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German Pages 591 [592] Year 2013
Quantenmechanik 2 Pfadintegralformulierung und Operatorformalismus von
Prof. Dr. Hugo Reinhardt
Oldenbourg Verlag München
Lektorat: Kristin Berber-Nerlinger Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: Prof. Dr. Hugo Reinhardt Fermi-Kugel mit Radius kF der besetzten Einteilchenzustände im k-Raum Einbandgestaltung: hauser lacour Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, 81671 München, Deutschland www.degruyter.com/oldenbourg Ein Unternehmen von De Gruyter Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706.
ISBN 978-3-486-72032-7 eISBN 978-3-486-85588-3
Vorwort Dieses Lehrbuch gibt eine moderne Darstellung des Stoffes, der typischerweise Gegenstand der Vorlesung Quantenmechanik II ist. Schwerpunkte des Buches sind neben den Symmetrien, der Streutheorie und der relativistischen Quantenmechanik vor allem die Vielteilchentheorie einschließlich der Quantenstatistik. Ausf¨ uhrlich wird die Zweite Quantisierung behandelt. Die statistischen Ensembles werden aus dem Prinzip der maximalen Entropie abgeleitet. Aufgenommen wurde auch die Berry-Phase, in deren Kontext der Bohm-Aharonov-Effekt erkl¨art wird. Wie schon in Band 1 wird neben dem traditionellen Operatorformalismus auch die Pfad- oder Funktionalintegralbeschreibung entwickelt, die bisher noch recht wenig Einzug in die Standardkursvorlesungen gefunden hat, aber eine Reihe von konzeptionellen und praktischen Vorz¨ ugen besitzt. Detailliert wird deshalb die Funktionalintegralbeschreibung von Bose- und Fermi-Systemen ausgearbeitet, die den unmittelbaren Einstieg in die Quantenfeldtheorie erm¨ oglicht. Große Sorgfalt wird auf Verst¨andlichkeit gelegt: Bei den mathematischen Ableitungen werden s¨ amtliche erforderlichen Teilschritte angegeben, so dass das Buch auch zum Selbststudium geeignet ist. Wesentliche Formeln sind besonders markiert, Nebenrechnungen sowie erl¨ auternde Bemerkungen sind grau hinterlegt. Erstmals benutzte Fachbegriffe sowie wichtige Textpassagen sind kursiv gedruckt. Einige Kapitel bzw. Unterkapitel, die f¨ ur ein Verst¨andnis des restlichen Stoffes nicht unmittelbar notwendig sind und deshalb bei einer ersten Lekt¨ ure u onnen, sind mit einem Stern ¨ bergangen werden k¨ * gekennzeichnet. Zur einfacheren Referenzierung der Kapitel wurden diese fortlaufend von Band 1 nummeriert. Wie schon im Band 1 wird in diesem Buch durchg¨ angig das in der Quantenfeldtheorie u ¨ bliche Heaviside-Lorentz-Maßsystem benutzt, das eine Reihe von Vorteilen bietet. In Abweichung von den Gepflogenheiten der Quantenfeldtheorie wird aus didaktischen Gr¨ unden jedoch und c nicht auf Eins gesetzt. Das vorliegende Buch ist aus Skripten zu Vorlesungen entstanden, die der Autor an der TU Dresden und vor allem an der Universit¨at T¨ ubingen gehalten hat. Allen Studenten, die durch ihre konstruktive Kritik zur Verbesserung des Buches beigetragen haben, sei an dieser Stelle gedankt, auch wenn sie nicht alle namentlich erw¨ ahnt werden k¨ onnen. Das gesamte Manuskript wurde von Herrn Marco Herbst aus der Sicht eines Studenten hinsichtlich Verst¨andlichkeit gelesen. Neben zahlreichen Hinweisen zum Inhalt hat er sehr zur Vereinheitlichung der Notation beigetragen. Einige Abbildungen wurden von Dr. Davide Campagnari und Priv. Doz. Dr. Markus Quandt angefertigt. Das LaTeXManuskript inklusive Abbildungen wurde von meiner Sekret¨ arin, Frau Ingrid Estiry, erstellt. Ihnen allen sei f¨ ur ihre m¨ uhevolle Arbeit und ihr Engagement gedankt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Priv. Doz. Dr. Markus Quandt und Herrn Dr. Davide
VI
Vorwort
Campagnari, die das gesamte Manuskript gelesen haben und durch zahlreiche wertvolle Hinweise und Kommentare zur Verbesserung des Buches beigetragen haben. Schließlich sei dem Verlag f¨ ur die aufgebrachte Geduld und die angenehme Zusammenarbeit gedankt. T¨ ubingen, im August 2013 Hugo Reinhardt
Inhaltsu¨bersicht Band 1 1 Einf¨ uhrung 2 Teilchen-Welle-Dualismus 3 Der Einfluss der Messung 4 Die Wahrscheinlichkeitsamplitude 5 Die Wellenfunktion 6 Der klassische Grenzfall 7 Unendlich große Potentialspr¨ unge 8 Die Schr¨ odinger-Gleichung 9 Die eindimensionale station¨are Schr¨odinger-Gleichung 10 Eindimensionale Streuprobleme 11 Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik 12 Axiomatische Quantenmechanik 13 Der harmonische Oszillator 14 Periodische Potentiale: Das B¨ander-Modell des Festk¨ orpers 15 Drehimpuls und Spin (Heuristische Behandlung)* 16 Der Drehimpuls 17 Axialsymmetrische Potentiale 18 Kugelsymmetrische Potentiale (Zentralpotentiale) 19 Das Wasserstoff-Atom 20 Algebraischer Zugang zur Quantenmechanik* 21 St¨ orungstheorie *Dieses Kapitel ist f¨ ur das Verst¨ andnis der u ¨brigen Kapitel nicht erforderlich und kann deshalb beim ersten Lesen u ¨bersprungen werden.
VIII
Inhalts¨ ubersicht 22 Das Ritz’sche Variationsverfahren 23 Geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld Anhang A: Die Dirac’sche δ-Funktion Anhang B: Gauß-Integrale Anhang C: Funktionen von Operatoren Anhang D: Basiselemente der Variationsrechnung
Band 2 24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik 25 Zeitabh¨angige Prozesse 26 Streutheorie 27 Adiabatische Beschreibung: Die Berry-Phase 28 Symmetrien 29 Rotationen* 30 Relativistische Quantenmechanik 31 Vielteilchensysteme 32 Die Zweite Quantisierung 33 Die Theorie der Supraleitung* 34 Quantenstatistik 35 Koh¨ arente Zust¨ande 36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen Anhang E: Grundz¨ uge der Gruppentheorie Anhang F: Eigenschaften der Wigner’schen D-Funktionen Anhang G: Spuridentit¨aten im Fock-Raum Anhang H: Das Wick’sche Theorem Anhang I: (Anti-)Periodische Funktionen und Matsubara-Summen
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
24
Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
1
24.1
Der Zeitentwicklungsoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
24.2
Explizite Darstellung des Zeitentwicklungsoperators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
24.3 24.3.1 24.3.2
Das Heisenberg-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Erhaltungsgr¨oßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Bewegungsgleichungen im Heisenberg-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
24.4
Das Wechselwirkungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
24.5
Zeitabh¨angige St¨orungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
24.6
Formale Aufsummation der St¨orreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
24.7
Zeitabh. St¨orungstheorie im Pfadintegralzugang: Feynman-Diagramme∗
24.8 24.8.1 24.8.2
Die Green’sche Funktion der Schr¨odinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Die volle Green’sche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Die Green’sche Funktion des freien Teilchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
25
Zeitabh¨ angige Prozesse
25.1 25.2
¨ Uberg¨ ange infolge einer a¨ußeren St¨orung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 ¨ St¨ orreihe f¨ ur die Ubergangsamplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
25.3 25.3.1 25.3.2 25.3.3
Fermis Goldene Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitlich begrenzte St¨orung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instantanes Ein- bzw. Ausschalten der St¨ orung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodische St¨orung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42 42 44 53
26
Streutheorie
57
26.1
Der Streuprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
26.2
Streuung eines Wellenpaketes am Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
26.3
Station¨ are Streutheorie: Die Lippmann-Schwinger-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
26.4
Die Streuamplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
23
39
X
Inhaltsverzeichnis
26.5
Der Wirkungsquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
26.6 26.6.1 26.6.2
Die Born’sche N¨aherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Streuung am Yukawa-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Streuung am Coulomb-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
26.7
Die Streumatrix∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
26.8
Das optische Theorem∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
26.9 26.9.1 26.9.2 26.9.3 26.9.4
Streuung am Zentralpotential: Partialwellenzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Partialwellenzerlegung der Streufunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Streuphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Partialwellenzerlegung des Streuquerschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konvergenz der Partialwellenzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26.10
Hartkugelstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
26.11
Erkl¨ arung der Schattenstreuung∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
26.12 26.12.1 26.12.2 26.12.3 26.12.4 26.12.5 26.12.6
Streuung am Potentialtopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Streuphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resonanzstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . s-Streuung am Potentialtopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Levinson-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Streul¨ange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streuung am kugelsymmetrischen Potentialberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108 109 113 119 121 124 127
27
Adiabatische Beschreibung: Die Berry-Phase
131
27.1
Adiabatische Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
27.2
Die adiabatische N¨aherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
27.3
Die Berry-Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
27.4
Das Berry-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
27.5
Pfadintegralableitung der Berry-Phase∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
27.6
Das induzierte Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
27.7 27.7.1 27.7.2 27.7.3 27.7.4
Spin im homogenen Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Berry-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das induzierte Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Raumwinkel∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanische Interpretation der Berry-Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27.8 27.8.1 27.8.2
Der Bohm-Aharonov-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Interpretation als Berry-Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Pfadintegralberechnung der Berry-Phase∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
28
Symmetrien
28.1
Verhalten der Wellenfunktion unter Koordinatentransformationen . . . . . . 165
86 86 88 92 94
147 148 149 151 154
165
Inhaltsverzeichnis
XI
28.2
Koordinatentransformationen im Hilbert-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
28.3
Symmetrietransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
28.4
Kontinuierliche Symmetrietransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
28.5
Translation des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
28.6 28.6.1 28.6.2 28.6.3 28.6.4 28.6.5
Drehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drehung des Koordinatensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Drehoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matrixdarstellung des Drehoperators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Drehverhalten von Observablen: Skalare, Vektoren und Tensoren . . . Teilchen im rotierenden Bezugssystem: Die Coriolis-Wechselwirkung . . . .
28.7 28.7.1 28.7.2
Diskrete Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Raumspiegelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Zeitumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
28.8
Innere Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
28.9
Eichsymmetrien∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
29
Rotationen∗
29.1
Darstellung der Drehung durch Euler-Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
29.2
Die Wigner’schen D-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
29.3
Die Drehimpulseigenfunktionen des starren K¨ orpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
29.4
Rotation eines starren K¨orpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
30
Relativistische Quantenmechanik
30.1
Relativistische Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
30.2
Lagrange- und Hamilton-Formulierung∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
30.3
Elektromagnetische Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228
30.4
Die Klein-Gordon-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
30.5
Die Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
30.6
Die L¨ osungen der freien Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
30.7
Der Drehimpuls des Dirac-Teilchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
30.8
Elektron im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
30.9
Der nichtrelativistische Limes der Dirac-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
30.10 30.10.1 30.10.2
Elektron im Coulomb-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Punktmasse im Zentralpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 L¨ osung der Dirac-Gleichung f¨ ur das Coulomb-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
176 176 177 179 183 186
199
221
XII
Inhaltsverzeichnis
31
Vielteilchensysteme
275
31.1
Unterscheidbare Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
31.2
Identische Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
31.3
Permutationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
31.4
Systeme aus zwei identischen Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
31.5
Systeme aus N identischen Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
31.6 31.6.1
Spin-Statistik-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Statistik von zusammengesetzten Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
31.7
Observablen von Systemen identischer Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
31.8 31.8.1 31.8.2
Fermi-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Slater-Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 System aus zwei identischen Fermionen mit Spin 1/2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
31.9 31.9.1 31.9.2
Das Helium-Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Das ungest¨orte Helium-Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Helium-Spektrum mit Coulomb-Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
31.10 31.10.1 31.10.2
Die Hartree-Fock-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Hartree-N¨aherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Hartree-Fock-N¨aherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
31.11
Das ideale Fermi-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
31.12
Die Thomas-Fermi-N¨aherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
32
Die Zweite Quantisierung
32.1
Identische Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
32.2
Besetzungszahldarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
32.3
Der harmonische Oszillator als ein Ensemble von Phononen . . . . . . . . . . . . 333
32.4
Der Fock-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
32.5
Bosonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
32.6
Fermionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
32.7 32.7.1 32.7.2 32.7.3 32.7.4
Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilchenoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiteilchenoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N¨ utzliche Operatorbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wick’sche Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32.8 32.8.1 32.8.2
Die Ortsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Feldoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Die Dichtematrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
327
344 344 348 350 352
Inhaltsverzeichnis
XIII
32.9 32.9.1 32.9.2 32.9.3
Fermi-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Slater-Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Quasiteilchen-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Thouless-Theorem∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
360 361 363 366
33
Die Theorie der Supraleitung∗
371
33.1
Paarkorrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
33.2
Variation der Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
33.3
Quasiteilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
33.4
Die Bogoljubov-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
33.5
Die Energiel¨ ucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
34
Quantenstatistik
395
34.1 34.1.1 34.1.2 34.1.3
Gemischte Zust¨ande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der statistische Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der statistische Operator f¨ ur ein Spin-1/2-Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang mit reinen Zust¨anden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
395 397 400 402
34.2 34.2.1 34.2.2 34.2.3
Statistische Ensembles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Prinzip der Maximalen Entropie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das kanonische Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das großkanonische Ensemble. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
403 404 407 410
34.3 34.3.1 34.3.2 34.3.3 34.3.4 34.3.5
Das großkanonische Ensemble identischer Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fermi-Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bose-Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gibbs-Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der harmonische Oszillator bei endlichen Temperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entropie identischer Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
412 416 417 418 419 421
34.4
Mean-Field-Approximation bei endlichen Temperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . 422
35
Koh¨ arente Zust¨ ande
35.1
Koh¨ arente Bose-Zust¨ande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
35.2 35.2.1 35.2.2 35.2.3 35.2.4 35.2.5 35.2.6
Koh¨ arente Fermi-Zust¨ande. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der fermionische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koh¨ arente Fermi-Zust¨ande und Graßmann-Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differentiation und Integration f¨ ur Graßmann-Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung des Fock-Raumes durch Graßmann-Variablen . . . . . . . . . . . . . . Verallgem. auf Fermi-Systeme mit mehreren Freiheitsgraden . . . . . . . . . . . . Beschreibung von Fermi-Systemen mit Hilfe von Graßmann-Variablen . .
35.3
Komplexe Gauß-Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450
429
436 436 437 439 443 445 448
XIV
Inhaltsverzeichnis
35.4 35.4.1 35.4.2 35.4.3
Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das erzeugende Funktional . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Spur im Fock-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ensemble-Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
454 455 457 459
36
Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
463
36.1
¨ Pfadintegraldarstellung der Ubergangsamplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464
36.2
Pfadintegraldarstellung der großkanonischen Zustandssumme . . . . . . . . . . . 469
36.3
Pfadintegraldarstellung des erzeugenden Funktionals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
36.4
Nichtdifferenzierbare Pfade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473
36.5
Bosonisierung: BCS-Theorie bei endlichen Temperaturen∗ . . . . . . . . . . . . . . 478
36.6
Funktionalintegraldarstellung der Eichtheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
E
Grundz¨ uge der Gruppentheorie
E.1
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493
E.2
Kontinuierliche Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496
E.3
Die Drehgruppe in N = 2 Dimensionen: SO(2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498
E.4
Die Gruppen O(N ) und SO(N ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499
E.5
Die Drehgruppe SO(3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
E.6
Die Gruppe der unit¨aren Matrizen U(N ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
E.7 E.7.1 E.7.2
Homomorphismus und Isomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 Der Isomorphismus U(1) SO(2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 Der Homomorphismus SU(2) ∼ SO(3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507
E.8
Nicht-kompakte Gruppen: Die Lorentz-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510
E.9
Minimale Darstellung d. Lorentz-Transform. durch die Gruppe SL( ) . . 515
E.10 E.10.1 E.10.2
Die Poincar´e-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 Definition und Casimir-Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 Physikalische Bedeutung der Casimir-Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519
E.11 E.11.1 E.11.2
Spinoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 Spinor-Darstellung der O(N ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 Spinor-Darstellung der Lorentz-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
E.12 E.12.1 E.12.2
Die Algebra einfacher und halbeinfacher Lie-Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 Gewichte und Wurzeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 Beispiele: Die Gruppen SU(2) und SU(3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
493
Inhaltsverzeichnis
XV
F
Eigenschaften der Wigner’schen D-Funktionen
537
G
Spuridentit¨ aten im Fock-Raum
543
H
Das Wick’sche Theorem
547
H.1
Basisdefinitionen und Operatorbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547
H.2
Zeitabh¨angige Feldoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552
H.3
Normal- und zeitgeordnetes Produkt sowie Kontraktion von Feldoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
H.4
Allgemeine Form des Wick’schen Theorems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557
H.5
Das Wick’sche Theorem f¨ ur Ensemble-Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
I
(Anti-)Periodische Funktionen und Matsubara-Summen
Index
565 571
∗ Dieses Kapitel ist f¨ ur das Verst¨ andnis der u ¨brigen Kapitel nicht erforderlich und kann deshalb beim ersten Lesen u ¨bersprungen werden.
24
Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
Unsere bisherigen Betrachtungen der Quantenmechanik basieren auf der Schr¨ odingerGleichung, die eine Wellengleichung ist. Deshalb wird dieser von Erwin Schr¨ odinger gepr¨ agte Zugang oftmals auch als Wellenmechanik bezeichnet. Eine alternative Formulierung der Quantenmechanik geht auf Werner Heisenberg zur¨ uck und wurde von ihm zusammen mit Max Born und Pascual Jordan ausgearbeitet. In dieser Formulierung bleiben die Zustandsvektoren (Wellenfunktionen) zeitunabh¨ angig und die Dynamik eines Systems wird durch zeitabh¨angige Operatoren beschrieben. Dies ist das sogenannte Heisenberg-Bild, das in Abschnitt 24.3 besprochen wird. Da in diesem Bild die gesamte Dynamik in den Operatoren steckt, die in einer diskreten Hilbertraumbasis dargestellt als Matrizen erscheinen, wird dieser Zugang zur Quantenmechanik auch als Matrizenmechanik bezeichnet.
24.1
Der Zeitentwicklungsoperator
Die Quantenmechanik ist eine kausale Theorie, die es gestattet, aus der Kenntnis eines Systems zu einem Zeitpunkt t0 das Verhalten zu einem sp¨ ateren Zeitpunkt t > t0 vorherzusagen. Wie bereits in fr¨ uheren Kapiteln erl¨ autert, ist sie jedoch keine streng deterministische Theorie, sondern erlaubt nur Wahrscheinlichkeitsaussagen, welche in einer Wahrscheinlichkeitsamplitude, der Wellenfunktion, enthalten sind. F¨ ur die Wellenfunktionen zu verschiedenen Zeiten muss deshalb ein kausaler Zusammenhang |ψ(t = t0 ) → |ψ(t > t0 ) bestehen. Wie wir bereits wissen, wird dieser Zusammenhang durch ein differentielles Evolutionsgesetz, die zeitabh¨angige Schr¨odinger-Gleichung i
d |ψ(t) = H(t)|ψ(t) , dt
beschrieben. Da diese Differentialgleichung linear ist, muss es einen linearen Zusammenhang zwischen der Wellenfunktion zu verschiedenen Zeiten |ψ(t0 ) und |ψ(t) geben, den wir in der Form |ψ(t) = U (t, t0 )|ψ(t0 )
(24.1)
2
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
schreiben k¨ onnen. Hierbei beschreibt U (t, t0 ) einen linearen Operator, der offenbar die Zeitentwicklung der Wellenfunktion festlegt und deshalb als Zeitentwicklungsoperator bezeichnet wird. Die explizite Form dieses Operators wird durch die Schr¨ odingerGleichung festgelegt. Setzen wir (24.1) in die zeitabh¨ angige Schr¨ odinger-Gleichung ein, so erhalten wir: i
d U (t, t0 )|ψ(t0 ) = H(t)U (t, t0 )|ψ(t0 ) . dt
Da diese Gleichung f¨ ur beliebige Anfangszust¨ ande |ψ(t0 ) gilt, folgt f¨ ur den Zeitentwicklungsoperator das Evolutionsgesetz
i
d U (t, t0 ) = H(t)U (t, t0 ) . dt
(24.2)
Damit ist U (t, t0 ) unabh¨angig vom Anfangszustand und allein durch den HamiltonOperator bestimmt. Der durch den Zeitentwicklungsoperator U vermittelte lineare Zusammenhang (24.1) muss insbesondere auch zur Anfangszeit t = t0 gelten. Der Zeitentwicklungsoperator muss deshalb der Anfangsbedingung U (t0 , t0 ) = ˆ1
(24.3)
gen¨ ugen. Damit ist U (t, t0 ) eindeutig festgelegt. Bevor wir U (t, t0 ) explizit bestimmen, wollen wir einige Eigenschaften angeben, die bereits aus seiner Definition folgen: 1) Der Zeitentwicklungsoperator U (t, t0 ) besitzt die Gruppeneigenschaft U (t2 , t1 )U (t1 , t0 ) = U (t2 , t0 ) ,
(24.4)
¨ welche analog zum Zerlegungssatz f¨ ur Ubergangsamplituden ist.
Setzen wir t = t2 in der Definition (24.1) von U (t, t0 ), so erhalten wir |ψ(t2 ) = U (t2 , t0 )|ψ(t0 ) .
(24.5)
Zweimalige Anwendung der Definition von U (t, t0 ) liefert andererseits: |ψ(t2 ) = U (t2 , t1 )|ψ(t1 ) = U (t2 , t1 )U (t1 , t0 )|ψ(t0 ) . Da der Anfangszustand |ψ(t0 ) beliebig sein kann, liefert Vergleich mit (24.5) die gesuchte Beziehung (24.4).
24.1 Der Zeitentwicklungsoperator
3
2) Bei Umkehrung der Zeitrichtung geht U in sein Inverses u ¨ ber, d.h. U −1 (t, t0 ) = U (t0 , t) .
(24.6)
Diese Beziehung folgt unmittelbar aus dem Additionstheorem. In der Tat, setzen wir in (24.4) t2 = t0 , so erhalten wir unter Beachtung der Randbedingung (24.3): U (t0 , t)U (t, t0 ) = U (t0 , t0 ) = ˆ 1, was U (t0 , t) als Inverses zu U (t, t0 ) definiert. 3) U (t, t0 ) ist unit¨ar, d.h. U −1 (t, t0 ) = U † (t, t0 ) ,
(24.7)
und wegen (24.6): U † (t, t0 ) = U (t0 , t) .
(24.8)
Der Beweis ergibt sich wieder unmittelbar aus der Definition von U (t, t0 ): Bilden wir das Adjungierte von Gl. (24.1), ψ(t)| = ψ(t0 )|U † (t, t0 ) , so l¨ asst sich die Norm als ψ(t)|ψ(t) = ψ(t0 )|U † (t, t0 )U (t, t0 )|ψ(t0 )
(24.9)
schreiben. Wie wir in Abschnitt 8.3.2 gesehen hatten, bleibt die Norm der Wellenfunktion (als L¨osung der zeitabh¨angigen Schr¨ odinger-Gleichung) f¨ ur beliebige zeitabh¨ angige Hamilton-Operatoren erhalten, d.h. ψ(t)|ψ(t) = ψ(t0 )|ψ(t0 ) . Die Gleichung (24.9) verlangt deshalb: U † (t, t0 )U (t, t0 ) = ˆ1 , womit die Beziehung (24.7) bewiesen ist.
(24.10)
4
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
Bemerkung: ¨ Ahnlich wie die Erhaltung der Norm folgt auch (24.10) unmittelbar aus der Schr¨ odinger-Gleichung: Wegen der Anfangsbedingung (24.3) ist (24.10) richtig f¨ ur t = t0 . Da die rechte Seite von (24.10) unabh¨ angig von t ist, bleibt nur noch zu zeigen, dass auch die linke Seite unabh¨ angig von t ist. Dazu benutzen wir die Produktregel d † d d † U (t, t0 )U (t, t0 ) = i U (t, t0 ) U (t, t0 ) + U † (t, t0 )i U (t, t0 ) . i dt dt dt Einsetzen der Schr¨odinger-Gleichung (24.2) und ihres Adjungierten, −i
d † U (t, t0 ) = U † (t, t0 )H(t) , dt
(24.11)
liefert unmittelbar das gew¨ unschte Ergebnis d † U (t, t0 )U (t, t0 ) = ˆ0 . dt
Mit (24.8) erhalten wir aus (24.11) schließlich die Beziehung −i
24.2
d U (t0 , t) = U (t0 , t)H(t) . dt
(24.12)
Explizite Darstellung des Zeitentwicklungsoperators
F¨ ur einen zeitunabh¨angigen Hamilton-Operator wird die zeitliche Entwicklung von U durch eine lineare Differentialgleichung (24.2) mit konstanten (Operator-)Koeffizienten gegeben. Die L¨ osung dieser Gleichung mit der Anfangsbedingung (24.3) lautet: i
U (t, t0 ) = e− H(t−t0 ) .
(24.13)
Aus dieser expliziten Darstellung folgt sofort das Multiplikationsgesetz (Gruppeneigenschaft) (24.4) U (t2 , t1 )U (t1 , t0 ) = U (t2 , t0 ) .
24.2 Explizite Darstellung des Zeitentwicklungsoperators
5
Beachten wir, dass der Hamilton-Operator hermitesch ist, so folgt aus dieser Darstellung auch sofort, dass der Zeitentwicklungsoperator unit¨ ar sein muss, i
U † (t, t0 ) = e H(t−t0 ) = U −1 (t, t0 ) i
= e− H(t0 −t) = U (t0 , t) , ¨ in Ubereinstimmung mit unseren fr¨ uher gefundenen Eigenschaften von U , die auch f¨ ur zeitabh¨ angige H(t) g¨ ultig sind. F¨ ur einen zeitabh¨angigen Hamilton-Operator stellt die den Operator U definierende Evolutionsgleichung (24.2) eine Differentialgleichung erster Ordnung mit zeitabh¨ angigen (Operator-)Koeffizienten dar, die sich i.A. nicht in geschlossener Form l¨ osen l¨ asst. Wir betrachten deshalb zun¨achst infinitesimale Zeitintervalle. F¨ ur infinitesimal benachbarte Zeitargumente erhalten wir aus der Bewegungsgleichung des Zeitentwicklungsoperators (24.2) bis auf Terme der Ordnung ε2 : d U (t + ε, t0 ) = U (t, t0 ) + ε U (t, t0 ) dt i = ˆ1 − εH(t) U (t, t0 ) i
= e− εH(t) U (t, t0 ) , d.h. f¨ ur infinitesimale Zeitintervalle ε hat der Zeitentwicklungsoperator f¨ ur zeitabh¨ angige Hamilton-Operatoren dieselbe Gestalt wie f¨ ur zeitunabh¨ angige. Wir k¨ onnen deshalb den Zeitentwicklungsoperator f¨ ur zeitabh¨angige H(t) explizit konstruieren, indem wir das endliche Zeitintervall in infinitesimal kleine Intervalle der L¨ ange ε unterteilen: t − t0 = N ε,
tk = t0 + kε .
Sukzessive Anwendung der obigen Beziehung liefert dann: i
U (t1 , t0 ) = U (t0 + ε, t0 ) = e− εH(t0 ) , i
U (t2 , t0 ) = U (t1 + ε, t0 ) = e− εH(t1 ) U (t1 , t0 ) i
.. .
.. .
U (t, t0 ) = U (tN , t0 )
i
= e− εH(t1 ) e− εH(t0 ) , .. . i
(24.14)
i
= e− εH(tN −1 ) . . . e− εH(t0 ) .
Die einzelnen Exponenten der infinitesimalen Zeitevolution sind nach wachsendem Zeitargument angeordnet. Die Reihenfolge ist absolut wichtig, da die Operatoren H(t) zu verschiedenen Zeiten i.A. nicht kommutieren. Um diese Darstellung f¨ ur U (t, t0 ) in eine kompaktere Form zu bringen, f¨ uhren wir das sogenannte zeitgeordnete Produkt ein: F¨ ur zwei zeitabh¨angige Operatoren A(t) und B(t ) ist das zeitgeordnete Produkt T (A(t)B(t )) durch
6
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
T (A(t)B(t )) =
A(t)B(t ) , B(t )A(t) ,
t ≥ t t < t
(24.15)
definiert. Dabei ist T der Zeitordnungsoperator (oder chronologischer Operator), der die Operatoren nach wachsenden Zeitargumenten anordnet. Bei t = t ist dieses Produkt unstetig, falls [A(t), B(t)] = ˆ0, andernfalls jedoch stetig.1 F¨ ur t = t spielt die Reihenfolge der Operatoren in dem zeitgeordneten Produkt keine Rolle, T (A(t)B(t )) = T (B(t )A(t)) ,
t = t ,
da diese von T stets nach wachsenden Zeitargumenten angeordnet werden. Die Zeitordnung ist offenbar eine lineare Operation. Unter Benutzung des zeitgeordneten Produktes k¨ onnen wir schließlich (24.14) schreiben als:
N −1 N −1 i i exp − εH(tk ) = T exp − ε H(tk ) . (24.16) U (t, t0 ) = T k=0
k=0
Im Limes ε → 0 liefert der Exponent das gew¨ ohnliche Riemann-Zeitintegral u ¨ ber den Hamilton-Operator, und wir erhalten schließlich: ⎡ i U (t, t0 ) = T exp ⎣−
t
⎤ dt H(t )⎦ .
(24.17)
t0
Dies ist eine formal geschlossene Darstellung des Zeitentwicklungsoperators. Seine explizite Berechnung verlangt jedoch i.A., dass auf seine Definition auf dem Zeitgitter (24.16) zur¨ uckgegriffen werden muss. Man beachte die folgenden Beziehungen f¨ ur die Differentiation des zeitgeordneten Exponenten: ⎛
⎡
d ⎝ i T exp ⎣− dt ⎛
⎡
i d ⎝ T exp ⎣− dt0
1 Im
t t0
t t0
⎡
⎤⎞
i i dt H(t )⎦⎠ = − H(t) T exp ⎣− ⎤⎞
⎡
dt H(t )⎦⎠ = T exp ⎣−
i
t t0
t
⎤ dt H(t )⎦ ,
t0
⎤ i dt H(t )⎦ H(t0 ) .
vorliegenden Fall, wo A(t) = H(t) und B(t ) = H(t ), tritt dieses Problem nicht auf.
24.2 Explizite Darstellung des Zeitentwicklungsoperators
7
Mit diesen Beziehungen erh¨alt man durch Differentiation von Gl. (24.17) nach t bzw. odinger-Gleichung (24.2) f¨ ur U (t, t0 ) bzw. ihr Adjungiertes (24.12). t0 die Schr¨ Die oben gefundene Darstellung (24.1) der zeitabh¨ angigen Wellenfunktion durch den Zeitentwicklungsoperator stellt eine formale L¨osung der Schr¨ odinger-Gleichung dar. In der Ortsdarstellung lautet diese Gleichung: ψ(x, t) = x|ψ(t) = x|U (t, t )|ψ(t ) . Benutzen wir die Vollst¨andigkeit der Ortseigenfunktionen |x (siehe Gl. (11.61)), so k¨onnen wir diese Gleichung schreiben als: ψ(x, t) = dx x|U (t, t )|x ψ(x , t ) . Vergleichen wir diese Gleichung f¨ ur die Zeitentwicklung der Wellenfunktion mit der ¨ fr¨ uher u (Propagator) K(x, t; x , t ) ¨ber die quantenmechanische Ubergangsamplitude gewonnenen Beziehung (5.9) ψ(x, t) = dx K(x, t; x , t )ψ(x , t ) , so stellen wir fest, dass der Propagator gerade das Matrixelement des Zeitentwicklungsoperators in der Ortsdarstellung repr¨asentiert: K(x, t; x , t ) = x|U (t, t )|x .
(24.18)
Diese Identit¨ at l¨ asst sich auch streng mathematisch beweisen. Dazu bemerken wir, dass sowohl der Propagator K als auch das Matrixelement des Zeitentwicklungsoperators in der Ortsdarstellung dieselbe Differentialgleichung (zeitabh¨ angige Schr¨ odingerGleichung) erf¨ ullen (siehe Gln. (8.10) und (24.2)) und auch derselben Anfangsbedingung (siehe Gln. (4.5) und (24.3)) K(x, t; x , t = t) = δ(x − x ) , x|U (t, t = t)|x = x|ˆ1|x = x|x = δ(x − x ) gen¨ ugen. Aus der Theorie der linearen Differentialgleichungen folgt dann, dass beide L¨ osungen der Schr¨odinger-Gleichung, K(x, t; x , t ) und x|U (t, t )|x , identisch sein m¨ ussen. Wir erinnern uns, dass wir fr¨ uher f¨ ur den Propagator K(x, t; x , t ) eine Pfadintegraldarstellung (4.27) gefunden hatten. F¨ ur zeitabh¨ angige Hamilton-Operatoren H finden wir deshalb aufgrund der obigen Identit¨at (24.18) folgende Pfadintegraldarstellung der Matrixelemente des Zeitentwicklungsoperators:
8
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
y(t)=x
− i dt H(t ) xT e t x = t
i
Dy(t) e S[y] . y(t )=x
Diese Beziehung liefert einen Zusammenhang zwischen der klassischen Wirkung und dem quantenmechanischen Hamilton-Operator. Tats¨ achlich hatten wir diesen in Kap. 8 erst aus der Pfadintegraldarstellung gefunden. Das Pfadintegral erlaubt es uns also, ¨ allein aus Kenntnis der klassischen Wirkung die quantenmechanische Ubergangsamplitude und daraus die explizite Form des Hamilton-Operators zu bestimmen.2 Es besitzt deshalb große konzeptionelle Bedeutung in all den F¨ allen, in denen der HamiltonOperator a priori nicht bekannt ist, wie dies z.B. in der Quantenfeldtheorie h¨ aufig der Fall ist. Falls einmal die explizite Form des Hamilton-Operators gefunden wurde, l¨ asst ¨ sich dann die quantenmechanische Ubergangsamplitude zwischen beliebigen Zust¨ anden aufgrund der Identit¨at (24.18) alternativ als Matrixelement des Zeitentwicklungsoperators berechnen, ohne dabei auf das Pfadintegral zur¨ uckgreifen zu m¨ ussen. Dies ist besonders dann vorteilhaft, wenn eine strenge quantenmechanische Beschreibung erforderlich ist. Andererseits lassen sich semiklassische Betrachtungen sehr viel einfacher anhand der Pfadintegraldarstellung durchf¨ uhren, da diese hier unmittelbar aus der station¨ aren Phasenapproximation folgen. F¨ ur zeitunabh¨ angige Hamilton-Operatoren hatten wir oben eine explizite Darstellung des Zeitentwicklungsoperators (24.13) gefunden. Aus dieser ist ersichtlich, dass in diesem Fall H mit dem Zeitentwicklungsoperator U kommutieren muss, [H, U (t, t0 )] = ˆ0 ,
(24.19)
und deshalb U und H gemeinsame Eigenfunktionen besitzen (siehe Anhang C.1). In der Eigenbasis von H, H|n = En |n , finden wir f¨ ur den Zeitentwicklungsoperator i
U (t, t0 )|n = e− En (t−t0 ) |n . Seine Eigenwerte sind durch reine Phasen gegeben, besitzen also den Betrag 1, wie das allgemein f¨ ur unit¨are Operatoren der Fall ist. In der Eigenbasis von H besitzt U (t, t0 ) deshalb die Spektraldarstellung: i U (t, t0 ) = |ne− En (t−t0 ) n| . n 2 Wie wir im Abschnitt 23.2 bei der Ableitung des Hamilton-Operators einer Ladung im elektromagnetischen Feld gesehen haben, kann unter Umst¨ anden die Operatorordnung im erhaltenen HamiltonOperator von der im Pfadintegral gew¨ ahlten Diskretisierungsvorschrift abh¨ angen. Letztere wurde jedoch durch Forderung der Eichinvarianz eindeutig festgelegt.
24.3 Das Heisenberg-Bild
9
Hieraus erhalten wir die Ortsdarstellung: K(x, t; x0 , t0 ) = x|U (t, t0 )|x0 i = ϕn (x)ϕ∗n (x0 )e− En (t−t0 ) . n
Diese Darstellung verdeutlicht, dass der Propagator in der Tat die gesamte quantenmechanisch relevante Information (Eigenzust¨ande, Eigenenergien, Zeitentwicklung) des Systems enth¨ alt. F¨ uhren wir noch die zugeh¨origen L¨osungen der zeitabh¨ angigen Schr¨ odinger-Gleichung i
ψn (x, t) = e− En t ϕn (x) ein, so nimmt der Propagator die Gestalt ψn (x, t)ψn∗ (x0 , t0 ) K(x, t; x0 , t0 ) = n
an. Damit ist der Propagator vollst¨andig durch die L¨ osungen der Schr¨ odinger-Gleichung ausgedr¨ uckt.
24.3
Das Heisenberg-Bild
Wir betrachten den Erwartungswert einer beliebigen physikalischen Observablen A, den wir mit Hilfe der Darstellung (24.1) der Wellenfunktion mittels des Zeitentwicklungsoperators schreiben k¨onnen als: Aψ = ψ(t)|A|ψ(t) = ψ(t0 )|U † (t, t0 )A U (t, t0 )|ψ(t0 ) . Diese Darstellung suggeriert, den zeitabh¨angigen Operator AH (t) := U † (t, t0 )A U (t, t0 ) = U (t0 , t)A U (t, t0 )
(24.20)
einzuf¨ uhren, wobei wir im letzten Ausdruck Gl. (24.8) benutzt haben. Der Erwartungswert der Observable A zu einem beliebigen Zeitpunkt t ist dann durch den Erwartungswert des zeitabh¨ angigen Operators AH (t) im Anfangszustand gegeben: Aψ = ψ(t0 )|AH (t)|ψ(t0 ) . Damit ist die gesamte Zeitabh¨angigkeit von den Zust¨ anden auf die Observablen u ¨ bergegangen. Wir haben deshalb zwei alternative Betrachtungsweisen:
10
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
1) Die Wellenfunktion ψ(t) entwickelt sich zeitlich nach der Schr¨ odingerGleichung und die Observablen A sind zeitunabh¨ angig, d.h. sie besitzen keine dynamische Zeitabh¨angigkeit, sondern h¨ ochstens eine explizite Zeitabh¨ angigkeit, die von außen vorgegeben ist, nicht aber durch die dynamische Evolution des Systems generiert wird. Dies ist das sogenannte Schr¨odinger-Bild. 2) Alternativ k¨onnen wir die zeitabh¨angigen Operatoren AH (t) benutzen und ben¨ otigen dann aber nur die Wellenfunktion zum Anfangszeitpunkt ψ(t0 ). Dies ist das sogenannte Heisenberg-Bild.
Je nach den vorliegenden Problemen kann die eine oder die andere Betrachtungsweise vorteilhaft sein. Wir betonen, dass alle unsere bisherigen Betrachtungen im Schr¨ odingerBild erfolgten. Die Wellenfunktion im Heisenberg-Bild ist durch die Wellenfunktion des Schr¨ odingerBildes zum Anfangszeitpunkt |ψ(t0 ) gegeben: |ψH := |ψ(t0 ) . Nach (24.1) gilt deshalb der Zusammenhang |ψ(t) = U (t, t0 )|ψH . Wir betrachten im Folgenden eine beliebige Observable eines Teilchens3 A = A(ˆ x, pˆ, t). Die Observable kann eine explizite Zeitabh¨angigkeit besitzen. Wir setzen voraus, dass sie in eine Taylor-Reihe nach Potenzen des Ortes und des Impulsoperators entwickelbar ist:4 A(ˆ x, pˆ, t) = Anm (t)ˆ xn pˆm . n,m
ur explizit zeitabh¨ angige Die dabei auftretenden Entwicklungskoeffizienten Anm sind f¨ Observablen ebenfalls zeitabh¨angig. Multiplizieren wir diese Darstellung von links mit ar ist, so U † ≡ U † (t, t0 ) und von rechts mit U ≡ U (t, t0 ) und benutzen, dass U unit¨ finden wir: x, pˆ, t)U = Anm (t)U † x ˆn pˆm U U † A(ˆ n,m
=
Anm (t)(U † x ˆU )n (U † pˆU )m .
n,m 3 Zur Unterscheidung von den klassischen Variablen bezeichnen wir in diesem Kapitel Orts- und Impulsoperator mit einem ˆ “. ” 4 Durch Ausnutzen der kanonischen Vertauschungsrelationen k¨ onnen die Operatoren x ˆ und pˆ stets so angeordnet werden, dass alle Potenzen von x ˆ links von den Potenzen von pˆ stehen.
24.3 Das Heisenberg-Bild
11
Beachten wir, dass die Heisenberg-Darstellung des Orts- und Impulsoperators xˆH (t) = U † (t, t0 ) x ˆ U (t, t0 ) = U (t0 , t) x ˆ U (t, t0 ) , pˆH (t) = U † (t, t0 ) pˆ U (t, t0 ) = U (t0 , t) pˆ U (t, t0 ) ist und benutzen wieder die Taylor-Entwicklung, so finden wir, dass die HeisenbergDarstellung der Observable A durch x, pˆ, t) ≡ U † (t, t0 )A(ˆ x, pˆ, t)U (t, t0 ) = A(ˆ xH (t), pˆH (t), t) AH (ˆ gegeben ist. Die Heisenberg-Darstellung einer Observable A(ˆ x, pˆ, t) erh¨ alt man also aus der Schr¨ odinger-Darstellung, indem man die Schr¨ odinger-Operatoren x ˆ und pˆ durch ihre Heisenberg-Bilder ersetzt. Insbesondere gilt f¨ ur den Hamilton-Operator im HeisenbergBild: HH (ˆ x, pˆ, t) = H(ˆ xH (t), pˆH (t), t) .
F¨ ur zeitunabh¨ angige Hamilton-Operatoren hatten wir gesehen, dass U (t, t0 ) und H kommutieren, siehe Gl. (24.19). In diesem Fall reduziert sich die Heisenberg-Darstellung des Hamilton-Operators auf seine Schr¨odinger-Darstellung: HH (t) = H. Benutzen wir die Evolutionsgleichung f¨ ur U und deren Adjungiertes, −i
d † U (t, t0 ) = U † (t, t0 )H(t) = U (t0 , t)H(t) , dt
so erhalten wir f¨ ur die zeitliche Ableitung eines Operators im Heisenberg-Bild (24.20): d AH (ˆ x, pˆ, t) dt
d ∂A d U (t, t0 ) + U (t0 , t) A U(t, t0 ) + U(t0 , t) A U(t, t0 ) = U (t0 , t) ∂t dt dt ∂A(ˆ x, pˆ, t) U (t, t0 ) = U (t0 , t) ∂t i − U (t0 , t) [A(ˆ x, pˆ, t)H(t) − H(t)A(ˆ x, pˆ, t)] U (t, t0 ) . (24.21) Der erste Term auf der rechten Seite dieser Gleichung entsteht durch eine explizite Zeitabh¨ angigkeit des Operators A. Benutzen wir, dass das Heisenberg-Bild aus dem Schr¨ odinger-Bild entsteht durch Ersetzen von Ort- und Impulsoperator durch die entsprechenden Heisenberg-Operatoren, so k¨onnen wir diesen Term schreiben als: ∂A(ˆ x, pˆ, t) ∂ U (t, t0 ) ≡ (U (t0 , t)A(ˆ U (t0 , t) x, pˆ, t ) U (t, t0 )) ∂t ∂t t =t ∂A(ˆ x, pˆ, t) = . ∂t x ˆ=ˆ xH (t),p= ˆ pˆH (t)
12
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
Man beachte, dass die Zeitableitung hier nicht auf die implizite Zeitabh¨ angigkeit von xˆH (t), pˆH (t) wirkt! Den zweiten Term auf der rechten Seite von (24.21) k¨ onnen wir unter Benutzung von 1 als Kommutator der entsprechenden Heisenberg-Operatoren schreiben: UU† = ˆ U † AHU − U † HAU = U † AU U † HU − U † HU U † AU = [U † AU, U † HU ] = [AH (t), HH (t)] . ¨ Damit finden wir f¨ ur die zeitliche Anderung eines Operators im Heisenberg-Bild den Ausdruck i d ∂AH (t) AH (t) = + [HH (t), AH (t)] . dt ∂t
(24.22)
Dieser Ausdruck ist dem Evolutionsgesetz in der klassischen Mechanik sehr ¨ ahnlich. In der klassischen Mechanik sind Observablen durch Phasenraumfunktionen f (x, p, t) ¨ gegeben. F¨ ur ihre zeitliche Anderung findet man: ∂f (x, p, t) d f (x, p, t) = + {f (x, p, t), H(x, p, t)} , dt ∂t wobei die geschweifte Klammer die Poisson-Klammer und H(x, p, t) die klassische Hamilton-Funktion bezeichnet, siehe Abschnitt 8.3.3. F¨ ur den Hamilton-Operator verschwindet der Kommutator-Term [HH (t), HH (t)] = ˆ 0 in Gl. (24.22) und die gesamte Zeitabh¨angigkeit von HH (t) ist allein durch seine explizite Zeitabh¨ angigkeit gegeben.
24.3.1
Erhaltungsgr¨oßen
Im Folgenden wollen wir der Einfachheit halber annehmen, dass der Hamilton-Operator nicht explizit von der Zeit abh¨angt, so dass Gl. (24.13) gilt und somit [H, U (t, t0 )] ≡ ˆ 0. Aus (24.20) folgt dann: HH (t) = H . Die Evolutionsgleichung (24.22) f¨ ur eine Observable im Heisenberg-Bild lautet deshalb f¨ ur zeitunabh¨ angige H: i d ∂AH (t) AH (t) = + [H, AH (t)] . dt ∂t
(24.23)
24.3 Das Heisenberg-Bild
13
F¨ ur Observablen, die nicht explizit von der Zeit abh¨ angen, ∂A/∂t = 0, vereinfacht sich deren Evolutionsgesetz (24.23) auf: d i AH (t) = U † (t, t0 )[H, A]U (t, t0 ) . dt Kommutiert außerdem die Observable im Schr¨odinger-Bild mit dem Hamilton-Operator, [H, A] = ˆ 0, so ist die Observable im Heisenberg-Bild ebenfalls zeitunabh¨ angig: d AH (t) = ˆ0 . dt Damit sind auch die Erwartungswerte dieser Observablen zeitunabh¨ angig. Solche Observablen werden bekanntlich als Erhaltungsgr¨oßen bezeichnet.
24.3.2
Bewegungsgleichungen im Heisenberg-Bild
Schließlich wollen wir die Bewegungsgleichung f¨ ur Orts- und Impulsoperator im Heisenberg-Bild angeben. Da diese Gr¨oßen beide nicht explizit zeitabh¨ angig sind, finden wir: i ˆH ] , x ˆ˙ H (t) = [HH , x i pˆ˙H (t) = [HH , pˆH ] .
Erfolgt die Bewegung in einem Potential, so dass der Hamilton-Operator die u ¨bliche Form H=
pˆ2 + V (ˆ x) 2m
besitzt, so vereinfachen sich die Heisenberg’schen Bewegungsgleichungen f¨ ur Ort und Impuls auf die Beziehungen 1 xˆ˙ H (t) = pˆH (t) , m pˆ˙ H (t) = − (∇x V (x))
, x=ˆ xH
die formal dieselben sind wie die kanonischen Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik. Dies ist in Anbetracht unserer obigen Bemerkungen u ¨ ber die Korrespondenz zwischen der Zeitabh¨angigkeit einer klassischen und einer quantenmechanischen Observablen nicht verwunderlich.
14
24.4
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
Das Wechselwirkungsbild
Die beiden oben besprochenen Bilder, das Schr¨ odinger-Bild und das Heisenberg-Bild, sind v¨ ollig ¨ aquivalent. Welches der beiden Bilder man zweckm¨ aßigerweise benutzt, h¨ angt von dem betrachteten Problem ab. In vielen praktischen Problemen l¨ asst sich der Hamilton-Operator des Systems vorteilhaft in einen dominanten, oftmals einfach orung V (t) oder exakt l¨ osbaren, Hamilton-Operator H0 und eine (oftmals kleine) St¨ zerlegen: H = H0 (t) + V (t) . Die St¨ orung kann z.B. ein schwaches ¨außeres elektromagnetisches Feld repr¨ asentieren. Bringen wir etwa Atome in ein ¨außeres elektromagnetisches Feld, so empfiehlt es sich, auf die bereits bekannte Beschreibung eines isolierten Atoms zur¨ uckzugreifen. In diesem Fall wird man H0 mit dem Hamilton-Operator des isolierten Atoms und V (t) mit dem ¨ außeren elektromagnetischen Feld identifizieren. Ferner sind die Felder, die sich im Labor erzeugen lassen, i.A. klein im Verh¨altnis zu den atomaren elektromagnetischen Feldern. Aus diesem Grunde ist das ¨außere St¨ orpotential V (t) i.A. klein gegen¨ uber dem osung des Problems erforderatomaren Hamilton-Operator H0 , so dass keine strenge L¨ lich ist, sondern es ausreicht, den Einfluss des ¨ außeren Feldes auf das Atom gen¨ ahert in St¨ orungstheorie zu berechnen. In solchen F¨ allen ist es zweckm¨ aßig, die durch den angigkeit von ungest¨ orten Hamilton-Operator H0 induzierte und i.A. bekannte Zeitabh¨ der gesamten Zeitevolution der Wellenfunktion zu extrahieren. Dazu f¨ uhren wir den zu origen Zeitentwicklungsoperator U0 (t, t0 ) ein, der durch die Evolutionsgleichung H0 geh¨ d U0 (t, t0 ) = H0 (t)U0 (t, t0 ) dt und die Anfangsbedingung i
U0 (t0 , t0 ) = ˆ1 angig, so hat der zudefiniert ist. Ist der ungest¨orte Hamilton-Operator H0 zeitunabh¨ geh¨ orige freie Entwicklungsoperator die Gestalt (vgl. Gl. (24.13)) i
U0 (t, t0 ) = e− H0 (t−t0 ) . angigDen ungest¨ orten Evolutionsoperator und damit die durch H0 induzierte Zeitabh¨ keit ziehen wir aus der Wellenfunktion heraus: |ψ(t) = U0 (t, t0 )|ψW (t) .
(24.24)
F¨ ur die so definierte reduzierte Wellenfunktion |ψW (t) finden wir unter Benutzung der Darstellung (24.1) f¨ ur die Wellenfunktion |ψ(t) im Schr¨ odinger-Bild: |ψW (t) = U0† (t, t0 )|ψ(t) = U0† (t, t0 )U (t, t0 )|ψ(t0 ) = UW (t, t0 )|ψ(t0 ) ,
(24.25)
24.4 Das Wechselwirkungsbild
15 |ψ
U0† (t, t0 )
|ψ(t)
|ψW (t) |ψ(t0 )
U (t, t0 ) t t
t0
Abb. 24.1: Illustration der Zeitentwicklung der Wellenfunktion im Wechselwirkungsbild.
wobei wir die Abk¨ urzung UW (t, t0 ) = U0† (t, t0 )U (t, t0 ) = U0 (t0 , t)U (t, t0 )
(24.26)
eingef¨ uhrt haben. Die reduzierte Wellenfunktion |ψW (t) definiert das Wechselwirkungsbild. Sie gen¨ ugt nach (24.24) der Anfangsbedingung |ψW (t = t0 ) = |ψ(t0 ) ,
(24.27)
und ihre zeitliche Entwicklung wird durch den Entwicklungsoperator UW (t, t0 ) des Wechselwirkungsbildes gegeben:
|ψW (t) = UW (t, t0 )|ψW (t0 ) .
(24.28)
Die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion im Wechselwirkungsbild ist in Abb. 24.1 achst mit dem vollen Zeitentillustriert. Die Anfangswellenfunktion |ψ(t0 ) wird zun¨ wicklungsoperator U (t, t0 ) bis zur Zeit t propagiert. Daran anschließend wird die so uck zum gewonnene Wellenfunktion |ψ(t) mit dem ungest¨ orten Propagator U0 (t, t0 ) zur¨ Anfangszeitpunkt t0 propagiert. Dadurch wird die durch die ungest¨ orte Bewegung hervorgerufene Zeitentwicklung aus der Wellenfunktion |ψW eliminiert. Die oben gefundene Darstellung (24.26) des Zeitentwicklungsoperators im Wechselwirur welche die Wellenfunktion kungsbild UW (t, t0 ) gilt nur, wenn t0 die Referenzzeit ist, f¨ im Wechselwirkungsbild und Schr¨odinger-Bild zusammenfallen (siehe Gl. (24.27)). Um ur beliebige Zeitarguden Entwicklungsoperator des Wechselwirkungsbildes UW (t, t ) f¨ mente t zu erhalten, gehen wir ¨ahnlich wie bei der Ableitung von (24.26) vor (siehe
16
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
Gl. (24.25)), benutzen jedoch neben der Beziehung (24.24) auch Gl. (24.1) |ψW (t)
(24.25)
=
U0† (t, t0 )|ψ(t)
(24.1)
= U0† (t, t0 )U (t, t )|ψ(t )
(24.25)
= U0† (t, t0 )U (t, t )U0 (t , t0 )|ψW (t ) =: UW (t, t )|ψW (t ) ,
(24.29)
wobei UW (t, t ) = U0† (t, t0 )U (t, t )U0 (t , t0 ) = U0 (t0 , t)U (t, t )U0 (t , t0 )
(24.30)
der Zeitentwicklungsoperator des Wechselwirkungsbildes f¨ ur beliebige Zeitargumente t ur t = t0 f¨allt dieser Operator wegen U0 (t0 , t0 ) = ˆ 1 mit dem in Gl. (24.26) und t ist. F¨ definierten Operator zusammen.5 Verlangen wir, dass der Erwartungswert einer physikalischen Observablen (oder allgemein eines nicht-notwendigerweise hermiteschen Operators) auch in diesem Bild eine einfache Gestalt (¨ahnlich wie im Schr¨odinger-Bild) besitzt, Aψ = ψ(t)|A|ψ(t) = ψW (t)|U0† (t, t0 )AU0 (t, t0 )|ψW (t) =: ψW (t)|AW (t)|ψW (t) , so m¨ ussen wir die Observablen im Wechselwirkungsbild durch AW (t) = U0† (t, t0 )A(t)U0 (t, t0 ) = U0 (t0 , t)A(t)U0 (t, t0 )
(24.31)
definieren. Man beachte, dass dieser Zusammenhang zwischen Schr¨ odinger- und Wechselwirkungsbild auch f¨ ur den Zeitentwicklungsoperator (24.30) selbst gilt. Benutzen wir die Analogie zwischen AH (t) (24.20) und AW (t) (24.31) (U (t, t0 ) ist durch U0 (t, t0 ) ersetzt), so k¨onnen wir aus dAH (t)/dt (24.22) unmittelbar auf die zeitliche ¨ Anderung von AW (t) schließen: ∂AW (t) i 0 dAW (t) = + [HW (t), AW (t)] , dt ∂t 5 Wie aus Gl. (24.30) ersichtlich ist, h¨ angt UW (t, t ) nicht nur von den Zeiten t und t , sondern auch von t0 ab. Wir werden die t0 -Abh¨ angigkeit der Operatoren des Wechselwirkungsbildes (siehe auch Gl. (24.31)) jedoch nicht explizit angeben.
24.4 Das Wechselwirkungsbild
17
0 wobei HW (t) das Wechselwirkungsbild des ungest¨ orten Hamilton-Operators bezeichnet (siehe Gl. (24.31)). Benutzen wir die Bewegungsgleichungen f¨ ur U und U0 , so erhalten ¨ wir f¨ ur die zeitliche Anderung des Zeitentwicklungsoperators im Wechselwirkungsbild d d i UW (t, t0 ) = i U0 (t0 , t)U (t, t )U0 (t , t0 ) dt dt = U0 (t0 , t)(−H0 + H)U (t, t )U0 (t , t0 )
= U0 (t0 , t)V U0 (t, t0 ) U0† (t, t0 )U (t, t )U0 (t , t0 ) . UW (t,t )
VW (t)
Unter Benutzung der Wechselwirkungsdarstellung (24.31) f¨ ur V k¨ onnen wir diese Gleichung schreiben als:
i
d UW (t, t ) = VW (t)UW (t, t ) . dt
(24.32)
Demzufolge erf¨ ullt die Wellenfunktion im Wechselwirkungsbild |ψW (t) (24.28) die Evolutionsgleichung
i
d |ψW (t) = VW (t)|ψW (t) . dt
Die Zeitentwicklung der Wellenfunktion wird in diesem Bild offensichtlich allein durch die Wechselwirkung, d.h. die St¨orung VW (t) (im Wechselwirkungsbild selbst) generiert, w¨ahrend die Zeitentwicklung der physikalischen Observablen (24.31) allein durch den ungest¨ orten Hamilton-Operator H0 erzeugt wird. Dies rechtfertigt den Namen Wechselwirkungsbild. Es nimmt eine Zwischenstellung zwischen dem Schr¨ odinger- und dem Heisenbergbild ein. F¨ ur eine verschwindende St¨ orung V (t) = 0 (H0 = H) reduziert sich das Wechselwirkungsbild auf das Heisenberg-Bild, w¨ ahrend es f¨ ur H0 = 0 (V (t) = H) in das Schr¨ odinger-Bild u ¨ bergeht. Der Zeitentwicklungsoperator im Wechselwirkungsbild (24.30) gen¨ ugt der Anfangsbedingung UW (t, t) = ˆ1 . Mit dieser Bedingung wird UW (t, t ) eindeutig durch die Differentialgleichung (24.32) festgelegt. In Analogie zum Heisenberg-Bild (vgl. Gln. (24.2), (24.3) und (24.17)) finden wir: ⎡ i UW (t, t ) = T exp ⎣−
t t
⎤ dt VW (t )⎦ .
(24.33)
18
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
Das Wechselwirkungsbild ist die geeignete Darstellung, um den Effekt einer ¨ außeren St¨ orung auf die Zeitevolution eines quantenmechanischen Systems zu studieren. Es ist deshalb der Ausgangspunkt f¨ ur die zeitabh¨angige St¨ orungstheorie. Dabei wird der Zeitentwicklungsoperator des Wechselwirkungsbildes UW in eine Neumann-Reihe nach Potenzen der zeitabh¨angigen St¨orung VW (t) entwickelt. Dies ist Gegenstand des folgenden Kapitels.
24.5
Zeitabh¨angige St¨orungstheorie
Eine strenge L¨osung der quantenmechanischen Evolutionsgleichung ist nur f¨ ur einige wenige Modellsysteme m¨oglich. In nahezu allen praktisch relevanten Problemen ist man auf gen¨ aherte bzw. numerische L¨osungen angewiesen. Letztere sind jedoch oftmals wenig instruktiv. Analytische Ergebnisse lassen sich dennoch f¨ ur ein realistisches System gewinnen, wenn dieses nicht sehr stark von einem exakt l¨ osbaren Modellsystem abweicht, d.h. der Hamilton-Operator besitzt die Gestalt H = H0 + V (t) , osbaren Modellsystems darstellt und wobei H0 den Hamilton-Operator eines exakt l¨ V (t) eine kleine St¨orung ist. F¨ ur zeitunabh¨angige St¨ orungen haben wir im Kapitel 21 bereits die station¨are Schr¨odinger-Gleichung in St¨ orungstheorie gel¨ ost. Im vorliegenden Kapitel interessieren wir uns f¨ ur zeitabh¨ angige Prozesse, bei denen V (t) i.A. ein von außen angelegtes zeitabh¨angiges Feld repr¨ asentiert, w¨ ahrend H0 weiterhin zeitunabh¨ angig ist. Im Folgenden wollen wir eine gen¨ aherte L¨ osung der quantenmechanischen Evolutionsgleichung finden unter der Annahme, dass die St¨ orung V (t) klein gegen¨ uber dem Hamilton-Operator H0 des ungest¨orten Problems ist. Dies ist Gegenstand der zeitabh¨angigen St¨orungstheorie, die zweckm¨aßigerweise im Wechselwirkungsbild durchgef¨ uhrt wird, da s¨amtliche Information u orung V (t) verursachte ¨ber die durch die St¨ Zeitevolution im Zeitentwicklungsoperator des Wechselwirkungsbildes UW (t, t0 ) = U0 (t0 , t)U (t, t0 ) enthalten ist, w¨ahrend die triviale, von H0 verursachte Zeitabh¨ angigkeit eliminiert ist. Wie wir in Gl (24.32) gefunden hatten, gen¨ ugt der Zeitentwicklungsoperator im Wechselwirkungsbild der Bewegungsgleichung i
d UW (t, t0 ) = VW (t)UW (t, t0 ) dt
(24.34)
und erf¨ ullt die Anfangsbedingung UW (t0 , t0 ) = ˆ1 .
(24.35)
Die formale L¨ osung dieses Anfangswertproblems hatten wir bereits in Gl. (24.33) gefunden. Im Folgenden soll diese L¨osung auf eine alternative Weise abgeleitet werden, was uns auf ein allgemeines L¨osungsverfahren f¨ uhrt.
24.5 Zeitabh¨ angige St¨orungstheorie
19
Das durch Gln. (24.34) und (24.35) definierte Anfangswertproblem ist ¨ aquivalent zu der folgenden Integralgleichung i UW (t, t0 ) = ˆ1 −
t
dt VW (t )UW (t , t0 ) ,
(24.36)
t0
was man sehr leicht nachpr¨ uft: Differentiation von (24.36) nach t liefert unmittelbar die Differentialgleichung (24.34). Ferner verschwindet das Integral auf der rechten Seite von (24.36) f¨ ur t = t0 . Die Integralgleichung enth¨alt somit neben der Differentialgleichung bereits die Anfangsbedingung. F¨ ur eine kleine zeitabh¨angige St¨orung l¨asst sich die Integralgleichung iterativ l¨ osen. Da arer Operator von der Ordnung 1 ist der Zeitentwicklungsoperator UW (t, t0 ) als unit¨ (seine s¨ amtlichen Eigenwerte sind betragsm¨aßig 1), verlangt dies: t
dt VW (t ) .
t0
Da f¨ ur die Norm von Operatoren A, B gilt AB ≤ A B und ferner ein unit¨arer Operator U die Norm U = 1 besitzt (siehe Gl. (11.30)), folgt aus (24.21) VW (t) ≤ U0† (t, t0 ) V (t) U0 (t, t0 ) = V (t) so dass sich die obige Bedingung zu t
dt V (t ) ≤
t0
vereinfacht. Eine kleine St¨orung bedeutet also, dass entweder das St¨ orpotential V (t) klein (gegen¨ uber H0 ) im gesamten Zeitintervall ist, wobei das Zeitintervall t − t0 sehr groß sein kann, oder, falls das St¨orpotential V (t) groß ist, die Zeitevolution auf kleine Zeitintervalle beschr¨ankt ist, so dass das St¨orpotential nicht gen¨ ugend Zeit besitzt, das ur die Anwendbarkeit der St¨ orungstheorie ist System wesentlich zu st¨oren.6 Bedingung f¨ deshalb: |t − t0 | sup {V (t )} . t ∈[t0 ,t]
Im Folgenden nehmen wir an, dass diese Bedingung erf¨ ullt ist, und l¨ osen die Integralgleichung iterativ. In nullter Ordnung vernachl¨ assigen wir den Effekt der St¨ orung 6 In der station¨ aren St¨ orungstheorie wirkt die St¨ orung u ¨ber ein unendlich langes Zeitintervall. In diesem Falle muss deshalb das St¨ orpotential sehr klein sein.
20
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
vollkommen, indem wir V (t) = ˆ0 auf der rechten Seite der Integralgleichung setzen. Der Zeitentwicklungsoperator des Wechselwirkungsbildes nimmt in dieser Ordnung die triviale Gestalt (0) UW (t, t0 ) = ˆ1
an. Ersetzen wir den exakten Zeitentwicklungsoperator auf der rechten Seite der Inte(0) gralgleichung durch seinen ungest¨orten Wert UW (t, t0 ), so erhalten wir den Zeitentwicklungsoperator in erster Ordnung St¨orungstheorie: (1)
UW (t, t0 ) = ˆ1 −
i
i = ˆ1 −
t
(0)
dt1 VW (t1 )UW (t1 , t0 ) t0
t dt1 VW (t1 ) . t0
Die Abweichung des Zeitentwicklungsoperators erster Ordnung von seinem ungest¨ orten Wert wird durch das Zeitintegral des St¨orpotentials in der Wechselwirkungsdarstellung gegeben. Den Zeitentwicklungsoperator in zweiter Ordnung St¨ orungstheorie erhalten wir, indem wir unter dem Integral auf der rechten Seite von (24.36) den exakten Evolutionsoperator durch die oben gewonnene N¨aherung erster Ordnung ersetzen: (2) UW (t, t0 )
i = ˆ1 − = ˆ1 −
= ˆ1 −
i i
t
(1)
dt1 VW (t1 )UW (t1 , t0 ) t0
t
⎛ dt1 VW (t1 ) ⎝ˆ1 −
t0
t t0
i
t1
⎞ dt2 VW (t2 )⎠
t0
2 t t1 i dt1 VW (t1 ) + − dt1 VW (t1 ) dt2 VW (t2 ) . t0
t0
Ganz allgemein folgt der Ausdruck n-ter Ordnung f¨ ur den Zeitentwicklungsoperator, indem wir auf der rechten Seite der Integralgleichung den exakten Operator durch die N¨ aherung in (n − 1)-ter Ordnung ersetzen: (n) UW (t, t0 )
i = ˆ1 −
t
(n−1)
dt1 VW (t1 )UW t0
(t1 , t0 ) .
24.6 Formale Aufsummation der St¨orreihe
21
Sukzessives L¨ osen dieser Iterationsgleichung f¨ uhrt auf die Neumann-Reihe f¨ ur den Zeitentwicklungsoperator: i 1− UW (t, t0 ) = ˆ
t t0
2 t t1 i dt1 VW (t1 ) + − dt1 dt2 VW (t1 )VW (t2 ) + . . . t0
t0
t n−1 n t t1 ∞ i = dt1 dt2 . . . dtn VW (t1 ) . . . VW (tn ) − n=0 t0
≡
∞
t0
t0
(n)
UW (t, t0 ) ,
(24.37)
n=0
wobei U (n) (t, t0 ) den n-ten Term der Neumann-Reihe bezeichnet. In vielen praktischen F¨allen ist die St¨ orung klein genug, so dass diese Neumann-Reihe nach dem ersten nichttrivialen Term abgebrochen werden kann.
24.6
Formale Aufsummation der St¨orreihe mittels des zeitgeordneten Produktes
Im Folgenden wollen wir die Neumann-Reihe des Zeitentwicklungsoperators formal aufsummieren. Dazu betrachten wir zun¨achst den Term zweiter Ordnung etwas genauer. Das hier auftretende Doppelintegral t
t1 dt1
I= t0
dt2 VW (t1 )VW (t2 )
(24.38)
t0
erstreckt sich u ¨ ber das in der Abb. 24.2(a) schraffierte Dreieck. Bei der Berechnung des Doppelintegrals ist zu beachten, dass i.A. im Wechselwirkungsbild die St¨ orungen VW (t) zu verschiedenen Zeiten nicht miteinander kommutieren: [VW (t1 ), VW (t2 )] = ˆ0 . Wir k¨ onnen jedoch die Integrationsvariable umbenennen, t1 ↔ t2 , und erhalten: t
t2 dt2
I= t0
dt1 VW (t2 )VW (t1 ) .
(24.39)
t0
Die Integration erstreckt sich jetzt u ¨ ber das in Abb. 24.2(b) dargestellte schraffierte Dreieck und wird zun¨achst entlang der horizontalen Richtung ausgef¨ uhrt. Alternativ k¨onnen wir auch zuerst in vertikaler Richtung, d.h. u ¨ ber t2 integrieren. (Die RiemannSumme des Integrals h¨angt bekanntlich nicht von der Reihenfolge der Summanden ab.)
22
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
t2
t2
t2
t
t
t
0
t1
t (a)
t0
t1
t (b)
t0
t
t1
(c)
Abb. 24.2: Integrationsbereich (schraffiert) (a) in Gl. (24.38), (b) in Gl. (24.39) und (c) in Gl. (24.40).
Wir erhalten dann: t
t dt1
I= t0
dt2 VW (t2 )VW (t1 ) .
(24.40)
t1
Unter Benutzung von Gl. (24.38) und Gl. (24.40) k¨ onnen wir das Doppelintegral schreiben als: ⎡t ⎤ t 1 t 1 dt1 ⎣ dt2 VW (t1 )VW (t2 ) + dt2 VW (t2 )VW (t1 )⎦ . I= 2 t0
t0
t1
Die Integranden der beiden Integrale unterscheiden sich hier lediglich in der Reihenfolge der beiden Operatoren, die jedoch nicht belanglos ist. Beachten wir, dass im ersten Inteonnen wir dennoch granden t1 ≥ t2 ist, w¨ahrend im zweiten Integranden t1 ≤ t2 ist, so k¨ die beiden Integranden in einheitlicher Form schreiben, und zwar durch Benutzung des zeitgeordneten Produktes (24.15) und erhalten: I=
1 2
t
t dt1
t0
dt2 T (VW (t1 )VW (t2 )) . t0
In analoger Weise lassen sich die Terme h¨oherer Ordnung in der Neumann-Reihe mittels des zeitgeordneten Produktes darstellen. F¨ ur den Term n-ter Ordnung erhalten wir: t
t1 dt1
t0
t n−1
dt2 . . . t0
1 = n!
dtn VW (t1 ) . . . VW (tn ) t0
t
t dt1 . . .
t0
dtn T (VW (t1 ) . . . VW (tn )) . t0
(24.41)
24.7 Zeitabh. St¨ orungstheorie im Pfadintegralzugang: Feynman-Diagramme∗
23
Wir k¨ onnen dann den Zeitentwicklungsoperator im Wechselwirkungsbild schreiben als: n ∞ 1 i dt1 . . . dtn T (VW (t1 ) . . . VW (tn )) . UW (t, t0 ) = − n! n=0 t
t
t0
t0
Der Zeitordnungsoperator kann vor die Integrale und die Summe gezogen werden, da er ein linearer Operator ist ⎡ ⎤n n t ∞ 1 i ⎣ dt VW (t )⎦ . UW (t, t0 ) = T − n! n=0 t0
Unter Benutzung der Taylor-Reihe f¨ ur Exponentialfunktion erhalten wir dann: ⎡ ⎤ t i dt VW (t )⎦ . UW (t, t0 ) = T exp ⎣− t0
Dieses Ergebnis stimmt mit dem bereits fr¨ uher gewonnenen Ausdruck (24.33) f¨ ur den Zeitentwicklungsoperator eines zeitabh¨angigen Hamilton-Operators u ¨ berein, den wir durch Diskretisierung der Zeit gefunden hatten.
24.7
Zeitabh¨angige St¨orungstheorie im Pfadintegralzugang: Feynman-Diagramme∗
Im Folgenden wollen wir die in Abschnitt 24.5 im Operatorformalismus entwickelte zeitabh¨ angige St¨ orungstheorie im Rahmen des Pfadintegralzuganges zur Quantenmechanik behandeln. Wir hatten dort einen fundamentalen Zusammenhang zwischen den ¨ Ubergangsamplituden K(b, a) und dem Matrixelement des Zeitentwicklungsoperators im Schr¨ odinger-Bild U (tb , ta ) kennengelernt, der durch die Beziehung (24.18) K(b, a) = K(xb , tb ; xa , ta ) = xb |U (tb , ta )|xa gegeben war. Diese Beziehung gilt f¨ ur beliebige zeitabh¨ angige Hamilton-Operatoren und bleibt deshalb insbesondere g¨ ultig, wenn eine zeitabh¨ angige St¨ orung vorliegt. Wie in der Operatorformulierung der zeitabh¨angigen St¨ orungstheorie werden wir wieder annehmen, dass der gesamte Hamilton-Operator des Systems sich schreiben l¨ asst als H = H0 + V (t) , wobei H0 ein quantenmechanisch exakt zu behandelndes System beschreibt, dessen L¨osung wir im Prinzip kennen, und V (t) eine zeitabh¨ angige St¨ orung an dem Modellsystem repr¨ asentiert. ∗ Dieser Abschnitt ist f¨ ur das Verst¨ andnis der u ¨brigen Kapitel nicht erforderlich und kann deshalb beim ersten Lesen u ¨bersprungen werden.
24
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
Wie wir bereits oben festgestellt hatten, werden sich bei beliebig zeitabh¨ angigen ¨ außeren St¨ orungen keine station¨aren Zust¨ande mehr ausbilden, sondern das System vollzieht ¨ st¨ andig Uberg¨ ange zwischen den einzelnen ungest¨ orten Zust¨ anden. Die entsprechenden ¨ Ubergangswahrscheinlichkeiten lassen sich alle aus der exakten Wellenfunktion |ψ(t) extrahieren. Im Operatorformalismus hatten wir die gest¨ orte Wellenfunktion im Wechselwirkungsbild bestimmt. Im Folgenden wollen wir die Wellenfunktion bzw., was dieser ¨ K(b, a) direkt im Schr¨ odinger-Bild bestimmen. ¨aquivalent ist, die Ubergangsamplitude Dazu benutzen wir die Funktionalintegraldarstellung dieser Amplitude, die durch xb
i
Dx(t) e S[x](b,a)
K(b, a) = xa
gegeben ist, wobei wir die Abk¨ urzung x(t b )=xb
xb Dx(t) ≡
Dx(t) x(ta )=xa
xa
eingef¨ uhrt haben. F¨ ur den Fall, dass das St¨ orpotential nur eine Funktion des Ortes und der Zeit, nicht aber des Impulses ist, ist die klassische Wirkung, die der obigen Aufspaltung des Hamilton-Operators entspricht, durch tb dt [L0 (x(t), x(t), ˙ t) − V (x(t), t)]
S[x](b, a) = ta
tb = S0 [x](b, a) −
dt V (x(t), t) ta
gegeben, wobei L0 die zu H0 geh¨orige klassische Lagrange-Funktion ist. Wir setzen voraus, dass der ungest¨orte Propagator xb K0 (b, a) =
i
Dx(t) e S0 [x](b,a)
(24.42)
xa
bekannt ist, d.h. das zugeh¨orige Funktionalintegral berechnet wurde. Des weiteren nehmen wir an, dass die durch das St¨orpotential erzeugte Wirkung klein gegen¨ uber ist: t b dt V (x(t), t) . ta
Wir k¨ onnen dann das Funktionalintegral in eine Taylor-Reihe nach Potenzen des St¨ orpotentials entwickeln: ⎡ ⎛ ⎤ ⎞n n tb tb ∞ i 1 i ⎝ dt V (x(t), t)⎠ . exp ⎣− dt V (x(t), t)⎦ = − n! n=0 ta
ta
24.7 Zeitabh. St¨ orungstheorie im Pfadintegralzugang: Feynman-Diagramme∗
25
Den exakten Propagator K(b, a) erhalten wir dann in Form einer St¨ orentwicklung nach Potenzen der St¨ orung K(b, a) =
Kn (b, a) ,
n
wobei der Term nullter Ordnung durch den freien Propagator Gl. (24.42) gegeben ist. Der Term erster Ordnung im St¨orpotential lautet: xb Dx(t) e
K1 (b, a) =
i S0 [x](b,a)
xa
tb i dtc V (x(tc ), tc ) . − ta
Hierbei ist zu beachten, dass das St¨orpotential von den einzelnen Trajektorien x(t) (zum Zeitpunkt t = tc ) abh¨angt, u ¨ ber die durch das Funktionalintegral summiert wird. Deshalb muss die Funktionalintegration vor der Integration u uhrt werden, ¨ber tc durchgef¨ was wir durch die Schreibweise i K1 (b, a) = −
tb
xb dtc
ta
i
Dx(t) e S0 [x](b,a) V (x(tc ), tc )
xa
andeuten. F¨ ur die nachfolgenden Betrachtungen ist es zweckm¨ aßig, die Trajektorienabh¨ angigkeit aus dem St¨orpotential durch Einf¨ uhrung einer δ-Funktion zu eliminieren: i K1 (b, a) = −
tb
∞ dtc
dxc V (xc , tc ) −∞
ta
xb
i
Dx(t) e S0 [x](b,a) δ(xc − x(tc )) .
(24.43)
xa
¨ Ohne die δ-Funktion w¨are das Funktionalintegral gerade die ungest¨ orte Ubergangsamplitude K0 (b, a). Die δ-Funktion bewirkt, dass nur Trajektorien beitragen, die zum Zeitpunkt t = tc durch den Ort x(tc ) = xc laufen, siehe Abb. 24.3. Unter Benutzung der urspr¨ unglichen Definition des Pfadintegrals auf dem Zeitgitter (siehe Gl. (4.24) mit (4.7)) erkennt man, dass das durch die δ-Funktion eingeschr¨ ankte Funktionalintegral ¨ gerade das Produkt der Ubergangsamplituden f¨ ur die Ausbreitung von a nach c und anschließend von c nach b darstellt, d.h. es gilt: xb xa
i
Dx(t) e S0 [x](b,a) δ(xc − x(tc )) = K0 (b, c)K0 (c, a) .
(24.44)
26
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik x
xc
(a) xb xa t tb
tc
ta
x
K
(b)
xc
) b, c 0(
K
0(
c,
K0 (b, a
a)
xb
)
xa t tb
tc
ta
Abb. 24.3: (a) Illustration der Trajektorien, die in erster Ordnung St¨ orungstheorie zum Propagator beitragen. Die δ-Funktion (24.44) schr¨ ankt das Funktionalintegral auf solche Trajektorien ein, die zum Zeitpunkt t = tc durch den Ort x(tc ) = xc laufen. (b) Grafische Illustration des Propagators in nullter und erster Ordnung St¨ orungstheorie.
Diese Beziehung l¨asst sich als differentielle“ Form des Zerlegungssatzes (4.4) interpre” tieren: Integrieren wir Gl. (24.44) u ¨ ber xc , so liefert die linke Seite: i Dx(t) e S0 [x](b,a) = K0 (b, a) ¨ und wir erhalten den bekannten Zerlegungssatz f¨ ur Ubergangsamplituden: K0 (b, a) = dxc K0 (b, c)K0 (c, a) .
24.7 Zeitabh. St¨ orungstheorie im Pfadintegralzugang: Feynman-Diagramme∗
27
Mit der obigen Beziehung (24.44) finden wir f¨ ur den Propagator in erster Ordnung St¨orungstheorie (24.43):
i K1 (b, a) = −
tb
∞ dtc
dxc K0 (b, c)V (xc , tc )K0 (c, a) .
(24.45)
−∞
ta
Dieses Ergebnis l¨asst sich nat¨ urlich auch in der Operatorformulierung der Quantenmechanik im Schr¨odinger-Bild unter Benutzung des Zusammenhanges (24.18) ableiten. Der Vorteil der Funktionalintegralableitung besteht darin, dass wir mit dem klassischen Potential V (x, t) arbeiten k¨onnen und im Gegensatz zum Operatorformalismus kein Ordnungsproblem erhalten, das dadurch entsteht, dass die St¨ orungen zu verschiedenen Zeiten i.A. nicht miteinander kommutieren. Die hier in der Pfadintegralformulierung gefundene St¨ orentwicklung l¨ asst sich sehr anschaulich grafisch interpretieren, siehe Abb. 24.3: In nullter Ordnung St¨ orungstheorie bewegt sich das Teilchen ohne Einwirkung des Potentials von a nach b (beschrieben durch K0 (b, a)). In erster Ordnung der St¨orung, beschrieben durch K1 (b, a), bewegt sich das Teilchen nach Gl. (24.45) zun¨achst ungest¨ ort von a nach c (beschrieben durch K0 (c, a)), wird dort einmal am Potential V (c) = V (xc , tc ) gestreut und bewegt sich dann ungest¨ ort von c nach b (beschrieben durch K0 (b, c)), wobei u ¨ ber alle Zwischenpunkte c, die in der Reichweite des Potentials liegen, (f¨ ur die also das Potential nicht verschwindet) summiert wird. Im Allgemeinen wird das Potential V (x, t) ein r¨ aumlich lokalisiertes zeitunabh¨angiges Potential sein, so dass nur die r¨ aumliche Reichweite des Potentials eingeschr¨ankt ist. Zur Berechnung des Terms n-ter Ordnung benutzen wir die Identit¨ at7 ⎛ 1 ⎝ n!
tb
⎞n dt V (x(t), t)⎠
ta
tb =
tn dtn V (xn , tn )
ta
t2 dtn−1 V (xn−1 , tn−1 ) . . .
ta
dt1 V (x1 , t1 ) ,
(24.46)
ta
wobei wir die Abk¨ urzung x(tk ) = xk benutzt haben. Es sei darauf hingewiesen, dass wir hier mit keinem Ordnungsproblem konfrontiert sind, da wir es hier mit den klassischen Potentialen V (x, t) zu tun haben. Unter Benutzung der obigen Identit¨ at l¨ asst sich durch
7 Gleichung (24.46) ist ein Spezialfall der Identit¨ at (24.41) f¨ ur klassische (kommutierende) Potentiale, f¨ ur welche sich das zeitgeordnete Produkt auf das gew¨ ohnliche reduziert.
28
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
analoges Vorgehen wie beim Propagator erster Ordnung K1 (b, a) f¨ ur die Korrektur n-ter Ordnung zum Propagator der folgende Ausdruck ableiten: Kn (b, a) n i = − dcn . . . dc1 K0 (b, cn )V (cn )K0 (cn , cn−1 )V (cn−1 ) . . . V (c1 )K0 (c1 , a) , wobei tk+1
dck :=
∞
dtk ta
dxk ,
k = 1, . . . , n .
−∞
Die Zeitintegration ist nach (24.46) auf tb ≡ tn+1 ≥ tn ≥ tn−1 ≥ · · · ≥ t2 ≥ t1 ≥ ta beschr¨ ankt. Analog zu K1 (b, a) l¨asst sich auch dieser Term als n-fach-Streuung interpretieren. Damit erhalten wir f¨ ur den Propagator die Reihenentwicklung i K(b, a) = K0 (b, a) − dc K0 (b, c)V (c)K0 (c, a) 2 i dc2 dc1 K0 (b, c2 )V (c2 )K0 (c2 , c1 )V (c1 )K0 (c1 , a) + − (24.47) + ... .
