Der Aphorismus: Begriff und Gattung von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1912 9783110813425, 9783110151374


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German Pages 498 [500] Year 1997

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Der Aphorismus: Begriff und Gattung von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1912
 9783110813425, 9783110151374

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Friedemann Spicker Der Aphorismus

Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte Begründet als

Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker von

Bernhard Ten Brink und Wilhelm Scherer

Herausgegeben von

Ernst Osterkamp und Werner Röcke

11 (245)

W G DE

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997

Der Aphorismus Begriff und Gattung von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1912

von

Friedemann Spicker

W G DE

Walter de Gruyter · Berlin • New York 1997

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Spicker, Friedemann: Der Aphorismus : Begriff und Gattung von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1912 / von Friedemann Spicker. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1997 (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte ; 11 = (245)) ISBN 3-11-015137-5

ISSN 0946-9419 © Copyright 1997 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Einbandgestaltung: Sigurd Wendland, Berlin Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin

Meiner teuersten Mäzenatin

Jenen, die den Leichnam der Wissenschaft verlassend, aus ihrem Geiste erzeugen und gebären, schreiben „die vom Fache" nur eine dilettantenmäßige, konventionelle Einsicht zu. Jene sind die Fauste, diese die Wagner. Wohl den Dilettanten, denn sie lieben! Ernst von Feuchtersieben Tanzen-können mit den Füßen, mit den Begriffen, mit den Worten. Friedrieb Nietzsche Mach es kurz! Am Jüngsten Tag ist's nur ein Furz. Johann Wolfgang von Goethe Im Aporienwald ein Sätzchen pfeifen. Matthias 'Wilhelm

Vorwort Skrupel sind die ständigen Begleiter einer systematischen Studie zum Aphorismus. Der Gegenstand der regelmäßig-diskursiven Bemühungen ist ein Stachel im Geiste. Setzt man sich auch über den Zuspitzer Nietzsche hinweg: „Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit", so bleibt es doch nicht aus, die ständige Auseinandersetzung mit kraftvollen Vertretern der essentiellen Kürze auch auf das eigene Denkenschreiben zu beziehen. Es sei zwar wie mit jedem Wort, lehren sie, so auch mit der allzu gängigen ,Verunsicherung' bedachtsam umzugehen, aber die assoziative Brücke vom semantischen Sezieren zu Feuchterslebens „Leichnam der Wissenschaft" schlug sich bei so viel zweifelhafter Assistenz oft unangenehm leicht. Daß sich der Trotz immer wieder durchgesetzt hat, ist ersichtlich; das volle Bewußtsein von Sekundärliteratur' stand ihm bei. Und auch ein Widerstand anderer Art findet seine Worte in den Gegenständen selbst, denn: „in Hülle und Fülle verschluckt, erregen sie Uberladung und Ekel" (Fähnrich). Die Grundlage der Studie ist ein enges rezeptiv-produktives Verhältnis zu dieser großen Kleinform. Aus dem Plan zu einer Geschichte des deutschen Aphorismus und meiner terminologischen Unzufriedenheit ist sie entstanden. Sie wurde seit Mitte der 70er Jahre vorbereitet, geschrieben seit 1992 und 1995/96 zum Abschluß gebracht, als ich - die Widmung drückt es aus - auch die Basis meiner Lebensverhältnisse ganz auf sie ausrichten konnte. Amsterdam / Köln, im Dezember 1996

Friedemann Spicker

Inhalt Α. Ausgangslage: Begriff und Gattung

1

I.

Der Begriff „Aphorismus"

II.

Der Begriff der Begriffsgeschichte

12

ΠΙ.

Folgerungen und Fragen

14

B. Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts: Der „Aphorismus" zwischen Wissenschaft und Literatur

3

21

I.

Lateinisch-deutsche Vorgeschichte bis 1770

21

Π.

Der „Aphorismus" im medizinisch-philosophischanthropologischen Lehrbuch

27

Begriffserweiterung auf andere wissenschaftliche Disziplinen

35

Der „Aphorismus" in der „Lebensphilosophie" und der Ubergang zur Literatur

40

ΠΙ. IV. V.

Begriff und aphoristische Praxis in der Literatur um 1800 1. Aphoristische Praxis ohne „Aphorismus " (Hamann, Moser, Moser, Kästner, Hippel, Lavater, Jacobi, Einsiedel, Moritz u.a.) 2. Georg Christoph Lichtenberg 3. Jean Paul 4. August Wilhelm Schlegel 5. Novalis 6. Friedrich Schlegel 7. Johann Wolfgang von Goethe

54 54 60 67 73 74 77 81

XII

Inhalt

VI.

Der „Aphorismus"-Begriff in Literaturwissenschaft, Literaturgeschichte und Wörterbuch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

VII. Die Anfänge des literarischen „Aphorismus"-Begriffes in der Literatur bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts . . . . 1. Auf dem Weg zum Gattungsbegriff (Seume, Klinger, Wagner, Menzel, Baader, Ritter, Troxler, Jochmann, Immermann, Kotzebue, Platen, Börne, Saphir, Lenau, Uhlandu.a.) 2. Rahel Varnhagen von Ense 3. Ernst von Feuchtersieben

90 104

104 116 118

VIII. In der Nachfolge des „Aphorismus" der „Lebensphilosophie" und Lebensweisheit 125 1. Anton Fähnrichs „Aphoristisches Taschenbuch" 125 2. Arthur Schopenhauers „Aphorismen zur Lebensweisheit" 132 IX.

Das Nachleben des (populär-)wissenschaftlichen „Aphorismus"-Begriffes

144

C. Begriffsgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1912: „Aphorismus" als literarischer Gattungsbegriff 149 I.

II. III.

Der „Aphorismus" in Literatur und Literaturwissenschaft 1850 - 1880/90 1. Friedrich Hebbel: Gattungsreflexion und Tagebuch-Aphorismus 2. Erste Autoren der jungen literarischen Gattung (von Oertzen, von Gerhardt(-Amyntor), Mohr, Vischer, Auerbach, Holl, Linke, Bahnsen, Gutzkow, Grillparzer, Eick, von Ebner-Eschenbach u.a.) 3. Der „Aphorismus"-Betriff in Literaturgeschichte, Edition und Anthologie

173

Friedrich Nietzsche: Prägung des Gattungsbewußtseins

181

Nietzsche-Rezeption und „Aphorismus" um 1900 . . . . 1. Der „Aphorismus "-Begriff in der wissenschaftlichessayistischen Nietzsche-Rezeption 2. Der „Aphorismus " nach Nietzsche (Lanzky, Mongre, Morgenstern, Gött, Kurz, Nadel, CaU, Hille u.a.)

149 149

155

204 207 218

Inhalt

3. „Aphorismen " und „ Gedankensplitter" um die Jahrhundertwende (Roderich, Sinus, Bias, Goldschmidt, Stettenheim, Busch, Kunad, Leixner, Pauly, Hartenrein, Carmen Sylva, Ecard, Gossmann, Blumenthal, Emst, Weiss, Unger, Gersuny, Marcus, Jaffe, Stein, Garin, Kalischer, Baer-Oberdorf, Münzer, Wertheimer u.a.) . . IV.

Der Begriff in der Literaturwissenschaft um 1900 . . . . 1. Wörterbuch und Literaturgeschichte 2. Edition: Leitzmann und die Folgen

V.

Der „Aphorismus" in Osterreich nach der Jahrhundertwende 1. Karl Kraus 2. Nach und neben Kraus (Altenberg, Stoessl, Essigmann, Hatvani, Friedeil, Fischer)

VI.

Ausblick (Hofmannsthal, Schröder, Schnitzler, Auernheimer, Kafka, Musil, Dallago, Haecker, Ebner, von Schaukai, Kuh, Pinthus, Leonhard, Hiller, Nacht u.a.)

D. Synthese des „Aphorismus"-Begriffes I.

ΧΙΠ

235 261 262 266 278 278

296

305 329

Der Rand des Begriffes 1. Am Rande von Epigramm und Tagebuch, These und Aperqu 2. Regel und Maxime 3. Sentenz und Spruch 4. Fragment 5. Anmerkung, Zitat, Exzerpt

330 330 334 337 341 344

II.

Die semantische Mitte des Begriffes 1. Lebensweisheit und Menschenkenntnis 2. Vereinzelung und System 3. Skizze und Experiment 4. Konzentrat und Konzentration 5. Rezeptionsverwiesenheit

349 349 352 361 364 371

III.

Der Begriff im Spannungsfeld von Erkenntnis zwischen Wissenschaft und Literatur

380

XIV

Inhalt

Bibliographie 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Autoren: Primär- und Sekundärliteratur Sekundärliteratur zum Aphorismus Sekundärliteratur zu Nachbargattungen Anthologien Sonstige Quellen Sonstige Sekundärliteratur

Personenregister

397 397 451 459 464 468 471 475

Α. Ausgangslage: Begriff und Gattung Das Grundproblem der Aphorismusforschung ist bis heute nicht gelöst. Es stellt sich ebenso schlicht wie fundamental so dar: Einerseits werden Texte, die nicht so heißen, selbstredend zur Gattung „Aphorismus" gerechnet, andererseits ebenso fraglos Texte, die so heißen, von ihr ausgeschlossen. Über 60 Jahre kontinuierlicher wissenschaftlicher Beschäftigung - wenn man die Vorgeschichte von Leitzmann1 1899 bis Brüggemann 19302 einmal außer acht läßt und mit Mautner 3 und Schalk4 1933 einsetzt - haben daran nichts geändert, und auch die verstärkten Bemühungen seit Mitte der 70er Jahre haben keine Klarheit gebracht. Begriff und Gattung blieben in besonderer Weise inkongruent 5 . Der „Roman", den sie mit ihm hatte, ist keine Reiselektüre, andererseits kann man Herders „Wälder" offensichtlich nicht ausholzen. Beim „Aphorismus" indessen fallen Wort und Sache in erklärungsbedürftigerer Art auseinander. Die Beispiele sind Legion. Kurze Prosatexte ohne oder mit einer anderen (Gattungs-)Bezeichnung werden von der Forschung selbstverständlich der Gattungsgeschichte des Aphorismus eingefügt, ob ihre Autoren den Begriff vermissen lassen oder in Sekundärtexten wie Briefen, Aufsätzen, Tagebüchern, Vorworten (ausdrücklich) vermeiden, mehr noch, sie werden von Lichtenbergs „Bemerkungen", Goethes „Maximen" und Novalis' „Fragmenten" bis zu Hofmannsthals „Buch der Freunde" und Canettis „Aufzeichnungen" als Teil ihres klassischen Kernbestandes betrachtet. 1

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3

4

5

Aus Lichtenbergs Nachlaß. Hg. von Albert Leitzmann. 1899. - Literaturangaben in Kurzform; vgl. Bibliographie. Dort sind auch Abkürzungen und Siglen aufgelöst. „Ebd." bezieht sich auf die unmittelbar vorangehende Anmerkung; ansonsten wird der Titel wiederholt. Brüggemann: Aphorismus. In: Hofstätter, Peters (Hg.): Sachwörterbuch der Deutschkunde. 1930, S. 56. Mautner: Der Aphorismus als literarische Gattung. In: Zs. f. Ästhetik u. allg. Kunstwiss. 27, 1933, S. 132-175. Schalk: Das Wesen des französischen Aphorismus. In: Die Neueren Sprachen 41, 1933, S. 130-140 u. 421-436. Wir beschränken uns hier auf den deutschsprachigen Begriff, der nicht ohne weiteres übersetzbar ist. - Zum Ubertragungsproblem vgl. Mautner: Maxim(e)s, Sentences, Fragmente, Aphorismen. In: Actes du IVe Congres de l'Association Internationale de Literature Comparee. 1966, S. 812-819 und Helmich: Der moderne französische Aphorismus. 1991, S. 6-8.

2

Ausgangslage: Begriff und Gattung

Seumes „Apokryphen" (1806)6, Klingers „Betrachtungen und Gedanken" (1803-05) 7 oder Jochmanns „Stylübungen" (1828)8 werden ihr so selbstverständlich zugeordnet wie einzelne Stücke aus Hebbels „Tagebüchern" (1852)9 oder Heines Notizen aus dem Nachlaß10. Und was theoretische Überlegungen betrifft, so kann man etwa für Herder darlegen, wie dieser - ohne den Begriff - eine Phänomenologie des Aphorismus entwerfe11, gar bei Gottsched unter dem Stichwort „Einfälle" gleichwohl davon sprechen, daß hier eine frühe Theorie des Aphorismus anklinge12. Niemand zweifelt wohl daran, beispielsweise Dombrowskis „Splitter" (1883) oder Bias' „Gedankenspähne" (1895), die Unzahl der Meinungen und Sprüche und Gedanken zur Gattung des Aphorismus zu zählen. Aber es geht ja nicht nur wie hier um die Nicht-Bezeichnung, es geht um die (Selbst-) Einordnung in einen anderen Zusammenhang, der sich innerhalb der Gattung speziell aussondert oder aber mit ihr teilkongruent ist, nicht nur, wie herkömmlich, bei den mitunter als „Grenzmöglichkeiten"13 betrachteten Maxime und Fragment, sondern auch bei neueren Versuchen, die etwa die „Typologie einer literarischen Kurzform im 20. Jahrhundert" unter dem Begriff der „Aufzeichnung"14 entwickeln wollen. Insofern sich hier ein Problem der Definition und also der Grenzen des literaturwissenschaftlich abgesicherten Begriffes verbirgt, mag man noch von einer bei Gattungsfragen üblichen Diskussion sprechen. Schon die wenigen Beispiele legen aber doch offen, daß das Problem von „Gattungseinheit und Gattungsvielfalt"15 sich als Problem der (Selbst-)Benennung beim Aphorismus in einzigartiger Form zeigt. Von den beiden großen Anthologien „Deutsche Aphorismen", die innerhalb eines Jahrzehnts erschienen sind, führt die eine 74 Autoren16, die andere 39 Autoren17 an, gemeinsam sind ihnen aber nur 26 Namen. Die Gattungsgeschichte wird - einerseits - konstruiert über die Zuordnung oder Ausschließung der unter verschiedenen Bezeichnungen firmierenden Sache. Die Tatsache, daß

6 7

8 9 10 11 12 13 14

15 16 17

Seume: Prosaschriften. Mit einer Einleitung von Werner Kraft. 1974, S. 14. Klinger: Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegenstände der Welt und der Litteratur. Mit einem Essay von Hermann Schweppenhäuser. 1967, S. 145. Jochmann: Die unzeitige Wahrheit. Hg. von Eberhard Haufe. 1980, S. 292f. Bauer: Die Kunstform des Aphorismus in Hebbels Tagebüchern. 1939. Heine: Aphorismen und Fragmente. Hg. von Erich Loewenthal. 1926. Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 14. Knauff: Lichtenbergs Sudelbücher. 1977, S. 15. Fink: Maxime und Fragment. Grenzmöglichkeiten einer Kunstform. 1934. Lappe: Die Aufzeichnung. Typologie einer literarischen Kurzform im 20. Jahrhundert. 1991. Helmich: Der moderne französische Aphorismus. 1991, S. 17-20. Fieguth (Hg.): Deutsche Aphorismen. 1978. Hindermann, Heinser (Hg.): Deutsche Aphorismen aus drei Jahrhunderten. 1987

Der Begriff „Aphorismus"

3

Wort und Sache in doppelter Weise inkongruent sind, ist der Gattung und dem Begriff „Aphorismus" eigen. Das Problem verschärft sich nämlich dadurch singular, daß andererseits Texte, die von ihren Verfassern ausdrücklich so genannt werden, diesen Namen von Gattungstheoretikern aberkannt bekommen, die die Berechtigung dazu aus ihrem Bemühen um begriffliche Klarheit nehmen. So weisen sie etwa nach, es handele sich ,in Wirklichkeit' um wissenschaftliche Thesen, aus dem ursprünglichen Zusammenhang gelöste Exzerpte oder kurze philosophische Essays. Das gilt durchgängig, nicht nur für das 18. Jahrhundert, etwa für die terminologisch höchst erklärungsbedürftigen „Philosophischen Aphorismen" Ernst Platners (1776). Schopenhauers „Aphorismen zur Lebensweisheit" (1851) provozieren solche Korrekturversuche ebenso wie minder bekannte Werke des 20. Jahrhunderts, Walter Ehrlichs „Aphorismen zur Philosophie der Kunst" (1962) beispielsweise. Solche Klärung ist in jedem Falle wichtig, für den Aphorismus aber allein angesichts vieler editorischer Sünden auf diesem Gebiet besonders verdienstvoll; genüßlich weist Fricke die „Technik der allmählichen Verfertigung von Goethe-Aphorismen beim Edieren"18 nach. Daß dasselbe Vorgehen im anderen Fall aber Autorintention und vorgegebene Terminologie souverän vernachlässigt, ist der Nachfrage wert. Ist die historische Begrifflichkeit Schwindel, beruht sie auf Unkenntnis oder Nachlässigkeit der Autoren, legen sie falsche Fährten? Oder verbindet sich doch ein geschwundenes Begriffsbewußtsein damit, das eine systematische Zielsetzung verfehlt und dem historisch nachzugehen ist?

I. Der Begriff „Aphorismus" 19 Diese Eingangsbemerkungen zielen auf die Frage, ob denn die bisherige Begriffsgeschichte zur Klärung dieser prinzipiellen Mißlichkeit noch nichts beigetragen habe, ist doch ein nicht geringer Teil der gesamten Forschungsgeschichte des Aphorismus solchen Problemen gewidmet. Die zahlreichen verdienstvollen Studien, die auf die Antike und deren Rezeption in den romanischen Sprachen konzentriert sind, helfen hier nicht weiter, haben aber das Vorfeld bis zu Bacon hinreichend abgeklärt.

18

19

Fricke: Gattungstheorie und Textedition (Goethe). In: Gattungstheorie und Gattungsgeschichte. 1990, S. 171. Die Anführungszeichen geben den Wortgebrauch jeweils unmißverständlich im Sinne eines Zitats wieder und sind deshalb auch in ihrer Häufung nicht zu vermeiden. Eben zwischen „Aphorismen" und Aphorismen liegt ja das ausgewiesene Problemfeld.

4

Ausgangslage: Begriff und Gattung

Sie haben die Hippokrates-Tradition20, die Begriffserweiterung von der Medizin hin zur Politik durch die spanischen und italienischen Tacitisten und die Wanderung nach Frankreich hinüber21, umgekehrt die Wortgeschichte im Ancien Regime und ihre Wurzeln in Spanien und Italien22 verfolgt und diese Ergebnisse in Einzeluntersuchungen zu Guiccardini23, Perez24 und Graciän25 abgesichert. Schalk nimmt 1933 auch die deutsche Wortgeschichte kurz in den Blick26. Er begründet die bis heute vorherrschende, mehrfach variierte und ausgearbeitete Vorstellung von einem doppelten Begriff. Unter Berufung auf Hegels Göschel-Rezension von 182927 und unter Verweis auf Humboldt, Görres und Schopenhauer zeigt er den Aphorismus zum einen als Lehrsatz im Gegensatz zur systematischen Darlegung28. Bei A.W. Schlegel, Jean Paul, Heinse bilde sich die zweite Bedeutung heraus: die „spezifische Kunstform, die die Franzosen ausgebildet haben"29. Hier freilich tun sich mehrere Probleme auf. Zunächst verlangen seine Gewährsleute nach einem zweiten Blick. Nicht nur, daß man Schlegels Verwendung des Begriffs in seiner Chamfort-Rezension (1796)30 so knapp und so eindeutig nicht gerecht wird (was etwa ist mit seinen eigenen „Aphorismen die Etymologie des Französischen betreffend"31?). Auch der Fall Jean Paul ist hoch kompliziert. Er gebraucht den Begriff - wohl von seinem Lehrer Platner her (und damit im fachwissenschaftlichen Sinne?) - , aber ohne daß dieser größere Bedeutung für das eigene Werk gewinnen würde, aus dem 1936 immerhin ein ganzer Band „Aphorismen" genannte „Bemerkungen über den Menschen" ediert werden kann. Und Heinse hat den Begriff nie benutzt. Schalk ist hier der literaturwissenschaftlichen Rezep-

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29 30 31

Nachmanson: Zum Nachleben der Aphorismen. In: Quellen und Studien zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Medizin 3, 1932, S. 92-107 Stackelberg: Zur Bedeutungsgeschichte des Wortes Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 209-225. Schalk: Zur Geschichte des Wortes Aphorismus im Romanischen. In: Romanische Forschungen Υ!, 1961, S. 40-59. Hess: Guiccardini und die Anfänge der moralistischen Literatur. In: G. H.: Gesellschaft - Literatur - Wissenschaft. 1967, S. 14-29. Ungerer: Die politischen Aphorismen von Antonio Perez. In: Aphorismus WdF, S. 427-451. Blüher: Graciäns Aphorismen im „Oraculo manual" und die Tradition der politischen Aphorismensammlungen in Spanien. In: Ibero-Romania 1, 1969, S. 319-327 Schalk: Das Wesen des französischen Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 75-111. Hegel: Rez. Göschel, Aphorismen. In: G. W. F. H.: Sämtliche Werke 20. 1958, S. 276-313. Schalk: Das Wesen des französischen Aphorismus. Zuerst in: Die Neueren Sprachen 41, 1933, S. 132. Ebd. A.W. Schlegel: Kritische Schriften. 1962, S. 308-325. A.W. Schlegel: Sämtliche Werke. Band 7 1846, S. 269-271.

Der Begriff „Aphorismus"

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tion aufgesessen, vor allem Leitzmann, der 1924 nach Lichtenberg auch Heinses „Aphorismen" herausgibt. Schalk scheint sich beide Bedeutungen als die Wurzeln des deutschen Begriffes in der Gattungsgeschichte vorzustellen; er bleibt aber weitestgehend unverbindlich, wenn er ihr Verhältnis reflektiert. Die beiden Stränge stünden nicht in absolutem Gegensatz und seien Ursache ständiger Aquivokation. Im literarischen Begriff könnten sie zu einer Einheit verwoben sein oder auseinanderfallen. Damit ist - auf einer abstrakten Ebene - schlicht jede Beziehung abgedeckt. Die Frage aber, warum um 1800 ein wissenschaftlicher Begriff für eine Kunstform übernommen wird, in welchen gemeinsamen Vorstellungen oder Elementen die Begründung dafür liegt, bleibt offen. Wo Schalk später dieses Miteinander durchblicken läßt, wird es in doppelter, gegenläufiger Weise verwirrend. Wenn er den Aphorismus als spezifische Kunstgattung mit philosophischer Absicht von anderen Typen abgrenzt, die man bei den Aphoristikern auch findet, macht er ihn zu einer Untergruppe neben anderen. Wenn er seine Kunstform darin bestätigt sieht, daß er für sich stehen kann, läßt er auch Sätze, die späterhin aus einem Werkzusammenhang herausgelöst wurden, als Aphorismen gelten. Der Einengung im ersten Fall kontrastiert die Ausweitung im zweiten. Bei Nietzsche spielten beide Begriffe als „Werkzeug eines maßlosen Individualismus" 32 ineinander. So sehen wir in Schalks Überlegungen zur deutschen Wortgeschichte außer den beiden folgenreichen Leitlinien tastende spekulative Versuche auf ungenügender empirischer Grundlage. Mehr freilich kann man von dem Seitenblick in einer solchen Pionierstudie, die sich dem französischen Aphorismus zuwendet, kaum verlangen. Mautners gleichzeitig entstandener Aufsatz ist für unser Begriffsproblem detaillierter und ergiebiger33. Seine Einteilung in „Das Wort" 34 , „Der Weg zur Gattung" 35 und „Die Gattung" 36 dient einer notwendigen Klärung und Unterscheidung und ist in dieser Hinsicht bahnbrechend gewesen, gleichwohl liegen, wie zu zeigen sein wird, keimhaft auch Probleme darin verborgen. Er beginnt das Kapitel zum Wort mit der Feststellung eines unbestimmten und vielseitigen Wortgebrauchs um 1800, aus dem „allmählich und spät ein ganz präziser h e r v o r w ä c h s t " N i c h t dagegen fragt

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Schalk: Das Wesen des französischen Aphorismus. In: Die Neueren Sprachen 41, 1933, S. 429. Mautner: Der Aphorismus als literarische Gattung. In: Zs. f. Ästhetik u. allg. Kunstwiss. 27, 1933, S. 132-175. Ebd. S. 135-145. Ebd. S. 145-153. Ebd. S. 153-175. Ebd. S. 136.

6

Ausgangslage: Begriff und Gattung

er, wie dieser Wortgebrauch das tut, vor allem auch, warum das so ist. Zu fragen ist außerdem schon hier nach den Leitvorstellungen hinter dieser Metaphorisierung und Personifizierung. Ist das naturwüchsig gedacht, liegt dem also ein organischer Leitgedanke zugrunde? Ist eine naive, weil unreflektierte Fortschrittsgläubigkeit darin versteckt? Nachdem Mautner zwei Elemente untersucht hat, die „den verschiedenartigsten geistigen Gewächsen die gemeinsame Bezeichnung" 38 geben, das Sachgebiet, das sich von der Medizin her zu immer größerer, dann auch nicht-wissenschaftlicher Allgemeinheit auflöst, die äußere Form, die in der Zusammenhangt sigkeit zu suchen ist, kommt er für das dritte, die Denkform, zu dem Ergebnis: „Jede sonst nicht definierbare kürzere Prosaaufzeichnung sieht man als Aphorismus an" 39 . Wie Schalk so unterscheidet auch Mautner hier nicht zwischen dem Wortgebrauch der Autoren (etwa Heinse, Novalis, Lichtenberg) selbst und der literaturwissenschaftlichen Rezeption, so daß er den Wortgebrauch des frühen 20. Jahrhunderts abbildet, nicht den um 1800. Eine mögliche Wandlung, Verschiebung, Erweiterung im 19. Jahrhundert kann er so nicht erkennen. Und wenn man sich fragt, wo denn angesichts dieses Befundes ein präziser Wortgebrauch hervorgewachsen sei, sieht man erst recht, daß Mautner die Gattung im Blick hat und an ihrer Geschichte interessiert ist. „In schroffem Gegensatz" 40 zu dieser Unbestimmtheit steht der Gattungsbegriff. Mautners frühe Einsichten, wie der Aphorismus als wissenschaftliche Äußerungsart sich halbwissenschaftlicher Gebiete bemächtigt und auf solchem Wege endlich zum Begriff für die literarische Gattung wird, haben uneingeschränkte Geltung. Seine knappen Überlegungen zu der Frage: Warum wird „der alte Sammelname mit neuem, spezifischerem Inhalt erfüllt?"41 deuten entscheidende Gesichtspunkte an, die bis heute nicht genügend ausgeführt worden sind. Neben dem inneren Wandel der Wissenschaft sei „die Emanzipierung des schauenden und gestaltenden vom forschenden und lehrenden Schrifttum"42 die Ursache. Das mag ein - wertvoller, aber sehr allgemein bleibender - Hinweis auf einen Raum zwischen Wissenschaft und Literatur, auf eine Subjektivierung der Erkenntnis sein. Jetzt „werden die ersten deutschen Aphorismen geschaffen, die bewußt eine neue literarische Gattung sein wollen - jene Friedrich Schlegels"43. Wenn er diese Tatsache in Zusammenhang bringt mit der romantischen Forderung nach der Einheit von Kunst, Wissenschaft und

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« 40 41 42

«

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

S. S. S. S. S. S.

137 142. 145. 14Z 14Z 148.

Der Begriff „Aphorismus"

7

Philosophie, so ist das von größter geistesgeschichtlicher Bedeutung; nur: Wieder hat er Begriffs- und Gattungsgeschichte vermengt und sein Interesse an letzterer deutlich gemacht. Er beginnt in begriffsgeschichtlicher Perspektive mit der Frage nach den neuen Inhalten des „Sammelnamens", und er endet gattungsgeschichtlich: bei Schlegel, dem auch Fricke, etwas präzisiert, „das Erstgeburtsrecht der ungemischt veröffentlichten Aphoristik" 44 zuerkennt, der aber den Begriff „Aphorismus" ja für seine „Fragmente" nur ganz vereinzelt benutzt hat. 1968 trennt Mautner prononcierter in Gattung und Nicht-Gattung. Die Geschichte des Aphorismus zeige eine „allmähliche Spaltung: Aus dem vage gewordenen Wortgebrauch löst sich ein Gattungsbegriff und aus einem Morast eine Gattung" 45 . Wie und warum löst sich „aus einem Morast eine Gattung"? Welcher Art ist dieser „Morast"? Wie erklärt sich die eigenartige Metaphorik? Es sind weniger von Fortschrittsgläubigkeit geprägte Bildvorstellungen als die von 1933. Hier geht es eher u m den Wandel von etwas Gestaltlosem (Morast) zu etwas Faßbarem (Gattung), und es wächst nicht „hervor", sondern verdichtet sich und „löst" sich dadurch von der Umgebung ab. Gleichwohl findet die Frage, wie und warum das geschieht, in dieser vagen Bildlichkeit noch keine Antwort. Und wieder läßt Mautner das Problem unberücksichtigt, daß gerade die Nicht-Gattung von Bacons ,traditio per aphorismos' her den Begriff in großem Umfang nutzt, die gleichzeitig entstehende Gattung ihn aber erst im Laufe des 19. Jahrhunderts okkupiert. Aber Mautner vermischt nicht nur, obwohl oder gerade weil er sorgfältigst zu trennen vorgibt. Es scheint paradox, aber seine „Spaltung" läßt gleichzeitig erkennen, daß er in zu festen Kategorien denkt. Wenn er von der literarischen Gattung spricht, so bedeutet das: Es gibt hier über die Zweckform hinaus einen ästhetischen Mehrwert. Das außerästhetische ist vom ästhetischen Gebiet abzugrenzen, da sind Territorien zu definieren. Indem wir solcherart wieder auf die leitenden Bildvorstellungen rekurrieren, analysieren wir als ihre Erkenntniskonsequenzen den Willen und auch die Möglichkeit zur trennscharfen Rubrizierung. Mit welchem Recht aber dekretieren wir hier einen ästhetischen Uberschuß, dort nicht? Sehen wir ihn dort vielleicht nur nicht mehr bzw. noch nicht ? Weil wir den rechten Blickwinkel noch nicht eingenommen, die angemessene Fragehinsicht noch nicht gefunden, die aufschließende Metaphorik noch nicht gewählt haben? Solche skeptischen Fragen sind dazu angetan, die Angemessenheit der kategoriellen Gewißheit, der dichotomischen Grundvor-

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Fricke: Aphorismus. 1984, S. 84. Mautner: Der Aphorismus als Literatur. In: F. H . M.: W o n und Wesen. 1974, S. 280 (zuerst 1968).

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Ausgangslage: Begriff und Gattung

Stellung zu überprüfen46. Möglicherweise ist sie mit einem Gegenbild zu konfrontieren, etwa dem der Durchdringung dreidimensionaler Körper, wobei der Eindringling oder der Einschub zu einem Teil des verletzten oder erweiterten oder durch Verletzung erweiterten größeren wird und zugleich ein Eigenes bleibt. Diese Fragen, Bedenken und noch sehr sprachspielerisch-theoretischen Überlegungen können Mautners Pionierleistung nicht schmälern; sie sollen spezifizieren und die Notwendigkeit zeigen, seine Ansätze in dem einen Punkt, der konsequenten begriffsgeschichtlichen Perspektive, weiterzuführen. Auch Höft47, der wortgeschichtlich beginnt und einen frühen Beleg in der lateinischen theologischen Literatur der Gegenreformation sowie einen deutschsprachigen in Gottscheds Ubersetzung des Bayle'schen Wörterbuches (1741) nachweist, ist im folgenden am Werden der Gattung interessiert. Er untersucht Aphorismen und aphorismusnahe Texte um 1800 stilistisch, indem er aus dem, was die Gattung bis in seine Gegenwart hinein geworden ist, ihr Bild ableitet, und erkennt so eine „Vorform" dazu bei Karl Philipp Moritz und den ersten Schritt zu einer gewollten aphoristischen Diktion bei Lavater. Platners „Aphorismen" schließt er konsequenterweise als „nur formal-aphoristisch"48 aus. Daß er keinerlei Wert auf den Wortgebrauch der Autoren selbst legt, zeigt sich wiederum bei Heinse am deutlichsten: Dessen Aphorismen trügen diesen Namen „mit uneingeschränktem Recht"49; den haben sie aber erst zehn Jahre vor Höfts Buch durch Leitzmann bekommen. Requadt50 zeigt zunächst, wie sich der Begriff in Deutschland durch die Rezeption der französischen Moralisten in der sogenannten Lebensphilosophie ausbildet, hebt daneben unter Akzentuierung von Baumanns „Aphorismen und Fantasien eines Britten" (1787) auch die englische Empfindsamkeit als Quelle hervor und weist an einigen Titeln nach, wie sich die erotische Literatur des Aphorismusbegriffs bemächtigt51. Für Lichtenberg arbeitet er die geistige Verbindung zu Bacon in der Frontstellung beider zum System heraus: über das aphoristische Denken also. Die 46

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Vgl. Verf.: Aphorismen über Aphorismen. In: Zs.f. dt. Philologie 113, 1994, S. 3. Mautner selbst hatte früher bereits nachgewiesen, daß auch an Boerhaaves wissenschaftlichen Aphorismen von 1709 „doch schon ästhetische Reize wahrgenommen" worden sind (Mautner: Der Aphorismus als literarische Gattung. In: Aphorismus WdF, S. 24). Höft: Novalis als Künstler des Fragments. 1935. Teildruck in: Aphorismus WdF, S. 112-129. Ebd. S. 118. Ebd. S. 124. Requadt: Lichtenberg. Zum Problem der deutschen Aphoristik. 1948. Teilabdruck.„Das aphoristische Denken" in: Aphorismus WdF, S. 331-377 Ebd. S. 336.

Der Begriff „Aphorismus"

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Sudelbuch-„Bemerkungen" könne er „nicht als Aphorismen bezeichnen, weil dieser Begriff damals noch dem älteren Aphorismus vorbehalten war" 52 . Damit ergibt sich aber auch bei Requadt das Problem, daß Bacon einerseits eine wissenschaftliche Denk- und Schreibweise begründet, die im Deutschland der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts außerordentlich beliebt ist und sich in zahlreichen Lehrbuch-„Aphorismen" niederschlägt Requadt erwähnt u.a. Titel von Feiner 1789 und Kapf 179353 - , daß er (Bacon) andererseits vom gleichen Gegensatz Aphorismus - System her Lichtenberg beeinflußt, der etwas davon ganz Verschiedenes - nicht nur kein Lehrbuch, sondern etwas gar nicht zu Veröffentlichendes - verfaßt und es demgemäß niemals als „Aphorismen" bezeichnet. Und das, obwohl das Wort schon 1779 Requadt zufolge bei ihm „in einer Umgebung [erscheint], welche auf einen beginnenden Bedeutungswandel schließen läßt" 54 ! Daß das ganz Verschiedene eben dennoch in gewissen Aspekten vermittelbar ist, erschließt sich erst aus weiter Rückschau. Krüger55 kann der Gefahr, unter der Hand Gattungs- und Begriffsgeschichte zu vermischen, nicht erliegen, schon weil er den Aphorismus als Denkform erweisen will und ihn damit in einen grundsätzlichen Gegensatz zum romantischen Fragment stellt. Dafür behandelt er in Verbindung zu setzende Erscheinungen als streng getrennt, was von einer konsequenten Begriffsgeschichte her gedacht umgekehrt ähnlich problematisch ist. Der „Wortgebrauch im Deutschen" 56 setzt bei ihm Ende des 18. Jahrhunderts ein, und zwar in Verbindung mit Übersetzungen der französischen Moralisten, für deren verschiedene Bezeichnungen der Begriff „Aphorismus" als Kollektivum diene. Er könne gleichzeitig psychologischer und gesellschaftskritischer Beobachtung Rechnung tragen und werde offenbar zu einer Modebezeichnung, der sich die galante Literatur bemächtige. Das folgt Requadt und ist, angefangen bei den Ubersetzern Bode, Müller und vor allem Friedrich Schulz, sorgfältig dokumentiert - erst Cantarutti und Schröder führen hier weiter57 - , beantwortet aber nicht die Frage, aus welchem Grund und mit welcher Berechtigung sich diese Autoren eines Begriffes bemächtigen, der zu dieser Zeit eindeutig im Kontext der Wissenschaft angesiedelt scheint. „Aphorismus"-Autoren wie Platner oder Feiner, die Krüger erwähnt, hätten ihn schon hier auf Bacons „aphorismi" als den Ausgangspunkt stoßen lassen müssen. Den aber behandelt er in

« 53 54 55 56 57

Ebd. S. 338. Ebd. S. 337 Ebd. S. 338. Krüger: Studien über den Aphorismus als philosophische Form. 1957 Ebd. S. 28-31. Vgl. unten S. 27.

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Ausgangslage: Begriff und Gattung

einem Kapitel „Aphorismus als Form der Lebensphilosophie", das unter verschiedenen Begriffen eine philosophische Linie der Anti-Systematik schließlich bis zu Nietzsche verfolgt, einen Typus des Philosophierens mithin, der mit der Wortgeschichte, etwa Nudows (1791), Bouterweks (1810), Göscheis (1829) oder Schopenhauers „Aphorismen" (1851), nicht mehr in Verbindung gebracht wird. Krüger hebt zu Recht hervor, daß sich die Verwendung des Begriffes um 1800 auf ein „Randgebiet" beschränkt 58 , daß Lichtenberg, Goethe, Novalis, Friedrich Schlegel ihn für ihre Texte nicht verwenden. Was aber bedeutet es, wenn A.W. Schlegel den Begriff in einer literarischen Rezension gebraucht 59 ? Was bedeutet es, wenn Jean Paul in seinen „Titan" „Aphorismen"60 einstreut, Novalis „Politische Aphorismen" 61 schreibt? Und wenn Goethe im Tagebuch von Eckermanns „Aphorismen" 62 spricht (wie umgekehrt auch Eckermann von denen Goethes63), heißt das dann, daß sie für ihn, so Krügers Schluß, „nicht hoffähig" 64 sind? Wie Mautner deckt auch Krüger mit dem Verweis auf die Lebensphilosophie und die Übersetzungen der französischen Moralisten wichtigste Zusammenhänge auf, ohne sie begriffsgeschichtlich konsequent zu klären und den zahlreichen offenen Fragen nachzugehen, die sich auch bei ihm ergeben. Stern65 ist nicht eigentlich begriffsgeschichtlich interessiert, gibt aber dennoch einen wichtigen Hinweis in Richtung Integration dort, wo er sich nicht damit abfinden will, die Verbindung der Gattung zur (wissenschaftlichen) Hippokrates-Tradition als rein verbale zu sehen, und angesichts von drei Stufen, dem wissenschaftlichen, dem hypothetischen und dem literarischen Aphorismus, die erste als die Rudimentärform der letzteren betrachtet. Ein dichotomisch ausschließendes Denken ist auch Neumann 66 fremd. Nachdem er einleitend die Vorarbeiten zur „Geschichte des Wortes" 67 in der Romania und in England sehr klar referiert hat, gibt er für Deutschland nicht viel mehr als eine Liste mit dem Ergebnis: „So fest und in einer Krüger: Studien über den Aphorismus als philosophische Form. 1957 A.W. Schlegel: Chamfort. In: Kritische Schriften. 1962, S. 308-325. 60 Jean Paul: Sämtliche Werke. I. Abteilung. 3. Band. 1966, S. 168. « Novalis: Schriften. II. Band. 1981, S. 499-503. 62 Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 3. Abteilung: Tagebücher. 9. Band, 63 Eckermann: Gespräche mit Goethe. 1975, S. 380 (15. 5. 1831). 64 Krüger: Studien über den Aphorismus als philosophische Form. 1957 65 Stern: Lichtenberg. 1959. Teilabdruck „Eine literarische Definiton des Aphorismus WdF, S. 226-279. 66 Neumann: Ideenparadiese. 1976. 67 Ebd. S. 17-26. 58

S. 30.

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S. 57 (3. 6. 1823). S. 30. Aphorismus" in:

Der Begriff „Aphorismus"

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bestimmten Bedeutung etabliert, daß einer dieser Autoren [Lichtenberg, Goethe, Schlegel, Novalis] das Wort ,Aphorismus' als Titel für seine Texte ernstlich erwogen hätte, ist es noch längst nicht"68; schärfere Prägung habe es erst im 19. Jahrhundert erfahren. Damit ist er ungeachtet des jeweiligen Namens bei der Gattung Aphorismus, die er von Bacons aphorismi über Herder („Spruch") zu Lichtenberg („Einfälle") und dem romantischen Fragment hin entwickelt. Und eben bei Bacon und der von ihm begründeten Denktradition setzt auch Frickes Klärungsversuch69 an. Er steht im Kontext einer Neuorientierung der Gattungstheorie, wie sie Lamping kritisch referiert70. Unter begriffsgeschichtlicher Perspektive radikalisiert Fricke Krügers von der Entwicklung einer Denkform „Aphorismus" her verständliche Zweiteilung. Bacons aphorismi begründen für ihn nicht nur nicht die Gattung, er grenzt sie als Thesen aus, bescheinigt Platners „Aphorismen" kurzerhand „Etikettenschwindel"71, Schopenhauers „Aphorismen" sind für ihn „alles andere als Aphorismen"72. Fricke will die Crux, die sich uns mehrfach auftat, auf dem Weg einer normativen Definition lösen. Reicht aber das sehr starke Etikett „Etikettenschwindel" zur Erklärung für die Begriffswahl Platners? Gehören Schopenhauers „Aphorismen" zum älteren philosophischen Wortgebrauch und mitbin nicht zur Literatur? Maßen sie sich den Begriff an? Was stellt sich Schopenhauer 1851 unter einem Aphorismus vor? Wo hat er die Vorstellungen her? Wie ist die Trennung in einen philosophischen und einen literarischen Begriff zu verstehen ? Ist sie ein Anachronismus? Woran denkt Hebbel zur gleichen Zeit, wenn er in seinem Porträt Feuchterslebens auf Lichtenbergs und Novalis' „Aphorismen" Bezug nimmt73? Solche Fragen stellt sich Fricke nicht. Seine rigorose Selektion per Kriterienüberprüfung und Ausschluß aus der Gattung hat sogar die Aberkennung des von den Autoren selbst gewählten Begriffes fraglos zur Folge. Eine allen Gesetzen der Logik gemäße Klarheit und Eindeutigkeit gewinnt Fricke um einen entschieden zu hohen Preis: den Primat der Theorie gegenüber den Phänomenen und die bedingungslose Ausgrenzung, wofern diese der Theorie nicht standhalten. Mittels eines stringenten

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Ebd. S. 25f. Fricke: Aphorismus. 1984. Lamping: Probleme der neueren Gattungstheorie. In: Gattungstheorie und Gattungsgeschichte. 1990, S. 9-43. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 42. Ebd. S. 43. Hebbel: Feuchtersieben-Biographie. 1853. In: Hebbel: Sämmtliche Werke. I. Abtlg., Bd. 12, S. 32-65.

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Ausgangslage: Begriff und Gattung

„Testverfahrens"74 von einem überzeitlichen Standpunkt aus zu richten und zu dekretieren, daß die Autoren entweder „schwindeln", den Namen zu Unrecht usurpieren oder nicht wissen, was sie tun, das kann aber doch nur der Weisheit vorletzter Schluß sein, und wir haben vorher hartnäckig und unter probeweisem Verzicht auf die scheinbar größere, weil spätere Weisheit die semantische Mitte des Begriffs, die traditionalen Fäden seiner Textur, zu suchen. Ist bei einer solchen Inkongruenz, wie sie zweifellos besteht, prinzipiell von der Fehlerhaftigkeit der individuellen Erscheinungen auszugehen, oder muß es nicht vielmehr das logisch Erste sein, die Unzulänglichkeit der gegenwärtigen Beschreibungsmöglichkeiten anzunehmen und auf ihre Verbesserung hinzuwirken? Die jüngere Forschung, die Fricke allenfalls eingeschränkt folgt, indem sie, wie Helmich, von seinen „Definitionsopfern" spricht75, ihn als „etwas einseitig"76 (Lamping) beurteilt oder seinen „Kahlschlag"77 (John), seine Ausgrenzung von „Aphorismen" des 18. Jahrhunderts ablehnt (Cantarutti78) und „Selbstwidersprüche"79 bei ihm analysiert, geht hinter seine trennscharfe Definition zurück - Fedler etwa80 - und beantwortet diese Frage jedenfalls im Sinne einer größeren Vorsicht und literaturwissenschaftlichen Bescheidung. Ist also nicht ergänzend oder gar in erster Linie zu fragen, warum die Autoren den Begriff verwenden, woher sie ihn nehmen, in welchem Sinne sie ihn verwenden, was in seiner Verwendung verborgen liegt?

II. Der Begriff der Begriffsgeschichte Einige dieser nicht wenigen Fragen sollten über eine konsequente Untersuchung der Begriffsgeschichte zu lösen sein. Nun ist zwar der Begriff

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Fricke: Aphorismus. 1984, S. 13. Helmich: Der moderne französische Aphorismus. 1991, S. 15. Lamping: Der Aphorismus. In: Knörrich (Hg.): Formen der Literatur in Einzeldarstellungen. 1991. S. 27. John: Aphoristik und Romankunst. 1987, S. 7. Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). In: Cantarutti, Schumacher: Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. 1986, S. 49-103. Pfeiffer: Aphorismus und Romanstruktur. 1990, S. 9. Zur Diskussion der wissenschaftstheoretischen Forderungen Frickes vgl. auch Gabriel: Zwischen Logik und Literatur. 1991, S. 118-132, dem Frickes Wissenschaftsbegriff „viel zu eng für die Literaturwissenschaft" (S. 122) scheint. Er konstatiert für die Literaturwissenschaft: „Explikationen sind die Sache selbst" (S. 130) und „nicht als Wortgebrauchsnormierungen zu konzipieren" (S. 131) und spricht deshalb von „Frickes Wortgebrauchs vorschlug' (S. 131). Fedler: Der Aphorismus. 1992.

Der Begriff der Begriffsgeschichte

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nicht nur des Bestimmungswortes „Begriff"81, sondern auch des Determinativkompositums „Begriffsgeschichte" selbst eher noch problematischer als der Begriff „Aphorismus" und seinerseits nur begriffsgeschichtlich und nicht,abstrakt' definitorisch zu fassen82, dennoch kann er hier nicht auch nur annähernd ähnlich breit diskutiert werden. Koselleck, der geradezu von einer „Konvergenz von Begriff und Geschichte" 83 als Thema der Begriffsgeschichte spricht, formuliert für politisch-soziale Begriffe die im Prinzip auch für unsere Zwecke nützliche Unterscheidung sehr klar: „Ein Wort wird zu einem Begriff, wenn dieser Bedeutungszusammenhang, in dem - und für den - das Wort gebraucht wird, insgesamt in das eine Wort eingeht. Der Begriff haftet am Wort, er ist aber zugleich mehr als das Wort. Ein Begriff versammelt in sich eine Bedeutungsfülle, er ist also - anders als das Wort - immer mehrdeutig"84. Der theoretisch hohe und umfassende Anspruch, den Meier an eine philosophische Begriffsgeschichte stellt85, ist hier nicht einzulösen, mag sich vielleicht auch in Bezug auf einen literaturwissenschaftlichen Begriff reduzieren; die Untersuchung versteht sich im wesentlichen in Meiers Sinne eingeschränkt als eine Begriffsbedeutungsgeschichte. Was aber bedeutet ,Bedeutung', zum Beispiel ,Bedeutung' des Begriffs „Aphorismus"? Stierles Überlegungen sind da äußerst hilfreich und nützlich86. „Alle Begriffe, in denen sich ein ganzer Prozeß semiotisch zusammenfaßt, entziehen sich der Definition; definierbar ist nur das, was keine Geschichte hat." An diesem Satz Nietzsches aus der „Genealogie der Moral" entwickelt er in Anlehnung an Foucault eine historische Diskurssemantik, die Bedeutungsgeschichte versteht als „Geschichte der vom Diskurs vorausgesetzten und im Diskurs verankerten neuen Bedeutung, die ihrerseits wieder zur vorausgesetzten Bedeutung wird"8·! Unter der Leitvorstellung eines Bedeutungskontinuums kommt er zu solchen Ergebnissen: „Das Wort trägt die Erinnerung an seine vergangenen Bedeutungen an Mittelstrass: Begriff. In: Ritter (Hg.): Hist. Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1.1971, Sp. 780-787 - Majetschak: Begriff. In: Ueding (Hg.): Hist. Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 1. 1992, Sp. 1399-1422.- Koselleck (Hg.): Historische Semantik und Begriffsgeschichte. 1979. - Kuhn: Der begriffsgeschichtliche Begriff des Begriffs. In: E. K.: Friedrich Nietzsches Philosophie des europäischen Nihilismus. 1992, S. 2 - 6 . Dort die weitere Literatur. 82 Dazu Ritter: Vorwort. In: Ritter (Hg.): Hist. Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. 1971, S. Vllf. 83 Koselleck: Richtlinien für das Lexikon Politisch-Sozialer Begriffe der Neuzeit. In: Archiv für Begriffsgeschichte 11, 1967, S. 8 1 - 9 9 ; hier S. 85. 8" Ebd. S. 86. 85 Meier: Begriffsgeschichte. In: Ritter (Hg.): Hist. Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. 1971, Sp. 788-808. 86 Stierle: Historische Semantik und die Geschichtlichkeit der Bedeutung. In: Koselleck (Hg.): Historische Semantik und Begriffsgeschichte. 1979, S. 154-189. 87 Ebd. S. 183. 81

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Ausgangslage: Begriff und Gattung

sich bis zum Hintergrund einer undurchdringlich gewordenen Herkunft". 88 „Die neue Bedeutung tritt ein in ein Bedeutungskontinuum von schon konstituierten Bedeutungen, das sie um eine neue Möglichkeit bereichert, nicht aber außer Kraft setzt"89. Sie sind aufs beste geeignet, die praktische Bedeutungarbeit am Begriff „Aphorismus" theoretisch zu unterstützen. Nimmt man Nietzsches Satz an: „Jeder Begriff entsteht durch Gleichsetzen des Nichtgleichen"90- ,Annehmen' nicht nur im Doppelsinne, sondern integrativ verstanden als zu akzeptierendes Vermuten - , so ist eine solche Begriffsbedeutungsgeschichte des „Aphorismus" nicht nur eine Interpolation zwischen Gleichem und Nicht-Gleichem, sondern auch ein Setzen. Interpolieren bedeutet dabei das Ausbalancieren von Identität und Differenz als Alterität; angesichts der Weite des im Begriff des „Aphorismus" Gefaßten, seiner historischen Sedimente, und der sich daraus ergebenden Forschungslage nötigt es zu besonderer Beachtung. Es läßt sich konkret in eine doppelte Frage fassen: Wo sind die gemeinsamen Inhalte des als Individuellen Nichtgleichen, die eine Begriffseinheit ermöglicht haben? Und: Lassen diese Aspekte auch den theoretisch abgesicherten einheitlichen Begriff zu? Das ,Setzen' in Nietzsches Diktum versteht die Untersuchung im Sinne Uedings: „Die notwendig selektive Aufnahme der Fakten ist immer schon eine konstruktive Leistung, die von einer Zielvorstellung geleitet wird"91. Sie macht sich Whites Forderung - von Ueding zitiert - zu eigen: „Die Ereignisse müssen nicht nur im chronologischen Rahmen ihres ursprünglichen Erscheinens registriert sein, sondern auch erzählt (narrated) werden, das heißt, es muß gezeigt werden, daß sie eine Struktur, eine Sinnordnung besitzen, über die sie als bloße Aufeinanderfolge nicht verfügen"92.

III. Folgerungen und Fragen Unter diesen theoretischen Prämissen bündeln sich die Fragen, die sich im einzelnen an den Forschungsüberblick anschließen, zu dem Problem des Verhältnisses von Gattung und Begriff bzw. Begriff und Gattung. Le-

ss Ebd. S. 168. 8' Ebd. S. 186. 90 Nietzsche: Uber Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne. In: F. N.: Werke. 3. Band. 1973, S. 313 (= KGW III, 2, 374). 91 Ueding: Vorwort: In: Ueding (Hg.): Hist. Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 2. 1994, S. VI. 92 White: Die Bedeutung von Narrativität in der Darstellung der Wirklichkeit. In: H . W.: Die Bedeutung der Form. 1990, S. 15. - Aphoristisch formuliert - und mithin als Anmerkung nicht unbedingt am falschen Platze - reduziert sich daraus eine Ambivalenz: „Die Geschichte des Begriffes ist Fiktion." Und - in Anlehnung an Nicolas Gomez Davila („Der Mythos korrigiert die Präzision des Begriffs"; N. G. D.: Auf verlorenem Posten. 1992, S. 133) - : „Die Geschichte korrigiert die Präzision des Begriffs."

Folgerungen und Fragen

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gen wir dabei die nützliche Differenzierung zugrunde, die Fricke vorgenommen hat, so bezeichnet der Begriff „Aphorismus" dreierlei: die systematisch orientierte „Textsorte", das historische „Genre", dazu aber etwas neben der Literatur: außerhalb der Textsorte und vor dem Genre. Alle drei Teilbereiche sind zu untersuchen, vor allem aber ihr Verhältnis zueinander. Für eine Begriffsgeschichte dieser „Aphorismen" weniger bedeutsam ist die Unterscheidung in Textsorte und Genre; ich ziehe deshalb hier in der Regel den herkömmlichen Begriff der Gattung der allzu technischen Bezeichnung Textsorte vor. Höchst bedeutsam ist hingegen die Beziehung dieses Gattungsbegriffs zu der Bezeichnung für das außerhalb Stehende, und die Suche nach einer semantischen Mitte ist geradezu die Leitfrage der Untersuchung. Als Tatsache ist seit Mautner bekannt, was ein jüngerer Wörterbuch-Beitrag so formuliert: „Bis zum Beginn des 19. Jh. dominiert dieser Wortgebrauch in bezug auf systematisch gereihte Lehrsätze einer Wissenschaft [...]. Erst im Laufe des 19. Jh. [...] gehen das inzwischen entstandene literarische Genre und der Name A. eine halbwegs feste Verbindung ein"93. Gründe dafür sind von einer Begriffsgeschichte zu erwarten. Das Verhältnis von Begriff und Gattung ist mit der Frage berührt, ob und wo die „Gattungserwartung" 94 an den Begriff gebunden ist. Wird sie vom Autor - oder auch vom edierenden Literaturwisssenschaftler - oder von beiden erfüllt, die als „Aphorismen" schreiben (oder edieren oder edierend produzieren), was die Gattung vorgibt? Zu diesem Verhältnis von Text und gattungsbildender Textreihe schließt der rezeptionsästhetisch orientierte Zweig der Gattungsforschung, wie ihn Jauß formuliert, die empirischen Ergebnisse zusätzlich auf und stellt sie vor den angemessenen Horizont: „Der neue Text evoziert für den Leser (Hörer) den aus früheren Texten vertrauten Horizont von Erwartungen und Spielregeln, die alsdann variiert, erweitert, korrigiert, aber auch umgebildet, durchkreuzt oder nur reproduziert werden können" 95 . Jauß gibt in den verschiedenen Möglichkeiten, die er hier anbietet, geradezu Muster für die Entwicklung der Gattung: das Durchkreuzen am Beginn, in dem auch die Frage angelegt ist, ob und wie weit wir endlich noch von der Gattung und demjenigen außerhalb reden können, dann das Erweitern, Umbilden, Korrigieren, schließlich das Reproduzieren gegen Ende des Jahrhunderts.

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Fricke: Aphorismus. In: Ueding (Hg.): Hist. Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 1. 1992, Sp. 773. Fricke: Gattungstheorie und Textedition (Goethe). In: Gattungstheorie und Gattungsgeschichte. 1990, S. 158. Jauß: Theorie der Gattungen und Literatur des Mittelalters. In: Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters. Bd. 1. 1972, S. 119.

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Ausgangslage: Begriff und Gattung

Das Problem ist in diesen theoretischen Rahmen einzufügen, es bleibt aber ganz und gar nicht theoretisch. Welche „gattungsbildende Textreihe" geht Schopenhauers Text „Aphorismen zur Lebensweisheit" vorauf? Welche Gattungserwartung versprechen Autoren wie Otto Weiß bewußt und explizite zu erfüllen, wenn sie im Untertitel „Aphorismen" bieten? Welche semantischen Vorstellungen beherrschen sie? Andererseits: welche Gattungserwartung wollen Autoren wie Schröder oder Hofmannsthal nicht erfüllen, wenn sie für ihre Aphorismen nach Alternativen zu dem üblichen Gattungsbegriff suchen? Daß es nicht um einen Streit nur um Worte geht, zeigt sich etwa auch in der Heine-Rezeption. Der Literaturwissenschaftler nimmt oder gibt mit dem Namen Bedeutung, er steuert die Rezeption, indem er Heines Kurztexte nicht mehr, wie der Vorgänger Strodtmann, „Gedanken und Einfälle"96, sondern in der maßgeblichen Edition „Aphorismen und Fragmente"97 nennt und sie damit zu Elementen einer gattungsbildenden Textreihe aufwertet98. Eine solche Begriffsgeschichte wird damit nebenher Prolegomena zu einem dringenden Desiderat liefern, einer Geschichte des Aphorismus99. Lehnt man eine brachiale Flurbereinigung als Antwort auf die definitorische Malaise ab, dann führt an folgender Alternative kein Weg vorbei: Entweder ist unser Instrumentarium noch zu grob, sind unsere Fragehinsichten verzerrt, die Sache also noch nicht adäquat oder nicht genau genug untersucht, so daß wir mit falschen Mitteln oder auf einer falschen Ebene nach Elementen einer einheitlichen Begriffsbestimmung geforscht haben, oder wir müssen konsequenter als bisher nach einer Begründung für dieses Durch- und Miteinander fragen. Und so vorläufig und unscharf das Bild bleibt, das sich aus der bisherigen Forschung ergibt: bisher unberücksichtigte Quellen lassen die Sache eher noch komplizierter erscheinen. „Gewohnheit ist die Pest des Weisen, und der Abgott des Thoren"100. Sind solche „Lebensregeln" Philippine von Knigges von 1799 nicht der Vor- oder Frühgeschichte der Gattung Aphorismus zuzuordnen? Andererseits: „Noch nie hat eine Liebe länger gedauert, als die Hoffnung"101. Setzen solche „Aphorismen" August Lafontaines von 1802 die Tradition „erotischer" Aphorismen fort, wie sie 96 97 98

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Heine: Sämtliche Werke. 7 Bd. Hg. von Adolf Strodtmann. 1890, S. 400-452. Heine: Der Prosanachlaß. Hg. von Erich Loewenthal. 1926, S. 135-228. Koopmann hält das für angemessen. Schweikert folgt ihm, Briegleb verweigert sich dieser Bedeutungszuweisung, wenn er von Aufzeichnungen spricht. Vgl. unten S. 276 f. Schon Otto Brechler war mit einer solchen beschäftigt (Brechler: Kontagiosität des Geistes. In: Fs. der Nationalbibliothek in Wien. 1926, S. 137-144). Ph. Knigge (Hg.): Lebensregeln aus den besten ältern und neuern Schriftstellern gesammlet. 1799, S. 17 Lafontaine: Aphorismen und Maximen aus dem Gebiete der Liebe, Freundschaft und praktischen Lebensweisheit. 1802, S. 26.

Folgerungen und Fragen

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Requadt zu erkennen meinte? Sind sie vom Begriff her in die populärwissenschaftliche Mode der Zeit einzureihen? „Mässigkeit ist die Vorrathskammer des Genusses". „Jeder Taufschein ist eine Schuldverschreibung an die Verwesung, die Pathen sind dabei die erbetenen Zeugen" 102 . Sind solche „Aphorismen" Hans von Thuemmels von 1818 und Anton Fähnrichs von 1842 als frühe Beispiele der literarischen Gattung unter diesem Namen oder als epigonale Spätlinge einer verflossenen popularphilosophischen Mode zu werten? Die Texte Johann Riemers, der noch 1844 für Hoffmann von Fallersleben selbstverständlich „die älteste Sammlung von deutschen Aphorismen" verfaßt hat103, werden von der modernen Forschung selbstredend als Apophthegmata verstanden: „Freundschaft. Das Lebens-Ufer ist die Freundschaft, da alle Gedanken sicherlich einlaufen können" 104 . Ist das angesichts eines solchen Beispiels nur Ausdruck der unsicheren Begriffswahl Hoffmanns? Sagt die Bezeichnung etwas über den Begriffsumfang um die Mitte des Jahrhunderts ? Birgt sie wirklich mehr Probleme für die Kennzeichnung solcher Texte als die Vereinnahmung unter der Gattungsbezeichnung Apophthegma? Sententia und occasio jedenfalls, wie es diese Gattung verlangt, liefert Riemers Text ebensowenig wie die Entsprechung aus dem 19. Jahrhundert, der Aphorismus Ebner-Eschenbachs: „Treue Liebe kann zwischen Menschen von sehr verschiedenem, dauernde Freundschaft nur zwischen Menschen von gleichem Werte bestehen. Aus diesem Grunde ist die zweite viel seltener als die erste" 105 . Als Kernproblem hat sich von Bacon her die Frage erwiesen, ob die Geschichte des Begriffes eine „allmähliche Spaltung"106 zeigt, so daß man die „Aphorismen" genannten Thesen strikt von den unter welchen Namen immer erscheinenden literarischen Aphorismen trennen muß (wie es Fricke tut), oder ob der wissenschaftliche eine Rudimentärform des literarischen Aphorismus ist, so daß man von einer einheitlichen Gattungstradition seit Bacon ausgehen kann (wie Stern und Neumann annehmen). Sie hätte sich im Deutschen sonderbarerweise zunächst und für lange Zeit unter vielen verschiedenen Namen entwickelt, nur nicht unter dem, den ihr Begründer wählte. Nichts weniger als das Problem des Aphorismus zwischen Philosophie als Wissenschaft einerseits, Schöner Literatur andererseits kommt da-

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Von Thuemmel: Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben- und Siebzigjährigen. 2. Auflage 1821, S. 3. - Fähnrich: Pallas Athene. Ein aphoristisches Taschenbuch. Bd. 3. 1842, S. 169. Hoffmann von Fallersleben (Hg.): Aphorismen und Sprichwörter aus dem 16. und 17 Jahrhundert. 1844, S. 128. Ebd. S. 144. Ebner-Eschenbach: Das Gemeindekind. Novellen. Aphorismen. 1956, S. 874 (Nr. 246). Mautner: Der Aphorismus als Literatur. In: F. H . M.: Wort und Wesen. 1974, S. 280.

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Ausgangslage: Begriff und Gattung

mit in den Blick. Wie wird diese Zwischenstellung in der Zeit empfunden? Wird sie als solche empfanden? Oder ist es eine verunklärende Klärung ex post? Ist etwa ein Wandel feststellbar vom Primat des begrifflichen Denkens zur ästhetischen Wahrheit der Dichtung? Und wie läßt sich die Geschichte des Begriffes geistesgeschichtlich einordnen? Es geht letztlich darum, von welcher Seite her Anspruch auf Erkenntnis zu erheben ist, genauer: welche Darstellungsform ihr angemessen ist. Nach einer solchen Vorarbeit wird eine Geschichte des Aphorismus dreierlei aufeinander beziehen können und müssen: die Praxis des Verfassens und Veröffentlichens von „Aphorismen" und benachbarten Kleinformen samt ihrer inhaltlich-formalen Entwicklung, die Begriffsgeschichte und die Ästhetik. Ansetzen muß eine so verstandene Begriffsgeschichte bei den lateinischen „aphorismi" aus der medizinisch-politischen Tradition heraus, wie wir sie schon seit dem Mittelalter - etwa bei Alanus ab Insulis im frühen 12. Jahrhundert - und im deutschen Sprachraum seit dem frühen 16. Jahrhundert beispielsweise in Otto Brunfels' „Aphorismi institutione puerorum othone" von 1519 - fassen können, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dann etwa bei Boerhaave oder Leibniz. Grundlagen zu errichten hat sie nach der Mitte des 18. Jahrhunderts in dem reichhaltigen Material unter dem spätestens mit Gottsched eingedeutschten Begriff, und ihr Zentrum findet sie in den Belegen das 19. Jahrhundert hindurch, in denen sich in spezifischer Weise Wandel und Beständigkeit der semantischen Aspekte durchdringen. Die Jahre 1750 und 1912 bezeichnen die zeitlichen Grenzen beide - und dazu in verschiedener Weise - ungenau. 1750 steht für den Zeitraum nach der Mitte des Jahrhunderts, in dem eine auffällig vermehrte Produktion von (populär-) wissenschaftlichen „Aphorismen" zu bemerken ist, 1912 bezeichnet als Metonymie für den Zeitraum vor dem Ersten Weltkrieg das Jahr, in dem der Begriff durch die erste Dissertation (Berendsohn) einerseits, Höhepunkt und Mitte von Kraus' Aphorismenproduktion andererseits als literarischer Gattungsbegriff endgültig - auch gegen konkurrierende Möglichkeiten - gefestigt ist, Wort und Sache so eng zu einer Terminologie und literarische Praxis ihrerseits bestimmenden Gattung verknüpft sind, daß von einem neuen Abschnitt in der Geschichte des Begriffes gesprochen werden kann: ein Grenzraum, aus dem im weiteren Umfang Ausblicke nötig sind, will man der Tatsache Rechnung tragen, daß ein solcher Einschnitt immer eine Operation an einem historischen Organismus ist. Die Darstellung bleibt dabei immer Begnffs^tschichte, nimmt aber in dem Maße, in dem der Begriff von einer gefestigteren Gattung her reflektiert wird, notwendig mehr von dem Charakter einer Gaitowgsgeschichte an. Verschiedenartige Materialien stehen dazu zur Verfügung und wollen miteinander in Beziehung gesetzt sein. Da ist einerseits die Verwendung

Folgerungen und Fragen

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des Begriffs durch die Autoren selbst, nicht nur in den Titeln und Untertiteln ihrer Werke, sondern vor allem auch in Vorreden, Rezensionen, Tagebüchern, Briefen o.ä., die durch explizite oder implizite Erläuterungen für die Suche nach semantischen Elementen ergiebiger sind als die Tatsache der reinen Benennung. Hinzu kommt der Gebrauch des Fachterminus in Poetiken oder Literaturgeschichten, aber auch etwa in der Editionspraxis; außerdem sind natürlich Lexika und Wörterbücher heranzuziehen, die, seien sie vorwiegend deskriptiv oder präskriptiv orientiert, doch jedenfalls den Wortgebrauch ihrer Zeit aufnehmen und dokumentieren, so daß also von drei Seiten her die Untersuchungsgesichtspunkte verknüpft werden müssen: von der (entscheidenden) ,privaten' des Autors, von der fachwissenschaftlich ,offiziellen' der Germanistik, von der öffentlichen des Wörterbuchs. Ist damit im Sinne der Reflexion von Begriffsgeschichte das semasiologische Vorgehen konkretisiert, so ist die onomasiologische Ergänzung in diesem Fall von besonderer Bedeutung. Die kritische Sichtung der Vorarbeiten hat schon gezeigt, daß ein komplettes Bild nicht zu erhalten ist ohne Blick auf das Revers: Die Begriffsgeschichte ist, ohne damit schon eine Geschichte des deutschen Aphorismus sein zu können, ex negativo zu ergänzen durch eine Sachgeschichte, die Erörterung eben, wo und warum die Sache Aphorismus ohne den Begriff auftaucht. Damit ist aber auch der klassische hermeneutische Zirkel eröffnet. Alles einzubeziehen, was zu der Sache gehört, auch abzugrenzen, was nicht mehr zu ihr gehört, das ist nicht möglich, ohne sich im wesentlichen in einem weiten Verständnis auf das zu verlassen, was die Forschung bisher als zugehörig und als benachbart bereitgestellt hat. Das bezeichnet nicht nur eine logische, sondern auch eine sachliche Begrenzung. Noch manche Notizen, Breviere, Skizzenbücher werden sich in Zukunft der Gattung erschließen. Ein letztes, fraglos: Klar unterschieden werden können und müssen das Adjektiv „aphoristisch" und seine Substantivierung als das „Aphoristische" vom Nomen „Aphorismus", um das es uns im wesentlichen zu tun ist; die verschiedene Weite der jeweiligen Bedeutungsfelder wird an einzelnen Stellen ebensogut zu zeigen sein wie das Ungleichzeitige in der Erscheinung der verschiedenen Wortarten.

Β. Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts: Der „Aphorismus" zwischen Wissenschaft und Literatur Die Begriffsgeschichte des Aphorismus bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt, wie Begriff und Gattung nebeneinanderher- und aufeinanderzulaufen. Aus dem Begriff einer oppositionell, nämlich anti-systematisch gedachten Wissenschaft in der lateinisch-deutschen Vorgeschichte (Kap. I) erwächst der deutschsprachige „Aphorismus"-Begriff im wissenschaftlichen Lehrbuch zu Fächern wie Philosophie, Medizin, Anthropologie (Kap. II). Deren Erkenntnisinteresse ist partiell identisch mit der im Aufklärungsgedanken eingebetteten und z.T. von der älteren französischen Moralistik her zu verstehenden Literatur der „Lebensphilosophie". Uber das gemeinsame Dritte der Menschenkenntnis wird der Begriff zögerlich von einer moralistisch-didaktischen Literatur (Kap. IV) übernommen. Er ist einer - populären - Philosophie mithin ebenso eigen wie einer - nie ohne didaktische Anteile zu denkenden - Literatur. Er weitet sich auch auf andere wissenschaftliche Disziplinen aus (Kap. III) und lebt solcherart das ganze 19. Jahrhundert hindurch nach (Kap. IX), kann aber für die literarisch-aphoristische Praxis um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wegen seiner wissenschaftlichen Konnotationen generell noch nicht in Frage kommen (Kap. V). Die Uneinheitlichkeit einer Übergangszeit bestimmt das Bild, das die Anfänge des Begriffs in Literaturwissenschaft, Literaturgeschichte und Wörterbuch (Kap. VI) bieten. So sind auch die Anfänge der literarischen Begriffskonvention in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Unentschiedenheit geprägt. Dennoch reflektieren die Schriftsteller selbst in ihrem Wortgebrauch vereinzelt schon das allmähliche Zusammenwachsen von Begriff und Gattung (Kap. VII), wenn auch seine nicht-literarische Herkunft noch immer bewußt bleibt (Kap. VIII).

I. Lateinisch-deutsche Vorgeschichte bis 1770 Die bestimmenden semantischen Anteile im Begriff „Aphorismus" erklären sich bis ins letzte Viertel des 18. Jahrhunderts hinein aus einer gesamteuropäischen Wissenschaftstradition. Eine nationale Perspektive verfängt in dieser Vorgeschichte für den deutschen Begriff auch insofern nicht, als

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

hier lateinisch verfaßte Werke zu verzeichnen sind, die einer einheitlichen Gelehrtenwelt zwischen Paris, Köln, Basel und Leiden entstammen. Von den beiden Strängen, die die Forschung herausgearbeitet hat, nimmt die deutsche Begriffsgeschichte ihren Ausgang. Deshalb sind sie hier kurz zu skizzieren. Aus der Tradition von Hippokrates und auch Galen her sind frühe Zeugnisse u.a. von Paracelsus 1530, Johann Mathesius 1586 („Aphorismos und Arzney-Regeln"), Fioravanti 1632 („Aphorismi sind anders nichts, als ein Liecht, welches die Gedächtniss zusampt dem Verstandt der Medicorum, unnd Wundärzte erleuchtet"), Johann Christoph Ettner von Eiteritz 1700, später auch von Friedrich von Hagedorn (1730), Albrecht von Haller (1732) oder Johann Joachim Winckelmann (1766) zu verzeichnen. Einen Ansatz zur Ausweitung ins allgemein Literarische kann man schon bei Stranitzky 1711 beobachten, der den Begriff auf ein Ovid-Zitat überträgt: „Ich will Euch aber jetzo einen / Aphorismum sagen / der heisset: Principiis obsta. Vor diesem meinen Aphorismo müssen sich alle Aphorismi Hippocratis verkriechen"1. Herauszuheben ist der holländische Arzt Hermann Boerhaave (1668-1738), der in seinen „Aphorismi" von 1708 die maßgebende Zusammenfassung der medizinischen Erkenntnisse seiner Zeit erarbeitet, nicht nur, weil sein Werk bis ins letzte Viertel des 18. Jahrhunderts in 49 Nachdrucken und Übersetzungen rezipiert wird. Schon Mautner meint hier zu erkennen, daß bei aller Zweckbedingtheit der kurzen abschnittsweisen Zusammenfassung doch auch schon „ästhetische Reize" an der Form wahrgenommen werden2. Boerhaave ist als der bedeutende in „Aphorismen" schreibende Arzt das entscheidende Zwischenglied zwischen Hippokrates und einer Hippokrates-Renaissance vor 1800, die das Verständnis von „Aphorismus" mitbestimmt und nicht nur bei dem Mediziner Heinrich Nudow, sondern bis in Goethes „Maximen und Reflexionen" hinein zu verfolgen ist, und Boerhaave ist darüber hinaus für so verschiedene Verfasser von „Aphorismen" und Aphorismen wie Platner und Lichtenberg von Bedeutung3.

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Belege und Zitate nach: Deutsches Fremdwörterbuch. 2. Auflage, Band 2.1996, s.v. Aphorismus. Die Arbeitsstelle Deutsches Wörterbuch der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stellte mir dankenswerterweise auch zusätzliches Belegmaterial zur Verfügung. Mautner: Der Aphorismus als literarische Gattung. In: Aphorismus WdF, S. 24. Die Verbindung des Aphorismus zur Medizin ist bis auf den heutigen Tag besonders eng. Das mögen nur einige Beispiele belegen: Ebstein (Hg.): Ärztliche Lebensweisheit. 1931. Bauer (Hg.): Aphorismen und Zitate für Chirurgen. 1972. Hönes (Hg.): Seit Äskulaps Zeiten. Aphorismen für Mediziner. 1988. Schmitt (Hg.): Aphorismen, Sentenzen und anderes nicht nur für Mediziner. 2. Aufl. 1981. Uhlenbruck, Skupy (Hg.): Treffende Zitate zum Thema „Der Mensch und sein Arzt". 1980. Uhlenbruck, Skupy, Kersten: Ein gebildeter Kranker. Trost- und Trotzsprüche für und gegen Ängste und Ärzte. 1981. Uhlenbruck: Frust-Rationen. Aphoristische Heil- und Pflegesätze. 1980.

Lateinisch-deutsche Vorgeschichte bis 1770

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Bei der politischen Literatur in der romanischen Tacitismus-Tradition, die die Vorstellung der medizinischen auf die politische Heilung übertragen hat 4 , tritt für die Begriffsklärung neben die kennzeichnende inhaltliche Bestimmung eine nur sehr vage formale Kennzeichnung: Es handelt sich um Werke, die in relativ locker gefügte Abschnitte oder Paragraphen gefaßt sind. Hierher gehören etwa Christoph Lackners 1625 in Tübingen gedruckte „Aphorismi politici". Bei der Ausweitung ins Politische, die semantisch noch leicht nachzuvollziehen war, bleibt es indessen nicht. Schalk hebt die Jurisprudenz hervor und verweist unter anderem auf die „Encyclopedic" 5 ; auch Leibniz verwendet den Begriff in seinen „Nouveaux Essais" 1765 in einem juristischen Kontext 6 . Stackelberg erwähnt Theologie 7 und Militärwissenschaft8, und ein Blick ins „Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums" genügt, um festzustellen, daß hier jeweils schmale Traditionslinien bis ins deutschsprachige 19. Jahrhundert führen. Es gibt darüber hinaus vereinzelte Belege dafür, daß auch andere wissenschaftliche Arbeiten in solchen „Aphorismen" verfaßt werden. Schon bei Alanus ab Insulis im 12. Jahrhundert ist von den „aphorismi" der Physik die Rede 9 . Die „Aphorismi" des nachmaligen Berner Stadtarztes Otto Brunfels aus dem Gebiet der Pädagogik datieren von 1519, die „Aphorismi doctrinae Jesuitarum" 10 in deutscher Fassung von 1610. Hieronymus Cardanus' (1501-1576) „Aphorismorum astronomicorum segmenta Septem"11 lassen ihre terminologische Abkunft schon dadurch erkennen, daß der Universalgelehrte der Renaissance, der sich „Zeit seines Lebens primär als Arzt betrachtet" 12 , einen Kommentar „In Hippocratis aphorismos Uber

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Stackelberg: Zur Bedeutungsgeschichte des Wortes Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 219ff. Schalk: Zur Geschichte des Wortes Aphorismus im Romanischen. In: F. S.: Exempla romanischer Wortgeschichte. 1966, S. 1-3. Leibniz: Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand. 1961 (Buch IV, 7 Kapitel: Von den Sätzen, die man Maximen oder Axiome nennt. Zuerst 1765.), S. 407 - Vgl. Oeing-Hanhoff: Axiom. In: Ritter (Hg.): Hist. Wörterbuch der Philosophie. Band 1. 1971, Sp. 744. Stackelberg: Zur Bedeutungsgeschichte des Wortes Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 217, Anm. 5. Ebd. S. 219, Anm. 6. Alanus ab Insulis: Theologiae regulae. In: Migne (Hg.): Patrologiae cursus completus. Series II: Ecclesia latina (MPL). Bd. 210, S. 622. Aphorismi doctrinae Jesuitarum ... oder summarischer articulirter Begriff der Jesuiten ... abscheulicher Lehren ... verteutscht. O. O. 1610. Cardanus: Aphorismorum astronomicorum segmenta Septem. In: H. C.: Opera omnia. Bd. 5. Faksimile-Neudruck 1966, S. 29-92. August Buck: Einleitung. In: Cardanus: Opera omnia. Faksimile-Neudruck 1966, S. 10.

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Septem"13 verfaßt hat. Die „Aphorismi astrologici" sind ein von Aegidius Strauch (1632-1682) in numerierten Paragraphen abgefaßtes und 1664 in Wittenberg herausgegebenes astrologisches Werk14. Und wenn es bei Leibniz heißt: „Si quelqu'un ne donnoit que des Aphorismes, ou que des Theses detachees comme on le fait souvent dans les Universites" 15 , dann findet sich hier im wissenschaftlichen Rahmen das Abgerissene, Abgebrochene, Losgelöste der Wörterbuch-Definitionen des 19. Jahrhunderts vorgeformt, darüber hinaus aber auch schon die aus einer defizienten Stellung („ne ... que") erklärbare apologetische Argumentation, wie sie etwa bei Goethe deutlich wird, und der Gedanke der Ergänzung: „car le lecteur y supplee". Die Streuwirkung im 19. Jahrhundert ist derart, daß jetzt solche der formalen Begriffsbestimmung sich entziehende „Aphorismen" auf allen denkbaren Gebieten nachzuweisen sind. Von noch größerer Wirkung auf die deutsche Begriffsgeschichte ist der zweite von der Forschung herausgearbeitete Traditionsstrang. Die Entscheidung für den „Aphorismus" ist hier nicht primär vom ,Inhalt', dem allmählich sich ausweitenden Fachgebiet, her vorgegeben, sondern sie ist dezidiert von der ,Form' bestimmt. Auch in der Form seiner „Aphorismen" unterstützt Erasmus von Rotterdam 1540 seine Loslösung vom System der Scholastik, wenn er „in Sätzen (Gedanken), die in sich geschlossen, nur lose miteinander verbunden sein müssen" 16 , schreibt und sein Verfahren begründet. „Ein neuer Geist triumphiert über die scholastische Form"1? Es ist eben der System-Begriff, an den der „Aphorismus"-Begriff seither mit weitestreichenden Folgen kontradiktorisch und dialektisch gebunden ist18. Bacon entwickelt den Gegensatz zwischen der „traditio methodica" und der „traditio per aphorismos" in traditionsbildender Präzision. Als Vorzüge der aphoristischen Methode zählt er auf, daß sie „aus dem Mark und dem Inneren der Wissenschaften gewonnen werden" müsse, weil „nichts übrig bleibt als eine reichliche Menge von Beobachtungen". Sie

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Cardanus: In Hippocratis aphorismos liber Septem. In: H. C.: Opera omnia. Bd. 8. Faksimile-Neudruck 1966, S. 216-580. Strauch: Aphorismi astrologici methodice in usum docentium et discentium collecti. 1664. - Zur Ausweitung in die Astrologie vgl. auch die Bibliographie zu Strauch und Schalk: Das Wesen des französischen Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 84, Anm. 28. Leibniz: Die philosophischen Schriften. Band V. 1882, S. 310. Schalk: Zur Geschichte des Wortes Aphorismus im Romanischen. In F. S.: Exempla romanischer Wortgeschichte. 1966, S. 3. Schalk: Das Wesen des französischen Aphorismus. 1933. Wiederabdruck: Aphorismus WdF, S. 84. Vgl. unten S. 352ff.

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fordere vom Verfasser besonders „reiche und gründliche Kenntnisse", wie auf der anderen Seite ihre am Alltag orientierten „verstreuten Zeugnisse", „gleichsam nur Brocken", dazu einlüden, „daß andere etwas hinzufügen und es darstellen"19. Mit der essentiellen Reduktion um den Preis der Verstreutheit einerseits und mit der Disposition zu besonderer Rezeptionsaktivität andererseits sind hier entscheidende Merkmale vorausweisend formuliert, die im Blick auf eine semantische Mitte zu diskutieren die Zeugnisse der deutschen Begriffsgeschichte nach 1770 immer wieder einladen werden20. Die Wörterbücher der Romania belegen diese Entwicklung. Stackelberg und Schalk dokumentieren die Erweiterung aus der Medizin heraus. Schalk zitiert dazu die französischen Quellen bis zu Diderot21, und Stakkelberg zieht neben Dante und Rabelais unter anderem die Tacitus-Ubersetzungen und Kommentare des Spaniers Alamos de Barrientos (1590-97, erschienen 1614), des Italieners Filippo Cavriana (1597) und des Franzosen Amelot de la Houssaie (1686) heran22. „Pierre Bayle hat diese Stelle später in sein ,Dictionnaire historique et critique' s.v. Alamos aufgenommen und damit vermutlich nicht wenig zur Verbreitung des Wortes afonsme bzw. aphorisme in seiner politisch-moralistischen Bedeutung in Frankreich beigetragen"23. Bayles Wörterbuch (1696-97), „das in die Bildungsgeschichte des 18. Jahrhunderts so tief eingreifende"24, wird von Gottsched übersetzt (1741-46). Für seine Wirkung dürfen wir in Bezug auf den deutschen Sprachraum Ähnliches vermuten. Bei Gottsched begegnet der deutsche Begriff also zunächst als übersetztes Titelzitat: zum einen für eine Auslegung der Aphorismen des Hippokrates durch Hieronymus Brasavolus, dann aber vor allem im Alamos-Artikel, der die tacitistische Tradition als AlamosRezeption in den Anmerkungen nachzeichnet, für „seine spanische Uber-

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Requadts Übersetzung: Requadt: Lichtenberg. Zum Problem der deutschen Aphoristik. 1948. Teilabdruck „Das aphoristische Denken" in: Aphorismus WdF, S. 341f. Vgl. Bacon: Collected Works. 1857-74. Bd. III, S. 405 („of the pith and heart of sciences", „representing a knowledge broken"). Vgl. die genaue Analyse bei Stephens: The Aphorism. In: J. S.: Francis Bacon and the Style of Science. 1975, S. 98-121. Schalk: Zur Geschichte des Wortes Aphorismus im Romanischen. In: F. S.: Exempla romanischer Wortgeschichte. 1966, S. 1-10. Stackelberg in: Aphorismus WdF, S. 209-218. Dazu erarbeitet Ungerer insbesondere den mit Alamos de Barrientos zusammenwirkenden Antonio Perez (1593-94); Ungerer in: Aphorismus WdF, S. 427-451. Stackelberg: Zur Bedeutungsgeschichte des Wortes Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 217 Hettner: Geschichte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert. Band II. 1961, S. 100.

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setzung vom Tacitus und die politischen Aphorismi, die er am Rande desselben setzte" 25 . In Amelot de la Houssaies Zitat findet sich nicht nur die eingedeutschte Form, sondern auch eine Erörterung dieses „Aphorismen"-Begriffes: „Was des Alamos Aphorismen anbetrifft, so sind sie dasjenige nicht, was man davon denket. Denn man findet darinnen fast nichts, was einem Aphorismus gleich sähe, oder sich auch der Stärke desjenigen näherte, was in dem Texte der Übersetzung ausgedrückt worden. Anstatt, daß die Aphorismen spruchreicher seyn sollten, als der Text, so sind die Worte des Textes stets spruchreicher, als der Aphorismus. Kurz, der Aphorismus ist vielmals nur eine umschriebene Ubersetzung selbst" 26 .

Gottsched überführt damit einen Begriff ins Deutsche, in dem neben der Vorstellung einer weitgehenden Synonymie zu „Noten" oder „Anmerkungen" die semantischen Bestandteile „stark" und „spruchreich", wie er das „sententieux" seiner Vorlage wiedergibt, dominieren2? Aber sein Wörterbuch ist keineswegs der früheste Beleg. Das große Universallexikon des 18. Jahrhunderts, der Zedier, weist schon 1732 dem Begriff seinen Ort innerhalb der Wissenschaften, und zwar ohne jede Spezialisierung, zu: „Eigentlich aber sind Aphorismi kurtze Sätze, dadurch die Wahrheiten einer Wissenschaft gründlich und nervös vorgetragen werden" 28 . Damit lassen sich aus der lateinisch-deutschen Vorgeschichte eines ganz im Rahmen der Wissenschaft bleibenden „Aphorismus"-Begriffes an nur wenigen Quellen doch wesentliche semantische Merkmale erkennen, die nicht nur in der begrifflich unsicheren Ubergangsphase um 1800, sondern darüber hinaus auch für die literarische Gattung im 19. und 20. Jahrhundert von zentraler Bedeutung sind. Das „Kurtze" bei Zedier umfaßt sowohl das Losgelöste, Unverbundene als auch das sentenziös Reduzierte.

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Gottsched: Peter Baylens Historisches und Kritisches Wörterbuch. Ins Deutsche übersetzt. Bd. 1. 1741, S. 13Of. Ebd. Sein Baco-Artikel geht auf „De augmentis scientiarum" ein, erwähnt aber die traditio per aphorismos überhaupt nicht. - Für die Gattungsgeschichte ohne den Begriff ist Gottsched auch, aber in ganz anderem Sinne, wichtig: Geradezu „eine frühe Theorie des Aphorismus" sieht Knauff in dem „Handlexikon der schönen Wissenschaften" von 1760 unter dem Stichwort „Einfälle" und mit Begriffen wie Einfälle, Meditationes, Pensees anklingen (Knauff: Lichtenbergs Sudelbücher. 1977, S. 14f.). „Aphorismus" fehlt als Stichwort hier ebenso wie im „Wörterbuch". Vgl. Cantarutti, Schumacher: Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. 1986, S. 72. Heinrich Zedier: Großes vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste. 1732; s.v. Aphorismus. So auch wörtlich Zincken: Curieuses und reales, NaturKunst- Berg- Gewerk- und Handlungslexicon. 1746 (zit. nach Schalk: Das Wesen des französischen Aphorismus. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 77). Wohl rein kompilativ und deshalb ohne Wert als eigener Beleg.

Der „Aphorismus" im philosophischen Lehrbuch

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Das „Nervöse", im 18. Jahrhundert als das Kraftvolle verstanden, korrespondiert mit der „Stärke" bei Gottsched und dem „Mark" bei Bacon. Daneben treten hervor: die Einzelbeobachtung und das besondere Verwiesensein auf Rezeption, das Antisystematische und das Apologetische.

II. Der „Aphorismus" im medizinisch-philosophischanthropologischen Lehrbuch Die Skizze der Vorgeschichte des Begriffes mit ungefähr 1770 abzuschließen und hier einen Einschnitt zu sehen, begründet sich nicht nur dadurch, daß jetzt ein Wechsel von der lateinischen zur deutschen Wissenschaftssprache zu verzeichnen ist, der eine nationale Perspektive möglich und sinnvoll erscheinen läßt29, sondern vor allem durch die Fülle von „Aphorismus"-Werken, die im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts in schneller Folge erscheinen und eine genaue Betrachtung nötig machen. Schon Friedrich Bouterwek sieht in seiner Literaturgeschichte von 1819 hier den Beginn einer neuen Periode; Cantarutti benutzt daneben Knigge und vor allem Goethe zum Nachweis des zeitgenössischen Bewußtseins, „daß sich für die deutsche Prosa im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ein qualitativer und quantitativer Aufschwung ohnegleichen ereignet hat" 30 . Schröder hebt Vorreden, Rezensionen und andere poetologisch ergiebige Texte dieser Jahrzehnte zuerst ans Licht kritischer Betrachtung und untersucht sie auf ihr Verständnis von Aphorismus und Fragment hin, um die „implizite Poetologie von Aphorismus und Fragment im ausgehenden 18. Jahrhundert" mit dem frühromantischen Fragment zu vergleichen31. Er leistet damit wichtige Pionierarbeit (wenn er sich auch durch mangelnde Lesbarkeit sowie Überlappungen und Wiederholungen aufgrund übermäßig einwirkender methodischer Skrupulosität um einen Teil seiner Wirkung bringt). Das in durchgehend numerierten kurzen Paragraphen abgefaßte aphoristische Lehrbuch wird in dieser Zeit üblicherweise

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Platner setzt sich in der Vorrede zu seiner „Anthropologie" ausführlich mit der Frage auseinander: „Warum aber nicht lateinisch?" (Platner: Anthropologie für Ärzte und Weltweise. 1772, S. X X V ) . Cantarutti, Schumacher: Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. 1986, S. 54. Cantarutti hat mit ihren Aufsätzen zu „Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel" (In: Neuere Studien. 1986, S. 49-103), „Moralistik und Aufklärung in Deutschland. Anhand der Rezeption Pascals und La Rochefoucaulds" (In: Germania - Romania. 1990, S. 2 2 3 - 2 5 2 ) und „Früchte einer Übersetzung La Rochefoucaulds im Jahr der ,großen Revolution in Frankreich' gepflückt: Friedrich Schulz' ,Zerstreuete Gedanken'" (In: Germania - Romania. 1990, S. 2 6 5 - 2 8 9 ) wichtige Vorarbeiten geleistet. Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhunden und bei Friedrich von Hardenberg. 1976.

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

aus der Opposition zum ausführlichen Lehrbuch heraus verstanden32. In Kants „Logik" im § 116 „Systematische oder fragmentarische Methode" heißt es: „Der äußerlich fragmentarische, an sich aber methodische Vortrag ist aphoristisch"33. Schröder sieht Aphorismus und Fragment als synonym an, faßt beides mit vielen anderen Bezeichnungen34 unter den Sammelbegriff „Vermischte Schriften" und expliziert aus diesem Material als Vorarbeit zum Systemvergleich funktionalistisch Angaben zu Form, Produktion, Rezeption und Intention. Wenn sich auch sein Vorgehen von daher mit einem begriffsgeschichtlichen Interesse nur partiell berührt, bietet er gleichwohl wichtige Einsichten und Ansatzpunkte, schon dort, wo er nachweist, daß es sich bei diesen „Aphorismen" nicht „um eine eigene Klasse von Texten handelt, die sich von anderen Texten der übergreifenden Klasse ,prosaische Kleinformen in dogmatischer Schreibart' formal oder strukturell unterscheidet"35. Das entzieht allen auf formale Abgrenzung, auf genaue D e finition' des Begriffes bedachten Bemühungen, zumindest für diese frühe Zeit, von vorneherein den Boden. Wo er „Produktionsregeln als Instruktoren des impliziten poetologischen Systems des Fragmentes (Aphorismus)"36 erörtert, sucht er das Wie und Warum dieser plötzlichen breiten Modeerscheinung zu begreifen. Er stellt fest, daß diese Klasse von Texten einerseits gleichermaßen durch Zusammenstellen, Extrahieren, Herausgeben wie durch Komponieren, Verändern oder Fortsetzen entsteht, daß sie andererseits durch Stilcharakteristika wie „Dunkelheit", „Lebhaftigkeit", „Unbestimmtheit" oder „rhapsodische Manier" gekennzeichnet ist. „In den Texten wird außer von aphoristischer Schreibart, aphoristischer Form auch vom ,aphoristischen Geist' und eindeutig funktionalistisch auch von ,aphoristischer Unterweisung' gesprochen"3? Von daher konstatiert Schröder, ein Zusammenspiel von Verlegerinteressen und Lesererwartungen beobachtend, einen Zusammenhang zwischen Denkmethode, Popularisierungstendenz und Schreibart. „Die Merkmale der aphoristischen Schreibart' wie ,Kürze',,Dunkelheit' und ,Unbestimmtheit' sind ihrem semantischen Gehalt nach in Abhängigkeit von der Lehrbuchtheorie zu explizieren"38.

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Ebd. S. 151. Kant: Gesammelte Werke. Bd. IX. 1923, S. 149. Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976. S. 108. Dazu zählen unter anderem: „Anmerkungen", „Bemerkungen", „Beobachtungen", „Lehrsätze", „Betrachtungen", „Reflexionen", „Sätze", „Versuche", „Gedanken". Ebd. S. 116. Ebd. S. 119. Ebd. S. 141. Ebd. S. 152.

Der „Aphorismus" im philosophischen Lehrbuch

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Dabei werde „die auf Empirisierung (der Wissenschaft) und Popularisierung (des Wissens) bezogene Methode des Denkens [...] in expliziter semantischer Opposition zu dem scholastischen Denken und der Schulphilosophie gesehen"39. Und geradezu als „eine fragment- bzw. aphorismusspezifische Regel"40 eruiert er, daß Aphorismen als „Anregungen zum Weiterdenken im allgemeinen und als Anregung zur,Textergänzung' im besonderen"41 fungieren. Aus der langen Reihe solcher „Aphorismen" ragen die „Philosophischen Aphorismen" Ernst Platners (1744-1818) von 1776, in neuer Auflage in zwei Teilen 1793-1800 erschienen, durch ihre weite Verbreitung als ein wissenschaftliches Standardwerk über Logik und Metaphysik heraus42. Darüber hinaus ist der Autor durch seine breite und langanhaltende Wirkung auf die Verfasser schöner Literatur besonders bemerkenswert. In der Vorrede zu seiner „Anthropologie" von 1772 legt Platner ausdrücklich dar, was er unter „aphoristischer Schreibart" versteht, funktionalistisch im Sinne Schröders: „Die aphoristische Schreibart hat den Vorzug der möglichsten Kürze, und dieses ohne Nachtheil der Vollständigkeit. Man drängt, unbekümmert um die allgemeine Verständlichkeit, und noch unbesorgter um den Schmuck des Ausdrucks, einzelne Worte fest an einander, wovon jedes das Merkzeichen einer gewissen Reihe von Begriffen ist, und den Stoff eines Commentars enthält, welcher gleichsam in einem jeden einzelnen Worte eingewickelt liegt"43.

„Vorzug der möglichsten Kürze, und dieses ohne Nachtheil der Vollständigkeit": Hier geht es Platner um zwei gegensätzliche Forderungen. Um der Sache willen muß die Lehre vollständig dargestellt sein, der Aufnahmefähigkeit des Rezipienten zuliebe darf sie sich nicht zu voluminös entwickeln. Die Vermittlung dieser beiden widerstrebenden Prinzipien leistet eben der „Aphorismus". Wie und wodurch, das bedenkt Platner gleich in der nächsten Bestimmung. „Man drängt [...] einzelne Worte fest an einander", so daß sich Redundanzen, Beispiele, Verweise, erläuternde oder veranschaulichende Exkurse verbieten. Erst recht bleibt in dieser ganz der Sache untergeordneten, asketischen Rhetorik kein Raum für den „Schmuck des Ausdrucks". Damit nicht genug: Die aneinander gedrängten Worte 39 40 41 42

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Ebd. S. 154. Ebd. S. 179. Ebd. S. 177 Platner: Philosophische Aphorismen. 1776. Wiederabdruck: Ganz neue Ausarbeitung. 1. Teil 1793. In: Fichte: Gesamtausgabe. Bd. II, 4 Supplement. 1977 Kant zitiert sie einmal zustimmend: „Herr Platner in seinen Aphorismen sagt daher mit Scharfsinnigkeit [. . .]": Kant: Gesammelte Werke. Bd. IV. 1911, S. 349 (Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, § 56, Anmerkung). Platner: Anthropologie für Ärzte und Weltweise. 1772, S. XIXf.

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selbst müssen von einer eigenen Qualität sein. Zum einen ist „jedes das Merkzeichen einer gewissen Reihe von Begriffen", zum andern ist der „Stoff eines Commentars" „gleichsam in einem jeden einzelnen Worte eingewickelt". Das bedeutet nichts anderes, als daß dem einzelnen Wort einerseits ein repräsentativer Charakter eignet, eine besondere kernhafte Qualität, daß dieses Mitgedachte andererseits durch den Kommentar eines Rezipienten im Wortsinne ,entwickelt' werden muß. Genau in diesem Sinne heißt es bei Schröder, genereller und theoretischer formuliert, der Verstehensprozeß von Aphorismus-Texten sei „als sinnkonstituierender Konstruktionsprozeß durch die Verknüpfung von ,Text' und textinternem oder textexternem ,Kommentar' aufzufassen" 44 . Auf zwei miteinander kompatible Grundvorstellungen läuft Platners Bestimmung der aphoristischen Schreibart hinaus: auf Kürze und Gedrängtheit als Konzentration und als Konzentrat, auf die besondere Möglichkeit und vor allem auch Notwendigkeit eigenständiger Rezeption. Auf nichts anderes dringt der radikal formulierte und leicht mißzuverstehende Gedanke, der „Aphorismus" sei „unbekümmert um die allgemeine Verständlichkeit". Zutreffend formuliert Kosenina Platners „Verständnis der Aphoristik, das darauf abzielte, seine Zuhörer wie seine Leser zu ermutigen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen" 45 . Wo die Wurzeln von Platners „Aphorismus"-Begriff liegen, ist bei dieser Nähe zu Bacons Vorstellungen offensichtlich. Beide wesentlichen Züge finden sich dort vorgeformt; es ist selbstverständlich, daß sich Bacon unter seinen wissenschaftlichen Bezugsgrößen findet46. Platner erörtert in der Vorrede die Darstellungsweise des folgenden Kompendiums, das dem Lernenden in Verbindung mit dem Kommentar der Vorlesung größten Gewinn bringen soll, und insoweit bleiben seine Überlegungen im Rahmen der Lehrbuchtheorie, wie sie Schröder formuliert. Sie sind aber für einen weiteren Kreis, für alle „Kenner und Meister der Philosophie und Arzneykunst" 4 ^ gedacht. Es gibt also Ansatzpunkte, die über den wissenschaftlich-universitären Rahmen hinausführen. Gleich zu Beginn seiner „Anthropologie" beruft sich Platner auf Hippokrates, bei dem Medizin und Philosophie noch untrennbar verbunden seien: „Wenn das Wachsthum der Arzneykunst nach den Zeiten des Hippocrates die Trennung derselben von der Philosophie, wie man sagt, nothwendig gemacht hat; so getraue ich mir zu behaupten, daß diese Wis44

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Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976, S. 107 Kosenina: Ernst Platners Anthropologie und Philosophie. 1989, S. 46. Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 62. Platner: Anthropologie für Ärzte und Weltweise. 1772, S. XVIII.

Der „Aphorismus" im philosophischen Lehrbuch

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senschaft durch ihr Wachsthum mehr verloren als gewonnen hat" 48 . Auch die Sekundärliteratur zu den „Aphorismen" in der Ausgabe von 1800 verzeichnet ihn selbstverständlich. Die Belege für eine breite HippokratesRezeption gerade in den Jahren nach 1770 sind zahlreich. 1778 erscheinen seine „Aphorismen. In das Deutsche übersetzt" 49 , 1781 „Werke" in vier Bänden 50 , 1791 seine „Aphorismen" in Wien51. Das 18. Jahrhundert sei zu Recht „als die Epoche der Wiederentdeckung des Hippokrates bezeichnet worden", meint Cantarutti 52 . Das bekannteste Zeugnis dieser Renaissance ist zweifellos das Zitat „Quae medicamenta non sanat, ferrum sanat, quae ferrum non sanat, ignis sanat", das der junge Mediziner Friedrich Schiller der ersten Auflage seines Schauspiels „Die Räuber" als Motto mitgibt und mit dem er sich ganz entschieden in die Tradition der Verschiebung von der medizinischen zur politischen ,Heilung' stellt. Auch ohne daß hier eine Wirkungsgeschichte der Hippokratischen Schriften im 18. Jahrhundert entwickelt werden kann, wird deutlich, daß der frühe deutsche „Aphorismus"-Begriff sich besonders stark von Hippokrates her bestimmt. Cantarutti führt Kurt Sprengeis „Apologie des Hippokrates und seiner Grundsätze" (Leipzig 1789/1792) an und sieht die von ihr untersuchten Lehrbücher weit über den medizinisch-anthropologischen Zusammenhang hinaus, etwa auch Romanus Adolph Hedwigs „Aphorismen über die Gewächskunde" von 1800, auf die Goethe Bezug nimmt, in der Tradition des Corpus Hippocraticum 53 . Im engeren Zusammenhang mit der aphoristischen Form macht sich sein Einfluß mittelbar über die Kommentare von Galen, den Zedlers Universallexikon in seinem Artikel „Aphorismus" als Beleg anführt, und Paracelsus54 sowie über die Ausstrahlung von Boerhaaves „Aphorismi" geltend. Heinrich Nudow (1752- nach 1821) ist mit seinen „Aphorismen über die Erkenntnis der Menschennatur" von 1791-179255 der Kronzeuge für die Verbindung der alten hippokratischen Tradition mit der neuen Lehrbuchtheorie. Einen „Plan", „eine konzentrirte Ubersicht" wolle er geben, so beginnt seine Vorrede, ohne „ganz deutliche und weitläuftige Auseinandersezung der mitgeteilten Begriffe", um „das gröste Gesez" „bei der BeEbd. S. III. Vgl. Schings: Der philosophische Arzt. In: Schings: Melancholie und Aufklärung. 1977, S. 11-40. 49 Hippokrates: Aphorismen. In das Deutsche übersetzt. 1778. 50 Hippokrates: Werke. 4 Bde. Übersetzt von J. F. K. Grimm. 1781. 51 Hippokrates: Aphorismen. 1791. 52 Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 83. 53 Ebd. S. 74. 54 Vgl. Benzenhöfer, Triebs: Zu Theophrast von Hohenheims Auslegungen der „Aphorismen" des Hippokrates. In: Parerga Paracelsica. 1991, S. 27-37. 55 Nudow: Aphorismen über die Erkenntnis der Menschennatur. 2 Teile. Riga 1791 f. 48

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obachtung der Menschennatur", „Einfachheit", zu beachten. Wo er dann von den „Regeln der aphoristischen Schreibart" spricht, beansprucht er unser höchstes Interesse: „Ein Lehrbuch mus meines Erachtens kurz, zusammengedrängt, - vielumfassend und mehr mistisch, als durchaus lichtvoll geschrieben seyn. Es muß den Geist der ganzen Lehre oder Wissenschaft, die darin behandelt wird, konzentrirt in sich begreifen. - Hippokrates, Boerhawe, Gaub, und neuerlichst Stoll sind unsre großen Muster in dieser zu Lehrbüchern so überaus tauglichen und nüzlichen aphoristischen Schreibart. - Es muß ein solches Lehrbuch den Schüler erst recht aufmerksam und wisgierig machen, - ihn zum Selbst- und Mitdenken auffordern, und beim Wiedernachlesen an das Wichtigste in jeder Lehre erinnern" 56 .

Nudow entwickelt eine Traditionsreihe bedeutender Vorgänger, von denen er das „Muster" der aphoristischen Schreibart übernimmt. „Kurz", „zusammengedrängt": das ist wörtlich Platner; „vielumfassend": das entspricht den „Merkzeichen" dort, der repräsentativen Qualität der Begriffe. Auf diese Weise können die „Aphorismen" den „Geist" des Ganzen „konzentrirt in sich begreifen". Das damit in Kauf zu nehmende Mystische, durchaus nicht Lichtvolle - die „vorsezliche Kürze, Dunkelheit und Unbestimtheit meiner Säze", heißt es wenig später - kann nicht verwundern. Es ist nicht notwendiges Übel, sondern höchst erwünscht im Hinblick auf das Ziel, die Fähigkeit des Studierenden zum kommentierenden, die Lücken ergänzenden Selbstdenken zu entwickeln. Nudow hat kein Interesse daran, aus einem definitorischen Selbstzweck heraus zu erklären, als was er seine „Aphorismen" auffaßt. Er ist als Verfasser eines Lehrbuches an ihrer Funktion interessiert5·^ macht aber gleichwohl auf diese Weise deutlich, was im Zentrum seines Aphorismusbegriffes steht: aus hippokratischer Tradition heraus wie bei Platner und deutlicher als dort zum einen das Konzentrat, zum andern eine besondere Disposition zu aktiver Rezeption. Johann Caspar Lavater steht mit seinen „Vermischten, unphysiognomischen Regeln zur Menschenkenntniss" (1787) so gut in der hippokratischen Tradition wie sein Ubersetzer Heinrich Füssli58, und noch für den späten Friedrich Schlegel ist es selbstverständlich, im Zusammenhang mit „Gedankensprüchen" und „Aphorismen" auf den „Vater der Heilkunde"59 56

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Ebd. 1. Teil, S. VI. - Zitate aus älteren Texten werden, auch in Fällen offensichtlicher Inkonsequenz („mus" - „muß"), getreu nach der Vorlage und, wo sie in Orthographie oder Interpunktion von den heutigen Regeln abweichen, ohne ausstellend-distanzierende [ ] wiedergegeben. Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976, S. 136f. Vgl. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 54. Friedrich Schlegel: Werke. Kritische Ausgabe. Band V. 1962, S. 24. Vgl. ebd. Bd. VI. 1966, S. 109.

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zu verweisen. Vielleicht ein noch überzeugenderer Nachweis der Ausstrahlung des Hippokrates ist aber die Tatsache, daß auch Goethe seine aphoristische Tätigkeit von ihm ableitet60. Eine Ausgabe der „Aphorismen" besaß er - aus der Bibliothek seines Vaters - seit 1794. Der Lehrbrief in „Wilhelm Meisters Lehrjahre" zitiert zu Beginn dessen ersten Aphorismus „Vita brevis, ars longa"61. Es ist nicht ohne Reiz, Goethes Formulierung der Übersetzung von 1778 und Füsslis Übertragung gegenüberzustellen, um daran den Prozeß der Verknappung und zugleich Verallgemeinerung zu beobachten. 1778 heißt es so nah an der Vorlage wie umständlich: „Das menschliche Leben ist von kurzer Dauer, die Arzneykunst hingegen sehr weitläuftig, (und kein Arzt wird sich rühmen, alles, was zu seiner grossen Kunst gehört, erlernt zu haben, ausser der, welcher sie nicht kennet.) Die rechte Zeit und beste Gelegenheit, dem Kranken zu helfen, ist flüchtig und bald vernachläßigt, (und diese Versäumnis von üblen Folgen für den Kranken.) Die Erfahrung allein ist eine gefährliche Lehrmeisterin [. ..]. Es ist schwer und setzt viele Kenntnis voraus, wenn über Krankheiten ein richtiges Urtheil gefället werden, und eine wahre Theorie darüber entstehen soll"62.

Füssli überträgt den ersten hippokratischen Aphorismus so: „Das Leben ist schnell, die Kunst ist langsam, die Gelegenheit spröde, die Ausführung unzuverlässig und das Urteil parteiisch" 63 . Dagegen formuliert Goethe, allein durch die beiden ein- und zweisilbigen Attribute Füssli gegenüber wirkungsvoll zugespitzt: ,aphoristischer': „Die Kunst ist lang, das Leben kurz, das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig. Handeln ist leicht, Denken schwer" 64 . Während der Arbeit an den „Lehrjahren" beginnt Goethe mit der Aufzeichnung von Sprüchen, „Eigenem und Angeeignetem", die er dann in die „Wanderjahre" aufnimmt 65 . In der akademischen Praxis läßt sich dieser Lehrbuch-„Aphorismus" nur schwer aufspüren. Der Arzt in Thümmels „Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich", der „in dem Vaterlande des unsterblichen Boerhave" wirkt, berichtet, wie ihm neue Entwicklungen „alle Aphorismen meiner Lehrer" 66 auslöschten. Und aus der Sicht des Lehrenden heißt es in Carl Friedrich Bahrdts „Geschichte seines Lebens": „Es

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Vgl. Deichgräber: Goethe und Hippokrates. In: Sudhoffs Archiv 29, 1937, S. 27-56, bes. S. 43-50. Darauf verweist schon Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 66. Hippokrates: Aphorismen. 1778, S. 1. Füssli: Aphorismen über die Kunst. 1944, S. 39. Goethe: Werke. Berliner Ausgabe. Bd. 10. 1971, S. 520. Daß er dafür aber gerade nicht den Begriff „Aphorismus" wählt, verlangt an späterer Stelle nach einer Erklärung. Vgl. unten S. 81. Thümmel: Sämmtliche Werke. 1. Bd. 1853, S. 63f.

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wurde in kurzen Aphorismen den Schülern diktirt, und ich sokratisirte darüber"6? Die Theorie des Lehrbuch-,,Aphorismus", wie sie an Plainer und Nudow exemplarisch zu zeigen ist, vertieft im Rückgriff vor allem auf Bacon und die medizinische Tradition, insbesondere deren Gründervater Hippokrates, die aus der Vorgeschichte des Begriffes zu eruierenden Ansätze und gestaltet sie aus. Entscheidend aber ist, daß sie so wenig im universitären Rahmen des Lehrbuches zu einer Vorlesung verharrt, wie Hippokrates im medizinischen Bereich bleibt. So dringt der „Aphorismus" über die Kernwissenschaften der Medizin, Philosophie und Anthropologie und über die Wissenschaft überhaupt hinaus, ohne daß sich der Kernbestand seiner semantischen Merkmale verändern müßte68.

III. Begriffserweiterung auf andere wissenschaftliche Disziplinen Die Konjunktur des Begriffes nach 1770 beschränkt sich nicht auf das medizinisch-philosophische Lehrbuch im Umkreis von Anthropologie und Moralistik. Kurz, leserfreundlich, offen für Verschiedenartigstes, das Selbstdenken fördernd: so gehört der „Aphorismus" zu den Formen, die die Aufklärungsliteratur bevorzugt. Er wird zu einem Modebegriff, der sich auf buchstäblich alle wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Gebiete und darüber hinaus erstreckt. Schröder bietet im Anhang seiner Novalis-Dissertation eine verdienstvolle und sehr umfassende Bibliographie69, in der neben der fast unübersehbaren Menge von Fragmenten für das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts über 50 „Aphorismen"-Titel 67 68

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Bahrdt: Geschichte seines Lebens. Bd. 2. 1791, S. 325. Nicht nur an Hippokrates läßt sich diese Aphoristik der Lebensphilosophie anbinden, sondern als deutsch geschriebene Aufklärungsliteratur über Thomasius auch an Graciän. Thomasius hält schon 1687 die erste deutsch verfaßte Vorlesung eben über die „GrundReguln" genannten Aphorismen Graciäns (Thomasius: Kleine deutsche Schriften. 1894, S. 79-122). Daß aber die Zeit für diese Form in Deutschland auch, als die Graciän-Rezeption ihren Höhepunkt hat (1710-1720), noch nicht reif ist, zeigen Thomasius' und Pufendorfs Kritik speziell an der Form des Handorakels wünschenswert deutlich; vgl. Forssmann: Baltasar Graciän und die deutsche Literatur zwischen Barock und Aufklärung. 1977, S. 174ff. Graciäns Ubersetzer Müller schließt sich ihr an, wenn er 1715 in den Anmerkungen zur 26. Maxime schreibt, Graciän habe kein Mittel gefunden, „seine schöne, aber hin und wieder zerstreuete gedancken, in besserer Ordnung vorzutragen" (Graciän: Maximen. Üb. von Aug. Fr. Müller. 2. Aufl. 1733, S. 166). Hippokrates und der Aphorismus stehen auch noch im 19. Jahrhundert im Zusammenhang; vgl. Frauenstädt: Rez. Schopenhauer. In: Blätter für lit. Unterhaltung 1852/1, S. 200. Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976, S. 519-574.

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samt Rezensionen nachgewiesen sind; und natürlich ist die Liste noch nicht vollständig. Ihre Themen erstrecken sich von dem Kernbereich Philosophie, Medizin, Politik bis in die Theologie, die Pädagogik, die Kunst und die Naturwissenschaft und darüber hinaus. Im „Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1700-1910"70 finden sich das 18. und 19. Jahrhundert hindurch über die Traditionslinien der Jurisprudenz, Theologie und Militärwissenschaft hinaus71 Aphorismen zum Gemeindewald und zu Getreidezöllen, zu Musik und Eisenbahn, Münzwesen, Konkordat und Dreieinigkeit. Es sind durchweg jeweils kürzere Texte von einem Satz bis zu einigen Seiten - eine genauere Bestimmung ist nicht möglich - , numeriert, in Paragraphenform, mit Uberschriften versehen, kapitelartig, oft nur durch Querstriche voneinander abgesetzt. Aus der Frage nach der Konnexion läßt sich für die semantische Bestimmung des Begriffes keinerlei Gewinn ziehen. Die 1802 von Georg Friedrich Wipprecht anonym veröffentlichten „Aphorismen über Provinzial-Gesetzbücher überhaupt, und besonders im Preußischen Staat" zum Beispiel lassen hier alle Möglichkeiten erkennen, also neben der „kotextuellen Isolation", wie es Fricke nennt72, Konnexion unter anderem durch Verweispronomen, demonstrative und deiktische Elemente, Komparation, ordinative Angaben, links- wie rechtskonnexe Textorganisatoren. Vollständigkeit brächte hier keinerlei Erkenntniszuwachs, zumal sich diese „Aphorismen" meist ohne Begriffsreflexion in die Traditionslinien einfügen. So kann es im folgenden nur um Beispiele gehen, zunächst der Wende zum 19. Jahrhundert, die sich etwa an bekanntere Namen anknüpfen. Wo sie aber die Wahl ihres Begriffes reflektieren und so ihre Vorstellungen von seinem Inhalt genauer erkennen lassen, verdienen sie unsere besondere Aufmerksamkeit. Das letzte Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts erweist sich als der Höhepunkt dieser frühen „Aphorismen"-Produktion 73 . Bei Anton Jungnitz („Aphorismen von der Lehre über die Electricität", 1797) und Christoph Hein-

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Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV) 1700-1910. Bd. 1. München u.a.: Saur, 1979, S. 135-139. Vgl. unten S. 144. Fricke: Aphorismus. 1984, S. lOff. Vgl. außer den Genannten etwa Grohmanns Aphorismen über Zeugung" (1793), Kapfs „Aphorismen für Denker" (1797), Gillets „Politische Aphorismen oder Materialien zu einer künftigen Völkerglücklehre" (1794), Alexander von Humboldts „Aphorismen aus der chemischen Physiologie der Pflanzen" (1794). 1796 erschienen Bergers „Aphorismen zu einer Wissenschaftslehre der Religion", die Lichtenberg erwähnt (L 91; Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 1. 1973, S. 864), 1800 Hedwigs „Aphorismen über die Gewächskunde", 1808 Kiesers „Aphorismen aus der Physiologie der Pflanzen", auf die beide Goethe Bezug nimmt (Goethe-Wörterbuch Bd. 1, 1971f., s.v. Aphorismus).

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rieh Pfaff („Aphorismen über die Experimentalphysik", 1800) ist der Zusammenhang mit der akademischen Vorlesung besonders eng74. In Friedrich Bouterweks „Praktischen Aphorismen" (1808), die „Grundsätze zu einem neuen System der moralischen Wissenschaften" geben wollen, ist der - in der Vorrede nicht reflektierte - begriffliche Zusammenhang nur insoweit gewahrt, als es sich um selbständige kleine Abschnitte handelt, die aber von einem systematischen Inhaltsverzeichnis zusammengehalten werden. Sein zwei Jahre später erschienenes „Lehrbuch der philosophischen Vorkenntnisse" wiederum benutzt den Begriff zur Bezeichnung seiner 28 „Disputations-Thesen zur speculativen Philosophie" im Anhang75. 1783 spricht Johann Joachim Eschenburg in der Vorrede von den „theoretischen Aphorismen", kurzen durchnumerierten Abschnitten, in denen er seinen „Entwurf einer Theorie und Literatur der schönen Redekünste" abgefaßt habe76. 1790, wahrscheinlich Ende August, verfaßt Fichte im Anschluß an seine Lektüre von Kants „Kritik der reinen Vernunft" „Einige Aphorismen über Religion und Deismus"; veröffentlicht werden sie allerdings erst 1830/3177 Wieder handelt es sich um - achtzehn - mit Nummern versehene kurze Abschnitte, die thesenartig wirken, aufeinander aufbauen und so ganz im vorgegebenen Rahmen bleiben. Der Begriff ist ihm von Platner her vertraut, nach dessen „Aphorismen" er seine Vorlesungen hält78, genauer: er kommentiert und kritisiert den Vorgänger. Von 1802 datieren Görres' „Aphorismen über die Kunst"79, aus dem folgenden Jahr seine „Aphorismen über Organonomie". Die „Aphorismen über die Kunst", „seine erste bedeutende philosophische Verlautbarung"80 vorher entwarf er „Aphorismen einer Makrobiotik" (1798) sind so verfaßt, daß (meist) ein Satz ein Absatz ist, so daß etwas Thesenhaftes entsteht, in dem sich scheinbar paradoxerweise Definitorisch-Definitives und Vorläufiges verbinden. Görres reflektiert in den beiden Vorworten den Begriff nicht. Aufschlußreich für unser Begriffsverständnis ist dafür die Erläuterung, die der Augenarzt Johann Adam Schmidt, der Rezensent der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung, 1805 gibt:

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Vgl. Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 75. Bouterwek: Aphorismen. 1810, S. 167-180. Vgl. auch Bouterwek: Aphorismen, den Freunden der Vernunftkritik nach Kantischer Lehre vorgelegt. 1793. Eschenburg: Entwurf einer Theorie und Literatur der schönen Redekünste. Zit. nach der 4. vermehrten Aufl. 1817, S. V. Fichte: Gesamtausgabe. Bd. II, 1: Nachgelassene Schriften 1780-1791. 1962, S. 287-291. Fichte: Gesamtausgabe. Bd. II, 4.1976; vgl. Kosenina: Ernst Platners Anthropologie und Philosophie. 1989, S. 33f. Zu Heinrich Füsslis gleichlautendem Werk von 1787 vgl. unten S. 46. Dyroff: Einführung in die Aphorismen über die Kunst. In: Görres: Naturwissenschaftliche, kunst- und naturphilosophische Schriften I. 1932, S. XXXVII.

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„Die Methode des Vf., als die von ihm aphoristisch genannte, ist der Form der Speculation fremd, indem sie ein bloßes Hinstellen allgemeiner Sätze ohne scientifische Begründung und Consequenz ist; die Verarbeitung des Materials ist von dem Muster der Philosophie ganz entfernt, indem sie eine bloße Aufnahme besonderer Daten aus der Empirie, und durchaus von einer Beweisführung verschieden ist"81.

Aufschlußreich ist diese Erläuterung deshalb, weil sie genau bemerkt und exakt formuliert, wie grundsätzlich sich diese Methode des begründungslosen „bloßen Hinstellens" empirischer Daten von dem Muster der Schulphilosophie unterscheidet, wenn sie auch die Gattung später weniger als „Aphorismen" denn als „treffliche Fragmente" bezeichnet wissen will82. Görres selbst gibt sich in der „Exposition der Physiologie" (1805) genau Rechenschaft darüber, daß „das Ganze ein Freskogemähide seyn soll, der Augenpunct in der Ferne, große Massen zusammengedrängt, das Allgemeine nur ausgeführt, vom Besondern nur das Nothwendigste zur Ausführung der Umrisse angegeben, übrigens im Ganzen erst skitziert, um in der Zukunft weiter ausgeführt zu werden"83. Seinem Kommentator Dyroff müssen die „Aphorismen" allerdings 1932 als ein „verwunderlicher Titel" gelten: „Görres gibt hier doch ein System"84. Mit den literarischen Aphorismen etwa von Karl Kraus, die er bei diesem ersten Satz seiner Einführung vor Augen haben mag, haben Görres' Texte in der Tat wenig zu tun. Von daher ist das Verwundern, daß es „doch ein System" sei, zunächst verständlich, bedarf aber dann doch einer Aufklärung von zwei Seiten her. Zum einen sieht Dyroff die Verbindungslosigkeit des modernen Aphorismus als Zusammenhanglosigkeit und deutet so dessen Verhältnis zum System eindeutig kontradiktorisch und nicht ambivalent. Zum andern setzt er sich hier in einen gewissen Gegensatz zu Görres selbst, der ein Bild wählt, um seine Arbeitsweise und den Begriff, der sich ihm von daher anbietet, zu erläutern: „Freskogemälde". Das Schnelle, Flüchtige dieser Arbeitsweise, das mit äußerster ,Konzentration' verbunden ist, ist mit dem methodisch sorgfältigen Systematischen nicht gänzlich zur Deckung zu bringen. „Das Allgemeine nur ausgeführt, vom Besonderen nur das Nothwendigste zur Ausführung der Umrisse": das erinnert viel eher an das „Vielumfassende" bei Nudow, das „Merkzeichen" bei Platner, wie ja auch das „Gedrängte" aus deren Bestimmungen sogar wörtlich wiederkehrt. Hinzu kommt der methodische Unterschied zur ,eigentlichen' philosophischen Wissenschaft, der Schulphilosophie also.

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Zit. nach Görres: Naturwissenschaftliche, kunst- und naturphilosophische Schriften I. 1932, S. 390. « Ebd. S. 391. 83 Görres: Naturwissenschaftliche, kunst- und naturphilosophische Schriften II. 1932, S. 5. 84 Dyroff: Einführung in die Aphorismen über die Kunst. In: Görres: Naturwissenschaftliche, kunst- und naturphilosophische Schriften I. 1932, S. XXVIII.

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Görres selbst spricht von dem Vorwurf, „daß ich Poesie in die Wissenschaft einmenge", und entgegnet ihm: „Ich habe mir alles überlegt, und denke was der Himmel verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen"85. Schon Dyroff zieht Schellings „Aphorismen zur Einleitung in die Naturphilosophie", zuerst in seinen „Jahrbüchern der Medizin als Wissenschaft" 1805/06 erschienen, mit heran 86 . Es handelt sich bei ihnen, wie auch bei den „Aphorismen über die Naturphilosophie", ähnlich wie bei Platner um die numerierten Abschnitte einer unsystematischen' philosophischen Schrift, und insofern gehören sie eindeutig in den wissenschaftlichen Traditionsstrang. In der Frage der Konnexion ergibt sich kein einheitliches Bild. Sind einerseits manche von ihnen syntaktisch verbunden, etwa im Sinne des Gegensatzes („Diese dagegen . ,." 87 ) oder der Weiterführung („Aber nicht nur .,." 88 ), so finden sich andererseits „Aphorismen" unter ihnen, die durchaus einem späteren Verständnis entsprechen könnten: „Das Endliche nur aufgelöst im Unendlichen zu sehen, ist der Geist der Wissenschaft in ihrer Absonderung: das Unendliche in der ganzen Begreiflichkeit des Endlichen in diesem zu schauen, ist der Geist der Kunst"89. Oder: „Die Vernunft kann man niemanden beschreiben: sie muß sich selbst beschreiben in jedem und durch jeden" 90 . Im weiteren Sinne gehören hierher: Johann Daniel Falks „Aphorismen die Poesie und Kunst betreffend"91 (1803), fünfzehn numerierte und selbständige Abschnitte, meist kürzer als eine Seite, in einem Fall hingegen mehrere Seiten umfassend; Benedikt Joseph Kollers „Aphorismen für Schauspieler und Freunde der dramatischen Kunst"92 (1804), die in 352 numerierten Kurztexten neben Exzerpiertem aus angeführten Quellen auch Eigenes zu Themen wie Deklamation, Mimik, Kleidung oder Publikum bieten, von regelrechten Aphorismen im engen Sinne („Nichts ist groß, was nicht wahr ist" 93 ) bis zu ein bis zwei Seiten langen Erörterungen mit Anweisungscharakter; etwas später Konrad Engelbert Oelsners „Po-

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Görres: Naturwissenschaftliche, kunst- und naturphilosophische Schriften I. 1932, S. Ζ Schelling: Sämmtliche Werke. I. Abtlg., 7. Bd. 1860, S. 1 4 0 - 2 4 4 . Vgl. Caroline Schelling: Briefe. Bd. 2. 1879, S. 279. Ebd. S. 142, Nr. 12. Ebd. S. 141, Nr. 6; S. 143, Nr. 18. Ebd. S. 142, Nr. 13. Ebd. S. 146, Nr. 31. Falk: A p h o r i s m e n die Poesie und Kunst betreffend. In: J. D . E : Kleine Abhandlungen die Kunst und Poesie betreffend. 1803, S. 5 1 - 7 4 . D a ß damit f ü r Falk bei Lichtenberg in denselben „kleinen Abhandlungen" S. 75-100 also noch nicht v o n „Aphorismen" die Rede sein kann, versteht sich von selbst. Koller: Aphorismen für Schauspieler und Freunde der dramatischen Kunst. 1920 [zuerst 1804]. Ebd. S. 40.

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litische Aphorismen" (1818), in Paragraphen mit Überschriften eingeteilte „flüchtige Gedanken über viele Gegenstände"94; des weiteren Friedrich Ludwig Schmidts zwei Bändchen „Dramaturgische Aphorismen" (1820/1828) und Joseph Schulz' „Philosophische Aphorismen über den Ursprung und die Anwendung deutscher Sprichwörter" (1832). Die Einleitung des Hamburger Theaterdirektors Schmidt erklärt die Form des Büchleins aus der Art der Entstehung dieser „Aphorismen". „Aus der unmittelbaren Ausübung meines Geschäftes" entsprungen, „Erguß meiner Empfindung nach einer gespielten Rolle": „Dies ist auch der Grund, warum dem Büchlein eine methodische Form abgeht. Es ist mehr eine geschriebene Unterhaltung, ein Gespräch, dessen Gegenstand mit jedem neuen Besucher wechselt"95. So kurz seine Bemerkung ist, so vielfältig sind die Bezüge, die sich hier auftun. Nicht allein, daß Schmidt mit seinem Gegenbegriff der „methodischen Form" geradewegs an Bacons traditio methodica anschließt, er betont auch das Unmittelbare und das ,Gelegentliche', Nicht-Diskursive, und er bringt Empfindung und Reflexion in eine bezeichnende Nähe. Der synonyme Begriff der „Bemerkungen" verweist unter anderem auf Lichtenberg, der „Strauß", zu dem er „das Ganze" gewunden sehen will, auf das Anthologische, das im Umfeld des „Aphorismus"-Begriffes angesiedelt ist96. In Schulz' „Aphorismen" wiederum steht der Begriff für die kurze Erläuterung bekannter Sprichwörter, etwa „Aller Anfang ist schwer", was insofern interessant ist, als damit in ihm noch Aspekte mitschwingen, wie sie bei Gracians „aforismos" und Gottscheds „Noten" zu beobachten waren. Karl Friedrich Göscheis „Aphorismen über Nichtwissen und absolutes Wissen im Verhältnisse zur christlichen Glaubenserkenntnis" (1829) heben sich dadurch heraus, daß Hegel ihnen eine ausführliche Rezension widmet9^ die mit einer formalen Erörterung beginnt. Hegel hebt zum Verständnis des Begriffes neben dem hinlänglich bekannten Rezeptionsgesichtspunkt den Aspekt hervor, der schon für Görres' Rezensenten bemerkenswert war: „Aphorismen mochte der Hr. Verfasser seine Betrachtungen über die auf dem Titel genannten Gegenstände etwa nur darum nennen, weil er sie nicht in die förmlichere Methode der systematischen Wissenschaft und in abstraktere Ausführlichkeit gefaßt hat. Sonst steht der Vortrag [...] in gründlichem Zusammenhang, und erfordert einen aufmerksam denkenden Leser, der auch da, wo die Exposition sprungweise zu gehen scheint [...], den Faden der Gedanken zusammen zu halten gewohnt ist" 98 .

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Oelsner: Politische Aphorismen zur Beherzigung vor dem politischen Congreß in Achen [!]. 1818. Vorwort. Schmidt: Dramaturgische Aphorismen. 1. Bd. 1820, S. 4. Ebd. S. 5. Vgl. Platens und Hebbels „Dramaturgische Aphorismen". Hegel: Sämtliche Werke. Bd. 20. 1958, S. 276-313. Ebd. S. 276. - In seinen „Vorlesungen über die Ästhetik" bleibt Hegel hingegen bei den klassischen Bezeichnungen Gnome und Sentenz (Hegel: Sämtliche Werke. 14. Bd. 1954, S. 326-328).

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Überdies klärt sich damit nicht nur Dyroffs Verwirrung, den Systembegriff betreffend, weiter, auch der scheinbare Widerspruch bei Bouterwek, der doch mit „Aphorismen" Grundsätze zu einem neuen „System" geben will, löst sich auf. „Nicht in die förmlichere Methode der systematischen Wissenschaft": das bedeutet nicht, daß solche „Aphorismen" nicht „in gründlichem Zusammenhang" stehen, es meint vielmehr den Gegensatz zu einer Form von Wissenschaft, die nicht, wie Görres es ausdrückt, al fresco malt, also ihre Aufgabe gründlich, begründend, methodisch abgesichert und von allen Seiten her erläuternd angeht.

IV. Der „Aphorismus" in der „Lebensphilosophie" und der Ubergang zur Literatur Die Frage nach den wissenschaftlich-philosophischen oder literarischen Wurzeln des Begriffes ist für den Aphorismus von zentraler Bedeutung. Man muß nicht so weit gehen wie Kosenina, der Otto Spaziers, des ersten Biographen Jean Pauls, Bemerkung zustimmend zitiert, Platner sei so wenig systematisch gewesen und habe ebenso aphoristisch gedacht und gesprochen wie Jean Paul", um zu erkennen, daß starre Grenzen dabei nicht aufrechtzuerhalten sind. Platner zieht ganz selbstverständlich für seine Wissenschaft die Literatur von Montaigne, La Rochefoucauld oder La Bruyere als Belege heran. Als Ergebnis ihrer Untersuchung formuliert Cantarutti: „Platners ,Anthropologie' und ,Aphorismen' intendieren, eine Wissenschaft vorzutragen - gehören also insofern nicht zur Moralistik - , aber die Materie, die es vorzutragen gilt [,] und die popularphilosophische, bzw. ,eklektische' oder ,historische' Art, auf welche sie vorgetragen wird, lassen eine offene Ubergangsstelle zwischen dieser aphoristischen Schreibart' und jener der Moralisten erkennen"100. Das, was sie von der Philosophie im engeren Sinne etwa Kants unterscheidet, ist ihre Orientierung an Fakten: „Das Faktische bzw. Historische in Opposition zum Spekulativen erscheint als das ausschlaggebende Moment für die Wahl der aphoristischen Schreibart bei Platner"101. Sie hält sich dadurch von jedem Dogmatismus fern, wie ihn Platner im Vorwort zur Ausgabe seiner „Aphorismen" von 1793 in der Tat an Kants Lehrgebäude mehrfach bemängelt102. In seinem „wohlverstandnen Skeptizismus" 103 sieht Kosenina das aphoristische Denken der großen Aphoristiker vorgeformt, den Witz ar99 100 101 102

103

Kosenina: Ernst Platners Anthropologie und Philosophie. 1989, S. 45. Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 90. Ebd. S. 91. Eschenburg - vgl. unten S. 95 - verwendet „dogmatisch" auch in Bezug auf Platner in einer offeneren Bedeutung, die alles Lehrbuchhafte einschließt. Platner: Philosophische Aphorismen. Ganz neue Ausarbeitung. 1. Teil. 1793, S. XV.

Der „Aphorismus" in der „Lebensphilosophie"

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beitet er als Erkenntnisprinzip für Platner wie Jean Paul heraus104: Das Denken in den festen Kategorien einer Philosophie einerseits, die den Begriff fälschlich usurpiert, so daß solches Vorgehen - bei Platner - als „offenkundiger Etikettenschwindel"105 abzutun ist, einer Literatur andererseits, der es nicht um Erkenntnis zu tun ist, ist für das 18. Jahrhundert anachronistisch. Platner unterscheidet zwischen ihnen lediglich im „Weg ihrer Gedanken", nicht im Ziel: „Einige Köpfe nehmen den Weg ihrer Gedanken lieber durch Reihen von Empfindungen, andere lieber durch Reihen von deutlichen Begriffen. Dieß ist der Unterschied der poetischen, und der philosophischen Köpfe"106. Für das Verhältnis beider legt er sich eindeutig fest: „Daher ist die Dichtkunst allzeit die Vorgängerinn der Philosophie, und die Urheberinn des feinsten Theils der Sprache"10? Wenn man der Berufung auf einzelne „Aphorismen" wenig Belegkraft zuerkennen will, so bietet sich als ein höchst wichtiger Zeuge in dieser Frage Pfotenhauer an, wichtig, weil unverfänglich, denn er kommt von einer ganz anderen Seite her ahnungsweise zum nämlichen Ergebnis, wenn er die literarische Anthropologie, im wesentlichen autobiographischer Art, untersucht108. Bei Platner rücke die Anthropologie in die Nähe von Selbstdarstellungen und lasse literarische Ambitionen erkennen. Er spreche „von der Dichtkunst als der Urheberin der Philosophie und davon, wie die dichterische Behandlung der Dinge die begriffliche fördere"109. Weiter heißt es: „Die angemessene Schreibart ist für Platner dann auch eine eher aphoristische, das heißt hier bereits eine, die assoziativ die Erkenntnisse im Reflexions- und Selbstreflexionsprozeß zum Aufblitzen bringt. Allein der aphoristische Stil darf Sachverhalte witzig-experimentierend und ohne systematische Trennungen und Hierarchisierungen fassen. Die Gattungsbezeichnung des Aphorismus ist nicht mehr, wie früher oft, nur naturkundlich gemeint. [. . .] Endgültige Festlegungen zu treffen und Lehrsätze erstellen zu wollen, wäre hingegen dieser empirischen Induktion des Wissens abträglich"110.

In der Tat wird vom Einfluß und vom Beispiel Platners nicht nur bei Jean Paul oder Novalis, sondern noch bei Seume und Platen die Rede sein. Die Definitionsmerkmale des „Aphorismus", die sich bei ihm erkennen las-

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Kosenina: Ernst Platners Anthropologie und Philosophie. 1989, S. 49. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 42. 106 platner: Philosophische Aphorismen. Ganz neue Ausarbeitung. 1. Teil. 1793, § 328. 107 Ebd. § 494. - Vgl. Proß: Jean Pauls geschichtliche Stellung. 1975, S. 84-87. los Pfotenhauer: Literarische Anthropologie. 1987 109 Ebd. S. 9. 110 Ebd. S. 6. An anderer Stelle verallgemeinert Pfotenhauer so: „Man denke an die Aphorismenneigung vieler anthropologischer Bücher, die dem Intermittierenden, weil experimentierend und systematisch Unfertigen, dem Tentativen des Forschens Rechnung tragen und eine alte medizinisch-literarische Form aktualisieren" (Pfotenhauer in: Schings: Der ganze Mensch. 1994, S. 556). 105

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sen, zielen, wie sich mehr und mehr zeigen wird, in eine gemeinsame semantische Mitte. Cantarutti entfaltet unter Bezug auf Marquard den Zusammenhang von Anthropologie und Montaignes ,science morale', der Moralistik, die beide das Studium des Menschen im Blick haben, beide gleichermaßen, wenn auch nicht auf gleiche "Weise,,Menschenkenntnis' zu vermitteln suchen, und beider Verbindung im Deutschland nach 1770 zu „Aphorismus" und Essay „als Lieblingsformen der moralistischen Darstellung"111 in mehreren Studien im Detail. Sie zeigt, „daß die ältere Forschung unter Anthropologie genau das meinte, was die heutige ,Moralistik' nennt"112, so daß eine kategorielle Trennung zwischen literarischen und nicht-literarischen Aphorismen, „an sich schon ein fragwürdiges Verfahren", „für das 18. Jahrhundert ein direkt verfälschendes wird"113. Sie verfolgt ihren Ansatz weiter, indem sie „Materialien über die Rezeption der klassischen Moralisten in [!] Deutschland der Aufklärung" sammelt114 und dem dabei in Bezug auf den frühen deutschen „Aphorismus" wichtigsten Autor, Friedrich Schulz, eine eigene Studie widmet. Mit der Lehrbuchtradition bewegte sich der Aphorismusbegriff bisher im Bereich der Wissenschaft, einer Wissenschaft zwar, die durch ihre anthropologische Themenstellung einerseits, ihren Affekt gegen die Methodik der Schulphilosophie andererseits geneigt und geeignet war, eine enge Fachbegrenzung zu überschreiten. In fließendem Ubergang begegnet er hier als populärwissenschaftlich-literarischer Begriff der „Lebensphilosophie", einer ,Wissenschaft vom Menschen', die in der Aufklärung zuerst möglich wird, die schnell zu einem breiten Strom verflacht und für welche die Moralisten vorbildlich werden115. Zwei gegenläufige Tendenzen sind dabei zu verfolgen. Während die Begriffserweiterung auf andere Wissenschaften von der Gattung her gesehen zentrifugal wirkt, den semantischen Kern des Begriffs verdünnt und zugleich in zunehmendem Maße marginal wird, läßt sich gleichzeitig auf dem Grenzpfad zwischen Begriffs- und Gattungsgeschichte die Tendenz zur Annäherung von Begriff und literarischer Praxis beobachten, die zukunftsweisend wird und zur völligen Ausbildung der Gattung führt.

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Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 53. Ebd. S. 58. Ebd. S. 65. Cantarutti: Moralistik und Aufklärung in Deutschland. Anhand der Rezeption Pascals und La Rochefoucaulds. In: Germania - Romania. 1990, S. 227f. Vgl. Ueding: Popularphilosophie. In: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution. 1980, S. 605-634.

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„Weltweisheit" ist das Ziel dieser „Philosophie der Welt" im Gegensatz zur „Philosophie der Schule"116, ihr Träger ein Populärschriftsteller als ,eklektischer Selbstdenker': „Der Name des Eklektikers hatte vielmehr einen positiven Klang, war austauschbar mit dem des Selbstdenkers und unterschied seinen Träger von einem Schulphilosophen"117. Es ist wohl auch dieser Zusammenhang, den Goethe vor Augen hat, wenn er in „Dichtung und Wahrheit" vom Nötigwerden einer gefälligen Schreibart, der Wirkung der Arzte auf die allgemeine Bildung und dem aufsehenerregenden Auftreten der Popularphilosophen in einem Atemzug spricht118. „Diese Richtung geht überein mit der Neigung zur Verkürzung der philosophischen Aussage durch den Aphorismus und die Maxime zum Ausgang des 18. Jh."119. Der „Aphorismus" ist damit begrifflich von Anfang an in einem Zwischenbereich zwischen Literatur und Wissenschaft angesiedelt, der gleichwohl inhaltlich und auch formal relativ genau zu umreißen ist und ein „zwischen" nur solange bleibt, wie er nicht als Teil einer selbstbewußten, eigenen Raum beanspruchenden deutschen Moralistik begriffen wird, wie sie sich unter dem Einfluß der Franzosen in diesen Jahrzehnten ausformt und wie sie Balmer bis ins 20. Jahrhundert hinein skizziert hat120, ohne daß sein integrierender Ansatz bisher für den Aphorismus fruchtbar gemacht worden wäre. Die Trennung in eine eher wissenschaftliche und eine eher literarische Wurzel ist in der Zeit selbst nur an den Rändern nachzuvollziehen, für den breiten anthropologischmoralistischen Zwischenbereich hingegen nur aus dem Erkenntnisinteresse ex post, vor dem Hintergrund einer späteren segmentierenden Entwicklung zu verstehen. In der Nachfolge Platners und im Umkreis der Anthropologie erscheinen jetzt mehr und mehr „Aphorismen", die sich ohne eigene Reflexion des Begriffs im gesicherten Rahmen der Platnerschen Argumentation bewegen und diesen „Aphorismus" fast zu einer Modeerscheinung in der Präsentation wissenschaftlich-literarischer Werke zur Menschenkunde werden lassen. Sie bauen mit gutem Grund „auf die Liebhaberey an sinnreichen Sprüchen und moralischen Maximen, die in unsern Tagen neu aufzuleben beginnt"121, wie Christian Schulz einleitend feststellt. Die

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Holzhey: Der Philosoph für die Welt. In: Holzhey, Zimmerli (Hg.): Esoterik und Exoterik der Philosophie. 1977, S. 133. Ebd. S. 131 f. Goethe: Werke. Berliner Ausgabe. Bd. 13. 1971, S. 300f. Pflug: Lebensphilosophie. In: Ritter, Gründer (Hg.): Hist. Wörterbuch der Philosophie. Bd. 5. 1980, S. 138. Balmer: Philosophie der menschlichen Dinge. Die europäische Moralistik. 1981. Christian Schulz: Aphorismen oder Sentenzen des Konfuz. 1794, S. IX.

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„Vorerinnerung" zu seinen „Aphorismen oder Sentenzen des Konfuz, enthaltend Lehren der Weisheit, Ermunterungen zur Tugend, und Trostgründe für Leidende, wie auch mancherley Erfahrungen und gute Grundsätze" von 1794 faßt auf engem Raum die Kriterien zusammen, die diese Art von Literatur ausmachen. „Sinnreiche Sprüche", „moralische Maximen", „Aphorismen", „Sentenzen": Begriffssicherheit ist ihr so wenig von Wert wie die Frage fremder oder eigener Autorschaft, eine (text-)kritische Grundhaltung also: Wenn die Lektüre angenehm und willkommen sei, schreibt Schulz, „so wird es von wenig oder gar keiner Bedeutung seyn, unsern Lesern zu demonstriren, wie wir dazu gelangt sind, oder welches ihnen noch gleichgültiger seyn muß, mit kritischer Genauigkeit herzuerzählen und darzuthun, wie viel oder wenig davon unser eigenes Verdienst sey"122. Wichtig an diesem „kleinen Beytrag zur Philosophie des Lebens" ist allein sein umfassend formulierter Zweck: den Leser nämlich nicht nur manche Erfahrung wiedererkennen und „manchen guten Grundsatz" „tiefer ins Herz fassen" zu lassen, sondern ihm auch „manche Trost- und manche Aufmunterungsgründe" darzubieten und ihn endlich „an die gehörige Klugheit und Vorsicht im Umgange mit Menschen"123 zu erinnern. So richtet sich also „dieses Bändchen aphoristisch-philosophischer Sätze" an Geist und Verstand einerseits, an Herz und Gemüt andererseits, dient in jedem Fall aber „zur Uebung im eigenen Nachdenken"124. Die zeitgenössischen Rezensionen, die Cantarutti heranzieht, belegen, daß auch die Kritiker in aller Regel die Verbindung von bündiger Kürze und eigenem Nachdenken herausarbeiten125. Justus Christian Hennings „Anthropologische und pneumatologische Aphorismen" (1777) zählen ebenso dazu wie Ignaz Feiners „Aphorismen oder Fragmente zum Denken und Handeln" von 1789 und „Aphorismen über den Menschen" von 1792 oder Johann Daniel Metzgers „Physiologie in Aphorismen" (1789), wenn sie auch als „Leitfaden akademischer Vorlesungen entworfen" ist. Einen besonders interessanten Fall stellen die „Lehrsäzze des Herrn Mesmer's" von 1785 dar, nicht deshalb, weil aus der „Vorerinnerung" eindeutig hervorgeht, daß sie „Lehrsäzze" und „Aphorismen" als synonym betrachten, sondern weil sie in einzigartiger Weise - Schröder verweist schon darauf126 - die Bedeutung der Rezeption für diese Schreibart zeigen. „Ich habe diese Hefte in die Ordnung von Aphorismen gebracht, um 122

Ebd. S. X. Ebd. ™ Ebd. S. IX. 125 Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 81. 126 Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976, S. 105. 123

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dem Publikum die Mühe zu erleichtern jedem § nach Belieben Anmerkungen beifügen zu können"127, heißt es da, und weiter: „Mein Vorsaz ist, dem Publikum eine Sammlung von Meinungen mitzutheilen, deren einzelne Stükke ich von ihm selbst erhalten habe"128. Die Schwundstufe dieser Entwicklung und eine Spezialisierung besonderer Art im Genre der Menschenkunde und -beobachtung stellen Werke dar, die Requadt129 und ihm folgend Krüger130 als galante Literatur zusammenfassen. Die „Aphorismen zu einem Charaktergemälde des weiblichen Geschlechts" von Carl Friedrich Pockels (1802), von Klingsbergs „Aphorismen" (1795) oder Friedrich Ferdinand Hempels „Aphorismen über den Kuss" (1808) gehören dazu. Aus Pockels' Vorrede ist neben der begrifflichen Unbekümmertheit, die von Fragmenten, Aphorismen und Maximen gleichermaßen spricht, die Betonung des „Lehrreichen"131 zu erkennen, während Hempels „Weihnachtsgeschenk für die küsslustige und kussgerechte Welt", als eine Aufschwellung von Flemings „Wie er wolle geküsset sein" eine witzig-frivole Plauderei und poetische Untersuchung verschiedener Arten von Küssen, begriffsgeschichtlich gerade nur den toposartigen Gegensatz zum „System" - in aphoristischer Formulierung erkennen läßt: „Der Kuß ist ja wohl selbst eine Aphorisme aus dem System der Liebe"132. Johann Friedrich Baumanns „Aphorismen und Fantasien eines Britten" von 1792, „eine lose Reihe von Skizzen, Charakterisierungen und satirischen Betrachtungen"133, rückt Requadt in diesem Zusammenhang in die Nähe Lichtenbergs, „weil es zum ersten Male psychologischen Stoff und Aphorismusbegriff aufeinander bezieht"134. Die Übersetzungen, die sich hier einfügen, bringen terminologisch eigene Probleme, bei denen man sich vor zu schnellen Schlüssen hüten muß. Wenn Baumann die „Satirical Miscellanies" als „Aphorismen und Fantasien" übersetzt, so beweist das nur ein weiteres Mal, daß der frühe Aphorismusbegriff rein formal betrachtet noch unscharf ist. Uber die Weiterentwicklung des Begriffs in Deutschland gegenüber England sagt das allein aber so wenig, wie die

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Mesmer: Lehrsäzze. 1785, S. (10). Ebd. S. (11). Requadt: Das aphoristische Denken. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 336f. Krüger: Studien über den Aphorismus als philosophische Form. 1957, S. 29. Pockels: Aphorismen zu einem Charaktergemälde des weiblichen Geschlechts. 1802, S. VII. Hempel: Aphorismen über den Kuss. 1808, S. 8. Requadt: Das aphoristische Denken. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 334. Ebd. S. 335.

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umgekehrte Tatsache, daß Lavaters „Regeln zur Menschenkenntniss" (1787) als „Aphorisms on man" übersetzt werden, den Schluß erlaubte, für den Ubersetzer Heinrich Füssli liege der Begriff im Englischen näher; er sei hier etwa als Brücke zwischen Perez und Bacon einerseits, Mill andererseits zu verstehen. Füssli übersetzt nicht nur, er gestaltet auch durch Zusammenstreichung und stilistische Veränderung aufs Aphoristische hin um135, und er schreibt im Jahr darauf eigene „Aphorismen über Kunst". Von besonderer Bedeutung sind natürlich die Ubersetzungen aus dem Französischen. Stephan sieht „durch den Kontakt mit der französischen Moralistik und durch die Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution [...] die Säkularisierung der pietistischen Innerlichkeit gefördert und beschleunigt. Der Aphorismus gewann einen eindeutig didaktischpolitischen Akzent"136. Es sind hier vor allem die Publikationen des Schriftstellers und Ubersetzers Friedrich Schulz (1762-1798), die für die Begriffsgeschichte Beachtung verdienen, die eigenen: „Aphorismen zur allgemeinen Kunde der gesamten kaiserlichen Staaten", in Fortsetzungen im „Deutschen Museum" von 1786/87 erschienen13^ und „Zerstreuete Gedanken", Aphorismen aus den Jahren 1790/91, die im Zusammenhang mit seiner Ubersetzungstätigkeit entstehen138; möglicherweise kommt der Mitauer Gymnasialprofessor (ab 1791) auch als Verfasser der „Zufälligen Gedanken" in Frage, die 1780/81 in der Mitauer Zeitschrift „Für Leser und Leserinnen" veröffentlicht werden139. Hinzu kommen die Ubersetzungen „De La Rochefoucault's Sätze aus der höhern Welt- und Menschenkunde" und die zweisprachig herausgegebene Übertragung einer anonymen Sammlung „Esprit des Esprits" „Aphorismen aus der Menschen-Kunde und Lebens-Philosophie. Französisch und deutsch. Eine Nachlese zu de la Rochefoucault's bekanntem Werke" von 1793 sowie die zweite Sammlung „Aphorismen aus der höhern Welt- und Menschen-Kunde und Lebensphilosophie", u.a. aus La Bruyere, von 1795, schließlich die 350 durchnumerierten, in gleicher Weise aphoristisch kurzen, aus französischen Schriftstellern exzerpierten „Texte zum Denken für Welt- und Menschenkenner und die es werden wollen" aus dem nächsten Jahr, ausdrücklich als „Nachtrag zu den von ihm übersetzten Maxi-

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Mason in: Füssli: Aphorismen über die Kunst. 1944, S. 11. Stephan: Johann Gottfried Seume. 1973, S. 159. So z. B. „Deutsches Museum" Oktober 1786, S. 315-336. Mir lag das unvollständige Exemplar der Diözesanbibliothek Köln vor. Schulz: Zerstreuete Gedanken. In: Cantarutti: Moralistik und Aufklärung in Deutschland. In: Germania - Romania. 1990, S. 282-289. Sie sind wiedergegeben bei Preuß: Anonyme Aphorismen aus Mitau 1780/81. In: Photorin 9, 1985, S. 33-46. Preuß vermutet Lichtenberg als - unwissentlichen - Autor.

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men des Rochefoucault und der Aphorismen" 140 bezeichnet, die allesamt zu dem zunehmend verflachenden lebensphilosophischen Strom beitragen. Uberhaupt ist hier von Mode in einem sehr direkten geschäftlichen Sinne zu handeln. Wenn Schulz im „Vorbericht" zur zweiten Sammlung der „Aphorismen" bemerkt: „Das große Publikum der Leser scheint seit einiger Zeit Geschmack an Werken dieser Art gefunden zu haben, und man kann diese Wendung nicht tadeln"141, so gibt er damit das Motiv der Herausgabe zu erkennen. Die Untertitel machen eine Tendenz sichtbar, die keineswegs nur für das moderne Verlagswesen typisch ist: Der Erfolg des früheren Werkes ließ Schulz jeweils unter deutlicher Anknüpfung Ahnliches auf den literarischen Markt bringen, womit er so erfolgreich war, daß sein Name seinerseits als Mittel der Werbung benutzt wurde. Und auch bei Schulz wird die hinlänglich bekannte Beziehung zwischen der Kürze und einer besonderen Disposition zu selbständiger Rezeption unterstellt: Man könne, schließt sein Vorbericht, den Aphorismen „kaum den Nutzen absprechen, daß sie das Nachdenken reizen"142. Die besondere begriffsgeschichtliche Bedeutung seines Werkes ist aber woanders zu sehen. Es bezeichnet in dem anthropologisch-moralistischen Komplex, den eine spätere separierende Betrachtungsweise vergeblich in eine wissenschaftliche und eine literarische Komponente zu trennen sucht, den äußersten literarischen Pol. Das erweist sich zum einen in der „Übertragung des Aphorismusbegriffs auf die französische Maxime" 143 , das zeigt sich zum andern an den eigenen Texten von Schulz. Der Zusammenhang zwischen den übersetzten und den eigenen Aphorismen ist thematisch wie formal äußerst eng. Die Themen sind hier wie dort die im Sinne der „Menschen-Kunde" klassischen: das Glück, Tugend und Laster, Leidenschaft und Liebe und die „Weiber", Typen wie der witzige Kopf, der Philosoph, der Hofmann. Unter den Formen adaptiert Schulz die der französischen Maxime eigenen: Vergleich, Definition, Antithese, Chiasmus, Parallelismus: „Man wird geliebt, ohne es zu wissen; aber man weiß es selten, ohne zu lieben" 144 . „Viele Schriftsteller schreiben, um zu leben; aber wenige leben, um zu schreiben" 145 .

Schulz (Hg.): Texte zum Denken für Welt- und Menschenkenner. Erster Theil. 1796, Vorerinnerung. 141 Schulz (Hg.): Aphorismen aus der höhern Welt- und Menschen-Kunde und Lebens-Philosophie. Zweite Sammlung. 1795, S. 3. 142 Ebd. S. 4. 143 Requadt: Das aphoristische Denken. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 335. 144 Schulz: Zerstreuete Gedanken. In: Cantarutti: Moralistik und Aufklärung in Deutschland. In: Germania - Romania. 1990, S. 282. 145 Ebd. 140

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts „Oft ist es genug, sich unwissend in Dingen zu stellen, die man weiß, um den Ruf zu gewinnen, daß man andre wisse, die man nicht weiß" 146 . „Man hält sich für klüger, als Die, die man hintergeht, und für besser, als Die, die einen hintergehen"14-:

Es ist abwegig, einen Gegensatz darin zu konstruieren, daß Schulz die übersetzten Maximen als „Aphorismen", die eigenen aber als „Gedanken" bezeichnet, und ein Schluß ex negativo wäre mehr als waghalsig. So findet sich hier also die Sache: der von einem späteren Idealtyp her ,klassisch' zu nennende Aphorismus in engster Verbindung zu dem zeitgenössischen Begriff. Mit August Lafontaines (1758-1831) „Aphorismen und Maximen aus dem Gebiete der Liebe, Freundschaft und praktischen Lebensweisheit" von 1802148 liegt ein weiteres Zeugnis des Uberganges von der Lebensphilosophie in die Literatur vor. Ein, nach der Vorrede zu urteilen, wahrhaft glühender Verehrer („alles was ich bin [...] ist Lafontaines "Werk"149) weist dem überaus erfolgreichen bürgerlichen Trivialschriftsteller „den ersten Platz in der Reihe der hehr und himmlisch wirkenden Menschen" zu, indem er die „hohe Lebensweisheit und Menschenkenntniß"150 seiner Schriften hervorhebt. „Welcher Mensch, der nur im mindesten Empfänglichkeit besitzt, fühlt sich nicht gebessert, wenn er sie liest?"151 Schließlich: „Als ein Beweiß, wie sehr ich den edlen Mann verehre und liebe, sollen diese Aphorismen und Maximen dienen, deren Sammlung und Herausgabe mein süssestes Geschäft war"152. Unabweisbar deutlich macht die Vorrede mit diesen Elementen, daß durch die Betonung eines didaktischen Zwekkes der Romane Lafontaines über die „Menschenkenntnis" der Zusammenhang mit der Popularphilosophie hergestellt werden kann und der „Aphorismus"-Begriff solcherart mühelos in den Bereich der Literatur verschoben wird: „Die Liebe fände selbst in der Hölle den Himmel, und sollte sie sich erst die Hölle dazu schaffen, um den Himmel darin zu finden"153.

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Schulz (Hg.): Aphorismen aus der Welt- und Menschen-Kunde und Lebens-Philosophie. 1793, S. 63. Ebd. S. 147. In Schröders Quellenverzeichnis S. 558 ohne Vorname, bei Cantarutti: Aphorismusforschung im deutschen Sprachraum. 1984, S. 215 fälschlich Jean de la Fontaine. - „Maximen" steht hier für das im engeren Sinne Lehrhafte und überdies von der französischen Tradition, etwa La Rochefoucaulds, Geprägte. Lafontaine: Aphorismen und Maximen aus dem Gebiete der Liebe, Freundschaft und praktischen Lebensweisheit. 1802, S. 6. Ebd. S. 4. Ebd. S. 3. Ebd. S. 1 Ebd. S. 35.

Der „Aphorismus" in der „Lebensphilosophie"

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„Der Weg zum Glück führt durch Dornen" 154 . „Die Wahrheit, ist wie der Thau des Himmels, um ihn rein zu erhalten, muß man ihn in einem reinen Gefäße auffangen"155. „Die Ruhe ist Gift, wenn man sie nicht mit Mühe erkauft" 156 .

Ob Philosophie oder Literatur, das ist eine ebenso anachronistische Differenzierung und also ebenso bedeutungslos wie die Unterscheidung, ob die „Aphorismen" als solche konzipiert oder, wie hier, nachträglich aus narrativen Zusammenhängen herausgelöst sind. Exzerpt, Zitat, Aphorismus hängen semantisch noch eng zusammen. Das gilt in gleicher Weise für „Schiller's Aphorismen, Sentenzen und Maximen, über Natur und Kunst, Welt und Menschen", die ein unbekannter Herausgeber 1806 zusammenstellt, wobei er im Vorwort „Sentenzen", „Maximen", „Bemerkungen", „Aphorismen" für die „goldenen Worte" des Dichters nebeneinander gebraucht15-! Explizit stellt das Inhaltsverzeichnis mit den Kapiteln „Welt- und Menschenkunde" (nach Friedrich Schulz) und „Das weibliche Geschlecht" (nach Pockels) den Zusammenhang mit den Popularphilosophen her158; Verse und Prosa, „Sinn- und Kernsprüche" in einzelnen Sätzen und längere Auszüge aus Dramen stehen nebeneinander. Ebenso weit aus dem popularphilosophischen Zusammenhang der Menschenkenntnis hinaus und hinüber zu der literarischen Erwartung „Aphorismus" führen die „Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben- und Siebzigjährigen" (1818) und die „Nachgelassenen Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben- und Siebzigjährigen" (1827) Hans von Thuemmels (1744-1824). Thuemmel gibt sich am Ende einer langen Laufbahn in Staatsdiensten - er war zuletzt Minister in Gotha - in seinem Vorwort als der klassische Literat, der „auf einsamen Spatziergängen" „Einfälle" hat, „die sich ihm unwillkührlich so tief einprägten, daß er mehrere derselben auf dem Zimmer niederschrieb"159:

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Ebd. S. 24. Ebd. S. 9. Ebd. S. 25. Schiller's Aphorismen, Sentenzen und Maximen, über Natur und Kunst, Welt und Menschen. 1806, S. Ulf. Ebd. S. 2-33 und 33f. Von Thuemmel: Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben- und Siebzigjährigen. 2. Auflage. 1821, S. Ulf.

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Begriffs geschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts „Reue ist das Muttermal, welches die böse Handlung mit auf die Welt bringt" 160 . „Die Stärke des Neides ist gewöhnlich der richtigste Maßstab für die Größe des Verdienstes" 161 . „Wer mit seinen Kräften prahlt, mißtraut ihnen" 162 . „ U m glücklich zu seyn, muß uns immer noch etwas zu unserer Glückseligkeit fehlen" 163 .

