokusai kokka Nihon 国際国家日本 kokushi 国司 kokushi musō 国士無双 kokusō 国葬 kokutai 国体 kokutai no goji 国体の護持 kokutai-ideorogii 国体イデオロギー kōkyō dantai 公共団体 Kōkyū heiwa e no chikai 恒久平和への誓い kōmu-shi 公務死 konoe-hei 近衛兵 konpon seishin 根本精神 kōon 皇恩 kōsei-ka 厚生課
koseki 戸籍 kōshiki sanpai 公式参拝 kōsō 公葬 kōza-ha 講座派 kubunden 口分田 Kudan no haha 九段の母 kuge 公家 kuni 国 kuni no miyatsuko 国造 kunkoku 君国 kuramai chigyō 蔵米知行 kuyō 供養 kuyō-e 供養会 kuyō-hi 供養碑 kuyō-tō 供養塔 Kyōiku ni kan-suru chokugo 教育に関する勅語 Kyōto shugo-shoku 京都守護職 kyū-gunshin 九軍神 kyūjo 救助 M mairibaka 参墓 maisō 埋葬 maisō-chi 埋葬地 Manshū jihen 満州事変 Meiji ishin 明治維新 Meiji jūyo-nen no seihen 明治十四年の政変 meiyo 名誉 meiyo bochi 名誉墓地 meiyo kaiin 名誉会員 meiyo komon 名誉顧問 meiyo no chūshi 名誉の忠死 meiyo no furyo 名誉の俘虜 meiyo no fushō 名誉の負傷 meiyo no fushō-sha 名誉の負傷者 meiyo no senshi 名誉の戦死 Mi-kikan-sha rusu-kazoku tō engo-hō 未帰還者留守家族等援護法 mikoshi 神輿 mikoto 命 miikusa 御軍 minkan dantai 民間団体 minpei 民兵 Minpei-tai 民兵隊 minsho 民庶
Sachwortverzeichnis minzoku 民族 mitama matsuri みたま祭 mitama-byō 御霊廟 mitamashiro 御霊社 Mito-gaku 水戸学 mizu-gei 水芸 mokutō 黙祷 mugon no gaisen 無言の凱旋 mumei senbotsu-sha no haka 無名戦没者の墓 Murakami-ha 村上派 N Nagaoka-kyō 長岡京 nagusame 慰め naichi 内地 Nanboku-chō 南北朝 Nankō-sai 楠公祭 Nankō sūhai 楠公崇拝 Nanshi sūhai 楠子崇拝 nenbutsu 念仏 nenkin 年金 Nihon rettō fuchin kūbo 日本列島浮沈空母 Nihon seishin 日本精神 Nihon shinmin 日本臣民 Nihon shoki 日本書紀 Nihon shūhen chiiki 日本周辺地域 Nihon-kai kaisen 日本海海戦 Ni-ni-roku jiken 二・二六事件 Nit-Chū sensō 日中戦争 nōhei 農兵 nōkotsu-dō 納骨堂 Nomonhan jiken ノモンハン事件 norito 祝詞 nozoki karakuri 覗きからくり O o-harai お祓い on 恩 Onkyū-hō 恩給法 onryō 怨霊 onshin byōdō 怨親平等 ōsei fukko 王政復古
P PKO kyōryoku-hō PKO協力法 R Ran-gaku 蘭学 reddo paaji レッドパージ reihai 礼拝 reiji-bo 霊璽簿 reiji hōan-sai 霊璽奉安祭 reisha 霊舎 rei-taisai 例大祭 rengō kantai shirei chōkan 連合艦隊司令長官 resshi 烈士 rikugun 陸軍 rikugun chōji-tai 陸軍懲治隊 rikugun kyōka-tai 陸軍強化隊 Rikugun-shō-rei 陸軍省令 rinji dai-shōkon-sai 臨時大招魂祭 rinji taisai 臨時大祭 rinne 輪廻 rinpo-han 隣保班 rinpo sōfu 隣保相扶 rishō-tō 利生塔 roku 禄 rokudō 六道 rokufu nichin 六府二鎮 rokurokubi ろくろ首 ryōbo-sei 両墓制 Ryojun kaijō 旅順開城 S Sadohara-han shōkon-zuka 佐土原藩招魂塚 saibun 祭文 saikō no hōshi 最后の奉仕 saisei itchi 祭政一致 sakimori 防人 sakoku 鎖国 sakuin-bo 索引簿 Sakurai no ketsubetsu 桜井の決別 Sakurai no wakare 桜井の別れ Sakurayama shidō 桜山祠堂 san-kai-ki 三回忌 San-nikudan 三肉弾 sanpai 参拝
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Glossar