Diese Reihe ist ¨aquivalent zu der fr¨ uher gefundenen St¨ orreihenentwicklung des Zeitentwicklungsoperators (Neumann-Reihe, siehe Gl. (24.37)) und l¨ asst sich grafisch als Vielfachstreuentwicklung im oben angegebenen Sinne interpretieren, siehe Abb. 24.4 Dabei hat es sich eingeb¨ urgert, nur die Zeitkoordinaten des Propagators anzugeben, von der Ortskoordinate aber zu abstrahieren. Eine d¨ unne Linie repr¨ asentiert den ungest¨ orten Propagator, eine dicke Linie den exakten (gest¨ orten) Propagator. Das St¨ orpotential ist durch eine Wellenlinie mit einem Stern dargestellt (siehe Abb. 24.5), an die zwei (Propagator-)Linien angreifen. Die bei der grafischen Darstellung der St¨ orreihe (24.47) entstehenden Bilder werden als Feynman-Graphen oder Feynman-Diagramme bezeichnet. (R. Feynman war der erste, der auf diese Weise die St¨ orreihe grafisch illustrierte.) Die St¨ orreihe (24.47) l¨asst sich formal zu der folgenden Integralgleichung f¨ ur den exakten Propagator aufsummieren:
K(b, a) = K0 (b, a) −
i
dc K0 (b, c)V (c)K(c, a) ,
(24.48)
24.7 Zeitabh. St¨ orungstheorie im Pfadintegralzugang: Feynman-Diagramme∗
29
x
(a)
xb
xa
t tb
ta
tb
ta
(b)
t Abb. 24.4: Diagrammatische Darstellung der St¨ orreihenentwicklung (24.47) des Propagators. Dargestellt ist der Term f¨ unfter Ordnung. (a) Schematische Darstellung als Mehrfachstreuung des Teilchens am St¨ orpotential V , dessen Wirkungsgebiet durch offene Kreise illustriert ist. Durch Projektion dieser Darstellung auf die Zeitachse entsteht die Feynman-diagrammatische Darstellung der Abbildung (b).
die als Dyson-Gleichung bezeichnet wird und die in Abb. 24.4(b) gegebene grafische Darstellung besitzt. Durch Iteration dieser Gleichung erzeugt man in der Tat sofort die gesamte St¨ orreihe (24.47). Dies l¨asst sich unmittelbar an der Feynman-diagrammatischen Darstellung ablesen.
Bemerkung: Gl. (24.48) ist nichts weiter als die Ortsdarstellung der Integralgleichung (24.34) f¨ ur den Zeitentwicklungsoperator. Mit der Definition des Wechselwirkungsbildes (24.31) und (24.26) lautet Gl. (24.34)
30
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
U0† (t, t0 )U (t, t0 )
i = ˆ1 −
t
dt U0† (t , t0 )V (t )U0 (t , t0 )U0† (t , t0 )U (t , t0 ) .
t0
Multiplizieren wir diese Gleichung mit U0 (t, t0 ) und benutzen die Unitarit¨ at dieses Operators sowie Gl. (24.4), so folgt i U (t, t0 ) = U0 (t, t0 ) −
t
dt U0 (t, t )V (t )U (t , t0 ) .
t0
Schreiben wir diese Gleichung in der Ortsdarstellung auf und setzen rechts und links von V (t) den Einheitsoperator in der Ortsdarstellung 1 = dx|xx| ein und beachten, dass x|V (t)|x = δ(x − x )V (x, t) , so erhalten wir i xb |U (t, t0 )|xa = xb |U0 (t, t0 )|xa −
t
dt
dxc xa |U0 (t, t )|xc
t0
× V (xc , t )xc |U (t , t0 )|xa . Mit (24.18) folgt hieraus die Dyson-Gleichung (24.48).
Die oben im Rahmen des Funktionalintegralzuganges entwickelte grafische St¨ orungstheorie l¨ asst sich direkt auf kompliziertere Systeme verallgemeinern. Sie bildet die Grundlage der Feynman-diagrammatischen St¨ orentwicklungen in der Quantenfeldtheorie sowie in der Thermodynamik von Vielteilchensystemen.
24.8
Die Green’sche Funktion der Schr¨odinger-Gleichung
Green’sche Funktionen erlauben es sehr bequem, die L¨ osungen von linearen, inhomogenen Differentialgleichungen darzustellen. Im Folgenden betrachten wir die Green’sche Funktion der Schr¨odinger-Gleichung die wir bei der Entwicklung der Streutheorie ben¨ otigen.
24.8 Die Green’sche Funktion der Schr¨odinger-Gleichung
31
K0 − i V (c)
K (a)
(b)
(c) Abb. 24.5: (a) Basiselemente der Feynman-Diagramme f¨ ur eine Punktmasse in einem Potenorentwicklung (24.47) tial V (c) ≡ V (xc , tc ). Feynman-diagrammatische Darstellung (b) der St¨ und (c) der Dyson-Gleichung (24.48) des quantenmechanischen Propagators einer Punktmasse.
24.8.1
Die volle Green’sche Funktion
Aus mathematischer Sicht ist die zeitabh¨angige Schr¨ odinger-Gleichung d i − H ψ(t) = 0 dt eine homogene Differentialgleichung erster Ordnung. Die zugeh¨ orige Green’sche Funkormigen Inhomogenit¨ at tion G(t, t ) ist als L¨osung der Differentialgleichung mit einer δ-f¨ d i − H G(t, t ) = δ(t − t ) dt
(24.49)
definiert. Beachten wir, dass der Zeitentwicklungsoperator U (t, t ) der homogenen Gleichung d i − H U (t, t ) = ˆ0 dt gen¨ ugt, so lautet die allgemeine L¨osung der inhomogenen Gleichung (24.49) G(t, t ) =
1 [−i(1 − α)Θ(t − t ) + iαΘ(t − t)] U (t, t ) ,
(24.50)
32
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
wobei α ein beliebiger (reeller) Parameter ist, der durch die Randbedingungen an die Green’sche Funktion fixiert wird. F¨ ur die in Kapitel 26 zu entwickelnde Streutheorie sind zwei Spezialf¨alle der Green’schen Funktion relevant: 1) α = 0: Dies liefert die retardierte oder kausale Green’sche Funktion i G(+) (t, t ) = − Θ(t − t )U (t, t ) , welche nur f¨ ur t > t von Null verschieden ist. Sie beschreibt die Evolution des Quantensystems in positiver Zeitrichtung. 2) α = 1: Dies liefert die avancierte oder akausale Green’sche Funktion G(−) (t, t ) =
i Θ(t − t)U (t, t ) ,
welche nur f¨ ur t < t von Null verschieden ist und die die Zeitentwicklung in die negative Zeitrichtung, d.h. von der Gegenwart in die Vergangenheit, beschreibt.
F¨ ur zeitunabh¨ angige Hamilton-Operatoren kann wegen der Homogenit¨ at der Zeit8 die Green’sche Funktion G(t, t ) nur von der Zeitdifferenz abh¨ angen: G(t, t ) = G(t − t ) , was auch unmittelbar aus der expliziten Darstellung (24.50) ersichtlich ist, wenn man beachtet, dass f¨ ur zeitunabh¨angige Hamilton-Operatoren der Zeitentwicklungsoperator durch
i
U (t, t ) = e− H(t−t ) gegeben ist. Es empfiehlt sich dann, eine Fourier-Transformation der Green’sche Funktion bez¨ uglich der Zeit vorzunehmen: ∞
i
dτ e τ E G(τ ) .
G(E) = −∞
Unter Benutzung der Fourier-Darstellung der Θ-Funktion (siehe Gl. (A.21) in Anhang A) ∞ Θ(±τ ) = ± lim
ε¯→0 −∞
dω eiωτ = ± lim ε→0 2πi ω ∓ i¯ ε
∞
−∞
dω eiωτ , 2πi ω ∓ iε
ε = ¯ ε
(24.51)
8 Homogenit¨ at der Zeit bedeutet, dass die physikalischen Gesetze invariant unter Zeittranslationen sind.
24.8 Die Green’sche Funktion der Schr¨odinger-Gleichung
33
erhalten wir9 mit τ := t − t : (±)
G
∞ (E)
−i
=
∞ dτ
−∞ ∞
(A.17)
dω
δ(ω + E − H) r ω ∓ iε
dE
δ(E + E − H) , E ∓ iε
−
=
−∞
−∞
∞ −
=
−∞
i
dω e τ (ω+E−H) 2πi ω ∓ iε
bzw. nach Ausf¨ uhren der verbleibenden Integration: G(±) (E) =
1 := (E − H ± iε)−1 . E − H ± iε
(24.52)
Diese Darstellung der Green’schen Funktion, die auch als Resolvente des Operators H bezeichnet wird, werden wir des ¨ofteren, insbesondere bei der Entwicklung der Streutheorie benutzen. Die normierten Eigenfunktionen des Hamilton-Operators H, H|n = En |n , bilden ein vollst¨ andiges Orthonormalsystem: ˆ1 = |nn| . n|m = δnm , n
Multiplizieren wir die Green’sche Funktion von rechts und links mit der Vollst¨ andigkeitsrelation und benutzen die Eigenwertgleichung und Orthonormiertheit der Eigenfunktionen, so erhalten wir die Spektraldarstellung G(±) (E) =
n
|n
1 n| , E − En ± iε
oder im Ortsraum mit x|n = ϕn (x): G(±) (x, x ; E) ≡ x|G(±) (E)|x =
n
ϕn (x)
1 ϕ∗ (x ) . E − En ± iε n
9 Im Folgenden werden wir nicht immer den Limes ε → 0 explizit angeben, aber stets voraussetzen, dass er zu nehmen ist. Ferner werden wir in den formalen Manipulationen f¨ ur const·ε mit const > 0 gew¨ ohnlich nur ε schreiben. In dieser Notation ist es nicht notwendig, zwischen ε und ε¯ zu unterscheiden, wie explizit in Gl. (24.51) getan.
34
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik
24.8.2
Die Green’sche Funktion des freien Teilchens
Die Green’sche Funktion des freien Teilchens (±)
G0 (E) =
1 , E − H0 ± iε
H0 =
pˆ2 , 2m
(24.53)
nimmt eine besonders einfache Form in der Impulsdarstellung an: (±)
(±)
G0 (k, k ; E) ≡ k|G0 (E)|k =
1 k|k , E − Ek ± iε
(24.54)
wobei Ek =
(k)2 . 2m
(24.55)
F¨ ur viele Anwendungen ist es bequem, die Green’sche Funktion in der Ortsdarstellung zu benutzen. Die Ortsraumdarstellung der (retardierten) Green’schen Funktion (+)
(+)
G0 (x, x ; E) = x|G0 (E)|x l¨ asst sich aus ihrer Impulsraumdarstellung (24.54) durch Einf¨ ugen der Vollst¨ andigkeitsrelation (11.60) d3 k ˆ |kk| (24.56) 1= (2π)3 gewinnen. Mit k|k = (2π)3 δ(k − k )
x|k = eikx , erhalten wir:
d3 k d3 k (+) x|kk|G0 (E)|k k |x (2π)3 (2π)3 1 d3 k ik·(x−x ) . e = 3 (2π) E − Ek + iε
(+)
G0 (x, x ; E) =
Das verbleibende Impulsintegral l¨asst sich elementar ausf¨ uhren. Dazu gehen wir zu Kugelkoordinaten (k, ϑ, ϕ) im Impulsraum u ¨ ber und legen die Polarachse (ϑ = 0) in Richtung von x − x =: R und erhalten mit R = |R|: (+) G0 (x, x ; E)
=
1 2π
3
2π lim
ε→0+
π dϕ
0
∞ dϑ sin ϑ
0
0
dk k 2
eikR cos ϑ . E − Ek + iε
24.8 Die Green’sche Funktion der Schr¨odinger-Gleichung
R
35
k ϑ
Das ϕ-Integral ist trivial. Das ϑ-Integral liefert mit der Substitution z = cos ϑ: 1 dz eikRz = −1
eikR − e−ikR . ikR
F¨ ur die Green’schen Funktionen finden wir damit: ⎡∞ ⎤ 2 ∞ ikR −ikR 1 e e 1 ⎣ (+) ⎦ . dk k − dk k G0 (x, x ; E) = 2π iR E − Ek + iε E − Ek + iε 0
0
Nehmen wir ferner im zweiten Integral eine Umbenennung der Integrationsvariable k → (−k) vor, so erhalten wir schließlich f¨ ur die Green’sche Funktion: (+)
G0 (x, x ; E) =
1 2π
2
1 iR
∞ dk k −∞
eikR . E − Ek + iε
(24.57)
Das verbleibende k-Integral l¨asst sich mit Hilfe der Residuentheorie in der komplexen Ebene auswerten. Wegen R > 0 k¨onnen wir den Integrationsweg in der oberen komplexen Halbebene schließen,
∞ dk
−→
dk ,
−∞
denn der Beitrag vom Integral u ur ¨ ber den Halbkreis verschwindet, da der Integrand f¨ k → ∞ auf dem Halbkreis verschwindet, siehe Abb. 24.6(a). Die Pole der freien Green’schen Funktion liegen bei: √ 2mE ≡ k0 (E) . k0 = k = ±(k0 + iε) , Durch Partialbruchzerlegung 2m 1 1 ≡ 2 2 E − Ek + iε k0 − k 2 + iε 1 1 2m 1 − = 2 2k k0 + iε − k k0 + iε + k
(24.58)
36
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik Im{k}
(a) k0 + iε −k0
× Re{k}
×
k0
−k0 − iε Im{k}
(b) −k0 + iε × Re{k} × k0 − iε Abb. 24.6: Integrationsweg in der komplexen k-Ebene f¨ ur die Berechnung der Green’schen (±) (+) (−) ur G0 und (b) f¨ ur G0 an. Funktionen G0 . Die Kreuze (×) geben die Lage der Pole (a) f¨
erhalten wir: dk k
m eikR = 2 E − Ek + iε
dk
eikR eikR − k0 + iε − k k0 + iε + k
.
(24.59)
Die verbleibenden Integrale werten wir mit Hilfe der Residuentheorie (Cauchy’sche Integralformel als Anwendung des Residuensatzes) aus,
24.8 Die Green’sche Funktion der Schr¨odinger-Gleichung
37
dz f (z) = 2πif (z0 ) , z − z0
C
wobei z0 ein Punkt der komplexen Ebene im Inneren der geschlossenen Kurve C und f eine im eingeschlossenen Gebiet holomorphe Funktion ist. Es tr¨ agt nur der Pol oberhalb der reellen Achse (d.h. lediglich der erste Summand in (24.59)) zum Integral bei und (+) ur G0 (24.57): wir erhalten schließlich mit R = |x − x | f¨
(+)
G0 (x, x ; E) = −
m eik0 (E)|x−x | , 2π2 |x − x |
wobei k0 (E) in (24.58) definiert ist. F¨ ur E = Ek (24.55) haben wir k0 (Ek ) = k und wir erhalten folglich: (+) G0 (x, x ; Ek )
m eik|x−x | , =− 2π2 |x − x |
Ek =
(k)2 . 2m
(24.60)
Die retardierte Green’sche Funktion stellt folglich eine auslaufende Kugelwelle dar. In großen Entfernungen sieht die Kugelwelle lokal wie eine ebene Welle aus. Durch analoge Rechnungen findet man die avancierte Green’sche Funktion. Die freie (−) avancierte Green’sche Funktion G0 (E) unterscheidet sich (im Impulsraum) von der (+) ampfungsgliedes iε, das die akausalen retardierten G0 (E) nur im Vorzeichen des D¨ Randbedingungen festlegt (siehe Gl. (24.53)). Ersetzen von iε durch (−iε) in Gl. (24.57) liefert folglich: (−)
G0 (x, x ; E) =
1 2π
2
1 iR
∞ dk k −∞
eikR . E − Ek − iε
Dieses Integral l¨ asst sich wieder durch Schließen des Integrationsweges im Komplexen (siehe Abb. 24.6(b)) mittels Residuentheorie berechnen, wobei die Pole jetzt bei (vgl. Gl. (24.58)) √ 2mE ≡ k0 (E) k0 = k = ±(k0 − iε) , liegen. Wir erhalten dann f¨ ur die freie avancierte Green’sche Funktion eine einlaufende Kugelwelle: (−)
G0 (x, x ; Ek ) = −
2m e−ik|x−x | , 2 4π|x − x |
Ek =
(k)2 . 2m
38
24 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik (±)
Die beiden Green’schen Funktionen G0 des Exponenten. Man beachte, dass (±) G0 (x, x ; Ek
≡ 0) ≡
unterscheiden sich damit nur im Vorzeichen
−x|H0−1 |x
−1 ! 2 = − x − x , 2m
woraus die bekannte Green’sche Funktion des Laplace-Operators Δ folgt x|(−)−1 |x =
1 . 4π|x − x |
25
Zeitabh¨angige Prozesse
Im Folgenden betrachten wir quantenmechanische Systeme, die sich in einem a ¨ußeren zeitabh¨ angigen Feld befinden. Diese Art von Problemstellung tritt bei fast allen Messprozessen in atomaren Systemen auf. Als typisches Beispiel sei ein Atom in einem von außen angelegten elektromagnetischen Feld genannt. Wir interessieren uns f¨ ur den Einfluss des ¨außeren Feldes auf das quantenmechanische System. Das isolierte System werde durch einen (zeitunabh¨ angigen) Hamilton-Operator außere Feld durch ein zeitabh¨angiges Potential V (t) beschrieben. Bei AbwesenH0 , das ¨ heit von ¨ außeren Feldern wird sich das isolierte Quantensystem in seinem Grundzustand befinden. Durch Einschalten des ¨außeren Feldes kann Energie in das Quantensystem gepumpt werden und dieses aus dem Grundzustand in energetisch h¨ oher liegende Eigenzust¨ ande von H0 angeregt werden. Ziel unserer Untersuchungen wird es sein, die Wahrscheinlichkeit f¨ ur diese Anregung als Funktion der Zeit zu berechnen.
25.1
¨ Uberg ¨ange infolge einer ¨außeren St¨orung
Wir nehmen an, dass das durch V (t) gest¨orte System so pr¨ apariert ist, dass es sich zur Zeit t = t0 in einem Eigenzustand |m des ungest¨ orten Hamilton-Operators H0 befindet: H0 |m = Em |m . Bei Abwesenheit der St¨orung w¨ urde sich dieser Zustand in der Zeit wie |m, t := U0 (t, t0 )|m i
= e− Em (t−t0 ) |m
(25.1)
orung V (t) ist jedoch zu entwickeln, wobei offenbar |m, t0 = |m gilt. Wegen der St¨ einem sp¨ ateren Zeitpunkt t > t0 das System i.A. nicht mehr im Zustand |m, t, sondern die Wellenfunktion des Systems (im Schr¨odinger-Bild) ist durch (vgl. Gl. (24.1)) |ψm (t) = U (t, t0 )|m, t0 ¨ gegeben und stellt eine Uberlagerung der zeitabh¨ angigen Zust¨ ande (25.1) |n, t dar, Cnm (t)|n, t , |ψm (t) = n
die wegen der Unitarit¨at von U0 eine vollst¨andige orthonormale Basis bilden: m, t|n, t = m|n = δmn .
40
25 Zeitabh¨ angige Prozesse
Wir fragen nach der Wahrscheinlichkeit, mit der das System unter dem Einfluss der St¨ orung V (t) nach der Zeit t − t0 aus dem Zustand |m, t0 in den Zustand |n, t u ¨ bergegangen ist. F¨ ur diesen Prozess ist die Wahrscheinlichkeitsamplitude durch Cnm (t) = n, t|ψm (t) = n, t0 |U0 (t0 , t)U (t, t0 )|m, t0 = n|UW (t, t0 )|m
(25.2)
gegeben. Sie enth¨alt allein den Wechselwirkungsanteil des Zeitentwicklungsoperators orten zeitunabh¨ angigen UW (t, t0 ) und ist durch dessen Matrixelement in den ungest¨ Zust¨ anden |m gegeben. Das Wechselwirkungsbild ist damit die geeignete Darstellung, um den Einfluss einer ¨außeren St¨orung zu beschreiben. ¨ ¨ Aus der Ubergangsamplitude finden wir die Ubergangswahrscheinlichkeit wm→n (t) = |Cnm (t)|2 = |n|UW (t, t0 )|m|2 .
(25.3)
¨ ¨ ¨ Aus der Ubergangswahrscheinlichkeit erh¨alt man die Ubergangsrate (Ubergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit)
Γm→n (t) =
dwm→n (t) . dt
(25.4)
¨ Es ist diese Ubergangsrate, die in den meisten Experimenten direkt gemessen wird, ¨ w¨ ahrend die Ubergangswahrscheinlichkeit erst durch Integration (Summation) der ge¨ messenen Ubergangsraten u ¨ber ein endliches Zeitintervall erhalten wird.
25.2
¨ St¨orreihe fu¨r die Ubergangsamplitude
Setzen wir die in Abschnitt 24.5 gewonnene St¨ orreihe f¨ ur den Zeitentwicklungsoperator ¨ im Wechselwirkungsbild UW (t, t0 ) in den Ausdruck f¨ ur die Ubergangsamplitude Gl. (25.2) ein, so erhalten wir f¨ ur die letztere ebenfalls eine St¨ orreihenentwicklung, welche die Gestalt Cnm (t) = n|UW (t, t0 )|m (0) (1) (2) = Cnm (t) + Cnm (t) + Cnm (t) + . . . =
∞
(k) Cnm (t) ,
k=0 (k) (t) Cnm (k)
=
(k) n|UW (t, t0 )|m
besitzt, wobei UW (t, t0 ) den k-ten Term (24.37) der Neumann-Reihe f¨ ur UW (t, t0 ) bezeichnet. Im Folgenden wollen wir die einzelnen Terme dieser St¨ orreihe etwas genauer
¨ 25.2 St¨ orreihe f¨ ur die Ubergangsamplitude
41
untersuchen. Der Term nullter Ordnung ist durch (0) Cnm (t) = n|m = δnm
gegeben. In dieser Ordnung, in der der Effekt der St¨ orung v¨ ollig vernachl¨ assigt wird, ¨ gibt es keine Uberg¨ ange, da die Eigenzust¨ande des ungest¨ orten Hamilton-Operators orthogonal sind. F¨ ur die Koeffizienten erster Ordnung finden wir: (1) (t) Cnm
i =− i =− i =−
t
dt n|VW (t )|m
t0
t
dt n|U0 (t0 , t )V (t )U0 (t , t0 )|m
t0
t
dt eiωnm (t −t0 ) Vnm (t ) .
(25.5)
t0
¨ Hierbei haben wir die Ubergangsfrequenz ωnm =
En − Em ,
sowie die abk¨ urzende Schreibweise Vnm (t) = n|V (t)|m ¨ f¨ ur das Ubergangsmatrixelement eingef¨ uhrt. In dieser Ordnung gibt es offenbar nur ¨ dann eine von Null verschiedene Ubergangswahrscheinlichkeit zwischen den a ¨ußeren Zust¨ anden |m und |n, wenn das St¨orpotential ein von Null verschiedenes Matrixelement zwischen diesen beiden Zust¨anden besitzt. Die St¨ orung induziert in diesem Falle ¨ einen direkten Ubergang zwischen den beiden betrachteten Zust¨ anden. Falls das direkte Matrixelement des St¨orpotentials zwischen den betrachteten Zust¨ anden ¨ verschwindet, sind dennoch indirekte Uberg¨ ange m¨ oglich, die durch die Koeffizienten h¨oherer Ordnung beschrieben werden. F¨ ur den Koeffizienten zweiter Ordnung erhalten wir nach Einsetzen der Vollst¨andigkeitsrelation (11.48): (2) (t) Cnm
2 t t1 i = − dt1 dt2 n|VW (t1 )|kk|VW (t2 )|m =
2 i −
t0
t0
t
t1 dt1
t0
k
dt2 t0
eiωnk (t1 −t0 )+iωkm (t2 −t0 ) Vnk (t1 )Vkm (t2 ) .
k
¨ Diese Ordnung der St¨orungstheorie beschreibt den Ubergang aus dem Zustand |m in ¨ den Zustand |n u ¨ ber einen Zwischenzustand |k. Im Gegensatz zu dem direkten Ubergangsprozess, der durch die erste Ordnung St¨orungstheorie beschrieben wird, werden
42
25 Zeitabh¨ angige Prozesse m
m
m
k
m
n
n
n k
(a)
(b)
(c)
(d)
¨ Abb. 25.1: Illustration der durch die St¨ orung induzierten Uberg¨ ange zwischen den ungest¨ orten ¨ zwischen verschiedenen Zust¨ anden |n und |m = |n Zust¨ anden von H0 . (a) Kein Ubergang ¨ in nullter Ordnung, (b) direkter Ubergang zwischen den Zust¨ anden |m und |n, der in erster Ordnung St¨ orungstheorie beschrieben wird. (c) und (d) zeigen die Prozesse zweiter bzw. dritter ¨ Ordnung, bei denen sich der Ubergang uber einen bzw. zwei Zwischenzust¨ ande vollzieht. ¨
¨ solche Prozesse als indirekte Uberg¨ ange bezeichnet. Ganz allgemein beschreibt die k-te ¨ Ordnung St¨ orungstheorie Prozesse, bei denen der Ubergang aus dem Zustand |m in den Zustand |n u auft. Diese Tatsache ist qualitativ ¨ ber (k − 1) Zwischenzust¨ande verl¨ in Abb. 25.1 f¨ ur die Prozesse nullter, erster, zweiter und dritter Ordnung dargestellt. ¨ Die gesuchte Ubergangswahrscheinlichkeit (25.3) erhalten wir schließlich durch koh¨ aren¨ te Summation der St¨orbeitr¨age zu den Ubergangsamplituden: 2 (0) (1) (2) wm→n = Cnm + Cnm + Cnm + ... . Dabei kann es zu Interferenzph¨anomenen zwischen den einzelnen Ordnungen der St¨ orungstheorie kommen. Abschließend sei bemerkt, dass die oben berechnete Gr¨ oße Cmn (t) die Wahrscheinlich¨ keitsamplitude f¨ ur den Ubergang zwischen den ungest¨orten Zust¨ anden |m und |n von angiH0 angibt. Zwischen den exakten Eigenzust¨anden von H = H0 + V (mit zeitunabh¨ ¨ gem V ) gibt es nat¨ urlich ohne zus¨atzliche ¨außere St¨ orung keine Uberg¨ ange.
25.3
Fermis Goldene Regel
25.3.1
Zeitlich begrenzte St¨orung
Im Folgenden nehmen wir an, dass die a¨ußere St¨ orung V (t) klein genug ist, so dass ¨ St¨ orungstheorie erster Ordnung ausreichend ist. Die Ubergangswahrscheinlichkeit (25.3) ist dann f¨ ur m = n mit (25.5) durch 2 t 1 iωnm (t −t0 ) Vnm (t ) (25.6) wm→n (t) = 2 dt e t0
25.3 Fermis Goldene Regel
43
gegeben. G¨ ultigkeit dieser Formel setzt voraus, dass entweder der Betrag von Vnm (t) oder die Zeitdauer, u außere St¨ orung V (t) = 0 bleibt ¨ ber die V (t) wirkt, klein sind. Ohne ¨ das System nat¨ urlich unendlich lange in dem urspr¨ unglichen station¨ aren Eigenzustand1 |m. Bei den meisten praktischen Anwendungen haben wir es mit einer zeitlich begrenzten St¨orung zu tun, d.h. die St¨orung wird zu einem Zeitpunkt t = t0 eingeschaltet, wirkt u ur t > t0 + τ , siehe Abb. ¨ ber eine endliche Zeitdauer τ und verschwindet wieder f¨ 25.2. Bei Ein- und Ausschalten der St¨orung ¨andert diese sich zwar abrupt, aber stetig. Bez¨ uglich der Zeit t k¨onnen wir drei F¨alle unterscheiden: 1) t < t0 : ¨ In diesem Falle wirkt keine St¨orung und die Ubergangswahrscheinlichkeit verschwindet. 2) t0 < t < t0 + τ : ¨ Dies ist der interessanteste Fall, da hier die Ubergangswahrscheinlichkeit zeitabh¨ angig ist, d.h. von dem aktuellen Wert von t abh¨ angt. 3) t > t0 + τ : ¨ andert sich die UbergangsDa die St¨ orung f¨ ur Zeiten t > t0 + τ verschwindet, ¨ wahrscheinlichkeit wm→n (t) f¨ ur diese Zeiten nicht mehr. ¨ Das in dem Ausdruck (25.6) f¨ ur die Ubergangswahrscheinlichkeit auftretende Zeitinteur t > t0 + τ auf gral reduziert sich wegen Vnm (t) = 0 f¨ t 0 +τ
dt eiωnm t Vnm (t ) =: Vnm (ωnm )
t0
¨ und definiert eine Funktion der Ubergangsfrequenz ωnm . Die konstante Phase e−iωnm t0 f¨allt bei der Betragsbildung heraus. Im vorliegenden Fall k¨ onnen wir wegen des Verschwindens der St¨orung f¨ ur t < t0 und t > t0 + τ die untere bzw. obere Integrationsgrenze nach −∞ bzw. +∞ verschieben. Die Frequenzfunktion V (ωnm ) ist dann gerade die Fourier-Transformierte der zeitabh¨angigen St¨ orung. Mittels der Fourier-Transfor¨ mierten l¨ asst sich der Ausdruck f¨ ur die Ubergangswahrscheinlichkeit in erster Ordnung St¨orungstheorie zu 1 |Vnm (ωnm )|2 2 vereinfachen. In dieser Ordnung gibt es demnach zwischen zwei Zust¨ anden m und n nur ¨ dann einen Ubergang, wenn die Energiedifferenz (1) = wm→n
En − Em im Fourier-Spektrum der St¨orung enthalten ist, d.h. wenn Vnm (ωnm ) = 0. Die ¨ Uberg¨ ange haben also in dieser Ordnung Resonanzcharakter. ωnm =
1 Dies gilt zumindest im Rahmen der nichtrelativistischen Quantenmechanik. Wie jedoch in der Quantenfeldtheorie erkl¨ art wird, gibt es immer St¨ orungen (Quantenfluktuationen des Vakuums), die das System aus einem angeregten Zustand in den Grundzustand u ¨bergehen lassen (spontane Emission).
44
25 Zeitabh¨ angige Prozesse V (t) (a)
τs
τs
t
V (t) (b)
t0
t0 + τ
t
Abb. 25.2: Zeitverlauf eines (a) realistischen Schaltprozesses und (b) seiner mathematischen Idealisierung (τs → 0).
25.3.2
Instantanes Ein- bzw. Ausschalten der St¨orung
Jeder realistische Ein- bzw. Ausschaltprozess dauert eine endliche Zeit τs , die sogenannte Schaltzeit, und hat den in Abb. 25.2(a) dargestellten qualitativen Verlauf. Die Schaltzeit ist eine Eigenschaft der St¨orung bzw. der Apparatur, mit der die St¨ orung generiert wird, und ist deshalb unabh¨angig von dem zu messenden System, auf das die St¨ orung orten Systems ist die Zeit, welche einwirkt. Die charakteristische Zeitskala τc des ungest¨ ¨ das System ben¨otigt, um einen Ubergang zwischen den (ungest¨ orten) Eigenzust¨ anden ¨ zu vollziehen. F¨ ur Uberg¨ange zwischen Zust¨anden mit Energieunterschied ΔE = ωnm = En − Em ist nach der Unsch¨arferelation (12.17) die charakteristische Zeit τc durch τc
1 = ΔE ωnm
(25.7)
uber der gegeben. In vielen praktischen Anwendungen ist die Schaltzeit τs klein gegen¨ onnen die mathematische charakteristischen Zeit τc des untersuchten Systems und wir k¨ Idealisierung τs → 0 vornehmen. Der Zeitverlauf der St¨ orung eines solchen idealisierten Schaltprozesses ist in Abb. 25.2(b) dargestellt und besitzt die Form: V (x, t) = V (x)Θ(t − t0 )Θ(t0 + τ − t) .
(25.8)
Die St¨ orung wird hier instantan eingeschaltet, ist u ¨ ber eine Periode τ zeitlich konstant und wird danach wieder instantan abgeschaltet. Diese mathematische Idealisierung ist
25.3 Fermis Goldene Regel
45
sehr gut realisiert, wenn St¨orung und gest¨ortes Systeme zwei sehr verschiedene Zeitskalen besitzen. Als Beispiel sei hier der α-Zerfall erw¨ ahnt. Ein Atomkern emittiert ein α-Teilchen (4 He-Kern), was die Kernladungszahl um zwei verringert und somit die Elektronenh¨ ulle st¨ort. Die Elektronen m¨ ussen sich an die neue Kernladungszahl (d.h. an das damit verkn¨ upfte Coulomb-Potential) anpassen. Die dazu notwendige charakteristische Zeit ist sehr viel gr¨oßer als die Dauer des α-Zerfalls. In der Tat sind die Anregungsenergien eines Nukleons im Atomkern von der Ordnung MeV, w¨ ahrend die Anregungsenergien eines Elektrons in der Atomh¨ ulle im eV-Bereich liegen. Demzufolge laufen in einem Atom die Kernprozesse in Zeiten von der Ordnung τK
200 fm 10−21 s 1 MeV c
ab, w¨ ahrend die charakteristische Zeit f¨ ur atomare Prozesse, d.h. f¨ ur die Elektronenbewegung in der H¨ ulle, von der Ordnung τA
10−15 s 1 eV
ist. Beim α-Zerfall ist die Schaltzeit τs = τK also sechs Gr¨ oßenordnungen kleiner als die aherung als eine charakteristische Zeit τc = τA , so dass dieser Prozess in sehr guter N¨ instantane St¨ orung der Elektronenh¨ ulle betrachtet werden kann. ¨ Wie bereits oben allgemein festgestellt wurde, bleibt die Ubergangswahrscheinlichkeit nach Abschalten der St¨orung zeitlich konstant. Wir beschr¨ anken uns deshalb auf eine Zeit t, zu der die St¨orung von Null verschieden ist: t 0 < t < t0 + τ . Ohne Beschr¨ ankung der Allgemeinheit k¨onnen wir den Anfangszeitpunkt t0 = 0 setzen. ¨ Die durch die St¨ orung (25.8) hervorgerufene Ubergangswahrscheinlichkeit ist in erster Ordnung St¨ orungstheorie nach (25.6) mit t0 = 0, t > 0 durch 2 t 1 wm→n (t) = 2 dt eiωnm t Vnm (t ) 0 t 2 1 2 iωnm t = 2 |Vnm | dt Θ(τ − t )e 0
" # 1 = 2 |Vnm |2 Θ(τ − t)|gt (ωnm )|2 + Θ(t − τ )|gτ (ωnm )|2
(25.9)
gegeben, wobei x)|m Vnm = n|V (ˆ
(25.10)
46
25 Zeitabh¨ angige Prozesse wm→n (t)
|Vnm |2 (¯hωnm /2)2
π/ωnm
3π/ωnm
t
¨ Abb. 25.3: Die Ubergangswahrscheinlichkeit wm→n (t) (25.13) als Funktion der Zeit t.
zeitunabh¨ angig ist (siehe Gl. (25.8)) und wir die Funktion t gt (ω) =
dt eiωt =
0
=
1 iωt (e − 1) iω
sin(ωt) 1 [cos(ωt) − 1] + , iω ω
(25.11)
eingef¨ uhrt haben. F¨ ur ihr Betragsquadrat erhalten wir ft (ω) := |gt (ω)|2 [cos(ωt) − 1]2 + sin2 (ωt) 1 − cos(ωt) =2 ω2 ω2 2 sin (ωt/2) = . (ω/2)2 =
(25.12)
¨ Die Ubergangswahrscheinlichkeit wm→n (t) (25.9) ist f¨ ur 0 < t < τ ωm→n (t) =
2 1 1 2 2 sin (ωnm t/2) |V | f (ω ) = |V | nm t nm nm 2 2 (ωnm /2)2
(25.13)
offensichtlich eine periodische Funktion der Zeit, siehe Abb. 25.3. ¨ Wir wollen jetzt die Abh¨angigkeit der Ubergangswahrscheinlichkeit von der Frequenz ωnm etwas genauer untersuchen. Die Funktion ft (ω) ist in Abb. 25.4 dargestellt. Sie besitzt ein ausgepr¨agtes Maximum bei ω = 0, dessen H¨ ohe durch t2 gegeben ist und dessen Breite proportional zu 1/t ist. Ferner gilt die Beziehung (siehe Anhang A, Gl. (A.8)): lim
t→∞
1 ft (ω) = 2πδ(ω) . t
(25.14)
25.3 Fermis Goldene Regel
47
F¨ ur Argumente |ω| > 2π t erreicht die Funktion ft (ω) nur noch Werte, die sehr klein ge¨ zu gen¨ uber dem Hauptmaximum ft (ω = 0) = t2 sind. Die Ubergangswahrscheinlichkeit einem festen Zeitpunkt t ist deshalb nur wesentlich von Null verschieden f¨ ur Frequenzen der Ordnung |ωnm | ≤
2π . t
Beachten wir, dass ΔE En − Em = orung und dass wegen t0 = 0 unsere Zeit t die Zeitdauer Δt = t0 + t − t0 = t der St¨ ¨ darstellt, so finden wir, dass im Wesentlichen nur Uberg¨ ange stattfinden, f¨ ur die ωnm =
ΔE Δt ·2π gilt. Andererseits gilt wegen der Unsch¨arferelation (12.17): , 2 so dass nach der Zeit Δt = t nur Zust¨ande mit Anregungsenergie ΔE Δt ≥
ΔE
t
angeregt sind.
Bemerkung: Dieses Ergebnis hat eine sehr anschauliche Erkl¨ arung: F¨ ur 0 < t < τ (t0 = 0) hat die oben betrachtete St¨orung (25.8) die Form einer Stufenfunktion. Die Stufenfunktion besitzt beliebig hohe Fourier-Frequenzen (siehe Gl. (A.21)), d.h. durch das pl¨otzliche Einschalten werden zun¨ achst Zust¨ ande mit beliebig großer Anregungsenergie ΔE angeregt. Diese hoch angeregten Zust¨ ande verletzen jedoch sehr stark die Energieerhaltung und regen sich gem¨ aß der ur Unsch¨ arferelation nach der Zeit t ≡ Δt /ΔE = 1/ωmn wieder ab. Das f¨ 0 < t < τ vorliegende konstante St¨orpotential regt f¨ ur große (τ >)t 1/ωmn jedoch praktisch keine Zust¨ande mehr an, da f¨ ur diese Zeiten seine FourierTransformierte nach (25.14) de facto durch δ(ωmn ) gegeben ist. Nach einer Zeit t = Δt nach dem Einschalten sind deshalb nur noch Zust¨ ande mit der oßer die Zeit t = Δt, umso Energie ΔE = |En − Em | /Δt angeregt. Je gr¨ weniger k¨onnen sich deshalb die Energien der durch die St¨ orung angeregten Zust¨ ande von der Energie des Anfangszustandes unterscheiden und f¨ ur sehr große Zeiten t = Δt(< τ ) → ∞ k¨onnen nur Zust¨ ande mit ΔE = 0, d.h. ur kleine Zeiten t hingegen ist die Verteilung ft (ω) breit En = Em u ¨berleben. F¨ ¨ onnen und Uberg¨ ange mit relativ großen Energie¨ anderungen ΔE = ωnm k¨ ¨ stattfinden, in Ubereinstimmung mit der Unsch¨ arferelation.
48
25 Zeitabh¨ angige Prozesse ft(ω) t2
−6π/t −4π/t −2π/t
2π/t
4π/t
6π/t
ω
Abb. 25.4: Die Funktion ft (ω) (25.12).
Ist t groß gegen¨ uber der charakteristischen Zeit τc (25.7), so k¨ onnen wir die f¨ ur t → ∞ g¨ ultige asymptotische Darstellung (25.14) benutzen und die stark lokalisierte Funktion ¨ ur die Ubergangswahrscheinlichkeit (25.13) ft (ω)/2πt durch die δ-Funktion ersetzen. F¨ erhalten wir dann: 2π (25.15) wm→n (t) = t |Vnm |2 δ(En − Em ) . Hierbei haben wir die Beziehung (A.11) δ(ax) =
1 δ(x) |a|
verwendet.2 ¨ F¨ ur große t ist die Ubergangswahrscheinlichkeit (25.15) proportional zur Zeitdauer der ¨ St¨ orung, ein plausibles Ergebnis. Hieraus finden wir f¨ ur die Ubergangswahrscheinlichkeit ¨ pro Zeiteinheit, d.h. die Ubergangsrate, siehe Gl. (25.4): Γm→n =
2π |Vnm |2 δ(En − Em ) .
(25.16)
¨ Diese Ubergangsrate ist unabh¨angig von der Zeit. Wir betonen, dass dieser Ausdruck ¨ (genau wie derjenige f¨ ur die Ubergangswahrscheinlichkeit (25.15)) nur f¨ ur große t gilt. 2 Der N¨ aherungsausdruck (25.15) ist nur f¨ ur En = Em , d.h. ωnm = 0 von Null verschieden. F¨ ur ωn,m → 0 liegt das erste Maximum des exakten Ausdruckes (25.13) wn→m (t) bei t = π/ωnm → ∞ (siehe Abb. 25.4).
25.3 Fermis Goldene Regel
49 k
k
V (x)
Abb. 25.5: Streuung von Elektronen an einem Potential endlicher Reichweite.
¨ Die δ-Funktion δ(En − Em ) dr¨ uckt die Energieerhaltung beim Ubergang |m → |n aus und ist eine Konsequenz des Limes t → ∞. F¨ ur endliche Zeiten t hingegen erhalten wir anstatt der δ-Funktion die Funktion ft (ω)/2πt, die eine endliche Breite besitzt. ¨ Es sind dann auch Uberg¨ ange in Zust¨anden erlaubt, deren Energie sich von der des Anfangszustandes unterscheidet. F¨ ur entartete Systeme mit En = Em ist die obige Formel unmittelbar anwendbar. Sie ist jedoch wenig sinnvoll f¨ ur Energien En , Em aus dem diskreten Spektrum. Bei allen praktisch relevanten Problemen geh¨oren jedoch entweder Anfangs- oder Endzustand oder beide zum kontinuierlichen oder nahezu kontinuierlichen Spektrum des ungest¨ orten Hamilton-Operators3 H0 . Zur Illustration betrachten wir einige Beispiele: 1) Elastische Streuung von Elektronen: Wir betrachten die Streuung von Elektronen an einem lokalisierten Potential endlicher Reichweite, siehe Abb. 25.5. Anfangs- und Endzust¨ ande der Elektronen sind ebene Wellen mit den Wellenzahlen k bzw. k . Bei der elastischen Streuung (einfallendes und gestreutes Teilchen besitzen dieselbe Energie) haben die Wellenvektoren des Anfang- und Endzustandes gleiche L¨ ange, |k| = |k |, besitzen jedoch i.A. verschiedene Richtungen. Bei fest vorgegebenem Anfangsimpuls k kann die Richtung des Impulses der gestreuten Welle k kontinuierlich auf der Kugeloberfl¨ache variieren. Die Endstreuzust¨ ande sind damit entartet. 2) Der α-Zerfall: Der Atomkern zerf¨allt unter Aussendung eines α-Teilchens (4 He-Kern) in einen Kern mit einer um 2 Einheiten geringeren Kernladungszahl (siehe Abb. 25.6). Der Impuls des α-Teilchens ist kontinuierlich verteilt. Wir haben deshalb auch hier ein Kontinuum von Endzust¨anden. Selbst wenn Anfangs- und Endzustand des gest¨ orten Systems in einem diskreten Spektrum liegen, so k¨onnen wir dennoch die einzelnen Zust¨ ande nicht aufl¨ osen, da jede Messapparatur nur ein endliches (begrenztes) Aufl¨ osungsverm¨ ogen besitzt. Wir k¨ onnen 3 Die gemessenen Spektrallinien werden gew¨ ohnlich von bewegten Quellen ausgesandt. (Atome in einem Gas sind in Bewegung.) Durch die Bewegung kommt es zu einer sogenannten DopplerVerschiebung, was zu einer Ausschmierung“ der Spektrallinien f¨ uhrt. Damit wird ein urspr¨ unglich ” diskretes Spektrum quasikontinuierlich.
50
25 Zeitabh¨ angige Prozesse V (r)
p r
Abb. 25.6: Illustration des Potentials, das ein α-Teilchen im Atomkern sp¨ urt. Der kurzreichweitige anziehende Teil wird durch die Starke Wechselwirkung, der abstoßende langreichweitige Teil durch die Coulomb-Wechselwirkung hervorgerufen. Durch das Wechselspiel von Kernkr¨ aften und Coulomb-Wechselwirkung entsteht eine Potentialbarriere, die das α-Teilchen beim Zerfall durchtunnelt.
Em
En
}
¯ ΔE
δE En
Abb. 25.7: Zur Ableitung von Fermi’s Goldenen Regel: Gezeigt ist das Energieaufl¨ osungs¯ der Messapparatur, sowie der Niveauabstand δE im Spektrum des gest¨ verm¨ ogen ΔE orten Systems.
¨ deshalb in einem Messprozess i.A. nur die Uberg¨ ange in eine Gruppe von Endzust¨ anden ¯ liegen, welches das Aufl¨ erfassen, deren Energien in einem Intervall ΔE osungsverm¨ ogen der Messapparatur charakterisiert,4 siehe Abb. 25.7. Wir sind deshalb nur an der Berechnung der Gesamt¨ ubergangsrate aus einem gegebenen Anfangszustand |m in eine ¯ um eine Energie En , Gruppe von Endzust¨anden im Energieintervall ΔE ¯ = Γm (ΔE)
Γm→n ,
¯ En ∈ΔE
¨ aus dem Zustand m in interessiert, wobei Γm→n die oben berechnete Ubergangsrate einen einzelnen Zustand n ist. Zur Ausf¨ uhrung der Summation ist es bequem, die Ni4 Aus konzeptioneller Sicht stellt der Messprozess eine St¨ orung des Systems dar. Wir k¨ onnen deshalb den Messapparat wie eine ¨ außere St¨ orung behandeln.
25.3 Fermis Goldene Regel
51
veaudichte bzw. Zustandsdichte ρ(E) einzuf¨ uhren, welche durch dN (E) = ρ(E) dE ≡
∂N (E) dE ∂E
definiert ist. Sie gibt die Anzahl der Zust¨ande pro Energieintervall an. Mit der Definition der Niveaudichte k¨onnen wir die Summation u ande durch ein Integral ¨ ber die Endzust¨ ¯ ersetzen und erhalten f¨ ¨ u ur die Ubergangsrate: ¨ ber das Energieintervall ΔE ¯ Γm (ΔE) = dN (En ) Γm→n = dEn ρ(En )Γm→n . ¯ ΔE
¯ ΔE
Der Einfachheit halber nehmen wir im Folgenden an, dass die Wechselwirkungsmatrixelemente Vnm in (25.16) f¨ ur alle Zust¨ande mit nahezu gleicher Energie En denselben ¯ haben wir dann das gleiche Wert besitzen. F¨ ur alle Endzust¨ande aus dem Intervall ΔE St¨orungsmatrixelement. F¨ ur die Gesamt¨ ubergangsamplitude erhalten wir damit: 2π ¯ Γm (ΔE) = dEn ρ(En ) δ(En − Em ) , (25.17) |Vnm |2 ¯ ΔE
ur den das Matrixelewobei voraussetzungsgem¨aß der Zustand |n (mit Energie En ), f¨ ¯ liegt. ment Vnm der St¨ orung genommen wird, im betrachteten Energieintervall ΔE Aufgrund der δ-Funktion l¨asst sich nun die Integration u uh¨ ber die Energie explizit ausf¨ ¯ um En liegt, d.h. die singul¨ ren. Falls die Anfangsenergie Em im Intervall ΔE are Stelle der δ-Funktion sich im Integrationsbereich befindet, erhalten wir:
Γm =
2π |Vnm |2 ρ(Em ) .
(25.18)
¨ Dieser Ausdruck f¨ ur die Ubergangsrate wird als Fermis Goldene Regel bezeichnet, er wurde jedoch zuerst von W. Pauli gefunden. Die Gesamt¨ ubergangsrate ist demnach umso gr¨ oßer, je gr¨oßer das Wechselwirkungsmatrixelement der St¨ orung Vnm und die Niveaudichte der Endzust¨ande bei der Energie des Anfangszustandes ist. Fermis Goldene Regel hat vielf¨ altige experimentelle Best¨atigung erfahren. Abschließend wollen wir die Bedingungen f¨ ur die G¨ ultigkeit dieser Formel zusammenstellen. Bei der Ableitung von (25.18) wurden folgende Annahmen gemacht:
1) Instantanes Einschalten: Dazu musste die Einschaltzeit τs sehr viel kleiner als orten Systems: die charakteristische Zeit τc ∼ / (En − Em ) des gest¨ τs τc .
52
25 Zeitabh¨ angige Prozesse
2) Nach dem instantanen Einschalten wirkt die St¨ orung zeitlich konstant u ¨ber ur ein sehr großes Zeitintervall t → ∞. Die Funktion ft (ω)/2πt (25.12) wurde f¨ große Zeiten t durch eine δ-Funktion ersetzt (siehe Gl. (25.14)). F¨ ur endliches t besitzt ft (ω) die Breite 2π/t bzw. in Energieeinheiten 2π/t. Damit diese Funktion durch die δ-Funktion ersetzt werden kann, muss ihre Breite klein ¯ gegen¨ uber dem Aufl¨osungsverm¨ogen der Messapparatur ΔE, d.h. der Brei¯ te ΔE der Energieverteilung der Endzust¨ ande sein, u ¨ ber die wir in (25.17) mitteln, siehe Abb. 25.8. Daher erhalten wir die Bedingung ¯ 2π . ΔE t 3) Die zeitunabh¨angigen Matrixelemente Vnm (25.10) der St¨ orung sind u ¨ber das ¯ energieunabh¨angig. Energieintervall ΔE 4) Damit das Spektrum der Endzust¨ande als Kontinuum betrachtet werden kann und somit die Definition einer Niveaudichte ρ(E) sinnvoll ist, m¨ ussen sehr viele Zust¨ ande des ungest¨orten Systems innerhalb der Breite 2π/t der Verteilung ur den mittleren Energieniveauabstand 5 δE muss gelten: ft (ω) liegen, d.h. f¨ 2π δE , t siehe Abb. 25.8. Der mittlere Energieabstand δE definiert aber u ¨ber ∼ τc δE die charakteristische Zeit τc , so dass t τc gelten muss.
Aus 2) und 4) erhalten wir somit als Bedingung f¨ ur die Anwendbarkeit von Fermis Goldener Regel ¯ 2π δE ΔE t 5 Der
bzw.
2π ¯ t τc . ΔE
mittlere Niveauabstand δE bei der Energie E l¨ asst sich u ¨ber E+δE
dE ρ(E ) = 1
E
definieren.
25.3 Fermis Goldene Regel
53 ft (E/2)
δE − 2π t
En
2π t
E
¯ ΔE
Em Abb. 25.8: Illustration der Bedingungen f¨ ur die Anwendbarkeit von Fermis Goldene Regel, siehe Text.
¯ muss sehr klein gegen¨ Die charakteristische Zeit der Messapparatur 2π/ΔE uber der Zeitdauer der St¨ orung t sein, die wiederum klein gegen¨ uber der charakteristischen Zeit des ungest¨ orten Systems 2π/δE sein muss.
25.3.3
Periodische Sto¨rung
Bei vielen praktischen Anwendungen, insbesondere mit einem ¨ außeren elektromagnetischen Feld, haben wir es h¨aufig mit St¨orungen zu tun, die zur Zeit t = 0 eingeschaltet werden und eine periodische Zeitabh¨angigkeit besitzen. Eine solche St¨ orung k¨ onnen wir nach Fourier-Zerlegung bez¨ uglich der Zeit auf die Form (25.19) V (x, t) = Θ(t) V (x)e−iωt + V † (x)eiωt reduzieren, wobei V (x) ein zeitunabh¨angiger Operator ist, der von der Koordinate des ¨ zu st¨ orenden Systems abh¨angen kann. Die Ubergangsamplitude aus einem Zustand m in einen Zustand n ist in erster Ordnung St¨orungstheorie nach Gl. (25.5) durch (t0 = 0) i Cnm (t) = −
t
dt
$ % ei(ωnm −ω)t n|V |m + ei(ωnm +ω)t n|V † |m
0
i ∗ ] = − [gt (ωnm − ω)Vnm + gt (ωnm + ω)Vmn (−) (+) (t) + Cnm (t) ≡ Cnm
(25.20)
gegeben. Hierbei ist gt (ω) die in Gl. (25.11) eingef¨ uhrte Funktion. Wie ft (ω) = |gt (ω)|2 (25.12) ist gt (ω) f¨ ur große t bei ω = 0 stark gepeakt, wobei die Breite des Peakes 2π/t ¨ betr¨ agt. Ist die Ubergangsfrequenz ωnm gr¨oßer als diese Peakbreite, siehe Abb. 25.9, so besitzen die beiden Funktionen gt (ωnm ∓ ω) ,
54
25 Zeitabh¨ angige Prozesse Γm→n
Em − ω
Em + ω
En
Em ¨ Abb. 25.9: Die Ubergangsrate Γm→n (25.21) als Funktion der Energie En .
¨ die bei ω = ±ωnm gepeakt sind, praktisch keinen Uberlapp, so dass gilt: (−) (+) (t)|2 + |Cnm (t)|2 . |Cnm (t)|2 |Cnm
¨ Wegen des verschwindenden Uberlapps gibt es keine Interferenz zwischen der St¨ orung ¨ mit positiver und negativer Frequenz. F¨ ur die Ubergangswahrscheinlichkeit finden wir deshalb aus (25.20) wm→n = |Cnm (t)|2 = =
1 |Vnm |2 |gt (ωnm − ω)|2 + |gt (ωnm + ω)|2 2
1 |Vnm |2 [ft (ωnm − ω) + ft (ωnm + ω)] . 2
Ersetzen wir hier die Funktion ft (ω) f¨ ur große t wieder durch ihren asymptotischen Wert (25.14) 2πtδ(ω), wm→n =
2π t|Vnm |2 [δ(ωnm − ω) + δ(ωnm + ω)] , 2
und dr¨ ucken hierin die Frequenzen durch die Energien aus, so erhalten wir schließlich ¨ f¨ ur die Ubergangsrate: Γm→n =
2π |Vnm |2 [δ(En − Em − ω) + δ(En − Em + ω)] .
(25.21)
Diese Gr¨ oße ist zeitunabh¨angig und besitzt Resonanzcharakter, siehe Abb. 25.9: Eine ¨ periodische St¨ orung (25.19) bewirkt Uberg¨ ange in Zust¨ ande, deren Energien sich um ±ω unterscheiden: En = Em ± ω .
(25.22)
25.3 Fermis Goldene Regel
55 En
Em
ω
ω
En
Em (a)
(b)
Abb. 25.10: (a) Stimulierte Absorption, (b) stimulierte Emission.
Dabei ist ω offenbar die Energie, die durch die St¨ orung in das System hinein- bzw. aus dem System herausgepumpt wird. Im Falle der Bestrahlung eines Atoms ist ω die Energie der Strahlung, d.h. des elektromagnetischen Feldes. Bringt die St¨ orung Energie in das System hinein, d.h. wird das System angeregt (oberes Vorzeichen in Gl. (25.22)), so spricht man von Absorption, wird hingegen durch die St¨ orung dem System Energie entzogen, wobei das System sich abregt, sprechen wir von stimulierter Emission, siehe Abb. 25.10. ¨ Der obige Ausdruck f¨ ur die Ubergangsrate wurde abgeleitet unter der Voraussetzung, dass die Zeitdauer der St¨orung t groß gegen¨ uber der charakteristischen Zeit 2π/ωnm ist. Nur f¨ ur solche Zeiten k¨onnen wir die Funktion ft (ω) durch eine δ-Funktion ersetzen, was ¨ auf die energieerhaltenden Uberg¨ ange f¨ uhrt. F¨ ur periodische St¨ orungen, die nur u ¨ber eine kurze Zeit wirken, werden die Abweichungen der Funktion ft (ω) von der δ-Funktion ¨ wesentlich, und wir erhalten auch Uberg¨ ange, bei denen sich die Energie ¨ andert.
26
Streutheorie
Um die Struktur kleiner Objekte wie Mikroorganismen (z.B. Bakterien) zu untersuchen, betrachten wir diese unter einem Mikroskop. Das Prinzip des Mikroskopierens basiert auf der Streuung des Lichtes an dem zu untersuchenden Objekt: Licht f¨ allt auf das zu untersuchende Objekt und wird an diesem gestreut und gelangt u ¨ber ein System von optischen Linsen schließlich in unser Auge. Das gestreute Licht enth¨ alt die gesamte Information u ¨ ber die Struktur des zu untersuchenden Objektes. Das Linsensystem dient lediglich zur Vergr¨oßerung, d.h. der Spreizung“ der gestreuten Lichtstrahlen, ” damit wir die in ihnen enthaltene Information mit unserem Auge aufl¨ osen, d.h. wahrnehmen k¨ onnen. Das Aufl¨osungsverm¨ogen eines Mikroskops wird bekanntlich durch die Wellenl¨ ange des Lichtes begrenzt. Die Wellenl¨ ange der benutzten Wellen muss klein gegen¨ uber den Abmessungen der zu untersuchenden Objekte sein, da sonst Interferenzeffekte das Bild verwaschen. Um die Struktur von sehr kleinen Objekten wie den Atomkernen oder den Elementarteilchen aufl¨ osen zu k¨onnen, reichen Lichtwellen nicht mehr aus. Man ben¨ otigt dazu Wellen sehr viel kleinerer Wellenl¨angen, wie sie quantenmechanische Wellen hochenergetischer Teilchen besitzen. Aus diesem Grunde baut man gigantische Teilchenbeschleuniger, um Ionen, Atomkerne oder Elementarteilchen auf sehr hohe Energien zu beschleunigen und diese hochenergetischen Teilchen dann an den zu untersuchenden Mikroobjekten zu streuen. Vom konzeptionellen Standpunkt her sind diese Streuexperimente nichts weiter als Mikroskopieren mit sehr kurzwelligen Strahlen. Die meisten unserer Daten bzw. Informationen u ¨ber den Aufbau von Atomkernen und Elementarteilchen sind aus Streuexperimenten gewonnen. Durch die Streuung von geladenen Teilchen (z.B. α-Teilchen, E. Rutherford 1900) wissen wir, dass Atome aus einem positiv geladenen Kern bestehen, der nahezu die gesamte Masse tr¨agt und von Elektronen umgeben ist. Die Streuung von Elektronen oder Photonen (R¨ontgen-Strahlung) am Festk¨ orper gibt Information u aumliche Anordnung der Atome. Diese k¨ onnen z.B. periodische Strukturen ¨ ber die r¨ (Kristalle) bilden. Durch Elektronenstreuung an Atomkernen bzw. Nukleonen lassen sich die Ladungsverteilungen dieser Objekte bestimmen. Dabei wurde gefunden, dass die Protonen und Neutronen keine elementaren Teilchen“ sind, sondern eine innere ” Struktur besitzen. Die Streuung von Protonen an Protonen oder schwereren Atomkernen gibt Aufschl¨ usse u ¨ ber die Form, St¨arke und Reichweite der starken Wechselwirkung (Kernkr¨ afte). Um die in den experimentellen Streudaten enthaltene Information zu extrahieren, ben¨otigt man eine theoretische Analyse dieser Streuexperimente. Im Folgenden soll deshalb die Quantentheorie der Streuung behandelt werden.
58
26 Streutheorie Detektor
gestreutes Teilchen
Teilchenquelle
Beschleuniger
emittierte Teilchen (Wellenpaket)
beschleunigtes Teilchen v
θ-Streuwinkel
T
d
Abb. 26.1: Schematische Darstellung eines Streuexperimentes.
26.1
Der Streuprozess
Der prinzipielle Aufbau eines Streuprozesses ist in der Abb. 26.1 dargestellt. Eine Teilchenquelle, die z.B. bei Elektronen oder α-Teilchen durch eine radioaktive Substanz gegeben sein kann, emittiert Teilchen, die anschließend in einem Beschleuniger auf eine bestimmte Energie beschleunigt werden. Die Teilchen, welche die Quelle bzw. den Beschleuniger verlassen, repr¨asentieren Wellenpakete mit mittlerem Impuls p, die sich kr¨ aftefrei auf das Streuzentrum, das sogenannte Target ( Zielscheibe“), zubewegen. Da” mit diese Teilchen einen einigermaßen gut definierten Impuls besitzen, muss die mittlere Wellenl¨ ange λ klein gegen¨ uber der r¨aumlichen Ausdehnung d des Wellenpaketes sein: Ein wohl definierter Impuls verlangt, dass die Impulsunsch¨ arfe Δp klein gegen¨ uber dem Impuls p = k = 2π/λ ist. Die r¨aumliche Ausdehnung d definiert die Ortsunsch¨ arfe Δx d und aufgrund der Unsch¨arferelation gilt: Δp
. Δx d
Daher finden wir: λ λ Δp , p d 2π d so dass ein wohl definierter Impuls Δp/p 1 in der Tat λ d impliziert. Dennoch sollte das Wellenpaket hinreichend scharf geb¨ undelt sein, damit das Teilchenbild noch realisiert ist. Am Target, welches durch ein zweites Teilchen gegeben sein kann, wird ein Teil des Wellenpaketes gestreut. Bei der theoretischen Beschreibung des Streuprozesses werden wir voraussetzen, dass die Wechselwirkung zwischen einfallendem Teilchen und Streuzentrum eine relativ kurze Reichweite besitzt und durch ein (lokalisiertes und zeitunabh¨ angiges) Potential V (x) beschrieben werden kann, das in diesem Zusammenhang als Streupotential bezeichnet wird. Letztere Annahme impliziert, dass das Target ruht und unendlich schwer ist, so dass kein R¨ uckstoß entsteht. F¨ ur ein zeitunabh¨ angiges Streupotential tritt wegen der
26.1 Der Streuprozess
59
Energieerhaltung nur elastische Streuung auf. Wir bezeichnen ein Potential kurzreichweitig, wenn die Bedingung lim |x| |V (x)| = 0
(26.1)
|x|→∞
erf¨ ullt ist. Dazu ist offenbar erforderlich, dass das Potential V (x) f¨ ur |x| → ∞ schneller als 1/|x| abf¨ allt. Das Coulomb-Potential erf¨ ullt offensichtlich gerade nicht diese Bedingung. In Abb. 26.2 ist die r¨aumliche Ausdehnung der Wellenfunktion in den einzelnen Phasen des Streuexperimentes schematisch dargestellt. Das gestreute Wellenpaket besteht i.A., ¨ahnlich wie im eindimensionalen Fall (siehe Abschnitt 10.2), aus einem gestreuten und einem ungestreuten Anteil (Abb. 26.2(b)) und bewegt sich asymptotisch (d.h. in großen Entfernungen vom Streuzentrum) wieder wechselwirkungsfrei (Abb. 26.2(c)). Der gestreute Teil des Wellenpaketes wird dann von einem Detektor in großer Entfernung vom Streuzentrum unter einem Winkel (θ, φ), dem sogenannten Streuwinkel, relativ zur Richtung des einfallenden Wellenpaketes registriert (Abb. 26.2(d)). Die Wahrscheinˆ lichkeit, dass ein Teilchen in dem Detektor unter dem Raumwinkel dΩ(θ, φ) = dΩ(x) nachgewiesen wird, ist durch RD →∞
dr r2 |ψ(x, t → ∞)|2 ,
ˆ = dΩ dw(x) 0
r = |x| ,
x ˆ=
x r
gegeben, wobei ψ(x, t) die Wellenfunktion bezeichnet und RD der Abstand des Detektors vom Streuzentrum ist.1 Spricht der Detektor auf ein Teilchen an, so findet durch diesen Messprozess eine Zustandsreduktion statt. Der nicht in dΩ(θ, φ) gestreute Teil der Wellenfunktion (bzw. des Wellenpaketes), der eine Alternative zur detektierten Streuung darstellt, wird dabei vernichtet. Hatte die Wellenfunktion vor Registrierung des Teilchens im Detektor die Gestalt ψ = ψdΩ(θ,φ) + ψ , wobei ψ der Teil der Wellenfunktion ist, der nicht in den Raumwinkel dΩ(θ, φ) gestreut wird, so ist nach Registrierung des Teilchens im Detektor unter dem Raumwinkel dΩ(ϑ, φ) die Wellenfunktion durch ψdΩ(θ,φ) gegeben. Die durch die Teilchendetektierung erfolgte Zustandsreduktion ψ → ψdΩ(θ,φ) ist eine Folge der Wechselwirkung des Teilchens mit dem Detektor, was ein allgemeines Charakteristikum eines quantenmechanischen Messprozesses ist und nicht Ergebnis des Streuprozesses. 1 Da der Abstand Detektor – Streuzentrum als sehr groß gegen¨ uber der Ausdehnung des Streuzentrums vorausgesetzt wird, k¨ onnen wir RD → ∞ setzen. Dies bedingt formal auch eine unendlich große Flugzeit t → ∞. Im realen Streuexperiment ist die Flugzeit jedoch endlich und (in Abh¨ angigkeit von der Teilchenenergie) i.A. auch sehr kurz. Dennoch ist die Flugzeit sehr groß gegen¨ uber der Zeit, die das gestreute Teilchen im Gebiet mit V (x) = 0 verbringt.
60
26 Streutheorie
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass das Wellenpaket zwar L¨ osung der freien zeitabh¨ angigen Schr¨odinger-Gleichung, jedoch kein station¨ arer Eigenzustand von H0 = p2 /2m ist, d.h. das Wellenpaket zerfließt auch bereits ohne Streupotential. Die Flugzeit des Wellenpaketes darf deshalb nicht zu groß sein (d.h. seine Geschwindigkeit nicht zu klein), damit dieses Zerfließen vernachl¨ assigt werden kann. Bemerkungen: 1) In einem Streuexperiment werden i.A. nicht einzelne Teilchen beschleunigt. Vielmehr f¨allt ein stetiger (oder gepulster) Teilchenstrom auf das Target. Die Teilchendichte in dem einfallenden Teilchenstrom muss so klein sein, dass deren Wechselwirkung untereinander vernachl¨ assigt werden kann. 2) Damit eine Streuung (St¨orung) des Wellenpaketes stattfindet, muss seine transversale Ausdehnung in das Wirkungsgebiet des Potentials reichen (siehe Abb. 26.2(a)). F¨ ur zu große Stoßparameter b (siehe Abb. 26.4) u ¨berlappt das Wellenpaket nicht mehr mit dem Streupotential und es erfolgt keine Streuung. 3) Ein Target besteht i.A. aus vielen Atomen, die alle als Streuzentren fungieren. Zweckm¨aßigerweise werden deshalb gew¨ ohnlich d¨ unne Targets benutzt, so dass das einfallende Wellenpaket nur an einem einzelnen Atom gestreut wird (keine Mehrfachstreuung). 4) Der ungest¨ort durchlaufende Teil und der in Vorw¨ artsrichtung gestreute Teil des Wellenpaketes lassen sich experimentell nicht trennen. Aus diesem Grunde muss ein Detektor unter hinreichend großem Winkel Θ aufgestellt werden, damit dieser durch den durchlaufenden Teil des Wellenpaketes nicht zerst¨ ort wird.
26.2
Streuung eines Wellenpaketes am Potential
Im Folgenden wollen wir die Streuung eines einzelnen Wellenpaketes beschreiben. Dazu m¨ ussen wir die zeitabh¨angige Schr¨odinger-Gleichung f¨ ur das einfallende Wellenpaket bei Anwesenheit des Streupotentials l¨osen. Dies liefert uns dann ein dynamisches Bild des Streuprozesses, das die zeitliche Evolution des Wellenpaketes von der Quelle bis zum Detektor aufzeigt und in Abb. 26.2 schematisch dargestellt ist. Zur Zeit t0 → −∞ verl¨asst das einfallende Wellenpaket ψ0 (x, t) die Quelle bzw. den Beschleuniger. Das freie Wellenpaket ψ0 (x, t) zerlegen wir nach den Eigenzust¨ anden |k des ungest¨ orten Hamilton-Operators H0 = −
2 Δ, 2m
H0 |k = Ek |k ,
welche durch die ebenen Wellen x|k = eik·x
Ek =
2 k 2 , 2m
(26.2)
26.2 Streuung eines Wellenpaketes am Potential
61
v T
(a)
(b)
T
(c) TT
D (d)
θ T Abb. 26.2: Schematischer Ablauf des Streuprozesses: (a) einfallendes (ebenes) Wellenpaket, (b) eigentlicher Streuprozess: Wechselwirkung des eingelaufenen Wellenpakets mit dem Tar¨ get (T ), (c) Nach der Streuung: Uberlagerung von durchlaufendem ebenen Wellenpaket und gestreutem kugelf¨ ormigen Wellenpaket. Wegen der Teilchenzahlerhaltung m¨ ussen einfallendes und gestreutes Wellenpaket destruktiv in Vorw¨ artsrichtung interferieren. (d) Detektierung (D) des gestreuten Teilchens (ebenes Wellenpaket).
62
26 Streutheorie
gegeben sind:
i d3 k C(k)e− Ek t |k . 3 (2π)
|ψ0 (t) =
(26.3)
¯ gepeaked“, der durch die GrupDie Amplituden C(k) sind bei dem Impuls k = k ” pengeschwindigkeit (5.34) des Wellenpaketes vg =
¯ k m
gegeben ist. Das Wellenpaket |ψ0 (t) (26.3) l¨ost die zeitabh¨ angige Schr¨ odinger-Gleichung i
d |ψ0 (t) = H0 |ψ0 (t) , dt
ist jedoch kein station¨arer Eigenzustand zu H0 . Das Wellenpaket zerfließt deshalb selbst ohne a orung. Diese Zerfließen ist jedoch f¨ ur die nachfolgenden Betrachtungen ¨ußere St¨ irrelevant. Das Wellenpaket |ψ0 (t) (26.3) repr¨asentiert den Anfangszustand des Streuprozesses: lim |ψ(t0 ) =
t0 →−∞
lim |ψ0 (t0 ) .
t0 →−∞
(26.4)
Die Ver¨ anderung der Wellenfunktion im Verlaufe des Streuprozesses wird durch die zeitabh¨ angige Schr¨odinger-Gleichung i
d |ψ(t) = H|ψ(t) dt
beschrieben. Hierbei ist H = H0 + V (x) der vollst¨ andige Hamilton-Operator des Systems, der neben dem Operator der freien alt, das die Wechselwirkung des einBewegung H0 auch das Streupotential V (x) enth¨ laufenden Teilchens mit dem Streuzentrum repr¨ asentiert. F¨ ur ein zeitunabh¨angiges Streuzentrum ist die L¨ osung der zeitabh¨ angigen Schr¨ odingerGleichung durch i
|ψ(t) = e− H(t−t0 ) |ψ(t0 )
(26.5)
gegeben. Der Streuzustand |ψ(t), der sich aus dem f¨ ur t0 → −∞ vorgegebenen freien ugen. Wir w¨ ahlen Wellenpaket |ψ0 (t0 ) entwickelt, muss der Randbedingung (26.4) gen¨ deshalb in (26.5) t0 → −∞ und erhalten nach Einsetzen der Randbedingung (26.4): i
i
|ψ(t) = e− Ht lim e Ht0 |ψ0 (t0 ) . t0 →−∞
(26.6)
26.2 Streuung eines Wellenpaketes am Potential
63
F¨ ur t0 → −∞ war das Wellenpaket ψ0 (x, t) in der N¨ ahe der Quelle lokalisiert, wo das ur t0 → −∞) Streupotential verschwindet. Deshalb hat H auf ψ0 (x, t) asymptotisch (f¨ denselben Effekt wie H0 und der Limes t0 → −∞ existiert, da: i
lim e Ht0 |ψ0 (t0 ) =
t0 →−∞
=
i
lim e H0 t0 |ψ0 (t0 )
t0 →−∞
i
i
lim e H0 t0 e− H0 t0 |ψ0 (0) = |ψ0 (0) .
t0 →−∞
Setzen wir in (26.6) die Zerlegung (26.3) des Wellenpaketes |ψ0 (t0 ) ein, so erhalten wir f¨ ur den Streuzustand: i i d3 k C(k)e− (Ek −H)t0 |k . (26.7) |ψ(t) = e− Ht lim 3 t0 →−∞ (2π) Aus der Tatsache, dass der Limes t0 → −∞ f¨ ur das gesamte (im Ortsraum lokalisierte) Wellenpaket |ψ(t) existiert, kann noch nicht geschlossen werden, dass dieser Limes auch f¨ ur eine einzelne (unendlich ausgedehnte) ebene Welle |k existiert. Im Abschnitt 26.3 wird sich jedoch zeigen, dass dies der Fall ist. Dann k¨ onnen wir den Grenzwert vor der Integration ausf¨ uhren und der Streuzustand (Wellenpaket) |ψ(t) (26.7) l¨ asst sich in der Form i d3 k (+) C(k)|ϕk (26.8) |ψ(t) = e− Ht (2π)3 schreiben, wobei (+)
|ϕk =
i
lim e− (Ek −H)t0 |k .
(26.9)
t0 →−∞
F¨ ur eine Funktion f (t0 ), f¨ ur welche der Grenzwert t0 → −∞ existiert, kann dieser in der Form 0 lim f (t0 ) = lim ε
t0 →−∞
ε→0
dt eεt f (t ) ,
ε>0
(26.10)
−∞
geschrieben werden, die als Abel’scher Grenzwertsatz bezeichnet wird. Zum Beweis bemerken wir, dass das Integral auf der rechten Seite dieser Gleichung nach Skalierung der Integrationsvariablen mit ε die Gestalt 0 ε −∞
dt eεt f (t ) =
0 dx ex f −∞
x ε
annimmt. F¨ ur alle x < 0 liefert der Limes ε → 0: x = f (−∞) , x 0. Man beachte, dass auch in der negativen Energie-L¨osung V (α) (p) die Zeitkomponente des Impulses jetzt auf p0 = Ep > 0 fixiert ist. Im Gegensatz zur station¨aren Schr¨odinger-Gleichung k¨ onnen wir die Gr¨ oße Ψ† Ψ hier nicht als Norm definieren, da sie kein Lorentz-Skalar ist sondern unter LorentzTransformationen ihren Wert ¨andert. Zur Normierung der Dirac-Spinoren empfiehlt es sich, die Lorentz-invariante Gr¨oße ¯ , Ψ† γ 0 Ψ = ΨΨ
¯ = Ψ† γ 0 Ψ
zu benutzen. Die Normierung der L¨osung der freien Dirac-Gleichung w¨ ahlen wir deshalb zweckm¨ aßigerweise als: ¯ (α) (p)U (β) (p) = δ αβ , U
V¯ (α) (p)V (β) (p) = −δ αβ .
(30.49)
oren, erf¨ ullen sie Da die U (p) und V (p) zu verschiedenen Eigenwerten p0 = ±Ep geh¨ außerdem die Orthogonalit¨atsrelationen ¯ (α) (p)V (β) (p) = 0 , U
V¯ (α) (p)U (β) (p) = 0 .
Die so gew¨ ahlte Normierung legt die Konstante N in (30.48) auf 1 N =& 2m(Ep + m)
(30.50)
fest. Mit der expliziten Form der Dirac’schen γ-Matrizen (30.41) und der Normierungskonstante (30.50) lauten die normierten Eigenl¨osungen der Dirac-Gleichung (α = 1, 2): U (α) (p) = S(p)w(α) (0) , V (α) (p) = S(p)w(α+2) (0) ,
244
30 Relativistische Quantenmechanik
wobei 3 S(p) =
⎛
½
Ep + m ⎜ ⎝ σ·p 2m Ep + m
σ·p ⎞ Ep + m ⎟ ⎠ .
½
Man beachte, dass wir oben c = 1 gesetzt hatten. Behalten wir die Lichtgeschwindigkeit explizit in den Ausdr¨ ucken, so m¨ ussen wir m → mc2 bzw. σ·p → cσ·p ersetzen (siehe Gl. (30.44) und erhalten: 3 S(p) =
⎛ mc2
Ep + 2mc2
⎜ ⎝
½ c
σ·p Ep + mc2
c
σ·p ⎞ Ep + mc2 ⎟ ⎠ .
½
Hieraus ist ersichtlich, dass f¨ ur positive Energiel¨ osungen E = Ep > 0 die oberen Komponenten von der Ordnung 1 sind, w¨ahrend die unteren Komponenten von der Ordnung |v|/c sind und damit f¨ ur eine nichtrelativistisch verlaufende Bewegung |v| c sehr klein sind: c
σ·v |v| σ·p σ·p σ·p ∼ . =c & Ep + mc2 2mc 2c c c (mc)2 + p2 + mc2
F¨ ur die negativen Energiel¨osungen E = −Ep < 0 sind umgekehrt die unteren Komponenten des Dirac-Spinors von der Ordnung 1, w¨ ahrend die oberen Komponenten von der Ordnung |v|/c sind. Wir erkennen insbesondere, dass im nichtrelativistischen Grenzfall |v| c die oberen und unteren Komponenten entkoppeln. Die relativen Gr¨ oßen der oberen und unteren Komponenten der positiven- bzw. negativen-Energie-L¨ osungen der Dirac-Gleichung erkl¨aren auch die unterschiedlichen Vorzeichen in der Norm (30.49). Die Dirac’sche Theorie der Antiteilchen Das Spektrum des Dirac-Hamiltonians ist in Abb. 30.2 illustriert. Oberhalb anden, die durch den der Ruheenergie mc2 gibt es ein Kontinuum von Zust¨ r¨ aumlichen Impuls p klassifiziert sind. Zu diesen Zust¨ anden gibt es ein spiegelsymmetrisch gelegenes Kontinuum negativer Energiezust¨ ande, das bei der negativen Ruheenergie −mc2 beginnt und sich bis minus unendlich erstreckt. Auch diese Zust¨ande werden durch den r¨ aumlichen Impuls p klassifiziert. Nehmen wir an, die Zust¨ande mit negativer Energie seien unbesetzt. Wir k¨ onnten dann Energie durch Besetzung dieser Zust¨ ande gewinnen. Da unendlich viele negative Energiezust¨ande existieren, ließe sich unendlich viel Energie gewinnen. Dies muss notwendigerweise zu einer Instabilit¨ at des Vakuums f¨ uhren. Die Instabilit¨at l¨asst sich nur dann vermeiden, wenn alle Zust¨ ande negativer Energie mit Fermionen besetzt sind. Diese unterliegen dem PauliPrinzip, wonach jeder Zustand h¨ochstens durch ein einziges Fermion besetzt
30.6 Die L¨ osungen der freien Dirac-Gleichung E
mc2
245
(a)
E
E = +Ep > 0
mc2
(b)
p2
Antiteilchen
p1
Teilchen
0 −mc2
E = −Ep < 0
−mc2
Abb. 30.2: (a) Schematische Darstellung des Energiespektrums eines freien Dirac-Teilchens der Masse m, (b) Teilchen-Antiteilchen-Anregung des Dirac-Sees.
sein kann. Sind also diese Zust¨ande bereits durch Fermionen besetzt, kann keine weitere Besetzung erfolgen und ein solcher Zustand w¨ are stabil. Die Gesamtheit der mit Fermionen besetzten negativen Energiezust¨ ande wird als Dirac-See bezeichnet. Es dr¨angt sich hier die Frage auf: Sind diese besetzten negativen Energiezust¨ande nur ein Artefakt der Theorie oder existieren sie real und lassen sich im Experiment nachweisen? achlich existieren und Falls die negativen Energiezust¨ande mit E = −Ep tats¨ mit Teilchen besetzt sind, m¨ ussen sich diese Teilchen durch a ¨ußere Felder auch auf die unbesetzten positiven Energiezust¨ ande mit E = Ep anregen lassen. (siehe Abb. 30.2) Eine solche Anregung w¨ are ¨ ahnlich einer Teilchen-LochAnregung in einem Vielteilchensystem und w¨ urde die Anregungsenergie ΔE = Ep2 − (−Ep1 ) = Ep2 + Ep1 ≥ 2mc2 besitzen. Das zur¨ uckbleibende Loch im Dirac-See repr¨ asentiert eine fehlende negative Energie und besitzt somit selbst eine positive Energie E = Ep1 wie ein gew¨ ohnliches Teilchen. Wir k¨onnen deshalb das Loch im Dirac-See als ein Teilchen interpretieren. Andererseits kann dieses Teilchen durch Abregung des auf positive Energiezust¨ande angeregten Fermions wieder vernichtet werden. Das Loch wird deshalb als Antiteilchen zu dem Teilchen, das den positiven Energiezustand E = Ep2 besetzt, bezeichnet. Mit dieser Interpretation der L¨osungen der Dirac-Gleichung ist es deshalb m¨ oglich, aus dem Vakuum ein Teilchen-Antiteilchen-Paar zu erzeugen. Umgekehrt k¨ onnen Teilchen-Antiteilchen-Paare sich zu Energie vernichten. Diese Prozesse werden als Paarerzeugung bzw. Paarvernichtung bezeichnet und lassen sich im Experiment nachweisen. Zum Beispiel k¨ onnen durch starke elektromagnetische Felder, d.h. durch Photonen in der N¨ ahe von Atomkernen,
246
30 Relativistische Quantenmechanik
aus dem Vakuum Elektron-Positron-Paare erzeugt werden. Der Atomkern ist dabei erforderlich, um einen Teil des Impulses des Photons aufzunehmen. Wenn unser Vakuum aus dem gef¨ ullten Dirac-See besteht, so muss es auf (¨ außere) Felder reagieren und somit experimentell nachweisbar sein. Wie wir oben gesehen haben, k¨onnen Felder, falls sie stark genug sind, TeilchenAntiteilchenpaare aus dem Vakuum erzeugen. Selbst schwache Felder k¨ onnen aufgrund der Energieunsch¨arfe virtuelle Teilchen-Antiteilchen-Paare erzeugen, die mit den realen Teilchen wechselwirken und deren Eigenschaften ver¨ andern k¨onnen. Damit m¨ ussten auch die Elektronen im Coulomb-Feld des ¨ Atomkerns eine Anderung ihrer Energieniveaus aufgrund des Vakuums, d.h. des gef¨ ullten Dirac-Sees erfahren. In der Tat wird eine zus¨ atzliche Verschiebung der Elektronennivaus gegen¨ uber den L¨ osungen der Dirac-Gleichung experimentell gemessen. Diese Verschiebung l¨ asst sie im Rahmen der Quantenfeldtheorie berechnen und wird als Lamb-Shift bezeichnet.