Von „Sprüchen" oder von „gnomenartigen Gedanken" 164 spricht er; man spürt förmlich, wie er eine literarisch akzeptable Bezeichnung sucht, aber auf dem Titelblatt hat er sich eindeutig für „Aphorismus" entschieden. Wenn er von „einer, unter den Deutschen noch immer seltenen Gabe" spricht, wird auch ohne Doppeltitel „Aphorismen und Maximen" wie bei Lafontaine deutlich, daß er ihn unter dem Einfluß der Franzosen - er zitiert unter anderem La Rochefoucauld165 - einer literarischen Gattung, oft in der Form der aphoristischen Definition, zuzuordnen sucht: unter dem aus der Anthropologie und „Lebensphilosophie" bekannten ,deutschen' Namen. Von dorther ordnen sich dem Begriff insgesamt formale Gesichtspunkte zu, wenn sie auch in einzelnen Fällen zurücktreten. Bestimmend sind sie nicht. Inhaltliches ist für die Begriffszuordnung in ihren Anfängen wichtiger, ein thematischer Bereich eben, der sich mit Lafontaines „Lebensweisheit" gut umschreiben läßt. Fortschreitend mehr nimmt sich seiner von einer praktischen „Lebensphilosophie" und didaktischen Vorstellungen einer Dichtung als Lebenshüfe her die Literatur an. Das einzige Werk „über den Umgang mit Menschen", das sich aus dieser Zeit bis heute im literarischen Bewußtsein hat halten können, stammt von Adolph von Knigge (1752-1796). Es will „Regeln des Umgangs" 166 bieten, wie es in der Vorrede zur dritten Auflage heißt, und erinnert in der Form, in der es diese Regeln („Sei vorsichtig im Tadel und Widerspruche!"167) mit einem Kommentar, der „Anwendung"168, verbindet, an Graciän, „der den Begriff ,Aphorismus' auf die knappe einleitende Sentenz bezogen Ebd. S. 25. Ebd. S. 57. 162 Von Thuemmel: Nachgelassene Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben- und Siebzigjährigen. 1827, S. 108. »« Ebd. 133. 164 Von Thuemmel: Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben- und Siebzigjährigen. 2. Auflage. 1821, S. IVf. 165 Von Thuemmel: Nachgelassene Aphorismen aus den Erfahrungen eines Sieben- und Siebzigjährigen. 1827, S. 97 166 Knigge: Über den Umgang mit Menschen. 1991, S. 443. Die „Welt- und Menschenkenntniss. Ein Pendant zu dem Buche Umgang mit Menschen", 1796 und noch einmal 1802 erschienen, trägt den Verfassernamen zu Unrecht. 167 Ebd. S. 49. 168 Ebd. S. 141. 160 161

Der „Aphorismus" in der „Lebensphilosophie"

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wissen will"169. Vollhardt faßt Tradition und Schreibart dieser Popularphilosophie mit Bezug auf Knigge so zusammen: „Das verspätete Interesse an den klassischen Maximen der ,societe des honnetes gens' entsteht zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Anthropologie zu einer wissenschaftlichen Disziplin formt, die Aphoristik auch bei deutschen Autoren hohes Ansehen gewinnt und der Popularphilosoph Knigge eine Verhaltenslehre veröffentlicht, die erkennbar auch Elemente der moralistischen Menschenkunde aufnimmt"170. „Kein vollständiges System, aber Bruchstücke, vielleicht nicht zu verwerfende Materialien, Stoff zu weiterm Nachdenken" 171 : Nicht nur fügt sich Knigges Einleitung des ersten Teils mit solchen Worten bruchlos in den aufgezeigten Zusammenhang ein, Knigge verwendet auch den Begriff „Aphorismus" schon selbst: „Ein gewisser Lakonismus - insofern er nicht in den Ton, nur in Sentenzen und Aphorismen zu sprechen, oder jedes Wort abzuwägen, ausartet - ein gewisser Lakonismus, sage ich, das heißt: die Gabe, mit wenig körnigten Worten viel zu sagen, durch Weglassung kleiner, unwichtiger Details die Aufmerksamkeit wach zu erhalten"172, sei die wahre Kunst der gesellschaftlichen Beredsamkeit. „Körnigte" Wörter als Bedingung einer besseren Rezeption: diese Argumentation ist geläufig. Daß Knigge hier sogar vor Übertreibung warnt, ist ein vielsagender Hinweis auf die ansonsten schwer faßbare, dem Anschein nach große Bedeutung und Funktion dieser Form in der mündlichen Kommunikation; der Herausgeber Göttert konstatiert lakonisch, daß sie „gerade in der Konversationstheorie durchaus geschätzt war" 173 . Und Knigge verwendet nicht nur die Form, in den als Regeln Imperativisch orientierten „Sprüchen"174, sondern auch die Form unter dem Begriff. Im „Roman meines Lebens" spricht der fiktive Briefschreiber von den „hingeworfenen Gedanken", „Auszügen aus meines Freundes Systeme", charakterisiert ihn ausführlich unter der Einleitung: „Uberhaupt ist dieser Mann ein sehr genauer Beobachter des Menschen" und leitet die Wiedergabe von dessen „Aphorismen" wie folgt ein: „Er hat eine Menge Aphorismen zu kleinen und großen Lebensregeln gesammlet, wovon ich

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Blüher: Graciäns Aphorismen im „Oräculo manual". Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 417 Vollhardt in: Schings: Der ganze Mensch. 1994, S. 116. Knigge: Über den Umgang mit Menschen. 1991, S. 15. Ebd. S. 50. Göttert in: Knigge: Über den Umgang mit Menschen. 1991, S. 427 vor dem Hintergrund seiner Arbeit über „Kommunikationsideale". 1988. Zum Gegensatz Schriftlichkeit-Mündlichkeit in Bezug auf den Aphorismus jetzt: Schlaffer: Aphorismus und Konversation. In: Merkur 50, 1996, S. 1114-1121. Knigge: Gesammlete poetische und prosaische kleinere Schriften. Erster Theil. 1784, S. 6 0 - 6 3 .

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Ihnen doch einige abschreiben will"175. Wieder handelt es sich um Maximen größeren („In jeder Sache sey der Erste oder der Letzte, wenn Du ein großer Mann werden willst"176) oder kleineren Zuschnittes („Frage nie in Gesellschaften wie viel Uhr es ist"177). Gemäß den theoretischen Vorbemerkungen zum onomasiologischen Aspekt der Begriffsgeschichte bedeutete es eine unzulängliche Verengung des Blicks, wollte man sich auf den Begriff fixieren und damit Werke außer acht lassen, die - ohne ihn oder mit einem Nachbarbegriff versehen von der Sache her unbedingt dazugehören. Ein gutes Beispiel für solche Bücher, wie sie Pflug auflistet als Form, in der die Lebensphilosophie sich äußert178, sind die von Knigges Tochter Philippine zusammengestellten „Lebensregeln aus den besten ältern und neueren Schriftstellern" von 1799. Die (Lebens-)Regel, die ja schon die Nähe zum semantischen Umfeld des „Aphorismus"-Begriffes erkennen läßt, wird expressis verbis zum Kernbegriff einer praktischen Philosophie erhoben: „Philosophie ist nur dann schätzbar, wenn sie uns zur Lebensregel dient, und nicht als Mittel, um mit Wissenschaft zu prahlen"179. Unter dieser Prämisse stellt Philippine Knigge kurze Texte „über die Beherrschung unsrer Leidenschaften"180, über „menschliches Wissen, dessen Nutzen und Unzulänglichkeit"181 und über menschliche Eigenschaften wie Klugheit, Geiz, Furcht, Neid zusammen. Um eine literarische Einordnung, gar eine mögliche gattungsmäßige ,Reinheit' ist es ihr dabei ebensowenig zu tun wie um die Quellen; allein entscheidend ist der belehrende Zweck der Sammlung. So steht, von Hippokrates ausgehend

175

Knigge: Der Roman meines Lebens. Zweyter Theil. 1781, S. 34-40. ™ Ebd. S. 38. 177 Ebd. S. 35. - Das Regelhafte ist auch im Vordergrund bei Musäus: „Ausserdem war mir bey dem Wort an Reisende noch besonders der erste Aphorismus eindringlich: ,Für Reisende sind drey Dinge schlechterdings unentbehrlich, Gesundheit, Geld, und Physiognomik" Q. K. A. M.: Physiognomische Reisen. Heft 3. 1779, S. 190). Ein anderer Aspekt dominiert in dem „Beschluß in Aphorismen", den Carl Friedrich Bahrdt seiner Lebensbeschreibung anfügt, wie ich nach Abschluß des Manuskripts sehe. Es sind einzelne Bemerkungen, die sich stilistisch und formal vom Vorangehenden allein durch ihre Unverbundenheit unterscheiden, Notizen und Anmerkungen, die er am Ende nicht gerade wegwerfen, aber auch nicht mehr in den Text einfügen will (Bahrdt: Beschluß in Aphorismen. In: C. F. B.: Geschichte seines Lebens, seiner Meinungen und Schicksale. Von ihm selbst geschrieben. Vierter und letzter Theil. 1791, S. 284-288). 178 Pflug in: Ritter, Gründer (Hg.): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 5. 1980, S. 138, Anm. 2. 179 Ph. Knigge (Hg.): Lebensregeln aus den besten ältern und neuern Schriftstellern gesammlet. 1799, S. 130. 180 Ebd. S. 108. 181 Ebd. S. 129.

Der „Aphorismus" in der „Lebensphilosophie"

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(„Die Kunst dauert lange fort, aber das Leben ist nur kurz"182), nebeneinander, was eine spätere Differenzierung Apophthegma, Zitat, Aphorismus oder Maxime nennen mag: „Als man Anaxagoras den Tod seines Sohnes hinterbrachte, sagte er weiter nichts als: I c h w u s s t e , er w a r s t e r b l i c h " 1 8 1 . „Furcht, sagte Montaigne, ist das Ding in der Welt, welches ich am meisten fürchte; und mit gutem Grunde, indem diese Leidenschaft, wenn sie aufs höchste gestiegen ist, über alle andre Zufälle hinausreicht"184. „Es ist eine Maxime der Klugheit, Dinge zu verlassen, ehe sie uns verlassen"185.

Entschieden in einem „Philosophie des Lebens" und Literatur verbindenden Zwischenraum sind die Anthologien der Zeit angesiedelt, die Aphorismen sammeln, sei es zunächst unter den klassischen Bezeichnungen „Sentenz" und „Maxime", sei es in metaphorischer Gewandung. Die „Sentenzen, Reflexionen und Maximen. Aus den Schriften verschiedener Zeiten und Sprachen zusammengetragen"186 sind, um ihrer Leser „Weltund Selbstkenntnis zu bereichern", bemüht, „den Geist mancher schätzbaren Schriften bestmöglichst zu konzentriren und die hie und da hingeworfenen schönen Beiträge zur Philosophie des Lebens zusammen zu stellen". Gemeinsam bilden diese Konzentrate, „von Erfahrung und Menschenkenntniß abgezogen", für verschiedenartige Leser „einen ofnen Garten, in englischem Geschmack", in dem sie Untersuchungen anstellen oder auch nur „ein Sträußchen pflücken" mögen18? Wenn wir - der Illustration halber - ohne nähere „Untersuchungen" nur zwei Blüten aus diesem Garten „pflücken" wollen: „Wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren"188 ist dem zeitgenössischen Drama entnommen (Lessings „Emilia Galotti" von 1772), „Wer an nichts zweifelt, der weiß nichts"189 finden wir mit bezeichnender Zuspitzung („Zweifle an allem wenigstens Einmal, und wäre es auch der Satz: zweimal 2 ist 4") bei Lichtenberg (K 303). Die „Akkorde deutscher Classiker über Philosophie des Lebens" (1820) geben geradezu unter der Flagge dieser Art Philosophie (und dem metaphorischen Haupttitel), thematisch geordnet von „Der Mensch" bis

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Ebd. S. 151. Ebd. S. 97 Ebd. S. 103. Ebd. S. 38. Anonym (Hg.): Sentenzen, Reflexionen und Maximen. Aus den Schriften verschiedener Zeiten und Sprachen zusammengetragen. 1789. Ebd. Vorrede, unpag. Ebd. S. 89. Ebd. S. 71.

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„Zeit, Zukunft", Auszüge aus den Klassikern. Im Vorwort reflektieren sie genau die ,aphoristischen' Grundprobleme der inneren Widersprüchlichkeit einerseits, der Wahrheit in Opposition zur Artistik (das spätere Phänomen der Pointensucht nämlich) andererseits („schimmernden WörterPrunk bey sehr geringer Tiefe"; „Manches wird man glänzender als wahr gesagt finden"190). Für Requadt gehört Lichtenberg als „Selbst- und Menschenbeobachter unter die Lebensphilosophen"191. So wenig wie Goethe und (in der Regel) Jean Paul aber nennt Lichtenberg bekanntlich die kurzen Aufzeichnungen in seinen „Sudelbüchern" „Aphorismen". Gleichwohl sind aber auch bei den weniger bekannten vereinzelten Ansätzen wie bei den bedeutenden Aphoristikern um 1800 unter der Oberfläche einer breiten Begriffsvielfalt Spuren einer vorsichtigen literarischen Verwendung des „Aphorismus"Begriffes nachzuweisen.

V. Begriff und aphoristische Praxis in der Literatur um 1800 Die Ausweitung des „Aphorismus"-Begriffes von der „Lebensphilosophie" in verschiedene Wissenschaften und vor allem in die Literatur hinein ist in ihrer Bedeutung nicht einschätzbar, wenn man nicht zunächst weiter den Blick darauf richtet, wo die Sache ohne den Begriff erscheint. Sucht man dergestalt sprachwissenschaftlich gesprochen: den semasiologischen durch den onomasiologischen, literaturwissenschaftlich gesprochen: die Begriffs- durch die Gattungsgeschichte zu ergänzen und zu relativieren, steht man freilich vor dem eingangs beschriebenen Dilemma, daß die begriffliche Klärung ohne Sachergänzung nicht hinreicht, die Sachklärung aber nicht ohne weitgehende Lenkung durch den Begriff denkbar ist. Dennoch können Beispiele und Hinweise vornehmlich an den Stellen, an denen es Berührungspunkte mit dem Begriff gibt, zur Erhellung beitragen. 1. Aphoristische Praxis ohne „Aphorismus" (Hamann, Moser, Moser, Kästner, Hippel, Lavater, Jacobi, Einsiedel, Moritz u. a.) Noch ganz ohne solche Verbindung sind die „Brocken" Johann Georg Hamanns (1730-1788) und die „Reliquien" Friedrich Carl von Mosers (1723-1798), die Cantarutti in eine Vorläuferrolle zu Lichtenberg rückt192. 190 1,1 192

Anon. (Hg.): Akkorde Deutscher Classiker über Philosophie des Lebens. 1820, S. IV. Requadt: Das aphoristische Denken. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 337 Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 54.

Der „Aphorismus" in der Literatur um 1800

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Beide, 1758 und 1766 erschienen, gehen der andersartigen Konjunktur des Begriffs in den 80er und 90er Jahren weit voraus. Hamanns eigens vorangeschickte „Erklärung des Titels" für die zwischen 1-2 Sätzen und 2-3 Seiten langen zehn Paragraphen bleibt ganz im Religiösen: „Wir leben hier von Brocken. Unsere Gedanken sind nichts als Fragmente. Ja unser Wissen ist Stückwerk. Ich denke mit göttlicher Hülfe gegenwärtige Blätter zu einem solchen Korbe zu machen, worinn ich die Früchte meines Lesens und Nachdenkens in losen und vermischten Gedanken sammlen will"193. Einerseits ist es die sorgfältige Bescheidenheit des biblischen „Sammlet die übrig bleibende Brocken, daß nichts umkomme" (Joh 6,12), von denen die Erklärung ausgeht, andererseits verstehen sich „Fragment" und „Stückwerk" im Anschluß an 1 Kor 13, 9 als Gegensatz zur Vollendetheit im Jenseits. Mosers „Reliquien" merkt man das Bemühen um eine Begriffsfindung deutlich an. Unter alphabetisch angeordneten Themen wie Aberglaube, Krieg, Mensch, Verstand sammelt er Kurztexte: Sätze und kurze Abschnitte, die ohne weiteres zur Gattung gehören. Er entscheidet sich als Titel seiner „Sammlung von Gedanken" 194 , einer neuen Publikationsart, für die gleichfalls neue und unerprobte Bezeichnung „Reliquien", die deshalb eine Begründung verlangt: „Reliquien sind Überbleibsel ganzer schätzbaren Stücke, welche von dem Untergang und Zerstöhrung der Zeit errettet worden, oder auch einzelne Fragmente dieser Art, deren Ganzes man nie gehabt, noch entdecken können" 195 . „Weil es nur einzelne Erfahrungen und Betrachtungen über Materien von ungleich größerm Umfang und Wichtigkeit sind, so habe ich sie wegen obbemerkter Ähnlichkeit Reliquien benennt" 196 . In den „Brocken" wie in den „Reliquien" liegen Zeugnisse vor, die die Vorgeschichte des romantischen Fragments wie - im Anschluß an Bacons „frusta" - die Begriffsgeschichte des Aphorismus gleichermaßen für sich in Anspruch nehmen können. Daß Justus Moser (1720-1794) mit Recht als der „geniale Aphoristiker gegen das System der Zeit"197 zu bezeichnen ist, wie es die Herausgeber der historisch-kritischen Ausgabe und seiner Briefe tun, wäre erst noch genau zu erweisen. Bäte spricht von einem „Aphoristischen Zwischenspiel" und mutmaßt: „Unter Umständen wäre es sogar noch zu einer Sammlung von Aphorismen gekommen, die Georg Christoph Lichtenbergs mehr-

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Hamann: Sämtliche Werke. Bd. 1. 1949, S. 299. Moser: Reliquien. 1766, S. 4. Ebd. S. 2. Ebd. S. 5. Moser: Sämtliche Werke. Band III. 1986, S. 331. Dort zustimmend zitiert: Moser: Briefe. 1939, S. XXIV.

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monatiger Besuch in Osnabrück beeinflußt haben könnte" 198 . Mosers „Reliquien"199 von 1837 jedenfalls beruhen so gut wie seine „Abgerissenen Gedanken" 200 und die „Aphoristischen Bemerkungen" 201 auf terminologischen Entscheidungen seines frühen Herausgebers Abeken 202 . Daß dieser sich dabei gerade an Mosers Terminologie orientiert habe, läßt sich so wenig nachweisen wie eine terminologische Verbindung zu den „Abgerissenen Gedanken" Platens. Der Begriff bietet sich neben anderen an; die „Modernen Reliquien" Börnes erscheinen fast gleichzeitig. Während zu den „Einfällen und Begebenheiten" (1760) Karl Ferdinand Hommels (1722-1781), „kleinen Plappereyen" (so der Titel der vermehrten Ausgabe) ganz verschiedenen Charakters in numerierten, als „Saz" bezeichneten Abschnitten, so etwas wie frühe Aphorismen nur ausnahmsweise gehören („Es ist allemal besser ein wenig gelebet zu haben, als gar nicht" 203 ), sind die „Einfälle" Lessings, wie sie zuerst 1799 aus dem Nachlaß mitgeteilt werden, der Gattung im ganzen so verwandt („Armut macht eben so viel Hahnreie als Diebe" 204 ), daß die Herausgeber ohne weiteres bemerken, sie näherten sich „der Form des Aphorismus" 205 an. Die „Einfälle" Abraham Gotthelf Kästners (1719-1800) - sein Schüler Lichtenberg benutzt den Begriff bevorzugt - erwachsen aus seiner lebenslangen epigrammatischen Praxis; sie sind eine „späte Ausnahmeerscheinung, die allerdings eng mit der Entwicklung der epigrammatischen Gattung verbunden ist"206. Baasner urteilt weiter: „Im Laufe der Zeit aber nimmt die Eigenständigkeit der Prosavarianten zu" 2 0 ! Er findet darunter „auch Exemplare, deren Gestaltung überzeugen kann" 208 , und spricht

Bäte: Justus Moser. 1961, S. 150. Die „Aphoristische Unterhaltung" freilich, mit der er den Abschnitt beendet, ist seine eigene terminologische Zutat zu Mosers „Gespräch zwischen Mutter und Tochter"; vgl. Moser: Sämtliche Werke. Band VII, S. 47 mit Anmerkung Band XI, S. 189. 199 Moser: Reliquien. Hg. von B. R. Abeken. 1837 200 Moser: Abgerissene Gedanken. In: J. M.: Sämmtliche Werke. Hg. von B. R. Abeken. 5. Teil. 1842-1843, S. 36f. 201 Ebd. S. 8 4 - 8 7 Jetzt in: Moser: Sämtliche Werke. Band III. 1986, S. 180-182. 2=2 Moser: Sämtliche Werke. Band III. 1986, S. 331. 203 Hommel: Einfälle und Begebenheiten. 1760, S. 23. 204 Lessing: Selbstbetrachtungen und Einfälle. In: G. E. L.: Werke. 5. Band. 1973, S. 788-792, hier S. 789. 205 Ebd. S. 1061. 206 Baasner: Abraham Gotthelf Kästner, Aufklärer (1719-1800). 1991, S. 386. Vgl. unten S. 330f. 207 Ebd. S. 388. 208 Ebd. S. 387f. 198

Der „Aphorismus" in der Literatur um 1800

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vom „Übergang in eine neue Gattung" 209 , findet auch en passant Lichtenbergs „Sudelbucheinträge wohl zum Teil von Kästners Epigrammen und .Einfällen' geprägt"210, reflektiert aber eine Nähe zum Aphorismus im übrigen nicht, sondern analysiert das Anekdotische dieser „Einfälle". In der Tat nehmen sie durch das Fehlen von Selbstzweifel und Selbstbeobachtung eine Zwischenstellung relativ weit vom Aphorismus entfernt ein. Wenn Kästners „Einfälle" also auch von denen seines Schülers Lichtenberg durchaus verschieden sind, sind sie solcherart gleichwohl im Vorfeld der Gattung anzusiedeln. Theodor Gottlieb Hippel (1741-1796) mag mit seinen „Lebensläufen nach aufsteigender Linie" als der klassische ,verhinderte Aphoristiker' gelten. Der Roman ist voller „geistreicher Gedankensplitter"211, Exzerpte, Lebensregeln und Betrachtungen. Er „füllt [...] ganze Seiten mit Kernsprüchen und allgemeinen Sentenzen an. Oft stehen diese Sätze ganz nackt und unverbunden da" 212 . In der „Vorschule der Ästhetik" qualifiziert Jean Paul Hippels Verfahren ab und gibt ein Beispiel für „eine solche Schwelgsünde in Gleichnissen"213. Trotzdem darf Hippel als sein „Kronzeuge und Vorbild"214 gelten, und wenn es besonders das Buch „Uber die Ehe" (1774) ist, das „Pate [steht] bei vielen Aphorismen Jean Pauls"215, dann zeigt sich darin eine Verbindung nicht nur Hippels, sondern eben auch Jean Pauls zur Aphoristik der spezifisch erotisch-galanten ,Menschen-Kunde', für die etwa Pockels, „Aphorismen zu einem Charaktergemälde des weiblichen Geschlechts" stehen. Der Begriff freilich spielt bei Hippel noch keine Rolle (der „Einfällist"216, bezeichnenderweise „ein neumodischer Kandidat", ist ohne begrifflichen Zusammenhang zu „Aphorismus" oder „Aphoristiker"), wohl aber dann bei Jean Paul. Auf die denkbar enge Verbindung von Johann Caspar Lavaters (1741-1801) „Vermischten, unphysiognomischen Regeln zur Menschenkenntniss"217 von 1787 und Heinrich Füsslis (1742-1825) im Jahr darauf angefertigter und auf das Aphoristische hin umgestalteter Ubersetzung zu dessen eigenen „Aphorismen über die Kunst" hat hingegen schon der Herausgeber 209 210 211 212 213 214 215 216

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Ebd. S. 389. Ebd. S. 394. Czerny: Sterne, Hippel und Jean Paul. 1904, S. 28. Ebd. S. 31. Jean Paul: Sämtliche Werke. I. Abtl., 5. Bd. 1963, S. 187 Fieguth: Jean Paul als Aphoristiker. 1965, S. 39. Ebd. S. 40. Hippel: Sämtliche Werke. Bd. 4. 1828, S. 38. Dazu Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 25 und 48. Lavater: Ausgewählte Schriften. Teil 1. 1841, S. 339-374.

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Mason hingewiesen. Sie sind uns nur in der postum 1831 veröffentlichten und wesentlich veränderten und erweiterten Fassung bekannt, Sätze und kurze Absätze, zuweilen mit kommentierenden Nachsätzen versehen. Mason bemerkt dazu: „Die intensive Beschäftigung mit den Lavaterschen Regeln erweckte in Füßli erst den Sinn für den Aphorismus als Form und den Willen zum aphoristischen Stil, brachten [!] ihn damit aber auch erst auf den Gedanken, selber eine Aphorismensammlung zu verfassen"218. Höft arbeitet an Lavaters Werk „das typische Gepräge von Kurzaphorismen"219 heraus und sieht darin „den ersten Schritt zu einer bewußten und gewollten aphoristischen Diktion"220. Auch wenn Mason selbst sie keineswegs alle als „Zeugen eines aphoristischen Stilwillens"221 sieht und sie an anderer Stelle als „pseudo-aphorisms"222 bezeichnet, ist nicht zu verkennen, daß hier zum ersten Mal (zeitgenössischer) Begriff und (literarische) Sache in einen engen Zusammenhang gerückt sind223. Auch für Friedrich Heinrich Jacobis (1743-1819), August von Einsiedels (1754-1837) und Karl Philipp Moritz' (1756-1793) schriftstellerische Praxis spielt der Begriff keine Rolle. „Fliegende Blätter" nennt Jacobi seine „zu sehr verschiedenen Zeiten flüchtig hingeworfenen Sprüche"224. Einsiedel bezeichnet seine Aufzeichnungen (1776-1797), die in Herders Nachlaß überliefert sind, in einem Brief an den Freund selbst als „Ideen"225, Herders Ausdruck; zur Veröffentlichung ist das „Durcheinander der verschiedenartigsten Einfälle"226 nicht bestimmt. Etwaige Verbindungen zu Bacon und erst recht der Einfluß seines Lehrers Lichtenberg sind noch unerforscht22?

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Mason: Einleitung zu: Füssli: Aphorismen über die Kunst. 1944, S. 11. Höft: Das historische Werden des Aphorismus. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 122. Ebd. S. 121. Mason: Einleitung zu: Füssli: Aphorismen über die Kunst. 1944, S. 11. Mason: The aphorism. In: The romantic period in Germany. 1970, S. 205. Vgl. auch „Vermischte Gedanken. Manuskript für Freunde" (1775), worauf sich Jean Paul bezieht (Lavater: Ausgewählte Schriften. Teil 2, S. 256-258. - Cantarutti weist auf das übrige noch vernachlässigte Werk Lavaters, z.B. die 700 Aphorismen der „Vermischten Lehren an seine Tochter Luise", hin (Cantarutti: Aphorismusforschung im deutschen Sprachraum. 1984, S. 66; vgl. Cantarutti: I „Vermischte Gedanken" di Lavater. In: Spicilegio moderno 14, 1980, S. 130-161). Vgl. auch Fricke: Aphorismus. 1984, S. 53f. und Spinnen: Schriftbilder. Studien zu einer Geschichte emblematischer Kurzprosa. 1991, S. 33-55. Jacobi: Werke. 6. Bd. 1825, S. 131-242, hier S. 133. Dobbek: Einleitung zu Einsiedel: Ideen. 1957, S. 56. Ebd. S. 57 Hinweise bei Dobbek S. 11. Vgl. auch die Kritik an dieser Ausgabe, die fortlaufend numeriert, systematisch ordnet und mit vagen und angreifbaren Kriterien unvollständig bleibt, bei Cantarutti: Aphorismusforschung im deutschen Sprachraum. 1984, S. 37f.

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Selbst- und Fremdbeobachtung ohne festes System ist die Leitlinie von Moritz, dessen vielfältige literarische Bemühungen stets einen „Bezug zur sozial orientierten Anthropologie" 228 haben und „Beiträge zur Philosophie des Lebens" (1780) sind. Seine „Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Beförderung des Edlen und Schönen" (1786-88), bergen für Höft mit ihren Kurzaphorismen über „Das andere Geschlecht" „einen bemerkenswerten frühen Versuch in der Aphoristik" 229 , wenn auch ohne „eine klare aphoristische Haltung" 230 . Carl Friedrich Pockels, mit seinen „Aphorismen zu einem Charaktergemälde des weiblichen Geschlechts" der Verfasser einer besonderen Spielart von „Aphorismen" zur Menschenkunde, ist sein Mitarbeiter. Und Moritz' „Grundlinien zu meinen Vorlesungen über den Stil"231 (1791), die mit ihrer Folge kurzer bezifferter Absätze genau der Lehrbuchtheorie entsprechen und an Platners Aphoristik erinnern, zeigen in der rhetorischen Geschliffenheit ihres letzten Abschnittes noch einmal das Ungeschiedene eines wissenschaftlich-literarischen Ineinander, nur daß Nudows „Aphorismus"-Begriff aus demselben Jahr hier durch die dessen Intentionen exakt treffende Entsprechung „Grundlinien" ersetzt ist, was nicht verwundert, denn um den konkurrenzlosen Fachbegriff hat es sich bei diesem „Aphorismus" ja nie gehandelt: „Wer beim mündlichen oder schriftlichen Vortrage seine Gedanken nie von der Hauptsache abschweifen läßt, denkt nchtig-, wer die Richtung seiner Ideen schnell verändern kann, denkt lebhaft·, wer aber bloß seine Ideen schnell verändern kann, denkt gar nichfli2. Die fünfte seiner „Vorlesungen über den Stil" (1794), die von der Kürze im Ausdruck handelt, berührt die Sache mehrfach, ohne sich des Begriffes zu bedienen233. Die „Hieroglyphen" schließlich sind nicht Moritz' Bezeichnung; sein Freund Karl Friedrich Klischnig stellt 1794 unter diesem Titel zusammen, was Schrimpf einmal „aphoristische Phantasien" 234 , ein ander Mal eine „Sequenz lyrischer Prosa" 235 nennt. Wie von Hippel so laufen auch von Moritz zahlreiche Verbindungen zu Jean Paul und dessen aphoristischem Werk, und in beachtenswerterer Weise bringen Campes und ErschGrubers Enzyklopädien ihn mit dem Begriff in Verbindung, wenn sie un-

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Schrimpf: Karl Philipp Moritz. 1980, S. 96. Höft: Das historische Werden des Aphorismus. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 120. Ebd. S. 121. Moritz: Werke. Bd. 3. 1981, S. 579-583. Ebd. S. 583. - In Karl Heinrich Jördens' „Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten" werden die „Grundlinien" dann schon 1811 „eigentlich achtzehn kurze Aphorismen" genannt (Bd. VI. 1811, S. 861). Ebd. S. 615-622. Schrimpf: Karl Philipp Moritz. 1980, S. 17 Ebd. S. 83.

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ter dem Stichwort „Aphorismus" Moritz' Übersetzung „Lehrspruch" zitieren236. Die begriffsgeschichtlichen Erörterungen zu Wilhelm Heinses (1746-1803) „Aphorismen"237 und Johann Karl Wezeis (1747-1819) „Aphorismen des Philosophen und Romanciers"238 gehören in einen mindestens hundert Jahre jüngeren Kontext. Bei Heinse ist der Gattungsbegriff lediglich das Problem eines Abschnittes der - freilich höchst aufschlußreichen - Rezeptionsgeschichte, speziell des Begriffsverständnisses des Herausgebers Leitzmann, wie Moores Überlegungen „Zur Frage der Betitelung" hinreichend deutlich machen239. Er selbst hat den Begriff nie gebraucht. Freilich ist Moores Lösung „Tagebücher" für Heinses hinterlassene Manuskripte ebensowenig zutreffend, wie sie selbst reflektiert240. Wezeis „Aphorismen" sind terminologisch allein das Produkt moderner Literaturwissenschaft. Wezel, der mit Platner in eine literarische Kontroverse verstrickt ist, schreibt seinen „Versuch über die Kenntniß des Menschen" nicht in Aphorismen. So kann Kremer, wo er von der Veränderung der literarischen Formen bei Wezel spricht, den Aphorismus auch nur streifen, ohne konkret zu werden: „Die Möglichkeitsvielfalt aphoristischer Mitteilung bezeichnet den vorgeschobensten Punkt des Skeptizismus im aufklärerischen Formenspektrum, ohne dieses jedoch sprengen zu können"241. Seine Begründung allerdings verfängt nicht: „Ais freier Schriftsteller, der auf den Erfolg und Verkauf seiner Arbeiten dringendst angewiesen ist, sieht er sich auf die Übernahme eingeführter Schreibweisen und vorgeformter Gattungen verpflichtet"242. Eine „eingeführte Schreibweise" ist dieser Aphorismus, wie wir sahen, durchaus. 2. Georg Christoph Lichtenberg Für die bedeutendsten Vertreter der Gattung kann man auf verschiedenartige Vorarbeiten zum Wortgebrauch zurückgreifen. Am häufigsten und genauesten ist er verständlicherweise bei demjenigen untersucht worden, der immer wieder als Begründer des deutschen Aphorismus bezeichnet wird, bei Lichtenberg. Jorgensen leitet sein Lichtenberg-Kapitel in de Boor/Newalds „Geschichte der deutschen Literatur" 1990 mit dem 236 237 238

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Vgl. unten S. lOOf. Heinse: Sämtliche Werke. 8. Abtl. I-III. 1924-25. Wezel: Aphorismen des Philosophen und Romanciers. In: Neues aus der Wezel-Forschung 2, 1984, S. 59-61. Ohne Quelle, ohne Kommentar. Moore: Die Tagebücher Wilhelm Heinses. 1967, S. 6 6 - 6 9 . Vgl. unten S. 271f. Ebd. S. 10. Kremer: Wezel. Über die Nachtseite der Aufklärung. 1985, S. 169. Ebd. S. 168.

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Resümee ein: „In der Literaturgeschichte wird Lichtenberg als der erste große Vertreter einer deutschen Aphoristik gesehen, ohne daß es dabei gelungen ist, einen Konsens über den Inhalt des Begriffes zu erreichen"243. Das Grundsätzliche in dieser Frage hat Requadt schon 1948 geklärt: „Lichtenberg selbst konnte seine Bemerkungen nicht als Aphorismen bezeichnen, weil dieser Begriff damals noch dem älteren Aphorismus vorbehalten war" 244 . Statt von „Aphorismen" spricht Lichtenberg unter anderem von „Bemerkungen" oder „Einfällen", „Gedanken" oder „Ideen". Daraus lassen sich über die allgemeine Bedeutung eines Begriffes wie „Einfall" oder „Gedanke" hinaus aber nur in Einzelfällen Indizien für die Bezeichnung einer literarischen Form gewinnen. Am ehesten ist das bei der „Bemerkung" der Fall, die dadurch eindeutig auch eine spezifisch enge (Form-)Bedeutung erlangt, daß Lichtenberg nicht nur mehrfach seine eigenen Aufzeichnungen (so in Ε 257, Ε 389), sondern auch La Rochefoucaulds „Reflexions ou sentences et maximes morales" so bezeichnet (E 218). Wo er einleitend fragt: „Aber wo sind unsere erbauliche Prediger, denen der Welt- und Menschenkenner mit Vergnügen zuhört?", bietet er aufschlußreiche Erläuterungen: „Männer die tief geprüfte Sachen kurz und stark zu sagen wissen, und immer mehr den Menschen vor Augen haben, als den Nieder- oder Obersachsen oder s... der nicht erst eine Bemerkung macht, und dann sagt daß er sie gemacht hat, der 20-, 30jährige Erfahrung in einer Zeile hinwirft, die hernach dem denkenden Leser mit einem Vergnügen, das kein gleiches hat, sich wieder in Leben-Gebrauch auflöst?" (E 455)

Menschenkenntnis und Lebenserfahrung sollen durch Kürze und Kraft („kurz und stark", „in einer Zeile") in einem Schreibprozeß, in dem sich langes Reifen („tief geprüft") und Spontaneität („hinwirft") verbinden, dergestalt in einer „Bemerkung" über das Allgemeine der Spezies niederschlagen, daß sie für einen aktiv rezipierenden Leser, ohne daß es sich um didaktische Fadheit handelt („mit einem Vergnügen, das kein gleiches hat"), von praktischem Nutzen ist („wieder in Leben-Gebrauch auflöst"). Genau diesen Begriff der „Bemerkung" stellt Lichtenberg auch in den engsten Zusammenhang zur „Philosophie des Lebens", wenn er von den „seelenstärkenden Sentenzen" der Bibel spricht und fortfährt: „Eben dieser Verstand der Alten, die Gabe, die sie haben, einem Beobachter seiner selbst ins Herz zu reden, ist es, was mir die Lesung der Bibel so angenehm macht. Es sind die Grundzüge zu einer Weltkenntnis und Philosophie des

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244

Jargensen, Bohnen, 0hrgaard: Aufklärung, Sturm und Drang, frühe Klassik. 1740-1789. 1990, S. 359. Requadt: Das aphoristische Denken. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 338.

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Lebens, und die feinste Bemerkung der Neuern ist gemeiniglich nichts als eine mehr individualisierte Bemerkung jener Alten" ( G n 108). Die Nähe zu tragenden Aspekten des zeitgenössischen „Aphorismus"-Begriffes, die sich hier zeigt, verlangt freilich eine deutliche Einschränkung. Lichtenbergs „Bemerkung" ist durchaus nicht immer isoliert gedacht, sondern integriert in Schauspiel, Ode (F 613) oder Roman ( G n 113). „Durch eine strikte Aufmerksamkeit auf seine eigenen Gedanken und Empfindungen, und durch die stärkstindividualisierende Ausdrückung derselben, durch sorgfältig gewählte Worte, die man gleich niederschreibt, kann man in kurzer Zeit einen Vorrat von Bemerkungen erhalten, dessen Nutzen sehr mannichfaltig ist" ( G n 207). Weniger das Beharren des Aufklärers auf einem „Nutzen" oder die quantitative Grundvorstellung, einen „Vorrat", einen „Schatz" anzusammeln, wie sie bei Lichtenberg in der säkularisierten Wendung von Mt. 6,19-21 („Sammelt euch nicht Schätze auf Erden") häufig begegnet, sind hier von Interesse als die Betonung des Eigenen und vor allem die „stärkstindividualisierende Ausdrückung", die die „Bemerkung" als den zur „eigenen" Form gewordenen „Gedanken" erscheinen läßt. Wenn aber im folgenden ihr Nutzen beschrieben wird („ein Schatz der bei künftigen Ausarbeitungen genützt werden kann"), so verliert sie sich in ihrer Unselbständigkeit auch hier aus dem Umkreis des „Aphorismus"-Begriffes. Das Verhältnis von „Bemerkung" und „Gedanke", wie es hier erscheint, ist nicht als eine feste Begriffsvorstellung Lichtenbergs zu werten. Beide Begriffe werden vielmehr auch synonym gebraucht, wie überhaupt ein Netz von Synonymen den terminologischen Umkreis am besten einfängt, in dem sich Lichtenberg, die Sache bedenkend, bewegt und das aus „Bemerkung", „Gedanke", „Einfall", „Idee", auch „Sentenz" und „Maxime" geknüpft ist. Vergleichsweise selten lassen sich im Begriff des „Gedankens" bei Lichtenberg spezifische Formaspekte entdecken. Auch er dient freilich zur Bezeichnung des eigenen Werkes (B 295, Β 394, Ε 278), nicht nur in dem einmalig gebrauchten Ausdruck „Gedankenbücher" (K n 44). Vorstellungen des kernhaft Knappen und Essentiellen, wie sie sich dem Begriff des „Gedankens" anlagern, binden Lichtenberg in eine lange Traditionsreihe ein. „ U m einen Gedanken recht rein darzustellen, dazu gehört sehr vieles Abwaschen und Absüßen, so wie einen Körper rein darzustellen" (J 283). Zum Beweis dessen zieht er einen Vergleich der Ausgaben La Rochefoucaulds heran; ein Akzent liegt dabei auf der so stets entzündbaren Leseraktivität: „Nous pensons avec eux et nous ne cessons de penser, et tous les jours ils nous fournissent des pensees nouvelles", zitiert er zustimmend den Herausgeber. Und wo er ein Bild verwendet: „Wenn ich ehedem in meinem Kopfe nach Gedanken oder Einfällen fischte" (K n 33), wo er formuliert: „Der Schriftsteller, der nicht zuweilen einen Gedanken, worüber

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ein anderer Dissertationen geschrieben hätte, hinwerfen kann, unbekümmert ob ihn der Leser findet oder nicht, wird nie ein großer Schriftsteller werden" (F 106), mögen sich Ansatzpunkte finden, an die Nietzsche anknüpft, wenn er Meinungen „fischt" und den Ehrgeiz hat, in zehn Sätzen zu sagen, „was jeder Andre in einem Buche nicht sagt" 245 . In der Übertragung des Experiments in die Vorstellungswelt schließen sich „Gedanken" und „Ideen" zusammen. „Mit Gedanken zu experimentieren" bedeutet, „Dinge vorsätzlich zusammen bringen" (K n 308). Die gleichlautende Forderung „Man muß mit Ideen experimentieren" (K n 308) beruht auf einer weiteren Grundvorstellung Lichtenbergs, der der Kombination. „Die seltsamsten Ideen schwärmten seinem Kopfe zu, als wenn ihre Königin darin säße, und das war auch wahr" (G n 179). „So wie Linne im Tierreiche könnte man im Reiche der Ideen auch eine Klasse machen die man Chaos nennte. Dahin gehören nicht sowohl die großen Gedanken von allgemeiner Schwere, Fixstern-Staub mit sonnenbepuderten Räumen des unermeßlichen Ganzen, sondern die kleinen Infusions-Ideechen, die sich mit ihren Schwänzchen an alles anhängen, und oft im Samen der Größten leben, und deren jeder Mensch wenn er still sitzt (eine) Million durch seinen Kopf fahren sieht" (J 850).

Geradezu Bausteine zu einer Theorie dessen, was Lichtenberg mit wechselnden Begriffen umschreibt, bieten diese „Ideen": die Verstreutheit („zuschwärmen", „Chaos") und ihr Gegengewicht, das sie erst zum Leben bringende Kraftzentrum einer Persönlichkeit (Bild der Bienenkönigin); angesichts des „unermeßlichen Ganzen" das Plädoyer für das kleine und (im Prinzip) jedermann zugängliche, aus der großen Tradition heraus lebende Einzelne. „Wenn jemand alle glücklichen Einfälle seines Lebens dicht zusammen sammelte, so würde ein gutes Werk daraus werden. Jedermann ist wenigstens des Jahrs einmal ein Genie. Die eigentlich so genannten Genies haben nur die guten Einfälle dichter. Man sieht also, wie viel darauf ankommt, alles aufzuschreiben" (G n 228).

Auch den Begriff des „Einfalls"246 verwendet Lichtenberg in einzelnen Fällen synonym zu dem der „Bemerkung" (L 186, K n 200) oder des „Gedankens" (K n 33). Den „vermischten Einfällen" (J 1), wie er seine Aufzeichnungen bisweilen nennt, so in dem berühmten „Eine ganze Milchstraße von Einfällen" (J 344), liegen die Grundvorstellungen des Sammeins und vor allem des unerwartet Verknüpften gleichfalls zugrunde: „Das ist ein närrischer Einfall, sagt man von einer gewissen Art Einfälle, die nicht weniger als unklug sind, auch das Ding ist doch närrisch. [ .. .] Es kann das Unerwartete und das

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Vgl. unten S. 191 und S. 202. Dazu Stingelin: „Unsere ganze Philosophie ist Berichtigung des Sprachgebrauchs". Friedrich Nietzsches Lichtenberg-Rezeption. 1996, S. 75ff. Knauff zieht über diesen Terminus eine Verbindung zu Gottsched, die „eine frühe Theorie des Aphorismus anklingen" lasse. Knauff: Lichtenbergs Sudelbücher. 197/ζ S. 15.

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Seltsame in der Verbindung der Ideen bezeichnen, das Überspringende, dergleichen man bei närrischen Leuten vieles findet" (J 529)24^

Und als „flüchtige Einfälle" (J 1061) bezeichnet er auch Bacons Aphorismen, aus dessen Werk er im folgenden reichlich exzerpiert248. Im Begriff der „Beobachtung", der für den pietistischen Selbstbeobachter wie für den Naturwissenschaftler zentral ist, ist das als Beobachtetes Niederzuschreibende nur vereinzelt mitgedacht („Beobachtungen sagen", Ε 370); bisweilen steht er auch für die von Lichtenberg als unabdingbar gedachte "Weltkenntnis: „Der Grund von allem ist die Beobachtung und Kenntnis der Welt" (E 265). Zur tastenden Begrifflichkeit im Umkreis der später vom „Aphorismus"-Begriff umfaßten Aspekte, wie sie anders gar nicht sein kann, gehören schließlich auch „Sentenz" und „Maxime". Beide werden im Einzelfall synonym zu „Bemerkung" gebraucht (G n 108, F 14), „Sentenz" mehrheitlich im antiken Kontext, „Maxime" hingegen, wie „Bemerkung", sowohl für La Rochefoucaulds (RA n 28) wie für sein eigenes Werk: „Von dieser Bemerkung ist mehr als die Hälfte wahr und das ist allemal viel für eine Maxime, die jemand in seinem 30. Jahr festsetzt, so wie ich diese" (F 14). Wenn Lichtenberg eine seiner Bemerkungen in dieser selbstbezüglichen Weise abschließt, so ist darin keine auf Widerspruch angelegte falsche Bescheidenheit zu sehen, sondern einfach die Konsequenz eines im Ansammeln von Lebenserfahrung beschlossenen Begriffsverständnisses. Zum „Aphorismus"-Begriff selbst muß sich Lichtenberg im 18. Jahrhundert in ganz anderem Kontext äußern. Die erfolgreichen und weit verbreiteten Lehrbuch-„Aphorismen" Platners finden sich natürlich auch in seiner Bibliothek249. Dessen „Lehrbuch der Logik und Metaphysik", einen Auszug aus den „Philosophischen Aphorismen" von 1795, erwähnt er lobend (L 251). Die wichtigste „Bemerkung" in diesem Zusammenhang zitiert Requadt schon: „Zu einer allgemein brauchbaren Grundlage zu Vorlesungen sind die meisten Handbücher der Physik zu weitläuftig; es fehlt ihnen an der aphoristischen Kürze und der Präzision des Ausdrucks, der zu einem solchen gehört. Ein zu einer Grundlage brauchbares Lehrbuch muß nur den Kern seiner Wissenschaft oder Kunst in der gedrängtesten Kürze 247

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Im Begriff des „Einfalls" schließen sich die Erörterungen Lichtenbergs zur kurzen literarischen Form seinem „Witz" als dem Analogie-Stiftenden am nächsten an (vgl. Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 141-146). Zu Lichtenbergs Beziehung zu Bacon (auf dem Weg über Samuel Johnsons „Dictionary of the English Language") vgl. zuletzt Katritzky: Lichtenbergs Gedankensystem. 1995, S. 66-70. Verzeichniß derjenigen Bücher, welche aus dem Nachlasse des sei. Hrn. Hofraths Lichtenberg [...] (=Auktionskatalog der Lichtenbergschen Bibliothek). Göttingen 1799, S. 57. Auch Montaigne (S. 46) und La Rochefoucauld (in einer englischen Ausgabe, S. 74) finden sich hier.

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enthalten, daß der Lehrer in jeder Zeile leichte Veranlassung findet das Angegebene zu erklären" (H 175).

Aus der Bandbreite des Begriffes, wie wir sie entwickelt haben, nimmt Lichtenberg vornehmlich die Ausprägung wahr, die den Ausgangspunkt bildet und die, auf jeden Fall für den akademischen Lehrer, die augenfälligste ist. Darüber hinaus sind es genau die „Regeln" Nudows, die sich hier eruieren lassen. Von Abhängigkeit in der einen oder anderen Richtung kann dabei keine Rede sein: Lichtenbergs Bemerkung ist zwischen 1784 und 1788 entstanden, aber erst postum veröffentlicht worden. Was sich hier zeigt, ist offenbar vielmehr das unbestrittene Gerüst der aphoristischen Lehrbuchtheorie: (1) „zu weitläuftig" - „ohne weitläufige Auseinandersezung der Begriffe" (Nudow 250 ) (2) „den Kern seiner Wissenschaft oder Kunst [...] enthalten" - „den Geist der ganzen Lehre oder Wissenschaft [...] konzentrirt in sich begreifen" (Nudow) (3) „gedrängteste Kürze" - „kurz, zusammengedrängt" (Nudow) (4) „der Lehrer [...] Veranlassung findet das Angegebene zu erklären" „den Schüler [...] zum Selbst- und Mitdenken auffordern" (Nudow). Während die erste und dritte Bestimmung einander in der Erläuterung der „Kürze" ergänzen und die zweite das Element der Konzentration formuliert („Geist"; „Kern"), betont die letzte bei beiden die Offenheit für aktive Rezeption, aus verschiedener Perspektive allerdings; daraus, daß Lichtenberg in dieser Bemerkung ganz Hochschullehrer ist, läßt sich gewiß kein Gegensatz zum Selbstdenken konstruieren. Ein anderer Gegensatz aber ist unübersehbar: Statt „aphoristische Kürze und Präzision" heißt es bei Nudow „vorsezliche Kürze, Dunkelheit und Unbestimmtheit". Auch wenn man diese „Dunkelheit" nicht als mystisches Geheimnissen, sondern durchaus in Ubereinstimmung mit der Aufklärung auf ihre Funktion der Aktivierung des Denkvermögens hin interpretiert, erhebt Lichtenberg hier klaren theoretischen Widerspruch. Von der „Präzision" läßt sich der in der täglichen Sudelbuch-Notiz sprachbewußte und sprachschöpferische Lichtenberg nichts abhandeln. Auch Neumann in seinem Lichtenberg-Kapitel „,Aphorismus'" 251 und Stern252 ziehen die Belege heran, vollständig Knauff in seinen knappen Notizen zum „Geltungsbereich des Wortes" 253 und Joost 254 . 250 Vgl. oben S. 31f. 251 Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 219-225. 252 Stern: Lichtenberg. 1959. The Scientific Aphorism: S. 103-112. 253 Knauff: Lichtenbergs Sudelbücher. 1977, S. 13. 254 Lichtenberg. Wagnis der Aufklärung. 1992, S. 22f.

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Neumann ist weniger am Wortgebrauch als an der „Denkform" Aphorismus interessiert; er streift ihn nur in der Ausgangsthese mit dem Hinweis, es sei „bemerkenswert, wie leicht sich von dieser tradierten Auffassung her eine Brücke zu Lichtenbergs ,Bemerkungen' [...] schlagen läßt"255, um daraus die für ihn entscheidende Doppelstruktur von Merksatz und Kommentar, Lehrsatz und „Beispiel" abzuleiten und sie in Hinblick auf Lichtenbergs Aphorismus zwischen Situation und Reflexion weiterzuführen. Wenn Neumann also die enge Verbindung zwischen der wissenschaftlichen Herkunft des Aphorismus und seiner literarischen Praxis bei Lichtenberg beschreibt und auf den Begriff bringt, dann denkt er, wo es uns um die semantische Mitte des einen Kphonsmxxsbegriffs zu tun ist, für die „Denkform' von ganz anderer Seite her gleichfalls integrativ. Auch Stern zeigt (und zieht eben Η 175 dazu heran), daß die Trennung von Wissenschaft und Kunst in Lichtenbergs Werk noch nicht stattgefunden hat und der Aphorismus als Experiment in der Welt der Ideen beide verbindet. „Druckfehler in Dr. Bergers Aphorismen zu einer Wissenschafts-Lehre der Religion" (L 90): Der Hinweis auf diese Neuerscheinung bleibt ebenso ganz in dem Lehrbuch-Zusammenhang wie der Vorsatz: „Aphorismen über die Physik zu schreiben jeden Tag etwas, das beste kurz zusammen, und allenfalls mit dem treffendsten Beispiel, das sich nur finden läßt" (J 1647). Und wenn Lichtenberg 1797 an Christian Heinrich Zimmermann schreibt: „Gieb mir doch eine kurze Geschichte, blos in Aphorismen, von Deinem Leben in diesem Jahre"256, so steht der Begriff hier für das in der Zeit besonders gern in der Textsorte Brief so bezeichnete Unausgeführte, wie es die reichere Quellenlage bei Goethe klarer erkennen läßt. Noch ist ein letzter Beleg unerwähnt. In einer Entwurf gebliebenen, als anonyme Rezension verfaßten Satire gegen Zimmermann innerhalb seines Physiognomie-Streites schreibt Lichtenberg, bei diesem rollten „Lauwinen von Kernwörtern und phrasibus heroicis" in „Satyren, Noten, Aphorismen und Apophthegmen dahin"25? Requadt bemerkt dazu: „Aber schon 1779 erscheint das Wort bei ihm in einer Umgebung, welche auf einen beginnenden Bedeutungswandel schließen läßt"258. Daß es hier nicht darum gehen kann, im Laufe der Zeit habe sich die Bedeutung bei Lichtenberg gewandelt, zeigt der flüchtige Blick auf die Chronologie der Bemerkungen in Heft Η (1784-1788) und J (1791) im Vergleich zu diesem im September 1779 entstandenen Entwurf. Wenn Requadt hier „Bedeutungswandel" „im Sinne derber satirischer Bemerkung" meint und Knauff ihm darin folgt („offenbar

255 Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 219f. 256 Lichtenberg: Briefwechsel. Bd. 4, S. 806 (Nr. 2809). 257 Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 3, S. 570. 258 Requadt: Das aphoristische Denken. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 338.

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herabsetzende Bedeutung"259), so mischen beide nicht ganz zu Unrecht etwas spezifisch Inhaltliches in einen Begriff, den Lichtenberg in erster Linie als Bezeichnung für die in der Zeit üblichen (populärwissenschaftlichen Kurzformen verwendet. Der Kern des „Bedeutungswandels" ist offensichtlich: Man darf neben der Lehrbuch-Bedeutung auch von einer unterschwelligen literarischen Komponente in Lichtenbergs Begriffsbildung ausgehen. Diese ist zweifellos sekundär. Und da dem Professor der Physik an einem Titel oder einer Gattungsbezeichnung für seine scheinbar nicht druckbaren privaten Einfälle und Bemerkungen überhaupt nicht gelegen ist, hat er keinen Anlaß, sie den moralistischen „Aphorismen" seiner Zeit zuzurechnen, auch wenn Requadt ihn als „Selbst- und Menschenbeobachter unter die Lebensphilosophen" 260 zählt. Seine Eintragungen sind auch viel zu heterogen dazu und gehen in der Tat weit über das ,aufklärerisch Vernünftige', das seinerzeit Druckbare hinaus. Gerade das macht sie uns ja bis heute unvergleichbar wertvoll. Die Rezeption Lichtenbergs bis ins 20. Jahrhundert hinein verknüpft sich eng mit der weiteren Begriffsgeschichte. Nur ihr Ausgangspunkt mag schon hier skizziert sein. Schleiermachers Rezension von Lichtenbergs „Vermischten Schriften" von 1801 261 verwendet für dessen „Bemerkungen", „Selbstbeobachtungen" und „Einfälle" in „wizigen [!] Wendungen" den Begriff noch so wenig wie Falks Abhandlung von 1803 262 oder Jördens' „Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten" 1808 263 . Der „Aphorismus" als Begriff und der nach allgemeinem Verständnis hervorragende frühe Vertreter der Gattung verbinden sich erst bei Rahel Varnhagen in den 20er Jahren und auch dann noch lange nicht regelmäßig und selbstverständlich264. 3. Jean Paul

Das Verhältnis des Aphoristikers Jean Paul zu Lichtenberg ist eng und mehrfach dargestellt265. Beide schaffen ein umfangreiches aphoristisches

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Knauff: Lichtenbergs Sudelbücher. 197^ S. 13. Requadt: Das aphoristische Denken. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 337 Schleiermachers Leben. In Briefen. 4. Bd. 1863, S. 5 6 1 - 5 6 7 Falk: Uber Lichtenbergs Leben und Schriften. In: J. D. F.: Kleine Abhandlungen die Kunst und Poesie betreffend. 1803, S. 75-100. Jördens: Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. 3. Band. 1808, S. 334-364. Zur frühen Rezeption der „Vermischten Schriften" vgl. Lamping: Lichtenbergs literarisches Nachleben. 1992, S. 65-75. So verwendet Jördens' Ausgabe: Lichtenbergs „Ideen, Maximen und Einfälle" (Leipzig 1831) den Begriff weder im Titel noch in den Einleitungen, wo Jördens durchgängig von „Bemerkungen" spricht. Stattdessen sehen wir hier eine Zusammenstellung der Begriffe, die sich dadurch zunächst anbieten, daß Lichtenberg sie selbst benutzt hat. Requadt: Lichtenberg. 2. Aufl. 1964, S. 13-16; Fieguth: Jean Paul als Aphoristiker. 1965, S. 38f.

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Werk, das erst lange nach ihrem Tode - für Lichtenberg 1902-08 mit Leitzmanns Herausgabe der „Aphorismen", für Jean Paul 1936 mit Berends Edition der „Bemerkungen über den Menschen" 266 - als solches in das Bewußtsein der Literaturwissenschaft tritt (und im Fall Jean Pauls erst mit der vollständigen Edition der Nachlaßhefte einen Gesamtüberblick erlauben wird267). Seine Editions- und Wirkungsgeschichte das 19. Jahrhundert hindurch ist für die Begriffsgeschichte von fast ebenso großem Wert wie die Lichtenbergs. Wie dieser bezeichnet Jean Paul seine täglichen Aufzeichnungen in der Regel als „Einfälle", so der Titel der Hefte, oder „Bemerkungen"268. Ähnlichkeiten zeigen sich auch, wenn man sich auf die Verwendung des Begriffes „Aphorismus" konzentriert. Der Jüngere läßt für den Wortgebrauch um 1800 freilich mehr Aufschlüsse zu. Das hängt auch damit zusammen, daß er eben im Unterschied zu Lichtenberg ein umfangreiches Romanwerk hinterläßt, in das verschiedenartige Aphorismen eingeschlossen sind. Größeren Einfluß gewinnt der Aphorismus-Begriff auch bei Jean Paul noch nicht. Auszugehen ist von Fieguths Feststellung: „Er gebraucht den Terminus,Aphorismus' nur sehr selten und ohne (erkennbaren) Einblick in die Gesetzhaftigkeit dieser Gattung" 269 . Fieguth vermutet, daß die Verwendung des Begriffes ab 1781 von Platner her zu verstehen sei, weil Jean Paul den Begriff erstmalig in engem zeitlichen Zusammenhang zu einem Brief vom 17 September 1781 benutzt, in dem er schreibt: „Platner neubearbeitet seine Aphorismen"; er sei „unstreitig einer der besten Philosophen Deutschlands. Welch Glük für mich! sein Zuhörer sein" 270 . In seinen „Aphorismen über die Dummheit" im „Tagebuch meiner Arbeiten" vom 12. und 13. September271 verwendet er den Begriff im Sinne der ,moralistischen1 „Aphorismen", wie wir sie etwa von Schulz' „Zerstreueten Gedanken" her schon kennen: „Grosse Männer sind oft am angenemsten, am nüzlichsten, wenn sie durch die Jare ihre Feier abgelegt haben, und gefallen erst am Abend ihres Lebens, wie die Sonne bei'm Untergange schöner ist als am Mittage. Sie sind gros, one gefärlich zu sein; sie wärmen, aber sie brennen nicht; sie senken ihre Stralen sanft in's Auge, und blenden den Zuschauer nicht" 272 .

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Jean Paul. Sämtliche Werke. Hist.-Krit. Ausgabe. II. Abteilung, 5. Bd. 1936. Berends Edition wird jetzt fortgesetzt; Band 6 ist erschienen (Dichtungen, Merkblätter, Studienhefte. Schriften zur Biographie. Libri legendi. 1996). Eine Auswahl wurde vorab veröffentlicht: Jean Paul: Ideen-Gewimmel. Texte und Aufzeichnungen aus dem unveröffentlichten Nachlaß. 1996. Der editorische Anhang gibt einen sehr guten Uberblick über Art und Umfang des Materials. Jean Paul: Ideen-Gewimmel. 1996, S. 32. Fieguth: Jean Paul als Aphoristiker. 1965, S. 130, Anm. 171. Jean Paul: Sämtliche Werke. Hist.-krit. Ausgabe. III. Abtl., 1. Bd. 1956, S. 19 (1Z 9. 1781). Jean Paul: Sämtliche Werke. II. Abtl., 1. Bd. 1974, S. 2 4 2 - 2 4 4 . Ebd. S. 244.

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Zwei Monate später schreibt er über Platner, wieder mit ausdrücklichem Bezug auf dessen „Aphorismen": „Um Ihnen Platnern zu malen, müst' ich er selbst, oder noch mer sein. Man mus ihn hören; man mus ihn lesen, um ihn bewundern zu können. Und dieser Mann, der soviel tiefe Philosophie mit soviel Annemlichkeit, soviel gesunden Menschenverstand mit so grosser Gelersamkeit, soviel Kentnis der alten Griechen mit der Kentnis der Neuern vereinigt, der als Philosoph, als Arzt, Aestetiker, und Gelerter gleich gros ist, und eben soviel Tugend als Weisheit, eben soviel Empfindsamkeit als Tiefsin [besitzt] ist der erklärteste Feind des Materialismus; man mus seine Aphorismen nicht gelesen, oder nicht verstanden haben, um es nicht zu wissen. [ . . . ] Kaufen Sie sich seine philosophischen (Aphorismen). Sie treffen in diesen die Leib[nizsche] Philosophie im kemichtsten Auszug, und erne Menge philosophischer und [ . . . ] Bemerkungen in gedrängter Sdireibart an" 2 7 3 .

Die Ähnlichkeiten beider sind seit je gesehen worden. U m die Mitte des 19. Jahrhunderts sieht sein Biograph eine mit Platner verwandte „aphoristische" Denkweise bei ihm. Ungleich differenzierter, aber der Tendenz nach gleich argumentiert Schmidt-Biggemann, für den sich Leibniz-Rezeption, Antisystematik, Platner-Schule sowie Lichtenbergs und Jean Pauls Aufzeichnungen in dieser Weise verbinden: „Für die späte Rezeption muß wohl auf eine Art Volksausgabe hingewiesen werden, eine unsystematische Zusammenstellung von auf aphoristisches Maß gedrängten Äußerungen mit dem Titel,Geist des Herrn von Leibnitz' [ . . . ] . Die späten Anthologien [ . . . ] waren der zweiten Phase der Aufklärungsepoche [ . . . ] gemäßer als die systematischen Entwürfe. Dem entsprächen formal auch Lichtenbergs Aufzeichnungen und die Aphoristik des Leipziger Philosophen Ernst Platner, des Lehrers von Jean Paul. Auch Jean Pauls aphoristisch-,launische' Aufzeichnungen der Jugendepoche gehören in gleicher Weise in diese Tradition wie sein Antisystemaffekt" 274 .

Er erarbeitet in Zusammenhang mit der Encyclopedic die Desavouierung der Systeme und ihre literarische Konsequenz, „eine Neuverwendung von Aphoristik als von systematischen Brocken nach Maßgabe einer orientierenden, nicht mehr deduktiven Vernunft"275, und schließt für Jean Paul: „Jean Pauls Exzerpte und Aufzeichnungen bilden in der Form von Tagebuchblättern und Aphorismen, die an Platner geschult sind, eine Schwundstufe von Systematik, die auf Witz und Einbildungskraft beruht"276. Kosenina folgt Fieguth und Schmidt-Biggemann. Prononcierter als diese sieht er in der Verwendung des Aphorismus-Begriffs von Platner her keine Begriffsübernahme hin zu etwas anderem, nämlich in die Literatur hinein. Vielmehr will er, wo Jean Paul brieflich für die „Bemerkungen in gedrängter Schreibart" wirbt, eine „gewisse Geistesverwandtschaft

Jean Paul: Sämtliche Werke. Hist.-Krit. Ausgabe. III. Abtl., 1. Bd., 1956, S. 29f (Nov. 1781). Schmidt-Biggemann: Maschine und Teufel. Jean Pauls Jugendsatiren nach ihrer Modellgeschichte. 1975, S. 60. 27 s Ebd. S. 82. 2 7 6 Ebd. S. 105. 273

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zwischen Lehrer und Schüler"277 erkennen, die in beider aphoristischem Denken auf dem Gegensatz von Selbstdenken und Systemdenken und auf dem Witz als Erkenntnisprinzip beruhe: „An dieser Stelle kommt das ,lebendige Sehen' des angehenden Schriftstellers mit Platners popularphilosophischem Primat der Erfahrung und der ,lebensphilosophischen Methode der Aphoristik' überein"278. Noch in der „Kleinen Nachschule zur ästhetischen Vorschule" von 1825 hebt Jean Paul Platner positiv hervor: „Wert des literarischen Schnitthandels oder Feilstaubs oder Blumenstaubs oder der Gedankenspäne oder Papierspäne u.s.w. - Wer kein großes Ganze, kein System, kein Fertiges hat, der m u ß diese haben und geben. So gab Novalis Blumenstaub, Friedr. Schlegel Feilstaub oder Fragmente oder Sentenzen, andere taten Aussprüche von Gehalt, tiefe Blicke und so fort. Man nahm sich hier mit Recht die Käsemade z u m Muster, welche, da sie nicht gehen kann, dafür außerordentlich springt, und zwar dreißigmal höher, als sie lang ist. Platner kehrte es u m und gab unter dem Namen Aphorismen ein wirkliches System" 279 .

Der späte Jean Paul geht vom Primat des Systems aus und sieht ganz undialektisch einen Gegensatz dazu in den verschiedenen Kurzformen Fragment, Sentenz, Aphorismus, deren Bezeichnung ihm hier nicht zum Problem wird. Er wertet die Romantiker auf Kosten Platners satirisch ab; von einem Vorwurf 280 kann keine Rede sein. „,Blumenstaub' geht noch zurück auf griech. άνδολογία neulat. florilegium, im 18. Jahrhundert als Fremdwort ,Anthologie' übernommen und dann durch ,Blumenlese' (nämlich schönster Stellen aus der Literatur) übersetzt"281: Jean Paul so gut wie sein Kommentator machen hier versteckt darauf aufmerksam, was für ihn im Zentrum der Sache steht, für die er wechselnde Namen findet, das Zitat- und Exzerpthafte nämlich, wie es in der hippokratischen Tradition oder bei Lafontaine schon begegnete und das sich bei ihm damit verbindet, daß er hier „Bausteine" sammelt, die sich für das epische Werk verwenden lassen282. Im „Quintus Fixlein" von 1794 sind

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Kosenina: Ernst Platners Anthropologie und Philosophie. 1989, S. 47 Ebd. Jean Paul: Sämtliche Werke. I. Abtl., 5. Bd. 1963, S. 491. Pfotenhauer sieht Platner wie Jean Paul in den „Bemerkungen" in einem gemeinsamen Strang literarischer Anthropologie (Pfotenhauer: Literarische Anthropologie. 1987, S. 123-126), und auch Proß entwickelt „Jean Pauls Ansatz des Verhältnisses von Philosophie und Dichtung" von seinem Lehrer Platner her (Proß: Jean Pauls geschichtliche Stellung. 1975, S. 73-93, hier S. 86; vgl. oben S. 29f. Knauff: Lichtenbergs Sudelbücher. 1977, S. 14. Fieguth: Jean Paul als Aphoristiker. 1965, S. 131, Anm. 178. Ebd. S. 78. Damit in Zusammenhang steht, daß es seinerseits für Florilegien oder Chrestomathien besonders geeignet ist. Vgl. Neumann: „Das Schaf" oder Κ. H . L. Pölitz' Jean-Paul-Kritik „mit den Zähnen". In: Jean Paul. Sonderband Text und Kritik. 1983, S. 93-100. - Auch seinen politischen Schriften ist dieses Vorgehen nicht fremd. Vgl. die „Vermischten Gelegenheits-Sprüche" in seiner „Friedenspredigt an Deutschland" (Jean Paul: Sämtliche Werke. I. Abtl., 5. Bd. 1963, S. 903-909).

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„Lebensregeln" eingeschaltet283, im „Hesperus" (1795) folgen auf die „Kernsprüche des Lords", die er unter Bezug auf Graciän und La Rochefoucauld als „Regeln" seines Vaters bezeichnet, die „Sentenzen" eines „Schalttages" mit aphoristischen „Wetterbeobachtungen über den Menschen" 284 , in den „Komischen Anhang zum Titan" von 1801 sind Aphorismen zur ,Menschen-Kunde', konsequenter als bei Hippel, als „Manuskript" eingerückt285: „Die Menschen verraten ihre Absichten nie leichter, als wenn sie sie verfehlen"; die „willkürlich unter den Text gesetzten" 286 aphoristischen Fußnoten zu „Schmelzles Reise nach Fläz" (1807) sind eben „Noten", und als „Sentenzen" bezeichnet er die 1808 entstandene Aphorismensammlung „Trümmer eines Ehespiegels"28? In diesem Rahmen bleiben auch die aus dem Tagebuch erwachsenen und zwischen 1782 und 1825 entstandenen aphoristischen Aufzeichnungen der erst später insgesamt so genannten „Bemerkungen über den Menschen". Notizen daraus finden sich als „Meine Miszellen" in der „Herbst-Blumine" 288 von 1810 und als „Bemerkungen über den Menschen" im „Museum" 1814289: „Töchter, welche bloß von Vätern erzogen werden, saugen so viel männlichen Geist ein, daß ich Liebhabern derselben die strengste Prüfung anrate, ob sie selber genug davon besitzen, um den fremden sowohl zu leiden als zu leiten"290. Der Einschaltung im ersten Band des „Titan" von 1800 geht eine Reflexion des Vorgehens vorauf, und gerade hier bedient sich Jean Paul interessanterweise auch des „Aphorismus"-Begriffes: „Heischesätze - Apophthegmen - Philosopheme - Erasmische Adagia - Bemerkungen von Rochefoucauld, von La Bruyere, von Lavater ersinn' ich in einer Woche unzählige und mehrere, als ich in sechs Monaten loszuwerden und als Einschiebeessen in meinen biographischen petits soupers wegzubringen imstande bin. So läuft der Lotto-Schlagschatz meiner ungedruckten Manuskripte täglich höher auf, je mehr ich dem Leser Auszüge und Gewinste daraus gönne. Auf diese Weise schleich' ich aus der Welt und habe nichts darin gesagt. Lavater nimmt sich hierin vernünftiger, er lasset das ganze mit Schätzen gefüllte Lottorad unter dem Titel: Manuskripte [...] selber unter die Gelehrten laufen. Aber warum tu' ichs nicht und lasse wenigstens eine oder ein paar Wasseradern meines Wasserschatzes springen und auslaufen? - Auf zehn Verfolgungen des Lesers - bloß so nenn' ich meine zehn Aphorismen, weil ich mir die Leser als Märtyrer ihrer Meinungen und mich als den Regenten denke, der sie mit Gewalt bekehrt - schränk' ich mich ein. Der folgende Aphorismus ist, wenn man den vorhergehenden als die erste Verfolgung anschlägt - , hoff' ich, die zweite"291.

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Jean Paul: Sämtliche Werke. I. Abtl., 4. Bd. 1962, S. 185f. Ebd. I. Abtl., 1. Bd. I960, S. 666-669; vgl. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 77- 79. Ebd. I. Abtl., 3. Bd. 1966, S. 996-997 Ebd. I. Abtl., 6. Bd. 1963, S. 1239. Ebd. II. Abtl., 3. Bd. 1977, S. 193-199; vgl. II. Abtl., 4. Bd. 1985, S. 566f. Ebd. II. Abtl., 3. Bd. 1977, S. 129-133. Ebd. II. Abtl., 2. Bd. 1976, S. 975-983. „Über Weiber" 4.a; ebd. II. Abtl., 2. Bd. 1976, S. 978f. Ebd. I. Abtl., 3. Bd. 1966, S. 167f.

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Aufschlußreich sind zunächst einmal die Gattungstradition, in die er sich hier einreiht, dann aber auch die Begriffe, die er für sie verwendet. Das sind zum ersten die „Adagia", die berühmte Sprichwörtersammlung des Erasmus, und die ebenso verbreiteten Sammlungen von Apophthegmata, etwa die Zincgrefs von 1653, die die Literaturwissenschaft heute als etwas vom Aphorismus grundsätzlich Verschiedenes sieht292, während es noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Belege gibt, daß sie durchaus Jean Pauls Einschätzung teilte293. Das sind zum andern die französischen Moralisten, deren Rezeption durch eine an Selbst- und Menschenbeobachtung interessierte Epoche ja ungemein gefördert wird - La Bruyere wird von Jean Paul des öfteren zitiert - , unter dem Lichtenbergschen Titel der „Bemerkungen", nicht, wie von dem Übersetzer Schulz her möglich, als „Aphorismen" oder „Sätze". Unter den Deutschen verweist Jean Paul nur auf Lavater, dessen Untertitel „Manuskript" für die „Vermischten Gedanken" von 1775 er ja neben anderen übernommen hat. Aus dem semantischen Umfeld der Sache, die auch mehrfach als „Aphorismus" bezeichnet wird, ist ein Aspekt betont, der sich in der Gattungsreflexion der Aphoristiker bis zu den „Pfeilen", die Nietzsche als Titel einer Aphorismensammlung im Sinn hatte294, immer wieder findet: „mit Gewalt" soll der Leser bekehrt werden. In diesem Gewaltsamen, Verletzenden liegt auch das gemeinsame Dritte, das es erlaubt, bisweilen von einer spezifisch satirischen Färbung des „Aphorismus"- Begriffes zu sprechen, wie sie in Lichtenbergs Zimmermann-Satire und in Jean Pauls „epigrammatischaphoristischen Klagen"295 scheint beobachtet werden zu können. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß auch und besonders bei Jean Paul der Zusammenhang mit dem „Aphorismus"-Begriff der „Lebensphilosophie" sehr eng ist. Er wird von der Wissenschaft her in der Literatur aufgenommen, ist noch offen gegenüber Benachbartem wie dem Sprichwörtlichen, Zitathaften, Apophthegmatischen und stellt in der Bezeichnungsvielfalt des Dichters, ohne sich freilich weiter hervorzuheben, eine Möglichkeit dar, eine sich herausbildende, aber im Zeitbewußtsein noch diffuse literarische Gattung zu benennen. Wie das Exzerpthafte darin bei ihm im Vordergrund steht, so bei seinen Rezipienten zunächst, sehr ähnlich, das Anthologische. „Unsicherheit im Gebrauch des Terminus"296 konstatiert Fieguth bei dem Freund und er-

292

293 294 295 296

Ter-Nedden: Gedruckte Sprüche. Medientechnische Reflexionen über Sprichwort, Apophthegma und Aphorismus. 1991, S. 93-106. - Vgl. Verweyen: Apophthegma und Scherzrede. 1970. Vgl. unten S. 98f. Janz: Nietzsche. Biographie. Bd. 2. 1981, S. 335. Jean Paul: Sämtliche Werke. II. Abtl., 1. Bd. 1974, S. 527-532. Fieguth: Jean Paul als Aphoristiker. 1967, S. 8.

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sten Nachlaßherausgeber Christian Otto 1826 bis 1833 in seinen Doppelfassungen wie „Fragmente und Aphorismen" oder „Aphorismen und Andeutungen". Wenn Jean Pauls Biograph William Neumann um die Mitte des Jahrhunderts feststellt: „Das Aphoristische seines Wissens kam daher, daß er keine Wissenschaft erschöpfend aus den Büchern studieren konnte"297, spiegelt sich darin in einer abermals variierten Formulierung das zeittypische Zweitrangige, ex negativo Gedachte („keine Wissenschaft erschöpfend").

4. August Wilhelm. Schlegel Das Changieren zwischen dem dominanten traditionalen wissenschaftlichen „Aphorismus" und einer Erprobung des Begriffs in literarische Zusammenhänge hinein ist bei den Romantikern gleichfalls zu erkennen; und es gilt auch für Goethe. Eine wichtige Gelenkstelle in diesem Sinne und zugleich das früheste romantische Zeugnis ist A.W. Schlegels Chamfort-Rezension von 1796298. Ebensogut wie in Friedrich Schulz' gleichzeitigen „Aphorismen"-Übersetzungen hätte Requadt in dieser Rezension ein Zeugnis für die „Ubertragung des Aphorismusbegriffs auf die französische Maxime" 299 sehen können; aus diesem Zusammenhang heraus ist Schlegel hier zu verstehen: „Chamfort hatte die Gewohnheit, täglich Aphorismen, worin er die Resultate seines Nachdenkens zusammenfaßte, Anekdoten und Charakterzüge, die man ihm erzählte oder die er selbst erlebte, witzige Reden von ihm selbst oder von andern auf Zettel zu schreiben und sie durcheinander geworfen in Mappen aufzubewahren, deren er eine beträchtliche Menge auf solche Weise angefüllt hatte"300.

Nachdenken, Erleben und Witz stehen hier in engstem Zusammenhang mit dem Begriff. Deutlicher heißt es schon zu Beginn: „In seiner [Chamforts] Philosophie, die er immer nur aphoristisch vorträgt, erkennt man den Zeitgenossen von Voltaire, Helvetius und den Enzyklopädisten. Aber seine Ansichten der Gesellschaft und des Lebens überhaupt sind das reine Resultat seiner Persönlichkeit und seiner Erfahrung"301. Neumann liest aus einem abwertenden „nur" hier die negative Bestimmung „des ,Aphoristischen' als eines bloß Splitterhaft-Unvollständigen"302 heraus. Das „nur" jedoch ist durch ein „aber" ausbalanciert. Dem Neumann: Jean Paul Friedrich Richter. Eine Biographie. 1853; zitiert nach Fieguth: Jean Paul als Aphoristiker. 1965, S. 8. 298 A.W. Schlegel: Sämmtliche Werke. Bd. 10. 1846, S. 272-304, auch in: A.W. Schlegel: Kritische Schriften. 1962, S. 308-325. 299 Requadt: Das aphoristische Denken. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 335. wo A.W. Schlegel: Kritische Schriften. 1962, S. 323f. 301 Ebd. S. 310. 302 Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 16. 297

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im Vergleich zu den genannten Zeitgenossen mangelnden System - „nur aphoristisch" - stehen auf der anderen Seite „Persönlichkeit" und „Erfahrung" gegenüber, die jene vermissen lassen. Das ist eine andere „Denkart", in der sich der Wissenschaft gegenüber - Schlegel spricht von „Philosophie" - ein Weniger und ein Mehr verbinden. „Ein System der Moral und Lebensphilosophie würde sich schwerlich aus diesen aphoristischen Bruchstücken zusammenbauen lassen, und vielleicht haben die einzelnen Behauptungen dabei gewonnen, daß Chamfort sie unbefangen in ihrer ganzen Stärke hinstellte, ohne sich darum zu kümmern, ob sie gegen seine zu andrer Zeit gefällten Urteile über verwandte Gegenstände anstießen. Ein sehr allgemeiner Satz, in welchen unzählige Erfahrungen zusammengedrängt werden, ist immer in einem gewissen Sinne unwahr: der verständige Leser weiß doch schon, wie er ihn zu nehmen hat, und dem Leser ohne Urteil kann man durch noch so viele schwächende Nebenbestimmungen die richtige Anwendung nicht beibringen"303.

„Immer in einem gewissen Sinne unwahr": nicht nur Karl Kraus' programmatischen Aphorismus nimmt Schlegel hier dem Gedanken nach voraus: „Der Aphorismus deckt sich nie mit der Wahrheit; er ist entweder eine halbe Wahrheit oder anderthalb"304. Wie viele Aspekte des wissenschaftlich-literarischen „Aphorismus"-Begriffes verbinden sich hier nicht schon auf engem Raum: „Stärke" ohne „schwächende Nebenbestimmungen" aus bruchstückhafter Vereinzelung, „Behauptung", Konzentration, das Prä der „Erfahrungen zusammengedrängt" gegenüber einer auf ein konsistentes „System" bedachten Widerspruchsfreiheit, schließlich die Bedeutung des „verständigen Lesers", der die „richtige Anwendung" selbst zu leisten hat. Sie werden den Gattungsbegriff prägen. Zugleich aber finden sich das Zusammengedrängte und die Notwendigkeit eigenständiger Rezeption schon als die Leitvorstellungen in Platners „Aphorismus"-Begriff, und A.W. Schlegels eigene „Aphorismen die Etymologie des Französischen betreffend"305 verstehen sich noch streng in diesem wissenschaftlichen Sinne. ß. Novalis

In enger zeitlicher Nachbarschaft zu A.W. Schlegels Rezension stehen die Fragmente Friedrich Schlegels, Novalis' und Schleiermachers im „Athenäum", in der „Vorerinnerung" „aphoristische Bruchstücke"306 genannt. Zählen die kurzen Texte, die Novalis selbst 1798 als „Fragmente" bezeich3 3

° A.W. Schlegel: Kritische Schriften. 1962, S. 324. Vgl. unten S. 290. 305 Schlegel: Sämtliche Werke. Bd. 7 1846, S. 269-271. ™ A.W. u. F. Schlegel (Hg.): Athenäum 1798-1800. Nachdruck 1992. 1. Bd., 1. Stück, Vorerinnerung. 304

Der „Aphorismus" in der Literatur um 1800

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net, zur Gattung des Aphorismus, oder spielt das vieldiskutierte romantische Fragment eine besondere Rolle? Während Höft 1935 begrifflich unentschieden seine Arbeit „Novalis als Künstler des Fragments. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Aphorismus" nennt307 und Carlsson 1939308, Striedter 1953 309 und Trosiener 1955310 entschieden von Fragmenten reden, neigen die neueren Arbeiten nach Schröder 1976, der unterschiedslos die Poetologie von Aphorismus und Fragment untersucht311, wieder dazu, Novalis' Werk selbstverständlich zum Aphorismus zu zählen, ja, es so zu bezeichnen. Das gilt für so verschieden ausgerichtete Autoren wie Neumann und Fricke; Uerlings läßt sich da nicht auf eine Festlegung ein312. Die Einzelheiten gehören in das Kapitel ,Aphorismus - Fragment' einer Forschungsgeschichte zum Aphorismus. Unter begriffsgeschichtlichem Aspekt ist von Belang, ob und wie Novalis auch von „Aphorismen" spricht, und da gibt es nur einen Beleg, der einen Hinweis auf eine möglicherweise gleichartige Verwendung von „Fragment" und „Aphorismus" bedeutet, aber in seiner kommentarlosen Vereinzeltheit nicht von großem Gewicht sein kann. Novalis' „Politische Aphorismen"313 sind von der Zensur unterdrückt worden, nachdem „Glauben und Liebe" in den „Jahrbüchern der Preußischen Monarchie" im Juli 1798 großes Aufsehen erregt hatte. Der Herausgeber Samuel reflektiert den Titel: „Die Uberschrift [...] ist sicherlich von Novalis, wobei der Begriff ,Aphorismen' auffällt, der sonst weder von Schlegel noch von Novalis an Stelle des Begriffs ,Fragment' gebraucht wird. Dies deutet darauf hin, daß sie sich von ,Glauben und Liebe' abheben sollten, welches in der Korrespondenz der Freunde stets als ein ,Aufsatz' bezeichnet wird. Tatsächlich unterscheiden sich die Aphorismen stilistisch stark von ,Glauben und Liebe'" 314 . „Nichts ist erquickender als von unsern Wünschen zu reden, wenn sie schon in Erfüllung gehn"315. „Genau haben die meisten Revolu-

307 308 309 310

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Höft: Novalis als Künstler des Fragments. 1935. Carlsson: Die Fragmente des Novalis. 1939. Striedter: Die Fragmente des Novalis als „Präfigurationen" seiner Dichtung. 1953. Trosiener: Der Wechselbezug von Einzelnem und Ganzem in den Fragmenten des Novalis. 1955. Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976. „Fragment-Ästhetik" in: Uerlings: Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis. 1991, S. 215-227 - Auch Ostermann: Fragment / Aphorismus (in: Schanze (Hg.): RomantikHandbuch. 1994) legt sich in seinem Artikel zu dieser romantischen Form - mit einer gewissermaßen programmatischen Querstrichlösung - nicht (mehr) fest. Novalis: Schriften. 2. Bd. 3. Aufl. 1981, S. 4 9 9 - 5 0 3 . Samuel in: Novalis: Schriften. 2. Bd. 3. Aufl. 1981, S. 477 Glauben und Liebe Nr. 35; ebd. S. 494.

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tionisten gewiß nicht gewußt, was sie wollten - Form, oder Unform" 316 . Ohne Samuels eindeutiges Urteil im letzten Satz eingehend diskutieren zu können: Die beiden Aphorismen scheinen uns stilistisch nebeneinander stehen zu können. Sollte seine Behauptung gelten, müßte sich doch auf den ersten Blick erkennen lassen, welcher von den beiden folgenden Aphorismen zu der veröffentlichten Gruppe gehört: „Ein Regent kann für die Erhaltung seines Staats in den jetzigen Zeiten gewiß nicht zweckmäßiger sorgen, als wenn er ihn vielmöglichst zu individualisiren sucht"; „Der jetzige Streit über die Regierungsformen ist ein Streit über den Vorzug des reifen Alters, oder der blühenden Jugend"31-! Samuels Erläuterung, die „Aphorismen" sollten sich durch diese Begriffswahl von dem „Aufsatz" „Glauben und Liebe" „abheben", kann also wenig überzeugen. Bei der gewissermaßen hilflosen Feststellung, Novalis sei eben terminologisch unbedenklicher, als es einem systematisierenden Literaturwissenschaftler lieb sein kann, in der man ja auch und erst recht durch die Bezeichnung „Aufsatz" für die gedruckte Sammlung von Fragmenten bestärkt wird, muß man aber nicht stehen bleiben. Zur selben Zeit, zu der er die Uberschrift „Politische Aphorismen" wählt, heißt es im „Allgemeinen Brouillon": „Platners Aphorismen"318. Mähl merkt dazu an: „Es besteht Anlaß zu der Vermutung, daß Novalis zu diesem Zeitpunkt Platners ,Aphorismen' bereits in Händen hat"319. Kosenina, der auf diese Verbindung Platners zu Novalis schon hingewiesen hat, erörtert darüber hinaus die Bekanntschaft über Dritte und kommt zu dem Schluß: Novalis „dürfte sich selbst einen Eindruck von dem Leipziger Professor verschafft haben"320. So hat man also zumindest für die Herkunft des Begriffes bei Novalis eine begründete Vermutung, wenn sein individueller semantischer Gehalt auch unklar bleiben muß. Sein aphoristisches Werk wird jedenfalls von den Zeitgenossen als „Fragmente vermischten Inhalts" gelesen; Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck geben sie 1802 in einer Weise heraus, in der auch „,Fragmente' produziert wurden, die gar keine waren"321. Zwanzig Jahre später wird es allerdings, nicht ohne Gattungsbewußtsein, bei Menzel und im Kreis der Varnhagens schon als „Aphorismen" rezipiert322.

316

Politische Aphorismen Nr. 45; ebd. S. 499. Ebd. Nr. 20, S. 489 gegen Nr. 58, S. 500. 318 Novalis: Schriften. Dritter Band. 2. Aufl. 1968, S. 333, Nr. 459. 319 Ebd. S. 937 320 Kosenina: Ernst Platners Anthropologie und Philosophie. 1989, S. 36 mit Anm. 102. 321 Novalis: Schriften. 2. Band. 3. Aufl. 1981, S. VI. 322 Vgl. unten S. 116. 317

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Gar keine Verbindung zur Begriffsgeschichte des „Aphorismus" haben hingegen die Fragmente Friedrich Schleiermachers (1768-1834), die der anonyme Mitarbeiter am „Athenäum" aus einem im September 1796 begonnenen Heft „Vermischte Gedanken und Einfälle" schöpft323. 6. Friedrich Schlegel Wenn sich bei A.W. Schlegel und Novalis - neben dem herrschenden „Fragment"-Begriff - auch einzelne höchst aufschlußreiche Hinweise zum „Aphorismus" finden, so gilt das vermehrt und in besonderer Weise für Friedrich Schlegel. Eichner stellt seiner kritischen Edition die Frage voraus: „Warum bezeichnet es [sein Werk] Schlegel dann nicht als Aphorismus, sondern mit einem Namen, der das Bruchstückhafte dieser neuen Gattung betont?" 324 Er sucht die Antwort in der Besonderheit der Fragmente, in der Kombination mit anderen Fragmenten gleichsam zum Systemersatz und darüber hinaus in der gegenseitigen Erhellung und Ergänzung überhaupt erst verständlich zu werden. Neumann widmet Schlegels Verwendung des Begriffes ein eigenes Kapitel325. Er resümiert: „Eine Besonderheit der Schlegelschen Terminologie ist die Tatsache, daß bei ihm auch der Begriff des ,Aphorismus' in die Nähe seiner ,Fragment'-Vorstellung rückt - im Gegensatz zu Lichtenbergs, Goethes und Hardenbergs Wortgebrauch"326. Zunächst einmal haben wir auch bei Friedrich Schlegel von der Lehrform „Aphorismus" auszugehen, angewandt vor allem auf die Geschichtswissenschaft. Neumann sammelt die Belege, in denen Schlegel jeweils von „Historischen Aphorismen"327 spricht. Er nutzt diese Form für seine Jenaer Vorlesungen328, in denen er, wenngleich mit kritischem Abstand, auch auf Platner zu sprechen kommt 329 , wodurch die Wirkung von dessen „Philosophischen Aphorismen" einmal mehr belegt wird. Aus diesem anthropologisch-populärwissenschaftlichen Zusammenhang erhellt zu einem guten Teil, was hinter dieser Notiz verborgen ist: „Aphorismen

Schleiermacher: Bruchstücke der unendlichen Menschheit. Fragmente, Aphorismen und Notate der frühromantischen Jahre. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Kurt Nowak. 1984. 3 2 4 Friedrich Schlegel: Charakteristiken und Kritiken I ( = Kritische Ausgabe. Bd. II). 196^ S. X X X I X . 3 2 5 Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 579-581. »o Ebd. S. 579. 3 2 7 Z. B. Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. XVIII. 1963, S. 70 und S. 246; Schlegel: Literarische Notizen. 1980, Nr. 1259. 328 Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. XII. 1964, S. 4f. 3 2 9 Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. XII. 1964, S. 95. - Vgl. Kosenina: Ernst Platners Anthropologie und Philosophie. 1989, S. 35 mit Anm. 95. 323

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popul(äre) Fr.(agmente) wie Recens(ionen) populäre Charakter(istiken)"330; in diesem Kontext mag es sich auch besser klären, wenn Schlegel an Novalis schreibt (21. 6. 1797), er möge ihm „Hefte schicken, aphoristisch oder systematisch, wie Du willst"331. Andererseits gebraucht er zunächst die Ausdrücke „Maximen"332 und, wie schon Lichtenberg, „Einfälle und Bemerkungen"333. Wie sein Bruder geht er dabei von Chamfort aus: „Sein kösdichster Nachlaß sind seine Einfälle und Bemerkungen zur Lebensweisheit; ein Buch voll von gediegenem Witz, tiefem Sinn, zarter Fühlbarkeit, von reifer Vernunft und fester Männlichkeit, und von interessanten Spuren der lebendigsten Leidenschaftlichkeit, und dabei auserlesen und von vollendetem Ausdruck; ohne Vergleich das höchste und erste seiner Art" 334 .

Und gleichfalls wie bei seinem Bruder, aber ungleich häufiger durchdacht und umspielt, hat der „Witz" in diesem Zusammenhang die entscheidende Rolle: „Alles ist Witz und überall ist Witz"335. Die Verbindung von „Einfall" und „Witz" wird konstitutiv für Schlegels Aphorismen: „Witzige Einfälle sind die Sprüchwörter der gebildeten Menschen"336; „Manche witzige Einfälle sind wie das überraschende Wiedersehen zwei befreundeter Gedanken nach einer langen Trennung"33? In Schleiermachers Lichtenberg-Rezension verbinden sich dann eben diese drei Elemente: „Bemerkungen", „Einfälle", „wizige Wendungen". Ansonsten gebraucht Friedrich Schlegel natürlich vor allem den Leitbegriff des Fragments, nicht nur in dem bekannten selbstdefinitorischen Fragment: „Ein Fragment muß gleich einem kleinen Kunstwerke von der umgebenden Welt ganz abgesondert und in sich selbst vollendet sein wie ein Igel"338. Das Athenäum-Fragment Nr. 77 lautet: „Ein Dialog ist eine Kette, oder ein Kranz von Fragmenten. Ein Briefwechsel ist ein Dialog in vergrößertem Maßstabe, und Memorabilien sind ein System von Fragmenten. Es gibt noch keins was in Stoff und Form fragmentarisch, zugleich ganz subjektiv und individuell, und ganz objektiv und wie ein notwendiger Teil im System aller Wissenschaften wäre" 339 .

Zwei Merkmale werden hier expliziert: zum einen das Dialogische, das sich aus einer „Kette" produktiver Rezeption ergibt, zum andern und

330 331 332 333 334 335 336 337 338 339

Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. XVIII. 1963, S. 216. Schlegel: Briefe. 195^ S. 99. Lyceum 59 (Kritische Ausgabe. Bd. II. 196^ S. 154). Lyceum 111 (Kritische Ausgabe. Bd. II. 1967, S. 161). Ebd. Schlegel: Literarische Notizen. 1980, Nr. 782; vgl. ebd. Nr. 15 mit Anm. Athenäum-Fragment Nr. 29 (Kritische Ausgabe. Bd. II. 1967, S. 170). Athenäum-Fragment Nr. 37 (Kritische Ausgabe. Bd. II. 1967, S. 171). Athenäum-Fragment Nr. 206 (Kritische Ausgabe. Bd. II. 196^ S. 197). Athenäum-Fragment Nr. 77 (Kritische Ausgabe. Bd. II. 1967, S. 176).

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hauptsächlich das Integrative, das auf die Verbindung von scheinbar sich Ausschließendem gerichtet ist, dem „ganz Objektiven" und „zugleich" ganz Subjektiven einerseits, andererseits einem „System von Fragmenten" (die Memorabilien akzentuieren das Einzelne im Gegensatz zum Kasus). Dialektik und Paradoxie, das System betreffend, werden im Fragment Nr. 53 verschärft: „Es ist gleich tödlich für den Geist, ein System zu haben, und keins zu haben. Er wird sich also wohl entschließen müssen, beides zu verbinden"340. In den „Literarischen Notizen" heißt es dazu: „Auch das größte System ist doch nur Fragment"341. Und endlich, da Wissenschaft und System in enger Verbindung stehen, kann die Forderung lauten: „Alle Kunst soll Wissenschaft, und alle Wissenschaft soll Kunst werden; Poesie und Philosophie sollen vereinigt werden" 342 . Schlegels Idee einer progressiven Universalpoesie, die sich des Mittels der Ironie und der Form des Fragments bedient, ist vielfach erörtert. Die Zusammenhänge von Fragment und System sowie dem „wissenschaftlichen Witz" 343 als dem „Vermittler zwischen System und Systemlosigkeit" 344 , der „,Eins und Alles' vermittelnden ,Kunst und Wissenschaft'" 345 können hier nur angedeutet werden; sie verdienten, von einer gesicherten begriffsgeschichtlichen Einordnung her neu interpretiert zu werden. Die Verbindung mit dem Aphorismus ist evident: „Vermischte Gedanken sollten die Kartons der Philosophie sein. Man weiß, was diese den Kennern der Malerei gelten. Wer nicht philosophische Welten mit dem Crayon skizzieren, jeden Gedanken, der Physiognomie hat, mit ein paar Federstrichen charakterisieren kann, für den wird die Philosophie nie Kunst, und also auch nie Wissenschaft werden. Denn in der Philosophie geht der Weg zur Wissenschaft nur durch die Kunst, wie der Dichter im Gegenteil erst durch Wissenschaft ein Künstler wird" 346 .

Unter Lavaters Begriff der „Vermischten Gedanken" und wie bei Görres' „Freskogemälde" mit Hilfe eines Vergleichs aus der bildenden Kunst wird die Gattung hier mit der intendierten Integration von Wissenschaft und Kunst zusammengeführt. Wichtig dabei ist weniger das Skizzieren - dieser naheliegende Vergleich begegnet unter anderem bei Goethe wieder als der Ausdruck „jeder Gedanke, der Physiognomie hat", der das rein Gedankliche spezifiziert, indem er ihm notwendig das Physiognomische,

340 341 342

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Athenäum-Fragment Nr. 53 (Kritische Ausgabe. Bd. II. 196^ S. 173). Literarische Notizen. 1980, Nr. 921. Lyceum 115 (Kritische Ausgabe. Bd. II. 1967, S. 161); vgl. Literarische Notizen. 1980, Nr. 92 und Anm. Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. III. 1975, S. 84. Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 4 5 2 - 4 6 8 , hier S. 461. Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 466. Vgl. auch Athenäum-Fragment Nr. 220, in dem es unter Bezug auf Bacon und Leibniz heißt: „Die wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen sind bonmots der Gattung". Athenäum-Fragment Nr. 302 (Kritische Ausgabe. Bd. II. 1967, S. 216).

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die Gestalt, den künstlerischen Ausdruck also, zur Seite stellt. Genau hier auch paßt sich exakt der „Aphorismus"-Begriff ein; beide Merkmale, auf die das Athenäum-Fragment Nr. 77 abhebt, das Dialogische und das Integrative, verbinden sich mit ihm: „Aphorismen sind zusammenhängende Fr(agmente). Spruch ist zugleich Fr(agment) und Dialog (monologischer-)"34? Von daher kann also Neumanns Vermutung: „Eine eigentliche Neubestimmung des Begriffs ,Aphorismus' scheint Schlegel in Gesprächen mit Novalis während des folgenreichen Dresdner Aufenthalts vorgenommen zu haben"348 zusätzlich untermauert werden. Nicht nur von „Fragmenten" als der Form seiner denkerisch-dichterischen Bemühungen, sondern auch von „Aphorismen als Notizen der innern σ υ μ φ (Symphilosophie)"349 spricht Schlegel. Einschränkend muß man freilich hinzufügen, daß es eine versuchsweise Übertragung des üblichen und viel gebrauchten Begriffes ist und daß er, dem Fragment nachgeordnet und an prominenter Stelle, dabei nicht allein steht: „Das Zeitalter Menschheit Universum vielleicht in Gnomen, Scholien, Aphorismen, Aenigmen, Fr(agmenten) zu charakterisieren"350. In späteren Jahren benutzt der Literaturhistoriker Schlegel den Begriff in seiner „Geschichte der alten und neuen Literatur" unter Hinweis auf Hippokrates für die „einfachen, aber scharfsinnig bestimmten Gedankensprüche, mit oft noch bildlichem Ausdruck"351 bei den Griechen. Keinen unwesentlichen Baustein für die Beziehungsgeschichte zwischen Begriff und aphoristischer Praxis liefert schließlich Schiller. 1794 bleibt er in einem Brief zu einem Zeitschriftenbeitrag Heinrich Meyers noch ganz in den bekannten populärwissenschaftlichen Begriffsgrenzen: „Nach reiflichem Ueberlegen, wie etwa die Form einzurichten seyn möchte, finde ich, daß die einfachste wohl auch die passendste seyn möchte. Diese ist die aphoristische, wo kurze Sätze aneinander gereihet werden, wie Sie zum Theil schon in dem Gegenwärtigen beobachtet haben. Man gewinnt durch diese Form, daß die einzelnen Sätze, eben weil sie so einzeln und rund dastehen, das Nachdenken mehr auffordern und anspannen, und daß überhaupt die Sache, als solche, reiner aufgefaßt wird. N u r würden in diesem Fall die Lieferungen kleiner seyn müssen, weil man in solcher Form nicht gerne viel auf einmal mit gleicher Aufmerksamkeit liest"352.

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Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. XVIII. 1963, S. 200. 348 Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 581. 349 Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. XVIII. 1963, S. 147 350 Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. XVIII. 1963, S. 262. 551 Schlegel: Kritische Ausgabe. Bd. V. 1962, S. 24. 352 An Heinrich Meyer, 30. November 1794; in: Schiller: Werke. National-Ausgabe. Bd. 27 1958, S. 96.

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Aber in einem Brief an Goethe vom 16. August 1799 schreibt er auch schon in Bezug auf die Verfasser der Athenäum-Fragmente: „Ich fürchte es wird bald auch der Stoff versiegen wie sie in den Aphoristischen Sätzen auch auf einmal und für immer ihre Baarschaft ausgegeben haben" 353 . Einen Baustein liefert Schiller hier in dem, was er sagt, wie in dem, was er nicht sagt. Er spricht ja von „aphoristischen Sätzen", nicht von Aphorismen; das Nomen, eine populärwissenschaftliche Schreibart-Bezeichnung, kann er für die kurzen literarischen Texte der Romantiker noch nicht benutzen, wohl aber das Adjektiv, das im umfassenden Sinne für Kürze und Gedrängtheit steht. Die Annäherung von Begriff und Gattung - das zeigt die Literaturwissenschaft des 19. Jahrhunderts deutlich - geht deshalb über das Adjektiv vonstatten. 7. Johann Wolfgang von Goethe Wie Friedrich Schlegel, wenngleich auf ganz andere Weise, bemüht sich auch Goethe, den Begriff vom Fachwissenschaftlichen zum Literarischen hin zu interpretieren und ihn in einem Grenzgebiet von Kunst und Wissenschaft nutzbar und heimisch zu machen. In der Untersuchung seines Wortgebrauches kommen wir weit über die Jahrhundertwende hinaus. Was Goethes Kurzformen und die Bezeichnungen dafür betrifft, hat Fricke in seiner Neuedition der „Sprüche in Prosa" für die Frankfurter Goethe-Ausgabe vertraute Vorstellungen zerstört 354 . Hecker stellte in seiner lange Jahre maßgebenden Edition der „Maximen und Reflexionen" grundsätzlich klar, „Maxime" sei „zu allen Zeiten ein Lieblingswort des Dichters" 355 gewesen, unter den Begriffen wie „Einzelnheiten", „Betrachtungen", „Bemerkungen", „Merkwürdigkeiten", „Sentenzen", „Abstractionen", auch „Spänen" und „Sprüchen", die er „daneben" benutzt, findet sich auch der der „Aphorismen". Nach Frickes Untersuchungen verbleiben hingegen nur „20 Hecker-Nummern als Kandidaten für die Benennung ,Maximen und Reflexionen"' 356 . Neben dem „Lieblingswort" „Maximen" sind es zwei Nachbarbegriffe, die herausgehoben zu werden verdienen. „Alles wahre Apergu kömmt aus einer Folge und bringt Folge. Es ist ein Mittelglied einer großen, pro-

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Ebd. Bd. 30. 1961, S. 84. Goethe: Sämtliche Werke. Frankfurter Ausgabe. Bd. 13. Hg.von H . Fricke. 1993. - Hingegen folgt die gleichzeitig entstandene Münchner Ausgabe (Goethe: Sämtliche Schriften nach Epochen seines Schaffens. Bd. 17: Wilhelm Meisters Wanderjahre. Maximen und Reflexionen. 1991) Hecker im wesentlichen (S. 1236). Vgl. die knappe Überlegung der Herausgeber zu Goethes Wortgebrauch S. 1248f. Hecker: Vorwort zu: Goethe: Maximen und Reflexionen. 190^ S. XXIII. Fricke in: Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 13. 1993, S. 479.

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duktiv aufsteigenden Kette" 35 ? Die Ausstrahlung dieses Begriffes wird ebenso zu beobachten sein wie die der „Gedankenspähne", so „die Aufschrift einer buchförmigen Kapsel, die in fünfzehn kleinen Gebinden ebensoviele Sammlungen von Sprüchen, Bemerkungen und Einfällen enthält" 358 . Daß der Terminus „Aphorismus" in Goethes Sprachgebrauch eine Nebenrolle spielt, ist unstreitig, freilich eine Nebenrolle, die eine genaue Betrachtung verdient. Dazu steht mit den Artikeln „Aphorismus" und „aphoristisch" des Goethe-Wörterbuchs 359 hier eine unvergleichliche Arbeitsgrundlage zur Verfügung, die die Belege sammelt und zusammenfassend und ordnend deutet. „Aphorismus" sei für Goethe (1) ein Lehrsatz in den Naturwissenschaften, besonders der Medizin, (2) eine prägnant formulierte, in sich geschlossene, oft subjektiv gefärbte Äußerung, auch polemischer Spruch, Leitsatz, Maxime, (3) eine kurze, fragmentarische Notiz, Skizze. Dem entsprechen, jeweils mit einem besonderen Akzent, die Bedeutungen von „aphoristisch" als (1) im Sinne der empirischen Methode Bacons, (2) in prägnanter, sentenzartiger Form, (3) skizzenhaft, fragmentarisch, gelegentlich mit negativem Akzent. Bei differenzierter Betrachtung im Lichte der zeitgenössischen Begriffsgeschichte läßt sich die Dreiteilung in dieser Form nicht halten. Allein, daß eine weitgehend ähnliche inhaltliche Spezifizierung beim Substantiv („polemischer Spruch") der zweiten, beim Adjektiv aber („gelegentlich mit negativem Akzent") der dritten Bedeutungsschicht zugeordnet wird, läßt Zweifel entstehen. Der Artikel begibt sich zudem einer wesentlichen Erkenntnismöglichkeit, indem er völlig ahistorisch registriert und also eine mögliche Begriffsentwicklung außer acht läßt. Er räumt mit dem jeweils abschließenden ,,u[nd] ö[fter]" ein, nicht vollständig zu sein; das bleibt aber dennoch unbefriedigend, wenn man die Kriterien nicht zu erkennen vermag, nach denen einige Belege nicht aufgenommen wurden. So wird mit der wichtigen Tagebuchnotiz „Eckermanns Aphorismen ge-

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Goethe: Werke. Berliner Ausgabe. Bd. 18. 1972, S. 536 ( = Maximen und Reflexionen Nr. 416). Suphan (Hg.): „Gedankenspäne" von Goethe. In: Goethe-Jahrbuch 15, 1894, S. 8 - 1 7 ; hier: S. 14. Goethe-Wörterbuch s.v. Aphorismus. Dort sind auch weitere Nachbarbegriffe verzeichnet. Marahrens' ambitionierte Studie „Uber eine Neudefinition der Goetheschen Aphoristik" geht über diese Grundlage „Zu Goethes Wortgebrauch" (S. 298f.) nicht hinaus. Im übrigen ist ihm dieser gleichgültig; er kommt zu dem klaren und in seiner ungefähren Genauigkeit etwas bizarren Ergebnis, Goethe sei kein Aphoristiker gewesen, aber unter seinen Kurzformen befänden sich „ungefähr 173 Aphorismen" (G. M.: Uber eine Neudefinition der Goetheschen Aphoristik. In: Goethe-Jahrbuch 110, 1993/94, S. 2 9 7 - 3 2 0 ; hier S. 319). Damit steht er wie Frickes Neuedition für eine neuerliche Diskussion dieses Teils von Goethes Werk.

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lesen" 360 ein höchst aufschlußreicher begriffsgeschichtlicher Zusammenhang ausgeblendet. Wer chronologisch vorgeht und außerdem nach den beiden Wortarten differenziert, kann also ein wesentlich konturierteres und aussagekräftigeres Bild ermitteln. Ausgangspunkt für die Analyse von Goethes Verwendung des Adjektivs „aphoristisch" ist der negative Akzent. An diese Bestimmung des Wörterbuches schließt Neumann an: „Wie die drei anderen hier behandelten Autoren benutzt auch Goethe das Wort Aphorismus eher negativ im traditionellen Sinne der ,Abgerissenheit"' 361 . Beiden folgt John mit einer eigenen Akzentuierung: „So unüberhörbar wie der eher negative Beiklang ist der Akzent, der auf das Fragmentarische gelegt wird [,] und das Unvollendete, nur vorläufig Notierte, das es noch auszuarbeiten gilt, betont" 3 6 2 . Diese Beurteilung gründet sich mit Recht auf einen engeren Kontext, in dem es um „Unzulänglichkeit" 363 , Entschuldigung 364 , Bitte um Erlaubnis 365 geht und der von „nur" 366 oder „blos" 367 bestimmt wird. Berücksichtigt man indessen den weiteren Kontext, so wird deutlich, daß es sich hier in den meisten Fällen um Briefe handelt, in denen Goethe, weil ihm „die Zeit davonläuft" 368 und er „unter Drang" 3 6 9 steht, mit diesem Ausdruck die Kürze seiner Zuschrift erklärt und entschuldigt. Dieselbe Motivation liegt zugrunde, wenn er in einem Brief schreibt, er teile in der Folge „ein vollständiges, obgleich aphoristisches Tagebuch" 370 mit. (Für den Adressaten, Schiller, läßt sich übrigens ein solcher Wortgebrauch, gewissermaßen spiegelbildlich, auch nachweisen: „Schreibe mir bald aber nicht so aphoristisch und nicht so bloß historisch" 371 , schreibt er im O k tober 1787 an Körner. Ganz in demselben Sinne erbat Lichtenberg von seinem Briefpartner „blos in Aphorismen" Auskünfte 372 . Vielleicht darf man hieraus vorsichtig schließen, daß der Begriff besonders häufig im brieflichen Kontext das bloß Unausgeführte bezeichnet.) Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 3. Abteilung: Tagebücher. Bd. 9.189^ S. 57 (3. 6.1823). Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 728, Anm. 295. 3 6 2 John: Aphorismus und Romankunst. Eine Studie zu Goethes Romanwerk. 1987, S. 11. 3 6 3 Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 1. Abtl. Bd. 45, S. 287 3 6 4 Ebd. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 20, S. 158 (19. 8. 1808). 3 6 5 Ebd. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 26, S. 218 (15. 1. 1816). 3 6 6 Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 2. Abtl.: Naturwissenschaftliche Schriften. Bd. 8, S. 23 von 1795 und 4. Abtl.: Briefe. Bd. 11, S. 174 (28. 8. 1796) und 4. Abtl.: Briefe. Bd. 17, S. 261 (25. 2. 1805). 367 Ebd. 1. Abtl. Bd. 53, S. 425 (wohl aus der mittleren Zeit). 38 Ebd. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 11, S. 174 v. 28. 8. 1796. 369 Ebd. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 20, S. 158 v. 19. 8. 1808. 3 7 0 Schiller: Werke. Nationalausgabe. Bd. 37,1. 1981, S. 158 (Oktober 1797). 371 Schiller: Werke. Nationalausgabe. Bd. 24. 1989, S. 166. 372 Vgl. oben S. 66. 360 361

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Außerdem begegnet er bei Goethe am häufigsten im Zusammenhang mit einem naturwissenschaftlichen Projekt, innerhalb der Anatomie 373 , der Osteologie 374 , der Morphologie 375 . Eine erste Vermutung bietet sich an, wenn man die Gegenbegriffe untersucht, die der Kontext erkennen läßt, also das „Ausarbeiten"376, das „Weitläuftige"37^ das Einseitigkeit Auflösende 378 , das Ausführliche und Zusammenhängende 379 . (Im Brief an Zauper 380 schreibt er regelrecht unzusammenhängend: mit Strichen abgetrennte einzelne Bemerkungen.) Im Hintergrund von Goethes Begriffsverständnis scheint weniger ein rein negativer Aspekt aufzuleuchten als das im Sinne des Lehrbuchbegriffes neutral nicht „weitläufig" (Nudow) Ausgeführte. „Folgendes blos in Aphorismen gebracht, der Leser wird sich die Unterscheidungen selbst bezeichnen" 381 : Auf den ersten Blick birgt dieses Paralipomenon einen negativen Aspekt („blos"), der zweite hingegen erkennt darin die Bedeutung wieder, die in der Lehrbuchtheorie der Rezeption zugesprochen wurde. Eine Stelle wie „Aphoristisches Verfahren gerühmt" 382 in Bezug auf Bacon relativiert dies ebenfalls, auch wenn man Neumanns Einschränkung zur Kenntnis nimmt 383 . Und die Hypothese erhärtet sich weiter, wenn man sieht, daß Goethe das Adjektiv außer in Briefen auffällig häufig in Vorworten und Einleitungen benutzt, wo seine Funktion als eine Floskel für vorsichtige Bescheidenheit oder Entschuldigung vorab, eine regelrechte ,captatio benevolentiae', deutlicher hervortritt. So heißt es im Vorwort zum „Anhang zur Lebensbeschreibung des Benvenuto Cellini", wir gedächten „für diesmal skizzenhaft, aphoristisch und fragmentarisch, einiges beizubringen, wodurch wir uns jenem Zweck wenigstens annähern" 384 ; so schreibt Goethe in der Einleitung in die „Materialien zur Geschichte der Farbenlehre", er habe „charakteristische Skizzen, einzelne biographische Züge, manchen bedeutenden Mann betreffend, aphoristisch mitgeteilt" 385 . „Wir fühlen und wissen recht gut, was sich gegen die von uns aphoristisch entwor-

Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 10, S. 232 (2. 2. 1795). Ebd. 2. Abtl.: Naturwissenschaftliche Schriften. Bd. 8, S. 23 (1795). 375 Ebd. 2. Abtl.: Naturwissenschaftliche Schriften. Bd. 8, S. 361 (nach 1816). 374 Ebd. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 10, S. 232 (2. 2. 1795). 377 Ebd. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 17, S. 261 (25. 2. 1805). 378 Ebd. S. 473 (15. 9. 1804). 379 Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 2. Abtl.: Naturwissenschaftliche Schriften. Bd. 8, S. 361 (nach 1816). 38 ° Ebd. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 35, S. 73 (Z 9. 1821). 381 Ebd. 1. Abtl. Bd. 53, S. 425 (nach 1816). Ebd. 2. Abtl. Bd. 5, 2. Abtl., S. 262. 383 Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 728 mit Anm. 295. 384 Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 1. Abtl. Bd. 44, S. 301 (1798). 385 Ebd. 2. Abtl.: Naturwissenschaftliche Schriften. Bd. 3, S. XI. 373 374

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fene Skizze einwenden läßt" 386 : Überdeutlich ist dieser Aspekt hier, wo er fortfährt, daß seine Aufgabe gewesen sei, in möglichster Kürze hinzuzeichnen. Nicht nur adjektivisch drückt sich dieser Bescheidenheitstopos aus: An lebendigen Darstellungen würden die Schauspieler weit mehr lernen, heißt es in Goethes Rezension von Ifflands „Almanach für Theater und Theaterfreunde auf das Jahr 1807", „als es hier durch mehr oder weniger kümmerliche Nachbildungen, Räsonnements, Aphorismen und Anekdoten geschehen kann"38-! Wenn man sich erst dem Substantiv zuwendet, dann ist es eindeutig, daß Goethes Begriffsverständnis vom Lehrbuch„Aphorismus" her abzuleiten ist. Klar hebt sich ja auch die erste Bedeutung des „Wörterbuches" ab, wohingegen das Unterscheidungskriterium für die beiden andern, das Abgeschlossene („in sich geschlossen") im Gegensatz zum Vorläufigen, Unfertigen („fragmentarisch"), nicht nur in der Abgrenzung untereinander, sondern auch in der Abgrenzung gegen die Lehrsatz-Bedeutung verwaschen und unbefriedigend bleibt. Goethe zitiert die wissenschaftlichen „Aphorismen" der Vergangenheit, Bacons388 und Boerhaaves389, wie die zeitgenössische Fachliteratur: „des jüngeren Hedwigs Aphorismen, an denen ich mich sehr erbaute" 390 , „Kiesers Aphorismen aus der Physiologie der Pflanze von 1808"391. So lassen sich auch die „Aphorismen über den Galvanism", die Goethe 1806 diktiert hat392, jetzt in ihrem semantischen Gehalt weit besser von der Ausweitung des wissenschaftlichen Begriffes her verstehen denn, wie im Wörterbuch vorgeschlagen, als kurze fragmentarische Notiz. Der frühe Beleg für den Wortgebrauch Goethes in einem Brief an Jacobi393 bezieht sich auf den „Ersten Entwurf einer allgemeinen Einleitung in die vergleichende Anatomie": Entwurf meint das, was bei Nudow Plan oder Ubersicht hieß. John bezieht sich darauf 394 , und in der Tat ergänzen unsere Beobachtungen von der Semantik des Begriffes her in idealer Weise, was er dort als „Die Geburt der Aphoristik aus dem Geiste der Naturwissenschaft" 395 entwickelt. Diese ,Ausweitung' greift aber über die Naturwissenschaften hinaus. Um polemische Bemerkungen zur Kunstgeschichte handelt es sich bei den kurzen aphoristischen Sätzen, die Goethe gegen Schadow und sein Prin-

386 387 388 389 390 3,1 392 393 394 395

Ebd. 2. Abtl.: Naturwissenschaftliche Schriften. Bd. 3, S. 144. Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 1. Abtl. Bd. 40, S. 170 (1807). Ebd. 2. Abtl.: Naturwissenschaftliche Schriften. Bd. 4, S. 19. Ebd. 1. Abtl. Bd. 27, S. 208; Dichtung und Wahrheit 1811/12. Ebd. 3. Abtl.: Tagebücher. Bd. 2, S. 291 (5. 5. 1800). Ebd. 2. Abtl.: Naturwissenschaftliche Schriften. Bd. 6, S. 251. Ebd. 3. Abtl.: Tagebücher. Bd 3, S. 115 (21. 1. 1806). Ebd. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 10, S. 232 (2. 2. 1795). John: Aphorismus und Romankunst. Eine Studie zu Goethes Romanwerk. 198^ S. 17 Ebd. S. 12-21.

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zip der natürlichen Wiedergabe in Standbildern notiert; hier wendet er den Begriff zum ersten Mal auf eigene Texte an. Sie finden sich unter der Uberschrift „Aphorismen, Freunden und Gegnern zur Beherzigung" für eine zweite Niederschrift396 nach 1801, die wohl als Druckmanuskript verwendet werden sollte, im Nachlaß 397 und wurden erstmals 1833 in der Ausgabe letzter Hand gedruckt398. Wenn damit der Ausgangspunkt und eine erste Phase in Goethes Gebrauch der Begriffe „Aphorismus" und „aphoristisch" bezeichnet sind, so stehen die 20er Jahre mit einer zweifachen Duplizität für eine zweite Entwicklungsstufe. Zaupers „Studien über Goethe", die 1822 gedruckt erscheinen, sind der Anlaß eines Briefwechsels, in dessen Verlauf Goethe mehrfach von den „Aphorismen" des Pilsener Poetikprofessors spricht399. Will Goethe damit zum Ausdruck bringen, sein Werk lasse sich durch die Ausführungen dieses Interpreten nicht erschöpfend, nicht ausführlich, nur angedeutet darstellen? Brieflich heißt es immerhin: „Der Werth derselben ist für mich höchst bedeutend" 400 , während in den „Tag- und Jahresheften" mit sanfter Herablassung vom „guten Zauper" 401 die Rede ist. Diese Deutung der Begriffswahl kann durch einen zweiten Fall über eine reine Vermutung hinausreichen. Am Anfang der Beziehung Eckermanns zu Goethe steht Goethes Tagebuchnotiz: „Eckermanns Aphorismen gelesen"402. Und Eckermanns „Aphorismen", das sind dessen „Beiträge zur Poesie mit besonderer Hinweisung auf Goethe", auf Grund derer er als Sekretär angestellt wird und deren erster Teil, numerierte Sätze und Absätze, 1823 im Druck erscheint403. Fassen wir Goethes Wirkung in einem mikroskopisch kleinen Bestandteil, wenn wir feststellen, daß beide von Goethes Begriff für ihre „Studien", ihre „Beiträge" geprägt sind, ja, ihn später übernehmen? Zaupers „Aphorismen über Literatur und Leben, veranlaßt durch Goethes Werke und ihre Beziehung darauf", werden 1824 in K. v. Woltmanns „Kranz" gedruckt404, seine „Aphoris-

Hecker (Hg.): Goethe: Maximen und Reflexionen. 1907, Nrr. 1064-1096. Goethe: Werke. Berliner Ausgabe. Bd. 18. 1972, S. 632ff. 3 9 8 Goethe: Werke. Ausgabe letzter Hand. Band 4, 1833. 3 9 9 Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 35, S. 73 (Z 9. 1821); Berliner Ausgabe. Bd. 16. 1964, S. 320, Tag- und Jahreshefte 1821; Weimarer Ausgabe. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 36, S. 15 (14. 4. 1822); ebd. Bd. 36, S. 122 (21. 8. 1822). 4 0 0 Ebd. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 37, S. 158 (6. 8. 1823). 4 0 ) Goethe: Werke. Berliner Ausgabe. Bd. 16. 1964, S. 320. 402 Tagebuch; Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 3. Abtl.: Tagebücher. Bd. 9, S. 57 4 0 3 Eckermann: Aphorismen. 1984, S. 16-34. 4 0 4 Zauper: Aphorismen über Litteratur und Leben, veranlaßt durch Goethes Werke und in Beziehung darauf. 1824. 396 397

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men moralischen und ästhetischen Inhalts, meist in Bezug auf Goethe" erscheinen 1840. Für Eckermann spricht sein Herausgeber Gilman von einem Wechselverhältnis, das auf die Zusammenarbeit beider in Goethes allerletzten Lebensjahren vorausweist. Die weitergehende Auffassung, daß „Eckermanns spätere Aphorismen [...] deutlich von Goethes eigener Auffassung über den Aphorismus beeinflußt" sind405, konnte Fricke aber durch die neue kritische Edition der „Maximen und Reflexionen" zurückweisen: „Umgekehrt sind die angeführten Texte Goethes ganz wesentlich den eigenen Auffassungen Eckermanns zu verdanken" 406 . Für Eckermann war, so Gilman weiter, sein „eigenes Verständnis von der Natur des Aphorismus und seine eigene Aphorismenproduktion [...] grundlegend zum Verständnis seiner Auswahlprinzipien und seines Umgangs mit Goethes ,Maximen und Reflexionen'" 40 ? Und: „Eckermanns Aphorismen kennzeichnen nun - auch wenn sie nicht vollständig zu den Modellen aus dem 18. Jahrhundert zurückkehren - den Versuch, diese Form als eine Art literarischer Kritik wieder aufleben zu lassen"408. Gilmans Feststellung: „Die ,Gespräche' sind eine Reihe von Aphorismen in klassischer Form, die in eine Dialogstruktur gekleidet ist"409, ist in unserem begrenzten begriffsgeschichtlichen Zusammenhang weniger wichtig als die Tatsache, daß der Begriff in einer letzten Phase bei Goethe einen entscheidend neuen Aspekt bekommt, und eben nicht nur in den „Gesprächen", sondern auch in gleichzeitigen Briefen. „Goethe empfing mich mit großem Lobe wegen meiner Redaktion der naturhistorischen Aphorismen für die Wanderjahre"410. Die Zusammenstellung der beiden Spruchsammlungen „Betrachtungen im Sinne der Wanderer" und „Aus Makariens Archiv", die Eckermann unter Goethes Anleitung aus ungeordneten Papieren vornimmt, steht unter diesem Begriff. 1831, als sich Eckermann ausführlich an die Redaktion der „Einzelnheiten" rückerinnert, heißt es: „Wir wurden einig, daß ich alle auf Kunst bezüglichen Aphorismen in einen Band über Kunstgegenstände, alle auf die Natur bezüglichen in einen Band über Naturwissenschaften im allgemeinen, sowie alles Ethische und Literarische in einen gleichfalls passenden Band dereinst zu verteilen 405

Gilman in: Eckermann: Aphorismen. 1984, S. 11. Den Wen der Beispiele, die Gilman hier gibt, schränkt allerdings Fricke entscheidend ein (Goethe: Sprüche in Prosa. Frankfurter Ausgabe. Band 13. S. 460f.). 406 Fricke: Gattungstheorie und Textedition (Goethe). In: Gattungstheorie und Gattungsgeschichte. 1990, S. 163. 407 Gilman in: Eckermann: Aphorismen. 1984, S. 10. 408 Ebd. S. 8. 409 Ebd. S. 13. 410 Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. 26. Aufl. 1975, S. 242 (15. 2. 1829).

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habe"411. Nichts kann uns veranlassen, hier Eckermanns eigenmächtige spätere Wortwahl zu vermuten. Uber die Reihe „Aus Makariens Archiv" heißt es, „daß diese Aphorismen ins Publikum treten"412. Goethe selbst benutzt den Begriff, der sich von seiner Tradition her anbietet. Er steht für die Integration, die Goethe seit den „Lehrjahren" in seinem Romanwerk intendiert: „Eine solche Verbindung von Aphonstik und Wissenschaft tritt im Werk Goethes nicht voraussetzungslos auf, vielmehr gehört sie gattungsgeschichtlich von Beginn an zu den bestimmenden Wesensmerkmalen des Aphorismus"413. Schon 1821 wollte Goethe einen „Auszug aus den Kollektaneen" dem Roman beifügen. Auch wenn die ersten veröffentlichten Aphorismen Goethes als literarisch zubereitete Hippokrates-Übersetzung414 aus dem Zusammenhang dieser Bestrebungen erwachsen und sich solcherart mit dem „Aphorismus "-Begriff verbinden, kommt er zunächst gewissermaßen nur latent zur Geltung. Zu stark herrscht in der Zeit der modische anthropologisch-moralistische Aspekt vor. Aus „Eigenem und Angeeignetem"415 entstehen die literarischen Kurzformen: Das akzentuiert von der Seite des schöpferisch weiterführenden Lesers her noch einmal den Rezeptionsaspekt. Einen „Auszug" will er dem Roman beifügen: Das Exzerpt- und Zitathafte tritt zum semantischen Umfeld des Begriffes hinzu. Zu dieser Konzeption Goethes, in der der „Aphorismus"-Begriff die entscheidende Nebenrolle spielt, fügt es sich, daß er „aphoristisch" in den späten Jahren ohne den Hauch eines Negativen gebraucht. Ein solcher ist schon 1822 nicht mehr zu erkennen, wenn er, wieder an Zauper, schreibt: „wenn Sie auch künftig was Sie fühlen und denken sogleich aphoristisch niederschreiben"416. An Zelter schreibt er im November 1825: „Deine Aphorismen dagegen habe ich mit Freuden auf- und angenommen"41? Wenn er in seinem Vermächtnis-Brief an den alten Freund schreibt: „Nun bitte ich aber: fahre fort, [...] die alten ewigen Naturmaximen [...] aphoristisch auszusprechen"418, spüren wir ganz im Gegenteil auch in dem Adjektiv etwas von der Bedeutung, die der Begriff in Goethes letzten Lebensjahren gewonnen hat419.

Ebd. S. 380 (15. 5. 1831). Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 45, S. 200 (19. 3. 1829). 4 , 3 John: Aphorismus und Romankunst. Eine Studie zu Goethes Romanwerk. 1987, S. 246. 4)4 Vgl. oben S. 33. "is Hecker (Hg.): Goethe: Maximen und Reflexionen. 1907, S. 15-29, 3 0 - 3 9 . 416 Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 36, S. 122 (21. 8. 1822). 417 Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe. 4. Abtl.: Briefe. Bd. 40, S. 140 (26. 11. 1825). Ebd. Bd. 49, S. 268 (11. 3. 1832). 419 Kommt hier darüber hinaus möglicherweise etwas Doppeltes zum Ausdruck: daß sich mit den von Goethe bevorzugten „Maximen" eine inhaltliche Bestimmung, mit „Aphorismus" aber eine eher formale verbindet? 411

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„Die Luft in Weimar war energetisch geladen; zur Aphoristik fühlten sich viele gedrängt". In diesen Kontext, der sich uns allein im Verweis auf Ekkermann, Zelter und Zauper schon verifizierte, stellen die Herausgeber „die aphoristischen Notizen zur Sprache" 420 von Goethes Sekretär, Mitarbeiter und Gesprächspartner Friedrich Wilhelm Riemer. „Sein Interesse an prägnanten Sätzen und Aphorismen" hat einen umfangreichen Nachlaß aus Exzerpten, Zitaten, Sentenzen zur Folge, die nicht nur kommentiert werden („Bravo, guter Lichtenberg"421), sondern auch zu eigenen „aphoristischen Notizen" führen. Ein begriffsgeschichtlich relevantes Datum läßt sich in diesem Zusammenhang freilich erst 1841 und 1846 nachweisen, wenn Riemer in den „Mitteilungen über Goethe" „Tischreden und Aphorismen. 1804" und im Anhang zu Goethe-Briefen „Aphorismen und Brocardia" 422 aufzeichnet. (Unter den seltenen Begriff „Brocardia" faßt er nicht im engen Sinne Rechtsregeln, sondern in einem weiteren Sinne, „was G. sonst noch an beliebten Maximen, Sentenzen, sogenannten Kern-, Waid- und Wahlsprüchen, Devisen, Sprüchwörtern und Anspielungen im Leben anzubringen die Gewohnheit hatte" 423 .) Ihre Zuordnung ist, was die geistige Urheberschaft und die schlagende Formulierung betrifft, im Einzelfall schwer zu entscheiden424. Man spürt Riemers Bemühen um begriffliche Korrektheit förmlich, wenn er seine Sammlung innerhalb des Buches als „Aphorismen, Maximen und Reflexionen" bezeichnet - wer alle Begriffe nebeneinander stellt, kann nichts falsch machen - und wenn er im Vorwort Goethes Äußerungen mit einem gewissen Vorbehalt, aber eben dann doch (durch Börne, Varnhagen, Feuchtersieben ist die Entwicklung des Begriffes vorangetrieben worden) „unter dem generellen Namen Aphorismen" 425 mitzuteilen sich entschließt.

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Pörksen: Friedrich Wilhelm Riemer als Autor aphoristischer Notizen zur Sprache und als linguistischer Gesprächspartner Goethes. In: Goethe-Jahrbuch 102, 1985, S. 34-67, hier S. 62. Ebd. S. 52. Briefe von und an Goethe. Desgleichen Aphorismen und Brocardia. Hg. von Friedrich Wilhelm Riemer. 1846, S. 2 7 5 - 3 8 2 . Riemers Herausgeber Pollmer faßt sie mit anderen Äußerungen als „Tischreden und Aphorismen 1803-1832" zusammen: Friedrich Wilhelm Riemer: Mitteilungen über Goethe. Auf Grund der Ausgabe von 1841 und des handschriftlichen Nachlasses hg. von Arthur Pollmer. 1921, S. 2 4 6 - 3 6 8 . Riemer (Hg.): Briefe von und an Goethe. 1846, S. 365. Pörksen: Riemer als Autor aphoristischer Notizen. 1985, S. 64. Riemer (Hg.): Briefe von und an Goethe. 1846, S. 277

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VI. Der „Aphorismus"-Begriff in Literaturwissenschaft, Literaturgeschichte und Wörterbuch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Wenn wir festzustellen meinen, daß sich die Gattung um die Wende zum 19. Jahrhundert allmählich herausbildet, so ist das zunächst ein geschichtliches Konstrukt. Es gibt in der Zeit kein Gattungsbewußtsein und also auch weder einen einheitlichen Begriff noch überhaupt das Bedürfnis dazu. Dieser Tatsache wird die Literaturwissenschaft heute nicht nur für die literarische Praxis Lichtenbergs gerecht, sondern etwa auch in der Einschätzung der gattungstheoretischen Ansätze Herders. Aber auch die am Begriff orientierte Forschung hat, erst recht, wo sie seine Anfänge in Literaturkritik und -Wissenschaft sucht, den onomasiologischen Aspekt zu beachten, dieser Ausgangslage entsprechend wiederum zunächst ihren Blick gewissermaßen auf das Revers zu richten, darauf also, wie in den Anfängen die Sache umschrieben wird. Nur so kann die ebenso allmähliche Herausbildung einer Gattungsterminologie ja überhaupt nur beobachtet werden. Das Uneinheitliche einer Ubergangszeit bestimmt dabei auch die Begriffsgeschichte in der zeitgenössischen Literaturwissenschaft und in Wörterbüchern und Lexika bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Dabei ist deren heuristischer Wert sehr unterschiedlich. Während Poetiken, Literaturgeschichten, Rezensionen Auskunft geben können über den Stand der Begriffsverwendung und -reflexion und eigenständige Zeugnisse von großer Bedeutung sind, gilt das für Wörterbücher und Lexika nur in selteneren Fällen und in sehr eingeschränktem Maße. In der Frage, ob die Wörterbücher ihre Begriffsbestimmung von den Autoren oder die Autoren ihre Begrifflichkeit aus den Wörterbüchern nehmen, ob also diese vornehmlich präskriptiv oder deskriptiv orientiert sind, kann man nur dort zu einer eindeutigen Entscheidung kommen, wo sie ausdrücklich zitieren; man muß also in der Regel höchstwahrscheinlich von einer Interdependenz ausgehen. Im ganzen zeigt sich aber, daß sie meist, deskriptiv vorgehend, nicht mehr als einen zusätzlichen expliziten Beleg für die aus den primären Quellen schon bekannten Fakten darstellen. Nicht ohne Grund ist schon Mautner hier zurückhaltend; er sei „grundsätzlich gewiß nicht der Meinung, auf Wörterbuchdefinitionen könnten bedeutungskundliche Untersuchungen aufgebaut werden", schreibt er eingangs seines bahnbrechenden Aufsatzes von 193 3426. Neben ihm427 426

Mautner: Der Aphorismus als literarische Gattung. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 25. « 7 Ebd. S. 26f.

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haben Schalk 1933428, Stackelberg 1959429 und Cantarutti 1986430 Vorarbeiten auf diesem Teilgebiet geleistet. Von Herders ^Phänomenologie' des ,Aphorismus"'431 nehmen Neumanns „Ideenparadiese" ihren Ausgang, Knauff sieht in den „Denkbüchern", die Herder fordert, gar „die Geburtsstätte des Aphorismus in Deutschland"432. Lange vor Herder freilich bietet Lessing an wenig prominenter Stelle, einer Rezension von J. J. Ewalds „Gedanken" 1754 in der Berlinischen Privilegierten Zeitung, Überlegungen, die sogleich ins Grundsätzliche zielen und damit in unserem Zusammenhang höchst aufschlußreich sind: „Die Art durch einzelne abgesonderte Gedanken ein Schriftsteller zu werden, scheinet leichter zu sein, als sie in der Tat ist. Da sie sich der Mühe der Einkleidung überhebt, so gibt sie uns ein Recht, in dem Wesentlichen dessen, was vorgetragen wird, einen desto größern Grad der Vollkommenheit zu erwarten. Vornehmlich müssen alle ihre Gedanken neu und nicht gemein sein, weil alte und gemeine Gedanken nur bei dem Ausfüllen, und bei Verfolgung einer Materie erträglich sind. Ja diese neue Gedanken müssen auch mit neuen Wendungen vorgetragen werden, und eine gewisse sinnreiche Kürze haben, um auch dadurch den Namen Gedanken zu verdienen, daß sie dem Leser zu mehr und mehr Gedanken Anlaß geben"433.

„Einzelne abgesonderte Gedanken", „Mühe der Einkleidung": Die Ausgangspunkte von Lessings Überlegungen sind das Unverbundene einerseits, das Wesentliche, Kernhafte als das Uneingekleidete andererseits. Eine Parteinahme dabei vermeidet er; er spricht auf der einen Seite von der - anscheinenden (und scheinbaren) - Leichtigkeit solchen Schreibens, andererseits aber auch von der Mühe der Einkleidung. In „Verfolgung einer Materie" als Gegenbegriff zum Abgesonderten schimmern Aspekte des Kontinuierlichen und auch des Systematischen durch. Der zentrale Gedanke in der Kritik solcher Schreibart ist für ihn der des „Neuen und nicht Gemeinen". Entscheidend wichtiger als neue Inhalte sind dabei formale Innovationen: neben der „sinnreichen Kürze" vor allem „neue Wendungen". Das die Kürze spezifizierende Attribut „sinnreich" hieß in ganz

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Schalk: Das Wesen des französischen Aphorismus. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 76f. Stackelberg: Zur Bedeutungsgeschichte des Wortes Aphorismus. Wiederabdruck in: Aphorismus WdF, S. 209-225. Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 72-74. Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 14. Knauff: Lichtenbergs Sudelbücher. 197^ S. 17 Lessing: Sämtliche Schriften. 5. Band. 1890, S. 419-420 (= Werke. Bd. 3. 1972, S. 214f.). Für Lessing ist der Bezug zur Gattungsgeschichte vergleichsweise noch erst zart angedeutet, aber er ist gesehen worden: Der Herausgeber verweist im Sachverzeichnis unter „(Aphorismus)" auf diese Stelle.

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anderem Zusammenhang und doch in ähnlichem Sinne bei Nudow „vielumfassend", bei Gottsched „spruchreich". Diese ästhetischen Forderungen bilden - gemeinsam mit dem Gesichtspunkt der potentiellen aktiven Rezeption - die Mitte von Lessings Begriffsvorstellung, denn schließlich sind sie es ja, durch die sich irgendwelche Gedanken den Namen „Gedanken" erst verdienen. Wenn Lessing diesen Begriff zunächst in allgemeinem Sinne verwendete, so äußert sich hier im ausdrücklichen Bezeichnen ein spezifischeres terminologisches Bewußtsein. An anderer, versteckterer Stelle wird der Begriff der „Bemerkungen" bemüht, um „eine neue Methodik des Denkens" 434 zu bezeichnen, die „dem Systematismus der Schulphilosophie und der schulmäßigen Abhandlung"435 entgegensteht und in der „Erregung des Selbstdenkens"436 ihre wesentliche Intention sieht. Genau der Begriff der „Gedanken" ist es auch, um den Herder in diesem Zusammenhang unter anderem kreist. Seine „rhapsodischen Gedanken" in „Spruch und Bild, insonderheit bei den Morgenländern" von 1792437 nennen als Synonyme Ideen 438 , Grundsätze, „Lebensregeln"439 und Sentenzen, Herder spricht aus der gnomischen Tradition heraus von Apophthegmen und aus der Kenntnis der Franzosen von Maximen, meist aber allgemein eben von Sprüchen; von Aphorismen spricht er nicht. Seine Konzeption zeigt eine Nähe zum Gattungsbegriff, ohne mit ihm schon identisch zu sein. Sprüche sind ihm „gleichsam das ganze Resultat des beobachtenden menschlichen Verstandes; nur man muß Verstand haben, ihren Verstand zu fassen, und Gefühl haben, die Schönheit ihres Ausdrucks zu fühlen" 440 . Resultat und Beobachtung, Verstand und Schönheit des Ausdrucks, dazu die Bedeutung der Rezeption: in dieser Definition sind zweifellos wesentliche Merkmale des Aphoristischen enthalten. Aber Herder,schneidet' seine Gattung anders. Keine Grenze zieht er zum „poetischen", also gereimten Spruch, keine Grenze zieht er zum herausgelösten Zitat, zu Apophthegmen und „Sprüchwörtern", aber eine klare Grenze zieht er unausgesprochen zum ,unpoetischen', weil wissenschaftlichen Lehrbuch-„Aphorismus". Das erhellt nicht nur aus den Synonymen, sondern auch aus der Traditionsreihe, die er nennt. Unter den Vorläufern der Gattung, wie er sie versteht, finden sich Salomon und So-

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Pikulik: Lessing als Vorläufer des frühromantischen Fragmentarismus. In: Streitkultur. Strategien des Uberzeugens im Werk Lessings. 1993, S. 4 2 8 - 4 3 5 , hier: S. 429. Ebd. S. 430. Ebd. S. 431. Herder: Sämtliche Werke. 16. Bd. 188^ S. 9 - 2 Z Vgl. die „Ideen" Einsiedels, die Herder überliefert. Vgl. oben S. 58. Herder: Sämtliche Werke. 16. Bd. 188^ S. 23. Ebd. S. 9f.

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Ion, Seneca und Epiktet, auch Bacon und Erasmus als „Vernunft-, Sprach- und Sittenlehrer"441, dazu von den Deutschen unter anderen Logau, Geliert und Lessing, nicht aber Hippokrates, von dem aus sich die Verbindung zum zeitgenössischen „Aphorismus" ergäbe. Zehn Jahre später, im zweiten Band der „Adrastea" von 1801 (1802), führt Herder seine Vorstellungen weiter und spezifiziert sie. Im vierten Stück „Lehrgedichte" definiert er klassisch, indem er zu einem Oberbegriff („eine Sammlung von Bemerkungen und Lehrsprüchen"442) eine differentia specifica („in ein Sylbenmaas gebunden") entwickelt. Besondere Aufmerksamkeit weckt das dritte Stück, das eben solche - ungereimten „Bemerkungen und Lehrsprüche" behandelt. Unter dem Titel „Gedanken (pensees), Maximen" heißt es nach kurzer Zusammenfassung der „Sprüche"-Literatur: „Die Pensees und Maximes indessen, die unter Ludwig 14. eine eigne Gattung von Schriften wurden, waren von einer andern Art"443. Herders kritische Beurteilung hebt das Pointierte, Kurze, Sinnreiche heraus und bedient sich einer reichen Metaphorik, die schon zentrale Merkmale des Aphoristischen erfaßt. Er vergleicht solche „Gedankenvorräthe" - pensee, Vergißmeinnicht - mit verschiedenen Blumen, aber auch mit „Cedern von Gedanken; ja warum sollte man Einige derselben den Elementen der Welt, dem Feuer, der Lebenslust, den Winden nicht vergleichen? Sie stärken und entzünden; glühende Funken, Samen der Erkenntniß, Fermente des Lebens. In Einem Samenkorn liegt oft ein System, eine Wißenschaft, wie ein Baum mit allen seinen Zweigen"444. Vielerlei Vorbehalte äußert Herder, angefangen von falschem Glanz und fehlender Wahrheit, fordert strenge Diät beim „Lesen abgerißener, hingestreueter Gedanken"445, mahnt: „Endlich bei der Jagd fremder Gedanken laßet uns auf der Hut seyn, daß wir unsre eigne darüber nicht verlieren"446 und urteilt insgesamt eher ethisch als ästhetisch. Der Rezeptionsaspekt wird alternativ formuliert (entweder fremden Gedanken nachjagen oder eigene haben) und das Lesen solcher „Gedanken" dadurch mit dem Akzent eines sekundär Passiven versehen. Lessing begegnet dieser möglichen Gefahr in der dialektischen Reflexion des gleichen Phänomens (sie müssen den Namen „Gedanken" auch dadurch verdienen, daß sie dem Leser zu immer mehr Gedanken Anlaß geben) da in vorausweisenderer Form. Während in einem weiteren Sinne und in abgrenzender Absicht auf den Begriff der „Wälder", „Silvae", verwiesen werden muß, unter dem Her441 442 443 444 445 446

Ebd. S. 26. Herder: Sämtliche Werke. 23. Bd. 1885, S. 241. Ebd. S. 233. Ebd. S. 236f. Ebd. S. 238. Ebd. S. 240.

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der ohne Ordnung aneinandergefügte Materialien sammelt, bleibt es, streng auf den Begriff bezogen, auch bei ihm noch beim Zitat der Titel von Pascal und La Rochefoucauld, wie sie die Überschrift des Artikels bietet. Hier weisen Überlegungen, die sich bei Brandes und Bouterwek finden, stärker in die Zukunft. Ernst Brandes' Vauvenargues-Rezension447 betont wie Herder die Bedeutung der - noch vage verstandenen - Gattung für das Denken, Handeln, Urteilen der Menschen. Hieß es dort: „Je mehr eure Denkart die Denkart andrer wird, desto mehr berichtigen, stärken und verfeinen sich gerechte, gütige, edle Menschengedanken: das Richtmaaß ihrer Urtheile wird einstimmiger und gerader, die Bleiwaage ihrer Handlungen sicherer und feiner" 448 , so hier kurz und apodiktisch: „Der Mensch bedarf kurzer Sätze, faßlich und eindringend vorgetragen, zum Leitfaden in Bestimmung seiner Gefühle, zum Urtheilen, ja zum Handeln" 449 . Brandes nähert sich Vauvenargues in Abhebung von Pascal und La Rochefoucauld, eben den beiden Kronzeugen Herders, und er zieht z. T. auch dieselben älteren Zeugen heran, führt aber darüber hinaus weiter. Er spricht nicht nur von Reflexionen und Maximen, von Betrachtungen oder Bemerkungen, Begriffen, die er den unlängst erschienenen Werken von Klinger und Lichtenberg entnehmen kann, er spricht auch von „moralischen Aphorismen" 450 , verklammert damit die ältere französische Moralistik und die zeitgenössische deutsche populärwissenschaftliche Literatur der Menschenkunde und knüpft die Anfänge der deutschen Aphoristik genau hier an: „Daß Hr. v. Klinger die Maximen bey uns Deutschen wieder zu Ehren brachte, werden wir [...] ihm schon zum großen Verdienst anrechnen"451. Nebeneinander stehen bei Brandes die aus dem Gegenstand der Rezension zu erklärende Gattungsbezeichnung „Maxime" und die Bezeichnung des Stils als „aphoristische Schreibart"452. Deutlich sieht man hier, daß der Begriff von seiner adjektivischen Verwendung her auf dem Weg zur literarischen Gattungsbezeichnung ist. Das exakt ist ja Platners Ausdruck, und in solcher „Schreibart" läßt sich zunächst einmal jenseits der Unterscheidung von Wissenschaft und schöner Literatur leicht Gemeinsames finden. Friedrich Bouterwek hat nicht nur als Verfasser von „Aphorismen" eine gewisse Beachtung verdient, sondern vor allem auch als Literarhistoriker

Göttingische Gelehrte Anzeigen Nr. 21 v. 5. 2. 1807, S. 201-207 Herder: Sämtliche Werke. 16. Bd. 188^ S. 26. 4 4 9 Göttingische Gelehrte Anzeigen Nr. 21. v. 5. 2. 1807, S. 204. 4 5 0 Ebd. S. 203. 451 Ebd. S. 204. 452 Ebd. S. 207 447 448

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und Autor einer „Geschichte der Poesie und Beredsamkeit seit dem Ende des XIII. Jahrhunderts", in deren Band VI aus demselben Jahr 1807 er auf La Rochefoucauld zu sprechen kommt. Bei ihm erkennen wir eine ähnlich umfassendere Bedeutung des Adjektivs gegenüber dem Nomen, wenn er, auf die nämlichen beiden Franzosen bezogen, sagt: „Beide geistreiche Männer liebten das Energische und das Aphoristische in der Mittheilung ihrer Reflexionen" 453 . Er hat stärkste Vorbehalte gegenüber der Einseitigkeit der „Grundsätze" und „Betrachtungen" von „Aphorismen": „Zur Cultur der w i s s e n s c h a f t l i c h e n P r o s e konnte indessen ein solcher Styl, in welchem der Verstand die Sprache des Witzes redet, nur wenig beitragen. Er konnte dem wissenschaftlichen Ernste sogar nachtheilig werden, wenn er gute Köpfe verwöhnte, einen schneidenden Einfall für ein philosophisches Urtheil, und eine Reihe von Aphorismen, in denen ein gewisser Grundsatz auf verschiedene Art angewandt wird, für eine gründliche Abhandlung zu halten" 454 .

Gerade unter dem Begriff des „Aphoristischen" sieht Bouterwek hier jenseits der späteren Unterscheidung in Moralistik als Literatur und in Philosophie und also Wissenschaft eine auf dem Bemühen um Menschenkenntnis beruhende Gemeinsamkeit. Das hindert ihn nicht, diese „Aphorismen" als schöne Literatur gegen den „wissenschaftlichen Ernst" abzugrenzen und sich gegen Esprit, „Einfall" und „Witz" auf die Seite des „philosophischen Urteils" zu stellen. Johann Joachim Eschenburgs „Entwurf einer Theorie und Literatur der schönen Wissenschaften" kommt, genau wie Herder, in fünf Auflagen zwischen 1783 und 1836 ohne den Begriff aus. Anders als Herder aber nähert sich Eschenburg dem Aphorismus von der fachwissenschaftlichen Bedeutung her. Er rubriziert innerhalb der Rhetorik u. a. die „dogmatische Schreibart", nämlich Abhandlungen oder Lehrbücher, und unterscheidet hier eine analytische und eine synthetische Methode: „Die synthetische [Methode] hingegen schickt sich mehr für den Unterricht", „sie macht mit allgemeinen und vielbefassenden Sätzen den Anfang, und leitet daraus die in ihnen enthaltenen einzelnen und besondern Sätze her" 455 . Als Autoren zu dieser Gattung „vielbefassender Sätze" - „vielumfassend" hieß es bei Nudow - begegnen uns so unterschiedliche Namen wie die französischen Moralisten, Geliert, Lessing, Lichtenberg (mit seinen Aufsätzen) und dazu Platner, ein weiterer Baustein dafür, daß die Zeitgenossen dessen Werk keineswegs als wissenschaftlich aus der literarischen Betrachtung ausschließen456.

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Bouterwek: Geschichte der Poesie und Beredsamkeit. Bd. VI. 180^ S. 258. Ebd. S. 259. Eschenburg: Entwurf einer Theorie der Literatur und der schönen Wissenschaften. 1805, S. 358. Vgl. Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). 1986, S. 68-70, die auch Eschenburgs Begriff des Dogmatischen erläutert.

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Auch Karl Julius Webers populärer „Demokritos" (1832-35) streift die Sache mehrfach, so als „Breviloquenz"45? wobei von Bonmotisten und Lakonismen die Rede ist. So eigenwillig seine Definition der „Lebensweisheit" sein mag, so willkürlich seine Auswahl an Autoren: neben Pockels, Knigge und den Franzosen fehlt auch Graciän in diesem Zusammenhang nicht458. Eine wichtige Gattungserörterung ohne den Begriff, die die Ansätze von Brandes aufgreift, freilich ohne sich auf ihn zu beziehen, stellt die 1842 Klingers „Sämtlichen Werken" beigegebene Lebensskizze dar459. Der anonyme Verfasser spricht von einer „Brücke [...] zwischen ästhetischer und Weltbildung"460, und diese Brückenfunktion zwischen Erfahrung und Verstand einerseits und der Bewährung als „das ästhetische, künstlerische Talent"461 andererseits führt er im folgenden aus. „Immer gilt das Gesetz der Klarheit, der Kürze, der Prägnanz, der Abwechslung, der Neuheit des Inhalts - oder der Darstellung"462. Den „Mangel nämlich an eleganten, geistvollen Moralisten"463 in Deutschland habe Klinger auszugleichen versucht; sein Ideal sei „das Produkt hoher Poesie im Herzen, und kalter, philosophischer, selbstgemachter Erfahrung und Menschenkenntniß im Kopfe"464. Das Ästhetische ist akzentuiert („Neuheit [...] der Darstellung"), das Integrative einer solchen Brücken-Gattung noch ohne Namen und ohne eine solche Etikettierung fordernde Tradition in Deutschland wird geradezu klischeehaft deutlich (Kopf - Herz, Philosophie - Poesie). Vereinzelte, tastende, unsichere Versuche der Begriffsverwendung: mehr bieten die deutschen Poetiken und Literaturgeschichten in der ersten Jahrhunderthälfte nicht. Von Zaupers „Aphorismen" war schon „in bezug auf Goethe" die Rede. Für Laube, der in seiner „Geschichte der deutschen Literatur" bei Lichtenberg ein „Hauptbuch" vermißt, ist das Aphoristische negativ besetzt: „All diese satirischen Ausfälle [...] sind über das Aphoristische von Ein- und Ausfällen nicht hinaus gekommen"465. In späteren

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Weber: Demokritos. Band 6. 1927, S. 169-185: Das Bonmot und die Breviloquenz. Weber: Demokritos. Band 5. 192^ S. 167 «» Klinger: Sämtliche Werke. Bd. 12. 1842, S. 261-400. 460 Ebd. S. 301. 461 Ebd. S. 302. 462 Ebd. 4 « Ebd. S. 304. 464 Ebd. S. 305. Der Verfasser mag damit an den Gegensatz von coeur und esprit im moralistischen Leitbild des honnete homme anknüpfen. 465 Laube: Geschichte der deutschen Literatur. Bd. 1. 1839, S. 197 „Unvollkommen und aphoristisch" heißt es bei Friedrich Ludwig Lindner 1814 (zit. nach: Dt. Fremdwörterbuch. 2. Aufl. 2. Bd., S. 56), „die Darstellung kann natürlich nur eine aphoristische sein" in Helmuth von Moltkes „Wanderbuch" (ebd.). 458

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Erinnerungsbüchern reflektiert er dessen Funktion im dramatischen Kontext vom Defizitären her kurz („Schleich hatte seine ,Punsch'laune in die loseste Lustspielform eingeführt. Das war nur ein wenig gar zu sehr aphoristisch geschehen"466; „Seine kleinen Stücke sind wirklich eine Weiterbildung dieser aphoristischen Form, welche gleichsam nur anfragt"467), verbindet es mit Witz („Sein Talent hat eine kurz witzige Neigung zum Aphoristischen"468) und Andeutung („Aber aphoristisch blieb er [Grillparzer] auch da, höflich, zurückhaltend"469) und zeigt im übrigen einen höchst unverbindlichen Wortgebrauch, wenn er sogar noch die in die Form der Psalmen gekleideten „Klagen eines Juden" von Johann (Joel) Jacoby (1837) als „Aphorismen sentimentalen Geistes"470 bezeichnet. Bei Hillebrand und Barthel begegnet das Adjektiv zwar wohlwollendneutral, aber auch lediglich unverbindlich erläuternd („die aphoristischen Einfälle"471, „in aphoristischer Weise"472), das Nomen aber in ebenso unsicherer Verwendung (bei Barthel noch in der Auflage von 1870, wo er von den „geist- und gemüthvollen Aphorismen"473 in Bauernfelds „Poetischem Tagebuch" spricht). Gleichzeitig ist in gattungsbezeichnender Absicht von „Fragmenten" (zu Fr. Schlegel) oder „Notamina" (zu Lichtenberg) die Rede. Ahnlich verwendet es Spazier in seiner Jean-Paul-Biographie 1833: „So entsprang schon damals und daher jenes Aphoristische seiner Kenntnisse, das ebenfalls überhaupt Dichter besonders erben"474. In Bohtz' und Vilmars Literaturgeschichten hingegen begegnet der Terminus nicht nur sachlich neutral, sondern auch schon in der Form eines gattungsbezeichnenden Nomens unter anderen für die kurzen Texte der Romantiker. Bohtz bezeichnet Schlegels Kurztexte als „Aphorismen"475, später auch als „Fragmente"476, Vilmar übergeht Lichtenbergs „Bemerkungen" ganz, spricht hingegen von den „abgerißenen Sentenzen" Novalis' und der großen Wirkung, „welche gerade diese Sentenzen und Aphorismen hervorgebracht haben"477 Querverbindungen zu England, wo

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Laube: Ausgewählte Werke. Bd. 5. 1906, S. 138 (Zuerst in: Das Burgtheater. 1868). Ebd. S. 175. Ebd. S. 248. Ebd. Bd. 8. 1906, S. 207 (Zuerst in: Erinnerungen. 1875). Ebd. Bd. 8. 1906, S. 321. Hillebrand: Die deutsche Nationalliteratur. 3. Theil. 1846, S. 259. Barthel: Die deutsche Nationalliteratur der Neuzeit. 1850. Zit. nach der 6. Aufl. 1862, S. 13. Barthel: Die deutsche Nationalliteratur der Neuzeit. 8. Auflage. 1870, S. 565. Spazier: Jean Paul Friedrich Richter. 1. Band. 1833, S. 104. Gerade diesen Satz exzerpiert Raabe - selbstbezüglich? - (Raabe: Sämtliche Werke. Ergänzungsband 5. 1994, S. 518). Bohtz: Geschichte der neuern deutschen Poesie. 1832, S. 325. Ebd. S. 326. Vilmar: Geschichte der deutschen National-Literatur. 1845. Zit. nach 6. A. 1856, S. 676.

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John Stuart Mill 1837 „den ersten ausdrücklichen Versuch einer Definition des Aphorismus als Kunstform unter dem Namen ,aphorism'" 478 unternommen hat 479 , sind in den deutschen Literaturgeschichten und Ästhetiken, auch nach der Ubersetzung von „Uber Aphorismen" in Mills „Gesammelten Werken" von 1874480, nicht und später nur ganz vereinzelt nachzuweisen481. Die „Aphorismen und Sprichwörter aus dem 16. und 17 Jahrhundert", die Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1844 herausgibt482, ragen in ihrer Bedeutung für die Begriffsgeschichte des Aphorismus, nicht nur ihres Titels wegen, hervor. Diese frühe wissenschaftliche Unternehmung im Umfeld von Gattung und Begriff wurde von der Forschung übersehen; nur Walter von Hauff hat den Titel offenbar rezipiert483. Während Zincgrefs Apophthegmata-Sammlung von 1653484 in der „umfassenden Auswahl" Guttensteins 1835 unter dem Titel „Scharfsinnige Sprüche der Teutschen, Apophthegmata genannt" firmiert485 und sich des modernen Begriffes für eine nur ähnliche, aber nicht identische Sache auch sonst enthält, benutzt Hoffmann gerade ihn auch in den Einleitungen zu den einzelnen Autoren. Er bleibt dabei in der von Herder vorgezeichneten Bahn, ununterschieden von Apophthegmen, Sprichwörtern und Aphorismen zu sprechen, verwendet aber jetzt anders als dieser an prominenter Stelle „Aphorismus" und gibt damit ein wichtiges Indiz dafür, wie der Begriff ab 1840, noch unscharf gefaßt und vornehmlich nur erst in der Spezialliteratur, in die Literaturwissenschaft einzusickern beginnt. Von Samuel Butschky (1612-1678) sammelt er „Parabeln und Aphorismen": „Die Gedanken sind der Seelen Flügel; sie kann damit als Noahs Täublein auf einen Oelbaum fliegen und ein Zweiglein abbrechen, oder wie der Rabe auf ein Aas fallen und sich verunreinigen"486. Und Johann Riemers „Apophthegmatischer Vormund" von 1687J „woraus nachfolgende Aphorismen mitgetheilt werden"48^ ist 478 Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 24. Vgl. Horstmann: Der englische Aphorismus. In: Poetica 15, H . 1/2, S. 57 479 480 481

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Westminster Review 26, 1837, S. 348ff. Mill: Gesammelte Werke. 10. Bd. 1874, S. 3 9 - 4 3 . Richard Münzer gibt statt eines Vorwortes zu seinem Aphorismenband einen Abschnitt aus Mills „Über Aphorismen" wieder (Münzer: Tausend und Ein Aphorismus. 1914, S. 5 - 8 ) . Hoffmann (Hg.): Aphorismen und Sprichwörter aus dem 16. und 17 Jahrhundert. 1844. Hauff: Vorrede, in: Nacht: Pflugschar und Flugsame. Aphorismen und die Aphoristik. 1922. S. 12. Zincgref: Gesammelte Schriften. Bd. 2. 1993. Zinkgref: Scharfsinnige Sprüche der Teutschen. 1835. Hoffmann (Hg.): Aphorismen und Sprichwörter aus dem 16. und 17 Jahrhundert. 1844, S. 93. Ebd. S. 127

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für Hoffmann „die älteste Sammlung von deutschen Aphorismen" 488 überhaupt. „Klugheit. - Die Klugheit selbst ist ein bekanntes W o r t ; aber wenn die Sache selbst so bekannt wäre, sollten die närrischen Leute nicht so in großen Haufen erscheinen" 4 8 9 . „Urtheil. - Wer sich an des Pöbels Urtheil kehret, der bestellet einen Tauben z u m C a pellmeister, einen Blinden z u m Feldmesser, und einen Hinkenden z u m Tanzmeister" 4 9 0 . „Sünde. - Die Sünde ist wie eine verkehrte Pyramide, sie fanget spitz und subtil an, und gehet immer stärker und gröber zu" 4 9 1 .