sansei ketsugi 賛成決議 Sat-Chō dōmei 薩長同盟 segai-teki 世外的 segaki daie 施餓鬼大会 segaki-e 施餓鬼会 seibi daitoku 盛美大徳 Seichū no hi 誠忠之碑 seiden 正殿 Sei-gun 西軍 seii tai-shōgun 征夷大将軍 seijin no o-iwai 成人のお祝い sei-Kan-ron 征韓論 seikatsu saiken 生活再建 seikatsu-ken 生活権 Seinan sensō 西南戦争 seinen-kai 青年会 sei-Ro 征露 sei-Shin kinen-hi 征清記念碑 seishin kyōiku 精神教育 seishin shidō 精神指導 seizon kakunin 生存確認 senbotsu 戦没 sennin-bari 千人針 Senbotsu-sha izoku shidō yōkō 戦没者遺族指導要綱 Senbotsu-sha tsuitō shi heiwa o kinen suru hi 戦没者追悼し平和を祈念する日 sengo seiji no sō-kessan 戦後政治の総決算 sengoku jidai 戦国時代 sengū-shiki 遷宮式 Senji rikugun maisō kisoku 戦時陸軍埋葬規則 Senjin-kun 戦陣訓 senshi 戦死 seppuku 切腹 sessha 摂社 sesshō kindan 殺生禁断 sewa-bu 世話部 shakai kōkyō 社会公共 shakaku 社格 Shanhai jihen 上海事件 shari-den 舎利殿 shashi 社司 shatō no taimen 社頭の対面 shau 社宇 shazai 謝罪 shi, nō, kō, shō 士農工商
shichi-kai-ki 七回忌 Shichisei-setsu 七生説 shidō 士道 shijin 私人 shimin 四民 Shina jihen 支那事変 shinbutsu bunri 神仏分離 shinkoku 神国 shinmin 臣民 shinmon 神門 Shin-Nihon kensetsu no chokusho 新日本建設の勅書 Shinpū-ren no ran 神風連の乱 shinrei 神霊 shinryaku sensō 侵略戦争 shinsei 神聖 shintai 神体 shin-taisei 新体制 Shintō shirei 神道指令 shinza (tamatoko) 神座 shisai 私祭 shisai gōshi 私祭合祀 shishi 志士 shishi jinjin 志士仁人 shitei gokoku jinja 指定護国神社 shi-teki sanpai 私的参拝 shizoku 士族 shōbu seishin 尚武精神 shōbu-kai 尚武会 shōchū-hi 昭忠碑 shōgun 将軍 shōkon 招魂 shōkon funbo 招魂墳墓 shōkon-hi 招魂碑 shōkon-jō 招魂場 shōkon saishi 招魂祭祀 shōkon-sai no gi 招魂祭の儀 shōkon yuniwa 招魂斎庭 Shōwa junnan-sha 昭和殉難者 Shōwa no kyū-bashira 昭和の九柱 Shōwa-shi ronsō 昭和史論争 shugo 守護 shugo-shin 守護神 shūkyō hōjin 宗教法人 shūkyō-teki katsudō 宗教的活動 sōgi 葬儀 sōji-tai 掃除隊
Sachwortverzeichnis sonnō jōi 尊王攘夷 sōkai-tai 掃海隊 sonnō keifu 尊王敬府 sōryoku-sen taisei 総力戦体制 sōsai 総裁 Sōsai benron 葬祭弁論 sōshiki bukkyō 葬式仏教 sōtoku 総督 suisō 水葬 sutebaka 捨て墓 T Taihei-ki 太平記 Taiheiyō sensō 太平洋戦争 Taisha-rei 大赦令 Tahō-tō 多宝塔 tama 魂 Tama no mihashira 霊能真柱 tatari 祟り Tengu no ran 天狗の乱 tennō no guntai 天皇の軍隊 tennō-fuku 天皇服 tenriku 殄戮 terauke 寺請 Terukuni daimyōjin 照國大明神 Tōa kensetsu 東亜建設 Tōbaku no mitchoku 討幕の密勅 Tō-gun 東軍 Tōhoku, Echigo sensō 東北越後戦争 Toi no nyūkō 刀伊の入寇 tokkō geppō 特高月報 tokubetsu kōgeki-tai (tokkō-tai) 特別攻撃隊(特攻隊) tokushi 特旨 tonari-gumi 隣組 tōrō 燈籠 Tō-sei 東征 Tō-sei senbō no hi 東征戦亡之碑 tōsei-ha 統制派 Tōshō daigongen 東照大権現 tōshu 党首 tōsui-ken 統帥権 Toyokuni (Hōkoku) daimyōjin 豊国大明神 tsuitō 追悼 tsumi 罪
U uji 氏 ujiko 氏子 umebaka 埋め墓 Umi yukaba 海行かば Undō hōshin taikō 運動方針大綱 Uzuhiko 珍彦 Y Yamato damashii 大和魂 yashiki-gami 屋敷神 Yasukuni heiwa-dō 靖国平和堂 Yasukuni kokka goji undō 靖国国家護持運動 Yasukuni-sai 靖国祭 yokyō 余興 yomi 黄泉 yomi no kuni 黄泉の国 yonjū-nen taisei 四十年体制 Yoshida dokutorin 吉田ドクトリン yuiitsu shintō 唯一神道 yūkan 勇敢 Yūkan naru suihei 勇敢なる水兵 yūkyō 幽境 yūryoku dantai 有力団体 Z zaibatsu 財閥 zaidan hōjin 財団法人 zaigō gunjin-dan 在郷軍人団 Zenkoku senbotsu-sha tsuitō-shiki 全国戦没者追悼式 zoku 賊 zoku-giin 族議員 zokugun 賊軍 zokushin 賊臣 zokushū 賊衆 zokuto 賊徒 zokuto seitō no eki 賊徒征討の役
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Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen Unveröffentlichte Quellen 1.