Nach eigenen Aussagen ist Dirac auf die Antiteilcheninterpretation der Lochzust¨ ande durch folgende Aufgabe gekommen, die bei einem Sch¨ ulerwettbewerb gestellt wurde: Drei Fischer fuhren aufs Meer um zu fischen. Als sie zur¨ uckkehrten, war es bereits sp¨at in der Nacht. Sie beschlossen sich schlafen zu legen und erst am Morgen die gefangenen Fische aufzuteilen. Der Fischer, der zuerst am n¨ achsten Morgen aufwachte, z¨ahlte die Fische und teilte sie durch drei. Dabei blieb ein Fisch u uck ins Meer warf. Kurze Zeit darauf wachte der ¨ brig, den er zur¨ zweite Fischer auf, der jedoch nicht wusste, dass bereits einer seiner Kollegen seinen Anteil der Fische mitgenommen hatte. Er teilte wieder die Fische durch drei, wobei wieder ein Fisch u ¨ brig blieb, den er ins Meer warf. Auch dieser Fischer nahm sich ein Drittel der Fische und ging heim. Als der letzte Fischer aufwachte, z¨ahlte er wieder die Fische, teilte sie durch drei und es blieb wieder ein Fisch u unglich ¨brig. Wieviel Fische hatten die Fischer urspr¨ gefangen? Eine m¨ogliche Antwort lautet 25. Die Aufgabe besitzt jedoch noch eine zweite unphysikalische L¨osung, n¨ amlich −2.
30.7
Der Drehimpuls des Dirac-Teilchens
In der nichtrelativistischen Quantenmechanik bleibt der Erwartungswert einer Observablen erhalten, wenn der zugeh¨orige Operator nicht explizit von der Zeit abh¨ angt und mit dem Hamilton-Operator kommutiert. Dies gilt offensichtlich auch f¨ ur die Observablen eines Dirac-Teilchens, da die Dirac-Gleichung (30.35) bez¨ uglich ihrer Zeitabh¨ angigkeit die Form der nichtrelativistischen Schr¨odinger-Gleichung besitzt. Sowohl in der nichtrelativistischen Mechanik als auch in der nichtrelativistischen Quantenmechanik hatten wir gefunden, dass der Drehimpuls eines freien Teilchens oder eines
30.7 Der Drehimpuls des Dirac-Teilchens
247
Teilchens im Zentralpotential erhalten bleibt. Um zu sehen, ob der Drehimpuls f¨ ur ein Dirac-Teilchen erhalten bleibt, berechnen wir den Kommutator des DrehimpulsOperators L = x × p mit dem Dirac-Hamiltonian h = cα·p + βmc2 . Der Drehimpulsoperator kommutiert nat¨ urlich mit dem konstanten Massenterm, ˆ; [L, mc2 ] = 0 deshalb finden wir: [Li , h] = [Li , cα·p] = cαk [Li , pk ] . Der hier auftretende Kommutator von Drehimpuls- und Impulsoperator wurde in Abschnitt 16.1 berechnet (siehe Gl. (16.9)), [Li , pk ] = iikl pl , so dass wir schließlich erhalten: [Li , h] = ic (α × p)i = ˆ0 .
(30.51)
Somit ist der Bahndrehimpuls f¨ ur ein freies Dirac-Teilchen nicht erhalten. Die Verletzung der Drehimpulserhaltung kommt offenbar durch die Tatsache zustande, dass die Dirac-Gleichung keine skalare Gleichung, sondern eine Matrixgleichung ist, was durch Anwesenheit der Clifford-Zahlen αk , β angezeigt wird. Die Nichterhaltung des Bahndrehimpulses h¨atten wir bereits vermuten k¨ onnen, da der Dirac-Hamiltonian einen konstanten Vektor α enth¨alt, der die Rotationssymmetrie bricht. In der Tat enth¨ alt der nichtverschwindende Kommutatorterm von Drehimpuls mit Dirac-Operator gerade diese Dirac-Matrizen. Wir k¨ onnen jedoch den Bahndrehimpuls-Operator erweitern zu einem Operator, der dieselbe Drehimpuls-Algebra erf¨ ullt und dennoch mit dem Dirac-Hamiltonian f¨ ur zentralsymmetrische Potentiale kommutiert. Dazu betrachten wir den Operator S=
Σ, 2
Σ=
σ 0 , 0 σ
(30.52)
wobei die σ i wieder die Pauli-Matrizen (16.37) sind, die den Kommutationsbeziehungen [σ i , σ j ] = 2iijk σ k gen¨ ugen. Diese Beziehungen stimmen bis auf einen Faktor /2 mit der DrehimpulsAlgebra u uhrte Operator (30.52) erf¨ ullt in der Tat die Dreh¨ berein. Der oben eingef¨ impuls-Algebra " i j# (30.53) S , S = iijk S k .
248
30 Relativistische Quantenmechanik
F¨ ur den Kommutator des Operators S i mit dem Dirac-Hamiltonian finden wir: [S i , h] = c[S i , α·p] =
1 cpk [Σi , αk ] . 2
(30.54)
Unter Benutzung der expliziten Form der Matrizen αk (30.34) finden wir: [Σi , αk ] = i2ikl αl und somit aus (30.54): i
i
[S i , h] = ic (p × α) = −ic (α × p) . Vergleich mit Gl. (30.51) zeigt, dass der Operator J =L+S
mit dem Dirac-Hamiltonian kommutiert, ˆ, [J, h] = 0 und folglich im Sinne der Quantenmechanik erhalten bleibt. Bei Anwesenheit eines skalaren Zentralpotentials k¨onnen die Eigenfunktionen des Dirac-Hamiltonians folglich nach den Eigenwerten des Operators J klassifiziert werden.16 Beachten wir, dass soullen und wohl der Bahndrehimpuls Li als auch der Operator S i dieselbe Algebra erf¨ ferner diese beiden Operatoren in unterschiedlichen Hilbert-R¨ aumen wirken und somit 0, so folgt unmittelbar, dass auch ihre Summe, d.h. der Operator J, dieselbe [S k , Li ] = ˆ Algebra erf¨ ullt: [J k , J l ] = iklm J m .
(30.55)
Wie wir bereits in Abschnitt 16.1 f¨ ur den Bahndrehimpuls festgestellt hatten, sind aufgrund dieser Kommutationsbeziehungen nicht alle Komponenten J k=1,2,3 gleichzeitig messbar, sondern wegen (30.55) " k 2# J ,J = 0 nur das Quadrat und eine Komponente, die gew¨ ohnlich als die dritte Komponente gew¨ ahlt wird. Ferner hatten wir gesehen, dass aufgrund der Drehimpuls-Algebra (30.53), (30.55) die Eigenwerte folgende Gestalt besitzen m¨ ussen: S2 : 2
J : 16 Wie
2 s(s + 1) , 2
j(j + 1) ,
S3 : 3
J :
ms ,
− s ≤ ms ≤ s ,
m ,
−j ≤m≤j ,
die obige Ableitung von [J , h] = 0 zeigt, ist die Darstellung (30.52) des Spinoperators S an die Darstellung (30.34) der Dirac-Matrix gekn¨ upft. Alternative Darstellungen der Dirac-Matrizen α f¨ uhren auch auf andere Darstellungen des Spinoperators S.
30.8 Elektron im Magnetfeld
249
wobei die Quantenzahlen s und j halbzahlig oder ganzzahlig sein m¨ ussen. Ihre tats¨ achlichen Werte werden durch die explizite Darstellung der Drehimpulsoperatoren festgelegt. ur die Operatoren S i (30.52): Im vorliegenden Fall findet man mit (σ i )2 = ½ f¨ S2 =
3
(S i )2 =
i=1
3 3 3 ! 2 i 2 2 (σ ) = 1 = 2 = 2 s(s + 1) , 4 i=1 4 i=1 4
woraus s = 1/2 folgt. Aus den allgemeinen Gesetzen der Drehimpuls-Vektoraddition, die in Abschnitt 16.7 besprochen wurde, folgt dann, dass die Quantenzahl des Operators J durch j =l±
1 2
gegeben ist und somit ebenfalls halbzahlig ist, da die Quantenzahl l des Bahndrehimpulses ganzzahlig ist. F¨ ur l = 0 tritt nur der Wert j = 12 auf, da j nicht negativ sein kann. Der Drehimpuls s = 1/2, dessen Operatoren S i nicht wie der Bahndrehimpuls durch Differentialoperatoren im Ortsraum realisiert werden k¨ onnen, sondern sich allein durch die Pauli-Matrizen darstellen lassen und somit nicht mit einer r¨ aumlichen Drehung zusammenh¨ angt, wird als innerer Drehimpuls bzw. als Spin des Dirac-Teilchens bezeichnet. Damit kommen wir zu dem wichtigen Schluss, dass ein Dirac-Teilchen einen inneren Drehimpuls S mit der Quantenzahl s = 1/2 besitzt. Dieser koppelt zusammen mit dem Bahndrehimpuls L zu einem Gesamtdrehimpuls, J = L + S, der f¨ ur zentralsymmetrische Potentiale erhalten bleibt. F¨ ur letztere k¨ onnen wir folglich die L¨ osung der Dirac-Gleichung durch die Quantenzahlen des Quadrates des Gesamtdrehimpulses j und dessen Projektion m charakterisieren. Es sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass f¨ ur ein Dirac-Teilchen im zentralsymmetrischen Potential Bahndrehimpuls L und Spin S nicht separat erhalten sind, sondern nur der Gesamtdrehimpuls J.
30.8
Elektron im Magnetfeld
F¨ ur ein spinloses Teilchen wurden in der Klein-Gordon-Gleichung bei Einschalten eines ¨ außeren elektromagnetischen Feldes der Vierer-Impulsoperator pμ = i∂μ um das Eichpotential verschoben q pμ → pμ − Aμ (x) , c
(30.56)
d.h. die gew¨ ohnliche Ableitung ∂μ wird durch die kovariante Ableitung (30.31) Dμ = ∂μ + i
q Aμ (x) c
(30.57)
250
30 Relativistische Quantenmechanik
ersetzt. Der Spin als (innerer) Drehimpuls ist mit dem Verhalten eines Teilchens unter Drehungen verkn¨ upft, w¨ahrend die elektrische Ladung die St¨ arke charakterisiert, mit der ein Teilchen an ein elektromagnetisches Feld koppelt. Deshalb haben Spin und Ladung eines Teilchens nichts miteinander zu tun. In der Tat k¨ onnen Elementarteilchen unterschiedlichen Spins dieselbe Ladung besitzen. Beispielsweise besitzt das Proton mit onnen Spin 1/2 dieselbe Ladung wie das spinlose Pion π + , siehe Abschnitt 28.8. Wir k¨ deshalb erwarten, dass die Ersetzung (30.56) bei Einschalten eines elektromagnetischen Feldes unabh¨ angig vom Spin der Ladung gilt und somit auch f¨ ur Teilchen mit Spin 1/2. Durch die Ersetzung ∂μ → Dμ erh¨alt man aus der Dirac-Gleichung eines freien Teilchens (30.40) die Dirac-Gleichung einer Punktladung q in einem ¨ außeren elektromagnetischen Feld Aμ (x) / − mc Ψ(x) = 0 , iD
Diese Gleichung enth¨alt die allgemeinst m¨ogliche Kopplung eines Dirac-Teilchens der Masse m und der Ladung q an ein ¨außeres elektromagnetisches Feld Aμ (x). Schreiben wir diese Gleichung in der Form der zeitabh¨angigen Schr¨ odinger-Gleichung (30.35), so finden wir f¨ ur den Dirac-Hamilton-Operator h = cα·π + βmc2 + qΦ ,
(30.58)
wobei Φ das skalare Potential und q π =p− A c der Operator des kinetischen Impulses ist. Das skalare Potential Φ = A0 geht wie ein gew¨ ohnliches Potential in den Hamilton-Operator (30.58) ein. Deshalb beschr¨ anken wir uns im Folgenden auf eine Punktladung in einem ¨ außeren Magnetfeld und setzen Φ = 0. In vielen praktischen Anwendungen kann das a ¨ußere Magnetfeld, das auf die Elektronen wirkt, in guter N¨aherung als konstant angenommen werden. F¨ ur ein (raumzeitlich) konstantes Magnetfeld B = const. l¨ asst sich die Dirac-Gleichung genau wie die Schr¨ odinger-Gleichung analytisch l¨osen. Dazu benutzen wir die Dirac-Gleichung in Form der zeitabh¨angigen Schr¨odinger-Gleichung (30.35), wobei der Dirac-Hamiltonian nach (30.58) f¨ ur Φ = 0 durch h = cα·π + βmc2
(30.59)
gegeben ist. Da h zeitunabh¨angig ist, k¨onnen wir die zeitabh¨ angige Dirac-Gleichung (30.35) mit dem Ansatz (30.37) auf die station¨ are Gleichung (30.38) h(x)Φ(x) = EΦ(x)
30.8 Elektron im Magnetfeld
251
reduzieren, wobei Φ(x) ein Dirac-Spinor ist, den wir durch zwei gew¨ ohnliche (zweikomponentige) Spinoren φ, χ ausdr¨ ucken φ Φ= . (30.60) χ In der Darstellung (30.34) 0 σ α= , σ 0
β=
½ 0 0 −½
zerf¨ allt die station¨are Dirac-Gleichung in ein System von zwei gekoppelten Gleichungen f¨ ur φ und χ c σ·π χ = (E − mc2 )φ , c σ·π φ = (E + mc2 )χ . Wir l¨ osen die zweite Gleichung nach χ auf χ=
1 σ·π φ E + mc2
(30.61)
und setzen diesen Ausdruck in die erste Gleichung ein c2 (σ·π)2 φ = (E − mc2 )(E + mc2 )φ .
(30.62)
Damit haben wir die Dirac-Gleichung auf eine Gleichung f¨ ur den zweikomponentigen Spinor φ reduziert. Diese Gleichung l¨asst sich weiter vereinfachen, wenn man die Eigenschaften der Pauli-Matrizen {σ i , σ j } = 2δ ij ,
[σ i , σ j ] = 2iijk σ k
benutzt, woraus σi σj =
1 ' i j( 1 " i j# σ ,σ + σ , σ = δ ij + iijk σ k 2 2
folgt. Multiplizieren wir diese Identit¨at mit den Koordinaten zweier beliebiger Vektoren a und b, so finden wir (a·σ)(σ·b) = a·b + i(a × b)·σ .
Setzen wir in dieser Beziehung a = b = π, so erhalten wir: (σ·π)(σ·π) = π 2 + iσ·(π × π) .
(30.63)
252
30 Relativistische Quantenmechanik
F¨ ur A = 0 verschwindet das Vektorprodukt π × π nicht q q ∇− A × ∇− A φ π×πφ = i c i c q (∇ × A + A × ∇) φ =− i c q =− ((∇ × A) − A × ∇ + A × ∇) φ i c q q = i (∇ × A) φ = i Bφ . c c Somit erhalten wir: q (σ·π)2 = π 2 − σ·B . c Mit dieser Beziehung vereinfacht sich die Gleichung (30.62) zu q c2 π 2 − σ·B φ = E 2 − (mc2 )2 φ . c
(30.64)
(30.65)
Zweckm¨ aßigerweise legen wir die Quantisierungsachse des Drehimpulses in Richtung des (konstanten) qB-Feldes. Dann gilt qσ·B = |q|Bσ3 ,
B = |B| .
Die Eigenfunktionen von σ3 kennen wir bereits σ = ±1
σ3 χσ = σχσ , mit χ1 =
1 , 0
χ−1 =
0 . 1
Mit dem Separationsansatz φ(x) = ϕσ (x)χσ ,
(30.66)
wobei ϕσ (x) eine gew¨ohnliche skalare Wellenfunktion ist, reduziert sich dann die DiracGleichung (30.65) auf (30.67) c2 π 2 ϕσ (x) = E 2 − (mc2 )2 + σ|q|B ϕσ (x) . Diese Gleichung hat dieselbe mathematische Struktur wie die nichtrelativistische Schr¨ odinger-Gleichung f¨ ur eine Punktladung im homogenen Magnetfeld (23.33) π 2 ϕN R (x) = 2mE N R ϕN R (x) ,
(30.68)
deren L¨ osungen die Landau-Niveaus sind, die wir bereits in Kap. 23 gefunden haben. Zur Unterscheidung von dem Dirac-Teilchen haben wir die nichtrelativistischen Energieeigenwerte und Wellenfunktionen mit einem Index N R“ gekennzeichnet. Vergleich von ”
30.8 Elektron im Magnetfeld
253
Gl. (30.67) und (30.68) liefert f¨ ur die Eigenenergien des Dirac-Teilchens im konstanten Magnetfeld B: E 2 = (mc2 )2 − σc|q|B + 2mc2 E N R ,
(30.69)
w¨ahrend die Wellenfunktionen ϕσ (x) der oberen Komponenten des Dirac-Spinors (siehe Gln. (30.60), (30.66)) dieselbe ist wie die Wellenfunktion des entsprechenden nichtrelativistischen Landau-Niveaus σ = ±1 .
ϕσ (x) = ϕN R (x) ,
(30.70)
Die nichtrelativistischen Landau-Niveaus E N R hatten wir in Abschnitt 23.4.1 auf eichinvariante Weise bestimmt:
E N R = Ek + En⊥ , Ek
(k )2 , = 2m
En⊥
1 = ωc n + , 2
ωc =
|q|B , mc
(30.71)
wobei k der Impuls der Punktladung parallel zur Richtung des B-Feldes und n = 0, 1, 2, . . . die Quantenzahl eines eindimensionalen harmonischen Oszillators in der Ebene senkrecht zum B-Feld ist. Mit (30.71) erhalten wir aus (30.69) f¨ ur die relativistischen Landau-Niveaus: E 2 = (mc2 )2 + c2 (k )2 + |q|Bc(2n + 1 − σ) .
(30.72)
Der erste Term ist die Ruheenergie, der zweite die kinetische Energie f¨ ur die (freie) Bewegung parallel zum B-Feld und der letzte Term die Energie der Bewegung in der Ebene senkrecht zum B-Feld. Nur dieser Term h¨ angt vom B-Feld ab. Ziehen wir die Wurzel aus (30.72), so erhalten wir die Energieeigenwerte des Dirac-Hamilton-Operators (30.59) 8 (30.73) E = ± (mc2 )2 + c2 (k )2 + |q|Bc(2n + 1 − σ) =: ±Eσnk . W¨ahrend die Energieeigenwerte E N R und somit E eichinvariant sind, h¨ angen die Wellenfunktionen von der Eichung ab. Ferner sind die Landau-Niveaus unendlichfach entartet. Je nach der gew¨ahlten Eichung besitzt die Oszillatorquantenzahl n eine andere Interpretation und der Entartungsgrad zeigt sich in unterschiedlicher Form, d.h. in unterschiedlichen Quantenzahlen. Zweckm¨aßigerweise legen wir qB in Richtung der zAchse. W¨ ahlen wir die Coulomb-Eichung und das Eichpotential in der asymmetrischen Form A = Bxey ,
(30.74)
254
30 Relativistische Quantenmechanik
so ist die nichtrelativistische Wellenfunktion der Punktladung q durch (siehe Abschnitt 23.4.2) ϕN R (x) ≡ ϕN R (x, y, z) = eik⊥ y+ik z x − x0 |n =: ϕnk⊥ k (x)
(30.75)
gegeben, wobei |n die gew¨ohnlichen Eigenfunktionen des eindimensionalen harmonischen Oszillators sind, (siehe Gln. (13.52), (13.64), (13.65)), der bei
x0 =
ck⊥ |q|B
lokalisiert ist und mit der Zyklotronfrequenz ωc (30.71) schwingt. In der Ortsdarstellung sind diese Funktionen durch die Hermite-Polynome Hn (Q) gegeben, siehe Gl. (13.65) 1 2 1 Hn (Q)e− 2 Q , x − x0 |n = ϕn (Q) = & √ 2n n!xc π
wobei
Q=
x − x0 xc
(30.76)
und 3 xc =
= mωc
;
c |q|B
orige Oszillatorl¨ange ist. die zu ωc geh¨ F¨ ur die oberen Komponenten (30.66) der zugeh¨ origen Wellenfunktionen (Dirac-Spinoren) (30.60) finden wir aus (30.70) und (30.75) φσnk⊥ ,k (x) = χσ ϕnk⊥ k (x) . Die zugeh¨ origen unteren Komponenten ergeben sich dann aus (30.61) mit E = ±Eσnkn (30.73) und der expliziten Form (30.74) des Eichpotentials, f¨ ur welches π = p − qB c xey .
30.8 Elektron im Magnetfeld
255
Dies f¨ uhrt auf die folgenden vier orthogonalen Dirac-Spinor-Wellenfunktionen ⎛ ⎞ 1 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ 0 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎟ (±) (±) ⎜ ck ⎜ ⎟ ϕnk⊥ k (x) , ψσ=1,nk⊥ k (x) = N1 ⎜ ⎟ 2 ⎜ ⎟ ±E1,nk + mc ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ d ⎝ c dx + qB(x − x0 ) ⎠ −i ±E1,nk + mc2 ⎛
0
⎞
⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ 1 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ d (±) (±) ⎜ c − qB(x − x ) 0 ⎟ ϕnk k (x) . ψσ=−1,nk⊥ k (x) = N−1 ⎜−i dx ⊥ ⎟ ⎜ ±E−1,nk + mc2 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎝ ⎠ ck − 2 ±E−1,nk + mc
(30.77)
(±)
Der Einfachheit halber haben wir hier qB > 0 vorausgesetzt. Ferner sind N±1 Normie(±) rungskonstanten. Die ψσnk⊥ k geh¨oren zu den Energieeigenwerten E = ±Eσnk . Die Ableitung, siehe Gl. (30.76), d 1 d = dx xc dQ l¨asst sich elementar mittels der bekannten Beziehung der Hermite-Funktionen (siehe die Formel vor Gl. (13.71)) √ d ϕn (Q) = 2nϕn−1 (Q) − Qϕn (Q) dQ nehmen. Dies liefert mit (30.76) qB d ± (x − x0 ) ϕn (Q) dx c d ± Q ϕn (Q) = xc dQ % $√ = 2nϕn−1 (Q) − Qϕn (Q) ± Qϕn (Q) cc % $√ 2nϕn−1 (Q) − (1 ∓ 1)Qϕn (Q) . = xc
256
30 Relativistische Quantenmechanik
F¨ ur das untere Vorzeichen erhalten wir mit der Beziehung (siehe Kap. 13 vor Gl. (13.70)) √ √ √ 2Qϕn (Q) = n + 1ϕn+1 (Q) + nϕn−1 (Q) den Ausdruck & √ 2nϕn−1 (Q) − 2Qϕn (Q) = − 2(n + 1)ϕn+1 (Q) . Damit finden wir f¨ ur die Wellenfunktionen (30.77) der relativistischen Landau-Niveaus ⎛
⎞
ϕn (Q)
⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ⎟ ik y+ik z ck ⎟e ⊥ , ⎟ ϕ (Q) n ⎟ ±E1,nk + mc2 ⎟ ⎟ √ ⎟ ⎠ 2ncqB −i ϕn−1 (Q) ±E1,nk + mc2 ⎞ ⎛ 0 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ϕn (Q) ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ & ⎟ ik y+ik z ⎜ (±) (±) ⎟e ⊥ ⎜ 2(n + 1)cqB . ψσ=−1,nk⊥ k (x) = N−1,nk ⎜i ⎟ ϕ (Q) n+1 ⎟ ⎜ ±E−1,nk + mc2 ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎠ ⎝ ck ϕ (Q) − n 2 ±E−1,nk + mc ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ (±) (±) ⎜ ψσ=1,nk⊥ k (x) = N1,nk ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎜ ⎝
0
Unter Ber¨ ucksichtigung der Orthonormalit¨at der Oszillatoreigenfunktionen ∞
dx ϕ∗n (Q)ϕm (Q)
−∞
∞ ≡
dx ϕ∗n
−∞
x xc
ϕm
x xc
= δnm
k¨ onnen wir die Wellenfunktionen (30.78) auf
(τ )†
(τ )
d3 xψσ,nk⊥ k (x)ψσ ,n k
⊥k
(x) = δ τ τ δσσ δnn (2π)2 δ(k⊥ − k⊥ )δ(k − k )
normieren. Dies liefert f¨ ur die Normierungskonstanten ; (±) Nσ,nk
=
±Eσnk + mc2 . ±2Eσ,nk
(30.78)
30.9 Der nichtrelativistische Limes der Dirac-Gleichung
30.9
257
Der nichtrelativistische Limes der Dirac-Gleichung: Die Pauli-Gleichung
Im Folgenden wollen wir die Dirac-Gleichung f¨ ur den Fall untersuchen, dass das geladene Teilchen sich langsam bewegt, d.h. dass die kinetische Energie klein ist im Vergleich zur Ruheenergie. Betrachten wir dazu die Dirac-Gleichung bei Anwesenheit eines ¨ außeren elektromagnetischen Feldes: q i∂t Ψ = [cα·(p − A) +βmc2 + qΦ]Ψ . c π
Im nichtrelativistischen Limes ist die gr¨oßte aller Energien auf der rechten Seite dieser Gleichung durch die Ruheenergie mc2 gegeben. Diese Ruheenergie induziert damit die st¨arkste zeitliche Oszillation der Wellenfunktion. Diese Oszillation ist jedoch uninteressant, wenn wir uns f¨ ur die Evolution der Wellenfunktion aufgrund der kinetischen bzw. potentiellen Energie des Teilchens interessieren, die beide klein gegen¨ uber der Ru2 i heenergie im nichtrelativistischen Limes sind. Der uninteressante Phasenfaktor e− mc t ¨ kann von der Wellenfunktion absepariert werden, wenn wir ¨ ahnlich wie beim Ubergang vom Schr¨ odinger-Bild zum Wechselwirkungsbild vorgehen und eine neue Wellenfunktion − i mc2 t φ (30.79) Ψ=e χ definieren. Mit diesem Ansatz nimmt die Dirac-Gleichung unter Benutzung der expliziten Darstellung (30.34) der αi und β die Gestalt φ χ φ 0 i∂t = cσ·π + qΦ − 2mc2 (30.80) χ φ χ χ an. Wie wir sehen, ist es uns gelungen, den Massenterm f¨ ur die oberen Komponenten zu beseitigen. Es tritt jedoch jetzt die doppelte Ruheenergie in der Gleichung f¨ ur die untere Komponente auf, die jedoch klein im Vergleich zur oberen Komponente ist. Dieser Massenterm muss nicht zu einer sehr raschen Oszillation der unteren Komponente f¨ uhren, falls er durch den kinetischen Term, der die große Komponente φ im unteren Teils des Spinors enth¨alt, kompensiert wird. Unter den Voraussetzungen (im Sinne der Vektornorm) i∂t χ 2mc2 χ ,
Φχ 2mc2 χ
(30.81)
f¨ uhrt die untere Komponente der Dirac-Gleichung (30.80) auf die Beziehung χ=
σ·π φ. 2mc
(30.82)
F¨ ur kleine Geschwindigkeiten v = π/m, |v| c, ist die untere Komponente χ gegen¨ uber der oberen Komponente φ mit dem Faktor |v|/c unterdr¨ uckt. Somit ist die untere Komponente χ in der Tat klein gegen¨ uber der oberen Komponente φ, was die
258
30 Relativistische Quantenmechanik
Bezeichnung von χ als kleine Komponente rechtfertigt. Wenn wir ferner die zeitliche Ableitung der Gl. (30.82) nehmen, so erkennen wir, dass in der Tat ∂t χ ∼
v ∂t φ c
¨ eine kleine Gr¨ oße ist, da die Ruhemasse mc2 nicht zur zeitlichen Anderung von φ beiaherte L¨ osung tr¨ agt und somit die Voraussetzung (30.81) i∂t χ 2mc2 χ durch die gen¨ (30.82) erf¨ ullt wird. Setzen wir die Beziehung (30.82) in die Gleichung f¨ ur die obere Komponente in (30.80) ein, so nimmt diese die Gestalt (σ·π)(σ ·π) ∂ + qΦ φ (30.83) i φ = ∂t 2m an. F¨ ur ein verschwindendes Vektorpotential A = 0 =⇒ π = p reduziert sich diese Gleichung auf die gew¨ohnliche (nichtrelativistische) Schr¨ odinger-Gleichung 2 p + qΦ φ , i∂t φ = 2m die f¨ ur jede Komponente des Spinors φ1 φ= φ2 unabh¨ angig erf¨ ullt sein muss. F¨ ur A = 0 benutzen wir die Beziehung (30.64) und erhalten f¨ ur den nichtrelativistischen Limes der Dirac-Gleichung (30.83) i∂t φ =
π2 q − σ·B + qΦ φ , 2m 2mc
q π =p− A . c
(30.84)
Diese Gleichung wird als Pauli-Gleichung bezeichnet. Sie beschreibt die Bewegung eines nichtrelativistischen Teilchens mit einem Spin 1/2. Man beachte, dass φ ein zweikomponentiger Spinor ist und den beiden oberen Komponenten des Dirac-Spinors (30.79) entspricht. Bei Abwesenheit eines Magnetfeldes B = 0 gibt es im Hamilton-Operator keine σ-abh¨ angigen Terme, welche die beiden Spinorkomponenten koppeln. Durch den Wegfall der beiden unteren Komponenten χ reduziert sich der Spin-Operator (30.52) auf den nichtrelativistischen Spin S=
σ. 2
Neben dem gew¨ohnlichen kinetischen Term 2 p − qc A π2 = , 2m 2m
(30.85)
30.9 Der nichtrelativistische Limes der Dirac-Gleichung
259
den ein spinloses geladenes Teilchen in einem ¨außeren magnetischen Feld besitzt, tritt in der Pauli-Gleichung noch die Kopplung des Spins an das ¨ außere Magnetfeld auf: q q σ·B = S ·B . 2mc mc
(30.86)
Ein analoger Kopplungsterm zwischen dem Bahndrehimpuls L und Magnetfeld B ist in dem kinetischen Term (30.85) enthalten. Um dies zu erkennen, betrachten wir der Einfachheit halber ein homogenes Magnetfeld B = const, f¨ ur welches wir in Abschnitt 23.3 die Beziehung 2 q2 q q π 2 (x) ≡ p − A(x) ≡ p2 − L·B + 2 A2 (x) c c c abgeleitet hatten. F¨ ur ein schwaches B-Feld kann der letzte Term vernachl¨ assigt werden, so dass q π 2 = p2 − L·B . c Der Hamilton-Operator in der Pauli-Gleichung (30.84) h=
q π2 − σ·B + qΦ(x) 2m 2mc
vereinfacht sich dann zu: h= =
p2 q − (L + σ)·B + qΦ(x) 2m 2mc p2 q − (L + 2S)·B + qΦ(x) . 2m 2mc
Wie wir explizit sehen, koppelt der halbzahlige Spin doppelt so stark an das ¨außere Magnetfeld wie der ganzzahlige Bahndrehimpuls. Diese Tatsache hatten wir bereits in Kap. 15 gefunden. Wie oben gezeigt, folgt sie zwangsl¨ aufig aus der Dirac-Gleichung. Die Kopplung an den Bahndrehimpuls hatten wir in Abschnitt 23.3 in der Form q L·B = μl ·B 2mc
(30.87)
geschrieben, wobei μl =
q L 2mc
(30.88)
das magnetische Moment des Bahndrehimpulses bezeichnet. In Analogie zu Gl. (30.87) schreiben wir den Kopplungsterm (30.86) des Spins an das Magnetfeld in der Form q S ·B = μs ·B , mc
260
30 Relativistische Quantenmechanik
wobei q S mc als magnetisches Moment des Spins bezeichnet wird. μs =
(30.89)
Um das von Spin und Bahndrehimpuls erzeugte magnetische Moment in einer einheitlichen Notation zu erfassen, schreibt man allgemein das magnetische Moment μj , welches durch einen beliebigen Drehimpuls J erzeugt wird, in der Form q J, μj = g j 2mc wobei der Faktor gj als Land´e-Faktor bezeichnet wird. Vergleich mit Gln. (30.88), (30.89) zeigt:17 gl = 1 ,
gs = 2 .
Die oben als nichtrelativistischer Limes der Dirac-Gleichung abgeleitete Pauli-Gleichung ahrend f¨ ur liefert automatisch f¨ ur ein Spin 1/2 den korrekten Land´e-Faktor gs = 2, w¨ einen ganzzahligen (Bahn-)Drehimpuls die nichtrelativistische Beziehung gl = 1 gilt. Zusammenfassend k¨onnen wir feststellen: Eine Punktladung q mit Spin s = 1/2, die sich in einem schwachen homogenen Magnetfeld B = ∇ × A mit Geschwindigkeiten bewegt, die klein gegen¨ uber der Lichtgeschwindigkeit sind, wird durch die Bewegungsgleichung i
2 p q ∂ φ= − (L + 2S)·B + qΦ φ ∂t 2m 2mc
beschrieben, wobei φ1 φ= φ2 ein gew¨ ohnlicher (nichtrelativistischer) Spinor ist (φ1 und φ2 sind die Wellenfunktionen f¨ ur die Spinkomponenten ms = ±1/2) und Φ(x) das skalare Potential ist. Wie die obige Ableitung zeigt, folgt diese Gleichung im nichtrelativistischen Limes aus der Dirac-Gleichung f¨ ur ein schwaches konstantes Magnetfeld, wenn Terme der Ordnung A2 (x) vernachl¨assigt werden k¨onnen. Die Pauli-Gleichung (30.84) hingegen gilt f¨ ur eine nichtrelativistische Ladung in einem beliebigen (auch starken und inhomogenen) Magnetfeld.
30.10
Elektron im Coulomb-Potential
Im Folgenden l¨osen wir die station¨are Dirac-Gleichung (30.38) f¨ ur ein Elektron im Coulomb-Potential des Atomkerns Ze2 (30.90) V (r) = − 4πr 17 Urspr¨ unglich
net.
wurde nur das Verh¨ altnis gs /gl = 2 nach seinem Entdecker als Land´e-Faktor bezeich-
30.10 Elektron im Coulomb-Potential
261
exakt. F¨ ur qΦ = V (r) und A = 0 lautet der Dirac-Hamilton-Operator (30.58) h = cα·p + βmc2 + V (r) .
30.10.1 Punktmasse im Zentralpotential Wir betrachten zun¨achst die station¨are Dirac-Gleichung f¨ ur ein beliebiges (skalares) Potential V (r). Nach Division durch c lautet diese (−iα·∇ + βμ + v(r)) Φ = Φ ,
(30.91)
wobei wir die skalierten Gr¨oßen =
E , c
μ=
mc2 mc = , c
v(r) =
V (r) c
(30.92)
eingef¨ uhrt haben. Zur L¨osung der Dirac-Gleichung (30.91) benutzen wir zweckm¨ aßigerweise die chirale Darstellung der Dirac-Matrizen σ 0 0 −½ α= , β= 0 −σ −½ 0 und dr¨ ucken den Dirac-Spinor durch zwei gew¨ ohnliche (nichtrelativistische) Spinoren φ± aus φ+ , Φ= φ− f¨ ur welche wir dann die gekoppelten Gleichungen ( − v(r) + iσ·∇) φ+ = −μφ− , ( − v(r) − iσ·∇) φ− = −μφ+
(30.93)
erhalten. Vertauschung von φ+ ←→ φ− in diesen Gleichungen ist ¨ aquivalent zur Ersetzung σ → (−σ). Definieren wir die Operatoren Q± := − v(r) ± iσ·∇ ,
(30.94)
so lassen sich die Gleichungen (30.93) in der kompakten Form Q± φ± = −μφ∓
(30.95)
schreiben. Wir multiplizieren diese Gleichung mit Q∓ und erhalten Q∓ Q± φ± = μ2 φ± . Dies sind zwei entkoppelte Gleichungen f¨ ur die Spinoren φ± .
(30.96)
262
30 Relativistische Quantenmechanik
Bemerkung: Die beiden Gleichungen (30.96) sind nicht mehr ¨ aquivalent zur DiracGleichung (30.95).18 Durch die Multiplikation der letzteren mit Q∓ haben wir deren L¨osungen auf den Raum projiziert, der senkrecht auf dem Kern von osung von (30.96), jedoch Q∓ steht. Jede L¨osung von (30.95) ist zwar auch L¨ sind die L¨osungen φ± von (30.96) i.A. noch keine L¨ osungen von (30.95). Wir osungen φ± der entkoppelk¨ onnen jedoch f¨ ur19 μ = 0 sehr einfach aus den L¨ ten Gleichungen (30.96) die L¨osungen der Dirac-Gleichung (30.95) gewinnen, indem wir die L¨osungen φ± von (30.96) auf der linken Seite von (30.95) einsetzen und von der rechten Seite die zugeh¨ origen φ∓ gewinnen. Dies liefert die beiden L¨osungen der Dirac-Gleichung 1 2 1 − μ Q− φ− φ+ ψ= , ψ = , − μ1 Q+ φ+ φ− wobei φ± L¨osungen der Gl. (30.96) sind. Die Operatoren Q± sind zwar hermitesch Q†± = Q± , aber vertauschen nicht miteinander [Q− , Q+ ] = 2 [iσ·∇, v(r)] = 2iσ·∇v(r) . Mit †
(Q∓ Q± ) = Q± Q∓ folgt aus (30.96) die adjungierte Gleichung φ†± Q± Q∓ = μ2 φ†± . Man beachte, dass zu einem rechtsseitigen Eigenvektor φ± der linksseitige Eigenvektor φ∓ geh¨ort. Deshalb muss als Norm φ†∓ φ± gew¨ ahlt werden.
Mit dem expliziten Ausdruck (30.94) f¨ ur Q± lautet Gl. (30.96) 2 2 ( − v(r)) + (σ·∇) ± [iσ·∇ , v(r)] φ± = μ2 φ± . 18 F¨ ur
19 F¨ ur
die Bestimmung der Energieeigenwerte ist dieser Umstand irrelevant. μ = 0 entkoppeln die beiden Gleichungen (30.93).
30.10 Elektron im Coulomb-Potential j
263
ms =
l+
1 2
l−
1 2
−
j+m 2j
1 2
1/2
j−m+1 2j+2
1/2
ms = − 12
j−m 2j
1/2
j+m+1 2j+2
1/2
Tabelle 30.1: Die Clebsch-Gordan-Koeffizienten lml , 12 ms |jm f¨ ur die Kopplung eines Spins s = 1/2 mit dem Bahndrehimpuls l zum Gesamtspin j.
Mit (σ·∇)2 = ∇2 = Δ , ˆ (r) , ∇v(r) = xv
[σ·∇, v(r)] = σ·(∇v(r)) , x x ˆ= = x |x| r
vereinfacht sich diese Gleichung weiter zu % $ ˆ φ± = μ2 φ± . ( − v(r))2 + Δ ± iv (r)x·σ
(30.97)
¨ Uber die Ableitung des Potentials koppelt der Spin an die Bahnbewegung. Bereits f¨ ur ein freies Dirac-Teilchen hatten wir festgestellt, dass Drehimpuls L und Spin S = 2 σ nicht separat erhalten bleiben, sondern nur der Gesamtdrehimpuls J =L+S
(30.98)
erhalten ist. Daran ¨andert sich nichts durch die Anwesenheit des Zentralpotentials V (r), da dieses mit L kommutiert und außerdem unabh¨ angig vom Spin ist. In der Tat zeigt man leicht analog zum Abschnitt 30.7, in welchem [J, α · p] = 0 gezeigt wurde, dass [J, σ·∇] = 0 und somit [J, Q± ] = 0 . Damit lassen sich die Spinorl¨osungen φ± der Dirac-Gleichung durch die Quantenzahlen von J 2 und Jz klassifizieren.
Die Spinorkugelfunktionen Im Folgenden bestimmen wir die Eigenfunktionen zum Gesamtdrehimpuls J J 2 |jm = 2 j(j + 1)|jm , Jz |jm = m|jm .
264
30 Relativistische Quantenmechanik
Wir kennen bereits die Eigenfunktionen des Drehimpulses L2 |lml = 2 l(l + 1)|lml ,
Lz |lml = m|lml ,
die in der Ortsdarstellung durch die Kugelfunktionen ˆ x|lml = Ylm (x) gegeben sind. Ebenso sind die Eigenfunktionen des Spins S 2 |sms = 2 s(s + 1)|sms Sz |sms = ms |sms bekannt; f¨ ur s =
1 2
lauten sie 1 | 12 ms = 12 = , 0
| 12 ms = − 21 =
0 . 1
(30.99)
Durch elementare Drehimpulskopplung, siehe Abschnitt 16.7, k¨ onnen wir hieraus die Eigenfunktionen zum Gesamtdrehimpuls J gewinnen lml , 12 ms |jm|lml | 21 ms , (30.100) |l, jm = ms ,ml
wobei lml , sms |jm die Clebsch-Gordan-Koeffizienten sind. Nach der Dreiecksrelation (16.61) ist die Quantenzahl j auf die Werte j =l±
1 2
beschr¨ ankt. (Wir erinnern hier daran, dass j ≥ 0 und somit f¨ ur l = 0 nur j = m¨ oglich ist.) Die Ortsdarstellung der Drehimpulseigenfunktionen (30.100) l ˆ := x|l, ˆ jm = Yjm (x)
1 2
ˆ 12 ms lml , 21 ms |jmYlml (x)|
ms ,ml
wird als Spinorkugelfunktion bezeichnet. Mit den expliziten Werten der Clebsch-Gordan-Koeffizienten lml , 12 ms |jm (siehe Tabelle 30.1) und der expliziten Form der Spineigenfunktionen (30.99) erhalten wir f¨ ur die Spinorkugelfunktionen ⎞ ⎛√ j + m Yj− 12 ,m− 12 1 1 l=j− ⎠, Yjm 2 = √ ⎝ √ 2j 1 j−m Y 1 j− 2 ,m+ 2
l=j+ 12
Yjm
⎞ ⎛ √ − j − m + 1 Yj+ 12 ,m− 12 1 ⎠ . ⎝ =√ √ 2j + 2 j + m + 1 Yj+ 12 ,m+ 12
30.10 Elektron im Coulomb-Potential
265
l ˆ = Per Konstruktion sind die Yjm (x) 2 2 2 J , Jz , L , S (jedoch nicht von Lz , Sz )
x|l, jm Eigenfunktionen von
J 2 |l, jm = 2 j(j + 1)|l, jm , Jz |l, jm = m|l, jm , L2 |l, jm = 2 l(l + 1)|l, jm , S 2 |l, jm = 2 12 12 + 1 |l, jm , und erf¨ ullen die Orthonormierungsbedingung l∗ l, jm|l , j m = dΩ Yjm (Ω)Yjl m (Ω) = δll δjj δmm .
(30.101)
(30.102)
Beachten wir, dass [Lk , Sl ] = 0 (da die Operatoren Lk und Sk in unterschiedlichen Hilbertr¨aumen wirken), erhalten wir durch Quadrieren von Gl. (30.98) σ·L = 2S ·L = J 2 − L2 − S 2 und somit aus Gl. (30.101) 3 2L·S|l, jm = 2 j(j + 1) − l(l + 1) − |l, jm . 4 Weitere n¨ utzliche Beziehungen der Ortsdarstellung der Spinorkugelfunktionen, die wir ohne Beweis angeben, sind j± 1
j∓ 1
2 ˆ = −Yjm 2 (x) ˆ , ˆ x·σY jm (x) 1 1 j± 2 j∓ 1 ˆ = ∓ j + ± 1 Yjm 2 (x) ˆ . rσ·∇Yjm (x) 2
(30.103)
30.10.2 Lo¨sung der Dirac-Gleichung fu ¨ r das Coulomb-Potential Die obigen Umformungen gelten allgemein f¨ ur beliebige Zentralpotentiale. Wir betrachten jetzt das Coulomb-Potential (30.90), f¨ ur das v(r) = −
Zα . r
Hierbei ist α die Feinstrukturkonstante α=
μ e2 = , 4πc a
(30.104)
266
30 Relativistische Quantenmechanik
wobei μ die skalierte Masse (30.92) und a der Bohr’sche Atomradius (19.7) ist. Wie f¨ ur Zentralpotentiale u ucken wir den Laplace-Operator in Kugelkoordinaten aus ¨ blich dr¨ (18.7) Δ=
L2 1 2 ∂r r − 2 2 r r
und erhalten aus Gl. (30.97) nach elementaren Umformungen K± Zα 1 φ± = 2 − μ2 φ± , − ∂r2 r + 2 − 2 r r r
(30.105)
wobei wir die Abk¨ urzung K± =
1 2 ˆ L − Z 2 α2 ∓ iZαx·σ 2
(30.106)
eingef¨ uhrt haben.20 Dieser Operator kommutiert mit s¨ amtlichen Operatoren in den Klammern von Gl. (30.105). Die L¨osungen dieser Gleichungen k¨ onnen deshalb als Eigenuhren vektoren von K± gew¨ahlt werden, die sich algebraisch bestimmen lassen. Dazu f¨ wir zun¨ achst den Operator ˆ Λ± = M ± iZαx·σ
(30.107)
mit M =1+
1 L·σ
ein. Durch elementare Rechnungen zeigt man unter Ausnutzung der Kommutationsbeziehung (16.8) und der Eigenschaften der Pauli-Matrizen, dass ˆ ˆ =0. x·σM + M x·σ 2 ˆ Mit dieser Beziehung und (x·σ) = 1 folgt
Λ2± = M 2 − (Zα)2 . Unter Ausnutzung von Gl. (30.63) und der Drehimpulsalgebra (16.7) findet man (L·σ)2 = L2 − L·σ , womit M2 = M +
L2 2
20 Wird der letzte Term ∼ x·σ ˆ in K± vernachl¨ assigt, geht Gleichung (30.105) in die Klein-GordonGleichung f¨ ur eine Punktladung q = −e im elektrostatischen Coulomb-Potential u ¨ ber. Dies ist nicht verwunderlich, da dieser Term gerade die gesamte Kopplung der Bahnbewegung an den Spin enth¨ alt.
30.10 Elektron im Coulomb-Potential
267
folgt. Damit gilt Λ2± =
L2 − (Zα)2 + M , 2
(30.108)
woraus mit (30.107) unmittelbar Λ± (Λ± − 1) = Λ2± − Λ± =
L2 ˆ = K± − (Zα)2 ∓ iZαx·σ 2
(30.109)
folgt. Damit lassen sich die Eigenwerte von K± durch die von Λ± ausdr¨ ucken. Letztere lassen sich aber sehr einfach ermitteln. Wir bestimmen zun¨ achst die Eigenwerte des Operators Λ2± (30.108), den wir in der Form # 1 " (L + S)2 − S 2 + 1 − (Zα)2 2 1 1 = 2 J 2 + − (Zα)2 4
Λ2± =
schreiben. Hierbei haben wir S = σ/2 und S 2 = 2 s(s + 1) = 32 /4 benutzt. Da die Eigenfunktion |φ± ≡ |φ± (jm) guten Gesamtdrehimpuls besitzt J 2 |φ± (jm) = 2 j(j + 1)|φ± (jm) finden wir
1 Λ2± |φ± (jm) = j(j + 1) + − (Zα)2 |φ± (jm) 4
2 1 2 − (Zα) |φ± (jm) . = j+ 2
Die Eigenwerte von sowohl Λ+ als auch Λ− lauten deshalb ; 2 1 − (Zα)2 . ± j+ 2 Nach (30.109) ergeben sich dann die Eigenwerte von K± |φ(jm) = k(j)|φ(jm) zu
; k(j) =
1 j+ 2
2
⎞ ⎛; 2 1 − (Zα)2 ⎝ − (Zα)2 ± 1⎠ . j+ 2
(30.110)
Man beachte, dass diese Eigenwerte f¨ ur die beiden Matrizen K+ (j) und K− (j) dieselben sind.21 (Ihre Eigenvektoren sind jedoch verschieden.) 21 Das
tun!
± Zeichen in der zweiten Klammer von Gl. (30.110) hat nichts mit dem Index ± von K± zu
268
30 Relativistische Quantenmechanik
Bemerkung: Die Eigenwerte von K± (30.106) lassen sich auch sehr leicht durch Diagonalisierung im Raum der Spinorkugelfunktionen (30.100) finden: Die Beziehung (30.103) zeigt, dass der Operator K± (30.106) in der Basis der Spinorkugelfunktionen nicht diagonal ist. Die u ¨ brigen Terme in der DiracGleichung (30.105) h¨angen weder vom Drehimpuls L noch vom Spin σ, sondern allein vom Radius r = |x| ab. Die Matrix K± kann deshalb separat im Raum der Spinorkugelfunktionen (30.100) diagonalisiert werden. Unter Benutzung der Eigenwertgleichungen (30.101) und der Beziehungen (30.103) und (30.102) finden wir f¨ ur die Matrixelemente dieses Operators " # l, jm|K± |l , j m = δjj δmm δll l(l + 1) − Z 2 α2 ± iZα (δl,l +1 + δl,l −1 ) =: δjj δmm (K± (j))ll .
(30.111)
Diese Matrixelemente sind unabh¨angig von der Projektion des Drehimpulses m. F¨ ur festes j, m m¨ ussen wir deshalb die (2 × 2)-Matrix (30.111) in den Indizes l, l = j ∓ 21 j − 12 j + 12 − Z 2 α2 ±iZα a ±ib K± (j) = =: ±ib c ±iZα j + 12 j + 32 − Z 2 α2 diagonalisieren. Die Eigenwerte dieser Matrix lauten ; 2 a−c a+c ± − b2 k(j) = 2 2 ; 2 2 1 1 = j+ − Z 2 α2 ± − Z 2 α2 j+ 2 2 ⎛; ⎞ ; 2 2 1 1 = − Z 2 α2 ⎝ − Z 2 α2 ± 1⎠ j+ j+ 2 2 und stimmen mit den in Gl. (30.110) gegebenen Ausdr¨ ucken u ¨ berein.
Die Eigenwerte (30.110) lassen sich in der Form k(j) = λ(λ + 1)
(30.112)
schreiben mit 1 λ = j ± − δj , 2
1 δj = j + − 2
; 2 1 − Z 2 α2 . j+ 2
30.10 Elektron im Coulomb-Potential
269
Beachten wir, dass l=j±
1 2
(30.113)
die beiden m¨ oglichen Drehimpulsquantenzahlen f¨ ur gegebenes j sind, so haben wir λ = l − δj .
(30.114)
Wir k¨ onnen deshalb die beiden Eigenwerte k(j) (30.112), (30.114) der Matrix K± durch die Quantenzahl l (30.113) charakterisieren k(j) ≡ k(jl). Die zugeh¨ origen Eigenvektoren ugen der bezeichnen wir mit |φ± (jl). Sie sind zwei komponentige Spinoren und gen¨ Eigenwertgleichung K± |φ± (jl) = λ(λ + 1)|φ± (jl) . Mit dem Ansatz φ± (x) =
1 ± ˆ ± (jl) u (r)x|φ r jl
reduziert sich Gl. (30.105) auf die Radialgleichung λ(λ + 1) Zα ujl (r) = 2 − μ2 ujl (r) . − 2 −∂r2 + 2 r r
(30.115)
Die l-Abh¨ angigkeit des Ausdruckes auf der linken Seite entsteht durch die Gr¨ oße λ (30.114). Diese Gleichung hat dieselbe Form wie die radiale Schr¨ odinger-Gleichung f¨ ur ein Elektron im Coulomb-Potential (19.11) l(l + 1) Zα ˜ 2m ˜ u ˜l (r) . μ u˜l (r) = 2 E − 2 (30.116) −∂r2 + 2 r r Aus didaktischen Gr¨ unden haben wir hier die Feinstrukturkonstante mit α ˜ statt α bezeichnet und auch die Energieeigenwerte sowie die Radialwellenfunktion mit einer Tilde versehen. Der Operator auf der linken Seite der Schr¨ odinger-Gleichung (30.116) geht in den der Dirac-Gleichung (30.115) u ¨ ber, wenn wir folgende Ersetzungen l→λ,
α ˜=α
=α μ mc
vornehmen, mit denen dann die Beziehungen 2 − μ2 =
2m ˜ E, 2
ujl (r) = u˜λ (r)
(30.117)
folgen. Die radiale Schr¨ odinger-Gleichung (30.116) konnten wir durch den Potenzreihenansatz (19.15), (19.16) u˜l (r) ∼ rl+1 e−κr
k max k=0
ck r k ,
κ=
1& ˜ −2mE
270
30 Relativistische Quantenmechanik
l¨ osen, wobei f¨ ur gebundene Zust¨ande wegen ihrer Normierbarkeit die Potenzreihe bei einem endlichen kmax abbrechen musste, was auf die Abbruchbedingung Zα ˜μ ! = kmax + l + 1 =: n κ
(30.118)
˜ darstellt und aus der die f¨ uhrte, die eine Quantisierungsbedingung an die Energien E quantisierten Energieeigenwerte Z2 ˜n = − 1 mc2 α ˜2 2 E 2 n
(30.119)
folgten. In analoger Weise k¨onnen wir die radiale Dirac-Gleichung (30.115) durch den Ansatz ujl (r) ∼ rλ+1 e−κr
k max
ck r k
(30.120)
k=0
l¨ osen, was analog zur Gleichung (30.118) auf die Abbruchbedingung Zα ˜μ ! = kmax + λ + 1 = kmax + l − δj + 1 = n − δj =: n ˜ κ
(30.121)
f¨ uhrt, wobei wir den expliziten Ausdruck (30.114) f¨ ur λ sowie die Definition (30.118) ˜n˜ , von n benutzt haben. Diese Quantisierungsbedingung liefert die Energieeigenwerte E die aus Gl. (30.119) durch die Ersetzung n → n ˜ hervorgehen. Aus Gl. (30.117) finden wir dann f¨ ur die quantisierten Energien der Dirac-Gleichung 2 = μ2 +
2m ˜ En˜ . 2
F¨ ur die nicht skalierte Energie (30.92) finden wir hieraus mit den expliziten Ausdr¨ ucken ˜n˜ (30.119) und n f¨ ur E ˜ (30.121)
Enj = mc
2
1+ ⎡
Zα n − δj
2 − 12
⎛
⎢ = mc2 ⎣1 + ⎝
Zα 8 2 j + 12 − (Zα)2 n − j + 12 +
⎞2 ⎤− 12 ⎠ ⎥ ⎦ .
(30.122)
Im Gegensatz zu den nichtrelativistischen Energien (30.119) h¨ angen die relativistischen Energieeigenwerte (30.122) neben der Hauptquantenzahl n auch vom Gesamtdrehimpuls j ab. Sie h¨ angen jedoch nicht zus¨atzlich von der Drehimpulsquantenzahl l ab.
30.10 Elektron im Coulomb-Potential
271
n
l
j
1s1/2
1
0
1 2
2s1/2
2
0
1 2
2p1/2
2
1
1 2
2p3/2
2
1
3 2
Enj /(mc2 ) & 1 − (Zα)2 68
1+
√
1−(Zα)2 2
& 4 − (Zα)2
Tabelle 30.2: Die untersten Energieniveaus im Coulomb-Potential.
5 p3/2
n=3 s1/2
p1/2
s1/2
p3/2 p1/2
d5/2 d3/2
n=2
s1/2
n=1
Abb. 30.3: Schematische Darstellung der Elektronenniveaus des Wasserstoffatoms gem¨ aß der L¨ osung der Dirac-Gleichung f¨ ur die Hauptquantenzahlen n = 1, 2 und 3.
Die Aufspaltung der Energieniveaus mit verschiedenen j zum selben n wird durch die 2 ˆ Spin-Bahn-Kopplung ∓iZαx·σ/r in der Dirac-Gleichung (30.105), (30.106) hervorgerufen und als Feinstrukturaufspaltung bezeichnet. Wie aus Gl. (30.122) ersichtlich, liegen f¨ ur festes n die Zust¨ande mit gr¨oßeren j generell energetisch h¨ oher. Da die Quantenzahl l = j ± 21 die Werte l = 0, 1, . . . , n − 1 annimmt (siehe Gl. (30.118)), ergeben sich f¨ ur den Gesamtdrehimpuls j = l ∓ Werte j=
1 2
die
1 1 3 , ,· · ·, n − . 2 2 2
Jedes Energieniveau Enj ist (2j + 1)-fach in der Drehimpulsprojektion entartet. Dies ist die u ¨ bliche Konsequenz der Rotationsinvarianz des Hamilton-Operators, [J, h] = 0. Das exakte Spektrum der Dirac-Gleichung (30.122) ist in Abb. 30.3 f¨ ur die Hauptquantenzahlen n = 1, 2, 3 illustriert. Dabei ist f¨ ur die Quantenzahl l, siehe Gl. (30.113), die
272
30 Relativistische Quantenmechanik Schr¨odingerGleichung
Feinstruktur (Dirac-Gl.)
Lamb-Shift
Hyperfeinstruktur
n = 2, l = 0, 1 2p3/2
2s1/2 2s1/2, 2p1/2
2p1/2
Abb. 30.4: Schematische Darstellung der verschiedenen Beitr¨ age zu den Energieniveaus des Elektrons im Wasserstoffatom. Die Lamb-Shift-Aufspaltung wurde zur besseren Darstellung um einen Faktor 2, die Hyperfeinstrukturaufspaltung um einen Faktor 4 gegen¨ uber der Feinstrukturaufspaltung vergr¨ oßert.
u ur den Drehimpuls benutzt worden, d.h. die Quan¨bliche spektroskopische Notation f¨ tenzahlen l = 0, 1, 2 sind mit den Buchstaben s, p und d bezeichnet. Wir betonen jedoch, dass die Eigenzust¨ande der Dirac-Gleichung keinen guten Drehimpuls tragen und die in Gl. (30.113) eingef¨ uhrte Quantenzahl l formal nur der Unterscheidung der beiden ur Eigenwerte der Matrix K± dient. Dass sie dieselben Werte wie der Bahndrehimpuls f¨ ein Teilchen mit Spin 12 bei vorgegebenen Gesamtdrehimpuls j annimmt, ist als Zufall zu betrachten. Im nichtrelativistischen Limes hingegen, wird l die Quantenzahl des dann erhaltenen Bahndrehimpuls. Schließlich geben wir in Tabelle 30.2 die analytischen Ausdr¨ ucke der niedrigsten Energieeigenwerte an. Die Energie des Grundzustandes verschwindet f¨ ur Z = 1/α 137 . Die Bindungsenergie durch das Coulomb-Potential ist dann so groß wie die Ruheenergie. F¨ ur Z > 1/α wird die Energie des Grundzustandes imagin¨ ar, was auf eine Instabilit¨ at des Vakuums (d.h. des besetzten Dirac-Sees) bei Anwesenheit starker elektrischer Felder hindeutet. F¨ ur real existierende Kerne ist jedoch α · Z < 1. Dar¨ uber hinaus besitzen reale Kerne eine endliche Ausdehnung. Wird diese im Coulomb-Potential ber¨ ucksichtigt, verschiebt sich das kritische Z zu gr¨oßeren Werten. Die L¨ osungen der Dirac-Gleichungen liefern noch nicht die experimentellen Elektronenniveaus. Diese werden noch durch die Anregung virtueller Elektron-Positron-Paare verschoben. Diese sogenannte Lamb-Shift wird im Rahmen der Quantenfeldtheorie erkl¨ art und f¨ uhrt zu einer Aufspaltung der Niveaus mit verschiedenem Gesamtdrehimpuls j einer Hauptschale n. Dar¨ uber hinaus wechselwirken die Elektronen noch mit dem magnetischen Moment der Atomkerne, was zur sogenannten Hyperfeinstrukturaufspaltung f¨ uhrt. Der Effekt der verschiedenen Beitr¨age zu den Elektronenniveaus ist schematisch in Abb. 30.4 f¨ ur die Hauptschale n = 2 dargestellt.
30.10 Elektron im Coulomb-Potential 2s, 2p
273
2p3/2 2p 10.9 GHz
2s1/2, 2p1/2 29.2 GHz
2s Schr¨odinger
Dirac
Klein-Gordon
Abb. 30.5: Vergleich der (n = 2)-Energieniveaus von Schr¨ odinger-, Dirac- und Klein-GordonGleichung.
Entwicklung des Ausdruckes (30.122) nach Potenzen von Zα liefert 7 1 (Zα)4 3 (Zα)2 2 6 Enj = mc 1 − . − − + O (Zα) 2n2 2n3 4n j + 12 Der erste Term ist hier die Ruheenergie, der zweite liefert die nichtrelativistischen Energieeigenwerte der Schr¨odinger-Gleichung, alle weiteren Terme sind relativistische Korrekturen. Abb. 30.5 zeigt die Energieniveaus der (n = 2)-Hauptschale, die durch L¨osen der Schr¨ odinger-, Dirac- und Klein-Gordon-Gleichung erhalten werden. In der Schr¨ odinger-Theorie fehlt die Aufspaltung der 2s-, 2p-Niveaus, sie liegen jedoch dichter an dem Ergebnis der Dirac-Theorie als die der Klein-Gordon-Gleichung. Die radiale Wellenfunktion der Dirac-Gleichung (30.115) l¨ asst sich analog zu der Schr¨ odinger-Gleichung (30.116) durch einen Potenzreihenansatz (30.120) mit der Abbruchbedingung (30.121) bestimmen. Darauf soll jedoch hier verzichtet werden. Abschließend sei bemerkt, dass auch die Dirac-Gleichung im Rahmen der gew¨ ohnlichen Quantenmechanik noch zu weiteren Inkonsistenzen f¨ uhrt. Als Beispiel sei das Klein’sche Paradoxon genannt: In gewissen Situationen (Potentialschwellen in der Gr¨ oßenordnung der Ruheenergie) liefert die Dirac-Gleichung Transmissionskoeffizienten, die gr¨ oßer als eins sind, was als Hinweis auf Paarerzeugung verstanden werden kann. Die Existenz von Antiteilchen und die damit verbundene Paarerzeugung und -vernichtung l¨ asst sich jedoch nicht im Rahmen einer Einteilchen-Quantenmechanik beschreiben, sondern erfordert eine relativistische Vielteilchentheorie, die durch die Quantenfeldtheorie geliefert wird. Sie vereinheitlicht die Quantentheorie mit der speziellen Relativit¨ atstheorie und bildet die Grundlage f¨ ur die Theorie der Elementarteilchen.
31
Vielteilchensysteme
¨ Unsere bisherigen Uberlegungen waren auf die Beschreibung eines einzelnen quantenmechanischen Teilchens gerichtet. Im Folgenden wollen wir nun Quantensysteme aus mehreren Teilchen untersuchen.
31.1
Unterscheidbare Teilchen
Wir betrachten zun¨achst ein System aus zwei verschiedenen Teilchen, z.B. ein Elektron und ein Neutron. Das Elektron besitzt nur elektromagnetische Wechselwirkung, jedoch keine starke Wechselwirkung, w¨ahrend das Neutron nur starke, jedoch keine elektromagnetische Wechselwirkung besitzt. Sehen wir von der Mikrostruktur des Neutrons ab, so sollten diese beiden Teilchen nicht miteinander wechselwirken. Der Hamilton-Operator eines einzelnen Teilchens habe die u ¨bliche Form H (i) =
p2i + V (i) (xi ) , 2mi
i = 1, 2
und besitze die Eigenzust¨ande |νi (i) (i) H (i) |νi (i) = (i) , νi |νi
wobei f¨ ur den Zustandsvektor |νi (i) der Superskript (i)“ den Hilbert-Raum des i” ten Teilchens bezeichnet, w¨ahrend νi“ f¨ ur einen vollst¨ andigen Satz von Einteilchen” Quantenzahlen des i-ten Teilchens steht. Falls keine Wechselwirkung zwischen den Teilchen besteht, so ist der Hamilton-Operator des Zweiteilchen-Systems offenbar H = H (1) + H (2) .
(31.1)
Dementsprechend ist die Wellenfunktion des Zweiteilchen-Systems |ν1 , ν2 durch das Produkt |ν1 , ν2 = |ν1 (1) |ν2 (2) der Einteilchenwellenfunktionen gegeben. Anwendung des Gesamt-Hamilton-Operators auf die Produktwellenfunktion liefert in der Tat H|ν1 , ν2 = (H (1) + H (2) )|ν1 (1) |ν2 (2) = H (1) |ν1 (1) |ν2 (2) + |ν1 (1) H (2) |ν2 (2) (2) (1) = ((1) |ν2 (2) ν1 + ν2 )|ν1 (2) = ((1) ν1 + ν2 )|ν1 , ν2 .
276
31 Vielteilchensysteme
Entsprechend der Produktform der Wellenfunktion ist der Hilbert-Raum des Zweiteilchen-Systems durch das Tensorprodukt der Hilbert-R¨ aume der beiden Teilchen gegeben. W¨ ahrend die H (i) Operatoren auf (i) sind, ist der Hamilton-Operator des ZweiteilchenSystems H ein Operator auf dem Gesamt-Hilbert-Raum = (1) ⊗ (2) , wobei ⊗ das Tensorprodukt bezeichnet, siehe Abschnitt 11.7. Dementsprechend m¨ usste der GesamtHamilton-Operator streng genommen geschrieben werden als: H = H (1) ⊗ ˆ1(2) + ˆ1(1) ⊗ H (2) ,
(31.2)
wobei ˆ 1(i) der Einheitsoperator im Einteilchen-Hilbert-Raum
(i)
ist.
Wechselwirken die beiden Teilchen miteinander, wie z.B. Proton und Elektron, so enth¨ alt der Hamilton-Operator des Gesamtsystems noch ein Wechselwirkungsterm H (1,2) : H = H (1) + H (2) + H (1,2) . Die Eigenfunktionen des Hamilton-Operators H|ϕ = E|ϕ sind dann nicht mehr die Produktzust¨ ande |ϕ = |ν1 (1) |ν2 (2) und dementsprechend sind die Energieeigenwerte nicht mehr durch die Summe der Energieeigenwerte der einzelnen Teilchen gegeben: H = H (1) + H (2) ,
(2) E = (1) ν1 + ν2 .
= Der Hilbert-Raum ¨andert sich durch Einschalten der Wechselwirkung nicht, (1) ⊗ (2) , und die Produktwellenfunktionen |ν1 (1) |ν2 (2) bleiben auch f¨ ur ein wechselwirkendes System eine vollst¨andige Basis. Die Hamilton-Operatoren der beiden Teilchen H (i) (xi ) wirken auf verschiedene Koordinaten und daher in verschiedenen Hilbert-R¨ aumen und m¨ ussen deshalb miteinander kommutieren [H (1) (x1 ), H (2) (x2 )] = ˆ0 . Dies kommt in der ausf¨ uhrlichen Schreibweise (31.2) 1(2) , ˆ 1(1) ⊗ H (2) ] = (H (1) ⊗ ˆ1(2) )(ˆ1(1) ⊗ H (2) ) − (ˆ 1(1) ⊗ H (2) )(H (1) ⊗ ˆ 1(2) ) [H (1) ⊗ ˆ 0, = H (1) ⊗ H (2) − H (1) ⊗ H (2) = ˆ unmittelbar zum Ausdruck. Operatoren, die ausschließlich auf verschiedene, d.h. disjunkte Variablen wirken, kommutieren. Die Hamilton-Operatoren der einzelnen unabh¨ angigen Teilchen H (i) kommutieren jedoch i.A. nicht mit dem Wechselwirkungsterm, [H (i) (xi ), H (1,2) (x1 , x2 )] = ˆ0 ,
i = 1, 2 ,
31.2 Identische Teilchen
277
z.B. wenn dieser durch ein Potential V (x1 , x2 ) gegeben ist. Falls die Wechselwirkung jedoch nur von der Relativkoordinate abh¨angt, H (1,2) (x1 , x2 ) = V (x1 − x2 ) , l¨asst sich die Schwerpunktsbewegung, wie wir in Abschnitt 19.1 gesehen haben, abseparieren und das Zweiteilchenproblem reduziert sich auf ein Einteilchenproblem f¨ ur die Relativbewegung. ¨ Die obigen Uberlegungen lassen sich unmittelbar auf ein System von N unterscheidbaren Teilchen verallgemeinern. Falls die Teilchen miteinander wechselwirken, ist der Hamilton-Operator durch
H(x1 , . . . , xN ) =
N
H (i) (xi ) +
i=1
H (i,j) (xi , xj )
i>j
asengegeben, wobei H (i,j) die Wechselwirkung des i-ten mit dem j-ten Teilchen repr¨ tiert. Auch bei Anwesenheit einer Wechselwirkung bilden die Produktfunktionen |ν1 , ν2 , . . . , νN = |ν1 (1) . . . |νN (N ) eine vollst¨ andige Basis und die exakte Wellenfunktion kann als Superposition dieser Basisfunktionen geschrieben werden: Cν1 ...νN |ν1 , ν2 , . . . , νN . |ϕN = ν1 ...νN
Dementsprechend ist der Hilbert-Raum des wechselwirkenden N -Teilchen-Systems durch das Tensorprodukt der Hilbert-R¨aume der einzelnen Teilchen gegeben: =
31.2
(1)
⊗
(2)
⊗ ···⊗
(N )
.
(31.3)
Identische Teilchen
Bisher haben wir vorausgesetzt, dass es sich um Teilchen verschiedener Sorten handelt, die sich unterscheiden lassen, z.B. ein Elektron und ein Proton, die sich z.B. in der elektrischen Ladung unterscheiden. Wir wollen jetzt identische Teilchen, d.h. Teilchen derselben Sorte, betrachten. Unter identischen Teilchen verstehen wir solche Teilchen, die in s¨ amtlichen inneren Eigenschaften wie Masse, Ladung, Spin nicht unterscheidbar sind, z.B. ein System von Elektronen (wie Leitungselektronen im Festk¨ orper) oder ein System von Neutronen (z.B. ein Neutronenstern). In der klassischen Mechanik bewegen sich die Teilchen auf wohldefinierten Bahnen bzw. Trajektorien. Die einzelnen Teilchen derselben Sorte bewegen sich auf verschiedenen Trajektorien und k¨onnen deshalb unterschieden werden. Wir k¨ onnen z.B. die Teilchen
278
31 Vielteilchensysteme
(a)
(b)
¨ Abb. 31.1: Uberlappende Wellenpakete: (a) Wellenfunktionen und (b) Aufenthaltswahrscheinlichkeiten.
dadurch unterscheiden, dass wir ihre Trajektorien nummerieren und die Nummer der Trajektorien den entsprechenden Teilchen zuordnen. Die Bewegung eines quantenmechanischen Teilchens hingegen verl¨ auft auf allen m¨ oglichen Trajektorien und jede Trajektorie liefert einen Beitrag exp(iS/) zur Gesamt¨ ubergangsamplitude. Haben wir mehrere identische Teilchen vorliegen, so l¨ auft jedes dieser Teilchen auf allen m¨oglichen Trajektorien und wir k¨ onnen nicht mehr unterscheiden, welches der Teilchen sich gerade auf einer herausgegriffenen Trajektorie bewegt. Nach dem Unsch¨ arfeprinzip besitzt ein quantenmechanisches Teilchen keine wohldefinierte Trajektorie, sondern die Teilchen sind als Wellenpakete mit Orts- und Impulsunsch¨ arfe realisiert. Sind die identischen Teilchen nahe beieinander, u ¨berlappen ihre Wellenfunk¨ tionen (siehe Abb. 31.1). Im Uberlappungsgebiet ist ohnehin keine Unterscheidung der u ¨berlappenden Anteile des Wellenpaketes m¨oglich, da wir im Experiment nur die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens am Ort messen k¨ onnen. Diese gibt jedoch keine Auskunft dar¨ uber, welches der Teilchen wir gerade mit unserer Messapparatur nachweisen. Selbst gut separierte identische Teilchen k¨onnen wir in der Quantenmechanik nicht unterscheiden. Ursache hierf¨ ur ist die Einwirkung des Messapparates auf das Messobjekt. Wir k¨ onnen die Teilchen in der Quantenmechanik nur nach einem vollst¨ andigen Satz von Zust¨ anden bzw. nach den Eigenwerten von kommutierenden Observablen klassifizieren. Dar¨ uber hinaus ist keine weitere Unterscheidung z.B. durch Nummerierung oder farbiges Anstreichen der Teilchen m¨oglich, da dies den Zustand des Teilchens wesentlich ver¨ andern w¨ urde, d.h. die Unterscheidbarkeit der Teilchen w¨ urde erst durch den Einfluss des Messapparates der Unterscheidbarkeit“ (z.B. Anstreichen“) auf die Teilchen ” ” m¨ oglich. Durch einen solchen Messprozess w¨ urden aus ununterscheidbaren (identischen) Teilchen unterscheidbare gemacht. Der Teilchen-Welle-Dualismus verbietet bereits eine Unterscheidbarkeit der identischen Teilchen. Die Teilcheneigenschaft ist nur eine m¨ ogliche Erscheinungsform eines quantenmechanischen Objektes. F¨ ur Wellenph¨anomene ist die Teilchenvorstellung ohnehin sinnlos. Zur Illustration betrachten wir die Streuung zweier identischer Teilchen, siehe Abb. 31.2. ahrend in der klassischen Mechanik direkter Streuprozess (a) und Austauschprozess W¨ (b) unterschieden werden k¨onnen, ist in der Quantenmechanik keine Unterscheidung
31.3 Permutationen
279
(a)
(b)
Abb. 31.2: Streuung zweier identischer Teilchen: (a) direkte Streuung, (b) Austauschstreuung.
m¨oglich, da wir nur asymptotisch das Teilchen in großer Entfernung vom Streuzentrum nachweisen, jedoch nicht seinen Ort w¨ahrend des Streuprozesses verfolgen k¨ onnen. Bevor wir zur Behandlung von identischen Teilchen kommen, empfiehlt es sich, sich einige mathematische Eigenschaften von Permutationen in Erinnerung zu rufen.
31.3
Permutationen
Die Anordnung einer Menge von Elementen in einer bestimmten Reihenfolge wird als Permutation bezeichnet. F¨ ur n Elemente existieren n! verschiedene Permutationen, was ur eine Permutation P der Zahlen man leicht durch vollst¨andige Induktion beweist.1 F¨ 1, 2, . . . , n w¨ ahlen wir die Darstellung 1 2 3 ... n P = ≡ [p1 , p2 , p3 , . . . , pn ] , p1 p2 p3 . . . pn alt. Steht wobei der Satz {pi , i = 1, . . . , n} jede der Zahlen 1, 2, . . . , n genau einmal enth¨ eine gr¨ oßere Zahl vor einer kleineren Zahl, d.h. pi > pj ,
f¨ ur i < j ,
so spricht man von einer Inversion, z.B. erh¨alt die Permutation [3214] drei Inversionen: 3 vor 2 ,
3 vor 1 ,
2 vor 1 .
Eine Permutation heißt gerade (ungerade), wenn sie eine gerade (ungerade) Anzahl von Inversionen enth¨ alt. Der Charakter einer Permutation χ(P ) ist durch χ(P ) = (−1)I(P ) 1 Die Menge aller Permutationen von n Elementen bildet die symmetrische Gruppe S , siehe n Anhang I.
280
31 Vielteilchensysteme
definiert, wobei I(P ) die Zahl der Inversionen der Permutation P ist. Folglich gilt: 1 , P ist gerade Permutation χ(P ) = . (31.4) −1 , P ist ungerade Permutation Eine Vertauschung (Permutation) zweier benachbarter Elemente ¨ andert die Anzahl der Inversionen um 1 und damit den Charakter der Permutation. Hieraus l¨ asst sich unmittelbar der folgende Satz beweisen: Der Charakter einer Permutation ¨ andert sich, wenn in ihr irgend zwei Elemente miteinander vertauscht werden.
Beweis: Pij bezeichne die Vertauschung (Permutation) des i-ten mit dem j-ten Element. Offenbar gilt Pij = Pji . Sei P = [p1 , . . . , pi , . . . , pj , . . . , pn ] , dann gilt per Definition von Pij : Pij P = [p1 , . . . , pj , . . . , pi , . . . , pn ] . Zwischen dem i-ten und j-ten Element (pi und pj ) befinden sich k Elemente. Um von der urspr¨ unglichen Permutation P zur Permutation Pij P zu gelangen, muss zun¨achst pi an k Elementen vorbeigezogen werden, was k ZweierPermutation von benachbarten Elementen liefert und folglich den Charakter der Permutation um (−1)k a¨ndert. Anschließend wird das i-te und j-te Element vertauscht, was den Charakter der Permutation um (−1) ver¨ andert. Schließlich muss das j-te Element pj an k Elementen vorbeigezogen werden, was k Zweier-Permutationen erfordert und somit den Charakter der Permutation um (−1)k ¨andert. Insgesamt finden wir, dass die Vertauschung von zwei Elementen, zwischen denen sich k Elemente befinden, den Charakter der Permutation um (−1)2k+1 = −1 andert. Damit finden wir ¨ χ(Pij P ) = −χ(P ) .
Eine Vertauschung von zwei Elementen wird als Transposition bezeichnet. Nach dem obigen Satz a ¨ndert sich der Charakter einer Permutation bei jeder Transposition. Aus der Definition des Charakters folgt allgemein f¨ ur zwei Permutationen P, P : χ(P P ) = χ(P )χ(P )
(31.5)
31.4 Systeme aus zwei identischen Teilchen
281
und damit erhalten wir: χ(Pij ) = −1 .
(31.6)
Mit Hilfe des obigen Satzes zeigt man auch: Unter den n! Permutation gibt es gerade n!/2 gerade und n!/2 ungerade Permutationen. Hieraus folgt unmittelbar: χ(P ) = 0 . P
Man beachte, dass n!/2 f¨ ur n > 1 stets eine ganze Zahl ist, da n! dann mindestens einen Faktor 2 enth¨ alt. F¨ ur die Permutation 1 2 3 ... N P = p1 p2 p3 . . . pN der Einteilchen-Indizes in einer N -Teilchen-Wellenfunktion |ν1 , . . . , νN definieren wir den Operator P dieser Permutation durch: P|ν1 , . . . , νN = |νp1 , . . . , νpN . Eine beliebige Permutation P l¨asst sich durch nacheinander Ausf¨ uhren von ZweierPermutationen erzeugen. Der Operator einer beliebigen Permutation P l¨ asst sich damit durch ein Produkt von Operatoren von Transpositionen Pij darstellen: P = Pij . . . Pkl . Hieraus folgt mit (31.6), dass χ(P ) = (−1)T (P ) ,
(31.7)
wobei T (P ) die Zahl der Transpositionen ist, die zur Erzeugung von P erforderlich sind. Die Operatoren der Transpositionen sind hermitesch und unit¨ ar: † −1 = Pij = Pij . Pij
(31.8)
Da die verschiedenen Pij nicht miteinander kommutieren, ist der Operator P einer beliebigen Permutation i.A. nicht hermitesch, sondern nur unit¨ ar: P † = P −1 = P . Bei der nachfolgenden Behandlung von Systemen aus identischen Teilchen werden wir ¨ von den oben angegebenen Eigenschaften der Permutationen des Ofteren Gebrauch machen.
31.4
Systeme aus zwei identischen Teilchen
Jedes einzelne Teilchen wird durch einen vollst¨ andigen Satz von Quantenzahlen bzw. Zust¨ anden |ν charakterisiert. F¨ ur zwei unterscheidbare Teilchen konnten wir jedem Teilchen einen eigenen Hilbert-Raum zuordnen, |ν1 (1) ∈
(1)
,
|ν2 (2) ∈
(2)
,
282
31 Vielteilchensysteme
und die Basiszust¨ande des Zweiteilchen-Systems waren durch |ν1 , ν2 = |ν1 (1) |ν2 (2) gegeben. F¨ ur unterscheidbare Teilchen ist dieser Basiszustand verschieden von dem Zustand mit vertauschten Quantenzahlen, |ν1 , ν2 = |ν2 , ν1 = |ν2 (1) |ν1 (2) , und in der Tat sind diese beiden Zust¨ande f¨ ur ν1 = ν2 orthogonal. F¨ ur identische Teilchen hingegen k¨onnen wir zwischen diesen beiden Zust¨ anden nicht ur eines der beiden unterscheiden. Finden wir in einer Messung die Quantenzahlen ν1 f¨ identischen Teilchen und ν2 f¨ ur das andere Teilchen, so wissen wir a priori nicht, ob der ande und in der zugeh¨ orige Zustand |ν1 , ν2 oder |ν2 , ν1 ist. Jeder dieser beiden Zust¨ Tat jede Linearkombination dieser Zust¨ande, |ϕν1 ν2 = c1 |ν1 , ν2 + c2 |ν2 , ν1 ≡ c1 |ν1 (1) |ν2 (2) + c2 |ν2 (1) |ν1 (2) , f¨ uhrt auf dasselbe Messergebnis. Dieser Umstand wird als Austauschentartung bezeichnet: Die Spezifikation der Quantenzahlen der einzelnen Teilchen legt noch nicht eindeutig die Wellenfunktion des Gesamtsystems fest. F¨ ur ein System von ununterscheidbaren Teilchen darf sich der Hamilton-Operator bei Vertauschung zweier beliebiger Teilchen nicht ¨ andern. Zum Beispiel der HamiltonOperator eines Systems von zwei identischen Teilchen, H(ξ1 , ξ2 ), wobei ξi = (xi , msi , . . . ) einen vollst¨ andigen Satz von Einteilchen-Variablen (Ort, Spinkomponente, ...) bezeichnet, muss die Symmetrie H(ξ1 , ξ2 ) = H(ξ2 , ξ1 )
(31.9)
besitzen. Der Hamilton-Operator zweier nichtwechselwirkender Teilchen, Gl. (31.1), gen¨ ugt offenbar dieser Bedingung. Wir wollen diese Beziehung jetzt in darstellungsunabh¨ angiger Form ausdr¨ ucken. Dazu ur die Vertauschung des i-ten mit dem jbenutzen wir den Permutationsoperator Pij f¨ odinger-Gleichung ten Teilchen. Anwendung des Permutationsoperators Pij auf die Schr¨ liefert: Pij H|ϕ = EPij |ϕ . −1 Durch Einschieben von ˆ1 = Pij Pij erhalten wir: −1 (Pij |ϕ) = E(Pij |ϕ) . Pij HPij
Dies zeigt: Vertauschen der Teilchen i, j in der Wellenfunktion |ϕ → Pij |ϕ verlangt die Transformation des Hamilton-Operators −1 . H → Pij HPij
31.5 Systeme aus N identischen Teilchen
283
F¨ ur den Hamilton-Operator zweier identischer Teilchen gilt die Operatorbeziehung −1 H(ξ2 , ξ1 ) = P12 H(ξ1 , ξ2 )P12 .