Dieses Zeugnis kann in seiner Vereinzeltheit sicher nur wenig über die Begriffsverwendung Mitte des 19. Jahrhunderts allgemein aussagen. Andererseits spricht auch nichts dafür, es nur einer individuellen Unsicherheit zuzuschreiben. Ein Hochschullehrer und Literarhistoriker ist es, der diese Gattungseinordnung unter solcher Terminologie vornimmt. Riemer differenziert hier zwischen Sache und Wort, Sein und Schein, Indikativ und Konjunktiv, er rekurriert auf Erfahrung, besteht auf eigenständigem Urteil, verdeutlicht diesen Gedanken durch eine Bildreihung, verselbständigt einen eigenwilligen Vergleich: Es ist auch heute noch eine Überlegung wert, ob die herkömmliche Sammelbezeichnung „Apophthegma" nicht mehr Probleme birgt als Hoffmanns Lösungsversuch, der in einem sehr uneinheitlichen Chor nicht mehr und nicht weniger als eine, wenn auch eine für uns besonders bemerkenswerte, Stimme darstellt492. Die Interpretation der Uneinheitlichkeit als eines allmählichen Wandels, wie wir sie am Beispiel Hoffmanns gegenüber Herder darlegten, ist nicht nur auf dem Hintergrund der Begriffsverwendung der Schriftsteller selbst, etwa Feuchterslebens gegenüber Klinger, gerechtfertigt, sie wird auch von den Wörterbüchern und Enzyklopädien der Zeit eindrucksvoll gestützt. Dabei sind diese, vom Genre her ohne weiteres zu erklären, konservativ

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Ebd. S. 128. E b d . S. 136. Ebd. S. 137 Ebd. S. 145. Auch Verweyen hat das Problem der Gattungszuordnung von Riemers „Apophthegmatischem Vormund" schon gesehen. E r zählt ihn „eher z u m Gattungsschrifttum der E m blematik" (Verweyen: Apophthegma und Scherzrede. 1970, S. 148). U n d in eine überraschende N ä h e z u m Aphorismus k o m m t das Apophthegma mit seinem poetologischen und seinem kognitiven Aspekt, zumal bei Bacon, in Neumanns Konzeption; vgl. N e u mann: Ideenparadiese. 1976, S. 4 2 - 4 8 . - Einer Überprüfung wert wären in diesem Z u sammenhang die Verbindungslinien, die Forssmann von Graciän zu Butschky und Riemer zieht, auch wenn er die Vermutung, Butschky habe Graciän gekannt, zurückweist; vgl. Forssmann: Baltasar Graciän und die deutsche Literatur zwischen Barock und Aufklärung. 1977, S. 116 und 318.

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in dem Sinne, daß sie den Begriff lange eng im Rahmen der Wissenschaft verstehen, so wie es der „Zedier" vorgegeben hat 493 . In der „Deutschen Encyclopädie" von 1778 wird „Aphorismus" erklärt als „kurze Sätze, welche ohne äusserliche Verbindung niedergeschrieben sind, und in denen eine Wissenschaft vorgetragen wird"; es handle sich „um eine kurze und abgebrochene Schreibart, in welcher die meisten Gedanken nur halb gezeigt, und oft ohne in die Augen fallende Ordnung hingeworfen werden" 494 . Karl Philipp Moritz' „Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache" (1793) will fremdsprachige Wörter durch deutsche Entsprechungen ersetzen, etwa Apologie durch Schutzrede. Hierher zählt seiner Einschätzung nach das - in seiner französischen Form angeführte Lemma „Aphorisme: Lehrspruch; man behält aber lieber das fremde Wort, als einen wissenschaftlichen Ausdruck, bei" 495 . Von keinerlei Einschränkung des Begriffes will Adelung 1811 wissen: „ein kurzer kernhafter Ausspruch oder Satz. Daher aphoristisch, adj. et adv. aus kurzen abgebrochenen Sätzen bestehend" 496 . Campes Wörterbuch, das sich als „Ergänzung" zu Adelung versteht, führt - bezeichnenderweise? - den Begriff erst in der neuen Auflage von 1813 an. Auch sein Interesse gilt weniger der Begriffsbestimmung als der Eindeutschung. Seltsam uneindeutig schlägt er in Anlehnung an Adelung zu Beginn „gebrochene Schreibart" vor, während er nach längerer Argumentation für diesen Vorschlag zum Schluß ,gern gesteht', daß „lehrsprüchliche Schreibart" „den Begriff deutlicher bezeichnet". Für diese Übertragung bezieht er sich auf Moritz, daneben auf Trapp und Kant. Und sie liegt auch seiner Definition zugrunde: „kurze, nicht gliedermäßig verbundene Sätze [...], welche Belehrung zum Zwecke haben; und der Ausdruck Lehrspruch scheint dieses anzudeuten, nämlich das letzte durch Lehre, das erste durch Spruch" 49 ? Wenn Campe hier auch nicht ausdrücklich von einer Begrenzung des Begriffs auf die Wissenschaft spricht, so machen „Belehrung" und „Vortrag" doch den Kontext klar, und auch das Grundwort „Spruch" weist nicht über diesen Zusammenhang hinaus; seine semantischen Merkmale, auf unverbundene Kürze beschränkt, lassen hier noch jede poetische Konnotation vermissen.

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Vgl. oben S. 26. Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften. Bd. 1. 1778, S. 585. Moritz: Grammatisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 1. Bd. 1793, S. 125. Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. 1811, s.v. Aphorismus. Campe: Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Neue Auflage. 1813, s.v. Aphorismus.

Der „Aphorismus" in der Literaturgeschichte bis 1850

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Ersch-Grubers „Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und der Künste" von 1819, die Campe, aus den Quellen ersichtlich, folgt, formuliert eindeutiger: „Lehrsätze, worin der Inhalt kurz zusammengedrängt ist. Hippokrates und Platner z. B. haben dieses Wort zum Titel ihrer Lehrbücher gewählt. Moritz hat es übersetzt durch Lehrsprüche, Trapp durch Spruchschreibart und aphoristisch durch sprüchlich, welches vor Campe's abgebrochener oder gebrochener Schreibart den Vorzug verdient"498. Auch das „Enzyklopädische Wörterbuch" von 1822499 definiert: „kurze Lehrsätze aus einer Wissenschaft". Krugs „Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften" von 1827, das namentlich auf Platner und (in der zweiten Auflage) auf Bouterwek verweist, folgt sichtlich Campe; Moritz übergeht es. Krug definiert unter dem Lemma „Aphoristisch" : „ein Vortrag in kurzen Sätzen, die keinen genauen innern Zusammenhang, wenigstens nach dem Augenscheine, haben und daher auch selbst Aphorismen heißen". Etwas später erklärt er kategorisch zu „diesem abgebrochnen Vortrage, wie man ihn auch nennen könnte": „Wird eine ganze Wissenschaft in Aphorismen vorgetragen [...]: so müssen auch dergleichen Aphorismen genauer zusammenhangen, und es bedeutet dann dieser Ausdruck eigentlich nichts anders als die Paragraphen eines Lehrbuchs" 500 . Mit einer temperamentvollen Stellungnahme gegen diese „Unform" („Deckmantel der Unfähigkeit oder Trägheit") schließt er seinen Artikel in der zweiten Auflage ab501. Ahnliches bildet sich bei Kaltschmidt 1834 in aller Kürze ab: „Aphorismen, abgerissene Sätze, Gedankenspäne, Lehrsprüche. Aphoristisch, kurz, abgebrochen, unverbunden, lehrsätzlich" 502 . Hier wird die Rassische' engere Wortbedeutung beim Substantiv wie beim Adjektiv (dort mit dem eigenwilligen „lehrsätzlich") jeweils an die letzte Stelle gesetzt, was sicher eine Gewichtung andeuten soll. „Lehrspruch" ist auch das einzige Synonym, das Sanders' Wörterbuch von 1869 angibt503. Genau hier verläuft eine feine Grenze, mit den „Lehrsätzen" verbinden sich eben ausschließlich wissenschaftliche, mit den „Lehrsprüchen" aber können sich im Sinne Herders poetische Vorstellungen verknüpfen. 498

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Ersch-Gruber: Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und der Künste. 1819, s.v. Aphorismus. Enzyklopädisches Wörterbuch. 2. Aufl. 1. Band. 1822, S. 111. Krug: Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften. 1827, s.v. aphoristisch. Krug: Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften. 2. Aufl. 1832, s.v. aphoristisch. Kaltschmidt: Vollständiges stamm- und sinnverwandtschaftliches Gesammtwörterbuch der deutschen Sprache. 1834, s.v. Aphorismus. Sanders: Handwörterbuch der deutschen Sprache. 1869, s.v. Aphorismus.

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Während Wenigs „Handwörterbuch der deutschen Sprache" in der dritten Auflage von 1854 und noch in der sechsten von 1876 („kurze belehrende Sätze aus einer Wissenschaft"504) im ursprünglichen Rahmen bleibt, lassen sich aus den großen Konversationslexika Details der Entwicklung ablesen. In Brockhaus' „Allgemeiner deutscher Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände" lautet die Definition 1830: „Abgerissene Sätze; in der Wissenschaft kurze Sätze, in welchen der Hauptinhalt einer Wissenschaft vorgetragen wird. Bekannt sind Hippokrates's Aphorismen; daher der Ausdruck: aphoristische Schreibart, d. i. die Schreibart in kurzen, abgebrochenen Sätzen, wobei ein innerer logischer Zusammenhang in hohem Grade stattfinden kann. Die aphoristische Schreibart wird besonders dem ausführlichen, fortlaufenden Vortrage entgegengesetzt. Fälschlich hat man die aphoristische Schreibart den Vortrag in Paragraphen genannt, da die Paragraphenbezeichnung und Abtheilung hier ganz zufällig ist, und auch ein ausführlicher, grammatisch fortlaufender Vortrag unter Paragraphen gestellt sein kann" 505 .

Ihr Verfasser hat offensichtlich Krugs „Handwörterbuch" vor Augen. Der Schluß der Definition ist eine Auseinandersetzung mit dessen Bestimmung, daß „dieser Ausdruck eigentlich nichts anders als die Paragraphen eines Lehrbuchs" bedeute. Im Kern aber geht es um zwei Aspekte: die Frage ihres Zusammenhanges, die Frage ihrer Wissenschaftlichkeit. Den ersten Aspekt akzentuiert der Verfasser („wobei ein innerer logischer Zusammenhang in hohem Grade stattfinden kann"), ohne sich zu Krug in Widerspruch zu setzen („keinen genauen innern Zusammenhang, wenigstens nach dem Augenscheine"), zum zweiten deutet er vorsichtig eine Veränderung und Aufspaltung an, wenn er der ausführlichen Beschäftigung mit dem Aphorismus in der Wissenschaft eine allgemeine Umschreibung („abgerissene Sätze") voranschickt. Meyers „Conversations-Lexikon" von 1842 legt sich da mit der Definition „spruchähnliche Lehrsätze" schon nicht mehr genau fest. Es definiert: „Kurze, spruchähnliche Lehrsätze, welche wenigstens scheinbar keinen Zusammenhang haben. Dergl. Schriften, Aufsätze u.s.w. heißen darum Α., um damit zu bezeichnen, daß die einzelnen Hauptgedanken nicht vollständig entwickelt und nicht gehörig durch den Faden der Rede mit einander verbundenden [!] sind, oder vielleicht sich auf ganz heterogene, keine Redeverbindung leidende Dinge beziehen" 506 .

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Wenig: Handwörterbuch der deutschen Sprache. 3. Auflage 1854; 6. Auflage 1876. Brockhaus: Allgemeine deutsche Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände. 1. Originalauflage, 2. Abdruck. 1830, s.v. Aphorismus. Die 5. Originalausgabe hat kein Stichwort „Aphorismus". Das „Rheinische Conversations-Lexicon" übernimmt in der Ausgabe 1833 den Text der 7. Auflage des Brockhaus wörtlich. 506 Meyers Conversations-Lexikon. 1842, s.v. Aphorismus. 505

Der „Aphorismus" in der Literaturgeschichte bis 1850

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Bemerkenswert ist nicht allein die hier zu beobachtende vorsichtig vermittelnde Haltung in der Frage der Zusammenhanglosigkeit. „Lehrsätze": so übersetzt auch Mesmer das französische „aphorismes"50^ „Lehr-Sprüche" heißen Riemers Texte in ihrem barocken Titel508, und so übersetzt schon Moritz, den Campe und Ersch-Gruber zitieren. Um die Jahrhundertmitte erläutert der Brockhaus „Aphorismus" so: „Im Allgemeinen abgerissene, unverbundene Sätze, im engeren Sinne die Darstellung des Hauptinhalts einer Lehre oder Wissenschaft in einzelnen, nicht gliedermäßig verbundenen Lehrsätzen oder Lehrsprüchen, wobei jedoch die innere logische Ordnung gewahrt bleiben, ja um so schlagender hervortreten muß. Die aphoristische Darstellung erleichtert die Ubersicht und das Einprägen der Grundbegriffe einer Wissenschaft, und führt den fähigen Leser zum eigenen Nachdenken, indem er sich gedrungen fühlt, die kurz vorgetragenen Sätze zu erläutern und zu einem verbundenen Ganzen zu verarbeiten" 509 .

Deutlicher als bei Meyer tritt hier die Ambivalenz von Unverbundenheit und innerer Ordnung zutage, zusätzlich in die Definition eingebracht sehen wir den in der Tat aus den primären Zeugnissen sattsam bekannten Verweis auf das „eigene Nachdenken" des Lesers als ein Vollenden. Zum dritten fällt auf - und die Hintergründe sind uns jetzt deutlich - , daß sich der Brockhaus eben expressis verbis nicht auf „Lehrsätze oder Lehrsprüche" festlegt. Das aber korrespondiert mit der grundsätzlichen Differenzierung in eine Bedeutung „im Allgemeinen" und eine „im engeren Sinne", wie wir sie 1830 vorbereitet sehen. Ganz offensichtlich soll hier eine Begriffsentwicklung dokumentiert werden, die einen umfassenderen und neueren von einem engeren, älteren Begriff von „Aphorismus" unterscheidet, dem freilich noch das Hauptaugenmerk gilt und gelten muß. Zusammenfassend ist so zu sehen: Bei dem Substantiv in den Wörterbüchern von Zedier über Ersch-Gruber bis Krug ist es regelmäßig deutlich und durch Beispiele belegt, daß es sich um Lehrsätze oder Paragraphen eines Lehrbuches handelt. Es deutet sich daneben aber im 19. Jahrhundert eine Weiterentwicklung in dem Sinne an, daß es neben diesem engen Begriff einen ausgeweiteten gibt, der über die Grenzen der Wissenschaft hinausreicht; der bedeutungsweite „Lehrspruch" als Synonym ist wegweisend. Das sind nun keine Erkenntnisse, die über die bei den einzelnen Schriftstellern gewonnenen hinausgingen (und können es nach den Erörterungen zu Anfang dieses Kapitels nicht sein), aber sie stützen in summarischer Form und auf unvermutete Weise das dort differenzierter entwickelte Bild.

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Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhunden und bei Friedrich von Hardenberg. 1976, S. 561. Hoffmann (Hg.): Aphorismen und Sprichwörter aus dem 16. und 17 Jahrhundert. 1844, S. 127 Brockhaus: Allgemeine deutsche Real-Encyclopädie. 10. Aufl. 1851, s.v. Aphorismus.

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

VII. Die Anfänge des literarischen „Aphorismus"-Begriffes in der Literatur bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts 1. Auf dem Weg zum Gattungsbegriff (Seume, Klinger, Wagner, Menzel, Baader, Ritter, Troxler, Jochmann, Immermann, Kotzebue, Platen, Börne, Saphir, Lenau, Uhland u. a.) Parallel zu den vereinzelten Versuchen der Literaturwissenschaft, den Begriff des „Aphorismus" für eine Form der Erkenntnis zwischen Wissenschaft und Literatur zu entwickeln und nutzbar zu machen, ist die Begriffsbildung der Autoren für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts von Uneinheitlichkeit gekennzeichnet. Wird er auf der einen Seite in wachsendem Maße literarisch etabliert, so zeigt sich andererseits (immer noch) die Tendenz, das allmählich als Gattung ins Bewußtsein Tretende (zunächst) durch eine Reihe von individuellen, oft metaphorischen Namen tastend zu kennzeichnen. Das gilt schon für Johann Gottfried Seumes (1763-1810) „Apokryphen" von 1806/07510, 1811 wie Lichtenbergs „Bemerkungen" postum - und in verstümmelter Form - gedruckt. Baasner vermutet eine formale Abhängigkeit von Seumes Lehrer Platner: „Die Form der ,Aphorismen' [Platners] dürfte Seume zu seinen eigenen späten ,Apokryphen' animiert haben, wenngleich in letzteren die Gedanken wesentlich sprunghafter angeordnet sind als in Platners Erfolgsbuch"511. Mit dem Titel sind sie nicht von Seume selbst versehen worden; „freilich geht die Verwendung des Begriffs durchaus auf Seume zurück"512. „Apokryphen nenne ich Dinge, aus denen man so eigentlich nicht recht weiß, was man zu machen hat. Es ist also alles in uns und um uns sehr apokryphisch; und man dürfte vielleicht sagen: die ganze Welt ist eine große Apokryphe. Mir ist es sehr lieb, wenn sie andern verständlicher ist als mir"513. Zum einen hypertrophiert der begriffsreflektierende Aphorismus hier schon sehr früh, was sich in der Folge als gattungsprägend erweisen wird, Schwerverständlichkeit und Paradoxic514, zum andern darf man zumal im einleitenden Satz auch die Ratlosigkeit des Autors darin mitlesen, ,was man aus diesen Dingen zu machen habe': etwas Literarisches, etwas Essayistisch-Philosophisches, etwas unverwendbares Privates. Stephan geht in ihrer Monographie zu diesem „po510

Seume: Werke. Band 2. 1993, S. 9-137 Baasner: Ist Seume nicht zu fassen? In: Seume. 1995, S. 44. 512 Budde: Von der Schreibart des Moralisten. Seume. 1990, S. 229. 5 « Seume: Werke. Bd. 2. 1993, S. 11. 514 Vgl. Verf.: Aphorismen über Aphorismen: Fragen über Fragen. In: Zs.f. dt. Philologie 113, 1994, S. 191.

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Die Anfänge des literarischen „Aphorismus"-Begriffes

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litischen Schriftsteller der deutschen Spätaufklärung" zutreffend von einem ununterschiedenen Aphorismus der Aufklärungsliteratur aus, der einerseits Autoren von „Aphorismen" der „Lebensphilosophie" wie Platner und Feiner, andererseits Schriftsteller wie Klinger und Seume umfaßt515 und damit gleichfalls auf eine ungetrennte philosophisch-literarische Mitte hinarbeitet, in diesem Fall freilich, wie auch Stephan reflektiert, ohne Verwendung des Begriffs. Ihr Erklärungsversuch trifft in seiner Einseitigkeit hingegen nicht zu, wie wir gesehen haben: „Der moderne Begriff des Aphorismus, wie er sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland einbürgerte, ist an den Werken der französischen Moralisten gebildet worden, der Aphorismusbegriff als solcher war von vornherein mit der Vorstellung der französischen Kunstgattung belastet"516. Budde wiederum spricht „von der Schreibart des Moralisten" 5 ^ ohne den Begriff zur Deutung und Einordnung von Seumes Aphoristik zu nutzen; er erkennt in den „Apokryphen" „einen Beitrag zur allgemeinen Welt- und Menschenkunde, gleichzeitig Splitter einer praktischen Philosophie des Lebens"518, ohne auf die Zusammenhänge im 18. Jahrhundert einzugehen, so daß er ratlos vor der Tatsache steht, daß Seume „sich der Textsorte doch wie selbstverständlich" bediene519. Hilfreich mag der Vergleich mit Lichtenberg sein: Nicht nur die „Schmieralien", wie Seume seine „Apokryphen" selbst nennt520, auch die 1796 und 1798 erschienenen „Obolen", die seinem Lehrer Platner gewidmet sind521, lassen sich an einen einzigen von Lichtenbergs Aphorismen anschließen (und metaphorisch bis zu Waggerls „Kleine Münze" verfolgen): „Schmierbuch-Methode bestens zu empfehlen. Keine Wendung, keinen Ausdruck unaufgeschrieben zu lassen. Reichtum erwirbt man sich auch durch Ersparung der Pfennigs-Wahrheiten"522. Neben Seume steht Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831) mit seinen 1803-1805 anonym erschienenen „Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegenstände der Welt und der Literatur" am Beginn der politischen Aphoristik in Deutschland523. Der Titel zu diesen „Bündnissen mit

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Stephan: Johann Gottfried Seume. 1973, S. 156. Ebd. S. 161. Drews scheidet auf der Suche nach Vorbildern Platner - zu Unrecht - kategorisch aus, spekuliert über Friedrich Schulz und verweist auf Lichtenberg und Klinger (Seume: Werke. Bd. 2. 1993, S. 570-573). Budde: Von der Schreibart des Moralisten. Seume. 1990. Ebd. S. 227 Ebd. Seume: Werke. Bd. 2. 1993, S. 560f. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 104. Lichtenberg: Schriften und Briefe. Band 1. 1973, S. 639 (F 1219). Vgl. Cantarutti: Aphorismusforschung im deutschen Sprachraum. 1984, S. 3 2 - 3 6 und Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 786-791.

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meinem eignen Geiste"524, in denen er ganz im gewohnten Sinne Vergleiche anstellt „zwischen den Ärzten der Seele, des Herzens (den Moralisten) und den Ärzten des Leibes"525, ist möglicherweise in Anlehnung an Bodes Montaigne-Ubersetzung „Gedanken und Meinungen über allerlei Gegenstände" oder Swifts „Thoughts on Various Subjects" entstanden. Den Begriff „Aphorismus" verwendet er so wenig wie Seume, aber die abgerissene Form seiner Gedanken sieht er als eigenen Wert: „Ich möchte nicht gern, daß man sie nach meinem Tode in Kapitel oder bestimmte Rubriken einteilte und sie so zum regelmäßigen Buche machte, das sie gar nicht sein sollen"526. Die Begründung, daß der scheinbaren Disparatheit „ein einziger Geist und Sinn" entgegenstehe, verbindet sich mit einem doppelten Blick auf die Rezeption: dem Vertrauen in und dem Anspruch an die Leser: „aber es läuft doch, wie durch die verworren scheinende, von einem Gegenstand zum andern springende Ode, ein einziger Geist und Sinn hindurch; den soll der Leser nun selbst ausfinden, wenn es ihm der Mühe wert scheint". Die „Lebenserfahrungen und Weltansichten" Ernst Wagners (1769-1812) von 1811 sind das frühe Exempel eines Wörterbuches mit aphorismus-nahen, teils auf einen Satz beschränkten, teils längeren Einträgen zu Begriffen wie Aberglaube, Einsamkeit oder Selbstbeherrschung. Lehr- und Regelhaftigkeit mit Blick auf den geistigen Nutzen des Lesers stehen im Vordergrund, wenn es etwa zur „Lebensweisheit" heißt: „Auf jeden Umsturz deiner Wünsche sey gefaßt. Den vermutheten Gast empfängt man besser, als den unvorhergesehenen. Oft wehrt man Angriff ab, fast nimmer Überfall"52? Um Aphorismen unter anderem Namen handelt es sich auch bei Wolfgang Menzels (1798-1873) „Streckversen" von 1823, die Jean Pauls Begriff für den „dichterischen Aphorismus"528 aufnehmen. Seine Vorrede bietet eine hochinteressante Reflexion der Form seines Buches: Klinger: Betrachtungen und Gedanken. 1958, S. 9 (Nr. 651). Die „Betrachtungen und Gedanken" sind enthalten in: F. M. K.: Sämtliche Werke in 12 Bänden. 1842, Bd. 11 und 12; Ausgewählte Werke. Stuttgart: Cotta, 1880. Bd. 7 und 8. Die kritische Ausgabe ist in Vorbereitung. 5 2 5 Ebd. S. 304 (Nr. 154*)· 5 2 6 Ebd. S. 7 (Nr. 416). Vgl. Hering: Klinger. 1966, S. 361-372. Smoljans Überlegungen zu den „Betrachtungen und Gedanken" (Smoljan: Friedrich Maximilian Klinger. Leben und Werk. 1962, S. 193-215) sind ausschließlich inhaltlich orientiert. 527 Wagner: Lebenserfahrungen und Weltansichten. 1. Band. 1811, S. 204. - Vgl. Anm. 566 zu Teil C. 528 Fieguth: Jean Paul als Aphoristiker. 1965, S. 140-165; vgl. beispielsweise Menzel: Streckverse. 1823, S. 62: „Jean Paul ist ein vollblühendes Treibhaus mit durchsichtigen Wänden, dagegen viele andre deutsche Romanschreiber nur Häusern mit blinden Fenstern gleichen". Im Vorwort wehrt er sich dagegen, „unter deine Nachahmer, ewig einziger Jean Paul" (S. VI), aufgenommen zu werden. 524

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„Zu meinen zahlreichsten, obwohl ungefürchtetsten Verächtern, nämlich denen, die es wegen der Form meines Buches sind, bin ich schließlich befugt, in dieser so sehr tabellarischen Zeit eine halbe deutsche Lesewelt zu rechnen, die nichts mehr scheut, als das fragmentarische; und es wird mir wenig helfen, da Scheu in ihrer Natur gegründet und unausrottbar ist, wenn ich ihnen gegen dieselbe auch eine ganze Reihe Pillen eingebe, indem ich die Gedanken meines Buchs, denen allen eine Einheit, nämlich eine poetische zu Grunde liegt, mit einer Reihe Perlen vergleiche, die den seidnen Faden bedecken, an den sie gereiht sind, und wenn ich sie eine Menge noch deutlichere Gleichnisse, womit ich die Form meines Buches an seinem Schlüsse vertheidige, daselbst mit Ärger zu lesen bitte" 529 .

Worin die poetische Einheit seiner „Perlen" beruht und ob sie nicht nur behauptet ist, wäre eine Untersuchung wert. Die Tatsache allein, daß die Form eine Verteidigung notwendig macht, ist bemerkenswert; darüber hinaus gibt Menzel hier aber - konkreter - einen wichtigen Hinweis auf ihre mangelnde Akzeptanz bei den Lesern, deren Hälfte nichts mehr scheue als das Fragmentarische, und er bietet ein frühes und damit wertvolles Beispiel für das bekannte Muster der aus der Notwendigkeit zur Verteidigung erwachsenden Uberkompensation, wenn er davon spricht, „daß ich so manche schöne Goldkörner von Ideen, aus deren einem allein mancher deutsche Autor, wenn er es nicht recht in die breiteste Breite geschlagen, Blätter genug zu einem ganzen Buche hätte liefern können, so roh zusammengeschüttet, daß ich den Leser, der für mein Buch nicht mehr zahlt als für ein andres, doch mit einem Inhalt, der zehne hätte füllen können, verschwenderisch beschenke" 530 . Das scheinbar eindeutige Bild der frühen Gattung, das zentrale Aspekte noch ohne den Begriff aufscheinen läßt, wird in unerwarteter Weise in die Uneindeutigkeit transferiert, wo Menzel ohne alles Bedenken sogar für Novalis von „Aphorismen" sprechen kann: „Novalis Aphorismen sind die umherliegenden Bruchstücke in einer verlassenen Bildhauerwerkstatt"531. Im Zusammenhang der Naturphilosophie des beginnenden 19. Jahrhunderts versteht sich die experimentell-spekulative Aphoristik der „Sätze" und der „Fragmente" der Naturwissenschaftler Baader, Ritter und Troxler. Franz von Baader (1765-1841) hat Veranlassung, im Vorwort seiner „Fermenta cognitionis" „ihre von der systematischen abweichende Form

™ Menzel ebd. S. IVf. 5 3 0 Menzel ebd. S. V. Vgl. Nietzsche: „Mein Ehrgeiz ist, in zehn Sätzen zu sagen, was jeder andre in einem Buch sagt" (Nietzsche: Werke. Bd. 2, S. 1026 = K G W VI, 3, 147) und Berg: „Ein Aphorismus ist ein ersparter Roman" (Birgit Berg: Aktuelle Aphorismen. 1981. Hinterer Einbanddeckel). 531 Menzel: Streckverse. 1823, S. 36.

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zu entschuldigen"532. Seine Überlegungen auf dem Grenzgebiet von Erotik, Philosophie und Religion sind in „Sätzen" 533 , unverbundenen, numerierten Abschnitten, abgefaßt. Kurz vor seinem Tode stellt der Physiker Johann Wilhelm Ritter (17761810) „Fragmente aus dem Nachlaß eines jungen Physikers" (1810) unter einem Titel zusammen, der ihm nicht nur von seinem Jenaer Freundeskreis und der Freundschaft mit Novalis her naheliegt, sondern der für ihn auch das bruchstückhaft Unvollendete seines Lebens und Forschens recht eigentlich bezeichnet. In einem Brief vom 31. März 1809 heißt es dazu: „Diese Fragmente, 700 an der Zahl, sind sämtliche aus meinen Diarien und anderen Papieren gezogen. Kein einziges war mit dem Gedanken an den einstigen Druck geschrieben, wodurch sie zu einer Ehrlichkeit, Naivität und oft Kühnheit gekommen, die ihnen einen eigenen Reiz lassen werden. Im ganzen halten sie ohngefähr die Mitte zwischen denen von Novalis und Lichtenberg. Diese Fragmente habe ich immer sehr lieb gehabt, erst aber seit Januar versammelt" 534 .

So wie er die „Bemerkungen" seines Kollegen Lichtenberg gekannt hat, so hat Lichtenberg seine Forschungen 1798 noch zustimmend zur Kenntnis genommen (L 915). Die „Mitte", die der ausschließlich von Novalis her verstandene Ritter hier seinen „Fragmenten" selbst zuweist, ist noch unreflektiert. Ignaz Paul Vital Troxler (1780-1866), einer der bedeutendsten Arzte seiner Zeit, entwickelt als „Philosoph und Anthropolog" eine Meditationsphilosophie. Er wird, schon ab 1835 verstummt und vergesssen, von Rudolf Steiner als Vorläufer seiner Anthroposophie wiederentdeckt. Teile seines Nachlasses, auf lose Blätter geschriebene Sätze, „oft mit einem Titel versehen, wie ,Philosophica', ,Sophica', ,Sophische Gnomen'", zwischen denen „oft nicht der geringste Zusammenhang herauszufinden"535 ist, werden erst 1936 als „Fragmente" „geordnet" herausgegeben. Sein Ansatz ist wissenschaftlich ganzheitlich im Sinne des 18. Jahrhunderts, etwa Platners, der Kenntnis des Menschen verschrieben536. Aphorismen ohne den Begriff sind schließlich auch Carl Gustav Jochmanns (1789-1830) „Stylübungen", die er an den Schluß seines Buches „Uber die Sprache" von 1828 stellt und mit denen, nach Seume und Klin-

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Baader: Schriften. 1921, S. 84. „Sätze aus der erotischen Philosophie", ebd. S. 2 4 3 - 2 5 7 ; „Vierzig Sätze aus einer religiösen Erotik", ebd. S. 2 5 8 - 2 7 5 . Zit. nach: Ritter: Fragmente aus dem Nachlaß eines jungen Physikers (Auswahl). Nachwort von Kurt Poppe. 1968, S. 109. Troxler: Fragmente. 1936, S. 418f. Zu Troxlers Verständnis der ärztlichen Kunst vgl. Wiesing: Kunst oder Wissenschaft? 1995, S. 215-228.

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ger, „der deutsche Aphorismus erst seine volle Ankunft in der politischen Wirklichkeit" feiert 537 ; „Seifenblasen" und „Erfahrungsfrüchte" werden sie postum genannt538. Mit der Bezeichnung „Stylübungen" spielt Jochmann etwas noch Ungesichertes ebenso herunter wie Karl Immermann (1796-1840), dessen „Grillen im Wagen" von 1833 539 als Aphorismen ohne den Begriff Teil eines Reisejournals sind. Wenn es in den „Epigonen" heißt: „So wurde der Kursus doch bald gar zu aphoristisch" 540 , so hat das Adjektiv hier über die allgemeine Bedeutung abgerissener Kürze hinaus keinerlei Gattungsbezug, an anderer Stelle steht es noch in Zusammenhang mit These und Axiom 541 . Diese Begriffsverwendung im allgemeinen, abwertend konnotierten Sinne läßt sich auch bei Richard Wagner feststellen, der in einem Brief an Franz Liszt bemerkt: „Das aphoristische Wesen [...] muß sich wohl unwillkürlich auch auf die künstlerische Produktion übertragen, die es nicht zur vollkommenen Wärme kommen läßt". Und etwas später deutlicher: „Im Einzelnen, Aphoristischen, gelangen wir nicht zur Ruhe, erst im großen Ganzen ist eine große Kraft ganz bei sich, mächtig und daher auch bei aller Erregtheit auch ruhig" 542 . Chamissos „Bemerkungen und Ansichten" von 1818/19 scheiden so gut wie Sallets „Funken" (1837) hingegen auch der Sache nach aus der Betrachtung aus. Eher von stärkerem Gewicht sind aber die Gegenbeispiele. In seinem Werk über die „Biedermeierzeit" schenkt Sengle auch dem Aphorismus Beachtung - mit negativem Ergebnis: „Die Biedermeierzeit als vorwiegend regressive Epoche bedeutet in der Geschichte des Aphorismus nicht viel" 543 . Genauer: „Je näher man der Revolution von 1848 kommt, desto mehr tritt in der deutschen Publizistik das aphoristische Element zurück" 544 . Und was den Begriff betrifft: „Schon den Begriff,Aphorismus' findet man selten, ähnlich wie den des Essays. Nur vom Aphoristischen' ist oft die Rede, ohne daß es vom Epigrammatischen scharf getrennt wird" 545 . Die Differenzierung der Wortarten, die Sengle hier vornimmt,

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Haufe in: Jochmann: Die unzeitige Wahrheit. 2. Aufl. 1980, S. 262. Jochmann: Politische Sprachkritik. 1983, S. 211. Immermann: Werke. Bd. 4. 1973, S. 2 2 0 - 2 2 6 . Immermann: Die Epigonen. In: Κ. I.: Werke in 5 Bänden. 2. Bd. 1971, S. 138. Vgl. ebd. S. 184: Das „englische Buch, in welchem Menschen- und Weltverhältnisse aphoristisch betrachtet wurden" und aus dem Hermann zitiert, ist nicht ermittelt. Ebd. S. 391f. Vgl. auch die „Bemerkungen", die der Arzt niederschreibt (S. 241-243). Wagner, Liszt: Briefwechsel. 1988, S. 41 (14. 10. 1849). Sengle: Biedermeierzeit. Band II. 1972, S. 119. Ebd. S. 120. Ebd.

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ist ein wichtiger Aspekt. Das Adjektiv geht in der Tat, wie schon bei Schiller und Goethe zu sehen war und wie es beispielsweise auch in den Literaturgeschichten und Konversationslexika des 19. Jahrhunderts zu beobachten ist 546 , dem Nomen voraus. Dabei gelangen wir allerdings für die Zeit des Biedermeier über den Namen Feuchtersieben, den Sengle in der Folge als einzigen erwähnt, ein gut Stück hinaus (was dann auch sein Gesamturteil im gleichen Maße wieder etwas einschränkt). Mit dem Hinweis auf Lebensphilosophie und Menschenkenntnis geradezu überdeutlich knüpft der Herausgeber von August von Kotzebues (1761-1819) „Preziosen für Wiz, Verstand und Herz. Eine Sammlung von Sentenzen, Aforismen und Maximen aus dem Gebiete der Lebensfilosofie, Natur- und Menschenkenntniß" von 1829 an die Tradition des 18. Jahrhunderts an, wie die „Aphorismen"-Sammlungen zu Lafontaine oder Schiller Beleg für den Zusammenhang mit der und den Ubergang in die Literatur. Der Begriff konkurriert hier im Untertitel mit anderen darum, das Genre literarischer Kurzprosa zu bezeichnen. In zwei Metaphern, die sich den bildlichen Selbsterklärungsversuchen der Aphoristiker von den „Perlen" Wolfgang Menzels bis zur „Statue" Gabriel Laubs 5 4 7 nahtlos einfügen, sucht der Herausgeber sein Vorhaben zu rechtfertigen, auf das ,Un-Künstliche', also Natürliche seiner Sammlung rekurrierend. Die Kostbarkeiten seien „entweder mit Diamanten zu vergleichen die auch uneingefaßt ihren Wert haben, oder mit schönen Statüen, die man in diesem Werkchen, wie in einem schönen Garten, ohne künstliche ordnungsmässige Reihenfolge, zur Unterhaltung und Belehrung aufgestellt findet" 548 . Auch August von Platens (1796-1835) aphoristisches Werk wurzelt in den Traditionen des 18. Jahrhunderts. Platner wie Lichtenberg sind für seine Tagebücher von großer Bedeutung. A m 3. März 1816 heißt es: „Nunmehr habe ich die Lektüre von Platners philosophischen Aphorismen vollendet, ein Buch, welches mich sehr anzog. [...] Die Aphorismen über Moralphilosophie haben mich mit vielen neuen Ideen bereichert. [...] Er zeigt eine tiefe und genaue Menschenkenntnis" 549 . Wenn er darin einen von dessen „Aphorismen" wiedergibt: „,Die Liebe', sagt Platner in seinen Aphorismen, ,ist ein lebhaftes Bestreben der Seele, einem Gegenstande,

546 547

548 549

Vgl. unten S. 262ff. Laub: Denken verdirbt den Charakter. 1984, S. 7: „Aphorismen entstehen nach dem gleichen Rezept wie Statuen: Man nehme ein Stück Marmor und schlage alles ab, was man nicht unbedingt braucht." Kotzebue: Preziosen für Wiz, Verstand und Herz. 1829, S. Vf. Platen: Tagebücher. 1. Bd. 1896, S. 449f.

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dessen Vollkommenheiten ihr angenehm sind, näher zu sein und seine Vollkommenheiten durch irgend eine Art der Gemeinschaft zu genießen"' 550 , dann bleibt es undeutlich - und ganz zu Recht - , ob er eine wissenschaftliche Autorität oder den Autor älterer literarischer Aphorismen zitiert. „Nach Lichtenbergs Beispiel habe ich mir ein sogenanntes Wastebook (Sudelbuch) angeschafft, worin ich alle in mir entstehenden Ideen, Pläne, Ansichten, Bemerkungen über verschiedene Gegenstände, ohne alle Ordnung eintrage, wenn ich sie nämlich einer Aufzeichnung einigermaßen wert halte"551, heißt es wenig später. Platners Begriff und Lichtenbergs Verfahren stehen, prinzipiell vereinbar, einstweilen noch nebeneinander. Platens „Betrachtungen über einige moralische Verhältnisse des Lebens für Jünglinge" von 1815 - das ist schon Klingers Bezeichnung - gehen eben aus der Lektüre Platners, Lichtenbergs und Knigges hervor 552 . Sie sind der Ansatzpunkt eines größeren Planes zur Abfassung von „Bemerkungen" („Bemerkungen vermischten Inhalts" heißen die 1800/01 veröffentlichten Aphorismen Lichtenbergs) oder „Ideen" - so nennt August von Einsiedel seine Aphorismen. Die „Ideen über einige moralische oder gesellschaftliche Verhältnisse des menschlichen Lebens" stehen so ganz in der Tradition der auf Menschenkenntnis bedachten Anthropologie des 18. Jahrhunderts. Dabei lassen sich die aus diesem Plan erhaltenen „Abgerissenen Gedanken" 553 stellenweise direkt auf die Lektüre von Platners „Aphorismen" zurückführen. Mit ihrer Tendenz zu religiöser Selbstvergewisserung bleiben die „Lebensregeln" (1817)554 - so Lavaters Begriff und die „Mengelstoffe" (181 8)555 in diesem Umkreis. So ist es gar nicht verwunderlich, daß unter den verschiedenen Begriffen, die sich Platen daraus anbieten, auch der des „Aphorismus" Verwendung findet. „Anfang 1825" sind seine „Aphorismen, besonders über dramatische Kunst"556 datiert. Aphorismen stehen am Beginn der schriftstellerischen Laufbahn Ludwig Börnes (1786-1836). Dieser „beste Teil von Börnes Frühschriften"557 ist in zwei 1808 bis 1811 geschriebenen Quartheften erhalten558. Und - in unse55° Ebd. S. 451. 551 Ebd. S. 509 (27 April 1816). 552 Platen: Sämtliche Werke. Band 11. 1910, S. 12-22. 553 Ebd. S. 74-81. 55" Ebd. S. 81-96. 555 Ebd. S. 1 1 1 - 1 1 7 556 Ebd. S. 146-150. Ihre Erläuterung bei Bumm: August Graf von Platen. 1990, S. 362-364. 557 Bock: Ludwig Börne. 1962, S. 85. 558 Börne: Werke. Hist.-krit. Ausgabe. Bd. 1. 1911, S. 374ff. Abdruck in Börne: Hist.-krit. Ausgabe. Bd. 1.1911, S. 124-140 und in Börne: Sämtliche Schriften. Bd. 1. 1977, S. 139-163.

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rem Zusammenhang wichtiger - Börne veröffentlicht auch einzelnes daraus als „Aphorismen", so in „seinem ersten schriftstellerischen Versuch" in den „Gemeinnützlichen Blättern für das Großherzogthum Frankfurt und Umgebung"559. Der Verweis auf die Moralisten - möglicherweise vermittelt durch die Lektüre des geliebten Jean Paul - zeigt, in welche Tradition sich der junge Schriftsteller mit diesen „Aphorismen" einordnet: „Die Polizei müßte ein wachsames Auge auf die Moralisten haben, sie sind das für die Seele, was die Quacksalber sind für den Leib"560. So schreibt Börne in der Nachfolge Knigges „Über den Umgang mit Menschen"561. In seiner 1818 bis 1820 erschienenen Zeitschrift „Die Wage" finden sich als „Nachzügler" bezeichnete Aphorismen. Da heißt es: „Diese abgerissenen Sätze stehen in geheimer Verbindung, und sind aus der Gehirnloge als Brüder hervorgetreten. Ich hätte sie und die Leser eben so leicht an eine gemeinschaftliche Galeerenkette der Langweile schmieden können. Aber lange Aufsätze werden als zu zeitkostspielig in dieser aphoristischen Zeit, wo jede Begebenheit eine Sentenz, und selbst jeder Zufall zum Sprichworte des Schicksals wird, seltener gelesen als verfertigt. Man fodert daß die Reden seyn sollen wie die Thaten der Gegenwart: compact und gleich Bouillontafeln für sich nicht geniesbar. Der Leser will das Vergnügen haben sein eignes kochendes Wasser darüber herzugießen, um sich selbst daraus eine Fleischbrühe zu bereiten"562.

Mehrere hinreichend bekannte Aspekte heben sich aus dieser Gattungsreflexion Börnes heraus. Die „abgerissenen Sätze", wiewohl zusammenhanglos, stehen, was den Autor betrifft, „in geheimer Verbindung", wirken der ,Langweile' des einheitlich Ausgearbeiteten buchstäblich durch Abwechslung entgegen, sind der „aphoristischen Zeit" gleichsam als Extrakt („compact und gleich Bouillontafeln") in besonderer Weise gemäß das ist ein neuer Gesichtspunkt - und fordern die Mitarbeit des Lesers, um „geniesbar" zu werden. Zahlreiche „Aphorismen" finden sich als „Ein- und Ausfälle" in den von Börne redigierten „Zeitschwingen" von 1818/19 - „Des deutschen Volkes fliegende Blätter" heißen sie 1818 im Untertitel - und andernorts563, der Sammelband „Die Spende" enthält 1823 unter anderem „eine Auswahl von Aphorismen" mit einer Vorrede Börnes564, die erste Auflage seiner Gesammelten Schriften bietet dann „die einzige von ihm selbst herrührende Aphorismensammlung"565 als „Fragmente und Aphoris559

Unbekannte Aphorismen Börnes, mitgeteilt von Ludwig Geiger. In: Die Gegenwart 25, 1884, S. 216f. SM Börne: Sämtliche Schriften. Bd. 1. 1977, S. 148 (Nr. 61). 561 Ebd. S. 743-749. Wage 1818, S. 94 (=L. B.: Sämtliche Schriften. Bd. 2. 197)7 S. 335 [Nr. 305]). 563 Einzelnachweise in der Bibliographie in: L. B.: Sämtliche Schriften. Bd. 5. 1977, S. 1124ff. 5M Börne: Die Spende. 1823. 5« Börne: Werke. Bd. 1. 1911, S. 375.

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men"566. Ebenfalls als „Fragmente und Aphorismen" findet sich ein Teil des Nachlasses auch in den „Modernen Reliquien"567 von 1845, und die „Nachgelassenen Schriften" von 1844-50 stellen französisch geschriebene „Aphorismes" zusammen568: Zeit seines Lebens sind Sache wie Begriff für Börne und seinen Kreis schon eine Selbstverständlichkeit569. Unter den Kurzformen witzig-unterhaltender Blätter, Rätseln, Gedichten, Dialogen, finden sich schon in dieser Zeit kurze Spruchformen unter vielfältiger Bezeichnung. Adolf Glassbrenner (1810-1876) veröffentlicht ab 1829 im „Berliner Eulenspiegel" solche Aphorismen570. Der politisch unengagierte Vorgänger Moritz Gottlieb Saphir (1795-1858) beginnt seine „Gedanken über Gedanken" mit der Reihung einiger Synonyma, „Aphorismen" an erster Stelle: „Wir lesen heut zu Tage Aphorismen, Papilloten, Fidibus, hypochondrische Splitter, Ein- und Ausfälle u.s.w.; wir lesen Gedankenspäne u.s.w., aber wenig Gedanken! Und nun sogar Gedanken über Gedanken!"571 Und diese gebraucht er konsequenterweise auch für seine eigenen kurzen, witzigen Bemerkungen. Die „Papillotten" verstehen sich als meist metaphorisch-definitorische Aphorismen („Eifersucht ist eine verkappte Selbstliebe, und das Salz in dem Ocean der Liebe"572) in der „Kunst, mit Unmenschen umzugehen"573, wie er sich parodistisch an Knigge anhängt. Die „Gedanken und Aphorismen" aus seinen „Humoristischen Vorlesungen" (ca. 1830)574 („Die Ehe ist das Grab der Liebe, und die Frau ist sogleich das Kreuz darauf"575) sind so etwas wie die Brücke von Hippels „Uber die Weiber" (1774) und Pockels' ernsthaften „Aphorismen zu einem Charaktergemälde des weiblichen Geschlechts" (1802) zu den Gedankensplittern aus den „Fliegenden Blättern" (1881-1901), etwa zu „Ehe und Wehe", mit ihrer toposartigen Eheschelte und ihrem spezifischen Humorverständnis. 566

Börne: Gesammelte Schriften. 1829, Nr. 1-301 (so auch in späteren Auflagen) ( = L. B.: Sämtliche Schriften. Bd. 2. 197^ S. 191-334). 567 Moderne Reliquien. 2. Bd. 1845, S. 142ff ( = L. B.: Sämtliche Schriften. Bd. 2. 1977, S. 353ff) 568 Sämtliche Schriften. Bd. 2. 197^ S. 1048-1052. 569 Auch die Freundin Jeanette Wohl bedient sich des Begriffes für sein Werk in ihren Briefen wie selbstverständlich: Jeanette Strauß-Wohl: Briefe an Börne. 1907 S. 73, 84, 139. 570 Adolf Glassbrenner: Unterrichtung der Nation. Ausgewählte Werke und Briefe in drei Bänden. Band 3. 1981, S. 286. 571 Saphir: Schriften. 17 Band. 1887, S. 46. 572 Ebd. 12. Band. 1887, S. 232. 573 Ebd. S. 245. 574 Saphir: Humoristische Werke. 2. Bd. 1889, S. 121-124. Vgl. „Aphorismen" (Schriften. 8. Bd., S. 275ff.) und „Elefanten-Aphorismen" (Humoristische Werke. 2. Bd. 1889, S. 342-354). 5« Ebd. S. 122.

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Nicht minder lassen sich die Anfänge der literarischen Begriffskonvention im Umkreis Nikolaus Lenaus (1802-1850) feststellen, dessen Aphorismen noch wenig bekannt sind576. Anton Schurz stellt 1850 aus den Skizzenblättern seines Schwagers hundert „Aphorismen" zusammen, die er unter diesem Titel ursprünglich auch veröffentlichen will, die dann aber erst etwas versteckt 1948 und in der historisch-kritischen Ausgabe von 1993 zum Druck kommen 577 In einem Brief von Lenaus engem Freund Anastasius Grün (Anton von Auersperg) vom 25. Dezember 1850 heißt es dazu: „Daß Sie die Aphorismen in Prosa nicht in den poetischen Nachlaß unseres Freundes aufgenommen wissen wollen, billige ich vollkommen. Aber in der späteren Gesammtausgabe der Lenau'schen Werke möchte ich deren geordnete selbständige Einreihung nicht gerne mißen" 578 . Auersperg, der also hier die „Aphorismen in Prosa" vom „poetischen Nachlaß" unterscheidet, rät für den Augenblick und dieserart gemischt von ihrer Publikation ab, hält sie aber gleichwohl unbedingt für literarisch bedeutungsvoll und will sie später geordnet und „selbständig", d. h. ja wohl als eigene Gattung neben der Lyrik veröffentlicht sehen579. Bei Friedrich Ludwig Bührlen (1777-1850) und Ludwig Uhland (1787-1862) läßt sich die Herausbildung einer neuen Stufe des Zusammenwachsens von Begriff und Gattung erkennen: die Gattungsreflexion unter diesem Begriff. Wenn Bührlen in seinen „Zeitansichten eines Süddeutschen" von 1833 „Wahrnehmungen und Bemerkungen" veröffentlicht, schickt er ihnen eine ausführliche Erörterung des Für und Wider voraus, die vom Aphoristischen als einem Oberbegriff für alles spruchartig Kurze ausgeht und sich zwischen dem „Zusammenhang eines Systems" und „sporadischen Wahrnehmungen" nicht eindeutig entscheidet:

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577

578 579

Nur Ivask gibt bisher einen kurzen Hinweis (I. I.: Theologie als Grammatik. Der Aphorismus als die österreichische Form des Philosophierens. 1962, S. 38-46, hier S. 43). Heines „Aphorismen und Fragmente" (1926) und Nestroys „Aphorismen und Notizen" (1930) sind hingegen, was die Terminologie betrifft, das Werk der späteren Editoren, die unter solchen und ähnlichen Bezeichnungen den Nachlaß herausgeben. So gehören sie, wie schon Heinses, auch Seumes, Klingers und Börnes Rezeption, in einen anderen Zusammenhang. Lenau: Werke und Briefe. Bd. 7 1993. - Die hundert gesammelten Aphorismen sind nicht, wie es hier heißt, „ungedruckt"; vgl. den Abdruck bei Castle: Aus Lenaus Einschreibebüchern. 1948, S. 278-285. Castle urteilt: „Aphorismen sind es wirklich nicht, sondern, um einen Ausdruck Tiecks zu gebrauchen, ,Seelen von Gedichten', Einfälle, Gedankensplitter, Geistesblitze" (S. 278). Lenau: Werke und Briefe. Bd. 7 1993, S. 516. Ebd.

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„Für und gegen die aphoristische Form läßt sich Manches vorbringen. Sie ist so alt, als Rede und Schrift; mehrere klassische, heilige Bücher sind in derselben verfaßt. Es gibt stehende Gesetzmäßigkeiten, wiederkehrende Erscheinungen, die sich am besten in kürzern Sätzen aussprechen, behalten und wieder erkennen lassen. Allerdings steht Nichts in der Welt allein, Jedes gehört zu einer Sphäre, einem Ganzen, und, wenn der menschliche Geist es vermöchte, so würde er die Totalität der Welt im Zusammenhang eines Systems darlegen. Wie wir aber den unendlichen Fluß der Elemente in Arten von Naturphänomenen, leblosen und lebenden Wesen festgehalten, begrenzt sehen, so bildet auch der Geist Gruppen von Wahrheiten und selbst sporadische Wahrnehmungen" 580 .

Wenn er im folgenden von einer Unterscheidung der „Aphorismen" spricht, so ist da schon nur noch von einer - von Scharfsinn und Witz, Sprichwort und Beobachtung her inhaltlich-formalen - Differenzierung innerhalb der Gattung die Rede: „Man kann viererlei Aphorismen unterscheiden: sprichwörtliche, scharfsinnig zugespitzte, witzig vergleichende und reinmenschlich wahrnehmende"581. Von diesen Arten läßt er am ehesten die durch Erfahrung und Nachdenken gebildeten Wahrnehmungen gelten, „wenn sie uns unmittelbar auf uns selbst und die uns umgebende Welt zurückführen. Sie regen unsere eigene Wahrnehmungsgabe auf" 582 . Sie seien geeignet, „am Ende einen Archipelagus zu ahnen, der, im Ganzen überschaut, zum großen Festlande der Lebensphilosophie gehört" 583 . In Uhlands poetologischen Schriften findet sich 1831 diese Notiz: „Aphorismen lassen sich nicht anders kritisieren, als etwa wieder mit einem Aphorismus: Es ist mit den Aphorismen, wie mit dem Feuerschlagen. Das eine Mal zündet's nicht; das andremal zündet's" 584 . Die dem Aphorismus ganz eigene ,solipsistische' Ideologie, die ihm eine besondere Autonomie, ja Autarkie zusprechen möchte und die die Literaturwissenschaft gelegentlich nur abbildet („Ich will mich nicht um eine eigene Definition des Aphorismus bemühen - die kann nur wieder aphoristisch sein" 585 ): sie findet sich schon zu Beginn des Gattungsbewußtseins. Und auch auf dieser frühen Stufe schon sehen wir im Bild des Zündens drei Vorstellungen vereint, die sich gleichfalls später durchgängig finden lassen: daß etwas Kleines große Wirkung entfalten kann, daß diese Wirkung plötzlich auftreten muß, daß es dazu eines besonderen Lesers bedarf, in dem ,es zündet'586.

580 Bührlen: Zeitansichten eines Süddeutschen. 1833. S. 35. 581

583 584 585

586

Ebd. Ebd. S. 36. Ebd. Uhland: Werke. Bd. 4. 1984, S. 636. Laub: Kleines Traktat über Aphorismen. In: G. L.: Denken verdirbt den Charakter. 1984, S. 196. Zu „Christophs philosophischen Aphorismen", von Friedrich Theodor Vischer in Anlehnung an Lichtenberg zur selben Zeit einer Novelle eingefügt, vgl. unten S. 160.

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2. Rahel Vamhagen von Ense Am weitesten vorangeschritten ist der Gebrauch des Begriffes „Aphorismus" in seiner explizit literarischen Bedeutung (vielleicht neben Börne) im Zusammenhang des literarischen Salons bei Rahel Varnhagen (1771-1833) und bei Ernst von Feuchtersieben (1806-1849). In ihren Studien auf der Basis des Krakauer Nachlasses kommt Isselstein zu dem Ergebnis: „Rahel Levin Varnhagen ist bisher weder als Tagebuchschreiberin, noch als die bedeutende Aphoristin, die sie zweifellos ist, wahrgenommen worden" 58 ? Auch von daher ist Seibert zuzustimmen, der ihr „Bewußtsein vom Aphorismus als literarischer Gattung und als Denkform" 5 8 8 betont. Spätestens seit 1816 ist nachweisbar, daß sie nicht nur wie selbstverständlich Gattung und Begriff verbindet, sondern auch Teile ihres Werkes selbstbewußt unter diesem Begriff in diese Gattungstradition einordnet. 1834 stellt Varnhagen im „Buch des Andenkens für ihre Freunde" neben Briefen Tagebuchauszüge zusammen, die in der zeitgenössischen Kritik als „Aphorismen" rezipiert werden 589 . Unter dem 15. März 1824 finden sich hier ihre Äußerungen „Zu Novalis Aphorismen" 5 9 0 . Sie kommentiert ihre Lektüre der von Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck 1802 herausgegebenen „Fragmente vermischten Inhalts", des zweiten Teils von Novalis' „Schriften"591. Als Einzelbeleg ist dieses Zeugnis für den Wechsel in der Begrifflichkeit nicht besonders signifikant; das unbedenkliche Mit- und Füreinander der Begriffe ist uns ja seit dem 18. Jahrhundert vertraut. Im Zusammenhang des Briefwerkes allerdings

Isselstein: Der Text aus meinem beleidigten Herzen. 1993, S. 159. - Immerhin gibt es zwei schmale Auswahlbände. R.V.: Lichtstreifen und Glutwege. 1968. - R. V.: Ordentliche Dachstubenwahrheit wird er hören. Aphoristisches aus Briefen und Tagebüchern. 1992. 588 Seibert: Der Aphorismus im Salon. 1993, S. 2 5 4 - 2 6 5 , hier: S. 257 Seiberts materialreiche Studie stellt die Belege bereit. Im wieder aufgefundenen Nachlaß in Krakau findet sich neben zahlreichen Aphorismen auf einzelnen Zetteln, von Rahel Varnhagen „Denkblätter" genannt, auch Heft A, „das erste und für beinahe zehn Jahre das einzige Tagebuch Raheis, das fast nur aphoristische Texte enthält" (Isselstein: Der Text aus meinem beleidigten Herzen. 1993, S. 161), genau 116 Aphorismen mit autobiographischem Hintergrund (Isselstein: Der Text aus meinem beleidigten Herzen. 1993, S. 176). - Der mögliche Zusammenhang von Börnes Aphoristik mit dem Salon von Henriette Herz ist bisher nicht untersucht. 5 8 9 Varnhagen: Gesammelte Werke. Bd. X . 1983, S. 281. - Von ähnlichem Charakter sind die z.T. aphoristischen Tagebuchaufzeichnungen von Charlotte Stieglitz, abgedruckt in: Charlotte Stieglitz, ein Denkmal. 1835, Vorbild für Gutzkows „Wally", auch die fromme Repetition der Briefe und vereinzelt aphorismusnahen Tagebuchblätter Cäcilie Zellers („In der Liebe ist nichts Seligeres, als vergeben und sich vergeben lassen"; S. 201); C. Z.: Aus den Papieren einer Verborgenen. 2 Theile. 1847-48. 5 9 0 Ebd. Bd. III. 1983, S. 141-149 und 139. 5« Vgl. zu Varnhagen: Gesammelte Werke. Bd. II, S. 141 Novalis: Schriften. Bd. 5, S. 239, Nrr. 303, 306 usw. 587

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kann es Indizcharakter gewinnen, so, wenn Rahel Varnhagen durch die Terminologie die gattungsmäßige Verbindung des Novalis zu einem ganz anders gearteten Schriftsteller andeutet. Im Jahr darauf rät sie ihrem Bruder mit Bezug auf Lichtenberg: „Lies einmal wieder seine Aphorismen"592. Ihren besonderen Wert bekommen die Belege noch durch die terminologische Verknüpfung mit den „Politischen Aphorismen zur Beherzigung vor dem Congreß in Achen[!]" von Konrad Engelbert Oelsner. Diese 1818 unter Pseudonym verfaßten und, wie vielfach üblich, in mit Überschriften versehene Paragraphen gegliederten „flüchtigen Gedanken über viele Gegenstände"593 sind ohne weiteres von der Begriffserweiterung nach 1800 her zu verstehen; letztlich gehen sie terminologisch auf die Tradition zurück, die für solche politisch-wissenschaftlichen Texte aus dem Tacitismus erwächst. „Die witzigen richtigen Aphorismen (die unter Dr. Schlottmanns Namen gehen) hab' ich diesen Morgen in meinem Bette, wo ich sie zur Hand nahm, auslesen müssen: mit dem größten Vergnügen, mit der größten Satisfaktion"594. Rahel Varnhagen steht in diesem Brief an den Verfasser nicht an, ihren literarisch geprägten Begriff von „Aphorismus" ununterschieden auf diese Texte anzuwenden; sie scheint sie sogar mit dem einleitenden Ausdruck „die witzigen richtigen Aphorismen" dort anzubinden. „Ich kann nur Briefe schreiben; und manchmal einen Aphorism"595, schreibt sie am Ζ Januar 1816 an Troxler, der im selben Jahr „Bruchstücke aus Briefen und Denkblättern" von ihr veröffentlicht596. Und die Texte von ihr, die Fouque 1829 anonym in zwei Folgen unter dem Titel „Aus Denkblättern einer Berlinerin" veröffentlicht, sieht sie, wiederholt und ganz selbstverständlich, in der Gattung „Aphorismus" stehend: „Varnhagen und ich haben Fouque'n auch von uns etwas gegeben. Ich Aphorismen, Resultate ä la Chamfort; aber ich dachte an ihn nicht"59·! Als sie Friedrich von Gentz, einem ihrer engsten Freunde, ankündigt: „Mit dem ersten Kourier erhalten Sie zwei gedruckte Hefte von mir; worin alle die Aphorismen von mir sind; genannt: aus Denkblättern einer Berlinerin"598, lobt er ihr Werk im voraus, ehe er schließt: „Ob Ihre Aphorismen bei mir gut angebracht sein werden, mögen Sie hienach beurtheilen"599.

592

Varnhagen: Gesammelte Werke. Bd. III., S. 196. Oelsner: Politische Aphorismen. 1818. Vorrede. - Zu Oelsner vgl. Varnhagen: Gesammelte Werke. Bd. X, S. 397-402. Vgl. oben S. 38f. 594 Varnhagen: Gesammelte Werke. Bd. II. 1983, S. 545. 595 Ebd. Bd. II, S. 370. 5*· Vgl. ebd. Bd. X, S. 420-422. 597 Ebd. Bd. IX, S. 781. ™ Ebd. Bd. III, S. 451. 5" Ebd. Bd. IX, S. 833. 593

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Aus Rahel Varnhagens Begriffsverständnis erhellt mehrererlei. Zum einen nimmt sie keine terminologische Trennung zwischen literarischen und wissenschaftlichen Aphorismen vor, zum andern beweist die Antwort von Gentz, worauf schon Seibert zu Recht hinweist600, daß ihre Kurztexte als Aphorismen rezipiert werden; das ist für ein beginnendes Gattungsverständnis entscheidend. Darüber hinaus und vor allem sind uns aber diese brieflichen Zeugnisse wertvoll, weil sie, was selten möglich ist, den nicht für den Druck bestimmten und von vorneherein als Druck überlieferten, gewissermaßen vor-literarischen Gebrauch des Begriffes abbilden und damit Einblick geben in Art und Richtung seiner mündlichen Verwendung im intellektuellen Gespräch um 1830. 3. Ernst von Feuchtersieben Eine reichhaltige aphoristische Praxis verbindet sich bei Ernst von Feuchtersieben mit einer Gattungsreflexion, die in ihrem Anspruch weit vorausweist. Die Ergebnisse seiner aphoristischen Tätigkeit, mit der er noch auf der Akademie begonnen hat, sammelt er - immer in drei Abteilungen: Wissen, Kunst, Leben gegliedert - in den „Beiträgen zur Literatur, Kunst und Lebenstheorie" von 1837 und als „Blätter aus dem Tagebuch eines Einsamen" in erzählerischer Einkleidung in den „Lebensblättern" (1841)601. Eine dritte Sammlung, die „Confessionen", besorgt nach seinem Tode sein Herausgeber Hebbel im vierten Band der „Sämtlichen Werke"602. Feuchtersieben ist im Bewußtsein der Gattung, etwa im Vergleich zu Marie von Ebner-Eschenbach, immer noch zu schwach ausgeprägt, auch wenn für die Spezialisten feststeht, daß die Aphorismen innerhalb seines Werks „unstreitig" „künstlerisch am bedeutendsten"603 sind. Sengle gesteht ihm nach der apodiktischen Feststellung für das Biedermeier „Der Aphorismus gedeiht nicht" eine Sonderstellung zu604. Der „Aphorismus"-Begriff Feuchterslebens ist reich an genau eruierbaren Aspekten. Er kennt unter anderem noch die Offenheit zum Anthologischen hin, die an Jean Paul erinnert. Das zeigt die postum erschienene Anthologie „Geist deutscher Classiker. Eine Blumenlese ihrer geistreichsten und gemüthlichsten Gedanken, Maximen und Aussprüche". „Ge600 601

602 603

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Seibert: Der Aphorismus im Salon. 1993, S. 259. Als „Aphorismen" und - mit einer nur in der Ubergangszeit zu verstehenden vereindeutigenden Akzentuierung - als „Literarische Aphorismen" sind sie seit 1836 in Zeitschriften erschienen; vgl. Blumes Kommentar in: Feuchtersieben: Sämdiche Werke und Briefe. Bd. I, 2. 1987 S. 550. Feuchtersieben: Sämmtliche Werke. Bd. 4. 1851. Seidler: Ernst Frh. v. Feuchtersieben. In: E. Frh. v. F.: Sämtliche Werke und Briefe. Bd. I, 2. 1987, S. 899. Sengle: Biedermeierzeit. Bd. II. 1972, S. 121 f.

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danken, Aphorismen, schöne Stellen"605 sind für Feuchtersieben hier synonym, und er rechtfertigt sein Vorhaben so: „Der beste Theil guter Bücher aber sind die in ihnen enthaltenen, befruchtenden GedankenKeime" 606 . Im Vorwort zu den „Confessionen", in selbstreflexiven Aphorismen, vor allem aber in dem den „Beiträgen" vorangestellten „Zum Verständnisse" legt Feuchtersieben seine gattungstheoretischen Überlegungen nieder: „Aphorismen schreibt entweder Jemand, der auf vereinzelte piquante Einfälle sich was zu gute thut; und das zeigt [!] von Beschränktheit. Oder Jemand, der seine Aussprüche für Orakel hält oder gehalten wissen will; und das zeigt von noch größerer Beschränktheit. Und doch - indem man dieses weiß und ausspricht - schreibt man Aphorismen. In der That, es sollte doch dem Denkenden so schwer nicht fallen, neben jenen zwei Fällen viele und verzeihlichere zu erkennen; ja, auf den wundersamen Wegen menschlichen Denkens, die so schnell von Extrem zu Extrem führen, dahin zu gelangen, daß am Ende das beste Wissen doch nur aphoristisch zu Tage gefördert werden kann; und etwa: daß Ergebnisse irdischen Erkennens nicht mehr wahr sind, wenn sie nicht mehr aphoristisch sind. - Dem sei nun wie ihm wolle; der Verständigbillige wird nicht verkennen, daß die Geburten des Momentes - bald Ahnung, bald Wissen, aber immer bedeutend - nicht stets in die Register der Systeme können eingetragen werden; daß die Ruhepunkte der philosophischen Geschichte eines Individuums meist mit Wenigem anzudeuten sind, zu eigener Erinnerung und fremder Belehrung. [ . . . ] Einzelne Lichtstrahlen aus jener Zeit werden Manchem, der eben in jenen Krisen verweilt, erfreulich und förderlich sein. So seien sie denn ausgestreut!" 607

Feuchtersieben beginnt mit der Alternative „piquante Einfälle" oder „Orakel", die, da sie etwas Drittes scheinbar ausschließt, nur den Schluß äußerster Abwertung übrigzulassen scheint. Indem er sie unmittelbar darauf als „Fälle" relativiert, gelangt er dann aber zu einer um so stärkeren Aufwertung des Aphorismus, die über den Anspruch auf einen Superlativ hinaus („das beste Wissen doch nur aphoristisch") eine schiere Identität von Wahrheit und Aphorismus behauptet. Die Synthese nimmt das zwar ein wenig zurück, läßt aber gleichwohl grundsätzliche Sympathie für diese Position erkennen. Die Argumente und Gesichtspunkte, die Feuchtersieben in dieser Erläuterung heranzieht, umkreist er in seinen Aphorismen an vielen Stellen. Um mit einer scheinbar abwertenden lyrischen Stellungnahme zu beginnen, dem Motto zu den Aphorismen im fünften Band der „Sämtlichen Werke":

605 Feuchtersieben (Hg.): Geist deutscher Klassiker. Eine Blumenlese ihrer geistreichsten und gemütlichsten Gedanken, Maximen und Aussprüche. Erster Theil. 1851, S. XIII. 606 Ebd. S. XIV. 607 Feuchtersieben: Sämmtliche Werke. Bd. 5. 1852, S. 281f. = Ausgewählte Werke. 190^ S. 105f. (= AW).

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Dies Erdenleben ist ein Tagen, Ein Kämpfen zwischen Nacht und Licht; Was einzeln durch die Nebel bricht, Läßt sich nur aphoristisch sagen. So Manches, zögst du Konsequenzen, Es würde Manchem nicht behagen; Du mußt es aphoristisch sagen Der Leser mag es selbst ergänzen.608

Das „nur" hat hier nichts von dem minderen Vorläufigen, wie es in Goethes Briefen erschien und wie es die konservativ-vorsichtige Literaturgeschichte kennt609. Die ,Unzulänglichkeit' ist bei Feuchtersieben von ungleich größerem Gewicht. Es sprechen sich eine erkenntniskritische (in der ersten Strophe: „was einzeln durch die Nebel bricht") wie eine soziale Resignation (in der zweiten Strophe: „Es würde Manchem nicht behagen") darin aus. Was das erste betrifft, so erscheint der Aphorismus gerade so als die einzig konsequente Schreibart, was das zweite betrifft, so begründet Feuchtersieben dadurch die besondere „Ergänzungs"-Arbeit des Lesers. Heißt es zum Verhältnis von Aphorismus und System einmal, in unaufschließender Weise lapidar kompromißlerisch: „Man kann nicht alles aphoristisch, nicht alles systematisch sagen"610, so wird aufs Ganze gesehen seine kritische Haltung zum System deutlich, schon im Vorwort zu den „Confessionen", wenn „die Geburten des Momentes" „nicht stets in die Register der Systeme können eingetragen werden", aber auch an anderen Stellen: „Ein abgeschlossenes und ausschließendes System wird immer erwarten müssen, daß die Zeit, wie sie es bisher mit allen Systemen tat, seine Relativität offenbare"611. Feuchterslebens Parteinahme für die unsystematische Kürze ist unverkennbar. „Das Wesen edler Kürze in der Schreibart ist: Fülle des Gehaltes, nicht: abgestumpfte Sätze"612 heißt es da, oder im zustimmend zitierten Paradox: „,Ich schreibe dir weitläufig, weil ich nicht Zeit habe, mich kurz zu fassen'. Wie viel mehr fordert es, ein reiches Detail zu besiegen, als seine Armut mit hundert Lappen zu behängen!"613 Seine Vorstellungen reichen aber weit über das Gehaltvolle und Konzise der Kürze, wie es hier formuliert ist, hinaus. Er hebt das Organische („die Geburten des Momentes"), eine Naturform des Denkens gewissermaßen, gegen schulmäßig-pedantische Systematik ab, indem er zwischen innerem und äußerem Zusammenhang differenziert: „Den Gelehrten, die

608

Feuchtersieben: Sämmtliche Werke. Bd. 5. 1852, S. 279. Vgl. unten S. 173ff. Feuchtersieben: Sämmtliche Werke. Bd 5, S. 294 (= AW S. 113). «ι Ebd. Bd. 4, S. 34 (= AW S. 122). "2 Ebd. Bd. 3, S. 193 (= AW S. 158). «3 Ebd. Bd. 4, S. 94 (= AW S. 165). 609

Die Anfänge des literarischen „Aphorismus "-Begriffes

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sich vorzugsweise wissenschaftlich' zu sein rühmen, fehlt meist der Begriff eines organischen Ganzen. Was sie System nennen, ist nur ein gut geordnetes Kompendium, ein Schulbuch im Kopfe; sie verwechseln innern und äußern Zusammenhang. Dieser besteht oft ohne jenen; jener oft scheinbar ohne diesen"614. Diese punktuelle Erkenntnis, „bald Ahnung, bald Wissen, aber immer bedeutend", hat für ihn nicht nur den Vorzug des ,Natürlichen', sondern auch einen logischen Primat: „Apergu. Durch diesen Ausdruck bezeichnet der französische Sprachgebrauch die geschickte Auffassung, wodurch ein Mannigfaltiges gleichsam für e i n e n Blick hingestellt wird. [. . .] Auf dem Gehalte und dem Reichtume solcher Aperjus beruht eigentlich der Wert eines Schriftstellers. Die Bedeutung eines systematischen Denkens und einer symmetrischen Darstellung darf nie verkannt werden; aber man bemerke, daß ganze Systeme nur ausgesponnene Apergus sind" 615 .

Feuchtersieben bezieht sich mit dem Begriff des Apergus auf Goethe, der sich seiner bediene, „um eine frische, erfinderische Wahrnehmung auszudrücken, die mit einem Blicke eine Menge folgenreicher Wahrheiten aufschließt"616. Zwei weitere Reihen von Argumenten lassen sich hier erkennen, die sich als Grundgedanken durch sein aphoristisches Werk ziehen: das Erfinderische als das Selbständige, das Folgenreiche als das Anregende; das eine bewirkt das andere. Der unbedingte Wert des Selbstdenkens ist eine Konstante in Feuchterslebens Aphoristik. „Es sind drei Bildungswege, die man am besten verbindet: Selbstdenken, Gespräch, Lektüre. Der erste führt auch allein zum Ziele, die andern nicht ohne den ersten"61? Diese Einschätzung verbindet sich mit starken Vorbehalten gegenüber der Schulphilosophie: „Man fordert mehr Geschichte der Philosophie, als Philosophie, und sieht leider nicht ein, daß uns gerade das selbständige Denken vor allem not tut"618. Eine Lebens-Metaphorik (lieben, erzeugen, gebären) wertet sie als „unfruchtbar", als „Leichnam" gegenüber dem organisch Lebendigen eines recht verstandenen, in Eigenständigkeit gegründeten („aus ihrem Geiste") Dilettantismus ab: „Die Philosophen, wie die, welche sich der Geschichte widmen, nennen sich nur insofern Eingeweihte, als sie sich mit dem Unwesentlichen befassen; der Schulphilosoph mit formaler Dialektik, der Schulhistoriker mit unfruchtbaren Exegesen. Jenen, die den Leichnam der Wissenschaft verlassend, aus ihrem Geiste erzeugen und gebären, schreiben ,die vom Fache' nur eine dilettantenmäßige, konventionelle Einsicht zu. Jene sind die Fauste, diese die Wagner. Wohl den Dilettanten, denn sie lieben!" 619

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618 619

Ebd. Bd. 5, S. 297 ( = AW S. 115). Ebd. Bd. 4, S. 59 ( = AW S. 136). Ebd. Ebd. Bd. 3, S. 206 ( = AW S. 253); vgl. ebd. Bd. 5, S. 289 ( = AW S. 109) und ebd. Bd. 4, S. 67 ( = AW S. 140). Ebd. Bd. 4, S. 46 ( = AW S. 129). Ebd. Bd. 5, S. 289 ( = AW S. 109).

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Gleich darauf lobt Feuchtersieben den „Lapidarstil" des römischen Charakters. Als Ergebnisse solchen Selbstdenkens sind diese „Ruhepunkte der philosophischen Geschichte eines Individuums meist mit wenigem anzudeuten", wie es „Zum Verständnisse" formulierte. Im Vorwort zu den „Confessionen" heißt es entsprechend: „Es sind Bruchstücke eines Lebens. Man muß sie nicht als Ansichten oder Lehrsätze, sondern als Ergebnisse gewisser Lebens-Epochen - nicht theoretisch, sondern geschichtlich - auffassen, wenn man sie richtig beurtheilen will. [...] Allein, wer zu denken gewohnt ist, weiß, daß ihn solche problematische Ergebnisse meist, durch Anregung, zu eigener Denkproduktion mehr gefördert haben, als fertige Lehren, die man ihm zu verdauen gab"620.

In einer Einheit von Leben und Denken haben „Aphorismen" als „Ruhepunkte der philosophischen Geschichte eines Individuums" oder „Bruchstücke eines Lebens" den Charakter eines Entwicklungsdokumentes. Der Aspekt des Vorläufigen, des immerwährenden Lernens, der lebenslangen Entwicklung ist dabei sehr stark. Die literarischen Erzeugnisse des moralistischen Selbstdenkers sind eben keine „Einfälle" - von daher resultiert die Eingangspolemik in „Zum Verständnisse"-, sondern Kondensat und (Zwischen-)„Resultat": ,„Gedankenmüde' im guten Sinne. Man weiß, was ein aphoristischer Gedanke, wenn er ein echtes Resultat ist, enthält und voraussetzt - und nun setzen sie sich hin und beginnen gleich eine ganze ,Geschichte' oder ,Philosophie' oder ,Psychologie' oder dgl. Ein ernster Leser möchte bei jedem Satze, den der Verfasser leichtsinnig hinwirft, stehen bleiben und ausrasten"621. Im gleichen Sinne heißt es in einem Brief vom 5. Juni 1838 an Zauper, mit dem ihn die Goethe-Verehrung verbindet: „Möchte Sie eine unangemessene Bescheidenheit ja nicht abhalten, was Sie an Resultaten auf einem aufmerksam beobachteten Lebens- und Denkwege erbeutet, mitzutheilen! Wäre es immer aphoristisch! was ist es nicht, was aus Menschenköpfen kommt?" 622 Und einige Monate später, wieder an Zauper, der offenbar mit seinen „Aphorismen moralischen und ästhetischen Inhalts, meist in Bezug auf Goethe" beschäftigt ist: „Was ist all unser Schreiben als Resultate aus unsern Lehrund Wanderjahren? Was kann der Reifste am Ende geben als Aphorismen?"623

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Ebd. Bd. 4, S. Vf. Ebd. Bd. 3, S. 186 (= AW S. 153) Feuchtersieben an Zauper, 5. Juni 1838; in: Ernst Freiherr von Feuchtersieben: Sämtliche Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Bd. 6: Autobiographische Schriften und Briefe. Hg. von Barbara Otto. Wien: Osterr. Akademie der Wiss. (Ms., Druck in Vorbereitung). An Josef Zauper, 5. Oktober 1838 (AW S. 415). - Engels: Das Verhältnis Friedrich Hebbels zu Ernst von Feuchtersieben (1948) geht auf die Aphorismen so gut wie nicht ein.

Die Anfänge des literarischen „Aphorismus "-Begriffes

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Den „Confessionen" steht ein selbstbezüglicher Aphorismus voran, in dem Feuchtersieben das Offene, Nichtfixierte solchen Resultates erläutert, die Dialektik von Einfall und Klärung reflektiert und letztlich auf dem durch Unabgeschlossenheit Anregenden beharrt: „Aphorismen können nur, in so weit sie Resultate sind, auf Mittheilbarkeit Anspruch machen. Einfälle, als solche, mitzutheilen, setzt entweder große Anmaßung voraus, indem man sie für wichtig hält, oder Selbstgeringschätzung, indem man sich zur Belustigung des Augenblickes hergibt. Resultate aber nenne ich nicht nur das Abschließliche, sondern auch das aus der Betrachtung von Problemen sich ergebende Anregende" 624 .

Immer schon hat sich in Feuchterslebens Argumentation das Anregende dem Selbständigen verbunden. Das Vorwort zu den „Beiträgen" schließt damit, das Vorwort der „Confessionen" hob dezidiert darauf ab („wer zu denken gewohnt ist, weiß, daß ihn solche problematische Ergebnisse meist, durch Anregung, zu eigener Denkproduktion mehr gefördert haben, als fertige Lehren"), nicht anders enden die „Lebensblätter": „Wohin auch das Schicksal diese Blätter zerstreue, [...] sie werden ihren Zweck erfüllen: z u r B e t r a c h t u n g , - u n d w a s v i e l h ö h e r u n d w i c h t i g e r i s t , - z u r T ä t i g k e i t a η ζ u r e g e η !" 625 Eben diese Funktion wird in betonter Opposition zu jedem System auch der Kürze der Sprichwörter zuerkannt: „Die Volkssprichwörter enthalten die ganze und rechte Philosophie. Sie haben den großen Vorzug vor Systemen, daß sie den Geist anregen, statt ihn zu binden" 626 . Und schließlich das ist entscheidend - : in der Funktion der Anregung ordnet der Mediziner und Popularphilosoph Feuchtersieben seine Aphoristik ausdrücklich den Werken der „Dichter" zu: „Die Werke der Dichter - Romane und Theater - haben vor rein didaktischen Büchern eben das voraus, daß sie nicht alles aussprechen (woraus Langeweile entsteht); sondern daß sie im Leser, indem sie ihm ein Problem hinwerfen, das eigene Nachdenken anregen. Haben wir ihn nun in den vorangehenden Blättern gelangweilt, so gedenken wir uns durch die folgenden dem eben genannten Voneile der Dichter zu nähern. Denn aphoristische Reflexionen reizen mehr an, als sie befriedigen, regen mehr an, als sie geben" 62 ^

Es mag in einer solchen Äußerung aber auch ein Gutteil Wunschdenken stecken, denn nach dem Zeugnis Grillparzers hat Feuchtersieben eher mit dem Nicht-Poetischen der Gattung gehadert: „Hundertmal mochte ich ihm sagen: das Reflective und Gnomische sei zwar nicht d i e Poesie, aber a u c h Poesie; er blieb unerschütterlich und verurteilte sich selbst" 628 .

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Feuchtersieben: Sämmtliche Werke. Bd. 4, S. 27 Ebd. Bd. 3, S. 235 ( = AW S. 274). Ebd. Bd. 3, S. 193 ( = AW S. 159). Ebd. Bd. 3, S. 369 ( = AW S. 534). Grillparzer: Sämtliche Werke. I. Abteilung, 16. Band. 1925, S. 58.

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Und gegen Ende seines Lebens äußert er sich brieflich an den Freund Metzerich in einer Weise, die in nichts mehr an die Gattungszuversicht erinnert, wie sie aus den Briefen an Zauper klang: „Es ist für uns Beide (als Dichter) ein schlimmes Zeichen, daß Aphorismen unser Letztes sind. Trösten wir uns mit Goethe!"629 Feuchtersieben bezeichnet Lichtenberg als „den feinsten Maler der Seelenzustände, den Kolumbus der Hypochondrie" 630 , den „geistvollsten aller Grillenfänger und den grillenvollsten aller Geistreichen"631, Rahel Varnhagen nennt er in der „Diätetik" eine „geistreiche Frau"632. Da stellt sich noch keine Gattungstradition her, es lassen sich ex post aber doch Zusammenhänge sehen. Gorceix schließt Feuchtersieben in seiner ausführlichen, vornehmlich inhaltlich ausgerichteten Untersuchung an eine zu knapp skizzierte Tradition von Hippokrates, den Feuchtersieben übersetzt, über Bacon zu Lichtenberg an: „En Allemagne, la fin du XVIII. siecle marque un interet accru pour la philosophic de la vie qui se revele comme le terrain nourricier sur lequel croissent les germes de raphorisme" 633 . Es sind vor allem zwei Traditionsstränge, die im „Aphorismus"-Begriff des Mediziners Feuchterslebens zusammenfließen: Der deutliche Anschluß an die Lebensphilosophie des 18. Jahrhunderts ist im großen und ganzen so offensichtlich, wie er im Detail genauerer Untersuchung bedürfte. Die Bevorzugung der unsystematischen Kürze hat hier ebenso ihre Wurzel wie der Wert des Selbstdenkens und der Affekt gegen die Schulphilosophie. Wenn er davor warnt, die „Bruchstücke eines Lebens" als „Lehrsätze" mißzuverstehen, dann bezieht er sich damit auf die Herkunft des Begriffs aus der wissenschaftlichen Praxis der Spätaufklärung und holt ihn in die Literatur hinüber. Wo er von „Anthropologie" als einer umfassenden Wissenschaft spricht („Man kann sagen, wenn man Wortspiele liebt, daß all unser Wissen Anthropologie ist"634), da ist diese eindeutig das »Fach' des Moralisten. Eine neue Stufe in der ,Literarisierung' des Begriffes wird 629

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Brief an Wilhelm von Metzerich, 17 November 1847, in: Ernst Freiherr von Feuchtersieben: Sämtliche Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Bd. 6: Autobiographische Schriften und Briefe. Hg. von Barbara Otto. Wien: Osterr. Akademie der Wiss. (Ms., Druck in Vorbereitung). Ich danke der Österreichischen Akademie der Wissenschaften dafür, daß sie mir den Brief vorab zugänglich gemacht hat. - Es ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, daß Metzerich in besonderer Weise das Aphoristische und das Epigrammatische vermischt, wenn er den Reflexionsteil seiner Lyrik, Sprüche, Epigramme und Verwandtes, als „Aphorismen" bezeichnet, wie ich nach Abschluß des Manuskripts sehe. - Für den Hinweis auf Metzerichs „Aphorismen" (in: „Gedichte". 1848, S. 97-119) danke ich Hermann Blume. Feuchtersieben: Sämtliche Werke. Bd. 3, S. 398f (= AW S. 559). Ebd. S. 516. Ebd. S. 447 Gorceix: Ernst von Feuchtersieben. 1976, S. 96. Feuchtersieben: Sämtliche Werke. Bd. 5, S. 295 (= AW S. 114).

In der Nachfolge des „Aphorismus" der „Lebensphilosophie"

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damit deutlich. Zum andern bestimmt ihn die Anlehnung an Goethe, das Vorbild seines Lebens. Wie dieser schätzt er: sammelt er und schreibt er literarische Kurzformen, aber eben jetzt - und das bezeichnet die Entwicklung genau - unter dem Gattungsbegriff „Aphorismus". Und diese „Aphorismen" sind es, an denen Hebbel seine eigene Gattungsreflexion entwickelt: Mit Feuchtersieben und Hebbel sind Begriff und literarische Gattung „Aphorismus" Mitte des 19. Jahrhunderts endgültig miteinander verbunden und in dieser Verbindung etabliert.

VIIL In der Nachfolge des „Aphorismus" der „Lebensphilosophie" und Lebensweisheit Wenn auf die Anfänge des literarischen „Aphorismus"-Begriffes hier ein unbekannter und ein höchst bekannter, aber terminologisch schwieriger Fall der Nachfolge des „Aphorismus" der Lebensweisheit folgen, wie er sich im 18. Jahrhundert ausbildete, so will das weniger als strikte Gegenüberstellung verstanden sein denn als unterschiedliche Akzentuierung. Die wissenschaftlichen Wurzeln lassen sich bei Feuchtersieben so gut eruieren wie die literarischen Anknüpfungen bei Anton Fähnrich und Arthur Schopenhauer. 1. Anton Fähnrichs „Aphoristisches Taschenbuch " Taschenbuch und Almanach sind bekanntlich gerade in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weit verbreitet. Wo, wie in den meisten dieser Produkte, der kommerzielle Erfolg stärker im Mittelpunkt des Interesses steht als das literarische Niveau, da greift die literatursoziologische Forschung in diesem Medium Aspekte des breiten Publikumsgeschmackes. Dieses populäre Umfeld bietet einen ungemein wichtigen Beitrag zu Begriffsgeschichte und Poetologie des „Aphorismus" vor der Mitte des Jahrhunderts: 1840 bis 1842 gesellt sich in Gitschin in Böhmen „Pallas Athene. Ein aphoristisches Taschenbuch", auf dem Vortitel als „Ana aus dem Lehrgebiete der Kunst u. Wissenschaft" erläutert635, der „alljährigen Landplage" 636 dieser Publikationsform bei. Der Verfasser Anton Fähnrich

635

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Nach dem Neutrum Pluralis der Adjektive nennt man im 18. Jahrhunden Anekdotensammlungen „Ana", vgl. Weber: Demokritos: Über scherzhafte Schriften und Ana (Weber: Demokritos. Bd. 6. 192^ S. 185ff) und Grothe: Anekdote. 1971, S. 41. Fähnrich: Pallas Athene. Ein aphoristisches Taschenbuch. Jg. 1-3, 1840-1842, hier: 3. Jahrgang 1842, S. 188. Band 4 - 6 ist hingegen nach Auskunft der Osterreichischen National-Bibliothek ein „kritisch-etymologisches Wörterbuch oder Anatomie der deutschen Sprache" und kommt hier nicht in Betracht (Brief vom 7 4. 1995).

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

(1800-1852), der hier diese besondere Form der Selbstironie pflegt, ist Professor am dortigen Gymnasium. Es sind zum einen Reflexionen und Plaudereien in unverbundenen Abschnitten, die fast alle Wissenschaften berühren, insbesondere Literaturund Sprachwissenschaft (Grammatik, Etymologie), Philosophie und Mathematik, über „Schiller und Göthe"63^ die „Dieselbigkeit der deutschen und böhmischen Sprache"638, über „Lethe in le the gelöst"639, „Die Rolle der Bärte in der Geschichte der Philosophie" 640 , die „Theorie der Zahlentheilbarkeit" 641 oder „Die criminelle Praxis der Aerzte" 642 . Zum andern handelt es sich um allgemeine Lesefrüchte und kurze Bemerkungen, über den „Trunkhang der Deutschen" 643 , „Die Mondsucht unserer Fräuleins" 644 und die „Wichtigkeit der Füsse" 645 bis zum „chemisch verbürgten Kaffee-Ersatz" 646 ; es ist schwer, sich weiterer Zitate zu enthalten, auch wenn die Inhaltsverzeichnisse eine Menge weniger skurriler Uberschriften bieten. Nicht selten ist dabei der aphoristische Kernbereich der Selbstund Menschenkenntnis berührt, wo es um „Die Doppelseite der Männer"64^ „Die Trommelliebe der Weiber"648 oder „Die Fischnatur mancher Menschen" 649 geht, wo „Das Sprachtalent der Liebe" 650 oder „Das Irrlicht des Glückes"651 Gegenstand einer Bemerkung sind, und nicht selten auch erinnert die Form an den »klassischen' Aphorismus, sei er definitorischer, sei er metaphorischer Art: „Vorzüge sind die Wiege des Neides" 652 , „Religion ist die Philosophie des Herzens, und Philosophie ist die Religion des Geistes"653, „Mit der sinkenden Jugendsonne wachsen die Schatten des Lebens" 654 . Gattungsreflexion ist ein durchgehendes Element der drei Bände. Sie entwickelt sich aus den Worterklärungen zu Beginn des ersten Bändchens

I.Jahrgang, S. 49 (= I, 49). III, 45. II, 12. 640 I, 19. MI III, 7 642 1,135. 643 I, 86. 644 II, 159. 645 I, 63. 646 II, 49. 647 II, 113. 648 III, 84. 649 II, 147 650 I, 105. III, 65. 652 I, 12. 653 III, 111. 654 III, 90. 637 638

In der Nachfolge des „Aphorismus" der „Lebensphilosophie"

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heraus im Laufe der Zeit zu einer regelrechten, in „Aphorismen" gegebenen, apologetisch motivierten Poetologie der Gattung, wie sie Fähnrich Mitte des 19. Jahrhunderts versteht, der ersten derart ausgeführten ihrer Geschichte, lange bevor sich die Literaturwissenschaft in nennenswerter Weise des Aphorismus annimmt. Fähnrich beginnt mit selbstbezüglichen Erläuterungen, konsequent nicht als „Vorrede", sondern als abgetrennte und vereinzelte „Vorworte": „Eine V o r r e d e zu Trennsätzen oder Aphorismen dürfte keine V o r - R e d e , sondern nur ein V o r w ο r t seyn, das, wie dieser Redetheil überhaupt, bloß ein Verhältniß anzeigte; nämlich das des Buches zur Lesewelt" 6 5 5 . „Ich nannte dieß Taschenbuch ein a p h o r i s t i s c h e s , von α φ ο ρ ί ζ ω (in Trenn- oder Bruchsätzen reden), nur für diejenigen, die eine ähnliche Schreibart anspricht; diejenigen dagegen, die ihre Taschen damit nicht zu beschweren gedenken, mögen es von α priv. und φ ο ρ ι ζ ω oder φ ο ρ ε ω (also von nicht tragen oder mitnehmen) ableiten" 656 . „Die Trennblätter folgen hier so wie sie zufällig von den verschiedenen Zweigen des Erkenntnißbaumes fielen, ganz ohne eine andere Bindung, als die, die ihnen der Buchbinder gab; ich ließ sie ungefacht, weil eine d e s u l t o r i s c h e Lektüre, wenn auch nicht mehr erfreut, doch weniger ermüdet" 65 ? „Das Ganze ist die Musiv-Arbeit eines Studienjahres, jeder Tag setzte einen Stein in das lockere Gefüge ein. Die meisten davon sind unächt oder, wie man es hierlandes nennt, e i g e n e C o m p o s i t i o n ; bei den ächten, die das Kennerauge ohnehin herausfinden würde, ist der Fundort / angegeben, und mein ganzes Verdienst blos etwas Zuschüff und Fassung" 658 . „Der Ausdruck Ana bezeichnet eine Sammlung von Einfällen, Bruchstücken, einzelnen Zügen und Auszügen aus eigenen und fremden Schriften. Eigentlich sollte man ihn -ana schreiben, da es die Endsylben eines eigennamigen Plurals sind, der häufig in dieser Bedeutung vorkömmt, wie z . B . die Scaligeriana [ , . . ] " 6 5 9 .

Dem Sinne nach ist das hier Vorangeschickte bekannter und vertrauter, als es die neue Begrifflichkeit, die synoymen Komposita „Trennsätze" und „Bruchsätze", vermuten lassen; der darin verborgene Gedanke des Abgetrennten oder Abgebrochenen gehört ja spätestens seit Adelung zum definitorischen Kern der Sache. In einer privatetymologischen Eskapade, die mit der griechischen Wurzel des Wortes spielt, schränkt Fähnrich seinen Leserkreis zunächst auf Gleichgesinnte ein, ehe er diese „Aphorismen" als eine „Sammlung von Bruchstücken" von Eigenem wie Fremdem erläutert, „Züge und Auszüge", „eigene Composition" und Exzerpte, bei denen - es geht nicht um Philologie, sondern um Breitenwirkung - sein „eigenes Verdienst blos etwas Zuschliff und Fassung" sei. Dabei wird zum

655 656 657

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I, 3. Ebd. Ebd. I, 3f. I, 4.

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Begriffsgesehichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

einen das Bild des Mosaiks, der Einlegearbeit, bemüht („Musiv-Arbeit"): „jeder Tag setzte einen Stein in das lockere Gefüge ein", zum anderen und Wichtigeren aber eine Metaphorik des Organischen. Angesichts des „Ungefachten", des beliebig nebeneinanderstehenden Fachübergreifenden, des im Wortsinne also nicht in Fächer Geordneten, wie er es bietet, argumentiert Fähnrich für seine „Aphorismen" von der Rezeptionsseite her, weniger stark, mit der aufgrund der Abwechslung zu vermutenden langsameren Ermüdung durch eine „desultorische Lektüre", eine sprunghafte, unbeständige also. Von der Seite der Produktion her aber - das ist entscheidend - beruft er sich für seine Texte, „ganz ohne andere Bindung, als die, die ihnen der Buchbinder gab", geradewegs auf Leben und Natur; sie stehen eben so nebeneinander, „wie sie zufällig von den verschiedenen Zweigen des Erkenntnißbaumes fielen". Dieser Ansatz wird in dem Maße, in dem das Erklären etwas Apologetisches bekommt, ausgebaut. Im zweiten Jahrgang heißt es, das Taschenbuch solle „hinsichtlich seines bunten Inhaltes ein treues Bild des Lebens wieder geben"660, im dritten wird das Plädoyer für „wortkarge Kraftsätze" so begründet: „Zu viele Worte sind, wie das zu viele Laub; sie verschatten die Ideenfrucht und verwehren ihr Gedeihen. Wie die Natur überhaupt in ihrem Gesammtwirken die überraschendsten Resultate durch die einfachsten Mittel bewirkt: / so bedürfen auch die höchsten und sinnigsten Ideen der wenigsten Worte"661. Fähnrich bezieht sich explizit auf die Widerstände der Leser gegen seine aphoristische Schreibart: „Man hat bei dem Erscheinen des ersten Heftes der ,Pallas' den Wunsch geäußert, die Bruchsätze in Hinkunft gefächert zu sehen. Es wäre gewiß mein sehnlichster / Wunsch, diesem Wunsche hier zu entsprechen; aber als ich einst ein artiges Gärtnermädchen beim Straußwinden fragte, warum es denn die Blumen nicht nach ihren Farben, Staubfäden oder Anfangsbuchstaben binde, indem das Sträußchen dann weit geordneter aussehen müßte? da lachte die Holde von Herzen und meinte, es würde sich durchaus nicht machen. Das warum wußte sie nicht, aber ich glaubte es auch, schon weil sie es sagte, und seit der Zeit geht mir das Sträußchen und das Mädchen nicht aus dem Kopfe" 662 .

Novalis' „Blüthenstaub", vor allem aber Jean Pauls von der Anthologie her gedachte Metapher „Blumenstaub" werden aufgenommen und zur Rechtfertigung hypertrophiert, die Frage nach dem Grund ins fraglos Naturhafte verschoben; die Nutzanwendung für den Leser bleibt nur scheinbar offen. Die Berufung auf Natur und Leben geschieht freilich mehr und mehr aus der Defensive heraus, „Nachtheil" und Verlust dabei werden mehr und mehr bedacht:

66

° II, X. III, 17f. II, 53f.

661

In der Nachfolge des „Aphorismus" der „Lebensphilosophie"

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„Es läßt sich allerdings nicht läugnen, daß jeder Gedanke in einer Gedankensammlung in dem Maße, wie jedes Gemälde in einer Gemäldesammlung verliere, oder doch bei weitem nicht den Effekt mache, den er vielleicht in einer / günstigem Stellung gemacht hätte, da in dieser Hinsicht von der Wahl des O n e s unendlich viel abhängt. In einem Bildersaal schweift sich das Auge vom Bilde zum Bilde müde, ohne jedes einzelne gehörig zu würdigen; so wird auch eine Ideen-Gallerie blos durchgeflogen, und das Wenigste daran mit Muße beachtet. Demohngeachtet lege ich hier getrost eine derartige C o l l e c t i o n von Gedanken der Lesewelt zum Durchblättern vor; die bessern darunter werden wenigstens dem Kennerblicke doch nicht entgehen, und die übrigen mögen immerhin im Schatten stehen, oder selbst als Schatten an den Strand der Lethe wandern" 6 6 3 .

So heißt es schon im ersten Jahrgang, und im zweiten formuliert Fähnrich der Tendenz nach ähnlich: „Eine A p h o r i s m e n - S a m m l u n g hat den Nachtheil einer jeden Sammlung, nämlich den, daß der sie musternde Geist selbst nie so g e s a m m e l t ist, als er es / seyn sollte. [ . . . ] Was demnach in so einer G e d a n k e n - R e i h e [ . . . ] a n R a u m abgeht, muß der geneigte Leser an Z e i t ersetzen, und zwischen seine Leseaugenblicke stets einige Ruhe-Stunden oder Rast-Tage schalten; wodurch auch diesem gerügten Nachtheil zum Theile gesteuert wird" 6 6 4 .

In konsequentem Vergleich einer „Gedankensammlung" als „Ideen-Gallerie" mit einer Gemäldesammlung wendet Fähnrich hier das Argument der mehr oder weniger schnellen Ermüdung gegen die selbstgewählte Form und zieht sich auf etwas zurück, das bis heute als gängiges Verteidigungsargument dient: die qualitative Uneinheitlichkeit jeder Aphorismensammlung. Im Jahr darauf greift er mit den Begriffen Raum, Zeit, Sammlung (im umfassenden Sinne) entschieden höher. In dem Gedanken einer Substitution von (Druck-)Raum durch (Lese-)Zeit findet er einen gewissen Ausgleich des eingeräumten Nachteils. Aus der Rechtfertigung der eigenen Arbeit heraus kommt auch Fähnrich zu dem vom Beginn der Begriffsgeschichte an vertrauten Gedanken des in besonderer Weise mitarbeitenden Rezipienten. Deutlicher geschieht das im dritten Band, der aus der altbekannten Opposition heraus eine Formreflexion bietet: „Die ungefachte a p h o r i s t i s c h e Schreibart verhält sich zu der s y s t e m a t i s c h e n eines besondern Fachs, wie der regellose Haufe manigfacher [!] Bruchsteine zu dem Kunstwerke eines Lehrgebäudes; oder wie etwa die Garderobe einer Schaubühne zu der Prachtaussteuer einer ernstern Muse. Diese literärische Steinmetzerei steht nun freilich gegen die fertige Tempelhalle Einer [!] Wissenschaft bedeutend im Schatten; ihre einzige Lichtseite ist die, daß sie einem Jeden die Wahl des verwendbaren Stoffes zum eigenen Neubau biethet" 6 6 5 .

663 664

I, 23f. II, 45f. III, 3.

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Der Ausgangspunkt ist buchstäblich etwa Platners „aphoristische Schreibart", aber im übrigen ist der vorherrschende Ton dieser Erörterung durchaus verschieden von den alten Vorbildern. Drei antagonistische Bilder werden entwickelt, die eindeutig und stark zugunsten des Ausgearbeiteten, Fertigen werten: der „regellose Haufe" von Steinen und das Lehrgebäude, die Garderobe und die Prachtaussteuer, die „literarische Steinmetzerei" und die fertige Tempelhalle einer Wissenschaft. Fähnrich argumentiert völlig aus der Defensive heraus, weil sein „Aphorismus"-Begriff ungeachtet der bei Börne und Varnhagen, auch bei Feuchtersieben zu beobachtenden Entwicklung mit epigonaler Zeitverzögerung noch ganz vorwiegend im Rahmen der Wissenschaft bleibt. Dem „Ungefachten" aber haftet gegenüber dem Fachwissenschaftlichen jetzt unausgesprochen etwas Anachronistisches an. Der Gesichtspunkt der Rezeption, bei Nudow und anderen als vorteilhafte Aktivität gedeutet, bekommt als die „einzige Lichtseite" der aphoristischen Schreibart etwas hilflos Apologetisches. Die philosophischen wie literarischen Wurzeln Fähnrichs sind damit deutlich auszumachen. In erster Linie ist dabei also vom „Aphorismus"-Begriff der Popularphilosophie des 18. Jahrhunderts auszugehen, der auf der Ebene einer Breitenliteratur noch weiterlebt. Der Autor plädiert für eine praktische Lebensweisheit: „Lebensweisheit ist ein feudum nobile, das zum Zeichen hoher Huld nur an die Edelschaar des wissenschaftlichen Reiches verliehen wird; Bücherwissen dagegen oder die sogenannte Stubengelehrsamkeit kann auch ein Eselslehn werden, in sofern nämlich der Lehnsträger damit, wie mit Getreidsäcken beladen, in seinem Stalle hockt, und die Fruchtkörner weder zur Mühle bringt, um sie für sich und Andere genießbar zu machen, noch auf das Saatfeld trägt, um sie durch ihren Anbau hundertfältig zu verzinsen"666.

In den Bildern von „Mühle" und „Saatfeld" wird die Popularisierung verteidigt, der Begriff der „Lebensweisheit", wie er etwa bei Lafontaine begegnete, wird hier stärker aus einer Opposition gegen die „Stubengelehrsamkeit" heraus akzentuiert. Und wie schon bei Christian Schulz oder expressis verbis in Kotzebues „Preziosen für Wiz, Verstand und Herz" drückt sich auch bei Fähnrich die Defensive gegen die intellektuelle Einseitigkeit der philosophischen wie literarischen Avantgarde seiner Zeit in der Denkfigur von „Geist und Herz" und also der Betonung der Gemütskräfte des Menschen aus. „Geist und Herz beseelen und beglücken nur dann, wenn sie im schönen Bunde vereint sind"66? Fähnrichs entscheidende literarische Wurzeln im Zusammenhang der Begriffsgeschichte des Aphorismus sind aber mit den Hinweisen auf Lafontaine und Kotzebue noch nicht benannt. Es bedarf hier keiner beson-

666 667

I, 136. III, 5.

In der Nachfolge des „Aphorismus" der „Lebensphilosophie"

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deren semantischen oder literarhistorischen Scharfsinnigkeit, da er sie selbst mehrfach dankbar erwähnt: Lichtenberg und Jean Paul. Als J.P. wird „mein oft erwähnter Liebling" 668 regelmäßig zitiert; häufiger noch wird gewiß ohne ausdrücklichen Hinweis auf den „Riesenspeicher seiner Auszüge"669 Bezug genommen, Jean Paul ist die literarische „Sonne" 670 über der Landschaft dieser Taschenbuch-Gemeinde. Aber auch „der geniale Lichtenberg"671 wird als Aphoristiker durchgehend rezipiert: „Bruchgedanken nur zum Blättern. - Lichtenbergs Schriften (Wien 1817) haben mich durch das Gedrängte und Abgeschlossene jedes Gedankens ungemein angesprochen; doch sind seine Werke, wie alle Schriften der Art nur zum Blättern, nicht zum Fortlesen geeignet. Seine Bruchsätze kommen mir wie Gewürzzelteln oder Morsellen vor; man darf nur davon naschen; selten und mäßig genossen wirken sie magenstärkend ein; aber in / Hülle und Fülle verschluckt, erregen sie Uberladung und Ekel" 6 7 2 .

Lichtenbergs „Bruchgedanken" oder „Bruchsätze": die angestrebte literarische Nachfolge zeigt sich nicht allein darin, daß Fähnrich exakt mit diesem Begriff, als Synonym für „Aphorismen" und als Übertragung ins Deutsche, seine eigenen Texte bezeichnet. Auch die besondere Rezeption, gewissermaßen in kleinen Dosen, reflektiert er ja in exakt gleicher Weise für seine eigenen Aphorismen, wenn er rät, „Ruhe-Stunden oder RastTage" zwischen die Lektüre zu schalten. Vergegenwärtigt man sich die Nichtbeachtung des Aphoristikers Lichtenberg in der ,offiziellen' Literaturgeschichte zu Fähnrichs Zeit, etwa bei Laube, Gervinus, Vilmar oder Hettner, wird erst recht deutlich, wie wichtig dieser Rezeptionsstrang für die Geschichte von Begriff wie Gattung ist. Der „Aphorismus"-Begriff, wie ihn Fähnrich in seinem „aphoristischen Taschenbuch" vielfach reflektiert, spiegelt so den Entwicklungsstand Mitte des 19. Jahrhunderts in der Weise wider, daß er in erster Linie und stärker als die ,hohe' Literatur der Zeit aus der Nachfolge des von Wissenschaft und Lebensweisheit geprägten Begriffes des 18. Jahrhundens lebt, aber in der gleichzeitigen Anknüpfung an die aphoristische Literatur Lichtenbergs und Jean Pauls dennoch keine eindeutige Zuweisung zu einem älteren oder einem neueren Begriff zuläßt. Das Spezifische des „Aphorismus" dieser Ubergangszeit ist ja vielmehr gerade ein Mit- und Ineinander beider, das als gemeinsame semantische Mitte zu beschreiben ist, auch wenn es jeweils unterschiedlich gewichtet und also verschieden zu bestimmen ist. 668 J 74 o" III, 27 670 III, 82. 671 I, 70. 672 I, 107f.

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2. Arthur Schopenhauers „Aphorismen zur Lebensweisheit" Arthur Schopenhauers „Aphorismen zur Lebensweisheit", 1851 als Abschluß des ersten Bandes der „Parerga und Paralipomena" erschienen, sind das früheste Werk der deutschen Literaturgeschichte, das den Begriff im Titel führt und in das allgemeine literarische Bewußtsein vordringen konnte. Von allen Werken Schopenhauers waren die „Parerga und Paralipomena" schon zu Lebzeiten sein größter schriftstellerischer Erfolg, und vor allem die Aphorismen entfalteten sehr bald als „Hausbuch des gebildeten Bürgertums"673 breiteste, bis heute anhaltende Wirkung. Diese wirkungsgeschichtliche Besonderheit, die sie aus dem terminologischen Kontext ihrer Zeit isoliert hat, ist für die Probleme, die ihre Begrifflichkeit aufwirft, verantwortlich. Immer wieder ist der Begriff an so exponierter Stelle diskutiert worden; einerseits hat man ihn dabei mit dem Verweis auf das offensichtlich Essayistische der Texte, denen er zum Titel dient, leichthin verworfen, andererseits nicht nur vehement verteidigt, sondern unter Hinweis auf den handschriftlichen Nachlaß auch auf das gesamte Werk ausgedehnt. Gemeinsam ist den Exponenten Fricke, für den Schopenhauer 1984 „alles andere als Aphorismen"674 verfaßte, und Otto Weiß, für den er 1924 „dem Aphorismus ein neues, das philosophische, Gebiet erschlossen"675 hat, daß bei ihnen jeweils eine vorgefaßte Idee dominiert: die Idee einer überzeitlich-normativen Form des Aphorismus einerseits, die Idee des Aphoristischen als des spontanen, inspirierten Ursprungs allen Denkens andererseits. Diese grundverschiedenen Ansätze sind nicht losgelöst zu betrachten von den literaturwissenschaftlichen Leitvorstellungen ihrer Zeit. Besonders deutlich erklärt sich die Hypertrophierung des Begriffs nach 1900 als Teil seiner Entwicklungsgeschichte bei Weiß. Er ediert den Nachlaß als „Philosophische Aphorismen" und führt damit die Vorarbeiten Eduard Grisebachs weiter, der schon 1897 im Anhang seiner Biographie eine kleine Auswahl „Philosophische Aphorismen" veröffentlicht hat676. Die Begriffswahl und die einseitige Akzentuierung im Vorwort sind aus einer Zeit heraus zu verstehen, in der der Terminus nach Nietzsche und Kraus und vor allem mit Leitzmanns Bemühungen um Lichtenberg zu einer nicht unproblematischen Blüte kommt 677 Zwischen Lichtenberg und Nietzsche sucht Weiß Schopenhauer denn auch bruchlos einzuordnen:

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Safranski: Schopenhauer und Die wilden Jahre der Philosophie. 1987, S. 494. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 43. Weiß: Vorwort zu: Schopenhauer: Philosophische Aphorismen. 1924, S. 17. Grisebach: Schopenhauer. 1897, S. 282-284. Vgl. unten S. 276.

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„An seinem verehrten und bewunderten Vorbild Lichtenberg geschult, hat Schopenhauer dem Aphorismus ein neues, das philosophische, Gebiet erschlossen und ihm zugleich damit ganz neue, ungeahnte Ausdrucksmöglichkeiten gegeben"678. „Wir pflegen heute als den eigentlichen philosophischen Aphoristiker Nietzsche zu betrachten [...]. Aber wie so mancher gesuchte und gewaltsam aufgerichtete Gegensatz zwischen Schopenhauer und Nietzsche, fällt bei genauerer Prüfung auch dieser haltlos in sich zusammen" 679 . Er verkennt, daß im Gegensatz zu Lichtenberg bei Schopenhauer ein Hauptwerk schon früh vorliegt, dem sich das Spätere einfügen soll, und geht in seiner Uberschätzung der spontanen Niederschrift so weit, den Autor zu tadeln und zu verbessern: „Statt die in unmittelbarer Inspiration niedergeschriebenen Aphorismen zu ordnen und lose aneinanderzureihen und damit auch literarisch den Erlebnischarakter seiner Gedankenwelt zu dokumentieren, war er zeitlebens bemüht, sie in die Architektonik seines Jugendwerks und die Disposition seiner übrigen Abhandlungen hineinzuzwängen"680. Die auf einen Zweck hin gefeilten und geformten veröffentlichten Texte ordnet Weiß bedingungslos den spontanen Aufzeichnungen unter: „Dagegen besitzen wir in den unmittelbar im Augenblick der Intuition niedergeschriebenen Aphorismen eine literarische Schöpfung von höchstem künstlerischen Wert" 681 . Zur Entdeckerfreude des Herausgebers, die eine einseitige Gewichtung und einen eingeschränkten Blickwinkel zur - selten vermiedenen - Folge hat, kommt die Vorherrschaft einer geistesgeschichtlich orientierten Literaturwissenschaft hinzu, die - das lassen die Urteile deutlich erkennen Werte wie „Inspiration", „Intuition" und „Erlebnis" höchst einseitig überschätzt682. Weiß kann sich dabei scheinbar auf Schopenhauer selbst berufen: „Jedes große historische Gemähide, jedes Epos, jede Oper, - ist, dem bei weitem größern Theil nach, ein Werk der Absicht und Überlegung: daher stammt das Schaale, Langweilige, welches sich dem Genuß aller solchen großen Werke unvermeidlich beimischt. Aber eine Skitze, welche die Hand wie unbewußt hinzeichnete, ein Lied, welches die innigst gefühlte Stimmung der Gegenwart aus der es entstanden, ausdrückt, eine Melodie, welche wie durch Eingebung kam, - diese und diese allein sind unvermischte Werke der Begeisterung, der Inspiration, des Genius, und sind daher durch und durch genießbar und erfreulich" 683 .

Weiß' Argumentation gipfelt in dem Urteil: „So müssen wir in diesem uns glücklicherweise erhaltenen Aphorismenschatz die eigentlich schöpferi-

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Weiß (Hg.): Schopenhauer: Aphorismen. 1924, S. 17 Ebd. S. 29f. Ebd. S. 24. Ebd. S. 16. Vgl. unten S. 389. Zit. bei Weiß (Hg.): Schopenhauer: Aphorismen. 1924, S. 21.

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sehe Arbeit Schopenhauers und die unmittelbarste Quelle seiner philosophischen Konzeptionen erblicken"684. Arthur Hübscher, jahrzehntelang einer der führenden SchopenhauerForscher und -Editoren, folgt ihm darin. Nicht nur, daß er in seiner „Biographie eines Weltbildes" eben die ersten selbständigen Aufzeichnungen Schopenhauers aus den Jahren 1808-09 in Weimar, die schon Grisebach mitteilte, „knappe, in die Form des Aphorismus gebrachte Fragmente" 685 , als Ausgangspunkte seines Schaffens vollständig wiedergibt: Er bewertet auch das Verhältnis der Notizen zum endgültigen Text der „Welt als Wille und Vorstellung" ganz ähnlich, wenn er schreibt, daß diese in den Aufzeichnungen „in ihrer ursprünglichsten und frischesten Gestalt vorliegt unzusammenhängend noch und ungeordnet in der Aneinanderreihung von Aphorismus zu Aphorismus" 686 . Im Vorwort seiner Ausgabe der „Aphorismen zur Lebensweisheit" schließlich heißt es apodiktisch, Schopenhauer tue „dies alles in einer Form, die seine eigenste und ursprünglichste Ausdrucksform gewesen ist, und zugleich die Anfangs- und Endform alles Philosophierens, der Ausdruck für das erste Fragen und die letzte Einsicht: der Aphorismus" 68 ·! Wenig später schreibt Hübscher, der Philosoph sei sich „der Entstehung seiner Werke aus den Ursprüngen des Aphorismus wohl bewußt" 688 gewesen, und diese weitaus vorsichtigere Formulierung greift Margolius in seinen Überlegungen zu „System und Aphorismus" auf: „Das Ganze der Werke Schopenhauers ist jedenfalls dem Ursprünge nach aphoristisch" 689 . Beide beziehen sich dabei auf die schon von Weiß als Kronzeugnis herangezogene Skizzen-Stelle690. Dabei nutzen sie weder die geistesgeschichtlichen Traditionen oder die publizistische Praxis Schopenhauers noch die literaturwissenschaftliche Methode, die Weiß geradezu übererfüllt, zu differenzierender Einschränkung. Absicht und Überlegung stellt Schopenhauer in dieser theoretischen Passage, die offensichtlich die Genie-Ästhetik des 18. Jahrhunderts unreflektiert aufgreift, Werten wie Eingebung, Begeisterung, Inspiration, Genius gegenüber, die sich mit der „Skitze" verbinden. Seine schriftstellerische Praxis hingegen ist durchaus und vornehmlich von „Absicht und Überlegung" geprägt. Wo also bei Hübscher aus der „Anfangs- und End-

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Ebd. S. 28. Hübscher: Schopenhauer. 1967, S. 29. Ebd. S. 59. Hübscher (Hg.): Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit. 1972, S. 9. Ebd. S. 10. Margolius: System und Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 284. Hübscher (Hg.): Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit. 1972, S. 10; Margolius: System und Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 285.

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form" die vorsichtigere Formulierung „aus den Ursprüngen" wird, wo es bei Margolius gleichfalls „dem Ursprünge nach" heißt, da werden augenscheinlich angesichts der offensichtlich doch ,unaphoristischen' Form der publizierten Werke Hilfskonstruktionen errichtet, die den Beginn einer Reflexion des Verhältnisses von ursprünglicher Notiz und veröffentlichtem Text, insbesondere ihrer jeweiligen Funktion, bedeuten. Dem Resümee Margolius' in diesem Sinne: „Alle seine Schriften sind aus aphoristischen Aufzeichnungen hervorgegangen" 691 entgegnet Fricke schlicht mit der Frage: „Welches gedanklich anspruchsvolle Buch wäre das nicht?" 692 Riedinger hat Weiß' und Hübschers einseitige Uberbewertung schon 1963 als „Vorurteil"693 und bedauerlichen „Abweg" 694 bezeichnet. Genau wie Fricke konstatiert er: „So wie dieser Nachlaß beschaffen ist, wird es der jedes Denkers sein"695. Er rekurriert nicht nur auf den Gegensatz von ursprünglicher Aufzeichnung und veröffentlichtem Text, sondern auch auf den von „Stoff" und „Form": „Als Schopenhauer seine Aufzeichnungen niederschrieb, war es ihm zunächst nur daran gelegen, seine Gedanken festzuhalten; bei der Zusammenfassung dieses Stoffs in seine Werke aber war es ihm zwar um diese Gedanken zu tun, nicht aber um die Form, die er ihnen zunächst gegeben hatte" 696 . Deutlichere Ansätze, die unter begriffsgeschichtlichem Aspekt aufzunehmen sich lohnt, bieten speziell zu den „Aphorismen zur Lebensweisheit" Anmerkungen in Kochs Novalis- und Krupkas Lec-Dissertation. Als zusätzliche Argumentation gegen ein exklusives Verhältnis von System und Aphorismus heißt es bei Koch: „Es hätte Schopenhauer zudem freigestanden, in den ,Aphorismen zur Lebensweisheit' wirkliche, d. h. künstlerische Aphorismen zu veröffentlichen, ließ doch sogar der Titel solches erwarten, insofern die Aphorismen der französischen Moralisten sich zu einem großen Teil demselben Thema der ,Lebensweisheit' gewidmet haben" 69 ? Während er hier zum einen den Begriff als geglückte Titelwahl ablehnt, gibt er zum andern mit dem Bezug auf die „Lebensweisheit" doch schon eine wichtige Andeutung, in welcher Weise und aus welchen Gründen sie bei Schopenhauer ihre Berechtigung haben kann, ohne sich dessen bewußt zu sein. In derselben Anmerkung heißt es weiter, jetzt eindeutig und eindeutig erhellend: „Der vorwiegend wissenschaftlich orientierte und vorwiegend künstlerisch orientierte Tradition-

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Margolius ebd. S. 284. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 43. Riedinger: Schopenhauer und der Aphorismus. In: Kant-Studien 54, 1963, S. 223. Ebd. S. 224. Ebd. S. 225. Ebd. S. 223. Koch: Der philosophische Stil des Novalis. 1972, S. 527, Anm. 2.

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sträng [!] lassen sich auch im Falle Schopenhauer nicht streng scheiden"698. Während Koch hier aus der Zeit heraus und ganz zutreffend integrativ argumentiert, war er wenige Augenblicke vorher noch von in heutigem Verständnis „wirklichen, d. h. künstlerischen Aphorismen" und also einer Trennung in „wirkliche": künstlerische und ,unwirkliche', philosophische Aphorismen ausgegangen. Ahnlich verbinden sich bei Krupka ahnungsweise Andeutungen mit einem fehlgehenden Versuch zu systematischer Klarheit: „Die Bezeichnung ,Aphorismen' ist hier eindeutig verfehlt; es handelt sich eher um Essays, die sich mit den ,Essais' Montaignes oder den ,Essays' Francis Bacons vergleichen lassen. Daß Schopenhauer aber den Titel,Aphorismen' gewählt hat, liegt begründet im Inhalt dieses Buchs"699. Der erste Satz urteilt ganz im Sinne Frickes von der Warte eines anachronistisch engen, nach und an Nietzsche und Kraus entwickelten Gattungsverständnisses aus, ohne jede Berücksichtigung von Herkunft und Wandel des Begriffs. Der zweite hingegen läßt sich auf einen angemesseneren Horizont ein. Eine Vorwurfshaltung, die sich darin äußert, daß Schopenhauer - aus Unkenntnis? aus Bosheit? zur Verwirrung der literaturwissenschaftlichen Nachwelt? - den falschen Begriff gewählt habe, verschiebt sich zu der Verstehenshaltung, aus welchem Grunde der Philosoph in welchem Sinne den Begriff in den Titel seiner „Aphorismen zur Lebensweisheit" stellt. Bei Weiß und Koch war diese Vorwurfshaltung - ohne solchen relativierenden Verstehensversuch - schon aus der Grammatik erkennbar, aus dem Konjunktiv II bei Koch (es hätte ihm freigestanden), aus der Konjunktion (im Verein mit dem stark wertenden Verb „hineinzwängen") bei Weiß: „Statt die in unmittelbarer Inspiration niedergeschriebenen Aphorismen zu ordnen, [...] war er zeitlebens bemüht, [...] sie in die Architektonik seines Jugendwerks [...] hineinzuzwängen"700. Bei Krupka wird die Verstehenshaltung noch ein kleines Stück weit beibehalten: Schopenhauer, „der in seinen,Aphorismen' praktisch verwendbare Lebensweisheit bieten will - hat mit dem ,falsch' gewählten Titel ,Aphorismen' auf die wichtigste Bestimmung der Aphoristik hingewiesen, nämlich das Leben von abstrakten, transzendenten, falschen Zielen wegzuführen hin zu einer konkreten Selbstverwirklichung"701. Anlasten kann man Koch und Krupka diese gewissen Uneindeutigkeiten nicht, im Gegenteil: Die Hinweise sind nach kritischer Sichtung dankbar aufzunehmen und in einem neuen Kontext zu bewerten. Die Begriffsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, in der Schopenhauer steht, ermöglicht es nämlich, die Ansätze, wie sie sich einerseits aus ™ Ebd. 699 Krupka: Der polnische Aphorismus (Lee). 1976, S. 181, Anm. 109. 700 Weiß (Hg.): Schopenhauer: Philosophische Aphorismen. 1924, S. 24. 701 Krupka: Der polnische Aphorismus (Lee). 1976, S. 181, Anm. 109.

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der impliziten Diskussion Riedingers und Frickes mit Weiß, Hübscher und Margolius, andererseits ausdrücklicher aus den Bemerkungen Kochs und Krupkas ergeben, auf eine neue Grundlage zu stellen: ein Weg des Verstehens statt der Sackgasse einer Vorwurfshaltung. Dabei geht es zum einen um den (Stellen-)Wert von Schopenhauers Werk überhaupt für die Gattung Aphorismus, zum andern um die von ihm gewählte Begriffsbezeichnung an dieser einen Stelle, die sich wirkungsgeschichtlich als außerordentlich bedeutsam und prägend erweisen wird. Bei der Beurteilung des handschriftlichen Nachlasses, der, von Hübscher herausgegeben, gedruckt vorliegt702, ist entscheidend, daß Schopenhauer, anders als Lichtenberg, sein „Werk" schon geschrieben hat. In diesen Notizbüchern sammelt er Erläuterungen, Belege, Exkurse zur „Welt als Wille und Vorstellung", die die Grundlage des zweiten Bandes „Ergänzungen" in der zweiten Auflage von 1844 bilden. Von „Aphorismen" spricht er selbst dabei selbstverständlich nie. Scheint die Frage deshalb zunächst aus dem begriffsgeschichtlich fokussierten Horizont ganz herauszufallen, so zeigt sich, daß sie durchaus in ihn eingeordnet werden kann, ja, muß, wenn der Zusammenhang seiner eigenen denkerisch-aufzeichnenden Tätigkeit mit der aneignenden Lektüre des Graciän'schen „Handorakels" hergestellt wird. Der Ubersetzung, in der diese jahrelange Beschäftigung gipfelt, liegt ein Exemplar der dritten Ausgabe von 1659 zugrunde, das wie die Erstausgabe von 1647 das Wort „aforismos" im Untertitel führt703. Seit 1822 legt Schopenhauer „persönliche Erfahrungen und Selbstbeobachtungen nieder, Lebens- und Weisheitsregeln aller Art und Zitate paränetischen, charakterbildenden Inhalts, die er stets vor Augen haben wollte"704. „Im Zusammenhang mit diesen Bemühungen wurde die Begegnung mit Graciäns ,Handorakel' förderlich und folgenreich"705. Konkret sind es zwei literarische Folgen: die Ubersetzung Graciäns und die „Aphorismen zur Lebensweisheit", die mithin von Beginn an eng verknüpft sind, so daß die Verbindung auch des Begriffes „Aphorismen" zu den „aforismos" Wahrscheinlichkeit gewinnt. Weder mit der Teilübersetzung von 50 Aphorismen des „Handorakels", die Schopenhauer 1829 an Brockhaus schickt, noch mit der Komplettierung und Überarbeitung, die er im April 1832 Keil anbietet, hat er

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Eine Übersicht über die zehn Bücher in: Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlaß. Bd. 3, S. Vllf. Vgl. Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlaß. Bd. 5, S. 494. Ebd. Bd. 4, 2; S. XI. Ebd.

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zunächst Erfolg. Die „Litterarische Notiz für den Verleger"706 Keil betont die „kernige Kürze, die dem Graciän wesentlich ist", berührt ansonsten aber Formfragen nicht, sondern ist eine Kritik der Vorgänger. In den Ubersetzungen und Bearbeitungen von Müller 1715-1717707 bis Heydenreich 1804708 erscheint der Begriff auf dem Titel nicht. Bei Müller ist von den „Kunst-Regeln der Klugheit" und von „Maximen"709 die Rede. Heydenreichs Ubersetzung ist über eine französische Vorlage weiter vom Original entfernt und erscheint als „Der Mann von Welt, eingeweiht in die Geheimnisse der Lebensklugheit"; im Vorwort spricht der Verfasser regelmäßig von „Maximen"710. Nun erscheint auch in der postum 1862 von Frauenstädt veröffentlichten Ausgabe der Schopenhauerschen Übersetzung der Begriff auf dem Titelblatt nicht, allerdings auch nicht die beliebigen älteren. Das Graciän'sche „Sacada de los aforismos que se discurren en las obras de" ist lediglich zusammengestrichen zu „Aus dessen Werken gezogen", vielleicht auf Grund einer stilistischen Überlegung, schließt sich doch hieran noch die Bezeichnung der Übersetzung „und aus dem spanischen Original treu und sorgfältig übersetzt von". In dem selbstreferentiellen „Aphorismus" Nr. 133711 jedenfalls gibt Schopenhauer das Graciän'sche „aforismo" ohne jedes Bedenken als „Aphorismus" wieder: „Doch möchte ich den Aphorismus ummodeln"712. Wie der begriffliche so ist auch der inhaltliche Zusammenhang der Übersetzungsarbeit mit den Vorstufen zu den „Aphorismen zur Lebensweisheit" denkbar eng, wie uns die Beschreibung des Nachlasses zeigt. Parallel zur Beschäftigung mit Graciän vor 1828 finden sich hier nicht nur nach diesem Vorbild in Nummern eingeteilte Aufzeichnungen zu einer Eudämonologie, die fortgeführt, ergänzt, verändert werden, bis das Ganze „nach Jahren schließlich, auf 53 Nummern gebracht, in den ,Paränesen und Maximen' des Spätwerks seine Stelle findet"713, sondern es zeigt sich in engster Verbindung damit auch der Entwurf der Einleitung zu den „Aphorismen".

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Ebd. Bd. 4, 2; S. XIV-XVII. Graciän: Maximen. Üb. von A. F. Müller. 2 Bände. 1715-1717 2. Aufl. 1733. Der Mann von Welt, eingeweiht in die Geheimnisse der Lebensklugheit. 1804. Graciän: Maximen. Üb. von A. F. Müller. 1733, Titelblatt u.ö. Der Mann von Welt, eingeweiht in die Geheimnisse der Lebensklugheit. 1804, S. Xf. Graciän bezeichnet als „Aphorismen" nur den ersten Teil, der dann kommentiert wird, wie Blüher hier und am Titel nachweist; vgl. Blüher: Graciäns Aphorismen. In: Aphorismus WdF, S. 416f. Graciän: Hand-Orakel und Kunst der Welt-Klugheit. Aus dem spanischen Original treu u. sorgfältig üb. von Arthur Schopenhauer. 1968, S. 67 - Heydenreich schreibt hier „Meynung", S. 86, Kölles Übersetzung: „Männerschule" (1838) läßt den Satz aus (S. 74), Müller übersetzt „Spruch" (Bd. 2, S. 207). Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlaß. Bd. 3, S. XII; vgl. ebd. Bd. 4, 2; S. XI.

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Weiter auf dem Weg des Verstehens führt die Frage, wie Schopenhauer den Begriff benutzt und aus welchen Gründen er ihn wählt. Nun ist es zwar richtig, daß er uns „weder eine Erklärung noch den Grund für die Wahl dieses Terminus"714 bietet. Versteckte Hinweise auf sein Verständnis und seine Verwendung des Begriffes gibt er gleichwohl, wenn er im Vorwort schreibt, „die ganze hier zu gebende Auseinandersetzung" bleibe „auf dem gewöhnlichen, empirischen Standpunkte", und sie erhebe „keinen Anspruch auf Vollständigkeit"715. Die Betonung des rein empirisch Orientierten als eines gegenüber der Schulphilosophie Andersartigen und - unter diesem Hinblick - als eines Minderen war innerhalb der Begriffsgeschichte dem popularphilosophischen Diskurs eigen, wie etwa die Rezension der Görres'schen „Aphorismen" expressis verbis zum Vorschein bringt716. Ein anderes, vielfach erkennbares Merkmal beschrieb die Nicht-Vollständigkeit als Plan oder Entwurf. Schopenhauer schickt dem Kapitel V, den „Paränesen und Maximen", die er offensichtlich als eine inhaltlichfunktional definierte Untergruppe seiner „Aphorismen" versteht, eine eigene kurze Einleitung voraus. Ihr Leitgedanke ist der der Nicht-Vollständigkeit: „Mit der Vollständigkeit fällt aber auch die systematische Anordnung größtentheils weg. Ueber Beide tröste man sich damit, daß sie, in Dingen dieser Art, fast unausbleiblich die Langeweile in ihrem Gefolge haben"71? Bei Goethe erschien das Merkmal des Unvollständigen, Unvollendeten innerhalb des Aphoristischen als entschuldigende captatio benevolentiae, als „nur" oder „bloß" im Zusammenhang mit seinem Begriff der „Skizze" 718 . Solches könnte man auch aus Schopenhauers kleiner Einleitung heraushören. „Ich habe bloß gegeben, was mir eben eingefallen ist" 719 . Mit der Betonung der „Langeweile", die dank seiner Nicht-Vollständigkeit ausbleibe - genau dieses Argumentes bediente sich Börne - , erweist sich hingegen nicht nur die offensive Verteidigung des Späteren an dieser Stelle. Mit diesem Gegenbegriff pocht er ja in dem von den Verfechtern eines ursprünglichen Aphorismus bei Schopenhauer vielfach zi-

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Fedler: Der Aphorismus. 1992, S. 13. - Weder die Schopenhauer-Lexika von Frauenstädt (Schopenhauer-Lexikon 1871) noch von Wagner (Schopenhauer-Register 2. Aufl. 1960) haben unter dem Stichwort „Aphorismus" Einträge. Schopenhauer: Werke. Bd. VIII. 1977, S. 343. Vgl. oben S. 36f. - Hier sieht denn auch Fedler die Begründung für die Wahl des Terminus: „So kann man nur mittelbar darauf schließen, daß das Festhalten auf dem empirischen Standpunkt den Titel,Aphorismen' rechtfertigt" (Fedler: Der Aphorismus. 1992, S. 14.). Schopenhauer: Werke. Bd. VIII. 1977, S. 441. Vgl. oben S. 84f. Schopenhauer: Werke. Bd. VIII. 1977, S. 441.

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

tierten Passus720 auf dem Vorrecht der „Skitze" und gibt damit diesem Aspekt des „Aphorismus"-Begriffs ähnlich wie Feuchtersieben eine neue Färbung. Er wendet ihn ins Spontane, Natürliche. Die systematische Anordnung falle mit der Vollständigkeit „größtent e i l s " weg, heißt es. Schopenhauers Selbsteinschätzung verwundert, machen doch nicht nur das V. Kapitel, sondern die „Aphorismen" insgesamt schon in einem Blick auf das Inhaltsverzeichnis, von der „Grundeintheilung" angefangen, einen geradezu pedantisch-systematischen Eindruck. Margolius löst dieses Problem in seiner Reflexion des Verhältnisses von „System und Aphorismus" so: „Vielleicht am deutlichsten aber zeigt sich die Vereinbarkeit von Aphoristik und Systematik im Werke Schopenhauers", das „gleichsam ein Schulbeispiel dafür gibt, daß System und Aphorismus sehr wohl zusammengehen"721. Auch Koch hält es für „mißlich, Systematik und Aphoristik grundsätzlich gegeneinander ausspielen zu wollen"722. Eine Synthese der begriffsgeschichtlichen Einzelbefunde kann, diese Thesen stützend, das fortschreitend dialektischer verstandene Verhältnis von System und Aphorismus zeigen723. Die Erinnerung an die Wörterbücher bis in Schopenhauers Zeit, die über das ambivalente Verhältnis von System und Aphorismus reflektieren, mag fürs erste für die Vermutung genügen, daß das Systematische, das wir erkennen, und der Begriff in der Frühzeit seiner Geschichte nicht in einem Ausschlußverhältnis stehen. Auch für Schopenhauer ist selbstverständlich „die Einheit der Ansicht [...] die Seele der Werke dieser Art" 724 . Schon diese Überlegungen deuten klar an, in welchem Kontext und mit welchen semantischen Aspekten verknüpft Schopenhauer so selbstverständlich von seinen „Aphorismen" sprechen kann, wie er das am Ende seiner Einleitung tut, wenn er auf das „in ähnlicher Absicht wie gegenwärtige Aphorismen"725 Verfaßte zu sprechen kommt. Ausdrucksmittel einer von Graciän ausgehenden philosophisch-literarischen: moralistischen Literaturtradition praktischer Selbst- und Welterkenntnis: aus dieser Tradition heraus gibt sich der Begriff als offensichtlich vornehmlich inhaltlich bestimmt zu erkennen. Die zeitgenössischen Rezensionen der „Parerga und Paraüpomena" sind geeignet, diese Tradition genauer zu bestimmen. Kritischer Abstand ist

Vgl. oben S. 133. Margolius: System und Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 283. 7 2 2 Koch: Der philosophische Stil des Novalis. 1972, S. 526. ™ Vgl. unten S. 352ff. 7 2 4 Schopenhauer: Werke. Bd. VIII. 1977, S. 344. 7 » Ebd. S. 343. 720 721

In der Nachfolge des „Aphorismus" der „Lebensphilosophie"

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von Julius Frauenstädt726 nicht zu erwarten. Schopenhauers Schüler referiert das Werk des Meisters in werbender Absicht („Schopenhauer ist nicht blos ein Mann von Geist, sondern, was selten damit verbunden ist, auch ein Mann von Charakter" 727 ), die „Aphorismen" nehmen dabei unverhältnismäßig viel Raum ein. Er reflektiert den „kernigen und kräftigen Stil" und bemerkt, daß der Meister „doch nicht blos durch den Stoff, sondern mehr noch durch die eigenthümliche Form in der er ihn uns bietet" 728 , wirkt; den Begriff selbst benutzt er nur als Titelzitat. Indem er auf den „Selbstdenker" Schopenhauer rekurriert, schließt er: „Er ist wie ein Arzt der unerbittlich schneidet und brennt, wo es die Schäden erfodern, aber dafür auch heilt und von den Übeln befreit" 729 . In diesem Hinweis auf die hippokratische Tradition der „Aphorismen" des 18. Jahrhunderts stellt er indirekt einen Zusammenhang her, den eine anonyme Hamburger Rezension deutlicher erkennen läßt: Der Inhalt der beiden Bände sei gemeinverständlich und „im eigentlichen Sinne zur Philosophie des Lebens zu rechnen, anthropologisch, psychologisch, ästhetisch" 730 ; speziell auf die „Aphorismen zur Lebensweisheit" bezogen, heißt es dort: „Von dem, was Einer ist, was Einer hat, was Einer vorstellt, ist die Ueberschrift dreier zusammengehöriger Abschnitte der Lebensphilosophie, die für jeden Menschen reiche praktische Belehrung enthalten"731. Die Möglichkeit zur weiteren Einbindung in diese Tradition gewinnen wir, wenn wir weniger fixiert bleiben auf den Begriff selbst. Koch und Krupka gaben uns Hinweise darauf, den zweiten Bestandteil des Titels genauer zu betrachten, als er es zu verdienen scheint; von dieser „Lebensweisheit" nimmt schließlich auch die Einleitung ihren Ausgang732. Er weist entschieden zurück in die Lebensphilosophie des 18. Jahrhunderts, auf die Menschenkenntnis, wie sie Moralistik und Anthropologie gleichermaßen zu erweitern beabsichtigen. Daß diese Texte zwischen popularphilosophischer Wissenschaft und moralistischer Literatur neben den französischen Moralisten selbstverständlich auch Gracians „Handorakel" zum Vorläufer haben, bildet sich rein terminologisch gesehen in dem

Frauenstädt: Rez. Schopenhauer. In: Blätter für literarische Unterhaltung 1852/1, S. 196-202. Ebd. S. 198. ™ Ebd. S. 200. 729 Ebd. S. 201. 730 Abgedruckt bei Grisebach: Schopenhauer. Neue Beiträge zur Geschichte seines Lebens. 1905, S. 4 6 - 4 9 , hier S. 48. 731 Ebd. S. 49. - Die anderen Rezensionen gewinnen den „Aphorismen" keinerlei Interesse ab, insbesondere auch John Oxenford in The Westminster Review vom 1. 4. 1852 nicht, in der nur 15 Jahre zuvor der „erste ausdrückliche Versuch einer Definition des Aphorismus als Kunstform unter dem Namen ,aphorism'" (Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 24), John Stuart Mills Aufsatz nämlich, erschienen war. 732 Vgl. Wagner: Schopenhauer-Register. 2. Aufl. 1960, s.v. „Lebensweisheit". 726 727

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„höchst elenden Machwerk" „Graciän's Ideen über Lebensweisheit" von 1826 ab, das Schopenhauer besaß733. Wie Graciän mit Thomasius und seinem Ubersetzer Müller am Anfang dieser Popularphilosophie steht, so bezeichnet er auch im Zusammenhang mit Schopenhauer deren Ende. Die „Aphorismen zur Lebensweisheit" sind nicht nur begriffsgeschichtlich als der Schlußstein der popularphilosophischen Aphoristik des 18. Jahrhunderts zu verstehen. In ihrer Büdungsbeflissenheit und pedantisch-systematischen Einteilung, ihrem über lange Strecken (z.B. den Erörterungen zur Ehre) behäbigen, biederen Stil und ihrer Orientierung an trivialer Nutzanwendung weisen sie mehr auf Platner zurück als auf Nietzsche voraus. Sie sind geprägt nicht nur von Selbstbezug auf „mein Hauptwerk" 734 , sondern auch von - zuweilen allzu starker - Selbstrechtfertigung. Die „Paränesen und Maximen" des Kapitels V ragen allerdings heraus: Sie beziehen sich neben Graciän unter anderem auf Bacon, La Rochefoucauld, La Bruyere, Chamfort und Lichtenberg, ohne daß man ihnen nur im geringsten die „Seele": die „Einheit der Ansicht"735 absprechen könnte. In dieser moralistischen Ahnenreihe ragt Lichtenberg schon dadurch heraus, daß die biographischen Bezüge zu ihm eng sind. Schopenhauer nimmt zehn Jahre nach dessen Tode sein Studium in Göttingen auf, und der Name erscheint schon in einem Vorlesungsheft von 1812/13736. Er liest und zitiert ihn regelmäßig, und Lichtenberg ist ihm zeitlebens „auch eine philosophische Autorität"73? Im Kapitel 22 „Selbstdenken" der „Parerga und Paralipomena" unterscheidet er „die Selbstdenker" als „die eigentlichen Philosophen", in deren Nachfolge er sich sieht, von den „Sophisten". „Lichtenberg ist ein Muster der ersten Art"738. Lamping sieht gar in diesem Paragraphen 270 „so etwas wie die philosophische Nobilitierung

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Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlaß. Bd. 5, S. 495. Schopenhauer verwendet den Begriff der „Lebensweisheit" in einer Randbemerkung zu Graciän auch ironisch; Der handschriftliche Nachlaß. Bd. 5, S. 493; vgl. Werke. Bd. VI. 1977, S. 34. - Als Teil seiner Nachwirkung wiederum sind dann die Anthologien der „Lebensweisheit" von Max Ring (1871), Hans Eckart (4. Aufl. 1919) oder Bruno Wille (1913) zu sehen; Wille etwa bezieht sich ausdrücklich auf ihn (S. 6, 20). Diese Traditionslinie ist bis in unsere Tage zu verfolgen. Schopenhauer: Werke. Bd. VIII. 1977, S. 343. Ebd. S. 344. Achenbach: Ein prominenter Lichtenbergianer: Arthur Schopenhauer. In: Lichtenberg-Jb. 1982, S. 18. Lamping: Lichtenbergs literarisches Nachleben. 1992, S. 93. Schopenhauer: Werke. 197Z Bd. X, S. 546 (= Sämtliche Werke. Bd. 5, S. 577-588). Seine frühen Anhänger folgen ihm darin bereitwillig. So akzentuiert Frauenstädt in seiner Rezension der „Aphorismen" den „Selbstdenker" Schopenhauer (Frauenstädt: Rez. Schopenhauer. 1852, S. 201).

In der Nachfolge des „Aphorismus" der „Lebensphilosophie"

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Lichtenbergs" 739 . Andererseits vermutet Achenbach aus seiner Kenntnis der Quellen heraus: „Besonders vertraut aber waren ihm die ,PfennigsWahrheiten' der Sudelhefte, die ihm als Vorbild für seine eigenen reizvollen Materialhefte, Manuskript- und Notizbücher gedient haben könnten" 740 . Das allein ist begriffsgeschichtlich noch ohne Relevanz. Aber auch der Begriff selbst wird, als Nomen wie als Adjektiv, zumindest in seiner Umgebung schon auf die „Sudelbücher" angewendet. In einem Brief Johann August Beckers an Schopenhauer vom 25. August 1849 heißt es, beim Durchblättern von Lichtenbergs vermischten Schriften seien ihm „eine Reihe von Aphorismen aufgefallen", die zeigten, „daß dessen Weltanschauung (freilich nicht zu einem Systeme ausgebildet, sondern nur in einzelnen appergus aphoristisch angedeutet) im wesentlichen mit der von Schopenhauer übereinstimmte"741. Auch Platner und insbesondere dessen Aphorismen kennt und schätzt Schopenhauer. Wenn er dessen Meinungen auch im einzelnen als überholt betrachtet742, so erkennt er doch im ganzen bei ihm den „reichen Vorrath wirklicher und zum Theil wahrer, selbst wertvoller Gedanken und treffender Bemerkungen" 743 . Fedlers Vermutung, daß die „Aphorismen zur Lebensweisheit" „noch einem älteren Aphorismus-Begriff anzugehören scheinen", erweist sich damit als ganz richtig744. Zu Recht geht er für die Erläuterung dessen, was er „Begriffsspiel" nennt, gerade von Schopenhauers „Aphorismen" aus; sie bedienten sich nämlich „poetischer Verfahren, die die philosophische Argumentation ersetzen" 745 . In diesem Sinne merkte Koch die Ununterscheidbarkeit eines vorwiegend wissenschaftlich orientierten und eines vorwiegend künstlerisch orientierten Traditionsstranges an746. Die separierende Erörterung, ob es sich hier um Literatur oder Philosophie handele, geht historisch ebenso fehl wie die Frage, ob sie gemessen am Formverständnis und Formbewußtsein des 20. Jahrhunderts ihren Namen zu Recht tragen. Während mit den Anfängen des Zusammenwachsens von Begriff und literarischer Gattung bei Börne, Varnhagen oder Feuchtersieben ein beginnendes Formbewußtsein einhergeht, sind Schopenhauers „Aphorismen" noch weitestgehend inhaltlich geprägt und in engstem ZuLamping: Lichtenbergs literarisches Nachleben. 1992, S. 93. Achenbach: Ein prominenter Lichtenbergianer: Arthur Schopenhauer. In: Lichtenberg-Jb. 1982, S. 19. 741 Der Briefwechsel Arthur Schopenhauers. 1. Bd. 1929, S. 6 4 2 - 6 4 3 . - Den Hinweis auf diesen Brief wie auf zahlreiche andere Belege verdanke ich Bernd Achenbach. 7 4 2 Schopenhauer: Werke. Bd. V. 1977, S. 34f. 7 « Ebd. Bd. VII, S. 194. 7 4 4 Fedler: Aphorismus. In: Killy ( H g . ) : Literaturlexikon. Bd. 13. 1992, S. 4 0 . 7 4 5 Fedler: D e r Aphorismus. 1992, S. 2 0 . 7 4 6 Vgl. oben S. 135f. 739 740

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

sammenhang mit Graciäns „Handorakel" und in der Tradition von Menschenkenntnis und „Lebensweisheit" als ein herausragendes Zeugnis der deutschen Moralistik zu verstehen.

IX. Das Nachleben des (populär-)wissenschaftlichen „Aphorismus"-Begriffes Wenn die Terminologie von Fähnrichs und Schopenhauers „Aphorismen" sich nur aus der Anbindung an die Tradition des 18. Jahrhunderts erklärt, so wird diese Verknüpfung auch dadurch plausibel, daß diese Autoren in ihrer ,unliterarisch' verspäteten „Aphorismen"-Vorstellung in einem weiteren Sinne nicht alleinstehen. Im Gegenteil: die Begriffserweiterung auf andere wissenschaftliche Disziplinen, wie sie um 1800 zu beobachten ist, setzt sich das ganze 19. Jahrhundert hindurch fort, und das Nachleben dieses Begriffsverständnisses läßt sich auch noch bis ins 20. Jahrhundert hinein in vielen Bereichen dokumentieren. Ein Poet würde Mond und Sonne, ein Techniker Kupplungsscheiben als Metapher dafür heranziehen, wie dem langsamen Verblassen und Erschlaffen, schließlich Erlöschen des einen das ebenso allmähliche Aufleuchten und Erstarken des anderen entspricht. Beispiele mögen hier genügen; die Bibliographie ist um eine erste Bestandsaufnahme bemüht. Der „Aphorismus"-Begriff strahlt auffällig oft in die Theologie aus74^ dann in die Jurisprudenz und die Militärwissenschaft, wie es schon in der Frühzeit seiner Geschichte zu beobachten ist748: Johann Gottfried Immanuel Berger: Aphorismen zu einer Wissenschaftslehre der Religion. Leipzig 1796. Johann Heinrich Friedrich Meineke: Aphorismen zur Begründung freierer Religionsbegriffe und eines fruchtbaren Bibelgebrauchs. Quedlinburg 1818. Hermann Viedebantt: Aphorismen wider Rom. Elberfeld 1874. Georg Friedrich Wipprecht: Aphorismen über Provinzial-Gesetzbücher überhaupt, und besonders im preußischen Staat. Hof 1802. Ludwig Daniel Jassoy: Aphorismen über bürgerliche Gesetzgebung und Rechtspflege. Stuttgart 1826. H.: Aphorismen über den Verfall des Anwaltsstandes und Mängel im deutschen Richterstande, nebst Gerichtswesen. Zürich 1891.

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Etwa von Bergers „Aphorismen zu einer Wissenschaftslehre der Religion" von 1796 bis Adolf von Harnacks „Aphorismen" (1906); vgl. auch die Aphoristiker Garin, Holl, Linke. Vgl. oben S. 22f. Vgl. auch die z.T. skurrilen anonymen Titel der Bibliographie.

Das Nachleben des wissenschaftlichen „Aphorismus"

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Georg Heinrich von Berenhorst: Aphorismen vom Verfasser der Betrachtungen über die Kriegskunst, über ihre Fortschritte, ihre Widersprüche und ihre Zuverlässigkeit. Leipzig 1805. Anonym: Militärische Aphorismen aus Osterreich. Von einem österreichischen Soldaten. Leipzig 1860. Anonym: Aphorismen über die kriegsmäßige Verwendung der Feldartillerie. Darmstadt 1885.

Wenn Schopenhauers Rezensent Immanuel Hermann Fichte 1839 „Aphorismen über die Zukunft der Theologie in ihrem Verhältnis zu Spekulation und Mythologie" verfaßt, findet er den Begriff schon in den „Aphorismen über Religion und Deismus" seines Vaters (1790) vorgeformt. Ungers „Aphorismen zur Anatomie und Physiologie der Pflanzen" von 1838 schließen an Alexander von Humboldts „Aphorismen aus der chemischen Physiologie der Pflanzen" (1794) und Kiesers „Aphorismen aus der Physiologie der Pflanzen" (1808) an, auf Hempels „Aphorismen über den Kuss" (1808) folgen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts anonyme „Aphorismen über die Liebe. Von einem Greise", und in demselben Sinne, wie Gillet 1794 „Politische Aphorismen" verfaßt, erscheinen noch fast ein Jahrhundert später „Socialpolitische Aphorismen" (anonym 1880). Auf allen Gebieten läßt sich dieser unliterarische Begriff von „Aphorismus" nachweisen. Wer etwa die „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland" in der zweiten Jahrhunderthälfte durchblättert, dem begegnet er allenthalben749. Lapidar stellt F. Schröder im Vorwort seiner „Religiösen Aphorismen" (1869) fest: „Unter Aphorismen versteht man bekanntlich kurze Aussprüche und Urtheile, welche eines systematischen Zusammenhanges entbehren" 750 , um eine Schrift in längeren, unverbundenen numerierten Abschnitten folgen zu lassen. Alwin Freudenbergs „Aphorismen aus der Pädagogik" von 1912, eine Sammlung von „Zitaten über Erziehung und Unterricht der Jugend aus den Werken berufener deutscher Pädagogen und Schulmänner", wie der Untertitel genau beschreibt, schließen an die sehr erfolgreichen und in vielen Auflagen erschienenen „Aphorismen" „Zur Pädagogik der Schule und des Hauses" (1850; 13. Auflage 1892) von Lorenz Kellner (1811-1892) an, der im Vorwort „das ganze anspruchslose Büchlein nur eine Sammlung von Vorreden"751 nennt und das Vorläufige, vom Leser zu Vollendende seiner „Aphorismen" betont: „Möge es viele Leser finden, welche sich zu diesen Vorreden die Bücher hinzudenken" 752 . Eduard von Hart-

Historisch-Pol. Blätter für das kathol. Deutschland: Anonym 1857, 1860, 1871, 1872, 1873, 187^ 1879, 1880, 1881, 1882; J. Bachem 1882, B.-P. 1877; Beilesheim 1885. 750 Schröder: Religiöse Aphorismen. 1869, S. 1. 751 Kellner: Die Pädagogik der Volksschule in Aphorismen. 1850, Vorwort. 7 " Ebd. 749

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

manns (1842-1906) „Aphorismen über das Drama" 753 , eine regelrechte, wohl als vorläufig gedachte kleine Abhandlung, reihen sich in diese Tradition ebenso ein wie Anselm Feuerbachs ((1775-1833) „Aphorismen" von 1912, die im Anhang „folgenden kleinen Aufsätze" über Kunst, Künstler und andere Gegenstände754 aus dem Nachlaß, Karl Schefflers (1869-1951) „Konventionen der Kunst. Aphoristisch" (1904), eine Kunstreflexion in äußerlich unverbundenen Abschnitten von jeweils zwei bis drei Seiten Länge, oder Johannes Mumbauers (1867-1930) „Aphorismen zum katholischen Literatur-Problem" (1915), der im Vorwort seines Aufsatzes ebenfalls das Vorläufige, Nicht-Grundsätzliche, Streiflichtartige als Begriffsverständnis zu erkennen gibt755. Auch Wedekind läßt eine solch offene Begriffsvorstellung noch sichtbar werden, wenn er in der Einleitung zu seinen Notizen und kurzen Aufsätzen zur „Schauspielkunst. Ein Glossarium" schreibt: „Wenn ich das erste dieser Aphorismen mit Maximilian Harden überschreibe, so tue ich das auf der Suche nicht nach einem Bundesgenossen, sondern nach einem Gegner. Ich frage mich: wen im heutigen Deutschland rufe ich an, damit diese Aphorismen nicht in einer Wüste verhallen"756. Die anonymen „Aphorismen über Musik" eines Amadeus Autodidactos von 1847 erläutern in einer apologetischen Notiz „An die Hochgeehrten Herren Kritiker und Recensenten" das gemeinsame Dritte, das den Begriff noch um die Jahrhundertmitte für ein Werk rechtfertigt, das sein Thema diskursiv in Abschnitten von „Schall, Klang, Laut" bis „Moderne Composition" abhandelt. In einem äußerlich formalen Sinn kann es wirklich nicht gemeint sein, wenn er schreibt: „Mir war es nur u m den Kern, nicht aber u m die Schale der Frucht zu thun. Mein alleiniger Zweck war, dem Leser diejenigen Wahrheiten möglichst klar und deutlich hinzustellen, von denen ich selbst durchdrungen bin, und w o möglich auch ihn damit zu durchdringen. Möglichst kurz, gedrängt und concis habe ich diese Aphorismen zu halten gesucht, in so weit mir diess möglich wurde, ohne der Verständlichkeit und Klarheit zu schaden" 7 5 ?

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H a r t m a n n : A p h o r i s m e n über das D r a m a . In: D t . Vierteljahrsschrift 3 3 , 1870/1, S. 2 5 6 - 2 9 8 . In seiner „Philosophie des Unbewußten" heißt es mit ebenso weitem Begriffsverständnis: „Daher sind die Kapitel in der grösseren Mehrzahl, mit Ausnahme der grundlegenden, fast aphoristisch gehalten" (Hartmann: Philosophie des Unbewußten. 1869, S. 11). Feuerbach: Ein Vermächtnis. 1912, S. 2 7 5 - 3 1 1 . Mumbauer: Allerhand Literatur-Schmerzen. Aphorismen z u m katholischen LiteraturProblem. In: Frankfurter Zeitgemäße Broschüren 34, 1915, S. 2 1 7 - 3 1 2 . Wedekind: Schauspielkunst. 1910, S. 1. Auch in: F. W.: Werke. Bd. 3. 1969, S. 213. Amadeus Autodidactos: Aphorismen über Musik. 1847, S. XHIf.

Das Nachleben des wissenschaftlichen „Aphorismus"

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Auch die „Aphorismen aus den Papieren eines Verstorbenen. Ein Andenken an seine Freunde" 758 (1869) verwenden den Begriff noch unspezifisch und nicht im engeren literarischen Sinne. Sie sammeln die denkerische Hinterlassenschaft eines Arztes und Kaufmannes, der sich philosophischen Studien - Schopenhauer hebt die Lebensskizze besonders hervor widmete. „Abhandlungen" und kurze Aufsätze zu philosophischen und psychologischen Grundproblemen (Leiden, das Böse, Triebe), die offenbar an seine Lektüre anschließen, sind unter einen Titel gefaßt, der ganz allgemein etwas Anthologisches bezeichnet. Höchst aufschlußreiche Beispiele für das - wenn auch ungleichgewichtige - Nebeneinander zweier Aphorismus-Vorstellungen noch nach Nietzsche bieten Wilhelm Weigand (1862-1949) und Moritz Heimann (1868-1925). Weigand bezeugt einerseits die höchste Faszination durch Nietzsches Werk unter dem Begriff des „Aphorismus": „Gewisse Aphorismen [...] schlugen wie der Blitz in meine Seele" 759 , andererseits publiziert er zur Zeit einer ersten Blüte flach-gekonnter, pointensicherer EinSatz-Aphorismen, gleichzeitig also mit den „Aphorismen" von Emanuel Wertheimer (1896), Paul Nikolaus Cossmann (1898) oder Paul Kunad (1901), zwölf numerierte, unverbundene Abschnitte zur Literatur(kritik) der Gegenwart als „Zwölf Aphorismen" 760 . Heimann verfaßt 1910 als „Aphorismen über Politik"761 eine Anzahl relativ eng zusammenhängender Texte, die sich in ihrer prinzipiell diskursiven Breite terminologisch aus dem älteren Begriffsverständnis her erklären, wohingegen seine „Aphorismen" 762 von 1918 in der Regel die knappe, pointierte Form erfüllen („Wir sollten aus keinem Gedanken mehr machen, als er aus uns macht" 763 ). Das ältere unliterarische Begriffsverständnis ist bis in die unmittelbare Gegenwart hinein nicht ganz verloren gegangen. Noch Walter Ehrlichs „Aphorismen zur Philosophie der Kunst" von 1962, die den Begriff für die 1-2 Seiten langen numerierten Abschnitte von fünf größeren Kapiteln nutzen, stehen terminologisch in der Tradition von Füssli und Görres; Gustav Radbruchs „Aphorismen zur Rechtsweisheit" (1963) und Carl

Anonym erschienen. Mir lag ein Widmungsexemplar „von der Gattin des Verfassers, Frau Anna Esche in Limbach, Sachsen" vor. In Titel und Untertitel Anspielung auf Hermann von Pückler-Muskau und Rahel Varnhagen. 759 Weigand: Welt und Weg. Aus meinem Leben. 1940, S. 14. 760 Weigand: Zwölf Aphorismen. In: Lit. Echo 4, 1901/02, Sp. 581-584. 761 Heimann: Aphorismen über Politik. In: M. H . : Prosaische Schriften in drei Bänden. 1. Band. 1918, S. 3 9 - 6 8 . 762 Heimann: Aphorismen. 1918. In anderer Form: Aphoristisch I und II. In: M. H . : Prosaische Schriften in drei Bänden. 3. Band. 1918, S. 9 0 - 9 8 und 127-133. 7 « Ebd. S. 37 758

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Begriffsgeschichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

August Emges Aphorismen764 von 1942 haben etwa in Wilhelm Traugott Krugs „Aphorismen zur Philosophie des Rechts" (1800) ihrenfrühenVorgänger765.

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Vgl. Müller-Dietz: Aphoristik und Recht im Werk Carl August Emges. In: Archivf. Rechts- und Sozialphilos. 70, 1984, S. 113-137 Wilhelm Diltheys „Frühe Aphorismen aus der Berliner Zeit", unveröffentlichte Notizen zu Psychologie und Geschichte aus der Studienzeit, von vor 1860 also, sind hingegen terminologisch das Produkt der Herausgeber von 1977 (Dilthey: Gesammelte Schriften. Bd. XVIII. 1973 S. 203-212).

C. Begriffsgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1912: „Aphorismus" als literarischer Gattungsbegriff Nach Varnhagen und Feuchtersieben erscheint der „Aphorismus" als literarischer Gattungsbegriff seit der Mitte des Jahrhunderts durch Hebbel in dessen dreifacher Funktion, als Herausgeber, als Gattungstheoretiker und als Verfasser von Aphorismen in seinen Tagebüchern, dann vollends durch die Wirkung Ebner-Eschenbachs gefestigt; die junge Gattung zählt neben der Aphoristikerin eine stattliche Anzahl von „Aphorismus"-Autoren, während sich die Literaturwissenschaft noch zögerlich verhält (Kap. I). Nietzsche in seiner überragenden Wirkung prägt das Gattungsbewußtsein maßgeblich (Kap. II). In seiner wissenschaftlich-essayistischen Rezeption wie in der Aphoristik der Jahrhundertwende, die zum Teil in seiner Nachfolge zu sehen ist und zu einem breiten, an vielen Stellen flachen Strom anschwillt, erscheinen Begriff und Gattung als fest verknüpft (Kap. III). Nachdem der Editor Leitzmann der Gattung „Aphorismus" ihren Gründungsvater Lichtenberg vorangestellt hat, wirkt der Begriff dann auch in der Literaturwissenschaft sogleich soghaft normierend (Kap. IV). Wie damit hier um den Ersten Weltkrieg herum eine neue Phase beginnt, indem die Begriffs- in die Forschungsgeschichte übergeht, so beginnt mit dem österreichischen Aphorismus nach der Jahrhundertwende, speziell bei Kraus und in seiner Nachfolge, eine neue Phase der Begriffs- und Gattungsgeschichte (Kap. V). In der Erfüllung oder Verweigerung einer Gattungserwartung „Aphorismus", in der Selbstverständlichkeit (und neuen Bedenklichkeit) der Produktion von „Aphorismen" wird sie von einem Ausblick (Kap. VI) bestätigt.

