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German Pages 248 Year 1976
de Gruyter Lehrbuch Hoffmann • Psychologie und Massenkommunikation
Hans-Joachim Hoffmann
Psychologie und Massenkommunikation Planung, Durchführung und Analyse öffentlicher Beeinflussung
mit 60 Abbildungen, 34 Tabellen, 2 8 T a f e l n
w DE
G
Walter de Gruyter • Berlin • New York • 1976
Hans-Joachim Hoffmann, Professor an der Hochschule der Künste Berlin FB 5
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen
Bibliothek
Hoffmann, Hans-Joachim Psychologie und Massenkommunikation: Planung, Durchfuhrung u. Analyse öffentl. Beeinflussung. 1. Aufl. - Berlin, New York: de Gruyter, 1976. ISBN 3-11-006621-1
© Copyright 1976 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz: Ilmgaudruckerei, Pfaffenhofen. - Druck: Kail Gerike, Berlin. - Bindearbeiten: Dieter Mikolai, Berlin.
Vorwort Dieses Buch lehrt in einer didaktisch aufbereiteten Form die Anwendung von Psychologie bei der Beeinflussung von Menschen mit Hilfe der Massenmedien. Es vermittelt Wissen und Methoden und will gleichzeitig eine reflektiertere Haltung zum Kommunikationsberuf bewirken. Angesprochen werden vor allem Studenten und Praktiker der Psychologie, Soziologie, Politologie, Publizistik und der Wirtschaft, aber auch Lernende und Tätige in der angewandten Kunst, also Designer, Grafiker, Filmgestalter, und nicht zuletzt in der Werbebranche, wie Werbeplaner, Texter, Marketingfachleute und Marktforscher. Die mit der Abfassung eines solchen Lehrbuches verbundene didaktische Aufgabe ist nicht leicht zu lösen: Es soll die Anwendung einer Wissenschaft gelehrt werden, ohne daß ihre Kenntnis in jedem Falle vorausgesetzt werden kann. Deshalb wird hier zunächst weniger in die Arbeitsweise und in das Wissen der Psychologie grundsätzlich eingeführt. Stattdessen wird jeweils gerade so viel an psychologischen Informationen gegeben, wie es dem jeweils behandelten Problem angemessen ist. Dabei soll der Leser lernen, (1) die psychologischen Aspekte seiner Arbeit so weit zu überschauen, daß er die anstehenden Aufgaben nach Möglichkeit selbst zu lösen vermag, und (2) bei diffizileren Problemen Fragen so zu formulieren, daß sie der Psychologe in zufriedenstellender und produktiver Weise beantworten kann. Die in der Praxis anfallenden Fragen werden hier in einem logischen Ablauf behandelt: Senderseitige Zielgruppenauswahl — Gestaltung der Botschaft — Empfang und Wirkung. Bei einigen Problemen werden bestimmte Denkrichtungen der Psychologie betont, um dem Lernenden Gelegenheit zu geben, die Betrachtungsbesonderheiten und das entsprechende Fachvokabular kennenzulernen. Für denjenigen Leser, der das Buch nicht kontinuierlich durcharbeitet, sondern es als Nachschlagemöglichkeit benutzt, könnte die von ihm noch nicht erarbeitete Fachsprache ein Lesehindernis sein; ihm wird im Anhang ein Glossar angeboten. Jedes Kapitel des Buches schließt mit einer Übung; längere Kapitel bieten eine zusätzliche Übung. In den Übungen findet der Leser (1) einen Lückentest, der eine Kontrolle ermöglicht, ob die wichtigsten Informationen des Kapitels verstanden wurden, (2) eine oder mehrere Aufgaben zum Selbstbearbeiten und (3) einige Buchtitel, damit das Gelernte vertieft und auch eine kleine Bibliothek zusammengestellt werden kann. Gegenstand des Buches ist die beeinflussende Massenkommunikation. Gemeint sind damit nicht nur die Nachrichten der Wirtschaftswerbung, sondern auch die vielen Botschaften anderer Institutionen, die weniger lärmend zu beeinflus-
6
Vorwort
sen suchen, deren Wirkungen aber von ihren Auftraggebern und Realisatoren genauso konsequent einkalkuliert werden. „Beeinflussende Massenkommunikation" in dieser allgemeinen Bedeutung wird hier gelehrt im Rahmen der Überlegungen und Erkenntnisse der Diffusionsforschung, die Ausbreitungsprozesse von Innovationen (neue Produkte, Meinungen etc.) untersucht. Damit ist einmal eine objektive Möglichkeit gegeben zu sagen, was und wie stark ein Kommunikationseffekt ist (Kap. 1.4.1 und 14.1). Zum anderen werden die vielen Einzelentwicklungen der Kommunikations- und Werbepsychologie aus ihrer gegenseitigen Isolation befreit. Schließlich rückt die Diffusionsforschung zwangsläufig die Zielpersonen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dies kommt nicht nur einer Anwendung der Psychologie entgegen, sondern übt auch auf den Kommunikationsfachmann einen stärkeren Zwang aus, die gesellschaftlichen Konsequenzen seines Handelns zu überdenken (Kap. 3.6 oder 6.3.2).