Hiermit l¨ asst sich die Symmetriebeziehung (31.9) in koordinatenunabh¨ angiger Form −1 P12 HP12 =H
bzw. [P12 , H] = ˆ0
(31.10)
ausdr¨ ucken. Wir k¨onnen deshalb die Eigenfunktionen |ϕν1 ν2 des Hamilton-Operators des Systems zweier identischer Teilchen H|ϕν1 ν2 = Eν1 ν2 |ϕν1 ν2 gleichzeitig als Eigenfunktionen des Operators P12 der Permutation der beiden Teilchen w¨ahlen: P12 |ϕν1 ν2 = |ϕν2 ν1 = λ|ϕν1 ν2 . 2
Wegen (P12 ) = ˆ1, siehe Gl. (31.8), sind die Eigenwerte des Permutationsoperators λ = ±1 und seine Eigenfunktionen sind entweder symmetrisch bzw. antisymmetrisch: |ϕν2 ν1 = ±|ϕν1 ν2 . Die Wellenfunktion eines Systems aus zwei identischen Teilchen ist deshalb entweder symmetrisch oder antisymmetrisch bez¨ uglich Vertauschung der beiden Teilchen. Dieses Ergebnis l¨ asst sich unmittelbar auf ein System von N Teilchen verallgemeinern.
31.5
Systeme aus N identischen Teilchen
Besitzt irgendein Paar des Systems die Eigenschaft durch symmetrische bzw. antisymmetrische Wellenfunktionen beschrieben zu werden, so muss wegen der Ununterscheidbarkeit der Teilchen auch jedes andere Teilchenpaar diese Eigenschaft besitzen. Die Wellenfunktion eines Systems von identischen Teilchen muss damit entweder symmetrisch bzw. antisymmetrisch bez¨ uglich Vertauschung zweier beliebiger Teilchen sein. Formal folgt mit Pij |ν1 , . . . , νi , . . . , νj , . . . , νN = |ν1 , . . . , νj , . . . , νi , . . . , νN aus (31.10) [Pij , H] = 0 2 =1 und Pij
Pij |ν1 , . . . , νi , . . . , νj , . . . , νN = ±|ν1 , . . . , νi , . . . , νj , . . . , νN .
284
31 Vielteilchensysteme
Ferner m¨ ussen offenbar die Wellenfunktionen s¨ amtlicher Zust¨ ande eines Systems einund dasselbe Symmetrieverhalten besitzen. Das heißt: Falls Vertauschung des i-ten und j-ten Teilchens in einer Wellenfunktion das Vorzeichen unver¨ andert l¨ asst (wechselt), muss dies f¨ ur alle Wellenfunktionen des Systems gelten. Anderenfalls k¨ onnten wir aufgrund des Superpositionsprinzips Wellenfunktionen konstruieren, die weder symmetrisch noch antisymmetrisch sind. Da jede Permutation aus Transpositionen erzeugt werden kann, muss die Wellenfunktion auch f¨ ur jede beliebige Vertauschung von Teilchen entweder unver¨andert bleiben oder ihr Vorzeichen ¨ andern. Die Wellenfunktionen ussen folg|ϕ, die sich bei Vertauschung zweier Teilchen nicht ¨ andern, Pij |ϕ = |ϕ, m¨ lich auch unter einer beliebigen Permutation P der Teilchen invariant bleiben P|ϕ = |ϕ .
(31.11)
Die Wellenfunktionen |ϕ, die bei Vertauschen zweier Teilchen ihr Vorzeichen wechseln, Pij |ϕ = −|ϕ, multiplizieren sich hingegen nach Gl. (31.7) bei einer beliebigen Permutation P der Teilchen mit deren Charakter χ(P ) P|ϕ = χ(P )|ϕ .
(31.12)
N -Teilchen-Wellenfunktionen mit der Eigenschaft (31.11) bzw. (31.12) werden als total symmetrisch bzw. total antisymmetrisch bezeichnet. Wir erhalten damit das wichtige Ergebnis: Systeme aus identischen Teilchen werden entweder durch total symmetrische oder total antisymmetrische Wellenfunktionen beschrieben. Identische Teilchen mit total symmetrischer (antisymmetrischer) Wellenfunktion werden als Bosonen (Fermionen) bezeichnet.
Wir setzen im Folgenden voraus, dass die Wechselwirkung zwischen den Teilchen vernachl¨ assigbar ist. F¨ ur identische Teilchen sind die Einteilchen-Hamilton-Operatoren f¨ ur alle Teilchen dieselben. Es ist somit kein Index zur Unterscheidung erforderlich und wir werden deshalb H (i) (ξi ) durch h(ξi ) ersetzen. Der Hamilton-Operator des wechselwirkungsfreien N -Teilchen-Systems ist damit durch h(ξi ) , ξi = (xi , msi , . . . ) H= i
gegeben. Wir setzen voraus, dass wir das Einteilchenproblem bereits gel¨ ost haben, d.h. die L¨ osungen ξi |n(i) = ϕn (ξi ) der entsprechende Einteilchen-Schr¨ odinger-Gleichung h(ξi )ϕn (ξi ) = n ϕn (ξi ) bereits kennen. F¨ ur ein System von N unterscheidbaren (nichtwechselwirkender) Teilchen ist die Wellenfunktion durch das Produkt der Wellenfunktionen der einzelnen Teilchen ξ1 , . . . , ξN |ν1 , . . . , νN = ϕν1 (ξ1 )ϕν2 (ξ2 ) . . . ϕνN (ξN )
(31.13)
31.5 Systeme aus N identischen Teilchen
285
gegeben. Hierbei ist ϕνi (ξi ) ≡ ξi |νi (i) die Wellenfunktion eines einzelnen Teilchens im Orts-, Spin-, . . . Raum. Die Produktwellenfunktion ist offenbar Eigenfunktion des Hamilton-Operators des wechselwirkungsfreien Vielteilchensystems, H|ν1 , . . . , νN = E|ν1 , . . . , νN , zur Energie E = ν1 + . . . + νN . Die Produktwellenfunktion |ν1 , . . . , νN (31.13) gibt jedoch an, welches der Teilchen i ur nicht-unterscheidbare Teilchen ist dies jesich in welchem Zustand |νi befindet. F¨ doch eine Information, die nicht verf¨ ugbar ist. F¨ ur Systeme aus identischen Teilchen k¨onnen wir nur angeben, wieviel Teilchen sich in welchem Zustand befinden. Die Produktwellenfunktion enth¨alt deshalb f¨ ur ein System aus identischen Teilchen irrelevante Information. Außerdem hatten wir gesehen, dass f¨ ur identische Teilchen die Wellenfunktion Eigenfunktion zu s¨amtlichen Permutationsoperatoren zum selben Eigenwert sein muss. Dies schr¨ ankt die Wellenfunktionen auf entweder total symmetrische bzw. total antisymmetrische Funktionen bez¨ uglich Vertauschung von zwei Teilchen ein. F¨ ur Bose-Systeme muss die Wellenfunktion total symmetrisch sein. Wir k¨ onnen aus der Produktwellenfunktion total symmetrische Wellenfunktionen erzeugen, indem wir u ¨ber alle Permutationen P der Teilchen in den Produktfunktionen summieren: ϕ(+) ν1 ...νN (ξ1 , ξ2 , . . . , ξN ) = N+ (N )
ϕνp1 (ξ1 )ϕνp2 (ξ2 ) . . . ϕνpN (ξN )
P
und somit die irrelevante Information eliminieren. Den Vorfaktor N+ (N ) k¨ onnen wir aus der Normierung bestimmen. Aus den Produktwellenfunktionen lassen sich auch total antisymmetrische Wellenfunktionen erzeugen. Dies gelingt ¨ahnlich wie die Symmetrisierung, indem wir u ¨ ber alle Permutationen summieren, jedoch zus¨atzlich jede Produktfunktion mit dem Charakter der Permutation (31.4) multiplizieren: ϕ(−) ν1 ...νN (ξ1 , . . . , ξN ) = N− (N )
χ(P )ϕνp1 (ξ1 ) . . . ϕνpN (ξN ).
P
Unter Benutzung von (31.5) zeigt man leicht, dass in der Tat f¨ ur eine beliebige Permutation P die Gl. (31.12) (−) Pϕ(−) ν1 ...νN (ξ1 , . . . , ξN ) = χ(P )ϕν1 ...νN (ξ1 , . . . , ξN )
286
31 Vielteilchensysteme
1H 2 He 3 Li 4 Be 5B 6C 7N 8O 9F 10 Ne
Element Wasserstoff Helium Lithium Beryllium Bor Kohlenstoff Stickstoff Sauerstoff Fluor Neon
Elektronenkonfiguration 1s1 1s2 1s2 2s1 1s2 2s2 1s2 2s2 2p1 1s2 2s2 2p2 1s2 2s2 2p3 1s2 2s2 2p4 1s2 2s2 2p5 1s2 2s2 2p6
Tabelle 31.1: Elektronenverteilung der ersten zehn chemischen Elemente im Grundzustand. Die Notation nlk (n = 1, 2, 3, . . . Hauptquantenzahl, l = 0, 1, . . . , n − 1 = s, p, d, . . . Drehimpulsquantenzahl) besagt, dass sich – sofern vorhanden – in der l-ten Unterschale der n-ten Schale k Elektronen [k ≤ 2(2l + 1)] befinden.
erf¨ ullt ist. Da jede einzelne Produktwellenfunktion ϕνp1 (ξ1 ) . . . ϕνpN (ξN ) Eigenfunktion von H zur selben Energie E = ν1 + . . . + νN ist, gilt dies auch f¨ ur die (anti-)symmetrischen Wellenfunktionen (±) Hϕ(±) ν1 ...νN (ξ1 , ξ2 , . . . , ξN ) = (ν1 + . . . + νN )ϕν1 ...νN (ξ1 , ξ2 , . . . , ξN ) (+)
onnen mehrere der In den total symmetrischen Wellenfunktionen ϕν1 ...νN (ξ1 , . . . , ξN ) k¨ onnen Einteilchen-Quantenzahlen νi denselben Wert annehmen, d.h. mehrere Bosonen k¨ sich in ein und demselben Einteilchenzustand befinden. Demgegen¨ uber verschwindet (−) die total antisymmetrische Wellenfunktion ϕν1 ...νN (ξ1 , . . . , ξN ), wenn zwei S¨ atze von ur i = j. In einem Fermi-System Einteilchen-Quantenzahlen u ¨ bereinstimmen, νi = νj f¨ k¨ onnen sich deshalb nie zwei Teilchen in ein und demselben Einteilchenzustand befinden. Dies ist der Inhalt des sogenannten Pauli-Prinzips. Das Pauli-Prinzip hat weitreichende Konsequenzen f¨ ur den Aufbau unserer Materie und gibt insbesondere eine Erkl¨arung f¨ ur die Schalenstruktur der Elektronenh¨ ulle und des periodischen Systems der chemischen Elemente. Die Elektronen in einem Atom besetzen die Quantenzust¨ande niedrigster Energie. Aufgrund des Pauli-Prinzips kann sich jedoch in jedem Zustand h¨ochstens ein Elektron befinden, so dass die Elektronen sukzessiv die energetisch niedrigst liegenden Zust¨ande in einem Atom besetzen, bis alle Elektronen untergebracht sind. Die Elektronenanordnungen der ersten zehn chemischen Elemente sind in Tabelle 31.1 angegeben. Wie wir beim Wasserstoff-Atom in Abschnitt 19.3 kennengelernt haben, betr¨ agt die Entartung einer Hauptschale: 2
n−1
(2l + 1) = 2n2 ,
l=0
31.6 Spin-Statistik-Theorem
287
wobei n die Hauptquantenzahl ist und der Faktor 2 von der Entartung im Elektronenspin kommt. Auf die erste Hauptschale n = 1 (l = 0) passen demnach genau zwei Elektronen. Diese Schale ist ab dem Helium-Atom gef¨ ullt. In der zweiten Hauptschale n = 2 finden acht Elektronen Platz. Diese Schale wird erstmals beim Neon-Atom aufgef¨ ullt, das zehn Elektronen besitzt. Das chemische Verhalten der Atome wird durch ihre Schalenstruktur bestimmt. Abgeschlossene Elektronenschalen sind chemisch inaktiv. Die chemische Aktivit¨at kommt dadurch zustande, dass Atome ihre Elektronen so austauschen, dass abgeschlossene Schalen entstehen. Atome, die bereits vollst¨andig abgeschlossene Schalen besitzen, sind deshalb chemisch inaktiv. Dies sind die Edelgase Helium, Neon, Argon, Krypton, Xenon und Radon, bei denen s¨amtliche Elektronenschalen abgeschlossen sind.
31.6
Spin-Statistik-Theorem
Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Spin der Teilchen und der Symmetrie ihrer Wellenfunktion. Dieser Zusammenhang wurde von W. Pauli abgeleitet und wird als Spin-Statistik-Theorem bezeichnet. Der Inhalt dieses Theorems ist folgender: Teilchen mit ganzzahligem Spin werden durch total symmetrische Wellenfunktionen beschrieben und sind folglich Bosonen. Teilchen mit halbzahligem Spin werden durch total antisymmetrische Wellenfunktionen beschrieben und sind folglich Fermionen.
Auf den Beweis soll aufgrund seiner Komplexit¨ at verzichtet werden. ¨ Nachfolgend ist eine Ubersicht u artig als elementar angesehenen funda¨ ber die gegenw¨ mentalen Teilchen gegeben, aus denen unsere gesamte (bekannte) Materie aufgebaut ist, siehe auch die Abschnitte 28.8 und 28.9. Elementarteilchen des Standardmodells • Fermionen Spin s = 1/2: – Leptonen:
– Quarks:
Ladung 0 −1 Ladung 2/3 −1/3
Familie νe νμ ντ e μ τ
Familie u c t d s b
288
31 Vielteilchensysteme
• Bosonen:
31.6.1
Teilchen Photon γ
Spin s 1
Ladung 0
Masse/GeV 0
Wechselwirkungstr¨ ager elektromagnetisch
W± Z Gluon
1 1 1
±1 0 0
80 91 0
Graviton
2
0
0
gravitativ
Higgs
0
0
125
—
schwach stark
Statistik von zusammengesetzten Teilchen
Wie wir oben gesehen haben, bestimmt die Symmetrie der Wellenfunktionen die Besetzungszahlen der Zust¨ande, d.h. wieviele Teilchen einer Sorte sich in einem Einteilchenzustand befinden k¨onnen. F¨ ur Bose-Systeme kann ein Einteilchenzustand mit beliebig vielen Teilchen besetzt werden. Demgegen¨ uber kann ein Einteilchenzustand f¨ ur FermiSysteme entweder nur unbesetzt oder mit einem Teilchen besetzt sein. Die bisherigen ¨ Uberlegungen lassen sich unmittelbar auch auf zusammengesetzte Teilchen verallgemeinern. Unter einem zusammengesetzten Teilchen verstehen wir einen Satz von aneinander gebundenen Elementarteilchen. Beispiele f¨ ur zusammengesetzte Teilchen sind z.B. die Atome. Das Wasserstoff-Atom ist aus einem Proton und einem Elektron zusammengesetzt, die durch die Coulomb-Wechselwirkung gebunden sind. Ein anderes Beispiel sind die Mesonen, die aus einem Quark und einem Antiquark aufgebaut sind. Durch die starke Wechselwirkung zwischen den Quarks k¨ onnen diese nicht frei, sondern nur in Bindungszust¨ anden wie den Mesonen oder Baryonen existieren, siehe Abschnitt 28.9. Die Symmetrie der Wellenfunktionen von zusammengesetzten Teilchensystemen ergibt sich unmittelbar aus dem Symmetrieverhalten der Wellenfunktionen bez¨ uglich Vertauschen der Elementarteilchen, da die Vertauschung eines zusammengesetzten Teilchens dem Austausch von Gruppen von Elementarteilchen entspricht. Offenbar verh¨ alt sich ein vollst¨ andig aus Bosonen aufgebautes zusammengesetztes Teilchen wie ein Boson, d.h. wird durch total symmetrische Wellenfunktionen beschrieben. Enth¨ alt das zusammengesetzte Teilchen auch Fermionen, so bestimmt die Anzahl der Fermionen die Statistik des zusammengesetzten Teilchens. F¨ ur eine gerade Anzahl von Fermionen verh¨alt sich das zusammengesetzte Teilchen wie ein Boson, da der Austausch von Fermionenpaaren die bez¨ uglich Austausch von Elementarteilchen total antisymmetrische Wellenfunktion nicht a ¨ndert. Enth¨alt das zusammengesetzte Teilchen hingegen eine ungerade Anzahl von ¨ Fermionen, so verh¨alt es sich selbst wie ein Fermion. Dies ist in Ubereinstimmung mit der Drehimpuls-Kopplung. Eine gerade Anzahl von halbzahligen Spins koppelt stets zu einem ganzzahligen Gesamtspin, w¨ahrend eine ungerade Anzahl von halbzahligen Spins zu einem halbzahligen Gesamtspin koppelt. F¨ ur die Wellenfunktion des zusammengesetzten Teilchens gilt somit ebenfalls das Spin-Statistik-Theorem.
31.7 Observablen von Systemen identischer Teilchen
289
Als Beispiel betrachten wir die stark wechselwirkenden Elementarteilchen“, die Hadro” nen. Die elementaren Bausteine der Hadronen sind die Quarks und Gluonen. Quarks sind Fermionen mit Spin s = 1/2, w¨ahrend Gluonen den Spin s = 1 besitzen. Die Anzahl der Gluonen im Hadron ist damit irrelevant f¨ ur die Statistik der Hadronen, die allein durch die Anzahl der Quarks bestimmt wird. Ein Meson ist aus einem Quark und einem Antiquark aufgebaut, die beide Spin 1/2 besitzen und somit zum Gesamtspin S = 0, 1 koppeln k¨ onnen. Die Mesonen m¨ ussen sich deshalb wie Bosonen verhalten. Die Baryonen sind aus drei Quarks aufgebaut. Elementare Drehimpuls-Algebra liefert, dass der Gesamtspin die Werte 1/2 und 3/2 annehmen kann. Baryonen m¨ ussen sich deshalb wie Fermionen verhalten. Dies wird in der Tat beobachtet: Im Grundzustand besitzen die Mesonen Spin 0 oder 1, w¨ ahrend die Baryonen Spin 1/2 oder 3/2 besitzen. Als weiteres Beispiel betrachten wir das Helium-Atom. Die chemischen Eigenschaften der Elemente werden durch die Elektronenh¨ ulle bestimmt. Helium-Atome besitzen eine abgeschlossene Elektronenschale (die (n = 1)-Schale ist mit 2 Elektronen besetzt) und ist deshalb chemisch inaktiv, d.h. ein Edelgas. Da die abgeschlossene Elektronenschale im Grundzustand den Spin 0 besitzt, ist der Gesamtspin eines Helium-Atoms durch seinen Kernspin gegeben. Helium existiert in zwei Isotopen, 3 He und 4 He. Beide Isotope haben nat¨ urlich dieselbe Elektronenschale, unterscheiden sich jedoch in ihrem ahrend Atomkern. Der 3 He Kern ist aus zwei Protonen und einem Neutron aufgebaut, w¨ alt. Die drei Nukleonen des 3 He der 4 He Kern zwei Protonen und zwei Neutronen enth¨ k¨onnen nur zu halbzahligen Spins koppeln, w¨ahrend die vier Nukleonen des 4 He Kerns zu ganzzahligem Gesamtspin koppeln. Wir erwarten deshalb, dass 3 He-Atome sich wie Fermionen, 4 He-Atome jedoch wie Bosonen verhalten. Dies wird in der Tat beobachtet: 3 He-Atome zeigen die f¨ ur Fermionen typische Suprafluidit¨at, die analog der Supraleitung der Elektronen ist, siehe Kap. 33. Demgegen¨ uber zeigen 4 He-Atome typische Bose-Einstein-Kondensation, siehe Kap. 34.
31.7
Observablen von Systemen identischer Teilchen
Wir hatten oben festgestellt, dass die Wellenfunktion eines Systems aus identischen Teilchen (±) |ϕN (±) ≡ |ϕ(±) ν1 ...νN = |ν1 , . . . , νi , . . . , νj , . . . , νN
bei Vertauschung zweier Fermionen das Vorzeichen ¨ andert, bei Vertauschung zweier Bosonen hingegen unver¨andert bleibt. Diese Aussage gilt auch f¨ ur gemischte Systeme, die sowohl Bosonen als auch Fermionen enthalten.2 Bezeichnen wir wieder mit Pij den 2 Wird in einem solchen System ein Fermion mit einem Boson vertauscht, andert sich das Vorzeichen ¨ der Wellenfunktion (nicht), wenn das Fermion dabei eine ungerade (gerade) Anzahl von Fermionen passiert, d.h. wenn dabei eine ungerade (gerade) Anzahl von Vertauschungen benachbarter Fermionen erforderlich ist.
290
31 Vielteilchensysteme
Permutationsoperator, der das i-te mit dem j-ten Teilchen vertauscht, so gilt offenbar: Pij |ϕN (±) = |ν1 , . . . , νj , . . . , νi , . . . , νN (±) = ±|ϕN (±) .
(31.14)
In der Quantentheorie werden messbare Gr¨oßen bekanntlich durch hermitesche Operatoren beschrieben. F¨ ur ein System aus N identischen Teilchen bezeichnen wir im Folgenden solche Observablen mit ON . Die Symmetrie bzw. Antisymmetrie der Wellenfunktionen hat unmittelbar Konsequenzen f¨ ur das Verhalten der Operatoren ON gegen¨ uber Vertauschung von Teilchen. In der Tat, betrachten wir den Erwartungswert eines solchen Operators, der eine physikalisch messbare Gr¨ oße darstellt ϕN |ON |ϕN (±)
(±)
und benutzen die Eigenschaft (31.14), so erhalten wir: ϕN |ON |ϕN (±) = (±)Pij ϕN |ON |Pij ϕN (±)
(±)
† = (±)ϕN |Pij ON Pij |ϕN (±) .
Da diese Beziehung f¨ ur beliebige Wellenfunktionen |ϕN (±) gelten muss, erhalten wir die Operatoridentit¨at † Pij ON Pij = ON .
Multiplizieren wir diese Gleichung von links mit dem Permutationsoperator Pij und 2 beachten, dass dieser hermitesch ist und ferner Pij =ˆ 1 gilt, so erhalten wir: [Pij , ON ] = ˆ0 .
(31.15)
Da sich jede beliebige Permutation von N Elementen aus Zweier-Permutationen (Transpositionen) aufbauen l¨asst, erhalten wir das wichtige Ergebnis: Die Observablen eines Systems aus identischen Teilchen vertauschen mit den Permutationsoperatoren [P, ON ] = ˆ0 . Diese Bedingung ist trivial erf¨ ullt f¨ ur sogenannte Einteilchenoperatoren, die sich als Summe der Operatoren der einzelnen Teilchen darstellen lassen:
(1)
ON (ξ1 , ξ2 , . . . , ξN ) =
N
O(i) (ξi ) .
i=1
Die Wechselwirkung zwischen zwei Teilchen wird durch sogenannte Zweiteilchenoperatoren beschrieben, die gleichzeitig in den Hilbert-R¨ aumen zweier Teilchen wirken bzw. definiert sind und damit von den Koordinaten zweier Teilchen abh¨ angen:
31.7 Observablen von Systemen identischer Teilchen
(2)
ON (ξ1 , ξ2 , . . . , ξN ) =
291
O(i,j) (ξi , ξj ) .
ij
beschrieben, wobei H (i) der Hamilton-Operator eines einzelnen nichtwechselwirkenden Teilchens ist, der im Hilbert-Raum des i-ten Teilchens wirkt. Dieser Hamilton-Operator kann z.B. nur aus der kinetischen Energie des i-ten Teilchens bestehen. Offensichtlich ist der Zweiteilchen-Operator
H (i,j)
(31.17)
i>j
wegen H (i,j) = H (j,i) (und damit der Gesamt-Hamilton-Operator Gl. (31.16)) ebenfalls invariant gegen¨ uber beliebiger Permutation der N Teilchen. Dies folgt wieder aus der Tatsache, dass eine beliebige Permutation durch Zweier-Permutationen ausgedr¨ uckt werden kann. Bei einer solchen Permutation werden lediglich Summanden in (31.17) vertauscht, was die Summe invariant l¨asst.
292
31.8
31 Vielteilchensysteme
Fermi-Systeme
Im Folgenden wollen wir etwas ausf¨ uhrlicher Systeme aus Fermionen betrachten.
31.8.1
Slater-Determinanten
Benutzen wir die aus der linearen Algebra bekannte Darstellung der Determinante einer N -dimensionalen Matrix3 Aij det(A) = j1 j2 ...jN A1j1 A2j2 . . . AN jN j1 ,j2 ,...,jN
=
χ(P )A1p1 A2p2 . . . AN pN ,
P
so k¨ onnen wir die total antisymmetrische Wellenfunktion eines nichtwechselwirkenden Fermi-Systems als Determinante schreiben: |ν1 (1) |ν1 (2) . . . |ν1 (N ) |ν2 (1) |ν2 (2) . . . |ν2 (N ) (−) = N− (N ) . |ν1 , . . . , νN = N− (N ) det(|νi (j) ) , .. .. .. . . |νN (1) |νN (2) . . . |νN (N ) (31.18) wobei N− (N ) ein noch zu bestimmender Normierungsfaktor ist. Der Zeilenindex ist hier durch die Quantenzahl νi gegeben, w¨ahrend der Spaltenindex die Teilchennummer (j) ist. In der Koordinatendarstellung lautet die Slater-Determinante (31.18): ϕ(−) ν1 ...νN (ξ1 , . . . , ξN ) = N− (N ) det(ϕνi (ξj )) . Per Definition einer Determinante ¨andert diese ihr Vorzeichen bei Vertauschung benachbarter Zeilen bzw. Spalten. Diese Eigenschaft gew¨ ahrleistet die Antisymmetrie der Wellenfunktion. Außerdem wissen wir, dass eine Determinante verschwindet, wenn zwei Zeilen oder Spalten der Matrix linear abh¨angig sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn zwei Spalten oder Zeilen identisch sind. Hieraus folgt unmittelbar, dass die total antisymmetrische Wellenfunktion verschwindet, wenn sich zwei Teilchen im selben Quantenzustand befinden, d.h. |ν1 , . . . , νi , . . . , νj , . . . , νN (−) = o ,
falls νi = νj f¨ ur i = j ,
¨ in Ubereinstimmung mit dem Pauli-Prinzip. Wir setzen voraus, dass die Einteilchenzust¨ ande, aus denen die Slater-Determinante aufgebaut ist, orthonormiert sind: (i)
νk |νl (i) = δkl ,
i = 1, . . . , N .
(31.19)
3 Hierbei ist j1 j2 ...jN = ±1 der total antisymmetrische Tensor N -ter Stufe, wobei das obere (untere) Vorzeichen f¨ ur eine gerade (ungerade) Permutation (j1 , j2 , . . . , jN ) gilt.
31.8 Fermi-Systeme
293
F¨ ur die Norm der Slater-Determinante erhalten wir dann: ν1 , . . . , νN |ν1 , . . . , νN (−) = |N− (N )|2 χ(P )χ(P )(1) νp1 |νp1 (1) . . . (N ) νpN |νpN (N )
(−)
P
= |N− (N )|
2
P
P
P
χ(P )χ(P )δp1 p1 . . . δpN pN .
Aufgrund der Orthonormiertheit der Einteilchenwellenfunktionen (31.19) tr¨ agt zur Doppelsumme nur der Summand P = P bei: pi = pi ,
i = 1, . . . , N .
Wegen δp1 p1 . . . δpN pN = δP P vereinfacht sich die Norm damit zu: ν1 , . . . , νN |ν1 , . . . , νN (−) = |N− (N )|2
(−)
P
!
(χ(P ))2 = 1 . =1
Wegen (χ(P ))2 = 1 wird die Summation u ¨ ber die Permutationen P trivial: 1 = N! . P
Fordern wir, dass die Slater-Determinante auf Eins normiert ist und w¨ ahlen den Normierungsfaktor reell, so folgt 1 N− (N ) = √ . N!
31.8.2
System aus zwei identischen Fermionen mit Spin 1/2
Das einfachste Fermionensystem ist durch zwei Elektronen gegeben. Ein solches System ist im Helium-Atom realisiert. Wir wollen deshalb dieses System etwas genauer untersuchen. Die Slater-Determinante f¨ ur zwei Teilchen hat die Gestalt 1 |ν1 (1) |ν1 (2) (−) |ν1 ν2 = √ (1) (2) 2 |ν2 |ν2 1 = √ |ν1 (1) |ν2 (2) − |ν2 (1) |ν1 (2) . (31.20) 2 Diese Determinante ist Eigenfunktion des Hamilton-Operators, wenn das System keine Wechselwirkung besitzt. Zur Vereinfachung nehmen wir im Folgenden an, dass das System in nichtrelativistischer Quantenmechanik beschrieben wird, so dass keine SpinBahn-Wechselwirkung existiert. Dar¨ uber hinaus soll kein ¨ außeres Magnetfeld vorhanden
294
31 Vielteilchensysteme
sein. Die Eigenfunktionen |ν des Einteilchen-Hamilton-Operators faktorisieren dann in Orts- |α(i) und Spinanteil |sm(i) (s = 1/2): ν = (αsm),
|ν(i) = |α(i) |sm(i)
Diese Zust¨ ande sind offenbar Eigenfunktionen des Einteilchen-Spinoperators S (i) , da dieser mit dem Ortsteil |α(i) der Wellenfunktion vertauscht
S (i)
2
|ν(i) = 2 s(s + 1)|ν(i) ,
s = 1/2 ,
Sz(i) |ν(i) = m|ν(i) . Die Slater-Determinante ist ebenfalls Eigenfunktion zum Quadrat des Spin eines einzel2 (i) nen Teilchens S (i) , nicht aber zur z-Komponente des Einteilchen-Spins Sz . In der Tat haben wir: 2 S (i) |ν1 ν2 (−) = 2 s(s + 1)|ν1 ν2 (−) , Sz(1) |ν1 ν2 (−) = √ m1 |ν1 (1) |ν2 (2) − m2 |ν2 (1) |ν1 (2) , 2 Sz(2) |ν1 ν2 (−) = √ m2 |ν1 (1) |ν2 (2) − m1 |ν2 (1) |ν1 (2) . 2
(31.21) (31.22)
Ohne die aus der Dirac-Gleichung resultierenden Spin-Bahn-Kopplung und ohne ¨ außeres Magnetfeld kommutiert der Spin eines Teilchens mit dem Hamilton-Operator ˆ, [S (i) , H] = 0 da Orts- und Spinvariablen unabh¨angig voneinander sind. Observablen eines Systems identischer Teilchen sind invariant gegen¨ uber beliebigen Permutationen der Teilchen (siehe Gl. (31.15)). Der Spin eines einzelnen Teilchens S (i) besitzt jedoch nicht diese Eigenschaft: Unter einer Permutation der beiden Teilchen geht S (1) in S (2) u ¨ber. Nur der Gesamtspin S = S (1) + S (2) bleibt unter Teilchenpermutation invariant. Die Wellenfunktion des Systems aus zwei identischen Teilchen muss deshalb Eigenfunktion zu 2 , Sz = Sz(1) + Sz(2) S 2 = S (1) + S (2) sein. Die Slater-Determinante (31.20) ist bereits Eigenfunktion zur z-Komponente des Gesamtspins: Sz |ν1 , ν2 (−) = (Sz(1) + Sz(2) )|ν1 , ν2 (−) = (m1 + m2 )|ν1 , ν2 (−) ,
31.8 Fermi-Systeme
295
was unmittelbar durch Summation von Gln. (31.21) und (31.22) folgt. Sie ist allerdings noch nicht Eigenfunktion zum Quadrat des Gesamtspins. Wir wissen jedoch, wie wir aus Eigenfunktionen zu den Einteilchen-Spinoperatoren die entsprechenden Eigenfunktioonnen (vgl. Abnen |SM zum Gesamtspin S 2 , Sz durch Vektoraddition konstruieren k¨ schnitt 16.7). Dazu m¨ ussen wir die ungekoppelten Spinproduktfunktionen |sm1 |sm2 SM u mit den entsprechenden Clebsch-Gordan-Koeffizienten Csm ¨ berlagern (siehe Gl. 1 ,sm2 (16.59)): |SM =
SM Csm |sm1 (1) |sm2 (2) . 1 ,sm2
m1 +m2 =M
Bei einer solchen Superposition bleibt nat¨ urlich die Antisymmetrie der Wellenfunktion erhalten, so dass die antisymmetrischen Wellenfunktionen mit gutem Gesamtspin ebenfalls durch SM Csm |α1 sm1 , α2 sm2 (−) |α1 , α2 , SM (−) = 1 ,sm2 m1 +m2 =M
gegeben sind. F¨ ur die Kopplung zweier Teilchen mit Spin s = 1/2 wurden die Clebsch-GordanKoeffizienten in Abschnitt 16.7 berechnet. Unter Benutzung dieser Koeffizienten erhalten wir f¨ ur die Spin-Wellenfunktion mit gutem Gesamtspin |SM (S = 0, 1): 1 >(1) >(2) >(1) > 2 1 1 1 1 (2) 1 1 1 1 1 − − − , |S = 0, M = 0 = √ 2 2 2 2 2 2 2 2 2 > > 1 1 (1) 1 1 (2) |S = 1, M = 1 = , 2 2 2 2 1 >(1) >(2) >(1) > 2 1 1 1 1 (2) 1 1 1 1 1 − + − , |S = 1, M = 0 = √ 2 2 2 2 2 2 2 2 2 >(1) >(2) 1 1 1 1 . |S = 1, M = −1 = − 2 − 2 2 2 Die Spinwellenfunktionen erf¨ ullt die Orthonormierungsbedingung SM |S M = δSS δMM . Die Spinwellenfunktion mit Gesamtspin S = 0 ist antisymmetrisch w¨ ahrend die mit Gesamtspin S = 1 symmetrisch bez¨ uglich Vertauschen der beiden Teilchen mit s = 1/2 sind. Die Gesamtwellenfunktion |α1 , α2 , SM (−) muss in jedem Fall antisymmetrisch bez¨ uglich Vertauschen der beiden Fermionen sein und wir erhalten deshalb: ⎧ (−) ⎨ |ϕα1 α2 |SM , S = 1 |α1 , α2 , SM (−) = , ⎩ (+) |ϕα1 α2 |00 , S = 0
296
31 Vielteilchensysteme
wobei 1 1 (|α1 (1) |α2 (2) ± |α2 (1) |α1 (2) ) |ϕ(±) α1 α2 = √ & 2 1 + δα1 α2
(31.23)
der Ortsanteil der Wellenfunktion ist. Demnach besitzen zwei Elektronen mit Gesamt(+) spin S = 0 eine symmetrische Ortswellenfunktion |ϕα1 α2 , da ihre Spinfunktion bereits antisymmetrisch gegen¨ uber Vertauschung der Teilchen ist. Die Spin (S = 1)-Funktion hingegen ist symmetrisch bez¨ uglich Teilchenvertauschung und dementsprechend muss (−) atzliche Nordie zugeh¨ orige Ortswellenfunktion |ϕα1 α2 antisymmetrisch sein. Der zus¨ mierungsfaktor 1 & 1 + δα1 α2 (+)
ist erforderlich f¨ ur die symmetrische Wellenfunktion |ϕα1 α2 f¨ ur α1 = α2 , da in diesem Fall auch die gemischten Terme zur Norm beitragen. Diese ist durch (±)
ϕ(±) α1 α2 |ϕβ1 β2 =
1 1 1 & & 2 1 + δα1 α2 1 + δβ1 β2 $ × (1) α1 |β1 (1)(2) α2 |β2 (2) + (1) α2 |β2 (1)(2) α1 |β1 (2) ±
(1)
α1 |β2 (1)(2) α2 |β1 (2) + (1) α2 |β1 (1)(2) α1 |β2 (2)
%
gegeben. Vorausgesetzt die Einteilchenwellenfunktionen sind korrekt normiert, α|β = δαβ , erhalten wir: 1 1 (±) & [δα1 β1 δα2 β2 ± δα1 β2 δα2 β1 ] . ϕ(±) α1 α2 |ϕβ1 β2 = & 1 + δα1 α2 1 + δβ1 β2 F¨ ur die antisymmetrische Ortswellenfunktion verschwindet dieser Ausdruck nat¨ urlich allen die Wellenfunktion auf Eins f¨ ur α1 = α2 oder β1 = β2 , w¨ahrend in allen u ¨ brigen F¨ normiert ist. In der Ortsdarstellung (±) ϕ(±) α1 α2 (x1 , x2 ) = x1 , x2 |ϕα1 α2
hat der r¨ aumliche Anteil (31.23) der Wellenfunktionen die Form 1 1 ϕα1 (x1 )ϕα2 (x2 ) ± ϕα2 (x1 )ϕα1 (x2 ) . ϕ(±) α1 α2 (x1 , x2 ) = √ & 2 1 + δα1 α2 Er besitzt die bekannte Wahrscheinlichkeitsinterpretation: Die Gr¨ oße 2 |ϕ(±) α1 α2 (x1 , x2 )|
31.8 Fermi-Systeme
297
ist die Wahrscheinlichkeitsdichte daf¨ ur, dass eines der Elektronen sich am Ort x1 und das andere sich am Ort x2 aufh¨alt. Sie gibt somit die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte des Zweiteilchensystems an. Diese Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte hat die explizite Gestalt 2 |ϕ(±) α1 α2 (x1 , x2 )| =
=
1 1 |ϕα1 (x1 )ϕα2 (x2 ) ± ϕα2 (x1 )ϕα1 (x2 )|2 2 1 + δα1 α2 1 1 |ϕα1 (x1 )|2 |ϕα2 (x2 )|2 + |ϕα2 (x1 )|2 |ϕα1 (x2 )|2 2 1 + δα1 α2 ± 2Re{ϕα1 (x1 )ϕα2 (x2 )ϕ∗α2 (x1 )ϕ∗α1 (x2 )} .
(31.24)
Die ersten beiden Terme hier haben die u ¨bliche Wahrscheinlichkeitsinterpretation: Der erste Term gibt die Wahrscheinlichkeitsdichte an, dass sich das Elektron 1 am Orte x1 und das Elektron 2 am Orte x2 befindet. Analog gibt der zweite Term die Wahrscheinlichkeitsdichte an, dass das Elektron 1 sich am Ort x2 und das Elektron 2 am Ort x1 befindet. F¨ ur unterscheidbare Teilchen besitzen diese beiden Terme getrennte physikalische Bedeutung, f¨ ur identische Teilchen hingegen macht eine Unterscheidung dieser beiden Terme keinen Sinn. Der dritte Term im Quadrat der Ortswellenfunktion l¨ asst sich nicht in der bisher bekannten Weise interpretieren und wird als Austauschdichte bezeichnet. F¨ ur zwei Elektronen im Spin (S = 1)-Zustand ist die Ortsfunktion antisymmetrisch und verschwindet folglich, wenn x1 = x2 wird. Dies bedeutet, dass sich zwei Fermionen mit Gesamtspin S = 1 niemals am selben Ort aufhalten k¨ onnen. Demgegen¨ uber besitzen zwei Elektronen im Zustand mit Gesamtspin S = 0 eine symmetrische Ortsfunktion. Durch die Austauschdichte kommt es zur Vergr¨ oßerung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit der beiden Elektronen am selben Ort. Zwei Elektronen mit Gesamtspin S = 0 versuchen sich deshalb anzun¨ahern. Wir stellen damit fest, dass zwischen identischen Teilchen gewisse Korrelationen bestehen, die allein aufgrund ihrer Identit¨ at zustandeare. kommen, ohne dass eine eigentliche (tats¨achliche4 ) Wechselwirkung vorhanden w¨ Diese Korrelationen werden als Austauschwechselwirkung bezeichnet. Aus der Diskussion der Aufenthaltswahrscheinlichkeit ist ersichtlich, dass die Ununterscheidbarkeit der Teilchen nur dann wichtig ist, wenn die Austauschdichte wesentlich von Null verschieden ist, d.h. wenn die beiden Einteilchenwellenfunktionen ϕα1 (x) und ϕα2 (x) sich wesentlich u ¨berlappen, d.h. die beiden identischen Teilchen sich dicht beieinander aufhalten, siehe Abb. 31.3(a). F¨ ur zwei weit separiert identische Teilchen hingegen, deren Wellenfunktionen nicht u ¨ berlappen, siehe Abb. 31.3(b), ϕα1 (x)ϕ(∗) α2 (x) 0 ,
α1 = α2 ,
verschwindet die Austauschdichte und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit (31.24) reduziert sich mit α1 = α2 auf 1 |ϕα1 (x1 )|2 |ϕα2 (x2 )|2 + |ϕα2 (x1 )|2 |ϕα1 (x2 )|2 . 2 4 Mit tats¨ achlicher“ Wechselwirkung ist hier eine Wechselwirkung gemeint, die auch zwischen un” terscheidbaren Teilchen auftritt, wie z.B. die Coulomb-Wechselwirkung.
298
31 Vielteilchensysteme ϕαi (x)
ϕαi (x)
ϕα1 (x)
ϕα2 (x)
ϕα2 (x)
ϕα1 (x)
x
x (a)
(b)
¨ Abb. 31.3: (a) Uberlappende Wellenfunktionen f¨ uhren zu einer von Null verschiedenen Austauschdichte, (b) weit separierte Wellenfunktionen f¨ uhren zu verschwindender Austauschdichte.
Dieser Ausdruck besitzt die gew¨ohnliche Wahrscheinlichkeitsinterpretation f¨ ur zwei unterscheidbare Teilchen. Der Interferenzterm zwischen Teilchen 1 und 2 ist damit verschwunden, ¨ahnlich wie in der klassischen Mechanik. F¨ ur klassische Teilchen sind ¨ die Wellenfunktionen gut lokalisiert und besitzen keinen Uberlapp. Deshalb tritt f¨ ur klassische Teilchen die Problematik der Ununterscheidbarkeit nicht auf. Zusammenfassend k¨onnen wir feststellen: Die Identit¨ at der Teilchen (bei Fermionen die Antisymmetrisierung der Wellenfunktion und damit die Austauschdichte) wird dann wichtig, wenn die Teilchen sich nahe beieinander befinden. Die Identit¨ at wird jedoch irrelevant, wenn die Teilchen r¨aumlich weit voneinander separiert sind. Ein Elektron auf dem Mond kann keinen Einfluss auf ein Elektron auf der Erde besitzen.
31.9
Das Helium-Atom
Das einfachste realistische Vielfermionensystem, in dem die Identit¨ at der Teilchen eine Rolle spielt, ist das Helium-Atom. Selbst dieses einfache System l¨ asst sich nicht mehr streng analytisch behandeln, so dass wir auf die St¨ orungstheorie zur¨ uckgreifen m¨ ussen. Zur Vereinfachung setzen wir voraus, dass der Helium-Kern unendlich schwer gegen¨ uber den Elektronen ist und im Koordinatenursprung ruht. Diese N¨ aherung hat sich schon als sehr gut bei der Behandlung des Wasserstoff-Atoms erwiesen und sollte f¨ ur HeliumAtome aufgrund der gr¨oßeren Masse noch wesentlich besser sein. Bei Abwesenheit von kinetischer Energie f¨ ur den Helium-Kern ist der Hamilton-Operator des Helium-Atoms durch H = H (1) + H (2) + V (1,2)
(31.25)
gegeben. Hierbei ist H (i) = H0 (xi ) =
p2i Ze2 − , 2m 4π|xi |
i = 1, 2
31.9 Das Helium-Atom
299
mit der Kernladungszahl Z = 2 der Hamilton-Operator eines einzelnen Elektrons im Coulomb-Potential des Atomkerns und V (1,2) = V (1,2) (x1 , x2 ) =
e2 4π|x1 − x2 |
(31.26)
die Coulomb-Wechselwirkung der Elektronen.
Bemerkungen: 1) Die abstoßende Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Protonen des Kerns wird durch die viel st¨arkere anziehende starke Wechselwirkung u ¨berkompensiert. 2) Obwohl die Wechselwirkung zwischen den beiden Elektronen nur vom Abstand abh¨angt, l¨asst sich die Schwerpunktskoordinate der Elektronen nicht eliminieren, da sich diese noch im lokalisierten Coulomb-Feld des HeliumKerns befinden.
Wenn wir die Wechselwirkung zwischen den Elektronen und deren Identit¨ at vernachl¨ assigen, reduziert sich das Helium-Problem auf das Wasserstoff-Problem mit der Kernladungszahl Z = 2. Die Wellenfunktionen der Elektronen sind dann durch die Produktwellenfunktion ϕ(x1 , x2 ) = ϕn1 l1 m1 (x1 )ϕn2 l2 m2 (x2 ) ur Z = 2 sind. gegeben, wobei ϕnlm (x) die Wasserstoff-Wellenfunktionen f¨ In der hier betrachteten nichtrelativistischen Behandlung des Helium-Atoms ist der Hamilton-Operator H und insbesondere auch die Wechselwirkung H (1,2) unabh¨ angig vom Spin. Deshalb gilt: ˆ, [S (i) , H] = 0
i = 1, 2 ,
und der Gesamtspin der Elektronen muss erhalten bleiben. Wir k¨ onnen demnach die Eigenzust¨ ande der Elektronen selbst bei Anwesenheit der Wechselwirkung nach ihrem Gesamtspin klassifizieren. Im Folgenden wollen wir zun¨ achst von der Wechselwirkung zwischen den Elektronen absehen, aber ihre Identit¨ at ber¨ ucksichtigen. Die Wellenfunktion des nichtwechselwirkenden Zweifermionen-Systems haben wir bereits im vorangegangenen Abschnitt gefunden. Diese sind durch zum Gesamtspin S gekoppelte SlaterDeterminanten gegeben. Der Gesamtspin legt dabei lediglich die Symmetrie der Ortswellenfunktion fest. Die Wellenfunktionen lauten: |α1 α2 , SM = |ϕ(±) α1 α2 |SM , x1 , x2 |ϕ(±) α1 α2
=
ϕ(±) α1 α2 (x1 , x2 )
1 1 = √ & ϕα1 (x1 )ϕα2 (x2 ) ± ϕα1 (x2 )ϕα2 (x1 ) , 2 1 + δα1 α2
(31.27)
300
31 Vielteilchensysteme
wobei das obere (untere) Vorzeichen f¨ ur S = 0 (S = 1) gilt und α f¨ ur den Satz (n, l, m) von Einteilchenquantenzahlen steht. F¨ ur α1 = α2 verschwindet die antisymmetrische (−) (+) atzWellenfunktion |ϕα1 α2 , w¨ahrend die symmetrische Wellenfunktion |ϕα1 α2 den zus¨ lichen Normierungsfaktor 1 1 & = √ 1 + δα1 α1 2 besitzt. Dieser zus¨atzliche Faktor entsteht dadurch, dass f¨ ur α1 = α2 die gemischten Terme ϕ∗α1 (x1 )ϕ∗α2 (x2 )ϕα1 (x2 )ϕα2 (x1 ) + komplex konjugiert ebenfalls zur Norm beitragen, siehe Gl. (31.24). Die Heliumatome mit Elektronenkonfigurationen mit Gesamtspin S = 0 bzw. S = 1 werden als Parahelium bzw. Orthohelium bezeichnet: S = 0 : |ϕ(+) α1 α2 , Parahelium ↑↓ , S = 1 : |ϕ(−) α1 α2 , Orthohelium ↑↑ .
31.9.1
Das ungest¨orte Helium-Spektrum
Die antisymmetrischen Eigenfunktionen zum Gesamtspin sind gleichzeitig Eigenfunktionen zum Gesamteinteilchen-Hamilton-Operator, (H (1) + H (2) )|α1 α2 , SM = (Eα1 + Eα2 )|α1 α2 , SM , wobei Eα = En = −
Z 2R n2
die Energieeigenwerte im Coulomb-Potential mit Ladung Z = 2 sind. Im ungest¨ orten Grundzustand (V (1,2) (x1 , x2 ) = ˆ0) befinden sich beide Elektronen im niedrigsten Einteilchenzustand α1 = α2 = (1, 0, 0). Dieser Zustand hat deshalb die Gesamtenergie (0)
E0
= E1 + E1 = −8R .
Dieser Wert ist betragsm¨aßig etwa 30 % gr¨oßer als die experimentelle Bindungsenergie der Elektronen im Helium, was nicht verwunderlich ist, da wir die abstoßende CoulombWechselwirkung der Elektronen vernachl¨assigt haben. Da beide Elektronen sich im selben Orts-Einteilchenzustand befinden, verschwindet die antisymmetrische Ortswellenfunktion und die Elektronen k¨onnen nur den Gesamtspin S = 0 bilden. Zu diesem Spin geh¨ ort aber die symmetrische Ortswellenfunktion ϕ(+) α1 α1 (x1 , x2 ) = ϕα1 (x1 )ϕα1 (x2 ) ,
α1 = α2 = (1, 0, 0) .
31.9 Das Helium-Atom
301 n1 1 1 1 1 2
n2 1 2 3 ∞ 2
E [R] −8 −5 −40/9 −4 −2
E [eV] −108,8 −68,0 −60,4 −54,4 −27,2
Tabelle 31.2: Die ungest¨ orte Elektronenenergien im Helium-Atom.
Dieselbe Ortswellenfunktion w¨ urde man auch f¨ ur unterscheidbare Teilchen unter Vernachl¨ assigung des Spins erhalten. F¨ ur den Grundzustand von Helium hat deshalb die Antisymmetrisierung der Wellenfunktion keinen dynamischen Effekt, abgesehen von der Tatsache, dass die Antisymmetrisierung die beiden Elektronen in einen Gesamtspin (S = 0)-Zustand zwingt. Da sich die Elektronen in diesem symmetrischen Ortszustand beliebig nahe kommen k¨onnen, ist es nicht verwunderlich, dass die CoulombWechselwirkung (Abstoßung) der Elektronen in diesem Zustand groß ist. In der Tabelle 31.2 sind die ungest¨orten Elektronenenergien im Helium-Atom angegeben. F¨ ur ein Helium-Atom im Grundzustand ist die Abl¨ osungsarbeit eines Elektrons, d.h. die sogenannte Ionisationsenergie, durch5 Eion = E1 + E∞ − 2E1 = −E1 = 4R = 54,4 eV
(31.28)
gegeben. Befinden sich beide Elektronen im ersten angeregten Zustand (n1 = n2 = 2), so ist ihre gesamte Anregungsenergie bereits gr¨ oßer als die Ionisationsenergie (31.28) eines einzelnen Elektrons: (E2 − E1 ) + (E2 − E1 ) > Eion . Dieser Zustand n1 = n2 = 2 kann folglich kein Bindungszustand sein, sondern liegt im Kontinuum. Er wird jedoch als Resonanz beobachtet. Demnach sind alle ungest¨ orten Zust¨ ande, in denen sich beide Elektronen in angeregten Einteilchen-Niveaus n1 , n2 ≥ 2 befinden, keine Bindungszust¨ande, da sie eine h¨ ohere Energie als der einfach ionisierte Zustand n1 = 1, n2 = ∞ besitzen (siehe Abb. 31.4). Befinden sich beide Elektronen in einem angeregten Zustand, so kommt es deshalb zur spontanen Emission eines der beiden Elektronen (Autoionisation), wobei das im Atom verbleibende Elektron in den Grundzustand zur¨ uckf¨allt.
5 Die Ionisationsenergie ist die Energie, welche aufgebracht werden muss, um ein Elektron aus dem (gebundenen) Grundzustand (E = E1 ) zur Ionisationskante E∞ = 0 anzuregen.
302
31 Vielteilchensysteme E
⎫
(2, 2)
27,2 eV ⎬
⎭ Kontinuum ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ −6,0 eV ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ −13,6 eV ⎬ Ionisationsenergie ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
(1, ∞) (1, 3) (1, 2)
−54,4 eV
(1, 1)
Abb. 31.4: Das ungest¨ orte Spektrum des Helium-Atoms. Angegeben sind die Energien eines Elektrons, wenn sich das andere Elektron im Grundzustand n = 1 befindet, so wie die Energie des Zustandes, in welchem beide Elektronen sich im ersten angeregten Zustand n = 2 befinden.
31.9.2
Das Helium-Spektrum unter Beru ¨ cksichtigung der Coulomb-Wechselwirkung der Elektronen in erster Ordnung St¨orungstheorie
Der Hamilton-Operator des Helium-Atoms, insbesondere die Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen, ist unabh¨angig vom Spin. Deshalb kann dieser HamiltonOperator keine Zust¨ande mit verschiedenem Gesamtspin der Elektronen mischen. Der Gesamtspin ist erhalten, und da der Hamilton-Operator nicht vom Spin abh¨ angt, fallen die Spinfunktionen bei der Berechnung des Erwartungswertes heraus. Der Gesamtspin bestimmt jedoch die Symmetrie des Ortsanteiles der Wellenfunktion. Nach Multiplikation von Gl. (31.24) mit der Coulomb-Wechselwirkung (31.26) und Ausnutzung deren Symmetrie V (1,2) (x1 , x2 ) = V (2,1) (x2 , x1 ) sowie Integration u ¨ber die Teilchenkoordinate erhalten wir f¨ ur die Energiekorrektur in erster Ordnung St¨ orungstheorie:
ΔEαS1 α2 = (−)α1 α2 , SM |H (1,2) |α1 α2 , SM (−) (1,2) (±) = ϕ(±) |ϕα1 α2 α1 α2 |V
= (Iα1 α2 ± Jα1 α2 ) / (1 + δα1 α2 ) ,
31.9 Das Helium-Atom
303 S=0 J I
J S=1
Eα1 + Eα2 Abb. 31.5: Verschiebung und Aufspaltung der Elektronenniveaus im Helium-Atom aufgrund der abstoßenden Coulomb-Wechselwirkung der Elektronen.
wobei das obere (untere) Vorzeichen f¨ ur den Spin S = 0 (S = 1) gilt und e2 ϕα (x1 )ϕα2 (x2 ) Iα1 α2 = d3 x1 d3 x2 ϕ∗α1 (x1 )ϕ∗α2 (x2 ) 4π|x1 − x2 | 1 e2 |ϕα2 (x2 )|2 = d3 x1 d3 x2 |ϕα1 (x1 )|2 4π|x1 − x2 | bzw.
Jα1 α2 =
d3 x1 d3 x2 ϕ∗α1 (x1 )ϕ∗α2 (x2 )
e2 ϕα (x2 )ϕα2 (x1 ) 4π|x1 − x2 | 1
den direkten bzw. Austauschterm des Erwartungswertes der Coulomb-Wechselwirkung repr¨ asentieren. Wie wir oben gesehen haben, existieren gebundene Zust¨ ande nur, wenn sich mindestens eines der Elektronen im Einteilchenzustand niedrigster Energie befindet. F¨ ur diese F¨ alle kann man zeigen, dass sowohl der direkte Term I als auch der Austauschterm J positiv sind. Wir erhalten deshalb in f¨ uhrender Ordnung St¨ orungstheorie das in Abb. 31.5 dargestellte Schema der Energieniveaus. Dieses besitzt eine anschauliche physikalische Interpretation. Im Spin (S = 0)-Zustand ist die r¨ aumliche Wellenfunktion symmetrisch und die Elektronen sind bestrebt, sich sehr nahe zu kommen. Insbesondere k¨onnen sie sich beliebig dicht beieinander aufhalten. Deshalb sp¨ uren sie die Coulomb-Abstoßung sehr stark, und dieser Zustand wird stark nach oben verschoben. Demgegen¨ uber ist die Ortswellenfunktion zum Gesamtspin S = 1 antisymmetrisch. Die beiden Elektronen weichen einander aus, kommen sich daher nicht sehr nahe, so dass die Coulomb-Abstoßung nicht sehr wirksam werden kann. Die Austauschkorrelationen J kompensieren hier teilweise die direkte Abstoßung der Coulomb-Wechselwirkung I. Direkte Coulomb-Abstoßung I und Austauschkorrelationen J wirken demnach konstruktiv im Spin (S = 0)-Zustand (Parahelium) und destruktiv im Spin (S = 1)-Zustand (Orthohelium). Abschließend betonen wir, dass diese Aufspaltung der Niveaus mit verschiedenem Spin erhalten wurde, obwohl der Hamilton-Operator unabh¨ angig vom Spin ist. Die Aufspaltung der Niveaus mit verschiedenem Spin ist allein eine Folge der Identit¨ at der Teilchen, die eine total antisymmetrische Wellenfunktion fordert. Da (S = 0)- und (S = 1)-Zust¨ ande verschiedene Symmetrie bez¨ uglich Vertauschen der beiden Teilchen besitzen, haben diese Zust¨ande auch im Ortsanteil ihrer Wellenfunktion verschiedene
304
31 Vielteilchensysteme
Symmetrien, und verschiedene Ortswellenfunktionen geben nat¨ urlich verschiedene Erwartungwerte f¨ ur den ortsabh¨angigen Hamilton-Operator. Befinden sich beide Elektronen im selben (Einteilchen-)Zustand ϕα (x), so verschwindet (−) die antisymmetrische Ortswellenfunktion (31.27), ϕαα (x1 , x2 ) = 0, und die Elektronen k¨ onnen nur den Gesamtdrehimpuls S = 0 besitzen, der folglich u orten ¨ber dem ungest¨ Grundzustand liegt. Im (ungest¨ orten) Grundzustand des Helium-Atoms befinden sich beide Elektronen im orte Zustand ϕ100 (x) und folglich besitzt dieser den Gesamtspin S = 0. Die ungest¨ Grundzustandswellenfunktion ist deshalb nach Gl. (31.27) durch |αα, S = 0 M = 0 = |ϕ(+) αα |S = 0 M = 0 mit α = (1, 0, 0) und der Ortswellenfunktion x1 , x2 |ϕ(+) αα = ϕα (x1 )ϕα (x2 ) ≡ ϕ100 (x1 )ϕ100 (x2 ) =: ϕ(0) (x1 , x2 ) gegeben, wobei ϕ100 (x) =
3
(31.29)
r Z3 exp −Z 3 πa a
die Grundzustandswellenfunktion des Wasserstoff-Atoms, jedoch mit Z = 2 ist (a bezeichnet den Bohr’schen Atomradius). Die Ortswellenfunktion ϕ(0) (x1 , x2 ) (31.29) ist aber gerade die bereits in Abschnitt 21.3 betrachtete Produktwellenfunktion zweier unterscheidbarer Elektronen im Grundzustand des Coulomb-Potentials −eZ/4πr, siehe Gl. (21.21). Da der Hamilton-Operator (31.25) unabh¨ angig vom Spin ist und ferner SM |SM = 1, bleibt die in Abschnitt 21.3 durchgef¨ uhrte st¨ orungstheoretische Berechnung der Grundzustandsenergie des Helium-Atoms auch bei Ber¨ ucksichtigung der Identit¨ at der Elektronen korrekt. Dasselbe gilt f¨ ur die in Abschnitt 22.2 durchgef¨ uhrte Variationsrechnung.
31.10
Die Hartree-Fock-Methode
F¨ ur Atome mit mehr als zwei Elektronen wird die st¨ orungstheoretische Behandlung der Elektronenniveaus wegen der Coulomb-Wechselwirkung der Elektronen untereinander ahrend das Potential fragw¨ urdig. Letztere w¨achst mit der Kernladungszahl Z wie Z 2 , w¨ des Kerns nur linear in Z ansteigt. Demzufolge sollte f¨ ur große Z die Wechselwirkungsenergie der Elektronen gegen¨ uber der Summe der Einteilchenenergien der Elektronen im Coulomb-Potential des Atomkerns dominieren und die St¨ orungstheorie sollte folglich zusammenbrechen. Im Folgenden wollen wir deshalb eine nichtst¨ orungstheoretische Behandlung der Coulomb-Wechselwirkung der Elektronen vornehmen, die es uns erlaubt, auch Atome mit gr¨oßeren Kernladungszahlen zu behandeln. Bei dieser Methode geht man von der Vorstellung aus, dass ein Elektron in einem Atom neben dem CoulombPotential des Atomkerns noch ein zus¨atzliches effektives Potential erf¨ ahrt, das durch seine Wechselwirkung mit den u ulle entsteht. ¨brigen Elektronen der H¨
31.10 Die Hartree-Fock-Methode
305
Zweckm¨ aßigerweise legen wir den Atomkern in den Koordinatenursprung und betrachten ihn der Einfachheit halber wieder als unendlich schwer. Er besitzt dann keine kinetische Energie und der Hamilton-Operator der Elektronen ist durch H=
H (k) +
1 k,l V 2 k=l
k
gegeben. Hierbei ist H (k) =
Ze2 p2k + ≡ H0 (xk ) 2m 4π|xk |
der Hamilton-Operator eines einzelnen Elektrons im Coulomb-Feld des Atomkerns der Kernladungszahl Z und V (k,l) =
e2 ≡ V (xk , xl ) 4π|xk − xl |
ist die Coulomb-Wechselwirkung zwischen dem k-ten und l-ten Elektron. Im Folgenden werden wir uns jedoch nicht auf geladene Vielteilchensysteme mit Coulomb-Wechselwirkung beschr¨ anken, sondern beliebige Einteilchenoperatoren H0 (x) =
p2 + U (x) 2m
und spinunabh¨ angige Zweiteilchenwechselwirkungen V (k,l) = V (xk , xl ) zulassen. Zur Berechnung der Grundzustandsenergie des Vielteilchensystems benutzen wir die Variationsmethode. Uneingeschr¨ankte Variation der Energie E[ψ] = ψ|H|ψ → min
(31.30)
unter der Nebenbedingung ψ|ψ = 1 liefert die exakte L¨osung der station¨aren Schr¨ odinger-Gleichung, siehe Kap. 22. F¨ ur ein System mit vielen Teilchen ist die uneingeschr¨ ankte Variation unm¨ oglich und wir sind gezwungen, den Raum der Testwellenfunktionen |ψ einzuschr¨ anken. Der Erfolg des Variationsverfahren h¨angt bekanntlich von der Wahl der Testfunktionen |ψ ab. Bei der praktischen Durchf¨ uhrung des Variationsproblems ist man gezwungen, einen Kompromiss zwischen Komplexit¨at der Testwellenfunktionen und der G¨ ute der N¨ aherungen einzugehen.
31.10.1 Hartree-N¨aherung Eine besonders einfache Testwellenfunktion f¨ ur ein Vielteilchensystem ist die Produktwellenfunktion ψ(ξ1 , ξ2 , . . . , ξN ) = φ1 (ξ1 )φ2 (ξ2 ) . . . φN (ξN ) ,
(31.31)
306
31 Vielteilchensysteme
wobei φi (ξi ) ≡ ϕi (xi )χi (msi ) die Wellenfunktion des i-ten Teilchens ist. Sie setzt sich zusammen aus einer Orts- und Spinwellenfunktion. Im Folgenden werden wir jedoch der Einfachheit halber wieder den Spin der Teilchen vernachl¨assigen. Dies ist gerechtfertigt, da der Hamilton-Operator H unabh¨ angig vom Spin ist und folglich die Spinwellenfunktionen bei der Bildung des Erwartungswertes von H herausfallen. Die Produktwellenfunktion
ψ (x1 , x2 , . . . , xN ) =
N
ϕk (xk )
(31.32)
k=1
beschreibt ein System unabh¨angiger, unterscheidbarer Teilchen. Sie tr¨ agt weder der Wechselwirkung zwischen den Teilchen noch ihrer Ununterscheidbarkeit (Identit¨ at) Rechnung. Effekte, die von der Identit¨at der Teilchen herr¨ uhren, wie die Austauschkorrelationen, k¨onnen deshalb im Rahmen dieses Ansatzes nicht erfasst werden. Um f¨ ur Fermi-Systeme das Pauli-Prinzip wenigstens teilweise zu ber¨ ucksichtigen, m¨ ussen s¨ amtliche Einteilchenwellenfunktionen in dem Produktansatz verschieden bzw. zueinander orthogonal sein. Mit Hilfe des Variationsprinzips erhalten wir die bestm¨ ogliche Wellenfunktion im Rahmen unseres Variationsansatzes (31.31), d.h. die bestm¨ oglichste Beschreibung des wechselwirkende Systems aus identischen Teilchen als ein System unabh¨ angiger, unterscheidbarer Teilchen. Wir setzen die Produktwellenfunktion (31.32) in das Energiefunktional (31.30) ein E[ψ] =
N k=1
ψ|H0 (xk )|ψ +
N 1 ψ|V (xk , xl )|ψ . 2 k=l=1
Da H (k) = H0 (xk ) nur auf die k-te Teilchenkoordinate xk und V (k,l) = V (xk , xl ) nur auf die k-te und l-te Teilchenkoordinaten wirken, erhalten wir:
E[ψ] =
k
+
d3 xk ϕ∗k (xk )H0 (xk )ϕk (xk )
1 2
d3 xk d3 xl ϕ∗k (xk )ϕ∗l (xl )V (xk , xl )ϕk (xk )ϕl (xl ) ,
k=l
(31.33)
wobei wir die korrekte Normierung der Einteilchenwellenfunktionen d3 xk ϕ∗k (xk )ϕk (xk ) = 1
(31.34)
31.10 Die Hartree-Fock-Methode
307
vorausgesetzt haben. Diese Normierung muss bei der Variation des Energiefunktionals erhalten werden. Dies erfordert (siehe Anhang D.1): d3 xk δϕ∗k (xk )ϕk (xk ) = 0 . Die Nebenbedingung (31.34) k¨onnen wir durch Einf¨ uhrung von Lagrange-Multiplikatoren ahrleisten, was auf das Energiefunktional k gew¨ ¯ E[ψ] = E[ψ] − k d3 x ϕ∗k (x)ϕk (x) (31.35) k
ucksichtif¨ uhrt. Variation nach den Einteilchenwellenfunktionen ϕk (x) liefert unter Ber¨ gung von6 δϕk (y) = δkl δ(x − y) δϕl (x) die Beziehung (H0 (x) + Vk (x)) ϕk (x) = k ϕk (x) ,
(31.36)
wobei die Gr¨ oße Vk (x) =
d3 xl V (x, xl )|ϕl (xl )|2
(31.37)
l=k
ein effektives Potential f¨ ur das k-te Teilchen darstellt, das von den Wellenfunktionen ϕl (x) der u ¨brigen Teilchen l = k abh¨angt. Es ist nur eine Funktion der Koordinate des k-ten Teilchens. Es stellt ein mittleres Potential dar, das das k-te Teilchen aufgrund seiner Wechselwirkung mit den u ahrt. F¨ uhren wir die Dichte ¨ brigen Teilchen erf¨ 2 |ϕl (x)| (31.38) ρk (x) = l=k
dieser Teilchen ein, so l¨asst sich das mittlere Potential Vk (x) (31.37) als Faltung der Wechselwirkung mit dieser Teilchendichte schreiben: Vk (x) = d3 y V (x, y)ρk (y) . (31.39) 6 Man beachte, dass bei der Variation nach einer speziellen Einteilchenfunktion ϕ (x) die ubrigen ¨ l Einteilchenzust¨ ande ϕk=l (x) festgehalten werden.
308
31 Vielteilchensysteme
Das effektive Potential Vk (x) entsteht damit durch Mittelung der Zweiteilchenwechselwirkung u ¨ber die Dichte der u ¨ brigen Teilchen. Es wird deshalb als mittleres Feld bezeichnet. Gleichung (31.36) ist die Hartree-Gleichung. Sie hat die Form einer EinteilchenSchr¨ odinger-Gleichung. Durch den Produktansatz im Variationsproblem ist es uns gelungen, das N -TeilchenProblem auf N gekoppelte Einteilchen-Probleme hk (x)ϕk (x) = k ϕk (x)
(31.40)
zur¨ uckzuf¨ uhren, wobei die Kopplung durch das mittlere Feld Vk (x) im effektiven Einteilchen-Hamilton-Operator hk (x) = H0 (x) + Vk (x)
(31.41)
hervorgerufen wird, da das mittlere Potential Vk (x) f¨ ur das k-te Teilchen von den Wellenfunktionen der u odinger-Gleichungen ¨ brigen Teilchen abh¨angt. Die Einteilchen-Schr¨ (31.40) sind jedoch keine gew¨ohnlichen Differentialgleichungen, sondern wegen der ϕl=k (x)-Abh¨ angigkeit des mittleren Feldes sogenannte Integrodifferentialgleichungen, die sich i.A. nur iterativ l¨osen lassen. Zur iterativen L¨ osung der Hartree-Gleichung w¨ ahlt man einen Satz von N linear unabh¨angigen, i.A. orthonormierten Einteilchen(0) Funktionen ϕk (x), z.B. die untersten Zust¨ande im harmonischen Oszillatorpotential, ost berechnet mit diesen Wellenfunktionen das mittlere Potential Vk (x) (31.37) und l¨ mit diesem Potential die Hartree-Gleichung (31.36). Dies liefert einen neuen Satz von (1) N Wellenfunktionen ϕk (x), mit denen die Iteration wiederholt wird, bis es zur Konvergenz der Einteilchenenergien k und der Wellenfunktionen ϕk (x) kommt. Das mit den L¨ osungen der Hartree-Gleichung berechnete effektive Potential Vk (x) (31.37) wird als Hartree’sches selbstkonsistentes oder mittleres Feld bezeichnet. Da das mittlere Potential Vk (x) (31.39) und damit der Hartree-Hamiltonian hk (x) (31.41) f¨ ur jedes der N Teilchen prinzipiell verschieden ist, sind die Einteilchen-Wellenfunktionen ϕk (x), die als L¨osung der Hartree-Gleichung (31.40) erhalten werden, nicht orthogonal. F¨ ur eine sehr große Anzahl von Teilchen h¨ angt jedoch das mittlere Potential Vk (x) nur wenig von k ab und es empfiehlt sich deshalb, die Dichte ρk (x) (31.38) der (N − 1) Teilchen l = k durch die Einteilchendichte des Gesamtsystems zu ersetzen: 2 ρ(x) = |ϕl (x)| . l
Das mittlere Potential (31.39) V (x) = d3 y V (x, y)ρ(y) und damit der Hartree-Hamiltonian sind dann f¨ ur alle Zust¨ ande dieselben. Da der Hartree-Hamiltonian außerdem hermitesch ist, erhalten wir dann orthogonale Einteilchenzust¨ ande ϕk (x). F¨ ur lokalisierte Probleme, wie z.B. die Berechnung der Elektronenenergie im Atom wird das numerische L¨osen der Hartree-Gleichung dadurch erschwert, dass das mittlere
31.10 Die Hartree-Fock-Methode
309
Hartree-Potential Vk (x) im Gegensatz zum Coulomb-Potential des Atomkerns nicht sph¨ arisch symmetrisch ist. Eine Vereinfachung ergibt sich, wenn das Hartree-Potential Vk (x) durch das kugelsymmetrische Potential 1 dΩ Vk (x) Vk (x) → V¯k (|x|) = 4π ersetzt wird, das durch Mittelung u ¨ ber den Raumwinkel entsteht. F¨ ur translationsinvariante Probleme, wie z.B. bei unendlich ausgedehnter Kernmaterie ist die Teilchendichte (31.38) und damit das mittlere Potential Vk (x) (31.39) ortsunabh¨ angig. Die L¨ osungen der Hartree-Gleichung sind dann ebene Wellen. unglich als Lagrange-Multiplikatoren eingef¨ uhrt. In der HartreeDie k hatten wir urspr¨ Gleichung (31.40) erscheinen sie als die Eigenwerte des Hartree-Hamilton-Operators aherung inhk (x) (31.41) und k¨onnen deshalb als die Einteilchenenergien in Hartree-N¨ terpretiert werden. Beachten wir, dass k = ϕk |hk |ϕk = d3 x ϕ∗k (x)H0 (x)ϕk (x) + d3 x d3 y ϕ∗k (x)ϕ∗l (y)V (x, y)ϕk (x)ϕl (y) , l=k
so erkennen wir, dass die Summe der Einteilchenenergien k k
nicht mit dem Energiefunktional in Hartree-N¨aherung E[ψ] (31.33) zusammenf¨ allt, sondern die Wechselwirkungsenergie doppelt enth¨alt: 1 3 E[ψ] = k − d x d3 y ϕ∗k (x)ϕ∗l (y)V (x, y)ϕk (x)ϕl (y) . 2 k
k=l
Der zweite Term korrigiert die doppelte Ber¨ ucksichtigung der Wechselwirkung in der Summe der Einteilchenenergien.
31.10.2 Hartree-Fock-N¨aherung Der Nachteil der Hartree-N¨aherung besteht in der Vernachl¨ assigung der Identit¨ at der Teilchen durch den Produktansatz f¨ ur die Wellenfunktion. F¨ ur Fermionen sollte die Wellenfunktion antisymmetrisch bez¨ uglich Vertauschen von Teilchenpaaren sein. Deshalb ist f¨ ur Fermi-Systeme die Slater-Determinante ϕ1 (x1 ) ϕ1 (x2 ) . . . ϕ1 (xN ) 1 ϕ2 (x1 ) ϕ2 (x2 ) . . . ϕ2 (xN ) ψ(x1 , . . . , xN ) = √ .. .. .. N ! . . . ϕN (x1 ) ϕN (x2 ) . . . ϕN (xN )
(31.42)
310
31 Vielteilchensysteme
ein besserer Variationsansatz. Hierbei sind die ϕk (x) wieder orthonormierte EinteilchenWellenfunktionen. Zur Berechnung des Energiefunktionals E[ψ] = ψ|H|ψ bemerken wir, dass ein Einteilchen-Operator im Determinantenzustand (31.42) denselben Erwartungswert wie im Produktzustand (31.31) besitzt. Dies erkennt man sofort, wenn man die Determinante nach einer Zeile oder Spalte entwickelt (Laplace’scher Entwicklungssatz). Entwicklung nach der i-ten Spalte liefert: N 1 (−1)i+k ϕk (xi )ψki (x1 , . . . , xi−1 , xi+1 , . . . , xN ) , ψ(x1 , . . . , xN ) = √ N k=1
(31.43)
wobei ψki ein normierter Zustand des (N − 1)-Fermionensystems ist, in welchem der k-te Einteilchenzustand ϕk und die i-te Koordinate xi fehlen.7 Man kann sich leicht davon u ¨berzeugen, dass ∗ d3 xm ψki (. . .)ψli (. . . ) = δkl m=i
gilt, vorausgesetzt die Einteilchenwellenfunktionen ϕk (x) der Slater-Determinante (31.42) sind korrekt normiert, Gl. (31.34). Folglich liefert der Zustand (31.43) zum ur festes i) den Beitrag Erwartungswert von H0 (xi ) (f¨
ψ|H0 (xi )|ψ =
N 1 d3 xi ϕ∗k (xi )H0 (xi )ϕk (xi ) N k=1
=
N 1 k|H0 |k . N k=1
Dieser ist unabh¨angig von dem betrachteten Teilchen i, was die Identit¨ at der Teilchen widerspiegelt. Deshalb erhalten wir f¨ ur den Erwartungswert des gesamten Einteilchenoperators: ψ|
N i=1
H0 (xi )|ψ =
N
ψ|H0 (xi )|ψ =
i=1
N N 1 k|H0 |k = k|H0 |k . N i=1 k=1
k=1
F¨ ur einen Zweiteilchen-Operator sind nur zwei der N Einteilchenwellenfunktionen relevant. Zur Berechnung des Erwartungswertes der Zweiteilchenwechselwirkung entwickeln wir deshalb die ψki (31.43) noch nach der j-ten Spalte. Das f¨ uhrt auf einen Zustand N 1 ij ψki (. . . ) = √ (−1)j+l ϕl (xj )ψkl (. . . ) , N − 1 l=1
(31.44)
(l=k)
ψki
haben hier N ! = N (N − 1)! benutzt und den Normierungsfaktor 1/ (N − 1)! in die Zust¨ ande einbezogen.
7 Wir
31.10 Die Hartree-Fock-Methode
311
ij wobei die ψkl normierte Slater-Determinanten der Dimension (N − 2) sind, die aus der urspr¨ unglichen Determinante durch Streichen der i-ten und j-ten Spalte und der k-ten und l-ten Zeile entstehen. Dementsprechend fehlen die i-te und j-te Koordinate ij (. . . ). F¨ ur i < j haben wir: im Argument von ψkl ij ij (. . . ) = ψkl (x1 , . . . , xi−1 , xi+1 , . . . , xj−1 , xj+1 , . . . , xN ) . ψkl
F¨ ur festes (i, j) gilt wegen der Antisymmetrie der Slater-Determinante die Orthogonalit¨atsbeziehung ij d3 xm ψkl (. . . )∗ ψkij l (. . . ) = δkk δll − δkl δlk . m=i,j
Einsetzen von (31.44) in (31.43) liefert f¨ ur die Gesamtwellenfunktion die Entwicklung N N 1 ij (−1)i+j+k+l ϕk (xi )ϕl (xj )ψkl (. . . ) . ψ(x1 , . . . , xN ) = & N (N − 1) k=1 l=1 (l=k)
Mit dieser Darstellung der Slater-Determinante erhalten wir f¨ ur den Erwartungswert ur festes i und j): von V (i,j) = V (xi , xj ) (f¨ ψ|V (xi , xj )|ψ =
N N N N 1 (−1)i+j+k+l (−1)i+j+k +l N (N − 1)
× =
k =1 l =1 (l =k )
k=1 l=1 (l=k)
d3 xi
d3 xj ϕ∗k (xi )ϕ∗l (xj )V (xi , xj )ϕk (xi )ϕl (xj )(δkk δll − δkl δlk )
N N 1 [kl|V |kl − kl|V |lk] , N (N − 1) k=1 l=1 (l=k)
wobei
kl|V |mn =
d3 x
d3 y ϕ∗k (x)ϕ∗l (y)V (x, y)ϕm (x)ϕn (y)
die Matrixelemente der Zweiteilchenwechselwirkung bezeichnen. Das Ergebnis ist unabh¨ angig von dem betrachteten Teilchenpaar (i, j), was aufgrund der Identit¨ at der Teilchen nicht verwunderlich ist. Wegen k=l
1=
N N
1 = N (N − 1)
k=1 l=1 (l=k)
erhalten wir f¨ ur den Erwartungswert der gesamten Zweiteilchenwechselwirkung in der Slater-Determinante |ψ (31.42): 1 1 V (xi , xj )|ψ = [kl|V |kl − kl|V |lk] . ψ| 2 2 i=j
k,l
312
31 Vielteilchensysteme
Die hier erhaltene Antisymmetrisierung der Zweiteilchen-Matrixelemente der Wechselwirkung ist eine Folge der Antisymmetrie der Slater-Determinante bez¨ uglich Teilchenaustausch und stellt den Unterschied zur Hartree-N¨ aherung dar, welche die Produktwellenfunktion (31.31) benutzt. Variation der Hartree-Fock-Energie E[ψ] =
1 k|H0 |k + [kl|V |kl − kl|V |lk] 2 k
(31.45)
k,l
nach den Einteilchenwellenfunktionen ϕ∗k (x) liefert unter Ber¨ ucksichtigung der Nebenbedingung k|k = 1, siehe Gl. (31.35), die Hartree-Fock-Gleichung H0 (x) + V˜k (x) ϕk (x) = k ϕk (x) .
(31.46)
Diese besitzt formal dieselbe Gestalt wie die Hartree-Gleichung (31.36), jedoch ist das mittlere Einteilchen-Potential jetzt durch V˜k (x)ϕk (x) =
d3 y ϕ∗l (y)V (x, y)[ϕl (y)ϕk (x) − ϕk (y)ϕl (x)]
l=k
gegeben. Der von der Antisymmetrie der Slater-Determinante herr¨ uhrende zweite Term wird als Austauschterm bezeichnet. Durch ihn ist das mittlere Feld V˜k (x) und damit der Hartree-Fock-Hamiltonian nicht lokal. Die Hartree-Fock-Gleichung (31.46) l¨ asst sich genau wie die Hartree-Gleichung (31.36) iterativ l¨ osen. Die obigen Berechnungen der Erwartungswerte lassen sich wesentlich vereinfachen, wenn die Methode der Zweiten Quantisierung benutzt wird, die im Kapitel 32 entwickelt wird.
31.11
Das ideale Fermi-Gas
Wir betrachten ein Gas aus nicht wechselwirkenden Fermionen, die in einem quaderf¨ ormigen Volumen V = L1 L2 L3 mit den Abmessungen Li , i = 1, 2, 3 eingeschlossen sind. Die Fermionen sollen sich frei im Inneren des Volumens bewegen, jedoch dieses nicht verlassen k¨ onnen. Die undurchdringlichen Außenw¨ande stellen f¨ ur die Teilchen unendlich hohe Potentialw¨ ande dar 0, 0 < xi < Li , i = 1, 2, 3 , V (x) = V (x1 , x2 , x3 ) = ∞, sonst.
31.11 Das ideale Fermi-Gas
313
F¨ ur 0 < xi < Li k¨onnen wir die Schr¨odinger-Gleichung durch den Produktansatz ϕ(x1 , x2 , x3 ) = ϕ1 (x1 )ϕ2 (x2 )ϕ3 (x3 ) auf die freie eindimensionale Schr¨odinger-Gleichung √ 2mEi ki = ϕi (xi ) = ki2 ϕi (xi ) , f¨ ur jede der drei Dimensionen zur¨ uckf¨ uhren, wobei E = E1 + E2 + E3
(31.47)
die Gesamtenergie des Teilchens ist. Mit den durch die unendlich hohen Potentialw¨ ande induzierten Randbedingungen ϕi (xi = 0) = 0 = ϕi (xi = Li )
(31.48)
lauten die normierten L¨osungen (siehe Kapitel 9.5) 3 2 sin(ki xi ) , ϕni (xi ) = Li wobei die Wellenzahlen quantisiert sind ki = ni
π , Li
ni = 1, 2, 3, . . . .
(31.49)
Da sin(−x) = − sin x liefern negative ni keine neuen Zust¨ ande, so dass die ni auf die positiven ganzen Zahlen beschr¨ankt sind. Die Gesamtenergie (31.47) eines Teilchens erhalten wir deshalb zu E=
3 (ki )2 i=1
2m
=
2 k 2 , 2m
(31.50)
wobei k = |k| der Betrag des Wellenvektors k = k1 e1 + k2 e2 + k3 e3 ist. Unterscheidbare Teilchen oder Bosonen w¨ urden s¨ amtlich den Zustand niedrigster ur Fermionen ist dies jedoch aufgrund des Energie n1 = n2 = n3 = 1 besetzen. F¨ Pauli-Prinzips nicht m¨oglich. Vielmehr k¨onnen diese jeden Einteilchenzustand nur mit 2s + 1 Teilchen besetzen, wobei s der Spin des Teilchens ist. Die Fermionen besetzen somit sukzessiv die untersten Einteilchenzust¨ande mit 2s + 1 Teilchen, bis s¨ amtliche Teilchen untergebracht sind. Die dabei maximal auftretende (Einteilchen-)Energie wird als Fermi-Energie F bezeichnet. Sie h¨angt offenbar von der Teilchenzahl N ab. Um F zu bestimmen, betrachten wir die Einteilchenzust¨ ande im dreidimensionalen Raum mit den kartesischen Koordinaten ki=1,2,3 . An jeden Koordinatenwert ki = ni π/Li (31.49) zeichnen wir eine Ebene senkrecht zur i-ten Koordinatenachse. Die Schnittpunkte dieoglichen Einteilchenzust¨ ande. Sie ser Ebenen im Oktanten ki > 0 repr¨asentieren die m¨ bilden ein regul¨ ares kubisches Gitter mit Gitterabstand ai = π/Li , siehe Abb. 31.6.