I. Der „Aphorismus" in Literatur und Literaturwissenschaft

1850-1880/90 1. Friedrich Hebbel:

Gattungsreflexion und

Tagebuch-Aphonsmus

Zwischen Hebbel und Schopenhauer gibt es nicht nur ideengeschichtliche, sondern auch biographische Verbindungen. Nach der Lektüre der „Parerga und Paralipomena" kommt es sogar am 4. Mai 1857 zu einer per-

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Begriffsgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1912

sönlichen Begegnung1. Von einem Einfluß des 25 Jahre Älteren auf Hebbels „Aphorismus"-Konzeption kann trotzdem keine Rede sein, und das nicht nur aus dem schlichten chronologischen Grunde, daß die Lektüre der „Aphorismen zur Lebensweisheit" und der Besuch bei dem Philosophen in Frankfurt nach der Beschäftigung Hebbels mit der Gattung stattfinden. Während Schopenhauer aus der moralistischen Tradition des 18. Jahrhunderts heraus noch einmal „Aphorismen" schafft, die sich eindeutiger Zuordnung versagen, und insofern einen Endpunkt bezeichnet, ist es Hebbel, der für das Neue und Vorausweisende steht2. Seine Tagebuch-Aufzeichnungen werden seit Werners historisch-kritischer Edition zu Anfang dieses Jahrhunderts ohne jeden Zweifel als „Aphorismen" rezipiert. Schon 1939 wird ihnen eine Dissertation „Die Kunstform des Aphorismus in Hebbels Tagebüchern"3 gewidmet, für die bedeutenderen Aphorismus-Anthologien von Wiedner 19444 über Simon 5 und Fieguth6 bis Welser7 und Gaugier 19948 stellt eine Auswahl daraus ein Kernstück ihrer Sammlung dar. Fröschle sichtet 1987 die Literatur zu „Hebbel als Aphoristiker" 9 ; zu den Tagebüchern selbst ist der Aufsatz allerdings nur eine flüchtige Registrierungs- und Illustrierungsarbeit, die Hebbel pauschal zwischen Goethe und Novalis einerseits, Nietzsche andererseits einordnet10. In scharfem Gegensatz zur Begriffskonvention der Fachwissenschaft, die aus normierenden Tendenzen um die Jahrhundertwende zu erklären ist, steht Hebbels eigene Begriffsverwendung. Er selbst benutzt den Terminus „Aphorismen" für sein Werk nicht, weil er von seinen Tagebüchern spricht und wohl keinen Bedarf für die Bezeichnung nur eines Teiles davon hat11. Dennoch sind die wenigen Belege, die sich in seinem Gesamt-

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Stolte: Friedrich Hebbels Besuch bei Schopenhauer. In: Hebbel-Jahrbuch 1967, S. 8-31. Schon Bauer (Die Kunstform des Aphorismus in Hebbels Tagebüchern. 1939, S. 111-114) hält beider Aphoristik für unvereinbar. Bauer: Die Kunstform des Aphorismus in Hebbels Tagebüchern. Diss. Wien 1939. Wiedner (Hg.): Unbezwinglicher Geist. 1944, S. 199-218. Simon (Hg.): Eine ganze Milchstraße von Einfällen. 1975, S. 2 3 5 - 2 6 4 . Fieguth (Hg.): Deutsche Aphorismen. 1978, S. 125-132. Welser (Hg.): Deutsche Aphorismen. 1988. Welser ordnet die Aphorismen nicht nach Autoren an. Gaugier (Hg.): Aphorismen. 1994, S. 2 0 5 - 2 2 4 . Fröschle: Hebbel als Aphoristiker. In: Hebbel. Mensch und Dichter im Werk. 1987, S. 147-179. Hummel: „Der wahre Schmerz ist schamhaft". Gnomische Strukturen in den Tagebüchern Friedrich Hebbels. In: Studien zu Hebbels Tagebüchern. 1994, S. 4 3 - 5 7 Hummel unterscheidet gnomisches und aphoristisches Sprechen. Die zwei Seiten „Dramaturgische Aphorismen" und die „Aphorismen" aus der Wesselburener Zeit können, wo von seinem Werk die Rede ist, allenfalls den Wert einer Ausnahme für sich beanspruchen.

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werk finden, für die Begriffsgeschichte im 19. Jahrhundert von signifikanter Bedeutung, weil sich bei ihm genau zeigen läßt, wie im Laufe seines Schaffens Sache und Begriff zur literarischen Gattung „Aphorismus" zusammenwachsen. Schon der Siebzehnjährige schreibt kurze Betrachtungen und Reflexionen nieder, die sich erhalten haben 12 . Wenn 1831 fünf und 1833 drei „Aphorismen" von ihm im „Dithmarser und Eiderstedter Boten" gedruckt werden 13 , so zeigt diese Tatsache nur, daß der Begriff zur Zeit von Uhlands kurzer Reflexion14 in einem literarischen Verständnis durchaus üblich und weit verbreitet ist. „Den nagenden Wurm in der schönen Blüthe der Freundschaft und Liebe, nennen wir Mißtrauen; nur zu schnell ist sie durch ihn vernichtet". Der Titel steht für Sätze, deren Gedankenblässe und naive Gutwilligkeit nur durch die Konventionalität ihrer Bilder und Vergleiche übertroffen wird und die an Lafontaines „Aphorismen" erinnern: „Familienglück ist wie eine Monatsrose, die in jedem Monat des Jahres blüht; wie Epheu, der immer grün bleibt; wie edler Wein, der von Jahr zu Jahr an Werth gewinnt". Bei Lafontaine hieß es: „Die Wahrheit, ist wie der Thau des Himmels, um ihn rein zu erhalten, muß man ihn in einem reinen Gefäße auffangen" 15 . Am 23. März 1835 beginnt Hebbel mit den „Reflexionen über Welt, Leben und Bücher, hauptsächlich aber über mich selbst, nach Art eines Tagebuchs"16, dem diaristischen Werk eben, an dem er bis zu seinem Tode festhält. Es dokumentiert, daß ihm der „Aphorismus"- Begriff in besonderer Weise nahegebracht wird durch die Lektüre Lichtenbergs, aber auch Rahel Varnhagens. 1837 liest er Lichtenbergs „Vermischte Schriften"; die Auseinandersetzung damit dauert lange an, reicht von hohem Lob („allenthalben vortrefflich"17) bis zur Abwertung („philisterhaft"18) und ist geprägt von selbstbewußtem Vergleichen19. „Das Aphoristische meiner Äußerungen" 20 - aus einem Brief desselben Jahres - versteht sich noch als im Brief-Kontext nur allgemein beschreibend, wie es etwa bei Goethe erschien; eine spezifischere Bedeutung leuchtet aber schon dort auf, wo er über den literarischen Nachlaß des Freundes Emil Rousseau schreibt:

>-' Hebbel: Sämmtliche Werke. I. Abtl., Bd. 9, S. 3-7 13 Hebbel: Sämmtliche Werke. I. Abtl., Bd. 9, S. 13-16; vgl. ebd. Bd. 15, S. 96f. '« Vgl. oben S. 115. 15 Vgl. oben S. 48f. 16 Hebbel: Werke. Bd. 4. 1966, S. Ζ 17 Ebd. S. 132 (Nr. 656). 's Ebd. S. 613 (Nr. 2948). 19 Ebd. S. 135f (Nr. 672). Vgl. Bauer: Die Kunstform des Aphorismus in Hebbels Tagebüchern. 1939, S. 108-111. 20 Hebbel: Werke. Bd. 4.1966, S. 156 (Tagebücher Nr. 782; Abschrift eines Briefes an Friedrich Wilhelm Gravenhorst v. 13. 7 1837).

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„Von größerem Interesse (auch wohl von höherem Werth) sind für mich die prosaischen Fragmente und Aphorismen" 21 . Wenn er dann 1849 erstmals von Lichtenbergs Sudelbüchern als von „Aphorismen" 22 spricht, so tut er das nicht, wie Requadt vermutet, „als erster" überhaupt 23 . Rahel Varnhagen ist ihm ja darin vorausgegangen24, und die Vermutung liegt nahe, daß die Lektüre ihrer Briefe - Hebbel liest Varnhagens „Buch des Andenkens" (1838) fünf Jahre nach seinem Erscheinen 25 - dabei nicht ohne Einfluß war. 1852 verfaßt Hebbel eigene „Dramaturgische Aphorismen", die begriffsgeschichtlich wie thematisch in der Nachfolge Schmidts, aber auch Platens stehen 26 . Viel bedeutsamer für seine Begriffsbildung ist aber die editorische Arbeit an Feuchterslebens Werk, die sich schwierig und langwierig gestaltet. An den Buchhändler Gerold in Wien schreibt er dazu: „Die Abfassung der von mir zu liefernden Skizze erfordert aber Zeit, und um so mehr, als der Gegenstand mir gebietet, statt einer leichter her zu stellenden s e l b s t ä n d i g e n Arbeit, ein M o s a i k s t ü c k aus den mir vorliegenden Fragmenten und Aphorismen zusammen zu setzen"2? An Gutzkow - ein Hinweis auf Querverbindungen, deren Einflüsse zu berücksichtigen sind - schickt er ein Exemplar der Ausgabe 28 . Zusammenfassung und Abschluß seiner Auseinandersetzung mit der von Feuchtersieben bevorzugten Form ist die Begriffs- und Gattungsreflexion, die den Schluß seines Aufsatzes im letzten Band von 1853 bildet: „Neben der Diätetik der Seele [...] ragen vor Allem die Aphorismen hervor, ja sie spinnen sich recht eigentlich aus diesem Werke heraus, um in buntester Reihe und wechselnder Gestalt durch fast alle Publicationen des Verfassers fortzulaufen. Es ist natürlich, daß Geistern, die sich fortwährend mit poetischen und philosophischen Problemen beschäftigen und nach dem ihnen innewohnenden unwiderstehlichen Bildungstrieb beschäftigen müssen, ohne doch selbst eigentlich Dichter oder Philosophen zu sein, gerade diese Form so bequem ist, denn sie hat etwas Lyrisches und Dramatisches zugleich, sie fügt sich jeder Stimmung und gestattet die Einseitigkeit. Darum griffen L i c h t e n b e r g und N o v a l i s , deren Romane nie fertig werden wollten, und die es eben so wenig zu

An Regierungsrat Rousseau, 25. 10. 1838; in: Hebbel: Sämmtliche Werke. III. Abtl., Bd. 1. 1904, S. 343. 22 Ebd. I. Abtl., Bd. 11. 1913, S. 307 23 Requadt: Lichtenberg. 1964, S. 16. 24 Vgl. oben S. 116ff. 25 Hebbel: Werke. Bd. 4. 1966, S. 187 (Nr. 978f). 26 Hebbel: Sämmtliche Werke. I. Abtl., Bd. 12, S. 16-18. Vgl. Schmidt: Dramaturgische Aphorismen. 1820/28, Platen: Aphorismen, besonders über dramatische Kunst (Sämtliche Werke. Bd. 11, S. 146-150; 1825), Ludwig: Dramaturgische Aphorismen. In: O. L.: Studien. 1891, S. 409-541, auch Hartmann: Aphorismen über das Drama. In: Dt. Vierteljahrsschrift 33, 1870/ 1, S. 256-298. 27 Hebbel: Sämmtliche Werke. III. Abtl. Briefe. Bd. 5, S. 84-85 (3. 12. 1852). 28 Ebd. S. 105-106 (9. 6. 1853). 21

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einem zusammenhängenden Gedankensystem brachten, instinctmäßig zum Aphorismus und legten, vielleicht in der Meinung, nur Stoff für die Zukunft aufzuspeichern, ihr Bestes in ihm nieder. Eben so ist es Feuchtersieben ergangen, und man dürfte ihm in der Mitte dieser beiden Vorgänger, denen er an Witz und Phantasie nachsteht, die er aber, was die Beobachtungsgabe anlangt, im Allgemeinen erreicht und nach mancher Seite hin übertrifft, seinen Platz anweisen" 29 .

Die Erörterung nimmt die Ansätze zu einer Gattungsreflexion bei Uhland und Feuchtersieben selbst auf und führt sie mit Bestimmungen, die sich bis zur Gegenwart geltend machen, entschieden weiter. Die Vermutung, die Lektüre von Varnhagens Briefen sei bei der Begriffsbildung nicht ohne einen gewissen Einfluß geblieben, erhärtet sich durch die Tatsache, daß Hebbel mit Lichtenberg und Novalis auf eben die beiden Schriftsteller verweist, von deren „Aphorismen" auch Rahel Varnhagen spricht. Aus der Einordnung Feuchterslebens „in der Mitte" zwischen den beiden macht er deutlich, daß der „Aphorismus" für ihn einerseits Witz und Phantasie, andererseits Beobachtungsgabe verlangt. Die Fähigkeiten des Künstlers und des praktischen Philosophen müssen sich an ihm gleichermaßen bewähren. Hebbel zeigt die Herkunft dieses „Aphorismus": Nicht nur nennt er Feuchtersieben einen „Populair-Philosophen" und stellt diesen über den Dichter und den Kritiker30, er spricht auch von den „Geistern, die sich fortwährend mit poetischen und philosophischen Problemen beschäftigen [...], ohne doch selbst eigentlich Dichter oder Philosophen zu sein". Gleichzeitig schlägt er den Begriff eindeutig der Literatur zu: Die Form habe „etwas Lyrisches und Dramatisches zugleich", sie füge sich jeder „Stimmung" (aus der heraus der Lyriker schafft) - das spielt auf die emotionale Beteiligung des Aphoristikers an sie gestatte „Einseitigkeit" (die sich dem Philosophen als Wissenschaftler im Gegensatz zum Dramatiker verbietet) - das zieht sich als Problem der Verläßlichkeit und Wahrheit des Aphorismus von August Wilhelm Schlegel („immer in einem gewissen Sinne unwahr") bis zu Kraus' „halber Wahrheit" und darüber hinaus durch die Gattungsgeschichte31. Während die philosophischpoetische Zwischenstellung des „Aphorismus", die Hebbel ohne Mühe aus der Begriffsgeschichte ablesen kann, zur festen Konvention innerhalb der Gattung wird, kann die lyrisch-dramatische Zwischenstellung, die er hier gleichfalls erprobt, eine ähnliche Tradition nicht begründen. In der Erläuterung des aphoristischen Schaffens aus einem Versagen heraus versteht er sich selbst in erster Linie als jemand, der im Gegensatz zu den Genannten ,fertige' Dramen verfaßt. Er bietet hier die Grundlage zu einem

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Hebbel: Sämmtliche Werke. I. Abtl., Bd. 12, S. 65. Ebd. S. 64. Vgl. Verf.: Aphorismen über Aphorismen: Fragen über Fragen. In: Zs. f. dt. Phil. 113, 1994, S. 188-192.

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durchgängigen Beschreibungsmuster 32 , das spiegelbildlich zur überkompensierenden Apologie der Aphoristiker führt. Hebbel zuerst trennt in Bezug auf den „Aphorismus" zwischen Philosophie und Literatur, siedelt ihn im Bereich der Literatur an und macht gleichzeitig seine Zwischenstellung explizit. Während vorher inhaltliche Kriterien bei seiner Beschreibung eindeutig überwiegen, setzt mit ihm ein Bewußtsein für die „Form" ein. Wie stark er damit das andere, Neue: die literarische Gattungsbezeichnung nämlich, vorantreibt, mag allein der Vergleich mit den Wörterbüchern zeigen, die ihm zu Gebote stehen33. Völlig zu Recht sieht also Lamping in dieser Rezension „auch ein Indiz dafür, daß sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Aphorismus als eine neue Gattung etabliert hat" 34 . Damit nicht genug. Wenn sich Hebbel selbst auch nicht zu den Geistern zählen dürfte, die weder Dichter noch Philosophen sind (gerade das Unpoetische rügt er ja - in stillschweigendem Gegensatz zu sich selbst an Lichtenberg [„ein Pedant, sobald er auf Poesie kommt" 35 ]), so spricht doch einiges dafür, daß er hier nicht nur aus eigener praktischer Erfahrung heraus urteilt, sondern auch große Teile seines diaristischen Werkes in die von ihm skizzierte Gattung „Aphorismus" einreiht, im Unterschied zu Lichtenberg und Novalis allerdings eindeutig so, daß er nach eigener Einschätzung nicht sein „Bestes in ihm nieder"legt. Im Zusammenhang mit dem Aufsatz entsteht nämlich eine Tagebuchnotiz, in der es heißt: „Gearbeitet: Skizze zu Feuchterslebens Schriften, mit deren Herausgabe ich mich unvorsichtig genug bepackte" 36 . Kurz vorher aber schreibt er in derselben Eintragung vom 31. Dezember 1852: „Lieber wollte ich meine Gedanken einbüßen, als mich in meiner aphoristischen Unterhaltung mit mir selbst belauschen lassen". Das aphoristische Schaffen geht voraus, die Einordnung in eine als solche erst zu erkennende Gattung folgt dem nach. Gegen Ende seines Lebens schreibt er lapidar an die Prinzessin Marie Wittgenstein: „Ich kann mich eben nur aphoristisch äußern"3·! Freilich steht der im Zitat gern unterschlagene Nachsatz auch für die Offenheit und Unschärfe dieses frühen literarischen Gattungsbegriffes: „und lege darum meine Kunst- und Weltanschauung am liebsten in Epigrammen nieder".

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Ganz deutlich etwa bei Besser, der von der „Unfähigkeit zum großen Bau, zum Gestalten des großen Zusammenhanges" spricht (Besser: Die Problematik der aphoristischen Form bei Lichtenberg, Fr. Schlegel, Novalis und Nietzsche. 1935, S. 132). Vgl. oben S. 99ff. Lamping: Lichtenbergs literarisches Nachleben. 1992, S. 84f. Hebbel: Werke. Bd. 4. 1966, S. 132 (Nr. 656). Ebd. Bd. 5. 1967, S. 112 (Nr. 5047). Hebbel: Sämmtliche Werke. III. Abtl. Briefe. Bd. 6, S. 257 (16. 6. 1859).

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2. Erste Autoren der jungen literarischen Gattung (von Oertzen, von Gerhardt(-Amyntor), Mohr, Mischer, Auerbach, Holl, Linke, Bahnsen, Gutzkow, Grillparzer, Fick, von Ebner-Eschenbach u. a.) Auch wenn man konzediert, daß streng genommen nur ein künstlich zäsurierender Historiker von „ersten Autoren der jungen literarischen Gattung" sprechen kann, der im Kontinuum einer Entwicklung Feuchtersieben und Hebbel als relativen Abschluß und Neubeginn interpretiert, sind die Indizien für einen solchen Einschnitt doch auch rein quantitativ überzeugend. Unter den Autoren, die jetzt Aphorismen zumeist, wenngleich nicht immer, unter der sich etablierenden Gattungsbezeichnung publizieren, ragt der Diplomat und Lyriker („Deutsche Träume, deutsche Siege. Gesammelte vaterländische Dichtungen", 1877) - man möchte sagen: der diplomatische Lyriker - Georg von Oertzen (1829-1910) - wiederum rein quantitativ - hervor. Er benutzt den Gattungsbegriff ab 1868, also noch vor Ebner-Eschenbachs Publikation, mit Selbstverständlichkeit und fast konsequent als Untertitel: „Aus Kämpfen des Lebens" (1868), „Selbstgespräche" (1873), „Unter uns gesagt" (1899), „Greift nur hinein ..." (1901) und „Aus den Papieren eines Grüblers" (1906)38. Die Form seiner Aphorismen ändert sich. 1868 sammeln die Kapitel „Einfälle und Ausfälle" - das ist schon Börnes Titel - und „Sprüche und Widersprüche", auch formal extrem weit von Kraus entfernt, wie die „Bilder und Betrachtungen" in der Regel Reflexionen in numerierten kurzen Kapiteln zu menschlichen Werten wie „rechter Treue" und „rechter Geduld" 39 , zu Begriffen („Mesalliance"40) und Redensarten unter dem Anspruch und Motto der Selbst-Erfahrung: „Gewonnen, nicht ersonnen!" In den späteren Bänden wandelt sich sein „Aphorismus", mag sein, unter dem Einfluß einer Modeerscheinung, die ihn gewissermaßen einholt, zum kurzen Gedankensplitter, der, stilistisch anspruchslos, oft holprig und mehr als unpointiert ist. „Witz ist die Elektricität des Gedankens" 41 , weiß von Oertzen, aber er zündet gleichwohl nur Kerzen an. Und seine Kerzen beleuchten die Bausteine zu einem Ideologie-Gebäude, in dem sich das konservative Bildungsbürgertum eingerichtet hat. Da verbinden sich edler Illusionismus, epigonale Klassik-Rezeption und

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Bei den „Worten für Augenblicke" (1898), die als „Ein Spruchbuch" bezeichnet werden und ihre Sprüche ganz nach Ebner-Eschenbach in „Erstes Hundert" bis „Fünftes Hundert" einteilen, handelt es sich ausnahmslos um gereimte Vierzeiler. Oertzen: Aus Kämpfen des Lebens. Aphorismen. 1868, S. 71. Ebd. S. 108. Oertzen: Selbstgespräche. Neue Aphorismen. 1873, S. 89.

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soziale Ahnungslosigkeit („Reich ist, wer zufrieden ist. Leider scheint in dem großen allgemeinen Weltsystem nicht die Absicht oder scheinen nicht Mittel genug vorhanden, uns alle reich zu machen" 42 ) mit idealistischer Sentimentalität bis hin zu Kitsch („Der echte Kuß ist eine Rose [,..]" 4 3 ; „Wer das Glück sucht und plötzlich in ein freudestrahlendes Kinderauge hineinsieht, der vergißt weiter zu wandern. Er rastet buchstäblich - einen Augenblick lang" 44 ) und zunehmend kämpferischerem Konservativismus („Das Wort ,Uebermensch', wer es auch geprägt hat, er war ein Falschmünzer" 45 ; „Ueberbrettlpoesie, ein Wechselbalg, geboren unter dem Weihespruch: Singe, wem Gestank gegeben" 46 ). Die Grundüberzeugung, aus der von Oertzens Aphorismen entstehen, ist die einer Einheit von Leben und Denken: „Gesammelte Aphorismen eines Autors zeigen uns deutlicher noch, wer er ist, als was er denkt" 4 ? Als formulierte Lebenserfahrung sind sie für ihn einerseits die Ausdrucksform praktischer Philosophie: „Der Philosoph denkt theoretisch. Der Sinnende über Menschenbeobachtung und Lebenserfahrung leidet und denkt praktisch" 48 . Andererseits wird die „Menschenkenntnis" als Grundlage und Rechtfertigung seines Schaffens in zunehmendem Maße rhetorisch umspielt, im Klassensinne eingeschränkt („Menschenkenntnis hat gemeinsame Lebensbedingungen zur Voraussetzung. Menschenkenntnis ist darum noch nicht Volkskenntnis" 49 ), durch die Verbindung mit dem Leid aufgewertet („Menschenkenntnis ist aller Leiden Anfang" 50 ) und, was besonders wichtig ist, irrational begründet: „Menschenkenntnis ist kein Wissen, sondern ein Fühlen, Schauen und Erraten" 51 : die sehr deutsche Verbindung von Schmerz und Herz. „Wer in der Sprache des Herzens denkt, thut gut, dieselbe ehe er spricht in den Conversationston unserer Zeit zu übersetzen, wenn er von seinen Mitmenschen verstanden zu werden wünscht" 52 : Wo von Oertzen von daher, wie vor allem in den „Selbstgesprächen", schier endlos den Gegensatz von Herz und Kopf variiert, da verfaßt er nicht nur das aphoristische Pendant zur Goldschnittlyrik, da begründet er auch

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Ebd. S. 100. Oertzen: Aus Kämpfen des Lebens. 1868, S. 108. Oertzen: Selbstgespräche. 1873, S. 101. Oertzen: Aus den Papieren eines Grüblers. 1906, S. 99. Vgl. Georg von Oertzen: Greift nur hinein ... Neue Aphorismen. 1901, S. 99. Oertzen: Aus den Papieren eines Grüblers. 1906, S. 141. Oertzen: Greift nur hinein . . . . 1901, S. 105. Ebd. S. 171. Ebd. S. 221. Oertzen: Aus den Papieren eines Grüblers. 1906, S. 17 Vgl. ebd. S. 59. Oertzen: Greift nur hinein . . . . 1901, S. 77 Oertzen: Selbstgespräche. 1873, S. 30.

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eine Gemeinde der Sentimentalität und Innerlichkeit, deren „Herz"-Berufung auf Kotzebue und Lafontaine zurückverweist: „Ein echtes Herz ist immer im edelsten Sinne klug" 53 . Die Gattungs- und Selbstreflexion von 1906 läßt im „Maximen"-Begriff, an den sie sich knüpft, das Lehrhafte eines, der in rhetorischer Bescheidenheit nicht Lehrer sein will, durchscheinen: „Wer kurzgefasste Maximen niederschreibt, erhebt damit selbstverständlich nicht den Anspruch, ein Lehrer sein zu wollen. Er ist nur aufrichtig, er will Gedanken wecken und fühlt das Verlangen, Bekenntnis abzulegen über seine Wahrnehmungen, seine Grundsätze, seine Irrtümer. Wem zum Frommen? Allen, die verwandter Natur oder in ähnlichem Erfahrungsbesitze sind, und endlich auch Jenen, die Freude daran haben, ihren Widerspruch geltend zu machen" 54 .

Nur „endlich auch" geht es hier darum, „Gedanken zu wecken" und „Widerspruch geltend zu machen". Die Hauptsache ist, in „Aufrichtigkeit" „Bekenntnis abzulegen" vor denen, die „verwandter Natur" sind. Mit solchen Intentionen wie mit der Herz-Metaphorik und -Ideologie zeigt von Oertzens Schaffen zum einen, daß seine Wurzeln - rhetorisch verfestigt - bis in den Pietismus des 18. Jahrhunderts zurückreichen, zum andern, daß es sich, zum Teil als Vorläufer, einer Jahrhundertwende-Aphoristik der Innerlichkeit und Lebenshilfe zugesellt, deren ethischer Anspruch ungleich höher als ihr ästhetischer ist. Aus welchem Holz dieser „Baum des Lebens" geschnitzt ist, ist - nicht nur für von Oertzen - zu untersuchen, wenn es da in Abwandlung der geläufigen Extrakt-Vorstellung heißt: „Aphorismen sind Tropfen aus dem Harze vom Baume des Lebens" 55 . Ihm zur Seite steht der preußische Generalstabsoffizier und Erzähler Dagobert von Gerhardt(-Amyntor) (1831-1910), auch wenn „Das Glossarium des Menschen", als sein aphoristisches „Vermächtnis" erst 1906 erschienen, eher zur Herzensaphoristik um die Jahrhundertwende zählt; die Grenzen sind fließend. Wenige Zitate reichen hin, um die bis auf Knigge zurückgehenden trivialen Lebensregeln („Willst du bis ins höchste Alter liebenswürdig bleiben, so bewahre dir die Kindlichkeit des Herzens"56) und ihre leitende Ideologie aus Arbeitsethos und Askese („Uberwinde dich selbst und du wirst eine Welt überwinden" 57 ), Kunstgläubigkeit („Es gibt aber auch eine Nachfolge Gottes: die Kunst" 58 ) und Herzensreichtum („[...] das menschliche Herz, je mehr es spendend sich betätigt, wird

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Ebd. S. 35. Oertzen: Aus den Papieren eines Grüblers. 1906, S. 81. Ebd. S. 80. Gerhardt(-Amyntor): Das Glossarium eines Menschen. 1906, S. 84. Ebd. S. 130. Ebd. S. 11.

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immer stärker und reicher"59) zu kennzeichnen. Die Vorrede zu „Aus der Mappe eines Idealisten" (1885) rekurriert in prononciertem Widerspruch zu allem langwierig Gefeilten auf der Spontaneität dieser kämpferischlehrhaften „aphoristischen Bemerkungen": „Aphoristische Bemerkungen, wie sie unmittelbar aus der Seele geflossen und nicht erst durch das Filtrum einer auf das Lesepublikum hinzielenden Reflexion gegangen sind, spiegeln das geistige Bild des Autors am reinsten ab"60. In schon verdächtig angestrengtem rhetorischen Putz beteuert Gerhardt(-Amyntor) aphoristisches Selbstdenken: Der Autor „wollte lieber der Wahrheit seiner persönlichen Uberzeugungen, als irgend einer Klique dienen; es behagt ihm mehr [,] sein Denkorgan selbstständig [!] zu brauchen und es kühnlich hoch zu tragen, als es der Tyrannis einer Fraktion in sklavischer Unterwürfigkeit zu beugen"61. Der Gymnasialdirektor, Erzähler und Dramatiker Johann Jakob Mohr (1824-1886) nennt eine Abteilung seiner „Dichtungen und Gedanken" von 1887 „Aphorismen". 1879 sind sie z.T. schon, und noch als „zerstreute Bemerkungen" unter dem Titel „Gedanken über Leben und Kunst", veröffentlicht worden; der Herausgeber von Möhrs „Gesammelten Werken" sucht sie 1903 unter der Metaphorik der „Perlen" (wie in der Jean-PaulAnthologistik, bei Menzel oder Bahnsen) und des „Schatzkästleins"62 dem Kanon klassischen Bildungsschatzes einzuverleiben63, neben dem „Zitatenschatz" Büchmanns, dem „Gedankenschatz" der „Gedankensplitter", dem „Aphorismenschatz" Hoddicks, wogegen Lichtenberg noch unpathetisch-sachlich von einem anzulegenden „Vorrat" an Gedanken sprach. „Die Poesie ist eine Art [,] sich das Leben zurecht zu legen und über das Widerwärtige zu beruhigen"64. Auf der Grundlage dieses bürgerlich verflachten, in die Randbezirke des Lebens abgedrängten Poesie-Begriffs bietet Mohr hier, meist in einem Satz, nie pointensüchtig oder effekthascherisch und immer von ehrenwerter konservativer Gesinnung, darin von Oertzen verwandt, Gedanken vornehmlich zu Fragen der Kunst, insbe-

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Ebd. S. 8. Gerhardt(-Amyntor): Aus der Mappe eines Idealisten. 1885, S. 3. Ebd. S. 208. - Otto Bancks (1824-1916) „Worte für Welt und Haus" (1863), die mir erst nach Abschluß des Manuskripts zugänglich waren, sind nicht auf Pointe und Wortspiel aus. Sie vermeiden den Begriff im Titel. Zur Begründung des „soliden Gerichtes", das Banck anrichtet, heißt es: „Sobald man die Aufschrift ,Aphorismen und Fragmente' sieht, wie reizt das den Gaumen! Es kitzelt wie italienischer Salat. Und doch reichten die vielen guten Brocken in der Regel für den Koch nicht aus, um ein einziges solides Gericht daraus zu machen" (S. 169). Mohr: Gesammelte Werke. Bd. 1. 1900, S. II. Ebd. Bd. 2, S. 1-133. Mohr: Dichtungen und Gedanken. 188/ζ S. 32.

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sondere des Dramas. Das vermeintlich Zeitlose wird gegen moderne Tendenzen der Literatur ausgespielt, Ästhetisches und Ethisches miteinander verquickt: „Poetische Begabung, wenn sie groß und bedeutend ist, dann erhöht sie den Charakter, ist sie klein und unbedeutend, so verfälscht sie ihn"65. Das Zugespitzte, unbedingt Scharfe ist seine Sache nicht; vielfache „eher", „meist", „vielleicht" oder „manchmal" machen die Texte fraglos und fraglos langweilig: „Gedanken müssen wir in der Welt sammeln; aber erst die Einsamkeit gibt uns den Maßstab für ihren Gehalt und ihre Größe"66. Auch die Aphorismen, die das klassische Thema des menschlichen Glücks zum Gegenstand haben, zeugen immer von einer edlen Gesinnung und sind dabei in den meisten Fällen unoriginell und glanzlos. Trotzdem findet sich unter seinen „Aphorismen" auch manches in schlichter Fassung Gelungene: „Man muß den Großen, wenn man ihnen gegenübertritt, das Bücken nicht zu schwer machen"6? „Wenn sich die Menschen über die Größe mancher Dinge täuschen, so liegt der Grund meist darin, daß sie die Entfernung nicht richtig abschätzen"68. „Am vorsichtigsten sollte man mit dem Credit sein, den man sich selbst gibt"69.

Und zuweilen wird man gar an Lichtenberg'schen Witz erinnert: „Zu einer nöthigen Vorrede gehört gewöhnlich ein unnöthiges Buch"70, oder: „Der schlechteste Dichter sucht immer das schönste Papier"71. Das glanzlos Langweilige charakterisiert aber in der Regel auch die seltenen selbstreflexiven Äußerungen Möhrs. Zu seinem Schaden denkt und schreibt er meist nicht im skeptischen Geiste Lichtenbergs („Das meiste Philosophiren ist nur ein Stolpern über die Wahrheit"72), sondern aus der bildungsfrommen Rezeption der Klassik heraus, so wenn er an Goethes Apergu-Begriff anschließt: „Ein geistvolles Aper$u ist das, was von der Beschränktheit am wenigsten begriffen wird"73. Und dieses, auch „von der Beschränktheit" sofort begriffen, ist eben keins. Friedrich Theodor Vischers (1807-1887) Begriffsverwendung steht von Beginn an im Zusammenhang seiner Lichtenberg-Verehrung; ein Relief

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Ebd. S. 88. Ebd. S. 73. Mohr: Gedanken über Leben und Kunst. 1879, S. 86. Mohr: Dichtungen und Gedanken. 188^ S. 90. Mohr: Gedanken über Leben und Kunst. 1879, S. 92. Ebd. S. 6. Ebd. S. 21. Mohr: Dichtungen und Gedanken. 188/7 S. 41. Ebd. Bd. 2, S. 3. Vorher in: Mohr: Gedanken über Leben und Kunst. 1879, S. 4.

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des Vorbildes hing über seinem Schreibtisch74. Sie kann sich aber, wie wir sahen, nicht von diesem selbst her erklären, sondern nur aus der zunehmenden literarischen Ausrichtung des Begriffs nach 1830, aus der heraus er bei Varnhagen und anderen natürlich vereinzelt auch auf die „Bemerkungen" in den „Sudelbüchern" angewandt wird. Lichtenberg ist schon das Vorbild für „Christophs philosophische Aphorismen", die Vischer als „kleine Probe" in seiner Novelle „Cordelia" von 1830/31 wiedergibt75; Lamping hält sie in Stil und Thema für eine regelrechte Imitation und „Hommage an den Aphoristiker Lichtenberg"76. Das (Reise-)Tagebuch in seinem Roman „Auch Einer" (1878)77 ist nach dem Vorbild von „Ottiliens Tagebuch" aus Goethes „Wanderjahren" und im Prinzip ähnlich wie Hebbels Tagebuch von Aphorismen durchsetzt, ohne daß es den Begriff selbst verwendete. „Ich philosophiere gern, bin aber kein Philosoph. Meine Gedanken gehen zu schnell"78, sagt A.E., der „Weisheitssprüche"79 liebt, von sich. Wenn der Roman nach der Jahrhundertwende „in Aphorismen und schöne Stellen zerflattert"80 genannt oder im Gegenteil seine „aphoristisch lockere Gestalt"81 hervorgehoben wird, so gehört das in einen späteren Zusammenhang, aber in einem Nachwort als „Schutz- und Deutwort" 82 fragt Vischer selbst zur Funktion des Tagebuches für die Fabel: „Genügte es nicht, ihm [dem Tagebuch] nur die reflektierenden Aphorismen zuzuteilen, durch welche man das Philosophische, das denkende Wesen A.E.s kennen lernte?"83 Und der Begriff ist im weiteren in apologetischer Argumentation nicht nur konsequent beibehalten, sondern auch ausgeweitet: „Während ihm [dem Leser] die Aphorismen objektiven Inhalts zu denken geben, muß er aus den subjektiven den roten Faden herauslesen"84. Bezeichnenderweise ist Vischer in seiner literaturtheoretischen Arbeit viel konservativer. Seine 1846-57 erschienene „Ästhetik" kann mit der ganzen Gattung nicht viel anfangen und macht die Begriffsunsicherheit in Bezug auf „das Gnomische [...]: Spruch, Xenie, oder unter welchen Na-

74

Friedrich Theodor Vischer zum loo. Geburtstag. Ausstellungskatalog 1987, S. 96. Vischer: Dichterische Werke. Bd. 5. 1917, S. 137-143. Vgl. Oesterle: Lichtenberg und die Folgen. Zu Lichtenbergs Rezeption in der Romantik. In: Lichtenberg-Jahrbuch 1988, S. 166. 76 Lamping: Lichtenbergs literarisches Nachleben. 1992, S. 87 77 Vischer: Ausgewählte Werke. 6. Teil. 1919, S. 77-280. 78 Ebd. S. 89. 79 Ebd. S. 121. 80 Meyer: Die deutsche Litteratur des 19. Jahrhunderts. 1900, S. 188. 81 Walzel: Die deutsche Dichtung seit Goethes Tod. 1919, S. 132. 82 Vischer: Ausgewählte Werke. 5. Teil. 1919, S. 8. « Ebd. 6. Teil, S. 300f. 84 EbdS. 302. 75

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men es auftreten mag" 8 5 explizit, eine Phasenverschiebung, die wir insgesamt beobachten können 86 . Von Lichtenberg einerseits, dem ,literarisierten' Begriff andererseits ausgehend und beide verknüpfend, gelangt Vischer also in seinem literarischen, nicht aber in seinem literaturtheoretischen Werk zu einer ebenso konsequenten wie unscharfen Bezeichnung der Gattung als „Aphorismus". Berthold Auerbach (1812-1882) veröffentlicht 1879 in der „Deutschen Rundschau" unter dem Titel „Wissen und Schaffen" „Aphorismen zu Friedrich Vischels ,Auch Einer'" 8 ? Bevor er seine „Betrachtungen zu dem wesentlich in Aphorismen gehaltenen Buche in der gleichen lockern Form" 8 8 , in alphabetisch angeordneten kurzen Notaten nämlich, niederlegt, stellt er Überlegungen dazu an: „Aphorismen erscheinen bequem, sind aber gefährlich für Autor und Leser. Diesem m u ß zugemuthet werden, Bindung und Zusammenhang selbstthätig zu finden, während Einzelnes leichthin betrachtet, nicht als organischer Theil eines Ganzen, sondern für sich als Selbstzweck erscheint. Hier liegt auch die Gefahr für den Autor. Eine charakteristisch scharf gefaßte Wahrnehmung aus der äußeren und inneren Welt, eine m ü h s a m errungene Erfahrung und Lehre dünkt ihm neu und bewahrenswerth und wird nun stillschweigend oder mit geflissentlicher Deutung zu einer Besonderheit der vor Augen stehenden G e stalt, oder des gewählten Themas gemacht" 8 9 .

Vom Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen ist diese kurze Reflexion geprägt, aus der doppelten Perspektive des Lesers wie des Autors. Der traditionelle Gedanke einer besonderen Rezeptionsverwiesenheit des Aphorismus steht dabei im Mittelpunkt. Nur wird er von Auerbach nicht wie bisher als besondere Möglichkeit des Lesers, sondern als eine Zumutung, ja als „Gefahr" gedeutet, Einzelnes als „Selbstzweck" zu betrachten, eine Gefahr, die für den Autor darin besteht, daß er etwas scheinbar Neues „zu einer Besonderheit" macht. Auerbachs früherer Beitrag zur Gattung, die „Tausend Gedanken des Collaborators" (1875), sind schon 1907 als „Krümchensammlerei", „formund wahllos", „mehr Abfälle als Einfälle" 90 scharf kritisiert worden. „Habe nicht Haus, nicht Hof, nicht einmal das Luftschloß eines Systems, habe aber Vielerlei aufgesammelt", behauptet die fiktive Figur des Collaborators im Vorwort, „System" und Aufgesammeltes dabei in striktem Ge85 86

87 88 89 90

Vischer: Ästhetik. 3. Teil. 2. Aufl. 1923, S. 374. Vgl. unten S. 173ff. Auch die Ästhetiken von Mündt 1845, Wackernagel 1873, Gottschall 1893, Hartmann 189^ Volkelt 1905, Lipps 1906 kennen Begriff und Gattung nicht. Auerbach: Wissen und Schaffen. In: D t . Rundschau 19, 1879, S. 269-295. Ebd. S. 269. Ebd. Bettelheim: Berthold Auerbach. Der Mann. Sein Werk - Sein Nachlaß. 190^ S. 340f.

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gensatz denkend: Obwohl sie den Begriff weder in Titel noch Untertitel führen, machen die ersten selbstbezüglichen „Gedanken" klar, daß Auerbach sich hier schon wie selbstverständlich in eine Gattung von „Aphorismen" einreiht. „Aphorismen bilden, nach einzelnen Halmen sich bücken, ist eben Aehrenlesen, nicht ein Schneiden der wogenden goldigen Getreidemassen, nicht Garbenbinden und große Ernte halten mit schmückendem Kranze. Aber die abgefallenen und eingesammelten Aehren geben auch Brod, und was von Ambrosia im Brode ist, das liegt nur im Geschmacke der Genießenden" 91 . „Aphoristische Betrachtungen sind oft wie ein farbloser Niederschlag aus lebendigen Wahrnehmungen, die erst demjenigen wieder einen festen farbigen Inhalt darbieten, der eine eigene Lebenserfahrung hinzubringt. So giebt es Flüssigkeiten, die wie reines Wasser aussehen, aber durch Hinzuthun eines neuen Stoffes den darin aufgelösten zur Erscheinung kommen lassen" 92 . „Die Aphorismen kommen mir manchmal vor wie der Bettelsack des alten Männchens, das mir vor Kurzem auf der Landstraße begegnete. Hat in jedem Hause ein Stück Brod bekommen, ist gar verschiedenes Gebäck und wird leicht zu trocken, aber wenn man's aufweicht, ist doch wieder manch gut Stück genießbar darunter" 93 . „Manche Gedanken sind wie ungespaltenes Holz. Wer den geeigneten Ofen hat, kann damit heizen. Andere müssen spalten und Manche müssen die wärmehaltenden Scheite liegen lassen und derweil frieren" 94 .

O b Ähren, Wasser, Brot oder Brennholz: an die Stelle von gedanklicher Schärfe und Zuspitzung durch überraschende Kombinatorik oder Paradoxie tritt hier wie bei Fick eine Bildersuche, die den immer gleichen Gedanken variiert. Der Verweis auf die Rezeption ist nicht nur zum Topos sedimentiert, er gerät geradezu zur Beschwörung, als ahne der Autor den „farblosen Niederschlag" seiner Aphorismen und wolle sie immerfort rechtfertigen, eine apologetische Linie, die an Fähnrich anschließt. An ihrer Rezeptionsverwiesenheit als einer besonderen Dialogfähigkeit geht er dabei in falscher Bescheidenheit völlig vorbei, denn keineswegs ist es ja so, daß alles, „was von Ambrosia im Brode ist", nur „im Geschmacke der Genießenden" liegt95. Das ist von der Sache her eine Einseitigkeit, mit der es sich Auerbach als der Autor entschieden zu einfach macht, wie es vom Bild her eine fast unstatthafte Uberdehnung bedeutet. Und das metaphorische Glück ist ihm auch dort nicht hold, wo der Rezipient das Brot

91 92 93 94 95

Auerbach: Tausend Gedanken des Collaborators. 1875, S. 3. Ebd. S. 4. Ebd. S. 5. Ebd. S. 6. Im frühen 20. Jahrhundert schließt der Arbeiterdichter Ernst Preczang in seiner Anthologie nicht nur an Auerbach, sondern exakt an dieses Ambrosia-Bild an, um es im Sinne des „von einer neuen Weltanschauung erfüllten Lesers" umzudeuten (Preczang: Freie Gedanken. 1923, S. 5).

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der Aphorismen „aufweicht", um es genießbar zu machen. Auerbach liefert hier ein frühes Beispiel dafür, wie die Selbstreflexion der Aphoristiker auch zu einem Zeichen künstlerischer Schwäche werden kann, wie die Autoren in einem Stadium erster Festigung der Gattung aus der Gattungsvergewisserung Halt ziehen wollen und Aphorismen über Aphorismen sich gedankenleer und bilderreich um sich selber drehen96. Der Philologe Jacob Bemays (1824-1881) notiert zeitlebens „Auszüge und Einfälle" - als „Aphorismen, Bemerkungen, Anekdoten und Beobachtungen" bezeichnet sie sein Biograph - , die sich in Abschrift und Auswahl erhalten haben97 und denen einer der wenigen Kenner „höchstes Niveau von Formulierung und Gedanke" 98 bescheinigt. Gründer schreibt einleitend, man wisse „bei deutschen Sätzen nie genau, ob es sich um einen Aphorismus von Bernays oder um ein Exzerpt, um einen ,Einfall' oder um einen ,Auszug' handelt" 99 : Sie zeugen in ihrem Doppeltitel und in ihrem dementsprechenden Mischcharakter davon, daß der „Aphorismus"Begriff bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus ins Exzerpthaft-Anthologische hinein offen ist. "Wenn die „Aphorismen für jede und besonders die jetzige Zeit" 100 , in zwei Teilen 1876 und 1881 anonym von dem Düsseldorfer Pfarrer Joseph Holl (1830-1908) herausgegeben, ein Buch, „welches auf jeder Seite den gläubig-christlichen Sinn athmet" und „unter Gottes Schutz in die Welt"101 hinausgeht, schon für den zeitgenössischen Rezensenten „manches schon Bekannte nur in neuer Form" 102 bringen, dürfen wir mit der größeren Deutlichkeit des Nachgeborenen feststellen, daß es sich dabei um gut gemeinte Trivialitäten handelt, die etwa,erkennen': „Mit wenig Worten viel sagen, das ist Geist" 103 , sich aber nicht die und der Frage stellen, was es bedeutet, mit wenig Worten wenig oder nichts zu sagen; Gewicht suchen sie vergeblich mit Hilfe der besonders nachdrücklichen Typographie zu

96 97

98

99 100

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Vgl. Verf.: Aphorismen über Aphorismen. In: Zs. f. dt. Philologie 113, 1994, S. 187ff. Aphorismen von Jacob Bernays. Aus Abschriften seiner verlorenen „Auszüge und Einfälle". Mitgeteilt von Karlfried Gründer. In: Aratro corona messoria. 1988, S. 131-152, hier: S. 131. Ritter: Ein Fremder. Der Philologe Jacob Bernays. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 113 v. 15. 5. 1996, S. Ν 5. Aphorismen von Jacob Bernays. In: Aratro corona messoria. 1988, S. 131f. Holl: Aphorismen für jede und besonders die jetzige Zeit. Von einem Freunde der Wahrheit. Erster Theil: 2. Aufl. 1882 (Zuerst 1876). Zweiter Theil: 1881. Ebd. „Vorrede zur Zweiten Auflage des Ersten Theiles". Unpag. Ebd. „Recensionen über den Ersten Theil der Aphorismen". Unpaginiert vor S. 1 des zweiten Teils. Ebd. Erster Theil. 1882, S. 4.

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gewinnen: „Die Wahrheit ist am schönsten, wenn sie klar, und am wirksamsten, wenn sie kurz gesagt wird" 104 . Interessant ist, daß eine der abgedruckten Eklogen eben noch für die siebziger Jahre feststellen kann: „Aphorismen zu schreiben, wird von der Unzahl moderner Schriftsteller und solcher, die sich dafür halten, sehr wenig beliebt [!]" 105 ; nach 1880 ändert sich das geradezu dramatisch. Die Bände selbst sind von Bedeutung allein begriffsgeschichtlich durch den Titel, der in einer spezifisch theologischen Tradition steht, die von den anonymen „Aphorismen am Grabe der Theologie" (1802) über Daumers Anthologie zur „Religion des neuen Weltalters" (1850) und die auffällig häufigen „Aphorismen" in den „Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland" aus der zweiten Jahrhunderthälfte bis zu der Aphoristik Garins um 1900 reicht. Noch 1900 erscheint eine veränderte Fassung von Holls „Aphorismen" 106 . „Brot und Brocken", die 1876 herausgegebenen „Predigten und Aphorismen" des, wie das Titelblatt vermeldet, Archidiaconus Johannes Linke (1847-1914), ordnen sich gleichfalls hier ein. Sie stehen entschiedener noch als Hamann in der durch den Haupttitel angezeigten biblisch-religiösen Tradition10? „Theils Ausschnitte", „theils von ohngefähr sich aufdrängende Nebengedanken", „theils unmittelbare Herzensergüsse" 108 : so beschreibt der Autor selbst im Vorwort die 310 „Aphorismen" im zweiten Teil seines Buches, von Bibelstellen ausgehende Betrachtungen eines Geistlichen, deren formale Gemeinsamkeit lediglich im Gegensatz zur abgerundeten Predigt zu finden ist. Während der Begriff an entlegener Stelle, bei Karl Friedrich Schinkel109 oder bei Maximilian von Osterreich110, nichts als einen weiteren Mosaikstein bedeutet, verlangt die Tatsache, daß wichtige Aphorismen unter anderen Bezeichnungen erscheinen, unter dem Schirm größerer Gattungsund Begriffssicherheit jetzt nach einer anderen Deutung als bei Klinger oder Seume. Dazu zählen so unterschiedliche literarische Erzeugnisse wie Bahnsens „Pessimistenbrevier" und Gutzkows „Denksprüche". 104 105

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Ebd. S. 3. Ebd. „Recensionen über den Ersten Theil der Aphorismen". Unpaginiert vor S. 1 des zweiten Teils. Holl: Der Mensch. Vierhundertzehn Aphorismen. 1900. Bei seinen „Gedanken" (Köln 1860) handelt es sich nicht um Aphorismen, sondern um Meditationen etwa „bei einem Gange über den Kirchhof" (S. 71-93). Vgl. oben S. 54f. Linke: Brot und Brocken. 186^ S. III. (Karl Friedrich Schinkel:) Aus Schinkels Nachlaß. Reisetagebücher, Briefe und Aphorismen. 1862-63. Maximilian von Österreich: Aus meinem Leben. Reiseskizzen, Aphorismen, Gedichte. 1867

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Julius Bahnsen (1830-1881), als Philosoph in der Charakterisierung des zeitgenössischen Konversationslexikons „Jünger und Fortbildner Schopenhauers"111, gilt allgemein als Verfasser des 1879 anonym erschienenen, über 400 Seiten starken „Pessimistenbreviers". Das Vorwort konkretisiert die religiösen Assoziationen des Titels zu einem anderen Evangelium. Der durch Schmerz „Geweihte", so die Verfasser-Mystifikation, reiht seine „Seufzer wie Perlen auf eine Schnur" - das Selbsterlebthaben ist entscheidend - , um, die konventionelle Extrakt-Metaphorik aufnehmend, „magenstärkende, frische Destillate aus den natürlichen Wermuthmagazinen des Lebens"112 zu verabreichen: „Extractum vitae", wie es auf dem Titelblatt heißt. Die Texte selbst, durchschnittlich zwischen einem Satz und einer halben Seite lang, kreisen monoton um die Themen Tod, Leid und Verlassensein, in der „trostlosesten Trübsal" wird noch der kleine Trost, den das Sprichwort im geteilten Leid bietet, umgekehrt: „Miteinander weinend, sehen wir eins im andern das eigene Weh verdoppelt"113, „Menschenkenntniß"114 ist auf den Aspekt der Enttäuschung reduziert. Es sind Betrachtungen, zuweilen Bilder („Die Hoffnung führt ein wildes Gespann, - weh dem, den sie an ihren Rädern schleift!"115), im Grunde sind sie aber mit der Selbstcharakterisierung als „Seufzer" am besten bezeichnet: „Sowie man ein Ohr aufthut, hat man auch ein Unglück darin"116. Richard M. Meyers Urteil ist bemerkenswert durch den kritischen Abstand, der sich ihm schon 1913 auftut, wie durch den Kontext, den er herstellt: „Aus rein gelehrten Kreisen kommt viel eher ein Buch wie des menschlich ausgezeichneten Bahnsen klägliches ,Pessimistenbrevier', das so anschaulich zeigt, wie schwer es damals in Deutschland noch war, Aphorismen zu schreiben"11? Karl Gutzkows (1811-1878) 1869 erschienene „Denksprüche" „Vom Baum der Erkenntniß" gehen auf sogenannte „Anregungen" zurück, die er, ähnlich wie Börne seine „Nachzügler", in eine von ihm geleitete Zeitschrift, die „Unterhaltungen am häuslichen Herd", einrückt. Für die Buchausgabe sind sie thematisch geordnet. Sie sind nicht immer weit von Mohr („Glück verbreiten wir nur da, wo wir nicht an unser eignes denken"118)

111

Brockhaus: Konversations-Lexikon. 14. Auflage. Neue revidierte Jubiläums-Ausgabe. 1908. 112 Bahnsen: Pessimistenbrevier. 1879, Vorwort S. VI-VIII. 1,3 Ebd. S. 9. " 4 Ebd. S. 116. 115 Ebd. S. 102. 116 Ebd. S. 28. 117 Meyer: Nietzsche. Sein Leben und seine Werke. 1913, S. 296f. 118 Gutzkow: Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Teil 12. 1912, S. 89.

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oder Bahnsen („Positives Glück gibt es auf Erden nicht. Irdisches Glück heißt - : Das Unglück besucht uns nicht zu regelmäßig" 119 ) entfernt. Daß es Gutzkow mit dem Titel bei einem deutschen Synonym bewenden läßt, bedeutet nicht, daß ihm nicht Gattung und Begriff „Aphorismus" selbstverständlich vertraut wären. Seine „Wally, die Zweiflerin", die Varnhagens „Buch des Andenkens für ihre Freunde" liest und sich im Tagebuch damit auseinandersetzt, läßt er schon 1835 „einzelne ihren Seelenzustand verratende Aphorismen in ihr Tagebuch"120 schreiben. Auf die ihm von Hebbel übersandte Feuchtersieben-Ausgabe mit ihren „Aphorismen" reagiert er im Selbstgespräch; der „Maximen"-Begriff mit seinem spezifizierenden Nebensinn dient der Distanzierung: „Erwarte von deinem ,Feuchtersieben' nicht allzuviel! Aus Lebensmaximen läßt sich kein Leben aufbauen. Nur ein Kitt sind sie, ein Mörtel zum Binden und Befestigen von Kräften, die anderweitig hergenommen werden müssen"121. Die besondere Beziehung Österreichs zum Aphorismus, nicht nur um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, ist vielfach gesehen worden. Bodi geht von einem unzulässig weiten Begriff aus, wenn er schon im „Tauwetter in Wien" 1781-1795 „aphoristische Gesellschafts- und Sprachkritik" 122 beobachten will. Und Ivask belegt seine dezidierte These „Der Aphorismus ist die österreichische Form des Philosophierens" 123 mit nicht mehr als einer kommentierten Liste von Namen, die für das 19. Jahrhundert neben Nestroy, Lenau, Feuchtersieben und Ebner-Eschenbach Michael Enk von der Burg und Alexander von Villers umfaßt und unbedingt einer kritischen Durchsicht bedarf. Für diese frühe Zeit ist die Forschung noch auf dem Stand einer vagen Begrifflichkeit und der reinen Sammlung von Namen und Titeln, die nicht nur der Uberprüfung, sondern vor allem auch der Ergänzung bedürfen. So sucht man nicht nur das „Aphoristische Taschenbuch" Anton Fähnrichs aus Gitschin (Böhmen), sondern auch die „Aphorismen" des Wieners Joseph Fick hier vergeblich. Während Ivask Nestroys nachgelassene „Aphorismen und Notizen" als „wahrhaft geniale Aphoristik" 124 preist, geht er weder auf den vergleichbaren Fall, Anzengrubers „Aphorismen aus dem Nachlaß", noch auf Grillparzer ein.

i" Ebd. S. 20. Ebd. Teil 4, S. 167 Vgl. ebd. S. 83: „Man sollte die Bonbons in Aphorismen aus Heines Salon einschlagen." ι« Ebd. Teil 12, S. 51. 122 Bodi: Aphoristische Gesellschafts- und Sprachkritik. In: L. B.: Tauwetter in Wien. 1977 S. 365-375. 123 Ivask: Theologie als Grammatik. Der Aphorismus als die österreichische Form des Philosophierens. In: Basil, Eisenreich, Ivask: Das große Erbe. 1962, S. 40. 124 Ebd. S. 43. 120

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Franz Grillparzer (1791-1872) als fragloser Verfasser von Aphorismen ist das Werk seiner Editoren nach der Jahrhundertwende125. Dennoch lassen sich aus seinen Tagebüchern mit ihren verschiedenartigen Materialien begriffsgeschichtlich relevante Hinweise entnehmen126. Kainz reflektiert: „Es ist ferner nicht unproblematisch, aus Aphorismen und isolierten Gedankensplittern ein System zusammenbauen zu wollen"12^ glaubt genau das aber dann doch im Falle Grillparzers gerechtfertigt. Und dazu gehören aus der Begriffsgeschichte vertraute Elemente und Bezüge. Grillparzer kennt nicht nur Bacon - er besaß dessen „Novum Organon"128 sondern auch Lichtenberg in einer Weise, die Sauer von Abhängigkeit, „inhaltlich wie formell"129, sprechen läßt. Kainz löst beide in der Geschichte des Aphorismus grundlegenden Dichotomien für seinen Autor integrativ auf: Man könne „ohne irgendeinen Widerspruch sagen, er habe durchaus systematische Probleme angegangen, nur hat er es in unsystematischer, nämlich eben aphoristischer Weise getan"130; für den Zwischenbereich von Philosophie und Poesie zeigt Kainz, daß für Grillparzer (trotz Analogien zu Nietzsche und Wittgenstein) „diese Aphorismen nicht nur ein denkerisches, sondern auch ein ästhetisch-künstlerisches Anliegen sind"131. Seine Aufzeichnungen „gründen sich kaum jemals auf abstrakte Spekulation und tatsachenferne Reflexion, sondern sind zu allermeist empirisch formuliert: sie fußen auf scharfsichtiger Tatsachenbeobachtung und scharfsinniger Faktenbeurteilung"132. Die terminologische Konsequenz dessen ist von höchstem Interesse, ist sie doch nicht die des Interpreten, sondern die des Autors selbst: „Der Ausdruck ,Lebensweisheit' erscheint bei Grillparzer selbst, und zwar als Wechselbegriff zum Terminus ,Lebensphilosophie'"133. Ohne daß die Eigenart der Grillparzer'schen Tagebuch-Aphoristik im Dreieck von Goethe, Lichtenberg und dem romantischen Fragment damit schon erschöpfend diskutiert wäre, bildet er mit beiden Termini, gerade in ihrer Austauschbarkeit, eine Brücke von der „Lebensphilosophie" des ausgehenden 18. zur „Lebensweisheit" des ausgehenden 19. Jahrhunderts. 125 126

127 128 129

130 131 132 133

Vgl. unten S. 274f. Zur Begriffsverwendung selbst: Grillparzer: Sämtliche Werke. II. Abtlg, 7. Bd. 1914, S. 13 (Tagebuch 1808/10). Kainz: Grillparzer als Denker. 1975, S. 17f. Ebd. S. 214. Grillparzer: Sämtliche Werke. Hist.-krit. Ausgabe. Band II, 7: Tagebücher, 1. Teil. 1914, S. XII. Kainz: Grillparzer als Denker. 1975, S. 75. Ebd. S. 291. Ebd. S. 211. Ebd. S. 215.

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1860 bis 1867 erscheinen in Wien drei Bändchen mit der reinen Gattungsbezeichnung „Aphorismen" als Titel, ohne Untertitel, anonym134. Ihr Verfasser ist der Historiker und Archivar Joseph Fick (1800-1881), Hauslehrer des nachmaligen Kaisers Franz Joseph. Das Lebensbild, das sein Weggefährte Lukas von Führich nach seinem Tode in den „Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland" zeichnet, ist unkritisch und unergiebig; für Ficks Hauptwerk, eben die „Aphorismen", beschränkt es sich auf breitestes, zustimmendes Zitieren und den einleitenden, im Wortsinne frommen Wunsch: „Die ,Aphorismen' sind ein Buch, das unseres Bedünkens in keinem Hause, in dem geistiges Leben gepflegt wird, fehlen sollte"135. Die Bände sind thematisch eingeteilt in Historisches, Literarisches, Politisches, Sprachliches, „Glaube. Erkenntnis. Inneres Leben" und Vermischtes und bleiben ohne irgendwelche anderen Begriffserläuterungen in Vor- oder Nachworten als solche in den Aphorismen selbst. Diese jeweils einleitende „Vorrede in Aphorismen" freilich ist für die Begriffsgeschichte höchst bedeutsam. Die Entwicklung, die sie genommen hat, der seit den 40er Jahren zurückgelegte Weg also, wird gerade im Vergleich Ficks mit Fähnrich deutlich. Wenngleich Gattungsreflexion beiden ein zentrales Anliegen ist, so sind Ansatz und Vorgehensweise dabei doch höchst unterschiedlich. Wo wir bei Fähnrich eine apologetisch-ernsthafte Diskussion beobachten, weitgehend im Rahmen der Wissenschaft (und diesen wo nicht sprengend, so doch dehnend), da bemerken wir hier die geradezu leichtfertig verschwenderische Metaphorisierung einer Gattung, die den Gewinn an Selbstverständlichkeit mit Gedankenarmut bezahlt. Vom Topos der schnellebigen Zeit geht Fick aus und eröffnet seine erste „Vorrede in Aphorismen" mit einem spezifisch modernen Bild, das eine traditionelle Vorstellung zu aktualisieren sucht: „Die Zeiten sind jetzt so schnell und die Menschen so eilig. Seitdem sie Welttheile im Fluge durchreisen, nehmen sie sich zu nichts mehr Zeit. Sie lesen kein Buch mehr und keine Abhandlung. Wie von Einer Hauptstadt zur andern, so wollen sie von Einem Hauptgedanken zum andern übersetzen; das Dazwischenliegende, wenn gleich nothwendiger Verbindungsweg, soll kaum bemerkt werden. Man hat schon lange gesagt, um Gedanken haften zu machen, müsse man sie heut zu Tage wie Pfeile zuspitzen, und vom Bogen zuschnellen. Aber auch dieses Bild ist noch zu langsam, seit man mit Telegraphen verkehrt. Nun wohl, Aphorismen sind telegraphische Gedankendepeschen. - Wird es nun gut sein?"136

134 135

136

Fick: Aphorismen. Teil I-III. Wien 1860-67 Führich: Dr. Joseph Fick. Der Wiener Anonymus. In: Hist.-pol. Blätter f. d. kathol. Deutschland 89, 1882, S. 333-346 und 426-443, hier S. 429. Fick: Aphorismen. Teil I, S. 1 (= Fick I, 1).

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Von hier aus ergießt sich eine wahre Bilderflut über den Leser: von „Gedankenoffizieren", „Gedankentropfen"137, „Gedankensplittern", „Gedankeninseln", „Gedankenabfällen", „Gedankenblitzen"138, „Gedankenfunken" oder „Gedankenpfeilen"139 bis zu reichlich Gesuchtem wie der „abgeschnittenen Rose" oder der „ausgebrochenen Erzstufe"140. Bildbereiche und Bildaspekte finden sich dabei vereint, die einerseits aus der Begriffsgeschichte bekannt sind, andererseits vorausweisen auf die metaphorische Gattungsreflexion der Aphoristiker des 20. Jahrhunderts141. Der Gewaltaspekt ist vorgeformt nicht nur im Blitz, im Pfeil, im metaphorisch noch nicht verblaßten Splitter, auch im Funken, der, wie schon bei Uhland, „zündet". Der Extraktaspekt scheint durch in den Bildern der medizinischen „Pillen" und der „Samenkörner": „Wie die Aerzte die Medicamente in Pulverform, so kann man auch Wahrheiten in Aphorismen eingeben"142. „Aphorismen sind Samenkörner, von einer vollständigen Pflanze genommen und wiederum vollständige Pflanzen im Keime tragend"143. Das Bewußtsein von der spezifischen Bedeutung der Rezeption der Aphorismen erscheint im Bild des „Nüsseknackens", allerdings im Vergleich zu älteren Bildern harmlos-unangemessen und unverbindlich („einige"): „Aphorismen sind kleine Früchte, die man auf einmal in den Mund steckt. Aber sie sind nicht alle wie Kirschen; einige sind auch wie Nüsse, und wollen geknackt sein"144. Und wie schon für Hamann, so liefert auch für den katholisch frommen Fick die „ewige Wahrheit" der Bibel der Gattung die Letztbegründung, wie dort unter Bezug auf 1 Kor 13, 9: „,Unser Wissen ist Stückwerk', hat die ewige Wahrheit niederschreiben lassen. Heißt das nicht auch: ,Unser Wissen ist aphoristisch?'"145 Das Bild der „kleinen Münze", das sich Lichtenbergs „Pfennigs-Wahrheiten" verdankt, würde allein zur Dokumentation auch dieses Traditionsfadens gewiß nicht ausreichen. Gerade Lichtenberg widmet Fick aber den weitaus größten Teil seiner „Aphorismen" in der Abteilung Literarisches. Er kann nicht anders, als ihn zwiespältig zu beurteilen. Er lobt nicht nur Wahrhaftigkeit und Selbständigkeit des Geistes, sondern auch den „höchst originellen Witz"146 und die „Form des Ausdrucks", die „jede Zeile, auch der Tagebücher, zu einer gewissen Vollkommenheit 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146

Fick Fick Fick Fick Vgl. Fick Fick Fick Fick Fick

I, 2. I, 3. II, 1. I, 4. Verf.: Aphorismen über Aphorismen. In: Zs. f. dt. Philologie 113, 1994, S.161-198. II, 1. II, 2. I, 2. III, I. I, 31.

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ausprägt" 14 ? Er geht von dem zusammenfassenden Urteil aus, bei Lichtenberg handele es sich wirklich um dasjenige, „was die Welt einen großen, oder wenigstens sehr bedeutenden Mann zu nennen pflegt" 148 , um ihm von einem fest umgrenzten weltanschaulichen Ort aus ganz am Ende „Taumeln" in Aberglaube und Zweifel vorzuwerfen. So ist es nicht verwunderlich, daß die breiten und behäbigen „Aphorismen" Ficks selbst, eben ohne „zündenden" Gedanken, ohne Witz und ohne Zuspitzung, sich in keiner Weise der Nachfolge Lichtenbergs rühmen können. Ihre Gattungsreflexion entwickelt sich in einer eigentümlich gegenläufigen Bewegung. Einerseits erscheint der Begriff, nicht nur in der Fülle der Bilder, hypertrophiert und zugleich verdünnt, bis es schließlich heißt: „Wir aber sagen:,Alles ist Aphorismus'. Das heißt, wie auf Erden nichts ständig und wandellos ist, so ist auch nichts in sich beschlossen, begrenzt und vollendet. Das aphoristische Leben wird aber aphoristische Gedanken ertragen können"149. Andererseits endet die Denkbewegung in einer schon eigenartigen Bescheidenheit den „armseligen Dingern"150 gegenüber. Hieß es 1860, der aphoristische Weg sei „der beste", „den man haben kann"151, so endet die Gattungsreflexion sieben Jahre später auf dem Minimalniveau, daß die Aphorismen „ertragen" werden wollen und können: „Ein Vorzug sind nun die aphoristischen Zustände des Lebens freilich nicht, und wir behaupten das auch nicht von der aphoristischen Form der Gedanken. Wie gesagt, diese Gedanken wollen eben ertragen werden"152. Eine resignierende terminologische Unbekümmertheit gesellt sich in der reflektierenden Rückschau dazu: „Einige von den Dingern sind etwas groß ausgewachsen, und nehmen sich fast wie Abhandlungen. Nun es sind eben aphoristische Abhandlungen"153. In der Tat ist der große Anspruch, der sich einmal mit dem „Aphorismus" verband, bei diesen armseligen „Dingern" ganz verblichen. Scheinbar selbstverständlich in eine Gattung eingebettet, verlieren sie über der Breite der Bilder Schärfe und Spitze, die sie nur mehr verbal, und das halbherzig, beschwören können. In dieser gedanklichen Verdünnung bilden sie einen der Ausgangspunkte für die Mode der „Gedankensplitter", die sich weitere zwanzig Jahre später erkennen läßt. Aus den „Aphorismen", die die „Fabeln und Aphorismen" (1876) des Wiener Journalisten Josef R. Ehrlich (1842-1899) abschließen, meist in

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Ebd. Fick I, 30. Fick III, I. Fick III, II. Fick 1,1. Fick III, I. Fick III, II.

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vertraulichem Du gehaltene, biedere maximenhafte Handlungsanweisungen an einen fiktiven zu belehrenden Partner („Fische nicht in einem stehenden Bach, nur aus bewegten Herzen kannst du einen lebendigen Fang thun"154), läßt sich begriffsgeschichtlich kaum etwas Eigenes gewinnen; sie stehen etwa von Fick her in einem spezifisch österreichischen Zusammenhang. Ferdinand Kürnbergers (1821-1879) „Aphorismus zur Denkmal-Pest unserer Zeit", ein kleiner, kritischer Beitrag gegen die „Selbstbedenkmalungs-Arroganz" 155 , zeugt von einem extrem weiten Begriffsverständnis, das in keiner Weise repräsentativ ist. Zu seiner sonstigen Aphoristik ist man noch auf den Nachlaß verwiesen 156 . Im Jahre 1880 veröffentlicht Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916) im Alter von 50 Jahren eine Auswahl von dreihundert ihrer „Aphorismen". Auch wenn es nicht das erste Mal ist, daß der schiere Gattungsbegriff den Titel einer selbständigen Veröffentlichung abgibt157, bilden sie dank ihrer wirkungsgeschichtlichen Bedeutung in der Geschichte der Gattung einen entscheidenden Einschnitt. „Das Geheimnis des Erfolges" bemerken schon die Zeitgenossen, um als Erklärung angesichts „der bescheidenen Einkleidung eines kleinen Spruches" die stereotyp deutsche „Tiefe" zu bemühen158. Ihre Verfasserin ist als die Aphoristikerin schlechthin, ihr Werk als, „wenn man so will, die normalsten' Aphorismen" 159 allgemein rezipiert; wie Fricke formuliert: „In ihr hat die Gattung ihre ideale Mitte"160. Schon der anonyme Rezensent der „Deutschen Rundschau" hebt sie aus der Masse der gleichzeitig erscheinenden „Gedankensplitter" oder „Gedankenspäne" heraus: „Nicht, als ob wir im Allgemeinen Freunde dieser ,Gedankenspäne' wären, welche - um gleichfalls aphoristisch zu reden in den meisten Fällen entweder nicht ausreichten, um mehr oder besseres daraus zu machen, oder als Abschnitzel übrig geblieben sind. Die ,Apho-

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Ehrlich: Fabeln und Aphorismen. 1876, S. 145-156, hier S. 145. Kürnberger: Ein Aphorismus zur Denkmal-Pest unserer Zeit. In: F. K.: Literarische Herzenssachen. 1877, S. 311-319, hier S. 314. Der in der Fackel Nr. 289 v. 25. 10. 1909, S. 29 angekündigte 8. Band der „Gesammelten Werke": „Tagebücher, Aphorismen, Gedichte" ist Plan geblieben. Vgl. auch den Brief Kürnbergers, der auf seine Nähe zu Auerbach und die genaueste Kenntnis von dessen „Tausend Gedanken eines Collaborators" anspielt (Fackel Nr. 288 v. 11. 10. 1909, S. 5). Oberleitner: Aphorismen. 1844. Das bei Wienstein: Lexikon der katholischen deutschen Dichter (1899) verzeichnete Buch ist in deutschen Bibliotheken nicht nachgewiesen und auch in Wien nicht vorhanden. -r.: Rez. Ebner-Eschenbach, Aphorismen. In: Deutschland 2, H. 16, 1890, S. 284. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 119. Ebd.

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rismen' der Frau von Ebner-Eschenbach verdienen höher geschätzt zu werden"161. Die Sammlung ist später bis zu den Gesammelten Schriften von 1893 und den Sämtlichen Werken von 1928 mehrfach erweitert und verändert worden162. Die Aphorismen „Aus einem zeitlosen Tagebuch" von 1916 kommen hinzu163, darüber hinaus Aphorismen aus dem Nachlaß164 sowie aus verstreuten Publikationen, von denen Ashliman 92 Nummern gesammelt hat165. Ihre Wirkungsgeschichte ist noch nicht geschrieben. Trotzdem ist es ein leichtes festzustellen, daß ihren „Aphorismen" zuwächst, was Goethe mit seiner „Novelle" und seinem „Märchen" im Sinn hat, auch wenn sie das niemals intendiert: eine musterbildende Wirkung. Exemplarisch für die Rezeption aus einigem Abstand heraus mag Eduard Engels „Geschichte der deutschen Literatur" von 1906 gelten, die sie mit La Rochefoucauld vergleicht und urteilt: „Die neuere deutsche Prosaliteratur besitzt kaum ein zweites Buch mit so gütevoller Lebensweisheit wie die Aphorismen der Ebner, ein schon jetzt klassisches Werk, das in Volksausgaben verbreitet werden sollte"166. So stellt Fricke ganz zu Recht als Verdienst der Autorin heraus, daß der Aphorismus „spätestens 1880 endgültig als festes Genre im literarischen Leben Deutschlands etabliert"167 ist. Unter begriffsgeschichtlichem Aspekt freilich ist die These vom Einschnitt 1880 zu differenzieren. Die reiche Sekundärliteratur zum aphoristischen Werk Ebner-Eschenbachs läßt uns zu diesem Aspekt im Stich168, und bezeichnenderweise gilt das auch für die Begriffsverwendung der Autorin selbst, die gekennzeichnet ist von reflexionsloser Selbstverständlichkeit und Stetigkeit. „Ich war längst nicht mehr jung, hatte gelernt, gelesen, gelitten, nachgedacht, bevor ich Umschau hielt in meinen Manu161

Anonym: Rez. Ebner-Eschenbach, „Aphorismen". In: Dt. Rundschau 24, 1880, S. 320. Ebner-Eschenbach: Das Gemeindekind. Novellen. Aphorismen. 1956, S. 863-904 und 992. 163 Ebner-Eschenbach: Erzählungen. Autobiographische Schriften. 1958, S. 701-746. 164 Ebner-Eschenbach: Unveröffentlichte Aphorismen aus dem Nachlaß. In: Der Wächter 28/ 29, 1946/47, S. 45-47 165 Ashliman: Marie von Ebner-Eschenbach und der deutsche Aphorismus. In: Österreich in Geschichte und Literatur 18,1974, S. 155-165. - Vgl. darüber hinaus die Untersuchung des aphoristischen Elements in ihren Erzählungen: Pfeiffer: Marie von Ebner-Eschenbach: Domestizierung des Aphoristischen [!] Elements in der Narration. In: P. C. P.: Aphorismus und Romanstruktur. Zu Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften". 1990, S. 34-44. tee E n g e l : Geschichte der deutschen Literatur. 2. Bd. 19. Aufl. 1913, S. 280. 167 Fricke: Aphorismus. 1984, S. 115. 168 Etwa die Dissertationen von Fischer: Die Aphorismen der Marie von Ebner-Eschenbach. 1926 und Kayser: Möglichkeiten und Grenzen individueller Freiheit. Eine Untersuchung zum Werk Marie von Ebner-Eschenbachs. 1974. 162

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Skripten, eine Auswahl von dreihundert Aphorismen traf und sie veröffentlichte"169, heißt es aus der Rückschau. Die Tagebücher geben außer der selbstverständlichen und regelmäßigen Benutzung des Begriffes seit den 70er Jahren allenfalls einen Hinweis auf den Einfluß Schopenhauers, den sie 1881 wieder mit Begeisterung liest170. Die „Aphorismen" EbnerEschenbachs bilden 1880 begriffsgeschichtlich gesehen Abschluß wie Neubeginn. Sie sind die augenfälligste und bedeutendste Bestätigung einer Entwicklung in die Literatur hinein, das Ende eines Prozesses, wie er an einzelnen Beispielen und ansatzweise in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, dann aber quantitativ und qualitativ verstärkt seit Hebbel in der Jahrhundertmitte zu beobachten war. „Ein Aphorismus ist der letzte Ring einer langen Gedankenkette"171. Der berühmte Aphorismus, der das Motto ihrer Sammlung bildet, festigt den Gattungsbegriff endgültig und begründet eine Tradition von selbstreflexiven „Aphorismen". Der Begriff ist selbstverständlich und fest mit der literarischen Gattung verknüpft, die dadurch erst als Gattung recht eigentlich ins Bewußtsein tritt und Gattungserwartungen erheben kann. In dieser Funktion beginnt er seinerseits, im Sinne eines Musters oder einer Norm auf die Verfasser und das Verfassen von „Aphorismen" einzuwirken.

3. Der „Aphorismus"-Begriff in Literaturgeschichte, Edition und Anthologie Daß sich der „Aphorismus" als Gattungsbegriff weiter etabliert hat, läßt sich an verschiedenartigen Indizien ablesen. ,Konservativ', mit deutlicher Verzögerung gegenüber der Literatur selbst, wenn auch nicht mehr ganz vereinzelt greift die Literaturwissenschaft den Fachbegriff auf, mit einer Phasenverschiebung also, wie sie schon am Einzelfall, dem literarischen und literaturwissenschaftlichen Werk Vischers, zu beobachten war. Unscharfe und Unsicherheit in seiner Verwendung prägen das Bild in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, bis sich gegen das Ende hin Vereinheitlichungstendenzen bemerkbar machen. Für alle Stufen bei seiner Herausformung lassen sich dabei nebeneinander Belege erkennen, von der NichtVerwendung bis zu seinem Gebrauch als Gattungsbegriff. In Hettners „Geschichte der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts" (1862-1870) spielt bei Lichtenberg nicht nur der Begriff, auch die Sache selbst keine Rolle; man findet den nachmaligen Begründer des deutschen Aphorismus hier als Verfasser von „kleinen beschreibenden Genrebildern"172 169 170 171 172

Ebner-Eschenbach: Erzählungen. Autobiographische Schriften. 1958, S. 726. Ebner-Eschenbach: Tagebücher. Bd. III. 1993, S. 93 (8. 1. 1881). Ebner-Eschenbach: Das Gemeindekind. Novellen. Aphorismen. 1956, S. 865. Hettner: Geschichte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert. Bd. 2. 1961, S. 318.

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dem Familienroman zugeordnet. Hettner folgt damit Gervinus' Einschätzung, der, eine Nicht-Gattung beschreibend, in Lichtenbergs Schriften „nichts als einen Haufen von Bruchstücken, von Gedankenspänen, von den trefflichsten prosaischen Epigrammen und Aussprüchen, aber nichts Ganzes"173 sehen will. Konträr dazu ist die Beurteilung der „Tagebücher" oder, wie er sie selbst nennt, „Gedankenbücher"174 1871 bei Bobertag, dem Herausgeber Lichtenbergs innerhalb der „Deutschen National-Litteratur"; von „Aphorismen" ist aber auch bei ihm noch nicht die Rede, sondern von „Beobachtungen, Maximen und Urteilen", Grisebachs gleichzeitige Edition von Lichtenbergs „Gedanken und Maximen" wird zustimmend zitiert. Ein gutes Beispiel für die schwankende Begrifflichkeit der Zeit bietet Grisebachs wenig später erschienene Literaturgeschichte (im übrigen der Versuch einer Wiedergutmachung175), die einerseits von Lichtenbergs „Sentenzen und maximen" oder von „gedankenbüchern"176 spricht, ihn andererseits aber schon in eine europäische Traditionsreihe von „aphoristischen geistern"177: Graciän, La Rochefoucauld, Pascal, Sterne einreiht; die auf der einen Seite ein „frühes aphorisma"178 zitiert und ihn andererseits zum Ausgangspunkt einer „anzahl ähnlicher fragmentisten"179 bis zu Schopenhauer macht180. Für Gattungserwägungen wirkt noch die Terminologie der Franzosen prägend; das Adjektiv ist dort schon möglich, wo es nicht den Anspruch einer Gattungsbezeichnung für Lichtenbergs „Bemerkungen" erhebt. Raabe exzerpiert aus Spaziers Jean Paul-Biographie 1855: „Das Aphoristische der Kenntnisse, das überhaupt Dichter (besonders) erben"181. Uneinheitlich und schwankend ist auch das Bild in Literaturgeschichten, Schulbüchern und anderen anthologisch-biographisch orientierten Werken der Zeit. Aufschlußreich ist es, wie etwa in einem zeitgenössischen Schullesebuch in der Besprechung Lichtenbergs die „abgerissenen 173

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Gervinus: Geschichte der poetischen National-Literatur der Deutschen. 3. Aufl. 5. Bd. 1852, S. 175. Bobertag (Hg.): Lichtenberg, Hippel und Blumauer (Deutsche National-Litteratur. 141). 1871, S. 7 Vgl. Lamping: Lichtenbergs literarisches Nachleben. 1992, S. 100-103. Grisebach: Die deutsche Literatur 1770-1870. 1876, S. 73. Ebd. S. 72. Ebd. S. 74. Ebd. S. 77 Schopenhauer steht denn auch im Hintergrund der Begriffsentwicklung auf den „Aphorismus" zu. Böhm meint, durch ihn, dessen Nachlaß er ediert, habe Grisebach Lichtenberg kennengelernt. Böhm: Lichtenbergs Aphorismen. In: Nationalzeitung Nr. 232 v. 16. 4. 1903. Spazier: Jean Paul Friedrich Richter. Bd. 1, 1833, S. 104. Exzerpt bei Raabe in: W. R.: Literarische Notizen. Sämtliche Werke. Ergänzungsband 5. 1994, S. 518.

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Bemerkungen" in der Wiederholung durch die synonym verwendeten „Aphorismen" ersetzt werden 182 . König meint abwertend wie schon Laube, daß Lichtenbergs „Hauptwerke nur in kleinen Aufsätzen und Aphorismen" 183 bestünden, während Menzel mit der Verwendung des Gattungsbegriffes auch zu einer ungleich höheren Einschätzung der „kleinen Aufsätze und Aphorismen" 184 kommt, in denen „das Witzigste [...] verborgen" liege. Ebenfalls „nur in Aphorismen" 185 hat sich für den Verfasser seines Artikels in der Allgemeinen Deutschen Biographie von 1876 Börne geäußert. Die Zwischenstellung des Aphorismus erscheint ihm als eine Zwitterstellung, ein ungewünschtes Weder-Noch, wenn er sagt: „Er blieb aphoristisch, er kam weder zu einer Kunstschöpfung noch zu einer größeren wissenschaftlichen That", deren jeweilige Meister unbestreitbar Goethe und Hegel sind. Wenn man in der Tatsache, daß Carriere hier immerhin das Nomen gebraucht, gegenüber Laube einen kleinen Fortschritt in der Entwicklung des Fachbegriffes erkennen möchte, so gilt das nur eingeschränkt für Gottschall, der ja von der Terminologie des referierten Autors selbst ausgeht, wenn er in Schellings „geistvollen Aphorismen ein Ueberwinden systematischer Einseitigkeiten"186 zu erkennen glaubt. Mehr Beweiskraft für das Eindringen des Begriffes in die Literaturwissenschaft ist da Julian Schmidts „Geschichte der französischen Literatur" (1858) zuzugestehen, die gegen die Begrifflichkeit der Autoren selbst von den „Aphorismen" Chamforts wie Jouberts 187 spricht. Ebelings „Geschichte der komischen Literatur seit der Mitte des 18. Jahrhunderts" wiederum läßt beides erkennen: die zögerliche Verwendung des Begriffes wie die negative Beurteilung der darunter gefaßten Literatur samt einer Begründung. Einerseits geht er wie selbstverständlich von einer Gattung „Aphorismus" aus: „Noch weit weniger vermochte vornehmlich im Aphorismus auch nur ein Einziger Lichtenberg die Wage [!] zu halten"188. Andererseits ist deutlich zu sehen, wie stark bei ihm noch das Epigramm als das nachvollziehbar Geformte den geistigen Primat besitzt: „Das Höchste im Epigramm würde bei seiner reichen Laune und seinem über-

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Sehrwald (Hg.): Deutsche Dichter und Denker der vaterländischen Jugend und ihren Freunden ausgewählt und eingeleitet. 1870. König: Deutsche Literaturgeschichte. 6. Aufl. 1879, S. 403. Menzel: Geschichte der deutschen Dichtung. Neue Ausgabe. 3. Bd. 1875, S. 47 Carriere: Börne. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 3. 1876, S. 167 Gottschall: Die deutsche Nationalliteratur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bd. 1. 2. Aufl. 1861, S. 270. Schmidt: Geschichte der französischen Literatur seit der Revolution 1789. 1. Bd. 1858, S. 44 und 179. Ebeling: Geschichte der komischen Literatur seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. I. Abtl., 3. Teil. 1869, S. 545.

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aus fruchtbarem [!] und scharfen Witz Georg Christoph Lichtenberg geleistet haben, wenn er der poetischen Form mehr Werth beigemessen hätte"189. In Verbindung damit hält Ebeling an dem Gedanken einer nötigen ,Einkleidung' paradox weit fest: „Dabei sind seine fruchtbarsten und schärfsten epigrammatischen Gedanken in Prosa eingekleidet"190. Besonders aufschlußreich schließlich ist Loepers Vorwort zur Herausgabe von Goethes „Sprüchen in Prosa" (1870), weil es den Begriff reflektiert. Undogmatisch diskutiert Loeper Beziehungen der „Sprüche" nicht nur zu La Rochefoucauld und Lichtenberg, sondern auch zu Seume und Thümmel191. Wenn er erklärt, daß er den Begriff „in der mehr technischen Bedeutung für die Kunst- und Naturabtheilungen beibehalten"192 habe, so bezieht er sich damit auf Eckermann193. In der Anmerkung dazu heißt es: „In der allgemeinen Bedeutung kommt der Ausdruck vor z. B. bei Thümmel ,Aphorismen' (1827), in der besondern vielfach sowol [!] bei den Alten (Hippokrates' Aphorismen) als bei den Mittleren und Neueren (Baco's Aphorismen, Platner's philosophische Aphorismen (1776) u. A. m."194. Wer nach Ursprung und Bestimmung der Unterscheidung in eine allgemeine und eine besondere Bedeutung sucht, hat es nicht schwer, ist der Bezug auf die Brockhaus-Definition von 1851 doch ziemlich klar, die von einem allgemeinen Sinn den engeren wissenschaftlichen unterschied und auf diese Weise den Weg der Begriffsentwicklung zeigte. Freilich können Loeper aus dem Grund eben dieser Entwicklung heraus bedeutende und frühe Beispiele für die „allgemeine Bedeutung", literarische Aphorismen unter diesem Begriff also, nicht einfallen. Wo es um Marktgespür statt um wissenschaftliche Vorsicht und Genauigkeit geht, ist ein schnelleres und stärkeres Vordringen des „Aphorismus" als eines literarischen Gattungsbegriffes zu beobachten: Anthologien sind deshalb einerseits wichtige Indikatoren für die Verbreitung des Begriffes in seiner „allgemeinen" Bedeutung, andererseits von geringerem Aussagewert, weil ihre Terminologie unscharf ist. Die „Aphorismen aus verschiedenen literarischen und belletristischen Werken" (1849) stellen, ohne Autoren- und Quellenangabe, im Geiste eines, modern gesprochen, ,linken' Christentums und eines aufgeklärten, den 48er Idealen verpflichteten Bürgertums Exzerpte, u. a. aus Börne und

189 Ebd. 2. Teil, S. 53. wo Ebd. 191 Goethes Sprüche in Prosa. Zum ersten Mal erläutert und auf ihre Quellen zurückgeführt von G. v. Loeper. 1870, Vorwort S. 7-11. 192 Ebd. S. 7 i« Vgl. oben S. 87f. 194 Goethe: Sprüche in Prosa. 1870. Vorbemerkung S. 7

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Seume, zusammen, die dem Herausgeber „aus der Seele gesprochen" 195 sind, wie im Vorwort das Verbindende solcher Sammlungen wünschenswert deutlich gemacht wird. Als solche bilden sie eine Brücke von „Aphorismen"-Sammlungen etwa aus Lafontaine (1802) oder Kotzebue (1829) zu den „Aphorismen" als „Goldkörner" und „geistige Waffen" der Gründerjahre und der Jahrhundertwende. Von höherem Gestaltungs- und Erkenntnisanspruch ist die Anthologie, die sich hinter dem Titel „Die Religion des neuen Weltalters. Versuch einer combinatorisch-aphoristischen Grundlegung" (1850) versteckt. Ihr Herausgeber, der streitbare Theologe Georg Friedrich Daumer (1800-1875), erläutert und begründet den Untertitel ausführlich. Angesichts der neuen, das Christentum ersetzenden „Gottes- und Weltanschauung"196, die er anstrebt, müsse das Werk „das Produkt des ganzen Geschlechtes und des sich in ihm manifestirenden universellen Genius" 197 sein. Daraus wiederum ergebe sich notwendig die Darstellungsform: „Näher ist zu sagen, daß dasselbe ein sich durch Auswahl, Sammlung und Gruppirung vieler fragmentarischer Einzelheiten verschiedenen Ursprunges zum Ganzen gestaltendes, eine Art musivischer Arbeit, welche den Totaleindruck eines Gemäldes durch eine gewisse Zusammensetzung kleiner, für sich auseinander fallender Theile zu erreichen strebt - daß es im Grunde nichts weiter, als eine systematisch geordnete und gegliederte Chrestomathie und Anthologie [ . . . ] ist" 198 .

Unter der Prämisse einer „Musiv-Arbeit" (Fähnrich) exzerpiert Daumer seine Lektüre von Pindar bis Auerbach, bevorzugt die deutschen Klassiker, und stellt sie in drei „Büchern" und einem „zweiten eigentlichen Theil" zu fünf Büchern wie „Gott", „Die Natur" oder „Das Weib" und darin in fein systematisierten Kapiteln, auf drei Bände aufgeteilt, zusammen. Von Bedeutung ist ihm nicht der einzelne Mosaikstein seiner „musivischen Arbeit", sondern der „Totaleindruck"; das meint die Doppelform „combinatonsch-aphoristisch", von daher versteht er sich eher als Autor denn als Herausgeber. Eine der zahllosen - auch vom Preis her - populären Reihen, die Joseph Meyer um die Mitte des Jahrhunderts auf den Markt bringt, ist - neben einer „Familien-Bibliothek" und einer „Groschen-Bibliothek" - die 1855/56 herausgegebene „National-Bibliothek der Deutschen Classiker". Mehrfach nimmt sie einen „Aphorismus "-Begriff auf, der aus dem Anfang des Jahrhunderts, aus „Aphorismen" Lafontaines oder Schillers, bekannt ist und eine allein ökonomischen Prinzipien verpflichtete Blüten-

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Grund (Hg.): Aphorismen aus verschiedenen literarischen und belletristischen Werken. 1849, S. III. Daumer (Hg.): Die Religion des neuen Weltalters. 1. Bd. 1850, S. XI. Ebd. S. X . Ebd. S. Vllf.

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lese, einen kondensierten Klassiker, verspricht. Als zweiter Band erscheinen in zwei Teilen „Jean Paul's Aphorismen. Anthologie aus seinen Werken", „Bemerkungen", „Miszellen", „Fragmente" und andere Auszüge, auch ganze Erzählungen wie das „Leben des vergnügten Schulmeisterleins Maria Wuz in Auenthal", verstanden als „Probegaben", die für das Ganze stehen sollen: „Die wenigen Probegaben [...] geben bloß eine reiche Ahnung der überschwenglichen Ausbeute, die das Studium seiner Gesammtwerke [...] untrüglich gewährt" 199 . Der Band 14 enthält neben einem Teil aus Zimmermanns „Uber die Einsamkeit" eine „Anthologie aus den Werken von Friedrich Max von Klinger. Fragmente", die auf dem goldgeprägten Einband als „Klinger's Aphorismen" bezeichnet wird und im wesentlichen einen Auszug aus den „Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegenstände der Welt und der Literatur" enthält. Daß die Börne-Anthologie nach dem Muster seiner „Gesammelten Schriften"200 eine Abteilung „Fragmente und Aphorismen" hat, kann nicht verwundern, aber auch zu Heinse wird „Aphoristisches" gesammelt201, und selbst die Texte, die die Groschenbibliothek in ihrem 346. Bändchen aus dem Werk Rahel Varnhagens zusammenstellt und die Exzerpte („Aus einem Brief" 202 ) wie pointierte Sätze gleichermaßen umfassen („Wer nicht in der Welt wie in einem Tempel umhergeht, der wird in ihr keinen finden" 203 ), firmieren als „Aphorismen". „Pharus am Meere des Lebens", Carl Coutelles äußerst erfolgreiche und populäre „Anthologie für Geist und Herz aus den Werken deutscher und ausländischer Schriftsteller älterer und neuerer Zeit"204 - EbnerEschenbach schickt ihm einige ihrer Aphorismen 205 - , bleibt seinem ursprünglichen Titel treu und kennt von daher den Begriff nicht. Die „Goldkörner. 1000 Sprichwörter, Sentenzen, Sinngedichte und Aphorismen zur Bildung des Geistes und Veredlung des Herzens", 1863 herausgegeben, sind, wie der Titel zweifelsfrei erkennen läßt, „ein Büchlein für Jedermann", das „eine reiche Fülle guter Lehren" 206 verheißt. Thematisch geordnet, dienen sie mit „Mahnung und Warnung", „Glaube und

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Jean Paul: Aphorismen. Anthologie aus seinen Werken. 1855/56, S. l l f . Börne: Gesammelte Schriften. 2. Aufl. Bd. VI. 1840. - Börne: Eine Anthologie. 1855/56. Heinse: Aphoristisches. In: Anthologie aus den Werken von Wilhelm Heinse. 1855/ 56. Rahel. (Meyer's Groschen-Bibliothek. Bd. 346). Ca. 1853, S. 9. - Der Begriff findet sich nicht auf dem Titelblatt, sondern S. 7 als Obertitel zu den inhaltlich bestimmten Kapiteln. Ebd. S. 14. Vgl. dazu Isselstein: Der Text aus meinem beleidigten Herzen. 1993, S. 159f mit Anm. 32 und oben S. 116ff. Coutelle (Hg.): Pharus am Meere des Lebens. 15. Aufl. 1877 (1. Aufl. 1833; 29. Aufl. 1921). Ebner-Eschenbach: Tagebücher IV. 1995 (24. 10. 1890). Wendt (Hg.): Goldkörner. 1863, Vorwort.

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Vertrauen", „Hoffnung und Trost" der Erbauung oder bieten kluge Sätze zu jeder (Rede-)Gelegenheit. Höchsten Wert trotz Verstreutheit und kleinster Masse zu bezeichnen: dieselbe metaphorische Intention haben Knoblochs „Aphorismen" „für die reifere Jugend und ihre Erzieher" 1855, die ihr Untertitel genauer als „Eine Sammlung gewählter Stellen aus den Werken der besten Schriftsteller" bezeichnet, wenn er hier „manches goldene Körnlein" 207 sammelt. Ohne Quellen, nur mit Siglen versehen, gelegentlich auch mit eigenen Texten („Nur hin und wieder wagte ich es [,] meinen eigenen Gedanken der Erfahrung entsprossen - Worte zu verleihen"208): ihre pädagogische Funktion und ethische Intention machen diese „Aphorismen", die die „Veredlung des Herzens" 209 gegen den Geist ausspielen, zu einem Bindeglied zwischen Lafontaine am Anfang und Leixner am Ende des Jahrhunderts. 1864 erscheinen zum ersten Mal Büchmanns „Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes". Die Wahrnehmung der Metaphorik des Goldes, des Schatzes allein genügt, um die Funktion aller solcher Sammlungen zu erkennen, die das Bildungsgut des bürgerlichen Zeitalters abbilden und bilden. Fritz Hoddicks in demselben Verlag 1890 erschienene und mehrfach wieder aufgelegte Sammlung „Weltliche Texte. Aphorismen-Schatz der Welt-Litteratur" mag als Beispiel dafür dienen. Titel und Vorwort geben hinreichend Auskunft über Intention und Funktion solcher „Aphorismen". Als „weltliche Texte" dienen sie wie religiöse Erbauungstexte einer bürgerlichen Bildungsfrömmigkeit. Allein wichtig ist der Gebrauchswert; Sprichwörter, Gedankensplitter, Sekundärzitate, Bibelzitate stehen neben Sinngedichten Logaus, Versen Goethes und den zeitgenössischen Aphorismen Ebner-Eschenbachs und Auerbachs. Sie sind „brauchbar für die verschiedenste Geistesarbeit, für Correspondenz, Schriftstellerei und jedes künstlerische Schaffen"210: Der Bildungsbegriff ist, verglichen mit dem, den eine ähnliche Sammlung wie Knigges „Lebensregeln" hundert Jahre früher offenbart, veräußerlicht. Wo es damals um die literarische Unterstützung bei etwas ging, das man sich als innere Geistes- und Herzensbildung vorstellte, da geht es jetzt darum, im jederzeit passenden Zitat zu dokumentieren, daß ein Bildungsgut beherrscht wird. Das garantiert den Erfolg; die vorgeschobene Begründung („Es wurde der Versuch gemacht, eine aphoristische Entwicklungsgeschichte der Philosophie zu bringen"211) ist leicht als überhöhte Rechtfertigung, als

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Knobloch (Hg.): Aphorismen. 1855, Vorbemerkung S. 1. Ebd. 209 Ebd. S. 2. 210 Hoddick (Hg.): Weltliche Texte. 3. Aufl. 1898, S. VII. 2 » Ebd. 2CS

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ideologischer Überbau eben, zu erkennen. Als Sammelbegriff für ein solch heterogenes, von der Funktion bestimmtes Gemisch aber hat sich Zeichen seiner Literarisierung und Popularisierung in diesen hundert Jahren - der „Aphorismus" durchgesetzt. Die „Geistigen Waffen" Schaibles von 1901, deren Haupttitel diese Funktion zeitgemäß martialisiert, nennen sich im Untertitel „Ein Aphorismen-Lexikon". Das ,Geistesheroische' und den „Schatz", das „Goldene" solcher Worte und die „Lebensweisheit" stellt der entsprechend wortreiche Titel von Theophil Führers Anthologie vom Ende des Jahrhunderts zusammen: „Born der Lebensweisheit. Goldene Worte, Lehren und Sentenzen der Geistesheroen und Denker aller Zeiten und Völker. Für alle Tage und jede Lage. Hausschatz für das geistige und körperliche Leben" 212 . Eine lange Reihe ähnlicher Sammlungen ,goldener Worte' eröffnet sich von hier aus, die im neuen Deutschen Reich besonders beliebt sind, aber bis in unsere Zeit hinein ihren Markt haben213. Ein Werk wie Lipperheides „Spruchwörterbuch" von 1907, alphabetisch geordnet und mit Zitatnachweisen versehen, das in einer Melange von Sinn-, Wahl- und Grabsprüchen, von Epigrammen, Sprichwörtern und Zitaten, Regeln und Redensarten eben auch „Aphorismen"214 versammelt, ragt daraus hervor. In aller Regel aber sind solche Anthologien allein ökonomisch orientiert und stellen zu diesem Zweck (gewöhnlich aus früher erschienenen ähnlichen Werken), wie es noch 1989 im Vorwort einer solchen Anthologie heißt, „Aphorismen, Aussprüche, Bauernregeln, Epigramme, Lebensweisheiten, Redensarten, Redewendungen, Sprichwörter, Sprüche und Zitate" 215 zusammen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, merkbar kurze, hinlänglich kluge, dabei hinreichend schnell eingängige Sätze zu sein. Für das Begriffsverständnis sind sie als reine Marktreflexe in der Regel von sehr bedingtem Wert. Egon Bergs „Das Buch der Bücher", das sich auf „Aphorismen der Welt-Literatur" konzentriert, beansprucht mit Recht gegen „Arbeiten ähnlicher Art" für sich „das wissenschaftlichere Gepräge". „Die eindringlichsten Worte der großen Genien sind hier in ihren Brennpunkten gesammelt. Stoffweise drängt sich das Entfernte und Auseinandergehaltene zusammen" 216 . Einem Herausgeber, der solcherart unter anderem aus der

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214 2,5 216

Führer: Born der Lebensweisheit. 1899. Beispiele: Knortz (Hg.): Das Buch des Lebens. Sprüche für Freie und Unfreie. 1908. Mit apologetischem Goethe-Motto, stellt er sich mit seinem Untertitel in die NietzscheNachfolge. - Ring (Hg.): Lebensweisheit und Menschenkenntnis in Sprüchen. 1871. Hilty (Hg.): Bausteine. Aphorismen und Zitate. 1910. Lipperheide (Hg.): Spruchwörterbuch. 1907, Vorrede. Petersen (Hg.): Berühmte Zitate von Α bis Z. 1989, Vorwort. Berg (Hg.): Das Buch der Bücher. 1873. 7 Aufl. 1901, Vorrede S. Vllf.

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deutschen Literatur Worte von Lichtenberg, Herder, Goethe, Schiller, Jean Paul, Heine oder Grillparzer zu Themen wie Politik, Volk, Kunst oder Wissenschaft zusammenstellt, ist die literarische Bedeutung des Begriffes so selbstverständlich, wie er sie bei seinen Lesern voraussetzen darf. In einem neuen Zusammenhang stehen die „Geistesblitze großer Männer", die Karl Adolf Brodtbeck 1889 „Für freie Denker" gesammelt hat. Sie stellen sich, bei Naumann in Leipzig erschienen und mit einem Zarathustra-Motto versehen, ganz bewußt in eine Nietzsche-Jüngerschaft und sind als Zeugnis mehrfacher Unentschiedenheit bemerkenswert. „Gezaudert habe ich damit, diesen meinen Schatz der Welt zu zeigen"217: Brodtbecks Vorwort reiht sich einerseits in die bildungsbürgerliche Schatzmetaphorik ein und repetiert andererseits in der „Warnung"218 des Untertitels die Rhetorik des Meisters. Er gliedert seinen „Citatenschatz" 219 inhaltlich und stellt zwischen die Kapitel „Religion" und „Das Weib" einen Abschnitt „Aphorismen", der Texte von Lichtenberg, Goethe, Börne und Johannes Scherr sammelt, sich formal in keiner Weise vom Rest unterscheidet, in seinen Themen wie Torheit, Eitelkeit und (Selbst-)Täuschung hingegen deutlich die rein inhaltlich orientierte Bestimmung des Begriffs im älteren Sinne der Menschenkunde einer klassischen Moralistik zu erkennen gibt. Im wesentlichen aber ist Brodtbeck - schon zu diesem frühen Zeitpunkt - auf Nietzsche konzentriert, ohne den keinerlei Aphoristik nach 1880 zu verstehen ist.

II. Friedrich Nietzsche: Prägung des Gattungsbewußtseins Von ungleich größerer Bedeutung (nicht nur) für die Entwicklungsgeschichte des Begriffs als alle vor und mit ihm „Aphorismen" publizierenden Autoren einschließlich Ebner-Eschenbachs ist Nietzsche zunächst deshalb, weil er zum einen, im engeren Sinne und rein empirisch gesehen, den Aphorismus während seiner gesamten Schaffenszeit explizit wie implizit vielfach und in signifikanter Weise reflektiert, weil er zum andern die Schnittstelle zwischen Dichtung und Philosophie darin am genauesten markiert. Dementsprechend ist die überreiche Sekundärliteratur von Riehl 1901220 bis Thönges und Voegelin in der Gegenwart 221 nur selten

217

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Brodtbeck (Hg.): Geistesblitze großer Männer. 1889, S. VI. Ebd. S. VII. Ebd. S. V. Riehl: Friedrich Nietzsche. Der Künstler und der Denker. 189Z Thönges: Das Genie des Herzens. Uber das Verhältnis von aphoristischem Stil und dionysischer Philosophie in Nietzsches Werken. 1993. - Voegelin: Nietzsche und Pascal. In: Nietzsche-Studien 25, 1996, S. 128-171 (Entstanden 1944).

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ohne einen Bezug zur Gattung. Wo dieser im Vordergrund steht, bleibt es aber oft bei der Suche nach Formelementen wie bei Klein 2 2 2 oder bei mehr oder weniger haltlosen „Vergleichen" und reinem Konstatieren wie bei Besser: „Nietzsche ist der Künstler des Aphorismus" 2 2 3 , sofern die Arbeiten nicht überhaupt rein inhaltlich orientiert sind wie Hellers „Studien und Kommentare zu einer Aphorismenreihe" 2 2 4 . Die Grundlage für den Wortgebrauch bieten immer noch Krügers „Studien über den Aphorismus als philosophische F o r m " mit ihrem Kapitel „Der Gebrauch der Bezeichnung ,Aphorismus' bei Nietzsche" 2 2 5 . Wichtig und im Prinzip richtig sind seine beiden diesbezüglichen Grundeinsichten. „ D a ß Nietzsche sich nie in grundlegender Theorie, nie in Form eines ,Systems' darüber äußert, sondern das Wesen des Aphorismus selber wieder durch Aphorismen interpretiert", spreche „für die Konsequenz, aber auch für die Problematik" 2 2 6 seines aphoristischen Denkens. N u n können zwar die Vorworte, die Briefe und ähnliche nicht-aphoristische Belege, die Krüger damit unbeachtet läßt, in der Tat keine Theorie bieten, aber sie stellen dennoch eine wertvolle und nicht zu vernachlässigende Ergänzung insofern dar, als sie aus der Selbstreflexivität herausführen und auf diese Weise erst gesicherte Schlüsse auf Art und Umfang von Nietzsches Begriffsverwendung gestatten. Nietzsche verwende zunächst die Bezeichnung „Sentenz". „In den Schriften nach 1878 erscheint die Bezeichnung ,Sentenz' nur noch selten, dafür taucht aber ,Aphorismus' häufiger auf"227. Man muß dabei von einer weitgehenden Synonymie der Begriffe ausgehen, wie sie Krüger auch sieht, und Greiner etwa ist ihm darin explizit gefolgt: „Nietzsche unterscheidet nicht zwischen ,Sentenz' und ,Aphorismus', verwendet diese Begriffe aber zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenem Vorrang" 2 2 8 . Wo Krüger aber einmal den Versuch zur Differenzierung unternimmt, da bleibt er pauschal und anfechtbar: „Vergleicht man die Zusammenhänge, dann stellt sich heraus, daß Nietzsche ,Aphorismus' und ,aphoristisch' vorwiegend dort verwendet, wo er sich mit der ihn immer stärker bedrängenden Frage befaßt, wie seine Ge-

Klein: Wesen und Bau des deutschen Aphorismus, dargestellt am Aphorismus Nietzsches. In: Germ.-rom. Monatsschrift 22, 1934, S. 358-369. 223 Besser: Die Problematik der aphoristischen Form bei Lichtenberg, Fr. Schlegel, Novalis und Nietzsche. 1935, S. 99. 224 Heller: „Von den ersten und letzten Dingen". Studien und Kommentare zu einer Aphorismenreihe von Friedrich Nietzsche. 1972. 225 Krüger: Studien über den Aphorismus als philosophische Form. 1957, S. 92-108. 2 2 ' Ebd. S. 94. 227 Ebd. S. 98. 228 Greiner: Friedrich Nietzsche. Versuch und Versuchung in seinen Aphorismen. 1972, S. 12, Anm. 5. 222

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danken in eine übersichtliche Ordnung gebracht werden könnten, ohne daß sie in der ,viereckigen Dummheit' eines Systems ihre Wahrheit und Wirkung verlören" 229 . Auch Krügers Einsicht in das zeitliche Nacheinander der Begriffsverwendung ist also in der Tendenz richtig, aber weder vom Belegmaterial her exakt genug noch in der Suche nach einer Begründung zufriedenstellend. Kurz darauflegt er sich genauer fest: „Erst in den achtziger Jahren gebraucht Nietzsche die Bezeichnung,Aphorismus', und zwar in Äußerungen, die sich auf die Problematik seines eigenen Schaffens beziehen" 230 . Bleibt damit einerseits die für Nietzsche schon 1878 selbstverständliche Bezeichnung seiner Texte als „Aphorismen" unberücksichtigt, wie sie einer seiner Briefe an seinen Verleger Schmeitzner belegt, so zeigt andererseits der knappe Erläuterungsversuch Krügers hier in die richtige Richtung. Nietzsche spricht in der Tat in Bezug auf sein eigenes Werk von „Aphorismen", nicht von „Sentenzen", und die zeitliche Abfolge in der Verwendung beider Begriffe mag sich auch dadurch erklären, daß erst einmal, eben ab 1878, ein „Aphorismen"-Werk vorliegen muß, ehe er sich darauf beziehen kann. Krüger kann also die Grundlage für die begriffsgeschichtliche Erörterung bei Nietzsche nicht ohne Einschränkungen bilden. Leistet er einerseits mehr, als in diesem Zusammenhang erforderlich ist, wenn er den Aphorismus als „notwendige Form seines Denkens" 231 zu erweisen sucht, so bleibt er unzureichend schon dadurch, daß er überaus wichtige Belege wie die Reflexion Nietzsches, die Greiner zum Ausgangspunkt wählt: „Es sind Aphorismen! Sind es Aphorismen? [...]" 232 , oder den Brief an Peter Gast von Ende August 1881 mit der scheinbaren Distanzierung: „Nun, Sie lieber Freund, sollen kein solcher Aphorismus-mensch sein"233 nicht berücksichtigt. Die seither erschienene kritische Ausgabe Krüger kennt noch den „Willen zur Macht" - erlaubt es zudem, weniger durch sensationell neue Quellenfunde als durch ihre Anordnung und zeitliche Einordnung, über Krüger hinauszugelangen. Hinzu kommt schließlich die vielfach kritisierte Einseitigkeit seines Vorgehens, die unbefriedigt läßt. Häntzschel-Schlotke formuliert es so: „Grundsätzlicher Einwand gegen Krügers Ausgangspunkt ist die Frage, warum sich denn Denkform und Kunstform so vollständig ausschließen müssen und ob nicht vielmehr der Aphorismus, auf einer bestimmten Stufe seiner Entwicklung, nämlich bei Nietzsche, sich konstituiert als Denk- und als Kunstform in

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Krüger: Studien über den Aphorismus als philosophische Form. 1957, S. 95. Ebd. S. 100. Ebd. S. 105. Nietzsche: Kritische Gesamtausgabe. 1967-97 Bd. V, 1, S. 686 (= KGW V, 1, 686). Nietzsche: Briefwechsel. Kritische Gesamtausgabe. 1975ff. Bd. III, 1, S. 123 (= BKG III, 1, 123).

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der Weise, daß Rationalität und Artistik sich gegenseitig bedingen und in einem labilen und ständig gefährdeten Gleichgewicht sich befinden"234. Unter den älteren Arbeiten bildet die „Vorüberlegung"235 Greiners die wichtigste Ergänzung zu Krüger. Seine Interpretationen gehen in manchem über Krügers Ansätze hinaus236, und die Rezeption, die er zum Ausgangs- und Mittelpunkt seiner Darstellung wählt, ist, schon von der Quellenlage her unstreitig, ein eminent wichtiger Gesichtspunkt, nur daß sein Interesse im weiteren Verlauf theoretischer Art ist und er den Begriff der Rezeption von der Begriffsgeschichte des Aphorismus her zu isoliert, zu wenig empirisch sieht. Weniger durch ihren Beitrag speziell zur Begriffs geschichte als durch ihre Interpretation des Aphorismus bei Nietzsche überhaupt sind aus der Fülle der neueren Sekundärliteratur schließlich hervorzuheben Walter Kaufmanns Nietzsche-Buch, das Nietzsches „Methode" in seinen Aphorismen als existentiellen Experimentalismus analysiert23^ ferner der Beitrag Theo Meyers zu „Kunstauffassung und Lebensbegriff"238 und die philosophisch orientierte Abhandlung Elisabeth Kuhns zu „Friedrich Nietzsches Philosophie des europäischen Nihilismus"239, die beide, von verschiedenen Seiten her und mit unterschiedlichem Ergebnis, das vielfach erörterte Verhältnis von Aphorismus und System bei Nietzsche noch einmal behandeln240. Meyer votiert eindeutig für den Aphorismus und gegen das System. Er will nicht nur eine regelrechte Aphorismuskonzeption erkennen („das artifizielle Organ der Welterhellung und Daseinsbestimmung"241), sondern bei ihm ist „das Aphoristische für Nietzsche nicht nur ein ästhetisches, sondern auch ein existentielles Problem. Nietzsche lebt eine gleichsam

Häntzschel-Schlotke: Der Aphorismus als Stilform bei Nietzsche. 1967, S. 44. Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972, S. 9 - 3 0 . 2 3 6 Man vergleiche etwa Krüger: Studien über den Aphorismus als philosophische Form. 1957; S. 98 und Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972, S. 18 zu „Lob der Sentenz" (Nietzsche: K G W IV, 3, 82). 2 3 7 Kaufmann: Nietzsche. Philosoph - Psychologe - Antichrist. 1982, bes. S. 99-109. - Dagegen Nehamas: Nietzsche. Leben als Literatur. 1991, der den Aphorismus für Nietzsche nicht generell gelten lassen will, sondern stattdessen von einem stilistischen Pluralismus als Interpretationsgrundlage ausgeht. 2 3 8 Theo Meyer: Nietzsche. Kunstauffassung und Lebensbegriff. 1991. 2 3 9 Kuhn: Friedrich Nietzsches Philosophie des europäischen Nihilismus. 1992. 240 Meyer: System und Fragment. In: T. M.: Nietzsche. 1991, S. 171-180; Kuhn: Friedrich Nietzsches Philosophie des europäischen Nihilismus. 1992, S. 71-79, auch S. 79-84. Vgl. Thönges: Das Genie des Herzens. Uber das Verhältnis von aphoristischem Stil und dionysischer Philosophie in Nietzsches Werken. 1993, der in enger Anlehnung an Neumann das Gemeinsame mit den Autoren des Aphorismus um 1800 als die „Poetik des Nietzscheschen Aphorismus" (S. 93-119) (zu) stark akzentuiert. 241 Meyer: Nietzsche. Kunstauffassung und Lebensbegriff. 1991, S. 175. 234

235

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aphoristische Existenz, eine Daseinsform in Bruchstücken und Zuspitzungen"242. Kuhn hingegen synthetisiert System und Aphorismus wie Mitte der dreißiger Jahre schon Jaspers („weder aphoristisch im Sinne der berühmten Aphoristiker [...] noch systematisch im Sinne der philosophischen Systeme"243) und Löwith („ein System in Aphorismen"244). Gleichzeitig denkt sie die Alternative für den Aphorismus bei Nietzsche: künstlerische Darstellungsform oder philosophische Denkweise in spezifischer Form integrativ: „Die antithetische Beziehung zwischen geschlossenem systematischem und offenem hypothetischem Denken manifestiert sich im antithetischen Verhältnis zwischen der aphoristischen Darstellungsform und der aphoristischen Denkweise als Zurückweisung des geschlossenen systematischen zugunsten des offenen hypothetischen Denkens"245. Möglich sei das dadurch, daß der Aphorismus die Begrifflichkeit zugunsten der Metaphorik aufgebe. Kommen Meyer und Kuhn auch zu verschiedenen Ergebnissen, so sind sie sich dennoch in der Grundfrage einig, die die Aphorismus-Forschung zu Nietzsche durchzieht und zu der auch die Begriffsgeschichte eine Teilantwort beisteuern muß. Beide halten die aphoristische Form bei Nietzsche aus inneren Gründen für notwendig246 und schließen sich damit Krüger an, der von der „Einsicht in ihre philosophische Notwendigkeit"247 ausgeht und seinerseits eine ältere Linie - er zitiert Bertrams „seelische Urform" - argumentativ verändert, aber intentionell gleich fortsetzt. Die Gegenposition hat, von Riehl248 und Besser249 bis zu Janz, Verbindungen zwischen Form, Schaffensweise und körperlicher Konstitution hergestellt und von einer durch verschiedene Krankheiten erzwungenen Entscheidung gesprochen: „Nur widerwillig beugt sich Nietzsche dem Zwang zur Kurzform des Aphorismus"250. Noch andere Fragen harren trotz der vielfältigen Bemühungen um Nietzsches Aphoristik der Klärung. Wie ist der Wandel in Nietzsches eigener Terminologie von „Sentenz" zu „Aphorismus" zu werten? Warum

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Ebd. S. 178. Jaspers: Nietzsche. 1936, S. 1. Genauer: „Gegen die Aphoristiker gehalten, ist er ein Ganzes: ein in Gedanken sich mitteilendes philosophisches Leben"; „gegen die Systematiker gehalten ist er nicht zum Erbauer eines logischen Denkganzen geworden" (ebd.). Löwith: Nietzsches Philosophie. Neuausgabe 1956, S. 15. Kuhn: Friedrich Nietzsches Philosophie des europäischen Nihilismus. 1992, S. 83. Vgl. Kuhn: Friedrich Nietzsches Philosophie des europäischen Nihilismus. 1992, S. 82 und Meyer: Nietzsche. Kunstauffassung und Lebensbegriff. 1991, S. 178. Krüger: Studien über den Aphorismus als philosophische Form. 1957, S. 105. Riehl: Nietzsche. Der Künstler und der Denker. 189^ S. 16. Besser: Die Problematik der aphoristischen Form bei Lichtenberg, Fr. Schlegel, Novalis und Nietzsche. 1935, S. 120f. Janz: Nietzsche. Biographie. Bd. 2. 1981, S. 32.

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benutzt er den Begriff regelmäßig, aber nie im Titel oder Untertitel seiner veröffentlichten Werke oder auch nur von Kapiteln daraus ? Hier spricht er ja mit geradezu auffälliger Regelmäßigkeit von „Sprüchen", dem Begriff, den er unter anderem bei Goethe vorfindet; von „Vermischten Meinungen und Sprüchen" im zweiten Band von „Menschliches, Allzumenschliches" 251 1879, von „Geselligen Sprüchen" 2 5 2 in einem Titelentwurf dazu, von „Sinnsprüchen" 2 5 3 1882, von „Sprüchen und Zwischenspielen" 2 5 4 und von „Weibs-Sprüchlein" 255 18 8 6 in „Jenseits von Gut und Böse", von „Sprüchen und Pfeilen" 256 in der „Götzendämmerung" von 1889. Kann man, wie es Donnellan tut, von einer mittleren oder aphoristischen Phase seines Werkes sprechen 25 ^ und welche Auswirkungen hätte das auf den Wert, den man seiner Begrifflichkeit zumißt? U n d schließlich grundsätzlich: Welchen „Aphorismus"-Begriff findet Nietzsche vor? Entwickelt er ihn weiter? In welcher Weise? Die Autoren liefern wichtige Bausteine zur Verwendung des Begriffs bei Nietzsche, für eine gültige Begriffsgeschichte gehen auch Krüger und Greiner zu isoliert vor, Krüger in seiner Einschränkung auf die philosophische Form, Greiner in seiner rein theoretischen Rezeptionsperspektive, die unter begriffsgeschichtlichem Aspekt empirisch erweitert werden muß. Welchen zeitgenössischen Leser von welcher Art „Aphorismus" hat Nietzsche vor Augen? Erfüllt er eine im Werden begriffene Gattung, u m die Rezeption seines Werkes zu fördern? Sehen wir seine Äußerungen als eine Zufallsreihe oder als eine Konzeption, gar eine Gegenkonzeption als Kritik? Nietzsche beschäftigt sich während der gesamten kurzen Schaffenszeit, die auf die Abwendung von der Philologie folgt, auch mit der Form seiner denkerisch-schriftstellerischen Arbeit. Von Beginn an gehen dabei die Lektüre der französischen Moralisten sowie Reflexion und eigene Praxis parallel. Im Sommer 1876 verfolgt er den Plan zu einer fünften „Unzeitgemäßen Betrachtung" unter dem Titel „Die Pflugschar". Es sind indessen Aphorismen, die er Köselitz diktiert und die formal zu der Sammlung „Menschliches, Allzumenschliches" hinüberweisen 258 . In „Ecce H o m o " erinnert er sich so:

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Nietzsche: Werke in drei Bänden. Bd. 1. 1973, S. 745-870 ( = Werke 1, 745-870). Nietzsche: K G W IV, 2, 455. Nietzsche: K G W V, 2, 578. Nietzsche: Werke 2, 625-641. Nietzsche: Werke 2, 700. Nietzsche: Werke 2, 943-949. Donnellan: Nietzsche änd the French Moralists. 1982, S. XI. Nietzsche: K G W VII, 1, 8; vgl. Janz: Nietzsche. Biographie. Bd. 1. 1981, S. 713f.

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„In einem tief in Wäldern verborgnen Ort des Böhmerwalds, Klingenbrunn, trug ich meine Melancholie und Deutschen-Verachtung wie eine Krankheit mit mir herum - und schrieb von Zeit zu Zeit, unter dem Gesamttitel „Die Pflugschar", einen Satz in mein Taschenbuch, lauter harte Psychologika, die sich vielleicht in .Menschliches, Allzumenschliches' noch wiederfinden lassen"259.

Was hier in seinem letzten Druckmanuskript unter der neutralen und nichtssagenden Bezeichnung „Satz" erscheint, das wird in den ersten Jahren, in denen Nietzsche die neue Form erprobt, mit der Bezeichnung „Sentenz" in eine, schon sehr bald kritisch überprüfte, Traditionsreihe mit den französischen Moralisten gebracht, deren Lektüre für den Oktober 1876 bezeugt ist. In den „Nachgelassenen Fragmenten" aus dem Winter 1876/77 finden wir folgende Aufzeichnung: „Eine Sentenz ist ein Glied aus einer Gedankenkette; sie verlange, dass der Leser diese Kette aus eigenen Mitteln wiederherstelle: diess heisst sehr viel verlangen. Eine Sentenz ist eine Anmassung. Oder sie ist eine Vorsicht: wie Heraclit wusste. Eine Sentenz muss, um geniessbar zu sein, erst aufgerührt und mit anderem Stoff (Beispiel, Erfahrungen, Geschichten) versetzt werden. Das verstehen die Meisten nicht und desshalb darf man Bedenkliches unbedenklich in Sentenzen aussprechen" 260 .

Nietzsches erste Reflexion der „Sentenz" genannten Form verbindet zwei Gedanken miteinander: den des Verhältnisses zwischen dem Nur-Gedachten und seiner Niederschrift, den der Verwiesenheit auf die aktive Rezeption des Lesers. Die Ähnlichkeit nicht nur mit Marie von EbnerEschenbachs berühmtem: „Ein Aphorismus ist der letzte Ring einer langen Gedankenkette" 261 , sondern auch mit Goethes „Alles wahre Aper£u kömmt aus einer Folge und bringt Folge. Es ist ein Mittelglied einer großen, produktiv aufsteigenden Kette"262 ist augenfällig; schon Greiner läßt sich einen Vergleich nicht entgehen 263 und stellt unter dem Gesichtspunkt des Denkanreizes Goethe und Nietzsche einerseits, Ebner-Eschenbach andererseits gegenüber. Anders geartete Differenzen entgehen ihm in der Begrenzung auf diese Perspektive freilich. Während für Nietzsche in diesem Teil wie für Ebner-Eschenbach der gedankliche Prozeß im Produzenten bis zu seiner Formulierung und also Fixierung im Mittelpunkt steht (und sich Ebner-Eschenbach darauf beschränkt), läßt Goethe offen, ob seine „Folge" das individuelle Denken oder aber ein zeitenumspannendes geistiges Antworten meint, suggeriert mit dem nachgeschobenen, prä259

Nietzsche: Werke 2, 1120. 260 Nietzsche: KGW IV, 2, 457 „Vermischte Meinungen und Sprüche" Nr. 376 (= Nietzsche: Werke 1, 864): „Ketten-Denker. - Einem, der viel gedacht hat, erscheint jeder neue Gedanke, den er hört dder liest, sofort in Gestalt einer Kette." 261 Vgl. oben S. 173. 262 Goethe: Werke. Berliner Ausgabe. Bd. 18, S. 536 (= Maximen und Reflexionen Nr. 416). 263 Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972, S. 16f.

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zisierenden „Mittelglied" aber doch eher einen weltliterarischen' Rezeptions- und Produktionsprozeß, der, ungebrochen optimistisch gedacht, stetig,aufsteigend' verläuft. Findet der Goethe'sche Aphorismus hier sein Zentrum, so blendet der Nietzsche'sche einen solchen Traditionszusammenhang aphoristischen Denkens aus und akzentuiert sodann die Rekonstruktion durch den Rezipienten. Das geschieht einerseits im Bild des „Aufrührens", das die altbekannten Vorstellungen eines Konzentrates evoziert, andererseits in der bezeichnenden Ambivalenz von „Anmaßung" und „Vorsicht". „Anmaßung": dieses in der Aphorismus-Forschung wohlbekannte Urteil Nietzsches spannt den Bogen über dreizehn Jahre. Stehen am Anfang seiner Beschäftigung mit Form und Gattung wesentliche Einsichten, die in der Definition als „Anmaßung" gipfeln, so steht an ihrem Ende der selbstbezügliche Aphorismus, der seinerseits eine Anmaßung darstellt: „Der Aphorismus, die Sentenz, in denen ich als der Erste unter Deutschen Meister bin, sind die Formen der Ewigkeit" 264 . „Anmaßung" bedeutet nicht nur, daß diese Wiederherstellung' dem Rezipienten viel zutraut und zumutet, sondern auch, sie bestehe darauf, daß hinter dem Einfachen des einzelnen Gliedes das quantitativ und qualitativ Mehrfache der Kette zu finden sei. Beides zusammen erklärt das abschließende Wortspiel, in der Sentenz „Bedenkliches unbedenklich" aussprechen zu können. Eine „Vorsicht" wiederum ist sie, weil sie eben dieses Mehrfache expressis verbis verbirgt und seine Rekonstruktion durch den Leser als dessen Willkür abtun kann. Damit erweisen sich von Anfang an Richtung und Wert, die Nietzsche der produktiven Rezeption seiner Aphorismen zumißt; in fast jeder seiner Äußerungen wird sich das verfolgen lassen. Damit relativiert sich aber auch die Bedeutung, die Nietzsche der Verbindung zu den französischen Moralisten zugesteht, von vorneherein zumindest implizit. Daß er sich schon früh auch terminologisch vereinzelt von ihnen absetzt, ist geeignet, diese Annahme zu stützen. Für seine eigenen Arbeiten benutzt er nämlich schon 1878 den Begriff „Aphorismus", den ihm die französische Tradition bekanntlich nicht vorgibt. Mit Bezug auf den Aphorismus, der dann die Nr. 482 im ersten Band von „Menschliches, Allzumenschliches" bildet, heißt es während der Drucklegung in einem der zahlreichen Briefe an seinen Verleger: „Bitte, als Schluss-aphorism das 8 Hauptstück (Staat) hinzufügen, falls P l a t z da ist 265 . Diesen ersten Band, in dem sich zum ersten Mal seine aphoristische Praxis öffentlich manifestiert, diktiert Nietzsche ab September 1877, er erscheint im Mai des folgenden Jahres. Zwei Jahre zuvor hat der Freund Paul

2M 265

Nietzsche: Werke 2, 1026 = K G W IV, 3, 147 An E. Schmeitzner, 30. 3. 1878 (Briefe 5, 313 = Nietzsche: B K G II, 5, 313).

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Ree seine „Psychologischen Beobachtungen" „Über Bücher und Schriftsteller", „Über Weiber, Liebe und Ehe", „Über Glück und Unglück" und anderes anonym und ohne etwa einen gattungszuweisenden Untertitel erscheinen lassen, Aphorismen, die sich in der Sache, wie schon dieser flüchtige Blick ins Inhaltsverzeichnis erkennen läßt, aber auch stilistisch in die Nachfolge der französischen Moralisten stellen und in dieser terminologischen Tradition mit selbstreflexiven Aphorismen zur „Sentenz" einsetzen. „Sentenzen sind Gedankenextract, den sich jeder nach seinem Geschmack verlängern kann. Eine solche Schreibweise ist zu empfehlen. Zunächst nämlich ist es nicht ganz leicht, in kurzer, prägnanter Weise eine rechte Dummheit zu sagen. Denn hinter wenigen Worten kann sie sich bei weitem nicht so gut verstecken, wie hinter vielen. Außerdem macht der große Umfang der Litteratur eine kurze Ausdrucksweise wünschenswerth" 266 .

Mit dem „Gedankenextract" bleibt Ree zunächst in den üblichen metaphorischen Bahnen, im engeren Sinne gastronomisch wie etwa Börnes „Bouillon" 267 wenn hier ein aktiver Leser, „jeder nach seinem Geschmack", diesen Extrakt „verlängert". Die erste Begründung kann man füglich anzweifeln: „Verstecken" mag man sich „hinter wenigen Worten" nicht so gut können; aber warum man nicht „eine rechte Dummheit" gerade ohne ausführende Abschwächungen und Einschränkungen sollte sagen können, ist nicht recht einzusehen. Und auch die zweite Begründung verfängt nicht. Sollte man dann dem „Umfang der Litteratur" nicht konsequenterweise gar nichts beifügen? „Den Werth einer Sentenz kann ihr Verfasser erst dann beurtheilen, wenn er die concreten Fälle, aus welchen sie abstrahirt worden ist, vergessen hat" 268 . Rees Einsichten in diesem Versuch zu einer „Science positive de la morale en Allemagne"269 bleiben in der Folge so blaß wie seine einleitenden selbstreflexiven Aphorismen: weder gedanklich originell noch stilistisch bemerkenswert. Nietzsche und Ree wohnen und arbeiten aber im Winter 1876/77 in Sorrent gemeinsam; daß Ree auf Nietzsches formale Neuorientierung, zumindest als Mittler und Verstärker, Einfluß nimmt, ist also möglich bis wahrscheinlich. „Die Begegnung mit Rees Aphoristik dürfte ihm den entscheidenden Anstoß gegeben haben, seinerseits diese Sprachform zu gebrauchen", vermutet Görner sogar270. Die Auseinandersetzung mit der

266 Ree: Psychologische Beobachtungen. 1875, S. 3. 267 268 269

270

Vgl. oben S. 112. Ebd. Treiber: Zur Genealogie einer „Science positive de la morale en Allemagne". In: Nietzsche-Studien 22, 1993, S. 165-221. Görner: Der Wille zur Selbstzerstörung. Ree. In: F A Z 2 4 . 1 2 . 1 9 9 4 , Sonntagsbeilage S. 4. Er folgt damit, ohne es zu sagen, der frühen These Lou Andreas-Salomes, der Peter Gast sofort widersprochen hat (Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1974, S. 107 und 132, Gast: S. 124).

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Gattung, die auch „Menschliches, Allzumenschliches" erkennen läßt, ist jetzt, durchweg noch unter dem Begriff der „Sentenz", explizit als Bestimmung des Abstandes zu den Moralisten zu erkennen. Beides gehört in unseren Zusammenhang nur insoweit, als es den auf Nietzsche bezogenen Teil der Begriffsgeschichte des „Aphorismus" in statu nascendi beschreibt. Das zweite Hauptstück „Zur Geschichte der moralischen Empfindungen" geht eben von den Moralisten aus: „Warum liest man nicht einmal die grossen Meister der psychologischen Sentenz mehr?" 271 , um, wohl im ,Wetteifern' nicht ohne Selbstbezug, fortzufahren: „denn selbst der feinste Kopf ist nicht vermögend, die Kunst der Sentenzen-Schleiferei gebührend zu würdigen, wenn er nicht selber zu ihr erzogen ist, in ihr gewetteifert hat". Attestiert er sich hier als ,Wetteiferer' zunächst das Recht zur ,Würdigung', so formuliert er die Distanz wenig später in der Opposition von wissenschaftlicher Erkenntnis und „geistreicher Gefallsucht", wie sie der Gesellschaft, aus der die Moralisten heraus schreiben, eigen gewesen sei: „Fast unlösbar hat sich der Duft jener alten Heimath der moralistischen Sentenz - ein sehr verführerischer Duft - der ganzen Gattung angehängt"272. Pointierter als Donnellan, der die Anlehnung zwar „by no means uncritical"273 nennt und Unterschiede heraushebt, aber ebenso eine „stylistic purification"274 auch durch die Beschäftigung mit den Moralisten verursacht sieht, bezeichnet Göttert diese Distanz, die viel mehr als eine Umkehrung ist: „Die Kehrtwendung, die Nietzsche vornimmt, liegt in der Distanzierung von jeder Begründbarkeit"275. In einer selbstbestimmten Nachfolge der Moralisten mag sich Nietzsche auch sehen, wenn er konstatiert, „daß unsere Zeit arm ist an großen Moralisten"276. Als ihre (seine?) Aufgabe nämlich sieht er es an, daß sie sich nicht wie die Gelehrten „in einen einzelnen Winkel der Wissenschaft bannen" lassen, weil sie nämlich die ganz andere und höhere Aufgabe haben, „von einem einsam gelegenen Standorte aus den ganzen Heerbann der wissenschaftlichen und gelehrten Menschen zu befehligen und ihnen die Wege und Ziele der Cultur zu zeigen"277 In diesem Zusammenhang stehen die allgemeinen Erörterungen zur besonderen Funktion der Kürze, die 1878 in Texten kulminieren, die

271 Nietzsche: Werke 1, 475 ( = K G W IV, 2, 56 [Nr. 35]); vgl. K G W IV, 2, 546. 2 7 2 Nietzsche: Werke 1, 478 ( = K G W IV, 2, 58 [Nr. 37]). 2 7 3 Donnellan: Nietzsche and the French Moralists. 1982, S. 131. 27 " Ebd. S. 126. 2 7 5 Göttert: Kunst der Sentenzen-Schleiferei. In: Dt. Vierteljahrsschrift 67,1993, S. 723. 276 Nietzsche: Werke 1, 619 ( = K G W IV, 2, 235 [Nr. 282]). Vgl. auch Nietzsche: Werke 1, 884 und 905. 2 7 7 Ebd.

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Nietzsche terminologisch offen „Vermischte Meinungen und Sprüche" nennt und im März des folgenden Jahres als die erste Abteilung des zweiten Bandes von „Menschliches, Allzumenschliches" veröffentlicht. Neben dem Begriff „Sprüche" verwendet Nietzsche hier die „Meinung" in einem Sinne, den er in der zweiten Abteilung mit einem zunächst verblüffenden Vergleich erläutert: „Meinungen und Fische. - Man ist Besitzer seiner Meinungen, wie man Besitzer von Fischen ist, insofern man nämlich Besitzer eines Fischteiches ist. Man muss fischen gehen und Glück haben, - dann hat man seine Fische, seine Meinungen. Ich rede hier von lebendigen Meinungen, von lebendigen Fischen. Andere sind zufrieden, wenn sie ein Fossilienkabinett besitzen - und in ihrem Kopfe ,Überzeugungen"' 278 .

„Meinung" wird damit verstanden als ein durch Anstrengung und Glück jeweils zu aktualisierender potentieller Besitz, ,flüssig' und veränderbar, dabei aber, im Gegensatz zur toten Uberzeugung, lebendig. Damit kommt in diesem Begriff einerseits statt des ein für alle Mal beliebigen und festen Verfügens etwas Geschenktes zur eigenen Leistung hinzu, Verdienst und Unverdientes, andererseits kündigt sich darin die Parteinahme der impressionistisch orientierten Wissenschaft für Leben und Erlebnis auf Kosten des toten Systems an. Die Erörterungen verstehen sich als Beiträge zu einem in Gedanken geführten Disput; die Titel bezeichnen Gegnerschaft und Stoßrichtung (im zweiten Fall in der Form einer paradoxen Pointe von absoluter Wirkung): „Gegen die Tadler der Kürze. - Etwas Kurz-Gesagtes kann die Frucht und Ernte von vielem Lang-Gedachten sein: aber der Leser, der auf diesem Felde Neuling ist und hier noch gar nicht nachgedacht hat, sieht in allem Kurz-Gesagten etwas Embryonisches, nicht ohne einen tadelnden Wink an den Autor, dass er dergleichen Unausgewachsenes, Ungereiftes ihm zur Mahlzeit mit auf den Tisch setze" 279 . „Gegen die Kurzsichtigen. - Meint ihr denn, es müsse Stückwerk sein, weil man es euch in Stücken giebt (und geben muss)?" 2 8 0

Wieder werden der - durch den Weg vom Denken zum Schreiben möglicherweise paradoxe - Entstehungsprozeß eines Aphorismus und sein Angewiesensein auf den Leser reflektiert. Gegen ein doppeltes Mißverständnis wendet sich der Autor dabei: Nicht nur, daß die Leser fälschlicherweise als „kurzsichtige" Neulinge nur die Kürze der sprachlichen Ausformung sehen, sie verstehen auch das Verhältnis der „Stücke" mit- und zueinander nicht, die sehr wohl ein Ganzes bilden, sehen die Relation von solchen Stücken zu einem andersgearteten Ganzen einschichtig als konträr, unter-

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Nietzsche: Werke 1, 999 ( = K G W IV, 3, 331 [Nr. 317]). - Zum Bild des Fischens vgl. oben S. 62f. zu Lichtenberg. Nietzsche: Werke 1, 786f ( = K G W IV, 3, 68 [Nr. 127]). Nietzsche: Werke 1, 787 ( = K G W IV, 3, 68 ([Nr. 128]).

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scheiden mithin nicht zwischen solchen „Stücken" und einem bloßen „Stückwerk". Das Apologetische im zweiten Aphorismus wird durch das in Klammern Angefügte („und geben muss") noch verstärkt. Es formuliert einen unbedingten Anspruch; dabei bleibt offen, woraus er erwächst. Ist er autor- oder rezipientenbezogen oder etwa aus den jeweiligen Themen zu erklären? „Muss" Nietzsche in Stücken geben, weil es die Sache verlangt, weil er nur so die selbständig rekonstruierenden und konstruierenden Prozesse im idealen Leser in Gang setzen kann, oder „muss" er es, weil er in dieser Ambivalenz von Fertig-Ganzem und Stück für sich die einzig mögliche, weil konsequente und konsequent paradoxe Form findet?281 Welchen Aspekt auch immer man betonen mag, das Verhältnis von System und Aphorismus ist in jedem Falle berührt. Eine einsinnige, eindeutig Partei nehmende Interpretation ist auf dem Hintergrund von Nietzsches eigenen Darlegungen dabei kaum denkbar282. Sie scheint vielmehr schon von hier aus im Sinne von Löwith und Kuhn nur als eine paradox-synthetische möglich zu sein. So führt auch für Göttert Nietzsches Weg von der Umkehr der moralistischen Tradition zu Paradoxie und Spiel283. Die Reflexionen zur Kürze, zum Stück, zum Unvollständigen setzen aber nicht erst 1878 ein. Im ersten Band von „Menschliches, Allzumenschliches" denkt Nietzsche über „Das Unvollständige als das Wirksame" nach. Er zieht „die reliefartig unvollständige Darstellung" der „erschöpfenden Ausführung" vor, und das mit folgender Begründung: „Man überlässt der Arbeit des Beschauers mehr, er wird aufgeregt, das, was in so starkem Licht und Dunkel vor ihm sich abhebt, fortzubilden, zu Ende zu denken und jenes Hemmniss selber zu überwinden, welches ihrem völligen Heraustreten bis dahin hinderlich war" 284 .

Das aber gliedert sich nahtlos in eine argumentative Tradition zum Aphorismus seit dem 18. Jahrhundert ein, wie sie etwa im Brockhaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts gebündelt erscheint. Andererseits weist es in seiner metaphorisch ambivalent als „so starkes Licht und Dunkel" wiedergegebenen Einsicht in die Besonderheit der Gattung schon auf Kraus' 281

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283 284

Daß hier nicht mehr als ein Hinweis auf äußere, in der Konstitution des Autors begründete Zwänge versteckt sein könnte, wie sie Janz beschreibt, scheint mir ausgeschlossen. Jaspers' mittlere Position, der im Augenleiden „einen mitwirkenden, wenn auch nicht entscheidenden Grund" (Jaspers: Nietzsche. 1936, S. 87) sieht, aber daran festhält: „Nietzsche hat den Aphorismus bewußt zur Form gewählt" (ebd. S. 353), scheint mir immer noch zutreffender. Ähnlich auch Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972, S. 23, der von hierher auch auf den Begriff „Hauptstück" eingeht. Nur sollte man nicht von einem „verräterischen", sondern von einem notwendigen und zentral aufschlußreichen Nachsatz sprechen. Göttert: Kunst der Sentenzen-Schleiferei. In: Dt. Vierteljahrsschrift 67, 1993, S. 725. Nietzsche: Werke 1, 562 (= KGW IV, 2, 164 [Nr. 178]).

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selbstreflexiven Aphorismus als „eine halbe Wahrheit oder anderthalb" 285 voraus. Und schon bevor Nietzsche Aphorismen schreibt, reflektiert er den scheinbaren oder tatsächlichen Zusammenhang, den „Stücke" bilden. In der ersten „Unzeitgemäßen Betrachtung" stellt er 1873 die rhetorische Frage, „ob Strauß die künstlerische Kraft hat, ein Ganzes hinzusetzen" 286 , und spricht in diesem Zusammenhang, anstelle einer Erörterung ein großes Bild entwickelnd, von dem „Gebäude", der Architektur eines Buches. „Das Gegentheil hiervon ist bekanntlich, ein Buch aus Stücken zusammenzusetzen, wie dies die Art der Gelehrten ist. Sie vertrauen darauf, dass diese Stücke einen Zusammenhang unter sich haben / und verwechseln hierbei den logischen Zusammenhang und den künstlerischen"28?

Schon hier läßt Nietzsche für seine Person die Figur des klassischen Gelehrten hinter sich, der nicht anders als in logisch-diskursiven Zusammenhängen denkt; schon 1873 erhebt er theoretisch den Anspruch auf einen künstlenschen Zusammenhang von „Stücken", den er mit dem späteren Aphorismenwerk einlöst. Der Reflexionsknotenpunkt in den „Vermischten Meinungen und Sprüchen" bleibt als Begriff der in Rede stehenden literarischen Form noch bei „Sentenz": „Lob der Sentenz. - Eine gute Sentenz ist zu hart für den Zahn der Zeit und wird von allen Jahrtausenden nicht aufgezehrt, obwohl sie jeder Zeit zur Nahrung dient: dadurch ist sie das grosse Paradoxon in der Litteratur, das Unvergängliche inmitten des Wechselnden, die Speise, welche immer geschätzt bleibt, wie das Salz, und niemals, wie selbst dieses, dumm wird" 288 .

Die Verschärfung ins Paradoxe ist es, durch die sich Nietzsche die Form und einstweilen auch den aus der französischen Tradition erwachsenden Begriff dafür zu eigen macht. Später wird er sie als eine spezifische Diskrepanz von Form und Inhalt beschreiben: „Der Glaube in der Form, der Unglaube im Inhalt - das macht den Reiz der Sentenz aus - also eine moralische Paradoxie" 289 . Die dergestalt charakterisierte Dauerhaftigkeit, das Zentrum des Aphorismus, wird abgeleitet aus dem Gedanken der Härte, der in einer reichen begriffsgeschichtlichen Tradition steht; im Starken, Kemhaften ist er von Beginn an konnotiert. Verbunden ist sie mit der Metaphorik des Essens, die den Umkreis von Nietzsches Gedanken an dieser Stelle überhaupt bestimmt („Topfguckerei", Nr. 129, „Mahlzeit", Nr. 127,

285 286 287 288 289

Vgl. unten Nietzsche: Ebd. Nietzsche: Nietzsche:

S. 290. Werke 1, 180 (= KGW III, 1, 205f). Werke 1, 798 (= KGW IV, 3, 82 [Nr. 168]). KGW VII, 1, 68.

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„gewürzte Halb Wahrheiten", Nr. 165). Der Vergleich mit dem „Salz" - als dem „esprit" der Franzosen, wie er an anderer Stelle verdeutlicht290 - , läßt zunächst den Bibelleser Nietzsche erkennen (Mt 5,13; Mk 9,50). Für Greiner stellt sich von hier aus eine Verbindung zu Bacon her, der seine Essays gleichfalls als Salzkörner bezeichne: „Vor allem in ihrer Vermittlung durch Lichtenberg läßt sich eine Wirkung Bacons als eines Vertreters und bedeutsamen Theoretikers der aphoristischen Mitteilungsweise [...] auch bei Nietzsche noch erkennen. Obwohl Bacon einen weiteren Begriff von,Aphorismus' zugrunde legt, als dies Nietzsche [...] intendiert, eröffnet sich ein Zusammenhang zwischen beiden etwa in jener Gegenüberstellung von ,Aphorismus' und ,System'" 291 . Der Hinweis auf eine zeitumspannende Gemeinsamkeit trifft das Richtige, mag er hier auch noch auf zu schwachem Fundament stehen. Man könnte ergänzen, daß die Vorstellung von der Härte der Sentenz in Bacons „Mark" ihren frühen Vorläufer hat; wichtiger ist, daß Nietzsche durch die Hinwendung zum „Aphorismus"-Begriff in den folgenden Jahren den Zusammenhang selbst gewissermaßen terminologisch beglaubigt. Zunächst aber bleibt es überwiegend noch bei der „Sentenz". Im Zusammenhang der Kürze-Diskussion steht gleichfalls die Nr. 129 „Sentenzen-Leser", die mögliche Mißverständnisse aus Nr. 127 „Gegen die Tadler der Kürze" ausräumt; das Entscheidende dabei ist, daß hier auf der Grundlage von Nietzsches eigenen Leseerfahrungen die „Unarten des Lesers" (Nr. 130), besonders der „Neulinge" (Nr. 127), der „Unerfahrnen" (Nr. 165), hinsichtlich der „Sentenz" genannten Gattung bedacht werden. Wo er hingegen prononciert von seinem eigenen Werk spricht, benutzt er wie in dem bereits zitierten Brief an Schmeitzner gleichzeitig schon den Begriff des „Aphorismus", so in den „Nachgelassenen Fragmenten" vom Sommer 1878: „Uber die Ursachen der Dichtkunst. Vorurtheile über die Dichter. Aphorismen" 292 und etwas später in den „Aphorismen über die Affecte" 293 . (Und er weiß sich darin mit seinem Freundes- und Bekanntenkreis einig. In Cosima Wagners Tagebüchern heißt es unter dem 19. 2. 1878: „Abends Lichtenberg mit vieler vieler Freude wiederum vorgenommen. Die Aphorismen über Philosophie und Religion herrlich; er ist ein wirklicher Vorgänger Schopenhauer's" 294 . Karl Hillebrand, der Verfasser des vielbändigen Werkes „Zeiten, Völker und Menschen",

290 291 292 293 294

Nietzsche: Werke 2, 1102 ( = K G W VI, 3, 300 [Ecce H o m o 4, 2]). Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972, S. 18f. Nietzsche: K G W IV, 3, 380ff. Nietzsche: K G W V, 1, 753. C. Wagner: Tagebücher. Band Π. 1977 S. 47 Vgl. dazu Achenbach: „Richard liest immer in Lichtenberg". Aus den Tagebüchern Cosima Wagners. In: Lichtenberg-Jb. 1995, S. 281-283.

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meldet unter dem 23. April 1879: „Ihren Anhang zu den Aphorismen [...] gelesen" 295 . Elisabeth Nietzsche schreibt 1882 im Zusammenhang ihres Kampfes gegen Lou Salome: „Es wird ihm schon zum Vorwurf gemacht [,] daß er in seinen Aphorismen alles so oberflächlich streift" 296 . Und der Freund Overbeck spricht wie selbstverständlich von „Deinen Aphorismen" 29 ?) Aber auch im veröffentlichten Werk zeigt sich der Wandel. Im Dezember 1879 erscheint als zweite Abteilung des zweiten Bandes von „Menschliches, Allzumenschliches" „Der Wanderer und sein Schatten", dessen Aphorismen im Juli und August im Engadin beim Wandern und Nachdenken entstanden sind; im ersten Halbjahr des folgenden Jahres werden die Aphorismen der „Morgenröte" notiert und diktiert, die im Juli 1880 erscheinen. Im Umkreis beider Werke bezeugt sich Nietzsches neuerliche Auseinandersetzung mit der Gattung, jetzt aber (endgültig) unter dem Begriff „Aphorismus": „Der Schatz der deutschen Prosa. - Wenn man von Goethe's Schriften absieht und namentlich von Goethe's Unterhaltungen mit Eckermann, dem besten deutschen Buche, das es giebt: was bleibt eigentlich von der deutschen Prosa-Litteratur übrig, das es verdiente, wieder und wieder gelesen zu werden? Lichtenberg's Aphorismen, das erste Buch von Jung-Stilling's Lebensgeschichte, Adalbert Stifter's Nachsommer und Gottfried Keller's Leute von Seldwyla, - und damit wird es einstweilen am Ende sein" 298 .

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BKG II; 6, 2; 1101. An Clara Geizer, 24. 9. - 2. 10.1882. In: Friedrich Nietzsche, Paul Ree, Lou von Salome. Die Dokumente ihrer Begegnung. 1970, S. 258. Overbeck an Nietzsche, z.B. am 15. 4. 1883 („ein Leser Deiner Aphorismen", BKG III, 2, 366) oder am 25. 3. 1883 („Dass es Dir mit den Aphorismen so wenig glückt", BKG III, 2, 365), auch an seine Frau („habe weniger an seinen Aphorismen auszusetzen", 1886; Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1.1974, S. 57). In einem Aufsatz „Uber unsere Persönlichkeit" kommt Overbeck vom Individuum und seiner Uberschätzung her zu einer im ganzen skeptischen Beurteilung des Aphorismus: „Nietzsche's Aphorismus ist in seiner Hand doch auch ein Werkzeug seines maßlosen Individualismus. Wer aphoristisch schreibt, muß mindestens der Ungeheuerlichkeit seiner Anmaßlichkeit bewußt sein, so gut wie Nietzsche es wird gewesen sein" (Overbeck: Christentum und Kultur. 1919, S. 282). Der Aphorismus habe „wohl etwas erwecklich Ueberzeugendes, aber zu leicht wirkt er auch zu stark und erschreckt im Erwecken" (ebd. S. 283). Overbeck spricht von dem „angeborenen Gebrechen [,] mit dem das der Begründung Ermangelnde, wenn auch meteorartig aufblitzend, in die Welt getreten ist", und schließt: „Auch stellt sich im Aphorismus das Individuum mehr auf seine Kraft, als ihm nun einmal für all sein Wirken in der Welt beschieden ist" (ebd.). Löwith resümiert: „Das Verführerische in Nietzsches aphoristischer Produktion hat niemand klarer als sein Freund Overbeck erkannt" (Löwith: Nietzsches Philosophie. Neuausgabe. 1956, S. 24; vgl. Schalk: Das Wesen des französischen Aphorismus. In: Die Neueren Sprachen 41, 1933, S. 429, Anm. 3). Nietzsche: Werke 1, 921f (=KGW IV, 3,237 [Nr. 109]). Zu Nietzsches Lichtenberg-Rezeption jetzt: Stingelin: „Unsere ganze Philosophie ist Berichtigung des Sprachgebrauchs". 1996, der Nietzsches sämtliche „Lesespuren" in dessen Lichtenberg-Ausgabe dokumentiert.

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Für die Höchstschätzung, die Nietzsche Lichtenberg zeitlebens entgegenbringt - hier als einem von gerade fünf deutschen Autoren, die er gelten läßt und aus der heraus man gewisse gleichartige Strukturen in beider Aphoristik zu erkennen glaubte299, sind wir nicht auf diesen vielzitierten Aphorismus von 1879 angewiesen. Schon in einem Brief an den Jugendfreund Gersdorff vom 6. April 1867 bezeichnet er Lichtenberg als „Auktorität"300. In „Der Wanderer und sein Schatten" freilich - und das allein ist in unserem Zusammenhang aussagekräftig - wird dieser mit dem Begriff „Aphorismus" verbunden. Das überaus positiv konnotierte Nomen für den Begründer spiegelt Nietzsches ureigenen Willen nicht nur zu einer deutschen Begriffsbildung, sondern auch zur Bildung einer Gattung wider, in die er sich einreihen kann. In der Literaturwissenschaft seiner Zeit findet er dazu ja alles andere als eine Hilfe. Sie wird in diesem Ausschnitt am ehesten repräsentiert durch Bobertags Edition, die den Begriff nicht auch nur erwägt, und durch Hettners schlichte Ignorierung der „Sudelbücher", wie sie (im Gefolge) zahlreiche kleinere Literaturgeschichten gleichfalls erkennen lassen301. In einen ganz anderen Zusammenhang reiht sich Nietzsche damit ohne sein Wissen ein: Schriftsteller wie Rahel Varnhagen, Feuchtersieben und Hebbel gehen ihm (und erst recht der Literaturwissenschaft ihrer und auch noch seiner Zeit) in dieser Begriffsbildung voraus, die die literaturwissenschaftliche Terminologie des 20. Jahrhunderts antizipiert. (Nicht von ungefähr läßt sich deshalb im übrigen auch keinerlei Verbindung zum „Aphorismus"-Begriff Schopenhauers herstellen, wie man das bei „Schopenhauer als Erzieher" mit einigem Recht erwarten könnte. In der dritten „Unzeitgemäßen" ist lediglich des öfteren und im allgemeinen Sinne von „Maximen" die Rede. An Schopenhauers Begriff, der seinerseits einen anachronistisch werdenden Endpunkt bezeichnet, läßt sich, so scheint Nietzsche zu spüren, nicht anknüpfen. Meyer ist tendenziell zuzustimmen, wenn er feststellt, Nietzsche gehe „weit über Schopenhauers Aphorismus-Konzeption hinaus"302, und auf methodisch anderen Wegen zu dem Ergebnis kommt: „Im Unterschied zu Schopenhauer, bei dem der Aphorismus eine Anleitung zur praktischen Lebensbewältigung und zur inneren Seelenruhe ist, ist er bei Nietzsche das artifizielle Organ der Welterhellung und Daseinsbestimmung"303.)

2W

Vgl. Greiner: Nietzsche. 1972, S.19f. BKG I, 2, 209. - Vgl. Sommer: Overbeck und Lichtenberg. In: Lichtenberg-Jahrbuch 1992, S. 162-168. - Einen „Parallelismus" zu der damals verbreitetsten Lichtenberg-Ausgabe vermutet Meyer: Nietzsche. 1913, S. 313 auch für die Disposition der „Vermischten Meinungen und Sprüche". 3 °> Vgl. oben S. 173ff. 302 Theo Meyer: Nietzsche. 1991, S. 175. 303 Ebd. 300

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Begriffsgeschichtlich dennoch von größerer Bedeutung ist Nietzsches Bemerkung aus den „Nachgelasssenen Fragmenten" von Ende 1880: „Es sind Aphorismen! Sind es Aphorismen? Mögen die welche mir daraus einen Vorwurf machen, ein wenig nachdenken und dann sich vor sich selber entschuldigen - ich brauche kein Wort für mich" 304 . Sie bezeugt eine intensive Auseinandersetzung mit Form, Begriff, Gattung. Nicht nur ist das „Kurz-Gesagte" hier ersichtlich „Frucht und Ernte von vielem LangGedachten", die skeptische Frage geht auch logisch der wie trotzigen Antwort vorauf, so daß das endlich Kurz-Gesagte im Verhältnis zum Gedankengang gleichsam im Krebsgang notiert scheint. Jedenfalls ist die Reihenfolge eines der Probleme an diesem in der Tat „nicht leicht zugänglichen Wechselspiel von Behauptung und Frage" 305 . Donnellan greift dabei entschieden zu kurz, wenn er als Kommentar dazu vom „personal imprint" Nietzsches spricht, „which is more relevant than pedantic criteria of classification"306. Aber auch Greiner, dessen Buch hier seinen Ausgangspunkt hat, vermag nicht zufriedenzustellen. Er hört „eine Forderung Nietzsches nach einer Umwertung seines Aphorismen-Werkes"307 heraus und stützt diese Deutung durch einen Blick auf den „Erwartungshorizont der Leser, den Nietzsches Schriften ursprünglich antreffen konnten" 308 . Das ist gewiß der richtige Ansatz, Nietzsches Reflexion nachzuvollziehen, aber Greiners Ergebnis: „In Aphorismen zu reden, galt Nietzsches Zeitgenossen als Symptom des Unernstes, der Unverbindlichkeit und des Literatenhaften"309 stützt sich lediglich auf ein anekdotisches Zeugnis von Rudolf Bindings Vater, der Professor in Basel war und, zum Ansehen seines späterhin berühmten Kollegen befragt, bemerkt habe: „Aber einer [,] der eigentlich nur in Aphorismen redete - ? so was galt damals nichts rechtes ~"310. Der „Vorwurf", den man Nietzsche macht, ist damit noch nicht wirklich begründet, der „Erwartungshorizont" nicht beschrieben, vor dem der Autor begriffssicher-skeptisch sein eigenes Werk sieht. Umrisse genügen hier; dieser Horizont ist ja nichts anderes als die Gesamtheit dessen, was zwischen Hebbel und Nietzsche in Literatur, Anthologie und Edition an „Aphorismen" zu beobachten war. Die biedere Anweisungen erteilenden „Aphorismen" Josef Ehrlichs aus dem Kreis der Wiener Nietzsche-Verehrer von 1876 oder die katholischen „Aphoris-

304 K G W V, 1, 686. 3 0 5 Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972, S. 9. 306 Donnellan: Nietzsche and the French Moralists. 1982, S. 155. 5 0 7 Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972, S. 9. 3C8 Ebd. 3 0 9 Ebd. 310 Binding: Erlebtes Leben. 1928, S. 12.

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men" Adolph Holls (1877/1881) und Johannes Linkes (1876) gehören ebenso dazu wie die blassen selbstbezüglichen „Aphorismen" Berthold Auerbachs von 1879. Die teils zaghaft konservative, teils abschätzige Haltung der Literaturwissenschaftler beschreibt einen Teil des herrschenden zeitgenössischen Begriffsverständnisses, einen anderen komplementär dazu bezeichnen die „Goldkörner"-Anthologien für jedermann. Der äußerst sprachbewußte Autor besetzt mit dieser Notiz vor einem Horizont von Trivialität und Unterschätzung einen Begriff, gerade so, wie man diesen Vorgang aus dem politischen Sprachkampf kennt; er spricht ihn den andern damit ab und reklamiert ihn in der Lichtenberg-Nachfolge für sich, zum ersten Mal und noch zögerlich und mit einer Reserve: „Ich brauche kein Wort für mich", in der Folge aber zunehmend selbst- und begriffssicherer. In einem gewissen Zusammenhang damit steht Greiners Interpretation, die hier auch die Unterscheidung zwischen einem sehr weiten, geläufigen und einem engen, präzisen Aphorismus-Begriff erkennen will: „Die Frage ,Sind es Aphorismen?' ließe sich damit auch als Forderung nach einem engen Formbegriff von »Aphorismus' deuten, als dessen fragenden Vor-wurf, den Nietzsche selbst hier nicht einlöst, den einzulösen vielmehr dem Leser aufgegeben wird, was selbst wiederum aphoristische Praxis bezeichnet und so erneut den aphoristischen Charakter dieser Aufzeichnung zu erkennen gibt"311. Keine Ausnahme in diesem Prozeß, kein „Gefühl der Insuffizienz Nietzsches gegenüber seiner aphoristischen Schreibweise"312, wie Meyer meint, bezeichnet, recht besehen, auch der Brief an Heinrich Köselitz (Peter Gast) von Ende August 1881. Der Verleger Schmeitzner schreibe, so Nietzsche, seine Leser wollten keine Aphorismen mehr von ihm lesen. Und weiter: „Nun, Sie, lieber Freund, sollen kein solcher Aphorismus-mensch sein, Ihr Ziel geht in's Höhere, Sie haben nicht nur, wie ich, den Zusammenhang und das Bedürfnis des Zusammenhanges ahnen zu lassen - Ihre Aufgabe ist es, in Ihrer Kunst die höheren Stilgesetze wieder offenbar zu machen [...], Ihre Kunst wieder einmal fertig zu zeigen" 313 .