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Gokoku Jina. Preliminary Report on of Survey conducted by Jinja Honcho, 26 September, 1946 (25. Oktober 1946) (Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand GHQ/ SCAP Records, Civil Information and Education Section, Analysis and Research Division, Research Unit (Religious), Gokoku Jinja, Ceremonies, Rep. NARA RG 331, CIE (B) 07034 (Microfiche). Memorandum, Subject: Yasukuni Jinja Enshrinement Ceremonies, 30 April – 1 May 1946, Source: Dr. A. Nelson’s report of a conference with Priests Yokoi and Takeuchi of the Yasukuni Shrine and his attendance at enshrinement ceremonies (May 1946), 19. August 1946 (Kokuritsu kokkai tosho-kan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand William P. Woodard Papers, Box 28/6, Nr. 16). Principles of the Reform of the Gokoku Jinja (Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand GHQ/SCAP Records, Civil Information and Education Section, Analysis and Research Division, Research Unit (Religious), Gokoku Jinja, General, Rep. NARA RG 331, CIE (B) 07087 (Microfiche). Shaji koseki-bu keidai Chichibu-gun Agano-mura Agano jinja keidai konpi fu-kyoka (20. Juli 1899) 社寺戸籍部境内秩父郡吾野村我野神社境内建碑不許可(明治32年7月20日) (Saitama-ken kōbun-sho, Rep. m-2377–10). Reisai norito 例祭祝詞 (undatiert) (Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand GHQ/SCAP Records, Civil Information and Education Section, Analysis and Research Division, Research Unit (Religious), Yasukuni Jinja and War Bereaved Families, Rep. NARA RG 331, CIE (B) 07068–07070 (Microfiche)). Ritual Prayer offered at the Festival of Reporting the Declaration of War against America and Britain (14. Dezember 1941) (Kokuritsu kokkai toshokan, Kensei shiryō-shitsu, Bestand GHQ/SCAP Records, Civil Information and Education Section, Analysis and Research Division, Research Unit (Religious), Translation - 86, CIE (B) 07071 (Microfiche), 14. Januar 1947).
Publizierte Quellen 7.
Abe naikaku sōri-daijin no danwa – Kōkyū heiwa e no chikai 安倍内閣総理大臣の 談話-恒久平和への誓い (online abrufbar unter http://www.kantei.go.jp/jp/96_abe/ discource/20131226danwa.html , zuletzt aufgerufen 20. Januar 2015). 8. Ackroyd, Joyce (Hg./Übers.): Lessons from History. Arai Hakuseki’s Tokushi Yoron, St. Lucia / London / New York: University of Queensland Press 1982. 9. Aoyama, Kiyoshi 青山清 : Jingi-dō kenpaku-sho 神祇道建白書 , In: Aoyama, Mikio 青山樹 生 / Aoyama, Takao 青山隆夫 / Hori, Masaaki 堀雅昭 : Yasukuni no genryū. Shodai gūji Aoyama Kiyoshi no kiseki 靖国の源流-初代宮司青山清の軌跡 , Fukuoka: Gen shobō 2010, S. 200–203. 10. Bogo irai kokuji ni rōshi himei no shi o togeru mono oyobi dasseki ryūri no mono nado o saten shi, saishi moshikuwa kyūjo o shikō seshimu 戊午以来国事に労し非命の死を遂る
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Objekte Folgende Orte des politischen Totenkultes in Japan (inklusive der mit ihnen meist verbundenen Denkmalsanlagen) besucht, aufgenommen und photographisch dokumentiert: a) Schreinanlagen 165. Akama jingū 赤間神宮 (Shimonoseki) 166. Fukuoka-ken gokoku jinja 福岡県護国神社 (Fukuoka) 167. Goō jinja 護王神社 (Kyōto) 168. Hagi-shi gokoku jinja 萩市護国神社 (Hagi) 169. Hakodate gokoku jinja 函館護国神社 (Hakodate) 170. Hakusan jinja 白山神社 (Niigata) 171. Hida gokoku jinja 飛騨護国神社 (Takayama) 172. Higashiyama ryōzen gokoku jinja 東山霊山護国神社 (Kyōto) 173. Hiroshima-ken gokoku jinja 広島県護国神社 (Hiroshima) 174. Hokkaidō gokoku jinja 北海道護国神社 (Asahikawa, Präfektur Hokkaidō) 175. Hyōgō-ken Kōbe gokoku jinja 兵庫県神戸護国神社 (Kōbe) 176. Ishikawa-ken gokoku jinja 石川県護国神社 (Kanazawa) 177. Kagoshima-ken gokoku jinja 鹿児島県護国神社 (Kagoshima)
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