314
31 Vielteilchensysteme
Abb. 31.6: Kubisches Gitter, das durch die quantisierten Wellenzahlen ki=1,2,3 (31.49) eines Teilchens in einer Box aufgespannt wird. Jeder Gitterpunkt definiert einen Einteilchenzustand im k-Raum. Gezeigt ist auch eine Elementarzelle dieses Gitters.
Die minimalen Quader des Gitters (auch Elementarzellen genannt) besitzen das Volumen a1 a2 a3 =
π π π π3 . = L1 L2 L3 V
(31.51)
Man u ande auf dem ¨berzeugt sich leicht, dass es so viele elementare Quader wie Zust¨ Gitter gibt. Formal l¨asst dies sich wie folgt erkennen: Durch die Verschiebung π ki = ni → ki∗ = Li
1 π ni + 2 Li
(31.52)
in jeder Richtung i = 1, 2, 3 entsteht aus dem urspr¨ unglichen k-Gitter ein neues k∗ Gitter, das als duales Gitter bezeichnet wird. Die dualen Gitterpunkte k∗ sind aber gerade die Mittelpunkte der Elementarzellen (Quader) des urspr¨ unglichen k-Gitters. Aus der bijektiven Beziehung (31.52) zwischen k und k∗ folgt aber, dass es genau einen Zustand k (d.h. einen Gitterpunkt) pro Elementarzelle gibt. Jeder Einteilchenzustand nimmt deshalb im k-Raum das Volumen der Elementarzelle (31.51) ein. Da die Einteilchenenergie (31.50) nur vom Betrag des Wellenvektors k abh¨ angt, besetzen die Fermionen eine Kugel im k-Raum (genauer den durch ki > 0 definierten Oktanten der Kugel), die als Fermi-Kugel bezeichnet wird, siehe Abb. 31.7. Der Radius dieser
31.11 Das ideale Fermi-Gas
315
Abb. 31.7: Fermi-Kugel (mit Radius kF ) der besetzten Einteilchenzust¨ ande im k-Raum.
Kugel, kF , definiert den Fermi-Impuls pF = kF bzw. die Fermi-Energie F =
(pF )2 (kF )2 = 2m 2m
und ist dadurch festgelegt, dass jeweils 2s + 1 Fermionen ein Volumen (31.51) π 3 /V einnehmen. F¨ ur N Fermionen f¨ uhrt dies auf die Bedingung 1 4 3 N π3 πkF = , 8 3 2s + 1 V die kF als Funktion der Teilchendichte ρ=
N V
festlegt kF =
6π 2 ρ 2s + 1
1/3 .
(31.53)
Streng genommen bilden die besetzten Zust¨ande im k-Raum keine Kugel, sondern eine Gitterapproximation der Kugel. F¨ ur (große Teilchenzahlen N und) große Volumina, wie dies f¨ ur die Elektronen in einem Festk¨orper der Fall ist, ist jedoch π 3 /V sehr klein und
316
31 Vielteilchensysteme
Abb. 31.8: Oktant einer Kugelschale mit Radius k und Dichte dk im k-Raum.
die Einteilchenzust¨ande sind quasi kontinuierlich verteilt, so dass die glatte Kugeloberfl¨ ache eine sehr gute N¨aherung zur tats¨achlichen eckigen Oberfl¨ ache des Volumens ist, das durch die besetzten Zust¨ande des k-Raums aufgespannt wird. Die Grenzfl¨ achen zwischen den besetzten und unbesetzten Zust¨ anden im k-Raum werden allgemein als Fermi-Fl¨achen bezeichnet. Im vorliegenden Fall nichtwechselwirkender Fermionen ist die Fermi-Fl¨ache durch die Oberfl¨ ache der Kugel mit Radius kF im Okur wechselwirkende Systeme besitzen die Fermi-Fl¨ achen jedoch tanten ki > 0 gegeben. F¨ im Allgemeinen eine kompliziertere Form. Aus Gl. (31.53) folgt f¨ ur die Fermi-Energie 2/3 2 6π 2 2 kF2 = ρ . F = 2m 2m 2s + 1 Schließlich wollen wir die Gesamtenergie des Fermi-Gases berechnen. Dazu m¨ ussen wir die Energien s¨ amtlicher besetzter Zust¨ande aufsummieren. Eine Kugelschale mit Radius k und Dicke dk besitzt in einem Oktanten das Volumen (siehe Abb. 31.8) 1 (4πk 2 )dk . 8 Da jeder Zustand das Volumen π 3 /V einnimmt, befinden sich in der Kugelschale 2s + 1 1 V k 2 dk dN = (2s + 1) (4πk 2 )dk/(π 3 /V ) = 8 2π 2
(31.54)
31.11 Das ideale Fermi-Gas
317
Zust¨ ande. Jeder dieser Zust¨ande besitzt die Energie 2 k 2 /2m. Folglich betr¨ agt die Energie der besetzten Kugelschale dE =
2 2s + 1 2 k 2 V k 4 dk . dN = 2m 2m 2π 2
F¨ ur die Gesamtenergie aller bis zum Fermi-Impuls kF besetzten Zust¨ ande finden wir E=
2 2s + 1 dE = V 2m 2π 2
kF 2s + 1 2 kF5 V dk k 4 = 2 10π 2 m 0
bzw. nach Einsetzen des Ausdruckes f¨ ur kF (31.53) E=
2s + 1 2 2 10π 2 m
6π 2 N 2s + 1
5/3
V −2/3 .
(31.55)
F¨ ur die wechselwirkungsfreien Fermionen, die sich im Inneren des Volumens frei bewegen k¨ onnen, ist diese Energie rein kinetischer Natur und verursacht wie bei klassischen Teilchen einen Druck auf die W¨ande des Beh¨alters. Um diesen zu bestimmen, expandieren wir das Volumen um einen Beitrag dV . Dabei verringert sich die Energie (31.55) des Fermisystems um 2 dV . dE = − E 3 V Nach dem Energiesatz verrichtet das expandierende System die Arbeit dW = P dV = −dE an der Umgebung,8 woraus wir den Druck P =
2 E 3 V
erhalten. Dieser Druck, der rein quantenmechanischen Ursprungs und letztendlich eine Konsequenz des Pauli-Prinzips ist, stabilisiert das Fermi-System und verhindert, dass es bei niedrigen Temperaturen kollabiert, wie dies Bose-Systeme tun. Er wird als Entartungsdruck bezeichnet. Allgemein werden wechselwirkungsfreie Fermi-Systeme bei niedrigen Temperaturen als entartete Fermi-Gase bezeichnet. Kontinuumslimes im Impulsraum Wir haben oben festgestellt, dass die Quantenzahlen ni und damit die ki (31.49) prinzipiell auf positive Werte beschr¨ankt sind. Wegen ϕ−ni (x) = ϕni (−x) = −ϕni (x) 8 Genauer: Die Arbeit wird gegen den Umgebungsdruck verrichtet, der dem Druck der Fermionen auf die W¨ ande des Volumens V das Gleichgewicht h¨ alt.
318
31 Vielteilchensysteme
k¨ onnen wir jedoch auch mit negativen ni arbeiten bzw. mit positiven und negativen ni , wenn wir durch geeignete Z¨ahlweise ∞
∞
−→
ni =1
1 2 n =−∞ i
eine Doppelber¨ ucksichtigung der Zust¨ande vermeiden. Der Term ni = 0 tr¨ agt wegen onnen wir entsprechend ϕni =0 (x) = 0 nicht zur Summe bei. In drei Dimensionen k¨ die Ersetzung ∞
∞ ∞ ∞ n1 =1 n2 =1 n3
1 −→ 3 2 =1
∞
∞
(31.56)
n1 =−∞ n2 =−∞ n3 =−∞
vornehmen. Statt u ¨ ber die ganzen Zahlen ni k¨onnen wir auch u ¨ ber die quantisierten Wellenur große Li liegen diese sehr dicht auf der reelzahlen ki (31.49) summieren. F¨ len Achse und wir k¨onnen von der Summation zur Integration u ¨bergehen. Dabei m¨ ussen wir jedoch beachten, dass jeder Einteilchenzustand im Oktanten (ki > 0) des k-Raumes das Volumen (31.51) π 3 /V der Elementarzelle besetzt. Durch dieses ahlung Volumen m¨ ussen wir das Integral u ¨ber die ki dividieren, um die korrekte Z¨ der Einteilchenzust¨ande zu gew¨ahrleisten. Deshalb finden wir ∞ ∞ ∞
... =
n1 =1 n2 =1 n3 =1
k1 >0 k2 >0 k3 >0
V ... = 3 π
∞
∞ dk1
0
∞ dk2
0
dk3 . . . . 0
Nehmen wir schließlich noch die Ersetzung (31.56) vor, so k¨ onnen wir u ¨ ber den gesamten k-Raum integrieren und erhalten die Beziehung ∞ ∞ ∞ n1 =1 n2 =1 n3
V ... = (2π)3 =1
∞ ∞ ∞ dk1 dk2 dk3 . . . ≡ −∞
−∞
−∞
V (2π)3
d3 k . . . .
(31.57)
Dies zeigt, dass wir bei der Summation u ande die Einschr¨ ankung auf ¨ ber die Zust¨ ki > 0 fallen lassen k¨onnen und stattdessen u ¨ ber den gesamten k-Raum integrieren d¨ urfen, vorausgesetzt, wir ordnen einem Zustand im k-Raum das Volumen (2π)3 /V statt (31.51) zu. In einer Kugelschale des k-Raumes mit Radius k = |k| und Dichte dk befinden sich dann dN = (2s + 1)(4πk 2 )dk/((2π)3 /V ) =
2s + 1 2 V k dk 2π 2
31.11 Das ideale Fermi-Gas
319
Zust¨ ande. Dieses Ergebnis stimmt mit Gl. (31.54) u ¨ berein, welche durch Einschr¨ ankung auf ni > 0, d.h. auf einen Oktanten der Kugelschale erhalten wurde. Benutzen wir statt der Wellenzahl k den Impuls p = k, so lautet (31.57) ∞ ∞ ∞ d3 p ... = V ... . (31.58) (2π)3 n =1 n =1 n =1 1
2
3
Jeder Zustand nimmt somit im Impulsraum das Volumen (2π)3 /V ein. Im Phasenraum besetzt er daher das Volumen (2π)3 . ¨ Dieses Ergebnis ist in Ubereinstimmung mit der Bohr-Sommerfeld’schen Quantisierungsbedingung (6.36), wonach sich der Phasenraum (f¨ ur ein eindimensionales ¨ System) beim Ubergang zum benachbarten Energiezustand um 2π vergr¨ oßert. Wir betonen, dass die Beziehung (31.57) bzw. (31.58) auf der Quantisierungsbedingung (31.49) basiert, die eine Folge der Randbedingung (31.48) an die Wellenfunktionen ist. Liegen statt Gl. (31.48) hingegen periodische Randbedingungen ϕi (xi + Li ) = ϕi (xi ) vor, wie sie gew¨ohnlich in der Festk¨orperphysik auftreten, so sind die auf dem Volumen V = L1 L2 L3 normierten Eigenfunktionen durch 1 ϕnj (xj ) = & eikj xj Lj gegeben, wobei die quantisierten Wellenzahlen ki jetzt die Werte ki =
2π ni , Li
ni = 0, ±1, ±2, . . .
annehmen. Sie unterscheiden sich von den Wellenzahlen (31.49) durch einen zus¨ atzamtliche ganze Zahlen annehlichen Faktor 2. Dar¨ uberhinaus k¨onnen die ni jetzt s¨ men. Die zu (31.57) bzw. (31.58) analoge Beziehung lautet in diesem Fall ∞
∞
∞
n1 =−∞ n2 =−∞ n3 =−∞
... ≡
k1
=V
k2
k3 3
...
d k ... ≡ V (2π)3
d3 p ... . (2π)3
(31.59)
Man beachte, dass die rechten Seiten von Gln. (31.59) und (31.58) u ¨ bereinstimmen, ¨ obwohl sie unterschiedlichen Ursprungs sind. Wir werden des Ofteren von diesen Beziehungen Gebrauch machen.
320
31.12
31 Vielteilchensysteme
Die Thomas-Fermi-N¨aherung
Die Anwendung der Hartree-Fock-Methode zur Berechnung der Elektronenverteilung in einem Atom ist numerisch sehr aufw¨andig, insbesondere f¨ ur große Kernladungszahlen. In diesen Atomen befinden sich die meisten Elektronen in Einteilchenzust¨ anden mit relativ großen Hauptquantenzahlen, so dass eine semiklassische Behandlung m¨ oglich ist. F¨ ur große Teilchenzahlen ist der Beitrag eines einzelnen Teilchens zum mittleren Potenamtliche besetzten tial Vk (x) (31.37) unwichtig und wir k¨onnen die Summation u ¨ ber s¨ Einteilchenzust¨ ande (einschließlich des Zustandes k) erstrecken. S¨ amtliche Teilchen sehen dann das gleiche mittlere Potential U (x) = U0 (x) + V(x) , V(x) = d3 y V (x, y)ρ(y) , (31.60) wobei ρ(x) =
|ϕk (x)|2
(31.61)
k
die gesamte Teilchendichte ist. Im Folgenden werden wir eine Methode ableiten, die eine gen¨ aherte Berechnung der Teilchendichte erlaubt, ohne die Hartree(-Fock)-Gleichungen explizit l¨ osen zu m¨ ussen. Wir setzen voraus, dass das mittlere Potential eine glatte Funktion des Ortes ist, so ¯ entwickeln k¨ dass wir es in eine Taylor-Reihe um einen zun¨ achst beliebigen Ort x onnen: ¯ + (x − x)·∇U ¯ ¯ + ... . U (x) = U (x) (x) Wir setzen diese Entwicklung in die Hartree-Gleichung (31.36) ein: 2 p ¯ + (x − x)·∇U ¯ ¯ + . . . ϕk (x) = k ϕk (x) . + U (x) (x) 2m
(31.62)
(31.63)
Falls die Entwicklung (31.62) konvergent ist und wir diese bis zur unendlichen Ordnung ausf¨ uhren, erhalten wir nat¨ urlich das korrekte Ergebnis unabh¨ angig von der Wahl des ¯ Dies w¨ Ortes x. urde jedoch auch keine Vereinfachung mit sich bringen. Brechen wir die Entwicklung (31.62) in unterster Ordnung ab, so vereinfacht sich die Hartree-Gleichung (31.63) zu: 2 p ¯ ϕk (x) = k ϕk (x) . + U (x) 2m Das Potential ist dann unabh¨angig von der Teilchenkoordinate x und die zugeh¨ origen Eigenfunktionen ϕk (x) sind durch ebene Wellen ϕk (x) ∼ eik·x gegeben, was auf die Energieeigenwerte ¯ = k (x)
(k)2 ¯ + U (x) 2m
(31.64)
31.12 Die Thomas-Fermi-N¨aherung
321
¯ sind dies aber gerade die Eigenenergien nichtwechselwirkender Teilf¨ uhrt.9 F¨ ur festes x chen in einem konstanten Potential. F¨ ur nichtkonstante Potentiale kann die Ersetzung ¯ offensichtlich nur f¨ ¯ brauchbare N¨ U (x) → U (x) ur x x aherungen liefern. Wir ersetzen ¯ durch die tats¨ deshalb in den obigen Ausdr¨ ucken den Ort x achliche Teilchenkoordinate x. Unsere Teilchen erhalten dann eine ortsabh¨ angige Energie k (x), Gl. (31.64), und werden dann folglich durch ihre Koordinate x und ihre Wellenzahl k (bzw. Impuls p = k) beschrieben, die bekanntlich den Phasenraum aufspannen. Wir wissen bereits aus Abschnitt 31.11, dass jeder Einteilchenzustand ein Volumen von (2π)3 im Phasenraum einnimmt. Im Phasenraumvolumen d3 x d3 p befinden sich folglich d2 N =
d3 x d3 p d3 x d3 k = (2π)3 (2π)3
Zust¨ ande. Besetzen wir gem¨aß dem Pauli-Prinzip jeden Zustand des Phasenraumes, beginnend bei k = 0 bis zu einer maximalen Einteilchenenergie F , der Fermienergie, mit jeweils einem Fermion, so erhalten wir die Teilchendichte 2 d N dN Θ (F − k (x)) ρ(x) = 3 = d x d3 x =
d3 k Θ (F − k (x)) . (2π)3
(31.65)
Die bisher noch unbekannte Fermi-Energie F wird so gew¨ ahlt, dass die Gesamtteilchenzahl N = d3 x ρ(x) den (f¨ ur das betrachtete Fermi-System) vorgegebenen Wert annimmt. Definieren wir den zugeh¨ origen (lokalen) Fermi-Impuls kF (x) durch F =
(kF (x))2 + U (x) , 2m
(31.66)
so lautet die Teilchendichte (31.65): d3 k Θ(kF2 (x) − k 2 ) . ρ(x) = (2π)3
(31.67)
Elementare Ausf¨ uhrung der k-Integration liefert:
ρ(x) =
9 Die
1 3 k (x)Θ (F − U (x)) , 6π 2 F
¯ bedeutet de facto die Vernachl¨ Ersetzung U (x) → U (x) assigung von schwach ortsabh¨ angige Potentiale eine brauchbare N¨ aherung ist.
(31.68)
p2 , U (x) 2m
, was nur f¨ ur
322
31 Vielteilchensysteme
wobei die Θ-Funktion die Bedingung kF2 (x) > 0 ber¨ ucksichtigt, die sich aus Gl. (31.67) an der unteren Integrationsgrenze k 2 = 0 ergibt. Dabei wurde (31.66) benutzt, wonach Θ(kF2 (x)) = Θ (F − U (x))
und der Fermi-Impuls durch kF (x) =
1& 2m(F − U (x))
(31.69)
gegeben ist. Man beachte, dass das mittlere Potential U (x) bzw. V(x) (31.60) von der Teilchendichte ρ(x) (31.68) selbst abh¨angt. F¨ ur feste Fermi-Energien F stellt Gl. (31.68) mit kF (x) definiert in (31.69) und (31.60) eine nichtlineare und nichtlokale Gleichung f¨ ur die Teilchendichte ρ(x) dar, die iterativ gel¨ ost werden muss. Diese Gleichung ist jedoch wesentlich einfacher als das Hartree-Fock- oder Hartree-Problem zu l¨ osen, da hier nur eine einzige Funktion, die Teilchendichte ρ(x), bei gegebenen ¨ außeren Potential U0 (x) und gegebener Zweiteilchenwechselwirkung V (x, y) iterativ bestimmt werden muss. Die Thomas-Fermi-Approximation wird nicht nur zur gen¨ aherten Behandlung von wechselwirkenden Fermi-Systemen angewandt, sondern auch f¨ ur Fermionen, die sich (ohne gegenseitige Wechselwirkung nur) in einem gegebenen ¨ außeren Potential befinden, wenn man die numerische L¨osung der Einteilchen-Schr¨ odinger-Gleichung umgehen m¨ ochte. Bei der Thomas-Fermi-N¨aherung wird de facto das Potential lokal durch eine Konstante ersetzt. Die N¨aherung ist deshalb besonders gut f¨ ur r¨ aumlich schwach ver¨ anderliche Potentiale und f¨ ur große Teilchenzahlen, da bei diesen (wegen des Pauli-Prinzips) die Mehrheit der Teilchen große Energien besitzen, so dass semiklassische Betrachtungen anwendbar sind. In der Thomas-Fermi-N¨aherung werden die Teilchen de facto wie klassische Teilchen in einem (lokal) konstanten Potential behandelt. Von der Quantentheorie wird nur das Pauli-Prinzip bei der Besetzung des Phasenraumes ber¨ ucksichtigt. Um die charakteristischen Eigenschaften der Thomas-Fermi-N¨ aherung aufzuzeigen, betrachten wir wechselwirkungsfreie Fermionen im isotropen harmonischen Oszillatorpotential 1 U (x) = mω 2 x2 . 2 Das Integral u asst sich in diesem Fall analytisch auswer¨ ber die Teilchendichte (31.68) l¨ ten. Dazu benutzen wir nat¨ urlich sph¨arische Koordinaten: 3/2 3/2 rcl 2m 1 1 2 2 2 N= . dΩ dr r F − mω r 6π 2 2 2 0
Hierbei bezeichnet rcl = |xcl | den klassischen Umkehrpunkt, der durch !
F = U (xcl ) ≡
1 2 mω 2 rcl 2
⇒
2 rcl =
2F mω 2
31.12 Die Thomas-Fermi-N¨aherung
323
definiert ist. Das Integral u asst sich trivial ausf¨ uhren und liefert ¨ ber den Raumwinkel Ω l¨ den Faktor 4π. Zur Auswertung des verbleibenden Integrals u uhren ¨ ber dem Radius f¨ wir die dimensionslose Variable t=
r rcl
ein und finden: 2 N= 3π
2m 2
3/2
3 3/2 rcl F
1
dt t2 (1 − t2 )3/2 .
0
Mit 1
dt t2 (1 − t2 )3/2 =
0
π 32
erhalten wir schließlich: 1 F 3 N= . 6 ω
(31.70)
F¨ ur gegebene Oszillatorfrequenz ω ist die Fermienergie F allein durch die Teilchenzahl bestimmt. Aufl¨ osen der Beziehung (31.70) nach der Fermienergie F und Einsetzen in Gl. (31.68) liefert mit (31.69) die Teilchendichte als Funktion der Teilchenzahl N und des Radius r. F¨ ur sph¨ arisch symmetrische Potentiale wie das des isotropen harmonischen Oszillators liefert die Thomas-Fermi-N¨aherung offenbar stets sph¨ arisch symmetrische Teilchendichten (31.67), die in der exakten Teilchendichte (31.61) nur bei abgeschlossenen (Drehimpuls-)Schalen auftreten, siehe Abschnitt 18.6.3. Solche (sph¨ arisch symmetrischen) abgeschlossenen l-Schalen lassen sich nat¨ urlich auch in der kartesischen Basis ausdr¨ ucken. Dazu ist es jedoch am bequemsten abgeschlossene Hauptschalen zu betrachten, die durch die Gesamtoszillatorzahl n = n1 + n2 + n3
(31.71)
charakterisiert sind, wobei ni die Anzahl der Schwingungsquanten in der kartesischen Richtung i = 1, 2, 3 bezeichnet. Um ein Fermi-System mit abgeschlossenen Hauptschalen zu erhalten, besetzen wir gem¨ aß (31.71) und entsprechend dem Pauli-Prinzip jeden Oszillatorzustand |n1 n2 n3 mit einem Fermion bis zu einer maximalen Oszillatorquantenzahl nmax . Die Energieniveaus des isotropen harmonischen Oszillators mit Gesamtoszillatorzahl (Hauptquantenzahl) n sind gn =
1 (n + 2)(n + 1) 2
324
31 Vielteilchensysteme 1.4 120
1.2 84 1 56
r03 ρ
0.8
35 0.6 20 0.4
10
0.2 0 0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
r/r0 Abb. 31.9: Teilchendichte eines nichtwechselwirkenden Fermi-Systems, das sich im isotropen harmonischen Oszillatorpotential befindet und die untersten nmax = 2, 3, 4, 5, 6, 7 Hauptschalen besetzt. Die durchgezogenen Kurven sind die exakten Teilchendichten, die gestrichelten Kurven sind die entsprechenden Dichten in Thomas-Fermi-N¨ aherung (r0 = (/mω)1/2 ist die Oszillatorl¨ ange (18.88)).
fach entartet (siehe Abschnitt 13.9 bzw. Abschnitt 18.6). Die Gesamtzahl der Zust¨ ande mit n ≤ nmax betr¨agt deshalb: Zmax =
n max n=0
gn =
nmax 1 (n2 + 3n + 2) . 2 n=0
Mit n max
n=
n=0 n max
n2 =
n=0
1 nmax (nmax + 1) , 2 1 nmax (nmax + 1)(2nmax + 1) 6
finden wir: Zmax =
1 (nmax + 1)(nmax + 2)(nmax + 3) . 6
Bei Vernachl¨ assigung des Spins k¨onnen wir entsprechend dem Pauli-Prinzip jeden Oszillatorzustand mit einem Fermion besetzen. In den Oszillatorzust¨ anden mit n ≤ nmax
31.12 Die Thomas-Fermi-N¨aherung
325
befinden sich dann Zmax Fermionen. F¨ ur Zmax Teilchen sind im Grundzustand alle Drehimpulsschalen bis zur Hauptquantenzahl n = nmax abgeschlossen, so dass ρ(x) sph¨ arisch symmetrisch ist und die Thomas-Fermi-Methode (mit N = Zmax ) besonders gut funktionieren sollte. F¨ ur nicht abgeschlossene Schalen ist die Elektronenverteilung deformiert. In Abb. 31.9 ist die exakte Teilchendichte f¨ ur nmax = 2, 3, 4, 5, 6, 7 gezeigt. Dies entspricht einer Gesamtteilchenzahl von Zmax = 10, 20, 35, 56, 84, 120. Die gestrichelte Kurve zeigt die zugeh¨orige Dichte in Thomas-Fermi-N¨ aherung. Die Fluktuation der exakten Teilchendichte im Inneren des Potentials, sowie der Abfall der Teilchendichte am Potentialrand werden durch die Thomas-Fermi-N¨ aherung nicht korrekt beschrieben. W¨ ahrend die exakte Teilchendichte nur exponentiell abklingt, verschwindet die ur die mittlere Teilchendichte Thomas-Fermi-Dichte am klassischen Umkehrpunkt rcl . F¨ liefert die Thomas-Fermi-Methode jedoch eine brauchbare N¨ aherung.
32
Die Zweite Quantisierung
Die Zweite Quantisierung ist eine elegante Methode, quantenmechanische Systeme aus identischen Teilchen zu beschreiben. Der Name Zweite Quantisierung“ ist etwas ir” ref¨ uhrend. Es handelt sich hierbei nicht um eine neue Quantentheorie, die u ¨ ber die urspr¨ ungliche Quantentheorie hinausgeht, sondern um eine vereinfachende Beschreibung von Systemen aus identischen Teilchen in der gew¨ ohnlichen Quantentheorie, die in diesem Kontext auch als Erste Quantisierung bezeichnet wird. Die Methode ist insbesondere vorteilhaft f¨ ur die Beschreibung von Prozessen, bei denen die Teilchenzahl nicht erhalten bleibt, wie dies in der Quantenfeldtheorie der Fall ist. Deshalb liefert die Zweite Quantisierung auch die Basis f¨ ur die Quantenfeldtheorie.
32.1
Identische Teilchen
Zun¨ achst rufen wir uns noch einmal einige wesentliche Erkenntnisse des vorangegangenen Kapitels in Erinnerung. Dort hatten wir bereits festgestellt, dass in der Quantenmechanik Teilchen derselben Sorte keine Individualit¨ at besitzen. Sie lassen sich nicht unterscheiden, sie sind ununterscheidbar oder identisch. Dies bedeutet: Es gibt keine Observable, welche die Individualit¨at der Teilchen festlegt. Observablen eines Systems identischer Teilchen d¨ urfen folglich nicht zwischen den einzelnen Teilchen unterscheiden. Daher m¨ ussen s¨ amtliche Observablen eines Systems identischer Teilchen mit s¨ amtlichen Permutationsoperatoren P kommutieren [O, P] = ˆ0 . Diese Symmetrie der Observablen schl¨agt sich auch in der Wellenfunktion eines Systems identischer Teilchen nieder. Die Ununterscheidbarkeit oder Identit¨ at der Teilchen verlangt, dass ihre Wellenfunktion entweder total symmetrisch oder total antisymmetrisch bez¨ uglich der Vertauschung von Teilchen ist, siehe Abschnitt 31.5. Zur Konstruktion der Wellenfunktionen f¨ ur Systeme aus identischen Teilchen betrachten wir zun¨ achst ein System aus N unterscheidbaren Teilchen. Sei (i) der Hilbert-Raum des i-ten Teilchens. Der Hilbert-Raum des N -Teilchen-Systems ist dann durch das Tensorprodukt der Hilbert-R¨aume der einzelnen Teilchen N
=
(1)
⊗
(2)
⊗ ···⊗
(N )
(32.1)
gegeben, siehe Abschnitt 11.7. Jedes Teilchen besitzt hier seinen eigenen Unterraum und ist deshalb unterscheidbar. Sei |k(i) eine vollst¨ andige Basis des Hilbert-Raumes des i-ten Teilchens (i) . Eine Basis des Hilbert-Raumes des N -Teilchensystems N erhalten wir nach (32.1) durch die Produktwellenfunktion |k1 , . . . , kN N = |k1 (1) ⊗ |k2 (2) ⊗ · · · ⊗ |kN (N ) .
(32.2)
328
32 Die Zweite Quantisierung
Das Tensorproduktzeichen ⊗ werden wir in der Wellenfunktion (32.2) wie allgemein u ¨blich im Folgenden weglassen. Der Hilbert-Raum N (32.1) des Systems aus N unterscheidbaren Teilchen l¨asst sich zerlegen in Unterr¨ aume der total symmetrischen Wel(+) (−) lenfunktionen N , der total antisymmetrischen Wellenfunktionen N und der Wel(∼) lenfunktionen mit gemischter Symmetrie N : N
=
(+) N
⊕
(−) N
⊕
(∼) N
.
Wir bezeichnen im Folgenden mit Pρ (ρ = 1, 2, . . . , N !) die Operatoren der Permutationen Pρ der N Teilchen. Aus diesen Operatoren konstruieren wir den Symmetrisierungsoperator S=
1 Pρ N! ρ
(32.3)
sowie den Antisymmetrisierungsoperator A=
1 χ(Pρ )Pρ , N! ρ
(32.4)
wobei χ(Pρ ) den Charakter der Permutation Pρ bezeichnet (siehe Abschnitt 31.3). Dieser nimmt die Werte ±1 f¨ ur gerade bzw. ungerade Permutationen an: 1 , P ist gerade Permutation χ(P ) = . −1 , P ist ungerade Permutation F¨ ur einen beliebigen Permutationsoperator Pσ gilt: Pσ S = S ,
Pσ A = χ(Pσ )A .
(32.5)
Diese Beziehungen lassen sich unmittelbar beweisen, wenn man beachtet, dass die Gesamtheit der N ! Permutationen von N Elementen eine Gruppe bildet, die sogenannte symmetrische Gruppe oder Permutationsgruppe SN . Hieraus folgt unmittelbar, dass das Produkt zweier Permutationen wieder eine Permutation ist. F¨ ur den Charakter gilt die Beziehung χ(Pσ Pρ ) = χ(Pσ )χ(Pρ ) ,
(32.6)
mit deren Hilfe wir zur Illustration die zweite Gleichung in (32.5) beweisen: Aus der Definition des Antisymmetrisierungsoperators (32.4) folgt: Pσ A =
1 χ(Pρ )Pσ Pρ . N! ρ
32.1 Identische Teilchen
329 2
Sei Pσ Pρ = Pτ . Aus Gl. (32.6) und (χ(Pσ )) = 1 folgt dann unmittelbar: 1 χ(Pσ )χ(Pσ Pρ )Pσ Pρ N! ρ 1 χ(Pσ ) = χ(Pτ )Pτ = χ(Pσ )A . N! τ
Pσ A =
In ¨ ahnlicher Weise zeigt man unter Ausnutzung der Gruppeneigenschaft der Permutationen, dass der Symmetrisierungs- und Antisymmetrisierungsoperator Projektoren sind: SS = S ,
AA = A ,
AS = SA = ˆ 0.
(32.7)
Beim Beweis benutzt man die Tatsache, dass es insgesamt N ! Permutationen von N Elementen gibt, von denen die H¨alfte gerade bzw. ungerade ist, so dass gilt: 1 = N! , χ(Pρ ) = 0 . ρ
ρ
Ferner l¨ asst sich leicht zeigen, dass diese Operatoren auch hermitesch sind S† = S ,
A† = A .
Aus den Basisfunktionen (32.2) des Systems aus N unterscheidbaren Teilchen lassen sich mit Hilfe des Symmetrisierungs- bzw. Antisymmetrisierungsoperator die Basiszust¨ ande (+) von N , √ (+) (32.8) |k1 , . . . , kN N = N ! S|k1 , . . . , kN N , bzw. von
(−) N
, (−)
|k1 , . . . , kN N =
√ N ! A|k1 , . . . , kN N ,
(32.9)
konstruieren. Aus der letzten Beziehung in Gl. (32.7) folgt unmittelbar, dass die total symmetrischen Zust¨ ande orthogonal zu den total antisymmetrischen Zust¨ anden sind: (+) (−) Nk1 , . . . , kN |l1 , . . . , lN N
=0.
Da die Observablen von Systemen identischer Teilchen mit s¨ amtlichen Permutationsoperatoren kommutieren, m¨ ussen sie folglich auch mit den Symmetrisierungs- bzw. Antisymmetrisierungsoperator kommutieren: [S, O] = ˆ0 ,
[A, O] = ˆ0 .
330
32 Die Zweite Quantisierung
Hieraus folgt mit AS = SA = ˆ0, dass es keine Observablen gibt, die eine total symmetrische Wellenfunktion in eine total antisymmetrische Wellenfunktion u uhren k¨ onnen ¨ berf¨ (±) (±) oder umgekehrt. Falls also ψ ∈ N , so ist auch Oψ ∈ N . In einem Vielteilchensystem klassifiziert man die Observablen bzw. Operatoren nach der Anzahl der Teilchen, auf die sie wirken. Operatoren, die nur auf die Koordinate eines einzelnen Teilchens wirken, werden als Einteilchenoperatoren bezeichnet. F¨ ur ein System aus N (unterscheidbaren) Teilchen sind dies Operatoren in N , die sich additiv aus den N Operatoren der einzelnen Teilchen zusammensetzen und deshalb die Gestalt
O=
N
ˆi O
(32.10)
i=1
ˆ i , i = 1, 2, . . . , N , der Operator des i-ten Teilchens ist (d.h. der Opebesitzen, wobei O rator, der auf die Koordinate des i-ten Teilchens wirkt). Beachten wir, dass N durch das Tensorprodukt der N Hilbert-R¨aume der einzelnen Teilchen gegeben ist, siehe Gl. ˆ i , i = 1, 2, . . . , N die explizite Form (32.1), so haben die O ˆ (i) ⊗ · · · ⊗ ˆ ˆ i = ˆ1(1) ⊗ ˆ1(2) ⊗ · · · ⊗ O 1(N ) , O
(32.11)
ˆ (i) der Operator ist, der im Einteilchen-Hilbert-Raum des i-ten Teilchens, (i) , wobei O wirkt und ˆ 1(i) der Einheitsoperator in diesem Raum ist. Der Einfachheit halber werden wir im Folgenden gew¨ohnlich die Einheitsoperatoren in den Observablen (32.11) nicht explizit angeben, so dass
O=
N
ˆ (i) . O
(32.12)
i=1
Relevant sind vor allem noch Zweiteilchenoperatoren, die in der Ersten Quantisierung die Gestalt
O=
1 ˆ (i,j) O 2 i=j
ˆ (i,j) ein Operator ist, der auf die Koordinate des i-ten und j-ten besitzen, wobei O Teilchens wirkt. Offenbar sind sowohl die Einteilchen- als auch die Zweiteilchenoperatoren invariant gegen¨ uber einer beliebigen Permutation der Teilchen. Somit kommutieren sie mit den (Anti-)Symmetrisierungsoperatoren A bzw. S und k¨ onnen somit auch als (±) Operatoren identischer Teilchen betrachtet werden, die in den R¨ aumen N wirken.
32.2 Besetzungszahldarstellung
32.2
331
Besetzungszahldarstellung
In den Gln. (32.8), (32.9) haben wir die total (anti-)symmetrischen Basisfunktionen (±) |k1 , . . . , kN N durch (Anti-)Symmetrisierung der Produktzust¨ ande (32.2) ur Fermi-Systeme sind die antisymmetrisierten Zust¨ ande |k1 , . . . , kN N gewonnen. F¨ (32.9) korrekt normiert, falls die Einteilchenzust¨ ande |ki , aus denen die Produktzust¨ ande (32.2) aufgebaut sind, korrekt orthonormiert sind k|l = δkl .
(32.13)
In der antisymmetrischen Wellenfunktion k¨onnen nicht zwei S¨ atze von Einteilchenquantenzahlen ki und kj u ur i = j. F¨ ur Bose¨ bereinstimmen, d.h. es gilt hier stets ki = kj f¨ (+) Systeme hingegen ist der symmetrisierte Zustand |k1 , . . . , kN N (32.8) nicht mehr auf 1 normiert, falls einige der Einteilchenzust¨ande |ki mehrfach auftreten, d.h. mit mehreren Bosonen besetzt sind. Nehmen wir an, der Einteilchenzustand |k tritt nk -mal im N -Teilchen-Zustand auf, wobei nk ∈ {0, 1, . . . , N } und ferner die Summe dieser Besetzungszahlen nk die Gesamtteilchenzahl N ergeben muss: nk = N . (32.14) k (+)
alt insgesamt N ! Terme (bestehend Der total symmetrische Zustand |k1 , . . . , kN N enth¨ jeweils aus einem Produkt von N Einteilchenwellenfunktionen), von denen jedoch dann nur 4 ( nk )! N! N! = @ = @k nk1! nk2! . . . nkN! k nk ! k nk ! @ Terme voneinander verschieden sind und diese jeweils mit der Vielfachheit k nk ! auftreten. F¨ ur die Norm der total symmetrischen Zust¨ ande (32.8) erhalten wir folglich: (+) (+) Nk1 , . . . , kN |k1 , . . . , kN N
=
1 √ N!
2
N! @ k nk !
1
22 nk !
=
k
nk ! ,
k
√ √ wobei der Faktor 1/ N ! aus dem Faktor N ! in der Definition des Zustands (32.8) |k1 , . . . , kN (±) und dem Faktor 1/N ! aus der Definition des Symmetrisierungsoperators (32.3) resultiert. Bei Mehrfachbesetzungen der Einteilchenzust¨ande lauten die korrekt normierten total symmetrischen Basisfunktionen:1 1 |{nk }(+) ≡ |n1 , n2 , . . . , nk , . . .(+) := &@
k nk !
(+)
|k1 , . . . , kN N .
(32.15)
1 Man beachte, dass der Index k = 1, 2, 3, . . . an den Besetzungszahlen n k die EinteilchenQuantenzahl k bezeichnet und nicht die Teilchen nummeriert (wie der Index i = 1, . . . , N an ki in den Basisfunktionen (32.2)).
332
32 Die Zweite Quantisierung
Diese Zust¨ ande sind vollst¨andig durch die Besetzungszahlen nk charakterisiert, die angeben, wie oft ein Einteilchenzustand |k in der N -Teilchen-Wellenfunktion vorkommt, bzw. mit wieviel Teilchen dieser Zustand besetzt ist, d.h. nk ist die Anzahl der Teilchen im (Einteilchen-)Zustand |k. Wie bereits oben bemerkt, muss die Summe der nk die Gesamtteilchenzahl ergeben, siehe Gl. (32.14). Die Besetzungszahldarstellung (32.15) k¨onnen wir auch f¨ ur Fermi-Systeme benutzen, indem wir definieren (−)
|{nk }(−) ≡ |n1 , n2 , . . . , nk , . . .(−) := |k1 , k2 , . . . , kN N ,
(32.16)
wobei wieder (32.14) gilt und aufgrund der Antisymmetrie der Wellenfunktion die Besetzungszahlen auf nk = 0, 1 beschr¨ankt sind. Mit dieser Besonderheit lassen sich Boseund Fermi-Systeme weitgehend parallel behandeln. Wir werden deshalb im Folgenden den Superskript (±) an den Zust¨anden |{nk }(±) oftmals weglassen. Aus der Definition (32.15) bzw. (32.16) folgt unmittelbar, dass Zust¨ ande |n1 , n2 , . . . mit verschiedenen Besetzungszahlen zueinander orthogonal sind: n1 , n2 , . . . |n1 , n2 , . . . = δn1 n1 δn2 n2 . . . .
(32.17)
Damit sind insbesondere auch Zust¨ande mit verschiedener Gesamtteilchenzahl orthogonal. Da f¨ ur Fermi-Systeme die Besetzungszahlen prinzipiell auf nk = 0, 1 beschr¨ ankt sind, ist die Besetzungszahldarstellung f¨ ur diese Systeme etwas aufgebl¨ aht. F¨ ur Fermi-Systeme ist es oft bequemer, die Basiszust¨ande nur durch Angabe der besetzten Einteilchenzust¨ ande, d.h. der Zust¨ande mit nk = 1, zu charakterisieren, wie dies in der Notation (−) (32.9) |k1 , . . . , kn N geschieht. In der nichtrelativistischen Physik, sowohl in der klassischen Mechanik als auch in der nichtrelativistischen Quantenmechanik, bleibt die Identit¨ at und die Anzahl der Teilchen streng erhalten. Wir wissen jedoch, dass es in der Natur Prozesse gibt, bei denen Teilchen spontan erzeugt und vernichtet bzw. in andere Teilchen umgewandelt werden. Als Beispiel sei der β-Zerfall erw¨ahnt n → p + e− + ν¯e , bei dem ein Neutron in ein Proton und ein Elektron, sowie ein Anti-Neutrino zerf¨ allt. Beim β-Zerfall eines Atomkerns erh¨oht sich folglich die Anzahl der Protonen um 1, w¨ ahrend die Anzahl der Neutronen um 1 abnimmt. Bei einem Prozess, in dem sich die Zahl der identischen Teilchen ver¨andert, wird ein Zustandsvektor aus einem Hilbert(±) (±) Raum N in einen Zustandsvektor eines anderen Hilbert-Raumes M=N u uhrt. ¨ berf¨ Zur Beschreibung solcher Prozesse ist unsere bisherige Formulierung der Quantentheorie, die als Erste Quantisierung bezeichnet wird, nicht geeignet. (Die Operatoren, die wir bisher in der Ersten Quantisierung betrachtet haben, wirken alle nur innerhalb eines Unterraumes mit fester Teilchenzahl und f¨ uhren somit einen N -Teilchen-Zustand wieder in einen N -Teilchen-Zustand u aßiger, zur Beschrei¨ ber.) Vielmehr ist es zweckm¨ (±) bung von Prozessen mit variabler Teilchenzahl s¨ amtliche Hilbert-R¨ aume N mit den
32.3 Der harmonische Oszillator als ein Ensemble von Phononen
333
verschiedenen Teilchenzahlen N zu einem Gesamtraum (±) zusammenzufassen, der als Fock-Raum bezeichnet wird. Dies ist Gegenstand der sogenannten Zweiten Quantisierung, welche die Grundlage f¨ ur die (relativistische) Quantenfeldtheorie ist. Bevor wir die Theorie des Fock-Raumes entwickeln, empfiehlt es sich, uns an die algebraische Behandlung des harmonischen Oszillators zu erinnern (siehe Kapitel 13).
32.3
Der harmonische Oszillator als ein Ensemble von Phononen
In Kap. 13 konnten wir den Hamilton-Operator des harmonischen Oszillators durch Einf¨ uhrung von Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren a† , a algebraisch diagonalisieren. Mit den Operatoren a† bzw. a ist die Erzeugung bzw. Vernichtung eines Schwinachst gungsquants (Phonon) verbunden, d.h. der Operator a† regt den Oszillator in den n¨ h¨oher gelegenen Zustand an a† |n =
√ n + 1 |n + 1 ,
(32.18)
w¨ahrend der Operator a den Oszillator in den darunter liegenden Zustand abregt: a|n =
√
n |n − 1 .
(32.19)
Der n-te angeregte Zustand wird durch n-malige Anwendung des Operators a† auf den Grundzustand |0 erzeugt 1 |n = √ (a† )n |0 n!
(32.20)
und l¨ asst sich somit als einen Zustand mit n Phononen interpretieren. Da die Phowerden, nonen s¨ amtlich durch denselben Operator a† bzw. a erzeugt bzw." vernichtet # existieren sie nur in einem einzigen Einteilchenzustand.2 Wegen a† , a† = 0 ist der n-Phononenzustand (32.20) symmetrisch bez¨ uglich Vertauschung der Phononen und Phononen sind somit Bosonen. Der harmonische Oszillator l¨ asst sich somit als ein Ensemble von Bosonen (Phononen) interpretieren, die nur in einem einzigen Einteilchenzustand existieren. Bei An- bzw. Abregung des harmonischen Oszillators a ¨ndert sich die Phononenzahl. 2 Dieser
ist durch den ersten angeregten Zustand des harmonischen Oszillators gegeben.
334
32 Die Zweite Quantisierung |k2
1
|0 :
0
|k1 Abb. 32.1: Illustration des Hilbert-Raumes 0 ⊕ 1 der Null- und Einteilchenzust¨ ande f¨ ur den Fall, dass nur zwei Einteilchenzust¨ ande vorliegen.
Bezeichnen wir mit n den (eindimensionalen) Hilbert-Raum, der nur aus dem n-ten angeregten Zustand |n besteht, so ist der gesamte Hilbert-Raum des harmonischen durch die direkte Summe der Hilbert-R¨ aume der einzelnen Zust¨ ande Oszillators =
0
⊕
1
⊕
2
⊕ ··· ⊕
n
⊕ ··· =
∞ A n
(32.21)
n=0
gegeben. Die Zust¨ande der einzelnen Hilbert-R¨ aume n|m = 0 ,
n
sind zueinander orthogonal:
n = m .
Interpretieren wir wieder den n-ten angeregten Zustand des harmonischen Oszillators als ein Zustand aus n Phononen, dann stellt offenbar der gesamte Hilbert-Raum des harmonischen Oszillators die Summe der Hilbert-R¨ aume der Systeme mit fester Phononenzahl dar. Die obige Behandlung des harmonischen Oszillators stellt bereits die Zweite Quantisierung f¨ ur das einfachste Bose-System dar, n¨amlich f¨ ur ein System von Bosonen, die nur in einem einzigen Einteilchenzustand existieren. Im Folgenden werden wir dieses Konzept der Zweiten Quantisierung auf beliebige Bose- und Fermi-Systeme verallgemeinern.
32.4
Der Fock-Raum
In Analogie zum harmonischen Oszillator konstruieren wir jetzt den Hilbertraum mit einer beliebigen Anzahl von identischen Teilchen, vgl. Gl. (32.21): Wir bezeichnen mit |0 den Vakuumzustand, der kein Teilchen enth¨ alt und mit 0 = {|0} den HilbertRaum, der nur durch diesen einzigen Zustand aufgespannt ist. Zu diesem Hilbert-Raum amtliche Zust¨ ande mit addieren wir orthogonal den Hilbert-Raum 1 = {|k}, der s¨
32.4 Der Fock-Raum
335
einem einzelnen Teilchen (Einteilchenzust¨ande) |k enth¨ alt,3 siehe Abb. 32.1. Zu dem so gewonnenen Raum addieren wir alle (anti-)symmetrischen Zweiteilchenzust¨ ande, die (±) den Hilbert-Raum 2 bilden. Setzen wir dieses Verfahren fort, so erhalten wir den Gesamtraum der total (anti-)symmetrischen Zust¨ ande mit beliebiger Teilchenzahl (vgl. Gl. (32.21)): (±)
0⊕
=
1⊕
(±) 2
⊕ ···⊕
(±) N
∞ A
⊕ ··· =
(±) N
.
(32.22)
N =0
Dieser Raum wird als Fock-Raum bezeichnet. Er ist die direkte Summe der Zustandsr¨aume zu einer festen Teilchenzahl. Wegen der orthogonalen Konstruktion von (±) sind Zust¨ ande in diesem Raum mit verschiedener Teilchenzahl zueinander orthogonal. Ein Element |ψ des Fock-Raumes ist i.A. eine Linearkombination von Zust¨ anden verschiedener Teilchenzahlen. Durch die Einschr¨ankung auf normierbare Zust¨ ande wird der Fock-Raum zum Hilbert-Raum. (±)
Da (±) (32.22) die direkte Summe der N ist, ist auch der Einheitsoperator des Fock-Raumes durch die direkte Summe der Einheitsoperatoren der Teilr¨ aume gegeben: ˆ 1(±) =
∞
ˆ1(±) , N
N =0 (±)
ande mit wobei ˆ 1N der Einheitsoperator im Raum der total (anti-)symmetrischen Zust¨ fester Teilchenzahl N ist. Dr¨ ucken wir letztere in der Besetzungszahldarstellung (32.15), (32.16) aus, so erhalten wir f¨ ur den Einheitsoperator des Fock-Raumes ˆ |{nk }(±)(±){nk }| 1(±) = {nk }
≡
n1
. . . |n1 , n2 , . . .(±) (±)n1 , n2 , . . . | ,
(32.23)
n2
wobei die Summation u ur Fermi-Systeme auf nk = 0, 1 be¨ber die Besetzungszahlen nk f¨ schr¨ ankt ist, f¨ ur Bose-Systeme jedoch u urlichen Zahlen nk = 0, 1, 2, . . . ¨ ber s¨amtliche nat¨ l¨auft. Ein beliebiger Vektor |φ(±) aus (±) besitzt dann die Entwicklung |φ(±) ≡ ˆ1(±) |φ(±) = |{nk }(±)(±){nk }|φ(±) , {nk }
wobei die hier auftretenden Amplituden (±){nk }|φ(±) die u ¨bliche Wahrscheinlichkeitsinterpretation besitzen: Falls der Zustand |φ(±) korrekt normiert ist, (±)φ|φ(±) = 1, ist |{nk }|φ(±) |2 die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Zustand |φ(±) jeweils nk Teilchen im Einteilchenzustand |k befinden.4 3 An den brackets“ des Null- und Einteilchen-Sektors lassen wir die Indizes, welche die Teilchenzahl ” angeben, gew¨ ohnlich weg und schreiben |0 statt |00 und |k statt |k1 . 4 Es sei an dieser Stelle nochmal daran erinnert, dass der Index k an den Besetzungszahlen n einen k kompletten Satz von Quantenzahlen bezeichnet, der den Einteilchenzustand |k vollst¨ andig charakterisiert. Sofern die Gesamtheit der Zust¨ ande {|k} abz¨ ahlbar ist, kann man unter k auch eine einzelne nat¨ urliche Zahl in der gew¨ ahlten Abz¨ ahlung (Numerierung) der Einteilchenzust¨ ande verstehen.
336
32.5
32 Die Zweite Quantisierung
Bosonen
In Analogie zum harmonischen Oszillator k¨onnen wir auch f¨ ur beliebige Bose-Systeme Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren definieren, die einen Zustand mit N Teilchen in einen Zustand mit N ± 1 Teilchen u uhren, siehe Gln. (32.18), (32.19). Der Er¨ berf¨ zeugungsoperator a†k ist durch5 a†k | . . . , nk , . . . =
√ nk + 1 | . . . , nk + 1, . . .
(32.24)
definiert und erh¨oht die Besetzungszahl des Einteilchenzustandes |k um 1. Der auf der rechten Seite auftretende Faktor garantiert, dass der neue Zustand mit der um 1 vergr¨ oßerten Besetzungszahl wieder korrekt normiert ist. Derselbe Normierungsfaktor trat bereits beim harmonischen Oszillator auf, siehe Gl. (32.18). Durch Bildung des hermitesch Adjungierten der Gl. (32.24) erhalten wir: √ . . . , nk , . . . |ak = nk + 1 . . . , nk + 1, . . . | , wobei
† ak = a†k
der zu a†k adjungierte Operator ist. Multiplikation dieser Gleichung mit | . . . , nk , . . . ergibt: 8 √ . . . , nk , . . . |ak | . . . , nk , . . . = nk + 1 δnk +1,nk = nk δnk ,nk −1 . (32.25) Der Operator ak verringert somit die Besetzungszahl nk um 1 und wird als Vernichtungsoperator bezeichnet. In der Tat gilt die Beziehung ak | . . . , nk , . . . =
√ nk | . . . , nk − 1, . . . .
(32.26)
Zum Beweis multiplizieren wir diese Gleichung von links mit der Vollst¨ andigkeitsrelation (32.23) und benutzen Gl. (32.25): ak | . . . , nk , . . . =
∞
| . . . , nk , . . . . . . , nk , . . . |ak | . . . , nk , . . .
nk =0
=
∞ nk =0
√ | . . . , nk , . . . nk δnk ,nk −1
√ = nk | . . . , nk − 1, . . . . 5 Da wir in diesem Abschnitt ausschließlich Bose-Zust¨ ande |n1 , n2 , . . .(+) betrachten, unterdr¨ ucken wir den Superskript (+).
32.5 Bosonen
337
F¨ ur nk = 0 verschwindet die rechte Seite und wir erhalten ak | . . . , nk = 0, . . . = o , womit garantiert ist, dass die Besetzungszahlen nicht negativ werden k¨ onnen. Aus den Beziehungen (32.24) und (32.26) folgt, dass die Bose-Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren den Vertauschungsrelationen [ak , al ] = ˆ0 ,
[a†k , a†l ] = ˆ0 ,
[ak , a†l ] = δkl
(32.27)
gen¨ ugen. In der Tat ergibt sich aus (32.26) unmittelbar: √ al ak | . . . , nk , . . . , nl , . . . = al nk | . . . , nk − 1, . . . , nl , . . . √ √ = nk nl | . . . , nk − 1, . . . , nl − 1, . . . . Der erhaltene Ausdruck ist unabh¨angig von der Reihenfolge der Vernichtungsoperatoren auf der linken Seite der Gleichung. Damit ist die erste der Beziehungen in (32.27) bewiesen. Die zweite Beziehung folgt dann unmittelbar durch Bildung des Adjungierten der ersten Relation. Zum Beweis der letzten Relation in Gl. (32.27) betrachten wir zun¨ achst den Fall k = l und verwenden nacheinander die Beziehungen (32.24) und (32.26). Dies liefert: √ ak a†l | . . . , nk , . . . , nl , . . . = nl + 1 ak | . . . , nk , . . . , nl + 1, . . . √ √ = nl + 1 nk | . . . , nk − 1, . . . , nl + 1, . . . √ = nk a†l | . . . , nk − 1, . . . , nl , . . . = a†l ak | . . . , nk , . . . , nl , . . . , womit die Beziehung f¨ ur k = l bewiesen ist. F¨ ur k = l finden wir aus (32.24) und (32.26) hingegen: √ ak a†k | . . . , nk , . . . = nk + 1 ak | . . . , nk + 1, . . . √ √ (32.28) = nk + 1 nk + 1 | . . . , nk , . . . , w¨ahrend die Anwendung der Operatoren in umgekehrter Reihenfolge liefert: √ a†k ak | . . . , nk , . . . = nk a†k | . . . , nk − 1, . . . √ √ = nk nk | . . . , nk , . . . .
(32.29)
Subtraktion der letzten Gleichung von Gl. (32.28) liefert die gew¨ unschte Beziehung. ¨ Ahnlich wie beim harmonischen Oszillator lassen sich ausgehend vom Vakuumzustand (Grundzustand) |0 ≡ |0, 0, . . . , in welchem keine Teilchen vorhanden sind, s¨amtliche Zust¨ ande mit beliebiger Bosonenzahl durch wiederholte Anwendung der Erzeugungsoperatoren unter Benutzung von Gl. (32.24) aufbauen, z.B.:
338
32 Die Zweite Quantisierung
• Ein-Boson-Zust¨ande: a†k |0 = |k . • Zwei-Bosonen-Zust¨ande: 1 √ (a†k )2 |0 , 2!
a†k a†l |0 ,
k = l .
F¨ ur den allgemeinen, korrekt normierten Mehr-Bosonen-Zustand liefert dies die Besetzungszahldarstellung 1 (a† )n1 (a†2 )n2 . . . |0 . |n1 , n2 , . . . = √ n1 !n2 ! . . . 1
(32.30)
Dies sind aber gerade die Wellenfunktionen eines Systems ungekoppelter harmonischer Oszillatoren. Jeder unabh¨angige Einteilchenzustand k der Bosonen entspricht einem harmonischen Oszillator, wobei die Besetzungszahl nk dieses Einteilchenzustandes dem nk -ten angeregten Zustand des k-ten harmonischen Oszillators entspricht, wie wir es im vorangegangenen Kapitel gesehen haben. Die Besetzungszahlen nk sind die Eigenwerte des Besetzungszahloperators6 ,7 nk = a†k ak .
(32.31)
In der Tat folgt aus Gl. (32.29) nk | . . . , n k , . . . = nk | . . . , n k , . . . .
(32.32)
Wegen (32.14) ist der Operator der Gesamtteilchenzahl durch N=
nk
(32.33)
k
gegeben. Mit (32.32) liefert seine Anwendung auf die Zust¨ ande |n1 , n2 , . . . : 1 2 nk |n1 , n2 , . . . . N|n1 , n2 , . . . = k
Die Summe auf der rechten Seite ist nach Gl. (32.14) die Gesamtteilchenzahl im Zustand ur einen sogenannten |n1 , n2 . . . . Der Teilchenzahloperator N (32.33) ist ein Beispiel f¨ Einteilchenoperator, siehe Abschnitt 32.7. 6 Dies
ist v¨ ollig analog zum harmonischen Oszillator, siehe Abschnitt 13.4. und im Folgenden bezeichnen wir Observablen, die f¨ ur beliebige Teilchenzahlen definiert sind und damit insbesondere Operatoren im Fock-Raum mit serifenlosen Buchstaben. 7 Hier
32.6 Fermionen
32.6
339
Fermionen
Die oben durchgef¨ uhrte Zweite Quantisierung von Bose-Systemen l¨ asst sich sofort auf Fermi-Systeme u ande durch ¨bertragen. Dabei sind die total symmetrischen Basiszust¨ total antisymmetrische zu ersetzen. Desweiteren ist zu beachten, dass sich nicht mehrere Fermionen im selben Einteilchenzustand befinden k¨ onnen, so dass die Besetzungsuhrt zu Vereinfachungen gegen¨ uber den zahlen auf nk = 0, 1 beschr¨ankt sind. Dies f¨ Bose-Systemen. Die von den Besetzungszahlen abh¨ angigen Normierungsfaktoren (siehe Gl. (32.15)) entfallen. Gleichzeitig ist damit die Besetzungszahldarstellung ({nk }) etwas aufgebl¨ aht und wir werden deshalb oftmals die etwas effizientere Darstellung (32.9) (−) |k1 , k2 , . . . , kN N der Fermi-Basiszust¨ande benutzen, in der wir nur die besetzten Einteilchenzust¨ ande explizit angeben. Wie f¨ ur Bose-Systeme k¨onnen wir auch f¨ ur Fermi-Systeme Erzeugungs- und Vernich(−) (−) tungsoperatoren definieren, die uns hier von dem Raum N in die R¨ aume N ±1 bringen:8 Den Erzeugungsoperator a†k definieren wir durch die Beziehung (−)
(−)
|k, k1 , . . . , kN N +1 = a†k |k1 , . . . , kN N .
(32.34)
Bezeichnen wir wieder mit |0 den Zustand, der kein Fermion enth¨ alt, so haben wir insbesondere |k = a†k |0 , (−)
|k, k1 2
= a†k |k1 = a†k a†k1 |0 .
Der Operator a†k erzeugt aus dem Vakuum |0 ein Teilchen im Einteilchenzustand |k in 1 (siehe Abb. 32.2), aus einem Einteilchenzustand |k1 erzeugt er einen antisymme(−) trischen Zweiteilchenzustand |k, k1 2 , der sich wiederum durch Anwendung von a†k a†k1 auf das Vakuum erzeugen l¨asst. Entsprechend lassen sich durch sukzessive Anwendung von Erzeugungsoperatoren a†k auf das Vakuum |0 die antisymmetrischen N -TeilchenZust¨ ande erzeugen: (−)
|k1 , . . . , kN N = a†k1 . . . a†kN |0 .
(32.35)
Da bei Vertauschung zweier Teilchen, d.h. zweier Einteilchenindizes (Quantenzahlen der Einteilchenzust¨ ande) der antisymmetrische Zustand sein Vorzeichen wechselt, (−)
|k2 , k1 2
(−)
= −|k1 , k2 2
,
muss gelten: a†k1 a†k2 = −a†k2 a†k1 , 8 Der f¨ ur Bose-Systeme in Gl. (32.24) zus¨ atzlich auftretende Normierungsfaktor ist f¨ ur Fermi-Systeme nicht notwendig, da die Besetzungszahlen hier nur die Werte nk = 0, 1 annehmen k¨ onnen, f¨ ur welche nk ! = 1.
340
32 Die Zweite Quantisierung |k2
a†k2
1
|0
ak1
|k1 Abb. 32.2: Illustration der Wirkungsweise der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren.
bzw. {a†k1 , a†k2 } ≡ a†k1 a†k2 + a†k2 a†k1 = ˆ0 .
(32.36)
oheren Potenzen von a†k verHieraus folgt insbesondere, dass (a†k )2 = a†k a†k und alle h¨ schwinden und somit (−)
a†k |k = |k, k2
= o,
was Ausdruck des Pauli-Prinzips ist, wonach sich zwei Fermionen nicht im selben Einteilchenzustand befinden k¨onnen. F¨ uhren wir auch den zu a†k hermitesch adjungierten Operator †
ak = (a†k )
ein, so finden wir aus (32.34) f¨ ur den zugeh¨origen bra-Vektor: (−) Nk1 , . . . , kN |ak
(−)
= N +1k, k1 , . . . , kN | ,
bzw. aus Gl. (32.35): (−) Nk1 , . . . , kN |
= 0|akN . . . ak1
und somit insbesondere: k| = 0|ak , (−) 2k1 , k2 |
= 0|ak2 ak1 .
(32.37)
32.6 Fermionen
341
Aus (32.36) folgt, dass die ak ebenfalls Antikommutationsbeziehungen gen¨ ugen {ak , al } = 0 .
(32.38)
Wenn aus dem Kontext klar ist, dass es sich um ein Fermi-System handelt, werden wir den Superskript (−) an den Zustandsvektoren weglassen. Auch werden wir gew¨ ohnlich den Index N der Teilchenzahl unterdr¨ ucken. Die Basiszust¨ ande des Fock-Raumes (32.35) lauten dann |k1 , k2 , . . . , kN = a†k1 a†k2 . . . a†kN |0 .
(32.39)
Um die Analogie zu den Bose-Systemen herzustellen, geben wir die Fermi-Zust¨ ande (32.35), (32.37) auch in der Besetzungsdarstellung (32.16) an: |n1 , n2 , . . . = (a†1 )n1 (a†2 )n2 . . . |0 ,
(32.40)
n1 , n2 , . . . | = 0| . . . (a2 )n2 (a1 )n1 .
Im Unterschied zu √ den Bose-Systemen (siehe Gl. (32.30)) fehlen hier nur die Normieur Fermi-Systeme wegen nk = 0, 1 s¨ amtlich 1 sind. rungsfaktoren 1/ nk !, die jedoch f¨ Unter Benutzung der Antikommutationsbeziehung (32.36) folgt aus (32.40)
a†k | . . . , nk , . . .
= (1 − nk )(−1)
l 0, siehe Gl. (34.54). In diesem Fall halten sich s¨amtliche Bosonen im Zustand niedrigster Energie 0 = min{k } auf, was bekanntlich als Bose-Einstein-Kondensation bezeichnet wird, siehe Abschnitt 34.3.2.
35
Koh¨arente Zust¨ande
¨ Die Uberlegungen im Rahmen der Zweiten Quantisierung haben gezeigt, dass BoseSysteme sich als Ensemble von harmonischen Oszillatoren interpretieren lassen. Umgekehrt stellt ein eindimensionaler harmonischer Oszillator das einfachste Bose-System dar, bei welchem die Bosonen nur in einem einzigen Einteilchenzustand existieren, der durch den ersten angeregten Zustand des harmonischen Oszillators gegeben ist. Dieser kann jedoch mehrfach mit den Bosonen (Phononen) derselben Sorte besetzt werden. Der n-te angeregte Oszillatorzustand entspricht dem n-Bosonen-Zustand. Die Oszillatoreigenzust¨ande nehmen eine besonders einfache Form in der Basis der koh¨arenten Zust¨ande an, welche sich durch eine Reihe von sehr vorteilhaften Eigenschaften, wie z.B. minimale Unsch¨arfe, auszeichnen, siehe Abschnitt 13.11. Wir wollen jetzt analoge koh¨arente Zust¨ande f¨ ur Bose- und Fermi-Systeme kennenlernen, die sich ebenfalls sehr vorteilhaft f¨ ur die Beschreibung dieser Systeme benutzen lassen. Unter Benutzung dieser Zust¨ande wird im Kap. 36 die Funktionalintegralbeschreibung von Bose- und Fermi-Systemen abgeleitet, aus der sich unmittelbar die Funktionalintegralformulierung der Quantenfeldtheorie ergibt. F¨ ur Fermi-Systeme ist die Benutzung der koh¨ arenten Zust¨ ande unumg¨anglich, um ihre Funktionalintegralbeschreibung zu erhalten.
35.1
Koh¨arente Bose-Zust¨ande
Die beim harmonischen Oszillator definierten koh¨ arenten Zust¨ ande k¨ onnen wir unmittelbar f¨ ur ein Ensemble von harmonischen Oszillatoren, d.h. f¨ ur ein Bose-System, verallgemeinern. In Analogie zum harmonischen Oszillator definieren wir die koh¨ arenten Bose-Zust¨ ande |ζ als Eigenfunktionen der Vernichtungsoperatoren ak :
ak |ζ = ζk |ζ ,
(35.1)
wobei die ζk komplexe Zahlen sind. Der einzige Unterschied zum harmonischen Oszillator besteht darin, dass die Vernichtungsoperatoren ak jetzt einen zus¨ atzlichen Index k tragen, der die Quantenzahlen der Einteilchenzust¨ ande des Bose-Systems charakterisiert. Die in Abschnitt 13.11 gegebene Ableitung der koh¨ arenten Zust¨ ande des harmonischen Oszillators k¨onnen wir Schritt f¨ ur Schritt f¨ ur Bose-Systeme (Ensemble von Oszillatoren) wiederholen und finden die Darstellung:
430
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
|ζ = exp
1
2 a†k ζk
|0 .
(35.2)
k
Der Einfachheit halber haben wir hier die unnormierten koh¨ arenten Zust¨ ande (13.95) benutzt. Die Gesamtheit der Bosonen in ein und demselben Einteilchenzustand |k ist arenter Zustand ¨aquivalent zu einem harmonischen Oszillator. Entsprechend ist ihr koh¨ durch den des Oszillators gegeben: †
|ζk = eak ζk |0 . Den koh¨ arenten Zustand f¨ ur ein System von Bosonen, die sich in mehreren Einteilchenzust¨ anden |k aufhalten k¨onnen, erhalten wir, indem wir das Produkt der koh¨ arenten Zust¨ ande |ζk von s¨amtlichen Einteilchenzust¨ anden |k nehmen: |ζ =
|ζk =
k
†
eak ζk |0 .
k
Dies liefert wegen [a†k , a†l ] = 0 genau den oben angegebenen Ausdruck (35.2). Der zu |ζ adjungierte Zustand 1 ζ| = 0| exp
2 ζk∗ ak
(35.3)
k
erf¨ ullt die zur Definitionsgleichung (35.1) duale Beziehung ζ|a†k = ζ|ζk∗ .
(35.4)
Aus der expliziten Form der koh¨arenten Zust¨ ande (35.2) und (35.3) folgen unmittelbar die Beziehungen a†k |ζ =
∂ |ζ , ∂ζk
ζ|ak =
∂ ζ| . ∂ζk∗
(35.5)
Genau wie beim harmonischen Oszillator bilden die koh¨ arenten Zust¨ ande |ζ eine (¨ uber-) vollst¨ andige Basis mit dem Skalarprodukt
35.1 Koh¨ arente Bose-Zust¨ande 1 ζ|γ = exp
431 2 ζk∗ γk
(35.6)
k
und gestatten eine Darstellung des Einheitsoperators des Fock-Raumes 1 2 ∗ dζ dζ k ∗ k ˆ exp − ζk ζk |ζζ| . 1= 2πi k
(35.7)
k
Zur Abk¨ urzung der Notation definieren wir das Integrationsmaß der koh¨ arenten Zust¨ ande 2 1 2 1 dζ ∗ dζk dζ ∗ dζk ∗ ∗ k k exp − e−ζk ζk , ζk ζk = dμ(ζ) = 2πi 2πi k
k
k
womit sich die Vollst¨andigkeitsrelation (35.7) auf ˆ 1 = dμ(ζ) |ζζ|
(35.8)
reduziert. Mit Hilfe dieser Beziehung k¨onnen wir s¨ amtliche Zust¨ ande und Operatoren des Fock-Raumes von Bose-Systemen in der Basis der koh¨ arenten Zust¨ ande ausdr¨ ucken. F¨ ur einen Zustand |ψ finden wir dann: |ψ = dμ(ζ) |ζζ|ψ , wobei nach der u ¨ blichen bracket-Notation ζ|ψ die Darstellung von |ψ in der Basis der koh¨ arenten Zust¨ ande bezeichnet. Aus Gl. (35.3) ist jedoch ersichtlich, dass die Funktion angt. Dies mag als ein ungl¨ ucklicher ζ|ψ nicht von ζ selbst, sondern allein von ζ ∗ abh¨ Umstand der Notation erscheinen, den wir in Kauf nehmen, damit in der Definition der koh¨ arenten Zust¨ande (35.1) der Eigenwerte von a durch ζ und nicht ζ ∗ gegeben ist. Wir werden jedoch gleich erkennen, dass f¨ ur komplexwertige ζ die Funktion ζ|ψ notwendigerweise von ζ ∗ abh¨angen muss. Ein beliebiger Zustand |ψ des Fock-Raumes l¨asst sich in der Form |ψ = ψ(a† )|0 darstellen, wobei ψ(a† ) eine bestimmte Funktion der Erzeugungsoperatoren ist. In der u ur die Darstellung dieses Zustandes in der ¨ blichen bracket-Notation finden wir dann f¨ Basis der koh¨ arenten Zust¨ande wegen (35.4) ζ|ψ = ζ|ψ(a† )|0 = ψ(ζ ∗ )ζ|0 .
432
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
Da ak |0 = o folgt 1 ζ|0 = 0| exp
2 ζk∗ ak
|0 = 0|0 = 1
k
und somit die Beziehung ζ|ψ = ψ(ζ ∗ ) .
(35.9)
Wie bereits oben vermutet, steht im Argument der Funktion ψ hier die komplexkonjugierte Variable ζ ∗ statt ζ. Gew¨ohnlich tritt dieser Sachverhalt nicht zu Tage, da man u ande von hermiteschen Operatoren be¨blicherweise als Basis die Eigenzust¨ nutzt und ihre reellen Eigenwerte zur Bezeichnung der Basiszust¨ ande verwendet; z.B. ist die Ortsdarstellung x|ψ ≡ ψ(x) durch die reellen Eigenwerte x des Ortsoperators xˆ charakterisiert. Bilden wir das komplex-konjugierte von Gl. (35.9), so erhalten wir ∗ ¯ . ψ|ζ = (ψ(ζ ∗ )) =: ψ(ζ)
(35.10)
Die hier definierte Operation ψ¯ bezeichnet das komplex-konjugierte der Funktion ψ, ohne jedoch auch das komplex-konjugierte des Argumentes der Funktion mit einzubeziehen. Um den Unterschied zum gew¨ohnlich komplex-konjugierten ∗“ zu verdeutlichen, ” betrachten wir eine beliebige Funktion ψ(ζ) der komplexen Variablen ζ, die wir in eine Taylorreihe entwickeln k¨onnen ψ(ζ) = c0 + c1 ζ +. . . ,
c0 , c1 ∈
.
W¨ ahrend die gew¨ohnliche komplexe Konjugation ∗
ψ ∗ (ζ) := (ψ(ζ)) = c∗0 + c∗1 ζ ∗ +. . . liefert, ist die Operation –“ durch ” ¯ ψ(ζ) = c∗0 + c∗1 ζ +. . . definiert. Vergleich dieser beiden Operationen zeigt den Zusammenhang ¯ ∗) . ψ ∗ (ζ) = ψ(ζ
(35.11)
35.1 Koh¨ arente Bose-Zust¨ande
433
F¨ ur die in Abschnitt 32.5 benutzten Basiszust¨ ande (32.30) der Bose-Systeme in der Besetzungszahldarstellung 1 (a† )n1 (a†2 )n2 . . . |0 |n1 , n2 , . . . = √ n1 !n2 ! . . . 1 erhalten wir dann in der Basis der koh¨arenten Zust¨ ande unter Benutzung von Gl. (35.4): 1 (ζ1∗ )n1 (ζ2∗ )n2 . . . . ζ|n1 , n2 , . . . = √ n1 !n2 ! . . .
(35.12)
Schließlich wollen wir die Darstellung von Operatoren in der Zweiten Quantisierung O(a† , a) in der Basis der koh¨arenten Zust¨ande angeben. Dazu multiplizieren wir den gegebenen Operator von rechts und links mit der Vollst¨ andigkeitsrelation (35.8): O(a† , a) = ˆ1O(a† , a)ˆ1 = dμ(ζ) dμ(γ) |ζζ|O(a† , a)|γγ| . arenten Zust¨ anZur Berechnung der Matrixelemente des Operators O a† , a in den koh¨ den setzen wir der Einfachheit halber voraus, dass der Operator O(a† , a) normalgeordnet ist, d.h. die Erzeugungsoperatoren a† stehen links von den Vernichtungsoperatoren a. Dies k¨ onnen wir immer unter Benutzung der Kommutationsbeziehungen dieser Operatoren erreichen. Mit Gl. (35.1) und (35.4) erhalten wir unmittelbar: ζ| : O(a† , a) : |γ = O(ζ ∗ , γ)ζ|γ ,
(35.13)
wobei die Gr¨ oße O(ζ ∗ , γ) aus dem Operator O(a† , a) durch die Ersetzung a†k → ζk∗ ,
a k → γk .
hervorgeht. Unter Benutzung von Gln. (35.4) und (35.5) erhalten wir mit (35.9) f¨ ur einen beliebigen Zustand |ψ ∂ ζ| : O(a† , a) : |ψ = O ζ ∗ , ∗ ψ(ζ ∗ ) . ∂ζ
(35.14)
Damit ist es uns gelungen, Bose-Systeme vollst¨ andig in der Basis der koh¨ arenten Zust¨ ande zu beschreiben. Als sehr einfaches illustratives Beispiel betrachten wir ein System unabh¨ angiger Bosonen, die durch einen Einteilchen-Hamilton-Operator der Form k a†k ak (35.15) H(a† , a) = k
434
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
beschrieben werden, wobei k die Einteilchenenergien sind. F¨ ur die Matrixelemente dieses Operators in der Basis der koh¨arenten Zust¨ ande finden wir unmittelbar aus (35.13): ζ|H(a† , a)|γ = H(ζ ∗ , γ)ζ|γ , wobei H(ζ ∗ , γ) =
k ζk∗ γk .
(35.16)
k
odinger-Gleichung F¨ ur den Hamilton-Operator H(a† , a) (35.15) ist die Schr¨ H(a† , a)|ψ = E|ψ
(35.17)
exakt l¨ osbar. Wir wollen dies in der Basis der koh¨ arenten Zust¨ ande tun. Dazu multiplizieren wir diese Gleichung von links mit dem koh¨ arenten Zustand ζ| und benutzen (35.14) ∂ ζ|H(a† , a)|ψ = H ζ ∗ , ∗ ψ(ζ ∗ ) , ∂ζ wobei die Funktion H(ζ ∗ , ∂/∂ζ ∗ ) durch Gl. (35.16) definiert ist. Die Schr¨ odingerGleichung (35.17) nimmt dann die Gestalt
k ζk∗
k
∂ ψ(ζ ∗ ) = Eψ(ζ ∗ ) ∂ζk∗
an. Diese Gleichung besitzt die linear unabh¨angigen L¨ osungen1 ψ{nk } (ζ ∗ ) = N
(ζk∗ )
nk
,
(35.18)
k
wobei N eine Normierungskonstante und die nk nichtnegative ganze Zahlen sind. Die zugeh¨ origen Eigenenergien lauten: E=
nk k .
k
Bis auf die Normierungskonstante N sind die Zust¨ ande ψ{nk } (ζ ∗ ) (35.18) gerade die durch die Besetzungszahlen nk definierten Basiszust¨ ande (32.28) in der Darstellung der koh¨ arenten Zust¨ande (35.12). Da die Basiszust¨ ande (35.12) korrekt normiert sind, ist auch die Normierungskonstante N in (35.18) bekannt. 1 Die Forderung nach (linear unabh¨ angigen) analytischen L¨ osungen schr¨ ankt die nk auf nicht negative ganzzahlige Werte ein.
35.1 Koh¨ arente Bose-Zust¨ande
435
Orthonormierung der Basiszust¨ande Abschließend wollen wir explizit zeigen, dass die erhaltenen Zust¨ ande (35.18) f¨ ur verschiedene S¨atze von ganzzahligen Besetzungszahlen nk orthogonal sind und ihre Normierung bestimmen, ohne dabei auf die bekannten Basiszust¨ ande (35.12) zur¨ uckzugreifen. Dazu betrachten wir das Skalarprodukt ψ{nk } |ψ{nk } = dμ(ζ) ψ{nk } |ζζ|ψ{nk } = dμ(ζ) ψ¯{nk } (ζ)ψ{nk } (ζ ∗ ) ∗ dζk dζk −ζk∗ ζk e = N ∗N (ζk )nk (ζk∗ )nk . 2πi k
Die Integrale u ¨ ber die komplexen Variablen ζk , ζk∗ sind von der Form dz ∗ dz −z∗ z n ∗ n e z (z ) (35.19) Inn := 2πi und lassen sich elementar auswerten. Zweckm¨ aßigerweise benutzen wir dazu die Polarkoordinatendarstellung z = reiϕ , in welcher das Integrationsmaß durch r dr dϕ dz ∗ dz = 2πi π gegeben ist (siehe Abschnitt 13.11). F¨ ur das Integral (35.19) erhalten wir dann: ∞ 2π 1 n+n +1 −r 2 dr r e dϕ eiϕ(n−n ) Inn = π 0
∞ =2
0
2
dr rn+n +1 e−r δnn
0
∞ = δnn
dx xn e−x = δnn Γ(n + 1) = δnn n!
0
und somit: ψ{nk } |ψ{nk } = |N |2
nk ! δnk ,nk .
k
Die auf 1 normierten Zust¨ande ψ{nk } (ζ ∗ ) (35.18) sind damit wie erwartet durch die Basiszust¨ande (35.12) gegeben.
436
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
35.2
Koh¨arente Fermi-Zust¨ande
35.2.1
Der fermionische Oszillator
Wir betrachten zun¨achst das fermionische Analogon des eindimensionalen harmonischen Oszillators. Dies ist offenbar ein Fermi-System, in welchem die Fermionen nur in einem einzigen Einteilchenzustand existieren k¨ onnen. Da die Fermionen dem PauliPrinzip unterliegen, kann der Einteilchenzustand maximal mit einem einzigen Fermion besetzt werden. Folglich besteht dieses System nur aus zwei Zust¨ anden: dem Vakuum |0, in dem der Einteilchenzustand unbesetzt ist und dem Einfermionenzustand |1, in dem der Einteilchenzustand einfach besetzt ist. Die einfachste Realisierung eines solchen Systems ist durch einen Spin s = 1/2 gegeben, d.h. wir haben es hier mit einem Teilchen mit halbzahligen Spin zu tun, dessen Ortsbewegung eingefroren wurde. Dieses System ist das fermionische Analogon eines harmonischen Oszillators, der ebenfalls nur Schwingungsquanten einer einzigen Sorte (Frequenz) besitzt, die jedoch aufgrund der Bose-Statistik in beliebiger Teilchenzahl vorliegen k¨ onnen. Der halbzahlige Spin besitzt zwei Quantenzust¨ ande, die einer parallelen oder antiparallelen Einstellung des Spins zur Quantisierungsachse entsprechen, | ↑ und | ↓ . Ohne Beschr¨ ankung der Allgemeinheit k¨onnen wir den Zustand mit nach unten gerichteten Spin | ↓ mit dem Vakuum |0 identifizieren. Der Zustand mit nach oben gerichteten Spin | ↑ ist dann durch den Einfermionenzustand |1 gegeben. Wir k¨ onnen diese Zust¨ande wieder durch Fermionenerzeugungs- und Vernichtungsoperatoren a† , a generieren, die den u ¨ blichen Antivertauschungsrelationen {a, a} = ˆ0 = {a† , a† } ,
{a, a† } = ˆ 1
gen¨ ugen. Im vorliegenden Fall ist kein Einteilchen-Index erforderlich, da nur ein einziger Einteilchenzustand existiert. Mittels dieser Operatoren sind die Zust¨ ande durch a|0 = o ,
|1 = a† |0
(35.20)
definiert. Unter Ausnutzung der Antivertauschungsrelationen folgt: a|1 = |0 ,
a† |1 = a† a† |0 = o .
Die letzte Gleichung dr¨ uckt das Pauli-Prinzip aus. Den Hamilton-Operator des fermionischen Oszillators w¨ahlen wir in der Form h = a† a .
(35.21)
Nach den obigen Beziehungen gilt dann h|0 = o ,
h|1 = |1 .
Folglich ist die Einteilchenenergie, w¨ahrend im Vakuum |0 die Energie verschwindet.
35.2 Koh¨ arente Fermi-Zust¨ande
35.2.2
437
Koh¨arente Fermi-Zust¨ande und Graßmann-Variablen
Beim harmonischen Oszillator hatten wir koh¨arente Zust¨ande definiert, die Eigenfunktionen des Vernichtungsoperators waren. Die Eigenwerte der Bose-Vernichtungsoperatoren waren durch die komplexen Zahlen gegeben. In Analogie hierzu definieren wir im Folgenden koh¨arente Fermi-Zust¨ande als Eigenfunktionen der Fermi-Vernichtungsoperatoren. Aufgrund der Antikommutationsbeziehungen der Fermi-Operatoren k¨ onnen die zugeh¨ origen Eigenwerte nicht durch gew¨ohnliche komplexe Zahlen gegeben sein. Bei der Einf¨ uhrung dieser Zust¨ande werden wir uns zun¨ achst auf das einfachste Fermi-System, den fermionischen Oszillator, beschr¨anken. Dieser besteht aus einem einzigen Einteilchenzustand, der entweder besetzt oder unbesetzt sein kann. Demzufolge gibt es nur die beiden Zust¨ ande |0 und |1. Wir definieren die koh¨arenten Fermi-Zust¨ande |ζ analog zu denen der Bose-Systeme als Eigenfunktionen des Vernichtungsoperators: a|ζ = ζ|ζ .