Zunächst einmal zeigt sich doch in der Formulierung „Aphorismusmensch" die totale Identifikation Nietzsches mit der Gattung, wie es ja im folgenden wieder, in der Negation zwar, um ein Müssen geht, das ihm keine Wahl läßt, als „den Zusammenhang und das Bedürfniss des Zusammenhangs ahnen zu lassen". Und wo es heißt, des Adressaten Ziel gehe vergleichsweise „in's Höhere", er lasse mehr als ahnen, mache etwas of-

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Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972, S. 11. Meyer: Nietzsche. 1991, S. 178. Werke 3, 1174 ( = B K G III, 1, 123).

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fenbar und zeige es fertig, da liegt der Akzent auf „Ihrer Kunst"; Musik und schriftstellerische Kunst werden einander gegenübergestellt. Wie absolut hoch Nietzsche die Musik und wie schwer verständlich hoch er auch den Komponisten Köselitz schätzt, ist ja zur Genüge bekannt. Die Sammlung „Die fröhliche Wissenschaft", die als Fortsetzung der „Morgenröte" zu Anfang 1882 entsteht und im August erscheint, bezeichnet zweifellos den Abschluß des Höhepunktes in der aphoristischen Produktion Nietzsches. Von einer mittleren oder aphoristischen Periode zu sprechen, wie Donnellan es tut314, das sollte nicht implizieren, er habe sie überwunden oder überstiegen, denn aufgegeben hat er den Aphorismus nie315. Zur Zeit des „Zarathustra" tritt er allenfalls etwas zurück. Aus dem Frühjahr/Sommer 1882 datieren „Sinnsprüche"316, Nietzsche verfaßt im gleichen Jahre gemeinsam mit Lou Salome Aphorismen31^ er hat eine Spruchsammlung „Pfeile" im Sinn318. 1883 stellt er zwei Sammlungen von „Sprüchen" zusammen, die erste, aus ungedrucktem Material und aus umgeformten „Zarathustra"-Texten, dient später als Ausgangspunkt für „Jenseits von Gut und Böse", die zweite, „Böse Weisheit. Sprüche und Sprüchwörtliches", bildet 1897 den Titel einer nachgelassenen Aphorismensammlung 319 , wird also von den Lesern um die Jahrhundertwende entsprechend rezipiert. Aus den letzten Jahren sind zumindest hinzuzurechnen die Aphorismen der „Sprüche und Zwischenspiele" aus „Jenseits von Gut und Böse" von 1886 und die „Sprüche und Pfeile" aus der „Götzendämmerung" von 1889, von denen einer bei den gläubigen Systematikern ,moralisch' ins Schwarze zu treffen sucht: „Ich misstraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit"320. Unterdessen gewinnt er Sicherheit und Selbstverständlichkeit in der Anwendung des Begriffes „Aphorismus" auf sein eigenes Werk, so wenn er in einem Brief an Overbeck 1883 vom „Zarathustra" in Abhebung von seinen früheren Arbeiten sagt: „Es ist eine Dichtung und keine Aphoris-

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318 319

Donnellan: Nietzsche and the French Moralists. 1982, S. XI. So schon Jaspers: „Der Aphorismus beherrscht die Schriften der mittleren Zeit, wird aber bis zuletzt nicht preisgegeben und steht heimlich schon hinter den früheren Abhandlungen" (Jaspers: Nietzsche. 1936, S. 3). Nietzsche: K G W V, 2, 578. Nietzsche: K G W VII, 1, 3ff, bes. S. 33-38. Nietzsche benutzt den Begriff in diesem Zusammenhang freilich so wenig wie Lou Salome; vgl. Janz: Nietzsche. Biographie. Bd. 2. 1981, S. 148. Janz: Nietzsche. Biographie. Bd. 2. 1981, S. 335. Nietzsche: Böse Weisheit. Aphorismen und Sprüche. In: F. N.: Werke. Bd. XII. 1897, S. 355-422, Kommentar S. 437-440. Nietzsche: Werke 2, 946 (= K G W VI, 3, 57 [Götzendämmerung Nr. 26]).Vgl. Morgenröte Nr. 318 (Werke 1, 1194): „Vorsicht vor den Systematikern!"

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men-Sammlung"321. In der Vorrede „Zur Genealogie der Moral" heißt es 1887 mit derselben Begriffsgewißheit, diese Gedanken hätten ihren vorläufigen Ausdruck schon „in jener Aphorismen-Sammlung erhalten, die den Titel trägt,Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister'"322. Ja, vereinzelt wird der Begriff - in adjektivischer Form allerdings nur - jetzt sogar auf die Franzosen übertragen: „Man soll die Thatsache, wie uns unsere Gedanken gekommen sind, nicht verhehlen und verderben. Die tiefsten und unerschöpftesten Bücher werden wohl immer etwas von dem aphoristischen und plötzlichen Charakter von Pascals ,Pensees' haben"323. Immer wieder beschäftigt ihn dabei das Verhältnis von Gedanke und literarischer Form, von Werden und Dasein, von Länge und Kürze, Glaube (in der Form) und Unglaube (im Inhalt), wie es in den Reflexionen des Jahres 1879 grundgelegt wurde, die Ambivalenz von Verschweigen und Schreiben, Verboten und Erlaubt: „In Aphorismen-Büchern gleich den meinigen stehen zwischen und hinter kurzen Aphorismen lauter verbotene lange Dinge und Gedanken-Ketten"324. So ist es nur folgerichtig, daß die beiden Belegstellen, die sich aufeinander beziehen lassen und denen man den Charakter einer Summe zusprechen darf, aus den letzten Jahren seines geistigen Lebens datieren. Am Schluß der Vorrede zur „Genealogie der Moral" vom Juli 1887 schreibt Nietzsche von den Besonderheiten, die die Rezeption des „Zarathustra" fordere, um fortzufahren: „In andern Fällen macht die aphoristische Form Schwierigkeit: sie liegt darin, dass man diese Form heute nicht schwer genug nimmt. Ein Aphorismus, rechtschaffen geprägt und ausgegossen, ist damit, dass er abgelesen ist, noch nicht ,entziffert'; vielmehr hat nun erst dessen Auslegung zu beginnen, zu der es einer Kunst der Auslegung bedarf. Ich habe in der dritten Abhandlung dieses Buchs ein Muster von dem dargeboten, was ich in einem solchen Falle / ,Auslegung' nenne - dieser Abhandlung ist ein Aphorismus vorangestellt, sie selbst ist dessen Commentar" 325 .

Vier Metaphern aus unterschiedlichen Bildbereichen, zwei für die Produzenten-, zwei für die Rezipientenseite, beschreiben den Weg des Aphorismus von seiner ersten gedanklichen Entstehung bis zur nach-denkenden Rekonstruktion: prägen, ausgießen, ablesen, entziffern. Nicht auf dem Lang-Gedachten, das hier als Prägen, und dem Kurz-Gesagten, das als Ausgießen erscheint, liegt der Akzent, sondern auf dem Vorgang der Re-

32' Nietzsche: Werke 3, 1200 (= BKG III, 1, 326). 322 Nietzsche: Werke 2, 763 (= KGW VI, 2, 260). 3 23 Nietzsche: Werke 3, 448 (= KGW VII, 3, 244). Vgl. Voegelin: Nietzsche und Pascal. In: Nietzsche-Studien 25, 1996, S. 128-171, bes. S. 137ff. 324 Nietzsche: KGW VII, 3, 305. 325 Nietzsche: Werke 2, 770 (= KGW VI, 2, 267f).

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zeption. Auch sie ist zweigeteilt: in das Ablesen, die Zur-Kenntnisnahme, wie man eine Temperatur abliest, und in das Entziffern, die mühsame Decodierung durch Eingeweihte, die ,zwischen' und ,hinter' den ,Ziffern' Sinn findet und herstellt. Die Rezeption eines Aphorismus ist geradezu konstitutiv für ihn. Das faßt alle ähnlichen Überlegungen Nietzsches zusammen und krönt sie. Als „Kunst der Auslegung" ist sie der Kunst der Verfertigung ebenbürtig; schließlich ist es seine eigene „Abhandlung" „Was bedeuten asketische Ideale?", die er hier als „Muster" eines solchen „Commentars" wählt326. Der Ausgangspunkt für Reflexion und Exempel aber ist die betrübliche Feststellung, „dass man diese Form heute nicht schwer genug nimmt". Sie ist wiederum und ganz explizit auf den herrschenden Begriffshorizont zu beziehen, der eindeutig, wie wir sahen und wie der kritische Zeitgenosse Nietzsche hier analysiert, von einem solchen Mißverständnis des „Leichten" beherrscht ist. Wo sich 1880 in die Übernahme des Begriffes für das Eigene noch Zweifel mischten, da wird jetzt im Ton der Bestimmtheit gesprochen. Damit aber nicht genug. Die auffällige Betonung der Rezeption ist erst vor diesem Horizont ganz zu verstehen. Es ist ja nicht nur das Triviale, das in der Form vorherrscht; der „Aphorismus", zumal der der Anthologien, ist ja auch, kaum daß er „abgelesen" ist, mit der Vorstellung eines Bildungsbesitzes verbunden und hat damit eine wichtige Funktion in der Ideologie des deutschen Bildungs- und Besitzbürgertums der Gründerzeit. Eben gegen dieses unproduktiv scheinbare, anstrengungslose Besitzen hebt Nietzsche sich hier mit der Akzentuierung der Entzifferungsbemühungen strikt ab. Der Schluß seiner Vorrede „Zur Genealogie der Moral" ordnet sich damit in den Zusammenhang seines Kampfes um die Begriffe Kultur und Bildung gegen die philisterhafte ,„deutsche Kultur der Jetztzeit'" ein, wie er etwa schon die vierte seiner „Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern" von 1872 bestimmt32? Mit einem provokanten Bild gegen diesen „modernen Menschen" schließt die Vorrede denn auch: „Freilich tut, um dergestalt das Lesen als Kunst zu üben, eins vor allem not, was heutzutage gerade am besten verlernt worden ist [...], zu dem man beinahe Kuh und jedenfalls nicht,moderner Mensch' sein muss: das Wiederkäuen ... " 328 . (Ob es mit diesem zeitgenössischen Verständnis von Gattung und Begriff auch zusammenhängt, daß Nietzsche anders als Ebner-Eschenbach den Begriff „Aphorismus" nie auch nur als Untertitel seiner Werke benutzt und ihn gewissermaßen nur in der Reflexion ,wagt', das muß Spekulation bleiben.)

326 327 328

Vgl. dazu Löwith: Nietzsches Philosophie. Neuausgabe 1956, S. 23. Nietzsche: Werke 3, 2 8 7 - 2 9 0 ( = K G W III, 2, 272-276). Nietzsche: Werke 2, 770 ( = K G W VI, 2, 268).

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So streng er es - in notwendiger Opposition - damit nimmt, die Form „schwer genug" zu nehmen, so offen zeigt er sich hier gleichzeitig in der Frage der Isolierung oder Isolierbarkeit des Aphorismus. „Unbekümmert, spöttisch, gewalttätig - so will uns die Weisheit; sie ist ein Weib, sie liebt immer nur einen Kriegsmann"329. Dieser „Aphorismus" sei der Abhandlung vorangestellt, sagt er; dieser „Aphorismus" aber ist, leicht variiert zitiert, nichts anderes als einer der Sätze aus einer der Reden Zarathustras, „Vom Lesen und Schreiben": „Mutig, unbekümmert, spöttisch, gewalttätig - so will uns die Weisheit: sie ist ein Weib und liebt immer nur einen Kriegsmann"330. Wenn wir also feststellen, daß der Aphorismus zur Zeit des „Zarathustra" zurücktritt, so befinden wir uns nur bedingt im Einklang mit Nietzsches Begriffsverständnis. Wenn wir uns andererseits erinnern, daß er den „Zarathustra" Overbeck gegenüber eindeutig „eine Dichtung und keine Aphorismen-Sammlung" nennt, liegt der Schluß nahe, daß er hier den Akzent auf die „Sammlung" legt und im übrigen keinen Widerspruch sieht zwischen Dichtung und aphoristischem Charakter. Die letzte Äußerung zum Begriff „Aphorismus" schließlich läßt sich, in einen doppelten Kontext gestellt, noch anders verstehen denn als reine Anmaßung des späten kranken Nietzsche: „Dinge schaffen, an denen umsonst die Zeit ihre Zähne versucht; der Form nach, der Substanz nach um eine kleine Unsterblichkeit bemüht sein - ich war noch nie bescheiden genug, weniger von mir zu verlangen. Der Aphorismus, die Sentenz, in denen ich als der Erste unter Deutschen Meister bin, sind die Formen der ,Ewigkeit'; mein Ehrgeiz ist, in zehn Sätzen zu sagen, was jeder Andre in einem Buche sagt - was jeder Andre in einem Buche nicht sagt ... "331.

Nietzsche greift das Bild vom „Zahn der Zeit" von 1879 wieder auf, wieder verbunden mit den Assoziationen der - diesem trotzenden - kernhaften Härte und „Substanz" von Aphorismus und Sentenz. So kann er die beiden Begriffe, die er Zeit seines Denkens mit wechselnder Präferenz benutzt und reflektiert hat und die er hier absolut synonym verwendet, als „Formen der ,Ewigkeit'" bezeichnen. Er „verlangt" von sich, um eine „kleine" Unsterblichkeit „bemüht" zu sein, lauter sprachliche Signale, die das (über)starke Selbstbewußtsein des Folgenden in einen Kontext von Anstrengung und Anspruch an sich selbst stellen. Und dieses „als der Erste unter Deutschen Meister" ist, vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Aphorismen-Produktion verstanden, weniger als Uberhebung denn

329

Nietzsche: Werke 2, 839 (= KGW VI, 2, 355). Nietzsche: Werke 2, 306 (= KGW VI, 1, 45). 33 ' Nietzsche: Werke 2,1026 (= KGW VI, 3,147). Vgl. Lichtenberg F 106: „Der Schriftsteller, der nicht zuweilen einen Gedanken, worüber ein anderer Dissertationen geschrieben hätte, hinwerfen kann, unbekümmert ob ihn der Leser findet oder nicht, wird nie ein großer Schriftsteller werden" (Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 1. 1973, S. 476).

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als (berechtigte) Abhebung zu lesen und gewinnt damit auch begriffsgeschichtlich großen Wert. Nietzsche nimmt die Form in der Tat fast als einziger „schwer genug", und nur, weil er den „Aphorismus" als so „schwer" und so widerstandsfähig betrachtet, kann er ihn dem „Buch" gegenüberstellen, in einer Aufgipfelung des Paradoxen („was jeder andre in einem Buche nicht sagt"), in der es sich der Gefahr, zum Selbstzweck zu werden, nicht ganz entziehen kann. Meyer folgert: „Das Abrupte, Sprunghafte und Blitzartige des ,Aphorismus* ist dem breitangelegten, diskursiven, systematischen ,Buch' überlegen. Der intuitive Aphoristiker sagt über das Dasein, das Leben, die Welt mehr aus als der systematische Denker. Nicht das systematische Buch, sondern der kurzgespannte Aphorismus, nicht die diskursive, sondern die artistische Ausdrucksform ist das Element des Schöpferischen. Der Aphorismus wird von Nietzsche in den höchsten ästhetischen Rang erhoben" 332 .

Das bedeutet freilich nicht, daß er sich des Anspruchs begäbe, Erkenntnis zu vermitteln. Ganz im Gegenteil: „Im Kampf zwischen ,Weisheit und Wissenschaft' erinnert sich Nietzsche wieder der ursprünglichen Einheit von Wahrheit und Dichtung in der lehrhaften Sprache des philosophischen Weisheitsspruchs"333. Löwith folgert mit Bezug auf den „Zarathustra" weiter: „Diese Einheit hat seine Modernität jedoch nur in der zweideutigen Form eines Systems von ausgedachten Metaphern zustande gebracht"334. Das für Löwith Zweitrangige ist für einen modernen Denker, Richard Rorty, gerade das attraktive Singuläre. Wenn er künstlerischen wie Erkenntnisfortschritt gleichermaßen als Geschichte immer wieder neuer Metaphorik interpretiert, dann beruft er sich auf Nietzsches Begriff von einer Wahrheit als einem „beweglichen Heer von Metaphern"335. Von komplementärer Funktion ist dessen Polemik gegen die „Begriffs-Krüppel" der Philosophie, der gegenüber ein „Tanzen-können mit den Füßen, mit den Begriffen, mit den Worten"336 gefordert wird. Wenn Sünner diesen „Tanz der Begriffe" für die „musikalischen Elemente im Sprachstil" Nietzsches337 reklamiert, ist zumindest die Frage erlaubt, ob nicht (eher) die Aphorismen als Ausdruck dieses „Tanzen-könnens [...] mit den Begriffen" anzusehen sind. Jedenfalls zieht Nietzsche ein „Gleichnis vom Tanze" heran, um die ihm entscheidend wichtige schwierige Stellung zwischen Philosophie und Poesie zu erläutern: Meyer: Nietzsche. 1991, S. 175. Löwith: Nietzsches Philosophie. Neuausgabe 1956, S. 21. 334 Ebd. S. 21f. 3 3 5 Nietzsche: Werke 3, 314 („Uber Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne"). - Richard Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität. 1991, S. 57-62. 336 Nietzsche: Werke 2, 988 („Götzen-Dämmerung", „Was den Deutschen abgeht" Nr. 7). 3 3 7 Sünner: Tanz der Begriffe. Musikalische Elemente im Sprachstil von Nietzsche und Adorno. In: Cantarutti, Schumacher: Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. 1986, S. 184t202. 332 333

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„Jetzt ist es als das entscheidende Zeichen großer Kultur zu betrachten, wenn jemand jene Kraft und Biegsamkeit besitzt, um ebenso rein und streng im Erkennen zu sein als, in andern Momenten, auch befähigt, der Poesie, Religion und Metaphysik gleichsam hundert Schritt vorzugeben und ihre Gewalt und Schönheit nachzuempfinden. Eine solche Stellung zwischen zwei so verschiedenen Ansprüchen ist sehr schwierig, denn die Wissenschaft drängt zur absoluten Herrschaft ihrer Methode, und wird diesem Drängen nicht nachgegeben, so entsteht die andere Gefahr eines schwächlichen Auf- und Niederschwankens zwischen verschiedenen Antrieben. Indessen: um wenigstens mit einem Gleichnis einen Blick auf die Lösung dieser Schwierigkeit zu eröffnen, möge man sich doch daran erinnern, daß der Tanz nicht dasselbe wie ein mattes Hin- und Hertaumeln zwischen verschiedenen Antrieben ist. Die hohe Kultur wird einem kühnen Tanze ähnlich sehen: weshalb, wie gesagt, viel Kraft und Geschmeidigkeit nottut" 338 .

III. Nietzsche-Rezeption und „Aphorismus" um 1900 Die zwei Jahrzehnte zwischen Nietzsches letzter Äußerung von 1889 und Karl Kraus' erster Aphorismensammlung „Sprüche und Widersprüche" von 1909 bringen für den „Aphorismus", militärmetaphorisch gesprochen, den Durchbruch auf breiter Front: als literarische Gattung wie als literaturwissenschaftlicher Begriff. „In den letzten Jahrzehnten schwoll die Aphorismenliteratur mächtig an wie Wolken, die gebären wollen", resümiert ein eigenwilliger Kenner 192 5 339 , der „Aphorismen und die Aphoristik" als „Der neue Stil" behandelt. Aus größerem Abstand und in etwas nüchternerem Ton sekundiert ihm der Verfasser einer Dissertation über Morgenstern 1950: „Diese Tendenz, aphorismenhaft zu gestalten, ist bis in die Zwanzigerjahre unseres Jahrhunderts festzustellen"340. Vielfach ist das Anschwellen der aphoristischen Literatur von den Zeitgenossen selbst kommentiert, die besondere Beziehung zum ,Geist' der Zeit in der Zeit selbst reflektiert worden. „Essai und Aphorismus gehören zusammen, und beide sind unverkennbare Kinder ihrer Zeit." So beginnt Goldschmidt im Jahre 1907 eine Sammelrezension zu „Essai und Aphorismus". Weiter heißt es da: „Sie wären nicht von der Zeit emporgetragen worden, wenn sie nicht ihrer geistigen Struktur und Eigenart am weitesten entgegengekommen wären"341. Wichtiger als eine kritische Uberprüfung solcher zunächst abstandslos behaupteter Zusammenhänge ist zunächst die Tatsache, daß damit ein Zeitgefühl wiedergegeben wird und Aphorismen also in signifikant vermehrtem Maße aus dem Glauben heraus geschrieben werden, ein besonderes „Ausdrucksmittel der Moderne" 342

Nietzsche: Werke 1, 617f. (Menschliches, Allzumenschliches, erster Band, Nr. 278). Nacht: Pflugschar und Flugsame. 1922, S. 15. 340 Lovecek: Morgenstern als Aphoristiker. 1950, S. 80. 341 Goldschmidt: Essai und Aphorismus. In: Lit. Echo 9, 1906/07, Sp. 1715. 3 « Ebd. Sp. 1716. 338

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zu sein, so daß der Kritiker von 1907 von „einer so gangbaren literarischen Münze wie dem Aphorismus" sprechen kann 343 . Diese Entwicklung speist sich zur Hauptsache aus drei Quellen, die nicht säuberlich zu trennen sind und die sich alle drei aus dieser Sammelrezension herauspräparieren lassen: Neben dem Glauben an eine besondere Disposition der Zeit zu dieser literarischen Form sind das der Einfluß Nietzsches sowie eine publizistisch-literarische „Gedankensplitter"-Mode. Selbstverständlich geht der Rezensent 1907 von „dem klassischen Aphoristiker der Moderne, Nietzsche" 344 , aus. Daß Otto Weiß mit seinem ironischen Kommentar der Nietzsche-Rezeption: „In der hochmodernen Welt, da wimmelt's nur so von Uebermenschlein!" 345 nur allzu recht hat, zeigt sich auch speziell bei den Produzenten von „Aphorismen" und ihrer Terminologie allenthalben. Insbesondere sind diese Jahrzehnte geprägt von einem Paradoxon: Nietzsches schnell wachsender Wirkung und damit Bedeutung auch im engeren Sinne für literarische Produktion und terminologische Konvention von Kurzformen einerseits, einer massenhaften Produktion von „Gedankensplittern", wie sie Nietzsche gerade verwirft, andererseits. Schärfer als bei dem Literaturwissenschaftler Borinski, der 1894 noch mit vorsichtiger Kritik auf diese Modeerscheinung deutet, wenn er von der „für die neueste Bildung allerwichtigsten Form oder Unform" spricht346, heißt es bei dem Kritiker Goldschmidt 1909: „Auch ist die Aphorismenform durch Stümperei und Mittelmäßigkeit nicht minder wie durch modische Äfferei schon stark trivialisiert, und gerade für die feinstgeschliffenen Spitzen dieses Genres fehlt es dem Publikum an Kultur und Interesse"34·! Berg spricht gleichzeitig sogar von einer „Schmarotzerliteratur, die sich allerdings in letzter Zeit ungemein entfaltet hat" 348 , und mit untypischer Milde zitiert Karl Kraus „in einer Zeit, in der auch die Quantität von Aphorismen die Qualität zu erdrücken droht" 349 , dasselbe Phänomen. Die Vorstellung, der Aphorismus sei mit Impressionismus und Dekadenzliteratur zusammenzubringen, führt Goldschmidt in der Weise aus, „daß es eben kein bloßer Zufall ist, wenn gerade diese souveränsten und intensivsten Kunstformen in unserer Zeit zur reichen Entfaltung gelangt sind", denn sie „ermöglichen ein immer neues Aus- und Einströmen der Eindrücke; fordern und erzwingen für die Fülle wechselnder Inhalte das

Ebd. Sp. 1725. Ebd. Sp. 1716. 345 Weiß: So seid Ihr! Aphorismen. 2. Folge. 1909, S. 87. 346 Borinski: Baltasar Graciän und die Hoflitteratur in Deutschland. 1894, S. 116. 347 Goldschmidt: Kleinkunst des Gedankens. In: Lit. Echo 12, 1909/10, Sp. 1450. 348 Berg: Der Aphorismus. In: L. B.: Aus der Zeit - gegen die Zeit. 1905, S. 175. 349 Kraus in: Die Fackel Nr. 214, 22. 12. 1906, S. 48. 343 344

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geschliffenste, neuartigste, beziehungsreichste Wort". Der Kritiker dürfe sich mit doppeltem Recht „jener logisch-impressionistisch verkürzten Maße und Formeln bedienen, die eben nach aphoristischem Muster das Wesentliche auf den sparsamsten und schlagendsten Ausdruck bringen"350. Und diese Beobachtungen sind nicht auf die verengte Perspektive der Zeit beschränkt; sie sind zu einem Topos der Impressionismus-Forschung geworden. Wenn Prang dazu im „Reallexikon" schreibt, der Impressionismus neige „zu Ausschnitten, Kleinbildern und Skizzen"351 und man sehe davon ab, „ein Ganzes, Fertiges und in Ruhe Befindliches zu gestalten", so deutet er das hier ebenso an wie Hermand, der von Stilprinzipien wie Intensivierung und Flüchtigkeit her zur Beobachtung „einer auffallenden Bevorzugung aller kurzen und konzentrierten Dichtungstypen"352 gelangt und diese Tendenz gar in Wissenschaft („Das Ideal der Zeit ist daher das bewußt unsystematische Buch"353) und Feuilleton erkennen will: „Das stilistische Vorbild dieses impressionistischen Feuilletonismus waren die Aphorismen Nietzsches"354. (Um so erstaunlicher, daß er dabei den Aphorismus im engeren Sinne der Gattung übersieht.) Solche Standard- und Uberblickswerke geben dann Spezialstudien wie der Kieneckers Perspektiven vor: „Im Aphorismus wird deutlich, was auf Hille bezogen - die Begriffsbestimmung ,Impressionismus' meinen kann"355. Zu einem guten Teil sind Vorliebe für die Gattung und breite Durchsetzung des Begriffes um 1900 also eine Funktion der Nietzsche-Rezeption. Wenn auch selbstverständlich in aller Regel die streitbare Beschäftigung mit den Kerngedanken, vor allem des Ubermenschen, mit Fragen der Moral und des Christentums, nach 1900 dann auch mehr und mehr weltanschauliche Fehden im Vordergrund der Auseinandersetzung stehen, die Wirkung des Zarathustra auf die literarische Welt ungleich größer ist, so ist doch die Beobachtung der Aphorismen auch früh schon ein nicht zu übersehender Strang seiner Rezeptionsgeschichte in doppelter Form: in der Weise wissenschaftlich-essayistischer Würdigung und Analyse, als literarische Wirkungsgeschichte. Bei weitem nicht erst 1919 gilt ja Walzels Beobachtung: „Nietzsches aphoristische Sprüche begannen rasch bei der Jugend von Mund zu Mund zu gehen"356. So heißt es in Harry

350 351

352 353 354 355 356

Goldschmidt: Kleinkunst des Gedankens. In: Lit. Echo 12, 1909/10, Sp. 1451. Prang: Impressionismus. In: Reallexikon der dt. Literaturgeschichte. 2. Aufl. 1. Bd. 1958, S. 749. Hamann/ Hermand: Impressionismus. 1972, S. 291. Ebd. S. 77 Ebd. S. 106. Hille: Neue Welten. Nachwort von Fr. Kienecker. 1979, S. 76. Walzel: Die deutsche Dichtung seit Goethes Tod. 1919, S. 153.

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Graf Kesslers Erinnerungen schon zu den 80er und 90er Jahren, wo von der unvergleichlichen Wirkung Nietzsches die Rede ist: „Wir empfanden seine Aphorismen wie Gegenstücke zu den glänzenden und verheerenden Paradoxen Oscar Wildes"35-! Die Beeinflussung auch durch Nietzsches bevorzugte Form bedeutet dabei nicht ausschließlich Hochschätzung und Nachfolge, sie ist ebenso in polemischer Abwertung sichtbar zu machen. Während ihn zum einen ein frühes Zeugnis wie das Georg Adlers schon 1891 als „klassischen Virtuosen der Aphoristik"358 bezeichnet, heißt es 1905 zum andern: „Das Anschwellen der Aphorismenliteratur, besonders in der Presse, wird wie so manche andere Zeitkrankheit heute auf Nietzsche zurückgeführt"359. 1. Der „Aphorismus"-Begriff in der wissenschaftlich-essayistischen Nietzsche-Rezeption Die wissenschaftlich-essayistische Auseinandersetzung mit Nietzsches Werk läßt einen deutlichen Einschnitt um die Jahrhundertwende erkennen. Vorher kommt der Aphorismus vergleichsweise selten in den Blick, und die Tendenz ist in der Regel negativ. Die entscheidenden Zusammenhänge zwischen der Durchsetzung des Begriffes und der Nietzsche-Rezeption machen sich auch in der Kritik geltend. Wenn Grottewitz 1891 enthusiasmiert von den „feuersprühenden Schwerthieben seiner Aphorismen"360 spricht, Heyse 1895 schreibt, daß er „jetzt vom Fieber seiner glänzenden Aphorismen in geistiger Umnachtung ausruht"361, oder Breysig ihn im Jahr darauf als „den ersten Deutschen, der den Aphorismus zu handhaben gewußt und diese Kunstform zu wahrhaft blendender Vollkommenheit ausgebildet hat"362, zu bezeichnen vermag, sind das noch eher Ausnahmen. Mit dem Todesjahr bricht sich die Erkenntnis von dem gattungsprägenden Aphoristiker signifikant stärker Bahn. Richerts Grabrede, in der es heißt: „Niemals hat ein Deutscher vor ihm die Kunstform der Aphorismen so virtuos gehandhabt"363, kann das bei weitem nicht allein bezeugen. Die der Entstehung von Nietzsches Aphoristik zeitnahe Rezeption bildet die Wertung der zeitgenössischen Literaturwissenschaft ab. Sie bleibt zu357

358 359 360 361 362 363

Graf Kessler: Gesichter und Zeiten. Erinnerungen. Notizen über Mexiko. 1988, S. 209. Vgl. Harry Graf Kessler. Tagebuch eines Weltmannes. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum. 2. Aufl. 1988, S. 88-103. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1974, S. 97 Berg: Der Aphorismus. In: L. B.: Aus der Zeit - gegen die Zeit. 1905, S. 173. Hillebrand (Hg.): Nietzsche und die deutsche Literatur. Bd. 1. 1978, S. 77 Heyse: Gesammelte Werke. Reihe II, Bd. 2. 1924, S. 61. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1974, S. 173. Ebd. S. 257

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meist ganz auf der Linie der mit einem fast obligaten „nur" skeptisch-abwertenden Literaturgeschichte364. So glaubt Josef Widmann 1886, die Form, „die originellen, mehr nur [Hervorhebung von mir, F. S.] in aphoristischer Form gegebenen Einfälle"365, entschuldigen zu müssen, und Paul Ernst sieht 1890 in ihnen ebenfalls „nur [Hervorhebung von mir, F. S.] lose zusammenhängende Aufsätze und Aphorismen"366. Zur Konvention dieser frühen Rezeption gehört die Bildlichkeit des falsch eingeschlagenen Weges oder des steckengebliebenen Ansatzes; in Zerbrechen, Zerfließen, Verlieren lassen sich die negativen Assoziationen zusammenfassen. Bei Leo Berg heißt es 1891, daß „die Vorliebe für einen konzisen, epigrammatischen Stil den Schriftsteller sich oft in lauter Aphorismen verlieren läßt"367 Schindler368 und Klein sprechen vom „Zerfließen der Form"369, Ludwig Büchner formuliert, daß „alles, was Nietzsche schreibt, in zusammenhanglose Aphorismen zerhackt, zerrissen"370 sei. Die Grundvorstellung eines (Form-)Verlustes orientiert sich, ausgesprochen oder unausgesprochen, gegen Nietzsches ausdrückliches Votum am Gegenbild des philosophischen „Systems". Eine anonyme „Morgenröte"-Besprechung von 1882 bedauert, daß Nietzsche „wiederum in aphoristischer Form ohne allen systematischen Zusammenhang"371 schreibe, und Paul Ernst stellt vorwurfsvoll fest: „Von einem System im Denken keine Spur"372. Von solchem „Zerfallen" ist es nicht weit zu den „Abfällen", von denen Spitteier 1888 spricht373, womit er jeden Unterschied zwischen den Splittern und Nietzsches Werk einebnet. „Auch die Genealogie der Moral zerfällt in Stücke und zerbricht in Aphorismen"374: Am deutlichsten wird diese Wertung in Alois Riehls Buch „Friedrich Nietzsche. Der Künstler und der Denker" von 1897 „Wie die Trümmer eines großen Geistes, dem es aber an seelischem Gleichgewichte gebrach, liegen die Bruchstücke seiner Werke, liegt sein Werk in Bruchstücken vor uns: eine Philosophie in Aphorismen!"375 Nicht nur

364 365 366 367 368 369 370 371 372

373 374 375

Vgl. oben S. 175. Hillebrand (Hg.): Nietzsche und die deutsche Literatur. Bd. 1. 1978, S. 60. Ebd. S. 65 = Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1974, S. 88. Hillebrand (Hg.): Nietzsche und die deutsche Literatur. Bd. 1. 1978, S. 62. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1974, S. 117 Ebd. S. 200. Büchner: Am Sterbelager des Jahrhunderts. 1898, S. 94. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1974, S. 45. Ebd. S. 88 (= Hillebrand (Hg.): Nietzsche und die deutsche Literatur. Bd. 1. 1978, S. 65). Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1974, S. 67 Riehl: Nietzsche. 1897, S. 17 Ebd. S. 156; vgl. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1974, S. 189f und 162f.

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„Trümmer" und „Bruchstücke" belegen das eindeutig Defizitäre; wo Riehl mit der Vorstellung des ,Brechens' etymologisch spielt und ein „Gebrechen" konstatiert („seelisches Gleichgewicht"), da wertet er den Autor moralisch ab. Er erläutert: „Der aphoristische Stil eignet sich nicht für große geistige Bauwerke. Wie er den Gedanken isoliert, ihn aus dem Zusammenhang mit dem Ganzen herausstellt, so verlangt er auch vom Leser nicht zusammenhängendes, in ein Ganzes sich versenkendes Denken. Ein isolierter Gedanke ist aber in den meisten Fällen zugleich ein einseitiger, durch die Loslösung aus dem Ganzen, wozu er gehört, halbwahr gewordener Gedanke. Der Aphorismus ist ,das Epigramm als Stil' und trifft wie ein Pfeil. Er will anregen, zum Aufschauen zwingen, oder durch die fein geschliffene Form glänzen und überraschen. Öfter auch ist er die Einkleidung eines erst werdenden, noch unausgewachsenen Gedankens, des Gedankens als Stimmung" 376 .

So nähere er sich, wenn er „als Regel, nicht als Ausnahme gebraucht wird, dem Stil der Decadence" 37 ? Eine äußerst umfangreiche Sammlung der für ihn zum „Aphorismus"-Begriff gehörigen semantischen Aspekte legt Riehl hier vor: ,Einseitigkeit' und „Stimmung", als habe er Hebbel gelesen, das Isolierte und Halbwahre (das Kraus dann grandios ins Positive wendet), ferner das aggressive Treffende („Pfeil", „zwingen"), das eine besondere Leseraktivität Anregende, das Pointierte („geschliffen"), das Probedenken (der „noch unausgewachsene Gedanke"), um all dies Be- und doch auch Auszeichnende dann unter der Polarität von großem geistigem Bauwerk und Decadence mit einem negativen Akzent zu versehen. Auch der Begriff der Decadence wird dabei vereindeutigt und gegen Nietzsches eigenen Sinn gewendet. „Was mich am tiefsten beschäftigt hat, das ist in der Tat das Problem der decadence" 378 , heißt es im Vorwort zu „Der Fall Wagner", wo er sich selbst als einen „decadent" bezeichnet, „nur dass ich das begriff, nur dass ich mich dagegen wehrte" 379 . Riehls Begriffsbestimmung mündet in den „Gedanken als Stimmung". Die damit verbundenen Konnotationen lassen sich genauer bei Alfred Biese erkennen, der Nietzsche 1896 gleichfalls als einen „Stimmungsphilosophen" bezeichnet und erläutert: „Und was er mit virtuoser Sprachbehandlung in blendenden Gedankenblitzen, in verführerisch-genialen Aphorismen, die ihrem Wesen gemäß da abbrechen, wo die Schwierigkeit des Denkens beginnt, niedergelegt hat [...], das ward berauschendes Gift für die brausende Jugend" 380 . Für beide haben Aphorismen „ihrem Wesen gemäß" etwas Leichtes, Unverbindliches, sie sind Literatur als Artistik 376 377 378

379 380

Ebd. S. 17 Ebd. Nietzsche: Der Fall Wagner. Vorwort. In: F. N . : Werke 2, 901. Vgl. Rücker: Dekadenz. In: Ritter (Hg.): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2. 1972, Sp. 4 7 - 4 8 . Ebd. Biese: Lyrische Dichtung und neuere deutsche Lyriker. 1896, S. 229.

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und ermangeln der Solidität einer harten Denkarbeit. Deutlicher als bei Riehl - das „Glänzen" dort wird zum „Blenden" hier - schwingt bei Biese auch ein moralisch abwertender Impuls (,Verführung', „Gift") mit, und es hat fast den Anschein, als gehe in seine Kritik die wenn auch nicht „geniale", so doch leichte, für den Gutwilligen „blendend" artistische zeitgenössische Zeitungsaphoristik ein und habe den Begriff zu korrumpieren begonnen381. Zwar ist die kritische Einschätzung des Nietzsche'schen Aphorismus als etwas Inferioren und Defizitären nach 1900 nicht mit einem Mal aus der regen Diskussion verschwunden. Verantwortlich dafür bleiben klassischharmonische Kunstvorstellungen einerseits, in zunehmendem Maße die Polemik der Auseinandersetzung andererseits. Wo es um massive Zeitkritik geht, wird der erste Apostel seiner Zeit auch in der Form als dekadent gebrandmarkt. Die Argumentationslinien sind dabei vorgegeben. Da ist zum einen die von Riehl her bekannte charakterliche Abqualifizierung. Nietzsche habe „auf Grund seiner inneren Anlage nicht über den aphoristischen Stil hinauszukommen" 382 vermocht, schreibt Horneffer 1907 Die „innere Anlage", das ist, nur in der Wertung reziprok, eben die bereitwillig benutzte Leerformel, die bei den Praktikern und Apologeten als „innerlich leidenschaftliches Gefühl" (Leixner) oder „Art seiner Natur" (Gött)383 begegnet und die zum Grundbestand aphoristischer Kritik gehört. Der Vorwurf des Blendens und Verführens wird polemisch zugespitzt. Er „löste die Philosophie in eine aperguhafte, aphoristische Gaukelei auf", heißt es bei Johannes Schlaf 1904384. Wieder werden seine eigenen Worte gegen Nietzsche gewendet: Seine Kunst narrte ihn, daß er „einen dekadenten Aphorismenstil für die Form der Ewigkeit halten konnte" (Adalbert Luntowski 1910385). Zum andern rücken ihn auch diese Kritiker von Eitelkeit, Gaukelei, Dekadenz her in der pejorativen Semantik der ,Geistreichigkeit' abstandslos zu den vielen Verfassern eben modisch-,geistreicher' Aphoristik. So spricht Karl Bleibtreu schon 1897 von der „aphoristischen Geistreichigkeit" des „poetisierenden Philosophen" 386 , Otto Schneider 1902, mit einem nationalen Akzent versehen, vom Aphoristischen als „eitelem, übergeistreichem Getue", das „mehr dem Romanen als dem Deut-

381

382 383 384 385 386

Vgl. Gizycki 188/; Weigand 1889, Steiner 1895 in: Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1974. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 2. 1983, S. 303. Vgl. unten S. 222f. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 2. 1983, S. 140. Ebd. Bd. 2, S. 403. Ebd. Bd. 1, S. 182.

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sehen zusage" 38 ·! Die Domäne des Geistreichen aber ist das Feuilleton. Weitbrecht konkretisiert den Zusammenhang, in den diese Kritik Nietzsche einzuordnen wünscht: „Vielmehr hat auch seine Form nur dem fragmentarischen, aphoristischen, feuilletonistischen Wesen noch einmal Vorschub geleistet, an dem wir schon seit Heine litten" 388 . Es ist nur eine folgerichtige Terminologie, geeignet, Nietzsche gemeinsam mit den Verfassern zeitgenössischer „Splitter"-Aphoristik abzuqualifizieren, wenn Bilharz 1902 konstatiert, „Menschliches, Allzumenschliches" enthalte nur noch „Splitter" 389 . Aber trotz solcher Belege gilt, aufs Ganze gesehen, daß der Begriff und die Rezeption des Autors nach der Jahrhundertwende endgültig und markant positiv verknüpft sind. Es ist nur leicht zugespitzt, wenn man hier vor dem Hintergrund der allzu populären, leicht-fertigen Okkupation auch des „Aphorismus"-Begriffes eine semantische Auseinandersetzung am Werk sieht, die darum streitet, welche Metaphorik mit welchen Konnotationen sich durchsetze, und auf diese Weise Nietzsches eigene unterschwellige Bemühung gewissermaßen fortsetzt. Arthur Seidl und Hans Vaihinger mögen dafür zunächst exemplarisch stehen. Journalistisches und intellektuell gefahrloses („vielleicht") Lob, das in Nietzsche mindestens einen hervorragenden Vertreter der Gattung unter dem eingebürgerten Begriff sieht, findet sich auch früher schon („vielleicht der größte Aphorismenschreiber aller Zeiten und Völker" 390 ). Seidl aber dreht 1901 die bekannte, im mangelnden System verankerte Argumentation schlicht um, wenn er von der „Dogmatiker-Arbeit der systematisch zusammentragenden Philosophie-Kärrner" 391 spricht; demgegenüber aber „bedeutet Nietzsche's ,Aphorismus' hier Revision von Grund aus". Wie bei Gött, wie bei Leixner wird der Aphoristik eine innere Begründung gegeben: „Die notwendige Konsequenz dieses Ringens und Kämpfens ist der Aphorismenstil" 392 , wie Samuel Danzig 1904 schreibt. Auch Vaihinger nimmt 1902 immanent gegen das Fragmentarisch-Zerbrochen-Defizitäre Stellung, wenn er etwaige Nachteile der Form einfach übergeht und, Riehls Argumentation umwendend, ihre Vorzüge herausstreicht: „Aphorismen haben - neben schweren Nachteilen - ganz charakteristische Vorzüge. Die einzelnen Gedanken treten eben in ihrer abrupten Vereinzelung viel schärfer und viel anspruchsvoller hervor, als wenn die betreffenden Gedanken in Reih und Glied mit anderen

Ebd. Bd. 2, S. 66. «β Ebd. Bd. 2, S. 8. 389 Ebd. Bd. 2, S. 81. 390 Samuel Saenger 1902; ebd. Bd. 2, S. 74; so auch Gilge 1904 („meisterhafter Aphorism u s " , ebd. Bd. 2, S. 177) oder Schlichter 1910 (ebd. Bd. 2, S. 408). 391 Ebd. Bd. 2, S. 14. 392 Samuel Danzig 1904; ebd. Bd. 2, S. 151. 387

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stehen. Ohne Begründung durch das Vorhergehende, ohne Milderung durch das Folgende tritt jeder Gedanke mit schroffer Einseitigkeit, wie aus dem Nichts entsprungen, hervor, und macht dadurch eben einen um so größeren Eindruck. Solche kurzen Aussprüche, zumal wenn sie mit prophetenhafter Prägnanz und Würde ausgesprochen werden, zwingen das Nachdenken mehr zur Thätigkeit, als langatmige Ausführungen" 393 .

Es sind vor allem aber E. Steifen, J . Glarner und Karl Joel, die in den ersten Jahren des Jahrhunderts schon der speziellen Thematik gesonderte Aufmerksamkeit schenken und dadurch auch die Begriffsgeschichte in einem ihrer wichtigsten Vertreter festigen, Steffen 1903 in seinem Essay „Der Aphorismus", einem von sieben Essays zu „Friedrich Nietzsches Weltanschauung und Lebensmaximen nach seinen Werken" 394 , Glarner in einem Zeitschriftenbeitrag aus dem gleichen Jahr „Der Aphorismus bei Nietzsche" 395 , Joel in einem Kapitel „Aphorismus" seines Buches über „Nietzsche und die Romantik" 396 1905. Glarners Aufsatz ist für den „Aphorismus"-Begriff von relativ geringem Wert. Auch er weigert sich - gegen Riehl - , „in der aphoristischen Form bei Nietzsche ein Symbol der Hast und inneren Unruhe der Zeit und ihres Mangels an einheitlicher geschlossener Anschauung der Dinge und des Lebens zu sehen"39^ ist aber, nicht nur begrifflich, nicht ganz eindeutig. In den Termini „Sentenz", „Aphorismus" und „Spruch" folgt er seinem Autor noch, Nietzsche ist ihm aber auch Schöpfer „echter, treffender Sprüchwörter" 398 . Glarner bleibt dem Ansatz dieser Jahre verhaftet, nach den Gründen für „eine so plötzliche Wandlung"399 zur Aphorismensammlung zu suchen und nimmt hier eine mittlere Stellung ein. Wichtiger als die äußeren Ursachen sind ihm innere Gründe, neben den französischen Vorbildern vor allem „Nietzsche's Abneigung gegen das Buch als ein weniger natürlich Entstandenes, vielmehr künstlich Zurechtgezimmertes" 400 und der „übergroße, gleichsam überwältigende Reichtum der Gedanken, welcher eine breitere, gründlichere und systematische Darlegung verbietet"401.

Vaihinger: Nietzsche als Philosoph. 1905, S. 22; vgl. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 2. 1983, S. 75, Meyer: Nietzsche und die Kunst. 1993, S. 240 und „Die Fackel" Nr. 303/304 v. 31. 5. 1910, S. 44. 3 9 4 Steffen: Friedrich Nietzsches Weltanschauung und Lebensmaximen nach seinen Werken. 1903. Aphorismus: S. 7 - 20. 3 9 5 Glarner: Der Aphorismus bei Nietzsche. In: Allg. dt. Universitätszeitung, 1. 5. 1903, S. 6 8 - 7 0 und 7 6 - 7 7 3 9 6 Joel: Nietzsche und die Romantik. 1905. Aphorismus: S. 112-120. 3 9 7 Glarner: Der Aphorismus bei Nietzsche. In: Allg. dt. Universitätszeitung, 1. 5. 1903, S. 76. 39« Ebd. S. 77 3 9 9 Ebd. S. 68. «o Ebd. S. 69. Ebd. S. 70. 393

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Steffen geht vom konversationslexikalisch Üblichen („abgebrochen kurze Stilart" 402 ) aus, um sehr schnell zu einer individuellen Interpretation zu kommen, die auf Nietzsches eigener Metaphorik von Hammer und Pfeil („in die feste Form des kurzen aphoristischen Wortpfeils gehämmert" 403 ) aufbaut. Wille und Individualität stehen dabei im Zentrum: „Der Aphorismus als Persönlichkeits-Ausdruck und -Wille" 404 „ist das Individuum der Form, die gemäße Ergänzung des höchst potenzierten Individuums der Person"405. Das begründungslos Apodiktische der Form wird damit verbunden: „Der Aphorismus sagt: ,ich will' [,] und jeder Widerspruch prallt an seiner festen Geschlossenheit ab; er behauptet in befehlender Kürze und spart die Gründe und Beweise in dem Gefühle seiner Macht" 406 . „Dieser Form entsprechend ist auch der Inhalt der Nietzscheschen Philosophie mehr eine Bestimmung praktischer Lebensweisheit als theoretische Erörterung intellektueller Probleme"40'! Dabei ist Steffen nicht unkritisch; er sieht den Hintergrund der „Gedankensplitter" und urteilt: „In nur zu großer Zahl erhebt sich Nietzsche nicht über das gewohnte geistige Maß alltäglicher Aphorismen, wie sie dem Niveau der Fliegenden Blätter eher angepaßt wären" 408 . „Nietzsche und die Romantiker sind die großen Aphoristiker der Deutschen, weil sie die lyrischen, die dithyrambischen Denker sind" 409 : Wenn Joel auch mehr durch gewagte Formulierungen als durch denkerische Schärfe zu charakterisieren ist, wenn ihm Aphorismen einmal „Elegien in Prosa"410 sind, kurze Zeit später die Aphoristik „die Idealform der Glosse, der Kritik"411, schließlich „scharfgewordene Lyrik" 412 ist, wenn er Aphorismen und Fragmente auch, unerläutert synonym, stellenweise im Stile schlechtesten Feuilletons als „Wellenspiel [ . . . ] auf dem unendlichen Strom der Leidenschaft"413 bebildert, so lassen sich doch auch bei ihm aufschlußreiche Vorstellungen über den Begriff ablesen. Dazu gehören das Individuelle, das bewußt Unsystematische und Wandelbare („Sie scheinen zusammenhanglos, weil sie nicht so sehr unter sich zusammen-

402

403 404 405 436 407 408 409 41C 411 412 413

Steffen: Friedrich Nietzsches Weltanschauung und Lebensmaximen nach seinen Werken. 1903, S. 1. Ebd. S. 8. Ebd. Ebd. Ebd. S. 9. Ebd. Ebd. S. 17 Joel: Nietzsche und die Romantik. 1905, S. 112. Ebd. Ebd. S. 115. Ebd. S. 120. Ebd. S. 118.

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hängen als alle einzeln mit dem Denker"414), auch das Aggressive („Peitschenhiebe"415). Wie für Steffen der Wille, so steht ähnlich für Joel die Leidenschaft dabei im Zentrum. Beide akzentuieren vom Impulsiven her („impulsive Natur"416) das Poetische in Nietzsches Aphoristik. Der Bereich semantischer Kongruenz ist damit aber bei weitem nicht abgeschritten. Der eine feste und an der Oberfläche sichtbare Bestandteil ist die Vorstellung, es seien seiner Natur entsprechend „notwendig Aphorismen" 417 ; daß der aphoristische Stil „aus der Tiefe der Persönlichkeit mit innerer Notwendigkeit fließt"418, verfestigt sich zum unwiderlegbaren apologetischen Klischee. Der andere semantische Aspekt ist die Zurückweisung und Umkehrung des Vorwurfs der Nicht-Systematik 419 . Die Begründungen dafür gestatten einen tieferen Einblick. Analog zu Glarner heißt es dazu bei Joel: „Gedankenreichtum kann zur Aphoristik zwingen, Gedankenarmut kann sich im System verstecken" 420 . Der Gedanke des Wandels421 führt nicht nur zur Erklärung und damit Entschärfung der Widersprüche in Nietzsches Werk; sie werden sogar ins Positive gewendet, indem die Aphorismen allgemein als „Wegsteine des wandernden Denkers" 422 angebunden scheinen an die Vorstellung schriftgewordener Individualität: „Das Individuum der Form"423 sind sie bei Steffen; „jeder Gedanke ist da eine Individualität" 424 , heißt es bei Joel. Sie sind eben nicht „Bruchstücke" 425 : „Man nehme den Aphorismus nicht als Scherbe, sondern als Gemme, als Gan-

Ebd. S. 117 Ebd. S. 115. 416 Steffen: Friedrich Nietzsches Weltanschauung und Lebensmaximen nach seinen Werken. 1903, S. 15. 417 Joel: Nietzsche und die Romantik. 1905, S. 114. 418 Steffen: Friedrich Nietzsches Weltanschauung und Lebensmaximen nach seinen Werken. 1903, S. 8. 419 Wie weit diese Umkehrung auf die Nietzsche-Rezeption beschränkt begründbar, wie weit sie die Funktion einer allgemeinen wissenschaftsgeschichtlichen Wandlung ist, läßt sich schwer entscheiden. Hermand jedenfalls stellt für die impressionistische Wissenschaft fest: „Diese Abneigung gegen das systematische Denken zeigt sich vor allem auf dem Gebiet der Philosophie" (Hamann/ Hermand: Impressionismus. 1972, S. 75), und er zieht zum Beleg neben anderen gerade Karl Joel heran, dessen „Abneigung gegen das Systematische" zum Leitbild der „romantischen Verquickung von Poesie und Philosophie" geführt habe (ebd. S. 76). 420 Joel: Nietzsche und die Romantik. 1905, S. 114. 421 Steffen: Friedrich Nietzsches Weltanschauung und Lebensmaximen nach seinen Werken. 1903, S. 11; Joel: Nietzsche und die Romantik. 1905, S. 119. 422 Joel: Nietzsche und die Romantik. 1905, S. 117 423 Steffen: Friedrich Nietzsches Weltanschauung und Lebensmaximen nach seinen Werken. 1903, S. 8. 424 Joel: Nietzsche und die Romantik. 1905, S. 116. 4 " Ebd. S. 117 414

4'5

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215

zes im Kleinen, [...] nicht als geistige Atome, sondern als Monaden" 426 . Dem Aphorismus eignet nicht nur etwas Konzentriertes, sondern auch im Gegensatz zum „künstlich zurechtgezimmerten" Buch (Glarner) etwas Natürliches, etwas Organisches im Vollsinne: etwas Lebendiges. Zu Joel, Glarner und Steffen, den ersten Autoren, die den Aphorismus bei Nietzsche etwas ausführlicher abhandeln, gesellen sich mit Richard M. Meyer, Erich Eckertz und Leo Berg drei Autoren, die gleichermaßen in die Geschichte der Nietzsche-Rezeption gehören wie auch unabhängig davon Beiträge zur ganz frühen Aphorismus-Forschung leisten. Sie bezeichnen eine doppelte Schnittstelle. Nicht nur ist damit der denkbar engste Zusammenhang der frühen Forschungsgeschichte des Aphorismus mit der Rezeption Nietzsches schon in dieser personalen Verknüpfung evident, sondern sie stehen auch an dem Schnittpunkt, an dem die Begriffsgeschichte von der Forschungsgeschichte bestimmt und in gewissem Sinne abgelöst wird. Von Meyer stammt neben seiner Literaturgeschichte von 1900 mit Bemerkungen zum Aphoristiker Nietzsche 427 und dem großen Standardwerk dieser Jahre „Nietzsche. Sein Leben und seine Werke" 428 ein Paragraph über den Aphorismus in seiner „Deutschen Stilistik" von 1906429, der im Bewußtsein der Germanistik bis heute die Forschungsgeschichte zu Gattung und Begriff eröffnet. Unbekanntere, versteckte, aber nicht unwichtige Beiträge zur Forschung vor Berendsohn sind Bergs Essay „Der Aphorismus", 1905 erschienen430, und Eckertz' gleichnamiger zweiteiliger Artikel in der „Vossischen Zeitung" von 1908431. Beide äußern sich vielfach zu Nietzsche; herausgehoben seien nur Ekkertz' „Nietzsche als Künstler" (1910)432 und Bergs „Friedrich Nietzsche. Studie" (1889) und „Der Naturalismus" (1892)433, in dessen aphoristischer Anlage - neben zahlreichen Zitaten - Krümmel Nietzsches Einfluß bemerken will. Die manchmal wunderlichen individuellen Akzente der drei Zeugnisse fallen hier weniger ins Gewicht. Während Berg den Aphorismus „für uns noch charakteristischer als für die Franzosen" 434 hält, ist er für Eckertz le426 Ebd. S. 115f. 427 Meyer: Die deutsche Litteratur des 19. Jahrhunderts. 1900. 428 Meyer: Nietzsche. 1913. Zum Aphorismus vor allem S. 294-300. Vgl. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 2. 1983, S. 501f. 42t) Meyer: Deutsche Stilistik. 1906, S. 155-158. 430 Berg: Aphorismus. In: L. B. Aus der Zeit - gegen die Zeit. Essays. 1905, S. 173-190. 431 Eckertz: Der Aphorismus in Deutschland. In: Vossische Zeitung Nr. 48 v. 29. 11. 1908, S. 379-382 und Nr. 49 v. 5. 12. 1908, S. 390-392. 432 Eckertz: Nietzsche als Künstler. 1910. 433 Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1978, S. 105 u. ö. 434 Berg: Aphorismus. In: L. B. Aus der Zeit - gegen die Zeit. Essays. 1905, S. 177.

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diglich ein in Deutschland seltener „Nachhall" 4 3 5 der französischen Aphoristik. Eckertz, dessen Verfahren sehr mechanisch auf die Suche von Vorbildern und Parallelen abhebt, überdehnt den Begriff willkürlich auf doppelte Weise: indem er ihn mit etwas Nationalcharakteristischem verknüpft und „undeutsche Merkmale" 4 3 6 sucht, indem er ihn über den Bereich der Literatur hinaus auch auf Musik und bildende Kunst anwendet. Eine „deutsch-aphoristische Art" 4 3 7 entdeckt er - beispielsweise bei Nietzsche - dort, wo der Aphorismus keine Alleinherrschaft hat. Mit wesentlich mehr Geschick kapriziert sich Meyer neben der Darstellung von Abhängigkeiten auf die Uberschriften, die er als Nietzsches „genialen Fortschritt" 438 sehen möchte. Auch bei ihm findet sich eine spezifische Uberdehnung des Begriffes, wie sie sich für die Jahre nach 1910 als symptomatisch erweisen wird. Einen seltsamen Höhepunkt in dieser Tendenz bezeichnet es, wenn er 1913 von „aphoristischer Lebensführung" 4 3 9 (Brentanos im Gegensatz zu Goethe) spricht. Die Gemeinsamkeiten untereinander und zu Steffen, Joel und Glarner sind auffällig. Berg hebt Nietzsche zunächst von der aktuellen „Schmarotzerliteratur" ab, um ihn dann zum Exempel zu erheben, an dem man „Natur und Geschichte des Aphorismus studieren kann" 440 . In ähnlicher Weise hat Meyer das Gegenbild der „Gedankensplitter" im Sinn, wenn er zweierlei Aphorismenbücher unterscheidet: „solche, in denen wirklich ganz locker beliebige Einfälle nebeneinander stehen, und solche, in denen sie sich zu größeren Einheiten zusammenschließen" 441 . Einig sind sie sich nicht nur im Glauben an die einzigartige Bedeutung Nietzsches für die Aphoristik. Für Berg ist er „vielleicht der größte Vertreter dieser Literaturgattung" 442 , für Eckertz „Aphoristiker par excellence" 443 (wenn auch kein „absoluter Aphoristiker"), und Meyer stimmt zu: „Besonders Nietzsche [hat] dieser jungen Gattung ihr endgültiges Sonderrecht gesichert" 444 .

Eckertz: Der Aphorismus in Deutschland. In: Vossische Zeitung Nr. 49. v. 5. 12. 1908, S. 392 u. Nr. 48 v. 29. 11. 1908, S. 381. 436 Ebd. S. 391. 437 Ebd. 438 Meyer: Nietzsche. 1913, S. 299. 439 Ebd. S. 58. 440 Berg: Aphorismus. In: L. B. Aus der Zeit - gegen die Zeit. Essays. 1905, S. 175. 441 Meyer: Nietzsche. 1913, S. 297 442 Berg: Aphorismus. In: L. B. Aus der Zeit - gegen die Zeit. Essays. 1905, S. 173. 443 Eckertz: Der Aphorismus in Deutschland. In: Vossische Zeitung Nr. 49 v. 5. 12. 1908, S. 390. 444 Meyer: Deutsche Stilistik. 1906, S. 158. Schon 1900 heißt es, Nietzsche habe den Aphorismus „erst zu einer selbständigen Kunstgattung erhoben" (Meyer: Die deutsche Litteratur des 19. Jahrhunderts. 1900, S. 731). 435

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Weitgehend einig sind sie sich darüber hinaus auch in den semantischen Aspekten, die schon aus den Begriffsvorstellungen Steffens, Joels und Glarners zu präparieren waren. „Daß sie eben für Nietzsches Zweck die richtige Form waren" 445 : von dieser Uberzeugung der inneren Notwendigkeit des Aphorismus für Nietzsche gehen sie aus. Und als Begründung formuliert Eckertz ähnlich wie Steffen schlicht, der Aphorismus sei ein „Brennpunkt der Persönlichkeit"446. Und ganz wie dort Wille und Leidenschaft herausgestellt werden, so wird hier von der „Glut" auf das Künstlerische und damit notwendig Anti-Systematische geschlossen. Ekkertz stellt es programmatisch in den Titel und wendet Riehls Vorwurf der „Halbwahrheit" durch die Verknüpfung mit dem Innovativen ins Positive44^ Berg spricht von der „Artistentugend" 448 Nietzsches und sieht „im Philosophen immer den Dichter"449, Meyer schließt von der „Energie, mit der er seine geistigen Erlebnisse festhält"450, in bekannter Umdeutung darauf, daß er keine „Systeme und Encyklopädien voll trockener ,Vollständigkeit'"451 liefern könne. Meyer behauptet nicht nur, er denkt das Problem genauer (und mit beeindruckend vorausweisendem Ansatz) durch. Seine Lösung ist dialektischer Art, er sieht eine Systematik höherer Art in der Aphorismenreihe452. Heißt es in seiner Literaturgeschichte noch tastend, es handle sich um „künstlerisch, nicht logisch, geordnete Rosenkränze", geeignet, die „Einzelheiten zu einem Gewölbe aufzurichten" 453 , so im Nietzsche-Buch entschiedener: „Das ,System' fehlt nicht, aber es bleibt eben Hintergrund" 454 . Und mit apodiktischer Schärfe: „Diese Kunst aber setzt eben die systematische Einheit und Ubersicht voraus, die man, durch die Oberfläche oberflächlich getäuscht, bei Nietzsche so oft bestreitet"455. In apologetischer Überspitzung - er bezieht sich auf den abfälligen Ausdruck „Abfälle", wie ihn Spitteier verwendet - sekundiert ihm Berg: „Seine Philosophie, seine Werke, der einzelne Aphorismus hat immer geschlossenen Charakter" 456 . Bei ihm ist die Tendenz besonders deutlich

«5 Meyer: Nietzsche. 1913, S. 297 446 Eckertz: Der Aphorismus in Deutschland. In: Vossische Zeitung Nr. 48 v. 29. 11. 1908, S. 381. 447 Ebd. S. 380. 448 Berg: Aphorismus. In: L. B. Aus der Zeit - gegen die Zeit. Essays. 1905, S. 188. 449 Ebd. S. 187 450 Meyer: Die deutsche Litteratur des 19. Jahrhunderts. 1900, S. 731. 451 Ebd. S. 732. 452 Vgl. Neumann: Ideenparadiese. 1976. 453 Meyer: Die deutsche Litteratur des 19. Jahrhunderts. 1900, S. 732. 454 Meyer: Nietzsche. 1913, S. 314. «s Ebd. S. 298. 456 Berg: Aphorismus. In: L. B. Aus der Zeit - gegen die Zeit. Essays. 1905, S. 188.

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sichtbar, den Aphorismus zu einer ,Natur-Form' zu erheben: „Natur" und Geschichte des Aphorismus ließen sich am Beispiel Nietzsches studieren. Er kommt,natürlich' um eine Bestimmung dieses Naturbegriffes nicht herum, definiert ihn zunächst ex negativo: „Die äußere Form entscheidet nichts über die Natur des Aphorismus"45^ sucht ihn schaffensästhetisch zu bestimmen: „viel eher die Entstehung von Werken"458, um schließlich doch zu formästhetischen Erörterungen zu gelangen. „Voraussetzung und Resümee", auch „Ansätze" und „Resultate" sind ihm die „Haupteinteilung der Aphorismen"459. Das nimmt Mautners Typisierung in Einfall und Klärung im Ansatz vorweg, verbindet sie allerdings mit einem chronologischen Element, das „Kernsätze von Systemen"460 gegen den „Aphorismus im älteren Sinne" abhebt. Diese Mythisierung zu etwas nicht nur Natürlichem, auch Lebendigem ist wie bei Glarner und Joel als der Versuch einer extremen Bedeutungsaufladung in immanenter Auseinandersetzung mit der trivialen zeittypischen Splitter-Vorstellung zu verstehen. Gattung und Begriff des „Aphorismus" werden damit in seinem herausragenden Vertreter prinzipiell und kategoriell auf das entschiedenste abgehoben gegen eine „Schmarotzerliteratur, die sich allerdings in letzter Zeit ungemein entfaltet hat und auch auf Nietzsche zuweilen sich beruft"461. 2. Der „Aphorismus" nach Nietzsche (Lanzky, Monere, Morgenstern, Gött, Kurz, Nadel, Cede, Hdle u.a.) „Der ,Aphorismus' nach Nietzsche": das bezeichnet sowohl eine chronologische Folge als auch ein Einflußelement, und das mit je eigenen Anteilen beider im einzelnen Fall. Der Einfluß des Aphoristikers Nietzsche auf einen Aphoristiker nimmt seinen Ausgang vom engsten Umkreis und weitet sich auf persönliche Bekannte und literarische Jünger. In mehr oder weniger deutlichen Spuren läßt er sich schließlich bei allen Aphoristikern der Jahrhundertwende vermuten, wenn nicht beobachten. Denn für die literarische Wirkungsgeschichte gilt in ihrem aphoristischen Ausschnitt, was für Nietzsches schnell wachsenden Einfluß überhaupt festzustellen ist: Er ist stärker und vielfältiger, als es möglicherweise im Einzelfall nachzuweisen ist. Aber selbst wo er nachgewiesen werden kann, ist er damit noch nicht unbedingt auch schon begriffsgeschichtlich für den Terminus „Aphorismus" von Bedeutung.

«7 Ebd. S. 183. «s Ebd. « 9 Ebd. S. 185. 460 461

Ebd. Ebd. S. 175.

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Wenn Lou Andreas-Salome in ihrem Nietzsche-Buch von 1894 durchgehend von seinen „Aphorismen" spricht und zehn solcher Aphorismen „Zur Lehre vom Stil" einfügt462, so erinnert sie sich dabei insbesondere des Jahres 1882, als sie auf Rees Gut Stibbe selbst Aphorismen verfaßte463. Sie legte sie Nietzsche, wohl bei dem gemeinsamen Aufenthalt in Tautenburg, zur Beurteilung und Ergänzung vor. Unübersehbar sind inhaltliche und formale Abhängigkeit wie terminologische Adaption bei Paul Lanzky (1852 - nach 1940). Er lernt Nietzsche 1883 persönlich kennen; seiner Aphorismensammlung „Abendröte" wegen, deren Titel Nietzsche als anmaßlich empfindet, kommt es 1887 zum Bruch464. Die 1897 erschienenen „Aphorismen eines Einsiedlers" atmen mit Kapiteln wie „Der Freie", „Der Erkennende" oder „Der Einsame" ganz den Geist des „Zarathustra". Diese „Gedankenlyrik in Aphorismenform" 465 tut Janz zu Recht kurz als „Epigonenliteratur"466 ab. Im Gegensatz dazu dürfte sich Josef R. Ehrlich, obgleich er zu den Wiener Nietzsche-Verehrern gehört, mit seinen „Fabeln und Aphorismen" von 1876 auch terminologisch noch eher an älteren Traditionen, etwa Fick, orientieren46? Auch wenn sie sich im Untertitel noch stärker an das Vorbild anschließen, bewahren sich hingegen Paul Mongres (d. i. Felix Hausdorff; 1868-1942) Aphorismen „Sant' Ilario. Gedanken aus der Landschaft Zarathustras" 468 (1897) ihre geistige Unabhängigkeit. Als „Splitter und Stacheln" sind die knappsten von ihnen in einem eigenen Kapitel zusammengefaßt. Natürlich, darf man fast sagen, beginnt die Vorrede mit Nietzsches Diktum „Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit"469, das sich aus leicht begreiflichen Gründen als der ,Hit' der Nietzsche-Zitate innerhalb der aphoristischen Rezeption erweisen wird. Die darauf aufbauende Beschreibung des zeitgenössischen Buches als einer „Kriegserklärung an 462 463

464

465 466 467 468

469

Andreas-Salome: Friedrich Nietzsche in seinen Werken. 1894, S. 125f. Andreas-Salome: „Stibber Nestbuch". In: Friedrich Nietzsche, Paul Ree, Lou von Salome. Die Dokumente ihrer Begegnung. 1970, S. 190-211. Selbständig erschienen nur in niederländischer Ubersetzung: L. A.-S.: Sententies. 1979. Janz: Nietzsche. Biographie. Bd. 2. 1981, S. 252-254; vgl. Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1978, S. 45. Janz: Nietzsche. Biographie. Bd. 2. 1981, S. 252. Ebd. Bd. 2, S. 253. Vgl. oben S. 170f. Mongre: Sant' Ilario. Gedanken aus der Landschaft Zarathustras. 1897 Daß Elazar Benyoetz dem „Verfasser eines reichen, weitreichenden Aphorismenbuches, des geistvollsten in der Nachfolge Nietzsches und eines der schönsten Bücher seiner Zeit überhaupt", derart huldigt, empfiehlt es gewiß erneuter prüfender Lektüre (Benyoetz: Querschluss. 1995. Unpag., Anm. zu S. 40). Vgl. oben S. 199.

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alles System"470 bleibt aber in einer - auch wohltuend selbstironischen Ambivalenz: „giebt es eine angenehmere Verführung für moderne Ohren? wir wollen kein System (unter uns, wir können's nicht); folglich sind wir rechtschaffen"471. Sie bedient sich dabei einer Begründung, die einen Strang der kulturkritischen Argumentation vorwegnimmt und damit auch verdächtig relativiert: „Wir bringen nichts mehr über drei Seiten fertig, der lange Athem, das legato fehlt uns vollkommen"472. Es folgt dann unleugbar ein genauso,kurzatmig' konzipiertes aphoristisches Buch, das die kritischen Aspekte der Vorrede durch sich selbst widerlegen muß. Deren dialektisches Denken kommt erst recht einzelnen „Splittern und Stacheln" zugute („Gewohnheit ist schon Verwöhnung; auch das harte Lager muss man wechseln"473; „Egoist: Einer, der es mit sich gut meint; Altruist: Einer, der will, dass Andere es gut mit ihm meinen"474; „Wer mich treffen kann, schuldet mir einen Pfeil"475). So zahlreich die Verfasser von Aphorismen auch sind, die sich an Nietzsche anschließen, so ist der Zusammenhang bei Emil Gött und bei Christian Morgenstern (1871-1914) doch besonders eng und deutlich nachweisbar. Morgensterns Bindung an Nietzsche, „meinen eigentlichen Bildner und die leidenschaftliche Liebe langer Jahre", wie es in seiner „Autobiographischen Notiz" heißt, ist hinreichend bekannt476. Nicht nur ist sein erstes Buch, „In Phanta's Schloß" (1895), „Dem Geiste Friedrich Nietzsches gewidmet", auch zahlreiche Texte über viele Jahre hinweg befassen sich mit dem Vorbild. Einige davon versammeln die von einem Nietzsche-Zitat eingeleiteten „Stufen" von 1918 in ihrem Kapitel „Nietzsche"47^ wo es beispielsweise emphatisch heißt: „Man sieht Nietzsche ins Auge und weiß, wo das Ziel der Menschheit liegt"478. Morgenstern unterscheidet das „philosophische System" anderer Denker von dem Werk eines „leidenschaftlichen Wegsuchers"479. „Nietzsche, der Erzieher", 1896 in

470

Mongre: Sant' Ilario. 189^ S. III. Vgl. ebd. S. 70. Ebd. 472 Ebd. 47 > Ebd. S. 249. 474 Ebd. S. 256. 47 5 Ebd. S. 279. 47 Morgenstern: Werke und Briefe. Bd. 5. 1987, S. 10; vgl. ebd. S. 128-133 und C. M.: Werke und Briefe. Bd. 6.1987, S. 802-809. „Es handelt sich um einen exemplarischen Fall der Nietzsche-Wirkung in den frühen Jahrzehnten" (S. 803). „Nach der Entscheidung für Rudolf Steiner und die Anthroposophie war die Bindung an Nietzsche überwunden, unbeschadet des Empfindens für die epochale Bedeutung des Mannes" (S. 806). 477 Ebd. Bd. 5, S. 128-133. 478 Ebd. S. 128; vgl. Meyer: Nietzsche und die Kunst. 1993, S. 225. m Ebd. Bd. 5, S. 129. 471

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der „Neuen Deutschen Rundschau" erschienen480, zeigt die „stärkste Anempfindung an die Sprache Nietzsches" 481 auch in der Weise, daß es zum überwiegenden Teil eine Sammlung von „Sätzen" ist, die sich allesamt als Zitate geben, aber nur teilweise Nietzsches, teilweise auch Morgensterns eigene Formulierung darstellen482. Genau wie Nietzsches Texte („Beim Vorlesen einiger Nietzschescher Aphorismen: - Geistige Austern" 483 ) bezeichnet Morgenstern auch seine eigenen ab 1891 entstandenen konsequent und selbstverständlich als „Aphorismen". „Aphoristisches geschrieben" heißt es beispielsweise in den Tagebüchern von 1902 häufig484, „Gedanken, Urteile" 485 versammelt er hier, aus denen ab 1908 der Plan zu einem „Aphorismenbuch" 486 entsteht. Vereinzelt werden sie in Zeitschriften als „Aphorismen", aber auch als „Gedankensplitter"487 veröffentlicht. Der entscheidende Gesichtspunkt ist für ihn, daß er hier, nicht anders als schon Jean Paul, „Bruchstück auf Bruchstück" zu einem geplanten Roman häufen will488, daß er Aphoristiker wider Willen ist und in anerkanntere Gattungen wie Lyrik und Roman hinübertragen will, „was sich sonst in Aphorismen verirrte" 489 . Seine Frau will mit der Doppelbezeichnung „Aphorismen" und „Tagebuch-Notizen" 1918 zwischen bewußt geformten und vorläufig notierten Texten unterscheiden. Lissauer leitet seine Kritik der „Stufen" von dem zutreffenden Grundgedanken her, sie von den durchschnittlichen Aphorismen seiner Zeit abzuheben, mit einer Begriffserörterung ein: „Eigentlich führt das Wort,Aphorismen' in dem Untertitel dieses Buchs irre. ,Aphorismen' sind bewußt geformte, zugeschliffene Formeln, Glasstücke, weithin spiegelnd, körperlich kleinen Randes, aber vermögend, weite Horizonte zu ergreifen, vorwärts und rückwärts in die Zeit und aufwärts und niederwärts in den Raum" 490 . „Ausschlaggebend für Morgenstern's aphoristisches Schaffen ist die Verbindung mit der Lebensphilosophie"491, meint Lovecek, bis 1905 geEbd. Bd. 6, S. 89-96. Ebd. Bd. 6, S. 484. 4 8 2 Der Herausgeber hält es jedenfalls für „kaum möglich, einen Teil der Zitierungen auf konkrete Nietzsche-Texte zurückzuführen" (S. 484). 4 « Ebd. Bd. 5, S. 131. 484 Ebd. S. 426. 4 8 5 Ebd. Bd. 5, S. 431; Brief an Efraim Frisch v. 24. 2. 1902. 4 8 6 Ebd. S. 432. 4 8 7 Ebd. S. 433. 4 8 8 Ebd. S. 439. 4 8 9 Ebd. S. 440. 4 9 0 Lissauer: Von der Sendung des Dichters. 1922, S. 128. 491 Lovecek: Morgenstern als Aphoristiker. 1950, S. 27. Lovecek kann im übrigen keine „wie auch immer geartete Äußerung über seine Aphorismen" (S. 28) nachweisen und interpretiert das Werk im steten Seitenblick auf Nietzsche und Hille. 480 481

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höre Morgenstern „als Menschen- und Selbstbeobachter unter die Lebensphilosophen". Der Titel eines Kapitels der „Stufen", „Lebensweisheit", gewinnt von daher besondere Bedeutung. Er schließt Morgenstern über Schopenhauer auch an die Lebensphilosophie des 18. Jahrhunderts an. Morgensterns Freund und Biograph Michael Bauer (1871-1929) hat gleichfalls, schon seit 1903 und in größerem Umfang in den zwanziger Jahren, in Zeitschriften Aphorismen veröffentlicht, „teilweise unter der Überschrift ,Aus meinem Tagebuch"'492. Sie stehen begriffsgeschichtlich auf demselben Boden und gehören zusammen mit denen Friedrich Kaysslers493 und Rudolf Steiners494 in das anthroposophische Kapitel einer noch zu schreibenden Geschichte des deutschen Aphorismus im 20. Jahrhundert. Emil Gött (1864-1908) darf man wirklich als Nietzsche-Jünger bezeichnen495, der die „Ubersetzung aus dem Zarathustrischen ins Deutsche" leisten möchte496. Zur Begründung der Wahl der Gattung bleibt er uns keine Antwort schuldig. Es ist neben der Nietzsche-Nachfolge sehr konkret die Tatsache, daß die kurze Form eine „Unterbrechung durch die saisonal bedingte landwirtschaftliche Arbeit" am ehesten zuläßt49·! Seine Aphorismen in den „Gesammelten Werken" sind den zahlreichen Taschenbüchern entnommen und wurden zum Teil zuvor von Gött selbst in der „Jugend" und in der „Täglichen Rundschau" veröffentlicht498. Zwei Detail-Aspekte verdienen herausgehoben zu werden. In den Notizen zu Lichtenberger, der in seinem Nietzsche-Buch von 1899 wie später Riehl, Besser und dann auch Janz499 die These vertritt, Nietzsche habe die Form gewählt, „weil sein Gesundheitszustand ihn zwang, seine Gedanken in aphoristischer Form niederzulegen", heißt es apodiktisch: „Eine ganz fal-

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Bauer: Gesammelte Werke. 1990, S. 14. Kayssler: Besinnungen. Aus der äußeren und inneren Welt. Aphorismen über Natur, Mensch und Kunst. 1921. - Wege - ein Weg. Eine Auswahl aus Gedichten, Prosa und Aphorismen. 1929. Steiner: West-Ost-Aphorismen. Weitere West-Ost-Aphorismen. Psychologische Aphorismen. In: R. S.: Der Goetheanumgedanke inmitten der Kulturkrise der Gegenwart. 1961, S. 65-77 - Das weiter gefaßte Adjektiv umspannt noch die essayartigen „aphoristischen Ausführungen" in: R. S.: Die Schwelle der geistigen Welt. Aphoristische Ausführungen. 6. bis 10. Aufl. 1921. Gött: Gesammelte Werke. 2. Aufl. 1. Bd. 1917, S. 150-155: „Randglossen" zu Nietzsche. Ebd. S. 106. Gött: „Zettelsprüche". Aphorismen. 1984, S. 71. Der aphoristische Nachlaß ist beschrieben in Gött: „Zettelsprüche". Aphorismen. 1984, S. 82. Dort schreibt der Herausgeber Schupp im Nachwon: „Wo genau die Motivation liegt, die neue Lebensform und, mit ihr verbunden, den Aphorismus als Gattungsform zu wählen, ist nicht sicher auszumachen" (S. 70). Vgl. oben S. 185.

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sehe Auffassung" 500 . Und kurz darauf wird die Gegenthese formuliert: „Dies die A r t s e i n e r N a t u r zu produzieren"501. Ganz ähnlich heißt es in Otto von Leixners Rezension von Vaihingers Nietzsche-Buch 1902, Nietzsche habe „nicht aphoristisch gedacht, weil er durch Kopfschmerzen dazu geführt worden ist, sondern weil seinem erregbaren, innerlich leidenschaftlichen Gefühl die scharfe, rein logische Tätigkeit widersprach" 502 . Offenbar verhalten sich die Aphoristiker mit dieser Argumentation nicht nur apologetisch. Indem sie die aphoristische Produktion des Vorgängers aus inneren Motiven heraus aufwerten, werten sie vielmehr sich selbst und ihre Arbeit auf. Ein zweites. „Gött hatte bisweilen die Befürchtung, in seiner Aphoristik nur einer Mode verfallen zu sein"503. Er spielt damit auf die ebenso seichte wie massenhafte „Gedankensplitter"-Produktion an und reflektiert die doppelte, paradoxe Herleitung der Aphorismen der Jahrhundertwende. Seine Aphorismen, oft ausgesprochen dogmatisch orientierte Maximen, nennt er „Hobelspäne" und „Zettelsprüche". Da zeigt sich schon in der Holzmetaphorik (Span, Splitter) die eine, in der Anlehnung an Nietzsches „Sprüche"-Begriff die andere Traditionslinie504. Deutlich unter Nietzsches Einfluß stehen auch die „Aphorismen und Gedankengänge", die Isolde Kurz (1853-1944) unter dem Titel „Im Zeichen des Steinbocks", ihrem Sternzeichen, das ein Assoziationsfeld des winterlich Dunklen eröffnen will, 1905 herausgibt 505 . Daß sie sich in einem Doppeldistichon mehr als skeptisch zur Gattung äußert: Aphorismus Bleib mir mit Spruch und Sentenzen vom Hals, denn was du auch bringest, Andere haben es schon früher und besser gesagt, Erblich Gemeingut sind von alters her die Gedanken, Nur deine Sinne sind dein, Dichter, und dein ist das Lied 506 ,

gleichzeitig aber einen Beitrag zu ihr leistet, mag auf den ersten Blick verwundern. Aber sie faßt den Begriff eben nicht in dem Sinne einer klugen, noch einmal Bekanntes (möglichst überraschend-prägnanter) in eine neue Form gießenden Sentenz, wie es im besten Fall die gleichzeitigen „Gedankensplitter" tun - ist der Überdruß daran etwa der Hintergrund dieser Gött: Gesammelte Werke. 2. Aufl. 1. Bd. 1917, S. 176. Ebd. S. 177 502 Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 2. 1984, S. 87 Vgl. unten S. 244f. 503 Gött: „Zettelsprüche". Aphorismen. 1984, S. 72. 501 Vgl. oben S. 204f. 505 Kurz: Im Zeichen des Steinbocks. In: I. K.: Gesammelte Werke. Bd. 4. 1935, S. 367-495. 506 Kurz: Gedichte. 4. Aufl. 1906, S. 215. Unter dem Titel „Spruchweisheit" in Kurz: Gesammelte Werke. Bd. 1. 1935, S. 145. 500

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burschikosen Verse („Bleib mir [...] vom Hals")? - , sondern hält sich unter dem doppelten Untertitel formal sehr offen: von Einzelsätzen, kaum mit pointierender Intention, über Abschnitte, nicht selten mit einer Uberschrift versehen, fast kurzen Essays, bis zu einer Szene, „Vom Tanzen". Man ist aber nicht auf die formale Beobachtung der mit ,Nietzsche'schen' Uberschriften versehenen Kurzabschnitte („Moral und Psychologie"507; „Die Idealisten wider Willen"508) angewiesen, wenn man seine Wirkung nachweisen will. Isolde Kurz setzt sich mit ihm explizit auseinander, namentlich natürlich kritisch mit dem Thema „Nietzsche und die Frauen"509. Wenn sich in ihren Aphorismen eine Ideologie beobachten läßt, die sehr stark vom Gegensatz des hochbegabten Einzelnen und des „Philisters"510 getragen wird, so ist Nietzsches Einfluß so unverkennbar wie die romantischen Wurzeln ihres Denkens, in dem romantischen Lieblingswort des „Philisters" so gut wie darin, daß sie gegen alle neueren literarischen Auswüchse auf dem „zauberischen Wohlklang der Poesie"511 besteht. Das bringt sie in eine gewisse Nähe zu den ,Aphoristikern des Herzens' wie Leixner oder Carmen Sylva („Aus der Welt des Herzens"512), ohne daß man sie ihnen deshalb aber schlicht beigesellen könnte. Dazu ist ihre Aphoristik nicht eindeutig genug auf das edle Innere abgestellt: „Jeder edle Mensch muß vorher alt werden, ehe er jung wird"; „Nichts bezeichnet den Menschen mehr, als das, wofür er niemals Zeit findet"513. „Zur Menschenkenntnis gehört nichts als ehrliche Selbstbeobachtung. Kennt man sich selbst, so kennt man alle Menschen, die guten wie die schlechten"514. Das, was sie „Allgemeines vom Menschendasein"515 zu sagen hat, mag zutreffen, es ist andererseits selbst oft nur das beste Beispiel für ihr eingangs zitiertes lyrisches Verdikt. „Nietzsche. Irgendwo, irgendwann hat Nietzsche bereits Alles gesagt"516 heißt es in Arno Nadeis (1878-1943) „Aus vorletzten und letzten Gründen" (1909), einem Buch, das formal die denkbar größte Nähe zu Nietz-

507 Kurz: Gesammelte Werke. Bd. 4. 1935, S. 379. so« Ebd. S. 478. 509 Ebd. S. 405ff. Dabei spricht sie sich im übrigen auch gegen „Ausartungen der Frauenbewegung" (S. 406) aus. SM Ebd. S. 377, 477 u. ö. 5» Ebd. S. 490. si2 Ebd. S. 410-413. 513 Beide Zitate ebd. S. 377 514 Ebd. S. 476. Fürst: Deutsche Aphorismen. In: Vossische Ztg. Nr. 47,1905 trifft es in diesem Fall nicht so schlecht, wenn er ihr „Weltflucht" bescheinigt und feststellt, „daß sie oft Gesagtes mit der Miene der Finderin und Seherin verkündet". 5'5 Ebd. S. 374ff. 516 Nadel: Aus vorletzten und letzten Gründen. 1909, S. 16.

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sches Aphorismenbüchern aufweist: 729 Nummern, mit Überschriften versehene, oft pointenlose Kurztexte, werden in neun Abschnitten zusammengestellt. Stössinger, der „Proben und Stücke" von Nadel und Kraus nebeneinanderstellt und zu Recht konstatiert: „Schwer sind krassere Gegensätze denkbar"51-^ urteilt auch im übrigen recht zutreffend, Nadel schreibe hier „mit Verantwortlichkeitsgefühl, das dem Aphoristen am leichtesten fehlt, aber wenig plastisch und schlagkräftig"518. Bei allem Bemühen um Abstand („Er lehrte das Tanzen, doch er war nie ein eigentlicher Tänzer" 519 ) ist der Einfluß Nietzsches nicht nur formal im Detail unübersehbar. Den geistigen Zusammenhang skizziert Nadel in seiner Einleitung. Sie entwickelt in großem Ton eine religiöse Ideologie, die den Titel erläutert und schließt: „Im Geiste dieser Ideen sind die folgenden Aphorismen geschrieben" 520 . Er bezeichnet seine Texte aber nicht nur wie hier mit der Selbstverständlichkeit der Nietzsche-Nachfolge als „Aphorismen", sondern gleichermaßen - wie von dem Vorbild her gut bekannt und in exakt dessen Miteinander - als „Sentenzen". „Vorzug der Sentenz. Die Wahrheit in Sentenzform gegeben, hat vor einer ausführlichen Darlegung zum mindesten den Vorzug, daß niemand es so bald für wert hält, gegen eine Sentenz ernstlich aufzutreten. So entgeht manches treffliche Wort der Entstellung"521.

Da glaubt man doch auf den ersten Blick, Nietzsches „Lob der Sentenz" zu lesen, freilich nur auf den ersten. Der zweite Blick zeigt das in jedem Sinne, formal wie inhaltlich, Abgeschwächtere und Schwächere gegenüber der Härte und Paradoxie im Bild des Salzes522. „Sentenzen. Sentenzen sind Aufgaben und keine Lösungen" 523 . Das liest sich wie eine Paraphrase dessen, was für Nietzsche als „Kunst der Auslegung" im Zentrum des Begriffsverständnisses steht524. Nach dem Nietzsche-Umkreis, nach Jüngern' wie Morgenstern und Gött und einer auch formal zu beobachtenden sehr deutlichen, wenn auch nicht unkritischen Rezeption bei Nadel und Kurz kann es im Sinne kontinuierlich abnehmenden Einflusses bei den folgenden Autoren lediglich um mögliche Detailverbindungen unter terminologischer Perspektive gehen. Für Walter Cale (1881-1904) sind bei solcher Einordnung noch weitere einschränkende Bemerkungen vonnöten. Der früh Verstorbene veröffent517

Stössinger: Spruchweisheit. In: Lit. Echo 12, 1909/10, Sp. 188. Ebd. Sp. 189. - Kraus zitiert ihn in der Fackel Nr. 290 v. 11. 11. 1909, S. 16 und 20. 519 Nadel: Aus vorletzten und letzten Gründen. 1909, S. 195. 520 Ebd. S. XIV. 521 Ebd. S. 8. 522 Vgl. oben S. 193. 523 Nadel: Aus vorletzten und letzten Gründen. 1909, S. 156. Vgl. oben S. 200. 518

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licht keine Aphorismen, er hinterläßt ein an Hebbel geschultes Tagebuch, das in den „Nachgelassenen Schriften" in Auswahl und neuer Anordnung veröffentlicht wird525. Wenn der Herausgeber Arthur Brückmann dabei neben Literarischem, Philosophischem oder Musikalischem eine Restgruppe „Betrachtungen allgemeinerer Art, Aphoristisches usw."526 nennt, so dient das weniger gattungskonstituierende als allgemein beschreibende Adjektiv hier nur als eine Verlegenheitsbezeichnung, mit der er eine Restgruppe benennt, die kürzere Äußerungen allgemeinerer Art versammelt. Sie spiegelt allenfalls das Begriffsverständnis, wie es sich in der Literaturwissenschaft herauszubilden beginnt, und gehört damit in einen anderen Zusammenhang52? Aussagekräftiger sind Cales wenige eigene begriffs- und gattungsreflektierende Aufzeichnungen. „Die Entwicklung ging von den umfassenden Systemen des deutschen Idealismus über die Parerga Schopenhauers mit geschlossenem Systems-Hintergrund zu dem einzelexistierenden Aphorismus Nietzsches"528. Ahnungsweise zeigt diese Aufzeichnung nicht nur, wie selbstverständlich vertraut Nietzsche - bei kritischem Abstand529 für Cale war, sondern auch, wie umfassend die Gedanken zu System und Aphorismus, ihrem Verhältnis und ihrer geschichtlichen Entwicklung waren, mit denen sich der angehende Philosophiedozent trug. („Jetzt scheint der Rückweg eingeschlagen zu werden", fährt er mutmaßend fort.) „Genau so wie die logische Deduktion auch nur durch ,Einfälle' weiter geführt werden kann, wenn sich auch am Ende der Aspekt darbietet, als sei man durch,einfaches' Schließen, durch Selbstbewegung des Begriffs, zu dem Resultat gelangt, so liegt umgekehrt, in dem Schließen als solchem, eine ,Einfälle' auslösende Kraft; das Schema produziert die lebendige Hülle, die lebendige Hülle das Schema - in unkontrollierbarer Wechselwirkung" 530 .

Ansätze auch hier, in diesem Fall, so versteckt wie belangreich, zur Lebendigkeit' des Einfalls sowie zur Ambivalenz von „Einfall", in Anführungsstrichen aus der Beliebigkeit heraus- und terminologisch ernstgenommen, und Deduktion, die allein es höchst bedauernswert erscheinen lassen, daß Cales Freitod sie nicht zur Ausführung kommen läßt. An anderen Stellen sind sie etwas ausgearbeiteter und deshalb klarer zu erkennen: „Ein guter Aphorismus muß sich uns zugleich überraschend und zugleich vertraut anschmiegen: muß für einen Moment etwas in uns erlösen, was, ohne daß wir's wußten, in uns auf Erlösung gewartet hat-

525 Cale: Nachgelassene Schriften. 1907, S. 320-398. 526 Ebd. S. 319. 527 Vgl. unten S. 273ff. 528 Ebd. S. 341. 52' Vgl. etwa ebd. S. 343f. 530 Ebd. S. 333.

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te. Was Christus der ganzen Menschheit war, muß er dem Augenblicke sein"531. Deutlich wird hier zunächst die Essenz: der maßlose, der überspannte Anspruch an den Aphorismus durch den Christus-Vergleich. Im Detail, das sie erst entwickelt, ist das „Uberraschende" entschieden weniger überraschend als das „Erlösende". Es mag sich in diesem Begriff eine Eigentümlichkeit der Rezeption verbergen, die nicht nur ein höchst aktiver Prozeß ist, sondern auch auf einer „für einen Moment" aufleuchtenden Ubereinstimmung, weniger mit dem Aphoristiker als mit dem einzelnen Aphorismus, beruht und insofern etwas Nichtgewußtes ins Gewußte „erlöst". (Das Anstreichen von Aphorismen durch den Leser läßt sich ja als Ausdruck solcher „Erlösung" erklären532.) Daß schließlich auch die folgende Aufzeichnung von den Theoretikern des Aphorismus nirgendwo zur Kenntnis genommen und weitergedacht wurde, konnte nur zu deren Schaden sein: „Im Aphorismus gewinnt das Ästhetische Obergewalt über die inhaltliche Wahrheit, insofern: die Form des Aphorismus fordert es, daß wir die in ihm ausgesprochne Behauptung, die ganz ehrlicherweise eine Einschränkung durch ,oft' oder ,meistens' oder m a n che Leute' verlangte, einschränkungslos aufstellen, - eine Abrundung, die sich nur dadurch erreichen läßt, daß die Ausgestaltung des Aphorismus, sein ,Wie', den Mangel des ,Was' ersetzt, daß die Symbolisierung - als Folge der ästhetischen Form - eintritt für den teilweisen Ausfall der inhaltlichen Wahrheit, diesen verdeckt. Und wie die ästhetische Form den Aphorismus aus dem Weltzusammenhang gleichsam enthebt und ihn logisch unangreifbar macht, so bewirkt sie auch beim Rezipienten eine Ausschaltung aller von der tatsächlichen Geltung her genommenen Einwände, sie zwingt den Intellekt oder das Gefühl des Genießenden nur, bei der im Aphorismus dargebotenen Seite der Dinge zu verweilen, sie läßt durch ihre ausweitende Symbolkraft kein Gefühl des Mangels bei ihm aufkommen. Wie sie die Dinge in den Aphorismus zwang, so zwingt sie den aufnehmenden Geist, die Dinge aufzunehmen, - rückhaltslos, wie sie der Aphorismus darbietet. (Klar?)" 5 «

Es scheint fast, als entwickele Cale seine Gattungsreflexion hier in bewußter Opposition gegen die zeitgenössische Aphoristik mit ihren auffällig gehäuften abschwächend-einschränkenden (Zeit-)Adverbien, etwa bei Kalischer, Sirius oder Goldschmidt. In einem doppelten Zwang gipfelt die Aufzeichnung, die mit ihrem abschließenden „(Klar?)" deutlich in vorläufiger Selbstbefragung bleibt. Zwei Elemente sind dabei zusammengefaßt und in bisher nicht gekannter Schärfe und Entschiedenheit formuliert. Die Vorstellung vom Zwang des Aphorismus, die von Begriffen wie Kraft, Stärke, Essenz her seine Begriffsgeschichte durchzieht, wird hier konsequent nicht nur auf die Rezeption, sondern auch auf das Verhältnis

Ebd. S. 330f. Zur aphoristischen Lektüre vgl. unten S. 378. 5» Ebd. S. 331.

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von Ästhetik und Logik in ihm angewandt. Was den Aphorismus logisch wie für den Rezipienten unangreifbar macht, so der Kern der Argumentation, das ist seine ästhetische Form. Damit wird er, wie es von Nietzsche vermittelt ist, eindeutig als ein Teil der Dichtung gedacht. Was dort als „Glaube in der Form", als Einsicht in sein „starkes Licht und Dunkel"534 die Überlegungen so durchzieht, daß man mit Recht urteilt, der Aphorismus werde von Nietzsche „in den höchsten ästhetischen Rang erhoben"535, ist hier unaphoristisch-diskursiv und damit eindeutiger formuliert; Kraus gesellt sich dem zur selben Zeit in seinen Aphorismen zum Wahrheitsgehalt von Aphorismen bei. Wer den Aphoristiker als reinen Dichter am ehesten verkörpert, ist zweifellos Peter Hille (1854-1904). Seine Rezeption durch Verehrer und Förderer verläuft von Anfang an in diesem Sinne und zieht sich als unbefragtes Klischee („ein Sänger des Schönen im Aphorismus", „er poetisiert den Aphorismus"536) bis in die wissenschaftliche Literatur hinein: „Der Aphorismus gibt seine oft so heiss umstrittene Stellung als Zwitter auf, er, der sonst weder der Wissenschaft, noch der Kunst angehörte, wird zu einer dichterischen Gattung erhoben"53^ („Nach" Nietzsche zu schreiben bedeutet in diesem Fall nichts als gründliche Kenntnis, Hille mag sich zu ihm „hingezogen"538 fühlen oder nicht.) Neben Morgenstern ist Hille wohl auch der einzige, der im allgemeinen germanistischen Bewußtsein (wenn man denn ein solches konstruieren darf) als Verfasser von Aphorismen seinen Platz hat. Das ist mit einigen wenigen Fakten erklärt. Als „König der Aphorisme" feiert ihn Wilhelm Arent schon 1897 in einem im Deutschen Musenalmanach gedruckten Gedicht539, aus dem sich außer dem weit hergeholten Vergleich mit Hamann allerdings nichts als eine geschulte Reimtechnik („Ein Mann des Worts, ein Held der Stille, / Der Aphorisme König Hille") zum Zwecke freundschaftlicher Huldigung („Er schmiedet goldne Aphorismen") herauslesen läßt. Für Julius Bierbaum ist er der „Stimmungsaphorist"540, „Gestalten und Aphorismen" nennen die Brüder Hart 1901 die Texte im zweiten Band der von ihnen herausgegebenen „Ge534 535 536 537 538 539

540

Vgl. oben S. 192. Vgl. oben S. 203. Nacht: Pflugschar und Flugsame. 1922, S. 15. Brinkmann: Leben und Aphorismenwerk Peter Hilles. 1949, S. 37 Droop. In: P. H.: Aus dem Heiligtum der Schönheit. 1909, S. 16. Hier zit. nach Hille: Ich bin, also ist Schönheit. 1981, S. 230f. Hier wie andernorts sind auch zahlreiche „Aphorismen" Hilles abgedruckt; vgl. die Bibliographie Nauseds in Hille: Eine Einführung in sein Werk und eine Auswahl. 1957, S. 85ff. Zit. nach Biese: Lyrische Dichtung und neuere deutsche Lyriker. 1896, S. 231. In Bierbaums „Stilpe" verfaßt Hille als „der Peripatetiker" seine Aphorismen.

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sammelten Werke"541. Schon aus Droops Edition von 1909 ist ersichtlich, wie bereitwillig und unhinterfragt diese von Arent und Hart vorgegebene Rezeptionslinie weitergeführt wird: „Der Aphorismus ist Hilles Stärke, hier ist er alles, hier ist er König"542. Und mit dieser Selbstverständlichkeit setzt sich der Begriff für Hilles breit verzetteltes Werk über die Dissertation Brinkmanns zu „Leben und Aphorismenwerk" 543 von 1949 bis zu den „Essays und Aphorismen" der „Gesammelten Werke" von 1984-86544 fort. U m so skrupulöser ist angesichts dessen auf Hilles eigene terminologische Intentionen, soweit sie zu eruieren sind, zurückzugehen. Michael Kienecker macht - streng nach Fricke - die Probe auf die Gattungsechtheit und bietet nebenbei, wie vorher schon im Ansatz Brinkmann, auf der Basis seiner Kenntnis des Nachlasses dazu die nötigen Informationen. Hille bezeichnet seine Notizen in den Handschriften wie selbstverständlich als „Aphorismen", aber auch als „Knappheiten", „Einfälle", „Narrensprüche" oder „Gedankenherzblutblätter", die von ihm als „TransvaalAphorismen" bezeichneten aber schieden aus der Gattung aus545. „Hille selbst versuchte immer neue Bezeichnungen zu finden, um den Einfall, die spruchhafte Konzentration, die poetische Verdichtung ins Wort zu fassen"546. Von einem Dichter wie Hille kann man zu allerletzt begriffliche Konsequenz und Klarheit erwarten. So bleibt fürs erste nur festzuhalten: „Keine literarische Form aber charakterisiert Hilles Eigenart deutlicher als der Aphorismus. Freilich läßt sich vieles nur gewaltsam und allenfalls äußerlich diesem Oberbegriff zuordnen" 54 ? Diese zutreffend vorsichtige Einschätzung weicht in ganz typischer Form in den „Gesammelten Werken" dem Bestreben nach normierender Vereinheitlichung. „Wir sind angekommen im Lakonismus der Stimmung. Die Andeutung hat ihre Klassizität erreicht: Der Aphorismus blitzt" 548 . Das scheint zweifellos ein programmatischer Aphorismus Hilles, in dem die „Stimmung" den bedenkenswerten Kern bildet. Es spiegelt aber nicht seine Intentionen, sondern die seiner Herausgeber, wenn sie eine Nachlaßaufzeichnung unter anderen hier als das Motto zu den „Aphorismen" ihrer Edition herausheben, die sie damit einer einheitlich bezeichneten Gattung einzuordnen versuchen.

541 542 543 544 545

546 547 548

Hille: Gesammelte Werke. Bd. 2. 1904. Vgl. Heinrich Hart: Peter Hille. 1904. Droop. In: P. H.: Aus dem Heiligtum der Schönheit. 1909, S. 15. Brinkmann: Leben und Aphorismenwerk Peter Hilles. 1949. Hille: Gesammelte Werke in sechs Bänden. 1984-86. Brinkmann: Leben und Aphorismenwerk Peter Hilles. 1949, S. 34; Kienecker in: Hille: Gesammelte Werke. Bd. 6. 1986, S. 349. Fr. Kienecker. In: Hille: Neue Welten. Gedichte, Prosa, Aphorismen. 1979, S. 62. Ebd. Hille: Gesammelte Werke. Bd. 5. 1986, S. 38 und 299.

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Begriffs- oder gattungsreflektierende Äußerungen Hilles selbst sind, wie zu erwarten, selten. Brinkmann zitiert eine Definition, die über seine „Höchst"schätzung hinaus nichtssagend bleibt: „Aphorismus ist letzter und höchster Gedankengipfel"549. Von höherem, weil zeitdiagnostischem und in Selbstabhebung kritischem Anspruch („unorganisch") ist es da schon, wenn er formuliert: „Sonderbare Zeit, auf der einen Seite Aphorismenschwere, hinter allerlei äußerlichen, darum unorganischen Titeln: Nietzsche, Multatuli. Ein anderer Flügel sorgsam nüchtern, elend genau, aber wahr"550. Auch die folgende Äußerung aus einem Aufsatz über Eichendorffs Lyrik beschreibt und rechtfertigt zweifellos die eigene Art des Dichtens: „Diesen Moment, diese augenblickliche Vermählung muß man erhaschen, verewigen die Erscheinung. Ist die Glut versprüht, steht der Dichter nüchtern da wie jedes andere Menschenkind"551. Bernhardt schließt daraus: „Das Aphoristische seines Werkes wird damit theoretisch legitimiert"552. Das trifft insofern zu, als hier eine bedingungslose Hingabe an den „Einfall" „theoretisch legitimiert" wird. Da ist keine Spur von der ambivalenten Reflexion Cales, keine Idee auch von Nietzsches „Kunst der Sentenzen-Schleiferei"553. Vorstellungen wie die vom „Aphorismus als dem letzten Ring einer Gedanken-Kette" (Ebner-Eschenbach) passen überhaupt nicht zu Hilles Begriff. Der so oft von den Aphoristikern reflektierte Weg zwischen Einfall und Fixierung schrumpft hier gegen Null. Und genau das bezeichnet Stärken wie Schwächen seiner Aphoristik. Sie ist kritisch noch erst ganz unzureichend gewürdigt. Brinkmanns bravem empirischen Vorgehen wird der Aphorismus nicht zum Problem; ihr dankt man Einsichten wie die, daß 30% der Aphorismen einsätzig sind554. Kienecker hält sich allzu ängstlich an eine Autorität und verfährt genau nach Frickes Rezept555. Auch in unserem Rahmen lassen sich aus 549 550 551 552 553 554

555

Zit. nach Brinkmann: Leben und Aphorismenwerk Peter Hilles. 1949, S. 36. Hille: Neue Welten. Gedichte, Prosa, Aphorismen. 1979, S. 56. Hille: Gesammelte Werke. Bd. 5. 1986, S. 151. Hille: Ich bin, also ist Schönheit. 1981, S. 192. Vgl. oben S. 190. Brinkmann: Leben und Aphorismenwerk Peter Hilles. 1949, S. 44. Vgl. Cantarutti: Aphorismusforschung im deutschen Sprachraum. 1984, S. 124f. Pohlmann, der sich nicht (in erster Linie) auf die Aphorismen bezieht, bietet neben Bekanntem („Die impressionistische Dichtung zeigt ihre literarischen Qualitäten vorwiegend in der Lyrik, in Aphorismen und anderen Formen der Kurzprosa", S. 280), Banalem („Form in der Kunst bezeugt den künstlerischen Gestaltungswillen", S. 274) und Holprigem („Im Blick auf Hille ist die Dominanz der Spontaneität eindeutig vor der formalen Pflicht erkennbar", S. 65) auch einiges, das eine Auseinandersetzung lohnte („Hilles aphoristische Selbstzeugnisse lassen den Schluß zu, daß hinter der Formlosigkeit seiner Werke nicht Unvermögen, sondern Absicht steht", S. 65), vor allem den Blick auf das Wechselspiel von „Spontaneität und Form" selbst (Pohlmann: Spontaneität und Form [Hille]. 1985).

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der Formulierung des Mangels und von Hilles Begriffsverständnis her nur Andeutungen machen. Der Grundtyp der Aphoristik, wie er sie versteht, ist die Definition als poetische Setzung. Sie eröffnet mehr Ahnung als Einsicht („Der Mensch ist ein atmendes Gesetz" 556 ), ist unangreifbar bekenntnishaft („Der Humor ist der Modelleur der Welt"557) oder auch gefährlich tiefsinnig („Schönheit ist Stillsein, tief und einmal alles fassen" 558 ). Wilhelm Lennemann beschreibt das nicht unkritisch und ziemlich gut schon 1908: „Seine Stärke aber liegt im Aphorismus, wo er den Extrakt aus der Gesamtheit des Geschauten in wenige Worte zusammendrängt und blitzartig den ganzen Vorstellungskomplex beleuchtet - freilich auch hier häufig auf Kosten eines allseitigen Verständnisses"559. Um mit Hille selbst zu sprechen: „Es ist nicht alles Talmi, was glänzt"560, aber doch so manches, und anderes glänzt nicht einmal: „Der Schweiß ist die Träne der Arbeit" 561 ; „Sozialismus ist Trauer"562. In der „Enzyklopädie der Kleinigkeiten" 563 hat er diese Form des poetischen: metaphorisch-assoziativen Definierens zum Prinzip erhoben, auch hier mit unterschiedlichem Gelingen. Während sich ein Assoziationsraum auch für den Leser in diesem Fall noch öffnet: „Farben sind nur eine Freigebigkeit, ein Almosen der Dinge"564, schlägt an anderer Stelle das bemühte Gesuchte seiner autoritativen Spontaneität doch stark durch, ob er sich ins Poetische verliert („Klavier ist ein klingend Veilchen"565) oder ins Modernistische: „Der Dampfwagen ist ein verbissen vorbeirasselnder Kampfknäuel feindlicher Elemente"566. Hille betont das

Hille: Neue Welten. Gedichte, Prosa, Aphorismen. 1979, S. 47 557 Ebd. S. 56. 558 Hille: Aus dem Heiligtum der Schönheit. 1909, S. 31. 559 Lennemann, zit. nach Kienecker (Hg.): Peter Hille. 1986, S. 44. 560 Hille: Neue Welten. Gedichte, Prosa, Aphorismen. 1979, S. 49. 561 Ebd. S. 51. 5" Ebd. S. 60. 5« Hille: Ich bin, also ist Schönheit. 1981, S. 116-142. 564 Ebd. S. 120. 5« Ebd. S. 126. 566 Ebd. S. 118. - Der Vergleich mit anderen Wörterbuch-Versuchen, mit Ambrose Bierce's „The Devil's Dictionary" (1906, dt.), Albert Paris Güterslohs „Der innere Erdteil. Aus den ,Wörterbüchern'" (1966), Rudolf Rolfs' „Schlag nach bei Rolfs" (1967), Ludwig Marcuses „Wörter-Buch für Zeitgenossen" „Argumente und Rezepte" (1967), Heimito von Doderers „Repertorium" (1969), Roben Lembkes „Zynischem Wörterbuch" (1970), Gerd Wollschons „Sudel-Lexikon. Satirisches Wörterbuch für gelernte Deutsche" (1977)), Jürgen von der Wenses „Epidot" (1987), Manfred Rommels „Politischem Lexikon" (1996), aber auch den „Lebenserfahrungen und Weltansichten" (1811) Ernst Wagners und vielleicht dem frühen französischen Vorläufer Ph. de Sainte-Foix d'Arcq „Mes loisirs ou pensees diverses" (1755) würde Hilles eigene ,definitorische' Leistung gegenüber dem offenbar Satirischen möglicherweise genauer erkennen lassen. - Vgl. auch Schmitz-Emans: Das Wörterbuch als literarisches Spielzeug. Rabener und Lichtenberg. In: Lichtenberg-Jb. 1993, S. 141-167 556

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Moment des „Einfalls" im Begriffsfeld „Aphorismus" stark, einseitig und bedingungslos und zieht den Begriff auf diese Weise - nicht immer zu seinem besten - am entschiedensten in das so verstandene Poetische hinüber (ohne daß es schulbildend und damit auf längere Sicht begriffswirksam würde). Sein Vagantenleben, seine Religiosität und Kindlichkeit, sein Versuch, Dichtung zu leben („Dichten, wie ich's verstehe, heißt nicht schöne Worte, heißt schönes Leben machen"567; „Ich leide Dichtung"568): all das fordert zu einer Mythisierung geradezu heraus; er arbeitet ihr tüchtig vor („Poesie und Wirklichkeit kommen in mir zusammen"569), und allzu oft gleicht er für seine Interpreten durch seine Biographie aus, was er literarisch vermissen läßt, ohne daß sie sich Rechenschaft darüber gäben. Karl Kraus (1874-1936) beteuert mehrfach, Nietzsche nicht gelesen zu haben570. Er druckt aber Nietzsche-Aphorismen in der „Fackel" ab571, und auch die zahlreichen Anspielungen auf ihn schon seit 1899 sprechen eine andere Sprache. Timms, der den Einflüssen genauer nachgeht und in „Sprüche und Widersprüche" beispielsweise einen versteckten Hinweis auf Nietzsches „Sprüche und Zwischenspiele" sehen will, kommt zu dem Ergebnis: „Klar ist auch, daß Nietzsche eine Vergleichsgröße für Kraus' Entwicklung als Aphoristiker darstellte"572. Ein Beispiel dafür von Nietzsches „Sprüchen und Pfeilen" her ist die Pfeilmetaphorik573. Kraus hat Anlaß, sich gegen das übermächtige Vorbild zu behaupten und abzuheben. Er fordert geradezu zum - zweifellos für ihn günstigen, wie zumindest er nicht zweifelt - Vergleich heraus: „So wäre es endlich eine heilsame Abfuhr für mich, wenn einer die besten von den richtigen Aphorismen Nietzsches neben die besten von meinen falschen stellen wollte"574. Auf keinen Fall will er sich, wie einige seiner Rezensenten es tun, „Arm in Arm mit Nietzsche"575 sehen. Er scheut auch in diesem Fall nicht vor der

567

Hille: Neue Welten. Gedichte, Prosa, Aphorismen. 1979, S. 54. Ebd. 569 Hille: Ich bin, also ist Schönheit. 1981, S. 148. 570 Z. B. Die Fackel Nr. 324-325 v. 2. 6. 1911, S. 55. 571 2 . B. Die Fackel Nr. 253 v. 9. 5. 1908, S. 20; Nr. 254 v. 22. 5. 1908, S. 25 oder Nr. 293 v. 4. 1. 1910, S. 27f. - Auch in der Auseinandersetzung mit Kerr spielt die Frage dieser Abhängigkeit eine wesentliche Rolle; vgl. Die Fackel Nr. 326/27/28 v. 8. 7. 1911, S. 29: „Er [Kraus] hat sich aber, infolge des Hinweises auf seine tatsächlich vorhandene Dummheit, zur Niederschrift von Afforismen bewegen lassen. [...] Nietzscherl. Mehr sag ich nicht". 572 Timms: Karl Kraus. 1995, S. 274. 573 Vgl. unten S. 295f. 574 Die Fackel Nr. 345-346 v. 31. 3. 1912, S. 38. =75 Karl Bleibtreu, zit. in: Die Fackel Nr. 279-80 v. 13. 5. 1909, S. 22. 568

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üblichen schärfsten Polemik zurück: „Er ist zeitgemäß; in zwanzig [Jahren] wird es keinen Satz von ihm geben"576. Wo er noch Argumente als Waffen bemüht, hört sich das so an: „Ich habe aus allem, was ich über ihn und aus ihm gelesen habe, das Gefühl, daß er den Aphorismus besser geschmeckt als gekonnt hat, und keiner seiner oft zitierten Prägungen kann ich mehr abgewinnen als den Eindruck von einer Erregung, die ohne die Brücke des Humors zu einem gegebenen Pathos hinübergelangt" 577 Nun kann man „Erregung" und „Pathos" „ohne die Brücke des Humors" gewiß auch in Kraus' eigenem aphoristischen Werk wiederfinden. Nietzsche weiß, was der Aphorismus ist und kann, aber er weiß ihn nicht zu machen: Entscheidend ist, daß Kraus mit dem abwertenden Urteil „besser geschmeckt als gekonnt" das Rezeptive bei dem Vorgänger gegen das Produktive ausspielt und seinen eigenen, in der Regel pointierter und damit - anscheinend oder scheinbar? - bewußter geformten Aphorismus als Idealfall und Muster dagegenhält. Damit ist Kraus ein Kapitel für sich. Mit Otto Erich Hartlebens (1864-1905) „Aphorismen" in der „Modernen Dichtung" von 1890 kündigt sich eine - gewiß auch von Nietzsche (mit-)beeinflußte - Entwicklung hin zu breitester Aphorismen-Produktion der Modernen um und nach 1900 an. Die Herausgeber der acht Blätter „Aphorismen", die 1938 aus dem Archiv der „Modernen Dichtung" gedruckt werden 578 , veröffentlichen sie mit Recht unter dem längst eingebürgerten Gattungsbegriff. Auch von Hermann Conradi (1862-1890), der als begeisterter Nietzsche-Verehrer bekannt ist und in dessen Werk Alexander Tille schon 1896 „nur allzu deutlich"579 Nietzsches aphoristischen Stil übernommen sieht, stammen einige Aphorismen als „Herbes und Derbes. Glossen in Reim und Prosa" 580 und „Gedanken"581. Die wenigen Aphorismen in den Tagebuchblättern von Cäsar Flaischlens „Jost Seyfried" (1904) stehen gleichfalls in diesem Kontext („Nietzsche! ja, er hat es versucht! Läutet die Glocken, wenn sein Name genannt wird!" 582 ). Und selbst zu den heute nur noch wenig bekannten, aber zum Teil in ihrer Zeit populären Aphoristikern, wie sie im folgenden auf einen mög-

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580 581 582

Die Fackel Nr. 577-582, November 1921, S. 64. Die Fackel Nr. 2 7 9 - 2 8 0 v. 13. Mai 1909, S. 22. - Die Fackel Nr. 345/346 v. 31. 3. 1912, S. 37 Hartleben: Aphorismen. 1938. Tille: Deutsche Lyrik von heute und morgen. 1896. Zit. nach Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 1. 1978, S. 166. Conradi: Gesammelte Schriften. Bd. 1. 1911, S. 233-235. Ebd. S. 235-241. Flaischlen: Jost Seyfried. 1. Bd. (= Gesammelte Werke. 3.). 1921, S. 48.

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liehen Beitrag zur Begriffsgeschichte hin untersucht werden, zu Otto von Leixner, Paul Kunad und Josef Unger, zu Paul Nikolaus Cossmann und Peter Sirius, die als „Schüler" bezeichnet werden583, sogar zu Carmen Sylva sind Verbindungslinien zu ziehen, ohne daß der Einzelnachweis zu führen wäre, daß sie von Nietzsche speziell auch den Begriff übernähmen. So muß es in all diesen Fällen bei der Feststellung der möglichen bis wahrscheinlichen (Mit-)Beeinflussung durch dessen Aphoristik bleiben. Nietzsches Einfluß auf die aphoristische Literatur ist darüber hinaus nachweisbar bei Stefan George und den „Blättern für die Kunst"584, bei den Österreichern Hofmannsthal, Fischer, Kuh, Friedeil oder Dallago585, bei Emil Stein, Paul Hatvani und Kurt Hiller so gut wie bei Walter Benjamin, Salomo Friedlaender oder dem unbekannten Johannes Nacht (die „Pflugschar" im Titel seines Aphorismenbuches ist der Titel einer von Nietzsche geplanten „Unzeitgemäßen Betrachtung"), später bei Musil, Benn und anderen, im weiteren bis zu Einzelfällen wie den literarischen Anfängen Georg Trakls 1908586. Die Liste hat kein Ende. Daneben bezeichnen die formal deutlich an das Vorbild angelehnten kämpferisch antidemokratischen „Kulturkritischen Aphorismen" „Fortschritt ins Nichts" Wladimir von Hartliebs (1928) einen ganz anderen Nachfolge-Strang. In dem Maße, in dem der Abstand zu Nietzsches Lebzeiten wächst, wird aber die Wahrscheinlichkeit kleiner, daß daraus auch eine spezifische terminologische Abhängigkeit zu konstruieren wäre. Spätestens nach Leitzmanns Lichtenberg-„Aphorismen" und eben auch nach Kraus ist der Begriff so allgemein durchgesetzt, daß dafür ein Rückgang auf Nietzsche gar nicht mehr nötig ist.

583

Fürst: Deutsche Aphorismen. In: Vossische Ztg. Nr. 47, 1905. Zu ihren zahlreichen Merksprüchen, auch zu ihrer Situations- und Zeitbezogenheit und zur Frage ihrer Autorschaft vgl. Kluncker: Die Blätter für die Kunst. 1974, S. 93-96. 585 Die Spezialliteratur ist entsprechend umfangreich, zum Beispiel zu Musil Meyer: Nietzsche und die Kunst. 1993, S. 415-417 und - in Bezug auf den Aphorismus allerdings unzureichend - Gahn: Musil und Nietzsche. Zum Problem von Kunst und Erkenntnis. 1980. 586 Weichselbaum: Georg Trakl. 1994, S. 42 druckt einen Aphorismus „des jugendlichen Nietzsche-Anhängers" im Faksimile ab; vgl. Trakl: Dichtungen und Briefe. Hist.-krit. Ausgabe. Bd. 1. 1969, S. 463. 584

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3. „Aphorismen" und „Gedankensplitter" um die Jahrhundertwende (Roderich, Sirius, Bias, Goldschmidt, Stettenheim, Busch, Kunad, Leixner, Pauly, Hartenrein, Carmen Sylva, Ecard, Cossmann, Blumenthal, Ernst, Weiss, Unger, Gersuny, Marcus, Jaffe, Stein, Garin, Kalischer, Baer- Oberdorf, Münzer, Wertheimer u. a.) Verschiedene Tendenzen charakterisieren die Aphoristik der Jahrhundertwende. Von den bekannteren und bedeutenderen Autoren wie Morgenstern oder Hille abgesehen, die bei aller dialogischen Traditionsbezogenheit der Gattung ein je eigenes Gepräge zu geben suchen, findet sich auf der einen Seite der klassische „Gedankensplitter", der augenzwinkernd menschliche Schwächen aufdeckt, humoristische Lebensregeln gibt und im plattesten Wortwitz endet. Von derselben Vorstellung von Lebensweisheit' ausgehend, gibt es auf der anderen Seite in Fortführung der Linie von Oertzen und Auerbach aus eine aphoristische Literatur der Innerlichkeit und der Werte des „Herzens", die Lebenskunst als Lebenshilfe bieten möchte, eine speziell weibliche Variante hat und die man in Anlehnung an populäre zeitgenössische Lyrik GoldschnittAphoristik nennen kann. Und schließlich zeigt sich als Fortführung klassischer Moralistik eine Aphoristik, die sich gleich weit entfernt vom „Gedankensplitter"-Witz wie von der sterilen Idealität des GoldschnittAphorismus halten möchte, diesem selbstgestellten Anspruch aber nur in relativem und individuell natürlich sehr verschiedenem Ausmaße gerecht wird. Auch die Aphoristik des „Herzens" versteht sich als Moralistik, auch ein Mitarbeiter der „Fliegenden Blätter" wie Albert Roderich läßt die Ideologie, die die Werte von Herz und Gemüt gegen Geist und Verstand ausspielt, als selbstverständlich erkennen: Eine Unterscheidung ist nur der Tendenz nach, nicht prinzipiell möglich. Auf Stammbuch-Brauchbarkeit hin konzipiert sind sie alle. Wo der Gattungsbegriff Selbstverständlichkeit gewonnen hat, ist auch eine Trennung in Autoren, die sich des Begriffes bedienen und damit zu erkennnen geben, daß sie sich in eine Gattungstradition stellen wollen, und anderen, die nach eigenen Metaphern für etwas eher singular Gedachtes suchen, obsolet geworden. Bei Carl Spitteier, Arno Nadel, Josef Unger etwa, die innerhalb ihrer Texte wie selbstverständlich von „Aphorismen" sprechen, findet sich der Begriff in Titel oder Untertitel nicht. Andererseits: Wenn ein so eigenständiger Geist wie Walter Rathenau in seinen „Reflexionen" von 1908, die neben längeren Betrachtungen auch als „ungeschriebene Schriften" regelrechte Aphorismen enthalten, den Begriff vermeidet, ist dahinter eine bewußte Entscheidung zu vermuten. Der Rezensent Stefan Zweig spricht da ganz selbstverständlich von „Aphorismen", „heißen Funken, abgesprengt vom Hammerschlag einer Tätig-

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keit"58? In der Einleitung „Zur Mechanik des Geistes" schreibt Rathenau dazu, daß zwar jede Darlegung, „die sich der stolzen Gangart der Systematik bedient, in Gefahr gerät, abgetretene oder verbotene Straßen zu durchlaufen". Aber: „Vermeidet sie das Übel durch Wahl aphoristischer Formen, die im Sprung ihr Terrain erobern, so muß sie bei allem Vorteil leichterer und unverantwortlicher Aussprache auf Vollständigkeit, Abrundung und Klarheit verzichten"588. Und von eben diesen verschiedenartigen Formen, „die im Sprung ihr Terrain erobern", und von dem zweifellos nicht immer unanfechtbaren Vorteil der „leichteren und unverantwortlichen" Schreibart muß beim Aphorismus der Jahrhundertwende die Rede sein. Ein fester Bestandteil der ab 1844 erscheinenden und sehr erfolgreichen Münchner kleinbürgerlich-humoristischen „Fliegenden Blätter"589 sind „Splitter", „Gedankensplitter", „Gedankenspäne", die in einem durchweg witzig verstandenen Umfeld neben großformatigen Bildwitzen, Rüstigen' Versen und Dialogen die Funktion von Seitenfüllern haben. Mit einem Hauch von Pointe - den Kopf oder den Knopf verlieren, eine Mesalliance als Mußalliance - gibt sich diese wöchentlich erscheinende, zum alsbaldigen Verbrauch gedachte massenhafte Produktion zufrieden. In der glänzendsten Periode der Zeitschrift, nach der Reichsgründung und ihrer Verbreitung auch in Norddeutschland, werden in den Jahren 1881 bis 1901 daraus in vier Bänden „Gedankensplitter" herausgegeben, Zeichen ihrer außerordentlichen Beliebtheit. „Humor ist der Schwimmgürtel auf dem Strome des Lebens"590. Diese witzige Sentenz weist die Richtung. Die Auswahl der Aphorismen und Reimsprüche reicht, meist handlich alliteriert oder gereimt, von „Leben und Streben" über „Geld und Gut" und „Ehr und Wehr" bis „Tod und Grab"; der vierte Band ist als „Gedankenschatz" alphabetisch geordnet. Sie stehen hier wie im Original oft anonym oder mit Initialen versehen. Wenn es im gereimten Vorwort zum zweiten Teil heißt: „Wahrheit schmeckt gewöhnlich bitter, Doch zertheilt in kleine Splitter, Homöopathisch - ohne Zucken Wird man sie hinunterschlucken" 591 ,

587 588

589 590 591

Zweig: Neue Freie Presse 18. 9.1908; zit. nach Prater, Michels: Stefan Zweig. 1981, S. 83. Rathenau: Zur Mechanik des Geistes. 1913, S. 18. Die Aphorismen in seinen Notizbüchern wurden „vorwiegend in den Jahren zwischen 1903 und 1908" aufgezeichnet (Rathenau: Auf dem Fechtboden des Geistes. 1953, S. 13). So bezeichnet schon Jacobi seine Aphorismen; s. oben S. 58. Gedankensplitter. Bd. 2, S. 3. Gedankensplitter. Bd. 2, Vorwort (unpag.).

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so ist schon damit hinreichend deutlich, daß es sich hier analog zu Stammbuchpoesie um eine Stammbuchaphoristik handelt. Sie dient einerseits zur ebenso kurzzeitigen wie folgelosen Erheiterung. Andererseits steht sie als Fertigteil-Aper^u in der Konversation wie eben in der merk- und zitierbaren, griffigen ,milden' Lebensweisheit des Stammbucheintrages zur Verfügung, die sich als Menschen- wie Selbstkenntnis aus der ,im Register verzeichneten' fremden wie eigenen „Thorheit", wie es im Vorwort zum dritten Band heißt, leichter herauslesen läßt als aus „all den großen Thorheitsfolianten" 592 . Weitere Beliebtheits- als Verkaufsargumente schließen sich im Vorwort zum zweiten Band an: „Gedankensplitter" seien „faßlicher" als schwer zu lesende Folianten, selbst der kleinste Splitter habe bei Gedanken wie bei Diamanten Wert. Hier wird einseitig allein auf die Kürze rekurriert, der ,Faßlichkeits'-Vorteil gerade einer ausgeführten und redundanten Darstellung bleibt unerörtert. Ebenso naiv ist die durch den Vergleich evozierte Vorstellung, der Gedanke an sich sei wertvoll, völlig unberücksichtigt bleibt die Frage nach dem Gehalt eines solchen „Gedankens". Die Popularität dieser „Gedankensplitter" hat eine Flut von ähnlicher Literatur zur Folge, die mit und nach Nietzsches Aphoristik und unabhängig von diesem Einfluß auf den literarischen Markt drängt. Besonders genau beobachtet Berg 1905 diese Zweigleisigkeit: „Der Aphorismus grassierte in den deutschen Zeitungen lange vor Nietzsche und fliesst aus zwei Quellen" 593 . Und wo er die beiden Quellen analysiert, verurteilt er diese „Schmarotzerliteratur" in ätzender Schärfe: Das sei zum einen ihre Füllsel-Funktion, zum andern aber Banalität als Denkfaulheit oder scheinbare Geistreichheit. Wollen diese „Gedankensplitter" sich in zutreffend bescheidener Selbsteinschätzung als etwas minderes Anderes, etwas definitorisch deutlich von „Aphorismen" Unterschiedenes sehen, schließen sie sich dadurch selbst aus der Geschichte des Begriffes aus? Und - sollte das zutreffen darf der kritische Betrachter dieser prinzipiellen Trennung folgen? Verrät ihre Bezeichnung nicht tatsächlich schon „die geradezu konträre Natur dieser Literaturgattung der Presse" 594 , wie Berg meint? Versuche zur begrifflichen Trennung sind schon in geringem zeitlichen Abstand unternommen worden. So heißt es als Einleitung in eine Sammelrezension 1909: „In einer Aphorismensammlung suche ich den Abdruck einer Persönlichkeit oder Weltanschauung. Innerlich zusammenhanglosen Gedankensplittern fehlt der Boden des Charakters" 595 . Eine 592

Gedankensplitter. Bd. 3, S. 3f. Berg: Der Aphorismus. In: L. B. Aus der Zeit - gegen die Zeit. Essays. 1905, S. 174. ™ Ebd. 595 Stössinger: Spruchweisheit. In: Lit. Echo 12, 1909/10, Sp. 183. 593

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ähnliche Zweiteilung versucht auch Meyer vorzunehmen, wenn er „solche, in denen wirklich ganz locker beliebige Einfälle nebeneinander stehen, und solche, in denen sie sich zu größeren Einheiten zusammenschließen"596, unterscheidet. Das in der Tat äußerst wichtige Kriterium eines inneren Zusammenhanges des äußerlich Zusammenhanglosen soll der Unterscheidung dienen, und wo immer ein strenger qualitativer Dualismus wertvoller „Aphorismen" einerseits, trivialer „Gedankensplitter" andererseits vorgenommen wird, da liegen zweifellos solche Vorstellungen zugrunde. Nun läßt die Metaphorik der Splitter (von Glas) oder Späne (von Holz) bei dem mit Gewalt von etwas großem Ganzen abgetrennten Kleinen zwar die Kernfrage unentschieden, ob da beliebige Splitter oder Späne von irgendetwas herumliegen oder ob da(hinter) etwas größeres Gemeinsames zu entdecken ist, von dem sie abgesplittert sind oder abgeschlagen wurden, tatsächlich aber handelt es sich in der Praxis bei den „Gedankensplittern" in aller Regel um geistreich-witzige Trivialitäten, die auf der Ebene ihres Vorbildes aus den „Fliegenden Blättern" bleiben59? In der einen Richtung läßt sich also der Tendenz nach eine solche qualitative Unterscheidung halten, in der andern aber mit guten Gründen nicht. Zahlreich sind die Fälle, in denen Autoren als Verfasser von „Aphorismen" in Abhebung von der trivialliterarischen Mode ihr Werk terminologisch aufwerten wollen, und auch die kritischen Autoren - Berg spricht von den „Aphorismen" in den Zeitungen vor Nietzsche - lassen jede Konsequenz vermissen. So läßt sich keine scharfe definitorische Trennung begründen, die von heuristischem Wert wäre. Hermann Linggs Erinnerungen (1899) bleiben bezeichnend in der Schwebe zwischen Aufzählung und Gleichsetzung: „Was ich damals schrieb, blieb alles, Prosa wie Poesie, Bruchstück: Aphorismen, rasch hingeworfene Gedankensplitter, kurze Beobachtungen, auf Zettelchen in die Brieftasche, flüchtige Bemerkungen"598. 596 Meyer: Nietzsche. 1913, S. 297 597 Von daher kommt auch Czerny: Sterne, Hippel und Jean Paul. 1904, S. 28 auf den Begriff für Hippel. - Auch hier läßt aber die metaphorische Verpackung keinen eindeutigen Schluß auf den Inhalt zu, wie beispielsweise die „Splitter und Späne" genannten historischen Aufsätze Julius von Pflugk-Hartungs (1908-1909) und Heinrich Vierordts „Deutsche Hobelspäne. Stoßseufzer und Stammbuchblätter" (1909) beweisen. „Späne" werden schon im „Tunnel über der Spree" die Gedichte gennant, die die Mitglieder einander vorlesen (Reuter: Fontane. 1. Bd. 1968, S. 182.). Die Metapher ist im übrigen nicht blaß und nicht abgenutzt genug, um nicht bis in die Gegenwart hinein zu überleben, wie Emanuele Meyers „Splitter und Funken" (1921), Adolf Stütz' „Gedankensplitter im Alltag" (1928), Friedl Beutelrocks „Splitter und Späne" (1948), Werner Bukofzers „Splitter" (1968), Gregori Latschs „Denksplitter" (1977), auch Felix Pollak (Lebenszeichen. 1992, S. 11 Nr. 6) belegen. 598 Lingg: Meine Lebensreise. 1899, S. 97. Lingg gibt hier einige Selbstzitate aus seinen aphoristischen Anfängen.

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Nach der Prägung des Gattungsbewußtseins unter dem Begriff „Aphorismus" vor allem durch Nietzsche breitet sich die so bezeichnete Gattung jetzt, als ,leicht' mißverstanden, in ihren trivialen Ausformungen schnell aus, ohne daß der Begriff dabei aber ein exklusives Bezeichnungsrecht bekäme. Vielmehr gesellt sich ihm ein zeitbedingter, nahezu beliebig austauschbarer Name hinzu. Aus dem engeren Umkreis der „Gedankensplitter" aus den „Fliegenden Blättern" treten Albert Roderich (d. i. Albert Rosental, 1846-1938) und Peter Sirius (d. i. Otto Kimmig, 1858-1913) auch mit eigenen Sammelbänden hervor599. Eine seltene Ausweitung des Begriffes läßt dabei Roderichs „In Gedanken" (1907) erkennen, ein Bändchen, das seine Stammbuchverse „Fürs Herz", „Für den Kopf" und bezeichnenderweise „Fürs Album" „VersAphorismen" - so der Untertitel - nennt und in einem der raren ProsaAphorismen seinen gottesfürchtigen Humorbegriff zu erkennen gibt: „Fröhlich sein ist das beste Dankgebet" 600 . Mit dieser in die Lyrik hinübergreifenden Begriffserweiterung steht Roderich nicht ganz allein. Die drei Gedichte mit dem Titel „Aphorismus" in Hedwig von Olfers' (1800-1891) „Gedichten" (1892) sprechen vom „Ungewitter" des Lebens („Du kommst von einem Ungewitter / Immer nur in's andre") und der eigenen „Thorheit" („Wer Thorheit nie in sich erfand"601). Auch hier läßt sich der Begriff nur rein inhaltlich als Ausdruck bitter-melancholischer Lebenserfahrung verstehen und damit nicht anders denn als ein verspätet seltenes Zeugnis dafür, daß er aus dem Zusammenhang einer Literatur der Menschenkenntnis erwachsen ist. Karl Kraus hat sich des Mitstreiters Roderich und verbunden damit, in satirisch verletzender Umkehrung, des „Gedankensplitter"-Begriffes angenommen. Er zitiert aus der Neuen Freien Presse, ein Herr Bömly gebe seiner „Abneigung gegen die berufsmäßigen Aphoristen" Ausdruck: Er suche in jeder Nummer der „Fliegenden Blätter" „nach derjenigen Kategorie von Beiträgen, die wegen ihrer peinigenden Wirkung auf den damit in Berührung Kommenden als ,Splitter' bezeichnet werden" 602 . Dann fährt er, die „peinigende Wirkung" der „Gedankensplitter" und die der Presse verknüpfend, fort: Schon am nächsten Tag „brachte die Neue Freie Presse wieder eines jener Montags-Feuilletons von - Albert Roderich, die

599

600 601

6C2

Dangl: Fliegende Blätter. Diss. 1938 ist auch mit seinem Kapitel „Schriftsteller" (S. 3 6 - 4 1 ) nicht hilfreich. Roderich: In Gedanken. Vers-Aphorismen. 1907, S. 72. Von Olfers: Gedichte. 1892, S. 7 7 - 7 9 ; vgl. Biese: Lyrische Dichtung und neuere deutsche Lyriker. 1896, S. 210, der sie ohne weiteres als „Sprüche der Weisheit" zitiert. Fackel Nr. 50 v. August 1900, S. 23.

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ihre peinigende Wirkung auf die damit in Berührung kommenden Leserinnen und Leser auch nicht verfehlen .. ,"603. Der Gymnasialdirektor Otto Kimmig, der sich als einer der „berufsmäßigen Aphoristen" und Mitarbeiter der „Fliegenden Blätter" Peter Sirius nennt, baut sein Bändchen „Tausend und Ein Gedanken" von 1899 ganz ähnlich wie die „Gedankensplitter" in kleinen thematischen Gruppen mit zweigliedrigen, oft polar angeordneten Überschriften auf. Wenn der Kritiker der Vossischen Zeitung 1905 im Nebensatz meint, Sirius sei Nietzsche als einer seiner „Schüler" auf der Bahn der aphoristischen Kritik gefolgt und damit ein Beispiel für die mächtige Förderung des deutschen Aphorismus in der Gegenwart604, so begegnen wir dieser kritiklosen Vermischung des Heterogensten heute mit barem Unverständnis. Sirius gibt eine ganze Poetologie des Gedankensplitters. „Auch die Splitter des Gedankens glänzen, gleich den Diamanten, oft nur durch die Art der Fassung"605. Abgesehen davon, daß der Vergleich höchst fraglich ist, geht es ihm also weniger um Inhalte als um die Formulierung, als Ergebnis einer handwerklichen Fertigkeit gedacht, die sich nach Marktgesetzen richtet: „Auch des Gedankens Gold will gemünzt sein, soll es unter die Leute kommen" 606 . Etwas Äußerliches, Akzidentelles ist zugegebenermaßen das Wesentliche: die Beleuchtung („Es giebt Gedanken, die uns wie ein farbiges Glas mit einem Schlage alles in anderer Beleuchtung zeigen"607), der - dekorative - Rahmen: „Die besten Gedankensplitter sind die, die jedem wie Rahmen zu den Bildern seiner eigenen Erfahrung vorkommen" 608 . „Gedanken-Splitter nimmt man meist aus anderer Leute Augen"609: So trivial und gedankenblaß sind bei Sirius „Erfahrung und Lebensweisheit" (wie eines seiner Kapitel heißt610). Lebensweisheit wird verstanden als etwas Habbares und Brauchbares, etwas käuflich Nachschlagbares, eine Summe aus Büchmann-Wissen und Konversationslexikon: „Die Sprichwörter sind das Konversationslexikon der Lebenserfahrung"611. Wenn Sirius in seinen eigenen „Gedanken" gewissermaßen Angebote für aktuelle Sprichwörter liefert, so schimmert

603

Ebd. 604 Pürst: Deutsche Aphorismen. In: Vossische Zeitung Nr. 47, 1905. 605 Sirius: Tausend und Ein Gedanken. 1899, S. 43. «* Ebd. S. 40. 607 Ebd. S. 41. 608 Ebd. 609 Ebd. S. 141. 610 Ebd. S. 163-169. 611 Ebd. S. 169.

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dahinter eine vage Utopie von Schlichtheit, Volksnähe und zitierbarer Nützlichkeit auf. Ahnliches gilt für Raoul Dombrowskis (1833-1896) „Splitter. Schlichte Gedanken" von 1883, die der Untertitel in anderer Weise charakterisiert, als es dieser poetische Mensch intendiert („Sinnen und Träumen ist eine Geistesarbeit, die prosaische Menschen absolut unbegreiflich finden"612), und wohl auch für D. Haecks „Splitter und Späne. Aphorismen und Sarkasmen"613 aus dem folgenden Jahr. In „Meine Gedankenspähne und Anderes, veröffentlicht in verschiedenen Blättern" (1895), eben unter anderem den „Fliegenden Blättern", von dem Wiener Johann Gaunersdorfer (1853-1914), der sich nach einem der Sieben Weisen Bias nennt, ist vom Witz der Erkenntnis der fromme Wunsch übrig geblieben: „Möge Mancher in diesen anspruchslosen Blättern hie und da ein Körnchen Wahrheit entdecken, oder sich einige Augenblicke frohen Lächelns bereiten"614. Diese frohen Augenblicke sucht er zu entfachen oftmals durch das Wörtlichnehmen von Redensarten („Es scheint paradox, daß sich ein Esel auf's hohe Roß setzt, und doch soll es vorkommen"615) oder durch fadesten, gesuchtesten Wortwitz („Mitmensch" „Mietmensch"616; „Volksvertreter" - „Volksverdrehter"617), Techniken, wie sie sich bis in die durchschnittliche Aphoristik der Gegenwart als unverändert vorherrschend erhalten haben. Daß sich diese „Gedankenspäne" an die Goethes anschließen wollen - auch Jean Paul hat den Begriff schon benutzt618 - , die ja zu dieser Zeit noch nicht lange als solche veröffentlicht sind, ist so wenig von der Hand zu weisen wie die Vermutung, daß der Goethe-Herausgeber Suphan eben diesen terminologischen Zusammenhang vermieden sehen möchte, wenn er schreibt, er hätte „ihnen lieber den Titel alter Sammlungen ,Scintillae', Funken vorgesetzt als den überlieferten"619. Auch Moritz Goldschmidts (geb. 1865) „Neue Aphorismen und Epigramme" „Splitter und Balken!" (1910)620 und die „Stichworte" von 1913 612

Dombrowski: Splitter. Schlichte Gedanken. 1883, S. 79. In den deutschen Bibliotheken nicht nachgewiesen. 6,4 Bias: Meine Gedankenspähne und Anderes. 1895. Vorwort. 65 ' Ebd. S. 51. 616 Ebd. S. 72. 617 Ebd. S. 58. 618 Vgl. oben S. 70. 619 Suphan (Hg.): „Gedankenspäne" von Goethe. In: Goethe-Jahrbuch 15, 1894, S. 17 620 Sein erster Band mit dem anheimelnden Titel „Durch Gebirg und Tal! Aphorismen" (1906) ist in den deutschen Bibliotheken nicht nachgewiesen. 613

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verbinden pointensicheres Wortspiel und platte Menschenkenntnis: „Die meisten Leute fangen erst dann an, klug zu werden, wenn sie mit ihrer Weisheit am Ende sind"621; „Prinzipienreiter fliegen am leichtesten aus dem Sattel"622. Wie Sirius in dem zitierten Aphorismus lehnt sich der Autor im Titel an die Splitter und Balken bei Luk 6, 41 an. Ganz im Stil der „Fliegenden Blätter" schreibt der Vortragsreisende und Berufshumorist Julius Stettenheim (1831-1916), der bestenfalls etwa in der Nachfolge Saphirs zu sehen ist. Im Titel des Witzblattes, dessen Redakteur er ist, läßt sich die Metaphorik des Stechend-Verletzenden noch erkennen, die nicht nur mit dem Satirischen jedweder Form verbunden ist, sondern sich ja auch dem „Aphorismus"-Begriff fortlaufend mehr - und fortlaufend verblassender - anschließt. Auch wenn Welten literarischer Wertung dazwischenliegen, haben unter diesem Gesichtspunkt „Die Wespen" und Nietzsches „Pfeile" einen gemeinsamen Vorstellungs- und Bildhintergrund. Stettenheims „Nase- und andere Weisheiten" von 1904 beuten mechanisch die Möglichkeiten aus, die vor allem Wortspiel („Ich traf neulich eine Blondine, deren ich mich dunkel erinnerte"623) und Wellerismus („Mich trifft der Schlag! stöhnte die Pauke."624) einem Lachbereiten bieten: „Daß er mit viel Geschick / Die Aphorismen, die als Lesebeute / Er hat behalten, in die Sätze streute: Wahrlich, das nenn' ich ein erlesenes Stück"625 . Während auch die zwanzig numerierten Aphorismen gegen den Zeitgeist, die Carl Spitteier (1845-1924) unter der Bezeichnung „Ein Büschel Aphorismen" als leichte Zugabe seinem Essayband „Lachende Wahrheiten" beigibt, in einer gewissen Nähe zum klassischen „Gedankensplitter" stehen („2. Es genügt nicht immer, blödsinnig zu tun, um geistreich zu sein". „12. Weltliteratur und Allerweltsliteratur ist zweierlei."626), nimmt Wilhelm Busch (1832-1908) eine Sonderstellung ein. Büschs 1895-99 entstandene „Spricker"627 lassen sich weder terminologisch oder inhaltlich der Mode des geistreichelnden Splitters zuordnen, 621

Goldschmidt: Splitter und Balken. 1910, S. 103. Goldschmidt: Stichworte. 1913, S. 79. 623 Stettenheim: Nase- und andere Weisheiten. 1904, S. 36. ω* Ebd. S. 80. 625 Ebd. S. 115. 626 Spitteier: Lachende Wahrheiten. 1905, S. 253f. - Zur zeitgenössischen Rezeption der Essays vgl. etwa Goldschmidt: Essai und Aphorismus. In: Lit. Echo 9, 1906/0^ Sp. 1719-1721. 627 Busch: Sämtliche Werke. Bd. 6. 1943, S. 217-254, Einleitung: S. 213-215; Busch: Gesamtausgabe. Bd. 4. 1960, S. 541-548; Krit. Anhang S. 560 („gründlich von allen Schlakken gereinigte", „auch im Arrangement veränderte Auswahl"). 622

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auch wenn er ab 1858 als Zeichner und Autor Mitarbeiter der „Fliegenden Blätter" ist, noch bezeichnen sie sich bewußt mit einem Terminus, der von Ebner-Eschenbach und Nietzsche her Gewicht hat. Nöldekes Einschätzung: „,Aphorismen', kurze, spruchähnliche Sätze, .Gedankensplitter' sind's" 628 muß von daher mehrfach eingeschränkt werden, wenngleich er hier zur terminologischen Absicherung dreierlei als synonym nebeneinanderstellt. Für Busch haben die „Spricker", kurze, verdorrte Zweige, keinen eigenständigen literarischen Wert. Sie sind als mögliche Vorstufen zu Gedichten auf „Studienblätter" notiert, „gleichsam unter Vorbehalt hier erst einmal festgenagelt"629, und konsequenterweise auch durchgestrichen, wenn sie literarisch verwendet wurden. Infolgedessen handelt es sich auch um eine höchst heterogene kleine Sammlung von auch unfertigen - Versen, Wellerismen, Sprichwörtern oder ihnen nahen Formulierungen 630 , auch von kurzen pessimistischen Reflexionen („Kein Festland ist die Welt"631). Man mag wie Ueding für Busch geradezu vom „Prinzip Fragment" sprechen, einer ästhetischen Doktrin, die „in Deutschland allein in Nietzsche einen späten, wenngleich entschlossenen Verfechter fand" 632 , mag wie Balzer zu dem Urteil kommen: „An dem aphoristischen Charakter also, der Büschs Werk und ganze Art kennzeichnet, ist nicht zu zweifeln" 633 . Damit wird der Terminus aber - in der Form des Attributs und verknüpft mit dem bezeichnend diffusen „Charakter" - gedehnt, wenn nicht überdehnt, wie der Verfasser selbst konzediert: „Er ist Aphoristiker, wenn man diesen Begriff nicht gar zu eng nehmen will"634. Was statt solcher Generaleinschätzungen not täte, das wäre zunächst eine Untersuchung der verschiedenartigen „Spricker", beginnend bei der Metaphorik ihrer Bezeichnung und den Weg verfolgend, den sie gekommen sind (sind es zum Teil Zitate?) und weiter im Werk Büschs nehmen.

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Busch: Sämtliche Werke. Bd. 6. 1943, S. 215. Bohne: Wilhelm Busch. 1958, S. 286. Vgl. zum Beispiel „Der eine trägt Holz, der andre wärmt sich dran" (Sämtliche Werke. Bd. 6, S. 217 [= Gesamtausgabe. Bd. 4, S. 549]) mit „Der eine hackt Holz und dem andern fliegen die Späne an den Kopf" (Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2, S. 750 Nr. 40); „Wer zusieht, sieht mehr, als wer mitspielt" (Sämtliche Werke. Bd. 6, S. 218 [= Gesamtausgabe. Bd. 4, S. 541]) mit „Zuseher passen besser auf als Spieler" (Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 5, S. 657 Nr. 5); „Niemand holt sein Won wieder ein" (Sämtliche Werke. Bd. 6, S. 224; nicht in der Gesamtausgabe) mit „Ein gesprochen Wort ist nicht wieder einzufangen" (Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 5, S. 402 Nr. 117). Busch: Sämtliche Werke. Bd. 6, S. 220 (= Gesamtausgabe. Bd. 4, S. 544). Ueding: Wilhelm Busch. 1977, S. 361-382, hier: S. 380. Balzer: Büschs Spruchweisheiten. 1956, S. 18. - Zu Büschs aphoristischen Beziehungen zu Lichtenberg und auch Schopenhauer vgl. Craig: Wisdom - Whimsy - Humanism. In: Lichtenberg. 1992, S. 129-152. Ebd.

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Die zweite Gruppe innerhalb der Aphoristik der Jahrhundertwende bildet die aus der populären Literatur der Zeit sattsam bekannte Ideologie ab, bei - zu Recht - denkbar bescheidenem Anspruch. „Aphorismen sind Wachskerzchen in Wallnussschaalen"635: Endgültig ins solcherart harmlos-niedliche Diminutive abgesunken ist die Begriffsreflexion in diesem Motto, das Paul Kunad (1864-1912), Journalist und Lyriker, seinen „Aphorismen" von 1901 voranstellt. Auch in seinen „Gedichten und Aphorismen" (1907) sind die bekannten Ingredienzen versammelt, wie üblich thematisch und antithetisch nach „Lust und Leid" und „Liebe und Hass" geordnet. Auf der Basis von Irrationalismus („Der Glaube belebt, das Wissen tötet."636) werden antimoderne Polaritäten wie Geist und Herz (der Zentralbegriff überhaupt), Heimat und Fremde („Der Geist liebt die Fremde, das Herz die Heimat."637) hergestellt. Das Plädoyer für die Werte des Gemüts und für „Herzensbildung" („Die Träne ist das Siegel der Herzensbildung. Der Geist hat eiserne Augen."638) verbindet sich mit der Ablehnung der geistvollen', typisch aphoristischen Merkmale Paradoxon und Ironie: „Dem Paradoxon folgt die Ironie, wie dem Rausche der Katzenjammer"639. „Das Mitleid ist des Poeten Krone"640, schreibt Kunad „In's Dichterstammbuch". Und mit moralischem Zeigefinger: „Drum übe im Leben mitleidige Liebe - mehr zarte Neigung, als stürmisch fordernden Sinnendrang!"641 Was an ästhetischer Reflexion mangelt, wird um so reichlicher an ethischen Forderungen erhoben. Diese „Aphoristik des Herzens" besteht auf einer Poesie als Trösterin und „Herzgespiel"642 und verteidigt mit vermeintlich ewigen Werten das Sollen gegen das Sein. Lebenskunst versteht sie in diesem Sinne als ethische Lebenshilfe, sie erscheint als Trostliteratur einer spezifisch deutschen Innerlichkeit643. Otto von Leixners (1847-1907) „Sprüche aus dem Leben für das Leben" unter dem Titel „Aus meinem Zettelkasten" (1896) ziehen sich, auch im Vorwort, auf einen noch allgemeineren Begriff zurück, der auch Ge635

Kunad: Aphorismen. 1901, S. 3. «« Ebd. S. 7 637 Kunad: Gedichte und Aphorismen. 1907, S. 34. 638 Ebd. S. 42. 639 Ebd. S. 67 640 Ebd. S. 117 641 Ebd. S. 118. 642 Ebd. S. 55. 643 Welche sonderbaren Koalitionen möglich sind, zeigt sich, wenn Krummeis Nietzsche-Bibliographie Sprüche desselben Paul Kunad zur Gestalt Nietzsches (Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 2. 1983, S. 39 Nr. 775) und zum Vergleich Hebbels und Nietzsches nachweist (ebd. S. 345 Nr. 794).

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reimtes und Sprichwortartiges umfaßt. Die erste von zehn Abteilungen heißt „Beiträge zur Menschenkenntnis", wie überhaupt das Thematische im Vordergrund steht. Formehrgeiz ist diesen „Sprüchen", die keineswegs auf die Einzelsatz-Pointe aus sind, sondern sich nicht selten zu kleinen Abschnitten auswachsen, fremd. Sie wollen auf eine naive Weise die Trennung von Leben und Literatur überwinden: „Erlebtes, lieber Leser, bietet dir dieses Büchlein, meine Wahrheiten" 644 . Daß es hier um „erlebte Wahrheit" gehe, hat den Wert eines Gütesiegels. Auf dieser Grundlage zielt das Vorwort mit dem vertraulichen Du und der Ansprache „lieber Leser" auf eine wirkliche Gemeinde ab, der der Autor in seiner Rolle als „Herzensforscher" 645 bei aller Bescheidenheit und betonten Gleichheit „in trüben Stunden Trost oder Anregung" bieten möchte. Diesem Menschenkenner ist gegenüber den Weltmenschen erkennbar, „was im Innern vorgeht" 646 . Die Konfession dieser Gemeinde ist bekannt und, von einer ängstlich-konservativen Opposition bestimmt, in ihren Bestandteilen schnell benannt: gegen den „Zeitgeist", der sich aus sozialdemokratischem, natu-ralistischem, emanzipatorischem, materialistischem und namentlich Nietzsche'schem 647 Ideengut speist, für Deutschtum und kriegerische Erziehung, für Heiterkeit, Glauben und Idealismus: „Dort, wo deine Pflichten sind, dort soll auch deine Heimat sein" 648 . Die „Aphorismen" des Münchner Naturwissenschaftlers August Pauly (geb. 1850) von 1905 haben folglich keinen Formehrgeiz, sondern Bekennerfreude: „Daß wir ein Inneres besitzen, von dem wir die Welt ausschließen können, in das auch kein König einbrechen kann, das ist doch ein herrliches Gefühl!" 649 Heinrich von Hartenrein, dessen „Aphorismen" (1911) sich wie die Paulys mit dem schlichten Gattungsbegriff als Titel bewußt an eine Tradition anschließen und damit in der Erfüllung von Gattungserwartungen formalen Halt suchen, stimmt ein: „In der Einsamkeit ist jeder ein König"650. Diese Aphoristik, wie sedativ sie sein mag, beharrt gleichwohl

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Leixner: Aus meinem Zettelkasten. 1896. Vorwort. Ebd. S. 6. Ebd. S. 7 Ebd. S. 78, 80f, 208 u.ö. Ebd. S. 132. Pauly: Aphorismen. 1905, S. 1. - Der Forscher habe die Dichterin (Isolde Kurz) besiegt, befindet der Rezensent der Vossischen Zeitung 1905 sportlich knapp, dessen gewissermaßen kongeniales Referat Pauly „Sehnsucht nach Kunst, nach Poesie in der Seele" bescheinigt (Fürst: Deutsche Aphorismen. In. Vossische Ztg. Nr. 47, 1905). Hartenrein: Aphorismen. 1911, S. 9.

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rhetorisch auf dem Miteinander von Poesie und gedanklicher Aggressivität: „Jeder Gedanke hat zugleich einen Flügel und einen Stachel"651. Auffällig häufig wird sie von Frauen verfaßt. Die Königin Elisabeth von Rumänien, die sich in vielen Sprachen und Künsten zu Hause fühlt, nennt sich als Dichterin Carmen Sylva (1843-1916), eine idealistische Vielschreiberin, die sich an Auerbach, Bodenstedt, Scheffel orientiert, aber in späteren Jahren sonderbarerweise auch von Nietzsche angetan ist652. Um diesen engen Ausschnitt einer Literatur von Frauen für Frauen zu charakterisieren, reicht der aparte Titel ihrer den Schlaflosen gewidmeten Betrachtungen und Verse für unglückliche Frauen hin: „Geflüsterte Worte", und die in fünf Bänden (1903-1912). In ihrer Aphorismensammlung „Vom Amboß" (1890), als „Pensees d'une reine" schon 1882 französisch erschienen und als „Gedachten" ins Niederländische übersetzt, reproduziert sie dasselbe Klischee wie Hartenrein, freilich denkbar unglücklich: „Der Aphorismus ist wie die Biene: mit Beute beladen und mit einem Stachel versehen"653. Für ihren Bio- und Hagiographen Wölbe steht sie in einer - sonderbaren - Reihe deutscher Popularphilosophen, die für ihn von Lichtenberg aus in der Tagesessayistik Alexander von Gleichen-Rußwurms und Bruno Bürgels endet654. Da weiß die Poetin des Schönen-Wahren-Guten („Es ist Glücks genug, etwas Gutes tun zu dürfen"655) es in ihrer verwurzelten Religiosität selbst besser, wenn sie sich von der dritten Gruppe der Jahrhundertwende-Aphoristik so abhebt: „Mir sind die altmodischen Schutzengel lieber, als die modernen Moralisten"656. Edle Gesinnung statt einer Pointe kennzeichnet auch die „Erlebten Gedanken" (1909) Ludwig Ecards (d. i. Cordelia Ludwig; 1858-1909), ein Titel, der wie Leixner Leben und Denken, Erlebtes und Erdachtes verknüpft, um Leser und Käufer von vorneherein nicht dem Mißverständnis auszusetzen, hier gehe es um - blutleere, herzlose - Intellektualität. Den verantwortungslos wortspielenden „Gedankensplitter"-Verfassern wie 651 652

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Ebd. S. 3. Vgl. Wölbe: Carmen Sylva. 1933, S. 28, 41, 90, 155. - Walter Hammer 1913 (bei Krümmel: Nietzsche und der deutsche Geist. Bd. 2, S. 516) sieht auch den Einfluß Nietzsches auf Carmen Sylva. Carmen Sylva: Vom Amboß. 1890, S. 82. Vgl. Nietzsche: Briefe. Bd. VI, S. 346. Nacht, der Carmen Sylva in seinem aphoristischen tour d'horizon „schön poetisch" nennt, zitiert ihn mit schöner poetischer Freiheit: „Der Aphorismus ist wie eine Biene, mit Gold beladen und mit einem Stachel versehen" (Nacht: Pflugschar und Flugsame. 1922, S. 16). Wölbe: Carmen Sylva. 1933, S. 210. Zit. nach Wölbe: Carmen Sylva. 1933, S. 238. Carmen Sylva: Vom Amboß. 1890, S. 13.

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Moritz Goldschmidt („Gelegenheit macht - Liebe ... "657) antworten jetzt, nach Ebner-Eschenbach zum ersten Mal in breiterem Umfang, wenngleich auf adäquat trivialem Niveau, Aphoristikerinnen wie Kurz oder eben Ecard: „Liebe - ist Verantwortung: nicht geringer zu sein als das Maß, mit dem Liebe uns mißt; nicht weniger zu sein, als wofür Liebe uns nimmt" 658 . Das ewige Frauen-Thema männlicher Aphoristiker jeden Niveaus von Pockels und Lafontaine bis zu Otto Weiß und Karl Kraus 659 findet hier aus der Gegenperspektive sein idealistisches Pendant. Die Ekloge Kurt Walter Goldschmidts für dieses „exzeptionelle Buch" 660 ist da aufschlußreich, wo sie die Trivialität dieses Hehren verkennt, es gegen die Trivialität des billigen Witzes ins nachgerade Geniale erhebt und damit implizit nur dokumentiert, wie nahtlos diese Aphoristik die bürgerliche Ideologie des Kaiserreiches widerspiegelt. Und wenn er es ein Buch „voll Menschentiefe und Innenreichtum" 661 nennt, verwendet er die Kennwörter' „Tiefe" und „Innerlichkeit" dankenswerterweise expressis verbis. „Manche Trauung ist nur - das Gebet vor der Schlacht"662: In der pointiert weiblichen Sicht ordnen sich hier Phia Rilkes, der Mutter Rilkes, „Ephemeriden" (1900) ein, in der abgeklärteren Form wohl auch die 800 Aphorismen „Lebenskunst" (1909), verfaßt von Ilse Franke, „einer reichen, von den Erfahrungen und Schmerzen des Lebens geläuterten Seele"663. Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen „Gedankensplittern" und „Aphorismen" im Sinne und in der intendierten Nachfolge klassischer Moralistik ist nicht möglich. Bei Paul Nikolaus Cossmann (1869-1942) heißt es: „Es ist gut, wenn ein Gescheiter mit dem Kopfe anrennt; denn dabei fliegen Gedankensplitter ab" 664 . Ein verblaßtes Bild, das Widerstand nur rhetorisch behauptet, dazu statt Weisheit oder Klugheit bloße Ge657 658

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Goldschmidt: Splitter und Balken. 1910, S. 11. Ecard: Erlebte Gedanken. 1909, S. 5. - Kein Zufall, daß beide Dichter-Töchter sind. Die andere Möglichkeit für Aphoristikerinnen zu dieser .frühen' Zeit: wie Marie von EbnerEschenbach oder Elisabeth von Rumänien (Carmen Sylva) von hohem Adel zu sein. Weiß: So seid Ihr. 1907, S. 89-94 et pass.; Leixner: Aus meinem Zettelkasten. 1896, S. 85-101; Karl Kraus, pass. - Eduard Fedor Kastners „Aphorismen über Frauen und Liebe" (1890) sind nicht zu beschaffen. Vgl. auch Kurz: Mann und Weib. In: I. K.: Gesammelte Werke. Bd. 4. 1935, S. 391-409. Goldschmidt: Kleinkunst des Gedankens. In: Lit. Echo 12, 1909/10, Sp. 1451. Ebd. Sp. 1450. Rilke: Ephemeriden. 1949, S. 27 (Erstdruck 1900). - Vgl. Pettey: The first women aphorists in German. Ebner-Eschenbach und Phia Rilke. In: Modern Austrian Literature 28, 1995, S. 1-30. Goldschmidt: Kleinkunst des Gedankens. In: Lit. Echo 12, 1909/10, Sp. 1453. - Das Buch ist in den deutschen Bibliotheken nicht nachgewiesen. Cossmann: Aphorismen. 1898, S. 56.