Berlin-Nikolassee, im Februar 1976
Hans-J.
Hoffmann
Inhalt 0. Einleitung 0.1 Die beeinflussende Massenkommunikation heute 0.2 Kommunikationswirkung 0.3 Sender und Kommunikationsziel 0.4 Übung
11 11 12 14 19
Die Zielpersonen
21
1. Das 1.1 1.2 1.3 1.4
21 21 27 32 33 33 37 40 42 45
2. Die Wahl der Zielpersonen 2.1 Erstübernehmer und Einfuhrer 2.1.1 Neueinfuhrung 2.1.2 Entscheidungsstart 2.2 Harmonisierer als Beeinflussungshelfer 2.2.1 Argumente 2.2.2 Image 2.3 Sucher nach einem Substitut 2.3.1 Idealimage 2.3.2 Nischentheorie 2.3.3 Substitut und Innovation 2.4 Zielpersonenwahl in der Rejektion 2.4.1 Erneute Diffusionsbeschleunigung 2.4.2 Verdopplung des Gegenstandes 2.5 Übung
46 47 47 48 49 49 50 50 50 53 55 56 56 57 58
3. Die Merkmale der Zielpersonen 3.1 Wissen und Vorurteile 3.2 Werturteile 3.2.1 Einstellungen
59 61 65 65
angezielte Verhalten Annehmen und Ablehnen Verhaltenstypen (Adopterrollen) Übung Diffusions- und Adoptionskontrolle 1.4.1 Diffusionsstatus 1.4.2 Einfuhrer und Diffusionsaufstauchung 1.4.3 Verteilung der Adopterrollen 1.4.4 Interpersonelle Kommunikationsstruktur 1.5 Übung
8
Inhalt
3.2.2 Einstellungsmessung 3.3 Motivation und Verhalten 3.3.1 Motivation 3.3.2 Vorsicht und Leidenschaft 3.4 Übung 3.5 Kommunikative Gewohnheiten 3.5.1 Medienwahl 3.5.2 Nachrichtenabwehr 3.6 Mitempfänger 3.7 Übung
67 70 70 75 76 77 77 81 84 87
Die Botschaft (Kommunique)
89
4. Der 4.1 4.2 4.3
90 90 94
Aufbau Elemente Verknüpfungen von Elementen im Kommunique' Medienabhängige Kombinationswahrscheinlichkeit von Elementen 4.4 Hierarchieanalyse 4.5 Übung
96 102 105
5. Die Information 5.1 Informationsgehalt 5.2 Berechnung des Informationsgehaltes und des Informationsflusses 5.3 Informationswert 5.4 Übung
106 106 107 109 111
6. Die unthematische Information 6.1 Redundanz 6.1.1 Strukturelle Redundanz 6.1.2 Metrische und ökonomische Redundanz 6.2 Unthematische Informationen ästhetischer Art 6.3 Unthematische Informationen ethischer Art 6.3.1 Dimensionen des wertenden Eindrucks 6.3.2 Wertende Verzerrungen durch Massenkommunikation 6.4 Übung
113 113 114 114 115 119 119 121 123
Der Empfang
125
7. Der erste Kontakt 7.1 Selektierende Zuwendung
125 125
Inhalt
9
7.2 Reaktionsnaher und reaktionsferner Empfang 7.3 Erstanmutung 7.3.1 Aktualgenese 7.3.2 Gestalterische Determinanten 7.4 Aktualgenetische Verfahren 7.5 Übung 8. Die Betrachtung 8.1 Betrachtungsverlauf 8.2 Geschwindigkeit 8.2.1 Reaktionszeit auf Signalkommuniques 8.2.2 Auffassungsgeschwindigkeit bei Werbekommuniques . 8.3 Betrachtungskontrolle 8.4 Übung
127 129 129 130 132 135
.