(35.22)
Durch Adjungieren folgt hieraus: ζ|a† = ζ|ζ ∗ .
(35.23)
Wegen aa = ˆ 0 muss gelten: o = aa|ζ = aζ|ζ = a|ζζ = ζ 2 |ζ . Die Objekte ζ k¨ onnen deshalb keine von Null verschiedenen Zahlen sein, sondern sind nilpotente Objekte, deren Quadrat verschwindet: ζ2 = 0 ,
(ζ ∗ )2 = 0 .
(35.24)
Diese Bedingungen lassen sich nicht im K¨orper der komplexen Zahlen erf¨ ullen, wohl aber im K¨ orper der sogenannten Graßmann-Variablen, welche die fermionischen Analoga der komplexen Zahlen sind. Diese sind durch die folgende Graßmann-Algebra definiert:2 {ζ, ζ} = 0 ,
{ζ ∗ , ζ ∗ } = 0 ,
{ζ, ζ ∗ } = 0 .
(35.25)
2 Streng genommen ist die 0“ auf der rechten Seite der Gln. (35.24), (35.25) nicht die gew¨ ohnliche ” Null, sondern das Nullelement in der Algebra der Graßmann-Variablen (vergleiche hierzu das Nullelement im K¨ orper der komplexen Zahlen). Wir werden f¨ ur die verschiedenen Nullelemente dasselbe Symbol benutzen.
438
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
Sie besitzt eine ¨ahnliche Struktur wie die Algebra der Fermi-Operatoren, unterscheidet sich jedoch von der letzteren dadurch, dass der Antikommutator von ζ mit ζ ∗ verschwindet. Die Operation ∗“ bezeichnet die sogenannte Involution, die das fermio” nische Gegenst¨ uck zu der komplexen Konjugation der gew¨ ohnlichen komplexen Zahlen ahnlich definiert ist. Diese Operation ordnet jedem Element ζ ein Element ζ ∗ zu und ist ¨ wie das Adjungieren von Operatoren. Wie letztere ver¨ andert die Involution die Reihenfolge der Objekte. Sind ζ, γ zwei Graßmann-Variablen derselben Algebra, so folgt f¨ ur ihr Produkt unter der Involution: (ζγ)∗ = γ ∗ ζ ∗ .
Ferner gilt: (ζ ∗ )∗ = ζ . Um komplexe Zahlen und Graßmann-Variablen gemeinsam behandeln zu k¨ onnen, vereinbaren wir, dass die Operation ∗“ die Involution f¨ ur Graßmann-Variablen η, γ und ” die gew¨ ohnliche komplexe Konjugation f¨ ur komplexe Zahlen z, u bedeutet: (zuηγ)∗ = γ ∗ η ∗ u∗ z ∗ = z ∗ u∗ γ ∗ η ∗ . Diese Konvention ist besonders zweckm¨aßig f¨ ur den Umgang mit Funktionen von Graßmann-Variablen f (ζ ∗ , ζ). Jede Funktion der Graßmann-Variablen f (ζ ∗ , ζ) besitzt eine endliche Taylor-Entwicklung: f (ζ ∗ , ζ) = f0 + f1 ζ + f2 ζ ∗ + f12 ζ ∗ ζ ,
(35.26)
wobei die f0 , f1 , f2 , f12 gew¨ohnliche komplexe Zahlen sind, die mit den GraßmannZahlen kommutieren. Wegen der Antikommutationsbeziehungen (ζ ∗ )2 = ζ 2 = 0 k¨ onnen keine h¨ oheren Potenzen der Graßmann-Variablen in der Taylor-Entwicklung auftreten. Neben der Graßmann-Algebra (35.25) fordert man von den Graßmann-Variablen, dass sie mit den Fermi-Operatoren a, a† antikommutieren {a, ζ} = {a† , ζ} = {a, ζ ∗ } = {a† , ζ ∗ } = ˆ 0,
und dass ferner (aζ)† = ζ ∗ a† .
35.2 Koh¨ arente Fermi-Zust¨ande
439
Unter Ber¨ ucksichtigung der Eigenschaften der Fermi-Operatoren und Graßmann-Variablen lassen sich die in den Beziehungen (35.22), (35.23) eingef¨ uhrten koh¨ arenten FermiZust¨ ande explizit darstellen als: †
|ζ = ea ζ |0 = |0 + a† ζ|0 , ζ| = 0|e
ζ∗a
(35.27)
∗
= 0| + 0|ζ a .
Zur Illustration zeigen wir, dass diese Darstellung in der Tat die Beziehung (35.22) erf¨ ullt: † a|ζ = aea ζ |0 = a |0 + a† ζ|0 = aa† ζ|0 = ζ(ˆ1 − a† a)|0
= ζ|0 = ζ|0 − ζ 2 a† |0 = ζ |0 + a† ζ|0 = ζ|ζ , wobei wir ζ 2 = 0 benutzt haben. Die so definierten koh¨arenten Fermi-Zust¨ande spannen keinen gew¨ ohnlichen FockRaum, sondern einen erweiterten Raum auf, der die Multiplikation des Vektors (Zustandes) mit einer Graßmann-Variablen einschließt, d.h. dieser erweiterte Fock-Raum wird nicht u ohnliche Fock-Raum) ¨ber dem K¨orper der komplexen Zahlen (wie der gew¨ sondern u ¨ber der Algebra der Graßmann-Variablen definiert, siehe Abschnitt 35.2.4. Wie die koh¨ arenten Zust¨ande des harmonischen Oszillators sind auch die fermionischen koh¨ arenten Zust¨ ande zu verschiedenem Argument nicht orthogonal, ζ|γ = 1 + ζ ∗ γ = eζ
∗
γ
,
wie man unmittelbar unter Benutzung von Gl. (35.27) zeigt. Sie bilden jedoch eine vollst¨ andige Basis, wie wir im n¨achsten Abschnitt sehen werden.
35.2.3
Differentiation und Integration fu ¨r Graßmann-Variablen
F¨ ur die Graßmann-Variablen l¨asst sich ¨ahnlich wie f¨ ur die komplexen Zahlen die Operation der Differentiation und Integration definieren. Die Differentiation ∂/∂ζ bzw. ∂/∂ζ ∗
440
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
ist durch ∂ 1 = 0, ∂ζ ∂ ζ = 1, ∂ζ ∂ ∗ ζ = 0, ∂ζ
∂ 1=0, ∂ζ ∗ ∂ ∗ ζ =1, ∂ζ ∗ ∂ ζ=0 ∂ζ ∗
(35.28)
definiert. Ferner antikommutieren die Ableitungsoperatoren mit den Graßmann-Variablen 7 ∂ ,ζ = 1, ∂ζ 7 ∂ ∗ ,ζ = 0, ∂ζ
7 ∂ ∗ ,ζ = 1, ∂ζ ∗ 7 ∂ ,ζ = 0 . ∂ζ ∗
(35.29)
Bei den ersten beiden Beziehungen ist zu beachten, dass diese streng genommen stets auf Testfunktionen f = f (ζ ∗ , ζ) wirken, so dass nach der Produktregel der Differentiation ∂ ∂ ∂ ∂ ζf = ζf + ζf = f − ζ f ∂ζ ∂ζ ∂ζ ∂ζ gilt. Hierbei wirkt der Ableitungsoperator stets nur auf das unterstrichene Objekt “, ” d.h. im ersten Summanden lediglich auf ζ und im zweiten lediglich auf f . Damit erhalten wir: 7 ∂ ,ζ f = 0 . ∂ζ Ferner fordert man, dass die Ableitungen nach den Graßmann-Variablen mit den komplexen Zahlen kommutieren. Die Integration u ¨ ber Graßmann-Variablen ist formal durch
dζ ,
dζ = 0 =
dζζ ∗ = 0 =
∗
dζ ∗ ζ
dζ ζ = 1 =
dζ ∗ ζ ∗ (35.30)
35.2 Koh¨ arente Fermi-Zust¨ande
441
definiert.3 Das so definierte Integral u ¨ber Graßmann-Variablen kann aber nicht als Grenzwert einer Summe (wie beim Riemann-Integral) aufgefasst werden. Diese Integration ist auch nicht das Inverse der Differentiation. So folgt unter Benutzung der Taylor-Entwicklung (35.26):
∂ f (ζ ∗ , ζ) , ∂ζ ∂ dζ ∗ f (ζ ∗ , ζ) = f2 + f12 ζ = ∗ f (ζ ∗ , ζ) , ∂ζ ∂ ∂ f (ζ ∗ , ζ) , dζ dζ ∗ f (ζ ∗ , ζ) = f12 = ∂ζ ∂ζ ∗ dζ f (ζ ∗ , ζ) = f1 − f12 ζ ∗ =
d.h. die Integration u aquivalent zu einer Dif¨ber eine Graßmann-Variable ist de facto ¨ ferentiation. Aus den Integrationsregeln (35.30) ergeben sich unmittelbar die Integrale
dζ ezζ = z ,
dζ e−zζ
∗
ζ
= zζ ∗ .
Integration der letzten beiden Beziehungen u ¨ ber ζ ∗ liefert:
∗
dζ dζ e
zζ
= 0,
dζ ∗ dζ e−zζ
∗
ζ
=z.
(35.31)
Mit den oben angegebenen Regeln und der expliziten Darstellung (35.27) der koh¨ arenten Zust¨ ande zeigt man leicht, dass folgende Beziehungen gelten: ← − − → ∂ ∂ = a† |0 = |1 , a |ζ = − |ζ = |ζ ∂ζ ∂ζ 1 ← − 2 → − ∂ ∂ ζ|a = ζ| − ∗ = ∗ ζ| = 0|a = 1| , ∂ζ ∂ζ †
(35.32) (35.33)
wobei die Pfeile die Richtung der Wirkung des entsprechenden Ableitungsoperators →“ an den Differentialoperatoren, die angeben. Nachfolgend werden wir den Pfeil − ” nach rechts wirken, weglassen. 3 Mit
dieser Definition der Integration lassen sich auch die Differentiale“ dζ, dζ ∗ formal wie ” Graßmann-Variablen behandeln, die den Antivertauschungsrelationen {dζ, dζ} = {dζ ∗ , dζ ∗ } = {dζ, dζ ∗ } = 0 , {dζ, ζ} = {dζ ∗ , ζ ∗ } = {dζ ∗ , ζ} = {dζ, ζ ∗ } = 0 gen¨ ugen. Diese Beziehungen m¨ ussen jedoch nicht gefordert werden, sondern folgen aus Gln. (35.25) und (35.30).
442
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
Die koh¨ arenten Fermi-Zust¨ande (35.27) erf¨ ullen die Vollst¨ andigkeitsrelation dμ(ζ) |ζζ| = ˆ1 ,
dμ(ζ) = e−ζ
∗
ζ
dζ ∗ dζ ,
(35.34)
deren Richtigkeit schnell gezeigt ist: 1. dμ(ζ) |ζζ| = dζ ∗ dζ (1 − ζ ∗ ζ) |0 + a† ζ|0 0| + 0|ζ ∗ a = |00| + |11| = ˆ Die Spur des Einheitsoperators (im Fock-Raum) liefert die Zahl der Zust¨ ande: Spˆ 1 = Sp |00| + |11| = Sp |00| + Sp |11| = 0|0 + 1|1 = 1 + 1 = 2 . Dasselbe Ergebnis m¨ ussen wir nat¨ urlich auch durch Spurbildung von Gl. (35.34) erhalten. Analog zu den komplexen Zahlen definieren wir die δ-Funktion f¨ ur Graßmann-Zahlen durch dζ δ(ζ, γ)f (ζ) = f (γ) ,
was
dζ δ(ζ, γ) = 1
impliziert. Eine Darstellung dieser Funktion ist durch δ(ζ, γ) = ζ − γ =: δ(ζ − γ)
(35.35)
gegeben, wie man leicht durch Einsetzen in die obige Definition und Ausnutzung der Integrationsregeln u uft. Ebenso leicht zeigt man, dass die δ-Funktion eine Art ¨ berpr¨ Fourier-Darstellung δ(ζ, γ) =
dζ ∗ eζ
∗
(ζ−γ)
(35.36)
35.2 Koh¨ arente Fermi-Zust¨ande besitzt, denn
dζ ∗ eζ
∗
(ζ−γ)
443
dζ ∗ [1 + ζ ∗ (ζ − γ)] = ζ − γ .
=
Aus der Darstellung (35.35) folgt unmittelbar δ(zζ) = zδ(ζ) ,
z∈
,
(35.37)
was das Gegenst¨ uck zur Gl. (A.11) f¨ ur die gew¨ ohnliche δ-Funktion einer reellen Variablen ist. Setzen wir hier z = −1, so finden wir, dass die δ-Funktion (35.35) ungerade“ ” δ(−ζ) = −δ(ζ) bzw. antisymmetrisch“ ist ” δ(γ, ζ) = −δ(ζ, γ) ,
δ(−ζ, γ) = −δ(ζ, −γ) .
Ferner gilt offenbar: δ ∗ (ζ, γ) = δ(ζ ∗ , γ ∗ ) ,
δ ∗ (ζ) = δ(ζ ∗ )
und
¯ = δ(ζ) . δ(ζ)
F¨ ur eine beliebige Funktion f (ζ) der Graßmann-Variablen folgt aus der Darstellung (35.35) δ(γ, η)f (ζ) = f (−ζ)δ(γ, η) .
35.2.4
Darstellung des Fock-Raumes durch Graßmann-Variablen
Jeder Zustand im Fock-Raum l¨asst sich in der Form |φ = φ(a† )|0
(35.38)
darstellen, wobei φ(a† ) eine beliebige differenzierbare Funktion der Erzeugungsoperatoren ist. Mit Hilfe der Vollst¨andigkeitsrelation (35.34) lassen sich die Zust¨ ande des Fock-Raumes als Linearkombination der koh¨arenten Zust¨ ande schreiben: |φ = ˆ1|φ = dμ(ζ) |ζζ|φ . Nach der u ¨ blichen bracket-Notation liefert das Skalarprodukt ζ|φ die Darstellung des Zustandvektors |φ in der Basis der koh¨arenten Zust¨ ande |ζ. Mit (35.23) erhalten wir aus (35.38) f¨ ur diese Darstellung: ζ|φ = ζ|φ(a† )|0 = φ(ζ ∗ )ζ|0 .
444
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
Wegen a|0 = o und (35.27) gilt ∗
ζ|0 = 0|eζ a |0 = 0|0 = 1 und somit ζ|φ = φ(ζ ∗ ) .
(35.39)
Aus (35.38) finden wir f¨ ur die zugeh¨origen bra-Vektoren des Fock-Raumes † ¯ , φ| = φ a† |0 = 0|φ(a)
(35.40)
wobei die Operation –“ das komplex-konjugierte einer Funktion bezeichnet, ohne dabei ” das Argument der Funktion mit einzubeziehen. Sie ist in Gln. (35.10), (35.11) definiert. Bilden wir das Skalarprodukt von (35.40) mit dem koh¨ arenten Zustand |ζ (35.22), so finden wir ¯ . φ|ζ = φ(ζ) Dasselbe Ergebnis finden wir auch aus Gl. (35.39) durch Bildung der Involution ∗“ ” ∗ ∗ ¯ φ(ζ) = (φ(ζ )) . Damit lassen sich die Skalarprodukte beliebiger Zustandsvektoren durch ∗ ¯ ψ|φ = dμ(ζ) ψ|ζζ|φ = dμ(ζ) ψ(ζ)φ(ζ ) darstellen. F¨ ur die Matrixelemente der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren finden wir: ζ|a|γ = γζ|γ = ∂ζ ∗ ζ|γ , ← − ζ|a† |γ = ζ ∗ ζ|γ = ζ|γ ∂ γ , und analog: ζ|a|φ = ∂ζ∗ ζ|φ = ∂ζ ∗ φ(ζ ∗ ) , ζ|a† |φ = ζ ∗ ζ|φ = ζ ∗ φ(ζ ∗ ) . Die Operatoren a und a† werden somit durch ∂ζ ∗ = ∂/∂ζ ∗ und ζ ∗ dargestellt. Wir betrachten einen beliebigen Operator der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren O(a† , a). Durch Taylor-Entwicklung k¨onnen wir diesen Operator als Summe von
35.2 Koh¨ arente Fermi-Zust¨ande
445
Produkten der a und a† darstellen. Dabei k¨onnen prinzipiell die a und a† in beliebiger Reihenfolge auftreten. Wir betrachten einen typischen Term . . . a† aa† a† a . . . . Unter Benutzung von Gln. (35.23) und (35.33) erhalten wir: ζ| . . . a† aa† a† a . . . = . . . ζ ∗
∂ ∗ ∗ ∂ ζ ζ . . . ζ| . ∂ζ ∗ ∂ζ ∗
F¨ ur einen beliebigen Operator finden wir deshalb: ∂ ∗ ζ|O(a , a) = O ζ , ∗ ζ| . ∂ζ †
(35.41)
Jeder Operator im Fock-Raum ist eine Funktion O(a† , a) der Operatoren a und a† und kann deshalb als eine Funktion O(ζ ∗ , ∂ζ ∗ ) der Graßmann-Variablen dargestellt werden. Aus Gl. (35.41) erhalten wir unmittelbar: ζ|O(a† , a)|γ = O(ζ ∗ , ∂ζ ∗ )ζ|γ ,
(35.42)
bzw. f¨ ur beliebige Fock-Zust¨ande |φ ζ|O(a† , a)|φ = O(ζ ∗ , ∂ζ ∗ )φ(ζ ∗ ) .
(35.43)
Umgekehrt definiert jede Funktion von Graßmann-Variablen O(ζ ∗ , γ) ein Matrixelement arenten Zust¨ anden: des normalgeordneten Operators : O(a† , a) : in den koh¨ ζ| : O(a† , a) : |γ = ζ|γO(ζ ∗ , γ) ,
(35.44)
wobei unter normalgeordnet wieder zu verstehen ist, dass alle Erzeugungsoperatoren links von den Vernichtungsoperatoren stehen (bei jeder Zweierpermutation ist aber ein Faktor (−1) zu ber¨ ucksichtigen). Man beachte den Unterschied zwischen Gl. (35.42) und (35.44): Die Matrixelemente des normalgeordneten Produktes : O(a† , a) : zwischen koh¨ arenten Fermi-Zust¨anden erh¨alt man unmittelbar unter Benutzung von Gln. (35.22), (35.23) durch Ersetzen von a bzw. a† durch γ bzw. ζ ∗ . Das Matrixelement des nichtalt man durch Ersetzen von a bzw. normalgeordneten Operators O(a† , a) hingegen erh¨ a† durch ∂ζ ∗ bzw. ζ ∗ , siehe Gl. (35.41). Gln. (35.42) und (35.43) haben formal dieselbe Gestalt wie die analogen Beziehungen (35.13) und (35.14) f¨ ur Bose-Systeme.
35.2.5
Verallgemeinerung auf Fermi-Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
Die Graßmann-Variablen lassen sich sehr leicht f¨ ur Fermi-Systeme mit mehreren Einteilchenzust¨ anden verallgemeinern. F¨ ur jeden Einteilchenzustand |k = a†k |0 gibt es dann
446
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
entsprechende Graßmann-Variablen ζk , ζk∗ , die sich im oben angegebenen Sinne als die Eigenwerte der Fermi-Vernichtungs- und Erzeugungsoperatoren ak , a†k interpretieren lassen. Im Folgenden betrachten wir ein Fermi-System mit n Einteilchenzust¨ anden. F¨ ur reale Systeme haben wir gew¨ohnlich n → ∞. Die zugeh¨ orige Graßmann-Algebra besitzt dann amtlich miteinander 2n verschiedene Elemente ζk , ζk∗ , k = 1, 2, . . . , n, die s¨ {ζk , ζl } = 0 ,
{ζk∗ , ζl∗ } = 0 ,
{ζk , ζl∗ } = 0
{ζk , a†l } = 0 ,
etc.
und mit den Fermi-Operatoren {ζk , al } = 0 ,
antikommutieren. Die Taylor-Entwicklung einer Funktion dieser Graßmann-Variablen bricht dann erst nach dem n-ten Glied ab, d.h. die Terme der Entwicklung enthalten ur den Fall eines einzigen Einteilh¨ ochstens n ζ’s und ζ ∗ ’s. Die im vorigen Abschnitt f¨ chenzustandes angegebenen Beziehungen lassen sich unmittelbar auf ein Fermi-System mit n Einteilchenzust¨anden verallgemeinern. So haben wir jetzt f¨ ur die Differentiation (35.28) ∂ ζl = δkl , ∂ζk
∂ ∗ ζ = δkl ∂ζk∗ l
und Integration (35.30)
dζk ζl = δkl ,
dζk∗ ζl∗ = δkl .
Die zu Gl. (35.29) analogen Beziehungen lauten jetzt 7 7 ∂ ∂ , ζl f = δkl f , , ζl∗ f = 0 , ∂ζk ∂ζk 7 7 ∂ ∂ ∗ , ζ f = δkl f , , ζl f = 0 , ∂ζk∗ l ∂ζk∗ wobei f eine beliebige Funktion der ζ, ζ ∗ ist.
35.2 Koh¨ arente Fermi-Zust¨ande
447
Die koh¨ arenten Zust¨ande (35.27) sind jetzt durch 1 |ζ = exp
2 a†k ζk
|0
(35.45)
k
gegeben, wobei im Exponenten u ande |k summiert wird. ¨ber s¨amtliche Einteilchenzust¨ F¨ ur diese Zust¨ ande gilt: ζ|a†k = ζ|ζk∗ ,
ak |ζ = ζk |ζ ,
(35.46)
sowie (vgl. Gln. (35.32), (35.33) und die analogen Beziehungen (35.5) f¨ ur Bose-Systeme) a†k |ζ = −
∂ |ζ , ∂ζk
ζ|ak =
∂ ζ| . ∂ζk∗
¨ Der Uberlapp zweier koh¨arenter Zust¨ande ist durch 1 ζ|γ = exp
2 ζk∗ γk
k
gegeben, was unmittelbar aus Gln. (35.45) und (35.46) folgt 1 2 1 2 † ζ|γ = ζ| exp ak γk |0 = ζ| exp ζk∗ γk |0 k
1 = exp
k
2 ζk∗ γk
ζ|0 = exp
k
1 = exp
1
2 ζk∗ γk
0| exp
k
2 ζk∗ γk
k
0|0 = exp
1
1
2 ζl∗ al
|0
l
2 ζk∗ γk
,
(35.47)
k
wobei wir al |0 = o benutzt haben. F¨ ur γ = ζ ergibt sich hieraus die Norm der koh¨ arenten Zust¨ ande: 1 2 ζ|ζ = exp ζk∗ ζk . k
448
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
Unter Benutzung von Gl. (35.46) erhalten wir f¨ ur die Basiszust¨ ande (32.39) des FockRaumes in der Darstellung der koh¨arenten Zust¨ ande ζ|k1 , k2 · · · , kN = ζk∗1 ζk∗2 · · ·ζk∗N .
(35.48)
Die Vollst¨ andigkeitsrelation hat formal dieselbe Gestalt wie in Gl. (35.34) ˆ 1=
dμ(ζ) |ζζ|
(35.49)
jedoch ist das Integrationsmaß jetzt durch
dμ(ζ) =
1
2 dζk∗
dζk
1 exp −
k
k
2 ζk∗ ζk
=
∗
dζk∗ dζk e−ζk ζk
k
gegeben. Wegen l1 , l2 , . . . , lN |k1 , k2 . . . , kN =
dμ(ζ)l1 , l2 , . . . , lN |ζζ|k1 , k2 . . . , kn
folgt aus der Norm (32.52) der Basiszust¨ande (35.48) die Beziehung i, j = 1, 2, . . . , N , dμ(ζ)ζlN . . . ζl2 ζl1 ζk∗1 ζk∗2 . . . ζk∗N = det(δ(li , kj )) , wovon man sich leicht u ¨ berzeugt. Die Verallgemeinerung der im vorigen Abschnitt abgeleiteten Beziehungen auf Fermi-Systeme mit mehreren Einteilchenzust¨ anden ist trivial und geben wir deshalb nicht explizit an.
35.2.6
Beschreibung von Fermi-Systemen mit Hilfe von Graßmann-Variablen
Im Folgenden wollen wir die oben entwickelte Beschreibung von Fermionen-Systemen mit Hilfe von Graßmann-Variablen auf ein System unabh¨ angiger Fermionen anwenden. In der Zweiten Quantisierung lautet der Hamilton-Operator eines Systems unabh¨ angiger Fermionen k a†k ak , (35.50) H(a† , a) = k
35.2 Koh¨ arente Fermi-Zust¨ande
449
wobei k die Einteilchenenergien bezeichnen. Zun¨ achst wollen wir die Schr¨ odingerGleichung H|φ = E|φ in der Basis der koh¨arenten Fermi-Zust¨ande schreiben, d.h. durch die GraßmannVariablen ausdr¨ ucken. Dazu multiplizieren wir diese Gleichung von links mit dem BraVektor der koh¨ arenten Fermionen-Zust¨ande ζ|: ζ|H(a† , a)|φ = Eζ|φ .
(35.51)
Beachten wir, dass ζ|φ = φ(ζ ∗ ) und verwenden Gl. (35.43), so nimmt Gl. (35.51) die Form ∂ ∗ H ζ , ∗ φ(ζ ∗ ) = Eφ(ζ ∗ ) ∂ζ an. Setzen wir hier schließlich die explizite Form des Hamilton-Operators (35.50) ein, so lautet die Schr¨odinger-Gleichung des Systems unabh¨ angiger Fermionen: 2 1 ∂ k ζk∗ ∗ φ(ζ ∗ ) = Eφ(ζ ∗ ) . (35.52) ∂ζk k
Da der Hamilton-Operator in eine Summe von Einteilchen-Operatoren zerf¨ allt, H=
hk ,
hk = k ζk∗
k
∂ , ∂ζk∗
l¨asst sich die Schr¨odinger-Gleichung (35.52) offenbar durch einen Separationsansatz ϕk (ζk∗ ) φ(ζ ∗ ) = k
l¨osen. Die Einteilchen-Schr¨odinger-Gleichung hk ϕk = Ek ϕk , oder in expliziter Form k ζk∗
∂ ϕk (ζk∗ ) = Ek ϕk (ζk∗ ) , ∂ζk∗
besitzt die korrekt normierten L¨osungen ϕk (ζk∗ ) = 1 ,
Ek = 0
und ϕk (ζk∗ ) = ζk∗ ,
Ek = k ,
(35.53)
450
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
die offenbar zu einem unbesetzten bzw. besetzten Einteilchenzustand |k geh¨ oren. F¨ ur die Gesamtenergie erhalten wir: Ek , E= k
zu der offenbar nur die Einteilchenenergien der besetzten Zust¨ ande, die durch die L¨ osung (35.53) gegeben sind, beitragen. Wir betrachten ein System von N Fermionen, welche die Einteilchenzust¨ ande k = 1, 2, . . . , N besetzen, w¨ahrend die u ande k = N + 1, N + 2, . . . unbesetzt ¨brigen Zust¨ sind. Die zugeh¨orige N -Teilchen-Wellenfunktion ist folglich durch φ(ζ ∗ ) =
N
ζk∗
(35.54)
k=1
gegeben. Diese Wellenfunktion ist per Definition der Graßmann-Variablen antisymmetrisch bez¨ uglich Vertauschen von Fermionen-Paaren und ferner korrekt normiert: ∗ ¯ )=1. φ|φ = dμ(ζ) φ(ζ)φ(ζ Die Zust¨ ande (35.54) sind gerade die Basiszust¨ ande (35.48) des Fock-Raumes.
35.3
Komplexe Gauß-Integrale
F¨ ur sp¨ atere Anwendungen der koh¨arenten Zust¨ ande zur Beschreibung von Bose- und Fermi-Systemen ben¨otigen wir mehrdimensionale Gauß-Integrale u ¨ ber komplexe Variablen bzw. Graßmann-Variablen, die sich jedoch auf die entsprechenden eindimensionalen Gauß-Integrale zur¨ uckf¨ uhren lassen. Das eindimensionale Gauß-Integral u ¨ ber eine Graßmann-Variable wurde bereits in Gl. (35.31) berechnet ∗ (35.55) dζ ∗ dζe−aζ ζ = a . F¨ ur eine gew¨ ohnliche komplexe Variable ζ = x + iy haben wir
dζ ∗ dζ . . . = 2i
∞
−∞
und mit (siehe Anhang B) ∞ −∞
2 dx 1 √ e−ax = √ π a
∞ dx −∞
dy . . .
35.3 Komplexe Gauß-Integrale erhalten wir
451
1 dζ ∗ dζ −aζ ∗ ζ e = . 2πi a
(35.56)
√ Die Integrale u ¨ ber Real- und Imagin¨arteil liefern jeweils einen Faktor 1/ a. Man beachte, dass die Gauß-Integrale u ¨ ber komplexe und Graßmann-Variablen inverse Ergebnisse liefern, vgl. Gln. (35.55) und (35.56). Wir betrachten jetzt das mehrdimensionale Gauß-Integral ⎞ ⎛ N dζj∗ dζj exp ⎝− ζk∗ Akl ζl ⎠ , j=1
(35.57)
k,l
wobei A eine hermitesche Matrix ist, A† = A. Der Exponent ist dann reell bzw. invariant unter Involution: (ζk∗ Akl ζl )∗ = ζl∗ A∗kl ζk = ζl∗ A†lk ζk = ζl∗ Alk ζk . F¨ ur Graßmann-Variablen ζk∗ , ζk l¨asst sich das Integral durch Taylor-Entwicklung der Exponentialfunktion berechnen, wobei die Entwicklung nach dem Glied N -ter Ordnung ussen wir außerdem fordern, dass die Matrix abbricht. F¨ ur komplexe Variablen ζk∗ , ζk m¨ A positiv definit ist. Diagonalisierung der hermiteschen Matrix A mittels einer unit¨ aren Transformation U † = U −1 liefert die Darstellung † Akl = Ukm am Uml , (35.58) m † wobei am die Eigenwerte von A und Ukm die Komponenten der zugeh¨ origen (orthonormierten) Eigenvektoren sind. Unter der unit¨aren Transformation der Integrationsvariablen † ∗ ζk → γk = Ukm ζm , ζk∗ → γk∗ = ζm Umk (35.59) m
m
bleibt das Integrationsmaß invariant N j=1
dγj∗ dγj =
N
dζi∗ dζi .
(35.60)
i=1
Dies ist offensichtlich, da die Jacobi-Matrix dieser Transformation4
Jkl
∂(γk∗ , γk ) = = ∂(ζl∗ , ζl )
1
∂γk∗ ∂ζl∗
0
0 ∂γk ∂ζl
2
=
† 0 Ulk 0 Ukl
=
(U † )T 0 0 U
kl
4 Man beachte, dass aus (35.59) ∂γ /∂ζ = U ur komplexe Variablen als auch f¨ ur k l kl sowohl f¨ Graßmann-Variablen folgt.
452
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
die Determinante det J = (det U † ) det U = det (U † U ) = 1 besitzt.
F¨ ur Graßmann-Variablen l¨asst sich die Invarianz des Integrationsmaßes auch auf alternative Art sehen: Zun¨achst gilt 1
N
dγj∗
N
dγj =
j=1
21 k−1
(−1)
m
k=2
21 ∗ dγm
2 dγn
,
(35.61)
n
da das k-te Element dγk∗ an den (k − 1) Variablen dγl mit l = 1, 2, . . . , k − 1, vorbei gezogen werden muss, um auf die Reihenfolge der Graßmann-Variablen auf der rechten Seite zu kommen, was jeweils einen Faktor (−1)k−1 liefert. Beachten wir, dass sich die Differentiale dζ, dζ ∗ wie die Variablen ζ, ζ ∗ transformieren (siehe Gl. (35.59)), d.h. † ∗ Ukm dζm , dγk∗ = dζm Umk , dγk = m
m
so haben wir: j
dγj =
1
2 Ujm dζm
=
m
j
U1m1 U2m2 . . . UN mN dζm1 dζm2 . . . dζmN .
m1 ,...,mN
Wegen der Antivertauschungsrelationen der Graßmann-Variablen gilt: dζm1 dζm2 . . . dζmN = m1 m2 ...mN dζ1 dζ2 . . . dζN .
Beachten wir, dass
U1m1 U2m2 . . . UN mN m1 m2 ...mN = det(U )
m1 ,...,mN
gilt, so finden wir: N j=1
dγj = det(U )
N i=1
dζi .
(35.62)
35.3 Komplexe Gauß-Integrale
453
In analoger Weise zeigt man: N
dγj∗ = det(U † )
j=1
N
dζi∗ ,
i=1
¨ was auch durch Bildung der Involution ∗“ von (35.62) und gleicher Anderung der ” Reihenfolge der Graßmann-Elemente auf beiden Seiten folgt. Wegen det(U † ) = det(U −1 ) = det(U )−1 folgt mit (35.61) die Invarianz (35.60) des Integrationsmaßes unter den unit¨ aren Transformationen (35.59).
F¨ ur den Exponenten in (35.57) finden wir mit (35.58) und (35.59): ∗ ζk∗ Akl ζl = a m γm γm , m
k,l
so dass das N -dimensionale Gauß-Integral (35.57) in ein Produkt von N eindimensionalen Gauß-Integralen zerf¨allt, die wir bereits in (35.55) bzw. (35.56) berechnet haben. Mit N
am = det A
m=1
finden wir N dζj∗ dζj ∗ exp − ζk Akl ζl = (det A)∓1 , C j=1 kl
wobei wir die Konstante 2πi f¨ ur komplexe Variablen C= 1 f¨ ur Graßmann-Variablen eingef¨ uhrt haben und das obere (untere) Vorzeichen f¨ ur komplexe bzw. GraßmannVariablen gilt. Das obige Ergebnis l¨asst sich verallgemeinern f¨ ur Integrale, die im Exponenten lineare Terme enthalten. Durch quadratische Erg¨anzung findet man: ⎛ ⎞ N dζj∗ dζj exp ⎝− ζk∗ Akl ζl + (ζk∗ χk + ηk∗ ζk )⎠ C j=1 k,l k ⎛ ⎞ = (det A)∓1 exp ⎝ ηk∗ (A−1 )kl χl ⎠ . k,l
(35.63)
454
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
Diese Beziehung l¨asst sich ebenfalls unmittelbar durch Diagonalisierung der hermiteschen Matrix A beweisen. Oftmals ist es zweckm¨aßig, die Ortsdarstellung (32.77) zu benutzen. Die zu den Feldoperatoren ψ(x), ψ † (x) geh¨origen komplexen bzw. Graßmann-Variablen ζ(x), ζ ∗ (x) sind dann ebenfalls Felder, die von einem kontinuierlichen Index x abh¨ angen. Das Gauß-Integral (35.63) l¨asst sich unmittelbar auf Funktionalintegrale ∗ dζ (x) dζ(x) . . . =: D(ζ ∗ , ζ) . . . C x verallgemeinern, die sich u ¨ ber komplexe bzw. Graßmann-Felder ζ(x), ζ ∗ (x) erstrecken: ∗ ∗ ∗ D(ζ , ζ) exp − dx dy ζ (x)A(x, y)ζ(y) + dx (ζ (x)χ(x) + η (x)ζ(x)) ∓1 ∗ −1 = (Det A) exp dx dy η (x)A (x, y)χ(y) . (35.64)
∗
Hierbei bezeichnet Det (A) die Funktionaldeterminante des hermiteschen Integralkerns A(x, y). Die Funktionaldeterminante eines solchen Integralkerns A(x, y) ist, analog zur Determinante einer Matrix, durch das Produkt der Eigenwerte des Integralkerns dy A(x, y)ϕk (y) = ak ϕ(x)
definiert:
Det (A) =
ak .
(35.65)
k
ohnlich divergent und In der Quantenfeldtheorie ist das Produkt der Eigenwerte ak gew¨ verlangt eine sogenannte Renormierung, um physikalisch sinnvolle endliche Ausdr¨ ucke zu erhalten.
35.4
Anwendungen
Die in Kapitel 32 entwickelte Zweite Quantisierung f¨ uhrte auf einen einheitlichen Formalismus f¨ ur Bose- und Fermi-Systeme. Der einzige Unterschied zwischen diesen beiden ur Bose-Systeme den KommuSystemen besteht darin, dass die Feldoperatoren ak , a†k f¨ tationsbeziehungen (32.27), f¨ ur Fermi-Systeme hingegen den Antikommutationsbeziehungen (32.51) gen¨ ugen. Eine ¨ahnliche Analogie zwischen Bose- und Fermi-Systemen
35.4 Anwendungen
455
haben wir auch bei den koh¨arenten Zust¨anden festgestellt, die sich in Definition und Eigenschaften nicht voneinander unterscheiden. Jedoch m¨ ussen die komplexen Variablen der koh¨ arenten Bose-Zust¨ande f¨ ur Fermi-Systeme durch Graßmann-Variablen ersetzt werden. Aufgrund dieser Analogie werden wir im Folgenden Bose- und Fermi-Systeme gemeinsam behandeln und nur, wenn erforderlich, zwischen beiden Arten von Systemen unterscheiden. Ferner ist es vorteilhaft, die folgende kompakte Notation einzuf¨ uhren a† ·ζ =
a†k ζk ,
ζ ∗ ·a =
k
ζk∗ ak ,
ζ ∗ ·η =
k
ζk∗ ηk ,
(35.66)
k
wobei die ζ, η, . . . wieder komplexe Zahlen f¨ ur Bose-Systeme und Graßmann-Variablen f¨ ur Fermi-Systeme sind. Die koh¨arenten Zust¨ande f¨ ur ein System mit mehreren Freiheitsgraden |ζ = ea
†
·ζ
|0 ,
ζ| = 0|eζ
∗
·a
(35.67)
unterscheiden sich dann von denen des (fermionischen) Oszillators nur durch den Punkt“, der das Skalarprodukt kennzeichnet. ”
35.4.1
Das erzeugende Funktional
Die zentralen Gr¨ oßen bei der Beschreibung eines Vielteilchensystems sind die Green’schen Funktionen, die als Grundzustandserwartungwerte von Produkten von Erzeugungsund Vernichtungsoperatoren definiert sind: φ|ak1 ak2 . . . a†l1 a†l2 . . . |φ . Hierbei bezeichnet |φ die Wellenfunktion des Grundzustandes. Die Kenntnis s¨ amtlicher Green’scher Funktionen ist ¨aquivalent zur Kenntnis der Wellenfunktion |φ. Dies erkennt man sofort, wenn man beachtet, dass sich s¨amtliche Green’sche Funktionen aus dem erzeugenden Funktional (35.68) Z[η ∗ , η] = φ| exp (η ∗ · a) exp a† · η |φ durch Differentiation nach den Quellen ηk , ηk∗ gewinnen lassen. F¨ ur Bose-Systeme sind ahrend sie f¨ ur Fermi-Systeme Graßdie Quellen η, η ∗ gew¨ohnliche komplexe Variablen, w¨ ¨ mann-Variablen sind. Mit diesem Unterschied gelten die nachfolgenden Uberlegungen sowohl f¨ ur Bose- als auch f¨ ur Fermi-Systeme. Zum Beispiel l¨ asst sich die EinteilchenGreen’sche Funktion in der Form δ δ † ∗ Z[η , η] φ|ak al |φ = η∗ = 0 δηl δηk∗ η=0 angeben. F¨ ur Fermi-Systeme ist die Reihenfolge der Variation (nach den GraßmannVariablen) wichtig.
456
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
Unter Benutzung der Definition der Norm eines Zustandes l¨ asst sich das erzeugende Funktional auch in der Form C C2 (35.69) Z[η ∗ , η] = Cexp a† · η |φC schreiben. F¨ ur den Fall, dass der Grundzustand durch das triviale Vakuum |φ = |0 gegeben ist, welches durch ak |0 = o f¨ ur alle Einteilchenzust¨ande |k definiert ist, erhalten wir unter Benutzung der Definition der koh¨ arenten Bose- bzw. Fermi-Zust¨ande, siehe Gl. (35.2) bzw. Gl. (35.45): Z[η ∗ , η] = η|η = exp (η ∗ · η) . Im Allgemeinen bezeichnet jedoch |φ einen Zustand aus N Bosonen bzw. Fermionen, die korreliert sind. Die explizite Berechnung des erzeugenden Funktionals (35.69) l¨ asst sich dann nicht mehr exakt (d.h. in geschlossener Form) durchf¨ uhren. In diesem Falle empfiehlt es sich, zwischen den beiden Exponentialfunktionen in Gl. (35.68) den Einheitsoperator in Form von koh¨arenten Zust¨ anden, siehe Gln. (35.8) und (35.49), einzuschieben: ∗ Z[η , η] = dμ(ζ) φ| exp (η ∗ · a) |ζζ| exp a† · η |φ . Unter Benutzung der Eigenschaften der koh¨arenten Zust¨ ande als Eigenfunktionen der Erzeugungs- bzw. Vernichtungsoperatoren (siehe Gln. (35.1), (35.4)) erhalten wir dann: Z[η ∗ , η] = dμ(ζ) φ|ζ exp (η ∗ · ζ + ζ ∗ · η) ζ|φ = dζ ∗ dζ φ∗ (ζ) exp (−ζ ∗ · ζ + η ∗ · ζ + ζ ∗ · η) φ(ζ) . Das erzeugende Funktional (35.68) ist bequem zur Berechnung von Erwartungswerten von Produkten von Feldoperatoren, bei denen die Vernichtungsoperatoren a links von den Erzeugungsoperatoren a† stehen: φ|a . . . aa† . . . a† |φ .
(35.70)
Erwartungswerte mit einer anderen Reihenfolge der Feldoperatoren k¨ onnen prinzipiell unter Benutzung der (Anti)-Kommutationsbeziehungen auf die der Form (35.70) zur¨ uckgef¨ uhrt werden. F¨ ur Erwartungswerte der Form φ|a† . . . a† a . . . a|φ ist es jedoch bequemer, statt (35.68) das erzeugende Funktional Z[η ∗ , η] = φ| exp a† · η exp (η ∗ · a) |φ
(35.71)
zu benutzen. Dieses ist jedoch sehr unbequem f¨ ur die Darstellung mittels GraßmannVariablen, die auf den koh¨arenten Zust¨anden basieren, da die Beziehungen (35.22),
35.4 Anwendungen
457
(35.23) auf einfachere Ausdr¨ ucke f¨ uhren als die dazu dualen Beziehungen (35.32),(35.33). uckf¨ uhren: Allerdings l¨ asst sich das erzeugende Funktional Z (35.71) auf Z (35.68) zur¨ Wegen [η ∗ · a, a† · η] =
[ηk∗ ak , a†l ηl ] =
k,l
ηk∗ ηl [ak , a†l ]∓ =
k,l
k,l
ηk∗ ηl δ(k, l) =
ηk∗ ηk = η ∗ · η
k,l
folgt mittels Gl. (C.21) eA eB = e−[B,A] eB eA , die dann gilt, wenn [A, B] eine c-Zahl ist, f¨ ur die Operatoren in Gl. (35.71): † exp a · η exp (η ∗ · a) = exp (−η ∗ · η) exp (η ∗ · a) exp a† · η . Damit erhalten wir die Beziehung Z[η ∗ , η] = exp (−η ∗ · η) Z[η ∗ , η] . Der zus¨ atzliche Quellterm im Exponenten ist jedoch einfach zu handhaben.
35.4.2
Die Spur im Fock-Raum
F¨ ur die statistische Beschreibung von Vielteilchensystemen im Rahmen des großkanonischen Ensembles sowie f¨ ur die Quantenfeldtheorie, die mit Prozessen der Teilchenerzeugung und -vernichtung konfrontiert ist, ben¨otigen wir die Spur u ¨ber den Fock-Raum. Wir betrachten die Spur eines Operators in der Zweiten Quantisierung O(a† , a) im Fock-Raum n|O|n , Sp O = n
wobei sich die Summation u anden ¨ ber einen vollst¨andigen Satz von orthonormierten Zust¨ des Fock-Raumes erstreckt. Wir erinnern daran, dass der Fock-Raum Zust¨ ande mit fester, aber beliebiger Teilchenzahl enth¨alt. Die Summation u ande des Fock¨ ber die Zust¨ Raumes schließt somit die Summation u ¨ ber die Teilchenzahl mit ein. Multiplizieren wir den Operator O(a† , a) von rechts und links jeweils mit dem Einheitsoperator in der Darstellung der koh¨arenten Zust¨ ande,5 Gln. (35.8), (35.49), so erhalten wir f¨ ur seine Spur Sp O = dμ(ζ) dμ(ζ ) n|ζζ|O|ζ ζ |n . (35.72) n
F¨ ur Fermi- bzw. Bose-Systeme k¨onnen wir f¨ ur die |n die Basiszust¨ ande des FockRaumes, Gl. (32.39) bzw. Gl. (32.30) nehmen. Ihre Darstellung in der Basis der koh¨ arenten Zust¨ ande ζ|n sind in Gln. (35.48) bzw. (35.12) gegeben. F¨ ur Bose-Systeme k¨ onnen 5 Die Vollst¨ andigkeitsrelation der koh¨ arenten Zust¨ ande liefert den Einheitsoperator im gesamten Fock-Raum, d.h. im Raum der Bose- bzw. Fermi-Zust¨ ande mit einer beliebigen Teilchenzahl.
458
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
wir in Gl. (35.72) die Wellenfunktionen an dem Matrixelement des Operators O vorbeiziehen, da hier die Variablen ζ gew¨ohnliche komplexe Zahlen sind. F¨ ur Fermi-Systeme oder gemischte Systeme m¨ ussen wir jedoch beachten, dass jede Vertauschung zweier Graßmann-Variablen ζ einen Vorzeichenwechsel zur Folge hat. Wir setzen deshalb jetzt der Einfachheit halber voraus, dass der Operator O(a† , a) so beschaffen ist, daß seine Matrixelemente ζ|O|ζ nur Terme mit einer geraden Anzahl von Graßmann-Variablen enthalten. Dies stellt gew¨ohnlich keinerlei Einschr¨ ankung dar, insbesondere nicht, wenn die Fermionenzahl durch den Operator O(a† , a) erhalten wird. (Auch der Operator im erzeugenden Funktional (35.68) erf¨ ullt diese Voraussetzung.) Wir k¨ onnen dann die Wellenfunktion n|ζ in Gl. (35.72) an dem Matrixelement vorbeiziehen, n|ζζ |n . (35.73) Sp O = dμ(ζ)dμ(ζ )ζ|O|ζ n
F¨ ur Bose-Systeme k¨onnen wir auch die beiden Skalarprodukte vertauschen. F¨ ur FermiSysteme hingegen erhalten wir ein zus¨atzliches Vorzeichen, wenn die Wellenfunktion ζ|n (35.48) eine ungerade Potenz der Graßmann-Variablen ist. Es gilt deshalb n|ζζ |n = ζ |nn| ± ζ , wobei das obere Vorzeichen f¨ ur Bose-, das untere f¨ ur Fermi-Systeme gilt.6 Mit dieser Beziehung und unter Ausnutzung der Vollst¨andigkeitsrelation der Zust¨ ande |n erhalten wir f¨ ur die Spur eines Operators O(a† , a) mit einer geraden Anzahl von Feldoperatoren aus (35.73) Sp O = dμ(ζ)dμ(ζ )ζ|O|ζ ζ | ± ζ . Unter der Ausnutzung der Vollst¨andigkeitsrelation (35.8) bzw. (35.49) in den koh¨ arenten Zust¨ anden finden wir schließlich Sp O = dμ(ζ)ζ|O| ± ζ . (35.74) F¨ ur Bose-Systeme (oberes Vorzeichen) ist dies die intuitiv erwartete Beziehung. F¨ ur Fermi-Systeme (unteres Vorzeichen) tritt hingegen ein zus¨ atzliches Minuszeichen zwischen bra- und ket-Zustand auf. Dieses Minuszeichen ist ein Wesensmerkmal der Beschreibung von Fermi-Systemen mittels Graßmann-Variablen und besitzt weitreichende Konsequenzen. Es bewirkt beispielsweise, dass Fermi-Felder antiperiodische Randbedingungen erf¨ ullen wo Bose-Felder periodischen Randbedingungen gen¨ ugen (siehe Abschnitt 36.2). Abschließend bemerken wir noch: Da das Integrationsmaß dμ(ζ) invariant gegen¨ uber onnen wir die Spur (35.74) auch in der der Ersetzung ζ → (−ζ), ζ ∗ → (−ζ ∗ ) ist, k¨ alternativen Form 6 n| − ζ bedeutet, dass in n|ζ jedes ζ durch (−ζ ) ersetzt wird. Der Leser mache sich klar, dass k k das Minuszeichen sowohl f¨ ur Wellenfunktionen mit einer ungeraden als auch mit einer geraden Anzahl von Graßmann-Variablen gilt. F¨ ur eine ungerade Zahl von Graßmann-Variablen ist das Minuszeichen absolut notwendig; f¨ ur eine gerade Zahl ist es zwar nicht notwendig, kann aber gesetzt werden (da es sich herausk¨ urzt), um s¨ amtliche Fermi-Zust¨ ande auf einheitliche Weise zu behandeln.
35.4 Anwendungen
459
Sp O =
dμ(ζ)±ζ|O|ζ
(35.75)
schreiben.
35.4.3
Ensemble-Mittel
Die oben abgeleitete Formel (35.75) f¨ ur die Spur im Fock-Raum l¨ asst sich vorteilhaft f¨ ur die Berechnung der thermischen Erwartungswerte (Ensemble-Mittel) (35.20) benutzen. Die Rechnungen werden besonders einfach, wenn der Dichteoperator (35.16) D=
1 exp(−K) , Z
Z = Sp e−K
durch den Exponenten eines Einteilchenoperators K= Kkl a†k al
(35.76)
k,l
gegeben ist. F¨ ur das großkanonische Ensemble haben wir K = β(H − μN) . F¨ ur die nachfolgenden Betrachtungen ist die konkrete Form des Einteilchenoperators K (35.76) irrelevant. Benutzen wir die zyklische Eigenschaft der Spur und dr¨ ucken diese mittels Gl. (35.75) in der Basis der koh¨arenten Zust¨ande aus, so finden wir f¨ ur das Ensemble-Mittel eines beliebigen Operators O(a† , a) (mit gerader Anzahl von Feldoperatoren) im Fock-Raum −K † Sp e O(a , a) = dμ(ζ)±ζ|O(a† , a)e−K |ζ . (35.77) Wir betrachten die Wirkung des Operators exp(−K) auf einen koh¨ arenten Zustand. Da der Operator K (35.76) das Vakuum vernichtet K|0 = Kkl a†k al |0 = o , gilt eK |0 = |0 und somit f¨ ur die koh¨arenten Zust¨ande e−K |ζ = e−K ea
†
·ζ
|0 = e−K ea
†
e |0 = exp e−K a† ·ζ eK |0 .
·ζ K
Unter Benutzung von Gl. (32.71) haben wir † e−K a†k eK ζk al e−K lk ζk = a† · e−K ζ e−K a† ·ζ eK = k
k,l
460
35 Koh¨ arente Zust¨ ande
und somit e−K |ζ = |e−K ζ . Setzen wir diese Beziehung in (35.77) ein, so finden wir Sp e−K O(a† , a) = dμ(ζ)±ζ|O(a† , a)|e−K ζ .
(35.78)
Auch f¨ ur statistische Systeme lassen sich s¨amtliche (thermische) Erwartungswerte aus einem erzeugenden Funktional berechnen, das ¨ ahnlich wie f¨ ur reine Zust¨ ande (siehe Gl. (35.68)) definiert ist. Wir m¨ ussen hierin lediglich den gew¨ ohnlichen Erwartungswert durch das statistische Mittel (34.30) ersetzen. Dies liefert: † ∗ † ∗ (35.79) Z[η ∗ , η] = ea η eη a = Sp Dea η eη a . Wegen der Normierung der Dichtematrix Sp D = 1 gilt: Z[η ∗ = 0, η = 0] = 1 .
(35.80)
Mit Gl. (35.78) finden wir f¨ ur das erzeugende Funktional (35.79) die Darstellung † ∗ 1 Z[η ∗ , η] = dμ(ζ)±ζ|ea η eη a |e−K ζ . Z Mit der Definition der koh¨arenten Zust¨ande (35.67) erhalten wir hieraus ∗ ∗ −K 1 Z[η ∗ , η] = dμ(ζ)e±ζ η eη e ζ ±ζ|e−K ζ Z ∗ ∗ −K ∗ −K 1 = dμ(ζ)e±ζ η eη e ζ e±ζ e ζ Z ∗ " # dζk dζk 1 = exp −ζ ∗ 1 ∓ e−K ζ ± ζ ∗ η + η ∗ e−K ζ , λ Z (2πi) k
wobei λ = 1 bzw. λ = 0 f¨ ur Bose- bzw. Fermi-Systeme. Nach Ausf¨ uhren des verbleibenden Gauß-Integrals mittels (35.63) erhalten wir Z[η ∗ , η] =
$ % ∓1 −1 1 det 1 ∓ e−K exp η ∗ e−K 1 ∓ e−K (±η) . Z
(35.81)
Setzen wir hier η = 0, so finden wir wegen der Normierung (35.80) f¨ ur die großkanonische Zustandssumme ∓1 . (35.82) Z = det 1 ∓ e−K
35.4 Anwendungen
461
Vergleich mit der Definition der Zustandssumme (34.27) liefert die Beziehung ∓1 Sp e−K = det 1 ∓ e−K .
(35.83)
Man beachte, dass auf der linken Seite der Operator K in der Zweiten Quantisierung, auf der rechten Seite jedoch die Matrix K steht (siehe Gl. (35.76)). Diese Identit¨ at l¨ asst sich auch unmittelbar durch Diagonalisierung von K bzw. K und Benutzung von (32.72) beweisen. Mit (35.82) erhalten wir aus (35.81) Z[η ∗ , η] = exp [±η ∗ ρη] , wobei wir die Abk¨ urzung −1 ρ = eK ∓ 1
(35.84)
eingef¨ uhrt haben. Man erkennt leicht, dass ρ gerade die Dichtematrix (34.46) des großkanonischen Ensembles ist: In der Basis, in der H diagonal ist, Hμν = δμν μ ,
Kμν = δμν β (μ − μ)
besitzt ρ (35.84) die Spektraldarstellung |νNν(±) ν| , ρ= ν
wobei −1 Nν(±) = eβ(ν −μ) ∓ 1 die thermischen Besetzungszahlen (34.53), (34.50) sind.
36
Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
In Band 1 haben wir ausgehend vom Doppelspaltexperiment die Quantenmechanik aus dem Prinzip der Summation u ¨ber interferierende Alternativen gewonnen. Dieses Prinzip ¨ f¨ uhrte auf die Pfad- oder Funktionalintegraldarstellung der Ubergangsamplitude, aus der wir die Schr¨ odinger-Gleichung abgeleitet hatten. Dieser Zugang besitzt zweifelsohne konzeptionelle Vorz¨ uge. Wie jedoch die weitere Entwicklung der Quantenmechanik in diesem Band gezeigt hat, ist f¨ ur konkrete Probleme eines Punktteilchens die L¨ osung der Schr¨ odinger-Gleichung im Allgemeinen wesentlich einfacher als die explizite Berechnung des zugeh¨ origen Pfadintegrals. Als Beispiel vergleiche man etwa die Pfadintegralbehandlung des unendlich hohen Potentialtopfes in Abschnitt 7.2 mit der L¨ osung der zugeh¨ origen Schr¨ odinger-Gleichung in Abschnitt 9.5. Der Pfadintegralzugang entfaltet seine Vorz¨ uge erst bei der Beschreibung von komplexeren Systemen wie Vielteilchensystemen oder in der Quantenfeldtheorie. Numerische Behandlungen von Quantenfeldtheorien erfolgen ausschließlich unter Benutzung der Pfadintegralformulierung. Diese ist insbesondere die Grundlage f¨ ur die sogenannten Gitterrechnungen in den Eichtheorien. Auch die St¨ orungstheorie in der Quantenfeldtheorie l¨ asst sich am bequemsten und elegantesten im Rahmen der Pfadintegralbeschreibung formulieren. In der Quantenfeldtheorie, aber auch in der Vielteilchenphysik, geh¨ ort die Pfadintegralbeschreibung zum wichtigsten Handwerkzeug und ihre Kenntnis ist f¨ ur Theoretiker absolut notwendig. Wir werden deshalb in diesem Kapitel die Pfadintegralformulierung von Vielteilchensystemen ableiten. Dazu werden wir die im Kap. 35 behandelten koh¨ arenten Zust¨ ande benutzen. Aus der Pfadintegralformulierung der Vielteilchensysteme ergibt sich dann zwangsl¨ aufig die Pfadintegraldarstellung der Quantenfeldtheorie, denn ein Quantenfeld ist nichts anderes als ein Vielteilchensystem bestehend aus unendlich vielen Teilchen. Im Band 1 des Buches haben wir aus der Pfadintegraldarstellung, Gl. (4.43), f¨ ur ¨ angige) Schr¨ odinger-Gleichung abdie Ubergangsamplitude K(x, t; x , t ) die (zeitabh¨ ¨ geleitet. Im Abschnitt 24.2 haben wir festgestellt, dass die quantenmechanische Ubergangsamplitude gerade durch das Matrixelement x|U (t, t )|x des Zeitentwicklungsoperators U (t, t ) gegeben ist, der eine formale L¨ osung der Schr¨ odinger-Gleichung repr¨asentiert. Wir wollen jetzt den umgekehrten Weg beschreiten und bei gegebenem Hamilton-Operator eine Funktionalintegraldarstellung f¨ ur die Matrixelemente des Zeitentwicklungsoperators f¨ ur Systeme aus identischen Teilchen ableiten. Dazu werden wir zweckm¨ aßigerweise die Zweite Quantisierung benutzen und den Fock-Raum durch koh¨ arente Zust¨ ande darstellen. Da diese f¨ ur Bose- und Fermi-Systeme dieselbe Form besitzen, vgl. Gl. (35.2) und Gl. (35.45), und auch der Hamilton-Operator in der Zweiten Quantisierung dieselbe Form f¨ ur Bose- und Fermi-Systeme hat, k¨ onnen wir die Ableitung gleichzeitig f¨ ur Bose- und Fermi-Systeme durchf¨ uhren.
464
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
Um die formalen Manipulationen nicht durch Indizes unn¨ otig zu verkomplizieren, werden wir nachfolgend die Einteilchenindizes gew¨ ohnlich unterdr¨ ucken. Formal entspricht das der Behandlung von Systemen, in welchen die identischen Teilchen nur in einem einzigen Einteilchenzustand existieren k¨onnen (harmonischer oder fermionischer Oszillator). Die Verallgemeinerung auf beliebig viele Einteilchenzust¨ ande, d.h. die Wiederherstellung der Einteilchenindizes, wird jedoch trivial sein.
36.1
Pfadintegraldarstellung der ¨ Ubergangsamplitude
Wir betrachten ein beliebiges Matrixelement des Zeitentwicklungsoperators U(tf , ti ) andigkeitsrelation zwischen zwei Zust¨anden |ϕi und ϕf |. Unter Benutzung der Vollst¨ (35.8), (35.49) der koh¨arenten Zust¨ande 1 = dμ(ζ) |ζζ| (36.1) k¨ onnen wir dies in der Form ϕf |U(tf , ti ) |ϕi = dμ(ζf ) dμ(ζi ) ϕf |ζf ζf |U(tf , ti ) |ζi ζi |ϕi = dμ(ζf )dμ(ζi ) ϕ¯f (ζf )ζf |U(tf , ti ) |ζi ϕi (ζi∗ )
(36.2)
schreiben. Hieraus ist ersichtlich, dass es ausreichend ist, Matrixelemente von U(tf , ti ) in der Basis der koh¨arenten Zust¨ande zu betrachten. Zur Ableitung einer Funktionalintegraldarstellung f¨ ur die Matrixelemente des Zeitentwicklungsoperators ζf |U(tf , ti ) |ζi zerlegen wir das Zeitintervall in infinitesimale Abschnitte der L¨ angen ε tf − ti = N ε ,
tk = ti + kε
(36.3)
und benutzen f¨ ur den Zeitentwicklungsoperator (24.17) die Darstellung (24.16) ⎛ ⎞ tf i U(tf , ti ) = T exp ⎝− dt H(t)⎠ ti
=e
− i εH(tN −1 )
i
i
· · · e− εH(t1 ) e− εH(t0 ) ,
(36.4)
die auch f¨ ur zeitabh¨angige Hamiltonoperatoren (im Limes ε → 0) g¨ ultig ist. Ohne Beschr¨ ankung der Allgemeinheit k¨onnen wir jetzt voraussetzen, dass der Hamiltonoperator in der Zweiten Quantisierung H(t) ≡ H a† , a normalgeordnet ist, d.h. s¨ amtliche Erzeuur infinitesimale gungsoperatoren a† stehen links von den Vernichtungsoperatoren a. F¨ ε → 0 k¨ onnen wir dann jeden Exponentialfaktor durch sein normalgeordnetes Produkt ersetzen i
i
e− εH(tk ) −→: e− εH(tk ) : .
¨ 36.1 Pfadintegraldarstellung der Ubergangsamplitude
465
Durch Taylor-Entwicklung des Exponenten erkennt man sofort, dass die nicht normal geordneten Terme, die in dem urspr¨ unglichen Ausdruck exp − i εH(tk ) enthalten sind, von der Ordnung O(ε2 ) sind und somit im Limes ε → 0 wegfallen. Schieben wir in Gl. (36.4) zwischen zwei aufeinanderfolgende Exponenten jeweils eine Vollst¨ andigkeitsrelation (36.1) in den koh¨arenten Zust¨ anden ein, so finden wir f¨ ur das Matrixelement des Zeitentwicklungsoperators (36.2) i † ζf |U(tf , ti ) |ζi = dμ(ζN −1 )· · · dμ(ζ1 ) ζf | : exp − εH a , a : |ζN −1 † i i † ζN −1 | : exp − εH a , a : |ζN −2 · · · ζ1 | : exp − εH a , a : |ζi 2 1N −1 N i † dμ(ζk ) ζk | : exp − εH a , a : |ζk−1 . (36.5) = k=1
k=1
Im letzten Schritt haben wir ζN | := ζf | ,
|ζ0 := |ζi
(36.6)
gesetzt. Diese Notation ist konsistent mit Gl. (36.3), wonach tf = tN und ti = t0 . Da |ζ nur von ζ, ζ| nur von ζ ∗ abh¨angt, sind die Beziehungen (36.6) a ¨quivalent zu ∗ := ζf∗ , ζN
ζ0 := ζi .
(36.7)
Unter Benutzung von Gl. (35.13) bzw. (35.44) finden wir f¨ ur die Matrixelemente der infinitesimalen Zeitentwicklungsoperatoren i † i ∗ ζk | : exp − εH a , a : |ζk−1 = ζk |ζk−1 exp − εH(ζk , ζk−1 ) , womit wir aus (36.5) ζf |U(tf , ti ) |ζi =
N −1 k=1
N
dμ(ζk )
k=1
i ∗ ζk |ζk−1 exp − εH(ζk , ζk−1 )
¨ erhalten. Unter Benutzung des expliziten Ausdruckes der Uberlappintegrale ζk |ζk−1 , siehe Gln. (35.6), (35.47) k¨onnen wir diese umschreiben zu
ζk |ζk−1 = exp [ζk∗ ζk−1 ] = exp [ζk∗ (ζk − (ζk − ζk−1 ))] = ζk |ζk exp [−ζk∗ (ζk − ζk−1 )]
(36.8)
466
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
und finden ζf |U(tf , ti ) |ζi = ζf |ζf 5 exp
N −1
dμ(ζk ) ζk |ζk
k=1
6 N i ∗ ζk − ζk−1 ∗ ε − H(ζk , ζk−1 ) . ζk i ε
(36.9)
k=1
¨ Diese Integraldarstellung der Ubergangsamplitude ist exakt im Limes ε → 0. Sie ist ¨ jedoch noch nicht sehr bequem außer f¨ ur numerische Berechnungen der Ubergangsamplitude. Wir k¨ onnen jetzt jedoch die ζk als Werte einer Trajektorie ζ(t) im Raum der komplexen Zahlen bzw. der Graßmann-Variablen zur Zeit tk interpretieren, so dass ε ζk = ζ(tk + ) , 2
ε ζk∗ = ζ ∗ (tk − ) 2
(36.10)
gilt. Wegen (36.7) und Graßmann-Variablen zur Zeit tk interpretieren, so dass ε ε ∗ = ζ ∗ (tN − ) ≡ ζ ∗(tf − ) , ζN 2 2
ε ε ζ0 = ζ(t0 + ) ≡ ζ(ti + ) 2 2
gen¨ ugen diese Trajektorien im Limes ε → 0 den Randbedingungen Graßmann-Variablen zur Zeit tk interpretieren, so dass ζ ∗ (tf ) = ζf∗ ,
ζ(ti ) = ζi .
(36.11)
Ferner wird im Limes ε → 0 (N → ∞) aus der Summe im Exponenten von Gl. (36.9) ein gew¨ ohnliches Riemann-Integral u ¨ ber die Zeit. Dabei erhalten wir im ersten Term des Exponenten lim
ε→0
ζ(tk + 2ε ) − ζ(tk−1 + 2ε ) ζk − ζk−1 = lim ε→0 ε ε ζ(tk + 2ε ) − ζ(tk − 2ε ) ˙ k − ε) , = lim ζ(t ε→0 ε→0 ε 2
= lim so dass lim ε
ε→0
N
ζk ζk∗
k=1
− ζk−1 = ε
tf
˙ . dt ζ ∗ (t)ζ(t)
(36.12)
ti
Der zweite Term liefert in diesem Limes lim ε
ε→0
N k=1
f N ε ε ∗ = lim ε H ζ (tk − ), ζ(tk − ) = dt H(ζ ∗ (t), ζ(t)) . ε→0 2 2 t
H(ζk∗ , ζk−1 )
k=1
ti
Per Konstruktion k¨onnen wir die in Gl. (36.10) definierten Trajektorien ζ(t) als stetig voraussetzen. Die meisten Trajektorien sind jedoch zackig“, d.h. nicht u ¨ berall differen” zierbar, so dass der Limes in (36.12) f¨ ur diese Trajektorien nicht existiert. Nachfolgend
¨ 36.1 Pfadintegraldarstellung der Ubergangsamplitude
467
¨ werden wir jedoch annehmen, dass die dominanten Beitr¨ age zur Ubergangsamplitude 1 ur die von den glatten Trajektorien ζ(t) kommen und den Limes ε → 0 nehmen. F¨ ¨ Ubergangsamplitude zwischen den koh¨arenten Zust¨ anden erhalten wir dann die Funktionalintegraldarstellung
D (ζ ∗ , ζ) exp
ζf |U(tf , ti ) |ζi =
7 i S [ζ ∗ , ζ](ζf , ζi ) ,
(36.13)
mit der Wirkung
S [ζ , ζ] ζf∗ ; ζi = ∗
tf
$ % ˙ − H(ζ ∗ , ζ) − iζ ∗ ζf dt ζ ∗ (t)iζ(t) f
(36.14)
ti
und dem Funktionalintegrationsmaß
D (ζ ∗ , ζ) =
N −1 k=1
dμ (ζk ) ζk |ζk =
N −1 k=1
dζ ∗ (t)dζ(t) dζ ∗ (tk )dζ(tk ) =: , C C t
(36.15)
wobei ⎧ ⎨ 1 , Fermi-Systeme C=
⎩ 2πi , Bose-Systeme
.
1 Obwohl fast alle Trajektorien nicht differenzierbar sind, kommen dennoch die dominanten Beitr¨ age zum Funktionalintegral von den glatten“ Trajektorien, da nur diese eine endliche Wirkung besitzen. ” Die Dominanz der glatten Trajektorien tritt unmittelbar in der semiklassischen N¨ aherung zu Tage. Den Einfluss der zackigen“ Trajektorien werden wir in Abschnitt 36.3 untersuchen. ”
468
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
F¨ ur die komplexen Bose-Variablen gilt außerdem d Re (ζ)d Im (ζ) dζ ∗ dζ = . 2πi π
(36.16)
Die Trajektorien ζ(t), u ussen ¨ ber die im Funktionalintegral (36.13) integriert wird, m¨ offenbar den Randbedingungen (36.11) gen¨ ugen.
Bemerkung: arenten In der Wirkung (36.14) tritt explizit die Variable ζf auf. Die koh¨ angen aber Zust¨ ande ζf | und damit das Matrixelement ζf |U (tf , ti ) |ζi h¨ nur von ζf∗ und nicht von ζf ab. Die scheinbare Abh¨ angigkeit der Wirkung (36.14) von ζf ist durch die Umformung (36.8) des Terms mit k = N entstan¨ den. Der Uberlapp ζN |ζN −1 = ζf |ζN −1 h¨ angt in der Tat nur von ζf∗ (und ζN −1 ), nicht aber von ζf = ζN ab. Da (36.8) eine identische Umformung ist, muss sich die scheinbare ζf -Abh¨angigkeit auch in dem Endergebnis (36.14) herausk¨ urzen. Dies erkennt man sofort, wenn man den ersten Term partiell integriert
S[ζ
∗
, ζ](ζf∗ , ζi )
tf =
$ % dt −iζ˙ ∗ (t)ζ(t) − H(ζ ∗ , ζ) − iζi∗ ζi .
(36.17)
ti
ur haben wir uns Die Variable ζf tritt jetzt nicht mehr in der Wirkung auf, daf¨ aber eine (scheinbare) ζi -Abh¨angigkeit eingehandelt, die jedoch wieder durch den ersten Term in (36.17) kompensiert wird, wie die Darstellung (36.14) zeigt. Die beiden ¨aquivalenten Formen der Wirkung (36.14) und (36.17) sind offensichtlich nicht symmetrisch in den Variablen des Anfangs- und Endzustandes ζi und ζf . Diese Symmetrie l¨asst sich jedoch leicht herstellen, indem man das arithmetische Mittel dieser beiden ¨aquivalenten Formen benutzt, was auf den Ausdruck S[ζ ∗ , ζ] ζf∗ , ζi
tf dt
=
i ∗ ˙ 1 ζ (t)ζ(t) − ζ˙ ∗ (t)ζ(t) − H(ζ ∗ , ζ) − i ζf∗ ζf + ζi∗ ζi 2 2
ti
f¨ uhrt, der offenbar symmetrisch in den Variablen des Anfangs- und Endzustandes ist.
36.2 Pfadintegraldarstellung der großkanonischen Zustandssumme
36.2
469
Pfadintegraldarstellung der großkanonischen Zustandssumme
Wir wenden jetzt Gl. (35.74) auf den Zeitentwicklungsoperator an Sp U(tf , ti ) = dμ(ζ)ζ|U (tf , ti )| ± ζ .
(36.18)
F¨ ur das hier auftretende Matrixelement des Zeitentwicklungsoperators zwischen den koh¨ arenten Zust¨ anden k¨onnen wir jetzt die oben abgeleitete Funktionalintegraldarstellung, Gl. (36.13), benutzen. Dazu m¨ ussen wir dort ζf = ζ ,
ζi = ±ζ
setzen. Der Zusatzterm −iζf∗ ζf = −iζ ∗ ζ in der Wirkung (36.14) k¨ urzt sich dann gegen den Exponentialfaktor im Integrationsmaß dμ(ζ), siehe z.B. Gl. (35.34), und wir erhalten die folgende Funktionalintegraldarstellung Sp U(tf , ti ) =
D (ζ ∗ , ζ) exp
7 i S [ζ ∗ , ζ] .
(36.19)
Hierbei ist die Wirkung jetzt durch
∗
tf
S [ζ , ζ] =
$ % ˙ − H (ζ ∗ , ζ) dt ζ ∗ (t)iζ(t)
(36.20)
ti
gegeben. Das Funktionalintegrationsmaß ist analog zur Gleichung (36.15) definiert N dζ ∗ (t)dζ(t) dζ ∗ (tk )dζ(tk ) =: , D (ζ , ζ) = C C t ∗
k=1
enth¨ alt aber jetzt auch die Integration u ¨ber die Variablen an der Endzeit tf . Ferner erstreckt sich die Funktionalintegration in (36.19) u ¨ber periodische bzw. antiperiodische Trajektorien ζ(t) f¨ ur Bose- bzw. Fermi-Systeme ζ(tf ) = ±ζ(ti ) .
(36.21)
Wir betrachten jetzt den Fall, dass der Hamilton-Operator nicht explizit von der Zeit abh¨ angt. In diesem Fall ist der Zeitentwicklungsoperator durch Gl. (24.13) gegeben und h¨ angt nur von der Zeitdifferenz ab. Wir k¨ onnen deshalb ohne Beschr¨ ankung der
470
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
Allgemeinheit ti = 0 setzen und bezeichnen den Endzeitpunkt mit tf = T . Aus Gl. (36.19) erhalten wir dann die Beziehung
Sp e
− i T H
∗
D (ζ , ζ) exp
= ζ(T )=±ζ(0)
i S[ζ ∗ , ζ]
.
(36.22)
Wir haben hier explizit am Integralzeichen die Randbedingungen (36.21) an die Trajektorien ζ(t) angegeben. Setzen wir in dieser Beziehung jetzt die Zeit zu imagin¨ aren Werten fort t = −iτ ,
τ=
i t
(36.23)
und setzen außerdem i T =β,
(36.24)
so erhalten wir aus Gl. (36.22) die Funktionalintegraldarstellung der großkanonischen Zustandssumme (34.27) f¨ ur μ = 0
Z(β) = Sp e
−βH
=
D (ζ ∗ , ζ) e−S[ζ
∗
,ζ]
,
(36.25)
ζ(β)=±ζ(0)
wobei die hier auftretende Wirkung durch analytische Fortsetzung der Zeit, Gl. (36.23), aus (36.20) folgt
∗
β
S[ζ , ζ] =
dτ [ζ ∗ (τ )∂τ ζ(τ ) + H(ζ ∗ , ζ)] .
0
Ferner erstreckt sich die Funktionalintegration wieder u ¨ ber periodische bzw. antiperiodische Trajektorien in der imagin¨aren Zeit ζ(β) = ±ζ(0) . S¨ amtliche oben angegebenen Beziehungen gelten auch f¨ ur Systeme mit einer beliebigen Anzahl von Einteilchenzust¨anden. Charakterisieren wir die Einteilchenzust¨ ande durch einen Index l, so haben wir dann in expliziter Form ˙ = ζ ∗ (t)ζ(t)
l
ζl∗ (t)ζ˙l (t) ,
dζ ∗ (t)dζ(t) dζl∗ (t)dζl (t) = . C C l
36.3 Pfadintegraldarstellung des erzeugenden Funktionals
471
Gleichung (36.25) liefert die großkanonische Zustandssumme nur f¨ ur ein verschwindendes chemisches Potential μ = 0. Um die Zustandssumme f¨ ur μ = 0 zu erhalten, brauchen wir lediglich den Hamilton-Operatoren H(a† , a) durch H (a† , a) = H(a† , a) − μN(a† , a)
(36.26)
zu ersetzen, wobei N(a† , a) =
a†l al
l
der Teilchenzahloperator ist. Die großkanonische Zustandssumme ist dann nach wie vor durch das Funktionalintegral (36.25) gegeben
Z(β, μ) = Sp e−β(H−μN) =
D(ζ ∗ , ζ)e−S[ζ
∗
,ζ]
,
(36.27)
ζ(β)=±ζ(0)
die Wirkung lautet jetzt jedoch
S[ζ ∗ , ζ] =
1
β dτ
2 ζl∗ (τ )(∂τ − μ)ζl (τ ) + H(ζ ∗ , ζ)
.
(36.28)
l
0
Auf der Funktionalintegraldarstellung (36.27), (36.28) der großkanonischen Zustandssumme basiert die Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen. In Abschnitt 36.5 werden wir ausgehend von dieser Darstellung eine elegante Ableitung der BCSTheorie der Supraleitung bei endlichen Temperaturen geben.
36.3
Pfadintegraldarstellung des erzeugenden Funktionals
Die oben angegebene Ableitung der Pfadintegraldarstellung (36.27) der Zustandssumme bleibt nat¨ urlich richtig, wenn wir Quellterme in den Hamilton-Operator einbeziehen, siehe Gl. (34.33). Deshalb besitzt das erzeugende Funktional (34.34) des großkanonischen Ensembles die Pfadintegraldarstellung
∗
β
Z[η , η](β, μ) ≡ Sp exp −
$ % ηl∗ (τ )al + a†l ηl (τ ) dτ H − μN − l
0
=
∗
∗
β
D(ζ , ζ) exp − S[ζ , ζ] + ζ(β)=±ζ(0)
dτ 0
[ηl∗ (τ )ζl (τ ) + ζl∗ (τ )ηl (τ )]
l
(36.29)
472
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
mit der Wirkung S[ζ ∗ , ζ] (36.28). Wie im Abschnitt 34.2.2 erl¨ autert, u ur β → ∞ ¨ berlebt f¨ (T → 0) aus der Spur nur der Grundzustand |0 (siehe Gl. (34.24)) und wir finden deshalb aus (36.29)
∗
∞
Z[η , η](β → ∞, μ) = 0|T exp − =
$ % dτ H − μN − (ηl∗ (τ )al + a†l ηl (τ )) |0
−∞
D(ζ ∗ , ζ) exp −
l
∞ dτ −∞
−
$
ζl∗ (τ )(∂τ − μ)ζl (τ ) + H(ζ ∗ , ζ)
l
% (ηl∗ (τ )ζl (τ ) + ζl∗ (τ )η(τ ) ,
(36.30)
l
wobei wir die (anti-)periodischen Randbedingungen nicht explizit angegeben haben, da sich zeigen l¨ asst, dass diese im Limes β → ∞ irrelevant werden. Setzen wir hier die euklidische Zeit τ wieder zu reellen Werten fort, siehe Gl. (36.23), und nehmen ferner μ = 0, erhalten wir schließlich die Pfadintegraldarstellung der Vakuum¨ ubergangsamplitude bei Anwesenheit ¨ außerer Quellen
i Z[η, η] := 0|T exp − =
$ % ηl∗ (t)al (t) + a†l (t)ηl (t) dt H(t) − |0 l
−∞
i
i S[ζ , ζ] + D(ζ , ζ) exp ∗
Hierbei ist ∗
∞
∞
S[ζ , ζ] =
dt −∞
1
∗
∞ dt −∞
(ηl∗ (t)ζl + ζl∗ (t)ηl (t)) . (36.31)
l
2 ζl∗ (t)i∂t ζl (t)
∗
− H(ζ , ζ)
l
die klassische“ Wirkung des Vielteilchensystems. Wie die Ableitung dieser Iden” tit¨ at zeigt, ist |0 der exakte Grundzustand des Systems. Ferner gilt Gl. (36.31) at f¨ ur zeitabh¨ angige Hamilton-Operatoren bzw. Feldoperatoren a† (t), a(t). Die Identit¨ (36.31) ist die Grundlage f¨ ur die Pfadintegralbeschreibung der Vielteilchensysteme bzw. der Quantenfeldtheorie. Durch (Variations-)Ableitung nach den Quellen η, η ∗ (die anschließend auf Null gesetzt werden) erh¨alt man die Pfadintegraldarstellung s¨ amtlicher Green’scher Funktionen i ∞ † † 0|T al1 (t1 )al2 (t2 ) . . . ak1 (t1 )ak2 (t2 ) . . . exp − dtH(a† , a)(t) |0 −∞ i ∗ ∗ ∗ ∗ S[ζ , ζ] . = D(ζ , ζ) ζl1 (t1 )ζl2 (t2 ) . . . ζk1 (t1 )ζk2 (t2 ) . . . exp Die Kenntnis der Green’schen Funktionen ist offensichtlich ausreichend, um die Erwartungswerte beliebiger Observablen zu berechnen. Zur Berechnung der Erwartungswerte
36.4 Nichtdifferenzierbare Pfade
473
von Ein- bzw. Zweiteilchenobservablen ben¨otigt man nur die Einteilchen-Green’sche Funktion $ i ∞ % † dtH(t) |0 0|T al1 (t1 )ak1 (t1 ) exp − −∞
bzw. die Zweiteilchen-Green’sche Funktion $ i ∞ % † † dtH(t) |0 . T al1 (t1 )al2 (t2 )ak1 (t1 )ak2 (t2 ) exp − −∞
In Abschnitt 36.6 werden wir aus Gl. (36.31) die Pfadintegraldarstellung des erzeugenden Funktonals der Quantenelektrodynamik gewinnen.
36.4
Nichtdifferenzierbare Pfade
Die Funktionalintegraldarstellungen (36.19), (36.22), (36.25), (36.27), (36.30) und (36.31) gelten genau wie Gl. (36.13) streng genommen nur f¨ ur glatte” Trajektorien ” ζ(t). Eine exakte Darstellung der Zustandssumme, die auch die Beitr¨ age der zackigen“ ” Trajektorien korrekt ber¨ ucksichtigt, erh¨alt man, wenn man Gl. (36.9) in Gleichung (36.18) einsetzt, Sp U(tf , ti ) =
N
dμ(ζk )ζk |ζk
k=1
5 exp
N
−ζk∗
k=1
6 i ∗ (ζk − ζk−1 ) − εH(ζk , ζk−1 ) .
Dieser Ausdruck unterscheidet sich von (36.9) nur dadurch, dass sich die Integration jetzt auch u ¨ ber ζN erstreckt und dass ζ0 = ±ζN zu setzen ist. Nach analytischer Fortsetzung (36.23), (36.24) und der Ersetzung (36.26) erhalten wir die entsprechende Darstellung f¨ ur die großkanonische Zustandssumme Z(β, μ) = Sp e−β(H−μN) = 5 exp −
N
dμ(ζk )ζk |ζk
k=1 N
[ζk∗
(ζk − ζk−1 ) +
k=1
wobei wieder ζ0 = ±ζN zu setzen ist.