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scheitheit: so porträtiert sich dieser Verfasser von „Aphorismen" (1898). Der Autor ragt in mancher Hinsicht heraus. Er ist Herausgeber der „Süddeutschen Monatshefte"665, wird als Nietzsche-Schüler bezeichnet666 und ist der Ehre teilhaftig, von Kraus als „Typus des Nationalliberalprofessoralradikalen"667 verspottet zu werden. Nacht bescheinigt ihm in seinem geschichtlichen Uberblick, daß er sich - gemeinsam mit Kraus - einen besonderen Namen gemacht habe668, Meyer zitiert ihn in dem AphorismusParagraphen seiner „Deutschen Stilistik"669. Auch Cossmann beläßt es bei der Gattungsbezeichnung als alleinigem Titel; er gibt zwar keinerlei Begriffsreflexion, stellt sich aber mit einem Chamfort-Motto in die Tradition der Moralistik, ohne daß seine nach Themen wie „Litteratur" oder „Kunst" in elf Gruppen eingeteilten, meist in einen einzigen Satz, oft als Definition, gefaßten Aphorismen diesem Anspruch gerecht werden könnten. „Die hübscheste Charakteristik der Gattung"670, wie Meyer urteilt, mag dieser Aphorismus ja sein: „Ein Aphorismus ist ein kleines Haus mit weitem Fernblick"671, aber er ist auch ein leeres Haus. Er leistet nichts, als zu einem den Aphoristikern seit je bekannten Gedanken, dem von Konzentrat und Konzentration, ein folgenlos zierliches Bild zu finden. Auch die relativ schmale Aphoristik des Lustspielautors („Im weißen Rössl") und Kritikers Oskar Blumenthal (1852-1917), die er neben seinen zahlreichen Versen, Skizzen, Glossen, Epigrammen und Kurzessays verfaßt („Vom Hundertsten ins Tausendste", 1876; „Wellenringe", 1912), repetiert schon in der Selbstreflexion der Gattung nur das seit je Geläufige, die mitproduzierende Aktivität des Lesers, hübsch verkleidet: „Man macht den Aphorismen mit Unrecht ihre zu dehnbare Allgemeinheit zum Vorwurfe. Aphorismen sind Summen - das Exempel muß der Leser hinzudenken. Aphorismen sind gegebene Endreime - an dem Leser ist es, sich einen Vers daraus zu machen"672. Und in den satirischen Versen der „Klingenden Pfeile" (1904) heißt es (wobei man sich in keinem Sinne einen Vers darauf machen muß):

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Vgl. seine politisch höchst lehrreiche Lebensskizze: Pigge: Das Ende eines Wegbereiters. In: Die ZEIT Nr. 29 v. 15. Juli 1994, S. 58. 666 Fürst: Deutsche Aphorismen. In: Voss. Ztg. Nr. 47 1905. 667 Die Fackel Nr. 437 v. 31. 10. 1916, S. 101. Vgl. Die Fackel Nr. 806-809 v. Anfang Mai 1929, S. 43-45. 668 Nacht: Pflugschar und Flugsame. 1922, S. 16. 669 Meyer: Deutsche Stilistik. 1906, S. 158. 670 Ebd. 671 Cossmann: Aphorismen. 1898, S. 57 672 Blumenthal: Vom Hundertsten in's Tausendste. 1876, S. 109.

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Einem Aphonstiker Aus Zahm und Bissig, Alt und Neu Stopft mancher einen Band voll Doch trennt man Weizen von der Spreu, So bleibt nicht eine Hand voll 673 .

Der in allen literarischen Sätteln gerechte und schriftstellerisch ungemein fruchtbare Otto Ernst (1862-1926), Nietzsche-Gegner und als einer der „Staackmänner" 674 - Autor des Staackmann-Verlages - Kraus-Opfer, läßt seine „Gedanken und Einfälle" erst 1923 in seinen „Gesammelten Werken" erscheinen675. Es sind treuherzige Erwägungen und „Meinungen" im Sinne von Kraus, nicht in dem Nietzsches - („Der Sonntag ist so schön, weil er alle sieben Tage nur einmal kommt. Er ist so schön wie das Lächeln eines ernsten Menschen" 676 ; „Ein echter Dichter ist ein Mann, der jeden Kummer kennt" 677 ), die nicht nur terminologiegeschichtlich ohne Belang sind. In seiner Streitschrift „Nietzsche der falsche Prophet" legt er seine Auffassung der Gattung nieder, leider ohne dabei auf seine eigene Aphorismenproduktion Bezug zu nehmen: „Der Aphorismus ist gewiß eine berechtigte Gattung, so gewiß, wie die Bleistift- oder Farbenskizze berechtigt ist; er kann Köstliches geben, wie eben Lichtenberg, Schopenhauer, Nietzsche, die Ebner-Eschenbach u.a.m. bewiesen haben. Andrerseits ist der Aphorismus die Nottugend der Nichtskönner und der Blaustrümpfe, die durchaus schreiben wollen und nicht wissen, was, und bei denen es zu etwas Ganzem nicht reicht. Er ist die Wonne der Dilettanten; sie können schreiben ,ohne obligo', wie der Kaufmann sagt. Der Aphorismus verpflichtet zu nichts; es bleibt jedem überlassen, sich diese disjecta membra nach vorwärts oder rückwärts zu ergänzen, wie er mag" 678 .

Seine ambivalente Beurteilung, die freilich die Vorbehalte akzentuiert, ist, noch mit seinem Seitenhieb auf die „Blaustrümpfe", deutlich vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Produktion zu lesen. Sie repetiert den stereotypen Vorwurf, daß es hier „zu etwas Ganzem nicht reicht" und wendet die spezifische Rezeptionsanforderung des Aphorismus mißver673 674

675 676 677 678

Blumenthal: Klingende Pfeile. 1904, S.159. Die Fackel Nr. 400-403 v. 10. Ζ 1914, S. 43. Damit ist für Kraus alles gesagt. Und doch heißt es in seiner Polemik gegen den Verfasser des Buches „Nietzsche der falsche Prophet" mit Bezug auf das Verhältnis von gedanklicher Substanz und Sprachartistik weiter: „Diesem Herrn Otto Ernst, dessen Nietzsche-Schrift ich nicht so gut kenne wie seine Wadeln, wird besonders der Satz nachgerühmt: Nietzsche sei der Vater einer Art von Stil-Artisten geworden, ,denen die Sprache nicht Körper der Gedanken, sondern ein Kleid ist, mit dem der Gedanke prunkt'. Und diesen Gedanken, samt dem dazugehörigen Kleid und Körper hat Herr Otto Ernst, der mich offenbar besser kennt als ich ihn, von mir ausgeliehen". Vgl. Die Fackel Nr. 445-453 v. 18. 1. 1917, S. 80-86. Ernst: Gedanken und Einfälle. In: Ο . E.: Gesammelte Werke. 6. Bd. 1923, S. 250-283. Ebd. S. 253. Ebd. S. 277 Ernst: Nietzsche der falsche Prophet. 1914, S. 129.

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ständlicherweise in Unverbindlichkeit und Beliebigkeit um („wie er mag"). „Eine Philosophie in Aphorismen ist ein Widerspruch in sich"679. Ernst findet, ganz wie schon Börne, aber mit einer Wendung ins Negative, zu dem naheliegenden Bild der „Bouillonwürfel" und dem Topos der Zeit, die keine Zeit mehr hat („In unserer Zeit soll alles kurz sein" 680 ). Als besonders erfolgreiche Sammlung 681 verdienen die im Untertitel als „Aphorismen" apostrophierten beiden Bändchen des Wiener Musikers und Feuilletonisten Otto Weiß (1849-1915) „So seid Ihr!", 1906 und 1909 erschienen, eine exemplarisch genaue Analyse. Die zeitgenössische Rezeption macht neugierig. Sie ist nicht nur kontrovers, sondern in der Ablehnung auch ungewöhnlich scharf. Ist es für Goldschmidt „das boshafteste und spitzeste, aber auch amüsanteste und witzigste Werk" einer ganzen Reihe von ihm besprochener Aphorismenbücher, geschrieben von „einem klugen und reifen Charakterkopf", „der mit Lebenskenntnis und Menschenverachtung doch, allen geschmeidigen Fechterkünsten des Satirikers zum Trotz, einen unverwüstlichen Idealismus paart" 682 , so zerreißt es Stössinger in demselben kritischen Organ zwei Jahre später gnadenlos: „Von den Spruchbüchern, aus denen ich die Gesetze des Aphorismus abstrahierte, ist die Sammlung von Otto Weiß am minderwertigsten. An und für sich bestände kein Grund, das Buch überhaupt zu erwähnen, schiene es nicht für Deutschlands geistige insanity symptomatisch. Jener tiefe Denkersinn [...] betastet dumm und unverfroren geistiges Leben und wagt ein beschämendes Abbild seiner Wichtigtuerei ein Konterfei der Menschen zu nennen: So seid Ihr!" 683

Diese weniger ästhetische als geistig-moralische Abfertigung kann nur von einem Karl Kraus überboten werden. Daß man ihn mit Weiß überhaupt - wenn auch in positiver Abhebung - vergleichen kann („die Aphorismenbücher von P. N. Cossmann, selbst von Peter Hille und gar von Otto Weiß sind banal gegen diese Sprüche" 684 ), läßt ihn schäumen: Weiß, „der überhaupt einer der banalsten Menschen zu sein scheint, die es zur Zeit in Deutschland gibt, hat ein Aphorismenbuch unter dem Titel ,So seid Ihr!' herausgegeben und erntet dafür in allen Literaturrubriken wie auf ein Signal just die Anerkennung, die das triste Pack, das sie redigiert, über höheren Auftrag mir vorenthält" 685 . Dann versucht er doch noch, 679 680 681 682 683 684 685

Ebd. Ebd. S. 129f. 4. Aufl. 1907; so auch Hauff in: Nacht: Pflugschar und Flugsame. 1922, S. 16. Goldschmidt: Essai und Aphorismus. In: Lit. Echo 9, 1906/07, Sp. 1725. Stössinger: Spruchweisheit. In: Lit. Echo 12, 1909/10, Sp. 184. Xenien (Leipzig), zit. in Fackel Nr. 287 v. 16. 9. 1909, S. 31. Fackel Nr. 290 v. 11. 11. 1909, S. 15. - Wenn man bei Kraus liest: „Das erotische Vergnügen ist ein Hindernisrennen" (Kraus: Schriften. Bd. 8. 1986, S. 27), darf man wohl feststellen, daß durchaus nicht immer Welten zwischen beiden Schriftstellern liegen.

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den Impuls, der ihm hier die Feder führt, den Neid des literarischen Konkurrenten, zu verdecken, aber es bleibt bei Invektiven ohne jede Begründung: „Der Anblick besudelten Kunstwerts treibt mich zum Protest", „die journalistische Versauung des Aphorismus ist unerträglich" 686 . Was steckt an kritischer Erkenntnis, die der Unbeteiligte aus fast einem Jahrhundert Abstand nachvollziehen könnte, in diesem cum ira vorgetragenen Verriß? Georg Brandes schreibt eine Vorrede zum ersten Band von Weiß' Aphorismen, die Kraus zwar gleich mit erledigt („dieser alte Rekommandeur ist tiefer gesunken, als es eigentlich erlaubt ist"687), die aber gleichwohl aufschlußreich ist durch ihr Begriffsverständnis und den Anspruch, den sie damit formuliert, wie auch immer die folgenden Texte ihn einlösen mögen. Zwei Aspekte kennzeichnen für Brandes die „philosophisch-künstlerische Sonderart": „das Kernige", das „eine Beobachtung, eine Reihe Erfahrungen, eine Betrachtung in möglichst enge Form" zusammendrängt, und „der Hang zur Verallgemeinerung"688. Unter den verschiedenen Temperamenten der Gattungsgeschichte, darunter La Rochefoucauld und Lichtenberg, vertrete Weiß den Typus, der „klare, erheiternde Maximen aus trüben Erfahrungen und peinlichen Eindrücken gezogen zu haben" 689 scheine. Der gegen den Willen des Vorwort-Schreibers wenig schmeichelhafte, wenn auch nicht anrüchige Vergleich freilich („wie man gewisse wohlduftende Parfüms aus geringwenigen, übelriechenden Stoffen zieht") kennzeichnet die folgenden Texte besser als jede wohlmeinende Einordnung. Weiß hat in der Tat den Anspruch, Moralist zu sein. „Es gibt Denker, denen ein System fehlt - und Systeme, denen ein Denker fehlt"690. „Halte die Leute für das, was sie sein möchten" 691 ; oder: „Behandle jeden nicht nur mit der Achtung, die er verdient, sondern auch mit der Achtung, die er nicht verdient" 692 : Während er sich hier eher ausnahmsweise formal wie inhaltlich in den traditionellen Bahnen einer nicht-systematischen Menschenkenntnis bewegt, vollzieht er in den meisten Fällen eine Wendung zur Oberflächlichkeit und zu zynischem Realismus: „Biete alles auf, um anständig zu scheinen - und sei stets besser gekleidet als gesinnt" 693 ; oder: „Sei wahrheitsliebend: das heißt, lüge nicht mehr, als zur Täuschung

Ebd. Ebd. S. 16. 688 Weiß: So seid Ihr. 1907, S. 6 (= I, 6). 689 I, 7 690 Ebd. Zweite Folge. 1909, S. 32 (= II, 32). 69 ' I, 151. II, 47. I, 151. 686 687

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anderer nötig ist" 694 . Während er also einerseits die zeitlose Geltung der Moralisten betont („Ich kenne aktuelle Worte - die vor zwei Jahrtausenden ausgesprochen wurden" 695 ), versucht er sie aufs Ganze gesehen in materialistisch fundiertem Realitätssinn noch zu übertreffen: „Die ewige Frage vieler Moralisten: ,Wie reformiert man die Menschennatur?'" 696 ; oder: „Unter den Moralisten, die uns alle Wege zum Glück zeigen - gibt es tief unglückliche" 69 ? Das alte Argumentationsmuster, das auf Opposition oder Nicht-Opposition von Leben und Literatur beruht, wendet er gegen sie („Moralsätze und Lebensregeln lesen die Leute besonders gern; es ist auch wirklich angenehmer, sie zu lesen, als sie zu befolgen!" 698 ), kritisiert in diesem Sinne die ältere Lebensphilosophie, die büchern (geworden) sei („Lebensphilosophie - ist unter anderm auch die Fähigkeit, einer Sache, die k e i n e Seiten hat, die b e s t e abzugewinnen" 699 ), und reklamiert für sich den Anspruch wirklicher neuer Menschenkenntnis: „Ohne ein Stück Menschenkenntnis kann man wohl Millionär, aber nicht Bettler sein" 700 ; „Wie ich höre, gibt es Professoren der Psychologie, die auch M e n s c h e n k e n n e r sind"701. Die der Moralistik inhärente Tradition der „Lebensregeln" schreibt er höchst ironisch („Schenk' den Leuten wenig Vertrauen: denn sie gleichen dir mehr, als du glaubst" 702 ) und mit einer zynischen Pointe am Schluß fort: „Befolgst du von diesen Regeln nur wenige oder gar keine, so wisse: die Welt zählt dich dann nicht nur zu den Besten, sondern auch zu den Dümmsten" 703 . Mit einem Maximum an Desillusion antwortet Weiß auf eine Tradition, die die Autoren der gleichzeitigen Aphoristik des Herzens ungebrochen weiterzuführen gutherzig für sich beanspruchen, und kritisiert eine lebensfremd gewordene, nur noch literarisch perpetuierte Lebensweisheit: „Ein Parapluie-Fabrikant: Wenn ein Schicksalsgewitter auf uns Menschen niedergeht, dann spannen wir den Regenschirm der L e b e n s w e i s h e i t auf - und merken, wie sehr er durchlöchert ist"704. Der durchlöcherte Schirm der Lebensweisheit: damit wendet sich Weiß gegen die Diskrepanz von Reden und Schreiben einerseits, Tun andererseits, expressis verbis den falschen Idealismus der Stammbuch-Aphoristik: „Schade, daß I,155. II, 31. II, 9. 97 II, ζ 698 I, 147 699 II,Ζ 700 I, 144. 701 II, 98. 702 1,155. 703 I, 156. 704 II, 136.

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die Stammbücher außer Mode kommen, denn nirgends in der Welt findet man so viel ideale Gesinnungen und Gefühle als dort" 705 . Unter dieser Perspektive betrachtet sind seine materialistisch fundierten, durch einen Vulgär-Darwinismus hindurchgegangenen Erkenntnisse vom „wahren" Leben wohltuend und vielleicht auch zu seiner Zeit nicht ohne einen gewissen reinigenden Wert: „Gern möchte mancher Schriftsteller kurz und bündig schreiben: doch dazu ist seine Familie zu groß, sein Honorar zu klein" 706 ; „Gewisse Philosophen - so meint man - suchen eine Wa h r h e i t ; indes suchen sie einen L e h r s t u h l" 707 ; „Irgendein Schriftsteller sprach einmal von der ,Poesie der Armut'. Der Mann muß v i e l Geld gehabt haben!" 708 „Der wahre Witz ist der, der etwas aufklärt"709. Im Sinne von Weiß' eigener Erkenntnis sind aber seine Aphorismen ohne Witz; ihr Autor ist nach seiner eigenen Definition mehr Spaßmacher als Aufklärer: „Witz, dem der Ernst fehlt, ist Spaß" 710 . Am gedanklichen Gehalt gemessen sind seine Aphorismen eben oft, wenn auch nicht immer („Man muß achtgeben: dadurch daß man gewissen Leuten Dienste erweist, kann man ihr S c h u l d n e r werden"711), wie Stössinger treffend bemerkt, „Banalitätssplitter"712: „Die Ereignisse lehren uns oft, daß wir nichts von ihnen lernen" 713 . Oder: „Es hat noch keiner die Reise durchs Leben fahrplanmäßig gemacht!"714 Und auch ihre Form wird nicht mehr zum Problem, sie ist fertig und wird in scheinvirtuoser Weise erfüllt. Aufklären ist als Aufdekken verstanden, und dies ist nur mehr die mechanische Umkehrung des Erwarteten („Ein Buch kann so großen Anstoß erregen, daß alle Welt es liest"715), auch syntaktisch zur Stereotypie neigend („Manche .. ," 716 ). Das geistige „Parfüm", von dem Brandes spricht, ist eine ebenso mechanische und oft zum Selbstzweck gewordene Paradoxie, die darin besteht, daß das ethisch Rechte als eine einzigartige, merkwürdige Absonderlichkeit hingestellt wird. Schließlich haben die beiden Bändchen von Otto Weiß mit der kritisierten Stammbuchaphoristik das Schlagwortverzeichnis gemeinsam. Der

1,19, vgl. II, 67 I, 32. 7 ° 7 II, 23. 7°« II, 38. 709 I, 110. 710 11,104. 711 II, 15. 712 Stössinger: Spruchweisheit. In: Lit. Echo 12, 1909/10, Sp. 184. ™ I, 15. 714 I, 21. 715 I, 27. 716 1 , 4 4 , 45, 46, 47 et pass. 705

706

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auf diese Weise garantierte „Gebrauchswert", ein Charakteristikum der Zeit, wie es Hoddick für seine Anthologie expressis verbis formuliert717 gilt seit den „Gedankensplittern" gewissermaßen als obligatorisch. Hier ist es eben der „Weltmensch", wie er bei Leixner heißt, der sich an etwas ,Geistvollem' bedienen kann. Otto Weiß ist nicht der einzige, dem die Ehre zuteil wird, als Aphoristiker von Karl Kraus verrissen zu werden. Es sei „eine unerhörte Behelligung, daß die Neue Freie Presse unter dem Titel,Aphorismen und kein Ende' [...] diese Geschwätzigkeit bietet". „Wir haben die bösen Zeiten des Aphoristikers Gersuny mitmachen müssen"718, schimpft dieser 1910. Die „Geschwätzigkeit" des Wiener Juristen und Universitätsprofessors JosefUnger (1828-1913) ist 1911 unter dem Titel „Mosaik. Der,Bunten Betrachtungen und Bemerkungen' dritte Auflage" erschienen (zuerst 1906)719. Der selbstgewählte, aus dem metaphorischen Umfeld der Splitter herrührende Titel beschreibt die heterogene Sammlung von Anekdotischem und Aphoristischem besser, als es jeder Gattungsbegriff könnte; der gemeinsame Nenner der Bemerkungen, oft zu juristischen oder spezifisch österreichischen Fragen, ist gerade einmal eine relative Kürze ohne jeden Formehrgeiz. Dennoch sind einige wenige Beispiele nicht ganz wertlos. An einzelnen Stellen läßt sich nämlich doch beobachten, daß Unger zumindest mit einem Teil seiner Texte sich in die Gattung „Aphorismus" stellen möchte. Bezeichnenderweise ist es Auerbach, der da, wenn auch in diesem einzelnen Fall mit leichtem Vorbehalt, zitiert wird: „Berthold Auerbach (dessen Leben Anton Bettelheim vor kurzem trefflich beschrieben hat) hat ein Buch geschrieben: ,Tausend Gedanken meines [!] Kollaborators.' Tausend Gedanken! Man muß Gott danken, wenn man ein paar eigene Gedanken hat"720. Eine seichte Lektürereflexion, keine eigentliche Auseinandersetzung, die ihrerseits Ansatzpunkt zu begriffs- und gattungsgeschichtlichen Erörterungen sein könnte: das charakterisiert auch Ungers Beschäftigung mit Riehls Nietzsche-Buch 721 : „Wenn Aphorismen [...] der Stil der Decadence sind, so passen sie recht eigentlich für das hohe Alter" 722 . Wo er aber wirklich einmal auf das Charakteristische der Gattung zielt, schwingt er sich zu der Behauptung ab: „Das ist auch

717 718

7,9

720 721 722

Vgl. oben S. 179. Die Fackel Nr. 301-302 v. 3. 5. 1910, S. 52; vgl. Die Fackel Nr. 214-215 v. 22. 12. 1906, S. 47f u.ö. Zu Ungers Aphoristik kurz und nicht unkritisch Zweig: Josef Unger. In: Biograph. Jahrbuch und Dt. Nekrolog 18, 1917 Unger: Mosaik. 1911, S. 6. Vgl. oben S. 208f. Unger: Mosaik. 1911, S. 175.

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der Vorzug der Aphorismen: man kann sie lesen, man kann sie aber auch ungelesen lassen"723, gegen die man unzählbare ungelesen bleibende Romane als Zeugen anrufen kann. Der von Kraus gleich mitgeschmähte Robert Gersuny (1844-1924), ein zu seiner Zeit berühmter Wiener Chirurg, der mit Ebner-Eschenbach persönlich bekannt ist und sie verehrt, bietet mit seinem „Bodensatz des Lebens" (1906; in dritter vermehrter Auflage 1919) eine ähnlich heterogene Sammlung von Epigrammen, pointierten Einzelsätzen und kleinen, mit Uberschriften versehenen Abschnitten ohne begriffsgeschichtlichen Wert. Später schließt sich ihm sein Berliner Kollege Carl Ludwig Schleich (1859-1922) mit „Die Weisheit der Freude" (1920) an, seinen sorgfältig geordneten Eindrücken und Gedanken von bisweilen spezifischer professioneller' Innovation („Der schönste Geruch dieser Erde ist der Duft eines frisch gewaschenen Kinderhalses" 724 ). ,Professoren-Aphoristik' (wie etwas früher bei Julius Bahnsen und gleichzeitig bei dem Juristen Unger und den Medizinern Gersuny und Schleich): diese Kennzeichnung trifft die „Meditationen" (1904) von Hugo Marcus (geb. 1880) sehr genau. Es sind in der Mehrzahl blutleere Reflexionen vor allem über Kunst und Philosophie, etwa von der Art: „Wir aber, denen die klassische Kunst die Sehnsucht nach Schönheit des Leibes und das Mittelalter die Sehnsucht nach der Schönheit der Seele gab, wir sind die glücklichen Erben!" 725 Besonders platt werden sie, wenn der Professor einmal aus seiner Studierstube heraustritt und bemerkt: „Ein blühender Apfelbaum kann ein Erlebnis sein"726, aber für die Begriffsgeschichte sind sie von Wert durch Reflexionen im Vorwort wie in den Aphorismen selbst, die große Zusammenhänge noch einmal beleuchten. Daß sich solche Texte in die Gattung „Aphorismus" einreihen, ist nach 1900, wie wir schon mehrfach beobachten konnten, ausgesprochen wie unausgesprochen keine Frage mehr. Das Begriffsverständnis ist dabei sehr weit und schließt (im zweiten Teil) auch skizzenhaft Narratives und Lyrisches mit ein, aber eine Einsicht wie die folgende wird auch nicht ansatzweise umgesetzt: „Am Anfang der Dinge steht die Gleichung [,] am Ende

723 724 725

726

Ebd. S. 145. Schleich: Die Weisheit der Freude. 1920, S. 38. Marcus: Meditationen. 1904, S. 19. - Er mag darüber hinaus eine „keusche und reiche Ausnahmeseele" haben oder gar sein; das zu beurteilen bleibt der zeitgenössischen Rezension vorbehalten (Goldschmidt: Essai und Aphorismus. In: Lit. Echo 9, 1906/07, Sp. 1724). Marcus: Meditationen. 1904, S. 103.

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das Paradoxon"72? Marcus beginnt sein Vorwort: „Von meinen Aphorismen stammen die vorwiegend wissenschaftlichen in der Hauptsache aus dem Jahre 1903, diejenigen mehr poetischer Färbung wesentlich aus dem Jahre 1901 "72S. Wenn er auch verbaliter, nicht nur hier, durchaus eine Zwischenstellung des Aphorismus erkennt („Der Aphorismus hält in der Mitte zwischen der trivialen Regel und dem bunten Einzelfall; er lüftet leise von einem Geheimnis die Decke, ob sich darunter ein schönes Bild oder eine andere Decke finde"729), ist er doch realiter so weit von der ästhetischen Reflexion Cales oder der Praxis Hilles entfernt, daß man das wie oft bei historischen Phänomenen nur von der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen her begreifen kann: „Der Aphorismus ist seiner Natur nach gern dilettantisch. Er entwickelt alle Probleme für sich von neuem und spricht die urältesten Fragen der Philosophie so unbefangen aus, als habe er sie erst eigentlich entdeckt. Darum auch seine weite Wirkung auf den Kreis der Dilettanten. Wer außerhalb aphoristischer andere philosophische Lektüre nicht getrieben hat, der rechnet dem Aphorismus alle tausend Probleme zu gute, die die Philosophie bereits seit Urzeiten beschäftigen, und die vor ihm bereits weit vollkommener in Angriff genommen sein mögen [,] als er vermuten lässt. Das ist auch der Grund, warum der Aphorismus am meisten auf die Jugend wirkt; sie ist von Vorkenntnissen nicht belastet und lässt sich von seinen ästhetischen Reizen um so rascher gefangen nehmen. Ps. Die Miscelle des achtzehnten Jahrhunderts war durchaus fachlich-gelehrt und nur für den engen Kreis der Wissenden bestimmt" 730 .

Marcus argumentiert ungeachtet der „ästhetischen Reize" von der Sicherheit eines Faches aus, von woher der Begriff mit Assoziationen des Unernsten, Leichtfertigen, Minderen, auch des Dilettantischen und Jugendlichen versehen wird. Die Philosophie beansprucht den Aphorismus hier als eine spezielle fachliche Schreibart für sich („außerhalb aphoristischer andere philosophische Lektüre"), ganz im Sinne des 18. Jahrhunderts, auf dessen „Miscellen" Marcus sich ausdrücklich beruft. Wird man, wo sein Vorwort die mögliche Rezeption reflektiert, nicht an Nudow oder an Platner erinnert? „Für ein grosses Publikum sind meine Meditationen - schon der geringen Höhe der Auflage nach - nicht gedacht: Aphorismen meines Glaubens ohne grosse Gefahren überhaupt schwerlich denkbar, zumal sie Missverständlichkeiten noch leichter verfallen, als Bücher ohnehin und ihrem Lehrgehalt nach an die systematische Darstellung niemals heranreichen"731.

Der Hochschullehrer will einen kleinen Kreis, insonderheit fachlich weniger Ausgebildete als Interessierte, mit seiner Aphoristik erreichen; er ver™ Ebd. S. ™ Ebd. S. 729 Ebd. S. "o Ebd. S. ™ Ebd. S.

101. 5. 7 125, 5.

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gleicht diese mit der systematischen Darstellung, spricht von möglichen „Mißverständlichkeiten" und, ganz der späte Zeuge für die einheitliche "Wurzel des Begriffes, vom „Lehrgehalte" solcher „Aphorismen". A. Jaffes „Gedanken und Gleichnisse" (1904) sind bei relativ mehr Substanz trocken und glanzlos. Sie vermeiden offenbar bewußt einen unliebsam vorbelasteten Begriff. Dementsprechend setzen sich die philosophisch und kunsttheoretisch orientierten pointenlosen Aphorismen, die er in den Abteilungen „Allgemeines", „Kunst", „Philosophie" und „Politik" sammelt, auch mehrfach kritisch mit Nietzsche auseinander732. „Allgemein Philosophisches" bieten auch die „Entwürfe, Skizzen und Aphorismen aus dem Nachlasse von Emil Stein" (1874-1895) von 1896, daneben „Skizzen und Aphorismen zu bestimmten philosophischen Fragen", schließlich „Aphorismen verschiedenartigen Inhaltes"; und doch sind sie von ganz anderer Art als die von Marcus. Sie ziehen sich nicht auf Kathedergewißheit zurück („Vom Zweifel geplagt, vom Irrtum erwartet: der Philosoph" 733 ), sondern lassen ansatzweise den Versuch zu einer in der Auseinandersetzung mit Nietzsche entwickelten, bewußt zwischen Wissenschaft und Literatur stehenden, punktuellen' und nicht prinzipiellen („Der Gedanke ist ein Magnet, der andere Gedanken anzieht. Hingegen ist ein Prinzip ein Ding, das andere Prinzipien zurückstößt" 734 ), persönlichen („Eine große Gefahr für das Denken besteht darin, wenn der Gedanke das Persönliche verdeckt. Typisch hierfür ist die Hegeische Philosophie" 735 ) und „originellen"736 Aphoristik erkennen, wie sie sich auch theoretisch mit der Einheit von Philosophie und Poesie beschäftigt zeigen: „Wenn nun die Philosophie nach meiner Theorie die die Begriffe begleitenden Gefühle beachten lernt, so wird die gähnende Kluft überbrückt werden"73? Von der falschen Idealität der Aphoristik des Herzens und ihrer Gemeinde sind sie damit extrem weit entfernt, etwa von dem „Idealisten" Gerhardt(-Amyntor), von Kunad oder Ecard; Stein antwortet Leixner geradezu: „Ein großer Schriftsteller wird niemals sagen: ,Lieber Leser!' Ihm ist der Leser nicht lieb" 738 . Gerade im Vergleich seiner „Studien" (und den „Meditationen" Marcus') zu den prinzipiell ähnlichen, philosophisch orientierten „Aphoris-

732 733 734 735 736 737 738

Jaffe: Gedanken und Gleichnisse. 1904, S. 140, 202. Stein: Philosophische Studien. 1896, S. 94. Ebd. S. 44. Ebd. S. 45. Ebd. S. 89. Ebd. S. 67 Ebd. S. 92.

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men aus den Papieren eines Verstorbenen"739 wird deutlich, wie sehr sich das Formideal der Kürze, besonders vom literarischen GedankensplitterAphorismus her, in diesen dreißig Jahren dem Begriff aufgeprägt hat. Paul Garins katholische Aphoristik, Erwin Kalischers „Aphorismen" (1907) und Salomon Baer-Oberdorfs „Aphorismen" mit dem Titel „Wetterleuchten" (1909) sind von moralistischem Gepräge in engerem Sinne. Bei Garins „Dulcamara" (1896) handelt es sich nur insofern um bemerkenswerte „Harmlose und unmaßgebliche Gedanken über Gott und die Welt, Religion und Philosophie, Kunst und Wissenschaft, Gesellschaft und Politik und Vieles Andere", als sie ihre kotextuelle Isolation durch keinerlei Mittel anzeigen, also geradezu verstecken wollen, sie dabei gleichwohl inhaltlich klar erkennen lassen. Wenn auch im Vorwort von Garins „Der unbekannte Freund" (1907) vage von „Aufzeichnungen" die Rede ist, so hat „der aus der Jugend' bekannte Spruchdenker"740 doch den Anspruch, die Reihe der „Moralisten"741 über Nietzsche hinaus weiterzuführen: „Ein richtiges Aper$u ist ein Pfeil, der bis ins Herz seines Gegenstandes dringt und daraus nur einen Tropfen herausholt, aber einen Tropfen - Herzblut"742. Wie er hier in der Nähe zu Nietzsche den Aspekt des Kraftvollen als des Verletzenden in noch einmal verstärkender Absicht ins Kitschige und bildlich Schiefe hinein variiert, so bietet Kalischer (1883-1951) einen gesucht-wortspielerischen Beitrag zur spätestens seit Uhland greifbaren metaphorischen Konvention des ,Zündenden': „Gute Aphorismen sind Phosphorismen"743. Und wenn er mutmaßt: „Vielleicht ist es wahr, daß das Denken nur in Aphorismen sich ausleben kann"744, so erinnert das an die ähnlich matten Zeitadverbien („Meist ...") bei Sirius und Goldschmidt. Jedenfalls wird der mögliche Vorzug vorsichtiger Genauigkeit entschieden durch den Mangel an Treffsicherheit und Schärfe konterkariert, der Aphorismus als Aphorismus um seine ganze Wirkung gebracht. Es bleibt nichts als ein blasser Nachhall der,Anmaßungen' Nietzsches. Ahnlich dominieren bei Baer-Oberdorf (1870-1940) treuherzige Ideale und gute Gesinnung über sprachliche Gestaltungskraft und originelle Idee. Ebenso unanfechtbar richtig wie steif heißt es etwa: „Von manchen geistreichen Wahrheiten ist das Gegenteil ebenso geistreich und wahr wie jene"745.

Vgl. oben S. 14Z Goldschmidt: Kleinkunst des Gedankens. In: Lit. Echo 12, 1909/10, Sp. 1452. 741 Garin: Der unbekannte Freund. 190^ S. 54. 7 « Ebd. S. 27 7 « Kalischer: Aphorismen. 190^ S. 30. 744 Ebd. S. 37 745 Baer-Oberdorf: Wetterleuchten. 1909, S. 94. 740

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Richard Münzers (1864-1930) „Tausend und Ein Aphorismus" (1914) hat zwar mit Sirius' „Tausend und Ein Gedanken" den Titel fast gemeinsam, ist aber durchweg von einem höheren Anspruch, den die formale Anlehnung an Ebner-Eschenbach, die schlichte Gliederung in Hunderter-Reihen, eher dokumentiert. Es sind mehr oder weniger gelungene Definitionen („Unsere Ideale sind die Verbesserungsvorschläge, die wir Gott machen" 746 ) und ähnlich gängige moralistische Aussagen, oft zu den klassischen Themen Frauen und Liebe und geprägt vom aphoristischen Relativismus („Es gibt so viele ,Wahrheiten' als es Menschen gibt"747). Emanuel Wertheimers (1846-1916) „Aphorismen. Gedanken und Meinungen" 748 (1896; als „Buch der Weisheit", zweite Auflage und neue Folge 1920), wenngleich heute (fast) ebenso vergessen wie alle diese Bändchen749, stellen die Frage, ob das zu Recht so sei, mit mehr Nachdruck. Mit einer dreifachen oder doch eher doppelten Beschilderung gewissermaßen versieht Wertheimer seine Texte: Uber den „Gedanken", die seit Herder, und den „Meinungen", die mit Nietzsche ihre besondere Bedeutung im semantischen Umfeld des „Aphorismus"-Begriffes haben 750 , steht der selbstverständliche, durch Ebner-Eschenbach und Nietzsche gleichsam geadelte schlichte Gattungsbegriff. Ihre zeitgenössische, auch internationale Wirkung war beträchtlich. Sie wurden bald ins Französische und Spanische übersetzt und in Vorworten von Autoritäten wie Francois Coppee, einem Mitglied der Academie Frangaise, und Jose Echegaray, dem Literaturnobelpreisträger von 1904, begrüßt. „Um das ewig Bestehende in den wechselseitigen Beziehungen der Menschen zu erfassen, um die wesentlichen Punkte des sozialen Kampfes zu bezeichnen und den Egoismus in dem Augenblicke zu überraschen, wo er denkt und handelt, gibt es kaum eine geeignetere Form als die aphoristische"751, schreibt freundlich allgemein bleibend Coppee. Auch sollte es noch nicht als sonderlich bezeichnend gelten, daß zumal einem französischen Autor in einem Begleitwort, das lobend einführen und fördern soll, La Rochefoucauld und La Bruyere als Vorläufer einfallen, die Wertheimer aktualisiere. Auch Nacht sieht sich später „in Kürze und

746 747 748 749

750 751

Münzer: Tausend und Ein Aphorismus. 1914, S. 43. Ebd. S. 145. Der Untertitel steht in der Tradition Klingers und Bodes; vgl. oben S. 105f. Die Anthologien von Welser (Deutsche Aphorismen [1988]) und Schmidt (Schlagfertige Definitionen [1976]) zitieren ihn, nicht aber die von Fieguth (Deutsche Aphorismen [1978]) und Hindermann/Heinser (Deutsche Aphorismen aus drei Jahrhunderten [2. Aufl. 1987]). Vgl. oben S. 92 und S. 191. Wertheimer: Buch der Weisheit. 1920, S. 7

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Formvollendung an Larochefoucauld" erinnert, „dem er [Wertheimer] auch in seiner Einseitigkeit und negativen Art ähnelt"752. Kraus immerhin schweigt lobend. Und es gibt - eine wirkliche Rarität - einen belangvollen Beleg für seine "Wertschätzung bis in die Gegenwart hinein. Ernst Jünger zitiert ihn in seinem Aphorismus-Band „Autor und Autorschaft" (1984) anerkennend und zustimmend: „Gute Gedanken über Autorschaft. Daraus einige Kostproben"753. Alfred Klaar gibt der postum erschienenen erweiterten Auflage ein Vorwort mit, das auch Informationen bietet. Wo er von dem „vollen Gedankenwert" spricht, „der das bloße Wortspiel verschmäht"754, ist der Hintergrund des populären witz-orientierten Gedankensplitter-Aphorismus bis einschließlich Otto Weiß mitzudenken. „Jahrzehntelang feilte er an seinen Aphorismen, ehe er sie der Öffentlichkeit übergab"755. Auch nach vorwortbedingtem Abzug etlicher Jahre bleibt es richtig, daß es sich bei Wertheimers Texten um eine am Gehalt orientierte, aufs äußerste verknappte Aphoristik handelt: „Ein guter Gedanke hat fast nichts an"756. Das Bekenntnis zur Kürze („Die meisten Schriftsteller wären mehr gelesen, hätten sie weniger geschrieben"757) verbindet sich mit einer satirischen Schärfe, deren Mitleidlosigkeit („Erwarte alles vom Mitleid, nur keine Hilfe"758) sich auch der eigenen Person gegenüber als erkenntnisfördernd erweist („Selbstbeobachtung genügt, um Satiriker zu werden"759). Das steht nicht nur im scharfen Gegensatz zu der so papiernen wie stereotypen Berufung auf die Lebenserfahrung, wie man sie von den „ Gedankensplitter-Autoren und den Aphoristikern des Herzens her kennt, das stellt Wertheimer auch, wie es das Vorwort aufs Ganze gesehen nicht zu Unrecht behauptet, tatsächlich in die Nachfolge der klassischen Moralistik: „Man kann die Menschen durch Maximen nicht bessern, aber vor einander warnen"760; „Wer schmeichelt, bettelt"761; „Man kennt die Menschen nicht, seit es Gesetze gibt" 762. In seinen besten Texten begegnet ein geradezu Lichtenberg'sches Selbst- und Gegen-den-Strich-Denken („Viele Paradoxe sind nur ungewohnte Selbstverständlichkeiten"763). Und

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Nacht: Pflugschar und Flugsame. 1922, S. 16. Jünger: Autor und Autorschaft. 1984, S. 121. 754 Wertheimer: Buch der Weisheit. 1920, S. 6. 7 =5 Ebd. » Ebd. 757 Wertheimer: Aphorismen. 1896, S. 24. 758 Ebd. S. 25. ™ Ebd. S. 92. 760 Ebd. S. 14. 761 Wertheimer: Buch der Weisheit. 1920, S. 14. 762 Wertheimer: Aphorismen. 1896, S. 11. 7 « Ebd. S. 72. 753

Der Begriff in der Literaturwissenschaft um 1900

wo sich die etwa von Oertzen her bekannte Herz-Kopf-Dichotomie det, da wird in keinem Fall das übliche innerlich-idealistische Klischee stärkt: „Die guten Einfälle des Herzens sind noch seltener, als die Kopfes" 7 6 4 . (Freilich fehlt auch hier die „Inhaltsübersicht" am Schluß, den Gebrauchswert sicherstellt, nicht.)

261 fingedes die

Es hat sich, von Morgenstern und Hille über Sirius und Weiß bis zu Wertheimer, damit zwar ein sehr breites Spektrum von Aphorismen eröffnet, das Gattung und Gattungsbegriff festigt, aber die Aphoristik der Jahrhundertwende ist damit weder quantitativ noch qualitativ erschöpfend dargestellt: Zum einen lassen sich der Eigentümlichkeit des metaphorischen Inkognitos wegen gewiß noch weitere Texte beiziehen, zum andern konnte es zunächst einmal nur um eine erste Charakterisierung unter dem Begriffsgesichtspunkt gehen. Es stellt sich nun die Frage, wie sich der Begriff in der gleichzeitigen Literaturwissenschaft entwickelt, ob sie auf die gleichzeitig entstehende Literatur reagiert und nach der konservativ zögerlichen Begriffsverwendung um 1870 jetzt gewissermaßen terminologisch gleichzieht.

IV. Der Begriff in der Literaturwissenschaft um 1900 Die Entwicklung des „Aphorismus"-Begriffs in der Literaturwissenschaft um 1900 ist zum Teil - wie sollte das anders sein? - als Fortschreibung von Tendenzen zu begreifen, wie sie in den Literaturgeschichten Hettners, Schmidts, Grisebachs oder Königs angelegt sind. Aber was dort als Uneinheitlichkeit beschrieben werden mußte, wird jetzt nicht nur kontinuierlich stärker vereinheitlicht. Während die Begriffsentwicklung in Wörterbuch und Literaturgeschichte nach Nietzsche und in der Zeit seiner stärksten Rezeption noch als evolutionär beurteilt werden kann, kommt gerade in der Edition durch der Wissenschaft inhärente normierende Tendenzen eine neue, durchaus sprunghafte Qualität hinzu. Sehr schnell kommt es nicht nur zu einer energischen, bei vielen Autoren zu konstatierenden Begriffsvereinheitlichung, sondern der „Aphorismus"-Begriff bekommt im selben Moment sogar etwas ungerechtfertigt Expansives. War in den Jahrzehnten zuvor, bedingt durch die Konservativität der Germanistik, eine verzögerte Rezeption des Gattungsbegriffes zu beobachten, so jetzt aufgrund ihres Ordnungsdenkens in Gattungsschemata eine bis zur Unbedenklichkeit und Ubersteigerung bereitwillige Übernahme des ordnungschaffenden Begriffes, der so eine Eigendynamik gewinnt;

764

Ebd. S. 50.

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eine gegenläufige Bewegung also, der trotzdem nichts Inkonsequentes oder Paradoxes anhaftet. 1. Wörterbuch und Literaturgeschichte Ausgangspunkt für die Beobachtung etwaiger neuer Tendenzen des Begriffs in Wörterbuch und Konversationslexikon ist der Brockhaus von 1851, der die Begriffsgeschichte in der Weise spiegelte, daß er von einer neueren - Bedeutung „im Allgemeinen" und einer älteren „im engern Sinne", wissenschaftlichen Lehrsätzen oder Lehrsprächen, sprach765. In geradezu auffälliger Weise reflektiert er auch in den nächsten Auflagen die weitere Entwicklung vom (populär-)wissenschaftlichen Begriff zum literarischen Gattungsbegriff. Während 1882 bis 1892 nur knapp, aber jetzt ohne die ältere Zweipoligkeit von (abgerissenen), kurzen, unverbundenen und in prägnanter Form gehaltenen Sätzen766 die Rede ist, nennt die revidierte Neuausgabe von 1908 darüber hinaus „als hervorragende deutsche Verfasser von A."767 Goethe, Lichtenberg, Nietzsche und Ebner-Eschenbach. Das bezeichnet einen entscheidenden Neuansatz zwischen 1892 und 1908 insofern, als sich hier die Gattung ihrer Geschichte vergewissert und damit auf der Ebene des Konversationslexikons genau das Gattungsbewußtsein in statu nascendi abgebildet wird, das die zeitgenössische Literatur nahelegt und das die Literaturwissenschaft zögernd entwickelt. Die anderen großen Lexika bleiben demgegenüber zurück. Herders Konversations-Lexikon folgt dem Brockhaus 1902 in seinem kurzen Eintrag bis in die Epitheta „abgerissen" und „unverbunden", reflektiert aber immerhin in den Synonymen, die es angibt, in „Denkspruch" und vor allem in „Gedankensplitter", die Mode der Zeit768. Meyer gibt je ein formales („abgerissene, untereinander nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehende Sätze") und ein inhaltliches Definitionsmerkmal („welche allgemeine menschliche Wahrheiten enthalten"). Beide unterscheiden zwischen Nomen und Substantiv, Herder neutral beschreibend, Meyer 1894 und unverändert noch 1905 in der aus dem 19. Jahrhundert bekannten abschätzigen Art („der stilistischen Verbindung ermangelnde Ausdrucksweise"769). Diese Teilung ist insofern berechtigt, als das Adjektiv nach wie vor weiter verbreitet ist als das Substantiv. Und es hat sich ja auch früher durchgesetzt. Verdiente es aber dort höchste Beachtung, wo durch sein im

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Vgl. oben S. 103. Brockhaus: Conversations-Lexikon. 13. Aufl. 1882, 14. Aufl. 1892, s.v. Aphorismus. 767 Brockhaus: Conversations-Lexikon. 14. Aufl. Revidierte Neuausgabe. 1908, s.v. Aphorismus. 768 Herders Konversations-Lexikon. 3. Aufl. 1902, s.v. Aphorismus. 769 Meyers Conversations-Lexikon. 5. Aufl. 1894 und 6. Aufl. 1905, s.v. Aphorismus. 766

Der Begriff in der Literaturwissenschaft um 1900

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allgemeineren Sinn Beschreibendes oder Charakterisierendes, schon bei Bouterwek und Brandes, der Begriff von seiner attributiven Verwendung her auf dem Weg zur Gattungsbezeichnung zu sehen ist, so ist es nach der weitestgehenden Etablierung des Substantivs als eines literaturwissenschaftlichen Fachterminus nur noch von sekundärem Erkenntniswert. Als die unverbindlichere Ableitung wird es jetzt allgemein so gebraucht, wie etwa von einer lyrischen Passage im Roman die Rede ist770. Überhaupt sind in dem Maße, in dem sich der Gattungsbegriff durchsetzt, Ableitungen und Nebenformen zu beobachten. Das Neutrum „Aphorisma" scheint zwischen 1880 und 1910/1920 eine Nebenmöglichkeit darzustellen, die sich nicht durchgesetzt hat. Jedenfalls erscheint es bei so unterschiedlichen Zeugen wie Eduard Grisebach771 und Otto Weiß772, auch noch bei Hofmannsthal 773 , Schnitzler774 und Auernheimer775, und Artur Kutscher gebraucht es in seiner „Stilkunde der deutschen Dichtung" noch 1951 mit der Begründung, die latinisierte Form vermeiden zu wollen 776 . Eher ein Kuriosum ist es wohl, daß der Begriff schließlich - für Arent ist Hille schlicht „Der Aphorisme König"777 - auch als Femininum nachweisbar ist. Die Notwendigkeit eines Nomens, das von der Gattung her den bezeichnet, der sich in ihr übt, ergibt sich erst mit und nach dem Bewußtsein für eine solche Gattung. Als Bezeichnung der Gruppe von Schriftstellern, die mit ihr vornehmlich in Verbindung gebracht wird, begegnet um 1900 dafür zuerst und an verschiedenen Stellen der „Aphorist", eine weitgehend wieder verschwundene Vorform des heute üblichen „Aphoristikers", in Essay („der geborene Aphorist" 778 ) und Rezension 779 - auch in Komposita: Hille als „Stimmungsaphorist" 780 - , in den Aphorismen selbst ebenfalls. „Bei einer Hochzeit, da stand in der Nähe des Traualtars

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So z.B. bei Lennemann; zit. nach Kienecker: Hille. 1986, S. 45. Grisebach: Die deutsche Literatur 1770-1870. 1876, S. 74. Weiß: So seid Ihr! 1907, S. 107; 2. Folge. 1909, S. 83. Hofmannsthal: Reden und Aufsätze III. Buch der Freunde. Aufzeichnungen 1889-1929. 1980, S. 545. „Schüttle ein Aphorisma, so fällt eine Lüge heraus und eine Banalität bleibt übrig" (Schnitzler: Aphorismen und Betrachtungen. 1967, S. 132. Vgl. ebd. S. 133). Auernheimer: Arthur Schnitzler - Raoul Auernheimer. The correspondence of Arthur Schnitzler and Raoul Auernheimer with Raoul Auernheimer's aphorisms. 1972, S. 117 Kutscher: Stilkunde der deutschen Dichtung. 1951, S. 277 Arent 1897; zit. nach Hille: Ich bin, also ist Schönheit. 1981, S. 230f. Berg: Der Aphorismus. In: L. B.: Aus der Zeit - gegen die Zeit. Essays. 1905, S. 181. Stössinger: Spruchweisheit. In: Lit. Echo 12, 1909/10, S. 189. Bierbaum, zit. nach: Biese: Lyrische Dichtung und neuere deutsche Lyriker. 1896, S. 231. - Seligmann: Vom Aphorismus [Rez. Kraus, Pro domo et mundo]. In: Frankfurter Zeitung Nr. 78 (Abendblatt), 19. 3. 1912. - Kraus in: Die Fackel Nr. 2 8 5 - 8 6 v. 27 7 1909, S. 46.

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ein Aphorist und murmelte: ,Wer schwören muß, dem wird mißtraut"' 781 , murmelt Otto Weiß, der mit Eifer am literarischen Grabmal des „unbekannten Aphoristen" 782 lauert. In der Literaturgeschichtsschreibung ist zu beobachten, daß das Abschätzige mehr und mehr schwindet, wie es von Laube bis König, in dem „nur" beispielsweise, begegnete und wie es immanent noch Goedeke zu erkennen gibt, wenn er zu Friedrich Schlegels Werk bemerkt, daß es „teils in größeren Arbeiten durchgeführt, teils in aphoristischer Weise und wie in Orakelworten ausgestreut" 783 , d.h. doch: teils eben nur unausgeführt sei. Ahnliches ist bei Richard M. Meyer festzustellen. Auch er benutzt den Begriff schon relativ selbstverständlich - Goedeke spricht auch für Görres, Humboldt und Börne von „Aphorismen" auch er im Detail 1886 noch in abschätziger Form: „Nur freilich ging er [Lichtenberg] nicht systematisch vor, sondern begnügte sich mit aphoristischen Sammlungen von Beobachtungen, die sich Niemand [!] die Mühe gab zu verknüpfen" 784 ; über zahlreiche Einzelbeobachtungen sei er „nicht herausgekommen" 785 . Bei Meyer läßt sich freilich - angesichts der wenigen Belege mit aller Vorsicht - eine Entwicklung beobachten. Er gibt zwar seine grundsätzlich skeptische Haltung in seiner Literaturgeschichte von 1900 nicht auf, wenn er zu Vischers „Auch Einer" von der „lockeren Technik" spricht, die „gar zu gern in Aphorismen und schöne Stellen zerflattert" 786 , aber er sieht Nietzsche schon in einer Gattungsgeschichte stehen: „Den Aphorismus, dessen kurze Geschichte bei uns erst mit Lichtenberg beginnt, hat er erst zu einer selbständigen Kunstgattung erhoben"78? Und 1906 ist er es, der dem Aphorismus in seiner „Deutschen Stilistik" einen ganzen Paragraphen widmet, mit seinem tastenden Versuch, Sprichwort und Zitat als dessen beide „Vorschulen" zu etablieren, die genauere wissenschaftliche Beschäftigung mit „der von Literaturgeschichte, Kritik und Stilistik meist stiefmütterlich behandelten Gattung"788 - noch vor Berendsohn - aufnimmt und in seinen beiden Typen, dem „aufregenden" und dem „abschließenden" Aphorismus, schon auf Mautner vorausweist.

Weiß: So seid Ihr! 2. Folge. 1909, S. 109. Ebd. S. 117; vgl. S. 23. 783 Goedeke: Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen. 3. Bd., 1. und 2. Abtl. 1881, S. 12. 784 Meyer: Swift und Lichtenberg. 1886, S. 64. 785 Ebd. S. 65. 786 Meyer: Die deutsche Litteratur des 19. Jahrhunderts. 1900, S. 188. 787 Ebd. S. 731. 788 Meyer: Deutsche Stilistik. 1906, S. 157 781

7«2

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Daß das Schwankende im Wortgebrauch sehr bald von einer immer selbstverständlicheren Eindeutigkeit abgelöst wird, die den Stand des Gattungsbewußtseins spiegelt, läßt sich neben Meyer - wenngleich nicht ohne Vorbehalte - auch an der Terminologie von Eduard Grisebach und Rudolph Gottschall erkennen, die sich gleichfalls über Jahre hinweg mehrfach mit der Gattung beschäftigen, Grisebach editorisch wie literarhistorisch789. Beide gehen einerseits vom Adjektiv aus (Gottschall spricht lediglich von „aphoristischen Offenbarungen"790), für das Nomen andererseits von der Terminologie ihres Autors (Schellings bzw. Schopenhauers). Anders als noch zwanzig Jahre zuvor spricht Grisebach, der Lyriker, Diplomat, Bibliophile, der alles andere als nur,zünftiger' Literarhistoriker ist, in seiner Schopenhauer-Biographie selbstverständlich von den „Aphorismen". Der Terminus mag ihm als Literaten, dann aber vor allem von dem Verfasser der „Aphorismen zur Lebensweisheit" selbst her nahestehen. Jedenfalls gebraucht er ihn unreflektiert und in unreflektiert weitem Sinne, wenn er die weder zur Publikation noch überhaupt als selbständig gedachten Vorarbeiten zur „Welt als Wille und Vorstellung" als „Aphorismenchaos" bezeichnet und solche „Philosophische Aphorismen" im Anhang veröffentlicht791. Meyer reagiert, wenn auch verhalten, auf die Literatur seiner Zeit: „Übrigens ist nicht jeder ,Gedankensplitter', der eine befremdende Meinung ausspricht, ein Kunstwerk, das zum geistigen Weiterformen anregt"792. Borinski tut das gleiche temperamentvoller, wenn er im Zusammenhang mit Graciäns „Aphorismen-, Maximen- und Reflexionensammlung" ganz nebenbei die „für die neueste Bildung allerwichtigste Form oder Unform" 793 erwähnt, ein Beispiel dafür, wie der Begriff von der Literatur ihrer Zeit her in die Terminologie der Literaturwissenschaft hineinwächst. Als solcher ist er, erst recht nach der Jahrhundertwende, in den Literaturgeschichten bis zu ihren schmalen, für den Schulgebrauch gedachten Ablegern zahlreich, wenn auch noch nicht in konsequenter Verwendung, nachzuweisen. So hat Engel im Zusammenhang mit Ebner-Eschenbach selbstverständlich eine reiche Gattungsgeschichte vor Augen, wenn er von La Rochefoucauld als ihrem größten Vorgänger spricht794. Die BeVgl. oben S. 174f. Gottschall: Poetik. Die Dichtkunst und ihre Technik. 6. Aufl. 1893, S. 230. 7 " Grisebach: Schopenhauer. 1897, S. 58, 110 und 282-284. 792 Meyer: Deutsche Stilistik. 1906, S. 158. 793 Borinski: Baltasar Graciän und die Hoflitteratur in Deutschland. 1894, S. 116. 794 Engel: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis in die Gegenwart. 19. Aufl. Bd. 2. 1913, S. 280. - Als weitere Beispiele mögen dienen: Vogt, Koch: Geschichte der deutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. 1897; Lindemann: Geschichte der deutschen Literatur. 8. Aufl. 1906. - Kehr, Kriebitzsch (Lesebuch für deutsche Lehrerbildungsanstalten. 4. Band. 5. Aufl. 1889, S. 177f.) geben noch vor Leitzmann eine Auswahl aus Lichtenbergs „Vermischten Schriften" von 1801 als „Aphorismen". 789

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griffsgeschichte beginnt, von der Forschungsgeschichte abgelöst zu werden; spätestens mit der ersten Dissertation, die den Begriff im Titel trägt, Walter Arthur Berendsohns Arbeit über „Stil und Form der Aphorismen Lichtenbergs", sind 1912 Begriff und Gattung für die Literaturwissenschaft endgültig verknüpft. So wichtig diese Beobachtungen für das ,Einsickern' des Begriffes in die literaturwissenschaftliche Terminologie sein mögen: das ungleich Wichtigere geschieht einerseits, wie schon zu sehen war, im Zusammenhang der Nietzsche-Rezeption mit den ersten systematischen und historischen Versuchen von Meyer, Eckertz und Berg795, andererseits aber in der Editionspraxis dieser Jahre, namentlich der Albert Leitzmanns. 2. Edition: Leitzmann und die Folgen Die Begriffsgeschichte des Aphorismus berührt sich im 19. Jahrhundert, wie zu sehen war, vielfach mit der Rezeptionsgeschichte Lichtenbergs. Angesichts seiner wachsenden Wirkung verwundert das nicht; es muß aber sofort in spezifischer Weise eingeschränkt werden. Angesichts der fremden Herkunft des Begriffs gilt das verständlicherweise noch nicht für die Beiträge vom Beginn des Jahrhunderts, für Schleiermacher, Falk oder Jördens796. Es gilt aber auch nicht für die konservative Literaturgeschichtsschreibung von Gervinus bis Hettner und noch Vogt/Koch, für die mit dem Begriff auch diese Seite in Lichtenbergs Schaffen durchweg keine Rolle spielt. Zu beobachten ist diese vorausweisende Verschränkung vielmehr in der Literatur selbst, explizit erstmals bei Varnhagen 1825 und Hebbel 1849, in enger mittelbarer Verbindung aber auch bei dem Novellisten, nicht aber dem Literaturtheoretiker Vischer nach 1830 sowie zehn Jahre später bei Fähnrich, der sich in seinem „Aphoristischen Taschenbuch" an die als „Bruchsätze" ins Deutsche übertragenen „Aphorismen" des „genialen Lichtenberg"797 anzuschließen sucht, bei Schopenhauer und Fick nach der Mitte des Jahrhunderts. Und wenn in der Literaturgeschichtsschreibung seit den 70er Jahren nur erst ein vorsichtiger Wandel in der Terminologie des so Undefinierbaren wie Kleinen und Unbedeutenden zu verzeichnen ist, so steht dem Nietzsches gleichzeitiges in Wertung wie Begriffsbildung eindeutiges Votum gegenüber, das die „Aphorismen" Lichtenbergs dem für ihn äußerst schmalen „Schatz der deutschen Prosa" zurechnet.

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Vgl. oben S. 215ff. Vgl. oben S. 67. Fähnrich: Pallas Athene. Ein aphoristisches Taschenbuch. Bd. I. 1840, S. 70.

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1902-1908 ediert Albert Leitzmann, nachdem er Lichtenbergs handschriftlichen Nachlaß gefunden hat, die Sudelbücher in maßgebender Weise neu 798 . Er tut das nicht mehr wie die Vorgänger Bobertag und Grisebach unter Bezeichnungen wie Gedanken, Beobachtungen oder Maximen 799 , sondern unter dem Begriff „Aphorismen", der mit dem Begründer und „Klassiker des Aphorismus" die Gattung selbst konstituieren will800. Der terminologische Vereinheitlichungsprozeß innerhalb der Literaturwissenschaft, der nach 1900 zu beobachten ist und der die ,Lücke' schließt, die sich zum Sprachgebrauch außerhalb aufgetan hat - dieses ,Außerhalb' meint aber: innerhalb der Literatur! - , hat in dieser Entscheidung seine Wurzel. Eine Begriffsreflexion sucht man bei Leitzmann selbst vergebens. „Seine Bemühungen um mehrere heute manchmal ,deutsche Jacobiner' genannte Autoren aus dem Bereich der späten Aufklärung setzten ihn zu dieser Form in Beziehung"801, meint Friemel, noch ohne auf den Begriff Wert zu legen. Baasner hingegen „stellt sich die Frage, warum Leitzmann von der Gepflogenheit der »Vermischten Schriften' abwich und die ,Bemerkungen' nun,Aphorismen' nannte?" 802 Er erkennt die „Aphorismen" - so vage wie berechtigt - als eine zu dieser Zeit „beim bürgerlichen Publikum äußerst beliebte Kleinform" und vermutet, Leitzmann komme von der Mode der Zeit zu dem Begriff: „Mußte es da nicht wie eine erfolgversprechende Marktstrategie aussehen, Lichtenbergs Texte ebenfalls unter jener Bezeichnung herauszubringen, die gleichzeitig dem Publikum ein geeignetes Rezeptionsschema vorgab?" 803 Wenn man allein die aus der Bildungsfrömmigkeit abgeleitete Funktion und den Erfolg von Sammlungen wie Bergs „Aphorismen der Welt-Literatur" in seinem „Buch der Bücher" oder Hoddicks „Aphorismen-Schatz" in seinen „Weltlichen Texten" beobachtet 804 , ist leicht ersichtlich, daß Baasner hier auf der richtigen Fährte ist. Leitzmanns Begriffswahl ist begründet in der wenn auch zögerlichen Entwicklung innerhalb der Literaturwissenschaft der zweiten

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Vgl. Kaufmann, Stadeler: „ein glücklicher Zufall, dem planmäßiges Suchen vorausging". Die Lichtenberg-Forschungen des Jenaer Germanisten Albert Leitzmann. In: Lichtenberg-Jahrbuch 1992, S. 171-177, dazu die dort folgenden Notizen zu Leitzmann. Vgl. oben S. 174. Lichtenberg: Aphorismen. Nach den Handschriften hg. von Albert Leitzmann. 5 Hefte. 1902-1908. Auch die Vorpublikation „Aus Lichtenbergs Nachlaß" (1899) wird in der Kritik schon selbstverständlich als „Aphorismenbücher" rezipiert (Laudiert: Rez. Aus Lichtenbergs Nachlaß. In: Euphorion 6, 1899, S. 362), wie es Leitzmann (S. VII) vorgibt. Friemel: Albert Leitzmann: ostseeschlamm, aphorismen eines ertrunkenen. In: Zs. f. Germanistik N . F. 1, 1991, S. 156. Baasner: Georg Christoph Lichtenberg. 1992, S. 77 Ebd. Vgl. oben S. 179.

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Jahrhunderthälfte selbst auf diesen Begriff zu, dann aber vor allem in der Rezeption Nietzsches und in der anschwellenden Produktion von geistreichen Gedankensplittern, die sich in Titel oder Untertitel in eine Gattung „Aphorismen" einreihen. Sie ist also weniger eine individuelle Entscheidung als in der Zeit angelegt. Zu Lichtenbergs 100. Geburtstag heißt es in einem kurzen Beitrag Hermann Michels noch: „Er bleibt vergessen" und schon·. „Zu den wahrhaft großen deutschen Aphoristikern rechne ich auch Lichtenberg". Und: „Im Aphorismus also liegt Lichtenbergs Stärke. Im Aphorismus aber liegt auch seine Schwäche"805. Und für Busse ist er zur gleichen Zeit selbstverständlich „ein genialer Aphoristiker"806. Es kommt bei Leitzmann aber noch etwas Entscheidendes hinzu. Er hat nämlich selbst Aphorismen verfaßt80? Auch in seiner Person zeigt sich damit noch einmal der Primat der Literatur bei der Begriffswahl der Literaturwissenschaft. „Ostseeschlamm. Aphorismen eines Ertrunkenen"808, 1891 auf einer Ostseereise entstanden, interessiert, wie der Herausgeber Friemel schon bemerkt, vor allem durch die zahlreich darin enthaltenen Aphorismen über den Aphorismus, die Leitzmanns Begriffskontext und -Verständnis reflektieren. Ihre Uneinheitlichkeit spiegelt nur die Uneinheitlichkeit des Materials, das dem jungen Germanistikdozenten aus der Literaturgeschichte wie vor allem auch aus der aktuellen Literatur vorliegt. Er hat nicht nur genug kritischen Abstand zur Beurteilung der aphoristischen Literatur seiner Gegenwart, sondern auch die - ganz berechtigte - Selbsteinschätzung, die eigenen „Aphorismen", die in der Gestaltung eindeutig hinter ihren kritischen Einsichten zurückbleiben, nicht zu veröffentlichen. Es sind Nebenprodukte aus der Freizeit des Wissenschaftlers, teils aper^uhaft zugespitzte oder apodiktisch formulierte („es ist das schicksal der bedeutendsten aphorismen [,] vergessen zu werden"809), dabei durchaus vorläufig-unfertige und immanent widersprüchliche Versuche („aphorismen überleben sich"810; „alle aphorismen sind ewige Wahrheiten"811), teils der Unsinnspoesie nahe Ferienlaunen, die spielerisch einen gattungs-

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Michel: Lichtenberg. 24. Februar 1799. In: Das Magazin für Litteratur 68,1899, Sp. 172. Busse: Rez. Lichtenbergs Briefe an Dieterich. In: Das litt. Echo 1, 1898/99, S. 64. 807 Damit eröffnet er eine lange Reihe von Wissenschaftlern (nur aus dem deutschen Sprachraum etwa Arthur-Hermann Fink alias Arthur Hafink, Hans Margolius, Klaus Welser, Hans-Horst Skupy, Hermann Schweppenhausen Ulrich Horstmann, Helmut Arntzen, Ulrich Erckenbrecht, Jacques Wirion), die sich (auch) von der eigenen literarischen Praxis her theoretisch mit der Gattung beschäftigen. 808 Friemel: Albert Leitzmann: ostseeschlamm, aphorismen eines ertrunkenen. In: Zs. f. Germanistik N. F. 1, 1991, S. 155-160. 8 °9 Ebd. Nr. 37 810 Ebd. Nr. 200. 811 Ebd. Nr. 194. 806

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spezifischen Beitrag zum ewigen Thema der Geschlechter liefern wollen („männeraphorismen erwachsen wie bäume, während frauenaphorismen wie pilze aus dem boden schiessen"812) und nicht immer zu ernst genommen werden dürfen: „treppenaphorismen sind solche [,] die einem nicht einfallen"813; „aphorismen sind dursterzeugend"814. Trotzdem bilden sie in ihrer Gesamtheit Erkenntnisse ab. Dabei erweisen sie sich als von einer grundlegenden Widersprüchlichkeit. Einerseits zeugen sie von hoher und höchster Achtung für die „ewigen Wahrheiten" der Gattung: „aphorismen müssen stets die grössten dimensionen haben" 815 . Wie schon Fähnrich rekurriert Leitzmann auf ihrer Natürlichkeit: „die naturwahrheit der aphorismen kommt oft erst später zu tage"816, die Grundvorstellung des ,Zündenden' wird ins Maßlose gesteigert: „die lava der aphorismen bricht vulkanartig aus dem Vesuv des geistes"81? Schöpfungs- und Geniemetaphorik ordnen sich dem zu: „bei der entstehung der aphorismen erkundet man das geheimnis der Schöpfung"818; „die besten aphorismen kommen ungerufen"819. Sogar der dieser Gattung eigene, im 20. Jahrhundert zum Topos verfestigte selbstreflexive Exklusivitätsanspruch findet sich dabei schon formuliert: „aphorismus kann nur durch aphorismen erklärt werden" 820 . Auf der anderen Seite stehen Äußerungen deutlichster Abwertung, die das schnell Vergängliche („zu aphorismen sind Schiefertafeln unentbehrlich" 821 ) und Leichtfertige („aphorismen sind immer windig" 822 ) verurteilen. „Mittels eines aphorismenkombinationsmaschinenautomaten erhält man jederzeit nach einwurf eines zehnpfennigstücks den passenden aphorismus" 823 ; „an den geburtsstätten der aphorismen werden die geister zu automaten" 824 : Insbesondere das vorgeblich Geistreiche, dabei rein Mechanische ihrer Verfertigung wollen sie drastisch von dem scheinbar Benachbarten, dem Phänomen der Aphorismenreihe und der produktiven Rezeption, abheben: „durch Verbindung von aphoris-

Ebd. Nr. 30; vgl. Nr. 169. «3 Ebd. Nr. 44. 814 Ebd. Nr. 171. 815 Ebd. Nr. 167 816 Ebd. Nr. 66. 8>7 Ebd. Nr. 59. st« Ebd. Nr. 175. si' Ebd. Nr. 113. 820 Ebd. Nr. 5. - Vgl. Verf.: Aphorismen über Aphorismen. Fragen über Fragen. In: Zs. f. dt. Phil. 113, 1994, S. 162. 821 Ebd. Nr. 4. 822 Ebd. Nr. 82. 823 Ebd. Nr. 204. 824 Ebd. Nr. 101.

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men entstehen neue"825; „der Widerspruch reizt zum aphorismus" 826 . Sie beweisen ihre Einsicht („aphorismen wirken ansteckend"827) durch sich selbst und scheinen mit dem Begriff der „Bazillen" geradezu tödlich sarkastisch den Gegenpol zu Ficks hoffnungsvoller „Samenkorn"-Metapher zu bilden: „aphorismen vermehren sich wie bazillen"828. Bisweilen ist es geradezu so, als gäbe Leitzmann hier eine direkte Antwort auf die rege Produktion von Gedankensplittern, die er gut zu kennen scheint („es muss nicht nur überflüssige, sondern auch notwendige aphorismen geben"829), oder als erteilte er ihr eine kritisch-ironische Abfuhr („das avancement des aphorismenbuches ist ein untrügliches zeichen steigender behaglichkeit"830) und wehre sich gegen eine falsche Popularität („aphorismen sind nicht dazu da, um breitgetreten zu werden"831) wie eine verhängnisvolle Gemeindebildung („aphorismen sind doch gerade für uneingeweihte"832). Die Widersprüchlichkeit in Leitzmanns selbstbezüglichen Aphorismen spiegelt die Gattung in der Breite - und Flachheit - wider, die sie mittlerweile ,gewonnen' hat, und zeigt, daß er die zeitgenössische Gedankensplitter-Produktion kritisch rezipiert hat und ihr mit der Bezeichnung „Aphorismen" für Lichtenbergs „Sudelbücher" ihren „Klassiker" im Sinne eines mustergültigen Vorbildes und Korrektivs voranstellen will. Denn: „Das große Publikum kennt ihn fast nur noch dem Namen nach"833, stellt Böhm in einem Feuilleton-Beitrag unter dem Titel „Lichtenbergs Aphorismen", eigentlich einer Rezension zum ersten Band von Leitzmanns Edition, fest. Er macht beider Ansatzpunkt explizit. Heißt es einerseits: „Lichtenbergs Aphoristik als unmittelbarer Ausdruck der Persönlichkeit unterscheidet sich wesentlich von der heutigen, welche die Witzblätter unter dem Spitznamen ,Gedankensplitter' pflegen"834, so besteht er andererseits auf einer terminologischen und gattungsmäßigen Gemeinsamkeit: „Die literarische Form solcher Gedankengebilde ist der Aphorismus". Böhm bietet einen frühen, wenn auch feuilletonistisch knappen und tastenden Versuch zu seiner Geschichte und Typologie, verweist dabei auf Nietzsche, Friedrich Schlegel und Schelling als Vertreter der romantischen „Modesache" Aphorismus sowie auf Jean Paul; «5 Ebd. Nr. 186. a2 '> Ebd. Nr. 49. 827 Ebd. Nr. 178. Ebd. Nr. 179. 8« Ebd. Nr. 19. 83° Ebd. Nr. 42. 8« Ebd. Nr. 50. 832 Ebd. Nr. 1. 833 Böhm: Lichtenbergs Aphorismen. In: National-Zeitung Nr. 232 v. 16. 4. 1903. 83 " Ebd.

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Goethes „Sprüche in Prosa" hebt er davon ab. Ausgangspunkt seiner Begriffsbeschreibung ist, von Lichtenberg her verständlich, der Witz; wenn sich für ihn auch „freies Spiel des Verstandes" und „wissenschaftliche Gedankenarbeit" im Aphorismus verbinden, sind Nähe und Grenze zur Wissenschaft doch durch die entscheidende Bestimmung bezeichnet, daß „er der kritischen Mittelbegriffe methodischen Denkens" entbehre. Keimhaft sind darin die später vielfach entfalteten Merkmale wie Paradoxic, Widersprüchlichkeit, pointierte Zuspitzung, Einseitigkeit angelegt. Schon der nächste Lichtenberg-Herausgeber, Wilhelm Herzog, zeugt davon, wie selbstverständlich der - für Lichtenberg doch wahrlich nicht unproblematische - Begriff nach Leitzmann benutzt wird. Auf dem Titel seiner Ausgabe, die volkstümlicher als die Leitzmanns sein will, steht zwar „Gedanken, Satiren, Fragmente", aber das Vorwort läßt an der Gattungsbezeichnung „Aphorismen" keinen Zweifel835, und für den Rezensenten, Gundolf, ist er, immer von Nietzsche und Schopenhauer her gedacht, „der Typus einer besonderen Spielart des Aphoristikers" 836 . „Ein ganz freier Geist"837 ist Lichtenberg für Herzog, wie in „Jenseits von Gut und Böse" charakterisiert: Nietzsche-Rezeption und Leitzmanns Lichtenberg-„Aphorismen" zusammen setzen den Begriff in bisher nicht gekannter Intensität und Exklusivität durch, ja, er entwickelt geradezu eine Eigendynamik. Diese terminologische Zentripetalkraft, die normierend wirkt und auch scheinbar Gleiches an sich zieht, ist aber einer literaturwissenschaftlichen Begriffsklärung alles andere als dienlich. Das beste Beispiel dazu bietet Leitzmann selbst in seiner Edition der Tagebücher Wilhelm Heinses. Wenn Hans Müller 1887 nebenbei davon spricht, die musikalischen Notizen in Heinses Tagebüchern würden „allerdings nur als zusammenhanglose Aphorismen wirken" 838 , gebraucht er den Begriff exakt in dem zu dieser Zeit noch weitgehend üblichen abschätzigen Sinne („nur"). Die „Aphorismen von Wilhelm Heinse", die Carl Schüddekopf, der Herausgeber der Gesamtausgabe, 1901 in der „Insel" veröffentlicht, lassen die ins Positive gewendete terminologische Intention hingegen schon überdeutlich erkennen, erscheinen sie doch in

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Lichtenberg: Gedanken, Satiren, Fragmente. Hg. von Wilhelm Herzog. 1907, Vorwort S. Vff. Gundelfinger [Gundolf]: Lichtenberg. In: Die Zukunft 63, 1908, S. 8. Herzog: Lichtenberg. In: Das Blau-Buch 3, 1908, S. 462. Müller: Wilhelm Heinse als Musikschriftsteller. In: Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft 3, 1887, S. 576.

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engster Nachbarschaft zu Aphorismen Nietzsches839. Und Walther Brecht unterstreicht diesen Zusammenhang nur, wenn er 1911 von einer prinzipiellen Ubereinstimmung spricht: „Geistige Verwandtschaft Heinses und Nietzsches ist zweifellos. [...] Auch Heinse ist ein aphoristischer Denker; und es ist mitunter gar nicht leicht, einen Aphorismus Heinses von einem Nietzsches zu unterscheiden"840. Leitzmann ediert die Tagebücher dann innerhalb der Gesamtausgabe analog zu seiner Lichtenberg-Edition in drei Abteilungen als „Aphorismen"841, wie dort ohne jede Begriffs(er)klärung; gleichzeitig gibt er eine kleine Auswahl unter demselben Titel842 heraus. Was er vermissen läßt, holt Moore nach einem halben Jahrhundert aphoristischer Forschungsgeschichte unter der ebenso schlichten wie genauen Frage: „Wie zutreffend ist Leitzmanns Betitelung der Nachlaßschriften als ,Aphorismen'?"843 ausführlich nach. Sie kommt zu dem klaren Ergebnis: „Seine Betitelung der literarischen Nachlässe Lichtenbergs und Heinses als »Aphorismen' hat erheblich zur Verwischung dieses Begriffes beigetragen"844. Diese Verunklärung samt ihrer weitreichenden Folgen moniert schon Mautner in seinem bahnbrechenden Aufsatz von 1933: „Jede sonst nicht definierbare kürzere Prosaaufzeichnung sieht man als Aphorismus an. Wie inhaltslos erscheint angesichts eines solchen Sachverhaltes eine ohne Begründung vorgebrachte Behauptung wie die A. Leitzmanns, Heinse gehöre auf Grund seines von ihm erst veröffentlichten Nachlasses zu den deutschen Klassikern des Aphorismus"845. Er verwende „das Wort im Titel und Kommentar seiner Ausgaben, für jede von ihm abgedruckte Aufzeichnung, welchen Inhaltes immer, sich des weiträumigsten Begriffes ,Aphorismus' bedienend. Der solcherart von maßgebender Seite sanktionierte Wortgebrauch kehrt in allen späteren Lichtenberg-Ausgaben wieder, und auch diese nun schon auf Jahrzehnte

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Heinse: Aphorismen. In: Die Insel 3, 1901/02, S. 37-51. - Heinse: Ungedrucktes. In: Die Insel 2, April-Juni 1901, S. 291-307 - Nietzsche: Genueser Gedankengänge. Buchpläne und Aphorismen (Ende Winter 1881). In: Die Insel 2, April-Juni 1901, S. 3-16. Er verwendet den Begriff auch in seiner Edition regelmäßig, so wenn er sich um eine Unterscheidung der „Tagebücher" und der „Aphorismen" bemüht. - Moore: Die Tagebücher Wilhelm Heinses (1967) stellt die Details dar. Der achte Band erscheint ihr schon von daher als „der allgemeine Auffangort" für alles nicht anderweitig Einzuordnende (S. 39). Brecht: Heinse und der ästhetische Immoralismus. 1911, S. 62. Heinse: Sämtliche Werke. 8. Bd., Abtl. I, II, III: Aphorismen. Hg. von Albert Leitzmann. 1924f. Nach Leitzmann die jüngere Auswahledition: Heinse: Die Hitze des Einfalls. Aphorismen. Hg. und mit einem Nachwort von Helmut Hirsch. 1986. Heinse: Aphorismen. Ausgewählt und hg. von Albert Leitzmann. 1925. Moore: Die Tagebücher Wilhelm Heinses. 1967, S. 66. Ebd. S. 69. Mautner: Der Aphorismus als literarische Gattung. In: Aphorismus WdF, S. 31.

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zurückgehende Tradition mag die Unsicherheit der Literaturwissenschaft, was Aphorismen seien, noch gesteigert haben" 846 . Die Tatsache, daß Leitzmann als Begriffsautorität gewirkt hat, ist nicht zu bestreiten. Wenn Eduard Berend im Vorwort seiner Ausgabe von Jean Pauls „Bemerkungen über den Menschen" gleich zu Anfang von „Aphorismensammlungen" und „Jean Pauls angebornem starken Drang zum Aphorismus" 847 spricht, ist der terminologische Zusammenhang deutlich: Er beruft sich ausdrücklich auf Leitzmann 848 . Daß man sich dadurch aber nicht zu einer monokausalen Betrachtungsweise verleiten lassen darf, sondern daß der Begriff eine immer stärkere Anziehungskraft entwickelt, läßt sich gerade an Jean Pauls Rezeption im 19. Jahrhundert erkennen, die den „Aphorismus" vornehmlich mit dem Anthologischen in Verbindung bringt. Die Auszüge, die Paul Nerrlich 1880/1881 und 1890/ 1891 herausgibt 849 , bezeichnen sich zu seiner Zeit schon selbstverständlich und regelmäßig als „Aphorismen aus dem Nachlaß". Nach Berends maßgeblicher Ausgabe in der durch Leitzmann zusätzlich und maßgeblich gefestigten Terminologie ist der Begriff für Jean Paul bis zu Fieguth („Aphoristiker" im Titel) und Miller („seinem alten Hang zum Aphorismus" 850 ) gefestigt. Die Vereinheitlichungstendenz der Literaturwissenschaft nach Nietzsches und Lichtenbergs „Aphorismen" läßt sich bis in entlegene Beispiele nachweisen. Schon 1891 veröffentlicht Adolf Stern Otto Ludwigs Notizen, Bemerkungen, kurze Essays zur Poetik des Dramas in Anlehnung an Hebbel als „Dramaturgische Aphorismen" 851 . Bei Feuchtersieben können sich die Auszüge, die Schroeder 1905 als „Aphorismen" 852 veröffentlicht, und die Begriffserörterung zu Nomen und Adjektiv, die Guttmann in seiner Ausgabe von 1907 vornimmt 853 ein Teil von fünf Teilen sammelt die „Aphorismen" des Autors - , begrifflich immerhin sehr stark auf den Autor selbst stützen. Guttmann faßt den Begriff durch die Einbeziehung des Adjektivs weiter, grenzt aber gleichzeitig die scheinbare Abgeschlossenheit des Aphoristischen von der tatsächlichen (Ab-)Geschlossenheit scharf ab: 846 847

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Ebd. S. 32. Jean Paul: Sämtliche Werke. Zweite Abteilung, 5. Bd.: Bemerkungen über den Menschen. Hg. von Eduard Berend. 1936, S. V. Ebd. S. XVII. Vgl. dazu Berend in: Jean Paul: Sämtliche Werke. Zweite Abteilung, 5. Bd.: Bemerkungen über den Menschen.1936, S. 475. Jean Paul: Sämtliche Werke. Abteilung II, 4. Band: Kommentar. 1985, S. 481. Ludwig: Dramaturgische Aphorismen. In: O. L.: Studien. 1. Bd. 1891, S. 409-541. Feuchtersieben: Aphorismen. Zusammengestellt von C. Schroeder. 1905. Feuchtersieben: Ausgewählte Werke. Hg. von Richard Guttmann. 1907

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„Die Form, in welcher F e u c h t e r s i e b e n seine Gedanken über Wissen, Kunst, Leben und alles [,] was mit diesen zusammenhängt, bietet, ist entweder a p h o r i s t i s c h oder der A p h o r i s m u s selbst. - Die , a p h o r i s t i s c h e B e h a n d l u n g ' eines Themas besteht darin, daß man dem entsprechenden Aufsatze die Form einer reichgegliederten Urteilsreihe gibt. Die einzelnen Glieder müssen trotz ihrer scheinbaren Abgeschlossenheit in organischer Verbindung miteinander stehen, eins muß ins andere übergehen. Denn der aufs Geratewohl herausgenommene aphoristische Satz kann für sich allein nicht bestehen und bietet noch keine Vorstellung vom Ganzen. - Der . A p h o r i s m u s ' jedoch ist in sich abgeschlossen. Er besteht aus einem Urteile, das durch einen oder mehrere Sätze ausgedrückt wird. Das Wesentliche dieses Urteils ist sein Dualismus. Es sind in ihm zwei Meinungen vorhanden, von denen die eine durch die andere entweder widerlegt oder ergänzt wird. Auf alle Fälle muß der Aphorismus in formaler Hinsicht ein geschlossenes Ganzes sein. - Es wird gut sein, diese beiden Formen nicht zu verwechseln" 854 .

Noch relativ nahe liegt es auch, daß Hebbels Tagebücher seit Werners Edition ab 1902 unreflektiert als „Aphorismen" rezipiert werden855. August Sauer nennt schon 1893 856 eine Abteilung seiner Grillparzer-Ausgabe „Aphorismen". (Die Herausgeber kleinerer Ausgaben wie R. Franz [Bibl. Institut 1903/04] und Alfred Klaar [Knaur 1907] folgen ihm.) In der historisch-kritischen Ausgabe heißt es nicht nur generell: „Aphorismen von starker Schlagkraft und unabsehbarer Wirkung entstehen"857 und: „In dieser Zusammenstellung gleichen Grillparzers Tagebücher ungefähr den Tagebüchern Hebbels, noch mehr den Studienheften von Novalis oder den Aphorismenbüchern Lichtenbergs"858; der Zusammenhang ist Sauer auch eine eigene Nachbemerkung wert: „Auf eine Einzelheit sei hier noch besonders hingewiesen. Zu den wichtigsten Ergebnissen unserer Anmerkungen gehört der Nachweis, daß Grillparzer in seinen Tagebüchern in weitgehendem Maße, inhaltlich wie formell, von den Aphorismen Lichtenbergs abhängig ist"859. Seitdem zählt er so selbstverständlich wie Hebbel bis in die Anthologien hinein zu den großen deutschen Aphoristikern. (Zu) spät ist die dazu nötige - kontroverse - Reflexion in Gang gekommen: zu Hebbel nach Fricke („keine originalen Aphorismen"860) mit Hummel, der in den Tagebüchern zwischen Gnome und Aphorismus unterscheiden will861, zu Grillparzer neben Fricke, der ihn gleichfalls aus der

Guttmann: Vorwort. In: Ernst Frh. v. Feuchtersieben: Ausgewählte Werke. Hg. von Richard Guttmann. 1907, S. 43. 855 Vgl. oben S. 150. 856 Grillparzer: Sämtliche Werke. Hg. von August Sauer. 1893. Bd. 15, S. 161-176. 857 Grillparzer: Sämtliche Werke. Hist.-krit. Gesamtausgabe. Hg. von August Sauer. Bd. II, 7: Tagebücher, 1. Teil. 1914, S. VII. 858 Ebd. S. X. es·- Ebd. S. Xlf. 860 Fricke: Aphorismus. 1984, S. 5Z 861 Hummel: „Der wahre Schmerz ist schamhaft". Gnomische Strukturen in den Tagebüchern Friedrich Hebbels. In: Häntzschel (Hg.): Studien zu Hebbels Tagebüchern. 1994, S. 43-57 854

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Gattungsgeschichte ausschließt („hat keine Aphorismen geschrieben" 862 ), mit Krysztofiak-Kaszynska/ Kaszynski („Grillparzers Kunst des Aphorismus genauso perfekt wie die von Schlegel, Novalis oder Seume" 863 ) und Kainz 864 . Die „Denksprüche" Gutzkows werden - erstmals mit der Ausgabe von 1912 865 - so selbstverständlich als „Aphorismen" rezipiert wie die unter ganz verschiedenen Begriffen firmierenden Kurztexte Platens 866 , die ab 1863 entstandenen „Gedanken und Einfälle" Raabes867, die nachgelassenen Notizen, Einfälle, Entwürfe Nestroys 868 oder die „hinterlassenen Glossen und Aphorismen" Anzengrubers, „der wertvollste Teil seines Nachlasses" 869 . Für den Herausgeber der „Gesammelten Schriften" Hermann Conradis ist der Begriff 1911 die unverbindliche Klammer, die ein Restkapitel von Glossen in Reim und Prosa und anderen Kurztexten zusammenhält 870 . Auszüge aus dem Gesamtwerk eines Schriftstellers werden unter diesem Titel zusammengestellt 871 . Die dem Begriff sehr schnell innewohnenden normierenden Tendenzen zur Herstellung einer einfachen Gattungsordnung ebnen schließlich auch die Sonderrolle des romantischen Fragments ein: Bluths Novalis-Dissertation von 1914 heißt „Philosophische Probleme in den Aphorismen Har-

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Fricke: Aphorismus. 1984, S. 56. Krysztofiak-Kaszynska, Kaszynski: Aphorismen bei Grillparzer. In: Die fürstliche Bibliothek Corvey. 1992, S. 331. Vgl. oben S. 167 Gutzkow: Werke. Auswahl in 12 Teilen. Teil 12. 1910. Platen: Sämtliche Werke in zwölf Bänden. 11. Bd. 1910, Einleitung S. 12-16. Raabe: Sämtliche Werke. III. Serie, 6. Bd. 1916, S. 549. - Über die Funktion von Raabes „literarischen Notizen" und ihren „den Eintragungen eigenen Charakter des Unfertigen, des so nicht für die Veröffentlichung Gedachten" (S. 514), einem „Reservoir von Gedanken, Einfällen, Lesefrüchten, prägnanten Formulierungen, sprechenden Namen etc., aus dem zu gegebener Zeit geschöpft werden konnte" (S. 513f), können wir uns erst seit ihrer kritischen Edition ein genaues Bild machen: W. R . : Sämtliche Werke. Ergänzungsband 5. 1994. - Die „Anmerkungen zu den Aphorismen und Notizen Wilhelm Raabes" von Helmut Richter (Dt. als Fremdsprache 18, 1981, Sonderheft S. 10-16) sind für Form und Begriff des Aphorismus bei Raabe ohne Belang. Nestroy: Sämtliche Werke. Hist.-krit. Gesamtausgabe. 15. Bd. 1930, S. 680-705. Anzengruber: Gott und die Welt. Aphorismen aus dem Nachlaß. 1920, S. 367 Rommel beschreibt nicht nur den Nachlaß, sondern auch Anzengrubers sich im Laufe der Jahre vom Planmäßigen wegentwickelnde Vorgehensweise genau und gibt die „Aphorismen" in einer sachlich-systematischen Ordnung wieder, wie sie ähnlich Anzengruber selbst geplant zu haben scheint. Conradi: Gesammelte Schriften. Band 1: Lebensbeschreibung, Gedichte und Aphorismen. 1911, S. 231-241. Rüttenauer: Aphorismen aus Stendhal. 1901. - Ruskin: Aphorismen zur Lebensweisheit. Ca. 1919.

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denbergs"872, Zastrows Schlegel-Dissertation 1917 „Die Unverständlichkeit der Aphorismen Friedrich Schlegels im ,Athenäum' und im L y ceum der schönen Künste"' 873 ; beide halten den Begriff einer Erläuterung nicht für wert. Nicht anders als „Aphorismen" werden in der ersten historisch-kritischen Ausgabe Hölderlins 1922 seine sieben „Maximen"874 genannt, und nicht zuletzt, sondern an hervorragender Stelle gehören zu dieser Begriffsausweitung und -hypertrophierung nach 1900 die Vorstellungen vom Schopenhauer'schen Aphorismus, wie sie Weiß entwickelt, der damit von den leitenden literaturwissenschaftlichen Vorstellungen seiner Zeit abhängig ist875. Unter anderen Vorzeichen hat sich die begriffszuweisende Vereinheitlichung bis in die jüngere Vergangenheit für solche ,Entdeckungen' wie Seume876 - für Fricke „der unterdrückte Klassiker der Gattung"877 -, Klinger878 und Jochmann879 fortgesetzt. Für Heine und Goethe sind die bisher ertragreichsten terminologischen Überlegungen angestellt worden. Koopmann ist der Geschichte der Bezeichnungen für Heines Notizen nachgegangen880 und hat im einzelnen gezeigt, welche Vorstellungen damit jeweils verbunden sind, wenn diese Kurztexte 1869 als „Gedanken und Einfälle" herausgegeben werden (von Strodtmann, gefolgt von den Ausgaben Elsters, Walzels und Strichs), 1926 aber als „Aphorismen und Fragmente" erscheinen (bei Loewenthal881, im Gefolge die editorischen Entscheidungen Kaufmanns, Schweikerts und Montinaris). Einerseits sprechen ihnen die Herausgeber von einer klassisch-vollendeten Werkvorstellung her, in denen sie als Abfälle

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Bluth: Philosophische Probleme in den Aphorismen Hardenbergs. 1914. - So noch bis in die unmittelbare Gegenwart: Novalis: Aphorismen. 1960; Novalis: Aphorismen. Hg. von Michael Brucker. 1992. Der Herausgeber benutzt „Aphorismus" und „Fragment" im Nachwort nebeneinander, ohne seine Titel-Entscheidung hier zu begründen. Zastrow: Die Unverständlichkeit der Aphorismen Friedrich Schlegels im „Athenäum" und im „Lyceum der schönen Künste". 1917. Hölderlin: Sämtliche Werke. H g . von N . v. Hellingrath, F. Seebaß, L. v. Pigenot. 3. Bd. 1922, S. 241-247 ( = Hölderlin: Sämtliche Werke. Kritische Textausgabe. Bd. 14. 1984, S. 40-48). Vgl. oben S. 132f. Seume: Prosaschriften. Mit einer Einleitung von Werner Kraft. 1974. Einleitung S. 14. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 97-105. Klinger: Betrachtungen und Gedanken über verschiedene Gegenstände der Welt und der Litteratur (Auswahl): Mit einem Essay von H e r m a n n Schweppenhäuser. 1967 Editorische Notiz S. 145. Jochmann: Die unzeitige Wahrheit. Aphorismen, Glossen und der Essay „Uber die Ö f fentlichkeit". H g . von E. Haufe. 1980. Nachwort S. 262. Koopmann: Heines verkannte „Aphorismen" und „Fragmente". In: Heinrich-HeineJahrbuch 20-, 1981, S. 90-107 Heine: Der Prosa-Nachlass. H g . von Erich Loewenthal. 1926, S. 135-228.

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mißverstanden werden, die Bedeutung ab, andererseits aber, und das ist hier zu akzentuieren, messen sie ihnen durch die Einordnung in eine Gattungsgeschichte auch Bedeutung zu. Für Hirth, der Strodtmann temperamentvoll abfertigt, ist nicht allein der „aphoristische Charakter" „unverkennbar" 8 8 2 , auch der Vergleich mit Nietzsche „drängt sich ungezwungen auf" 8 8 3 . Koopmann untersucht Heines Aphorismen auf ihren Fragmentund Vorstufencharakter hin, nach Anordnung, Form und Gehalt, ehe er feststellen kann, daß sie „in den Kontext der im frühen 19. Jahrhundert so stark genutzten literarischen Kleinformen" 8 8 4 gehören und angesichts ihres ungeheuren Anspruchs nichts weniger als „Bruchstücke einer Aufklärung im 19. Jahrhundert" 8 8 5 und das „Komplementärunternehmen zu seinen immer gewollten und nie abgeschlossenen Memoiren" 8 8 6 darstellen. Er legt sich seinerseits dabei begrifflich nicht fest, neigt aber gemäß seiner hohen Einschätzung dieser Texte stark der Bezeichnung „Aphorismus" zu, wie er auch diese Begriffswahl Loewenthals von 1925 als „Lichtblick" 8 8 7 bezeichnet. Das ist begriffsanalytisch so modellhaft, wie Fricke es editorisch ist. Er zeigt in der jüngsten Herausgabe des als „Maximen und Reflexionen" bekannten Werkes, wie wichtig und fruchtbar es ist, durch die Bezeichnungen und gar gutgemeinten Manipulationen aller späteren Herausgeber hindurch, die auf „aphoristischen Wunschvorstellungen" 8 8 8 beruhen, auf Goethes eigene Intentionen und Terminologien zurückzugehen. Die Wirkungs- und Editionsgeschichte erweist sich hier als ein besonderes und besonders gutes Beispiel für die Zentripetalkraft des Begriffes „Aphorismus" 889 . Erschien die Literaturwissenschaft im W.Jahrhundert terminologisch konservativ, so ist sie jetzt unreflektiert bereitwil-

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Hirth: Heinrich Heines Aphorismen. In: Zs. f. Bücherfreunde N . F. 10,1918, S. 128-135; hier: S. 128. Auch in: F. H.: Heinrich Heine. Bausteine zu einer Biographie. 1950, S. 170-180. - Für Koopmann ist Hirths Beitrag „im Grunde genommen bis heute die einzige ernsthafte Auseinandersetzung mit Heines ,Aporismen"' (S. 106). Ebd. S. 129. Koopmann: Heines verkannte „Aphorismen" und „Fragmente". In: Heinrich-HeineJahrbuch 20, 1981, S. 101. Ebd. S. 102. Ebd. S. 105. Ebd. S. 93. Goethe: Sämtliche Werke. Bd. 13: Sprüche in Prosa. Sämtliche Maximen und Reflexionen. Hg. von Harald Fricke. 1993, S. 4 5 7 - 4 8 8 ; hier S. 468. - Vgl. oben S. 81. Eine andere Wirkung mag sie in exotische Übersetzungen hinein gehabt haben, schon bei Sadi: Aphorismen und Sinngedichte (1879), dann auch zum Beispiel bei Patanjali: Yoga· Aphorismen (deutsche Ubersetzung: Berlin 1904) und bei Laotse: Taoteking. Wiedergegeben von Josef Kohler. 1908, S. 8; S. 11 als Titel. - Eine Aphorismensammlung nennt auch Richard Wilhelm das Taoteking 1910: Laotse: Taoteking. Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Aus dem Chinesischen von Richard Wilhelm. 1921, S. IV (1. Aufl. 1910).

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Begriffsgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1912

lig in der Übernahme des „Aphorimus"-Begriffes. Das ist aber nur scheinbar ein Widerspruch. Sobald der Begriff eine gewisse Akzeptanz erreicht hat, setzt sich sehr schnell ein Ordnungsprinzip durch, das ihm auch benachbartes (scheinbar) Gleiches eingliedert.

V. Der „Aphorismus" in Osterreich nach der Jahrhundertwende 1. Karl Kraus

Karl Kraus gehört nach allgemeinem germanistischen Verständnis wie Lichtenberg und Nietzsche zu den Klassikern der Gattung, die vielfach das kritische Interesse der Literaturwissenschaft auf sich gezogen haben, abgesehen von den zahlreichen monographisch orientierten oder an sprachlichen Phänomenen interessierten Abhandlungen, die sämtlich am Aphorismus nicht vorbeikommen, etwa von Kraft890, Wagenknecht891 und Quack892, auch in Spezialarbeiten, vor allem von Marahrens893, Kaszynski894 und Kipphoff895. Aber die Hoffnungen, mit denen man aufgrund dieser Tatsache die Sekundärliteratur rezipiert, kann sie bei näherer Prüfung nicht ganz erfüllen, schon weil sie in aller Regel nicht genügend kritischen Abstand zu ihrem Gegenstand herstellt896. Das Kapitel „Der Aphorismus" in Krafts Monographie von 1956 ist essayistisch orientiert und bietet im wesentlichen eine lockere Reihe von Beispielen zu der Tatsache, „daß viele dieser Sätze nicht als Aphorismen konzipiert, sondern durch Loslösung aus dem langen Zusammenhang entstanden sind, in dem sie ursprünglich vorkamen"89? Entscheidend ist 890

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Kraft: Der Aphorismus. In: W. K.: Karl Kraus. 1956, S. 200-210. Vgl. auch Kraft: Ludwig Wittgenstein und Karl Kraus. In: Neue Rundschau 72, 1961, S. 812-844; Kraft: Das Ja des Neinsagers. Karl Kraus und seine geistige Welt. 1974. Wagenknecht: Das Wortspiel bei Karl Kraus. 1965. Quack: Bemerkungen zum Sprachverständnis von Karl Kraus. 1976. Marahrens: Uber die sprachliche Struktur und Genesis der Aphorismen von Karl Kraus. In: Karl Kraus. Diener der Sprache, Meister des Ethos. 1990, S. 49-86. Vgl. auch Marahrens: Die Erfassung der Ursachen und des Wesens des Ersten Weltkrieges durch die dichterisch-kulturgeschichtlichen Kategorien in der Weltkriegsaphoristik von Karl Kraus. In: Fact and fiction. 1990, S. 147-163. Kaszynski: Überlegungen zur Poetik der Aphorismen von Karl Kraus. In: Karl Kraus Ästhetik und Kritik. 1989, S. 129-139. Kipphoff: Der Aphorismus im Werk von Karl Kraus. 1961. Simon: Literatur und Verantwortung. Zur Aphoristik und Lyrik von Karl Kraus. In: Karl Kraus. Text und Kritik, Sonderband. 1975, S. 88-107 Simon bleibt eher die - politisch motivierte - Ausnahme. Kraft: Karl Kraus. 1956, S. 201.

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demgegenüber aber doch, daß sie der Autor selbst zu etwas anderem gemacht und als Aphorismen legitimiert hat. Kipphoff kann zumindest nach heutigen Maßstäben gemessen ihr Thema nicht annähernd erschöpfen. Sie bleibt rein immanent; Hinweise zur Rezeption, zunächst seiner Rezeption anderer Autoren, dann auch der Rezeption seiner Aphoristik durch andere Autoren, zum Verhältnis zu Nietzsche, zur Einordnung in die Gedankensplitter o.a. sucht man hier vergebens. Kaszynski weckt mit seinem spezifischen Titel „Überlegungen zur Poetik der Aphorismen von Karl Kraus" zu große Hoffnungen. Er bleibt weitgehend im Thematischen und in bekannten Kategorien, so dem Ausnahme- im Gegensatz zum Systemdenken, und kommt im ganzen kaum über Kipphoff hinaus. Marahrens „will durch eine sprachliche, das heißt syntaktisch-stilistische Analyse ermitteln, worin die spezifische Struktur und das charakteristische Wesen der Krausschen Aphorismen beruhen" 898 . Er ist entschieden ambitionierter, geht sein Thema vom Autor wie von der Gattung her umfassend und systematisch an, kann aber dem selbstgestellten Anspruch nicht gerecht werden. Angesichts der logischen Anstrengungen, die Fricke auf seinen Definitionsversuch verwandt hat, ist die dagegengestellte, unvermittelt angefügte eigene Definition einfach unzureichend begründet: „Ein Aphorismus ist die komprimierte, pointierte und polar gespannte Formulierung eines subjektiven, in sich selbständigen, über sich hinausweisenden Gedankens in aussparend darstellender Kunstprosa" 899 . Seine Analyse, die sich vom Begriff der Spannung leiten läßt und im ganzen ein Mißverhältnis zwischen - affirmativem Zitieren und interpretatorischem Gehalt zeigt, führt auf dem Wege bizarrer, scheinbar empirisch abgesicherter Genauigkeit 900 zu Aussagelosigkeit (entweder Obersatz oder Untersatz haben größeres Gewicht) oder, im Versuch der Abgrenzung, zur Verwirrung: „Es gibt also Aphorismen im ,Aphorismus', bis zu fünf in einem solchen ,Aphorismus', in der Mitte und am Ende, manchmal aber auch am Anfang. Wie bereits erwähnt, enthalten von den 297 Aphorismen, die keine sind, 70 oder 23,6% echte Aphorismen" 901 .

8,8

899 900

901

Marahrens: Über die sprachliche Struktur und Genesis der Aphorismen von Kraus. In: Karl Kraus. 1990, S. 52. Ebd. S. 55. „Von den 2172 Aphorismen sind 38 oder 1,8% ästhetisch nicht recht gelungen" und „249 oder 11,5% überhaupt gar keine Aphorismen" (S. 63). In der Goethe-Studie geht Marahrens ganz ähnlich vor. Marahrens: Über die sprachliche Struktur und Genesis der Aphorismen von Kraus. In: Karl Kraus. 1990, S. 79.

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Kraus ist aber nicht nur einer der Klassiker des Aphorismus, er ist auch der erste Autor, der seine Vorgänger in großer Vollständigkeit zitiert, rezipiert, kommentiert und schon auf diese Weise erste Einblicke in sein Aphorismusverständnis erlaubt, das von Anfang an entwicklungslos (ab-) geschlossen scheint. Schon 1905 druckt er in der „Fackel" „Sätze und Lehren zum Gebrauch für die Jugend" von Oscar Wilde902, im Jahr darauf „Sätze" von Marquis de Sade903, den er als einen ,freien Geist' im Sinne Nietzsches bezeichnet und mit Montaigne und Chamfort vergleicht. Daß Kraus hier von „Sätzen" spricht und also gerade nicht wie die Früheren diese Exzerpte mit Aphorismen gleichsetzt, könnte auf ein geschärftes Gattungsbewußtsein schließen lassen, wie es sich auch in dem besonderen Fall Nestroys zeigt, dessen „Sätze"904 er ja nicht nur in der „Fackel" ausgiebig zitiert, sondern den er auch immer wieder rezitiert. Rössler bemerkt dazu: „Die Auswahl, die Kraus vornahm, zeigt deutlich, daß er zu dieser Zeit vor allem den Aphoristiker in Nestroy schätzte"905. Auch zu Schopenhauer lassen sich zahlreiche wichtige Bezüge herstellen, wenn auch nicht speziell zu dessen „Aphorismen": „Die geistige Autonomie des Selbstdenkers ist mit der Autonomie des Satirikers bei Kraus vergleichbar"906. Die „Worte Schopenhauers"90^ die Kraus 1917 zusammenstellt, zeigen nicht nur, daß ihm dessen Lichtenberg-Verehrung bewußt ist, sondern auch, daß es der Zeit-, Sprach- und Kulturkritiker, nicht der Philosoph ist, von dem Kraus argumentative Schützenhilfe bezieht. Zu Goethe stellt er 1916 einen Auszug aus den „Sprüchen in Prosa" zusammen, zu denen er sich in besonderem Maße bekennen kann908. Das oft zitierte „Alles wahre Apercu kommt aus einer Folge und bringt Folge. Es ist ein Mittelglied einer großen produktiv aufsteigenden Kette" gehört ebenso dazu wie als letztes mit dem großen Ausrufezeichen des Sperrdrucks : „ E i n J e d e r , w e i l e r s p r i c h t , g l a u b t a u c h ü b e r die S p r a c h e s p r e c h e n zu können"909.

902

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Die Fackel Nr. 188 v. 18. 11. 1905, S. 1-2; Die Fackel Nr. 189 v. 30. 11. 1905, S. 17-18: „Noch einige Leitsätze" von Oscar Wilde. Die Fackel Nr. 203 v. 12. 5. 1906, S. 1-5 und Nr. 206 v. 5. 7 1906, S. 1-4. Die Fackel Nr. 349-350 v. 13. 5. 1912, S. 42-56. Vgl. K. K.: Schriften. Hg. von Christian Wagenknecht. Bd. 8: Aphorismen. 1986, S. 128 (= Schriften 8). - Seitengleich ist die ältere Ausgabe: K. K.: Beim Wort genommen. 1955. Rössler: Karl Kraus und Nestroy. 1981, S. 31. Quack: Bemerkungen zum Sprachverständnis von Karl Kraus. 1976, S. 204-214, hier S. 211. Die Fackel Nr. 457-461 v. 10. 5. 1917, S. 47-52. Die Fackel Nr. 443 v. 16. 11. 1916, S. 14-18. Ebd. S. 18. Orthographie und Interpunktion lassen vermuten, daß Kraus hier nicht aus Heckers Edition, sondern aus der älteren Loepers zitiert (Loeper Nr. 1053 = Hecker Nr. 416; Loeper Nr. 160 = Hecker Nr. 239).

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Scharf grenzt er sich von den „Einfällen" Saphirs ab: „Er legte dem Publikum keine Gedanken in den Weg und störte es durch keine Gesinnung", ,im Gegensatz zu mir, der ich in meinen Aphorismen nicht nur Gedanken und Gesinnung beweise, sondern sie auch ,störend' ,in den Weg legen" will, darf man stillschweigend ergänzen. Daraus folgt das Urteil, mit dem man bei Kraus immer mehr den Richter als den Kritiker assoziiert: „Seine Einfälle waren ein Aufstoßen, seine Poesie war Schnakkerl"910. Vor allem sind es natürlich Lichtenberg und Nietzsche, mit denen sich Kraus auf seine Weise auseinandersetzt. Beide zitiert er, beide kennt er sehr gut911, auch wenn er es für Nietzsche aus durchsichtigen Gründen ausdrücklich dementiert912. Schon 1907 steht der Aphorismus in der „Fackel", der häufig zitiert worden ist, als erster von Kraus selbst: „Lichtenberg gräbt tiefer als irgendeiner, aber er kommt nicht wieder hinauf. Er redet unter der Erde. Nur wer selbst tief gräbt, hört ihn"913. Die Einsicht, daß Lichtenberg vom Rezipienten ein Höchstmaß an Mitarbeit fordert, an ,Mitgehen' gewissermaßen, kleidet Kraus in ein so dunkles Bild, daß sich dem höchsten Lob doch auch leise Kritik beigesellt914. Wichtigere Erkenntnisse als aus dem schwächlichen Aphorismus des folgenden Jahres: „Als mich einmal jemand um einer gewissen Ähnlichkeit mit Lichtenberg rühmte, huschte ein Hoffnungsschimmer über das Gesicht des Nachmachers. Nun war wohl auch mir die Quelle nachgewiesen. Und der Lichtenberg, der wirds wahrscheinlich auch von einem andern haben!"915 lassen sich aus Kraus' Seligmann-Replik916 gewinnen, auf die sich denn auch Kraft917 und Quack918 in ihren Lichtenberg-Kapiteln im wesentlichen be-

910 911

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915 916 917 918

Kraus: Schriften 8, S. 124. Lichtenberg: Die Fackel Nr. 230-231 v. 15. 7 1907; S. 13 und 33. Kraus greift die Lichtenberg-Herausgeber Schüddekopf und Leitzmann an (Die Fackel Nr. 360-362 v. 7 11. 1912, S. 8f = Schriften 8, S. 336ff), die bei einer Anspielung auf Jean Pauls „Kampaner Tal" Chiaur statt Gione lesen (womit sie die fehlerhafte Abschrift von Lichtenbergs Schüler Johann Friedrich Benzenberg in der Tat ohne weitere Nachprüfung übernehmen [Brief Lichtenbergs an Benzenberg v.Juli 1798; Lichtenbergs Briefe. Hg. von Leitzmann und Schüddekopf. 3. Bd. 1904, S. 204; Lichtenbergs Briefwechsel. Hg. von Joost u. Schöne. Bd. IV, S. 912 mit Anmerkung und Literaturnachweisen; auch schon Promies in: Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd. 4, S. 988 mit Anm. zu Z. 26]). Kraus kennt also auch die Briefe Lichtenbergs sehr genau! Vgl. oben S. 232f. Die Fackel Nr. 237 v. 2. 12. 1907, S. 10 (= Schriften 8, S. 127). Quack: Bemerkungen zum Sprachverständnis von Karl Kraus. 1976, S. 204: „Lichtenberg kommt nicht wieder hinauf: seinen Gedanken fehlt die abschließende Form". Die Fackel Nr. 266 v. 30. 11. 1908, S. 25. Die Fackel Nr. 345-346 v. 31. 3. 1912, S. 32-39. Kraft: Das Ja des Neinsagers. 1974, S. 8-18. Quack: Bemerkungen zum Sprachverständnis von Karl Kraus. 1976, S. 203f.

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ziehen, allerdings ohne dabei die Vorlage zu berücksichtigen, eben R. Seligmanns „Pro domo et mundo"-Rezension 919 in der Frankfurter Zeitung. Seligmann faßt in einem allgemeinen Teil Gesichtspunkte zur Gattung wie zu deren Autoren zusammen, ehe er daraus im kürzeren zweiten Teil seine Beurteilung der Kraus'schen Aphorismen entwickelt. Der Formgedanke leitet seine Gattungsbeschreibung; der seit je gattungskonstituierend gedachte Widerspruch,möglichst große Fülle von Gedanken auf möglichst kleinem Raum' wird aus den üblichen Epitheta ,zugespitzt' und zusammengedrängt' entwickelt. Seligmann verunklärt dabei einerseits, wenn er nicht nur Pascal, Lichtenberg und Nietzsche, sondern vor allem das Sprichwort als Beispiel heranzieht. Andererseits sucht er zu differenzieren, wo er mithilfe des Unterscheidungskriteriums äußerer Anlaß - inneres Verhältnis den Gelegenheitsdenker, wie er sich ihm in den GedankensplitterErzeugern ja massenhaft anbietet, als Nachahmer von dem „wahren Aphoristen" unterscheidet, der „unfähig oder unwillig ist, seine Anschauungen systematisch abzuklären und in einen geordneten Zusammenhang zu stellen". „Unfähig oder unwillig": damit bezieht er in der Streitfrage, die sich durch die Nietzsche-Rezeption verfolgen ließ, ausdrücklich nicht Stellung. Als Nachahmer sieht er dann auch Kraus. Zum Autor wie zu einzelnen Aphorismen ist das Urteil im speziellen Teil seiner Rezension differenziert, abgewogen und mit einsichtigen Beispielen belegt, ehe er ihm in einem abschließenden Wortspiel „Dünkel, der die Vernunft verdunkelt", unterstellt. Aus der ätzenden Kommentierung dieser Rezension durch Kraus - fast sieben Seiten für die zwei kurzen Spalten unter dem Strich! - lassen sich Rückschlüsse auf sein Aphorismusverständnis gewinnen. Auf diese gewissermaßen gebrochene' Weise, indem man hinter der polemischen Abfertigung die zugrundeliegenden Uberzeugungen sichtbar macht, sind bei Kraus in seinen zahlreichen Auseinandersetzungen mit den Rezensenten seiner Bücher durchweg die Erkenntnisse zu erzielen. Natürlich seziert sein lesender Blick wie gewöhnlich, natürlich versteigt sich Kraus dabei wie gewohnt in polemische Ekstase. Durch das unkontrollierte, wenn auch stilisierte Gekeife muß man hindurch („kunstferner Schmierer"920, „dummer Kerl" 921 ; „der transparente Dummkopf [...] verdient nicht, daß man ihm ins ehrliche Gesicht spuckt" 922 ). Nicht der „Tellerlecker der öffentlichen Meinung" 923 ist sein Gegner, sondern die Institution, die ihn einsetzt. Er will Seligmanns Bewertungen ad absurdum führen, indem er

919

920 921 922 m

Seligmann: Vom Aphorismus [Rez. Kraus, Pro domo et mundo]. In: Frankfurter Zeitung Nr. 78 (Abendblatt), 19. 3. 1912. Sie fehlt auch in Kerrys Bibliographie. Die Fackel Nr. 345-346 v. 31. 3. 1912, S. 35. Ebd. Ebd. S. 39. Ebd.

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sie früheren positiven in derselben Zeitung gegenüberstellt. Der Kritiker Kraus verwahrt sich als Autor gegen Kritik überhaupt und verlangt eine reine Buchanzeige („Die Burschen sollen Neuigkeiten bringen, nicht Urteile" 924 ), beharrt auf Einzigartigkeit und Unvergleichbarkeit („Zwei Wochen [,] nachdem dem Aphoristen Blumenthal hochgestimmte Betrachtungen nachgerühmt wurden, habe ich überhaupt nicht an derselben Stelle genannt zu werden. Die Quarantaine hat zwei Jahrhunderte zu dauern" 925 ). „Ich habe ein großes Schweineschlachten hinter mir und male jetzt mit dem Blut meine Bilder. Die Schweine rächen sich an den Bildern, indem sie das Schlachten besser finden"926. Man täte ihm unrecht und fiele zugleich auf seine Pathetik herein, wollte man aus dieser sich selbst genügenden Polemik auf seine Aphoristik als mit Blut gemalte Bilder schließen. Aber aufschlußreich wird es dort, wo Kraus seinem Kritiker die Vergleichsarbeit abnimmt, über den „äußeren Anlaß", mit dem dieser ja den richtigen vom falschen Aphoristen unterschieden hatte, reflektiert und seinerseits Lichtenberg und Nietzsche bemüht. Die Geburt des Aphorismus aus dem Geist der Satire: das ist ihm zweifellos; Fricke tut ganz recht daran, sein Kraus-Kapitel „Virtuose des Hasses" zu überschreiben 927 und von „ästhetisch sublimierter und sozialisierter Aggression" zu sprechen: „Ich bin eben nur ein Satiriker und darum kann ich ohne einen Esel nicht leben oder wäre selbst einer, wenn ich keinen hätte" 928 . Und genauer: „Andere Aphoristen reflektieren die Welt jenseits solches Dings, das darum noch Hoffnung hat, in sie einbezogen zu sein. Ich reflektiere mit Ausschluß und besiedle den Hohlraum, den ich hergestellt habe. Das ist der andere Weg, unwegsamer, weil er von den Dingen und Menschen wegführt, scheinbar ein Kinderspiel, weil er dort anfängt, wo sie stehen. Aber sind denn nicht die Vergleiche mit andern Aphoristen immer, auch wenn sie zu meinen Gunsten ausfallen, unsinnig?" 929

Genau darin sieht er sich auch weiter gekommen als die Vorgänger (sein Weg fängt dort an, „wo sie stehen"), und auf diese Weise erkennt er - mit berechnend falscher Wortwahl, die das Gemeinte, aber dann doch nicht Gewagte zumindest suggeriert - die „Unvergleichlichkeit - ich meine die Unvergleichbarkeit - meiner Aphorismenreihen" 930 . Er hebt Seligmanns Kontrastierung von Äußerlichem und Innerem in seiner absoluten Sprach- und Selbstgläubigkeit auf: „Die Sprache holt von draußen, was Ebd. S. 33. Ebd. - Die „hochgestimmten Betrachtungen" zitieren eine Anmerkung zu Aphorismen Blumenthals: Oscar Blumenthal: Von Mädchen und Frauen. In: Frankfurter Zeitung Nr. 66 ν. 7 3. 1909, Abendblatt. 92

Ebd. Vgl. dazu Kraft: Das Ja des Neinsagers. 1974, S. 16. «2 Ebd. S. 37 « 3 Ebd. 934 Ebd. S. 36. - In anderer Weise a u ß e n sich der nämliche Unvergleichlichkeitsanspruch: Kraus läßt schreiben (oder nimmt zumindest freudig für die „Fackel" an). Ludwig Ulimanns Lichtenberg-Porträt (L. U . : Lichtenberg. In: Die Fackel Nr. 319-320) ist ganz auf dem herabsetzenden Vergleich zu Kraus aufgebaut. Konzilianter sei er, kompromißlerischer, und vor allem: „Er hatte die Kraft des Hasses nicht" (ebd. S. 50). Wenn Ullmann den Aphorismen auch oft durchaus „den letzten Schliff der Vollkommenheit" zugestehen muß, urteilt er vergleichsweise und aufs Ganze gesehen doch: „Einer Vollkommenheit, deren sich ihre Masse gewiß nicht rühmen kann. Oft klafft zwischen Form und Sinn ein Riß. Er hat es selbst erkannt" (ebd. S. 48). Dabei geht er so weit, sie zugunsten der Schilderungen Garricks in den „Briefen aus England" („sein größtes, sein unsterbliches Werk") abzuwerten. Bedenken, dabei anachronistisch oder sonstwie schief zu argumentieren („Vielleicht entsprach auch der Aphorismus als Kunstform seiner Art überhaupt nicht, diente ihr nur als Äußerlichkeit der kurzen Notiz", ebd. S. 48f), werden der Hauptsache wegen zurückgestellt: „Er ist am wenigsten kongenial dem Satiriker unserer Zeit. Karl Kraus wirkt wie ein Brennglas, das Strahlen und Linien bricht, vereinigt oder zerstreut, w o Lichtenberg wie ein leichtgekrümmter Spiegel oft Bilder und Eindrücke nur verschiebt, sie ins Lächerliche verzerrt, ohne den sachlichen Wesenskern z u m Treffpunkt zu / machen. Kraus wird gerade mit Lichtenberg am meisten verglichen und hat mit ihm doch nichts gemein, als die seelisch-verdrossene, physisch-hypochondrische Stimmung mancher Tage, die Seligkeit am Druck und Drang der Arbeit, den ehrlichen Ernst einer unerbittlich persönlichen Weltanschauung" (ebd. S. 50f). (Ullmann hat eine Lichtenberg-Dissertation geschrieben und ist zeitweise Kraus' Sekretär.) 935 Vgl. oben S. 233. Dazu Kraus: Schriften 8, S. 317 und besonders S. 331, w o Heine und Nietzsche abwertend verknüpft werden: „Zwei Sorten hat der deutsche Geist ausgespien: die Tänzerischen und die Nachdenklichen. Für diese ist mehr Heine, für jene mehr Nietzsche verantwortlich. Man wird auch im zweiten Fall dem Vorläufer dahinterkommen".

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des wenig älteren Zeitgenossen so sehr von Konkurrenzempfinden bestimmt und getrübt, wie die Fähigkeit zur Selbstkritik, angesichts seiner bohrenden Kritikfähigkeit und -lust in geradezu grotesker Weise, unterentwickelt ist. „Unvergleichlichkeit" ist tatsächlich der stärkste Impuls. Dabei sind sich Nietzsche und Kraus in der Uberzeugung von dem Kunstcharakter ihrer Aphoristik so nahe, wie sie in der formalen Konsequenz daraus voneinander entfernt sind936. Unvergleichlichkeit angesichts nur scheinbarer, nichtsdestoweniger aber gnadenlos vernichteter Konkurrenz: das bestimmt in noch stärkerem Maße das Verhältnis zu den übrigen Zeitgenossen. Ebner-Eschenbach, die er im übrigen natürlich ,aus der Nähe' kennt, ist die Ausnahme93? Man muß aus seinem Schweigen über ihre Aphoristik schließen, daß diese bei ihm keinen satirisch-polemischen Affekt erzeugt hat, denn unbedeutendere Autoren nimmt er sehr wohl auf seine Art zur Kenntnis. Oskar Blumenthal, Paul Nikolaus Cossmann 938 , Otto Ernst 939 , Robert Gersuny 940 , Arno Nadel941, Albert Roderich 942 , Josef Unger 943 , Otto Weiß 944 : die Liste der auf dem Felde der „Fackel" gefallenen zeitgenössischen Aphoristiker ist eindrucksvoll945. Über die schlichte Tatsache hinaus, daß der „Aphorismus" für Kraus die unbestrittene Gattungsbezeichnung ist, lassen sich weitere Einblicke in seine Begriffsvorstellung nicht nur durch seine regelmäßig in dieser Hinsicht ausgewerteten Aphorismen über den Aphorismus gewinnen, sondern zusätzlich durch die Ankündigungen seiner Aphorismenbücher und vor allem

Das Verhältnis beider verdiente eine eingehendere Untersuchung. Fricke: Aphorismus. 1984 interpretiert Kraus zunächst einmal ganz zu Recht aus dem Gegensatz zu Nietzsche heraus. Das ungleich stärker auf die Pointe Abzielende seiner Aphoristik ist ohne weiteres einsichtig; andererseits haben längere Aphorismen („Stil" Schriften 8, S. 246ff, „Variete" S. 255f, „Kempinski" S. 260ff, „Die Vision vom Wiener Leben" S. 264f) Titel ganz im Sinne Nietzsches. 9 3 7 Vgl. seine wortreiche Klage darüber, daß einer seiner Aphorismen im „Extrablatt" ihr zugeschrieben wird (Die Fackel Nr. 3 0 7 - 3 0 8 v. 22. 9. 1910, S. 3 1 - 3 3 ) . 9 3 8 Vgl. oben S. 247f. 9 3 9 Vgl. oben S. 249. 940 Vgl. oben S. 255. Vgl. auch zur Kumpanei Salus - Gersuny mit Aphorismus-Bezug: Die Fackel Nr. 3 9 3 - 3 9 4 ν. Ζ 3. 1914, S. 15-18. 941 Ausnahmsweise lapidar-unpolemisch: die „leider recht belanglosen" Nadel'schen Aphorismen (Die Fackel Nr. 290 v. 11. 11. 1909, S. 20). 9 4 2 Vgl. oben S. 239. 9 4 3 Vgl. oben. S. 254. 9 4 4 Vgl. oben S. 250ff. 9 4 5 In der Fackel Nr. 2 8 9 v. 25. 10. 1909, S. 2 9 sind Kümbergers „Gesammelte Werke", darunter ein nicht erschienener 8. Band: Aphorismen, angezeigt. Peter Altenberg spielt für Kraus eine besondere Rolle; dazu unten S. 297. 936

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durch die Kommentare zu Kritikern seiner Aphorismen in der „Fackel", daneben aber auch durch die Art, wie er diese „Aphorismen" jeweils benennt. Seine metaphorische Suche bewegt sich nämlich anfangs durchaus in den bekannten Bahnen, wenn er die ersten Aphorismen als „Abfälle" oder „Splitter" 946 bezeichnet. Es mag zunächst noch eine schwer bestimmbare Mischung von Konventionalität und des eigenen Wertes bewußter Koketterie darin liegen. Wenn man die Bezeichnungen „Kehraus" und „Aus dem Papierkorb" 947 dazunimmt und sich vergegenwärtigt, wie radikal Kraus wenig später im einzelnen wie im ganzen gegen die „beliebigen Gedankensplittererzeuger" 948 wütet, sind die Gewichte dann aber eindeutig verteilt. Mit „Tagebuch" oder „Persönliches"949 findet er zu einer begrifflich unambitionierten Zwischenlösung, die freilich der Sache nach den Stempel persönlicher Preisgabe und hoher eigener Wertschätzung trägt 950 , bis er ab Februar 1909 den Titel verwendet, den dann auch das im März veröffentlichte Buch trägt: „Sprüche und Widersprüche" 951 . Das Ersteinfallsrecht für diese - naheliegende - sprachliche Idee kann Kraus übrigens nicht für sich beanspruchen: Georg von Oertzen nennt eine Abteilung eines seiner Aphorismenbücher schon 1868 „Sprüche und Widersprüche"952. Es mag durchaus sein, wie es Timms vermutet, daß hier eine versteckte Abhängigkeit von Nietzsche zu sehen ist 953 , aber nicht so sehr speziell eine Parallele zu dessen „Sprüchen und Zwischenspielen" wie eine Aufnahme des „Sprüche"-Begriffes überhaupt, der von Nietzsches häufiger Verwendung aus Schule gemacht hat 954 .

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Die Fackel Nr. 198 v. 12. 3. 1906, S. 1-3 und Nr. 202 v. 30. 4. 1906, S. 1-3: „Abfälle"; Nr. 201 v. 19. 4. 1906, S. 17: „Splitter" (Pseudonym: Kyon). Die Fackel Nr. 229 v. 2. 7190^ S. 1-17: „Kehraus"; Nr. 289 v. 25.10. 1909, S. 3-16: „Aus dem Papierkorb". Die Fackel Nr. 285-286 v. 27 7 1909, S. 46. „Tagebuch": Die Fackel Nr. 251-52 v. 28. 4. 1908, S. 34-45; Nr. 254-255 v. 22. 5. 1908, S. 33-35; Nr. 256 v. 5. 6. 1908, S. 15-32; Nr. 259-260 v. 13. 7 1908, S. 35-56; Nr. 264-265 v. 18. 11. 1908, S. 17-33; Nr. 267-268 v. 17 12. 1908, S. 40-44; Nr. 270-271 v. 19. 1. 1909, S. 31-35; Nr. 277-278 v. 31. 3. 1909, S. 57-61; Nr. 279-280 v. 13. 5. 1909, S. 1-16; „Persönliches": Nr. 266 v. 30. 11. 1908, S. 14-28. Zu dem biographischen Hintergrund dieses „persönlichen" aphoristischen „Tagebuches", der Entstehung der ersten Aphorismen Kraus' aus seiner Beziehung mit Bertha Maria Denk, vgl. Salvesen: A Pinch of Snuff from Pandora's Box. New Light on Karl Kraus and Frank Wedekind. In: Oxford German Studies 12, 1981, S. 122-138, hier: S. 128-132. Es handelt sich um einen Auszug aus Salvesen: Ambivalent alliance: Frank Wedekind in Karl Kraus' periodical „Die Fackel". 1981, S. 136ff. Die Fackel Nr. 272-273 v. 15. 2.1909, S. 40-48 und Nr. 275-276 v. 22. 3. 1909, S. 26-30. Von Oertzen: Aus Kämpfen des Lebens. 1868, S. 59-113. Vgl. oben S. 232f. Vgl. unten S. 340f. Der „Spriiche"-Begriff ist im übrigen bei Kraus nicht auf Aphorismen festgelegt; er wird auch für Verse benutzt: von Robert Adam (Die Fackel Nr. 246-247 v. 12. 3. 1908, S. 25-26) und von Richard Dehmel (Die Fackel Nr. 300 v. 9. 4. 1910, S. 1-2).

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Ausschlaggebend für Kraus scheint aber doch die Wortspielmöglichkeit gewesen zu sein, die sich dadurch schon im Titel seines Buches eröffnet und die auf zweierlei an,spielt': auf das Illusionäre der Vorstellung einer homogenen Widerspruchslosigkeit innerhalb des Aphorismenbuches, auf den produktiven Widerspruch des Lesers. In diesen Widersprüchen verwirklicht sich für Kraus einer der seine Aphorismus-Vorstellung konstituierenden Gegensätze: der zwischen Gedanke und Meinung, der vor allem in den Abschnitten „Schreiben und Lesen" der „Sprüche und Widersprüche" und „Vom Künstler" in „Pro domo et mundo" in zahlreichen Aphorismen bedacht wird: „Wer Meinungen von sich gibt, darf sich auf Widersprüchen nicht ertappen lassen. Wer Gedanken hat, denkt auch zwischen den Widersprüchen" 955 . „Ich habe es so oft erlebt, daß einer, der meine Meinung teilte, die größere Hälfte für sich behielt, daß ich jetzt gewitzt bin und den Leuten nur noch Gedanken anbiete"956.

Er wird in zahlreichen Bildern erprobt: „Meinungen sind kontagiös; der Gedanke ist ein Miasma"95-! „Das geschriebene Wort sei die naturnotwendige Verkörperung eines Gedankens und nicht die gesellschaftsfähige Hülle einer Meinung"958. „Der Gedanke ist ein Kind der Liebe. Die Meinung ist in der bürgerlichen Gesellschaft anerkannt" 959 . „Der Gedanke ist ein Liebesakt. Die Meinung ist bloß das Kind. Vom Standpunkt der Vermehrung ist sie ja wichtiger"960.

Die beiden Begriffe werden einerseits als „gesellschaftsfähig" und „in der bürgerlichen Gesellschaft anerkannt" dem charakterlosen Journalismus, mit pathetischen, auf Höchstbegriffe wie Natur und Liebe rekurrierenden Metaphern der Literatur andererseits zugeordnet: „O über die linke Midashand des Journalismus, die jeden fremden Gedanken, den sie berührt, in eine Meinung verwandelt! Wie soll man gestohlenes Gold reklamieren, wenn der Dieb nur Kupfer in der Tasche hat?" 961

Im Zentrum von Kraus' Gedanken über den „Gedanken" steht seine auf drei Begriffe: Witz, Form, Sprache konzentrierte Aphorismus-Vorstellung, wie sie durch die höchst anspruchsvolle Charakterisierung seiner eigenen satirisch-aphoristischen Tätigkeit hindurchscheint: 955 956 957 958 959 960 961

Kraus: Schriften 8, S. 111. Vgl. die Vorform in der Fackel Nr. 264-265 v. 18.11.1908, S. 18. Ebd. S. 196. Ebd. S. 237 Ebd. S. 111. Ebd. S. 112. Die Fackel Nr. 266 v. 30. 11. 1908, S. 21. Kraus: Schriften 8, S. 245, vgl. S. 241, 212.

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„Der Satiriker kann nie etwas Höheres einem Witz opfern; denn sein Witz ist immer höher als das [,] was er opfert. Auf die Meinung reduziert, kann sein Witz Unrecht tun; der Gedanke hat immer Recht. Er stellt schon die Dinge und die Menschen so ein, daß keinem ein Unrecht geschieht"962. „Die Form ist der Gedanke. Sie macht einen mittelmäßigen Emst zum tieferen Witz. So, wenn ich sage, daß in ein Kinderzimmer, wo wilde Rangen spielen, ein unzerreißbares Mutterherz gehört" 963 . „Wenn ein Gedanke in zwei Formen leben kann, so hat er es nicht so gut wie zwei Gedanken, die in einer Form leben" 964 . „Weil ich den Gedanken beim Wort nehme, kommt er"965. „Zwischen den Zeilen kann höchstens ein Sinn verborgen sein. Zwischen den Worten ist Platz für mehr: für den Gedanken" 966 . „Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedankens"96·; „Die Sprache Mutter des Gedankens? Dieser kein Verdienst des Denkenden? Ο doch, er muß jene schwängern" 968 . „Wenn in einem Satz ein Druckfehler stehen geblieben ist und er gibt doch einen Sinn, so war der Satz kein Gedanke" 969 .

Das extreme Sprach- und Formbewußtsein von Kraus ist häufig untersucht worden. Worauf es hier nur ankommt: In der Kontrastierung der beiden Begriffe „Meinung" und „Gedanke", die mit ihrem weiten semantischen Feld die Begriffsgeschichte des Aphorismus ja durchgängig, obzwar in verschiedener Weise begleiten, stellt sich Kraus ebenso in eine Reihe mit Lichtenbergs „Gedanke" in dessen „Gedankenbüchern"970, wie er sich in scharfen Gegensatz zu der Vorstellung von „Meinung" setzt, die Nietzsche vertreten hat971. Die Entwicklung der veröffentlichten „Meinung" veranlaßt ihn zu dieser klärenden Opposition, für die Nietzsche, der lediglich vom eigenen Idealfall lebendiger „Meinungsbildung ausging, noch keine Notwendigkeit sah. Es scheint nicht unerlaubt, von einem Prozeß wachsender Sicherheit zu sprechen, wenn man beobachtet, daß Kraus den Titel seines ersten Aphorismenbuches nach dreijährigem Schwanken findet, daß er sich für 962 963 964 965 966 967 968 969 970 971

Ebd. S. 289. Ebd. S. 115. Ebd. S. 238. Ebd. S. 236. Ebd. S. 325. Ebd. S. 235. Ebd. S. 238. Ebd. S. 244. Vgl. oben S. 62. Vgl. oben S. 191.

Der „Aphorismus" in Österreich nach der Jahrhundertwende

289

den zweiten Band in der „Fackel" schon ab April 1910 auf „Pro domo et mundo" 9 7 2 festlegt, nachdem er sich für seine umfangreiche Produktion ein Jahr lang auf den reinen Gattungsbegriff zurückgezogen hat 973 - das Buch mit diesem Titel erscheint im Februar 1912 und daß er schließlich die Aphorismen seiner dritten und letzten Sammlung von vorneherein unter dem Titel „Nachts" in seine Zeitschrift einrückt 974 . Sie erscheint Anfang 1919 und wendet sich, durch die Kriegsereignisse geprägt, von Gattungs- und Sprachreflexion weitgehend ab 975 . Alle drei Aphorismenbände erscheinen im übrigen ohne den gattungsbezeichnenden Untertitel. „Daß das Alte ein Neues geworden ist, muß denen, die lesen können, nicht gesagt werden": Diese Bemerkung in der detaillierten Ankündigung von „Pro domo et mundo" mit ihrem selbststilisierenden Pathos (Kraus dankt seinem Mitarbeiter Richard Weiß, der „den Zweifeln nahestand, die nicht müde werden, den müde zu machen, der ihrer fähig ist" 976 ), die sinngemäß auch für die beiden anderen Büchern gilt, kann hier nicht auf die Komposition der Sammlungen wie auf die Einzelbearbeitungen generell, sondern nur in den wenigen Fällen seiner Aphorismen über den Aphorismus überprüft werden, in denen die „Fackel"-Fassung und die Buch-Fassung voneinander abweichen. Dieses kleine Corpus fehlt in keiner Arbeit über Kraus' Aphorismen 977 Was aber dabei meist übersehen worden ist: Sie müssen mit ihren eindeutig offenen Aussagen auf sie sel-

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Die Fackel Nr. 300 v. 9. 4. 1910, S. 17-31; Nr. 309-310 v. 31. 10. 1910, S. 28-44; Nr. 315-316 v. 26. 1. 1911, S. 31-37; Nr. 317-318 v. 28. 2. 1911, S. 32-33; Nr. 323 v. 13. 5. 1911, S. 12-23; Nr. 326-327-328 v. 8. 7 1911, S. 38-47 und Nr. 338 v. 6. 12. 1911, S. 16-18. „Aphorismen": Die Fackel Nr. 281-282 v. 4. 6. 1909, S. 29-30; Nr. 283-284 v. 26. 6. 1909, S. 37; Nr. 285-286 v. 27 7. 1909, S. 30-31; Nr. 287 v. 16. 9. 1909, S. 19-20; Nr. 288 v. 11. 10. 1909, S. 14-15; Nr. 290 v. 11. 11. 1909, S. 12-13; Nr. 293 v. 4. 1. 1910, S. 28; Nr. 294-295 v. 31. 1. 1910, S. 25-26 und Nr. 298-299 v. 21. 3. 1910, S. 46-47 Die Fackel Nr. 360-361-362 v. 7 11. 1912, S. 1-25; Nr. 376-377 v. 30. 5. 1913, S. 18-25; Nr. 381-382-383 v. 19. 9. 1913, S. 69-74; Nr. 389-390 v. 15. 12. 1913, S. 28-44; Nr. 406-412 v. 5. 10. 1915, S. 94-168 und Nr. 445-453 v. 18. 1. 1917, S. 1-19. Daß Kraus nach 1919 - mit einer kleinen Ausnahme (drei Aphorismen zur Sprachlehre in der Fackel Nr. 572-576, Juni 1921, S. 76) - keine Aphorismen mehr verfaßt, führt sein Herausgeber Wagenknecht, der im übrigen auch auf noch unausgewertete Materialien in der Österreichischen Nationalbibliothek verweist (Kraus: Schriften 8, S. 460), auf die „seit Kriegsbeginn sich entwickelnde Vorliebe für die gebundene Form" (ebd. S. 459), das Epigramm also, zurück. Wenn man in der letzten Sammlung die verstärkte Tendenz zu längeren, bis zu drei und vier Seiten langen Aphorismen beobachtet, wäre eine erweiterte Hypothese genauerer Nachprüfung wert: daß nämlich Kraus nach 1919 seine Aphorismenproduktion ins Epigrammatische einerseits, ins Essayistische andererseits auflöst und überführt. Die Fackel Nr. 341-342 v. 27 1. 1912, S. 50. Vgl. Kipphoff: Der Aphorismus im Werk von Karl Kraus. 1961, S. 50-52.

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Begriffsgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1912

ber angewandt werden; ihre besondere Pointe besteht darin, daß, was gesagt wird, in Aphorismen gesagt wird. Sie sind nicht in gleichem Maße wie die übrigen Äußerungen als bare Münze zu nehmen, denn sie stehen gewissermaßen unter einem „Kunstvorbehalt" und haben damit zugleich größeres und geringeres Gewicht. Dieses Weniger und Mehr zugleich formulieren sie selber unnachahmlich: „Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit überflügeln. Er muß gleichsam mit einem Satz über sie hinauskommen" 978 . „Der Aphorismus deckt sich nie mit der Wahrheit; er ist entweder eine halbe Wahrheit oder anderthalb"979.

Während der zweite Aphorismus in der Buchfassung unverändert abgedruckt ist980, ist der erste um ein entscheidend wichtiges fehlendes Wörtchen ,bereichert': „gleichsam": „Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit überflügeln. Er muß mit einem Satz über sie hinauskommen" 981 .

Beide Aphorismen verbindet, einmal als Tatsache, einmal als Forderung formuliert, ein Gegensatz, der sich um die fehlende Mitte Wahrheit legt: halbe Wahrheit oder anderthalb, nicht wahr sein müssen, aber die Wahrheit überflügeln sollen. Der zweite ist schärfer - er läßt im Gegensatz zum ersten nicht zu, daß der Aphorismus auch wahr sein kann (wenn er denn zugleich mehr als wahr ist) -, der erste aufschlußreicher. Im „Uberflügeln" spielt er mit der Pegasus-Assoziation auf die Art des Mehr an und gibt damit zur Auflösung des irritierenden, unauflösbar scheinenden Widerspruches einen Hinweis, den der zweite Teil als Wortspiel und Denkaufgabe verstärkt. Die Bearbeitung verknappt hier nicht nur, sie nimmt den doppeldeutigen „Satz" in seiner auch buchstäblichen Bedeutung überhaupt erst ernst und öffnet damit den Zusammenhang mit dem eigenen „Satz" als Gedanken982 entschiedener: mit dem Aphorismus im Rahmen einer Dichtung, bei der es um eine Kunst-,,Wahrheit" eigener Qualität geht983.

978 979 980 98) 982 983

Die Fackel Nr. 2 6 4 - 2 6 5 v. 18. 11. 1908, S. 33. Die Fackel Nr. 270-272 v. 19. 1. 1909, S. 32. Kraus: Schriften 8, S. 161. Ebd. S. 117 Vgl. ebd. S. 244. An dieses „Überflügeln" schließt Gabriel an, wenn er „Wittgensteins Verwendung der aphoristischen Schreibart als bewußte Anwendung der Krausschen Auffassung des Aphorismus'" rekonstruiert (Gabriel: Logik als Literatur? Zur Bedeutung des Literarischen bei Wittgenstein. In: G. G.: Zwischen Logik und Literatur. Erkenntnisformen von Dichtung, Philosophie und Wissenschaft. 1991, S. 28).

Der „Aphorismus" in Österreich nach der Jahrhundertwende

291

„Einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es kann, ist oft schwer. Viel leichter ist es, einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es nicht kann" 9 8 4 .

Während Kraus hier, gerade mit dem untypisch schwächlichen „oft", über eine polemische Paradoxie mit der Intention der Selbstabhebung nicht hinauskommt, bieten die nächsten Aphorismen über den Aphorismus erläuternde Ergänzungen, die sich exakt an den Kunstcharakter seiner „Sätze" anschließen: „Der eine hatte nie etwas über diese Dinge gehört. Er erlebte sie, und eines Tages öffnete sich der Himmel, und er sah. Und schrieb einen Aphorismus. Der andere hatte nie etwas über diese Dinge gehört. Da sah er ein farbiges Heft und las den Aphorismus. Und diktierte einen Leitartikel über die Urgewalt der Liebe" 9 8 5 .

Von ungleich größerem Interesse als die Klage, plagiiert zu werden, im zweiten Teil, wie sie Kraus sehr häufig variiert, ist die Verbindung von Erlebnis, Eingebung und Gestaltung, die der erste Teil formuliert und die nicht unpathetisch die auf Bibel („der Himmel öffnete sich") und Antike („und er sah": der Dichter als poeta vates) gründende Vorstellung vom inspirierten Dichter-Seher zitiert und sie mit dem Verfassen eines „Aphorismus" verknüpft. Der letzte „Fackel"-Aphorismus, der noch in die erste Sammlung eingeht, ist von besonderem Interesse, nicht nur seines Inhaltes wegen, sondern auch, weil er im Buch in drei nicht allein kürzere, sondern ungleich präzisere und konzisere Aphorismen getrennt worden ist und durch diesen seltenen Einblick in die Bearbeitungsweise das Formideal des Autors zu dieser Zeit erkennen läßt: „Der Nachmacher sagte, wenn er mir alles nachmachen könne, meine Aphorismen könne er mir nicht nachmachen. Das war eine Bescheidenheit, die am Platze ist. Wenn ich einem zwanzig Seiten einräume, so hat er Gelegenheit, seine, meine oder deine Weltanschauung auszubreiten, und der Leser merkt keinen Unterschied. Ein Aphorismus aber ist die Probe, ob man eine hat. Den kann man in keine Schreibmaschine diktieren. Er würde zu lange dauern" 986 .

In „Sprüche und Widersprüche" heißen sie: „Es gibt Schriftsteller, die schon in zwanzig Seiten ausdrücken können, wozu ich manchmal sogar zwei Zeilen brauche" 98 ?

984

985

986 987

Die Fackel Nr. 275-276 v. 22. 3. 1909, S. 29; Buchfassung identisch: Schriften 8, S. 132. Vgl. „Wenn man es nicht kann, dann ist ein Roman leichter zu schreiben als ein Aphorismus" (Die Fackel Nr. 267-268 v. 17 12. 1908, S. 41). Die Fackel Nr. 266 v. 30. 11. 1908, S. 16. In der Buchfassung fehlt dieser Aphorismus (wegen der Variante: „Der eine schreibt, weil er sieht, der andere, weil er hört" [Die Fakkel Nr. 266 v. 30. 11. 1908, S. 27; Buchfassung identisch: Schriften 8, S. 118]?). Die Fackel Nr. 266 v. 30. 11. 1908, S. 24. Kraus: Schriften 8, S. 116.

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„Ein Buch kann darüber täuschen, ob es die Weltanschauung des Autors bietet oder eine, die er bloß vertritt. Ein Satz ist die Probe, ob man eine hat"988. „Einen Aphorismus kann man in keine Schreibmaschine diktieren. Er würde zu lange dauern" 989 .

Der Kern der typischen Überspitzung, eben ,Pointierung', von „schon" (zwanzig Seiten) vs. „sogar" (zwei Zeilen) ist das Formideal äußerster Verknappung, beglaubigt dadurch, daß es gleichzeitig die Arbeit an diesem Aphorismus selbst bestimmt hat. Ihm läßt sich nur in direkter Auseinandersetzung nacheifern, jedes Medium (Diktat und Schreibmaschine) bedeutete ein Verfälschen ins Diskursive. Das andere Element ist die „Weltanschauung", implizit als Gegensatz zur Meinung verstanden, die eben nur vertreten wird; man erinnert sich der fehlenden „Gesinnung", die Kraus Saphir vorwarf. Sie äußert sich nicht explizit, sondern in der künstlerisch vollendeten Form des einzelnen Aphorismus, die allein als „Probe" gelten darf, „ob man eine hat". Weltanschauung und Kunstcharakter, Ethik und Ästhetik werden damit in engste Verbindung gebracht. „Einer, der immer Aphorismen schreiben könnte und sich in Aufsätzen zersplittern muß!"990 Der Fackel-Aphorismus wird für die Buchfassung von „Pro domo et mundo" so bearbeitet: „Einer, der Aphorismen schreiben kann, sollte sich nicht in Aufsätzen zersplittern"991. Aus dem Konjunktiv wird der Indikativ, aus einem Stoßseufzer über eine Fehlentwicklung aus künstlerischen oder kommerziellen Gründen wird eine unmißverständliche Forderung, aber der Kern bleibt erhalten: die paradoxe Umkehrung des stereotypen Vorwurfes an den Aphoristiker, sich zu zersplittern. Sie setzt einen Denkprozeß in Gang, an dessen Ende die Erkenntnis steht, daß es sich beim Aphorismus einerseits gerade nicht um ,Splitter1 von Größerem handelt, sondern um etwas je monolithisch Eigenes, andererseits auch um etwas derart Gehärtetes, daß sich von ihm nicht

988

Ebd. Der Begriff „Aphorismus" ist in diesem Aphorismus erst 1924 durch das allgemeinere „Satz" ersetzt worden. Letzten Endes geht es Kraus hier nicht so sehr um das gewissermaßen Gattungstechnische als vielmehr um eine gültige,Setzung'. Eine Entwicklung ist damit jedenfalls nicht angedeutet. Eine solche läßt sich für das Aphorismusverständnis von Kraus nicht nachweisen, es sei denn, man legte (zu)viel Gewicht auf eine einzelne späte Bemerkung, in der Kraus den Begriff - für andere - hämisch-abwertend gebraucht: „Die Aphorismen, die der Bethmann Hollweg dem Paul Goldmann zugewinkt hat" (Die Fackel Nr. 462-471 v. 9. 10. 1917, S. 60). Leicht abweichend dagegen zur Frage der Entwicklung Kipphoff: Der Aphorismus im Werk von Karl Kraus. 1961, S. 51: „Die Forderungen des Aphorismus sind für Kraus zu den Forderungen geworden, die er an jeden Satz stellt, d.h. die aphoristische Form ist für ihn zu einer ganz allgemeinen Grundtatsache und zum unumstößlichen Gesetz der Sprache geworden". 989 Ebd. 990 Die Fackel Nr. 277-278 v. 31. 3. 1909, S. 61 "1 Kraus: Schriften 8, S. 238.

D e r „ A p h o r i s m u s " in Österreich nach der Jahrhundertwende

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kleinere Teile absplittern lassen. Nur ein weiteres Zeugnis für dieses höchste Selbst- wie Gattungsbewußtsein, wiederum als Paradoxierung, diesmal im Verein mit der Superlativierung einer Redensart, bei dem Bekenntnis- und frkenntniswert aber in ungünstigerem Verhältnis stehen, ist der im Buch vorausgehende Aphorismus, der aus der „Fackel" unverändert übernommen ist: „Der längste Atem gehört zum Aphorismus" 992 . Kraus druckt Rezensionen zu seinen Aphorismen, aus denen er auch liest993, reichlich ab 994 . Unter den Autoren sind Felix Stössinger, Otto Pick und Oskar Jellinek (der selbst Aphorismen verfaßt hat 995 ). Den größten Raum bekommt der Fackel-Mitarbeiter Otto Stoessl996. Der Erkenntniswert aus den Kommentaren ist deshalb begrenzt, weil Kraus - aus „Notwehr" 9 9 7 ! - dabei als Zitate vor allem Lobhudeleien zum besten gibt, die für ihn für sich selbst sprechen: „Ja wirklich, diese Sprüche und Widersprüche sind A p h o r i s m e n ; A p h o r i s m e n , keine Cafe-Geistreichigkeiten, keine ,Brillanten' im Sinne S c h m o c k s , keine billigen Kunststückchen, die dadurch verblüffen wollen, daß sie irgend eine gangbare Meinung auf den K o p f stellen. M a n überlege sich einmal, was das heißt, dieser so beängstigend diskreditierten und mißbrauchten F o r m des Aphorismus neues L e b e n zu verleihen, einerseits die Nachfolge L a Rochefoucaulds und Nietzsches, anderseits die Nachbarschaft der G e d a n kensplitter' in den ,Fliegenden Blättern' nicht zu fürchten! Dies Ziel hat vor Kraus wohl nur die E b n e r - E s c h e n b a c h erreicht; die A p h o r i s m e n b ü c h e r von P. N . C o s s m a n n , selbst von Peter Hille und gar von O t t o Weiß sind banal gegen diese Sprüche" 9 9 8 .

Wo er hingegen einmal kommentiert, bleibt er in den Grenzen der Abgrenzung und des Beharrens auf Einzigartigkeit, die uns schon hinreichend bewußt ist: „ D a ß die große Tagespresse [ . . . ] mein A p h o r i s m e n b u c h totschweigt, ist ganz in O r d nung und nicht minder, daß sie das G e s c h m e i ß von Essayisten, Feuilletonisten und selbst Aphoristen, die von einer Seite dieses Buches sich mästen werden, tüchtig auflobt. Die

« E b d . und D i e Fackel Nr. 3 0 0 v. 9. 4. 1910, S. 24. Vgl. z . B . D i e Fackel Nr. 2 9 4 v. 3 1 . 1 . 1 9 1 0 , S. 3 Of und 36f; Nr. 2 9 6 - 2 9 7 v. 18. 2 . 1 9 1 0 , S. 5 3 ; N r . 313-314 v. 31. 12. 1910, S. 4 7 - 6 4 pass.; Nr. 3 1 5 - 3 1 6 v. 2 6 . 1. 1911, S. 5 5 ; Nr. 413-417 v. 10. 12. 1915, S. 111. 9 9 4 Zu „Sprüche und Widersprüche": D i e Fackel Nr. 2 7 9 v. 13. 5. 1909, S. 2 0 - 2 5 ; Nr. 2 8 1 - 2 8 2 v. 4 . 6. 1909, S. 3 0 - 3 3 ; Nr. 2 8 7 v. 16. 9. 1909, S. 3 0 f ; Nr. 2 9 0 v. 1 1 . 1 1 . 1909, S. 15-21 (Felix Stössinger); Nr. 2 9 6 - 2 9 7 v. 18. 2 . 1910, S. 3 6 f ( O s k a r Jellinek); Nr. 313-314 v. 31. 12. 1910, S. 3 2 f ( O t t o Pick); Nr. 315-316 v. 2 6 . 1. 1911, S. 48. 9 9 5 Aphorismenhefte im Marbacher N a c h l a ß , vgl. Schiller-Jb. 17, 1973, S. 9 3 ; vgl. auch N e u m a n n : Ideenparadiese. 1976, S. 838, Nr. 91 mit dem Hinweis auf ein Manuskript in der Universität Freiburg. 9 9 6 D i e Fackel Nr. 2 7 9 - 2 8 0 v. 13. 5. 1909, S. 2 3 - 2 5 u. Nr. 3 1 9 - 3 2 0 v. 31. 3 . 1 9 1 1 , S. 6 6 - 6 8 . Zu Stoessl vgl. unten S. 300ff. 9 9 7 D i e Fackel Nr. 2 9 0 v. 11. 11. 1909, S. 2 0 . 9 9 8 D i e Fackel Nr. 2 8 7 v. 16. 9. 1909, S. 31. 9

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Begriffsgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1912

Infamie besteht nur darin, daß sie das Erscheinen meines Buches benützt, um alles das, was sie über mich sagen könnte, wenn sie wollte, oder sagen möchte, wenn sie dürfte, über einen beliebigen Gedankensplittererzeuger zu sagen, wie sie deren schockweise in Deutschland herumlaufen; daß sie also mir das Maß nimmt, u m einen Haubenstock zu bekleiden" 999 .

Sehr viel hat er auf den Vorwurf der mechanischen Umdrehung nicht zu entgegnen, wie ihn schon Kerr äußerte: „Er [Kraus] hat sich aber zur Niederschrift von Afforismen bewegen lassen (weniger einem Drange des Intellekts folgend, als um die Abwesenheit seines Intellektmangels darzutun),- Kitsch, mit der Hand gefertigt, dessen Arglosigkeit sich in mechanischer Umdrehung äußert, in mechanischer Gegensätzelei"1000; man wäre nicht unzufrieden, wenn Kraus die abschließende Abfuhr zur weiteren Argumentation genutzt hätte: „Ein Literaturprofessor meinte, daß meine Aphorismen nur die mechanische Umdrehung von Redensarten seien. Das ist ganz zutreffend. N u r hat er den Gedanken nicht ganz erfaßt, der die Mechanik treibt: daß bei der mechanischen Umdrehung der Redensarten mehr herauskommt als bei der mechanischen Wiederholung. Das ist das Geheimnis des Heutzutag, und man muß es erlebt haben. Dabei unterscheidet sich aber die Redensart noch immer zu ihrem Vorteil von einem Literaturprofessor, bei dem nichts herauskommt, wenn ich ihn auf sich beruhen lasse, und wieder nichts, wenn ich ihn mechanisch umdrehe" 1001 .

Dabei hat er selbst doch aphoristisch die beste Antwort für den bereit, der ihm stereotype Verwendung des Paradoxons vorwerfen würde: „Ein Paradoxon entsteht, wenn eine frühreife Erkenntnis mit dem Unsinn ihrer Zeit zusammenprallt"1002. Ungleich mehr läßt sich dagegen aus zwei Äußerungen ohne solchen Anlaß entnehmen; sie sind geeignet, Kraus' Aphorismusverständnis mit seinen Komponenten Satire als Kunst-Form und „Gedanke" statt „Meinung" noch einmal zusammenzufassen, nicht anders als auf der Ebene der selbstbezüglichen Aphorismen Kunstcharakter und Weltanschauung: der „Offene Brief an das Publikum" zum zehnjährigen Bestehen der Fakkel 19081003 und der Aufsatz „Selbstbespiegelung"1004, in dem er wenig später über seine „aphoristischen Bemerkungen" „Persönliches" spricht. Hier liegen die Denkkategorien schon klar zutage, aufgrund derer er vier Jahre später Seligmann angreift. Es geht ihm schon hier gerade um die Relativierung des äußeren Anlasses. Die Leser „sehen nur das Porträt der ihnen bekannten Person, übersehen den Kunstwert, der die Erinnerung 999 1000 1001 1002 1003 1004

Die Fackel Nr. 285-286 v. 27 7 1909, S. 46. Die Fackel Nr. 326-327-328 v. 8. 7 1911, S. 29. Die Fackel Nr. 389-390 v. 15. 12. 1913, S. 38. So auch in Kraus: Schriften 8, S. 332f. Kraus: Schriften 8, S. 164. Die Fackel Nr. 261-262 v. 13. 10. 1908, S. 1-14. Die Fackel Nr. 267-268 v. 17 12. 1908, S. 22-26, bes. 24f.

Der „Aphorismus" in Österreich nach der Jahrhundertwende

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an ein gleichgiltiges Modell weit hinter sich läßt" 1005 . Ihm aber ist es um „Kunstwert", „Eigenwert", um „Erlebnis" statt reiner „Polemik" zu tun: „Wer Aphorismen, deren Berechtigung um ihrer selbst willen schon die deutliche Variation desselben Gedankens erkennen läßt und deren Eigenwert nur erhöht scheint, wenn ihr Tempo noch vom Erlebnis beflügelt wird, für eine Polemik hält, mag jedes dramatische Werk, dessen Beziehungen ihm zufällig bekannt sind, für ein Schlüsselstück halten" 1006 . Seine satirischen Sätze haben ihre Berechtigung um ihrer selbst willen als reine (Sprach-)Kunst, entfernt und befreit von jedem Anlaß, vom stofflichen Gehalt: Geradezu verbissen verteidigt er diesen spezifisch verstandenen Kunst-Charakter seiner Aphorismen. Im „Offenen Brief" heißt es dazu: „Daß ich heimlich in eine Betrachtungsweise abgeglitten bin, die als das einzige Ereignis gelten läßt: wie ich's erzähle, - das ist die letzte Enthüllung, die ich meinen Lesern schuldig bin. Ich täuschte, und war allemal tief betroffen, allemal wußte ich, daß ich mir dergleichen nicht zugetraut hätte, aber ich blieb dabei, Aphorismen zu sagen, wo ich Zustände enthüllen sollte. So schmarotze ich nur mehr an einem alten Renommee" 1007

„Zustände enthüllen": die Phrase wie die Tätigkeit, die sie ausdrücken soll, überläßt Kraus dem Journalismus, er bleibt beim Schlichtestmöglichen, „Aphorismen zu sagen", für welche „Betrachtungsweise" er „als das einzige Ereignis" die Form gelten läßt: „wie ich's erzähle". Spielt er aber nicht vielleicht auf die Geltung an, die Nietzsche dem Aphorismus verschafft hat, wenn er dabei enthüllt, an einem alten Renommee zu schmarotzen? Spürt man in der „letzten Enthüllung, die ich meinen Lesern schuldig bin", nicht genau den Ton des angeblich „Nicht-Gekannten"? Kurz ist der argumentative Weg zur konstitutiven Dichotomie von „naturnotwendiger Verkörperung des Gedankens" und „gesellschaftspflichtiger Hülle der Meinung"1008 und damit zur selbstgestellten Aufgabe seinen Lesern gegenüber: „Ich wollte sie entjournalisieren"1009. Die weitere Erläuterung führt ins Allgemeine seines Selbstverständnisses von - satirischer - Kunst, ohne daß der Aphorismus seine zentrale Stellung dabei verlöre. Der Primat der Form in Kraus' Sinne bedarf nämlich noch einer einschränkend-erläuternden Ergänzung: Er bedeutet nicht nur die Absage an den Politiker („Leben im Stoff"), sondern auch die an den Ästheten vom Typus Hofmannsthal („Leben in der Form"): „Ich meine es an-

1005 1006 1007 1008 1009

Die Fackel Nr. 2 6 7 - 2 6 8 v. 1Z 12. 1908, S. 24. Ebd. S. 25. Die Fackel Nr. 261-261 v. 13. 10. 1908, S. 11. Ebd. S. 12. Ebd.