136 136 139 139 141 142 144
9. Die Verarbeitung 9.1 Gedankliche Verarbeitung 9.1.1 Verarbeitungsprozeß 9.1.2 Determinanten der Verarbeitung 9.2 Indikatoren der Verarbeitung 9.2.1 Verständlichkeit 9.2.2 Akzeptanz 9.3 Übung
146 146 146 147 149 149 151 154
Die Wirkung
156
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen . . . . 10.1 Lernen 10.1.1 Begriff des Lernens 10.1.2 Abfolge der Lernwirkungen 10.1.3 Kommunikative Lehrprogramme 10.2 Informationsspeicherung 10.3 Erinnerungsmessung 10.3.1 Erinnerungswert 10.3.2 Schätzung und Korrektur des Erinnerungswertes . . 10.4 Übung
156 156 156 157 160 163 167 167 168 171
11. Die Beeinflussung von Meinungen 11.1 Meinung und Einstellung 11.1.1 Meinungskomponenten 11.1.2 Stabilität von Meinungen 11.1.3 Gegenstandstoleranz
172 172 172 174 175
10
Inhalt
11.2 Änderungsbedingungen von Meinungen 11.2.1 Persönliche Änderungsbedingungen 11.2.2 Änderungsbedingungen des Meinungsgegenstandes und dessen kommunikativer Darstellung . . . . 11.2.3 Änderungsbedingungen in der Gruppe 11.3 Übung 11.4 Prognose der Meinungsänderung 11.4.1 Gleichgewicht und Spannung 11.4.2 Image-Modell 11.4.3 Experimentelle Prognose 11.5 Übung
177 177
12. Die Beeinflussung der Motivation 12.1 Motivation 12.2 Änderung von Motiven 12.2.1 Ansprache von Motiven 12.2.2 Angebot substitutiver Befriedigungsmittel . . . . 12.2.3 Kontrolle einer Motivänderung 12.3 Übung 12.4 Konfliktverminderung 12.4.1 Ansprache von Konflikten 12.4.2 Bewußtmachende Kommuniques 12.4.3 Konfliktlösende Kommuniques 12.5 Harmonisierung 12.6 Übung
191 191 194 194 196 198 199 201 201 203 205 209 213
13. Die Beeinflussung des Verhaltens 13.1 Entscheidung und Annahme 13.2 Zielsteuerung bei Substituten 13.3 Verhaltensformierung über Identifikation und Verinnerlichung 13.4 Programmierte Verhaltensauslöschung 13.5 Übung
214 214 216
14. Anhang 14.1 Anmerkung zur Definition von Kommunikationswirkung. 14.2 Psychologische Prüflisten 14.2.1 Prüfliste für Anzeigen 14.2.2 Prüfliste für Packungen 14.3 Literaturverzeichnis 14.4 Glossar 14.5 Sachregister
178 179 180 181 181 183 188 190
218 220 223
.