6 ε (H(ζk∗ , ζk−1 )
−
μζk∗ ζk−1 )]
, (36.32)
474
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
Um den Einfluss der nichtdifferenzierbaren Pfade zu illustrieren, berechnen wir die großkanonische Zustandssumme eines Systems unabh¨ angiger Fermionen, das durch den Hamilton-Operator † l al al = hl (a†l , al ) H(a† , a) = l
l
beschrieben wird. Der Hamilton-Operator ist bereits normalgeordnet und zerf¨ allt in eine Summe von Hamilton-Operatoren, die Fermionen in einem festen Einteilchenzustand l beschreiben. Dementsprechend zerf¨allt die Zustandssumme in ein Produkt der Zustandssummen der Fermionen in einem einzelnen Einteilchenzustand l (siehe Gl. (34.40)) Z(β, μ) = Zl (β, μ) , (36.33) l
† † Zl (β, μ) = Sp e−β (hl (al ,al )−μal al ) † = Sp e−β(l −μ)al al . Es gen¨ ugt deshalb die Zustandssumme f¨ ur die Fermionen in einem einzigen Einteilchenzustand |l, d.h. f¨ ur den fermionischen Oszillator (35.21) †
Zl (β, μ) = Sp e−β(l −μ)al al
(36.34)
zu berechnen, wobei wir im Folgenden den Index l nicht explizit angeben werden. Wir berechnen die Zustandssumme (36.34) zun¨ achst u ¨ber die exakte Darstellung (36.32) die s¨ amtliche Pfade (auch die zackigen“) korrekt ber¨ ucksichtigt. Mit der expliziten ” Form des Hamilton-Operators (35.21) haben wir H (ζk∗ , ζk−1 ) = ζk∗ ζk−1 und somit 5 N 6 N ∗ ∗ ∗ Z(β, μ) = dζk dζk exp − [ζk (ζk − ζk−1 ) + ε( − μ)ζk ζk−1 ] , k=1
k=1
wobei ζ0 = −ζN . Die Integrationen u uhren ¨ ber die ζk∗ lassen sich unmittelbar ausf¨ ∗ (−1) dζk∗ e−ζk [ζk −ζk−1 +ε(−μ)ζk−1 ] = δ (ζk − ζk−1 (1 − ε( − μ))) , wobei wir die Fourier-Darstellung (35.36) der δ-Funktion von Graßmann-Variablen benutzt haben. Aufgrund der entstehenden δ-Funktionen lassen sich auch die verbleibenuhren. Die Integration u den Integrale u ¨ ber ζ1 liefert ¨ber ζk sukzessiv ausf¨ 2 dζ1 δ (ζ2 − ζ1 (1 − ε( − μ))) δ (ζ1 − ζ0 (1 − ε( − μ))) = δ ζ2 − ζ0 (1 − ε( − μ)) . Nach Ausf¨ uhren der N − 1 Integrationen u ¨ber ζ1 · · · ζN −1 erhalten wir N Z(β, μ) = dζN δ ζN − ζ0 (1 − ε( − μ))
36.4 Nichtdifferenzierbare Pfade
475
und mit ζ0 = −ζN finden wir nach Ausf¨ uhren der verbleibenden Integration unter Benutzung von (35.37) Z(β, μ) = 1 + (1 − ε( − μ))
N
.
Da ε = β/N , erhalten wir im Limes N → ∞ mit x N = e−x lim 1 − N →∞ N schließlich Z(β, μ) = 1 + e−β(−μ) .
(36.35)
Dies ist das exakte Ergebnis (34.49). Wir wollen jetzt alternativ die Zustandssumme des fermionischen Oszillators u ¨ ber den Kontinuumslimes (36.27) ∗ D (ζ ∗ , ζ) e−S[ζ ,ζ] (36.36) Z(β, μ) = ζ(β)=−ζ(0)
berechnen, wobei die Wirkung (36.28) mit H (ζ ∗ , ζ) = ζ ∗ ζ jetzt durch β
∗
S[ζ , ζ] =
dτ ζ ∗ (τ ) (∂τ + − μ) ζ(τ )
0
gegeben ist. Die Funktionalintegration erstreckt sich u angige Graßmann¨ ber zeitabh¨ Variablen ζ(τ ), die den antiperiodischen Randbedingungen ζ(β) = −ζ(0) gen¨ ugen. Wir entwickeln deshalb die ζ(τ ) nach einer vollst¨andigen Basis von antiperiodischen (differenzierbaren!) Funktionen in der euklidischen Zeit τ ζ(τ ) =
∞
ϕn (τ )ζ(n) ,
(36.37)
n=−∞
die wir in der Form 1 ϕn (τ ) = √ eiωn τ , β
(36.38)
w¨ahlen, wobei ωn =
(2n + 1)π β
(36.39)
die sogenannten (fermionischen) Matsubara-Frequenzen sind, siehe Anhang I. Diese Funktionen sind f¨ ur verschiedene n orthogonal und korrekt normiert β 0
dτ ϕ∗n (τ )ϕm (τ ) = δnm .
(36.40)
476
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
Die Funktionalintegration erstreckt sich dann u ¨ ber die Entwicklungskoeffizienten ζ(n), die ebenfalls Graßmann-Variablen sind, ∞
D(ζ ∗ , ζ) = α
dζ ∗ (n)dζ(n) .
(36.41)
n=−∞
Hierbei ist α eine Konstante, die wir weiter unten bestimmen werden. Prinzipiell kann α wie die Basisfunktionen ϕn (τ ) (36.38) von β abh¨ angen, jedoch nicht von oder μ. Mit (36.37) und unter Ausnutzung der Orthormalit¨ atsrelation (36.40) haben wir β
dτ ζ ∗ (τ ) (∂τ + − μ) ζ(τ ) =
∞
ζ ∗ (n) (iωn + − μ) ζ(n)
n=−∞
0
und erhalten aus (36.36) ∞
Zl (β, μ) = α =α
n=−∞ ∞
∗
dζn∗ dζn e−ζn (iωn +−μ)ζn
[iωn + − μ] .
n=−∞
Mit der expliziten Form (36.39) der Matsubara-Frequenzen k¨ onnen wir diesen Ausdruck umformen zu 2 ∞ 1 ∞ −μ 1+ iωn Z(β, μ) = α iωn n=−∞ n=−∞ 1∞ 2 ∞
2 ( − μ) β ωn2 =α 1+ . (2n + 1)π n=0 n=0 Unter Benutzung von2 ∞ cosh x = 1+ n=0
4x2 (2n + 1)2 π 2
finden wir 1
2
1 β ( − μ) cosh Z(β, μ) = α 2 n=0 1∞ 2 1 2 1 =α ωn e 2 β(−μ) 1 + e−β(−μ) . 2 n=0 ∞
ωn2
(36.42)
2 Siehe I. S. Gradshteyn und I. M. Ryzhik, Table of Integrals, Series, and Products, Academic Press, San Diego, 1994.
36.4 Nichtdifferenzierbare Pfade
477
Die Konstante α, die in Gleichung (36.41) eingef¨ uhrt wurde, kann wie die Basisfunkangen. Wir k¨ onnen deshalb tionen ϕn (τ ) (36.38) von β nicht aber von μ oder abh¨ α bei μ = bestimmen, wo die Zustandssumme des fermionischen Oszillators (36.34) den Wert Z(β, μ = ) = 2 besitzt, unabh¨angig von dem Wert von β. (Der fermionische Oszillator besitzt nur zwei Zust¨ande: |0 und |1, so dass Sp(1) = 2.) Aus (36.42) finden wir dann α
∞ 1 2 ω =1. 2 n=0 n
Damit erhalten wir f¨ ur die großkanonische Zustandssumme der Fermionen in einem Einteilchenzustand der Energie 1 (36.43) Z(β, μ) = e 2 β(−μ) 1 + e−β(−μ) . Dieses atzlichen Faktor ¨ berein bis auf den zus¨ Ergebnis stimmt mit Gl. (36.35) u exp 12 β ( − μ) . Das Auftreten dieses Faktors ist offenbar eine Konsequenz des Kontinuumslimes, der f¨ ur die zackigen“ (nichtdifferenzierbaren) Pfade nicht erlaubt ist. Der ” zus¨ atzliche Vorfaktor l¨asst sich jedoch in der Zustandssumme (36.33) des Gesamtsystems als Beitrag einer zus¨atzlichen Energieverschiebung aller Niveaus um den Betrag ΔE = −
1 (l − μ) 2
(36.44)
l
interpretieren. In der Tat ersetzen wir in der Zustandssumme e−βEn Z(β) = n
s¨amtliche Energien En durch (En + ΔE), so ¨andert sich die Zustandssumme ˜ Z(β) → Z(β) = e−βΔE Z(β) . Eine Verschiebung der Energie En → En + ΔE ist aber sowohl in der nichtrelativistischen Physik als auch in der relativistischen Quantenfeldtheorie (mit Ausnahme der allgemeinen Relativit¨atstheorie) irrelevant, da die Energie hier nur bis auf eine addiatzliche Faktor in (36.43), tive Konstante definiert ist.3 Damit sehen wir, dass der zus¨ zumindest f¨ ur μ = 0, v¨ollig irrelevant ist. Selbst f¨ ur μ = 0 ist der zus¨ atzliche Faktor in der Zustandssumme (36.43) gew¨ohnlich irrelevant, da man sich i.A. nicht f¨ ur die Zustandssumme Z(β, μ) selbst, sondern nur f¨ ur thermische Erwartungswerte von Observablen Sp Oe−β(H−μN ) O = Sp e−β(H−μN ) interessiert. Ein globaler Faktor der Zustandssumme k¨ urzt sich dabei weg. 3 Allerdings h¨ angt ΔE (36.44) von der Einteilchenenergie und dem chemischen Potential μ ab und l¨ asst sich somit durch externe Bedingungen manipulieren. Dies kann prinzipiell zu messbaren Konsequenzen f¨ uhren.
478
36.5
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
Bosonisierung: BCS-Theorie bei endlichen Temperaturen∗
In Kapitel 33 haben wir die BCS-Theorie der Supraleitung in der konventionellen Zweiten Quantisierung behandelt und den Grundzustand des supraleitenden Systems sowohl u ¨ber das Variationsprinzip als auch mittels einer Bogoljubov-Transformation bestimmt. Eine wesentlich elegantere Formulierung der BCS-Theorie kann im Rahmen der Funktionalintegralbeschreibung mittels der sogenannten Bosonisierung erreicht werden. Dabei wird die urspr¨ ungliche Fermi-Theorie exakt in eine Bose-Theorie transformiert. Im vorliegenden Fall sind die Bosonen die Cooper-Paare, d.h. korrelierte Elektronenpaare, die sich in einem Supraleiter aufgrund der Paarwechselwirkung bilden. Die Funktionalintegralformulierung hat dar¨ uber hinaus den Vorteil, dass ohne zus¨ atzlichen Aufwand Systeme bei endlichen Temperaturen behandelt werden k¨ onnen. Wir werden deshalb im Folgenden die Funktionalintegralformulierung der BCS-Theorie f¨ ur Systeme bei endlichen Temperaturen entwickeln. Ausgangspunkt ist die Pfadintegraldarstellung (36.27) der großkanonischen Zustandssumme eines Fermi-Systems
Z(β, μ) =
⎧ β
⎫ ⎬ ⎨ ∗ D(ζ ∗ , ζ) exp − dτ ζpσ (τ )(∂τ − μ)ζpσ (τ ) + H(ζ ∗ , ζ) , ⎭ ⎩ 0
ζ(β)=−ζ(0)
p
(36.45) wobei p den Impuls und σ ∈ {↑, ↓} die Spinprojektion der Elektronen bezeichnet. F¨ ur den Hamilton-Operator der Elektronen im Supraleiter, Gl. (33.4), haben wir die Darstellung in Graßmann-Variablen
H(ζ ∗ , ζ) =
p,σ
∗ e0p ζpσ ζpσ −
∗ ∗ V (p, p )ζp↑ ζ−p↓ ζ−p ↓ ζp ↑ .
(36.46)
p,p
Hierbei ist e0p = p2 /2m die ungest¨orte Einteilchenenergie und V (p, p ) das Matrixelement der Paarwechselwirkung. Der Wechselwirkungsterm hindert uns daran, dass wir das Funktionalintegral u uhren k¨ onnen. Um ¨ ber die Graßmann-Variablen explizit ausf¨ die Graßmann-Variablen dennoch ausintegrieren zu k¨ onnen, linearisieren wir die Wech-
∗ Dieser Abschnitt ist f¨ ur das Verst¨ andnis der u ¨brigen Kapitel nicht erforderlich und kann deshalb beim ersten Lesen u ¨ bersprungen werden.
36.5 Bosonisierung: BCS-Theorie bei endlichen Temperaturen∗
479
selwirkung mittels der Identit¨at ⎡ β ⎤ ∗ exp ⎣ dτ bp (τ )V (p, p )bp (τ )⎦ 0
p,p
= Det V −1 (p, p )
⎧ β ⎡ ⎨ D(Δ∗ , Δ) exp − dτ ⎣ Δ∗p (τ )V −1 (p, p )Δp (τ ) ⎩ p,p 0 6 ∗ ∗ + , Δp (τ )bp (τ ) + bp (τ )Δp (τ ) (36.47) p
die aus Gl. (35.64) (oberes Vorzeichen) folgt. Hierbei sind bp (τ ) beliebige komplexwertige Funktionen von τ . Das Funktionalintegrationsmaß D(Δ∗ , Δ) der komplex konjugierten Variablen Δp (τ ), Δ∗p (τ ) ist in Gln. (36.15), (36.16) definiert. Ferner bezeichnet Det V −1 (p, p ) die Funktionaldeterminante (35.65) des Integralkerns V (p, p )δ(τ, τ ), die wir jedoch im Folgenden nicht explizit ben¨otigen werden.4 W¨ ahlen wir bp (τ ) = ζ−p↓ (τ ) ζp↑ (τ ) ,
∗ ∗ b∗p (τ ) = ζp↑ (τ ) ζ−p↓ (τ ) ,
(36.48)
so erlangt der Exponent auf der linken Seite von Gl. (36.47) gerade die Form des Wechselwirkungsterms in Gln. (36.45), (36.46). Man beachte, daß ein Paar von GraßmannVariablen sich wie eine komplexe Variable verh¨ alt. Deshalb ist die Zuordnung (36.48) zul¨ assig. Die bp , b∗p sind offensichtlich die klassischen Analoga der in Gl. (33.7) eingef¨ uhrten Fermionpaaroperatoren bp , b†p . F¨ ur die Δp (τ ) k¨ onnen wir die f¨ ur Bose-Felder u ¨ blichen periodischen Randbedingungen Δp (τ + β) = Δp (τ )
(36.49)
fordern. Dies folgt aus der letzten Zeile von Gl. (36.47): Δp (τ ) koppelt an ein Paar von Graßmann-Variablen, bp = ζ−p↓ ζp↑ , die ihrerseits antiperiodischen Randbedingungen ζ(τ + β) = −ζ(τ ) gen¨ ugen. Ein Paar von Graßmann-Variablen ist somit periodisch in τ und folglich tr¨ agt im letzten Term zum Integral u ¨ ber τ nur der periodische Teil von Δp (τ ) bei. 4 Unter Benutzung der Identit¨ at Det V −1 = exp(Sp ln V −1 ) und der Tatsache, dass die Matrix V (p, p ) unabh¨ angig von der Zeit τ ist, finden wir mit
Sp ln V −1 =
β
dτ Sp ln V −1 = βSp ln V −1
0
die Beziehung
Det V −1 = (det V −1 )β , wobei det V −1 die gew¨ ohnliche Determinante der Matrix V −1 (p, p ) im Impulsraum ist.
480
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
Bemerkung: F¨ ur Gauß-Integrale liefert die Sattelpunktsn¨ aherung bekanntlich das exakte Resultat. Durch Variation des Exponenten auf der rechten Seite von Gl. (36.47) nach Δ∗p (τ ) finden wir (nach Multiplikation mit V (p, p )) die Sattelpunktsbedingung V (p, p )bp (τ ) . Δp (τ ) = p
Ersetzen wir hier bp (τ ) = ζ−p↓ ζp↑ durch den Paarerwartungswert (33.17) bp = a−p↓ ap↑ erhalten wir den in Gl. (33.25) definierten Spaltparameter Δp . Damit ist die physikalische Bedeutung der Variable Δp (τ ), zumindest ihres Sattelpunktwertes, bekannt.
Mit der Identit¨ at (36.47) und der Wahl (36.48) gelingt es, den Wechselwirkungsterm aus dem Pfadintegral (36.45), (36.46) f¨ ur die großkanonische Zustandssumme auf Kosten eines zus¨ atzlichen Funktionalintegrals u ¨ ber die Bose-Variablen Δp (τ ) zu eliminieren. Wir erhalten nach Einsetzen von (36.47) in (36.45)5 Z(β, μ) =
⎡ D(Δ∗ , Δ) exp ⎣−
β dτ 0
⎤ Δ∗p (τ )V −1 (p, p )Δp (τ )⎦ Zsp (β, μ) ,
(36.50)
p,p
wobei Zsp (β, μ) =
⎧ β
⎨ ∗ D(ζ ∗ , ζ) exp − dτ ζpσ (τ ) ∂τ + e0p − μ ζpσ (τ ) ⎩ p σ 0 6 ∗ ∗ ∗ − Δp (τ )ζ−p↓ (τ )ζp↑ (τ ) + ζp↑ (τ )ζ−p↓ (τ )Δp (τ ) (36.51) p
die Zustandssumme eines Systems unabh¨angiger (nichtwechselwirkender) Teilchen ist, die sich in einem ¨außeren Feld“ Δp (τ ), Δ∗p (τ ) befinden, das auf Paare von Fermionen ” wirkt. Das fermionische Funktionalintegral Gl. (36.51) ist vom Gauß-Typ und l¨ asst sich folglich explizit nehmen. Dazu f¨ uhren wir die folgende Spinor-Darstellung 1 2 ζ p↑ ∗ ψp = , ζ−p↓ , (36.52) ψp† = ζp↑ ∗ ζ−p↓ ein. Die ψp , ψp† sind das Graßmann-Variablen-Pendant zu den in Gl. (33.48) definierten
irrelevanten (Δp -unabh¨ angigen) Faktor Det V −1 (p, p ) absorbieren wir von nun an im funk∗ tionalen Integrationsmaß D(Δ , Δ). 5 Den
36.5 Bosonisierung: BCS-Theorie bei endlichen Temperaturen∗ Spinor-Fermi-Operatoren. Ferner definieren wir die funktionale Matrix 1 2 ∂τ + ep −Δp (τ ) −1 Gp (τ, τ ) = δ− (τ, τ ) . −Δ∗p (τ ) ∂τ − ep
481
(36.53)
Hierbei haben wir ep = e0p − μ gesetzt und δ± (τ, τ ) ≡ δ± (τ − τ ) bezeichnet die (anti-)periodische δ-Funktion, die den Randbedingungen δ± (τ + β) = ±δ± (τ )
(36.54)
gen¨ ugt. Sie besitzt die Fourier-Darstellung δ± (τ ) =
∞ 1 iωn± τ e , β n=−∞
(36.55)
wobei ωn+ =
2nπ , β
ωn− =
(2n + 1)π β
die bosonischen bzw. die (bereits in Gl. (36.39) eingef¨ uhrten) fermionischen MatsubaraFrequenzen sind. Im Limes β → ∞, d.h. f¨ ur verschwindende Temperatur T = 0, geht die (anti-)periodische δ-Funktion (36.55) in die gew¨ ohnliche δ-Funktion dω iωτ e δ(τ ) = 2π u ¨ ber. Mit dem in Gl. (33.52) definierten Einteilchen-Hamilton-Operator 1 2 −Δp (τ ) ep hp (τ ) = −Δ∗p (τ ) −ep lautet die Matrix (36.53) G−1 p (τ, τ ) = (∂τ + hp (τ )) δ− (τ, τ ) .
Ihr Inverses ist damit die (zu imagin¨aren Zeiten τ (36.23) fortgesetzte) Green’sche Funktion der Elektronen im Paar-Feld Δp (τ ). In der Notation (36.52), (36.53) nimmt die fermionische Zustandssumme (36.51) die kompakte Gestalt ⎤ ⎡ β β ⎦ ψp† (τ )G−1 Zsp (β, μ) = D(ψ † , ψ) exp ⎣− dτ dτ (36.56) p (τ, τ )ψp (τ ) 0
0
p
482
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
an, wobei die Integration sich jetzt u ¨ ber die Spinorvariablen ψp , ψp† erstreckt. Diese erf¨ ullen wie die urspr¨ unglichen Graßmann-Variablen antisymmetrische Randbedingungen ψp (β) = −ψp (0) ,
ψp† (β) = −ψp† (0) .
Man u unglichen Integrationsvaria¨ berzeugt sich leicht, dass der Wechsel von den urspr¨ ∗ blen ζpσ , ζpσ zu den Spinorvariablen ψp , ψp† (36.52) eine triviale Jacobi-Determinante besitzt. Ausf¨ uhren der Integrationen in Gl. (36.56) liefert, unter Benutzung von Gl. (35.64)
−1 −1 Det Gp = exp Sp ln Gp . Zsp (β, μ) = p
p
Hierbei ist sowohl die Determinante als auch die Spur im funktionalen Sinne zu verstehen. Letztere beinhaltet neben der Summation u ¨ ber die diskreten Indizes auch eine Integration u ¨ ber die (imagin¨are) Zeit τ . Einsetzen dieses Ergebnisses in Gl. (36.50) liefert die großkanonische Zustandssumme einer effektiven Theorie in den Bose-Variablen Δp (τ ), Δ∗p (τ ) Z(β, μ) =
D(Δ∗ , Δ)e−S[Δ]
mit der Wirkung β dτ
S[Δ] =
Δ∗p (τ )V −1 (p, p )Δp (τ ) −
p,p
0
p
Sp
ln G−1 . p
(36.57)
Diese Theorie ist a¨quivalent zur urspr¨ unglichen Theorie des wechselwirkenden FermiSystems. Der Vorteil der effektiven Bose-Theorie ist jedoch, dass sich semiklassische Betrachtungen einfacher durchf¨ uhren lassen. F¨ ur Systeme, die aus einer großen Zahl von Teilchen bestehen, k¨onnen wir erwarten, dass die Wirkung S[Δ] (36.57) groß gegen¨ uber ist und wir folglich die Integrale u ¨ ber die Bose-Felder Δp (τ ), Δ∗p (τ ) in der 6 Sattelpunktsn¨ aherung berechnen k¨onnen. Variation der Wirkung (36.57) nach Δ∗p (τ ) liefert die Extremalbedingung Δp (τ ) =
p
V (p, p )
δ δΔ∗p (τ )
Sp
ln G−1 . p
(36.58)
(Variation nach Δp (τ ) liefert das komplex konjugierte dieser Gleichung.) Mit der Ket6 Der aufmerksame Leser mag fragen, wieso sich die semiklassische N¨ aherung nicht in der urspr¨ unglichen Fermi-Theorie (36.46) durchf¨ uhren l¨ asst. Die Antwort ist einfach: Die Graßmann-Felder besitzen kein klassisches Analogon. (Man kann ihnen keinen numerischen Wert zuordnen.) Demgegen¨ uber werden die fluktuierenden Bose-Felder am station¨ aren Punkt zu gew¨ ohnlichen klassischen Feldfunktionen, die an jedem Ort einen konkreten (numerischen) Wert besitzen.
36.5 Bosonisierung: BCS-Theorie bei endlichen Temperaturen∗
483
tenregel finden wir δ δΔ∗p (τ )
1
Sp
ln G−1 p
δG−1 p Gp ∗ δΔp (τ )
= δpp Sp β ≡ δpp
dτ
0
β 0
2
1
δG−1 p (τ , τ ) dτ Sp Gp (τ , τ ) δΔ∗p (τ )
2 ,
(36.59)
wobei Gp (τ, τ ) die u ¨ber β
dτ G−1 p (τ, τ )Gp (τ , τ ) = δ− (τ, τ )
0 angigen Fermionen durch G−1 p (τ, τ ) (36.53) definierte Green’sche Funktion der unabh¨ im Paarfeld Δp (τ ) ist. Aus ihrer Definition folgt mit (36.49) und (36.54), dass Gp (τ, τ ) ebenfalls antiperiodischen Randbedingungen gen¨ ugt
Gp (τ + β, τ ) = −Gp (τ, τ ) . Mit der expliziten Form von G−1 p (τ, τ ) finden wir δG−1 p (τ , τ ) =− δΔ∗p (τ )
0 0 δ+ (τ, τ ) 0
δ− (τ , τ ) ,
(36.60)
wobei wir δΔ∗p (τ ) = δpp δ+ (τ, τ ) δΔ∗p (τ ) benutzt haben. Da die Δp (τ ) periodisch sind (siehe (36.49)), entsteht bei der Variation die periodische δ-Funktion δ+ (τ, τ ). Einsetzen von (36.60) in Gl. (36.59) liefert δ Sp ln G−1 0 0 p = −Sp G (τ, τ ) . (36.61) p 1 0 δΔ∗p (τ ) Hierbei haben wir die Beziehungen β
dτ Gp (τ, τ )δ− (τ , τ ) = Gp (τ, τ ) ,
(36.62)
dτ δ+ (τ, τ )δ− (τ , τ ) = δ− (τ, τ )
(36.63)
0
und β 0
484
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
benutzt. Gleichung (36.62) gilt nach (I.3), da Gp (τ, τ ) antiperiodischen Randbedingungen gen¨ ugt. Die Beziehung (36.63) wird ebenfalls in Anhang I bewiesen. Mit (36.61) erhalten wir f¨ ur die Sattelpunktsbedingung (36.58) 00 Δp (τ ) = − V (p, p )Sp (36.64) Gp (τ, τ ) . 10 p
onnen wir erwarten, dass diese Da die Wechselwirkung V (p, p ) zeitunabh¨angig ist, k¨ asst sich Gleichung auch zeitunabh¨angige L¨osungen besitzt. F¨ ur zeitunabh¨ angige Δp l¨ die Green’sche Funktion Gp sehr einfach durch Invertieren der Matrix G−1 (36.53) p bestimmen. Unter Benutzung der Fourier-Darstellung der δ-Funktion (36.55) haben wir 1 iωn− (τ −τ ) −1 G−1 e Gp (ωn ) p (τ, τ ) = β n mit
1 G−1 p (ω)
=
iω + ep −Δp −Δ∗p iω − ep
2 = iω + hp .
Invertieren dieser Matrix liefert 1 2 iω − ep Δp 1 1 (iω − hp ) , = Gp (ω) = 2 − ε2 ∗ (iω)2 − ε2p (iω) Δp iω + ep p wobei εp =
8 e2p + |Δp |2
der positive Eigenwert von hp ist. Damit ist die Green’sche Funktion Gp (τ, τ ) =
1 iωn− (τ −τ ) e Gp (ωn− ) β n
bekannt. Hieraus finden wir f¨ ur den relevanten Ausdruck in Gl. (36.64) Sp lim
τ →τ
0 0 1 0
− Δp eiωn δ Gp (τ, τ ) = . lim β δ→0 n (iωn− )2 − ε2p
(36.65)
Hierbei haben wir zun¨achst eine endliche Zeitdifferenz δ = τ − τ behalten. Die verbleibende Summe ist zwar absolut konvergent (auch im Limes δ → 0), allerdings empfiehlt es sich zu ihrer Berechnung, eine Partialbruchzerlegung durchzuf¨ uhren, die nur f¨ ur δ > 0 konvergiert. − − ∞ 1 1 eiωn δ 1 eiωn δ 1 = lim − . (36.66) lim δ→0 β (iωn− )2 − ε2p δ→0 β n 2εp iωn− − εp iωn− + εp n=−∞
36.6 Funktionalintegraldarstellung der Eichtheorien
485
Die beiden Summen w¨aren ohne den Faktor exp(iωn− δ) logarithmisch divergent. Deshalb m¨ ussen wir diesen Faktor zun¨achst beibehalten und d¨ urfen den Limes δ → 0 erst nach Ausf¨ uhren der Summation nehmen. Wir betonen jedoch, dass die Differenz der beiden Summen selbst f¨ ur δ = 0 absolut konvergent ist. Die verbleibenden Summen lassen sich sehr leicht mit Hilfe der Residuentheorie auswerten, siehe Anhang I. Dies liefert − ∞ 1 eiωn δ 1 . = ±βεp lim − δ→0 β e +1 iω ∓ ε n p n=−∞
F¨ ur das obere Vorzeichen ist der erhaltene Ausdruck gerade die Fermi-Verteilungsfunktion (34.50). Mit diesem Ergebnis erhalten wir f¨ ur die Summe in Gl. (36.66) ∞ 1 1 1 1 1 − = β n=−∞ (iωn− )2 − ε2p 2εp eβεp + 1 e−βεp + 1 =−
1 tanh(βεp /2) sinh(βεp ) · =− . 1 + cosh(βεp ) 2εp 2εp
Einsetzen dieses Ergebnisses in Gl. (36.65) liefert Δp βεp 0 0 . tanh Sp Gp (τ, τ ) = − 1 0 2εp 2 Damit erhalten wir f¨ ur die Sattelpunktsbedingung (36.64) die sogenannte GapGleichung bei endlichen Temperaturen Δp =
1 Δp βεp . V (p, p ) tanh 2 ε p 2
(36.67)
p
F¨ ur die Temperatur T = 0 (d.h. im Limes β → ∞) reduziert sich diese Gleichung auf die fr¨ uher aus dem Variationsprinzip gefundene Gap-Gleichung (33.36). Endliche Temperaturen T > 0 bewirken effektiv eine Abschw¨ achung der Wechselwirkung. F¨ ur hohe Temperaturen β → 0 existiert offenbar nur die triviale L¨ osung Δp = 0. Hieraus k¨ onnen wir bereits schließen, dass es eine kritische Temperatur gibt, oberhalb derer die Supraleitung verschwindet. Die L¨osung der Gleichung (36.67) wurde bereits in Abschnitt 33.5 besprochen.
36.6
Funktionalintegraldarstellung der Eichtheorien
Wir haben bereits einleitend in diesem Kapitel darauf hingewiesen, dass aus konzeptioneller Sicht ein Quantenfeld ein System unendlich vieler identischer Teilchen repr¨ asentiert. Deshalb l¨ asst sich die oben abgeleitete Funktionalintegralquantisierung von Vielteilchensystemen auch unmittelbar auf die Quantenfeldtheorie anwenden. Wir wollen
486
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
dies exemplarisch f¨ ur die Dirac-Fermionen bzw. f¨ ur die Quantenelektrodynamik (QED) tun. F¨ ur ein Fermion mit Spin 1/2 ist der Einteilchen-Hamilton-Operator durch den DiracHamilton-Operator (30.36) h(x) = cαp + βmc2 gegeben. Dementsprechend lautet der Hamilton-Operator eines Systems von Fermionen mit Spin 1/2 in der Zweiten Quantisierung7 † ˆ ˆ ˆ , H(ψ , ψ) = d3 x ψˆ† (x)h(x)ψ(x) (36.68) ˆ wobei die Feldoperatoren ψ(x), ψˆ† (x) jetzt Dirac-Spinoren sind ⎞ ⎛ ˆ ψ1 (x) ⎜ ψˆ2 (x) ⎟ ˆ ⎟ ψ(x) =⎜ ⎝ ψˆ3 (x) ⎠ , ψˆ4 (x) deren Komponenten zu einer festen Zeit t die u ¨ blichen Antivertauschungsrelationen (32.80) {ψˆr (t, x), ψˆs (t, y)} = 0 ,
{ψˆr† (t, x), ψˆs† (t, y)} = 0 ,
{ψr (t, x), ψs† (t, y)} = δrs δ 3 (x, y) erf¨ ullen. Mit dem Hamilton-Operator (36.68) erhalten wir aus (36.30) die Funktionalintegraldarstellung der Vakuum¨ ubergangsamplitude bzw. des erzeugenden Funktionals i Z[η, η] = Dψ † Dψ exp dt d3 x ψ † (x)[i∂t − h(x)]ψ(x) (36.69) + ψ † (x)η(x) + η † (x)ψ(x) , wobei die ψ(x) jetzt Dirac-Spinoren sind, deren Komponenten Graßmann-Felder sind. Benutzen wir die u ¨ bliche kovariante Notation aus Kapitel 30 mit γ0 = β ,
γ = βα
und definieren auch f¨ ur die Graßmann-Felder ¯ ψ(x) = ψ † (x)γ 0 ,
η¯(x) = η † (x)γ 0 ,
so lautet das Funktionalintegral (36.69) i ¯ ¯ ψ] + i ¯ Sf [ψ, d4 x[¯ Z[¯ η, η] = DψDψ exp η (x)ψ(x) + ψ(x)η(x)] ,
(36.70)
7 Zur Unterscheidung von den sp¨ ater auftretenden Graßmann-Feldern haben wir die Feldoperatoren ˆ ψˆ† hier mit einem ˆ “ gekennzeichnet. ψ, ”
36.6 Funktionalintegraldarstellung der Eichtheorien wobei
¯ ψ] = Sf [ψ,
¯ (i∂/ − mc) ψ(x) d4 x ψ(x)
487
(36.71)
¯ ψ] nach dem Fermi-Feld die klassische“ fermionische Wirkung ist. Variation von Sf [ψ, ¯ ” liefert die Dirac-Gleichung ψ(x) i∂/ ψ = mcψ . Man beachte: Die Dirac-Gleichung erscheint in der Quantenfeldtheorie als klassische Bewegungsgleichung des Fermi-Feldes, w¨ahrend sie in der Quantenmechanik (siehe Kap. 30) als relativistische Verallgemeinerung der Schr¨ odinger-Gleichung betrachtet wird. Wie wir im Abschnitt 30.8 gesehen haben, erfolgt die Kopplung von Fermionen mit elektrischer Ladung q an das elektromagnetische Feld durch Ersetzen des Ableitungsoperators ∂μ durch die kovariante Ableitung (30.57) Dμ = ∂μ + iqAμ /c , wobei Aμ (x) das Eichpotential des elektromagnetischen Feldes ist. Nach dieser Ersetzung erhalten wir aus (36.71) die fermionische Wirkung ¯ ψ] = Sf [ψ,
¯ (iD d4 x ψ(x) / − mc) ψ(x)
(36.72)
In der Quantenfeldtheorie wird das Eichpotential Aμ (x) ebenfalls zum fluktuierenden Quantenfeld. Addieren wir zum Exponenten von Gl. (36.70) die klassische Wirkung des elektromagnetischen Feldes Sem [A] (30.19), integrieren auch u ¨ ber das Eichfeld Aμ (x) und f¨ uhren f¨ ur dieses auch eine Quelle jμ (x) ein, so erhalten wir das erzeugende Funktional der Quantenelektrodynamik8 Z[¯ η , η, j] =
i ¯ ¯ ψ, A] SQED [ψ, DAμ (x) Dψ(x)Dψ(x) exp " # i ¯ + , d4 x jμ (x)Aμ (x) + η¯(x)ψ(x) + ψ(x)η(x)
(36.73)
wobei ¯ ψ, A] = Sf [ψ, ¯ ψ] + Sem [A] SQED [ψ, ¯ / − mc)ψ(x) − = d4 x[ψ(x)(iD
μν 1 (x)] 4c Fμν (x)F
8 F¨ ur das elektromagnetische Feld Aμ (x), das als Vektorfeld den Spin 1 besitzt und folglich ein Bose-Feld ist, l¨ asst sich das Funktionalintegral ebenfalls aus Gl. (36.30) ableiten, ¨ ahnlich wie wir das oben explizit f¨ ur die Fermionen mit Spin 1/2 getan haben. Da diese Ableitung keine wesentlich neuen Elemente enth¨ alt, geben wir sie nicht explizit an.
488
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
¨ die klassische Wirkung der QED ist. Uber die kovariante Ableitung Dμ (30.51) enth¨ alt Sf (36.72) auch die Kopplung des Elektronenfeldes ψ(x) an das Eichfeld (Photonfeld) Aμ (x) Sint
q =− c
q ¯ / (x)ψ(x) = − d x ψ(x)A c 4
μ ¯ ψ(x)Aμ (x) , d4 x ψ(x)γ
(36.74)
die Feynman-diagrammatisch in Abb. 36.1 (a) dargestellt ist. Man beachte, dass die Ladung q hier als Kopplungsst¨arke auftritt. Dieser Term hat genau die Form der Wiraußeren) Strom j μ (x) kung (30.20), welche die Kopplung des Eichfeldes Aμ (x) an den (¨ beschreibt, wenn wir μ ¯ ψ(x) j μ (x) = qcψ(x)γ
als den elektrischen Strom des Elektronenfeldes interpretieren. Die Wirkung des Eichfeldes Sem [A] (30.18) ist bekanntlich invariant unter den Eichtransformationen (30.15) Aμ (x) → Aμ (x) + ∂ μ Λ(x) . ¯ ψ] Unter diesen Transformationen bleibt auch der fermionische Teil der Wirkung Sf [ψ, (36.72) invariant, vorausgesetzt, das Fermi-Feld wird ebenfalls der Eichtransformation q ψ(x) → exp −i Λ(x) ψ(x) c q ¯ ¯ ψ(x) → ψ(x) exp i Λ(x) c unterworfen. Aufgrund dieser lokalen Symmetrie ist das Funktionalintegral (36.73) streng genommen erst nach Eichfixierung mathematisch wohl definiert. Man beachte auch, dass sich der Feldst¨arketensor Fμν (30.13) mittels der kovarianten Ableitung (36.74) in der Form Fμν = −i
c [Dμ , Dν ] q
(36.75)
schreiben l¨ asst. Durch Ableitung von Z[¯ η , η, j] (36.73) nach den Quellen η¯, η, j lassen sich s¨ amtliche Green’schen Funktionen bzw. Vakuumerwartungswerte der QED erzeugen, ¯ 1 ) . . . ψ(x2 ) . . . Aμ (x3 ) ψ(x ¯ ¯ 1 ) . . . ψ(x2 ) . . . Aμ (x3 ) exp iSQED [ψ, ¯ ψ, A] . ψ(x = DAμ (x) Dψ(x)Dψ(x) Das Funktionalintegral (36.73) beschreibt s¨amtliche elektromagnetischen Prozesse bzw. Ph¨ anomene in der Quantenwelt. Da die Kopplungskonstante, mit welcher die Elektronen (q = −e) an das Eichfeld koppeln, also die Feinstrukturkonstante (30.104) α=
1 e , 4πc 137
36.6 Funktionalintegraldarstellung der Eichtheorien
(a)
489
(b)
Abb. 36.1: Feynman-diagrammatische Darstellung der Elektron-Photon-Kopplung. (a) Kopplungsterm in der Dirac-Gleichung, (b) f¨ uhrende Korrektur in der QED. Eine durchgezogene Linie mit Pfeil repr¨ asentiert ein Elektron, eine Wellenlinie ein Photon.
sehr klein ist, l¨ asst sich das Funktionalintegral (36.73) st¨ orungstheoretisch, d.h. durch Entwicklung nach Potenzen von α, berechnen. Diese Rechnungen wurden teilweise bis ¨ uhrt. Dabei wurde eine exzellente Ubereinstimmung mit dem zur Ordnung α4 durchgef¨ Experiment erhalten. Als Beispiel geben wir das magnetische Moment des Elektrons an: In Abschnitt 30.9 haben wir gesehen, dass die Dirac-Gleichung f¨ ur einen Spin s = 1/2 mit Ladung q das magnetische Moment (30.81) μs = g s
q s 2mc
mit einem Land´e-Faktor gs = 2 liefert. Zu diesem Wert gibt es im Rahmen der QED orungsaufgrund der Quantenfluktuationen des Eichfeldes Aμ (x) Korrekturen, die sich st¨ theoretisch berechnen lassen. Die Korrektur f¨ uhrender Ordnung ist durch das in Abb. 36.1 (b) gezeigte Feynman-Diagramm gegeben und betr¨ agt α/π, so dass in dieser Ordnung gs = 2 +
α + O(α2 ) . π
F¨ uhrt man die Berechnung von gs bis zur Ordnung α3 durch, erh¨ alt man mit α−1 = 137, 0359979 folgendes Ergebnis α 2 α 3 1α g−2 = − 0,328478966 + 1,181241456 = 1159652201,2 · 10−12 , 2 2π π π w¨ahrend der experimentelle Wert g−2 = 1159652188,4 · 10−12 2 ¨ betr¨ agt. Die Ubereinstimmung von Theorie und Experiment ist beeindruckend. Solche pr¨azisen Vorhersagen, wie sie die QED liefert, wurden bisher in keiner anderen Theorie erreicht. Die QED ist die einfachste realistische Eichtheorie. Sie ist Bestandteil des Standardmodells der Elementarteilchen. Die u ¨brigen Eichtheorien des Standardmodells sind analog
490
36 Pfadintegralbeschreibung von Vielteilchensystemen
zu Gl. (36.73) definiert. Allerdings tr¨agt das Fermi-Feld ψ(x) dann einen weiteren Index, der die Quantenzahlen der schwachen bzw. starken Wechselwirkung (schwacher Isospin bzw. Farbe) unterscheidet, siehe Abschnitt 28.9. Dementsprechend ist das Eichfeld Aμ (x) dann durch eine hermitesche (Isospin- bzw. Farb-)Matrix gegeben. Da die Matrizen Aμ (x) zu verschiedenen μ i.A. nicht kommutieren, enth¨ alt der Feldst¨ arketensor (36.75) Fμν = ∂μ Aν − ∂ν Aμ + i
q [Aμ , Aν ] c
jetzt auch Terme quadratisch im Eichfeld. In der Wirkung des Eichfeldes (vgl. (30.18)) 1 d4 x Sp(Fμν F μν ) Sg = − 4c treten jetzt neben den u ¨ blichen quadratischen Termen (die bereits in der QED vorhanden sind) auch Terme dritter und vierter Ordnung im Eichfeld auf ∼ q d4 x Sp (∂μ Aν [Aμ , Aν ]) , ∼ q 2 d4 x Sp ([Aμ , Aν ][Aμ , Aν ]) , die eine Selbstwechselwirkung des Eichfeldes repr¨ asentieren, wobei q die Bedeutung der Kopplungsst¨ arke besitzt. Diese Selbstwechselwirkung f¨ uhrt zu qualitativ neuen Ph¨ anomenen wie der asymptotischen Freiheit und des Farbeinschlusses, die im Abschnitt 28.8 besprochen wurden. Bemerkung: In der Quantenfeldtheorie geht man gew¨ ohnlich nicht von der kanonischen, sondern von der Funktionalintegralquantisierung (36.73) aus, die heutzutage die Standardmethode der Feldquantisierung ist. Gem¨ aß dem Prinzip der interferierenden Alternativen schreibt man in Analogie zur Quantenmechanik ¨ unmittelbar das Funktionalintegral f¨ ur die Ubergangsamplitude bzw. f¨ ur das erzeugende Funktional auf.
¨ Der aufmerksame Leser mag sich fragen, wieso in der Quantenfeldtheorie der Ubergang zu kontinuierlichen Trajektorien (Feldkonfigurationen) stillschweigend vorgenommen wird, ohne auf die Rolle der nichtdifferenzierbaren ( zackigen“) Feldkonfigurationen ” einzugehen, die bei der Ableitung der Funktionalintegraldarstellung zun¨ achst vorhanden sind. Die Antwort ist einfach: Die Funktionalintegrale der Quantenfeldtheorie werden entweder numerisch oder in der semiklassischen N¨ aherung oder in der St¨ orungstheorie berechnet. Bei der numerischen Berechnung werden Raum und Zeit diskretisiert und somit s¨ amtliche nichtdifferenzierbaren Feldkonfigurationen vollst¨ andig ber¨ ucksichtigt. In der semiklassischen N¨aherung tragen nur die Feldkonfigurationen in der Umgebung der
36.6 Funktionalintegraldarstellung der Eichtheorien
491
klassischen Feldkonfigurationen bei, die die Wirkung minimieren und s¨ amtlich glatt, d.h. differenzierbar sind. Die St¨orungstheorie reduziert sich auf die Berechnung von GaußIntegralen. Im Fall der Fermionen haben wir in Abschnitt 36.3 explizit gezeigt, dass f¨ ur diese die nichtdifferenzierbaren Trajektorien nur eine irrelevante Konstante liefern. Der Autor w¨ urde sich freuen, wenn das vorliegende Buch beim Leser das Interesse an der Theoretischen Physik im Allgemeinen und an der Quantenfeldtheorie im Besonderen geweckt hat. Auf jeden Fall sollte der Leser, der das Buch bis hierher durchgearbeitet hat, u ugen, um direkt in die Quantenfeldtheorie ¨ ber die erforderlichen Grundkenntnisse verf¨ einzusteigen.
E
Grundzu¨ge der Gruppentheorie
E.1
Grundlagen
Im Folgenden soll ein kurzer Abriss der Gruppentheorie gegeben werden. Wir werden uns dabei vor allem auf solche Gruppen beschr¨anken, die f¨ ur die Quantentheorie relevant sind. Gruppenaxiome: Eine nichtleere Menge von Elementen {gi } bildet eine Gruppe G, wenn sie die folgenden Eigenschaften besitzt: 1) Die Menge ist abgeschlossen unter Multiplikation1 , d.h. falls gi und gj Elemente der Gruppe sind, so ist auch ihr Produkt gi gj Element der Gruppe: gi , gj ∈ G
⇒
gi gj ∈ G .
2) Die Gruppenmultiplikation erf¨ ullt das Assoziativgesetz gi (gj gk ) = (gi gj )gk . 3) Es existiert ein neutrales Element (auch als Einselement bezeichnet) e = 1, so dass f¨ ur jedes gi ∈ G gilt: egi = gi e = gi . 4) Zu jedem Element gi ∈ G existiert ein Inverses gi−1 ∈ G, so dass gilt: gi gi−1 = gi−1 gi = e = 1 .
Wenn s¨ amtliche Gruppenelemente miteinander kommutieren, g1 g2 = g2 g1 ,
∀ g1 , g2 ∈ G ,
1 Allgemeiner definiert man eine Gruppe durch eine Verkn¨ upfung der Gestalt ◦ : G × G → G. Wir werden uns aber hier auf die multiplikative Verkn¨ upfung beschr¨ anken und das Verkn¨ upfungssymbol ◦“ weglassen. ”
494
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
so sprechen wir von einer abelschen Gruppe; anderenfalls nennt man die Gruppe nichtabelsch. Wir unterscheiden diskrete Gruppen, die eine abz¨ ahlbare Anzahl von Elementen besitzen und kontinuierliche Gruppen, die eine nichtabz¨ ahlbare Anzahl von Elementen enthalten. Eine (diskrete) Gruppe heißt endlich, falls die Anzahl ihrer Elemente endlich ist. Die Anzahl der Gruppenelemente wird dann als Ordnung der Gruppe bezeichnet. Beispiel f¨ ur eine endliche Gruppe ist die Gruppe der Permutationen von N Elementen, die als ur kontinuierliche Gruppen sind die Drehgruppe und SN bezeichnet wird. Beispiele f¨ die Lorentz-Gruppe bzw. die Poincar´e-Gruppe, die wir sp¨ ater kennenlernen werden. Im Folgenden geben wir einige Beispiele f¨ ur Gruppen an. 1) Die Gruppe SN der Permutationen von N Elementen
1 2 ... N p1 p2 . . . pN
,
wobei die pi jeweils eine der Zahlen von 1 bis N sind, dabei jedoch kein pi dem anderen gleicht. Diese Gruppe besitzt N ! Elemente. 2) Die Gruppe der orthogonalen Matrizen O(N). Man u ¨ berzeugt sich leicht, dass die orthogonalen Matrizen in N Dimensionen eine Gruppe bilden. In der Tat, falls A, B orthogonale Matrizen sind, so gilt: AT = A−1 ,
B T = B −1
und damit f¨ ur das Produkt: (AB)T = B T AT = B −1 A−1 = (AB)−1 . Damit sind die orthogonalen Matrizen abgeschlossen unter Multiplikation. Offensichtlich besitzen die orthogonalen Matrizen ein Inverses. Ferner ist das Einselement durch die N-dimensionale Einheitsmatrix gegeben. Damit erf¨ ullen die orthogonalen Matrizen s¨amtliche Gruppenaxiome. Aus der definierenden Gleichung f¨ ur orthogonale Matrizen folgt, dass diese die Determinante +1 oder −1 besitzen. 3) Die Gruppe der speziellen orthogonalen Matrizen SO(N ). Dies sind orthogonale Matrizen mit Determinante +1. Wegen det(AB) = det(A) det(B) sind auch diese Matrizen abgeschlossen unter Matrixmultiplikation und bilden eine Gruppe. Die Gruppen O(N ) bzw. SO(N ) sind die Symmetriegruppen des N dimensionalen euklidischen Raumes N und beschreiben Drehungen der Vektoren in diesem Raum (siehe Abschnitt E.4).
Ê
E.1 Grundlagen
495
Falls N eine Untermenge von G ist (N ⊆ G) und ferner f¨ ur alle h ∈ N und f¨ ur alle g ∈ G gilt: ghg −1 ∈ N , so bezeichnet man als N als invariante Untergruppe oder Normalteiler von G. In abelschen Gruppen ist offenbar jede Untergruppe ein Normalteiler. Außerdem besitzt jede Gruppe offensichtlich sich selbst sowie die nur aus dem neutralen Element bestehende triviale Untergruppe als Normalteiler. Gruppen, die außer sich selbst und der trivialen Untergruppe keine Normalteiler besitzen, heißen einfach. Ist N eine invariante Untergruppe von G, so bezeichnet man die Menge der Elemente gN = {gh : h ∈ N } f¨ ur festes g ∈ G als Nebenklasse von G bez¨ uglich N . Die Menge der Nebenklassen von G G/N = {gN : g ∈ G} (sprich: G modulo N ) bildet eine Gruppe, die als Faktorgruppe bezeichnet wird.
Darstellungen einer Gruppe Sei G eine Gruppe und V ein Vektorraum. Eine Abbildung D, die jedem g ∈ G einen bijektiven linearen Operator D(g) u ¨ ber V (d.h. eine invertierbare lineare Abbildung D(g) : G → V ) zuordnet, heißt Darstellung der Gruppe G, falls f¨ ur alle g1 , g2 ∈ G gilt: D(g1 )D(g2 ) = D(g1 g2 ) . Von besonderem Interesse sind die Matrixdarstellungen, f¨ ur welche V = die D(g) invertierbare (n × n)-Matrizen sind. Eine Darstellung D heißt reduzibel, ⎛ D1 (g) 0 ⎜ 0 D2 (g) ⎜ D(g) = ⎜ . ⎝ .. 0
0
Ên und
falls sie sich auf Block-Diagonalform ⎞ ... 0 0 ⎟ ⎟ ∀g ∈ G .. ⎟ , .. . . ⎠ . . . Dk (g)
bringen l¨ asst, wobei die Di Darstellungen niederer Dimension sind; andernfalls heißt die Darstellung irreduzibel. Die triviale Darstellung einer Gruppe ordnet jedem Gruppenelement die 1 zu. Sie ist offensichtlich irreduzibel und besitzt die Dimension 0. Die nichttriviale irreduzible Darstellung niedrigster Dimension wird als fundamentale Darstellung bezeichnet.
496
E.2
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
Kontinuierliche Gruppen
Bei den kontinuierlichen Gruppen h¨angen die Gruppenelemente g(α) von kontinuierlich ver¨ anderlichen Parametern α1 , α2 , . . . , αn ab, die wir zu einem Vektor ⎛ ⎞ α1 ⎜ α2 ⎟ ⎜ ⎟ α=⎜ . ⎟ ⎝ .. ⎠ αn im
Ên zusammenfassen. F¨ur die Gruppenmultiplikation gilt hier: g(α)g(β) = g(γ) ,
(E.1)
wobei γ = γ(α, β) eine differenzierbare Abbildung der Parameter α und β ist. Im Folgenden wollen wir uns auf die sogenannten Lie-Gruppen beschr¨ anken. Dies sind spezielle kontinuierliche Gruppen, deren Elemente sich auf einige wenige Erzeuger Gk , k = 1, . . . , r zur¨ uckf¨ uhren lassen. Diese Erzeuger sind i.A. keine Gruppenelemente, sondern bilden eine sogenannte Lie-Algebra, die durch die Kommutationsbeziehungen [Gk , Gl ] = ifklm Gm
(E.2)
definiert ist. Hierbei sind die fklm i.A. komplexe Zahlen, die als Strukturkonstanten der Algebra, bzw. der Gruppe bezeichnet werden. Die gesamte (lokale) Struktur der Gruppe bzw. der Algebra ist in den Strukturkonstanten enthalten. (Dennoch sind die Strukturkonstanten nicht eindeutig, da die Wahl der Erzeuger selbst nicht eindeutig ist, siehe Abschnitt E.12.) Die Strukturkonstanten definieren die adjungierte Darstellung (auch regul¨are Darstellung genannt) der Lie-Algebra (Gk )lm = −iflkm .
(E.3)
Ein Beispiel f¨ ur eine Lie-Gruppe ist die Gruppe der Drehungen in drei Dimensionen, ˆ k sind, SO(3), siehe Abschnitt E.3 und E.4, deren Erzeuger die Drehimpulsoperatoren L 1ˆ Gk = Lk . Wie aus der Quantenmechanik bekannt, erzeugen die Drehimpulsoperatoren eine Lie-Algebra, wobei die Strukturkoeffizienten (bis auf einen Faktor ) durch den vollst¨ andigen antisymmetrischen Tensor dritter Stufe fklm = klm gegeben sind. Bemerkung: Allgemein ist eine Lie-Algebra definiert als ein Vektorraum G u ¨ ber einen K¨orper K zusammen mit einer inneren Verkn¨ upfung [·, ·] : G × G −→ G ,
(G1 , G2 ) → [G1 , G2 ] ,
G1 , G2 ∈ G ,
die als Lie-Klammer bezeichnet wird und die folgenden Eigenschaften besitzt:
E.2 Kontinuierliche Gruppen
497
1) Antisymmetrie [G1 , G2 ] = −[G2 , G1 ] 2) Linearit¨at [α1 G1 + α2 G2 , G3 ] = α1 [G1 , G3 ] + α2 [G2 , G3 ] .
(E.4)
Aus der Linearit¨at und der Antisymmetrie folgt, dass die Lie-Klammer bilinear, d.h. linear in beiden Argumenten ist. Neben (E.4) gilt somit auch [G1 , α2 G2 + α3 G3 ] = α2 [G1 , G2 ] + α3 [G1 , G3 ] . Die Lie-Klammer ist i.A. aber nicht assoziativ, d.h. [G1 , [G2 , G3 ]] ist gew¨ ohnlich nicht dasselbe wie [[G1 , G2 ], G3 ]. Sie gen¨ ugt jedoch der 3) Jacobi-Identit¨at: [G1 , [G2 , G3 ]] + [G2 , [G3 , G1 ]] + [G3 , [G1 , G2 ]] = 0 . Bei den in diesem Buch betrachteten Lie-Gruppen ist der Vektorraum gew¨ ohnlich der Raum der quadratischen Matrizen oder ein Hilbertraum, w¨ ahrend die Lie-Klammer durch den gew¨ohnlichen Kommutator gegeben ist. Als alternatives Beispiel sei der Vektorraum 3 genannt, der zusammen mit dem Kreuzprodukt als Lie-Klammer eine Lie-Algebra bildet.
Ê
Mittels der Erzeuger lassen sich die Gruppenelemente durch g(α) = e−iαk Gk darstellen. Hierbei sind die αk verallgemeinerte Winkel. Eine explizite Matrixdarstellung der Drehgruppe SO(3) ist die in Gl. (28.34) angegebene Drehmatrix. Da die Erzeuger der Lie-Algebra i.A. nichttriviale Kommutationsbeziehungen besitzen, sind die durch Gruppenmultiplikation (E.1) definierte Funktion γi = γi (α, β) i.A. nichttriviale Funktionen der urspr¨ unglichen Parameterwerte α, β. Kommutieren s¨ amtliche Erzeuger einer Lie-Gruppe, so ist die Lie-Gruppe offenbar abelsch. Gew¨ ohnlich kommutiert jedoch nur eine Teilmenge der Erzeuger, welche wir mit {Hk , k = 1, 2, . . . , r} bezeichnen [Hk , Hl ] = 0 ,
k, l = 1, 2, 3, . . . , r
und welche die miteinander kommutierende Gruppenelemente g(α) = exp(−iαk Hk )
(E.5)
498
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
erzeugen, die die Cartan-Untergruppe bilden. Die Zahl r der kommutierenden Erzeuger heißt Rang der Gruppe. Entsprechend dem Definitionsbereich der Parameter sprechen wir von kompakten Grupankt und abgeschlossen) ist, pen, wenn der Parameterraum der αk kompakt (d.h. beschr¨ im anderen Fall heißen die kontinuierlichen Gruppen nicht-kompakt. Als Casimir-Operator einer Gruppe bzw. Algebra bezeichnet man einen solchen Operator, der mit s¨amtlichen Erzeugern vertauscht. F¨ ur die Drehgruppe SO(3) ist z.B. das ˆ2 = L ˆ 21 + L ˆ 22 + L ˆ 23 ein Casimir-Operator, da dieser mit Quadrat des Drehimpulses L s¨ amtlichen Drehimpulsoperatoren vertauscht. Eine Lie-Gruppe vom Rang r hat genau r-Casimir-Operatoren.
Die Drehgruppe in N = 2 Dimensionen: SO(2) Wir betrachten den zweidimensionalen euklidischen Vektorraum Ê2 , der eine Ebene E.3
definiert. Die Koordinaten dieser Ebenen seien x1 , x2 . Eine Drehung in der Ebene wird durch eine zweidimensionale orthogonale Matrix R vermittelt. Dabei transformieren sich die Koordinaten nach xk → xk = Rkl xl .
(E.6)
Die Orthogonalit¨at der Matrix R garantiert, dass das Skalarprodukt zweier Vektoren bei Drehungen invariant bleibt. S¨ amtliche zweidimensionale orthogonale Matrizen mit det(R) = 1 lassen sich durch einen Winkel ω ∈ [0, 2π] parametrisieren: cos ω − sin ω R(ω) = . (E.7) sin ω cos ω Alternativ lassen sich diese Matrizen durch R(ω) = e−ω
(E.8)
darstellen, wobei die zweidimensionale antisymmetrische Matrix 0 1 = −1 0 ist. Sie besitzt die Eigenschaft 10 2 = −½ ≡ − 01 und repr¨ asentiert den (einzigen) Generator der SO(2)-Gruppe. Taylor-Entwicklung des Exponenten liefert unmittelbar: cos ω − sin ω −ω e = ½ cos ω − sin ω = . sin ω cos ω
E.4 Die Gruppen O(N ) und SO(N )
499
Aus der exponentiellen Darstellung l¨asst sich sofort erkennen, dass die Matrizen R(ω) abgeschlossen sind unter der Multiplikation: R(ω)R(ω ) = R(ω + ω ) . Ebenso leicht lassen sich die u ufen. ¨ brigen Gruppenaxiome u ¨ berpr¨ Gleichungen (E.7) bzw. (E.8) liefern die fundamentale Darstellung der SO(2)-Gruppe. Aus der Quantenmechanik wissen wir, dass die Drehung in der x1 x2 -Ebene durch den Drehimpulsoperator ∂ ∂ ∂ ∂ ˆ ˆ L := L3 = 3kl xk = kl xk = − x2 (E.9) x1 i ∂xl i ∂xl i ∂x2 ∂x1 beschrieben wird, wobei die oben eingef¨ uhrte antisymmetrische Matrix ist. Der Drehoperator i ˆ ˆ R(ω) = e− ω L
(E.10)
erf¨ ullt dasselbe Gruppenmultiplikationsgesetz wie die zweidimensionalen orthogonalen Matrizen (E.8) R(ω) ∈ SO(2). In der Tat haben wir: ˆ ˆ ) = R(ω ˆ + ω) . R(ω) R(ω ˆ Die Operatoren R(ω) bilden ebenfalls eine Darstellung der Drehgruppe SO(2), die jedoch in einem Hilbert-Raum operiert. Der Hilbert-Raum ist ein unendlich dimensionaler ˆ Vektorraum. In einer konkreten Basis des Hilbert-Raumes sind die Operatoren R(ω) durch unendlich dimensionale Matrizen gegeben. Diese Matrizen repr¨ asentieren Darstellungen der Drehgruppe SO(2), die jedoch reduzibel sind und in eine Vielzahl von endlich dimensionalen irreduziblen Darstellungen zerfallen. Der Drehoperator (E.10) ergibt sich aus dem in Abschnitt 28.6 angegebenen Drehopeˆ rator R(ω) (28.30) im 3 durch die Wahl des Drehvektors
Ê
ω = ωe3 . Dementsprechend erhalten wir aus dem allgemeinen Transformationsgesetz (28.42) des Ortsoperators unter Drehungen im dreidimensionalen Raum f¨ ur den Ortsoperator im 2 :
Ê
ˆ ˆ −1 (ω)ˆ xk R(ω) xl , = Rkl (ω)ˆ R wobei die Matrix R(ω) in (E.8) definiert wurde.
E.4
Die Gruppen O(N ) und SO(N )
Im Folgenden soll die oben besprochene Gruppe SO(2) auf N Dimensionen verallgemeinert werden. Dies ist die Gruppe der orthogonalen N -dimensionalen Matrizen O(N ),
500
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
ÊNN Ê ,
die auch als Drehgruppe in dimensionalen Vektorraum ⎛ ⎞ x1 ⎜ x2 ⎟ ⎜ ⎟ x = ⎜ . ⎟, ⎝ .. ⎠ xN
bezeichnet wird. Betrachten wir einen Vektor im N -
und definieren wie u ¨ blich das Skalarprodukt zwischen zwei Vektoren durch: (x, y) := xT y ≡ x · y =
N
xi yi ,
i=1
so bleibt dieses unter orthogonalen Transformationen der Koordinaten, x → x = Rx ,
xk → xk = Rkl xl ,
RT = R−1
invariant: xT y = xT RT Ry = xT y . Insbesondere bleibt damit der Abstand eines Vektors im x :=
ÊN ,
√ & √ (x, x) = xT x = x · x ,
invariant unter Drehungen. Die orthogonalen Matrizen besitzen entweder Determinante +1 oder −1. Die orthogonalen Matrizen mit Determinante +1 bilden die Untergruppe SO(N ).
Bemerkung: Die Menge der orthogonalen Matrizen mit Determinante −1 bilden keine Gruppe, da das Produkt von zwei orthogonalen Matrizen mit Determinante −1 eine orthogonale Matrix mit Determinante +1 ist, d.h. diese Matrizen sind nicht abgeschlossen unter Gruppenmultiplikation.
at einer Matrix Eine N -dimensionale Matrix besitzt N 2 Elemente. Die Orthogonalit¨ impliziert N +1 1 N (N + 1) = 2 2
E.4 Die Gruppen O(N ) und SO(N )
501
Nebenbedingungen. Damit betr¨agt die Anzahl der unabh¨ angigen Elemente einer orthogonalen N × N -Matrix: N +1 N = . N2 − 2 2 Dies ist aber gerade die Anzahl der unabh¨angigen antisymmetrischen (N ×N )-Matrizen. Der Kommutator zweier antisymmetrischer Matrizen ist wieder eine antisymmetrische Matrix. Die antisymmetrischen Matrizen sind deshalb abgeschlossen unter der Kommutation und bilden deshalb eine Lie-Algebra. Als Basis f¨ ur die antisymmetrischen (N × N )-Matrizen k¨onnen wir die Matrizen (Mkl )ij = δki δlj − δkj δli
(E.11)
w¨ahlen. Diese Matrizen erf¨ ullen die Kommutationsbeziehungen [Mkl , Mmn ] = −(δkm Mln − δlm Mkn − δkn Mlm + δln Mkm ) ≡ −f(kl)(mn)(pq) Mpq ,
(E.12)
welche die Lie-Algebra der SO(N ) definieren und die Erzeuger (E.2) der SO(N )-Gruppe onnen in der fundamentalen Darstellung sind (Gkl = −iMkl ). Mittels dieser Erzeuger k¨ wir die Elemente dieser Gruppe in Analogie zu (E.8) durch R(ω) = e−
k>l
ωkl Mkl
(E.13)
darstellen, wobei die Parameter ωkl analog zum Winkel ω im zweidimensionalen Fall als Rotationswinkel interpretiert werden k¨onnen. Die Summation im Exponenten ist onnen wir die auf unabh¨ angige Indexpaare (k > l) beschr¨ankt. Wegen Mkl = −Mlk k¨ ωkl als Elemente einer antisymmetrischen Matrix ωkl = −ωlk auffassen und die Summation dann u angig voneinander laufen ¨ ber beide Indizes unabh¨ lassen, 1
R(ω) = e− 2 ωkl Mkl ,
(E.14)
was auf den zus¨ atzlichen Faktor 1/2 f¨ uhrt. (Das Summationszeichen haben wir hier wieder entsprechend unserer Konvention, u ¨ber wiederholte Indizes zu summieren, fallen gelassen.) Die R(ω) (E.14) definieren die fundamentale Darstellung der SO(N )-Gruppe. Wegen der Antisymmetrie der Matrizen Mkl (E.11), (Mkl )ij = − (Mkl )ji , sind die R(ω) (E.13) offensichtlich orthogonal.
Ê
Ê
In Analogie zum 2 definieren wir eine Drehung im N durch eine orthogonale Koordinatentransformation in einer zweidimensionalen Unterebene. Im N gibt es N2 linear unabh¨ angige (zweidimensionale) Ebenen, die wir als die Koordinatenebenen w¨ ahlen
Ê
502
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
k¨ onnen, welche jeweils durch zwei Koordinatenachsen aufgespannt werden. Folglich gibt angigen es im N genau N2 unabh¨angige Drehungen, welche jeweils durch die unabh¨ Paare (k, l) von Koordinatenachsen charakterisiert werden.
Ê
Bemerkung:
Ê
Im 3 k¨onnen wir mittels des total antisymmetrischen Tensors ikl jedem Paar (k, l) von Koordinatenachsen eindeutig eine dritte Koordinatenachse i zuordnen, bzw. eine Ebene l¨asst sich durch ihren Normalenvektor charakterisieren. Folglich l¨asst sich im 3 eine Drehung statt durch eine Ebene auch durch einen Vektor charakterisieren, dessen Richtung die Drehachse definiert. Dies ist aber eine Besonderheit des 3 .
Ê
Ê
In Analogie zum zweidimensionalen Fall (E.9) f¨ uhren wir deshalb die folgenden verallgemeinerten Drehimpulsoperatoren ˆ kl = (xk ∂l − xl ∂k ) = x L ˆk pˆl − x ˆl pˆk i
(E.15)
Ê
ein, wo k und l zwei Koordinatenachsen des N bezeichnen und pˆk = i ∂k der Impulsoperator ist. Unter Benutzung der Vertauschungsrelation zwischen Ort- und Impulsoperator [ˆ xk , pˆl ] = iδkl
(E.16)
zeigt man leicht, dass diese verallgemeinerten Drehimpulsoperatoren der Lie-Algebra ˆ pq ˆ mn ] = if(kl)(mn)(pq) L ˆ kl , L [L
(E.17)
uhrten Strukturkonstanten der gen¨ ugen, wobei die f(kl)(mn)(pq) die bereits oben eingef¨ Gruppe SO(N ) sind: ˆ kl , L ˆ ln − δlm L ˆ kn − δkn L ˆ lm + δln L ˆ km ) . ˆ mn ] = i(δkm L [L
(E.18)
ˆ kl dieselben KommutatiVergleich von (E.12) und (E.17) zeigt, dass die Operatoren i L onsbeziehungen wie die Matrizen Mkl erf¨ ullen und somit Generatoren der SO(N ) sind. ˆ kl aus (E.14) eine OperatordarstelFolglich erhalten wir durch die Ersetzung Mkl → i L lung der SO(N )-Gruppe im Hilbert-Raum: 1 i ˆ ˆ R(ω) = e− 2 ωkl Lkl ,
(E.19)
wobei die ωkl in Analogie zum zweidimensionalen Fall verallgemeinerte Rotationswinˆ kel sind. Dementsprechend sind die R(ω) die verallgemeinerten Drehoperatoren der SO(N )-Gruppe. W¨ahlt man eine konkrete Basis des Hilbert-Raumes, auf welchem die ˆ k definiert sind, so sind in dieser Basis die Drehoperatoren (E.19) durch unendlich diL mensionale Matrizen gegeben. Diese stellen reduzible Darstellungen der Gruppe SO(N )
E.5 Die Drehgruppe SO(3)
503
dar, die sich in unendlich viele endlich dimensionale irreduzible Darstellungen zerlegen lassen (siehe das weiter unten angegebene Beispiel der Gruppe SO(3)). Die fundamentale Darstellung (nichttriviale irreduzible Darstellung niedrigster Dimension) steht mit den oben eingef¨ uhrten antisymmetrischen Matrizen (E.11) u ¨ ber ˆ kl |n = m|L
(Mkl )mn i
in Beziehung. ˆ kl Wegen der Vertauschungsregeln (E.16) vertauschen offenbar Drehimpulsoperatoren L ˆ ˆ ˆ (E.15), die zu disjunkten Koordinatenebenen geh¨ oren, z.B. [L12 , L34 ] = 0, w¨ ahrend ˆ 23 ] = ˆ ˆ 12 , L 0. In N = 2ν und N = 2ν + 1 Dimensionen gibt es ν disjunkte Koordi[L natenebenen und somit ν Erzeuger der Gruppen SO(2ν) und SO(2ν + 1), die s¨ amtlich miteinander kommutieren und folglich die entsprechende Cartan-Algebra aufspannen. Als diese k¨ onnen wir offensichtlich w¨ahlen: ˆ 2k−1,2k , L
E.5
k = 1, 2, . . . , ν .
Die Drehgruppe SO(3)
F¨ ur die Anwendungen in der Physik ist von besonderem Interesse die Gruppe SO(3), die asst sich jeder antisymGruppe der Drehungen im dreidimensionalen Raum 3 . Im 3 l¨ metrische Tensor zweiter Stufe durch einen Vektor repr¨ asentieren. Diese Verkn¨ upfung erfolgt mit Hilfe des total antisymmetrischen Tensors dritter Stufe klm . Die Drehimˆ kl (E.15) lassen sich im 3 durch die gew¨ pulstensoren L ohnlichen Drehimpulsoperatoren ˆ k ausdr¨ L ucken:
Ê
Ê
Ê
ˆ kl = klm L ˆm , L
(E.20)
welche der Algebra ˆm ˆk, L ˆ l ] = iklm L [L
(E.21)
gen¨ ugen. Dementsprechend lassen sich die Drehoperatoren (E.19) in der Form i ˆ ˆ R(ω) = e− ω·L
(E.22)
angeben, wobei wegen (E.20) die Drehwinkel ωk durch die fr¨ uher eingef¨ uhrten ωkl definiert sind: ωk =
1 klm ωlm . 2
Den Drehoperator (E.22) haben wir bereits in Abschnitt 28.6 kennen gelernt (siehe Gl. (28.30)). Die Drehoperatoren (E.22) sind wie die Drehimpulse Operatoren im HilbertRaum der Zustandsfunktionen. F¨ ur ein spinloses Teilchen lassen sich die Basiszust¨ ande des entsprechenden Hilbert-Raumes als |n|lm
504
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
w¨ ahlen, wobei |n die Radialwellenfunktionen und |lm die Drehimpulseigenzust¨ ande ˆ 2 |lm = 2 l(l + 1)|lm , L ˆ z |lm = m|lm L sind. Da die Drehimpulsoperatoren nur auf die Winkelvariablen wirken, k¨ onnen wir ˆ die Radialfunktionen zur Berechnung der Matrixelemente von R(ω) außer Acht lassen. ˆ 2 kommutieren und somit keine nichtˆ k mit L Da ferner die Drehimpulsoperatoren L verschwindenden Matrixelemente zwischen Zust¨ anden mit unterschiedlichen l besitzen, erhalten wir: l ˆ m = δll Dmm lm|R(ω)|l (ω) .
(E.23)
l F¨ ur feste l bilden die Dmm (ω) eine (2l + 1)-dimensionale irreduzible Darstellung ˆ der Drehgruppe SO(3). Die Hilbert-Raum-Matrix des Drehoperators lm|R(ω)|l m l zerf¨ allt damit in irreduzible Darstellungen Dmm (ω), welche durch die Drehimpuls quantenzahl l charakterisiert werden: ⎞ ⎛ 0 D (ω) 0 0 ... ⎜ 0 D1 (ω) 0 . . .⎟ ⎟ ⎜ ˆ 2 R(ω) = ⎜ 0 ⎟. 0 D (ω) ⎠ ⎝ .. .. .. . . .
Hierbei ist D0 (ω) = 1 die triviale Darstellung, welche zum Drehimpuls l = 0 geh¨ ort. Eine analoge Struktur hatten wir f¨ ur die Matrix des Drehimpulsoperators in Gl. (16.33) ˆ gefunden. Eine alternative Darstellung des Drehoperators R(ω) (E.22) haben wir in Abschnitt 29.1 kennen gelernt (siehe Gl. (29.4)): i i i ˆ ˆ ˆ R(α, β, γ) = e− αLz e− βLy e− γ Lz ,
wobei die (α, β, γ) als Euler-Winkel bezeichnet werden. Die zugeh¨ origen Matrixelemente l ˆ Dmm (α, β, γ) = lm|R(α, β, γ)|lm
sind die Wigner’schen D-Funktionen.
Ê
Analog zu (E.20) k¨onnen wir im 3 die antisymmetrischen Matrizen Mkl (E.11) durch drei unabh¨ angige antisymmetrische Matrizen Mm ausdr¨ ucken: Mkl = klm Mm , deren Matrixelemente durch (Mk )ij = kij
(E.24)
gegeben sind. Die fundamentale Darstellung (E.14) der Gruppe SO(3) nimmt dann die Gestalt R(ω) = e−ω·M
(E.25)
E.6 Die Gruppe der unit¨aren Matrizen U(N )
505
an. Die Matrizen Mk (E.24) liefern gerade die Drehimpuls (l = 1)-Darstellung (28.33) ˆ k im Hilbert-Raum: des Drehimpulsoperators L (Sk )lm =
(Mk )lm = ilkm i
(E.26)
und somit ist die fundamentale Darstellung R(ω) (E.25) die irreduzible Darstellung, Dl=1 (ω) zum Drehimpuls l = 1. Mit der Beziehung (E.26) erkennen wir die fundamentale Darstellung R(ω) (E.25) als die in (28.34) definierte Drehmatrix.
E.6
Die Gruppe der unit¨aren Matrizen U(N )
Diese Gruppe ist das komplexe Analogon der N -dimensionalen Drehgruppe O(N ). Genau wie die orthogonalen Matrizen sind auch die unit¨ aren Matrizen U † = U −1 abgeschlossen unter Multiplikation und erf¨ ullen auch die u ¨ brigen Gruppenaxiome. Da jede reelle orthogonale Matrix auch gleichzeitig unit¨ ar ist, bildet die orthogonale Gruppe O(N ) eine Untergruppe der unit¨aren Gruppe U(N ). Die unit¨ aren Matrizen erzeugen unit¨are Transformationen im N -dimensionalen komplexen Vektorraum N , welcher 2N reelle Dimensionen besitzt. Die Elemente dieses Raumes sind N -komponentige Vektoren ⎛ ⎞ z1 ⎜ z2 ⎟ ⎜ ⎟ z=⎜.⎟ ⎝ .. ⎠ zn mit i.A. komplexen Koordinaten zi ∈ (z, w) = z † w ≡ z ∗ · w =
. Das in diesem Raum definierte Skalarprodukt N
zi∗ wi
i=1
von Vektoren z, w ∈
N
bleibt unter unit¨aren Transformationen
z → z = U z
(E.27)
invariant. Unit¨ are Matrizen besitzen Determinanten vom Betrag 1: det(U ) = eiα ,
α∈
Ê.
Die Untermenge der unit¨aren Matrizen mit Determinante det(U ) = 1 bildet die Gruppe der speziellen unit¨aren Matrizen SU(N ). F¨ ur die Physik sind von besonderem Interesse die Gruppen U(2) bzw. SU(2) sowie SU(3). Die Erzeuger Gk der SU(2) sind in der fundamentalen Darstellung durch die PauliMatrizen σk (16.37), Gk = 12 σk ,
k = 1, 2, 3 ,
(E.28)
506
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
gegeben, welche den Kommutationsbeziehungen [σk , σl ] = 2iklm σm
(E.29)
gen¨ ugen. Folglich sind die Strukturkonstanten fklm (E.2) der SU(2) durch den antisymmetrischen Tensor klm gegeben. Dieselben Strukturkonstanten findet man auch f¨ ur die Gruppe SO(3), was bedeutet, dass SO(3) und SU(2) lokal isomorph sind, vgl. Abschnitt E.7. Mit (E.28) erhalten wir f¨ ur die Elemente der SU(2) in der fundamentalen Darstellung: i
U (ω) = e− 2 ω·σ .
E.7
(E.30)
Homomorphismus und Isomorphismus
Ein Gruppenhomomorphismus zwischen zwei Gruppen G und H ist eine Abbildung φ : G → H mit der Eigenschaft φ(g1 g2 ) = φ(g1 )φ(g2 ) ,
∀ g1 , g2 ∈ G,
die als strukturerhaltend bezeichnet wird. Bei einem Homomorphismus k¨ onnen mehr als ein Element von G in dasselbe Element von H abgebildet werden (d.h. sie muss nicht injektiv sein). Das Bild von φ ist allerdings stets eine Untergruppe von H. Ferner folgt aus den Gruppenaxiomen, dass das Einselement von G stets auf das Einselement von H abgebildet wird,2 sowie φ(g −1 ) = φ(g)−1 . Ist die homomorphe Abbildung von G nach H dar¨ uber hinaus eineindeutig (bijektiv), d.h. auch jedem Element von H ist genau ein Element von G zugeordnet, so ist H isomorph zu G. Falls H isomorph zu G ist, so ist offensichtlich auch G isomorph zu H. Wir sagen deshalb einfach H und G sind isomorph und bezeichnen dies mit G H. Im Folgenden geben wir einige Beispiele f¨ ur Isomorphismus und Homomorphismus an. Wir werden uns dabei auf die orthogonalen und unit¨ aren Gruppen beschr¨ anken.
E.7.1
Der Isomorphismus U(1) SO(2)
Ê
Die zweidimensionale Ebene 2 , die durch die Koordinaten (x1 , x2 ) aufgespannt wird, ist isomorph zur komplexen Zahlenebene 1 , die durch die Gesamtheit der komplexen Zahlen z = x1 + ix2 aufgespannt wird. Eine komplexe Zahl x1 + ix2 definiert damit einen Vektor x1 x= x2
(E.31)
(E.32)
2 Die Menge aller Elemente von G, die auf das Einselement von H abgebildet werden, heißt der Kern von φ. Er enth¨ alt mindestens das Einselement von G und ist stets ein Normalteiler von G.
E.7 Homomorphismus und Isomorphismus
507
Ê
in 2 . Ferner ist der Betrag der komplexen Zahl gleich der Norm des entsprechenden Vektors 8 √ & √ |z| = z ∗ z = (x, x) = xT x = x21 + x22 . Der Betrag einer komplexen Zahl ¨andert sich bekanntlich nicht unter Multiplikation mit einer Phase z → eiω z . Die Gesamtheit der Phasen bilden die Gruppe der eindimensionalen unit¨ aren Matrizen aquivalent U(1). Die Multiplikation der komplexen Zahl z (E.31) mit der Phase eiω ist ¨ zur Drehung (E.6), (E.7) des zugeh¨origen zweidimensionalen Vektors x (E.32) um den Winkel ω. In der Tat, aus z = eiω z !
= (cos ω + i sin ω)(x1 + ix2 ) = x1 + ix2 finden wir:
x1 x2
=
cos ω − sin ω x1 . x2 sin ω cos ω
Ê
aren TransEine orthogonale Transformation im 2 ist damit a ¨quivalent zur einer unit¨ formation in der komplexen Ebene 1 . Somit haben wir folgenden Isomorphismus: φ : U(1) → SO(2) ,
eiω → R(ω) ,
wobei R(ω) die in Gl. (E.7) bzw. (E.8) definierte Matrix bezeichnet. Deshalb sind die zugeh¨ origen Gruppen isomorph: SO(2) U(1) . Die oben angegebene Operatordarstellung der Gruppe SO(2) liefert automatisch auch eine Darstellung der Gruppe U(1), was man unmittelbar erkennt, wenn man den Drehimpulsoperator (E.9) in Radialkoordinaten (r, ϕ), z = reiϕ = x1 + ix2 , aufschreibt: ˆ= ∂ . L i ∂ϕ
E.7.2
Der Homomorphismus SU(2) ∼ SO(3)
Die Gruppen SO(3) und SU(2) besitzen dieselbe Lie-Algebra. Die Erzeuger der Gruppe ˆ kl (E.15) SO(3) sind (bis auf einen Faktor ) durch die antisymmetrischen Tensoren L
508
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
ˆ k (E.20) gegeben, die der Lie-Algebra bzw. die gew¨ ohnlichen Drehimpulsoperatoren L (E.21) gen¨ ugen. Dieselbe Algebra wird von den Erzeugern 2 σk der Gruppe SU(2) (E.28) erf¨ ullt (siehe Gl. (E.29)). Die Gruppen SO(3) und SU(2) besitzen jedoch verschiedene Darstellungen. Um den Zusammenhang zwischen den beiden Gruppen zu finden, konstruieren wir zun¨achst eine Abbildung von 2 auf 3 . Dazu stellen wir die Vektoren z ∈ 2 als Spaltenvektor
z=
z1 z2
,
z † = (z1∗ , z2∗ )
dar, wobei z1 , z2 ∈ gew¨ohnliche komplexe Zahlen sind. Mit Hilfe der Pauli-Matrizen onnen wir die z ∈ 2 auf die Koordinaten xk des 3 abbilden σk (16.37) k¨
xk = z † σk z .
(E.33)
Unter einer unit¨aren Transformation U ∈ SU (2) transformieren sich die Vektoren z ∈ 2 und ihre Adjungierten nach (E.27)
z → z = U z
=⇒ z † → z † = z † U † .
¨ Uber die Abbildung (E.33) transformieren sich dabei die Koordinaten xk des xk → xk = z † σk z = z † U † σk U z .
3
(E.34)
F¨ ur die speziellen unit¨aren (2 × 2)-Matrizen U ∈ SU(2) w¨ ahlen wir die Darstellung (E.30) i
U (ω) = e− 2 ωσ . Unter Benutzung der SU(2)-Lie-Algebra (E.29) l¨ asst sich unmittelbar folgende Identit¨ at beweisen: U † (ω)σk U (ω) = Rkl (ω)σl ,
(E.35)
R(ω) = e−ω·M
(E.36)
wobei
die fundamentale Darstellung (E.25) der Gruppe SO(3) ist, welche mit der Drehmatrix (28.34) zusammenf¨allt.