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Begriffsgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1912

ders als beide, wenn ich [...] mir heute den Gegner nach meinem Pfeil zurechtschnitze. Die Realität nicht suchen und nicht fliehen, sondern erschaffen und im Zerstören erst recht erschaffen"1010. 2. Nach und neben Kraus (Altenberg, Stoessl, Essigmann, Hatvani, Fnedell, Fischer)

Kraus gehört in ein besonders ,aphorismogenes' Umfeld. Genauer als für das 19. Jahrhundert1011 ist die besondere Beziehung der österreichischen Literatur zum Aphorismus nach der Jahrhundertwende erörtert. Johnston konstruiert eine „Vienna School of Aphorists"1012 mit zwei Wurzeln. Auf Feuchtersieben bezieht er Autoren wie Ebner-Eschenbach und Waggerl, „the antithetical school" mit Kraus und Canetti geht für ihn auf Hebbel zurück. Dazwischen ordnet er Hofmannsthal, Schnitzler, Schaukai, Musil ein, ohne im ganzen wie im einzelnen zu überzeugen. Kaszynski, der den modernistischen österreichischen Aphorismus als Symptom der zerfallenden Realität deutet und auf Nietzsches Einfluß dabei hinweist1013, bleibt auf schmaler Basis. Wesentlich fundierter sind da die Erörterungen Grays1014, der den Hinweis erbringt, daß die fragmentarische Ausdrucksform der Sprachskepsis und dem krisenhaften Geist der Jahrhundertwende überhaupt besonders gemäß ist1015, die spezifischen Funktionen dieses Aphorismus herausarbeitet und speziell zur Begriffsgeschichte nach der Feststellung: „The split between Wortgeschichte and Formgeschichte [...] ends rather abruptly"1016 die Ursachen - in aller Kürze - in den „Aphorismen" Ebner-Eschenbachs, Nietzsches und von Leitzmanns Lichtenberg sucht.

1°10 Ebd. S. 13f. Vgl. oben S. 166. 1012 Johnston: The Vienna School of Aphorists. In: The Turn of the Century. 1981, S. 275-290. Unter unzutreffendem Titel eine fast identische Ubersetzung: Karl Kraus und die Wiener Schule der Aphoristiker. In: Literatur und Kritik 211/212, 1987, S. 11-24. 10,3 Kaszynski: Der modernistische österreichische Aphorismus. In: Lindken (Hg.): Das magische Dreieck. 1992, S. 233-242. - Ohne spezielle Hinweise, wie man sie hier vermuten könnte, bleiben Heller: Beim Aphorismus genommen. In: Forum 3, 1956, S. 217-220 und Lackinger: Von Aphorismen und Aphoristikern. 1979, S. 9-26. 1014 Gray: Aphorism and Sprachkrise in Turn-of-the-Century Austria. In: Orbis Litterarum 41, 1986, S, 332-354 (= Gray: Constructive Deconstruction (Kafka). Kap. II, 3); Gray: From Impression to Epiphany. The Aphorism in the Austrian Jahrhundertwende. In: Modern Austrian Literature 20, 1987, S. 81-95 (= Gray: Constructive Deconstruction (Kafka). Kap. II, 2). 1015 Gray: Constructive Deconstruction (Kafka). 1987, S. 81. 1016 Ebd. S. 83. - Auf die österreichische Aphoristik und ihre polnische Nachfolge bezieht sich Rowmski: Aphorisme - paradoxe - humour. L'aphorisme dans les litteratures de l'Europe Centrale au XX-ieme siecle. In: L'humour europeen. 1993, S. 247-259. 1011

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Dieser Vorarbeiten ungeachtet ist der besonders wichtige österreichische Beitrag zu Begriffs- wie Gattungsgeschichte noch nicht hinreichend dargestellt (und auch in unserem Zusammenhang kann das nicht geschehen). Er ist nicht einmal quellenmäßig in der ganzen Breite erfaßt. Aus der Reihe der Autoren, von denen in anderem Zusammenhang schon die Rede war, gehören die Wiener Journalisten Josef Ehrlich und Otto Weiß ebenso hierher wie der Wiener Kaufmannssohn Emanuel Wertheimer, der Wiener Chirurg Robert Gersuny so gut wie sein juristischer Kollege Josef Unger, die „Gedankenspähne" Johann Gaunersdorfers so gut wie die „Splitter" des Hofforstmeisters Raoul Dombrowski. Und wenn im weiteren - zunächst auf die beiden ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts beschränkt - nicht nur von Peter Altenberg und Egon Friedell, sondern auch von Otto Stoessl, Wilhelm Fischer, Paul Hatvani, Alois Essigmann und sogar von Otto Weininger und Arnold Schönberg zu sprechen ist, zeigen sich die Desiderate auch hier. Ein nicht geringer Teil der Autoren ist dabei ausschließlich oder überwiegend unter dem Gesichtspunkt der Kraus-Rezeption zu lesen, etwa überdeutlich Stoessl und Essigmann, aber auch die Autoren des BrennerKreises und selbst noch, in polemischer Abgrenzung, Kuh101-! Peter Altenberg (1859-1919) ist nicht nur hinreichend bekannt und oft gewürdigt, er gehört auch deshalb in die unmittelbare Nähe zur „Fackel", weil Kraus ihn nicht nur neben sich gelten läßt, sondern ihn hier auch vielfach rühmt und druckt und schließlich auch die postume „Auswahl aus seinen Büchern" 1018 herausgibt. Altenberg ist darin eine Ausnahme, und er ist keine: Kraus sieht ihn nicht als Aphoristiker-Konkurrenten; es ist vielmehr das Kompromißlose seiner Persönlichkeit, das ihn fasziniert. Die aphoristische Formkunst kann es nicht sein, die er an ihm schätzt; weder in seinem Beitrag zum 50. Geburtstag1019 noch in seiner „Rede am Grabe Peter Altenbergs" 1020 kommt er auf dessen Aphorismus zu sprechen. Wo er von dem Werk spricht, ist meist allgemein von lyrischer Prosa die Rede. In der Fachwissenschaft widmet Köwer dem Altenberg'schen Aphorismus innerhalb des Sammelbegriffes „literarische Kleinform" ein eigenes fundiertes Kapitel1021. Sie hebt ihn durch die Feststellung heraus, daß der

Vgl. den Ausblick, bes. die Seiten 318ff. 1018 Altenberg.· Auswahl aus seinen Büchern von Karl Kraus. 1932. 1019 Die Fackel Nr. 274 v. 27 2. 1909, S. 1-5. 1020 Die Fackel Nr. 508-513, April 1919, S. 8-10. Vgl. den Altenberg-Aphorismus aus „Sprüche und Widersprüche" (Kraus: Schriften 8, S. 130). 1021 Köwer: Peter Altenberg als Autor der literarischen Kleinform. 1987 Der Aphorismus im Werk Altenbergs: S. 2 3 7 - 2 6 6 . 1017

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Autor „die Aphoristik als einzigen Typus seiner Kleinformen ausdrücklich gattungsspezifisch benannt und in definierenden Äußerungen näher bestimmt" habe1022. Spinnen sucht sich dem Gesamtwerk unter der Kategorie „impressionistischer Emblematik" und mit dem Begriff der Prosaskizze1023 zu nähern. In Bezug auf „Prodrömos"1024 ist für ihn klar, „daß längst nicht alle Texte zur literarischen Gattung des Aphorismus zu zählen sind"1025, und er resümiert: „Am ehesten könnte man ,Prodrömos' ein Aphorismenbuch nennen, insbesondere, da die Hauptmenge der Texte im ursprünglichen Sinne des Aphorismus" medizinische Einzelerkenntnisse und -ratschlage in kurzen einprägsamen Sätzen formuliere1026. Damit schneidet er die Begriffshypertrophie um 1920 differenzierend zurück, die schon deutlich wurde, vor allem in Maurers Altenberg-Rezension aber eine akzentuierende Ergänzung findet. Wenn Thomas Mann 1920 unnachahmlich zierlich vom „atemknappen Pointiiiismus seiner aphoristischen Novelletten" spricht, ist das nicht mehr als pointillistisches Feuilleton102? Für Maurer aber ist „Prodrömos" nicht nur selbstverständlich eine „Aphorismensammlung": „Der Aphorismus wird zur sinnhaltigen Anekdote, K l e i n g e s c h i c h t e "1028. Er sieht ihn von Nietzsche her und stellt fest: „Kaum irgendwo wird d e r i n n e r e Grund d e r A p h o r i s m u s n e i g u n g der Zeit so sichtbar wie hier"1029. Zwei Tendenzen sind es, die in seinem fraglosen Ausgangspunkt zusammenfließen: die Normierungsbestrebungen der Literaturwissenschaft, die Empfindung - dieses vage-wichtige Wort trifft es am genauesten - des Aphorismus als Ausdrucksmittel der Moderne: „Die natürliche Form des Denkens ist aphoristisch"1030, „alles Denken geschieht aphoristisch"1031. Altenberg selbst gebraucht den Begriff mit der zeitgemäßen Selbstverständlichkeit. Köwer interpretiert die Belege im Hinblick auf die „ExtraktTheorie" des Autors, der sie als „letztmögliches Bindeglied zwischen die 1022 Ebd. S. 237 1023 Spinnen: Schriftbilder. Studien zu einer Geschichte emblematischer Kurzprosa. 1991, S. 107-174. Derselbe: Idyllen in der Warenwelt. Peter Altenbergs Prodrömos und die Sprache der Werbung. In: Zs. f. Literaturwiss. u. Linguistik 22, 1992, H. 87/88, S. 133-150. 1=24 Altenberg: Prodrömos. 4. und 5. Aufl. 1919 (1. Aufl. 1906.). 1025 Spinnen: Idyllen in der Warenwelt. In: Zs. f. Literaturwiss. u. Linguistik 22, 1992, H . 87/88, S. 135. 1026 Ebd. 1027 Thomas Mann: Rede und Antwort. 1984, S. 681 (Zuerst 1920). 1028 Maurer: Kleinform und Zeitgeist. Bemerkungen zu einigen neueren Aphoristikern. In: Eckart 5, 1929, S. 200-215; „Peter Altenberg: .Telegrammstil der Seele'": S. 202-204, hier S. 204. 1029 Ebd. S. 203. Ό'" Ebd. S. 200. i°31 Ebd. S. 201.

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Skizzen und die nicht mehr verbale Äußerung" 1032 setze: „Was sind denn meine S k i z z e n ? E x t r a k t e von N o v e l l e n . Was sind denn meine Aphorismen?! E x t r a k t e meiner S k i z z e n . Was ist denn, wenn ich gar nichts mehr schreibe?! Extrakte meines H e i l i g e n S c h w e i g e n s!"1033 In „Nachfechsung" heißt es dazu: „Ich werde immer kürzer in meinen Gedankengängen, und das heißt also immer besser, immer weniger Zeit raubend! Zum Schluß werde ich gar nichts mehr sagen. Das wird das beste sein"1034. Köwer streift die „bis zur trivialisierenden Entwertung führende Hinwendung zu aphoristischer Gestaltung um 1900" zwar nur ganz knapp, schließt Altenberg aber einerseits an die französische Moralistik, andererseits, höchst aufschlußreich, an den wissenschaftlichen Aphorismus an, wobei sie, seines Inhaltes wegen zu Recht, einen selbstbezüglichen Aphorismus zitiert, der der Gattung wahrlich keine Ehre macht: „Aphorismen sind doch keine Aphorismen, um Gottes willen! Es ist doch nur, um Euch im Leben rasch kurz zu helfen! Sie können doch daher weder geistreich noch blöd sein. Wie die Medizinen, die können doch auch weder geistreich noch blöd sein, sondern h e l f e n oder n i c h t helfen!"1035

In anderem Kontext konstatiert sie: „Deutlich zeigt sich die Verbindung zum Lehrsatz"1036. Speziell dem Weg über Feuchtersieben widmet sie dabei kurze Aufmerksamkeit m ? . „Richtige Aphorismen kommen nicht aus dem Gehirne, sondern aus dem Leben"1038; „Aphorismen sollen nicht ,ausgedachte' Wahrheiten sein, sondern momentane Erleuchtungen aus dem Unterbewußtsein" 1039 . Von solchen Belegen her beschreibt sie die gegenseitige Bedingtheit von „lebensnaher Thematik und lebensnahem geistigen Entstehungsprozeß" 1040 . Während man ihrer Beobachtung: „Beginnend mit ,Prödrömös' werden die Einzelaphorismen in Altenbergs Bänden dann zusehends zahlreicher"1041 gern folgt, vermißt man bei der Darstellung der textintegrierten Aphorismen die Auseinandersetzung mit Fricke. Wenn AJtenberg selbst die Aphorismen zuweilen „nicht nur wie die französischen Moralisten isoliert in seinen Bänden veröffentlicht, sondern sie auch in Prosatexte eingearbeitet"1042 hat, ist das ja doch ein Faktum, das in eine aufkotextueller Isolation basierende Konzeption nicht einfach einzufügen ist. 1032 1033 1034 1035 1036 1037 1038 1039 1040 1041 1042

Köwer: Peter Altenberg als Autor der literarischen Kleinform. 198^ S. 23Z Altenberg: Nachfechsung. 1916, S. 113. Ebd. S. 104. Ebd. S. 23. Köwer: Altenberg als Autor der literarischen Kleinform. 1987, S. 254. Zu beider Ähnlichkeit ebd. S. 258 mit Anm. 508. Altenberg: Nachfechsung. 1916, S. 72. Altenberg: Der Nachlaß. 1925, S. 63. Köwer: Altenberg als Autor der literarischen Kleinform. 1987 S. 259. Ebd. S. 248. Ebd. S. 244.

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Altenberg nennt in den späteren Veröffentlichungen seine Kürzesttexte ganz ä la mode „Splitter"1043. Er bleibt in den gewohnten Bahnen des Gegensatzes von System und Aphorismus, Reflexion scheint dabei weitgehend von Pathos ersetzt: „Erkenntnisse in ein System bringen ist, einige wenige lebensfähige Wahrheiten in einem toten Meer von Lüge ertränken wollen!"1044 Das Uberraschende, ja Uberfallende im Verein mit dem Beanspruchenden bezeichnet er als den „Schock" der Rezeption: „Ein Aphorismus ist etwas, was dem Schreibenden einen Essay als Kommentar erspart, den Lesenden jedoch infolgedessen aufs höchste schockiert"1045. Leitgesichtspunkt ist ihm die äußerste Verdichtung im Gegensatz zum Essay: „Aphorismen sind das, woraus, wenn es einem anderen einfällt, er einen langen Essay macht! Gott sei Dank fällt es ihm aber nicht ein!"1046 Das wird Kraus gern in die Auswahl aufgenommen haben: Es entspricht nicht nur seinem eigenen „Gedanken", er hat ihn auch ungleich besser in eine Form gebracht: „Es gibt Schriftsteller, die schon in zwanzig Seiten ausdrücken können, wozu ich manchmal sogar zwei Zeilen brauche"104? Mit Otto Stoessl (1875-1936) beginnt die Reihe der - näher oder ferner unter Kraus-Einfluß stehenden Aphoristiker. Für den „Fackel"-Mitarbeiter Stoessl ist der Aphorismus die Form des Satirikers und des Skeptikers, und bei beiden hat er ausschließlich Kraus im Blick. In seiner Kraus-Rezension, von diesem mit breiter Zustimmung wiedergegeben1048, heißt es: „In der höchsten Kristallisierungsform solcher Anschauung wird durch einen Vorgang außerordentlicher Verdichtung und Vergeistigung aus der Satire - der Aphorismus"1049. Er sieht, anders als Seligmann, den Gegensatz der Gattung zu Spruch und Sprichwort1050. Außer dem Meister kennt er nur ihre beiden üblichen Vertreter, und beide beurteilt er mit der - nicht nachvollziehbaren - Kraus'schen Einschränkung - wer mag da an Zufall glauben? - , der man das krampfhaft Gesuchte anzusehen meint: „Unsere Literatur ist gerade an Leistungen dieser Gattung nicht eben reich. Lichten-

1043 Altenberg: Auswahl aus seinen Büchern. 1932, S. 317 et pass. 1044 Altenberg: Prödrömos. 1919, S. 12Z 1045 Ebd. S. 129. 1046 Altenberg: Auswahl. 1932, S. 323. (Aus „Fechsung" 1915.) 1047 Zum Vergleich Altenbergs mit Kraus (und Schnitzler) Köwer: Peter Altenberg als Autor der literarischen Kleinform. 1987, S. 261-266. 1048 „Sprüche und Widersprüche". In: Die Fackel Nr. 279-80 v. 13. Mai 1909, S. 23-25. Überarbeitet abgedruckt in: Stoessl: Lebensform und Dichtungsform. 1914, S. 55-64; Zitate hieraus. Vgl. auch „Satiren" [Rez. Die chinesische Mauer] in: Die Fackel Nr. 319-320 v. 1. 4. 1911, S. 66-68. 1049 Stoessl: Sprüche und Widersprüche. In: O. S.: Lebensform und Dichtungsform. 1914, S. 59. '"so Ebd. S. 62f.

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berg meistert sie, aber er zieht den weitwendigeren Aufsatz vor. Nietzsche verwendet sie in häufigem dionysischem Überschwang zur Lyrik umgedeutet, doch eigentlich bloß als Glied zum Baue erhabener geistiger Einheiten"1051. Endlich holt er in Bezug auf Kraus zur Schlußapotheose aus: „Die Aphorismen vermehren unseren künstlerischen Besitz, seine Sätze und blitzenden Gedankenverbindungen, seine Wortschicksale haben die sehnige Kraft, das starke Auge, den tigerhaften Ansprung des echten aphoristischen Ausdrucks, die bündige Entschlossenheit, alles mit einem Worte abzumachen, die tollkühne Einbildung und Eitelkeit, dies auch zu können, kurz den weisen Leichtsinn, der dieser satirischen Gattung eignet" 1052 .

Wie wäre Kraus anderenfalls über ein solches Feuilleton im schlechtesten Sinne hergefallen! Muß man nicht an seiner Statt die „Wortschicksale" geißeln, die „sehnige Kraft" in ihrer Vereinzelung und Schwäche entlarvend zitieren, den „tigerhaften Ansprung des echten aphoristischen Ausdrucks" als allzu undomestizierte Übertreibung decouvrieren, den „weisen Leichtsinn" in seiner klanglich hübschen Nichtigkeit zeigen? Der auf Substanz bedachte Leser, nur darauf soll diese kritische Etüde verweisen, sucht hier vergebens. Auch die Konzeption des Aphoristikers als eines Skeptikers zielt auf den Meister, Kraus. Mit ihm (und niemand anderem) endet der „Fackel"Essay „Der Skeptiker" 1053 : „Das sagt der Skeptiker. Das ist er" 1054 . Das Sachliche ordnet sich dem unter: „Die Form der treffenden Antwort, nicht in der allzu knappen Fassung des Spruches, sondern in der glücklichen momentanen Eingebung, worin alle zuströmenden Erwägungen die Vielseitigkeit des erhellten Problems verraten, ein dialogischer, nahezu dramatischer Charakter einer in ihrer Wesenheit verlautenden geistigen Lage macht die Aphorismen zu den hauptsächlichen Mittlern der skeptischen Darstellung und gibt ihnen die zugleich klare und unheimlich weittragende Lebensstimmung, die über jedem Wort einen ungeahnten Gesichtskreis eröffnet" 1055 .

Herauspräparieren aus der zeitgebunden wesenhaften Sprache lassen sich immerhin das Momentane, also Plötzliche, das Treffende als das zielpunktorientiert Zugespitzte, das aspektreiche Konzentrierte, das erst in einem Dialog mit dem Leser sich Vollendende. Stoessls eigene Aphorismen bleiben nicht nur im Umkreis der Kraus'schen Themen Gesellschaft, Erotik, Sprache, Kunst1056, sie repetieren auch

i°51 Ebd. S. 63. 1052 Ebd. S. 64. >°» Die Fackel Nr. 2 5 4 - 2 5 5 v. 22. 5.1908, S. 2 5 - 3 2 . Überarbeitet abgedruckt in: Stoessl: Lebensform und Dichtungsform. 1914, S. 4 3 - 5 4 ; Zitate hieraus. >°54 Ebd. S. 54. 1055 Ebd. S. 52. 1056 Stoessl: Betrachtung. In: O . S.: Arcadia. 1933, S. 281-316.

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dessen aggressiven Unbedingtheitsanspruch: „Die Leute wollen gern, daß neue Gedanken wie wohlerzogene Fremde sacht an die Tür klopfen, warten, bis man ,Herein!' sagt und dann bescheiden näher treten. Statt dessen fallen die Eindringlinge mit der Tür ins Haus und setzen einem das Messer an die Brust: Denken oder Leben!" 1057 In zwei zusammengehörigen Notaten reflektiert Stoessl angemessen offen aphoristisch über den Aphorismus: „Titel für Aphorismen: Oberhalb"; „Ein anderer: Ineinandersetzungen"1058. Scheinen im ersten - beide Bestandteile von „oberhalb" sind auch jeweils für sich zu lesen - Assoziationen ganz im Anschluß an Kraus' Diktum durch (der Aphorismus entweder eine halbe Wahrheit oder anderthalb), so klingt im zweiten Dialektisches im Sinne der Kraus'schen „Widersprüche" an. Auch Alois Essigmann (1878-1937), nach einer militärischen Laufbahn freier Schriftsteller in Wien, läßt uns über seine Schule nicht im unklaren: „Keiner kann behaupten: Karl Kraus ist unser! Aber mancher muss gestehen: Ich bin der Seine!" 1059 Sein Bändchen „Gott, Mensch und Menschheit. Aphorismen" von 1916 stellt sich mit dem Untertitel ausdrücklich in die Gattung und bezieht daraus Halt. Es zeigt deutlich, wie die Konventionen jetzt festliegen, wie sehr es nur noch um Variation geht: „Zwing in den Titel ein ganzes Kapitel! Dann ist's ein Aphorismus" 1060 . Daß das Selbstreflexiv-Apologetische sich häufig gerade bei den poetae minores findet und sich gewissermaßen umgekehrt proportional zur Qualität der Texte verhält und daß es (dabei) um Bebilderung konventioneller Gedanken geht: von Fähnrich, Fick und Auerbach bis in die Moderne, etwa bei Sigmund Graff, läßt sich das verfolgen1061. Hierher genau gehört Essigmann: „Aphorismen sind Chiffren aus dem Telegrammkodex für Denker" 1062 , hier ordnet sich seine rhetorische Frage ein, die übersteigerte Selbstrechtfertigung („gottnäher") im Vergleich bedeutet und dabei nur die übliche Kern-Metapher biologisch ernstnimmt: „Aphorist und Enzyklopädist! was ist gottnäher: Aus einem Körnlein einen Baum zaubern, oder Ziegel zu einem Bau schleppen?" 1063 Daß Paul Hatvani (1892-1975) und Egon Friedell (1878-1937) dem Einfluß von Kraus - bei aller Wertschätzung - ferner stehen, merkt man al-

'057 Ebd. S. 285. Ebd. S. 293. Essigmann: Gott, Mensch und Menschheit. 1916, S. 26. »ο» Ebd. S. 37 1061 Vgl. Verf.: Aphorismen über Aphorismen. Fragen über Fragen. In: Zs. f. dt. Phil. 113, 1994. S. 189. 1062 Essigmann: Gott, Mensch und Menschheit. 1916, S. 3 7 1 0 « Ebd. S. 36f. 1058

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lein an den einschränkungslos euphorischen Urteilen, die sie zu den verblichenen Konkurrenten abzugeben die geistige Freiheit haben. Lichtenberg „rief nur ein paar Aphorismen in den Weltraum" 1064 und „hat die Probleme der nächsten zwei Jahrhunderte aus der Sprache gelöst" 1 0 6 5 , heißt es zweifellos etwas überspannt in Hatvanis LichtenbergEssay in den „Aphorismen, Essais, Skizzen" seines Bändchens „Salto mortale" von 1913: „Hier ist eine organische Gleichheit mit Karl Kraus" 1 0 6 6 . Die wenigen an die Essays angeschlossenen Aphorismen enden mit einem selbstreflexiven Bild, von dem der ganze Band seinen Titel bezieht und das, wenn auch ebenfalls etwas überdramatisiert, eine notwendige Klarstellung und Abhebung formuliert: „Der Witz ist ein Zirkustrick der Sprache: Harlekin springt glatt durch den Reifen. Aphorismen sind tragischer: Harlekin bricht sich das Genick" 1 0 6 ? Der ungleich Bekanntere und Produktivere von beiden, Friedell, hat schon in seiner Dissertation versucht, Novalis' „zerstreute und aphoristische Gedanken unter gewisse einheitliche Gesichtspunkte zu bringen" 1068 . Lichtenberg ist für ihn, natürlich mit nichts anderem als den „Sudelbüchern", „einer der heimlichen Klassiker der deutschen Literatur" 1069 . In seinem Essay „Peter Altenberg", der im übrigen in der üblichen Argumentationsbahn von Schnellebigkeit, Zeitersparnis und Extrakt bleibt, zeigt sich eine eigenwillige Gegenüberstellung, die dem schon konventionalisierten Begriffs gebrauch scheinbar genau entgegensteht und wohl nur so zu erklären ist, daß Friedell hier auf das quantitativ dominierende (Trivial-)Aphoristische seiner Zeit reagiert: „Daher ist Knappheit und Kürze die erste Forderung, die das moderne Buch erfüllen muß, aber nicht die dürftige oder die aphoristische Kürze, sondern die gehaltvolle, gedrängte Kürze, die gerade dem gedankenreichsten Schriftsteller ein stetes Bedürfnis ist" 1070 . Der Band „Steinbruch. Vermischte Meinungen und Sprüche" (1922), der Texte mit der Tendenz zum Kürzestessay versammelt, die nur selten knapp pointiert sind, stellt sich mit seinem Untertitel nach dem zweiten Band von „Menschliches, Allzumenschliches" exakt in die Nietz-

1064 1065 1066 1067 1068

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Hatvani: Salto mortale. 1913. „Lichtenberg": S. 4 8 - 5 2 , hier S. 49. Ebd. S. 50. Ebd. S. 51. Ebd. S. 74. So in dem bei Dencker: Der junge Friedell. 1977, S. 59f wiedergegebenen Gutachten. Friedell: Novalis als Philosoph. 1904. Friedell: Kulturgeschichte der Neuzeit. 1974, S. 687 Vgl. Friedell: Lichtenberg. 1910. In: Das Friedell-Lesebuch. Hg. von H . Iiiig. 1988, S. 136-138. - Vgl. dazu Hamann, Hermand: Impressionismus. 1972, S. 97 - Friedells Lichtenberg-Auswahl ist charakterisiert bei Lorenz: Egon Friedell. 1994, S. 66-73. Friedell: Peter Altenberg. In: Altenberg: Bilderbögen des kleinen Lebens. 1909, S. 210f.

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sche-Nachfolge. Der letzte Aphorismus thematisiert „den Unterschied zwischen Büchern, die in einem Zuge gehen, und solchen, die ihren Inhalt tropfenweise hergeben. Die ersteren haben einen stärkeren Gehalt, aber die letzteren machen einen volleren Kopf"1071. Vornehmlich an Ebner-Eschenbach schließt Wilhelm Fischer (1846-1932), Bibliotheksdirektor in Graz, an1072. Seine Aphorismen „Sonne und Wolke" von 1907 sind, oft als Maximen im engeren Sinne, zusammengefaßt als „Einheitliches", „Widerstrebendes" oder „Versöhnliches", von christlich-konservativem Ethos, idealisiertem Bildungspathos und guter Gesinnung geprägt („Sei eine harmonische Einzelgestalt, und du bist eine Welt"1073; „Herzlose Gedanken haben keine Kraft, nicht einmal die Kraft des Bösen"1074). Seine Auseinandersetzung mit Nietzsche „Friedrich Nietzsches Bild" (1910) läßt beides: seine Weltanschauung und seine Auffassung vom Aphorismus genauer erkennen. Stilistische Konsequenz oder bloße Ausrede: für die Form seiner Darstellung beruft er sich auf die des Dargestellten (wird dieser an sich selbst gestellten Forderung allerdings nur in äußerst weitem Sinne gerecht): „Ebenso hat auch seine aphoristische Denkart nicht eine systematisch zusammenhängende Darstellung von mir gefordert"1075. Er verurteilt Nietzsches Aphorismus insgesamt: „Seine Philosophie ist aus lauter glitzernden Dingen, - Glassplittern und Diamanten - aus Aphorismen aufgebaut und deshalb wohl gegen Schopenhauer und Kant gehalten, durchsichtig wie ein Glashaus"1076. Dabei macht er sich die Splitter-Metaphorik zunutze: „Nietzsche verwendete seine reichen Geistesgaben zu blendenden sophistischen Gedankenkünsteleien, [!] und hatte sein Wohlgefallen daran, wenn ein solcher falscher Diamant in aphoristischer Form glitzernd und gleißend erstrahlte"1077 Daß dies eine Kritik aus ideologischen, nicht aber prinzipiell formalen Gründen ist, zeigt sich in der überraschend stark formulierten Wendung am Schluß, mit der der katholische Fischer den atheistischen Nietzsche immerhin noch zur Ehre der Seitenaltäre erhebt:

1071 Priedell: Steinbruch. Vermischte Meinungen und Sprüche. 1922, S. 87 Vgl. derselbe: Kleine Philosophie. Vermischte Meinungen und Sprüche. 1930. Vgl. auch den „Aphorismus gegen die Germanisten" und „Die Überwindung des Theaters. Aphorismen" (E. F.: Wozu das Theater? 1965, S. 194-196 und 223-224). 1072 Fischer: Sonne und Wolke. 190Z Vgl. Johnston: Karl Kraus und die Wiener Schule der Aphoristiker. In: Literatur und Kritik 211/212, 198^ S. 21. Ό" Ebd. S. 3. i°74 Ebd. S. 11. 1075 Fischer: Friedrich Nietzsches Bild. 1910, S. 2. 1°7 Ebd. S. 210. 1161 Ebd. S. 243. 1156

Ausblick

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Zum „Brenner"-Kreis gehören auch Theodor Haecker (1879-1945) und Ferdinand Ebner (1882-1931). Haecker, der nach eigenem Zeugnis ohne Kraus nicht denkbar ist1162 und der von sich sagt: „Ich bin ein Aphoristiker, aber einer, der ,das' System voraussetzt"1163, leistete mit den Meditationen und Reflexionen seiner „Tag- und Nachtbücher" inneren Widerstand gegen den Nationalsozialismus aus katholischem Geiste: „Ich halte Karl Kraus für einen großen Schriftsteller, aber ich möchte doch die Fakkel nicht geschrieben haben. [...] Ich halte Hilty für keinen großen Schriftsteller - aber ich möchte viele seiner Sachen geschrieben haben, denn er war ein Freund Gottes" 1164 . Auch die Kritik des Sprachphilosophen Ebner an Kraus, der ihn stark beeinflußt hat, ist religiös motiviert1165 und läßt erkennen, von welchen Prinzipien er sich in seiner eigenen Aphorismensammlung „Wort und Liebe" von 1931 leiten läßt: „In der Autorexistenz des Kraus [...] erfährt die Problematizität unsrer Zeit ihre schärfste Zuspitzung"1166. Und ungeschützter, unverhüllter im Tagebuch: „Karl Kraus und die Wortwerdung seines Gedankens. Die Verliebtheit eines Gedankens in sich selbst (Nietzsche?), die Verliebtheit eines Gedankens im Wort. Verliebtheit im Wort ist aber noch lange nicht die wahre Philologie. Das Verhältnis des Kraus zum Wort ist pervertierte Philologie. Notzüchtigung des Wortes???" 1167 In völliger Umkehrung der bisher äußerst stark dialogisch gedachten Gattung schreibt er: „Daß er [Kraus] mehrere Aphorismenbücher herausgegeben hat, ist nicht bloßer Zufall; denn im Aphorismus prägt sich die Icheinsamkeit des an kein ,Du' sich wendenden Gedankens am entschiedensten und deutlichsten aus"1168. Schließlich gehören auch noch - in doppelter Weise am Rande - Schriftsteller hierher, von Richard von Schaukai bis zu dem mehrfachen Außenseiter Hugo Sonnenschein, die sich in kleinen Teilen ihres Werkes in der gängigen Gattung erproben, ohne einen Beitrag zu ihrer kritischen Reflexion zu bieten. Stieg: Karl Kraus und Theodor Haecker. In: G. S.: Der Brenner und die Fackel. 1976, S. 153-201, Zitat S. 153. 1163 So aus dem Nachlaß im Deutschen Literaturarchiv Marbach zit. von Siefken: The Diarist Theodor Haecker. 1939-1945. In: Oxford German Studies 18, 1988, S. 127 1164 Haecker: Tag- und Nachtbücher. 1975, S. 146 (23. November 1940). Zu Hilty vgl. etwa: C. H . : Vom Sinn des Leids. 1945. lies Vgl. Quack: Bemerkungen zum Sprachverständnis von Karl Kraus. 1976, S. 215-219. 1166 Ebner: Fragmente, Aufsätze, Aphorismen. 1963, S. 665. 1167 Ebner: Notizen. Tagebücher. Lebenserinnerungen. 1963, S. 977 1168 Ebner: Fragmente, Aufsätze, Aphorismen. 1963, S. 666f. Vgl. Stieg: Karl Kraus und Ferdinand Ebner. In: G. S.: Der Brenner und die Fackel. 1976, S. 2 0 3 - 2 3 4 . 1,62

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Begriffsgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1912

Richard von Schaukai (1874-1942), der „Proteus der Wiener Aphoristiker"1169, vermeidet den Begriff, nicht nur in „Beiläufig" (1912), das die Reserve gegenüber den verschiedenartigen Splittern der Jahrhundertwende erkennen läßt („Geflügelte Worte haben etwas Ausgestopftes"1170), und dem „Zettelkasten eines Zeitgenossen" (1913), tagebuchnahen Betrachtungen, die von einem durch Kraus eingegrenzten Aphorismusbegriff weit entfernt sind, sondern auch in den „Gedanken" von 19181171, rückwärtsgewandt-kulturpessimistischen Aphorismen („Es ist gut, wenn man die Zeichen der Zeit versteht, besser aber, wenn man keine Ahnung davon hat. Nur die Augenblicke der Zeitlosigkeit gewähren reinen Genuß am Dasein"1172), die schließen: „Ich wenigstens bin auf Neues nicht neugierig"1173, und den „Gedanken" von 1931, einer thematisch geordneten Sammlung der zwischen 1909 und 1930 verstreut erschienenen Aphorismen im ,klassischen' engeren Sinne1174. Anton Kuhs (1890-1941) „Aussprüche" „Physiognomik"1175 (1931), zuerst 1922 in ähnlicher Form als „Essays in Aussprüchen" „Von Goethe abwärts" erschienen, changieren zwischen journalistischem Bonmot („Warten müssen - das Rheuma der Seele"1176) und Kraus ebenbürtiger, pointiert satirischer Aphoristik („Ja, ja, ganz begabt - nur riecht er ein bißchen aus dem Leumund"1177). Seine „Etappen des Aphorismus. 1902: Zweimal zwei - ist nicht immer vier. 1912: Zweimal zwei ist fünf. 1922: Zweimal zwei - ist das immer fünf? 1932: Zweimal zwei ist vier"1178 sind derart verknappt und arithmetisch abstrahiert, daß sich ihre konkreten Bezüge aus weitem historischen Abstand kaum noch erschließen lassen, wohl aber die zugrunde liegende Struktur: die Rückkehr zu einer alten Gewißheit, nachdem sie durch die Erweiterung einer scheinbar unumstößlichen Gewißheit, die scheinbare Sicherheit eines überraschend Neuen und den Zweifel wiederum an dessen Allgemeingültigkeit hindurchgegangen ist. Von mindestens ebenso großem Interesse ist Kuh aber als kritischer Gegner von Karl Kraus dort, wo er ihn als „Affen Zarathustras"1179 mit Nietz-

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Johnston: Karl Kraus und die Wiener Schule der Aphoristiker. In: Literatur und Kritik 211/212, 1987, S. 18-20, hier S. 20. 70 Schaukai: Beiläufig. 1912, S. 61. 71 Schaukai: Gedanken. In: Erlebte Gedanken. 1918, S. 215-288. 72 Ebd. S. 267 7 ' Ebd. S. 288. 74 Schaukai: Gedanken. 1931. 75 Kuh: Physiognomik. Aussprüche. 1931. Auch in: A. K.: Luftlinien. 1981, S. 253-309. 7 < Kuh: Luftlinien. 1981, S. 303. 77 Ebd. S. 290. 7 « Ebd. S. 57 79 Ebd. S. 153-201.

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sehe und gleichfalls scharf abwertend mit Morgenstern vergleicht1180: So oder so kommt an Kraus niemand vorbei. Im Lichte dieser Kontroverse erhellt sich auch Kuhs bewußt anspruchsloser Gattungsbegriff. Ein „Vorwort zur nächsten Auflage (aus dem Jahr 2030)" erläutert, er habe diese Sätze „Aussprüche" genannt, „weil er sie geflissentlich von der Kunstart der als ,Aphorismen' bezeichneten, aus der Selbstbespieglung der Sprache entstandenen Formeln unterschieden wissen wollte. Er war ein Chauvinist der Wirklichkeit. Man darf also glauben, daß ihn jeder Gemeinplatz, ja Kalauer, der diese ins Herz traf, eine tiefere Sentenz dünkte als der beste Aphorismus"1181. „Selbstbespieglung der Sprache" einerseits, „Chauvinist der Wirklichkeit" auf der anderen Seite: Es ist deutlich, daß die Auseinandersetzung mit Kraus hier auf terminologischem Terrain weiter aus gefochten wird. Die wenigen Aphorismen oder so verstandenen Notizen von Hermann Bahr (1863-1934)1182, die 1927 bis 1945 datierten Kurztexte „Vom Dichter - Dramaturgisches - Aphoristisches"1183 von Richard Beer-Hofmann (1866-1945) und Otfried Krzyzanowskis (1886-1918) „Aphorismen" kommen unter begriffsgeschichtlichem Aspekt ebensowenig in Frage wie die Aphorismen und Definitionen aus den dreißiger Jahren von Hugo Sonnenschein (1889-1953), die in „Terrhan" mit Gedichten, Zitaten, Erinnerungen, Reflexionen und Briefauszügen eine in der vagantischen Persönlichkeit gegründete Einheit bilden1184, kaum auch die wenigen aphoristischen Notizen Franz Werfeis (1890-1945)1185 ab 1910, z.B. der in der „Aktion" erschienene „Aphorismus zu diesem Jahr" (1914)1186, eine zweigeteilte Betrachtung zum Jahresende, die ein ungewöhnlich weites Begriffsverständnis verrät. Den theaterbezogenen Kurztexten, Anekdoten, Aphorismen Alfred Polgars (1873-1955) - er gibt Altenbergs Nachlaßband von 1925 heraus - danken wir eine aphoristische Einsicht, die über journalistisch gewandten Wortwitz weit hinausgeht, indem sie genau dieses Darüber-Hinausgehende thematisiert, das allzu beliebig und trivial gewordene Treffende durch die Dimension des Biographischen zu fundieren und neu zu begründen sucht: „Der treffende Aphorismus setzt den ge"8C Ebd. S. 190. 1181 Kuh: Physiognomik. 1931, S. 1. 1,82 Bahr: Mensch, werde wesentlich. Gedanken aus seinen Werken. 1934. Die 1994 begonnene Nachlaßpublikation verspricht in dieser Beziehung kaum etwas: H. B.: Tagebücher. Skizzenbücher. Notizhefte. Bd. 1: 1885-1890. 1994. 1183 Beer-Hofmann: Vom Dichter - Dramaturgisches - Aphoristisches. In: R. B.-H.: Gesammelte Werke. 1963, S. 625-652. 1184 Sonka: Terrhan oder Der Traum von meiner Erde. 1988. 1185 Werfel: Aphoristisches. In: F. W.: Zwischen Oben und Unten. 1975, S. 790-814. 1186 Ebd. S. 792-795.

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troffenen Aphoristiker voraus (Wort als Stigma der gedanklichen Passion)"118? Der Tatsache, daß sie sich schon 1918 in den „Aphorismen vom Aphorismus" von Kr. (Benno Karpeles [?]) findet, wird sich die Detailforschung im Hinblick auf Priorität und Plagiat annehmen müssen: „Schmerz macht witzig. Der treffende Aphorismus setzt den getroffenen Aphoristiker voraus. Gute Aphorismen sind Stigmata der gedanklichen Passion" 1188 .

Ludwig Wittgenstein (1889-1951) und Elias Canetti (1905-1994) bezeichnen gemeinsam mit Alfred Grünewald (1884-1942?) und Ludwig Goldscheider (1896- vor 1945), mit Heimito von Doderer (1896-1966), Albert Paris Gütersloh (1887-1973) und Karl Heinrich Waggerl (1897-1973) die Spannweite, die hier im Voranschreiten einmal auszumessen sein wird. Mit Felix Pollak (1909-1987), dem zu Lebzeiten in Deutschland unbekannten englischsprachigen Lyriker, aber deutschsprachigen Aphoristiker, der nach wenigen Einzelveröffentlichungen in den dreißiger Jahren die an Kraus anschließende praktische wie theoretische Auseinandersetzung mit der Gattung in der Emigration fortsetzt, und schließlich sogar noch mit dem 1937 in Wiener Neustadt geborenen Israeli Elazar Benyoetz, der sich seit 1969 mit regelmäßigen Veröffentlichungen als einer der profiliertesten Aphoristiker deutscher Sprache erweist, reicht die Kette der in Osterreich wurzelnden Aphoristiker bis in die Gegenwart hinein1189. Der ungewöhnlichen Breite und Bedeutung dieser österreichischen Aphoristik ungeachtet, die nach Antworten verlangt hat und verlangt, muß der Ausblick auch in andere Richtungen gehen. Hier kann er vollends nicht mehr tun, als auf einzelne Beispiele, insgesamt aber angesichts der weit über 100 Namen von Verfassern von „Aphorismen", die allein der „Index Expressionismus"1190 verzeichnet, auf ein lohnendes Desiderat zu verweisen. Kurt Pinthus (1886-1975) zeigt in seinem Aufsatz zu den Kurzformen „Glosse, Aphorismus, Anekdote" von 1913, daß die „Bevorzugung aller kurzen und konzentrierten Dichtungstypen"1191 durchaus nicht auf den Impressionismus beschränkt ist, sondern daß solche Argumentation in jeder sich als ,modern' gebenden Literaturprogrammatik naheliegt. Dem Expres1187 1188 1189

1190 1191

Polgar: Handbuch des Kritikers. 1980, S. 34 (zuerst 1935). Kr.: Aphorismen vom Aphorismus. In: Der Friede 1, 1918, S. 24. Bei den „nachgelassenen philosophischen Aphorismen" Robert Reiningers (1869-1955) handelt es sich hingegen um Nachlaßtexte, Vorstufen zu einem unvollendeten Werk, die ihre Bezeichnung dem Herausgeber verdanken: R. R.: Nachgelassene philosophische Aphorismen. 1961. Raabe: Index Expressionismus. 18 Bände. 1972. Hamann, Hermand: Impressionismus. 1972, S. 291. Vgl. oben S. 206.

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sionismus mit seinem Drang zum Wesentlichen bietet sie sich mindestens ebenso gut an: „Wir Jüngeren lieben das Essentielle; wir polken das Wesentliche aus dem Leben heraus"1192. Wenn er speziell den Aphorismus für die neue Literatur in Anspruch nimmt, so kann er über die jüngste Trivialisierung der Gattung nicht hinwegsehen, sondern muß argumentativ darauf eingehen, sei es, daß er ihre Autoren einbezieht („selbst die Inferioreren"), sei es, daß er von einem „Freilich" zu einem „Doch" durchstößt: „Leiter von Feuilletons und Zeitschriften klagen über die Unzahl von eingesandten Aphorismen, die teils Blödsinn, teils Abschriften oder Variationen früherer Aphorismenschreiber sind. Dies zeigt, daß selbst die Inferioreren von selbst nach Knappheit des Ausdrucks streben. Die Besseren sollten den Aphorismus nicht verschmähen, denn er ersetzt uns die alten, dicken Bücher der Philosophie. Freilich weiß ich, daß sich alle Aphorismen auf wenige Schemata zurückführen lassen; man könnte, wenn man Zeit hätte, eine Lehre von den Arten des Aphorismus aufstellen, wie die alte Logik eine Lehre von den Arten der Schlüsse aufweist. Doch man bedenke, daß sich in die bewegliche, heitere, bittere Form des Aphorismus mehr Weltweisheit gießen läßt, als in jene syllogistischen Formeln abgeströmter Jahrhunderte" 1193 .

Eine kurze Belegreihe endet: „Es genügt, des ferneren den Namen Nietzsche zu nennen"1194, ehe Pinthus den Aphorismus in der Zusammenfassung außer auf das „lang Bedachte" besonders auch auf Intuition und Erlebnis zurückführt: „Unterbewußtes steigt oft als brillierender Blitz auf: der Aphorismus. Lang Bedachtes fügt sich plötzlich in die einzig mögliche runde Form: der Aphorismus. Ein wühlendes Erlebnis formt sich eines Tages zu einem Satz: der Aphorismus"1195. Nicht ohne Gattungsreflexion sind die „Aphorismen" von Rudolf Leonhard (1889-1953)1196 und Kurt Hillers (1885-1972) „Sätze"1197 und „Aphorismen"1198. Leonhard reiht sich - einigermaßen platt - in einen erstaunlich dünnen Traditionsstrang ein, Gemeinsamkeiten mit der Lyrik herauszuheben: „Der Aphorismus hat mit dem Gedicht gemein - und alles habe es mit ihm gemein: daß viel mehr in ihm drin steht, als in ihm drin steht"1199. Einen wirklichen Kern, den weiterzudenken sich lohnt, bietet er dort, wo 1192

1193 1194 1195 1196 1197

1198

1199

Pinthus: Glosse, Aphorismus, Anekdote. In: März 7, 1913, S. 213-214. Zit. nach dem Wiederabdruck: Expressionismus. Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1910-1920. 1982, S. 654. Ebd. Ebd. S. 655. Ebd. Leonhard: Äonen des Fegefeuers. 1917 Derselbe: Alles und nichts! 1920. Hiller: Aufbruch zum Paradies. 1922. Der „Index Expressionismus" weist außerdem 14 Zeitschriftenveröffentlichungen von Aphorismen nach. Hiller: Die Weisheit der Langenweile. 2 Bände. 1913. Aphorismen zur Denkkultur: Bd. 1, S. 78-84; Aphorismen: Bd. 2, S. 71-73 et pass. Leonhard: Alles und Nichts! 1920, S. 23.

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er als aphoristisches Lesen von Aphorismen eine Verbindung von der Form zu ihrer besonderen Rezeption zieht und damit gleichzeitig eine Lösung für das Spannungsverhältnis von Aphorismus und System anbietet: „Das Lesen ist - oder sei - dem Schreiben kongruent: das Lesen von Lyrik verlangt einen unidyllischen Ausbruch, Kürze, Heftigkeit, bis zum Fortstoßen des Buches, Epik verlangt episches Lesen [...]. Vor allem Aphorismen lese man aphoristisch! Gewiß ist das System bei ihnen vom Leser zu vollziehn, und sie pedantisch zu lesen mehr als ein interessanter - und ein mehr als interessanter Versuch. Aber das ist noch keine Änderung; denn das System geschieht nicht beim Lesen, sondern beim Erinnern, und es gibt ja auch pedantische Aphorismen, sie sind sogar / die besten. An der großen und notwendig zu überwältigenden Schwierigkeit, die Einfälle beim Lesen (sie seien denn Ausfälle des Gelesnen) auszuschalten, ermesse man das Leid des Künstlers, der nach dem Einfall (welcher, schon am Beginn, Krönung der Arbeit ist) die Einfälle ersticken muß"' 2 0 0 .

Hiller rechtfertigt die aphoristische Form seiner „Zeit- und Streitschrift" „Die Weisheit der Langenweile" im Prolog unter Berufung auf Nietzsches Wort „Ich mißtraue allen Systematikem", wie das schon mehrfach zu beobachten war, mit innerer Notwendigkeit und Natürlichkeit: „Brillen, und wollustvoll gerade linkere, werden dies Buch mit .Stückwerk' anreden. Statt zu prüfen; statt die geheimen Ursachen nicht nur, sondern auch die Gründe zu erforschen, aus denen es die Form hat, die es hat, haben muß, - werden sie an ihm [...] zirka die bändigende Zucht und Wucht großen Gestaltens vermissen. Ich schreibe, wie ich denke. Wie von Menschen gedacht wird. Man d e n k t . . jawohl, man denkt in .Bruchstücken'. Bessere als ich dachten in Bruchstücken. Nicht fragmentarisch pflegen zu denken, die ... nicht denken" 1201 .

In „Der Aufbruch zum Paradies" (1922) findet er in „Aphorismus" oder „These" die adäquate Form für den von ihm propagierten „Aktivismus" („Die kritizistische Ära ist abgelaufen, und eine der These bricht an"1202). Auch bei ihm steht eine Reflexion der gattungskonstituierenden Ambivalenz am Beginn: „Weil es unmöglich ist, das Gesamte in einem Satz auszusagen, ist das System nötig; der Aphorismus, damit es möglich wird, hineinzuspringen in das Gesamte mit einem Satz"1203. Salomo Friedlaenders (1871-1946) „Aphorismen"1204 von 1918 sind ein Teil seiner hermetischen Philosophie, oft handelt es sich dabei um kryptische Definitionen („Indifferenz ist der Selbstmord des Todes"1205; „Eigne

1200

Ebd. S. 97f. Hiller: Die Weisheit der Langenweile. 1913, S. 13. 1202 Hiller: Aufbruch zum Paradies. 1922, S. 18. 1203 Ebd. S. 8. - Meyer zeigt seine Rezeption Nietzsches, aber auch die Lichtenbergs und Kraus' dabei kurz: Meyer: Nietzsche und die Kunst. 1993, S. 282. 1204 Friedlaender: Aphorismen. In: S. F.: Schöpferische Indifferenz. 1918, S. 319-474. 1205 Ebd. S. 352. 1201

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Indifferenz ist die Brautnacht der Welt" 1206 ; „Indifferenz ist Immension aller Dimension" 1207 ). Ernst Hohenemser (1870-nach 1938) versammelt in seinen nicht weniger als 1630 „Aphorismen" aus dem gleichen Jahr nicht nur gewandt die gängigen Themen, sondern „Pro domo" auch das gesamte Inventar der selbstbezüglichen Reflexionen und Metaphern: „Aphorismen müssen funkeln und geschliffen sein, wie Waffen und Edelsteine"; „Aphorismen und impressionistische Bilder hält der Pedant, der Laie, der Akademiker für Skizzen, die der Ausführung bedürfen" 1208 . Karl Wolfskehls (1869-1948) „Blicke und Blitze" stehen im Umkreis der Sprüche der „Blätter für die Kunst" 1209 . Die „Aphorismen"1210 Franz Marcs (1880-1916), „geschrieben 1915 im Felde", reflektieren noch die geistig-künstlerische Umbruchsituation im und durch den Ersten Weltkrieg. Die zu verschiedenen Zeiten entstandenen Aphorismen seiner Generationsgefährten, etwa Georg Kaisers (1878-1945), Hugo Balls (1886-1927), Karl Adlers, Gottfried Benns (1886-1956), Walter Serners (1889-1942), Kurt Tucholskys (1890-1935) oder Johannes R. Bechers (1891-1958), verbinden sich mit denen der Jüngeren, angefangen mit Werner Kraft (1916-1991), zu einer Geschichte des Aphorismus im 20. Jahrhundert, die noch der Darstellung harrt1211. Eine ebenso unbeachtet gebliebene wie reiche Quelle, „Pflugschar und Flugsame" von 1922, verfaßt von Johannes Nacht (geb. 1901), mag die begriffsgeschichtliche Vorarbeit dazu abschließen1212. Sie ist mit einer Vorrede Walter von Hauffs (1876-1949) versehen, der seit 1917 Professor in Berlin war und sich vielfach, philosophiehistorisch, belletristisch, editorisch, mit Nietzsche beschäftigt hat. Seine Abhandlung „Von der Quelle des Aphorismus bis in die ,Aphoristik"' schließt konventionell an Berendsohn und Meyer an, den Stand der Forschung also, und gibt einen eigenständigen und gerade für seine Gegenwart wertvollen und kenntnisreichen geschichtlichen Abriß seit der Antike. Die historische Entwicklung - das ist das weniger Konventionelle - wird als gewissermaßen planmäßige Vorbereitung der „neuen Gefilde aphoristischer Möglichkei-

i 206 Ebd. S. 351. '207 Ebd. S. 341. 1208 Hohenemser: Aphorismen. 1918, S. 9f. 1209 Wolfskehl: Blicke und Blitze. In: Blätter für die Kunst. 3. Folge, I. Bd. 1896, S. 22f. Vgl. unten S. 234, daneben u.a. Blätter für die Kunst, 2. Folge, IV. Bd. 1894, S. 122 und VII. Folge. 1904, S. 3-11. 1210 Marc: Briefe, Aufzeichnungen und Aphorismen. 2 Bände. 1920. Uli D e r Verfasser bereitet eine solche vor. 1212 Nacht: Aphorismen und i^ie Aphoristik. Der Neue Stil. Mit einer Vorrede „Von der Quelle des Aphorismus bis in die ,Aphoristik'" von Walter von Hauff. 1922.

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ten"1213, der nachfolgenden „Aphoristik" Nachts nämlich, verstanden, „einer ersten Erfüllung der kommenden Kunst"1214. Nacht selbst leitet seine literaturtheoretisch-literarische Mixtur, die auf allen Seiten die durchdringende Wirkung Nietzsches bezeugt, noch einmal ein, mit einer eigenwilligen Typologie der Gattung, die mit ihrem schlichten polaren Ansatz in „negative" („Pflugschar") und „positive" („Flugsame") Aphorismen weniger von analytischer Schärfe als von überschwenglicher Zuversicht getragen ist. Sie endet: „Künftig wird ein ,Faust' nicht in Versform geschrieben werden, sondern in der Kunstform der neuen Prosa, im neugestalteten Aphorismus" 1215 und verweist damit auf den letzten Teil, die Darstellung eben dieser „Aphoristik", die den Hauptteil des Buches, die eigenen Aphorismen, umschließt. Ausgangspunkt des von Arno Holz' „Revolution der Lyrik" inspirierten Manifestes ist ein „Kürzetrieb", der sich in einem „aphoristischen Elementarstil der Prosa" äußert. Von Nietzsche und Nacht her beschreibt der Autor die Synthese des aphoristischen und poetischen Elementarstils, von Prosa und Poesie, von Impressionismus und Expressionismus in der Zukunft: „Der Aphorismus will und wird der Vers der Kunstprosa werden"1216. „Der Aphorismus hat Flutzeit in der Moderne, und lange schon sind Vögel der Verheißung aufgeflogen" 1217 : Solch kuriosen Stil empfindet der Autor möglicherweise als die Realisierung seiner kämpferisch-sektiererischen Forderungen und Spekulationen, die neben Nietzsches „Zarathustra", dem von „lyrischen Aphorismen und aphoristischen Lyrismen" erfüllten „Kronwerk"1218, einzig Jean Pauls Streckverse und Peter Hilles Aphoristik als formale Vorläufer der propagierten „Neo-Aphorismen" akzeptieren. Die Praxis, die Nacht im Mittelteil - dankenswerterweise - zu dieser überhitzten Programmatik liefert, ist demgegenüber höchst konventionell und von Umdeutung und Umkehrung gekennzeichnet, die sogar im Vergleich etwa zu Otto Weiß behutsam-uninspiriert ist: „Die Freundlichkeit fordert mehr, als sie gibt"1219; „Unter den Sklaven gibt es die meiste Herrenmoral" 1220 . Sie bleibt in ihren selbstreflexiven Bemühungen formal - in Vergleich und Definition - wie inhaltlich auf der Ebene etwa Joseph Ficks 60 Jahre zuvor. Neu ist einzig der Affekt gegen den massenhaft unglückseligen Gedankensplitter:

« ο Ebd. 1214 Ebd. 1215 Ebd. 1216 Ebd. 12,7 Ebd. 1218 Ebd. 1219 Ebd. ι 220 Ebd.

S. S. S. S.

12. 20. 28. 145.

S. 91. S. 72. S. 63.

Ausblick

327

„Der Gedanke verhält sich zum Aphorismus wie das Kakaopulver zum Praline. Aphorismen sind Gedankenreliefs. Aphorismen sind weder Gedankensplitter noch Gedankenbalken; sie sind lebende O r ganismen - Keimzellen. Aphorismen sind unausgebrütete Eier; man soll sie ausbrüten, nicht nur genießen wollen. Als Kenner müßte man großer Gegner des Aphorismus sein; aber soll man, weil drei Viertel der Menschheit unter den Zurechnungsstrich gehört, Menschenfeind sein?" 1221

Eine auf die Gattungsbezeichnung begrenzte Zusammenfassung von Tendenzen, wie sie sich in den Jahren unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, nach der endgültigen Festigung des Begriffes und unter dem Eindruck der Wirkung von Karl Kraus also, erkennen lassen, kann als Abschluß Ansatzpunkt für die weitere Arbeit sein. Auch der „Aphorismus"-Begriff ist durch die fragwürdige Blüte der Jahrhundertwende desavouiert. Kraus reagiert darauf mit einer aggressiven (und innovativen) Form- und Begriffsokkupation, die nur noch das Eigene als „Aphorismen" gelten lassen will. Die entgegengesetzte Strategie scheinen die Späteren zu verfolgen, sei es, daß sie sich auf diese Weise von der Trivialaphoristik absetzen wollen, sei es, daß sie sich in der Nachfolge eines von Kraus spezifisch verengten „Aphorismus" ebenfalls falsch verstanden sehen. Dessen von keiner Skepsis angekränkelte absolute Aphorismus-Gläubigkeit (sofern sich der Begriff allein auf seine Texte bezieht) als Kunst- und Ich-Gläubigkeit teilen sie jedenfalls nicht mehr. Schnitzlers „Aphoristeln" drückt die selbstkritische Reserve ebenso aus wie Schröders „Aphorismiasis". Der Begriff wird nicht nur kritisch reflektiert, sondern beargwöhnt, von Schnitzler am skeptischsten, und auffällig umgangen. Er ist vorausgesetzt, wird auch selbstverständlich benutzt, aber an exponierter Stelle, gewissermaßen offiziell, gemieden und zu ersetzen gesucht, am energischsten von Musil. Schröders „Betrachtungen" (so auch Brod für Kafka), Hofmannsthals „Reflexionen", Schaukais „Gedanken", Schnitzlers „Sprüche", Friedells „Meinungen und Sprüche", Musils „Rapial", Kuhs „Aussprüche", Hillers „Sätze" sind Ausdruck dessen, Schröder (für Hofmannsthal) und Schnitzler nehmen gleichermaßen zum „Tagebuch" Zuflucht. Des „Spruches" bedient sich dann die Aphoristik im Dritten Reich besonders gerne. Auch die Ansätze zu einer damit verbundenen nationaltypologischen Betrachtungsweise, wie sie schon vor dem Ersten Weltkrieg, auch mit antisemitischen Tönen, bei Eckertz zu beobachten ist1222, sind

1221 1222

Ebd. S. 89f. Eckenz: Der Aphorismus in Deutschland. I: Vossische Zeitung (Sonntagsbeilage) Nr. 48 v. 29. 11. 1908, S. 379-382. II: Vossische Zeitung (Sonntagsbeilage) Nr. 49 v. 5. 12. 1908, S. 3 9 0 - 3 9 2 .

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im nationalkonservativen Umfeld angelegt. Schröder bewegt sich auf diesem scheinbar abgelegenen ideologischen und (sprach-)politischen Feld, wenn ihm 1929 im Nachwort zu Hofmannsthals „Buch der Freunde" der sehr bewußte „Verzicht auf alles Zugespitzte, alles bloß Erstaunliche" „in einem weiteren Sinne als ganz besonders deutsch"1223 erscheint. Der Kritikerjohannes Mumbauer ist da deutlicher: Er leitet im katholischen „Literarischen Handweiser" 1922 seine Rezension mit dem „grundlegenden Unterschied der deutschen von der französischen Aphorismen-Literatur"1224 ein und schließt mit der Frage: „Warum wohl aus so wenigen deutschen Menschen solche Funken herausfliegen ? Haben wir deshalb so wenige deutsche Aphoristiker?"1225 Und er ist keine abseitige, vereinzelte Stimme der Tageskritik; die nationaltypologische Betrachtungsweise erhält dort Wissenschaftsrang, wo für Rühle-Gerstel gleichfalls 1922 „Zugespitztheit und Schärfe", bei dem Franzosen Chamfort „Erbteil seiner Väter", den Deutschen „Schlegel außerhalb seiner Nation"1226 stellen. Hinter der Abwertung des „Zugespitzten", der „Funken", verbirgt sich der Glaube an die westlich-französischer Intellektualität überlegene deutsche Seele. Aber das (neben vielem anderen) auszuführen, bleibt nun wirklich einer Begriffs-, Wissenschafts- und Gattungsgeschichte verbindenden Darstellung des Aphorismus im 20. Jahrhundert überlassen.

1223

Hofmannsthal: Buch der Freunde. Tagebuch-Aufzeichnungen. 1929, S. 117 Mumbauer: Aphorismen-Bücher. In: Literarischer Handweiser 58,1922, S. 57-64, hier S. 57 122 5 Ebd. S. 64. 1226 Rühle-Gerstel. Friedrich Schlegel und Chamfort. In: Euphorion 24, 1922, S. 809-860, hier S. 814. 1224

D. Synthese des „Aphorismus"-Begriffes Eine „Geschichte" des „Aphorismus"-Begriffes kann sich mit der Abfolge heterogener Beobachtungen zu einzelnen Autoren, ihrer Interpretation, Ordnung und Verknüpfung noch nicht begnügen. Eine Synthese erst läßt erkennen, welche Merkmale über das Individuelle hinaus geeignet sind, zur Beschreibung des Gemeinsamen in dem sich herausbildenden Begriffsverständnis zu dienen1. Sie ist nicht nur notwendig, sondern bedeutet auch bei fortschreitender Abstraktion notwendig mehr Interpretation. Am Rande des Begriffes läßt sie semantische Bereiche erkennen, die zum größeren Teil von benachbarten Begriffen abgedeckt werden. In der Mitte des Begriffsfeldes finden sich Merkmale, die bei aller Ausuferung, bei mannigfachen Interferenzen und entsprechender definitorischer Selbstbescheidung ein integratives Element deutlich machen, das hinter die Dichotomie von Wissenschaft und Literatur und auf den gemeinsamen Ursprung und das Zentrum des „Aphorismus" zurückführt. Einen solchen Begriffsrand, eine solche semantische Mitte zu beschreiben, bedeutet nicht nur weniger als eine Begriffsbestimmung, sondern zeigt darüber hinaus auch, warum hier jedes Denken in festen Grenzen, jeder Definitionsversuch im klassischen Sinne mithin zum Scheitern verurteilt ist. Ein strenges Vorgehen gewissermaßen von außen nach innen registriert ja zunächst einmal sogar Berührungspunkte zu Lyrik und Drama. Die vereinzelten Integrationsversuche zur Lyrik hin, Jean Pauls und Menzels „Streckverse", Metzerichs gereimte „Aphorismen", Roderichs „Vers-Aphorismen", Olfers' lyrischer „Aphorismus" oder Nachts rhetorische Frage, ob der Aphorismus unpoetisch sei, und seine weitergehenden Vers-Vorstellungen, sie spielen hier weniger eine Rolle als diverse „Zwischen"-Uberlegungen, die ihren Grund finden im aphoristischen Erlebnis- und Bilddenken. Für Hebbel hat der Aphorismus „etwas Lyrisches und Dramatisches zugleich", und der Autor erläutert auch, worin er beides sehen will, in der „Stimmung" einerseits nämlich und in der „Einseitigkeit" andererseits. „Diesen lyrischen Zug am A.[phorismus]" hat Musil gleichfalls reflektiert, als „ideale Verbindung von Gedanke und Gedicht". Im Niveau unterschiedlich, nicht aber in der Richtung der Über-

Dabei werden die Quellen, soweit sie oben an ihrem historischen Ort zitiert sind, nicht noch einmal nachgewiesen.

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legungen schließt sich ihnen Leonhard an: „Der Aphorismus hat mit dem Gedicht gemein - und alles habe es mit ihm gemein: daß viel mehr in ihm drin steht, als in ihm drin steht". Von eher noch episodenhafterem Wert sind die Beobachtungen zur dramatischen Nähe, wie sie Schnitzler und Auernheimer erlauben, Schnitzler mit seinen Aphorismen als Kernen von Theaterstücken (schon Laube und Nestroy kennen diese Vorgehensweise), Auernheimer mit der theoretischen Begleitung: „In jedem gelungenen Aphorisma steckt ein unterbliebenes Lustspiel". Von der rhetorischen Qualität des „Aphorismus" wie von seinen Keim-Aspekten her sind sie nachvollziehbar. Der Rand des Begriffes wird freilich durch diese vereinzelt gebliebenen Ansätze nicht eigentlich gebildet. Er wird vielmehr von benachbarten (Gattungs-)Begriffen her besetzt, so statt des Lyrischen schlechthin vom Epigrammatischen.

I. Der Rand des Begriffes Durch die Geschichte des „Aphorismus"-Begriffes ziehen vielfach Begriffe mit eigenem Gattungscharakter als Randbegriffe, dergestalt, daß sie mit dem „Aphorismus" synonym oder teilsynonym gesetzt oder sonstwie eng in Verbindung gebracht sind. Es geht hierbei also nicht um umgangssprachliche Synonymversuche wie Gedanken oder Bemerkungen, Einfälle, Meinungen oder Ideen, auch nicht um Formtypen wie den der Definition, der sich von der Etymologie her („αφοριξειν" als „definitio") bis in die aphoristischen Wörterbücher 2 verfolgen läßt, sondern um die Beschreibung von offenen Randzonen, Gebieten der Überlappung mit Nachbarbegriffen wie Sentenz, Maxime, Fragment, aber auch, im Bild bleibend: von Flächen schmalerer Uberschneidung zu Apergu, Epigramm, These oder Tagebuch hin: der notwendige komplementäre Ansatz zu den zahlreichen Abgrenzungsversuchen - keine Arbeit über den Aphorismus kann ja ohne einen solchen auskommen - , der ihnen erst eine durch empirische Relativierung gefestigtere Basis liefert. In einem vom Standpunkt terminologischer Eindeutigkeit her gesehen glücklichen Fall schmelzen diese Randzonen in einem begriffsgeschichtlich klärenden Prozeß ab. 1. Am Rande von Epigramm und Tagebuch, These und Aperqu Es ist eine offene Frage, ob und inwieweit zur Entwicklung des Aphorismus um 1800 durch die Ablösung des Epigramms ein komplementäres

Vgl. die Zusammenstellung in Abschnitt C, Anm. 566.

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Element, möglicherweise als Teilmotiv seiner Literarisierung, hinzutritt. (Eine solche Untersuchung hätte die nationalsprachlichen Grenzen zu überschreiten und den zuweilen ,prose epigram' genannten englischen aphorism gleichermaßen einzubeziehen 3 .) Sehr allgemein weist Fricke auf „die poetische Emanzipation der Prosa vom Vers, die die Entwicklung von,Prosa-Epigrammen' nahelegte" 4 , hin. Kästners „Einfälle" sieht Baasner als Ausnahme aus lebenslanger epigrammatischer Betätigung erwachsen, und auch Skreb, der das „Epigramm in deutschen Musenalmanachen" untersucht, gibt ein Indiz dazu, wenn er feststellt, daß der Almanach durch die Aufnahme von Prosa-Literatur den Charakter eines Taschenbuchs bekommt 5 , und wenn er speziell im „Taschenbuch, Der Liebe und Freundschaft gewidmet" einen Rückgang der Epigrammatik mit einem erstmaligen Erscheinen von Aphorismen 1822 einhergehen sieht6. So nahe Herder und Lessing auch der Theorie des Aphorismus stehen, sie haben sich, was die Beschäftigung mit Gattungsfragen der pointierten Kürze betrifft, zuallererst als Theoretiker des Epigramms ausgezeichnet. Die satirischen „epigrammatischaphoristischen Klagen" Jean Pauls zeugen von einem ungesonderten Ineinander. Sengle findet das Aphoristische im Biedermeier weitgehend vom Epigrammatischen ungetrennt? Noch bei Hebbel ist das terminologisch Ungeschiedene sehr genau zu beobachten: „Ich kann mich eben nur aphoristisch äußern und lege darum meine Kunst- und Weltanschauung am liebsten in Epigrammen nieder". Von „prosaischen Epigrammen" sprechen der Literarhistoriker Gervinus (für Lichtenberg) so gut wie der Aphoristiker Fick 1860: „Aphorismen sind prosaische Epigramme" 8 . Noch 1869 in Ebelings „Geschichte der komischen Literatur seit der Mitte des 18. Jahrhunderts" hat das Epigramm den Primat; bei aller Schätzung von Lichtenbergs Aphorismus findet er es doch bedauerlich, daß dieser der poetischen Form nicht größeren Wert beigemessen habe. Mit der fortschreitenden Klärung und Durchsetzung des „Aphorismus" als eines Gattungsbegriffes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts läßt diese Vermischung nach. Bei Riehl 1897 ist zu beobachten, wie

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Erlebach: Formgeschichte des englischen Epigramms von der Renaissance bis zur Romantik. 1979, S. 58-60. Fricke: Aphorismus. 1984, S. 52. Skreb: Das Epigramm in deutschen Musenalmanachen und Taschenbüchern u m 1800. 1977, S. 78. Ebd. S. 80. - Skreb übersieht freilich den Aphorismus ganz, wenn er abschließend nur feststellt, daß der Witz im 19. Jahrhunden das Erbe des Epigramms angetreten habe (S. 84). Sengle: Epigramm, Spruch, Aphorismus. In: F. S.: Biedermeierzeit. Band II. 1972, S. 104-119. - In besonderer Weise wird er durch Metzerichs „Aphorismen" bestätigt. Fick: Aphorismen. Teil I. 1860, S. 2.

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er durch Anführung distanziert und damit metaphorisiert: „Der Aphorismus ist das ,Epigramm als Stil'". Wie sich das Ununterschiedene auf dem Weg über das allgemein Beschreibende des Adjektivs „aphoristisch" hergestellt hat, so verliert es sich über das Gattungsunspezifische des Adjektivs „epigrammatisch", beispielsweise, wenn Berg 1891 für Nietzsche vom epigrammatischen Stil seiner Aphorismen spricht, im 20. Jahrhundert ganz. Blumenthal oder Goldschmidt sind sich in der Differenzierung mit Morgenstern und Kraus und auch mit Musil einig: „Nicht Epigramm und nicht Entdeckung", heißt ja eine von Musils zahlreichen Aphorismus-Überlegungen. „Bloßes Hinstellen allgemeiner Sätze ohne scientifische Begründung": so beschreibt der Rezensent Schmidt Görres' aphoristische Methode und eröffnet damit einen Blick auf etwas Aphorismus und These Gemeinsames und also auf eine Verbindung, die in der Begriffsgeschichte des „Aphorismus" immer wieder einmal durchscheint, von Leibniz' „Aphorismen" als „Theses detachees" über Bouterweks „Aphorismen" genannte „Disputationsthesen", Fichtes und Görres' thesenhafte „Aphorismen über Religion und Deismus" und „Aphorismen über die Kunst" bis zu Hillers Nebeneinander beider am Anfang einer Ära der „These". Frickes Isolierungsversuch bedeutet ahistorische Normierung. Die These scheint vielmehr im Laufe der Begriffsgeschichte im Antithetischen des „Aphorismus" aufgehoben zu sein; es ist nicht zu beobachten, daß sie den Charakter eines literarischen Begriffes gewönne. Ähnlich ist die Entwicklung des „Aper9u"-Begriffs verlaufen. „Alles wahre Apergu kömmt aus einer Folge und bringt Folge. Es ist ein Mittelglied einer großen, produktiv aufsteigenden Kette": Goethe macht das „Apergu" nach 1797 „zu einem entscheidenden Element seiner Auffassung über die Zusammenhänge von Wahrnehmung und Erkenntnis". Köhler breitet die Zusammenhänge unter Bezug auf Neumann und in engstem Zusammenhang mit dem „Aphorismus"-Begriff aus9. Beim „Apergu" erklären sich die Interferenzen auch durch die Autorität einer Person, eben Goethes. Feuchtersieben bezieht sich in seiner Konzeption des erfinderisch Selbständigen, folgenreich Anregenden gegen das pedantisch Systematische nicht nur unter dem Begriff des „Aphorismus", sondern eben auch unter dem des „Apergus" ausdrücklich auf ihn. Weiter strahlt der Begriff gelegentlich aus: auf Mohr („Ein geistvolles Apergu ist das, was von der Beschränktheit am wenigsten begriffen wird"), auf Ga-

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Köhler: Aper?u. In: Ueding (Hg.): Hist. Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 1. 1992, Sp. 760-767, hier: Sp. 762.

Der Rand des Begriffes

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rin, der es mit der „PfeiT'-Metaphorik verbindet; eindeutig synonym ist er bei Schnitzler und Auernheimer gebraucht. Es ist in der Tat, mit Köhler, eine Bedeutungsverschlechterung des „Aper9u"-Begriffs in der Moderne zu konstatieren, so, wenn Schlaf 1904 für Nietzsche von „einer aperguhaften, aphoristischen Gaukelei" spricht. Und wenn Köhler weiter feststellt, daß er sich als Gattung nicht etabliert habe, dann ist auch dafür der stärkere Konkurrenzbegriff „Aphorismus" verantwortlich. Nicht allmähliche Ausgrenzung, nicht allmähliche Einfriedung, ein dritter Fall begrifflichen Mit-, Neben- und Ineinanders begegnet mit dem (Reflexions-)Tagebuch, eine von historischer Entwicklung unabhängige partielle Begriffsüberlagerung und -Unsicherheit. Wenn Goethe an Schiller schreibt, er teile in der Folge „ein vollständiges, obgleich aphoristisches Tagebuch" mit, hat das noch nur die ältere enge Bedeutung des unvollständig Skizzenhaften. Jean Pauls später sogenannte „Bemerkungen über den Menschen" erwachsen zwar aus dem Tagebuch; sein eigenes Begriffsverständnis deutet aber doch dort, wo das „Tagebuch meiner Arbeiten" „Aphorismen über die Dummheit" enthält, eher auf eine Trennung hin. In Rahel Varnhagen verschmelzen hingegen Diaristin und Aphoristikerin. Von Aphorismen durchsetzt ist Vischers fiktives „(Reise-)Tagebuch". Als „Blätter aus dem Tagebuch eines Einsamen" sammelt Feuchtersieben seine „Aphorismen"; als „Bruchstücke eines Lebens" sind sie für ihn Entwicklungsdokumente. So wichtig Hebbel für die Begriffsgeschichte ist: für die Bezeichnung nur eines Teils seiner Tagebücher als „Aphorismen" sieht er offensichtlich keine Notwendigkeit, und das Ganze trifft der Begriff für ihn verständlicherweise nicht. Für Grillparzer gilt das ähnlich, nach Hebbel auch für Cale. Ebner-Eschenbach veröffentlicht 1916 Aphorismen „Aus einem zeitlosen Tagebuch". Kraus betont diesen Aspekt bewußt, wenn er einige seiner „Aphorismen"-Reihen in der „Fackel" als „Tagebuch" begreift und bezeichnet. Bauer publiziert seine Aphorismen unter dieser Überschrift. Schröder will den Gesichtspunkt für Hofmannsthal mit dem hinzugefügten Untertitel „Tagebuch-Aufzeichnungen" akzentuieren. Schnitzler scheint eine Möglichkeit zu sehen, seine begrifflichen Skrupel zu unterlaufen, wenn er im Vorwort seines Aphorismen-Buches rät, es „einfach als Tagebuch" zu nehmen. Der späte Musil sucht die Verbindung von Aphorismus, Tagebuch und Selbstbiographie. Die Autoren machen, in verschiedener Weise, das Gemeinsame in beiden Begriffen ebenso bewußt wie die Schwierigkeit begrifflicher Aussonderung. Wenn Morgensterns Frau - bewußt geformte - „Aphorismen" und - ohne Formbewußtsein notierte - „Tagebuch-Notizen" unterscheidet, so kann sich das auf nicht mehr als das subjektive ästhetische Empfinden einer einzelnen Editorin berufen.

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Synthese des „Aphorismus"-Begriffes

Schröders „Aufzeichnungen" oder Margareta Morgensterns „Notizen" haben als unpräzise Sammelbegriffe, (noch) offener als „Aphorismus", ihre Funktion. Der präzise literaturwissenschaftliche Begriff zur „Typologie einer literarischen Kurzform im 20. Jahrhundert" hingegen, als den Lappe die „Aufzeichnung" über den problematischen modernen Fall hinaus, Canettis Werk nämlich, etablieren möchte 10 , bringt mehr Probleme, als er löst. Einen Randbegriff am Rande sozusagen stellt, der Vollständigkeit halber, die Gnome dar, der antike Begriff für ursprünglich volkstümlichmündliche Spruchdichtung. „Gnomenartige Gedanken" formuliert mit Differenzgefühl Thuemmel. Als „sophische Gnomen" bezeichnet unter anderem Troxler seine Notiz-Blätter. Mit dem Hinweis auf die Poesie auch im Gnomischen sucht Grillparzer Feuchtersieben - ergebnislos - zu trösten. Der Literaturtheoretiker Vischer hilft sich, begrifflich unsicher, mit dem Gnomischen, die Tragfähigkeit des Begriffs der „gnomischen Strukturen" erprobt noch Hummel für Hebbel. Solche Rückgriffe bleiben aber ganz vereinzelt. Andere Nachbarbegriffe führen entschieden weiter: Sie lassen Schlüsse auf zentrale Aspekte des „Aphorismus "-Begriffes zu, mit deren Verabsolutierung sie sich aber aus seinem Umfeld wegbewegen. Das bedeutet, daß der historische Wandel des jeweiligen semantischen Verhältnisses darzustellen ist. 2. Regel und Maxime „Regel" und „Maxime" gehören, miteinander verschränkt, von den Anfängen in der Romania her zu den Synonyma des Begriffes, die Maxime ist überdies mit der Sentenz verbunden, und selbst das Axiom gehört noch in diesen Zusammenhang. Wenn Oeing-Hanhoff zu Alanus ab Insulis feststellt, daß hier unter anderem Axiom und Aphorismus synonym gebraucht werden 11 , so wird diese These nicht nur durch seinen Hinweis auf Leibniz, sondern besonders gut durch die anonym erschienenen „Aphorismi et axiomata selecta apposite in discursu et utiliter in praxi applicanda a R. P. W. K." (Altdorf 1745) gestützt. Der Zusammenhang hat wohl seinen Ursprung in frühen begriffsgeschichtlichen Interferenzen mit der Maxime, die noch bei Locke

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Lappe: Die Aufzeichnung. Typologie einer literarischen Kurzform im 20. Jahrhundert. 1991. - Angemessen undogmatisch Lamping: „Zehn Minuten Lichtenberg". Canetti als Leser anderer Aphoristiker. In: Canetti als Leser. 1996, S. 114f. Oeing-Hanhoff: Axiom. In: Ritter (Hg.): Hist. Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. 1971, Sp. 744.

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und Leibniz synonym mit dem Axiom verwendet wird12. Im 19. Jahrhundert läßt sich diese dem Axiom benachbarte, sehr alte „Aphorismus"-Begriffsschicht, bezeichnend für verspätete' Trivialliteratur, bei Fähnrich noch erkennen, wo er „von jenem arithmetischen Aphorism" spricht, „der eben kein Aphorism war" 13 . Auch bei Immermann ist das Aphoristische noch mit These und Axiom verknüpft: „Er [ . . . ] gab seine Kunde in kurzen, aphoristischen, alles ausdruckenden Sätzen, welche sich dem Gedächtnisse leicht einprägten und ohne Mühe nachgesprochen werden konnten. Auf diese Weise hatte er die Freundin bald mit einer Menge Thesen bekanntgemacht [...]. Denn obgleich manches der Wilhelmischen Lehre nur für problematisch gelten konnte, so verfehlte es doch, mit angenehmer Keckheit von einem schönen weiblichen Munde axiomatisch vorgetragen, nie seine Wirkung" 14 .

Als Synonym erscheint der Begriff des Axioms auch in einem Brief Rahel Varnhagens noch. Sie schildert Gentz das Zustandekommen der gesammelten „Aphorismen" „Aus Denkblättern einer Berlinerin" durch Fouque: „Varnh. hat eine Unzahl Sprüche, Axiome, Stellen aus meinen Briefen all, die er habhaft werden kann und konnte, aus meinen Denkbüchern, fein abgeschrieben und verabreichte F. diese" 1 5 . Der „Regel"-Begriff läßt sich deutlicher fassen: Stackelberg stellt in Bezug auf spanische, italienische und französische Autoren des 16. und 17 Jahrhunderts fest: „Im übrigen ist auch bei den Autoren, von denen hier die Rede war, Aphorismus bzw. afonsmo oder aphonsme keineswegs zur Alleinherrschaft gelangt. Daneben erhalten sich nach wie vor auch bei ihnen Ausdrücke wie regia, maxima, aviso"16: Und bei Perez, wie Ungerer analysiert hat, ist „die Bezeichnung ,Aphorismus' austauschbar gegen politische Maxime', ,Lebensregel', ,Ratschlag', ,Ermahnung'" 1 ? Thomasius hält seine erste deutsche Vorlesung 1687 über die „Grund-Reguln" genannten Aphorismen Graciäns, „Kunst-Regeln der Klugheit" und „Maximen" nennt sie sein erster deutscher Ubersetzer Müller 1715. Dieser Regel-Aspekt geht mit der Vorherrschaft einer Regelpoetik unter. Nach der Aufklärung ist das Lehrhafte innerlich verändert und in eine dialektische Spannung zur Eigenständigkeit des Lesers gebracht. Knigges „Regeln des Umgangs" erinnern nicht nur in ihrer Form, sondern auch

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Vgl. Bubner, Dierse: Maxime. In: Ritter, Gründer (Hg.): Hist. Wörterbuch der Philosophie, Bd. 5. 1980, Sp. 941-944. Fähnrich: Aphoristisches Taschenbuch. Band III, S. 185. Immermann: Werke. 2. Bd. 1971, S. 391f. (Die Epigonen, 6. Buch). Varnhagen: Werke. Band III, S. 451 f. Stackelberg: Zur Bedeutungsgeschichte des Wortes Aphorismus. In Aphorismus WdF, S. 219. Ungerer: Die politischen Aphorismen von Antonio Perez. In: Aphorismus WdF, S. 437

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Synthese des „Aphorismus"-Begriffes

mit diesem Titel noch an Graciän, seine „Lebensregeln" und die seiner Tochter stehen ebenso wie Lavaters „Vermischte, unphysiognomische Regeln zur Selbst- und Menschenkenntnis" - als „Aphorisms on man" übersetzt - in der Hippokrates-Nachfolge. Terminologische Spuren finden sich bei Musäus, in Herders „Gedanken"-Synonym „Lebensregeln", in Jean Pauls „Lebensregeln" im „Quintus Fixlein", den „Regeln" im „Hesperus" und noch in Platens „Lebensregeln". Schopenhauer läßt den Zusammenhang noch erkennen, wenn er von allgemeinen Wahrheiten spricht und fortfährt: „Eben so werthvoll sind die allgemeinen Wahrheiten im Moralischen, im Psychologischen: wie golden ist doch auch hier jede allgemeine Regel, jede Sentenz der Art, ja, jedes Sprichwort"18. Neumann zeigt den Konflikt von Regel und Ausnahme in einem historischen Abriß, unter anderem mit dem Verweis auf Seume, Klinger, EbnerEschenbach, als den Widerspruch von Allgemeinem und Einzelnem19. Konservative Autoren wie Gerhardt(-Amyntor) führen das Regelhafte in der Imperativischen Ausrichtung ihrer Aphoristik ungebrochen weiter. Weiß am Anfang des 20. Jahrhunderts bricht die - gewissermaßen zu Papier erstarrte - Tradition moralistischer „Lebensregeln" ironisch, Walter Serner erledigt sie nach dem Ersten Weltkrieg im praktischen Teil seines „Handbreviers für Hochstapler" gemäß seiner eigenen Devise „Sprich nicht zu oft zynisch. Sei es immer"20 in Zynismus. Der „Regel"-Begriff selbst tritt freilich zugunsten der „Maxime" zurück, die das undialektisch Lehrhafte in dem Maße, in dem es aus dem „Aphorismus" verdrängt wird, auf sich zieht, sich damit fortlaufend stärker absondert und sich von einem Synonym zu einem inhaltlich bestimmten (Unter-)Begriff entwickelt, dabei aber immer in größter, zuweilen bis zur Synonymität reichender Nähe bleibt. Durch die französischen Moralisten, insbesondere die „maximes" La Rochefoucaulds und Chamforts, dringt der Begriff ins Deutsche ein. Ganz deutlich ist das bei Christian Schulz' „moralischen Maximen" und bei Herder zu sehen. Von La Rochefoucauld her benutzt Lichtenberg den Begriff gelegentlich für sein eigenes Werk, von Chamfort her Friedrich Schlegel. In seiner Vauvenargues-Rezension spricht Brandes nicht nur von „Maximen", er verklammert auch französische Moralistik und zeitgenössische deutsche „Lebensphilosophie" terminologisch zu „moralischen Aphorismen". In dieser romanischen Tradition stehen auch die Graciän-Übersetzer Müller zu Beginn des 18. und Heydenreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit ihren „Maximen". ι« Schopenhauer: Werke. Bd. IX. 1977, S. 28 (= Sämtliche Werke. Bd. 5. 1965, S. 29; Parerga und Paralipomena, 2. Bd., § 22). 19 Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 791-795. 20 Serner: Letzte Lockerung. 1964, S. 67 (zuerst Hannover 1920).

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Von einer „Übertragung des Aphorismusbegriffs auf die französische Maxime" 21 zu sprechen, wie es Requadt im Bezug auf den Ubersetzer Friedrich Schulz zu Recht tut, beschreibt nur die eine Hälfte des Vorgangs, der auch in anderer Richtung verläuft. Nicht ohne Bedeutung dafür mag es, wie beim „ A p e ^ u " , sein, daß Goethe die „Maxime" zu seinem Lieblingsbegriff macht. Feuchtersieben etwa sammelt so in seiner „Blumenlese" auch „Maximen". Das Additive in Riemers „Aphorismen, Maximen und Reflexionen" läßt das Bemühen erkennen, das semantische Feld auf diese Weise ganz zu erfassen. Auch in anderen Fällen, in der Vorrede Pockels', in Kotzebues „Sentenzen, Aphorismen und Maximen" oder „Schiller's Aphorismen, Sentenzen und Maximen", scheint dieser Gesichtspunkt im Vordergrund zu stehen (sofern man nicht einfach von begrifflicher Laxheit sprechen will), in Doppelformen wie Lafontaines „Aphorismen und Maximen" mag es eher u m Synonyma, eine deutschfranzösische' Verschmelzung gewissermaßen, gehen. Mit Schopenhauers „Paränesen und Maximen" als offensichtlich inhaltlich definierter Untergruppe seiner „Aphorismen zur Lebensweisheit" verbindet sich nach der Jahrhundertmitte aber stärker das spezifisch Lehrhafte mit dem Begriff: als partielle Abgrenzung bei Gutzkow, bei Oertzen in,moderner' Zurücknahme des Belehrenden: „Wer kurzgefaßte Maximen niederschreibt, erhebt damit selbstverständlich nicht den Anspruch, ein Lehrer sein zu wollen"; nicht expressis verbis, aber ebenso deutlich, wenn es in einem von Wertheimers „Aphorismen" heißt: „Man kann die Menschen durch Maximen nicht bessern, aber voreinander warnen". Daneben läßt sich die synonyme Verwendung des Begriffs das ganze 19. Jahrhundert hindurch nachweisen, so für Lichtenberg bei Bobertag und Grisebach, für O t t o Weiß durch Brandes immer noch im französisch-moralistischen Zusammenhang. 3. Sentenz und Spruch Wenn Christian Schulz in seinen „Aphorismen oder Sentenzen des Konfuz" 1794 neben diesem Doppeltitel von „sinnreichen Sprüchen" und „moralischen Maximen" spricht, so bleibt undeutlich, ob er da Additives oder Explikatives im Sinn hat oder nur ein Hendiadyoin benutzt, deutlich ist die weitgehende begriffliche Verschmelzung von „Sentenz" und „Maxime" im „Aphorismus"-Zusammenhang für ein Werk, das Lehren und Grundsätze enthält, sich dabei auch des Exzerpts bedient und damit als exemplarisch gelten kann für ein weithin zu beobachtendes terminologisches Miteinander, das gerade die aus antiker Wurzel stam-

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Requadt: Das aphoristische Denken. In: Aphorismus WdF, S. 335.

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mende „Sentenz", von Hippokrates her, und die von den Franzosen herrührende „Maxime" zusammenbindet; La Rochefoucaulds „Reflexions ou sentences et maximes morales" sind als einflußreiches Vorbild im Hintergrund zu denken. Von ihrem Normanspruch her bietet die Sentenz semantische Überschneidungen mit der „Maxime", wie sie andererseits durch ihre Herkunft aus dem - meist dramatischen - Zitat eine Nähe zum Exzerpt zeigt, das gleichfalls am Rande in den „Aphorismus"-Begriff integriert war, wie noch zu zeigen sein wird. Bei Kotzebues „Sentenzen, Aphorismen und Maximen" war das schon ebenso zu sehen wie in der Anthologie aus „Schiller's Aphorismen, Sentenzen und Maximen"; von dem „Ton, nur in Sentenzen und Aphorismen zu sprechen", redet Knigge, Lichtenberg benutzt in seinem Netz von Synonymen, im antiken Zusammenhang, natürlich die „Sentenz" ebenso wie Herder, Jean Paul oder Goethe. Und um noch ein Beispiel engster begrifflicher Nähe vor Nietzsche zu geben - es geht ja nicht um die „Sentenz", sondern um mögliche semantische Überschneidungsbereiche - : Börne spricht von seiner Zeit als „dieser aphoristischen Zeit, wo jede Begebenheit eine Sentenz" sei. Den Versuch zu einem begrifflichen Neuansatz unternimmt dann Nietzsche. Wie für den Freund Ree steht der „Sentenz"-Begriff für ihn von den französischen Moralisten her zunächst eindeutig und mit nachdrücklichen und vielzitierten Aphorismen wie dem „Lob der Sentenz" im Vordergrund, ehe er nach Art einer Uberblendung von dem des „Aphorismus" abgelöst wird. Wenn beide in der Folge bei Isolde Kurz und Arno Nadel synonym gebraucht werden, so mag das als ein spezifisches Stück von Nietzsches Wirkungsgeschichte zu beurteilen sein. In den „Grundsätzen" in Sprengeis „Apologie des Hippokrates und seiner Grundsätze" - um noch einmal auf das 18. Jahrhundert zurückzublenden - ist die Verbindung von Regel und Maxime einerseits, Sentenz und Spruch andererseits gegeben, sofern man beide Bestandteile des Wortes wörtlich nimmt. Diese „Grundsätze", wie sie auch Bouterweks „Praktische Aphorismen" geben wollen, erscheinen in der aphoristischen Unterweisung des Lehrbuches im 18. Jahrhundert als Lehrsätze. Die „Lehrsäzze des Herrn Mesmer's" von 1785 betrachten ihre „Aphorismen" als völlig synonym, Pockels betont dieses „Lehrreiche" seiner „Aphorismen" gleichermaßen, von „Grundlinien" spricht im gleichen Sinne Moritz. Hommel und Baader übersteigen mit ihren „Sätzen" den grammatisch engen Begriff im Sinne isolierter kurzer Abschnitte; Fähnrich übersetzt „Aphorismen" als „Trennsätze". Von θεσις und sententia her sind vielfache Überschneidungen etymologisch erklärbar. Der Kontext von Satz, Lehrsatz, Absatz (auch Abschnitt oder Paragraph) und Grundsatz läßt eine Differenz von weitreichender Bedeutung

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zwischen Verbindungslosigkeit und Zusammenhanglosigkeit zum ersten Mal aufscheinen. Als Nachsatz zeigt sich, wie bei Füssli, die Nachbarschaft zu einem anderen Begriff am Rande, der Anmerkung, wo er (wie bei Görres) das Flüchtige eines „Freskogemäldes" einbegreift, diejenige zur These. Von „Sinn- und Kernsprüchen" ist in der Schiller-Anthologie die Rede; die „sinnreichen Sprüche" in Schulz' reichhaltigem Angebot verdienen, noch einmal hervorgehoben zu werden; als „stark" und „spruchreich" hat schon Gottsched das „sententieux" seiner französischen Vorlage übersetzt: Der Spruch entwickelt sich in zahllosen Komposita auf dem Weg über Lehrsätze und Lehrsprüche zu einem, wenn man so sagen darf, zentralen Randbegriff des „Aphorismus". „Sprüche" nennt Jacobi seine „Fliegenden Blätter", „Sprüche" heißen (neben „Aphorismen") Knigges Lebensregeln, „Kernsprüche" formuliert Jean Paul, Friedrich Schlegel spricht unter Bezug auf Hippokrates von „Gedankensprüchen" so gut wie von „Aphorismen". Fast müßig zu erwähnen, daß Goethes „Sprüche in Prosa" sich hier zugesellen; der von Bobertag gewählte Oberbegriff ist von Fricke terminologisch rehabilitiert worden. Herder steht dabei theoretisch an hervorragender Stelle. Seine aphorismus-nahe „Sprüche"-Konzeption hat eine fließende Grenze zum gereimten Spruch, eine abweisend starre aber zum unpoetischen „Aphorismus" seiner Zeit. Wenn er genau wie Moritz in seinem Wörterbuch von „Lehrsprüchen" spricht, so zeigt sich in beider Begriffswahl die synthetisierende Absicht ebenso wie die Unentschiedenheit, ein Schwanken, das die Wörterbücher der Zeit dokumentieren und an deren Ende die feine Grenze zwischen „Lehrsätzen" und „Lehrsprüchen" genauer markiert und der „Aphorismus" den ersteren endgültig entfremdet ist. Campes Wörterbuch 1813 akzentuiert unter Bezug auf Moritz den Zweck des Belehrenden, vom „Lehrsatz" geht Ersch-Grubers Enzyklopädie 1819 aus. Höchst aufschlußreich ist es in der Folge, wie die Wörterbücher das Auseinanderlaufen zu bemerken scheinen, indem sie jeweils beides bieten: bei Kaltschmidt 1834 heißt es „Lehrsprüche" und an letzter Stelle „lehrsätzlich", der Meyer von 1842 definiert „Aphorismen" als „spruchähnliche Lehrsätze", der Brockhaus von 1851 spricht, bevor er eine allgemeine von einer engeren Bedeutung abhebt, schlicht von „Lehrsätzen oder Lehrsprüchen". Wenn Thuemmel 1818 Begriffe wie „Sprüche" oder „gnomenartige Gedanken" erwägt, so hat er sich als Titelbegriff doch für „Aphorismen" entschieden, wenn Guttenstein 1835 seine Apophthegmata-Sammlung im Titel als „Scharfsinnige Sprüche der Teutschen" erläutert, folgt Hoffmann ihm 1844 in der ununterschiedenen Zusammenstellung von Apophthegmen, Sprichwörtern und Aphorismen unter dem „Aphorismus"-Begriff.

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Und wenn Feuchtersieben seine „Aphorismen" ausdrücklich nicht mehr als „Ansichten oder Lehrsätze" verstanden wissen will, so betont er damit als Neuartiges das Existentielle im Gegensatz zum Akzidentellen einer bloßen „Ansicht". Noch die Altenberg'sche Aphoristik zeigt aber, gerade von Feuchtersieben her, Spuren der Verbindung zum „Lehrsatz", wenn auch jetzt metaphorisch weiter gedacht, während Hillers „Sätze" sich unverbindlich zwischen These und Aphorismus halten wollen und Kraus durch die Unterscheidung zitierter „Sätze" von „Aphorismen" ein geschärftes Bewußtsein des Gattungsbegriffes erkennen läßt. Der Lehrsatz samt seiner Konnotationen ist aufs Ganze gesehen weitgehend aus dem semantischen Bereich des „Aphorismus" verdrängt, der „Spruch" in vielerlei Komposita ihm endgültig nah verbunden (was wiederum dessen hier nur in ihren Berührungspunkten knapp zu skizzierende eigene Begriffsgeschichte kompliziert anreichert). Vischers „Weisheitssprüche" oder Gutzkows „Denksprüche" eröffnen eine lange Reihe von Belegen, die durch die häufige, variierende und schulebildende Begriffsverwendung durch Nietzsche nur verlängert wird; für die „Merksprüche" aus den „Blättern für die Kunst"22 ist auf diese Verknüpfung schon hingewiesen worden 23 : „Denkspruch" ist auch das Synonym, das Herders Konversationslexikon 1902 anzubieten weiß, Götts „Zettelsprüche", Leixners „Sprüche aus dem Leben für das Leben", Knortz' „Sprüche der Weisheit für Freie und Unfreie" fügen sich ein. „Spruchwörterbuch" heißt das Allerlei, in dem Lipperheide neben vielem anderen auch „Aphorismen" versammelt. Von den „Kernsprüchen" Hippels spricht in solchem Kontext Czerny 1904, vom „Spruchdenker" Garin Goldschmidt 1909, von den „Aphorismen und Sprüchen" Hilles im selben Jahr Droop, der uns über die Differenz beider - der Reim ist es jedenfalls nicht, Gedichte schließen sich in einem eigenen Kapitel an - ebenso im unklaren läßt wie Heinrich Gerland mit seinen „Gedanken und Sprüchen" „Vom Sinn und Gegensinn des Lebens" (1914) und Karl Bosch mit dem umgekehrten Untertitel „Adel. Sprüche und Gedanken" (1919), während auf der anderen Seite bei Morgenstern klar zu differenzieren ist zwischen „Aphorismen und Tagebuch-Notizen" einerseits, „Epigrammen und Sprüchen" andererseits, bei Kraus in den „Sprüchen und Widersprüchen" nicht ein Gattungsbegriff, sondern lediglich die Wortspielmöglichkeit ausschlaggebend ist. Wo sein Kritiker Seligmann das Sprichwort unbekümmert in die Gattung einbezieht, da 22

23

Einleitungen und Merksprüche. In: Blätter für die Kunst. Eine Auslese aus den Jahren 1892-1898. 4 Folge, I.-II. Band. 1899, S. 10-26. Kohlschmidt, Mohr: Literarische Kritik. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. 2. Aufl. 2. Bd. 1965, S. 63-79, hier: S. 77

Der Rand des Begriffes

341

begreift sein Verteidiger Stoessl den „Aphorismus" gerade aus dem Gegensatz zu Spruch und Sprichwort. Das diffuse Bild wird nicht nur angereichert durch die auffällig häufige Wiederaufnahme auch dieses Nachbarbegriffes auf der Suche nach Alternativen zu einem abgenutzt scheinenden, weil in breiter Form pejorativ geschriebenen oder durch den Kraus'schen Typus okkupierten „Aphorismus"-Begriff, in Schnitzlers „Buch der Sprüche und Bedenken", Friedells „Meinungen und Sprüchen", Kuhs „Aussprüchen", sondern auch durch seinen bevorzugten Gebrauch in der Aphoristik des Dritten Reiches, wohl, u m dem aus der Antike stammenden, mit zersetzendem, häufig spezifisch jüdischem Intellekt assoziierten „Aphorismus" etwas im Ursprung Germanisches entgegenzusetzen: Karl Boschs „Sprüche und Gedanken" erscheinen 1930 in den „Büchern der Deutschkirche" in dritter Auflage, Friedrich Bluncks „Buch der Sprüche" (1935), Paul Ernsts „Gedichte und Sprüche" (1935), Ernst Bertrams „Sprüche aus dem Buch Arja" (1938), Erich Limpachs „Gedichte, Sprüche und Worte" „Vom neuen Werden" (2. Aufl. 1938) folgen. Eine neue Konjunktur hat der Begriff dann in der jüngsten Vergangenheit mit den Sponti-Sprüchen in der Nachbarschaft von Slogan und Grafitto gehabt 24 . Als Teilergebnis bietet sich ein angemessen verwirrendes Bild, angemessen, weil es die leitende Bildvorstellung sich überlappender Randbereiche empirisch absichert. Der „Spruch" geht dem „Aphorismus" von seinem notwendig gebundenen älteren Begriffsverständnis her teils voraus, Aspekte von diesem aufnehmend, teils wird er schlicht synonym oder mit einer vagen inhaltlichen Akzentuierung gebraucht, teils auch als Alternative, sei es aus einem literaturkritischen Affekt, weil man denkt, der „Aphorismus" sei als Begriff für eine - Distanz fordernde - populäre Gattung heruntergekommen, sei es aus sprach- und literaturpolitischen Gründen auf der Suche nach einer „deutschen" Form. Nicht genug damit, wird er daneben immer auch speziell für die kurze, reflektierende lyrische Gattung verwendet. 4. Fragment Das Verhältnis von „Aphorismus" und „Fragment" ist deshalb besonders problematisch und auch attraktiv, weil das Fragment eben eine literarische Epoche maßgeblich geprägt hat und deshalb immer wieder die Frage stellte, ob es sich dabei um eine zeitlich begrenzte Form handle oder ob sie sich in eine Gattung von genereller Geltung einordnen lasse. U m 1910, zur Zeit der stärksten Zentripetalkraft des „Aphorismus"-Begriffs, 24

Vgl. Kopperschmidt: „lieber theorielos als leblos". Anmerkungen zur Sprüchekultur. In: Muttersprache 97, 1987, S. 129-144.

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Synthese des „Aphorismus "-Begriffes

werden Novalis' wie Schlegels Texte literaturwissenschaftlich ohne weiteres als „Aphorismen" behandelt. Fink will dann 1934 noch Maxime und Fragment als - streng geschiedene - „Grenzmöglichkeiten" des Aphorismus etablieren. Das ist nicht nur im Vorgehen teilweise kurios bis absurd, es erweist sich auch in der Sache als unmöglich. Für das 18. Jahrhundert hat Schröder die „Rekonstruktion der impliziten Poetologie von Fragment und Aphorismus" mit Vorbedacht unter diesen Doppeltitel gestellt: Er kann die „Aphorismen" nicht als eine Klasse von Texten aus den prosaischen Kleinformen in dogmatischer Schreibart aussondern und betrachtet beides infolgedessen unter dem Sammelbegriff „Vermischte Schriften" als synonym. Für die transzendentale Moralistik der Wende zum 19. Jahrhundert sieht Neumann keine Anhaltspunkte, von einem einheitlichen Begriff „Aphoristik" abzuweichen. Fricke schlägt die „Fragmente" des Novalis ohne weiteres seinem streng definierten „Aphorismus" zu, Uerlings legt sich zu demselben Autor terminologisch nicht fest, Ostermann wählt die unelegante, aber sachgemäße Querstrichlösung „Fragment / Aphorismus". Die Offenheit der neueren Literaturwissenschaft in dieser Frage wird durch die semantische Teilkongruenz einer ganzen Belegreihe bestätigt. Für die anthropologische Literatur des 18. Jahrhunderts mag es dank Schröders Quellenstudie mit ihrem eindeutigen Befund und ihrer reichen Bibliographie bei zwei Beispielen bleiben. Pockels spricht in seiner Vorrede unbekümmert von Fragmenten, Aphorismen, Maximen, Knigge will „kein vollständiges System, aber Bruchstücke" geben und empfiehlt gleichzeitig die „körnigten Worte" der „Aphorismen". Hamanns „Brocken" sind zunächst einmal Bestandteil der Begriffsgeschichte des Fragments, wie es sich von Hamann und Herder aus auf die Romantiker zubewegt. „Wahrheiten, Grundsätze, Systems bin ich nicht gewachsen. Brocken, Fragmente, Grillen, Einfälle. Ein jeder nach seinem Grund und Boden"25, schreibt er in einem Brief vom 12. Oktober 1759. Die Tatsache aber, daß er mit den biblischen „Brocken" gleichzeitig die ,frusta' Bacons zitiert, Bestandteil von dessen ,traditio per aphorismos', weist ihnen auch in der Begriffsgeschichte des Aphorismus einen Platz zu: Die teilweise Uberlagerung beider Textsorten spiegelt sich auch begriffsgeschichtlich wider. Hamanns „Brocken" - von Joh 6, 12 her - und Mosers „Reliquien" - im Anschluß an 1 Kor 13, 9 - betonen zu gleicher Zeit je einen der beiden Aspekte dieses Überlagerungsbereiches, die eucharistische wie die eschatologische Komponente, bei eng benachbarter und

25

An Johann Gotthelf Lindner, 12. 10. 1759. In: Hamann: Briefwechsel. 1. Bd.: 1751-1759. 1955, S. 431.- Vgl. Zinn: Fragment über Fragmente. In: Das Unvollendete als künstlerische Form. 1959, S. 161-178, hier: S. 169.

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sogar gleicher Terminologie26. Hamanns „Fragmente" sind als „Stückwerk", als das auf Erden notwendig noch nicht Vollendete religiös fundiert, Mosers „Fragmente" hingegen „Überbleibsel" oder Ahnungen von einem nicht mehr vorhandenen Ganzen2-! Goethes Vorstellungen schließen an den auf die Zukunft ausgerichteten Akzent an. Für ihn steht das nicht weitläufig ausgeführte Vorläufige, Unfertige im Mittelpunkt. Da ist etwas angedeutet, aber noch nicht ausgeführt. In diesem Sinne ist es fragmentarisch und skizzenhaft. Das romantische „Fragment" integriert beide Aspekte, Vergangenheit und Zukunft, als Pole des Anti-Systematischen. Von den „aphoristischen Bruchstücken", aus denen sich schwerlich „ein System" bauen ließe, spricht August Wilhelm Schlegel, „umherliegende Bruchstücke in einer verlassenen Bildhauerwerkstatt" nennt Menzel die „Aphorismen" des Novalis. „Aphoristisch oder systematisch", so fordert Friedrich Schlegel im Anschluß an Platner literarische Texte von Novalis. Es ist vor allem Friedrich Schlegels Theorie des Fragments, die zum einen das ambivalente Verhältnis der Kurzform zum System zuspitzt und in vielen Fragmenten zu Dialektik und Paradoxie verschärft, zum andern aber auch den Zusammenhang dieser „Fragment"-Konzeption mit dem „Aphorismus "-Begriff an manchen Stellen als unauflösbar zu erkennen gibt. Von der Schlegelschen „Besonderheit", daß der Aphorismus-Begriff in die Nähe seiner Fragment-Vorstellung rückt, geht ja schon Neumann zu Recht aus. Vereinzelung und System als Alternative oder Ambivalenz, die Differenzierung zwischen Verbindungslosigkeit und Zusammenhanglosigkeit gehören zur ,Mitte' des „Aphorismus"-Begriffes.

26

Vgl. dazu Behler: Das Fragment. 1985. In: Weissenberger ( H g . ) : Prosakunst ohne Erzählen. 1985, S. 127 und Ostermann: Fragment/ Aphorismus. In: Schanze (Hg.): R o m a n tik-Handbuch. 1994, S. 2 7 9 . So noch bei Spohr im Vorwort zu Multatuli: Ideen. 1903, S. V i n . - Der Bezug von 1 Kor 13, 9 zum Aphorismus wird um die Mitte des Jahrhunderts bei Joseph Fick dann so direkt hergestellt: .„Unser Wissen ist Stückwerk', hat die ewige Wahrheit niederschreiben lassen. Heißt das nicht a u c h : , U n s e r Wissen ist aphoristisch'?" (Fick: Aphorismen. Teil III. 186^ S. I). U n d Adolf Harnack geht am Ende des Jahrhunderts bei seinen Aphorismen - ohne diesen Begriff zu verwenden, aber inhaltlich substantieller - ebenfalls von 1 Kor 13, 9 aus: „Unser Wissen ist Stückwerk - das heißt nicht, daß wir nicht alles wissen, sondern daß sich die sichersten Erfahrungen nicht in eine Einheit bringen lassen" (Harnack: [Aphorismen]. [1895]. 2. Aufl. 2. Bd. 1906, S. 371).

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Nicht nur mit dem „Stückwerk", auch mit den „Brocken" Linkes wird dieser Zweig der Begriffsgeschichte aus der Bibel weitergeführt, mit dem Kristallisationspunkt von Kierkegaards „smuler" (Brocken oder Brosamen; zur Ubersetzung: Kierkegaard: Philosophische Brosamen und unwissenschaftliche Nachschrift. 1959, S. 8 5 2 ) und bis zu den „Literarischen Brosamen", als die die Versandbuchhandlung Lauch in Neu-Isenburg alljährlich für ihre Kunden Aphorismen zusammenstellt, innerhalb, teils aber auch - erinnert sei an Enzensbergers Essays „Politische Brosamen" (1982) - außerhalb der Gattungsgeschichte.

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Auch außerhalb der kurzzeitigen und überspitzten Konzeption der Romantiker und darüber hinaus wächst die Einsicht in das Ambivalente im Verhältnis des „Aphorismus" zu einem größeren Ganzen, das er nicht mehr oder noch nicht ist; es ist fortschreitend weniger aus den Begriffserläuterungen wegzudenken. Damit schieben sich beide Begriffe immer wieder über- und ineinander. Während Rahel von Varnhagen die Texte Novalis' (zusammen mit denen Lichtenbergs und Oelsners) ebenso als „Aphorismen" rezipiert wie Menzel und die Literaturhistoriker Bohtz und Vilmar in der ersten Jahrhunderthälfte, wird Lichtenberg bei Grisebach als Vorläufer einer Reihe deutscher „Fragmentisten" gesehen, „Fragmentist, nicht Aphorist" ist er auch noch, als Ergebnis versuchter Ab- und Ausgrenzung, bei Kraus. Die „Fragmente und Aphorismen" in Ottos Jean Paul-Edition 1826 werfen wie die Nachfolger in dieser Doppelbildung, von Börnes „Fragmenten und Aphorismen" in den „Modernen Reliquien" (mit diesem Begriff werden auch Mosers Texte zu dieser Zeit versehen) bis zu Heines „Aphorismen und Fragmenten" in Loewenthals Ausgabe 1926 und dem gleichförmigen Untertitel von Schnitzlers Aphorismenband von 1927, zunächst die Frage auf, auf welches Doppelte denn hier jeweils verwiesen werde, Romantisches und Lichtenbergsches, Fertiges und Unfertiges oder etwa Konzises und relativ Kurzes, bis man dazu neigt, das Mysterium aufzulösen und dahinter gar kein Doppeltes zu suchen, sondern die Fügung als Hendiadyoin zu verstehen, mit der ihre Verfasser auf das Ungeschiedene, sich gegenseitig nur Erläuternde anspielen. Ein Eindeutigkeitsversuch indessen darf abschließend nicht unerwähnt bleiben, auch wenn es nicht weit (aus-)geführt und deshalb nicht kritisch nachzuvollziehen ist, daß Musil in seinem wahrhaft gründlichen Bemühen um Begriffssicherheit von einer wie immer gearteten Unterscheidung des „echten gehämmerten Aphorismus" von „Notizen und Fragmenten" auszugehen beabsichtigt. 5. Anmerkung, Zitat, Exzerpt

Nicht anders als Maxime, Sentenz und Fragment gliedern sich - weniger erwartet - auch Anmerkung, Zitat und Exzerpt von Anfang an dem semantischen Umfeld des „Aphorismus "-Begriffes an, in stärkerem Maße bis zu Goethe und Jean Paul, aber auch darüber hinaus bis ins 20. Jahrhundert hinein. Was sie an seinem Rande zusammenbindet, ist der produktive Umgang mit einem Fremdtext. Etwas Fremdes wird exzerpiert oder zitiert, das - als solches unausgewiesen - mit dem Eigenen verschmelzen kann, etwas Fremdem wird etwas Eigenes angefügt, das sich verselbständigen kann. In beiden Fällen geht es um produktive Rezeption, und der Zusammenhang mit der spezifischen Rezeptionsverwiesen-

Der Rand des Begriffes

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heit, wie sie im Zentrum des „Aphorismus"-Begriffes steht, ist jeweils eng. Als Randbemerkungen zu Tacitus-Ubersetzungen entstehen die „aforismos" des Alämos de Barrientos und die „aforismi" Cavrianas. Graciäns Handorakel, in der Ausgabe von 1629 im Untertitel als ,aforismos' bezeichnet, ist von fremden Herausgebern „aus dessen Werken gezogen". Die Vorstellung einer weitgehenden Synonymie zu „Noten" und „Anmerkungen" überträgt Gottsched im Alamos-Artikel seines Wörterbuches mit dem Begriff ins Deutsche; aphoristische (Fuß-)„Noten" schreibt noch Jean Paul. Wenn Schröder in einem eigenen Kapitel die „Produktion von Fragment- und Aphorismustexten durch Gewinnung aus textexternen Texten" 28 dokumentiert und nachweist, wie eingespielt auf dem Buchmarkt des 18. Jahrhunderts die Herstellung solcher Publikationen „durch das Verfahren des ,Ausziehens' und ,Sammeins' ist" 29 , so ist der begriffsgeschichtliche Zusammenhang jetzt greifbar. So ist für Christian Schulz beispielsweise in der Vorerinnerung zu seinen „Aphorismen oder Sentenzen des Konfuz" die Frage eigener oder fremder Autorschaft ohne Bedeutung, so ist das Verhältnis zwischen Eigenem und Angeeignetem schon in Friedrich Schulz' „Zerstreueten Gedanken" eigene Überlegungen wert30. Die Rezeption der hippokratischen Sprüche ist mancherorts, so bei Platner, Lavater, Friedrich Schlegel, mit der Begriffsbildung in Verbindung zu bringen. Ein Hippokrates-Zitat steht am Beginn von Goethes aphoristischer Tätigkeit. In einer Mischung aus „Eigenem und Angeeignetem" entwickeln sich seine Kurzformen. Einen „Auszug" will er 1821 den „Lehrjahren" beifügen. Im Zentrum steht das Zitat- und Exzerpthafte bei Jean Paul. Das gemeinsame Dritte erläutert Fieguth bei der Erörterung des Zusammenhanges von Exzerpt, Anmerkung, Aphorismus so: „Jean Paul hat später selbst im Exzerpieren jene Momente entdeckt, die zu den wesentlichen Elementen des Aphorismus gehören: Vereinzelung und Sachbetonung"31. Der „Blumenstaub", welchen poetischen Namen er neben vielen andern für seine literarische Kurzform findet, steht etymologisch mit der Antho-

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Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976, S. 122-128. Ebd. S. 125. Cantarutti: Früchte einer Ubersetzung La Rochefoucaulds im Jahr der ,großen Revolution in Frankreich' gepflückt: Friedrich Schulz' „Zerstreuete Gedanken". In: Germania Romania. 1990, S. 277 Vgl. die anonyme Sammlung „Aphorisms of Wisdom or a Collection of Maxims and Observations extracted from the Works of various Writers upon divine Subjects". Boston 1794. Fieguth: Jean Paul als Aphoristiker. 1965, S. 19.

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logie, dem Florilegium, in engster Verbindung. Wie Jean Paul Eigenes und Fremdes als „Bausteine" für sein episches Werk sammelt, so eignet es sich seinerseits besonders gut für eine solche Blumenlese schönster Stellen, wie sie die „Chrestomathie" von Pölitz und die „Anthologie aus seinen Werken", die „Aphorismen" von 1855/56, beispielsweise darstellen 32 . Wenn man beobachtet, wie Jean Paul „Adagia", „Apophthegmata", „Bemerkungen" noch durchaus ungeschieden denkt, dann korrespondiert das mit den Begriffsvorstellungen Herders, der unter einer Gattung „Sprüche", die wenig mehr als der Name vom Aphorismus unterscheidet, etwas Sprichwort, Zitat und Apophthegma Gemeinsames versteht. Nicht nur der Wortgebrauch ist noch unsicher, auch die Grenzen zu benachbarten literarischen Formen sind offen. Es geht um lange Prozesse, in denen sich das eine vom andern absetzt, so daß es sich in größerer - begrifflicher - Klarheit an der Oberfläche zeigt und Gattungscharakter gewinnt oder zugesprochen bekommt, das andere aber absinkend sich den Blicken entzieht oder in umgangssprachlicher Beliebigkeit verbleibt. Für diesen Prozeß der Klärung sind durchaus alle von der Metaphorik her sich anbietenden Verständnishilfen zu nutzen. Wenn wir Ter-Neddens medientechnische Erklärung für die allmähliche Ablösung der Apophthegmatik durch die Aphoristik, eine Folge der Ablösung der „Redepraxis" durch die „schriftgestützte Reflexion" 33 , hinzunehmen, können wir uns solche Klärungsprozesse auch als das Hintereinander zweier Diapositive bildlich verdeutlichen, von denen eines allmählich hervortritt und das andere verblaßt. Mit seiner Verehrung für Jean Paul führt Fähnrich in seinem „Aphoristischen Taschenbuch" nicht nur die Technik des (aphoristischen) Auszuges weiter - er will expressis verbis nicht zwischen „Zügen und Auszügen" unterscheiden sondern mit seiner gleichnishaften Erzählung vom Gärtnermädchen auch die Blumenstrauß-Metaphorik. Aber auch außerhalb dieser Tradition sind die Belege vielfältig. Lafontaines „Aphorismen und Maximen" (1802), „Schiller's Aphorismen" von 1806, Kotzebues „Sammlung von Sentenzen, Aforismen und Maximen" (1829): die wegweisende Verschiebung ins Literarische hinein geschieht mit einem „Aphorismus"-Begriff, unter dem verehrungsvolle Herausge-

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Berends Jean-Paul-Bibliographie (Nrr. 389ff) verzeichnet mehr als 50 solcher Titel: „Blumen", „Blumenlese", „Blumengarten", „Blumen und Disteln", „Blüthen", „Blätter und Blüthen", „Blütenwanderung", „Blüten und Perlen", „Perlenschnur", „Perlen", „Edelsteine", auch schlicht „Denk- und Wahlsprüche", „Aussprüche", „Weisheits-Sprüche", „Auszüge", „geist- und kraftvollste Stellen", „Sentenzen", „Gedanken". Ter-Nedden: Gedruckte Sprüche. Medientechnische Reflexionen über Sprichwort, Apophthegma und Aphorismus. In: Elm, Hiebel (Hg.): Medien und Maschinen. 1991, S. 93-106, hier S. 102.

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ber goldene Worte aus narrativen oder dramatischen Zusammenhängen herauslösen, Exzerpte, wie sie auch die „Akkorde deutscher Classiker" (1820) versammeln 34 . Schmidts „Dramaturgische Aphorismen" (1820/28) binden einen „Strauß", Feuchtersieben ist zum Anthologischen hin offen, wie seine „Blumenlese" bezeugt. Schulz' erläuternde „Aphorismen" (1832) zu deutschen Sprichwörtern wiederum erinnern in ihrer Konzeption terminologisch noch an Gottscheds „Noten" oder gar an Graciäns „aforismos". Hoffmanns Sammlung von „Aphorismen und Sprichwörtern" vom Beginn der Germanistik faßt unter den Begriff Kurzprosa des 17 Jahrhunderts, die wir nach einer Geschichte terminologischer Klärung selbstredend, aber auch nicht ohne Probleme Apophthegmen nennen. Für Rahel Varnhagen beleuchtet Seibert die Zusammenhänge genau und von zwei Seiten her. Ihre Aphorismen ließen sich „in ihrem Ursprung nicht reduzieren auf die blütenlesende Tätigkeit ihres Mannes und Herausgebers". Was ihre eigene Tätigkeit betrifft: Ihre „Denkbücher" versammeln neben dem Eigenen auch Exzerpte. „So ,aphorisiert' sie unter anderem Jean Paul". „Zudem werden bei Rahel auch von Gesprächsteilnehmern produzierte ,Bonmots' zu den eigenen Aphorismen notiert" 35 . Über Bernays' „Auszüge und Einfälle", die „Aphorismen" Knoblochs, eine Sammlung gewählter Stellen aus den Werken der besten Schriftsteller, und die als „Aphorismen" oder „Aphoristisches" herausgelösten Exzerpte der Anthologien des Bibliographischen Institutes zu Jean Paul, zu Börne und Heinse hinaus führen Beispiele für die Unschärfe der Begriffsgrenzen gegenüber Zitat, Exzerpt, anmerkender Marginalie bis ins 20. Jahrhundert hinein. Eine Anthologie wie Hiltys „Bausteine" (1910), die dem Untertitel gemäß „Aphorismen und Zitate aus alter und neuerer Zeit" enthält, kann keinesfalls als Indiz für ein gewachsenes Unterscheidungsvermögen gelten. Freudenbergs 1912 erschienene „Aphorismen aus der Pädagogik" weist der Untertitel genauer als „Zitate über Erziehung und Unterricht der Jugend aus den Werken berufener deutscher Pädagogen und Schulmänner" aus, für Wilhelm Fischer ist der Zusammenhang selbstverständlich, wenn er prophezeit, man werde aus den überpriesenen Werken Nietzsches einmal „einen Band echter Aphorismen, die keine Sophismen sind, ausziehen". Rüttenauer reflektiert sein Vorgehen in seinen „Aphorismen aus Stendhal über Schönheit, Kunst und Kultur. Ausgezogen und in deutscher Ubersetzung zusammengestellt" von 1901. Das Verfahren und der Begriff dafür sind nicht mehr so unangreifbar üblich wie 34

35

Solche Exzerpte mögen sich auch hier und da unter den anonymen „Aphorismen" verbergen, die die Bibliographie verzeichnet. Bei den „Aphorismen des großen Friedrich II. von Preußen, gezogen aus seinem Briefwechsel mit Voltaire" (1813) ist es zum Beispiel im Titel erkennbar. Seibert: Der Aphorismus im Salon. In: P. S.: Der literarische Salon. 1993, S. 258.

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noch fünfzig Jahre zuvor: „Man wird mir vielleicht einen Vorwurf daraus machen, daß ich von einem so bedeutenden Schriftsteller ausgezogene ,Aphorismen', also Bruchstücke gebe". Zur Rechtfertigung behauptet er unter Berufung auf Brandes kühn: „Stendhal hat in Wahrheit Aphorismen geschrieben"36. Erst auf diesem Hintergrund wird es verständlich, daß für den ersten Bestimmungsversuch der Germanistik, Meyers „Aphorismus"-Paragraph in seiner „Deutschen Stilistik" von 1906, das Zitat (neben dem Sprichwort) „die zweite Vorschule des Aphorismus" 37 ist. Erst für die Sammlung aus Eigenem und Zitiertem in Hofmannsthals „Buch der Freunde" verbietet sich die übergreifende Bezeichnung „Aphorismus", aber noch 1934 bezeichnet Josef Nadler eine Auswahl aus dem Werk Bahrs im Vorwort unbekümmert als „Aphorismen"38. Schließlich ist die Anmerkung als Marginalie zu einem Aphorismus Ausgangspunkt der gattungsinternen Rezeption, des Gesprächs der Aphoristiker über die Zeiten hinweg; Steland spricht geradezu von „Randglossen-Aphorismus"39. Pollaks „Aphorismen und Marginalien" spielen genau darauf an40. Die Tatsache, daß sich von Beginn an exzerptnahe und nachträglich aus einem Zusammenhang gelöste Texte in den Begriffsrahmen einfügen, spielt auf ein zentrales und oft diskutiertes Problem bei der literaturwissenschaftlichen Definition des Gattungsbegriffes an. Helmich folgt „Frickes rigoroser Ausschließung solcher Texte aus dem aphoristischen Korpus"41 nicht, sondern bemüht das weit gefaßte Kriterium der Autorintention. Und in der Tat spricht vor dem begriffsgeschichtlichen Hintergrund einiges dafür, auch solche „Aphorismen" in Begriff und Gattung einzubeziehen, wenn der Autor die Herauslösung selbst vorgenommen oder autorisiert hat, weil er ihnen damit eine andere Bedeutung und Funktion zuweist. Er entscheidet, daß diesem Satz ein Isolation ertragendes Potential innewohnt und legt ihm das Gewicht isolierter Lesart auf, mutet und traut ihm also die kontextlose Rezeption zu. Das beste Beispiel für einen solchen Autor, der eigene Sätze herauslöst und als Aphorismen legitimiert, ist Kraus, schon mit seinen ersten Aphorismen, die 36

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Rüttenauer: Aphorismen aus Stendhal über Schönheit, Kunst und Kultur. 1901, S. XXIIIf. Meyer: Aphorismus. In: R. M. M.: Deutsche Stilistik. 1906, S. 157 Bahr: Mensch, werde wesentlich. 1934, S. 4. Steland: Chamfort in der Schule des „Essay on Man". In: Floeck, Steland, Turk: Formen innerliterarischer Rezeption. 1987, S. 53-58, hier S. 56. Der Zusammenhang ist in Titel oder Untertitel bis in die Gegenwart gewahrt: bei Friedl Beutelrock („Am Rande vermerkt", 1955), Willy Reichert („Randbemerkungen eines Viertels-Philosophen", 1963), Christine Boll („Aphoristische Randbemerkungen", 1964), Jürg Moser („Randbemerkungen", 1977), Richard Salis („Marginalien", 1987). Helmich: Der französische Aphorismus. 1991, S. 15.

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aus Exzerpten seiner Briefe an Bertha Marie Denk entstehen. (Davon auch begrifflich zu unterscheiden, als aphoristische Exzerpte oder Sekundäraphorismen etwa, sind die von Editoren aus dem Nachlaß entnommenen sogenannten „Aphorismen".) Während das begriffsgeschichtliche Verhältnis des sich als Gattungsbegriff herausbildenden „Aphorismus" zu Epigramm, Apergu und Zitat ein Vorgang allmählicher Ausgrenzung oder Einfriedung kennzeichnet und der gewissermaßen quer dazu stehende „Tagebuch"-Begriff von einer vagen Teil-Uberlagerung bestimmt ist, kommen für Maxime, Sentenz, These und Fragment andere Überlegungen hinzu. Sie entwickeln sich, teils älteren Ursprungs, am Rande des „Aphorismus"-Begriffes als Verselbständigungen eines der semantischen Merkmale, die insgesamt geeignet sind, seine Mitte zu beschreiben. Die These kann aus dieser Perspektive als die Spezialisierung und Akzentuierung von Skizze und Experiment angesehen werden, das Regelhaft-Normative von Sentenz, Spruch und Maxime erwächst aus Lebensweisheit und Menschenkenntnis aufgrund von Selbst- und Menschenbeobachtung als seinem zentralen inhaltlichen Merkmal, im Fragment gewinnt das Abgebrochene, Abgerissene Eigenwert, wie es im „Aphorismus"-Zusammenhang als das Verhältnis von Vereinzelung und System immer wieder gesetzt und diskutiert wird.

II. Die semantische Mitte des Begriffes 1. Lebensweisheit und Menschenkenntnis „Aphorismen" haben im 18. Jahrhundert grundsätzlich mit dem zu tun, das in diesen Jahrzehnten unter Begriffen wie Lebensphilosophie oder Anthropologie im Zentrum des intellektuellen Interesses steht und sich als moralistische Welt- und Menschenkenntnis begreifen läßt. „Formal und strukturell" lassen sie sich nicht, wie Schröder eindeutig feststellt, als eine „Klasse von Texten" abgrenzen. Diese inhaltliche Bestimmung, die für die Begriffszuordnung anfänglich ausschlaggebend ist, steht als allgemeine „Lebensweisheit" neben den sich stärker herausbildenden formalen Aspekten durchgehend im Zentrum des „Aphorismus"-Begriffes. Als Menschen- und Selbstbeobachter gehört Morgenstern für Lovecek unter die Lebensphilosophen; „Lebensweisheit" heißt ein Kapitel seiner „Stufen"; und ein „tiefsinniges Aphorisma" empfindet auch Hofmannsthal noch als Gefäß einer ganzen „Lebensweisheit". Die gesamte hippokratische Tradition ordnet sich zunächst hier ein, insbesondere durch die Integration von Naturwissenschaft einerseits,

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Philosophie, Psychologie und Lebenserfahrung andererseits, die die philosophischen Arzte zu leisten bemüht sind und die die Grenzen zur Literatur weit öffnet. Die ,science morale' der älteren französischen Moralistik und die ,science' der neueren Anthropologie in Platners Sinne sind über den gemeinsamen Gegenstandsbereich weitgehend ununterschieden. Von dem Wissenschaftler Platner, dessen „Aphorismen" die wichtigste Ubergangsstelle markieren, laufen nicht nur Verbindungslinien zu dem literarisch-aphoristischen Werk Jean Pauls und Novalis'; auch Seumes und noch Platens Aphorismen sind aus dieser Tradition der Menschenkenntnis, vermittelt durch ihren Lehrer Platner, zu verstehen. Wenn Cantarutti „als das ausschlaggebende Moment für die Wahl der aphoristischen Schreibart bei Platner" „das Faktische bzw. Historische in Opposition zum Spekulativen"42 erscheint, so spricht Görres' Rezensent ganz in demselben Sinne davon, daß dessen „Aphorismen", „der Spekulation fremd", sich grundsätzlich von dem Muster der Schulphilosophie unterschieden. Nudows „Aphorismen über die Erkenntnis der Menschennatur" gehören von Hippokrates her so gut dazu wie Friedrich Schulz' aus der Verbindung zur französischen Aphoristik zu verstehende „Aphorismen aus der höhern Welt- und Menschen-Kunde", Lavaters aus pietistisch-psychologischen Interessen erwachsende „Regeln zur Menschenkenntnis" so gut wie der Unterstrom einer lebensphilosophischen Literatur, für die etwa Feiners „Fragmente über den Menschen" stehen und für die Schröder als festen Bestandteil der Produktion die Verbindung von Erfahrung und Beobachtung konstatiert43, damit gleichermaßen den Abstand solcher populärwissenschaftlicher Bemühungen zu den Methoden herkömmlicher Philosophie betonend. Brandes verknüpft diese Literatur der Menschen-Kunde mit der Moralistik, auch Bouterwek akzentuiert die auf dem Bemühen um Menschenkenntnis beruhende Gemeinsamkeit, Klingers Vergleich zwischen ästhetischer und Weltbildung, zwischen Moralisten und Ärzten reiht sich in diese Tradition ein. Lichtenberg ist in seiner Selbstbeobachtung für Requadt ein „Lebensphilosoph" in diesem Sinne. Von solcher „Lebensweisheit" und „Menschenkenntnis" handeln Anthologien wie die 1819 gesammelten „Aussprüche" „Triumph der Lebensweisheit", die „Akkorde deutscher Classiker über Philosophie des Lebens" (1820) oder die Sammlung des Lafontaine-Verehrers, der die „praktische Lebensweisheit" des Verehrten bündelt und auch über seine didaktische Ausrichtung den Zusammenhang mit der älteren Popularphilosophie so 42

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Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). In: Cantarutti, Schumacher (Hg.): Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. 1986, S. 91. Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976, S. 153.

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gut erkennen läßt wie die Verschiebung ins Literarische. Auf diese „Lebensweisheit" beruft sich Friedrich Schlegel in Bezug auf Chamfort, diese „Lebensphilosophie" hat der Bruder August Wilhelm bei Chamfort im Sinn, es ist auch die praktische Philosophie der „Lebensregeln" Philippine Knigges. Unübersehbar ist der Zusammenhang in Kotzebues „Preziosen für Wiz, Verstand und Herz" „aus dem Gebiete der Lebensfilosofie, Natur- und Menschenkenntniß"; Bührlens Aphorismen gehören für den Autor „zum großen Festlande der Lebensphilosophie". Das „Ungefachte" seines „Aphoristischen Taschenbuches", das neben dem aphoristischen Kernbereich der Lebensweisheit und Menschenkenntnis seine Beiträge aus nahezu allen Wissenschaften schöpft und in der wissenschaftlichen Orientierung seiner Begrifflichkeit mehr und mehr anachronistisch wird, muß Anton Fähnrich 1842 vehement verteidigen. Die „Lebensweisheit", die er propagiert, versteht sich im Sinne der Popularphilosophie des 18. Jahrhunderts und mit einem besonderen Akzent gegen eine einseitige „Stubengelehrsamkeit". Aus formalem Blickwinkel zu Recht ist an der Terminologie von Schopenhauers „Aphorismen zur Lebensweisheit" gerätselt worden, bis er für Fricke, in dessen normativem Definitionsversuch nicht anders möglich, schließlich schlicht „alles andere als Aphorismen" geschrieben hat. Auf dem Weg zu einem angemesseneren Verständnis befinden sich da wohl Krupka, der eine inhaltliche Erklärung für die praktisch verwendbare Lebensweisheit' dieser „Aphorismen" sucht, und Fedler, der einen älteren Aphorismus-Begriff vermutet. Schopenhauers Terminologie ist in Verknüpfung mit der Ubersetzungsarbeit an Graciän aus einer moralistischen Literaturtradition praktischer Selbst- und Welterkenntnis, der popularphilosophischen Aphoristik des 18. Jahrhunderts, heraus zu verstehen. Den zeitgenössischen Rezensionen ist der Zusammenhang mit einer „Philosophie des Lebens", „anthropologisch, psychologisch, ästhetisch", die „rein praktische Belehrung" solcher „Lebensphilosophie" noch deutlich. Und die Brücke von der „Lebensphilosophie" des ausgehenden 18. zur „Lebensweisheit" des ausgehenden 19. Jahrhunderts bildet unter diesem engen terminologischen Blickwinkel auch Grillparzer. Im Hintergrund seiner Tagebuch-Aufzeichnungen scheint er sich eines solchen Zusammenhanges bewußt. Kainz stellt ja explizit fest, daß der Ausdruck .Lebensweisheit' bei ihm als Wechselbegriff zum Terminus ,Lebensphilosophie' erscheint. Der Wandel innerhalb derselben Grundvorstellung läßt sich am besten bei Oertzen erkennen. Als formulierte Lebenserfahrung sind die „Aphorismen" für ihn einerseits die Ausdrucksform praktischer Philosophie: „Der Sinnende über Menschenbeobachtung und Lebenserfahrung leidet und denkt praktisch". Andererseits wird die „Menschenkenntnis" nur noch rhetorisch umspielt, nicht nur auf die eigene Klasse beschränkt und

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als Leiden (auf-)gewertet, sondern vor allem auch ins Irrationale, Innerliche, Bekenntnishafte verschoben. Diese „Veredlung des Herzens", wie es schon 1855 bei Knobloch heißt, führt zu einer Aphoristik der Innerlichkeit, zur Lebens„kunst" und zu einer Literatur konkret verstandener Lebenshilfe. Nebenher und auch damit zusammen geht ein anderer Aspekt: Als „Schatz" wie in den Anthologien von Hoddick, Brodtbeck oder Führer werden diese „Aphorismen" von ihrem Gebrauchswert als quasi-religiöse Erbauungstexte bürgerlicher Bildungsfrömmigkeit her verstanden. Sie sind als „Konversationslexikon der Lebenserfahrung", wie Sirius formuliert, ä la Büchmann käuflich und nachschlagbar, dazu ,griffig' - man darf vielleicht sagen: be-griffig - zitierbarer Stammbuch-Eintrag. Die populären Autoren aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts wie Kotzebue mit seinen „Preziosen" für „Verstand und Herz" gehen dem vorauf. „Die Träne ist das Siegel der Herzensbildung", heißt es in Kunads Aphoristik deutscher Innerlichkeit. Schmerz und Herz: das bedeutet nach Schopenhauer - die Akzentuierung des Leids so gut wie die des Herzens gegen die rationale Einseitigkeit der Philosophie. Ganz auf Schmerz und Leid ist die „Menschenkenntnis" Bahnsens gegründet, nur als Ausdruck bitterer Lebenserfahrung läßt sich der Begriff in Olfers' Gedichten verstehen. Roderich denkt „Fürs Herz", „nur aus bewegtem Herzen" kann Ehrlich „einen lebendigen Fang tun", Linke teilt gar arglos „unmittelbare Herzensergüsse" mit, und in der Nähe solcher Ideologie steht noch Isolde Kurz' „Aus der Welt des Herzens". Carmen Sylvas „Aphorismen" verstehen sich als Trostliteratur deutscher Innerlichkeit, Leixners „Beiträge zur Menschenkenntnis" fordern um den Autor als „Herzensforscher" herum eine idealistische Gemeinde. Solcher realitätsfernen Menschenkenntnis, die sich auf Herzenskenntnis zurückgezogen hat, durchlöchert Weiß ihren „Schirm der Lebensweisheit". Er hält ihr seine materialistisch fundierte, zynisch-moralistische Aphoristik entgegen und desillusioniert diese lebensfremd gewordene, nur noch literarisch behauptete Aphoristik des Herzens aufs gründlichste und gnadenlos witzig. Unabhängig davon und ungeachtet der Begriffsentwicklung in die Literatur hinein betrachtet der Philosophieprofessor Marcus um die Jahrhundertwende unter Berufung auf die Miszellen des 18. Jahrhunderts seine „vorwiegend wissenschaftlichen" Aphorismen wie „diejenigen mehr poetischer Färbung" immer noch als eine spezielle fachliche Schreibart. 2. Vereinzelung und System Der Ausgangspunkt für die Aphoristik bei Erasmus und Bacon ist die Loslösung vom System der Scholastik. Das Anti-Systematische gehört also von Anfang an zum Kern der Semantik des „Aphorismus"-Begriffes.

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Insofern ist die „Fixierung auf ein ,System'" keineswegs „obsoleten Positionen des nachkantischen deutschen Idealismus verhaftet" 44 , und wir müssen Frickes Rat entschieden ausschlagen, „diesen nebulosen Begriff zu Entzugszwecken einmal für wenigstens 50 Jahre aus der AphorismusForschung zu verbannen" 45 . Ganz im Gegenteil lassen sich aus der Erörterung dieses Gegenbegriffes schlechthin unvergleichliche Aufschlüsse für die Geschichte des Begriffes „Aphorismus" gewinnen. Zu beobachten ist dabei eine in der Essenz überzeitlich wirksame Argumentation auf der einen Seite, eine bemerkenswerte historische Entwicklung auf der anderen Seite. Wie das Verhältnis von Vereinzelung und System mit Randbegriffen, dem Fragment, aber auch der These zusammenhängt, so bestehen auch komplementär enge Verbindungen zum Merkmal des Konzentrates und zur Rezeptionsverwiesenheit innerhalb der semantischen Mitte des „Aphorismus"-Begriffes. Nicht zuletzt diese Ausstrahlung nach verschiedenen Seiten dokumentiert die Bedeutung dieses Verhältnisses. Wo die Frage ansteht, ob das Aphoristische als defizient gedacht werden müsse oder nicht, ist eine Rechtfertigungshaltung die Regel, die es in extremer Form als das Lebendige und Natürliche verteidigt und hervorhebt. Im,Unsystematischen' schwingt ja schon von der Formulierung her ein sekundärer so gut wie ein negativer Aspekt mit. In psychologisierender Metaphorik könnte man in der Folge von einer überkompensierenden Hypertrophierung sprechen, die mit dem Wachsen der Gattung in ihrem Mittel- und Unterbau in der Form einer gewissermaßen ideologischen Fixierung einhergeht. Was die historische Entwicklung betrifft, so herrscht dabei anfänglich nur die Vorstellung, es handle sich beim „Aphorismus" um eine Gegen-Methode. Mehr und mehr stellt sich dann ein dialektisches Verhältnis zwischen dem verbindungslos Vereinzelten und einem irgendwie gearteten, als „System" verstandenen Zusammenhang heraus, eine Entwicklung, wie sie schon beim Regel-Begriff zu beobachten war. Damit ist in wachsendem Maße zwischen Verbindungslosigkeit und Zusammenhang(losigkeit) zu unterscheiden. Zwei Aspekte werden dabei in unterschiedlicher Weise akzentuiert und zuweilen auch angemessen miteinander verknüpft. Das nicht mehr in einem System Verbundene leitet die Vorstellungen in Begriffen wie Abgerissenheit, Abgebrochenheit oder Losgelöstheit, das noch nicht als System Verknüpfte liegt Begriffen wie Verstreutheit oder Unverbundenheit zugrunde: das Ganze, das war oder sein wird. Für beide Akzentuierungen noch offen sind die „Brocken", die „verstreuten Zeugnisse" Bacons. Ihn als Anti-Systematiker zu verstehen, hält

44 45

Fricke: Aphorismus. 1984, S. 4. Ebd. S. 3f.

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Neumann schon für „ungenau". Vielmehr komme es diesem auf eine neue, .offene' Ordnung an.46 Im übrigen spielt der Gesichtspunkt bei ihm wie in der Folge auch in den Enzyklopädien von Zedier und Gottsched eine mindere Rolle gegenüber einer Vorstellung besonderer Essenz. Bei Platners Nähe zu Bacons „Aphorismus "-Vorstellungen ist es nicht verwunderlich, wenn auch in Bezug auf ihn das Verhältnis des „Aphorismus" zum System bedacht wird. Jean Paul, der, undialektisch, einen starren Gegensatz zwischen beidem sieht, kann nur kommentarlos feststellen, Platner gebe „unter dem Namen Aphorismus ein wirkliches System", und leistet damit den Auffassungen entscheidenden Vorschub, die die Verwirrung energisch lösen, indem sie manchen Autoren die Berechtigung einfach absprechen, den Begriff „Aphorismus" für ihre Texte zu verwenden. Sachgemäßer, weil weniger klassifikatorisch streng denkt da ein Literaturwissenschaftler wie Pfotenhauer, der die Anthropologie des 18. Jahrhunderts untersucht und in diesem Zusammenhang von Platners aphoristischem Stil „ohne systematische Trennungen und Hierarchisierungen" spricht. Kosenina behandelt dessen „Konzept der aphoristischen Darstellung" unter Bezug schon auf Spazier, dann aber auf Schmidt-Biggemann, der für die „Philosophischen Aphorismen" von einer „Prosaform des zerbrochenen Systems"47 ausgeht, geradezu als eine „Form der Systemkritik"48. Ein zweites läßt sich an Platners Darstellungsweise in Paragraphen als Anti-Systematik anschließen.,Abgebrochen', ,unverbunden', das bedeutet konkret: in Abschnitten, zuweilen mit Uberschriften versehen, numeriert, in Form einzelner Paragraphen. Das so verstandene Anti-Systematische läßt sich eindeutiger bestimmen als das viel diskutierte und oft zu Recht kritisierte Merkmal der Kürze. In dieser Haltung gegen Dogmatismus und System ist ein wesentlicher Bestandteil der semantischen Mitte des „Aphorismus"-Begriffes zu suchen. Die Vorstellungen wachsen dabei aus den mit dem „Fragment" gemeinsamen Randbezirken in das Zentrum des Begriffes hinein. Im Zusammenhang der „Fragmente" und „Aphorismen" der Welt- und Menschenkenntnis des 18. Jahrhunderts will Knigge „kein vollständiges System, aber Bruchstücke" geben. Hamann, der schreibt: „Systems bin ich nicht gewachsen", und Herder („In einem Samenkorn liegt oft ein System") sind vor allem als Vordenker des romantischen Fragments zu sehen. Friedrich Schlegel schließlich umspielt das Verhältnis von Vereinzelung und Systematik in seiner Theorie des romantischen Fragments ständig und verschärft es paradox („Auch das größte System ist doch nur Fragment"). 46 47

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Vgl. Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 46. Schmidt-Biggemann: Maschine und Teufel. Jean Pauls Jugendsatiren nach ihrer Modellgeschichte. 1975, S. 60. Kosenina: Ernst Platners Anthropologie und Philosophie. 1989, S. 45.

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Lassen sich von daher die ästhetischen Reize, die Mautner schon bei Boerhaave 1709 an der Form wahrzunehmen meint, etwa konkreter mit dem Begriff des - wie System und Systemlosigkeit so auch Kunst und Wissenschaft vermittelnden - „Witzes" in Verbindung bringen? Ohne die gewaltigen Unterschiede in der jeweiligen Konzeption von „Witz" einebnen zu wollen49, ist es jedenfalls auffällig, wie oft er in diesem Zusammenhang bemüht wird, und eines Exkurses wert, auch wenn es dabei zunächst nur bei der Bereitstellung von Materialien bleiben kann. Sicher hat der „wissenschaftliche Witz" Friedrich Schlegels eine ganz besondere Rolle in seiner umfassenden Integrationsbemühung, gewiß sind seine „witzigen Einfälle" deshalb auch von einzigartiger Bedeutung. Aber auch sein Bruder bringt den „Witz", gemeinsam mit Erleben und Nachdenken, in engsten Zusammenhang mit dem „Aphorismus"-Begriff. Selbst bei Gottsched ist im Zusammenhang mit „Einfällen", wohl weniger als „eine frühe Theorie des Aphorismus", wie Knauff meint50, sicher aber in der Vorgeschichte der Gattung anzusiedeln, von dem „witzigen" Kopf die Rede. „Für die Verbindung zwischen beiden, zwischen Literatur und Lebenspraxis, sorgt schließlich der ,Witz': Er nimmt das Ahnliche wahr, er vergleicht beständig zwischen Fiktion und Wirklichkeit"51. So etwa ist mit Schulte-Sasse der Berührungspunkt zu beschreiben. Witzige Kombination: das bedeutet für Lichtenberg: „mit Ideen experimentieren", „das Unerwartete und das Seltsame in der Verbindung der Ideen" (J 529) erkennen. Schon sein erster Rezensent Schleiermacher spricht von den „witzigen Wendungen" in dessen Bemerkungen, geradezu ein Klischee der Beschreibung, bis zu „dem höchst originellen Witz", den Fick um 1880 seinem selbsternannten Vorgänger bescheinigt. Witz als Erkenntnisprinzip: das konstatiert Kosenina bei Jean Paul als dasjenige, das diesen mit seinem Lehrer Platner verbindet, dessen „witzigexperimentierende" Schreibweise aus einem ganz anderen Kontext heraus auch Pfotenhauer erarbeitet. Seibert schließt den Salon Rahel Varnhagens „als Ort,witzigen', aphoristischen Denkens"52 an die Salons der französischen Moralistik und deren ,esprit' an. Nach der Jahrhundertmitte ist die Verflachung im Verhältnis von Witz und Aphorismus, von Saphirs „Humoristischen Vorlesungen" und Stettenheims Witzblatt „Die Wespen" aus, vor allem an den „Gedankensplit-

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50 51

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Vgl. Best: Der Witz als Erkenntniskraft und Formprinzip. 1989 und Verf.: Literarische Kleinformen. In: Brunner, Moritz (Hg.): Literaturwissenschaftliches Lexikon. 1997, S. 189-194. Knauff: Lichtenbergs Sudelbücher. 197^ S. 15. Schulte-Sasse: Poetik und Ästhetik Lessings und seiner Zeitgenossen. In: Deutsche Aufklärung bis zur Französischen Revolution. 1980, S. 304-326; hier: S. 308. Seibert: Der Aphorismus im Salon. In: P. S.: Der literarische Salon. 1993, S. 262.

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tern" im witzigen Kontext der „Fliegenden Blätter" nachzuvollziehen, der Wandel vom „Witz" zu deren „Humor" zu begreifen, von Spittelers „Lachenden^Wahrheiten" zu Sirius („Witz ist glitzernder Schaum der Oberfläche, Humor ist die Perle aus der Tiefe"53) und Otto Weiß, bei dem Erkenntnis („Witz, dem der Ernst fehlt, ist Spaß"54; „Der wahre Witz ist der, der etwas aufklärt"55) und Literaturhandeln extrem auseinanderlaufen. Für das 20. Jahrhundert bezeichnen das Verhältnis die Neubewertung durch Kraus urld Schröder. Gerade auf Witz und Satire konzentriert ist Kraus' Aphorismus-Vorstellung: „Der Satiriker kann nie etwas Höheres einem Witz opfern; denn sein Witz ist immer höher als das was er opfert. Auf die Meinung reduziert, kann sein Witz Unrecht tun; der Gedanke hat immer Recht. Er stellt die Dinge und die Menschen so ein, daß keinem ein Unrecht geschieht". Der Theoretiker Schröder steht ihm zur Seite, der seine Aphorismen „Zum Begriff des Witzes" so beginnt: „Witz ist ehrwürdig, insofern er ein Spiel der Phantasie, verwerflich, insofern er ein Spiel mit dem Unleidlichen ist. Auf diesem schielenden Verhalten beruht seine Wirkung sowie seine Verwandtschaft mit dem bloss Lächerlichen, das ebenfalls auf der Vermengung des Erwünschten mit dem Unleidlichen beruht. Das Verhältnis dieser Mischung bestimmt ihren Karakter auch nach der sittlichen Seite"56.

Kann der verbindende und vermittelnde Witz hier überhaupt nur gestreift werden, so erfordert das scheinbar offensichtlich Defiziente des unsystematisch Vereinzelten, wie es speziell in „nur" häufig formuliert ist, eine sehr differenzierte Betrachtung. Der pragmatische wie der syntaktisch-semantische Zusammenhang sind dabei zu beachten. Leibniz akzentuiert es („ne ... que") eindeutig als ein Nicht-mehr („detachee"). Bei Goethe ist zumeist ein Kontext um Entschuldigung nachsuchender brieflicher Kürze zu berücksichtigen. Bei August Wilhelm Schlegel ist die Einschränkung durch einen andersartigen Ersatz, das „nur" durch ein „aber" relativiert. Wenn in Görres' „Aphorismen" „nur das Allgemeine ausgeführt, nur das Notwendigste zur Ausführung der Umrisse" gegeben wird und Dyroff zu dem „verwunderlichen Titel" bemerkt: „Görres gibt hier doch ein System", so löst sich die Verwirrung auf dem Hintergrund der zeitgenössischen Vorstellungen. Schmidts Rezension spricht von „bloßem Hinstellen allgemeiner Sätze ohne scientifische Begründung", das vom „Muster der Philosophie ganz entfernt" sei, und Hegels Rezension der „Aphorismen" Göscheis ist zur weiteren Klärung hilfreich, wo sie ihren Gegenstand ei-

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Sirius: Tausend und Ein Gedanken. 1899, S. 105; vgl. ebd. S. 177 et pass. Weiß: So seid Ihr! 2. Folge. 1909, S. 104. Ebd. 1. Folge. 1907, S. 110. Schröder: Zum Begriff des Witzes. In: Neue deutsche Beiträge 1, 1923, H. 2, S. 132.

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nerseits „nicht in die förmlichere Methode der systematischen Wissenschaft" gefaßt, andererseits aber doch „in gründlichem Zusammenhang" sieht. Das (scheinbar) Defiziente kann als Abwertung gelten, wie es in der Bewertung der Lichtenberg'schen „Sudelbücher" durch eine konservativvorsichtige Literaturgeschichtsschreibung zu beobachten ist, es kann neutrale Beschreibung sein wie in der „Deutschen Encyclopädie" 1778, wo es heißt, daß in der aphoristischen Schreibart „die meisten Gedanken nur halb gezeigt" werden. In Verbindung mit dem „Kern"-Gedanken kann sich die Bewertung dort ins Positive wandeln, wo dieser - vielleicht absichtlich und prononciert - unscharf gedacht ist: Der Autor der „Aphorismen zur Musik" bekennt im Vorwort, es sei ihm „nur um den Kern, nicht aber um die Schale der Frucht" zu tun. Bei Feuchtersieben wird das „nur" Zweitrangige, Defiziente in einem superlativischen Kontext vollends in sein Gegenteil verkehrt („das beste Wissen doch nur aphoristisch") und bewegt sich von hier aus in eine geradezu exklusive Richtung: „Was einzeln durch die Nebel bricht, / Läßt sich nur aphoristisch sagen". Von einem unverbindlichen Ausgangspunkt her („Man kann nicht alles aphoristisch, nicht alles systematisch sagen") denkt und formuliert er die „Relativität" des Systems immer genauer. Selbstbewußtes Konstatieren ohne Ton des Bedauerns hören wir aus Hebbels brieflichem Bekenntnis: „Ich kann mich eben nur aphoristisch äußern". Wenn Schopenhauer den „Paränesen und Maximen" vorausschickt: „Ich habe bloß gegeben, was mir eingefallen ist", dann steht das in einem Kontext, der das Nicht-Vollständige der Skizze als das Nicht-Langweilige verteidigt, und ist naturhaft spontan verstanden. Vorausweisend und prägend ist Lichtenbergs System-Begriff. Requadt entfaltet das „Meinungs-System" der Sudelbücher und schließt: „Die Einheit der Gedankenbücher besteht weder in der Geschlossenheit eines objektiven Systems noch eigentlich in dem stofflichen Zusammenhang [. ..], sondern in dem Ich des Schreibenden"5-! Auf der Ebene des Wörterbuches und des Konversationslexikons bildet sich das fortschreitend ambivalent Verstandene im Verhältnis des nicht mehr zusammenhängenden Abgerissenen oder noch nicht Verbundenen als „Aphorismus" zu einem systemhaften Ganzen exakt ab. (Die einleitende Bemerkung von den in diesem Kontext zu gewinnenden unvergleichlichen Aufschlüssen hat hier eine besondere Stütze.) Schon in der „Deutschen Encyclopädie" von 1778 ist zweimal in einer jetzt durchsichtig gewordenen Einschränkung von Sätzen „ohne äusser-

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Requadt: Lichtenberg. 2. Aufl. 1964, S. 154.

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liehe Verbindung" und von einer Schreibart „ohne in die Augen fallende Ordnung" (Hervorhebung von mir; F. S.) die Rede. Während bei Adelung 1811 und Campe 1813 mit den Bestimmungen „abgebrochen" einerseits, „nicht gliedermäßig verbunden" andererseits noch nur kurz je einer der beiden Aspekte Nicht-mehr und Noch-nicht durchscheint, verbinden sie sich bei Kaltschmidt 1834 trotz aller Kürze schon („abgerissen", „abgebrochen", „unverbunden"). Krug schließt zum einen an die „Deutsche Encyclopädie" an, wenn er „keinen genauen innern Zusammenhang" (Hervorhebung von mir; F. S.) erkennen will, zum andern folgt er Campe und fordert, konservativ auf die ältere Lehrbuch-Bedeutung bezogen: „So müssen auch dergleichen Aphorismen genauer zusammenhangen". Erstaunlich genau belegt schließlich das Konversationslexikon um die Mitte des Jahrhunderts, daß die Beziehung von System und „Aphorismus" zu dieser Zeit als eine nicht-kontradiktorische verstanden wird. Meyer definiert „Aphorismen" 1842, Krug folgend („wenigstens nach dem Augenscheine") als „Lehrsätze, welche wenigstens scheinbar keinen Zusammenhang haben", und der Brockhaus erweist seine Qualität als das große Universallexikon, das den Wissensstand seiner Zeit zusammenfaßt, am Detail, der Auffassung des Nicht-Systematischen innerhalb des „Aphorismus"-Begriffes: Heißt es 1830: „wobei ein innerer logischer Zusammenhang in hohem Grade stattfinden kann", so integriert er 1851 nicht nur beide Aspekte, „abgerissen" und „nicht gliedermäßig verbunden", sondern läßt auch mit „Lehrsätze oder Lehrsprüche" die Begriffsverschiebung und -Verengung erkennen. Er bringt mit seiner Einschränkung: „wobei jedoch die innere logische Ordnung gewahrt bleiben [...] muß" auch eindeutig zum Ausdruck, was sich konkret hinter der Dialektik von Aphorismus und System verbirgt: daß es eben eine gedankliche Nachlässigkeit wäre (wie sie weite Teile der Aphorismus-Geschichte, zumal ihre schwächeren, kennzeichnet), (äußere) Verbindungslosigkeit und (innere) Zusammenhanglosigkeit zu verwechseln. Der Gedanke eines inneren Zusammenhanges des äußerlich Unverbundenen ist dabei nicht auf die bloß thematische oder auf eine gedankliche Einheit beschränkt. In seinen „Betrachtungen und Gedanken" gibt sich Klinger Rechenschaft darüber, „warum ich diese Gedanken und Empfindungen bei meinem Leben drucken lasse". Er habe „einen besondern Grund. Ich möchte nicht gern, daß man sie nach meinem Tode in Kapitel oder bestimmte Rubriken einteilte und sie so zum regelmäßigen Buch machte, das sie gar nicht sein sollen". Und kurz darauf deutlicher: „Es läuft doch [...] ein einziger Geist und Sinn hindurch". Wenn er fortfährt: „den soll der Leser nun selbst ausfinden, wenn es ihm der Mühe wert scheint", so zeigt sich schon hier, daß sich konzentrierte Vereinzelung und Rezeptionsverwiesenheit komplementär verhalten. Denselben Gedanken drückt Börne schlicht so aus: „Diese abgerißnen Sätze stehen

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in geheimer Verbindung"; Menzel behauptet - die ästhetische Reflexion dominiert die literarische Praxis den Gedanken seines Buchs liege „allen eine Einheit, nämlich eine poetische zu Grunde". Feuchtersieben geht davon aus, daß den Gelehrten „der Begriff eines organischen Ganzen" fehlt und sie „innern und äußern Zusammenhang" verwechseln, weshalb er gegen solche falsch verstandene Systematik für seine Aphoristik auf dem Gedanken eines Organischen („die Geburten des Momentes") besteht. Schopenhauer geht selbstverständlich von der „Einheit der Ansicht, welche die Seele der Werke dieser Art ist", aus. Koch und Margolius akzentuieren das bis hin zur Formulierung: ein Schulbeispiel dafür, „daß System und Aphorismus sehr wohl zusammengehen". Gottschall erkennt „in Schellings geistvollen Aphorismen ein Uberwinden systematischer Einseitigkeiten". Bei Auerbach hingegen kokettiert die fiktive Figur des Collaborators im Vorwort: „Habe nicht Haus, nicht Hof, nicht einmal das Luftschloß eines Systems, habe aber vielerlei aufgesammelt", „System" und Aufgesammeltes dabei im älteren Sinne in striktem Gegensatz denkend. Für das impressionistische Zeitgefühl, für das Essay und Aphorismus „Kinder ihrer Zeit" (Goldschmidt) sind und das sein Stilideal also im „bewußt unsystematischen Buch" (Hermand) findet, mögen als Zeugen Otto Weiß („Es gibt Denker, denen ein System fehlt, und Systeme, denen ein Denker fehlt") und Peter Altenberg stehen: „Erkenntnisse in ein System bringen ist, einige wenige lebensfähige Wahrheiten in einem Meer von Lüge ertränken wollen!" Weniger pathetisch, dafür wertvoll in seiner kritischen Ambivalenz erkennt Mongre die „Kriegserklärung an alles System" im zeitgenössischen Buch auch als Zeitmangel, ehe er sich an eben diesem „Krieg" beteiligt. Eine krasse Ausnahme in diesem Stimmenensemble bildet der Hochschullehrer Marcus, der ganz im alten Sinne meint, daß seine Aphorismen „ihrem Lehrgehalt nach an die systematische Darstellung niemals heranreichen". Für Nietzsche ebenso wie in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit ihm und in seiner aphoristischen Rezeption beherrscht das Verhältnis von Aphorismus und System geradezu die Diskussion, in allen Spielarten, von scharfer Herabsetzung bis zu maßloser Übersteigerung. Zunehmend gewinnt dabei der Gedanke des Nicht-Systematischen als des Natürlichen Bedeutung. Er liegt nicht nur Feuchterslebens Argumentation zugrunde, er scheint schon bei Kotzebues „Preziosen" durch, die „wie in einem schönen Garten, ohne künstliche ordnungsgemäße Reihenfolge" versammelt sind; Fähnrich greift dieselbe Metaphorik auf, wenn er die Geschichte vom „Gärtnermädchen beim Straußwinden" erzählt, um das fraglos Naturhafte seiner Aphoristik klarzumachen und zu rechtfertigen, daß er seine „Aphorismen" mitteilt, „so wie sie zufällig von den verschiedenen Zweigen des Erkenntnißbaumes fielen".

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Nietzsche will „die Thatsache, wie uns unsere Gedanken gekommen sind, nicht verhehlen und verderben". Ein mechanisches „Machen" und ein lebendiges „Werden" stehen einander gegenüber: „Ich will keinen Autor mehr lesen, dem man anmerkt, er wollte ein Buch machen; sondern nur jene, deren Gedanken unversehens ein Buch wurden"58. Für ihn selbst klärt sich die Ambivalenz am ehesten in seiner Differenzierung von „Stücken", die er geben müsse, und bloßem „Stückwerk", während bei seinen Rezipienten der Aphorismus im Mittelpunkt steht, der sich durch die Apodiktik seines moralischen Urteils anbietet: „Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit". Solche Wucht polarisiert. Für die anfängliche Aburteilung im Geiste klassisch-systematischer Philosophie sei an die pejorativ verstandenen „Trümmer" und „Bruchstücke" bei Riehl oder an Paul Ernst erinnert: „Von einem System im Denken keine Spur". Auf der anderen Seite steht die Mythisierung des „Aphorismus", der „aus der Tiefe der Persönlichkeit mit innerer Notwendigkeit" fließt (Joel), zu etwas Lebendig-Natürlichem. Den Aphorismus als eine Naturform der Diskussion zu entheben, das ist auch Bergs Anliegen. „Die natürliche Form des Denkens ist aphoristisch" und: „Alles Denken geschieht aphoristisch", dekretiert der zeitgenössische Rezensent (Maurer). An die „naturwahrheit der aphorismen" möchte - einerseits - Leitzmann glauben. In Nietzsches Gefolge heißt es noch bei Hiller: „Man denkt ... jawohl, man denkt in ,Bruchstücken'". Das Notwendig-Natürliche wendet sich gegen die Gedankensplitter einerseits, „Systeme und Enzyklopädien voll trockener Vollständigkeit" andererseits (Meyer). Meyer findet dann auch für Nietzsche zu einer vorausweisend dialektischen Formulierung („Das System fehlt nicht, aber es bleibt eben Hintergrund"), die sich in den paradox-synthetischen Lösungen fortsetzt, wie sie später Jaspers, Löwith („ein System in Aphorismen") oder Kuhn anbieten. Diese integrative Idee vom Zusammenhang des Unverbundenen findet sich zu Anfang dieses Jahrhunderts auch bei ganz verschiedenen Aphoristikern. Sie liegt - bei allen Unterschieden - für Musil („Aphorismen schreiben sollte nur einer, der große Zusammenhänge vor sich sieht") ebenso zugrunde wie für Haecker („Ich bin ein Aphoristiker, aber einer, der ,das' System voraussetzt") und für Cales Denkansätze zur Ambivalenz von „Einfall" und Deduktion. Bei Hiller („Weil es unmöglich ist, das Gesamte in einem Satz auszusagen, ist das System nötig; der Aphorismus, damit es möglich wird, hineinzuspringen in das Gesamte in einem Satz") wie bei Rathenau bedient sie sich dabei der Metaphorik des Sprunges: Vor- und Nachteile der „stolzen Gangart des Systems" und „aphoristischer Formen, die im Sprung ihr Terrain erobern", wägt er gegeneinan-

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Nietzsche: Werke. Bd. 1. 1973, S. 925.

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der ab. Margolius, der für das Verhältnis von „System und Aphorismus" ohne solche Grundlagen nach der Erörterung der Kontrastivität beider zu dem Schluß kommt: „Und doch wäre es irreleitend, wollte man in diesen Abhebungen, in diesen Gegensätzen zum System schon das Wesen des Aphorismus sehen" 59 , findet sich damit von Klinger bis Musil vielfach bestätigt. Das System des Nationalsozialismus und seine ihm dienstbare Wissenschaft wirken dann darauf hin, nicht nur die Begriffshypertrophierung zurückzuschneiden, sondern auch die Wertschätzung der Gattung geradezu umzukehren. In doppeltem Sinne systemkonform heißt es bei Besser 1935, nachdem er die „gefährliche geistesgeschichtliche Erscheinung"60 des Aphorismus herausgearbeitet hat, am Ende: „Eine solche Uberwindung des atomisierten und individualisierten Denkens ist heute offenbar schon wirksam; denn auch im Geistigen sind heute Blick, Wille und Tat auf Ganzheit und Gesamtheit gerichtet"61. 3. Skizze und Experiment Im Hypothetisch-Experimentellen als der paradoxen Integration des Vorläufigen und des für sich Gültigen der Skizze läßt die Synthese ein drittes Merkmal erkennen, wie es früh und in hervorragender Weise in Lichtenbergs Forderung „Man muß mit Ideen experimentieren" sich ausformt und bis zum Gedankenexperiment Canettis kennzeichnend ist. „Gedanken" und „Ideen": diese unter anderen erprobten umgangssprachlichen Begriffe für das in den „Sudelbüchern" Niedergelegte übertragen das Experiment gemeinsam in die Vorstellungswelt. „Mit Gedanken zu experimentieren" bedeutet für Lichtenberg, „Dinge vorsätzlich zusammen bringen". Experiment, Kombination, Witz, Einfall bezeichnen ein einheitliches Kraftfeld. Andeutungen genügen. Den Begriff des „aphoristischen Experiments" macht schon Stern mit großem Erfolg fruchtbar, um die Verbindung des wissenschaftlichen Aphorismus zum Gedankenexperiment des Lichtenberg'schen Aphorismus und damit zur Gattung nachzuweisen62. Aus der Analyse der Konjunktive erweist Schöne die zentrale Bedeutung des Experimentellen (und überdies die geistige Nähe Lichtenbergs zu einem anderen Naturwissenschaftler, Novalis63). Von Experiment und Hypothese als „zwei weiteren die Grenzen propositional

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Margolius: System und Aphorismus. In: Aphorismus WdF, S. 2 8 0 - 2 9 2 ; hier S. 283. Besser: Die Problematik der aphoristischen Form. 1935, S. 135. Ebd. S. 136. Stern: Lichtenberg. 1959, S. 112-126. Schöne: Aufklärung aus dem Geist der Experimentalphysik. Lichtenbergsche Konjunktive. 1982, S. 133-141.

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verfügbaren Wissens öffnenden Faktoren"64 spricht Schildknecht bei der Untersuchung von Lichtenbergs Wissenschaftsbegriff und pflichtet von daher bei: „Wo eine empirische Verifikation nicht möglich scheint, werden die Hypothesen aus dem Reich der Wissenschaft und des propositionalen Wissens in die Welt der ,Gedankenexperimente' der ,Sudelbücher' verwiesen"65. Aus der prägenden Kraft Lichtenbergs allein ist es erklärbar, daß das Hypothetische als eine Art der Vermittlung von Wissenschaft und Kunst den Begriff des „Aphorismus" entscheidend mitbestimmt. Aber eben auch zu Platner hebt der genaue Beobachter das „WitzigExperimentierende" seines Stils hervor. Pfotenhauer resümiert dazu: „Allein der aphoristische Stil darf Sachverhalte witzig-experimentierend und ohne systematische Trennungen und Hierarchisierungen fassen." Das Neben- und Miteinander von „Aphorismus" und „Skizze", wie es sich in Baumanns „Aphorismen und Fantasien eines Britten" (1792) findet, der „Skizzen, Charakterisierungen und satirische Betrachtungen" verheißt, zeigt die Aspekte des einerseits (nur) Vorläufigen, des andererseits in sich abgeschlossen Gültigen in polarer Aufspaltung. Goethe und Friedrich Schlegel können unter diesem Blickwinkel als Antipoden gelten. Wo Goethe „skizzenhaft, aphoristisch und fragmentarisch" formuliert, wo er „charakteristische Skizzen [...] aphoristisch" mitteilt, da scheint jeweils das (noch) nicht weitläufig Ausgeführte betont; eine Bescheidenheitsfloskel, ein (oft durch Zeitnot) zu entschuldigender Mangel verbindet sich mit der „aphoristischen Skizze" bei ihm66. Ganz anders Schlegels Definitionsexperimente. „Wer nicht philosophische Welten mit dem Crayon skizzieren [...] kann, für den wird die Philosophie nie Kunst, und also auch nie Wissenschaft werden". Das Skizzieren ist für ihn nicht nur nicht vorläufig, es ist im Umkreis von Fragment und Aphorismus die Weise des Integrierens von Kunst und Wissenschaft und als solche gar nicht hoch genug einzuschätzen. In Goethes Vorstellung verbindet sich mit dem Skizzenhaften der Begriff des „Entwurfes", Eschenburg faßt in „theoretischen Aphorismen" einen „Entwurf" ab. Nicht nur vorgeformt findet sich dieser Aspekt in Nudows „Plan", sondern auch als „konzentrierte Ubersicht" erläutert: Die

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65 66

Schildknecht: Lichtenbergs Wissenschaftsbegriff. In: C. S.: Philosophische Masken. 1990, S. 164. Ebd. S. 170. Noch in dem Titel einer durchaus regelrecht zusammenhängend verfaßten Rezension Rudolf Steiners - seltenes spätes Beispiel, vielleicht von Goethe her zu verstehen - , der „Anspruchslosen aphoristischen Bemerkung über das Buch: Reformation oder Anthroposophie?" (R. S.: Der Goetheanumgedanke inmitten der Kulturkrisis der Gegenwart. 1961, S. 239-244) erkennt man, nur im Adjektiv, die Bedeutung des Aphoristischen als des nicht Durchgeformten und nicht abgerundet Beurteilenden.

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Verbindung von „Skizze" und „Konzentration" bezeichnet eines der Merkmale der semantischen Mitte des „Aphorismus"-Begriffes erst oder erst recht. Auch Görres legt sie offen, wenn er den Begriff des Skizzenhaften umschreibt. Er beabsichtigt „ein Freskogemälde [...], das Allgemeine nur ausgeführt, vom Besonderen nur das Notwendigste zur Ausführung der Umrisse angegeben, übrigens im ganzen nur skizziert, um in der Zukunft weiter ausgeführt zu werden". Das mit äußerster Konzentration verbundene ,Flüchtige', das Notwendigste, wie es sich auch hinter Oelsners „flüchtigen Gedanken" verbirgt, ist ihm der Hauptgedanke, ehe er es wie zur Absicherung „übrigens im ganzen nur skizziert" nennt. Und Schopenhauer verteidigt das Skizzenhafte ebenfalls geradezu offensiv mit Assoziationen der Unmittelbarkeit, des lebendigen Einfalles. Gerade dank seiner Nicht-Vollständigkeit bleibe das „Schaale, Langeweilige" in „Werken der Absicht und Überlegung" aus: „Aber eine Skitze, welche die Hand wie unbewußt hinzeichnete, ein Lied, [...], eine Melodie [ . . . ] - diese und diese allein sind unvermischte Werke der Begeisterung, der Inspiration, des Genius". Mit eigener, dabei nicht weniger bezeichnender Argumentation pflichtet Ebner-Eschenbach bei: „Die Skizze sagt uns oft mehr als das ausgeführte Kunstwerk, weil sie uns zum Mitarbeiter macht"6! In den (populär-)wissenschaftlichen „Aphorismen" des 19. Jahrhunderts ist der Grundgedanke des Vorläufigen davon übriggeblieben, etwa in Kellners „Aphorismus"-Verständnis als einer „Sammlung von Vorreden". Zu Nietzsches „Aphorismen" ist mit dem Begriff des „Experiments" mit Erfolg experimentiert worden. Seine „Methode" geradezu besteht für Kaufmann darin, daß sie sich insgesamt „als ein Gedankenexperiment verstehen"68 lassen, freilich nicht in zersplitternder Beliebigkeit: „Ihre Einheit kann ,existenzielT genannt werden"69. Die Nietzsche'sche Formel „Versuch und Versuchung", die er in dem Zusammenhang zitiert, bildet zu Greiners rezeptionsästhetischem Versuch den Untertitel; „Versuchung" will er dabei auch „als Probe und Experiment" mit dem Leser70 aufgefaßt wissen. Die „Skizze" wiederum ist wiederholt zum Verständnis der kurzen Prosa Altenbergs bemüht worden. Spinnen wählt die Prosaskizze als Oberbegriff, während Köwer eine genauere Bestimmung versucht und den „Aphorismen" als den „Extrakten meiner Skizzen" ihren Ort genau zwischen diesen und der „nicht mehr verbalen Äußerung" anweist. Ho67

68 69 7C

Ebner-Eschenbach: Aphorismen. In: Deutsche Dichtung 25, 1898/99, S. 9 und S. 135. Zit. nach Ashliman: Marie von Ebner-Eschenbach und der deutsche Aphorismus. In: Osterreich in Geschichte und Literatur 18, 1974, S. 165. Kaufmann: Nietzsche. 1982, S. 100. Ebd. S. 109. Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972, S. 16.

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henemsers Uberpointierung schließlich („Aphorismen und impressionistische Bilder hält der Pedant, der Laie, der Akademiker für Skizzen, die der Ausführung bedürfen") ist als Phänomen einer hypertrophierenden Gattungsselbstgewißheit zu werten. Die Trennung zum Zwecke systematischer Darstellung - das ist durch die Sache bedingt, die Beschreibung eines einheitlichen semantischen Kernbereiches - macht fortschreitend mehr Mühe. Skizze und Experiment sind involviert, wo von der These als deren Spezialisierung und M o n o polisierung' im Randbereich des „Aphorismus"-Begriffes zu sprechen ist. Ist der Witz hier beim „witzigen Experiment" anzuschließen, ist er als der „witzige Einfall" ein Exkurs zum Fragment oder zum vereinzelten Bruchstück im Gegensatz zu einem falsch verstandenen „System"? Der Rekurs auf das unmittelbar Lebendige, wie er sich für Schopenhauer in der Verteidigung der Skizze nachweisen läßt, steht für Nietzsche im Zusammenhang lebendigen Werdens im Gegensatz zu einem gemachten, toten System. Er gliedert sich in der übersteigerten Nachfolge, die das Fragmentarisch-Vereinzelte als das (einzig) Lebendige und - ebenso gewagt wie hilflos - eben einfach Natürliche versteht, in beide Zusammenhänge gleichermaßen ein, so bei Hiller: „Ich schreibe, wie ich denke. Wie von Menschen gedacht wird. Nicht fragmentarisch pflegen die zu denken, die ... nicht denken". Die Verschmelzung von Skizze und Konzentration begegnete bei Görres zum ersten Mal; die isolierte Beschreibung des semantischen Merkmales Konzentrat und Konzentration ist insgesamt vor dem Horizont eines solchen Ineinander zu sehen. 4. Konzentrat und Konzentration Der Aphorismus trifft den Kern einer Sache, indem er ihn im gleichen Satz eigenmächtig als solchen definiert. Die Elemente dieses Satzes: Treffen, Kern, Satz, Eigenmächtigkeit wollen mehrdimensional gelesen sein, soll er seinen potentiellen Aufschlußreichtum entfalten. Schon dem „Aphorismus" des 17 und 18. Jahrhunderts ist ein Merkmal wesentlich, das sich dem Gattungsbegriff in ausgeprägter Form und vielfach nachweisbar bis heute verbindet und das sich fürs erste in den Substantiven „Kraft" und „Kern" fassen läßt. Nichts anderes als eine Verbindung von beidem hat Bacon im Sinn, wenn er als Vorzug der aphoristischen Methode erkennt, daß sie aus dem „Mark" der Wissenschaften gewonnen werden müsse. Schon von Beginn an auch ist die Argumentation zu erkennen, in ihrer Verstreutheit und Kernhaftigkeit lüden die „Aphorismen" dazu ein, „daß andere etwas hinzufügen", mit dieser Stärke verbinde sich also eine besondere Rezeptionsverwiesenheit. Beide Komponenten strahlen weit in die Begriffsgeschichte aus.

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Das „Nervöse" als das Kraftvolle in Zedlers „Universal-Lexikon" und die „Stärke" als das sentenziös Reduzierte in Gottscheds „Historischem und Kritischem Wörterbuch" machen als Zusammenfassung der Begriffsvorstellung um die Mitte des 18. Jahrhunderts hinlänglich deutlich, mit welchem semantischen Gehalt sich die umfangreiche aphoristische Produktion nach 1770 des Begriffes bedient. In dieser Tradition bewegt sich Lichtenberg, wenn er vom Lehrbuch-„Aphorismus" behauptet, er müsse den „Kern der Wissenschaft" enthalten, „kernhaft" ist auch Adelungs Epitheton, von „Stärke" ohne „schwächende Nebenbestimmungen", die den „verständigen Leser" fordere, spricht A.W. Schlegel in seiner Chamfort-Rezension, nichts anderes meint Bouterwek, wenn er vom „Energischen und Aphoristischen" in einem Atemzug spricht. Die Stärke des „Aphorismus" erscheint als essentielle Reduktion, aus der besondere Ansprüche an den Leser erwachsen; seine Kürze wird als Gedrängtheit und Bündigkeit verstanden. Von „bündiger Kürze" ist schon in einer zeitgenössischen Rezension zu Metzgers „Physiologie in Aphorismen" von 1789 die Rede71. Lessing faßt seine Überlegungen zu der Forderung an „einzelne abgesonderte" Gedanken „ohne Einkleidung" schließlich in der „sinnreichen Kürze" zusammen. „Kurz" und „kernhaft" stellt Adelung, „kurz" und „abgebrochen" stellen die „Deutsche Encyclopädie" und Campe nebeneinander; Kürze und Prägnanz sind in der frühen Analyse von Klingers „Bemerkungen" verknüpft. „Man drängt [...] einzelne Worte fest an einander", die dadurch, „Vorzug der möglichsten Kürze", als „Merkzeichen" zur Kommentierung auffordern, so argumentiert Platner. Nudow macht die darin enthaltene Grundvorstellung explizit. Nicht nur wird aus der „möglichsten Kürze" eine „vorsezliche Kürze", nicht nur heißt es bei ihm exakt gleich: „kurz, zusammengedrängt", sondern genauer: „den Geist der ganzen Lehre oder Wissenschaft [...] konzentrirt in sich begreifen". Das eben bedeutet es, bei aller Kürze „vielumfassend" sein zu wollen; „vielbefassend" nennt es Eschenburg. Knigge spricht im Zusammenhang mit dem „Lakonismus" von „Aphorismen" von der „Gabe, mit wenig körnigten Worten viel zu sagen". Nicht von ungefähr ist dabei eine Belegreihe zum Begriff der „Gedrängtheit" besonders eng besetzt. Schon in den Rezensionen zu Platner und seinen Zeitgenossen fällt das auf. „Das Gedrungene und Kurze" von Platners Sätzen, den „gedrängten und eleganten Styl"72 Schrauds heben sie hervor. Ganz wie Nudow - und unabhängig von ihm - spricht Lich71

72

Zit. nach Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). In: Cantarutti, Schumacher (Hg.): Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. 1986, S. 81. Zit. nach Cantarutti ebd.

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tenberg von „gedrängtester Kürze", von „Bemerkungen in gedrängter Schreibart" Jean Paul. Derselben Metapher bedienen sich A.W. Schlegel („ein sehr allgemeiner Satz, in welchen unzählige Erfahrungen zusammengedrängt werden") und Görres („große Massen zusammengedrängt"). In Ersch-Grubers „Allgemeiner Encyclopädie der Wissenschaften und Künste" von 1819 ist genau das die entscheidende Bestimmung: „Lehrsätze, worin der Inhalt kurz zusammengedrängt ist", und für das „Enzyklopädische Wörterbuch" von 1822 bedeutet „Aphoristische Schreibart": „in Sätzen zu schreiben, welche in gedrängtester Kürze nur das Hauptsächlichste enthalten". Auch ohne die mehrmalige enge Verbindung mit der Kürze wird deutlich, daß sich unter dieser regelmäßig diskutierten und regelmäßig unbefriedigend bestimmten Eigenschaft in Kombination mit dem Abgerissenen, Abgebrochenen nichts anderes als eben die Konzentration verbirgt. „Wortkarge Kraftsätze" möchte Fähnrich schreiben, „nur um den Kern" ist es den musikalischen „Aphorismen" eines anonymen Amadeus Autodidactos zu tun. Knoblochs „Aphorismen" „für die reifere Jugend" (1855) wollen treuherzig „manches goldne Körnlein" sammeln. Schopenhauer bescheinigt Graciän so gut „kernige Kürze"73 wie sein Schüler und Rezensent Frauenstädt den „kernigen und kräftigen Stil" ihm selbst. Ein Aphorismus Nietzsches in diesem Sinne geht von der Rezeption aus: „Seltene Feste. - Körnige Gedrängtheit, Ruhe und Reife - wo du diese Eigenschaften bei einem Autor findest, da mache Halt und feiere ein langes Fest mitten in der Wüste: es wird dir lange nicht wieder so wohl werden"74; mehrfach beruft er sich auf die dem Zahn der Zeit trotzende „Härte der Sentenz". Daß sich diese Vorstellungen bis ins 20. Jahrhundert hinein verfolgen lassen, etwa in Stoessls „bündiger Entschlossenheit", in dem „Kernigen", das für Brandes die Aphoristik von Weiß kennzeichnet, oder in der Kernmetapher bei Essigmann, ist nicht überraschend und weniger von Belang als die Gegenüberstellung Friedells als Reaktion auf die massenhafte Gedankensplitter-Produktion der Jahrhundertwende, die den „Kern" des „Aphorismus" in eben dem Maße verfehlt, in dem sie ihn genau zu erfüllen sucht: Knappheit und Kürze seien die erste Forderung an das moderne Buch, „aber nicht die dürftige oder aphoristische Kürze, sondern die gehaltvolle, gedrängte Kürze, die gerade dem gedankenreichsten Schriftsteller ein stetes Bedürfnis ist". Im Expressionismus ist es das Essentielle, das den Ausgangspunkt der Argumentation bildet (Pinthus).

73 74

Schopenhauer: Der handschriftliche Nachlaß. Bd. 4, 2. 1975, S. XIV. Nietzsche: Werke. Bd 1. 1973, S. 921.

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Der „Aphorismus", dessen Stärke und Kürze als Konzentrat die besondere Konzentration des Lesers erfordert: dieser Grundgedanke läßt sich in der Aufspaltung in mehrere semantische Bestandteile genauer verfolgen. Die Bündigkeit ist dabei nicht nur abstrakt als das Verbindliche, das im Komplementärverhältnis stehende Bindende und Gebundensein zu verstehen. Auch darf man dabei nicht nur von der konkreten Vorstellung von etwas fest Gefügtem ausgehen wie noch Moritz in seinen „Vorlesungen über den Stil" von 1794, wo er, von der Kürze im Ausdruck handelnd, „Bündigkeit" als „eine auffallende Verknüpfung der Gedanken" 75 erläutert. Sie weist im ,Bindenden' ebenso wie die Gedrängtheit in einem Wortfeld von (,Ein-)Dringlichkeit' und ,Eindringen' und wie die Prägnanz im ,Treffenden' in metaphorische Vorstellungen hinüber, die bis in die Gattungsreflexion der modernen Aphoristiker als Gewalt-Aspekt des Aphorismus zu beschreiben sind76 und sich dabei immer noch von der „Kraft" und der „Stärke" aus den Anfängen seiner Begriffsgeschichte herleiten. Ihnen zur Seite steht eine zweite Metaphernreihe, die die Konzentration des „Aphorismus", ausgehend vom Kernhaften, als (Samen-)Korn begreift. Erst unter dieser Perspektive versteht man auch das .Körnige' als stehendes Attribut zur ,Gedrängtheit' ganz. Daß poetae minores wie Fick, Garin, Nacht oder Essigmann, die in häufiger reflektierender Variation sich der Gattung versichern und darin literarischen Halt suchen, uns dabei die deutlichsten Belege geben können, heißt nicht, daß die Beobachtungen damit in irgendeiner Weise begrenzt würden. Beide metaphorischen Bereiche sind in Herders Überlegungen angelegt, in denen der „Samen der Erkenntniß" solcher „Gedankenvorräthe" den „glühenden Funken", die „stärken und entzünden", unmittelbar folgt: „In Einem Samenkorn liegt oft ein System, eine Wißenschaft, wie ein Baum mit allen seinen Zweigen". Im Bilderwust Ficks fehlen natürlich die „Samenkörner" nicht; ungerührt und unverändert wollen noch Essigmanns „Aphorismen" „aus einem Körnlein einen Baum zaubern", und besonders deutlich beteuert Nacht von seinen „Flugsamen", daß es sich dabei um „lebende Organismen - Keimzellen" handele. Unprätentiös und bildlich genau ist da Börne, bei dem eine vielfach variierte Extrakt-Vorstellung in „Bouillontafeln" konkretisiert ist, die „für sich nicht geniesbar" sind. Der Leser erst macht sie mit dem heißen Wasser seiner Mitarbeit zur Fleischbrühe; Otto Ernst folgt ihm wörtlich, wenn auch ex negativo. Nietzsche führt das Bild weiter: „Eine Sentenz muss, um geniessbar zu sein, erst aufgerührt und mit anderem Stoff (Beispiel, Erfahrungen, Ge-

75 76

Moritz: Werke. Bd. 3. 1981, S. 618. Verf.: Aphorismen über Aphorismen: Fragen über Fragen. In: 2s.f. dt. Philologie 113, 1994, S. 186-188.

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schichten) versetzt werden". Bahnsen nimmt die konventionelle Metaphorik in den „magenstärkenden, frischen Destillaten aus den natürlichen Wermutmagazinen des Lebens", „Medicamenten in Pulverform", und im „Extractum vitae" auf, Ree spricht deutlichst vom „Gedankenextract", „den sich jeder nach seinem Geschmack verlängern kann", Oertzen besonders angestrengt-erlesen von „Tropfen aus dem Harze vom Baum des Lebens", während es in der Gattungsmetaphorisierung bei Nietzsche wie bei Bacon einfach das Salz ist, das als der Inbegriff des Kleinen alles durchwirkt. Die zweite Ausformung der Verbindung von Kraft und Kleinheit ist das Eindringlich-Gewaltsame7? Wo, wie bei Brandes, von kurzen Sätzen die Rede ist, die „eindringend" vorgetragen werden, und sich der Leser zur Erläuterung „gedrungen" fühlt, wie der Brockhaus 1851 formuliert, da ist sie von dem beidem zugrunde liegenden Bild der Gedrängtheit her unabweisbar; verblaßt, gleichwohl erkennbar ist sie noch in Bergs Anthologie, die „die eindringlichsten Worte der großen Genien" sammelt, auch im ,bestechenden' Einfall, der bei Bouterwek noch metaphorisch wirksamer als „schneidender Einfall" erscheint. Dieses Eindringliche verfestigt sich in der Begriffsgeschichte als der Topos von der konstitutiven Notwendigkeit des eigenen Nachdenkens durch den Leser. Konkretisiert erscheint es vor allem in zwei verletzenden Objekten: Pfeil und Splitter. Man wird zunächst an Nietzsches „Sprüche und Pfeile" denken, an welches Bild noch sein Kritiker Riehl anknüpft, wenn da der Aphorismus „zwingt" und „trifft wie ein Pfeil", auch Joel mit seiner Variante der „Peitschenhiebe". Wieder ist es Fick, der bezeichnenderweise am genauesten räsonniert, nicht nur über das Schnelle und Gewaltsame des Pfeils und eine etwaige Modernisierung („Man hat schon lange gesagt, um Gedanken haften zu machen, müsse man sie wie Pfeile zuspitzen, und vom Bogen zuschnellen. Aber auch dieses Bild ist noch zu langsam, seit man mit Telegraphen verkehrt"), auch über den Gewaltaspekt in vielerlei Form, im Blitz, im Funken, im metaphorisch noch nicht verblaßten Splitter. Und natürlich ordnen sich dem so bewußt wie problemlos - „zahnlos" wäre eine hübsche Katachrese - die „Gedankensplitter" der Jahrhundertwende, Dombrowskis oder Haecks etwa, zu, auch Mongres „Splitter und Stacheln". Carmen Sylvas „Aphorismus" ist - man glaubt es nicht „wie die Biene: mit Beute beladen und mit einem Stachel versehen". Die Preziosität im Verein mit dem beteuerten Anspruch spitzt sich bei Garin zu einer besonderen Variante der Aphoristik des Herzens zu: „Ein richti77

Van Delft arbeitet Parallelen zwischen einschneidender Anatomie und einschneidender Moralistik heraus (L. v. D.: L'incision de la memoire. Brievete et anatomie. In: La Quete du bonheur et l'expression de la douleur dans la litterature et la pensee francaises. 1995, S. 89-106).

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ges ΑρεΓςιι ist ein Pfeil, der bis ins Herz seines Gegenstandes dringt und daraus nur einen Tropfen herausholt, aber einen Tropfen - Herzblut". Wie weit entfernt davon ist hingegen Mongre: „Wer mich treffen kann, schuldet mir einen Pfeil". Es bedarf der Sprachkraft und dem Anspruch eines Karl Kraus, der sich nicht „in Aufsätzen zersplittern muß", um das Mißverständnis des einseitig und absolut uneinheitlichen „Gedankensplitters" aphoristisch deutlich zu machen. Kraus ist es auch, der dem geläufigen Bild des Zugespitzten noch einmal eine originell überspitzte Wendung abzugewinnen weiß: „Ich schnitze mir den Gegner nach meinem Pfeil zurecht" 78 . Nach ihm heißt es bei Adler: „Der Aphorismus ist ein entsandter Pfeil. Er vermag Gedanken zur Strecke zu bringen; die Forderung, der Schütze möge auch das Wild beistellen, ist unbillig"79, bei Kr. und Polgar mit einer autoaggressiven Wendung, die die verblaßte Metapher aufarbeitet: „Der treffende Aphorismus setzt den getroffenen Aphoristiker voraus". Von den „Splittern des Gedankens", die, „gleich den Diamanten, oft nur durch die Fassung" glänzen (Sirius), ist es nur ein kleiner Schritt zur Metaphorik des Geschliffenen, einer gängigen Konvention, seit Kotzebues Herausgeber „Preziosen", „die auch uneingefaßt ihren Wert haben", sammelt oder umgekehrt Fähnrich als sein „eigenes Verdienst blos etwas Zuschliff und Fassung" bezeichnet, die auf einer schematisch einfachen Auffassung von Gedanke einerseits, Form andererseits beruht80, wie sie Kraus wegwischt: „Die Form ist der Gedanke". Von solchen Edelsteinen ist der bildliche Weg kurz zu den mannigfachen „Schätzen", goldenen Worten, Goldkörnern, mit denen sich die Rhetorik in der Blüte des Bildungsbürgertums eines wertvollen Bildungsgutes zu vergewissern sucht. Über die Vorstellung des Kurzen, Kraftvollen als etwas Kleinem von großer Wirkung findet sich daneben, ausgehend von Herders „glühenden Funken", die „entzünden", über die „Scintillae", die der Goethe-Herausgeber Suphan erwägt, und bis zum metaphorisch verblaßten ,zündenden Gedanken' der Umgangssprache eine metaphorische Tradition, die das Feuer und das Explosionsartige in vielerlei Zusammenhang setzt. Schon Uhland konstatiert: „Es ist mit den Aphorismen, wie mit dem Feuer-

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Kraus: Schriften. Bd. 8. 1986, S. 166. Adler: Aphorismen zu den „Aphorismen vom Aphorismus". In: Der Friede 1, 1918, S. 48. Eine Rezension zu Holls „Aphorismen" macht sie besonders deutlich: „Es gehört eben das Genie und der Geist eines Jean Paul dazu, zugleich mit dem treffendsten Gedanken je die passendste F o r m zu finden, der Perle gewissermaßen die Fassung zu geben, die deren Schönheit voll zum Ausdruck bringt und sie als Kleinod für sich auszustellen gestattet" (Holl: Aphorismen für jede und besonders die jetzige Zeit. Zweiter Theil. 1881, unpag.).

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schlagen. Das eine Mal zündet's nicht; das andremal zündet's". Sie reicht über Ficks „Gedankenfunken" und „-blitze" und Kalischers „Aphorismen" als „Phosphorismen" bis ins 20. Jahrhundert. Das „Aphorisma" kann „auch scharf geladen sein", wie bei Auernheimer in Verbindung mit dem Bild der Panzerung („dann durchschlägt es selbst faustdicke Lügenpanzer"). Leitzmann findet nicht nur gegen Ficks Samenkorn das Bild einer besonderen Form eindringender Gewalt: „Bazillen", er variiert auch die Bildvorstellung plötzlichen Feuers in höchstens halbernster Ubersteigerung: „die lava der aphorismen bricht vulkanartig aus dem Vesuv des geistes"; von „brillierendem Blitz" spricht Pinthus. In der Weiterführung dieser Konnotationen zu Essenzhaftem und Verletzendem findet auch eine satirische Färbung ihre semantische Einbettung. Schon bei Lichtenberg und Jean Paul läßt sie sich, mehr nebenher, beobachten, über einen Titel wie den von Stettenheims witzig-satirischer Zeitschrift „Wespen" führt der Weg zur Verabsolutierung dieses Aspektes bei Kraus, dessen aphoristische Satire ,treffen' will, und weiter zu den polnischen „Szpilki" (Spitzen). Explizit gemacht wird das Gewaltsame ein durchgängiges Muster - aber nicht bei Kraus, sondern bei dem ganz unter seinem Einfluß stehenden Otto Stoessl, der von seinen Aphorismen epigonenhaft genau wünscht: Sie fallen als „Eindringlinge mit der Tür ins Haus und setzen einem das Messer an die Brust: Denken oder Leben!" Das bündig Kernige, gedrängte Eindringliche in der semantischen Mitte des „Aphorismus"-Begriffs setzt ein bestimmtes Leseverhalten voraus und bewirkt es seinerseits gleichzeitig. Konzentration in der Form und Konzentration im Rezeptionsverhalten stehen in diesem Wechselverhältnis, das von Bacon her schon in der deutschen Begriffsgeschichte des 18. Jahrhunderts, bei Platner und Nudow noch im Rahmen einer Lehrbuchtheorie, angelegt ist. Das Moment des Gewaltsamen darin ist bei Cale am deutlichsten erkennbar, der, die Vorstellung vom Zwang des Aphorismus auf das Verhältnis von Logik und Ästhetik anwendend, formuliert: „Wie sie [die ästhetische Form] die Dinge in den Aphorismus zwang, so zwingt sie den aufnehmenden Geist, die Dinge aufzunehmen, - rückhaltslos, wie sie der Aphorismus darbietet. (Klar?)". Der komplementäre Gedanke zu dieser Parallelführung ist eben der des Komplementären und das heißt auch: komplementär Engen, des Kontrastes zwischen der Konzentration seiner Form und der Offenheit in seiner Rezeptionsverwiesenheit, wie ihn Köwer für Altenberg so ausdrückt: „Aphorismen leben extrem aus der Dualität von Gestaltung und Aussage als Gegensatz der geballten Kürze äußerer Form und der ins Weite führenden, denkintensiven Mitteilung"81. Als letzter se-

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Köwer: Peter Altenberg als Autor der literarischen Kleinform. 198^ S. 240.

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mantischer Aspekt des „Aphorismus"-Begriffes ist dieser doppelte Gedanke eines spezifischen Rezeptionsverhaltens wie einer ebenso spezifischen Rezeptionslenkung in seiner historischen Entfaltung und Auffächerung zu verfolgen. 5. Rezeptionsverwiesenheit Ein letzter Aspekt der semantischen Mitte des „Aphorismus "-Begriffes soll nicht vom offensichtlichen und bis zum Gemeinplatz abgesunkenen Selbstdenken, sondern vom entgegengesetzten Pol her entwickelt werden. Konstitutiv für die Gattung ist eine Ambivalenz von Eigenständigkeit und dialogischem Zusammenhang, integrativ aufzulösen etwa in ein Selbstdenken als aktive Rezeption, für den (Nur-)Leser wie für den Leser-Autor. Überhaupt erweisen sich Polarität, Ambivalenz, Paradoxie mehr und mehr als die angemessenen Denkkategorien. Hypothetisch-experimentell, aber gültig; vereinzelt und unzusammenhängend, aber nicht ohne Verbindung; konzentriert, aber von offener Weite; stark, aber angewiesen: Wenn der Aphorismus die Paradoxie geradezu zu seiner Logik erhebt, dann aus keinem geringeren Grund als dem einer tiefen inneren Verwandtschaft: weil sie ihm einfach entspricht. Stark, aber angewiesen: Es ist communis opinio der Forschung, daß der Aphorismus „einerseits extrem kontextfrei, anderseits extrem leseraktivierend"82 ist. Um nur einen Zeugen aus jüngerer Zeit zu zitieren: „Der authentische Aphorismus ist also erkennbar an der Denktätigkeit, in die er den Leser zwingend versetzt"83. Das mag damit zusammenhängen, daß er von seiner Struktur her - für Kocsäny ein „Charakterzug des Aphorismus" - die „Gegenmeinung des Lesers"84 formuliert. Fricke sucht im Kontext des „Historischen Wörterbuchs der Rhetorik" „eine geordnete Beschreibung solcher die reflektierende Leseraktivität auslösenden Signale"85 zu geben. Es geht also im folgenden - wie übrigens auch bei den anderen Aspekten - nicht um etwas überraschend Neues, wohl aber darum, dem Systematischen das Begriffsgeschichtliche - ergänzend, fundierend - an die Seite zu stellen und eben auch und vor allem über das bisher als Gattung Gedachte hinaus die gemeinsame semantische Mitte des einen Begriffes zu beschreiben. 82

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Fricke: Aphorismus. In: Ueding (Hg.): Hist. Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 1. 1992, Sp. 774. - Nach Abschluß des Manuskripts erschienen „Studien zur Wirkungsweise aphoristischer Texte": Stölzel: Rohe und polierte Gedanken. 199Z Von Matt: Der phantastische Aphorismus bei Elias Canetti. In: P. v. M.: Das Schicksal der Phantasie. 1994, S. 3 2 1 - 3 2 8 ; hier: S. 321. Koscäny: Lichtenbergs Kurzformen. 1985, S. 90. Fricke: Aphorismus. In: Ueding (Hg.): Hist. Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 1. 1992, Sp. 774.

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Allein der Versuch zur Genauigkeit kann dabei die Steifheit des Begriffes „Rezeptionsverwiesenheit" erklären und entschuldigen. Er gibt sich in doppelter Gestalt zu erkennen: als das Angewiesensein auf die Rezeption eines dazu fähigen Lesers wie auch als spezifisches Stimulans für dessen Selbstdenken. Die Ambivalenz von Skizze und Konzentrat konkretisiert sich als der paradoxe Vorteil der Erklärungsbedürftigkeit. Zwei spezielle Gesichtspunkte gliedern sich dem an: der Gedanke der Verknüpfung der aphoristischen Form mit einer spezifisch aphoristischen Rezeption, die Rolle des Autors als exzerpierend-zitierend-umformenden Rezipienten. „L'aphorisme vient en lisant", formuliert Steland parodierend, der hierzu Beobachtungen zu Chamfort beisteuert86. Solche Rezeptionsverwiesenheit ist vom Beginn der Begriffsgeschichte an fester semantischer Bestandteil. Bacons aphorismi „laden [...] dazu ein, daß andere etwas hinzufügen und es darstellen". Graciän will bewirken, „daß der Leser zu einer eigenständigen Kombinatorik angeregt und dadurch veranlaßt werde, die in den Sprichwörtern und Sentenzen tradierten Erfahrungen und Grundsätze zu ,transzendieren' und eine innere Freiheit zu erlangen, durch welche er Graciäns Ethos des ,ser persona', der absoluten Souveränität und Autarkie des einzelnen, verwirklichen würde"8-! Uber Leibniz zu Anfang des 18. Jahrhunderts („car le lecteur y supplee" heißt es bei ihm im Zusammenhang seiner „Aphorismes") führt die Linie zur Aphoristik der „Lebensphilosophie" gegen Ende des Jahrhunderts. Unter dem Aspekt der Rezeption kommt Schröder hier zu dem Ergebnis: „Fragmente und Aphorismen fungieren als Anregungen zum Weiterdenken im allgemeinen und als Anregung zur ,Textergänzung' im besonderen" 88 . Und etwas später formuliert er dieses Element im Bedeutungsumkreis des Begriffes im 18. Jahrhundert schärfer: „Die Rezeptionsregel der notwendigen Textergänzung, also der sinnkonstituierenden Ergänzung der durch Fragmenttexte vermittelten Informationen durch den Leser ist somit eine fragment- bzw. aphorismusspezifische Regel"89. Der zeitgenössische Rezensent von Metzgers „Physiologie in Aphorismen" (1798) erläutert, der Autor biete „vielfältigen Stoff nicht nur zum fernem

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Steland: Chamfort in der Schule des „Essay on Man", oder Über die allmähliche Verfertigung der Aphorismen beim Lesen. In: Floeck, Steland, Turk: Formen innerliterarischer Rezeption. 1987, S. 56. Ansmann: Die „Maximen" von La Rochefoucauld. 1972, S. 286. - Diesen Aspekt hat schon Schopenhauer in seiner Kritik der Ubersetzer-Vorgänger gesehen: „Graciän überläßt den Übergang von Einem Gedanken zum andern meistens dem Nachdenken des Lesers" (Schopenhauer zu Gracian; Sch.: Der handschriftliche Nachlaß. Bd. 4, 2. 1975, S. XIV). Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976, S. 177 Ebd. S. 179.

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Nachdenken [,] sondern auch zu weitläufigen Erklärungen" 90 . Wenn bei Friedrich Schulz' „Aphorismen aus der höhern Welt- und MenschenKunde" die hinlänglich bekannte Beziehung zwischen der Kürze und einer besonderen Disposition zu selbständiger Rezeption unterstellt wird, so bekommt dies hier - mit einem doppelbödigen „Gewinnst" - gewissermaßen einen merkantilen Charakter: Man könne, schließt sein Vorbericht, den Aphorismen „kaum den Nutzen absprechen, daß sie das Nachdenken reizen, und den Leser ermuntern, über die Gegenstände, die sie nur kurz behandeln, länger nachzudenken und nachzulesen. Der reine Gewinnst ist dann für ihn"91. In einzigartiger Weise konsequent ist in dieser Beziehung Friedrich Anton Mesmer, der die Form seiner „Aphorismen" damit begründet, daß er auf diese Weise die „Anmerkungen" und „Meinungen" seines Publikums in einer weiteren Auflage jeweils werde anfügen können. Bedeutsamer als ein solches Kuriosum aber ist die Tatsache, daß es dieses Merkmal ist, das eine weitere Verknüpfung zwischen den „Aphorismen" der „Lebensphilosophie" und Lichtenbergs „Sudelbuch"-Praxis bildet. Speziell zu Platner, der zwei Arten von Lehrbüchern unterscheidet, zeigt Schröder, daß beim aphoristischen Lehrbuch „der textergänzende und sinnkonstituierende Kommentar [...] durch den Leser selbst zu leisten" ist92. Kosenina hebt für Platners Methode gleichfalls darauf ab, und in der Tat hat Platner - ,klassische' Übereinstimmung von Form und Inhalt, wie sie den Germanisten immer erfreut - auch in der aphoristisch vorgetragenen Lehre das Prinzip des „Selbstdenkens" vertreten 93 . Genau hier ordnet sich auch die Definition ein, die die „Deutsche Encyclopädie" 1778 von der aphoristischen Schreibart gibt, „in welcher die meisten Gedanken nur halb gezeigt" würden. Nimmt sie mit dem Halben, das der Leser „zu einem verbundenen Ganzen" machen muß, nicht Bacons Gesichtspunkt auf? Der Rezeptionsgesichtspunkt, wie er hier als sinnkonstituierende Verknüpfung von Text und Kommentar erscheint, ist als „Selbstdenken" konstitutiv für den Aphorismus jedweder Art. Die theoretischen Überlegungen Lessings anläßlich Ewalds „Gedanken" konzentrieren sich in der Forderung nach „sinnreicher Kürze", „um dadurch den Namen Gedanken zu verdienen, daß sie dem Leser zu mehr und mehr Gedanken Anlaß geben"; sein Begriff der „Bemerkung" impliziert das

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Zit. nach Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). In: Cantarutti, Schumacher (Hg.): Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. 1986, S. 81. Schulz: Aphorismen. 1795, S. 4. Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. 1976, S. 151. Platner: Philosophische Aphorismen. Wiederabdruck des 1. Teils. 1977 S. 10 und S. 13.

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Synthese des „Aphorismus"-Begriffes

Selbstdenken als eine neue Methodik. Bei Nudow heißt es klar: „Es muß ein solches Lehrbuch den Schüler [...] zum Selbst- und Mitdenken auffordern". Demgegenüber denkt zwar Lichtenberg, was den Rezeptionsgesichtspunkt im aphoristischen Lehrbuch betrifft, primär als Hochschullehrer, der „in jeder Zeile leichte Veranlassung findet das Angegebene zu erklären". Entschieden wichtiger aber ist die für die aphoristische Praxis seiner „Sudelbücher" kennzeichnende „letzte Instanz": das „Selbstdenken", wie es Requadt in dieser Weise bei Bacon vorgeformt sieht: „Selbständige Prüfung der Worte des Lehrers [...] und eigenes Forschen sollen durch diese Didaktik angeregt werden"94. Solche Verbindungen zieht auch Stern, ein besonders wichtiger Zeuge in diesem Kontext. Bei der Untersuchung des wissenschaftlichen Aphorismus eruiert er als drittes und wichtigstes Kennzeichen das Hypothetische, wie wir es als Skizze und Experiment beschrieben haben, verbindet es mit der Eigenschaft der besonderen Aufforderung an die Aktivität des Lesers („to ponder that which was invented, and to add and supply further" [Bacon]) und stellt fest: „Here lies the most obvious link with the literary genre"95. Rezeption und aphoristisches System verknüpfen sich hier. Solche Lektüre muß in lebendiger Beziehung zum eigenen „Meinungs-System" stehen: „Eine Regel beim Lesen ist die Absicht des Verfassers, und den Hauptgedanken sich auf wenig Worte zu bringen und sich unter dieser Gestalt eigen zu machen. Wer so liest ist beschäftigt, und gewinnt, es gibt eine Art von Lektüre wobei der Geist gar nichts gewinnt, und viel mehr verliert, es ist das Lesen ohne Vergleichung mit seinem eigenen Vorrat und ohne Vereinigung mit seinem Meinungs-System" (F 1222).

Der Nachtrag, der eine Selbstverständlichkeit noch einmal kontrastiv formuliert: „Der noch nicht einmal passives und aktives Lesen unterscheiden kann" (E 266), folgt einer Bemerkung über „die Beobachtung und Kenntnis der Welt, und man muß viel selbst beobachtet haben, um die Beobachtungen anderer so gebrauchen zu können als wenn es eigne wären, sonst liest man sie nur und sie gehen ins Gedächtnis ohne sich mit dem Blut zu vermischen, alles Lesen der Alten ist vergeblich, wenn es nicht so getrieben wird" (E 265). In demselben Kontext der „Welt- und Menschenkenner", der „Männer die tief geprüfte Sachen kurz und stark zu sagen wissen", wird die wirkliche „Bemerkung" als eine solche charakterisiert, „die hernach dem denkenden Leser mit einem Vergnügen, das kein gleiches hat, sich wieder in Leben-Gebrauch auflöst" (E 455). So vielfältig und von verschiedenen Seiten her erscheinen der Begriff und eine spezifische Rezeption in der Folge verknüpft, daß es nicht wun-

94 95

Requadt: Das aphoristische Denken. In: Aphorismus WdF, S. 343. Stern: Lichtenberg. 1959, S. 106.

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der nimmt, wenn das Merkmal sich dem werdenden Gattungsbegriff untrennbar einfügt. Der Autor als exzerpierend-zitierender Rezipient selbst steht im Mittelpunkt in der Hippokrates-Renaissance, die auf den „Aphorismus"-Begriff stark einwirkt, namentlich bei Goethe, der, wie auch Christian Schulz, „Eigenes und Angeeignetes" zusammenstellt. In Herders „Denkbüchern unsrer selbst"96 steht der Aspekt der Rezeptionsverwiesenheit bei insgesamt skeptischer Grundierung im Zusammenhang mit dem Selbstdenken, im Thesenhaften, wie es, etwa bei Bouterwek, aus dem Merkmal der Skizze erwächst, ist er angelegt, und bei den Theoretikern des romantischen Fragments, das „auf einen grundsätzlich unabschließbaren Lektüreprozeß ausgerichtet" 97 ist, begegnet er gleichermaßen. Friedrich Schlegel formuliert ihn als das Dialogische, das aus einer „Kette" produktiver Rezeption von Fragmenten erwächst. Und wie man zu Chamfort „die allmähliche Verfertigung der Aphorismen beim Lesen" 98 nachweisen kann, so ist auch A.W. Schlegels Chamfort-Rezension die Bedeutung des „verständigen Lesers" bewußt, der weiß, wie er den „sehr allgemeinen Satz, in welchen unzählige Erfahrungen zusammengedrängt werden", zu nehmen hat: „Dem Leser ohne Urteil kann man durch noch so viele schwächende Nebenbestimmungen die richtige Anwendung nicht beibringen". Beides wird in Schlegels Umschreibung dessen, was bei Schröder „sinnkonstituierende Ergänzung" hieß, unwiderlegbar deutlich: das Angewiesensein des „Aphorismus" und die Emanzipation des urteilsfähigen Rezipienten. Mit dem Rezeptionsgesichtspunkt macht Hegels Rezension von 1829 auf die Ambivalenz von Abgerissenheit und Zusammenhang aufmerksam. Göscheis „Aphorismen" erforderten, heißt es da, „einen aufmerksam denkenden Leser, der auch da, wo die Exposition sprungweise zu gehen scheint [...], den Faden der Gedanken zusammen zu halten gewohnt ist". Und die beginnende Reflexion der Gattung läßt diesen Gesichtspunkt gleichermaßen erkennen; ganz klar bei Klinger, der Hoffnung und Anspruch in den Leser setzt, die innere Einheit des Disparaten herauszuarbeiten; eher immanent bei Uhland, bei dessen Bild des Zündens es eines besonderen Lesers bedarf, in dem es ,zündet'; bei Börne im drastischen Bild des „eignen kochenden Wassers", das der Leser über die „Bouillontafeln" gießt; ruhig abgemessen und expressis verbis bei Feuchtersle-

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Herder: Gedanken (pensees), Maximen. In: J. G. H.: Sämmtliche Werke. 23. Bd. 1885, S. 240f. Ostermann: Fragment/Aphorismus. In: Schanze (Hg.): Romantik-Handbuch. 1994, S. 286. Steland: Chamfort in der Schule des „Essay on Man", oder Uber die allmähliche Verfertigung der Aphorismen beim Lesen. In: Floeck, Steland, Turk: Formen innerliterarischer Rezeption. 198^ S. 53-58.

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ben, für dessen Aphoristik das Selbstdenken als ein Grundzug zu gelten hat. Erinnert sei nur an das Vorwort zu den „Confessionen", in dem es heißt, daß bekanntlich „solche problematische Ergebnisse meist, durch Anregung, zu eigener Denkproduktion mehr gefördert haben, als fertige Lehren". Eine solche denkerisch-exzerpierende Auseinandersetzung „Zu Novalis Aphorismen" finden wir bei Rahel Varnhagen exemplifiziert", zugleich ein früher Ansatzpunkt für eine besondere Variante des Rezeptionsaspektes : die aus Aphorismen-Lektüre erwachsende „Randglossen-Aphoristik" (Steland). Insgesamt gilt für ihr Werk: „Konzentrierter als die Briefe initiieren und treiben die Aphorismen einen nicht abgeschlossenen Denkund Kommunikationsprozeß voran und verbürgen, indem sie als Impulse fungieren, dessen Permanenz"100. Für prinzipiell ebenso gering wie Lichtenberg, der von sich aus schließend in jedem Fall ein „Meinungs-System" fordert, hält sie den Unterschied zwischen einem notwendig produktiven Rezipienten-Leser und einem Rezipienten-Aphoristiker: „Um Novalis Aphorismen zu verstehen, muß man außerordentlich viel Einfälle gehabt haben: und sie sehr gehandhabt haben. Sonst ist's nicht möglich"101. Seibert schließt aus dieser Briefstelle auf eine „kommunikative Annäherung [...] zwischen Autor und Rezipient"102. Fähnrichs mühsame Apologie findet schließlich die „einzige Lichtseite" seiner „ungefachten aphoristischen Schreibart" darin, „daß sie einem Jeden die Wahl des verwendbaren Stoffes zum eigenen Neubau biethet". Der Brockhaus bildet Mitte des 19. Jahrhunderts die angemessene Zusammenfassung: Der Aphorismus „führt den Leser zum eigenen Nachdenken, indem er sich gedrungen fühlt, die kurz vorgetragenen Sätze zu erläutern und zu einem verbundenen Ganzen zu verarbeiten". Solche Rezeptionsverwiesenheit gilt indessen ungebrochen weiter und läßt sich noch an entlegenster Stelle nachweisen, so, wenn F. Schröder im Vorwort seiner anonym erschienenen „Religiösen Aphorismen" die Wahl der Form so begründet: „da dieselbe besonders geeignet scheint, das Nachdenken über Bekanntes anzuregen"103. Ob die Aphorismen von der Art sind, daß sie „zu denken geben", ob der Leser „den roten Faden herauslesen" muß: in jedem Fall ist auch für Vischer aktive Rezeption konstitutiv und eigentümlich. Denkscheu, fürsorglich oder ohne Zutrauen: Auerbach findet sie „gefährlich für Autor und Leser: Diesem muß zugemuthet 99

100 101 102 103

Varnhagen: Buch des Andenkens. Dritter Teil. Gesammelte Werke. Bd. 3. 1983, S. 141— 149. Seibert: Der Aphorismus im Salon. In: P. S.: Der literarische Salon. 1993, S. 259. Varnhagen: Buch des Andenkens. Dritter Teil. Gesammelte Werke. Bd. 3. 1983, S. 139. Seibert: Der Aphorismus im Salon. In: P. S.: Der literarische Salon. 1993, S. 261. F. Schröder: Religiöse Aphorismen. 1869, S. 1.

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werden, Bindung und Zusammenhang selbstthätig zu finden". So handgreiflich wie Börnes ist dabei Ficks Bild vom „Nüsseknacken" (dem später nur Nacht Konkurrenz macht: „Aphorismen sind unausgebrütete Eier, man soll sie ausbrüten, nicht nur genießen wollen"). Ebner-Eschenbach hebt als das Positive der Skizze dem „ausgeführten Kunstwerk" gegenüber prononciert heraus, daß sie uns geradezu „zum Mitarbeiter macht". In genau diesem Sinne zieht Nietzsche, wo er über „Das Unvollständige als das Wirksame" nachdenkt, „die reliefartig unvollständige Darstellung" der „erschöpfenden Ausführung" vor. Er hat sich so vielfältig und genau wie kein anderer über die „Kunst der Auslegung", die der Aphorismus fordert, geäußert104. Schon an eben dieser Stelle führt ja seine Begründung weiter: „Man überlässt der Arbeit des Beschauers mehr, er wird aufgeregt, das, was in so starkem Licht und Dunkel vor ihm sich abhebt, fortzubilden, zu Ende zu denken und jenes Hemmniss selber zu überwinden, welches ihrem völligen Heraustreten bis dahin hinderlich war". Mit Bezug auf die französischen Moralisten spricht er von „wirklichen Gedanken" und erläutert: „Gedanken von der Art, welche Gedanken macht" 105 . Ganz im Sinne Lichtenbergs, der als das falsche Lesen dasjenige „ohne Vergleichung mit seinem eigenen Vorrat und ohne Vereinigung mit seinem Meinungs-System" bezeichnet, fordert er von der Sentenz: Sie „muss, um geniessbar zu sein, erst aufgerührt und mit anderem Stoff (Beispiel, Erfahrungen, Geschichten) versetzt werden". Und gegen die falschen Vorstellungen eines problemlos einfach zu besitzenden Kanons von Lebensweisheit richtet sich, was er als die „Schwierigkeit" der aphoristischen Form beschreibt und nicht nur als „Kunst der Auslegung", sondern, mit einem noch stärkeren Bild, als ,Entzifferung' für unabdingbar hält: Denkanstrengung gegen die leichte Verfügbarkeit eines Anthologien-„Schatzes". Zweierlei kennzeichnet denn auch die Gedankensplitter um die Jahrhundertwende in dieser Beziehung: Zum einen stellen sie sich zur - sei es: erheiternden, sei es: besinnlichen' oder (aus zweiter Hand) geistreichen' - Verfügung, zum andern wollen sie eine Gemeinde idealistischer Konfession begründen, in der es auf die gleiche Innerlichkeitsgesinnung ankommt. So ist es schon bei von Oertzen zu sehen, und Leixners betuliche Anrede „lieber Leser" versteht sich so genau in diesem Sinne, wie ihm Stein widerspricht: „Ein großer Schriftsteller wird niemals sagen: ,Lieber Leser!' Ihm ist der Leser nicht lieb". Produktive Rezeption ist in beiden Fällen nicht gefragt. Wo der fest mit dem Begriff verknüpfte

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105

„Der Aphorismus als Vor-wurf für den Leser" (S. 273) ist einer der Aspekte, die Greiner besonders beschäftigen (Greiner: Friedrich Nietzsche. 1972). Nietzsche: Werke, Bd. 1. 1973, S. 961f.

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Aspekt trotzdem variiert wird, da geht es (wie bei Blumenthal) nicht ohne Wortspiel, das aber gedanklich nur repetiert: „Aphorismen sind gegebene Endreime - an dem Leser ist es, sich einen Vers daraus zu machen", da bleibt es (wie bei Ernst) beim Mißverständnis der Beliebigkeit: „Es bleibt jedem überlassen, sich diese disjecta membra nach vorwärts oder rückwärts zu ergänzen, wie er mag". So disparate wie je für sich aufschlußreiche Details bietet der Aspekt der Rezeptionsverwiesenheit bei einzelnen, sehr unterschiedlichen Autoren des beginnenden 20. Jahrhunderts, von Cale bis Musil. Für Cale kommt der Rezipient als der ästhetischer Gewalt Unterworfene in den Blick. Die ästhetische Form des Aphorismus, die ihn logisch unangreifbar mache, bewirke „auch beim Rezipienten eine Ausschaltung aller von der tatsächlichen Geltung her genommenen Einwände, sie zwingt den Intellekt oder das Gefühl des Genießenden nur, bei der im Aphorismus dargebotenen Seite der Dinge zu verweilen". Für Kraus ist es hingegen eher umgekehrt. Er würde in der Rezeptionsverwiesenheit wohl ein Eingeständnis mangelnder literarischer Omnipotenz sehen, jedenfalls geht er auf diesen Aspekt nicht ein. Stoessl bleibt mit seiner Bestimmung eines „dialogischen, nahezu dramatischen Charakters" des Aphorismus undeutlich, während Friedeil das Stereotyp Selbstdenken auf Altenberg bezogen so pointiert: „Die einen denken blos selber, aber die andren bringen auch die übrige Welt zum Selbstdenken"106. Für Musil wiederum leitet Brokoph-Mauch genau hier das endliche Versagen ab. Auf der Suche nach den Gründen dafür entwickelt sie eine interessante These. Sie setzt die Rezeptionsverwiesenheit des Aphorismus als unabdingbar voraus und vermutet: „Was Musil zu dieser Zeit fehlt und was ihn vom wirklich erfolgreichen Aphorismus abhält, ist sein Vertrauensverhältnis bzw. gestörtes Vertrauensverhältnis zu seinem Leser" 10 ? Einen besonderen, noch kaum reflektierten Aspekt steuert schließlich Leonhard bei. Von einer „desultorischen Lektüre" spricht schon Fähnrich im „Aphoristischen Taschenbuch", allerdings nur erst mit dem bescheidenen theoretischen Uberbau der mehr oder weniger starken Ermüdung. Bei Leonhard heißt es: „Das Lesen ist - oder sei - dem Schreiben kongruent: das Lesen von Lyrik verlangt einen unidyllischen Ausbruch, Kürze, Heftigkeit, bis zum Fortstoßen des Buches, Epik verlangt episches Lesen [...]. Vor allem Aphorismen lese man aphoristisch!" Lampings äußerst vorsichtige Erwägung, von einer „aphoristischen Lektüre" zu sprechen, erhält hier Unterstützung108 und sollte weiter verfolgt werden. 106 Friedeil: Altenberg. In: Altenberg: Bilderbögen des kleinen Lebens. 1909, S. 212. 107 108

Brokoph-Mauch: Robert Musils Aphorismen. In: Sinn und Symbol. 198^ S. 428. Lamping: „Zehn Minuten Lichtenberg". Canetti als Leser anderer Aphoristiker. In: Canetti als Leser. 1996, S. 125.

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Im Tagebuch 1946-1949 notiert Max Frisch „Beim Lesen": „Was zuweilen am meisten fesselt, sind die Bücher, die zum Widerspruch reizen, mindestens zum Ergänzen: - es fallen uns hundert Dinge ein, die der Verfasser nicht einmal erwähnt, obschon sie immerzu am Wege liegen, und vielleicht gehört es überhaupt zum Genuß des Lesens, daß der Leser vor allem den Reichtum seiner eignen Gedanken entdeckt" 109 .

Wo der Gedanke im weiteren Fortgang poetisiert und metaphorisiert wird: „Wir blühen aus eigenen Zweigen, aber aus der Erde eines andern. Jedenfalls sind wir glücklich"110, sehen wir uns an Cale erinnert: „Ein guter Aphorismus muß sich uns zugleich überraschend und zugleich vertraut anschmiegen: muß für einen Moment etwas in uns erlösen, was, ohne daß wir's wußten, in uns auf Erlösung gewartet hatte". Und in der Tat bewegen sich die Überlegungen des Tagebuchschreibers Frisch sehr schnell vom Lesen überhaupt zur „Skizze als Ausdruck eines Weltbildes, das sich nicht mehr schließt oder noch nicht schließt; als Scheu vor einer förmlichen Ganzheit, die der geistigen vorauseilt und nur Entlehnung sein kann", und zum Aphorismus. Die skeptische Position in seinem inneren Dialog über das nicht mehr in einem System Verbundene oder noch nicht zu einem solchen Verknüpfte legt er Cesario in den Mund: „Alles Aphoristische ist eine Ruine nach der Zukunft. [...] Ihr spielt [...] mit der Hoffnung, mit dem Versprechen eines Ganzen, das da kommen soll und das ihr in der Tat nicht leisten könnt" 111 . Auch die folgenden Reflexionen Frischs sind von einer Ambivalenz geprägt, bei der letztlich Skepsis überwiegt. Bedenkenswert schön die Verbindung der unendlichen Denkbewegung des Aphorismus mit dem endlichen formalen Effekt, „um ein Unlösbares loszuwerden": „Aphoristik als Ausdruck eines Denkens, das nie in einem wirklichen und haltbaren Ergebnis mündet, es mündet immer ins Unendliche, und äußerlich endet es nur, weil es müde wird, weil die Denkkraft nicht ausreicht, und aus bloßer Melancholie, daß es so ist, macht man Kurzschluß, das Ganze als eine Taschenspielerei, um ein Unlösbares loszuwerden, indem man sich einen Atemzug lang verblüfft"112.

Schließlich überwiegen die Vorbehalte, denn: „Der Aphorismus gibt keine Erfahrung. Er entspringt wohl aus einer Erfahrung, die er ins Allgemeine überwinden möchte; der Leser aber, der bei der Erfahrung nicht dabei war, vernimmt nur dieses Allgemeine, das sich für gültig erklärt". Das reflektieren die Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts kaum anders. August Wilhelm Schlegel, der im übrigen auf den verständigen Leser ver-

Frisch: Gesammelte Werke in zeitlicher Folge. Bd. II: 1944-1949. 1976, S. 446f. = Ebd. S. 447 111 Ebd. S. 448. 112 Ebd. 109 11(

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traut, schreibt: „Ein sehr allgemeiner Satz, in welche unzählige Erfahrungen zusammengedrängt werden, ist immer in einem gewissen Sinne unwahr". Und bei Auerbach heißt es: „Aphoristische Betrachtungen sind oft wie ein farbloser Niederschlag aus lebendigen Wahrnehmungen, die erst demjenigen wieder einen festen farbigen Inhalt darbieten, der eine eigene Lebenserfahrung hinzubringt". Aber Frisch teilt weder den Aufklärungsoptimismus Lichtenbergs, daß die Bemerkung „hernach dem denkenden Leser mit einem Vergnügen, das kein gleiches hat, sich wieder in Leben-Gebrauch auflöst", noch die anmaßende Forderung Nietzsches, daß der Leser die Gedankenkette „aus eigenen Mitteln wiederherstelle". Er denkt radikaler existentialistisch: „Wer Aphoristik macht, ohne daß wir sein Leben kennen, gibt nichts als die obersten Blumenköpfe, so wie Kinder sie rupfen, keine Wurzeln daran, welche die Blüten nähren, keine Erde dazu, und die bunten Blumenköpfe bleiben eine Verblüffung, die bald verdorrt". Damit verläßt der reflektierende Diarist die Gattung zugunsten der Erzählung (ohne freilich damit aus der Gattungsreflexion überhaupt entlassen zu sein: „Erzählung: aber wie?"113), ein Beispiel dafür, wie die Autoren des 20. Jahrhunderts im Anschluß an die hier aufgefächerte Begriffs- und Gattungstradition zu neuen formalen Folgerungen kommen.

III. Der Begriff im Spannungsfeld von Erkenntnis zwischen Wissenschaft und Literatur Während eine synchron orientierte Synthese die Interferenzen mit benachbarten Begriffen als den Rand und die durchgängig nachweisbaren Aspekte als die semantische Mitte des „Aphorismus"-Begriffes historisch zu erläutern sucht, muß ein zweiter, diachron angelegter Ansatz die von der Wissenschaft zur Literatur laufende Entwicklung und ihre Gründe zusammenfassend skizzieren und erklären, die vielbeschworene ,Zwischenstellung' des „Aphorismus" also, verstanden nicht als autonomer Bezirk, sondern als doppelte Teilkongruenz. Es geht dabei um nicht weniger als die Frage, von welcher Seite her Anspruch auf Erkenntnis über den Menschen erhoben wird, ob also diese Erkenntnis in den Bereich der Wissenschaft oder den der Literatur gehört, und damit auch darum, wie solche „Erkenntnis" verstanden wird. Alle Literaturwissenschaftler, die sich dem Aphorismus als literarischer Gattung oder bei einzelnen Autoren zuwandten, haben die Besonderheiten solcher aphoristischen Erkenntnis reflektiert. Nur wenige seien her113

Ebd. S. 449.

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ausgehoben. Als „zweiten Gang des neuzeitlichen Denkens" bezeichnet sie Heiss und umschreibt sie mit Ausdrücken wie: die „innere Feindschaft gegen das Gehäuse des Systems", die andere Wahrheit, die Einmaligkeit des Erlebnisses, der erlittene Einfall, die unmittelbar erlebte oder angeschaute Wirklichkeit114. Baumann sieht das Besondere der Aphorismen darin, daß sie „für die Erkenntnis der menschlichen Natur, von geistigen Vorgängen und Weltverhältnissen" auch die „Spannung zwischen der Sprache und dem Sprachlosen"115 ausnützen. Schumacher, der schon 1958 in seiner Dissertation das Verhältnis von „Darstellung und Erkenntnis"116 im Aphorismus untersucht, spitzt seine Vorstellungen in Bezug auf Jünger 1986 derart zu, daß er von einer neuen Art von Wissenschaft spricht, „einer Wissenschaft, die sich selbst transzendiert, es ist eine aphoristische ,Wissenschaft', die zur Selbstaufhebung der Wissenschaft drängt"11-! Neumann geht von dem „Konflikt von ,logischer' und ästhetischer' Wahrheit" aus, der dem Widerspruch zwischen Erleben und Denken um 1800 entspringt, folgert: „Die Moralistik wird transzendental, ,erkenntniskritisch' in dem von Kant begründeten Sinne" und verfolgt die sich daraus ergebenden Konfliktformen „solchen ,Erkennens' (als eines Entdeckens) zwischen Darstellung und Denken"118 bis in die letzten Ausfaserungen. Im Anschluß an ihn sucht Febel den Aphorismus als Modell für spielhafte Erkenntnis nutzbar zu machen119. Schildknecht erörtert für Lichtenberg genau das Nebeneinander von diskursiv-argumentativ gewonnener und nicht-propositionaler Erkenntnis. Helmich, der in Auseinandersetzung mit Stephenson auf dem Miteinander von Erkenntnisvermittlung und Sprachkunstwerk beharrt120, sieht die „Synthese von wissenschaftlicher und literarischer Aphoristik" im „Modell Valery" verwirklicht121 und arbeitet für den französischen Aphorismus, nachdem die Wissenschaft der traditionellen moralistischen Maxime „selbst auf ihrem ureigenen Feld, den verschiedenen Aspekten der ,Menschenkunde', die Daseinsberechtigung als Erkenntnismittel entzogen"122 habe, geradezu „zwei Verfahren" heraus. Der Aphorismus weiche auf Gebiete aus,

114

Heiss: Der zweite Gang des neuzeitlichen Denkens. In: G. H.: Der Gang des Geistes. 1948, S. 94-123, hier S. 94-100. 115 Baumann: Zur Aphoristik. In: G. B.: Entwürfe. 1976, S. 60. 116 Schumacher: Wesen und Form der aphoristischen Sprache und des Essays bei Ernst Jünger. 1958. 117 Schumacher: Themen der französischen Moralistik bei Ernst Jünger. In: Cantarutti, Schumacher (Hg.): Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. 1986, S. 126. lie Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 828. 119 Febel: Aphoristik in Frankreich und Deutschland. 1985. 120 Helmich: Der moderne französische Aphorismus. 1991, S. 22-23. 121 Ebd. S. 160ff. 122 Ebd. S. 297

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auf denen die Wissenschaften keine sicheren Erkenntnisse bieten könne, und - ähnlich wie Schumacher („Selbstaufhebung der Wissenschaft"), aber abgewogener - er kritisiere „seinerseits die Erkenntnisdefizite und sonstigen Mängel einer technizistisch verengten Wissenschaft"123. Die Synthese der Begriffsgeschichte kann im Lichte der Erkenntnisse Gabriels zu „Erkenntnisformen von Dichtung, Philosophie und Wissenschaft"124 Grundlagen zu diesen ebenso wichtigen wie zur Kongruenz tendierenden „Entwürfen" (Baumann) und Untersuchungen liefern. Gabriel verteidigt den Erkenntniswert von Literatur, indem er als Funktionen der Sprache das Verweisen auf Gegenstände, das Mitteilen von Inhalten und das Aufweisen von Allgemeinem und von Sinn unterscheidet und nicht-fiktionalen literarischen Texten wie dem Aphorismus eine Besonderheit zuerkennt: „Während nun in wissenschaftlichen Texten und auch in alltäglichen Gesprächen die Erkenntnis über das Mitteilen in Verbindung mit dem Verweisen übermittelt wird, wird sie in dichterischen Texten über das Mitteilen in Verbindung mit dem Aufweisen vermittelt. [...] In nicht-fiktionalen literarischen Texten schließlich wird die Erkenntnis durch alle drei Funktionen über- und vermittelt. Da hier mit dem Verweisen die Regel der Referenz in Kraft bleibt, haben wir es dann nicht mit einer Umkehrung der Richtung des Bedeutens zu tun, sondern mit einer Erweiterung"125.

Im 18. Jahrhundert dient der „Aphorismus" von Hippokrates und Bacon her als Medium einer ganzheitlich orientierten philosophisch-anthropologischen Wissenschaft, die nicht nur Natur- und Geisteswissenschaften umfaßt, sondern auch die - erst später streng gezogene - Grenze zur Literatur nicht (aner)kennt. Mit Blick auf Platner stellt Cantarutti fest, daß „jene Entfremdung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, die sich in der berühmt-berüchtigten Formulierung der ,two cultures' niederschlägt, [...] ein Produkt späterer Zeiten"126 ist. Eindeutig, was das Verhältnis solcher Wissenschaft zur Literatur betrifft, ist nicht nur das Mit- und Ineinander, sondern auch der Primat der letzteren, für Platner ist „die Dichtkunst allzeit die Vorgängerinn der Philosophie". Demgemäß ist es für Pfotenhauer deutlich, daß Platner, für den „die dichterische Behandlung der Dinge die begriffliche fördere", in seiner Anthropologie „literarische Ambitionen" erkennen lasse; dementsprechend stark kann Cantarutti formulieren, „daß eine kategorielle Trennung zwischen literarischen und nicht-literarischen Aphorismen" für das 18. Jahrhundert „ein direkt verfälschendes" Verfahren

123 124

Ebd. S. 298. Gabriel: Zwischen Logik und Literatur. 1991.

125 Ebd. S. 10f. 126

Cantarutti: Moralistik, Anthropologie und Etikettenschwindel (Platner). In: Cantarutti, Schumacher (Hg.): Neuere Studien zur Aphoristik und Essayistik. 1986, S. 66.

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wäre, und den unlösbaren Zusammenhang von - wissenschaftlicher - Anthropologie und - literarischer - Moralistik herausarbeiten. Eine gegenläufige Bewegung ist in der Untersuchung des anthropologischen „Aphorismus" deutlich geworden. Auf der einen Seite erweitert sich der Begriff auf andere Wissenschaften, der semantische Kern verdünnt sich in einer zentrifugalen Bewegung fortschreitend. Andererseits überschreitet der Begriff im Blick auf die eine und gemeinsame Menschenkenntnis den Lehrbuch-Kontext in Richtung einer populärwissenschaftlichen Lebensphilosophie und weiter in die Literatur hinein. Wie die Autoren von „Aphorismen" gemäß seiner Verwendungstradition von der Wissenschaft herkommen, so bietet er sich umgekehrt solchen Schriftstellern in der Regel zunächst noch nicht an, die kein Lehrbuch schreiben oder populärwissenschaftlich wirken wollen, sondern sich als Verfasser schöner Literatur verstehen und literarische Erkenntnis in ungewohnten Formen und unter verschiedenen neuen Begriffen wie Brocken, Bemerkungen, Einfälle oder Reliquien erproben. Gleichwohl sind Zusammenhänge deutlich zu machen, und die Relativierung einer scheinbar unvereinbaren Trennung in zwei Erkenntniswelten setzt sich auch von der Seite der Literatur her fort. Für den, der das Integrative aufsucht und akzentuiert, statt anachronistisch das Dichotomische zu betonen, löst sich auch das Problem auf, daß Verbindungslinien von Bacon zu Plainer - mit dem Begriff - und gleichzeitig zu Lichtenberg - ohne den Begriff - laufen. Stern, für den der Aphorismus als Experiment in der Welt der Ideen Wissenschaft und Kunst verbindet 12 ^ und Neumann, der die Verbindung zwischen der wissenschaftlichen Herkunft des Aphorismus und seiner literarischen Praxis beschreibt 128 , haben - ohne begriffsgeschichtliche Erörterung - in Bezug auf Lichtenberg solche Zusammenhänge hergestellt. Schon Falks Lichtenberg-Porträt von 1803 erkennt das Grenzgängertum Lichtenbergs, der - mit entschiedener Parenthese ist das gesetzt - als „Selbstdenker" „Dichter" sei: „Dabey muß man ihn [!] nun freylich die schon oben erwähnte Unentschiedenheit seiner Natur zu gut kommen lassen, die, indem sie ihn zum Dichter und Gelehrten gleich ungeschickt [aber doch auch gleich geschickt, F. S.] macht, ihn auf die Grenze von beyden hinstellt. Als Dichter - und dieses Wort kann und darf nicht anders, als zur Bezeichnung eines so ewig regen, aufmerksamen Selbstdenkers, wie Lichtenberg wirklich war, in unsrer Sprache Platz gewinnen - ist ihm das ganze hohle Compilator- und Registerwesen, das unter uns Deutschen noch immer, unter dem Namen Gelehrsamkeit, im Schwange geht, anstößig und einleuchtend geworden"129.

127

Stern: The Aphoristic Experiment. In: J. P. S.: Lichtenberg. 1959, S. 112-126. 128 Neumann: Lichtenberg. In: G. N.: Ideenparadiese. 1976, S. 86-264, bes. S. 219ff und 246ff. 129 Falk: Uber Lichtenbergs Leben und Schriften. In: J. D. F.: Kleine Abhandlungen die Poesie und Kunst betreffend. 1803, S. 88.

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Mit ihrer Uneindeutigkeit zwischen Kunst und Wissenschaft ist Falks Studie vom Geist der Romantik geprägt und greift für Lichtenbergs Zeit selbst voraus : „Er fühlt, daß ein durch eignes Nachdenken gewonnenes sichres Resultat, wobey man ausruhen, wornach man handeln kann, mit einem Wort, das echt Poetische einer Kunst, einer Wissenschaft, mehr werth sey als eine ganze Fuhre mit Cathedergezänk und Inauguralprogrammen: dabey will er sich aber als Gelehrter nichts vergeben" 130 .

Jean Pauls Aufzeichnungen stellen für Schmidt-Biggemann „in der Form von Tagebuchblättern und Aphorismen, die an Platner geschult sind, eine Schwundstufe von Systematik" dar, die, auf Witz und Einbildungskraft beruhend, sich in den größeren Zusammenhang einer „Neuverwendung von Aphoristik als von systematischen Brocken nach Maßgabe einer orientierenden, nicht mehr deduktiven Vernunft" eingliedert. In demselben Sinne sieht Kosenina durch den Witz als Erkenntnisprinzip und den Gegensatz von Selbst- und Systemdenken „das ,lebendige Sehen' des angehenden Schriftstellers mit Platners popularphilosophischem Primat der Erfahrung und der ,lebensphilosophischen Methode der Aphoristik'" im engsten Zusammenhang. Und in Bezug auf Seume geht Stephan von einem einheitlichen, Platner und Feiner wie Seume und Klinger umfassenden Aphorismusbegriff aus. Mautners frühe Einsichten, wie der Aphorismus als wissenschaftliche Außerungsart sich halbwissenschaftlicher Gebiete bemächtigt und auf solchem Wege endlich zum Begriff für die literarische Gattung wird, sind damit entschieden zu präzisieren. Neben dem inneren Wandel der Wissenschaft sei „die Emanzipierung des schauenden und gestaltenden vom forschenden und lehrenden Schrifttum"131 die Ursache, heißt es bei ihm noch tastend-allgemein. Seine knappen Überlegungen zu der Frage, warum der alte Sammelname „mit neuem, spezifischerem Inhalt gefüllt"132 werde, sind zu entfalten und, da es gerade das Inhaltliche ist, das den Ubergang ermöglicht, wohl auch mit korrigierenden Akzenten zu versehen. In einem komplementären Prozeß wird der Begriff von Wissenschaftlichkeit, Beginn einer fachlichen Aufsplitterung, enger, strenger, differenzierter, so daß eine ganzheitlich verstandene philosophische Anthropologie ihn nicht mehr erfüllt. Für die Verfasser von „Aphorismen", die auf allgemeine Menschenkenntnis und Lebensweisheit zielen, ist dort fortschreitend weniger Platz. Das Bedürfnis nach ganzheitlicher Orientierung und „Erkenntnis" wird im selben Maße zeitweise stärker von einer populärwissenschaftlichen „lebensphilosophischen" Moralistik

»0 Ebd. 131 Mautner: Der Aphorismus als literarische Gattung. In: Aphorismus WdF, S. 38. 132 Ebd.

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bedient. Schließlich findet solche Erkenntnis ihren Raum in einem Randbereich der Literatur. Anthropologie wie Moralistik wie irgendwelche nicht (recht) einzuordnenden „Bemerkungen" oder „Einfälle" sind (nicht nur) thematisch in dem gemeinsamen Bemühen um Menschenkenntnis nicht mehr so weit voneinander entfernt, ohne daß sich der Begriff fremder Herkunft den Schriftstellern schon mehr als ganz vereinzelt anböte. Angesichts einer strengeren und ,anspruchsvolleren' Abgrenzung führt der Weg des Begriffes einerseits aus der Wissenschaft in die Literatur hinüber. Andererseits ist damit gleichzeitig der Anfang des Weges markiert von Verschiedenartigem und verschieden Bezeichnetem literarisch Wertvollen, aber nicht recht Zuzuordnenden, das Literatur und Erkenntnis verknüpft, zur Gattung „Aphorismus" unter diesem Begriff. Es ist nicht verwunderlich, daß er in diesem Zusammenhang im Projekt gebliebenen Versuch einer Integration von Wissenschaft und Kunst, Philosophie und Poesie um 1800, die der Wissenschaft eine poetische Umkehr verordnet und vermittelst des „Aphorismus" auf Erkenntnis zwischen Wissenschaft und Literatur dringt, eine überaus wichtige Rolle spielt. Neumanns „Ideenparadiese" gehen von der Einsicht aus: „Der Aphorismus um 1800 wird zum lebendigsten Ausdruck des Konflikts von logisch-mathematischer und ästhetischer Wahrheit" 133 . Wo er in Bezug auf Goethe von dem immer wieder aufs neue unternommenen Versuch aller Aphoristiker von Rang spricht, „moralistische Verfahrensweisen auf grundsätzliche Erkenntnisse hin zu transzendieren" 134 , schließt sich John weiterführend an: „Eine solche Verbindung von Aphoristik und Wissenschaft tritt im Werk Goethes nicht voraussetzungslos auf, vielmehr gehört sie gattungsgeschichtlich von Beginn an zu den bestimmenden Wesensmerkmalen des Aphorismus" 135 . Er beschreibt für denselben Autor „die Geburt der Aphoristik aus dem Geist der Naturwissenschaft" und arbeitet wie Stern für Lichtenberg dabei das Gedankenexperiment heraus. „In dieser Konzeption einer Wissenschaftsgeschichte, die von der Uberzeugung getragen wird, daß sich ,die Schriften vom Leben nicht sondern' lassen, kommt der Aphoristik [...] ihr fest umrissener Platz zu" 136 . Für die Romantiker wird der integrative Ansatz vor allem in Friedrich Schlegels Konzept einer progressiven Universalpoesie formuliert, vielfach, lakonisch und paradox: „Je mehr die Poesie Wissenschaft wird, je mehr wird sie auch K u n s t " o d e r : „Der dichtende Philosoph, der phi-

133 Neumann: Ideenparadiese. 1976, S. 84. '34 Ebd. S. 611. 135 John: Aphoristik und Romankunst (Goethe). 1987, S. 246. 136 Ebd. S. 225. 137 Athenäum-Fragment Nr. 255 (Kritische Ausgabe Bd. II, S. 208).

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losophierende Dichter ist ein Prophet" 138 , bis es apodiktisch heißt: „Alle Kunst soll Wissenschaft, und alle Wissenschaft soll Kunst werden; Poesie und Philosophie sollen vereinigt werden". In der „witzigen" Verbindung von Wissenschaft und Kunst kommt neben dem Fragment auch dem „Aphorismus" - natürlich, darf man angesichts seiner begriffsgeschichtlichen Entwicklung bis zu diesem Zeitpunkt beinahe sagen - als „Gedanke, der Physiognomie hat", erne wesentliche Funktion zu. A.W. Schlegel knüpft in seiner Chamfort-Rezension eine im Vergleich zur Wissenschaft auf Persönlichkeit und Erfahrung beruhende „andere Denkart" an die „aphoristischen Bruchstücke" der französischen Moralistik an, wenn auch skeptischer: Die einzelnen Behauptungen, „immer in einem gewissen Sinne unwahr", haben in ihrer Vereinzeltheit nur „vielleicht" gewonnen. Hinreichend deutlich begegnet schließlich Görres dem Vorwurf, daß er mit seinen a fresco gemalten „Aphorismen" Poesie in die Wissenschaft einmenge: „Ich [...] denke, was der Himmel verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen". Mit der Vorherrschaft der Ästhetik Hegels, die die Kunst eindeutig der Kunstreflexion nachordnet und die Philosophie an die unbestritten erste Stelle setzt, ist die Idee einer Integration von Philosophie und Poesie aufgegeben. Troxler etwa, der sich als „Philosoph und Anthropolog" ganzheitlich im Sinne des 18. Jahrhunderts der Kenntnis des Menschen zuwendet, erscheint seiner Zeit völlig überholt. Der „Aphorismus" wächst als Begriff für eine Gattung literarischer Erkenntnis heran, eindeutig der Literatur zugeordnet, von Herkunft und Funktion her mit einem Zwischen-Status versehen, den der anonyme Verfasser der Lebensskizze Klingers als den einer „Brücken"-Gattung erläutert. Bei Börne und Varnhagen, auch bei Saphir und Lenau ist die beginnende Verschmelzung von Gattung und Begriff zu beobachten. Daneben lebt er in der Nachfolge des „Aphorismus" der „Lebensphilosophie" und Lebensweisheit aus dem 18. Jahrhundert noch fort, so daß wir ein Nebeneinander des (populär-)wissenschaftlichen älteren und des neueren literarischen Begriffes beobachten, ununterschieden, wenn auch nicht unentschieden, denn exakt in dem Maße, in dem sich der Gattungsbegriff (zunächst nur in der Literatur selbst, nicht in der Literaturwissenschaft) etabliert, verliert sich die ältere Begriffsvorstellung in Randbereiche. Deutlich dokumentiert dieses Zwiefache zur Jahrhundertmitte Brockhaus' „Real-Encyklopädie", die zwischen Lehrsatz und LehrSpruch schwankt und die Definition „im engeren Sinne" der Wissenschaft von der „im Allgemeinen" unterscheidet. Fähnrich steht mit seinem „Aphoristischen Taschenbuch", das „Ana aus dem Gebiete der Kunst und Wissen-

138

Athenäum-Fragment Nr. 249 (Kritische Ausgabe Bd. II, S. 207).

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schaft" sammelt, terminologisch noch ganz in dieser Tradition, läßt aber andererseits, wenn er bevorzugt Lichtenberg und Jean Paul zitiert, auch schon das Zusammenwachsen beider Begriffe erkennen. Der von Niveau und Verbreitung her ungleich bedeutendere und brisantere Fall, Schopenhauers „Aphorismen zur Lebensweisheit", verliert, als letztes Glied der popularphilosophischen Aphoristik des 18. Jahrhunderts gesehen, seine terminologische Problematik. Gerade im Vergleich mit Feuchtersieben wird deutlich, daß für Schopenhauer unter Hintanstellung formaler Gesichtspunkte, wie sie sich mit der Literarisierung des Begriffes stärker geltend machen, noch eindeutig der inhaltliche Aspekt dominiert, auch wenn er hier auf seine Weise einen Zwischen-Raum besetzt und sich, weit von traditioneller Philosophie entfernt, mit „poetischen Verfahren" statt „philosophischer Argumentation" (Fedler) im Grenzbereich zur Literatur bewegt. Der Mediziner Feuchtersieben knüpft mit seinen „Aphorismen", für die er nicht nur logische Priorität, sondern auch Natürlichkeit reklamiert, zwar selbstverständlich auch an die medizinisch-anthropologische Tradition an, bezieht sich mit dem Begriff aber eindeutig auf die werdende Gattung im literarischen Kontext. Punktuelle Erkenntnis, „bald Ahnung, bald Wissen", strebt er mit ihr an, er will ganz dezidiert Poesie im Sinne Goethes schaffen und hadert nach dem Zeugnis Grillparzers mit der Zwischenstellung als dem Nicht-Poetischen der Gattung. In der Auseinandersetzung mit ihm, einem der „Geister, die sich fortwährend mit poetischen und philosophischen Problemen beschäftigen [...], ohne doch selbst eigentlich Dichter oder Philosophen zu sein", macht Hebbel die Zwischenstellung des „Aphorismus" so explizit wie die eindeutige Zuordnung zur Literatur, mit seinem Bewußtsein für die Form so gut wie mit dem Bezug auf eine Gattungstradition von Novalis, Lichtenberg und Varnhagen her. Der „Aphorismus" ist als literarische Gattung etabliert. Mit Feuchtersieben, Nietzsche und Kraus lassen sich Stadien seiner Literarisierung als Emanzipationsprozeß von den philosophischen Wurzeln interpretieren. So selbstverständlich, wie jetzt für Grillparzer die Aphorismen „nicht nur ein denkerisches, sondern auch ein ästhetisch-künstlerisches Anliegen sind" (Kainz), so selbstverständlich pflückt Gutzkow in seinen „Denksprüchen" „Vom Baum der Erkenntniß" literarische Früchte. Form stutt Erkenntnis ι das ist geradezu das Programm der „Gedankensplitter"-Aphoristik und ihrer Vorläufer. Leicht wird erfüllt, was als die Gattungserwartung empfunden wird; dabei ist Erkenntnis- Substanzverlust. Ästhetische Überlegungen sind zugunsten eines ethischen Programms zurückgedrängt, die Veräußerlichung der Form geht einher mit der Verinnerlichung scheinbar ewiger Werte, zu deren (Bildungs-),, Schatz" der „Aphorismus" gehört, dessen man sich sammelnd, zitierend und variierend vergewissert. Kunsthandwerker und „Herzensforscher" (Leixner):

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die leere Wortakrobatik der einen, die sich damit als geistvolle Artisten vorführen, gesellt sich dem vollen Herzen der anderen, die als Wortführer einer Gemüts-Gemeinde auftreten. Jeden ernsthaften normativen Anspruch hat der Aphorismus zugunsten einer ängstlich oppositionellen Rückzugsposition aufgegeben. Er geht in die Breite und verliert sich gleichzeitig innerhalb einer epigonalen, bürgerlich verflachten, in die Randbezirke des Lebens abgedrängten Poesie, verstanden als eine Art, „sich das Leben zurecht zu legen und über das Widerwärtige zu beruhigen", wie es schon bei Mohr heißt. Ziel ist nicht die Kenntnis einer sich verändernden Welt und der Veränderung wie Beharrung des Menschen darin in selbstreflektierter, gewandelter Form, Ziel ist es, „sich das Leben zurecht zu legen", dieser „Aphorismus" ist nicht Medium einer den Wissenschaften gegenüber aufregend eigenständigen Erkenntnis, sondern Sedativum in einem Reliktgebiet, in dem sich der Bürger „über das Widerwärtige zu beruhigen" wünscht. Genau diese Entleerung, dieser Substanzverlust ist Nietzsche bewußt, wenn er sagt, daß man „diese Form heute nicht schwer genug nimmt", er aber mit seinem. Aphorismus „als der Erste unter Deutschen Meister" sei. Er verteidigt den Anspruch, darin Erkenntnis zu vermitteln, gerade indem er ihn „in den höchsten ästhetischen Rang" (Meyer) erhebt. Aus der „Einheit von Erleben und Denken"139 erinnert er sich „wieder der ursprünglichen Einheit von Wahrheit und Dichtung in der lehrhaften Sprache des philosophischen Weisheitsspruchs" (Löwith). Wie dieses Erlebnis-Denken vom Leben ausgeht, so ist es auf das ganze Leben gerichtet. Diese doppelte Einheit hat die Opposition von Metapher und Begriff logisch im Gefolge. Während Nietzsche Wahrheit als „ein bewegliches Heer von Metaphern" versteht, erscheinen ihm die Philosophen als „BegriffsKrüppel". Aus demselben Umfeld einer Dichotomie von Beweglichkeit und Krüppelhaftigkeit erwächst die zentrale Metapher des Tanzes, mit der er seine Stellung zwischen Philosophie und Poesie, Wissenschaft und Literatur erläutert: „Eine solche Stellung zwischen zwei so verschiedenen Ansprüchen ist sehr schwierig, denn die Wissenschaft drängt zur absoluten Herrschaft ihrer Methode [...]. Um wenigstens mit einem Gleichnis einen Blick auf die Lösung dieser Schwierigkeit zu eröffnen, möge man sich doch daran erinnern, daß der Tanz nicht dasselbe wie ein mattes Hinund Hertaumeln zwischen verschiedenen Antrieben ist. Die hohe Kultur wird einem kühnen Tanze ähnlich sehen."

An anderer Stelle ist bildlich klarer ausgeführt, „daß Denken gelernt sein will, wie Tanzen gelernt sein will, als eine Art Tanzen": „Tanzen-können mit den Füßen, mit den Begriffen, mit den Worten: habe ich noch zu sa-

139

Janz: Friedrich Nietzsche. Bd. 2. 1981, S. 247

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gen, daß man es auch mit der Feder können muß - daß man schreiben lernen muß?" 140 Beweglichkeit im Denken wie im Schreiben, Tanzen mit der Feder: nicht auf den Begriff, sondern konsequenterweise auf diese Metapher bringt Nietzsche die Wahrheit über seine Aphoristik als denkendes Schreiben und als Erkenntnis zwischen Dichtung und Philosophie im Sinne eines existentiellen Experimentalismus, ein Anknüpfen an die klassische Moralistik in der Weise, daß „der Begriff des ,Richtigen' selbst aufgehoben wird"141, und eine Literarisierung des Begriffes, die gleichzeitig auf konträr neue Weise die Aufgabe der Aphoristik des 18. Jahrhunderts wahrnimmt. Stein und Cale ragen unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Erkenntnis und Aphorismus aus der Menge der Nietzsche-Rezipienten heraus. Die Konzeptionen der beiden zu früh verstorbenen Autoren sind in den Ansätzen steckengeblieben. Stein, der eine Einheit von Philosophie und Poesie erstrebt und „die gähnende Kluft" überbrücken will, indem „die Philosophie nach meiner Theorie die die Begriffe begleitenden Gefühle beachten lernt", ist in Anlehnung an Nietzsche und in Auseinandersetzung mit Hegel auf dem Wege zu einer bewußt zwischen Wissenschaft und Literatur stehenden, punktuellen' und persönlichen Aphoristik, während Cale mit Geschichte und Theorie der Vermittlung des Systems mit dem Aphorismus sowie der Wechselwirkung der Deduktion und des „Einfalles" mit seiner ,Lebendigkeit' beschäftigt ist. Der Literaturwissenschaft wird infolge der Literarisierung des „Aphorismus" im 19. Jahrhundert zögerlich fortschreitend und nach Nietzsche und den vorbildhaften Lichtenberg-„Aphorismen" Leitzmanns sprunghaft bewußt, daß es eine Gattung dieses Namens gibt. Dem Begriff wächst sehr schnell eine zentripetale Kraft zu, und es kommt, begünstigt durch die Vorherrschaft der Geistesgeschichte mit Leitbegriffen wie Synthese, Erleben, Verstehen des Erlebens, zu einem terminologischen Vereinheitlichungs-, genauer: einem Einschmelzungsprozeß, der einem Klärungsprozeß entgegenwirkt. Daß die Literaturwissenschaft im 19. Jahrhundert terminologisch konservativ erschien, sich jetzt hingegen unreflektiert bereitwillig in der Übernahme des „Aphorismus"-Begriffes erweist, ist nur scheinbar ein Widerspruch. Hat der Begriff einmal eine gewisse Akzeptanz erreicht, dann setzt sich sehr schnell das Prinzip der Gattungsklarheit durch, dem unklare,Restgruppen' nur unerwünscht sind. ,Ordnung' zu schaffen, klar zu kategorisieren, ist offenbar jeder Wissenschaft inhärent. 140

141

Nietzsche: Werke in drei Bänden. Bd. 2. 1973, S. 988f. („Götzen-Dämmerung", „Was den Deutschen abgeht" Nr. 7). Göttert: Kunst der Sentenzen-Schleiferei. Zu Nietzsches Rückgriff auf die europäische Moralistik. In: Dt. Vierteljahrsschrift 67, 1993, S. 723.

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Der Bezug zu Lebendigkeit und zum (eigenen) Leben verbindet Hille, Altenberg und Kraus mit Stein und Cale wie auch untereinander. Bei Hille äußert er sich in der Mythisierung seiner Person („Poesie und Wirklichkeit kommen in mir zusammen"), Altenberg paraphrasiert Cale in pathetischer Überspitzung („Richtige Aphorismen kommen nicht aus dem Gehirne, sondern aus dem Leben"; „Erkenntnisse in ein System bringen ist, einige wenige lebensfähige Wahrheiten in einem toten Meer von Lüge ertränken wollen!"), ohne doch damit weiterzuführen, im Gegensatz zu Formwille und Sprachethos von Kraus. Andererseits ist bei diesen Autoren im Gegensatz zu Stein und Cale eine eindeutige und einseitige, vehemente Literarisierung des Aphorismus zu beobachten. Für Hille bedeutet das, die Form als Ausdruck seines „Lakonismus der Stimmung" zu gebrauchen und bedingungslos dem „Einfall" hingegeben zu sein. Er „poetisiere den Aphorismus", bescheinigt ihm in bewundernder Nachahmung Nacht. Seiner Spontaneität entsprechen Pauschalismus („alles Denken geschieht aphoristisch") und Unklarheit („Aphorismen sind doch keine Aphorismen, um Gottes willen!") bei Altenberg, für den der „Aphorismus" unscharf bedeutend Ausdrucksmittel der Moderne innerhalb einer Vielzahl impressionistischer Kleinformen ist. Im Vergleich dieser „medizinischen Einzelerkenntnisse und -ratschläge in kurzen einprägsamen Sätzen" (Spinnen) zu Feuchtersieben zeigt sich der zurückgelegte Weg totaler Emanzipation der literarischen gegenüber der wissenschaftlichen Erkenntnis samt der formalen Konsequenzen wie auch die Gefahr am besten, die sich daraus ergibt, wenn die dem Aphorismus eigene Spannung in seinem Zwischen-Raum einer ,lebendig-literarischen' Einseitigkeit wegen aufgegeben wird. Kraus begegnet dieser Gefahr, indem er auf der Form als Erkenntnis beharrt („die Form ist der Gedanke"). Ethik und Ästhetik fallen für ihn dabei zusammen. Wenn er aphoristisch formuliert, der Aphorismus solle die Wahrheit überflügeln und mit einem Satz über sie hinauskommen, so verteidigt er in dem Miteinander der „Wahrheit" mit dem poetischen „Überflügeln" und dem doppeldeutigen „Satz" die Stellung des Aphorismus im Rahmen einer Dichtung, bei der es ihm um den „Kunstwert" geht, darum, „wieich's erzähle", um eine Kunst-„Wahrheit" eigener Qualität. In der Verbindung von Erlebnis, Eingebung und Gestaltung beruht sie letztlich auf der in Bibel („der Himmel öffnete sich") und Antike („und er sah": der Dichter als poeta vates) gründenden Vorstellung vom inspirierten Dichter-Seher. Es ist dies ein Konzept ästhetischer Erkenntnis, mit dem Kraus Nietzsche bei allen Unterschieden in der formalen Konsequenz und aller Unvergleichbarkeit (erst recht der subjektiv vermeintlichen) prinzipiell nahesteht. Solche Aphorismus-Gläubigkeit wird nach Kraus nur noch von poetae minores geteilt, in Nachts naiver epigonaler Deklamation („Der Aphoris-

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mus ist unpoetisch ? - Nein, wo der Gedanke erhaben, ist Poesie, - doch der Poesie mangelt oft die Erhabenheit des Gedankens" 142 ), später etwa bei Sigmund Graff, der wie Gutzkow noch einmal „Vom Baum der Erkenntnis" (1973) zu pflücken hofft. Bei Musil, der die .Zwischenlösung' Aphorismus als ideale zweifache Teilkongruenz und Sowohl-als-Auch („ideale Verbindung von Gedanke und Gedicht") wie als uneindeutige Mängelform und Weder-Noch („Nicht Fisch u nicht Fleisch") betrachtet, wird am deutlichsten, wie demgegenüber bei den großen Aphoristikern, bei Schnitzler nicht anders als bei Hofmannsthal und Schröder, im Gegensatz zu dem Anspruch der Aphoristik Nietzsches und Kraus', Skepsis, Zweifel, Begriffs- und Gattungsreflexion und -erprobung vorherrschen, bis hin zu Adornos „Reflexionen", Chargaffs „Bemerkungen", Hohls „Notizen", Canettis „Aufzeichnungen" oder Jüngers und Botho Strauß' sich jeder Gattungsbezeichnung enthaltenden Aphorismen. Aus der Begriffsgeschichte entwickeln sich für eine Geschichte des Aphorismus im Grundriß die folgenden Linien. Der „Aphorismus" ist im 18. Jahrhundert Medium einer einheitlich verstandenen Erkenntnis des Menschen, die Medizin und Philosophie als Anthropologie ebenso umfaßt wie populärphilosophische Moralistik. Von seinem wissenschaftlichen Ausgangspunkt her strahlt der Begriff mit einem Teil seiner semantischen Aspekte vereinzelt in die Wissenschaften des 19. Jahrhunderts aus, von seinem ganzheitlichen Verständnis her aber wesentlich in die Literatur. Der Wissenschafts-Begriff verengt und spezialisiert sich; für den Aphorismus mit seinem Generalitätsanspruch und seiner praktisch-ethischen Ausrichtung ist da kein Platz mehr. Wissenschaftliche Erkenntnis (Begriff, Denken) und (mit einem Begriff des 19. Jahrhunderts) schönwissenschaftliche: literarische Erkenntnis (Metapher, Anschauung) treten auseinander, wenn auch das große Projekt der Integration von Philosophie und Poesie, Wissenschaft und Kunst um 1800 unter dem leitenden Gesichtspunkt zusammenzuhaltender oder -zuführender Erkenntnis diesem Zerfall zu steuern sucht. Der Witz als Entdeckung von Zusammenhang wäre in dieser besonderen Funktion neu zu bedenken. Im 19. Jahrhundert siedelt der Aphorismus immer eindeutiger innerhalb der Literatur, ohne aber von beiden Erkenntnis-Weisen zu lassen. Der engere Aphorismusbegriff geht verloren, nach 1850 wird der weitere spezifischer literarisch und als Gattungsbegriff verstanden, zunächst von der Literatur selbst; die Literaturwissenschaft in ihrer klassischen TriasBefangenheit folgt nur sehr zögerlich. Mit dem Verhältnis seiner inhalt-

142

Nacht: Pflugschar und Flugsame. 1922, S. 90.

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liehen und formalen Aspekte verschiebt sich das Verhältnis von Ethik und Ästhetik allmählich. Während Erkenntnis immer stärker der Wissenschaft und damit dem Begriff zugeordnet, Dichtung hingegen als Fiktion mit einem eigenen über die Metapher erfolgenden Wahrheitsanspruch versehen wird, sucht der Aphorismus, einerseits Denk-Experiment, andererseits aus Anschauung, Intuition und Metapher geboren, die Verbindung zu halten, Literatur zu sein, aber nicht fiktionale Literatur im Gegensatz zur Lebenswirklichkeit. Von der Philosophie her gesehen bedeutet das für ihn, eine der Ausdrucksformen einer als „Philosophie der menschlichen Dinge"143 gleichfalls in einen Zwischenbereich abgedrängten Moralistik zu sein. Von Feuchtersieben, dem die Wissenschaft vergleichsweise ein „Leichnam" ist, bis ins 20. Jahrhundert hinein, in der Nietzsche-Rezeption erst recht verstärkt, erscheint das um Integration Bemühte, auf Menschenkenntnis im Ganzen Gerichtete als das Organische und Lebendige144. Die Parallelen zu Frankreich sind augenfällig. Wir sehen den Prozeß in Deutschland durch die Vielzahl der Zeugnisse allerdings differenzierter. Nachdem die Wissenschaft hier wie dort dem Aphorismus den Anspruch auf Erkenntnis streitig gemacht hat, konstatieren wir hier weniger ein Ausweichen auf Bereiche, „auf denen die Wissenschaften keine sicheren Erkenntnisse bieten, die aber auch nicht einfach als unerheblich abgetan werden können"145, wie es Helmich für Frankreich beobachtet, als vielmehr das Aufrechterhalten eines ,generalistischen' Anspruches und die (Selbst-)Behauptung als Alternative mit eigenem „Erkenntnis"-Verständnis (die die Kritik an den partikulären Erkenntnisintentionen der Wissenschaften subsumiert, für Helmich das zweite Verfahren des französischen Aphorismus, neue Daseinsberechtigung zu erlangen). Dem Weg des Aphorismus im Spannungsfeld von Erkenntnis zwischen Wissenschaft und Literatur entspricht auf der Ebene der Ästhetik der Wandel von Hegels Primat des begrifflichen Denkens über die Skepsis der begrifflichen Wahrheit in der Ästhetik Vischers146 zu Nietzsche, der Literatur und Philosophie als Wissenschaft noch einmal verknüpft und in drei Hinsichten von entscheidender Bedeutung ist, in der Begriffsge143 144

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Balmer: Philosophie der menschlichen Dinge. Die europäische Moralistik. 1981. Möglicherweise wäre der Dilettantismus-Begriff, wenngleich in eigener Interpretation, von Feuchtersieben („Wohl den Dilettanten, denn sie lieben!") bis zu Münzer („In der Philosophie sind die Dilettanten gewöhnlich die besseren Philosophen"; R. M.: Tausend und Ein Aphorismus. 1914, S. 123) und Friedeil hier fruchtbar zu machen, so z.B. in seinem temperamentvollen „Aphorismus gegen die Germanisten": „Dilettantismus ist die einzige Form, in der ein kultivierter Intellekt sich überhaupt zu äußern vermag" (E. F.: Wozu das Theater? 1965, S. 196). Helmich: Der moderne französische Aphorismus. 1991, S. 298. Zima: Literarische Ästhetik. 1991, S. 35.

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schichte, der Ästhetik und der aphoristischen Praxis. Die Wahrheit des konsequenten Aphoristikers, der Begriff und Gattung endgültig festigt, ist nicht die begriffliche der Wissenschaft, sondern die ästhetische der Dichtung. Das Ergebnis seines Erlebnis-Denkens, eines existentiellen Experimentalismus, ist ein Erkenntnisspiel147 in der „tanzenden" Begrifflichkeit von „Aphorismen". Zugleich mit ihrer literaturwissenschaftlichen Etablierung erlebt die „Aphorismen"-Literatur nach einer Schein-Blüte äußerlicher Gattungserfüllung mit Kraus den letzten Emanzipationsversuch des „Aphorismus" als Glaube an die Allmacht der Form und ihren inspirierten Former, ehe sich nach Nietzsche und Kraus einerseits, Leitzmann und Berendsohn mit der ersten Dissertation andererseits eine neue Phase der Begriffs-, Forschungs- und Gattungsgeschichte mit reflektierender literarischer Praxis (Schnitzler, Hofmannsthal, Musil) und literaturwissenschaftlicher Klärung (Mautner und Schalk) eröffnet. Die Weiterführung der Geschichte des Aphorismus das 20. Jahrhundert hindurch hätte sich unter anderem eines philosophischen Aphoristikers Wittgenstein anzunehmen, der von sich sagt: „Ich glaube meine Stellung zur Philosophie dadurch zusammengefaßt zu haben, indem ich sagte: Philosophie dürfte man eigentlich nur dichten"148. Sie hätte ähnlich ambivalent-skeptische Reflexionen (Frisch) oder Erneuerungsversuche auszuführen, die den teils diskreditierten, teils assoziativ in schädlicher Weise festgelegten literarischen Begriff meiden (Canetti). Begleitend dazu wären die verschiedenen Ansätze der Gegenwart zu bündeln, die die Philosophie in die Nähe der Poesie rücken und ein ,integratives' Wissenschaftsverständnis entwickeln, das die Dichotomie Begriff - Metapher überwindet und Erkenntnis im Aphorismus in einem derart neu begründeten Sinne zuläßt oder geradezu fordert. Höchst aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist eine neue philosophische Nietzsche-Rezeption, die so verschiedene Denker wie Rorty und Derrida verbindet. Wenn etwa Rorty künstlerischen wie Erkenntnisfortschritt gleichermaßen als Geschichte immer wieder neuer Metaphorik interpretiert, dann beruft er sich auf Nietzsches Wahrheits-Begriff149. Und die Fragment-Theorie in Frankreich steht gleichfalls „im Zeichen der Nietzsche-Nachfolge"150. Von ihm geht Derridas einflußweites Diktum „Car toute ecriture est aphoristique"151

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Zur Verbindung von „Spiel" und Aphorismus in „Begriffsspiel" (Fedler) oder Erkenntnisspiel vgl. Febel: Aphoristik in Frankreich und Deutschland. 1985. Wittgenstein: Vermischte Bemerkungen. 1977, S. 53. Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität. 1991, S. 57-62. Dällenbach, Hart Nibbrig (Hg.): Fragment und Totalität. 1984, S. 11. Derrida: L'ecriture et la difference. 1967, S. 107 Vgl. Derrida: Aphorism Countertime. In: J. D.: Acts of Literature. 1992, S. 414-433.

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aus, das freilich richtig gelesen sein will: eingeschränkt nicht nur durch den syntaktischen Zusammenhang, auch weitgehend verblaßt in seiner Generalisierung, die durch die Metaphorisierung des Aphoristischen möglich wird. In dieser geschichtlichen Entwicklung gründet die Stellung des „Aphorismus" „zwischen": Philosophie und Literatur, Ethik und Ästhetik, Denken und Anschauung, Erkenntnis und Erlebnis, Gedanke und Existenz, System und Einzel„satz" (im Sinne von Kraus), zwischen Referenz und Sinn (Gabriel), Begriff und Metapher, „der auf mathematisch-logischem Kalkül beruhenden Begriffssprache und der aus der Intuition entspringenden Bedeutungssprache" 152 . Aus dieser Zwischen-Stellung wiederum erklären sich die Synthese-Versuche: „Gedanken-Erlebnis" 153 (Andreas-Salome), „Erkenntniskunst" 154 (Wildbolz), „lebendiges Denken" 155 (Missac), „existentielles Denken" 156 (Fußhoeller), „Gedankenkunst", „ästhetisches Denken" 157 (Lamping), „Begriffsspiel"158 (Fedler), „Sprachdenken" 159 (Erckenbrecht), „Bildlogik"160 (Weiser), auch Anschauungs- und Erlebnisdenken. In einem solchen „Zwischen-Raum" ist der Aphorismus freilich nur, solange man die Grenzen von Wissenschaft und Literatur wie herkömmlich zieht und sich nicht, an Balmer 161 anschließend, eine aphoristische deutsche Moralistik zu entwickeln entschließt, der sich Feiners „wissenschaftliche" so gut wie Klingers „literarische" Kurzformen zuordneten, zu der Schellings und Eckermanns „Aphorismen" so gut zählten wie Lich-

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Arntzen: Aphorismus und Sprache. In: Η . Α . : Literatur im Zeitalter der Information. 1971, S. 326. - In unterschiedlichen Formulierungen zieht sich die Beobachtung der Zwischenform Aphorismus durch die Sekundärliteratur. Als Beispiele seien neben Arntzen genannt: Wehe 1939 („Grenzform zwischen Dichtung und Philosophie"), Schumacher 1958 („zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Wahrheit"), Mautner 1974 („Poesie des Gedankens"), Baumann („Vereinigung von Dichten und Denken"), Neumann 1976 („Konflikt zwischen Darstellung und Erkenntnis, logisch-mathematischer und ästhetischer Wahrheit"), Horstmann 1983 („im Niemandsland zwischen Poesie und Philosophie, Rhetorik und Spekulation, Ästhetik und Logik") und Fedler 1992 („Begriffsspiel zwischen Poesie und Philosophie").

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Zit. nach Meyer: Nietzsche und die Kunst. 1993, S. 221. Wildbolz: Der philosophische Dialog als literarisches Kunstwerk. 1952, S. 132. Missac: Situation de l'aphorisme. In: Critique 30,1974, S. 380: „le produit unique ou privilegie d'une pensee pulsionnelle". Fußhoeller: Die metaphysischen Grundlagen des aphoristischen Denkens. 1953, S. 127 Lamping: Der Aphorismus. In: Knörrich (Hg.): Formen der Literatur in Einzeldarstellungen. 1991, S. 22. Fedler: Der Aphorismus. Begriffsspiel zwischen Philosophie und Poesie. 1992. Erckenbrecht: Sprachdenken. 1984. Welser: Die Sprache des Aphorismus. 1986, S. 2 0 9 - 2 3 2 . Balmer: Philosophie der menschlichen Dinge. 1981.

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tenbergs Experimente in der Welt der Ideen, Schlegels Definitionsexperimente, die Aphorismen in Goethes „Wanderjahren" als dem Versuch eines wissenschaftlichen Romans oder Hebbels Tagebücher und Schopenhauers „Aphorismen", in die sich Platner so gut wie Lichtenberg, Nietzsche und Kraus oder Canetti und Adorno einfügten.

Bibliographie 1. Autoren: Primär- und Sekundärliteratur 2. Sekundärliteratur zum Aphorismus 3. Sekundärliteratur zu Nachbargattungen 4. Anthologien 5. Sonstige Quellen 6. Sonstige Sekundärliteratur

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1. Autoren: Primär- und Sekundärliteratur Die Bibliographie schließt im Dezember 1996. Sie verzeichnet zu dem jeweiligen Autor zunächst Aphorismen, dann sonstige Primärquellen, schließlich aphorismusrelevante Sekundärliteratur. Aphorismenliteratur, die nach 1912 erschienen ist, wird nur aufgeführt, wenn in Text oder Anmerkung auf den Autor verwiesen wird. Sofern nicht die Quelle angegeben ist, beruhen die Angaben auf Autopsie. Eine räsonnierende Gesamtbibliographie bis 1990 wäre erstrebenswert. Aphorismus WdF = Gerhard Neumann (Hg.): Der Aphorismus. Zur Geschichte, zu den Formen und Möglichkeiten einer literarischen Gattung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1976 (= Wege der Forschung. 356.). GV = Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums 1700-1910. München: Saur, 1979-87 N U C = National Union Catalogue Schröder = Dirk Schröder: Fragmentpoetologie im 18. Jahrhundert und bei Friedrich von Hardenberg. Untersuchungen zur vergleichenden Rekonstruktion der impliziten Poetologie von Aphorismus und Fragment im ausgehenden 18. Jahrhundert. Phil. Diss. Kiel 1976. SBB = Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Adler, Karl - : Von der Feindschaft. Von der Freundschaft. Von den Psychoanalytikern. In: Der Friede 1, 1918, S. 19-20. - : Aphorismen zu den „Aphorismen vom Aphorismus". In: Der Friede 1, 1918, S. 48. - : Leitsätze. In: Der Friede 1, 1918, S. 95-96. Adorno, Theodor W. (1903-1969) - : Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. 24.-27 Tsd. Frankfurt: Suhrkamp, 1973 (= Bibl. Suhrkamp. 236.). - : Musikalische Aphorismen. In: Th. W. Α.: Gesammelte Schriften. Bd. 18. Frankfurt: Suhrkamp, 1984. S. 11-53. - : Motive. In: Th. W. Α.: Gesammelte Schriften. Bd. 16. Frankfurt: Suhrkamp, 1978. S. 257-283. Ladmiral, Jean-Rene: De l'ecriture aphoristique: s. 2. Sekundärliteratur zum Aphorismus Sünner, Rüdiger: der Begriffe: s. 1. Autoren: Nietzsche Altenberg, Peter Tanz (1859-1919) - : Prodrömös. 4. u. 5. Aufl. Berlin: Fischer, 1919 (zuerst 1906).

398

Bibliographie

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Personenregister Das Personenregister verzeichnet alle Personen im Text sowie diejenigen in den Anmerkungen, auf die über die reine Quellenangabe hinaus Bezug genommen wird. Kursiv gesetzte Seitenzahlen verweisen auf relativ ausführlichere Behandlung.

Abeken, Bernhard Rudolf 56 Achenbach, Bernd 143 Adam, Roben 286 Adelung, Johann Christoph 100,127, 358, 365 Adler, Georg 207 Adler, Karl 325, 369 Adorno, Theodor W. 305, 391, 395 Alamos de Barrientos 25, 26, 345 Alanus ab Insulis 18, 23, 334 Altenberg, Peter 285, 297-300, 303, 321, 340, 359, 363, 370, 378, 390 Amadeus Autodidactos 146 Andreas-Salome, Lou 189, 195, 199, 219, 394 Anzengruber, Ludwig 166, 275 Arent, Wilhelm 228, 229, 263 Arntzen, Helmut 268, 394 Ashliman, Dee L. 172 Auerbach, Berthold 161-163, 171, 177, 179, 198, 235, 246, 254, 302, 311, 359, 376, 380 Auernheimer, Raoul 263,306,313-314,330, 333, 370 Baader, Franz von 107-108, 338 Baasner, Rainer 56, 57, 104, 267, 331 Bacon, Francis 3, 7, 8,9,11,17, 24-25,27, 30, 34, 39, 46, 55, 58, 64, 79, 82, 84, 85, 93, 99, 124, 136,142,167, 176, 194, 342, 352, 353, 354, 364, 368, 370, 372, 373, 374, 382 Baer-Oberdorf, Salomon 258 Bahnsen, Julius 158, 164, 165, 255, 352, 368 Bahr, Hermann 306, 321, 348 Bahrdt, Carl Friedrich 33, 52 Ball, Hugo 325 Balmer, Hans Peter 43, 394 Balzer, Hans 243

Banck, Otto 158 Barthel, Karl 97 Bäte, Ludwig 55, 56 Bauer, Michael 222, 333 Bauernfeld, Eduard von 97 Baumann, Gerhart 381, 382, 394 Baumann, Johann Friedrich 8, 45, 362 Bayle, Pierre 8, 25 Becher, Johannes R. 325 Becker, Johann August 143 Beer-Hofmann, Richard 306, 321 Benjamin, Walter 234 Benn, Gottfried 234, 325 Benyoetz, Elazar 219, 322 Benzenberg, Johann Friedrich 281 Berend, Eduard 68, 273, 346 Berendsohn, Walter Arthur 18, 215, 264, 266, 305, 325, 393 Berenhorst, Georg Heinrich von 145 Berg, Birgit 107 Berg, Egon 180, 267, 368 Berg, Leo 205, 207, 208, 215, 216, 217, 218, 23^ 238, 266, 332, 360 Berger, Johann Gottfried Immanuel 35, 66, 144 Bernays, Jacob 163, 347 Bernhardt, Rüdiger 230 Bertram, Ernst 185, 341 Besser, Kurt 154, 182, 185, 222, 361 Bethmann-Hollweg, Theobald von 292 Bettelheim, Anton 161, 254 Beutelrock, Friedl 238, 348 Bias (d.i. Johann Gaunersdorfer) 2, 241,297 Bierbaum, Julius 228 Bierce, Ambrose 231 Biese, Alfred 209-210, 239 Bilharz, Alfons 211 Binding, Rudolf 197 Bleibtreu, Karl 210

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Personenregister

Blüher, Karl Alfred 138 Blume, Hermann 118,124 Blumenthal, Oskar 248-249,283,285,332, 378 Blunck, Friedrich 341 Bluth, Karl Theodor 275 Bobertag, Felix 174,196, 267, 33^ 339 Bode, Johann Joachim 9, 106, 259 Bodenstedt, Friedrich von 246 Bodi, Leslie 166 Boerhaave, Herman 8, 18, 22, 31, 85, 355 Böhm, Wilhelm 174, 270 Bohtz, August Wilhelm 97, 344 Boll, Christine 348 Bömly 239 Borinski, Karl 205, 265 Börne, Ludwig 56, 89, 111-113, 114, 116, 130,139,143,155,165,175,176,178,181, 189, 250, 264, 338, 344, 34^ 358, 36^ 375, VI, 386 Bosch, Karl 340, 341 Bouterwek, Friedrich 10, 27, 36, 40, 94-95, 101, 263, 332, 338, 350, 365, 368, 375 Brandes, Ernst 94, 96, 263, 336, 350, 368 Brandes, Georg 251, 253, 33^ 348, 366 Brasavolus, Hieronymus 25 Brechler, Otto 16 Brecht, Walther 272 Brentano, Clemens 216 Breysig, Kurt 207 Briegleb, Klaus 16 Brinkmann, Antonie 229, 230 Brod, Max 314, 327 Brodtbeck, Karl Adolf 181, 352 Brokoph-Mauch, Gudrun 378 Brucker, Michael 276 Brückmann, Arthur 226 Brüggemann, Fritz 1 Brunfels, Otto 18, 23 Büchmann, Georg 158, 179, 352 Büchner, Ludwig 208 Budde, Berhard 105 Bührlen, Friedrich Ludwig 114-115, 351 Bukofzer, Werner 238 Bürgel, Bruno 246 Busch, Wilhelm 242-243 Busse, Carl 268 Butschky, Samuel 98, 99 Cale, Walter 225-228, 230, 256, 333, 360, 370, 378, 389, 390 Campe,Joachim Heinrich 59,100,106, 339, 358, 365

Canetti, Elias 1,296,322,334,361,391,393, 395 Cantarutti, Giulia 9, 12, 27, 31, 42, 43, 48, 54, 58, 91, 350, 382 Cardanus, Hieronymus 23 Carlsson, Anni 75 Carmen Sylva (d.i. Elisabeth von Rumänien) 224, 234, 246, IM, 352, 368 Carriere, Moriz 175 Castle, Eduard 114 Cavriana, Filippo 25, 345 Chamfort, Nicolas 4, 73, 78, 117, 142,175, 248, 280, 328, 336, 351, 365, 372, 375, 386 Chamisso, Adelbert von 109 Chargaff, Erwin 391 Conradi, Hermann 233, 275 Coppee, Francois 259 Cossmann, Paul Nikolaus 147, 234, 247-248, 254, 285, 293 Coutelle, Carl 178 Czerny, Johann 238, 340 Dallago, Carl 234, 318 Dante Alighieri 25 Danzig, Samuel 211 Daumer, Georg Friedrich 164, 177 Daviau, David G. 313 Dävila, Nicolas Gomez 14 Dehmel, Richard 286 Delft, Louis van 368 Denk, Bertha Maria 286, 349 Derrida, Jacques 393 Diderot, Denis 25 Dilthey, Wilhelm 148 Doderer, Heimito von 231, 306, 322 Dombrowski, Raoul R. von 2, 241, 29^ 368 Donnellan, Brendan 186, 190,197, 199 Drews, Jörg 105 Droop, Fritz 229, 340 Dyroff, Adolf 37, 38, 40, 356 Ebeling, Friedrich Wilhelm 175-176, 331 Ebner, Ferdinand 319 Ebner-Eschenbach, Marie von 17, 118, 149, 155,166, 171-173, 178, 179,181, 18^ 201, 230, 243, 247, 249, 255, 259, 262, 265, 285, 293, 296, 304, 333, 336, 363, 377 Ecard, Ludwig (d.i. Cordelia Ludwig) 246-247, 257 Echegaray, Jose 259 Eckart, Hans 142

Personenregister Eckermann, Johann Peter 10, 82, 86-88, 89, 176,195, 394 Eckertz, Erich 215, 216, 21} 266, 327 Ehrlich,Josef R. 170-171,19^ 219, 297, 311, 352 Ehrlich, Walter 3,147 Eichendorff, Joseph von 230 Eichner, Hans 77 Einsiedel, August von 58, 111 Elster, Ernst 276 Emge, Carl August 148 Engel, Eduard 172, 265 Enk von der Burg, Michael 166 Enzensberger, Hans Magnus 343 Epiktet 93 Erasmus von Rotterdam 24, 71, 72, 93, 352 Erckenbrecht, Ulrich 268, 394 Ernst, Otto 249-250, 285, 367, 378 Ernst, Paul 208, 341, 360 Ersch, Johann Samuel 59,101,103, 339, 366 Esche (?) 147, 258 Esche, Anna 147 Eschenburg, Johann Joachim 36, 40, 95, 362, 365 Essigmann, Alois 297, 302, 366, 367 Ettner von Eiteritz, Johann Christoph 22 Ewald, Johann Joachim 91, 373 Exner, Richard 309, 310 Fähnrich, Anton 17, 125-131, 144, 162, 166, 168, 177, 266, 268, 302, 308, 335, 338, 346, 351, 359, 366, 369, 376, 378, 386 Falk, Johann Daniel 38, 67, 266, 383-384 Febel, Gisela 381 Fedler, Stephan 12, 139, 143, 351, 38^ 394 Feiner, Ignaz 9, 44, 105, 350, 384, 394 Feuchtersieben, Ernst Freiherr von 11, 89, 99, 110, 116, 118-125, 130, 140, 143,149, 152, 153, 154, 166, 196, 273, 274, 296, 299,332,333,334,337,340,347, 357,359, 375-376, 387, 390, 392 Feuerbach, Anselm 146 Fichte, Immanuel Hermann 145 Fichte, Johann Gottlieb 36, 145, 332 Fick, Joseph, 162, 166, 168-170, 171, 219, 266, 270, 302, 326, 331, 343, 355, 367, 368, 370, 377 Fieguth, Gerhard 2,68, 69, 72,150,259,273 Fink, Arthur-Hermann 268, 342 Fioravanti 22 Fischer(-Graz), Wilhelm 234,297,304-305, 347 Flaischlen, Cäsar 233

477

Fleming, Paul 45 Forssmann, Knut 99 Foucault, Michel 13 Fouque, Friedrich de la Motte 117, 335 Franke, Ilse 247 Franz Joseph, Kaiser 168 Franz, R. 274 Frauenstädt, Julius 139,141, 142, 366 Freudenberg, Alwin 145, 347 Fricke, Harald 3, 7, 11-12,15,17, 35, 75, 81, 82, 87,132,135,136,137, 171,172,229, 230, 274, 276,177, 279, 283, 285, 299, 331, 332, 339, 342, 348, 351, 353, 371 Friedeil, Egon 234, 297, 302,303-304, 327, 341, 366, 378, 392 Friedlaender, Salomo (Mynona) 234, 324-325 Friemel, Berthold 267, 268 Frisch, Max 379, 380, 393 Fröschle, Hartmut 150 Führer, Theophil 180, 352 Führich, Lukas von 168 Fürst, Rudolf 224, 245 Fußhoeller, Ludwig 394 Füssli, Heinrich 32, 33, 46, 57-58, 147, 339 Gabriel, Gottfried 12, 290, 382, 394 Galenus, Claudius 22, 31 Garin, Paul 144,164, 258, 332, 340, 367, 368 Garrick, David 284 Gaugier, Almut 150 Geliert, Christian Fürchtegott 93, 95 Gentz, Friedrich von 117, 118, 335 George, Stefan 234 Gerhardt(-Amyntor), Dagobert von 157-158, 257, 336 Gerland, Heinrich 340 Gerold, Carl 152 Gersdorff, Carl von 196 Gersuny, Robert 254, 255, 285, 297 Gervinus, Georg Gottfried 131,174, 266, 331 Gillet, Friedrich Wilhelm 145 Gilman, Sander L. 87 Glarner, J. 212, 214, 215, 216, 217, 218 Glassbrenner, Adolf 113 Gleichen-Ruß wurm, Alexander von 246 Goedeke, Karl 264 Goethe,Johann Wolfgang 1, 3, 10, 11, 22, 24, 27, 31, 33, 35, 43, 54, 66, 73, 77, 79, 81-89, 96,110,120,121, 122, 125, 126, 139,150,151,159,160,167,172,175,176, 179, 180, 181, 186, 18^ 188, 195, 216, 241,

478

Personenregister

262, 271, 276, 277, 279, 280, 306, 308, 332, 333, 337; 338, 339, 343, 344, 345, 356, 362, 369, 375, 385, 395 Goldmann, Paul 292 Goldscheider, Ludwig 322 Goldschmidt, Kurt Walter 204, 205, 247; 250, 332, 340, 359 Goldschmidt, Moritz 227; 241-242, 247, 258, 332 Gorceix, Paul 124 Görner, Rüdiger 189 Görres, Joseph von 4, 36-38, 39, 40, 79, 139, 147, 264, 332, 339, 350, 356, 363, 364, 366, 386 Göschel, Karl Friedrich 4, 10, 39, 356, 375 Gött, Emil 210, 211, 220, 222-223, 225, 340 Göttert, Karl-Heinz 51,190, 192 Gottschall, Rudolf 161,175,265, 359 Gottsched, Johann Christoph 2, 8, 18, 25-26, 21, 39, 63, 92, 339, 345, 347, 354, 365 Gracian, Balthasar 4, 34, 39, 50, 71, 96, 99, 137-138,140,141,142,144,174,265,335, 336, 345, 347, 351, 366, 372 Graff, Sigmund 302, 391 Gravenhorst, Friedrich Wilhelm 151 Gray, Richard Terrence 296, 314 Greiner, Bernhard 182, 183, 184, 186, 187; 192, 194, 197; 198, 363, 377 Grillparzer, Franz 97, 123, 166, 167, 181, 274-275, 307, 333, 334, 351, 387 Grimm, Johann Friedrich Karl 31 Grisebach, Eduard 132, 134, 174, 261, 263, 265, 267; 337; 344 Grottewitz, Curt 207 Gruber, Johann Georg 59, 101, 103, 339, 366 Grün, Anastasius (Anton von Auersperg) 114 Gründer, Karlfried 163 Grünewald, Alfred 322 Guiccardini, Francesco 4 Gundolf, Friedrich 271 Gütersloh, Albert Paris 231, 322 Guttenstein, B. F. 98, 339 Guttmann, Richard 273 Gutzkow, Karl 116, 152, 164,165-166, 275, 337, 340, 387, 391 Hae(c)k, D. 241, 368 Haecker, Theodor 319, 360 Hagedorn, Friedrich von 22 Haller, Albrecht von 22

Hamann, Johann Georg 54-55, 164, 169, 342, 343, 354 Häntzschel-Schlotke, Hiltrud 183 Harnack, Adolf von 144, 343 Hart Julius 228, 229 Hartenrein, Heinrich von 245-246 Hartleben, Otto Erich 233 Hartlieb, Wladimir von 234 Hartmann, Eduard von 145, 146, 161 Hatvani, Paul 234, 297, 302-303 Hauff, Walter von 98, 325-326 Hebbel, Friedrich 2,11,118,122,125, 149-154,160,166,173,196,197,209,226, 244, 266,273, 274, 296, 307, 329, 331, 333, 334, 357; 387, 395 Hecker, Max 81,280 Hedwig, Romanus Adolph 31, 35, 85 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 4, 39, 40, 175, 257; 356, 375, 386, 389, 392 Heimann, Moritz 147 Heine, Heinrich 2, 16, 114, 166, 181, 211, 276-277, 284, 344 Heinse, Wilhelm 4, 5, 6, 8, 60, 114, 178, 271-272, 347 Heiss, Robert 381 Heller, Peter 182 Helmich, Werner 12, 348, 381, 392 Helvetius, Claude Adrien 73 Hempel, Friedrich Ferdinand 45, 145 Henning, Justus Christian 44 Heraklit 187 Herder, Johann Gottfried 1, 11, 58, 91, 92-94, 95, 98, 101, 181, 259, 331, 336, 338 , 339, 342, 346, 354, 367; 369, 375 Hermand, Jost 206, 214, 359 Herz, Henriette 116 Herzog, Wilhelm 271 Hettner, Hermann 131,173,174,196,261,266 Heydenreich, Karl Heinrich 138, 336 Heyse, Paul 207 Hille, Peter 206, 221, 228-232, 235, 250, 254, 256, 261, 263, 293, 326, 340, 390 Hillebrand, Joseph 97 Hillebrand, Karl 194 Hiller, Kurt 234, 323, 324, 32^ 332, 340, 360, 364 Hilty, Carl 319, 347 Hindermann, Federico 2, 259 Hippel, Theodor Gottlieb 57, 59, 71, 113, 238, 340 Hippokrates 4,10,22,25,30-34, 52, 80,88, 93,101,124, 176, 336, 338, 339, 345, 350, 382

Personenregister Hirth, Friedrich 277 Hoddick, Fritz 158, 179, 254, 267, 352 Hoffmann von Fallersleben, Heinrich 17, 98-99, 339, 347 Hofmannsthal, Hugo von 1, 16, 234, 263, 295, 296,306-309, 310, 313, 315, 32^ 328, 333, 348, 349, 391, 393 Höft, Albert 8, 58, 59, 75 Hohenemser, Ernst 325, 363-364 Hohl, Ludwig 391 Hölderlin, Friedrich 276 Holl, Joseph 144, 163-164,198, 369 Holz, Arno 326 Hommel, Karl Ferdinand 56, 338 Horneffer, August 210 Horstmann, Ulrich 268, 394 Houssaie, Amelot de la 25, 26 Hübscher, Arthur 134, 135, 137 Humboldt, Alexander von 4, 145, 264 Hummel, Adrian 150, 274, 334 Iffland, August Wilhelm 85 Immermann, Karl Leberecht 109, 335 Isselstein, Ursula 116 Ivask, Ivar 114,166, 305 Jacobi, Friedrich Heinrich 58, 85, 339 Jacoby, Johann (Joel) 97 Jaffe, A. 257 Janz, Curt Paul 185, 192, 219, 222 Jaspers, Karl 185, 192, 199, 360 Jassoy, Ludwig Daniel 144 Jauß, Hans Robert 15 Jean Paul 4, 10,40, 41, 54, 57, 58, 59, 67-73, 97, 106, 112,118, 128, 131, 174, 178, 181, 221, 241, 270, 273, 281, 326, 329, 331, 333, 336, 338, 339, 344, 345, 346, 347, 350, 354, 355, 366, 369, 370, 384, 387 Jellinek, Oskar 293 Jochmann, Carl Gustav 2, 108-109, 276 Joel, Karl 212, 213-214, 215, 216, 21^ 218, 360, 368 John, Johannes 12, 83, 85, 385 Johns, Jorun B. 313 Johnson, Samuel 64 Johnston, William M. 296 Joost, Ulrich 65 Jördens, Karl Heinrich 59, 67, 266 Jergensen, Sven Aage 60, 61 Joubert, Joseph 175 Jünger, Ernst 260, 381, 391 Jungnitz, Anton 35 Jung-Stilling, Johann Heinrich 195

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Kafka, Franz 306, 314-315, 318, 327 Kainz, Friedrich 167, 275, 351, 387 Kaiser, Georg 325 Kalischer, Errwin 227, 258, 369 Kaltschmidt, Jakob Heinrich 101, 339, 358 Kant, Immanuel 28, 29, 36, 40, 100, 304, 381 Kapf, Karl Gottlieb Heinrich 9 Karpeles, Benno (?) 322, 369 Kästner, Abraham Gotthelf 56-57, 331 Kaszynski, Stefan 275, 278, 279, 296 Kaufmann, Hans 276 Kaufmann, Walter 184, 363 Kayssler, Friedrich 222 Keil, Johann Georg 137 Keller, Gottfried 195 Kellner, Lorenz 145, 363 Kerr, Alfred 232,294 Kessler, Harry Graf 207 Kienecker, Friedrich 206 Kienecker Michael 229, 230 Kierkegaard, Seren 343 Kieser, Dietrich 35, 85, 145 Kippenberg, Anton 308 Kipphoff, Petra 278, 279, 292 Klaar, Alfred 260, 274 Klein 369 Klein, Johannes 182 Klinger, Friedrich Maximilian 2, 94, 96, 99, 105-106,108,111,114,164,178,259,276, 336, 350, 358, 361, 365, 375, 384, 386, 394 Klingsberg, Graf von 45 Klischnig, Karl Friedrich 59 Knauff, Manfred 26, 63, 65, 66, 91, 355 Knigge, Adolph Franz Friedrich von 27, 50-52, 96, 111, 112, 335, 338, 339, 342, 354, 365 Knigge, Philippine von 16, 52-53, 15^ 179, 336, 350 Knobloch, J. D. 179, 347, 352, 366 Knortz, Karl 340 Koch, Helmut 135, 136, 137 140, 141, 143, 359 Koch, Max 266 Kocsäny, Piroska 371 Köhler, H. 332, 333 Kölle, Friedrich 138 Koller, Benedikt Joseph 38 König, Robert 175, 261, 264 Koopmann, Helmut 16, 276, 277 Körner, Christian Gottfried 83

480

Personenregister

Köselitz, Heinrich (Peter Gast) 183, 186, 189, 198, 199 Koselleck, Reinhart 13 Kosenina, Alexander 30, 40, 69, 76, 354, 355, 373, 384 Kotzebue, August von 110,130,157,17^ 33^ 338, 346, 351, 352, 359, 369 Köwer, Irene 297, 298, 299, 363, 370 Kraft, Werner 278, 281, 325 Kraus, Karl 18, 37, 74, 132, 136,153, 155, 192, 204, 205, 209, 225, 228, 232-233, 234, 239, 247, 248, 249, 250, 254, 260, 278-296, 297, 300, 301, 302, 303, 305, 309,311,312,319,320,321,322,324,32^ 332, 333, 340, 341, 344, 348, 356, 369, 370, 378, 387, 390, 391, 393, 394, 395 Kremer, Detlef 60 Krug, Wilhelm Traugott 101,102, 103,148, 358 Krüger, Heinz 9-10,11, 45,182,183, 184, 185, 186 Krümmel, Richard Frank 215, 244 Krupka, Peter 135,136,W 141, 351 Krysztofiak-Kaszynska, Maria 275 Krzyzanowski, Otfried 321 Kuh, Anton 234, 29^ 306, 320-321, 327, 341 Kuhn, Elisabeth 184, 185,192, 360 Kunad, Paul 147, 234, 244, 257, 352 Kürnberger, Ferdinand 171, 285 Kurz, Isolde 223-224, 225, 245, 24^ 338, 352 Kutscher, Arthur 263 La Bruyere, Jean de 40, 46, 71, 72, 142, 259 La Rochefoucauld, Frar^ois de 40, 46, 47, 48,50, 61,62,64,71,94,95,142,172,174, 176, 251, 259, 265, 293, 336, 338 Lackinger, Wilhelm 296 Lackner, Christoph 23 Lafontaine, August 16, 48-49, 50, 70, 110, 130, 151, 157, 177, 179, 24^ 307, 33^ 346, 350 Lamping, Dieter 11, 12,142,154, 160, 378, 394 Lanzky, Paul 219 Laotse 277 Lappe, Thomas 334 Latsch, Gregori 238 Laub, Gabriel 110 Laube, Heinrich 96, 131, 175, 264, 330 Lavater, Johann Caspar 8, 32, 46, 57-58, 71, 79, 111, 336, 345, 350

Leibniz, Gottfried Wilhelm 18, 24, 69, 79, 332, 334, 335, 356, 372 Leitzmann, Albert 1, 5, 8, 60, 68,132,149, 234, 265, 266-273, 281, 296, 360, 370, 389, 393 Leixner, Otto von 179, 210, 211, 223, 224, 234, 244-245, 246, 254, 257, 340, 352, 377, 387 Lembke, Robert 231 Lenau, Nikolaus 114, 166, 386 Lennemann, Wilhelm 231 Leonhard, Rudolf 323-324, 378 Lessing, Gotthold Ephraim 53, 56, 91-92, 93, 95, 331, 365, 373 Lichtenberg, Georg Christoph 1, 5, 6, 8, 9, 10,11, 22, 35, 38, 39, 45, 46, 53, 54, 55, 57,58, 60-67,68,69,72,77,78,83,89,90, 94, 95, 96, 97,104,105,108,111,115,117, 124,131,132,133,\2>7, 142,149,151,152, 153,154,158,159,160,161,16^ 169,170, 173,174,175,176,181,191,194,195, 196, 198, 202, 234, 243, 246, 249, 251, 253, 260, 262, 264, 266, 267, 270, 271, 272, 273, 274, 278, 280, 281, 282, 283, 284, 288, 296, 300, 303, 306, 308, 315, 324, 331,336,337,338,344,350,355,357 361, 362, 365, 366, 370, 373, 374, 376, 377, 380, 381, 383, 384, 385, 38^ 389, 395 Lichtenberger, Henri 222 Limpach, Erich 341 Lindner, Friedrich Ludwig 96 Lingg, Hermann 238 Linke johannes 144, 164, 198, 343, 352 Linne, Carl von 63 Lipperheide, Franz von 180, 340 Lipps, Theodor 161 Lissauer, Ernst 221 Liszt, Franz 109 Locke, John 334 Loeper, Gustav von 176, 180 Loewenthal, Erich 16, 276, 277, 344 Logau, Friedrich von 93, 179 Lovecek, Josef 204, 221-222, 349 Löwith, Karl 185, 192,195, 203, 360, 388 Ludwig, Otto 273 Luntowski, Adalbert 210 Mach, Ernst 315 Mähl, Hans-Joachim 76 Mann, Thomas 298 Marahrens, Gerwin 82, 278, 279 Marc, Franz 325 Marcus, Hugo 255-257, 352, 359

Personenregister Marcuse, Ludwig 231 Margolius, Hans 134, 135, 137,140, 268, 359, 361 Marquard, Odo 42 Mason, Eudo C. 58 Mathesius, Johann 22 Maurer, Otto 298, 360 Mautner, Franz H. 1, 5-8,10,15, 22, 90, 218, 264, 272, 355, 384, 393, 394 Maximilian von Österreich 164 Meier, H. G. 13 Meineke, Johann Heinrich Friedrich 144 Menzel, Wolfgang 76, 106-107, 110,158, 175, 329, 343, 344, 359 Mesmer, Friedrich Anton 44-45, 338, 373 Metzerich, Wilhelm von 124, 329 Metzger, Johann Daniel 44, 365, 372 Meyer, Emanuele 238 Meyer, Heinrich 80 Meyer, Joseph 177 Meyer, Richard M. 160,165, 215, 216, 217 238, 248, 264, 265, 266, 325, 348, 360, 388 Meyer, Theo 184, 185, 196, 198, 203, 324 Michel, Hermann 268 Mill, John Stuart 46, 98, 141 Miller, Norbert 273 Missac, Pierre 394 Mohr, Johann Jakob 158-159, 165, 332, 388 Moltke, Helmuth von 96 Mongre, Paul (d.i. Felix Hausdorff) 219-220, 359, 368, 369 Montaigne, Michel Eyquem de 40, 42, 53, 64,106, 136, 280 Montinari, Mazzino 276 Moore, Erna M. 60, 272 Morgenstern, Chrisdan 204, 220-222, 225, 228, 235, 261, 320, 332, 340, 349 Morgenstern, Margareta 221, 333, 334 Moritz, Karl Philipp 8, 58-60,100,101,338, 339, 367 Moser, Friedrich Carl von 54-55, 56, 343 Moser, Jörg 348 Moser, Justus 55-56, 344 Müller, August Friedrich 34, 138, 142, 335, 336 Müller, Hans 271 Müller, Nicolaus 9 Multatuli (d.i. Eduard Douwes Dekker) 230 Mumbauer, Johannes 146, 328 Mündt, Theodor 161 Münzer, Richard 98, 259, 392

481

Musäus, Johann Karl August 52, 336 Musil, Roben 234, 296, 306,315-318, 327, 329,332,333,344,360,361, 378, 391,393 Nacht, Johannes 204, 234, 246,325-327, 329, 367, 377, 390-391 Nadel, Arno 224-225, 235, 285, 338 Nadler, Josef 348 Nehamas, Alexander 184 Nerrlich, Paul 273 Nestroy, Johann 114,166, 275, 280, 330 Neumann, Gerhard 10-11,17,65,66,73, 75, 77,80,83,84,99,184,332,336,342,343, 354, 381, 383, 385, 394 Neumann, William 73 Nietzsche, Elisabeth 195 Nietzsche, Friedrich 5, 10,13, 14, 63, 72, 107, 132,133,136,142,14^ 149,150, 167, 180, 181-218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 228, 230, 232, 233, 234, 237, 239, 240, 242, 243, 244, 245, 246, 248, 249, 254, 253 258, 259, 261, 262, 264, 266, 268, 270, 271, 272, 273, 277, 278, 280, 281,282, 283, 284, 285, 286, 288, 293, 295, 296, 298, 304, 306, 30^ 311,312,315,317,319,320,323,324,325, 326, 332, 333, 338, 340, 347, 359, 360, 363,364,366,367,368,3 77,380,387,388, 390, 391, 392, 393, 395 Nöldeke, Otto 243 Noltenius, Rainer 306, 309, 310, 311 Novalis 1, 6,10,11, 41, 70, 74-77, 78, 81, 97, 107, 108, 116,128,150,152,153,154, 274, 275, 303, 342, 343, 344, 350, 361, 376, 387 Nudow, Heinrich 10, 22, 31-32, 34, 37, 59, 65, 84, 85, 92, 95, 130, 256, 350, 362, 365, 370, 374 Oberleitner, Karl 171 Oeing-Hanhoff, L. 334 Oelsner, Konrad Engelbert 38,117, 344, 363 Oertzen, Georg von 155-157,158, 235,261, 286, 311, 337, 351, 368, 377 Olfers, Hedwig von 239, 329, 352 Ostermann, Eberhard 75, 342 Otto, Christian 73, 344 Overbeck, Franz 195, 199, 202 Ovid 22 Oxenford, John 141 Pannwitz, Rudolf 308 Paracelsus (d.i. Theophrast Bombast von Hohenheim) 22, 31

482

Personenregister

Pascal, Blaise 94,174, 200, 282, 314 Patanjali 277 Pauly, August 245 Perez, Antonio 4, 25, 46, 335 Pfaff, Christoph Heinrich 36 Pfeiffer, Peter C. 315 Pflug, Günter 52 Pflugk-Hartung, Julius von 238 Pfotenhauer, Helmut 41, 70, 354, 355, 362, 382 Pick, Otto 293 Pindar 177 Pinthus, Kurt 322-323, 366, 370 Platen, August von 41, 56, 110-111, 152, 275, 336, 350 Platner, Ernst 3,4,8,9,11,22,27,29-30,32, 34, 37, 40, 41, 43, 59, 60, 64, 68, 69, 70, 74, 76, 77, 94, 95,101,104,105,108,110, 111, 130, 142, 143, 176, 256, 343, 345, 350, 354, 355, 362, 365, 370, 373, 382, 384, 395 Pockels, Carl Friedrich 45, 49, 57, 59, 96, 113, 247, 337, 338, 342 Pohlmann, Bernward 230 Polgar, Alfred 306, 321, 369 Pölitz, Karl Heinrich Ludwig 346 Pollak, Felix 238, 322, 348 Pollmer, Arthur 89 Prang, Helmut 206 Preczang, Ernst 162 Preß, Wolfgang 70 Pückler-Muskau, Hermann von 147 Pufendorf, Samuel 34 Quack, Josef 278, 281 Raabe, Wilhelm 97, 174, 275 Rabelais, Frangois 25 Radbruch, Gustav 147 Rathenau, Walter 235-236, 360 Ree, Paul 189, 219, 338, 368 Reichert, Willy 348 Reininger, Robert 322 Reinwald, Bernhard 112 Requadt, Paul 8-9, 17, 45, 54, 61, 64, 66, 67, 73, 152, 337, 350, 35^ 374 Richert 207 Riedinger, Franz 135, 137 Riehl, Alois 181,185,208-209,210, 212, 21^ 222, 254, 331-332, 360, 368 Riemer, Friedrich Wilhelm 89, 337 Riemerjohann 17, 98, 99, 103 Rilke, Phia 247

Ring, Max 142 Ritter, Johann Wilhelm 107; 108 Robert, Ludwig (d.i. Lipman Levin) 117 Roderich, Albert 235, 239-240, 285, 329, 352 Rolfs, Rudolf 231 Rommel, Manfred 231 Rommel, Otto 275 Rorty, Richard 203, 393 Rössler, Helmut 280 Roth, Marie-Louise 315 Rousseau, Emil 151 Rowmski, Cesary 296 Rühle-Gerstel, Alice 328 Rüttenauer, Benno 347 Sade, Donatien-Alphonse-Frangois, Marquis de 280 Sadi 277 Sainte-Foix d'Arcq, Ph. de 231 Salis, Richard 348 Sallet, Friedrich von 109 Salomon 92 Salus, Hugo 285 Salvesen, Hugh 286 Samuel, Richard 75, 76 Sanders, Daniel 101 Saphir, Moritz Gottlieb 113, 242, 281, 292, 355, 386 Sauer, August 167, 274 Schadow, Johann Gottfried 85 Schaible, Camill 180 Schalk, Fritz 1, 4-5, 6, 23, 25, 91, 393 Schaukai, Richard von 296, 306, 319, 320, 327 Scheffel, Joseph Viktor von 246 Scheffler, Karl 146 Schelling, Friedrich Wilhelm 38, 175, 265, 270, 359, 394 Scherr, Johannes 181 Schildknecht, Christiane 362, 381 Schiller, Friedrich 31, 49, 80-81, 83, 110, 126, 177, 181, 333, 33^ 338, 339, 346 Schindler 208 Schinkel, Karl Friedrich 164 Schlaf, Johannes 210, 333 Schlegel, August Wilhelm 4, 10, 73-74, 77, 78,153,343,351, 355,356,365,366,375, 379, 386 Schlegel, Friedrich 7, 10, 11, 32, 70, 74, 75, 76, 77-80, 81, 97,116, 264, 270, 275, 276, 328, 336, 339, 342, 343, 345, 351, 354, 355, 362, 375, 385-386, 395

Personenregister Schleich, Carl Ludwig 97, 255 Schleiermacher, Friedrich 67,74, 77,78,266, 355 Schmeitzner, Ernst 183, 188, 194, 198 Schmidt, Friedrich Ludwig 3, 9, 152, 347 Schmidt, Johann Adam 36, 332, 350, 356 Schmidt, Julian 175, 261 Schmidt, Lothar 259 Schmidt-Biggemann, Wilhelm 69, 354, 384 Schneider, Otto 210 Schnitzler, Arthur 263, 296, 300, 306, 310-313, 315, 327, 330, 333, 341, 344, 391, 393 Schoeps, Hans Joachim 314 Schönberg, Arnold 297, 305 Schöne, Albrecht 315, 361 Schopenhauer, Arthur 3, 4, 10, 11, 16, 125, 132-144,145,147,149,150,165,173,174, 194,196, 226, 243, 249, 265, 266, 271, 276,280,304,307,336,33^ 351,352,357, 359, 363, 364, 366, 372, 387, 395 Schraud 365 Schrimpf, Hans Joachim 59 Schröder, Dirk 9, 27-29, 34,44,48, 75, 342, 345, 349, 350, 372, 373 Schröder, F. 145, 376 Schröder, Rudolf Alexander 16, 306, 308, 309-310, 327, 328, 333, 334, 356, 391 Schroeder, C. 273 Schüddekopf, Carl 271, 281 Schulte-Sasse, Jochen 355 Schulz, Christian 43-44,130, 336, 337 339, 345, 375 Schulz, Friedrich 9, 42, 46-48, 49, 68, 72, 73, 105, 337, 345, 350, 373 Schulz, Joseph 39, 347 Schumacher, Hans 381, 382, 394 Schupp, Volker 222 Schurz, Anton 114 Schweikert, Uwe 16, 276 Schweppenhäuser, Hermann 268 Seibert, Peter 116, 118, 347, 355, 376 Seidl, Arthur 211 Seligmann, R. 281-282, 283, 284, 294, 300, 340 Seneca 93 Sengle, Freidrich 109, 110, 118, 331 Serner, Walter 325, 336 Seume, Johann Gottfried 2, 41, 104-105, 106,108,114,164,176,177,275,276,336, 350, 384 Simon, Dietrich 150

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Sirius, Peter (d.i. Otto Kimmig) 227, 234, 239, 240-241, 242, 258, 259, 261, 356, 369 Skreb, Zdenko 331 Skupy, Hans-Horst 268 Smoljan, Otto 106 Solon 92 Sonnenschein, Hugo 319, 321 Spazier, Otto 40, 97,174, 354 Spinnen, Burkhard 298, 363, 390 Spitteier, Carl 208, 217, 235, 242, 356 Sprengel, Kurt 31, 338 Stackelberg, Jürgen von 23, 25, 91, 335 Steffen, E. 212, 213, 214, 215, 216, 217 Stein, Emil 234, 257-258, 377, 389, 390 Steiner, Rudolf 108, 220, 222, 362 Steland, Dieter 348, 372, 376 Stendhal (Marie-Henri Beyle) 348 Stephan, Inge 46, 104, 105, 384 Stephenson, Roger 381 Stern, Adolf 273, 361 Stern, Joseph Peter 10, 17, 65, 66, 361, 374, 383, 385 Sterne, Laurence 174 Stettenheim, Julius 242, 355, 370 Stieglitz, Charlotte 116 Stierle, Karl-Heinz 13 Stifter, Adalbert 195 Stingelin, Martin 195 Stoessl, Otto 293, 297,300-302, 341, 366, 370, 378 Stössinger, Felix 225, 237, 253, 293 Stranitzky, Josef Anton 22 Strauch, Aegidius 24 Strauß, Botho 391 Strauß, David Friedrich 193 Strauß-Wohl, Jeanette 113 Strich, Fritz 276 Striedter, Jurij 75 Strodtmann Adolf 16, 276, 277 Stütz, Adolf 238 Sünner, Rüdiger 203 Suphan, Bernhard 241, 369 Swift, Jonathan 106 Tacitus 25, 26, 345 Ter-Nedden, Gisbert 346 Thomasius, Christian 34, 142, 335 Thönges, Bernd 181,184 Thuemmel, Hans von 17, 49-50, 176, 334, 339 Thümmel, Moritz August von 33 Tieck, Ludwig 76, 116

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Personenregister

Tille, Alexander 233 Timms, Edward 232, 286 Trakl, Georg 234 Trapp, Ernst Christian 100 Trosiener, Irmgard 75 Troxler, Ignaz Paul Vitalis 10^ 108, U7, 334, 386 Tucholsky, Kurt 325 Ueding, Gert 14, 243 Uerlings, Herbert 75, 342 Uhland, Ludwig 114,115,151,153,169,258, 369, 375 Ullmann, Ludwig 284 Unger, Franz 145 Unger, Josef 234, 235, 254-255, 285, 297 Ungerer, Gustav 25, 335 Vaihinger, Hans 211, 223 Valery, Paul 381 Varnhagen von Ense, Karl August 116, 347 Varnhagen von Ense, Rahel 67, 76, 89, 116-118,124,130,143,147,149,151,152, 153,160, 166,178,196, 266, 333, 335, 344, 347, 355, 376, 386, 387 Vauvenargues, Luc de Ciapiers, Marquis de 94, 336 Verweyen, Theodor 99 Viedebantt, Hermann 144 Vierordt, Heinrich 238 Villers, Alexander 166 Vilmar, August Friedrich Christian 97,131, 344 Vischer, Friedrich Theodor 115,159-161, 173, 264, 266, 333, 334, 340, 376, 392 Voegelin, Eric 181 Vogt, Friedrich 266 Volkelt, Johannes 161 Vollhardt, Friedrich 51 Voltaire 73 Wackernagel, Wilhelm 161 Wagenknecht, Christian 278, 289 Waggerl, Karl Heinrich 105, 296, 322 Wagner, Cosima 194 Wagner, Ernst 106, 231 Wagner, Richard 109 Walzel, Oskar 160, 206, 276

Weber, Karl Julius 96 Wedekind, Frank 146 Wehe, Walter 394 Weigand, Wilhelm 147 Weininger, Otto 297, 305 Weiss, Otto 16,205,247,250-254,260,261 263, 264, 285, 293, 29^ 326, 33^ 352, 356, 359, 366 Weiß, Otto (2) 132-134,135,136,137,276 Weiß, Richard 289 Weitbrecht, Carl 211 Welser, Klaus von 150, 259, 268, 394 Wendt, M. F. 178-179 Wenig, Christian 102 Wense, Jürgen von der 231 Werfel, Franz 306, 321 Werner, Richard Maria 150, 274 Wertheimer, Emanuel 147, 259-261, 297, 337 Wezel, Johann Karl 60 White, Hayden 14 Widmann, Josef 208 Wiedner, Laurenz 150 Wildbolz, Rudolf 394 Wilde, Oscar 207; 280 Wilhelm, Richard 277 Wille, Bruno 142 Winckelmann, Johann Joachim 22 Wipprecht, Georg Friedrich 35, 144 Wirion, Jacques 268 Wittgenstein, Ludwig 167, 290, 315, 322, 393 Wittgenstein, Prinzessin Marie 154 Wölbe, Eugen 246 Wolfskehl, Karl 325 Wollschon, Gerd 231 Woltmann, Karoline von 86 Zastrow, Hans von 276 Zauper, Joseph Stanislaus 86, 88, 89, 96, 122, 124 Zedier, Heinrich 26, 31, 100, 103, 354, 365 Zeller, Cäcilie 116 Zelter, Carl Friedrich 88, 89 Zimmermann, Johann Georg 66, 72,178 Zimmermann, Christian Heinrich 66 Zincgref, Julius Wilhelm 72, 98 Zweig, Stefan 235-236

Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte Gemeinsam mit Harald Fricke, Klaus Grubmüller und Jan-Dirk Müller herausgegeben von Klaus Weimar 3 Bände Band 1: A - G XXII, 754 Seiten. 1997. Leinen. ISBN 3-11-010896-8 Was versteht man eigentlich unter »Klassik«? Woher kommt dieser Begriff? Wann wurde er zuerst benutzt — und durch wen? Wie hat sich sein Gebrauch verändert? Wie kann man ihn heute noch sinnvoll benutzen? Das >Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft gibt darauf Antwort. Es führt in mehr als 900 Artikeln in die Begriffswelt der deutschen Literaturwissenschaft ein. Das klar gegliederte Artikelschema ist eine Innovation: Es führt von einer ersten knappen Definition durch Wort-, Begriffs-, Sach- und Forschungsgeschichte bis zur weiterführenden Literatur.

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QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR L I T E R A T U R - U N D K U L T U R G E S C H I C H T E JUTTA HEINZ

Wissen vom Menschen und Erzählen vom Einzelfall Untersuchungen zum anthropologischen Roman der Spätaufklärung XVI, 396 Seiten. Mit 16 Tafeln. 1996. Gebunden. ISBN 3-11-015145-6 (Band 6 [240])

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»Homo Natura« Literarische Anthropologie um 1900 XXII, 327 Seiten. 1996. Gebunden. ISBN 3-11-015112-X (Band 7 [241])

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Epigrammatisches Barock XI, 394 Seiten. 1996. Gebunden. ISBN 3-11-015433-1 (Band 9 [243])

Rudolf Borchardt und seine Zeitgenossen Herausgegeben von Ernst Osterkamp XII, 409 Seiten. 1997. Gebunden. ISBN 3-11-015603-2 (Band 10 [244])

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