E.7 Homomorphismus und Isomorphismus
509
Zum Beweis von (E.35) muss man lediglich die linke Seite der Gleichung in eine Reihe von Vielfach-Kommutatoren entwickeln (siehe Gl. (C.18)) und wiederholt die Algebra (E.29) benutzen. Da die Generatoren (der fundamentalen Darstellung) der SU(2), σk /2, ˆ k /, folgt die Gl. (E.35) dieselbe Algebra erf¨ ullen wie die Generatoren der SO(3), L bereits aus der Gl. (28.51). Einsetzen von (E.35) in (E.34) liefert unter Benutzung von (E.33) xk = Rkl (ω)xl .
Durch die Abbildung (E.33) induziert eine unit¨ are Transformation U (ω) der z ∈ 2 eine orthogonale Transformation R(ω) (Drehung) der x ∈ 3 . Dies ist der gesuchte Zusammenhang zwischen SU(2)- und SO(3)-Transformationen.
Ê
Multiplizieren wir Gl. (E.35) mit σl , bilden die Spur und benutzen Sp(σk σl ) = 2δkl , so erhalten wir f¨ ur die Drehmatrix R(ω) (E.36) die Darstellung
Rkl (ω) =
1 Sp σk U (ω)σl U † (ω) , 2
(E.37)
welche den gesuchten Homomorphismus φ : SU(2) → SO(3) ,
U (ω) → R(ω)
(E.38)
liefert. Man beachte, dass ein Vorzeichenwechsel U (ω) → −U (ω) die Drehmatrix R(ω) (E.37) invariant l¨asst. Damit bildet der Homomorphismus (E.38) U ∈ SU(2) und (−U ) ∈ SU(2) auf dieselbe Matrix R ∈ SO(3) ab. Damit ist die Abbildung (E.38) nicht injektiv und die Gruppen SU(2) und SO(3) sind nicht isomorph. Der Homomorphismus (E.38) ist jedoch surjektiv. Beachten wir, dass die klm die Strukturkonstanten fklm der SU(2) sind, so erkennen wir aus (E.3), dass die Matrizen −iMk (E.24) bzw. Sk / (E.26) die Erzeuger der SU(2) in der adjungierten Darstellung sind. Dementsprechend definiert die Drehmatrix (E.36) R(ω) ∈ SO(3) die adjungierte Darstellung der SU(2). (Gleichzeitig bilden die R(ω) die fundamentale Darstellung der SO(3).) Neben den oben bereits besprochenen Iso- bzw. Homomorphismen zwischen den orthogonalen und unit¨ aren Gruppen existieren noch folgende weitere Homomorphismen: SO(4) ∼ SU(2) × SU(2) , SO(6) ∼ SU(4) .
510
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
Man u ¨ berzeugt sich leicht, dass keine weiteren Isomorphismen zwischen orthogonalen und unit¨ aren Gruppen existieren k¨onnen, indem man die Anzahl der Erzeuger der beiden Gruppen betrachtet. W¨ahrend die Gruppe O(N ) N 2 Erzeuger besitzt, n¨amlich die Anzahl der linear unabh¨ angigen antisymmetrischen N dimensionalen Matrizen, hat die Gruppe SU(N ) N2 − 1 Erzeuger, was der Anzahl der linear unabh¨angigen N -dimensionalen hermiteschen spurlosen Matrizen entspricht. Die Gruppe U(N ) besitzt dar¨ uber hinaus die N -dimensionale Einheitsmatrix als Erzeuger, so dass die Gesamtheit der Erzeuger der Gruppe U(N ) durch die N 2 unabh¨angigen hermiteschen (N × N )-Matrizen gegeben sind.
E.8
Nicht-kompakte Gruppen: Die Lorentz-Gruppe
Bisher haben wir solche Lie-Gruppen behandelt, deren Parameterr¨ aume kompakte Mannigfaltigkeiten waren. Beispielsweise waren bei den orthogonalen Drehgruppen die Parameter durch Winkel gegeben, deren Definitionsbereich auf das Intervall [0, 2π] be¨ schr¨ ankt werden konnte. Ahnliches gilt f¨ ur die unit¨ aren Gruppen, z.B. f¨ ur die Gruppe U (1), deren Darstellungen durch die Phasen eiω mit reellem Winkel ω ∈ [0, 2π] gegeben sind. Deshalb ist die Gruppenmannigfaltigkeit dieser Gruppe durch den Einheitskreis ¨ ist die Gruppenmannigfaltigkeit der Gruppe S 1 in zwei Dimensionen gegeben. Ahnlich SU(2) durch die Einheitskugel S 3 in vier Dimensionen gegeben. Neben diesen kompakten Gruppen existieren auch nicht-kompakte Gruppen, bei denen die Definitionsbereiche der Gruppenparameter nicht-kompakte (unbeschr¨ ankte) Mannigfaltigkeiten sind. Wir wollen uns im Folgenden auf die nicht-kompakten pseudo-orthogonalen Gruppen O(n,m) beschr¨ anken. Wir hatten festgestellt, dass die orthogonalen Gruppen O(N ) das Skalarprodukt im euklidischen Raum N invariant lassen. Schreiben wir dieses Skalarprodukt wie allgemein u ¨blich mit Hilfe eines Metriktensors,
Ê
x · y = xμ gμν y ν = xμ yμ ,
(E.39)
so besitzt dieser f¨ ur den euklidischen Raum die einfache Gestalt gμν = δμν = diag(1, 1, . . . , 1) . Der Metriktensor ist hier durch die Einheitsmatrix gegeben. Neben diesen euklidischen R¨ aumen gibt es sogenannte pseudo-euklidische R¨ aume n,m , in denen die Metrik durch
Ê
gμν = diag(1, 1, . . . , 1, −1, −1, . . . , −1) n
m
(E.40)
E.8 Nicht-kompakte Gruppen: Die Lorentz-Gruppe
511
definiert ist. Im Gegensatz zu den euklidischen R¨ aumen ist die Metrik hier nicht positiv definit. Ein wichtiger Spezialfall der pseudo-euklidischen R¨ aume ist der MinkowskiRaum, in welchem die Metrik durch gμν = diag(1, −1, −1, −1) definiert ist. Lineare Koordinatentransformationen xμ → xμ = Λμν xν ,
(E.41)
welche die Metrik (E.39) mit dem Metriktensor (E.40) invariant lassen, werden als pseudo-orthogonale Transformationen bezeichnet. Sie werden durch pseudo-orthogonale Matrizen Λμν vermittelt, die wie die orthogonalen Matrizen eine Gruppe bilden, die mit O(n,m) bezeichnet wird. Im Folgenden wollen wir uns auf die pseudo-orthogonale Gruppe O(1,3) O(3,1) beschr¨anken, welche die Drehgruppe im Minkowski-Raum repr¨ asentiert und als Lorentz-Gruppe bezeichnet wird. Ihre Elemente sind die LorentzTransformationen. Die Lorentz-Transformation l¨asst die L¨ange eines Vektors im Minkowski-Raum 3 i 2 2 x x2 = xμ gμν xν = x0 − i=1
invariant. Diese ist offenbar nicht positiv definit. Da die Lorentz-Transformation diese L¨ange invariant l¨ asst, k¨onnen wir drei Bereiche des Minkowski-Raumes unterscheiden, siehe Abb. 30.1: 1) zeitartig:
x2 > 0 ,
2) lichtartig:
x2 = 0 ,
3) raumartig:
x2 < 0 .
Aus der Relativit¨atstheorie wissen wir, dass die Lichtgeschwindigkeit die maximale Signalgeschwindigkeit darstellt. Jeder Punkt im Minkowski-Raum repr¨ asentiert ein Ereignis. Ereignisse, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, werden durch Vektoren verbunden, welche die L¨ange Null besitzen. Solche Ereignisse sind mit der Bewegung von masselosen Teilchen wie den Photonen verbunden, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Massive Teilchen breiten sich demgegen¨ uber mit einer Geschwindigkeit aus, die kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist. Deshalb sind die Punkte der Trajektorien von massiven Teilchen im Minkowski-Raum durch zeitartige Vektoren verkn¨ upft, die eine ¨ positive L¨ ange besitzen. Hypothetische Teilchen, die sich mit Uberlichtgeschwindigkeit bewegen, werden Tachyonen genannt. Die Punkte der Trajektorien dieser Teilchen im Minkowski-Raum sind durch raumartige Vektoren, d.h. Vektoren mit negativer L¨ ange verbunden. Diese Sachverhalte sind in Abb. 30.1 dargestellt. Auf dem Lichtkegel befinden sich die Trajektorien der masselosen Teilchen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Ereignisse, zwischen denen ein kausaler Zusammenhang besteht, d.h. die sich mit einer Geschwindigkeit kleiner als der Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, sind durch
512
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
Vektoren im Inneren des Lichtkegels gegeben. Dieses Gebiet heißt deshalb der kausale oder zeitartige Bereich. Trajektorien von Tachyonen verlaufen hingegen außerhalb des Lichtkegels. Kausalit¨at bedeutet auch, dass Signale nur vorw¨arts in der Zeit propagiert werden, d.h. vom Ursprung in den Vorw¨artslichtkegel. (In der Quantenfeldtheorie ist man allerdings auch gezwungen, Propagatoren in dem R¨ uckw¨ artskegel zu betrachten. Sie verletzen nicht die Kausalit¨at, da sie als (kausale) Propagatoren von Antiteilchen in dem Vorw¨ artskegel interpretiert werden k¨onnen.) Aus der Forderung nach der Invarianz der L¨ange unter Lorentz-Transformation (E.41), x2 = x2 , erhalten wir die Bedingung an die Matrizen Λμ ν gμν Λμ κ Λν λ = gκλ
(E.42)
bzw. in Matrixschreibweise ΛT gΛ = g . Hieraus finden wir det Λ = ±1 . Setzen wir in (E.42) κ = λ = 0, so folgt 3 i 2 0 2 Λ0 , Λ 0 =1+ i=1
was Λ0 0 ≥ 1
oder
Λ0 0 ≤ −1
impliziert. Damit lassen sich die Lorentz-Transformationen nach dem Vorzeichen von Λ0 0 und dem von det Λ klassifizieren, siehe Tabelle E.1 und somit zu vier Klassen zusammenfassen. Die Lorentz-Transformationen L↑ bzw. L↑+ werden als orthochron bzw. eigentliche orthochron bezeichnet. Sie bilden jeweils eine Untergruppe der LorentzGruppe. Die Klassen L↑− , L↓∓ bilden offensichtlich keine Untergruppe der LorentzGruppe, da sie das Einselement nicht enthalten. Sie gehen durch Raum (P )- bzw. Zeitspiegelung (T ) oder beiden aus der Gruppe L↑+ hervor L↑− = P L↑+ ,
L↓− = T L↑+ ,
L↓+ = P T L↑+ .
Wie im euklidischen Raum k¨onnen wir auch im Minkowski-Raum verallgemeinerte Drehimpulsoperatoren definieren, die durch ˆ μν = x L ˆμ pˆν − x ˆν pˆμ = i(xμ ∂ ν − xν ∂ μ ) ,
pˆμ = i∂μ
(E.43)
gegeben sind. Diese Operatoren erf¨ ullen die Lie-Algebra der Lorentz-Gruppe: ˆ μσ − g μρ L ˆ νσ − g νσ L ˆ μρ + g μσ L ˆ νρ ) . ˆ ρσ ] = i(g νρ L ˆ μν , L [L
(E.44)
E.8 Nicht-kompakte Gruppen: Die Lorentz-Gruppe sgn Λ0 0 +1
−1
LT ↑
L
L↓
513
det Λ
LT
+1
L↑+
−1
L↑−
+1
L↓+
−1
L↓−
Tabelle E.1: Klassifikation der Lorentz-Transformationen (LT).
Ersetzen wir den Metriktensor durch das Kronecker-Symbol, so geht diese Algebra in die der orthogonalen Gruppen (E.18) u ¨ ber. Analog zu den orthogonalen Gruppen (vgl. Gl. (E.19)) ist die Hilbert-Raum-Darstellung der pseudo-orthogonalen Gruppen durch 1 i ˆ μν ˆ R(ω) = e− 2 ωμν L
gegeben. Hierbei sind die ωμν Parameter, die den Drehwinkeln der orthogonalen Gruppen entsprechen. Diese Parameter stehen in einem nichtlinearen Zusammenhang mit ur infiniteder Matrix Λμν der zugeh¨origen Lorentz-Transformation der Koordinaten. F¨ simale Lorentz-Transformationen, d. h. infinitesimale Parameter ωμν , besteht der lineare Zusammenhang Λμν (ω) = gμν + ωμν .
(E.45)
Schließlich geben wir noch die Wirkung der Lorentz-Gruppe auf ein Vektorfeld φμ (x) im Minkowski-Raum an. Dieses transformiert sich nach: ˆ −1 (ω)φμ (x)R(ω) ˆ R = Λ(ω)μν φν (x ) ,
(E.46)
Ê
was die Verallgemeinerung des Transformationsgesetzes (28.49) von Vektoren im 3 unter Drehungen ist. F¨ ur eine infinitesimale Lorentz-Transformation (E.45) gen¨ ugt es, diese Gleichung in f¨ uhrender Ordnung in ωμν zu entwickeln. Dies liefert φμ (x) +
$ % i ˆ κλ , φμ (x) = φμ (x) + ωκλ xλ ∂ κ φμ (x) + ω μ ν φν (x) , ωκλ L 2
wobei wir im letzten Term x durch x ersetzt haben, da dieser Term schon von der Ordnung ω ist. Ber¨ ucksichtigen wir die Antisymmetrie ωκλ = −ωλκ und die Definition der ˆ μν (E.43), so erhalten wir von den Termen verallgemeinerten Drehimpulsoperatoren L linear in ωκλ die Beziehung $
% ˆ κλ , φμ (x) = L ˆ κλ φμ (x) + i g μλ φκ (x) − g μκ φλ (x) , L
(E.47)
514
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
was die differentielle Form des Transformationsgesetzes (E.46) f¨ ur Vektorfelder φμ (x) unter Lorentz-Transformationen ist. F¨ ur einen konstanten Vierer-Vektor φμ = V μ = const. verschwindet der erste Term auf der rechten Seite ˆ κλ V μ = 0 L und die Beziehung (E.47) vereinfacht sich zu $ % ˆ κλ , V μ = i g μλ V κ − g μκ V λ , L was die Verallgemeinerung der Beziehung (28.50) f¨ ur Vektoren Vk in Vektoren im Minkowski-Raum ist.
(E.48)
Ê3 auf Vierer-
W¨ ahlen wir in (E.46) φμ (x) = xμ , so zeigt der Vergleich mit (E.41), dass ˆ ˆ −1 (ω)xμ R(ω) = xμ R die transformierte Koordinate ist. F¨ ur beliebige Vektorfelder muss folglich ˆ −1 (ω)φμ (x)R(ω) ˆ R =: φμ (x )
(E.49)
das transformierte Feld φ an den transformierten Koordinaten xμ sein. Mit (E.49) lautet daher das Transformationsgesetz (E.46) f¨ ur Vektorfelder unter Lorentz-Transformationen (E.41) φ (x ) = Λμ ν (ω)φν (x) .
(E.50)
Wir hatten oben einen Gruppenhomomorphismus zwischen der SO(4) und der Produktgruppe SU(2)×SU(2) angegeben. Da die Lorentz-Gruppe der Gruppe SO(4) sehr ¨ ahnlich ist, sollte auch ein Zusammenhang dieser zu der Gruppe SU(2) × SU(2) bestehen. Um diesen Zusammenhang herzustellen, unterteilen wir die Erzeuger der Lorentz-Gruppe in solche mit zeitartigen Anteil, ˆ 0k = K ˆk , L und ersetzen die r¨aumlichen Komponenten durch die zugeh¨ origen Drehimpulsoperatoren ˆ k = 1 klm L ˆ lm . L 2 Es l¨ asst sich dann leicht zeigen, dass die so eingef¨ uhrten Operatoren der Algebra ˆm , ˆ l ] = −iklm L ˆ k, K [K ˆm , ˆk, K ˆ l ] = iklm K [L ˆm ˆk, L ˆ l ] = iklm L [L
(E.51)
gen¨ ugen. Diese Algebra unterscheidet sich von der der Gruppe SO(4) nur durch das Vorzeichen auf der rechten Seite der ersten Gleichung. Die letzte Beziehung ist die gew¨ ohnliche Kommutationsbeziehung f¨ ur Drehimpulsoperatoren. Die beiden ersten
E.9 Minimale Darstellung d. Lorentz-Transform. durch die Gruppe SL( )
515
Gleichungen verkoppeln die r¨aumlichen und zeitlichen Komponenten der Generatoren ˆ i erzeugen einen sogenannten Lorentz-Boost der Lorentz-Gruppe. Die Operatoren K (d.h. eine Lorentz-Transformation, die Raum- und Zeitkoordinaten mischt, siehe Gl. ˆ i die gew¨ohnlichen Drehimpulsoperatoren des dreidimensionalen (30.2)), w¨ ahrend die L Raumes sind. Da die Generatoren K i der Boost-Transformationen keine abgeschlossene Algebra bilden (d.h. bez¨ uglich Kommutation nicht abgeschlossen sind), siehe Gl. (E.51), bilden die Boosts keine Untergruppe der Lorentz-Transformationen. Vielmehr zeigt Gl. (E.51), dass eine Folge zweier Boosts eine Drehung enth¨ alt. F¨ uhren wir schließlich die Linearkombinationen 1 ˆk k ˆk = L ± iK Iˆ(±) 2 ein, so zerf¨ allt die obige Algebra der Lorentz-Gruppe in zwei unabh¨ angige SU(2)Algebren: k l [Iˆ(+) , Iˆ(−) ] = ˆ0 , k l m [Iˆ(±) , Iˆ(±) ] = iklm Iˆ(±) .
Damit lassen sich s¨amtliche Darstellungen der Lorentz-Gruppe aus zwei irreduziblen SU(2)-Darstellungen aufbauen. Die Quantenzahlen j (±) der zugeh¨ origen Casimiroperatoren I 2(±) 2 I(±) : 2 j(±) j(±) + 1 k¨onnen die Werte j(±) = 0, 12 , 1, 32 , . . . annehmen. Wenn j(+) , j(−) halbzahlig ist, besitzen die resultierenden Darstellungen der Lorentz-Gruppe Spinor-Charakter, d.h. beschreiben Teilchen mit halbzahligen Spin (Fermionen). Im alternativen Fall beschreiben sie Teilchen mit ganzzahligen Spin (Bosonen).
E.9
Minimale Darstellung der Lorentz-Transformationen durch die Gruppe SL(2, )
Bekanntlich werden Drehungen im dreidimensionalen Raum durch dreidimensionale orthogonale Matrizen mit Determinante 1 beschrieben und die Gesamtheit der Drehungen bildet die Gruppe SO(3). Die Darstellungen dieser Gruppe besitzen ungerade Dimension (2l+1) und erlauben nur die Beschreibung von ganzzahligen Drehimpulsen l. Halbzahlige Drehimpulse werden durch Darstellungen der SU(2) beschrieben, die dieselbe Algebra ¨ wie die SO(3) besitzt und als universelle Uberlagerungsgruppe (oder kleinste getreue Abbildung ihrer Algebra) bezeichnet wird. Zwischen diesen beiden Gruppen besteht ein Homomorphismus mit Kern Z(2) = {−e, e}, d.h. es existiert der Zusammenhang (Isomorphismus) SU(2)/Z(2) SO(3) .
(E.52)
516
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
Im Gegensatz zur SO(3) ist die Gruppe SU(2) einfach zusammenh¨angend. Dies bedeuur SU(2)) topotet, dass jede geschlossene Kurve in der Gruppenmannigfaltigkeit (S 3 f¨ ¨ logisch trivial ist, d.h. sich stetig auf einen Punkt zusammenziehen l¨ asst. Ahnlich besitzt ↑ ¨ die zusammenh¨angende Komponente L+ der Lorentz-Gruppe als universelle Uberlagerungsgruppe die SL(2, ), die spezielle lineare“ Gruppe der komplexen (2×2)-Matrizen ” mit Determinante 1. Um dies zu sehen, stellen wir den Vierer-Vektor xμ als hermitesche (2 × 2)-Matrix dar: 0 x + x3 x1 − ix2 0 X =x +x·σ = , (E.53) x1 + ix2 x0 − x3 wobei σ k=1,2,3 die Pauli-Matrizen sind. Offenbar gilt: det(X) = (x0 )2 − x2 = xμ xμ = x2 . asst sich durch die Eine Lorentz-Transformation Λμν (E.41) des Vierer-Vektors xμ l¨ lineare Transformation der Matrix (E.53) X → X = L(Λ)XL† (Λ)
(E.54)
beschreiben, wobei L(Λ) eine zweidimensionale Darstellung der Lorentz-Gruppe3 ist. Die Invarianz der L¨ange des Vierer-Vektors xμ verlangt, dass: !
det(X ) = det(X)| det(L(Λ))|2 = det(X) , d.h. | det L(Λ)| = 1 . Da eine globale Phase der Matrix L(Λ) aus dem transformierten Vierer-Vektor X (E.54) herausf¨ allt, k¨ onnen wir uns o.B.d.A. auf Matrizen mit det L(Λ) = 1 beschr¨ anken. Die komplexen (2 × 2)-Matrizen L mit det L = 1 bilden aber gerade die Gruppe SL(2,). Um den Zusammenhang zwischen der 4-dimensionalen Matrix Λμ ν der Lorentz-Transformation (E.41) und der in Gl. (E.54) definierten zugeh¨ origen Matrix L(Λ) ∈ SL (2, ) herzustellen, f¨ uhren wir zun¨achst die Vierer-Vektoren σ μ = σ 0 , σ 1 , σ 2 , σ 3 ≡ ( , σ) , 0 1 2 3 σ ˜μ = σ ˜ ,σ ˜ ,σ ˜ ,σ ˜ = ( , −σ) ein, mit deren Hilfe sich die Matrix X (E.53) als Skalarprodukt im Minkowski-Raum ˜μ X = X μσ
(E.55)
3 Man beachte, dass bei dieser Transformation die Hermitezit¨ at erhalten bleiben muss, d.h. X muss wie X hermitesch sein.
E.9 Minimale Darstellung d. Lorentz-Transform. durch die Gruppe SL( )
517
schreiben l¨ asst. Wegen Sp(σμ σ ˜ν ) = 2gμν
bzw.
Sp (σ μ σ ˜ν ) = 2δ μ ν
erhalten wir xμ =
1 Sp (σ μ X) . 2
Unter Benutzung dieser Beziehung liefert Einsetzen von (E.55) in Gl. (E.54) Multiplikation mit σ μ und Bildung der Spur nach Vergleich mit (E.41) den gesuchten Zusammenhang Λ(L)μ ν =
1 μ Sp σ L˜ σν L† , . 2
(E.56)
Hieraus folgt unmittelbar Λ0 0 =
1 † Sp LL . 2
(E.57)
Jede komplexe (2 × 2)-Matrix L l¨asst sich in der Form (vgl. (E.55)) L = z 0½ + z · σ = z μσ ˜μ
(E.58)
mit komplexen z μ schreiben. Ihre Determinante ist dann durch det L = z02 − z 2 gegeben. F¨ ur die L(Λ) ∈ SL (2, ) gilt dann z02 − z 2 = 1 .
(E.59)
Mit der Darstellung (E.58) finden wir 1 Sp L(Λ)L† (Λ) = |z0 |2 + z ∗ · z > 0 2 und somit aus (E.57) sig (Λ0 0 ) = 1 . Unter Benutzung von (E.58) mit (E.59) und den Eigenschaften der Pauli-Matrizen zeigt man leicht aus (E.56) det Λ(L) = 1 . Somit geh¨ oren die durch die Matrizen L ∈ SL (2, ) generierten Lorentz-Transformationen Λ(L) zur eigentlichen orthochronen Lorentz-Gruppe L↑+ . Da mit L ∈ SL (2, ) ur Λ(L)μ ν (E.56) irrelevant ist, d.h. auch (−L) ∈ SL(2, ), das Vorzeichen von L aber f¨
518
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie Λ(−L)μ ν = Λ(L)μ ν ,
gilt der Zusammenhang SL (2, )/Z(2) = L↑+ analog zur Beziehung (E.52) zwischen SU(2) und SO(3). Als illustratives Beispiel w¨ahlen wir L = U als unit¨ are Matrix U mit det U = 1. Wegen U † U = 1 erhalten wir aus (E.56) unmittelbar Λ(U )0 0 = 1 ,
Λ(U )0 i = Λ(U )i 0 = 0
und ferner Λ(U )i j =
1 Sp σi U σj U † . 2
Nach Gl. (E.37) ist dies aber gerade die SU(2)-Darstellung der Drehmatrix Rij ∈ SO (3). Die zu L = U ∈ SU(2) geh¨orige Lorentz-Transformation ist somit eine Drehung im 3 .
Ê
E.10
Die Poincar´e-Gruppe
E.10.1
Definition und Casimir-Operatoren
Die Poincar´e-Transformationen xμ → xμ = Λμν xν + aμ enthalten neben den Lorentz-Transformationen noch die (linearen) Translationen. Wie bereits aus der nichtrelativistischen Quantenmechanik bekannt, sind die Erzeuger der Translationen die Impulse, d.h. im Minkowski-Raum der Vierer-Impuls pˆμ = i∂μ . Die Gesamtheit der Poincar´e-Transformationen bilden ebenfalls eine Gruppe, die Poincar´e-Gruppe. Sie ist ebenfalls eine Lie-Gruppe, die von den Generatoren der Lorentzˆ μν und den Impulsen pˆμ erzeugt wird. Die zugeh¨ orige Poincar´e-Algebra enth¨ alt Gruppe L neben der Lorentz-Algebra (E.44) noch die Kommutationsbeziehungen ˆ μν , pˆρ ] = i(gνρ pˆμ − gμρ pˆν ) , [L [ˆ pμ , pˆν ] = ˆ0 . Die erste dieser beiden Gleichungen zeigt, dass der Impuls selbst ein Lorentz-Vektor ist, d.h. sich wie ein Vierer-Vektor unter Lorentz-Transformationen verh¨ alt, siehe Gl. (E.48).
E.10 Die Poincar´e-Gruppe
519
Die Poincar´e-Gruppe besitzt zwei Casimir-Operatoren: 1) pˆ2 = pˆμ pˆμ Diese Gr¨ oße ist ein Casimir-Operator, da pˆ2 ein Skalar unter Lorentz-Transformationen ist, d.h. ˆ μν ] = ˆ0 , [ˆ p2 , L was unmittelbar aus der Poincar´e-Algebra folgt. Ferner kommutieren die Impulse untereinander. Damit kommutiert pˆ2 mit allen Erzeugern der Poincar´e-Gruppe. ˆμ ˆ μW ˆ2=W 2) W Hierbei ist ˆ μ = 1 μνκλ pˆν L ˆ κλ W 2 der Pauli-Lubanski-Vektor. (Streng genommen ist diese Gr¨ oße ein Pseudovektor wegen der Anwesenheit des total antisymmetrischen Tensors vierter Stufe μνκλ , der sich unter Raumspiegelungen wie ein Pseudoskalar verh¨ alt.) Aus der Definition des Pauli-Lubanski-Vektors folgt unmittelbar: ˆ μ = ˆ0 . pˆμ W Alle physikalischen Teilchenzust¨ande lassen sich nach den Eigenwerten dieser zwei Casimir-Operatoren klassifizieren.
Bemerkung Der gew¨ ohnliche Spinoperator S 2 ist kein Casimir-Operator der LorentzGruppe. Dies ist intuitiv klar, da bei einem Lorentz-Boost eines Teilchens Zeit- und Raumkoordinaten gemischt werden, und so die Definition eines Drehimpulses ihren Sinn verliert.
E.10.2
Physikalische Bedeutung der Casimir-Operatoren
Wie bereits aus der relativistischen Kinematik einer Punktmasse bekannt ist, ist das Quadrat des Vierer-Impulses durch die Ruhemasse des Teilchens gegeben: p2 = (mc)2 .
520
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
Die Ruhemasse m legt den Eigenwert des Casimir-Operators pˆ2 fest und charakterisiert somit die Darstellungen der Poincar´e-Gruppe. Im Ruhesystem des Teilchens , pμ = (mc, 0) , nimmt der Pauli-Lubanski-Vektor die Gestalt ˆ 0 = ˆ0 , W
ˆ jk ˆ i = − 1 mijk0 L W 2
an. Beachten wir, dass ijk0 = ijk , und f¨ uhren in diesem Ruhesystem die gew¨ohnlichen Drehimpulsoperatoren 1 ˆ jk Jˆi = ijk L 2 ein, so nimmt der Pauli-Lubanski-Vektor im Ruhesystem also die Gestalt ˆ μ = (ˆ0, W ˆ ), W
ˆ = −mJˆ W
an. Sein r¨ aumlicher Anteil repr¨asentiert (bis auf einen Proportionalit¨ atsfaktor) somit den Drehimpuls im Ruhesystem des Teilchens, der als Spin bezeichnet wird. (Im Ruhesystem kann das Teilchen keinen Bahndrehimpuls besitzen.) F¨ ur das Quadrat dieses Vektors erhalten wir daher: ˆμ=W ˆ μW ˆ 2 = m2 Jˆ2 = m2 2 s(s + 1)ˆ ˆ 2 = −W 1, 1 ≡ −W 2 ˆ −W wobei wir die Quantenzahl des Quadrates des inneren Drehimpulses mit s bezeichnet haben. F¨ ur masselose Teilchen mit Impuls p (d.h. f¨ ur Teilchen, die sich in einem ViererImpulseigenzustand |p befinden) haben wir offenbar: Wμ W μ = 0 ,
Wμ pμ = 0 ,
pμ pμ = 0 .
Diese drei Gleichungen k¨onnen nur dann gleichzeitig erf¨ ullt sein, wenn ein linearer Zusammenhang zwischen Wμ und pμ besteht, wie wir im Folgenden zeigen. Ohne Beschr¨ ankung der Allgemeinheit gilt: W = hp + gW⊥ , wobei W⊥ der Anteil von W ist, der senkrecht auf p steht, d.h. p · W⊥ = 0 , und h und g zun¨achst beliebige reelle Zahlen sind. Aus W 2 = 0 folgt: W02 = W 2 = h2 p2 + g 2 W⊥2 ,
(E.60)
E.10 Die Poincar´e-Gruppe
521
aus p2 = 0 folgt: p20 = p2
(E.61)
und aus pW = 0 folgt: p0 W0 = p · W = hp2 . Einsetzen von (E.61) liefert: p0 W0 = hp20
⇒
W0 = hp0 .
(E.62)
Aus (E.60), (E.61) und (E.62) folgt g = 0 und somit: W = hp . Damit gilt der lineare Zusammenhang Wμ = hpμ . Die hier auftretende Gr¨oße h wird als Helizit¨at bezeichnet. Nehmen wir diese Beziehung f¨ ur μ = 0 und benutzen die Definition des Pauli-Lubanski-Vektors 1 0νκλ ˆ pν Lκλ 2 1 = − ijk pi Ljk = −pi J i = pi J i = p · J 2
W0 =
und beachten ferner, dass f¨ ur ein masseloses Teilchen die Beziehung p0 = |p| besteht, so finden wir f¨ ur die Helizit¨at: h=
J ·p . |p|
Unter Parit¨ atstransformationen (Raumspiegelungen) ¨ andert die Helizit¨ at offenbar ihr Vorzeichen, h → −h, da der Impuls als Vektor sein Vorzeichen ¨ andert, pμ → −pμ , w¨ahrend der Pauli-Lubanski-Pseudo-Vektor sich nicht ver¨ andert, Wμ → Wμ . Masselose Teilchen besitzen daher zwei Helizit¨atszust¨ande, in denen der Pauli-Lubanski-Vektor W μ parallel oder antiparallel zum Vierer-Impuls pμ ausgerichtet ist. Damit kann die Helizit¨ at f¨ ur jeden Wert des Spins nur zwei verschiedene Werte ±|h| annehmen. S¨amtliche physikalische Teilchen sind durch irreduzible Darstellungen der Poincar´eGruppe charakterisiert und m¨ ussen sich deshalb durch die Eigenwerte der beiden Casimir-Operatoren, d.h. durch die Masse und den Spin im Ruhesystem des Teilchens ausdr¨ ucken lassen. Die Poincar´e-Gruppe besitzt die in Tabelle E.2 angegebenen irreduziblen Darstellungen. In der Natur sind nur die ersten beiden Darstellungen realisiert, d.h. massive und masselose Teilchen mit ganzzahligen bzw. halbzahligen Spin, wobei keine Teilchen existieren, die sowohl spinlos als auch masselos sind. Bemerkenswert ist, dass die Poincar´e-Gruppe f¨ ur masselose Teilchen auch eine Darstellung mit kontinuierlichen Spinwerten besitzt. ¨ Die Darstellung mit p2 < 0 repr¨asentiert hypothetische Teilchen, die sich mit Uberlichtgeschwindigkeit bewegen und als Tachyonen bezeichnet werden.
522
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie p2 (Massen)
Spin s
Teilchenzust¨ ande
p 2 = m2 > 0
0, 12 , 1, 32 , . . .
|ms
p2 = 0
1 3 2 , 1, 2 , . . .
| ± s
p2 = 0
kontinuierlich
—
p2 < 0
—
Tachyonen
Tabelle E.2: Darstellungen der Poincar´e-Gruppe
E.11
Spinoren
Die bisher von uns betrachteten Darstellungen werden als Tensordarstellungen bezeichnet. Unter Tensoren versteht man bekanntlich Objekte, die sich wie Produkte von Vektoren unter Koordinatentransformationen bzw. Drehungen transformieren. Als Beispiel betrachten wir die Drehgruppe im dreidimensionalen Raum SO(3). Diese Gruppe besitzt eine Darstellung im Hilbert-Raum, die durch die Matrixelemente des Drehoperaˆ tors R(ω) gegeben ist, siehe Gl. (E.23). Letzterer wird durch die Drehimpulsoperatoren erzeugt. (Die Drehimpulse Li sind bekanntlich die Erzeuger der Drehgruppe in drei Dimensionen.) F¨ ur ein spinloses Teilchen bilden die Drehimpulseigenzust¨ ande |lm eine vollst¨ andige Basis im Hilbert-Raum. Aus den Hilbert-Vektoren |lm k¨ onnen wir Produktzust¨ ande |l1 m1 (1) |l2 m2 (2) formen, die als Produkte von Vektoren einen Tensor bilden. Diese Tensoren sind jedoch i.A. reduzibel. Wir k¨ onnen leicht zu irreduziblen Tensoren u ¨ bergehen, indem wir das Produkt der Vektoren zu einem Vektor mit gutem Gesamtdrehimpuls koppeln: (l1 m1 l2 m2 |lm)|l1 m1 (1) |l2 m2 (2) . |lm = m1 ,m2 (m1 +m2 =m)
Die hier auftretenden Koeffizienten sind die bekannten Clebsh-Gordan-Koeffizienten. W¨ ahrend die Matrixelemente des Drehoperators in der Produktbasis (1)
(1) ˆ l1 m1 |(2) l2 m2 |R(ω)|l |l2 m2 (2) 1 m1
eine reduzible Darstellung der Drehgruppe SO(3) bildet, liefern die Matrixelemente ˆ des Drehoperators R(ω) in der gekoppelten Basis |lm eine irreduzible Darstellung, die durch die Quantenzahl l charakterisiert wird. Neben diesen Tensordarstellungen, die durch Produkte von Vektoren aufgespannt werden, gibt es sogenannte SpinorDarstellungen, die sich nicht auf Produkte von Vektoren zur¨ uckf¨ uhren lassen.
E.11.1
Spinor-Darstellung der O(N )
Die Spinor-Darstellung der Drehgruppen werden durch sogenannte Clifford-Zahlen erzeugt. Dies sind Objekte Γk , die der Clifford-Algebra gen¨ ugen, die durch
E.11 Spinoren
523
{Γk , Γl } = 2δkl ,
k, l = 1, 2, ..., N
(E.63)
definiert ist, wobei {A, B} = AB+BA der Antikommutator ist. Mit Hilfe dieser CliffordZahlen l¨ asst sich die Lie-Algebra der O(N ) realisieren, indem wir die Erzeuger (E.2) Gkl der Gruppe in der Form (Gkl = −iΣkl ) Σkl =
1 [Γk , Γl ] 2
w¨ahlen. Unter Benutzung der Clifford-Algebra zeigt man in der Tat leicht, dass die so ugen (vgl. (E.12)) definierten Objekte Σkl der Lie-Algebra der O(N )-Gruppe gen¨ [Σkl , Σmn ] = −(δkm Σln − δlm Σkn − δkn Σlm + δln Σkm ) . Die Clifford-Zahlen sind zun¨achst abstrakt durch ihre Algebra definiert. Diese ist ausreichend, um zu gew¨ahrleisten, dass die oben eingef¨ uhrten Objekte Σkl die Lie-Algebra der O(N )-Gruppe aufspannen und somit eine Realisierung der Erzeuger sind. F¨ ur praktische Rechnungen ist es jedoch vorteilhaft, explizite Darstellungen der Clifford-Zahlen zu besitzen. F¨ ur eine gerade Anzahl von Dimensionen N lassen sich die Clifford-Zahlen ur die Spinor-Darstellung der durch 2N/2 -dimensionale komplexe Matrizen realisieren. F¨ O(4) sind die Clifford-Zahlen durch die Dirac-Matrizen (30.41) des euklidischen Raumes gegeben. Aus der Matrixdarstellung der N -dimensionalen Clifford-Algebra l¨ asst sich leicht die der (N + 1)-dimensionale Algebra gewinnen, indem man zu den bereits vorhandenen N Clifford-Zahlen als neues Element das Produkt ΓN +1 = Γ1 Γ2 . . . ΓN
(E.64)
einf¨ uhrt. Man zeigt leicht, dass es die Eigenschaften {ΓN +1 , Γk } = 0 , {ΓN +1 , ΓN +1 } = 2
k = 1, 2, . . . , N ,
besitzt. Die so definierten Objekte {Γ1 , . . . ΓN , ΓN +1 } erf¨ ullen dann die (N + 1)-dimensionale Clifford-Algebra. Aus der oben angegebenen Konstruktion der (N + 1)-dimensionalen Clifford-Algebra aus der N -dimensionalen folgt, dass die Matrix-Darstellung der N - und (N + 1)dimensionalen Clifford-Algebra dieselbe Dimension besitzt, wenn N gerade ist. In N gerade Dimensionen existiert neben den N Clifford-Zahlen Γk=1,...,N noch die zus¨ atzliche Clifford-Zahl ΓN +1 (E.64), welche nicht Bestandteil der Clifford-Algebra (E.63)
524
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
ist und mit den sogenannten chiralen Eigenschaften der Fermionen verbunden ist. In (N +1)-Dimensionen mit geradem N ist hingegen ΓN +1 bereits Bestandteil der CliffordAlgebra. Unter Ausnutzung der Clifford-Algebra (E.63) zeigt man unmittelbar, dass eine zu (E.64) analoge Konstruktion ΓN +2 = Γ1 Γ2 . . . ΓN ΓN +1 = (ΓN +1 )2 =ΓN +1
wegen (Γk )2 = 1 auf analoge Konstruktion ΓN +2 = 1 f¨ uhrt und somit keine neue Clifford-Zahl liefert. Daher existiert in ungeraden Dimensionen N kein ΓN +1 . Im n¨ achsten Abschnitt werden wir sehen, dass f¨ ur N = 4 bzw. f¨ ur die (f¨ ur den Minkowski-Raum relevante) Lorentz-Gruppe O(3,1) die Clifford-Zahlen durch DiracMatrizen γ μ realisiert werden. Mit Hilfe der Spinor-Darstellung der Generatoren der orthogonalen Gruppe O(N ) k¨ onnen wir in analoger Weise wie f¨ ur Tensor-Darstellungen eine Spinor-Darstellung der Drehgruppe erhalten: analoge Konstruktion 1
R(ω) = e− 2 ωkl Σkl ,
Σkl =
1 [Γk , Γl ] . 2
Unter Benutzung der Clifford-Algebra l¨asst sich nun zeigen, dass die Clifford-Zahlen selbst sich unter einer O(N )-Transformation wie analoge Konstruktion R(ω)Γk R−1 (ω) = R−1 (ω) kl Γl transformieren. Hierbei ist analoge Konstruktion 1
R(ω) = e− 2 ωkl Mkl die bereits fr¨ uher eingef¨ uhrte orthogonale Matrix (E.14), wobei die Mkl die antisymmetrischen N -dimensionalen Basismatrizen (E.11) sind. Diese Matrizen definieren gerade die fundamentale Darstellung der Drehgruppe O(N ). Abschließend sei bemerkt, dass die Spinor-Darstellung der Gruppe O(N ) reduzibel ist. Sie l¨ asst sich in zwei irreduzible Darstellungen durch Einf¨ uhrung der Projektoren analoge Konstruktion P (R/L) =
1 (1 ± ΓN +1 ) 2
zerlegen. Diese Objekte erf¨ ullen die Beziehungen
P (L/R)
2
= P (L/R) ,
P (R) P (L) = 0 ,
P (R) + P (L) = 1
E.11 Spinoren
525
und sind deshalb orthogonale Projektoren. Die Generatoren sind in diesen beiden irreduziblen Darstellungen dann durch (R/L)
Σkl
= P (R/L) Σkl
gegeben. Wenn die entsprechende Zerlegung der Spinor-Darstellung auf die Lorentz-Gruppe O(3,1) angewandt wird, geh¨oren die zugeh¨origen beiden irreduziblen Darstellungen zu den rechts- und linksh¨andigen Weyl-Darstellungen der Spinoren. Diese beschreiben masselose Fermionen. (Die zur Flavour-Familie der Elektronen geh¨ origen Neutrinos lassen sich n¨ aherungsweise als masselos betrachten.) Eine der fundamentalen Forderungen der Quantenfeldtheorie ist, dass s¨ amtliche Felder sich wie irreduzible Darstellungen der Lorentz- und Poincar´e-Gruppe (und dar¨ uber hinaus gegebenenfalls als Darstellung einiger innerer Symmetriegruppen) transformieren.
E.11.2
Spinor-Darstellung der Lorentz-Gruppe
In Abschnitt E.11.1 hatten wir die Spinor-Darstellung der orthogonalen Gruppe O(N ) kennengelernt. Die Lorentz-Gruppe O(3,1) entsteht, wie wir gesehen hatten, durch analytische Fortsetzung aus der orthogonalen Gruppe O(4) und repr¨ asentiert die Drehgruppe“ im pseudo-euklidischen Minkowski-Raum mit der Metrik g μν = ” diag(1, −1, −1, −1). Analog zum Euklidischen Raum (E.63) f¨ uhren wir deshalb Clifford-Zahlen γ μ ein, welche μν der Clifford-Algebra mit der Metrik g gen¨ ugen: {γ μ , γ ν } = 2g μν . In analoger Weise zu den orthogonalen Gruppen k¨ onnen wir die Spinor-Darstellung der Lorentz-Gruppe gewinnen. Dazu bemerken wir, dass die Gr¨ oßen 21 σ μν mit σ μν =
i μ ν [γ , γ ] 2
ˆ μν (die verallgemeinerten Drehdieselbe Algebra wie die Erzeuger der Lorentz-Gruppe L impulse) erf¨ ullen und deshalb die Clifford-Darstellung der Erzeuger der Lorentz-Gruppe repr¨ asentieren. Die Spinor-Darstellung der Lorentz-Gruppe ist deshalb durch i
R(ω) = e− 2 ωμν σ
μν
gegeben, wobei die ωμν = −ωνμ verallgemeinerte Winkel sind, die von der Lorentzangen. Aus der Definition der Spinor-Darstellung der Lorentz-Gruppe Matrix Λμν abh¨ l¨asst sich sofort die Beziehung μ R−1 (ω)γ μ R(ω) = Λ−1 (ω) ν γ ν beweisen, die das Transformationsverhalten der Dirac-Matrizen unter Lorentz-Transformationen angibt. Zum Beweis benutzt man die Beziehung [γ μ , σκλ ] = i(δκμ γλ − δλμ γκ ) , welche zeigt, dass die Dirac-Matrizen sich unter der Spinor-Darstellung der LorentzGruppe wie Vierer-Vektoren des Minkowski-Raumes transformieren, siehe Gl. (E.48).
526
E.12
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
Die Algebra einfacher und halbeinfacher Lie-Gruppen
In Abschnitt E.1 wurden die einfachen Gruppen als solche definiert, die keine echten Normalteiler (oder invariante Untergruppen) besitzen. (Unter einem echten Normalteiler versteht man nur solche Normalteiler, die nicht aus der gesamten Gruppe oder nur aus dem neutralen Element bestehen.) Abweichend von der in Abschnitt E.1 gegebenen allgemein in der Gruppentheorie u ¨ blichen Definition einer einfachen Gruppe bezeichnet man eine Lie-Gruppe als einfach, wenn alle ihre echten Normalteiler diskrete Untergruppen sind. So ist z.B. die Gruppe SU(2), die den Normalteiler Z(2) = {½, −½} besitzt, einfach im Sinne der Theorie der Lie-Gruppen, nicht jedoch einfach im Sinne der allgemeinen Gruppentheorie. Demgegen¨ uber ist die Gruppe SO(3) = SU(2)/Z(2) auch einfach im allgemeinen Sinn. Die einfachen Lie-Gruppen lassen sich auf ¨aquivalente Weise auch durch die Eigenschaften ihrer zugrunde liegenden Algebra definieren: Eine invariante Unteralgebra besteht aus Generatoren, deren Kommutator mit einem beliebigen Element der Lie-Algebra sich als Linearkombination der Generatoren der invarianten Unteralgebra ausdr¨ ucken l¨asst. Die Generatoren der invarianten Unteralgebra erzeugen eine invariante Untergruppe. Falls eine Lie-Algebra keine invariante Unteralgebra besitzt, wird sie als einfach bezeichnet und die zugeh¨ orige Gruppe als einfache Lie-Gruppe. Lie-Algebren ohne abelsche invariante Unteralgebra werden als halbeinfach bezeichnet. Jede halbeinfache Lie-Algebra l¨asst sich als direkte Summe von einfachen Lie-Algebren schreiben. Es gen¨ ugt deshalb, einfache Lie-Gruppen zu untersuchen. Im Folgenden werden wir allgemeine Eigenschaften der Algebren einfacher Lie-Gruppen ¨ kennenlernen. Zur Motivation dieser Uberlegungen betrachten wir zun¨ achst die Drehgruppe. Die Generatoren der Drehgruppe SO(3) sind die Drehimpulsoperatoren # Lk=1,2,3 , " aus denen der Casimir-Operator L2 gebildet werden kann. Wegen Li , L2 = 0 kann eine Eigenbasis von L2 gew¨ahlt werden, siehe Gl. (16.25) L2 |lm = 2 l(l + 1)|lm , in der einer der Drehimpulsoperatoren diagonal ist. Gew¨ ohnlich wird dieser als L3 gew¨ ahlt L3 |lm = m|lm . Die beiden u ¨ brigen Generatoren lassen sich zu Leiteroperatoren L± = L1 ± iL2 zusammenfassen, die die Quantenzahl des diagonalen Generators um eine Einheit vergr¨ oßern bzw. verringern, siehe Gl. (16.22) & L± |lm = (l ± m + 1)(l ∓ m)|lm ± 1 und mit dem diagonalen Generator die Kommutationsbeziehungen (16.15), (16.16) [L3 , L± ] = ±L± [L+ , L− ] = 2L3
E.12 Die Algebra einfacher und halbeinfacher Lie-Gruppen
527
erf¨ ullen, die ¨ aquivalent zur Drehimpulsalgebra, Gl. (16.7) sind. Diese Betrachtungen lassen sich auf beliebige einfache bzw. halbeinfache Lie-Gruppen erweitern. Die Generatoren der Lie-Algebra Ga , siehe Gl. (E.2), lassen sich unterteilen in solche, die gleichzeitig diagonalisierbar sind (und somit miteinander kommutieren), Hk , und Leiteroperatoren Eα . Erstere erzeugen die Cartan-Untergruppe. Die Hk bzw. die Eα sind im Allgemeinen Linearkombinationen der urspr¨ unglich gew¨ ahlten Generatoren Ga .
E.12.1
Gewichte und Wurzeln
Die Generatoren der Cartan-Untergruppe kommutieren s¨ amtlich miteinander, siehe Gl. (E.5) und k¨ onnen deshalb gleichzeitig diagonalisiert werden. Somit existiert eine Basis des Darstellungsraumes, in der s¨amtliche Cartan-Generatoren diagonal sind Hk |μ = μk |μ .
(E.65)
Dies gilt f¨ ur jede Darstellung der Generatoren. Die Eigenwerte μk werden als Gewichte bezeichnet und zum Gewichtsvektor μ = (μ1 , μ2 , . . . , μr ) zusammengefasst, wobei r der Rang der Gruppe ist, siehe Abschnitt E.2. Gew¨ ohnlich besitzt eine Lie-Algebra mehrere Gewichtsvektoren, die wir durch einen Superskript i“ ” unterscheiden (i) (i) , μ(i) = μ1 , μ2 , . . . , μ(i) r den wir jedoch immer weglassen werden, wenn er nicht f¨ ur das Verst¨ andnis notwendig ist. Da die Lie-Algebra (E.2) nichtlinear in den Generatoren ist, legen die Strukturkonstanten fklm bereits die Normierung der Generatoren Sp (Hk Hl ) = δkl kD
(E.66)
und somit die Betr¨age der Eigenwerte, d.h. der Gewichte μk fest. Hierbei ist kD eine positive reelle Zahl, die von der Darstellung D, nicht jedoch von den Indizes k, l abh¨ angt.4 ˆ k , die wir im Folgenden mit einem ˆ “ Die Gewichte in der adjungierten Darstellung H ” kennzeichnen, werden Wurzeln genannt und gew¨ ohnlich mit αk bezeichnet ˆ k |α = αk |α . H 4 Eine Anderung ¨ der Normierung der Generatoren bringt somit eine Umnormierung der Strukturkonstanten mit sich.
528
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
Sie bilden die Wurzelvektoren (i) (i) , α(i) = α1 , α2 , . . . , α(i) r von denen es i.A. wieder mehrere gibt, i = 1, 2, . . . . Da die adjungierte Darstellung dieselbe Dimension besitzt wie die Lie-Algebra (d.h. in der adjungierten Darstellung sind die Generatoren durch quadratische Matrizen der onnen wir die BasisDimension M gegeben, wobei M die Zahl der Generatoren Gk ist), k¨ ˆ a selbst charakterisiert zust¨ ande der adjungierten Darstellung durch die Generatoren G werden, indem wir definieren ˆ a |G ˆ b = |[G ˆa, G ˆ b ] = fabc |G ˆc . G
(E.67)
ˆ a |G ˆ b ebenfalls in ˆ a eine Lie-Algebra bilden, liegt der Zustand G Da die Generatoren G ˆ c aufgespannt wird. Aus Gl. (E.67) folgt unmittelbar, dem Vektorraum, der durch die |G ˆ k , die zu den Generatoren der Cartan-Algebra H ˆk dass die Wurzeln der Zust¨ande |H geh¨ oren, verschwinden ˆ k |H ˆ l = |[H ˆk, H ˆ l ] = 0 . H
(E.68)
Umgekehrt gilt auch: Falls ein Zustand den Wurzelvektor 0 besitzt, geh¨ ort der zugeh¨ orige Generator zur Cartan-Unteralgebra. Die u ande |Eˆα der Cartan¨ brigen Eigenzust¨ ˆ k besitzt von Null verschiedene Wurzeln Generatoren H ˆ k |E ˆα = αk |E ˆα . H Wegen Gl. (E.67) ist diese Beziehung ¨aquivalent zur Kommutatorrelation [Hk , Eα ] = αk Eα .
(E.69)
Zusammen mit [Hk , Hl ] = 0 definieren diese Beziehungen die Lie-Algebra (E.2). Da die Algebra der Gruppe unabh¨angig von der Darstellung der Generatoren ist, gilt diese Beziehung f¨ ur s¨amtliche Darstellungen der Gruppe (außer nat¨ urlich der trivialen Darstellung). Die Generatoren Eα sind (im Gegensatz zu den Hk ) nicht hermitesch. In der Tat durch Bildung des hermitesch adjungierten von Gl. (E.69) finden wir [Hk , Eα† ] = −αk Eα† .
(E.70)
E.12 Die Algebra einfacher und halbeinfacher Lie-Gruppen
529
Vergleich mit Gl. (E.69) liefert folglich ˆ† = E ˆ−α . E α
Die Wurzeln treten deshalb stets in Paaren (α, −α) auf. Multiplizieren wir Gl. (E.69) mit Hk , benutzen die zyklische Eigenschaft der Spur und [Hk , Hl ] = 0, so finden wir Sp(Hk Eα ) = 0 f¨ ur alle k und alle α. Es ist nun leicht zu sehen, dass die E±α in der Tat als Leiteroperatoren wirken. Mit Gl. (E.69), (E.70) finden wir aus der Eigenwertgleichung (E.65) in einer beliebigen Darstellung der Gruppe Hk (E±α |μ) = ([Hk , E±α ] + E±α Hk ) |μ = (μk ± αk ) E±α |μ . F¨ ur die adjungierte Darstellung, in der |α = |Eˆα , erhalten wir hieraus ˆkE ˆα |E ˆ−α = (αk − αk ) E ˆ α |E ˆα . H Da in der adjungierten Darstellung andererseits nach Gl. (E.67) % $ ˆα |Eˆ−α = H ˆk E ˆ k | Eˆα , E ˆ−α =! 0 H gilt, folgt mit Gl. (E.68), das [Eα , E−α ] eine Linearkombination der Hk ist, d.h. es muss gelten [Eα , E−α ] = ck Hk ,
(E.71)
achst noch unbestimmte Koeffizienten sind, die von der Normierung wobei die ck zun¨ der E±α abh¨ angen. Da Eα† Eα = E−α Eα eine hermitesche Matrix ist und folglich ihre Eigenwerte reell sind, k¨onnen wir die Eα auf Sp Eα† Eα = Sp (E−α Eα ) = kD (E.72) uhrte reelle Zahl ist, die von der normieren, wobei kD die bereits in Gl. (E.66) eingef¨ Darstellung der Erzeuger abh¨angt. Nach Multiplikation von Gl. (E.71) mit Hl und Spurbildung erhalten wir unter Benutzung von Gl. (E.69) und Gl. (E.72) f¨ ur die linke Seite Sp (Hl [Eα , E−α ]) = Sp ([Hl , Eα ]E−α ) = αl Sp (Eα E−α ) = αl kD , w¨ahrend wir f¨ ur die rechte Seite mit Gl. (E.66) Sp(Hl ck Hk ) = ck Sp(Hl Hk ) = cl kD
530
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie
erhalten. Folglich finden wir ck = αk und somit aus Gl. (E.71) [Eα , E−α ] = αk Hk .
(E.73)
F¨ ur jedes nicht verschwindende Wurzelpaar (α, −α) existiert somit eine SU(2)-Unteralgebra mit den Generatoren 1 E± := √ E±α , α2
E3 =
1 α·H, α2
die dieselben Kommutationsbeziehungen wie die Drehimpulsoperatoren √12 J± , J3 erf¨ ullen. In Kapitel 16 hatten wir gesehen, dass allein aus diesen Kommutationsbeziehungen die Eigenwerte der Drehimpulsoperatoren folgen. Da die Eigenwerte von J3 und somit von E3 halbzahlig sind, folgt aus E3 |μ =
1 α·μ α · H|μ = |μ α2 α2
dass 2
α·μ α2
ganzzahlig ist.
E.12.2
Beispiele: Die Gruppen SU(2) und SU(3)
Die Gruppen SO(3) und SU(2) besitzen dieselbe Lie-Algebra. Die Strukturkoeffizienten sind hier durch den total antisymmetrischen Tensor fklm = klm gegeben. Eine Realisierung ihrer Generatoren sind die Drehimpulsoperatoren Jk=1,2,3 . Keiner der Drehimpulsoperatoren kommutiert mit einem anderen. Deshalb besitzt die SO(3)- bzw. SU(2)-Algebra den Rang r = 1. Demzufolge sind die Gewichts- und Wurzelvektoren einkomponentig. W¨ahlen wir die Zuordnung H 1 = J3 ,
1 E± = √ (J1 ± iJ2 ) , 2
so sind die Kommutationsbeziehungen (E.69) und (E.70) durch die Drehimpulsalgebra garantiert und wir finden die Wurzeln α1 = ±1 . In der fundamentalen Darstellung sind die Generatoren Gk der SU(2) durch die PauliMatrizen σk gegeben Gk = 12 σk , so dass wir in dieser Darstellung die Zuordnung H1 =
1 σ3 2
1 E± = √ (σ1 ± iσ2 ) 2 2
(E.74)
E.12 Die Algebra einfacher und halbeinfacher Lie-Gruppen
klm
123
147
fklm
1
1 2
156 −
1 2
246
257
345
1 2
1 2
1 2
531
367
458
678
1 2
1√ 3 2
1√ 3 2
−
Tabelle E.3: Strukturkonstanten der SU(3)
haben. Da die Eigenwerte von σ3 durch ±1 gegeben sind, finden wir aus (E.65) die Gewichte μ1 = ± 12 . Als n¨ achstes Beispiel betrachten wir die Gruppe SU(3), die sehr wesentlich f¨ ur die starke Wechselwirkung ist. Die nichtverschwindenden, unabh¨ angigen Strukturkonstanten der SU(3) sind in Tabelle E.3 gegeben. Die Generatoren der Gruppe SU(3) k¨ onnen durch die Gell-Mann-Matrizen λk dargestellt werden Gk =
1 λk , 2
die gew¨ ohnlich als ⎛
0 λ1 = ⎝1 0 ⎛ 0 λ4 = ⎝0 1 ⎛ 0 λ7 = ⎝0 0
⎞ 1 0 0 0⎠ , 0 0 ⎞ 0 1 0 0⎠ , 0 0 ⎞ 0 0 0 −i⎠ , i 0
⎛
⎞ −i 0 0 0⎠ 0 0 ⎞ 0 −i 0 0⎠ 0 0 ⎛ 1 0 1 λ8 = √ ⎝0 1 3 0 0
0 λ2 = ⎝ i 0 ⎛ 0 λ5 = ⎝0 i
⎛
,
, ⎞ 0 0⎠ −2
1 λ3 = ⎝0 0 ⎛ 0 λ6 = ⎝0 0
⎞ 0 0 −1 0⎠ , 0 0 ⎞ 00 0 1⎠ , 10
gew¨ ahlt werden. Die Generatoren H1 = G3 =
1 λ3 , 2
H2 = G8 =
1 λ8 2
(E.75)
kommutieren offensichtlich miteinander und spannen die Cartan-Algebra auf. Da sie in der obigen Darstellung bereits diagonal sind, k¨ onnen wir ihre Eigenwerte, d.h. die Gewichte μk unmittelbar ablesen. Zu den Basisvektoren ⎛ ⎞ 1 |μ(1) = ⎝0⎠ , 0
⎛ ⎞ 0 |μ(2) = ⎝1⎠ , 0
⎛ ⎞ 0 |μ(3) = ⎝0⎠ 1
532
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie H2
μ(2)
μ(1)
1 √ 2 3
H1 − 12
1 2
μ(3)
− √13
Abb. E.1: Die Gewichtsvektoren (E.76) der SU(3)-Algebra.
(i) (i) geh¨ oren die Gewichtsvektoren μ(i) ≡ μ1 , μ2 μ(1) =
1 1 1 , √ 2 2 3
,
μ(2) =
1 1 1 − , √ 2 2 3
,
μ(3) =
1 0, − √ , 3
(E.76)
onnen nur zwei die in Abbildung E.1 in der H1 -H2 -Ebene dargestellt sind. Offenbar k¨ der drei Wurzelvektoren linear unabh¨angig sein. In der Tat gilt die Beziehung μ(1) + μ(2) + μ(3) = 0 , die eine Folge von SpHi = 0 ist. Die u oren, lassen sich zu den ¨ brigen Generatoren, die nicht zur Cartan-Unteralgebra geh¨ Leiteroperatoren E±α(k) ,
k = 1, 2, 3
zusammenfassen, die wir wie folgt bestimmen: Die Matrizen λk=1,2,3 entstehen durch Einbettung der Pauli-Matrizen σk=1,2,3 ⎛ ⎞ 0 ⎝ σk 0 ⎠ , k = 1, 2, 3 . 00 0
E.12 Die Algebra einfacher und halbeinfacher Lie-Gruppen
533
Folglich bilden die 12 λk=1,2,3 eine SU(2)-Algebra, die als I-Spin bezeichnet wird. In Analogie zu Gl. (E.74) k¨onnen wir deshalb die Leiteroperatoren 1 E±α(1) = √ (λ1 ± iλ2 ) 2 2
(E.77)
definieren, die den Kommutator "
# 1 Eα(1) , E−α(1) = λ3 = H1 2
(E.78)
besitzen. Da die SU(3)-Algebra die beiden Cartan-Generatoren H1 , H2 (E.75) besitzt, lautet die allgemeine Beziehung (E.73) in diesem Fall [Eα , E−α ] = α1 H1 + α2 H2 .
(E.79)
Vergleich mit (E.78) liefert die zu den Leiteroperatoren (E.77) geh¨ orige Wurzel α = (α1 , α2 ) α(1) = (1, 0) .
Die Matrizen λk=4,5 sind ebenfalls triviale Einbettungen der Pauli-Matrizen σk=1,2 . (Dies erkennt man sofort, wenn man in λk=4,5 die zweite Zeile und zweite Spalte streicht, die komplett aus Nullen bestehen.) Zusammen mit der Matrix 1 √ 1√ 1 3H2 λ3 + 3λ8 = H1 + 4 2 2 bilden die Matrizen 12 λk=4,5 eine SU(2)-Algebra, die als U-Spin bezeichnet wird. Folglich besitzen die Leiteroperatoren 1 E±α(2) = √ (λ4 ± iλ5 ) 2 2 den Kommutator "
# 1 1√ 3H2 . Eα(2) , E−α(2) = H1 + 2 2
534
E Grundz¨ uge der Gruppentheorie H2
α(3)
α(2)
−α(1)
α(1) H1
−α(2)
−α(3)
Abb. E.2: Wurzelvektoren der SU(3)-Algebra.
Vergleich mit (E.79) liefert die zugeh¨orige Wurzel
(2)
α
=
1 1√ , 3 . 2 2
Auch die Matrizen λk=6,7 sind triviale Einbettungen der σk=1,2 . Die Matrizen 12 λk=6,7 und √ 1 1 1√ −λ3 + 3λ8 = − H1 + 3H2 4 2 2 bilden eine SU(2)-Algebra, die als V-Spin bezeichnet wird. Folglich besitzen die Leiteroperatoren 1 E±α(3) = √ (λ6 ± iλ7 ) 2 2 den Kommutator "
# 1√ 1 3H2 . Eα(3) , E−α(3) = − H1 + 2 2
E.12 Die Algebra einfacher und halbeinfacher Lie-Gruppen
535
Vergleich mit (E.79) liefert die zugeh¨orige Wurzel (3)
α
1 1√ = − , 3 . 2 2
Damit haben wir s¨amtliche Wurzeln der SU(3)-Algebra gefunden. (Die oben eingef¨ uhrten E±α(k=1,2,3) erfassen s¨amtliche Generatoren, die nicht der Cartan-Unteralgebra angeh¨ oren!) Die Wurzelvektoren ±α(k=1,2,3) sind in Abb. E.2 in der H1 -H2 -Ebene dargestellt. Zwischen den Wurzelvektoren gilt die Beziehung α(1) = α(2) − α(3) .
F
Eigenschaften der Wigner’schen D-Funktionen
ˆ Da der Drehoperator R(α, β, γ) unit¨ar ist, sind die D-Funktionen als Matrixelemente ˆ von R(α, β, γ) ebenfalls unit¨ar:
∗
J J DMK (α, β, γ)DM K (α, β, γ) =
K
∗
J J DKM (α, β, γ)DKM (α, β, γ) = δMM ,
K
(F.1)
was unmittelbar aus der Vollst¨andigkeit der Drehimpulseigenfunktionen |JKJK| = ˆ1
(F.2)
K
folgt:
∗
J J DKM (α, β, γ)DKM (α, β, γ)
K
=
ˆ ˆ JK|R(α, β, γ)|JM ∗ JK|R(α, β, γ)|JM
K
=
ˆ † (α, β, γ)|JKJK|R(α, ˆ JM |R β, γ)|JM
K
ˆ ˆ † (α, β, γ)R(α, β, γ)|JM = JM |R = JM |JM = δMM . Aus der Unitarit¨ at folgt wegen (29.8) die Beziehung ∗
J J DMK (α, β, γ) = DKM (−γ, −β, −α) .
Aufgrund der Drehimpulskopplung (siehe Abschnitt 16.7) J1 M1 J2 M2 |JM |J1 M1 |J2 M2 |JM = M1 ,M2
(F.3)
F Eigenschaften der Wigner’schen D-Funktionen
538
lassen sich zwei D-Funktionen mit denselben Euler-Winkeln zu einer D-Funktion (mit demselben Argument) koppeln: J (α, β, γ) DMK J1 J2 J1 M1 J2 M2 |JM DM (α, β, γ)DM (α, β, γ)J1 K1 J2 K2 |JK . = 1 K1 2 K2 M1 ,M2 K1 ,K2
(F.4) Unter Ausnutzung der Orthogonalit¨atsbeziehungen der Clebsh-Gordan-Koeffizienten J1 M1 J2 M2 |JM (siehe Gl. (16.62)) l¨asst sich die obige Beziehung invertieren zum Zerlegungssatz J1 J2 DM (α, β, γ)DM (α, β, γ) 1 K1 2 K2 J J1 M1 J2 M2 |JM DMK (α, β, γ)J1 K1 J2 K2 |JK , = J
(F.5)
M,K
wobei die Summation u ¨ber alle Gesamtdrehimpulse J entsprechend der Dreiecksrelationen f¨ ur Drehimpulskopplung |J1 − J2 | ≤ J ≤ J1 + J2 zu nehmen ist. Ferner gilt nach den Auswahlregeln der Clebsh-Gordan-Koeffizienten: M = M1 + M2 ,
K = K1 + K2 ,
so dass die Summation u ¨ ber M und K de facto auf diese Werte zusammenbricht. Wegen J dJMK (β) = DMK (0, β, 0)
gelten analoge Beziehungen zu Gl. (F.4), (F.5) auch f¨ ur die reduzierten D-Funktionen dJMK (β). Wir definieren das Integrationsmaß u ur ganzzahliges1 J durch: ¨ ber die Euler-Winkel f¨
2π
π dα
dμ(α, β, γ) = 0
2π dβ sin β
0
dγ . 0
1 F¨ ur halbzahlige J ist der Integrationsbereich entweder u ¨ber den Euler-Winkel α oder den EulerWinkel γ auf das Intervall von Null bis 4π zu erweitern, siehe Diskussion nach Gl. (F.9).
F Eigenschaften der Wigner’schen D-Funktionen
539
Integrieren wir mit diesem Maß die Darstellung (29.22) der D-Funktionen, so erhalten wir: 2π
J (α, β, γ) = dμ(α, β, γ) DMK
dα e−iMα
π
0
2π dβ sin β dJMK (β)
0
= (2π)2 δM0 δK0
dγ e−iKγ
0
π dβ sin βdJ00 (β) . 0
Das verbleibende Integral l¨asst sich ebenfalls elementar berechnen:2 π dβ sin βdJ00 (β) = 2δJ0 .
(F.6)
0
Damit finden wir: J (α, β, γ) = 8π 2 δJ0 δM0 δK0 . dμ(α, β, γ) DMK
(F.7)
Unter Benutzung dieses Ergebnisses und des Ausdrucks f¨ ur den Clebsh-GordanKoeffizient (−1)J1 −M1 δJ1 J2 δM1 ,−M2 J1 M1 J2 M2 |00 = √ 2J1 + 1 erhalten wir nach Integration u ¨ ber Gl. (F.5) und unter Ausnutzung der Symmetriebeziehung (29.25) die Orthonormierungsbedingung
∗
J J (α, β, γ)DM dμ(α, β, γ) DMK K (α, β, γ) =
8π 2 δJJ δMM δKK . 2J + 1
(F.8)
∗
J (α, β, γ), integrieren u Multiplizieren wir Gl. (F.5) mit DMK ¨ ber die Euler-Winkel und benutzen (F.8), so erhalten wir: J∗ J J (α, β, γ)DM (α, β, γ)DM (α, β, γ) dμ(α, β, γ) DMK 1 K1 2 K2
=
8π 2 J1 M1 J2 M2 |JM J1 K1 J2 K2 |JK . 2J + 1
(F.9)
Die obigen Integralbeziehungen (F.7), (F.8), (F.9) gelten f¨ ur ganzzahlige J. F¨ ur halbzahlige J ist das Integrationsgebiet zu verdoppeln, da die Periode der Euler-Winkel in 2 F¨ ur J = 0 ist dieses Ergebnis unmittelbar einsichtig, da die Eigenfunktion |J = 0, M = 0 eine =0 Konstante ist und somit dJ ur J = 0 l¨ asst sich das Verschwinden des Integrals (F.6) durch 00 (β) = 1. F¨ Symmetriebetrachtungen beweisen.
F Eigenschaften der Wigner’schen D-Funktionen
540
diesem Fall 4π statt 2π betr¨agt. Aufgrund der Symmetrieeigenschaften der D-Funktionen ist es jedoch nicht notwendig, den Integrationsbereich aller drei Euler-Winkel zu verdoppeln. Vielmehr reicht es aus, entweder das Integrationsgebiet des Winkels α oder des Winkels γ zu verdoppeln. Das erweiterte Integrationsgebiet f¨ ur halbzahlige Drehimpulse l¨ asst sich also auf zwei Arten w¨ ahlen: 1) Verdoppelung des Winkels α: 0 ≤ α ≤ 4π ,
0 ≤ β ≤ π,
0 ≤ γ < 2π .
0 ≤ β ≤ π,
0 ≤ γ < 4π .
2) Verdoppelung des Winkels γ: 0 ≤ α ≤ 2π ,
Die Volumina der verdoppelten Integrationsgebiete betragen 16π 2 statt 8π 2 . Deshalb ist f¨ ur halbzahlige J der Faktor 8π 2 auf den rechten Seiten von (F.7), (F.8) und (F.9) durch 16π 2 zu ersetzen. Ohne Beweis geben wir noch die Vollst¨andigkeitsrelation der D-Funktionen an:
J
J 2J + 1 J ∗ J D MK (α, β, γ)DMK (α , β , γ ) 16π 2
J=0, 12 ,1,... M=−J K=−J
= δ(α − α )δ(cos β − cos β )δ(γ − γ ) .
Falls eine der Drehimpulsprojektionen M oder K verschwindet, reduziert sich die DFunktion f¨ ur ganzzahlige J = l auf die gew¨ ohnlichen Kugelfunktionen. Um dies zu ˆ = x(ϑ, ˆ ϕ) in die Richtung der sehen, legen wir in Gl. (29.21) den Einheitsvektor x ˆ = 0, ϕ) = e3 , und benutzen Gl. (29.12). Dies liefert 3-Achse x(ϑ ∗ l Ylm (β, α) = Dm m (α, β, γ)Ylm (0, ϕ) . m
Wegen 3 Ylm (ϑ = 0, ϕ) =
2l + 1 δm0 4π
finden wir hieraus unabh¨angig von γ 3 l (α, β, γ) Dm0
≡
l Dm0 (α, β, 0)
=
4π Y ∗ (β, α) 2l + 1 lm
bzw. mit (F.3) unabh¨angig von α 3 l (α, β, γ) D0m
≡
l D0m (0, β, γ)
=
4π Yl−m (β, γ) , 2l + 1
(F.10)
F Eigenschaften der Wigner’schen D-Funktionen
541
wobei wir Ylm (−β, −γ) = Yl−m (β, γ) benutzt haben. Ferner folgt dann aus Gl. (F.10): l l (α, β, γ) ≡ D00 (0, β, 0) = Pl (cos β) , D00
onnen wobei Pl (x) die in Gl. (16.54) definierten Legendre-Polynome sind. Aus (F.10) k¨ wir bereits erwarten, dass die D-Funktionen Eigenfunktionen zum Drehimpuls sind, was explizit in Abschnitt 29.3 gezeigt ist. Wir betrachten eine Drehung um die Euler-Winkel (α, β, γ), die das Ergebnis zweier nacheinander ausgef¨ uhrten Drehungen um die Euler-Winkel (α1 , β1 , γ1 ) und (α2 , β2 , γ2 ) ist, d.h. es gelte: ˆ 2 , β2 , γ2 )R(α ˆ 1 , β1 , γ1 ) = R(α, ˆ R(α β, γ) . Nehmen wir das Matrixelement dieser Gleichung in den Drehimpulseigenzust¨ anden |JM und schieben die Vollst¨andigkeitsrelation (F.2) zwischen die beiden Drehoperatoren auf der linken Seite, so erhalten wir unter Benutzung der Definition der DFunktionen (29.15): J J DJMK (α2 , β2 , γ2 ) DKM (α1 , β1 , γ1 ) = DMM (α, β, γ) . K
Diese Gleichung stellt das Multiplikationsgesetz der Drehgruppe SO(3) dar und zeigt, J dass die DKM (α, β, γ) Darstellungen der Drehgruppe sind. Die Darstellungen mit ganzzahligem Drehimpuls J = l sind eindeutig, w¨ahrend es f¨ ur halbzahlige J zu jeder DreJ (α, β, γ) gibt, die sich im Vorzeichen unterscheiden. hung (α, β, γ) zwei DMK
G
Spuridentit¨aten im Fock-Raum
Die in den Abschnitten 34.3.1 und 34.3.2 abgeleiteten Ausdr¨ ucke f¨ ur die Zustandssummen von Bose- und Fermi-Systemen lassen sich unmittelbar auf einen beliebigen nichtdiagonalen (Einteilchen-)Hamilton-Operator † H= ak Hkl ak (G.1) k,l
verallgemeinern. Dies gelingt mittels der Beziehung $ ∓1 % , Sp e−βH = det ½ ∓ e−βH
(G.2)
wobei das obere (untere) Vorzeichen f¨ ur Bose-(Fermi-)Systeme gilt. Man beachte, dass auf der linken Seite der Operator H in der Zweiten Quantisierung, auf der rechten Seite die Matrix H aus (G.1) steht. Der Einfachheit halber haben wir hier vorausgesetzt, dass μ = 0 bzw. dass der Operator −μN bereits in H absorbiert wurde. Die Beziehung (G.2) gilt f¨ ur jeden beliebigen hermiteschen Einteilchenoperator H des Fock-Raumes. Wir zeigen zun¨ achst, dass die rechte Seite von (G.2) in der Tat die großkanonische Zustandssumme (34.40) liefert. Dazu bemerken wir, dass H eine hermitesche Matrix ist und somit diagonalisiert werden kann: H = U † EU .
(G.3)
Hierbei ist E eine Diagonalmatrix Ekl = δkl k
(G.4)
und U eine unit¨ are Matrix. Es gilt deshalb:
½ ∓ e−βH = ½ ∓ e−βU
†
EU
= U † U ∓ U † e−βE U = U † 1 ∓ e−βE U und wegen det(AB) = det(A) det(B) und det(U ) det(U † ) = 1 folgt ∓1 ∓1 det ½ ∓ e−βH = det ½ ∓ e−βE = (1 ∓ e−βk )∓1 =
k
k
Zk (β, μ = 0) = Z(β, μ = 0) .
(G.5)
544
G Spuridentit¨ aten im Fock-Raum
Der letzte Ausdruck ist bereits die großkanonische Zustandssumme (34.40) eines Bosebzw. Fermi-Systems f¨ ur μ = 0, siehe Gl. (34.52) bzw. (34.49). Es bleibt noch die Identit¨ at (G.2) zu beweisen. Dazu stellen wir zun¨achst die unit¨ are Matrix U in (G.3) in der Form U = eiQ dar, wobei Q eine hermitesche Matrix ist. Aus dieser k¨ onnen wir den hermiteschen Operator im Fock-Raum † ak Qkl al Q= kl
bilden. Folglich ist U = eiQ ein unit¨ arer Operator im Fock-Raum. Mittels Gl. (G.3) l¨ asst sich dann sehr leicht zeigen, dass dieser Operator den Hamilton-Operator (G.1) diagonalisiert: H = U† EU , E= k a†k ak , (G.6) k
wobei k die in (G.3), (G.4) definierten Eigenwerte der Matrix Hkl sind. Zum Beweis dieser Beziehung benutzen wir die Entwicklung (C.18), wonach U † EU = U† EU =
in n! in n!
[. . . [[E, Q], Q], . . . , Q] ,
(G.7)
[. . . [[E, Q], Q], . . . , Q] .
(G.8)
Nach wiederholter Anwendung der Beziehung (32.64) [E, Q] kl a†k al [E, Q] = k,l
finden wir: [. . . [[E, Q], Q], . . . Q] =
[. . . [[E, Q], Q], . . . Q] kl a†k al . kl
Einsetzen in (G.8) und Benutzung von (G.7) liefert: U † EU kl a†k al . U† EU = k,l
unschte Der Ausdruck in der Klammer ist nach (G.3) gerade Hkl , was mit (G.1) die gew¨ Beziehung (G.6) liefert. Aus dieser Gleichung folgt unmittelbar: e−βH = U† e−βE U
G Spuridentit¨ aten im Fock-Raum
545
und in Anbetracht der zyklischen Eigenschaft der Spur: Sp e−βH = Sp U† e−βE U = Sp UU† e−βE = Sp e−βE .
(G.9)
Mit (G.5) und (G.9) haben wir die urspr¨ unglich zu beweisende Identit¨ at (G.2) auf die entsprechende Beziehung f¨ ur diagonale Operatoren E (G.6) ∓1 1 ∓ e−βk Sp e−βE = k
zur¨ uckgef¨ uhrt, die wir bereits bewiesen haben, siehe Gl. (34.52) f¨ ur Bose- und Gl. (34.49) f¨ ur Fermi-Systeme. Die Identit¨ at (G.2) l¨asst sich auch verwenden, um die Spur von inversen Potenzen des Operators H im Fock-Raum mittels der Zustandssumme zu berechnen. Dazu benutzen wir die Identit¨ at H
−n
1 = (n − 1)!
∞
dτ τ n−1 e−τ H ,
0
die unmittelbar nach Substitution τ H = x aus ∞
dxxn e−x = n!
0
folgt. Bilden wir die Spur von Gl. (G.10) und verwenden (G.2) erhalten wir Sp(H
−n
1 )= (n − 1)!
∞
dτ τ n−1 det(½ ∓ e−τ H )∓1 .
0
Mit (G.5) folgt hieraus Sp(H−n ) =
1 (n − 1)!
∞ dββ n−1 Z(β, μ = 0) . 0
(G.10)
H
Das Wick’sche Theorem
Von großer praktischer Bedeutung sind die Zust¨ ande, die ein System unabh¨ angiger Teilchen oder Quasiteilchen beschreiben, d.h. symmetrisierte bzw. antisymmetrisierte Produkte von Einteilchenzust¨anden f¨ ur Bose- bzw. Fermi-Systeme. (F¨ ur Fermi-Systeme sind diese Zust¨ ande bekanntlich durch Slater-Determinanten gegeben.) Diese Zust¨ ande sind Eigenzust¨ ande von exakt l¨osbaren Hamilton-Operatoren, die quadratisch in den Feldoperatoren sind. Selbst f¨ ur die Beschreibung von wechselwirkenden Vielteilchensystemen empfiehlt es sich, eine vollst¨andige Basis unabh¨ angiger Teilchen zu verwenden. Die Berechnung der Erwartungswerte von Produkten von Feldoperatoren in solchen Basiszust¨ anden vereinfacht sich enorm durch die Benutzung des Wick’schen Theorems, das im Folgenden in seiner allgemeinsten Form entwickelt werden soll. Ein Spezialfall dieses Theorems haben wir bereits in Abschnitt 32.7.4 kennengelernt.
H.1
Basisdefinitionen und Operatorbeziehungen
Wir beweisen zun¨achst einige n¨ utzliche Operatorbeziehungen, die es uns sp¨ ater erlauben werden, das Wick’sche Theorem in allgemeiner und kompakter Form abzuleiten. Wir betrachten zwei Operatoren A und B, deren Kommutator [A, B] sowohl mit A als auch B vertauscht. Dann gilt bekanntlich die Baker-Campbell-Hausdorff-Formel (siehe Gl. (C.20)) 1
eA eB = eA+B e 2 [A,B] .
(H.1)
Diese Beziehung l¨asst sich unmittelbar verallgemeinern auf einen Satz von Operatoren amtlichen Ak kommutieren. SukzesA1 , A2 , . . . , An , deren Kommutatoren [Ak , Al ] mit s¨ sive Anwendung von Gl. (H.1) liefert: eAn eAn−1 . . . eA2 eA1 = exp
n k=1
1 Ak exp [Ai , Aj ] . 2 i>j
(H.2)
atze von Operatoren mit den EigenEs seien jetzt A1 , . . . , An und B1 , . . . , Bn zwei S¨ schaften, dass die Ak und Bk jeweils untereinander kommutieren, [Ak , Al ] = ˆ0 ,
[Bk , Bl ] = ˆ0 ,
und ferner ihre Kommutatoren [Ak , Bl ] mit s¨amtlichen Ak und Bk vertauschen: [Ai , [Ak , Bl ]] = ˆ0 ,
0. [Bi , [Ak , Bl ]] = ˆ
(H.3)
548
H Das Wick’sche Theorem
Dann vertauschen offenbar die Kommutatoren [Ak + Bk , Al + Bl ] = [Ak , Bl ] + [Bk , Al ] urfen in Gl. (H.2) die Ak durch Ak + Bk mit den Operatoren (Ak + Bk ) und wir d¨ ersetzen und erhalten: eAn +Bn eAn−1 +Bn−1 . . . eA1 +B1 n 1 = exp (Ak + Bk ) exp [Ak + Bk , Al + Bl ] 2 k=1 k>l 1 = exp Ak + Bk exp [Ak , Bl ] + [Bk , Al ] . 2 k
k
(H.4)
k>l
Wenden wir jetzt noch einmal Gl. (H.1) auf die Operatoren A= Ak , B= Bk k
k
an, so haben wir: 1 Ak + Bk = exp Ak exp Bk exp − [Ak , Bl ] . (H.5) exp 2 k
k
k
Mit
[Ak , Bl ] =
k,l
k>l
+
k=l
k
k,l
+ [Ak , Bl ] k