225 225 227 227 229 231 242 247
0. Einleitung
0.1 Die beeinflussende Massenkommunikation heute Psychologie ist die Wissenschaft von der Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und Verhaltenssteuerung durch Informationen bei Lebewesen und ihren Gruppen. Es ist deshalb naheliegend, ihre Erkenntnisse und Methoden in der beeinflussenden Massenkommunikation anzuwenden. Aus dieser Anwendung erwächst dem Sender, wie auch dem beratenden Psychologen ein besonderes Maß an Verantwortung gegenüber dem Empfänger. Die Zielpersonen der beeinflussenden Massenkommunikation haben jedoch nicht das Gefühl, gleichberechtigte Kommunikationspartner zu sein. Sie fühlen sich verunsichert und befürchten, für fremde Interessen manipuliert zu werden. Zwei Drittel der Bevölkerung lehnt die von den Massenmedien betriebene Propaganda und Werbung ab. Fast die Hälfte aller Fernsehzuschauer glaubt an die tendenziöse Verfälschung der Nachrichten. Wissenschaftler diskutieren die möglichen Risiken moderner Massenkommunikation, die wir noch nicht abzuschätzen gelernt haben. Die einen vermuten, daß der passive Konsum der Medieninhalte eine barbarische Massenkultur fördert und eine produktive Selbstentfaltung behindert. Sie befürchten eine kritiklose Befolgung von Aufforderungen und ein wachsendes Desinteresse an Pflichten und Aktivitäten des Bürgers. Andere sehen eine zunehmende Verhärtung gesellschaftlicher Strukturen, wieder andere warnen vor dem Gegenteil, nämlich der Desintegration und Zerstörung der Lebensnormen. Diesen Befürchtungen steht die enttäuschende Erfahrung der Kommunikationspraktiker gegenüber, daß die in den Medien angewandten Methoden bei der Lösung mittelfristiger Aufgaben versagen, so z. B. bei dem Versuch, den Konsumenten zur Änderung seines Ernährungsverhaltens zu bewegen. Sollten Hoffnungen und Befürchtungen gleichermaßen weit über das Ziel hinausschießen? Die zur Zeit vorliegenden Beobachtungen sprechen dafür, daß Nachrichten, Werbung und Propaganda einerseits Wissen, Meinungen und Einstellungen korrigieren können und damit auch Entscheidungen zwischen gleichwertigen Alternativen beeinflussen, daß sie andererseits aber nicht allein fähig sind, Gewohnheiten zu ändern und neue Verhaltensformen zu schaffen. Die Vermutung, daß die Massenmedien weniger die Entwicklung ihrer Zeit bestimmen, sondern eher die Illusionen ihrer Zeit spiegeln, darf uns nicht über sehr ernstzunehmende Gefahren hinwegtäuschen: sie vermögen nämlich über die Beeinflussung von Meinungen und Einstellungen die Machtposition von
12
0. Einleitung
Interessengruppen zu fördern. Historische und jüngste Ereignisse demonstrieren einen überraschend großen Einfluß solcher Gruppen dort, wo unser Verhalten nur von Meinungen und Wertvorstellungen abhängt. Unter geschickter Ausnutzung der Zeitumstände können Meinungen und Einstellungen verstärkt werden, die ihrerseits nur kleinen, eventuell gesellschaftsfeindlichen Gruppen dienen. Wir stehen vor dem Problem der antisozialen Anwendung eines Instrumentariums, das zu alledem verbunden ist mit der Verselbständigung der Massenmedien als machtausübende Institutionen (siehe weiter Kap. 6, S. 12lf.). Dieser Gefahr ist nur zu begegnen durch die Vermittlung eines breiten Wissens über das
kommunikative Instrumentarium und die Förderung eines öffentlichen Interesses an seiner Kontrolle. Ein erster kleiner Schritt hierzu ist die Befreiung der kommunikationswissenschaftlichen Forschung von der These, wirtschaftliche Werbekommunikation auf der einen Seite und Information, Propaganda, Unterhaltung auf der anderen würden auf unterschiedliche Weise wirken. Tatsache ist, daß jede Institution, will sie ihren gesellschaftlichen Aufgaben genügen, Menschen über Massenmedien beeinflußt. Mittel und Wirkungen sind identisch. In gleicher Weise wird geplant, gestaltet, gesendet, empfangen und weitergegeben. Sprechen wir deshalb nur von einer „beeinflussenden Massenkommunikation".
0.2 Kommunikationswirkung Produkte, Leistungen, Ideen können durchaus nützlich sein. Aber dennoch sprechen sie sich nicht immer von selbst herum oder breiten sich wie eine Mode aus (vgl. Abb. 0—1). Oft genug muß in derartige Ausbreitungsprozesse, Anzahl der
(1)
(2)
t (3)
(4)
Abb. 0 - 1 . Ausbreitung und Rückgang einer Mode PENROSE (1952) beschreibt vier Phasen der Diffusion einer Mode (fad): (1) Auftauchen der Idee, (2) Ausbreitungsbeginn, (3) Sättigungsphase und (4) Eingliederung, Widerstand und Ablösung durch Neues. (1): Mode als symbolhafte Bewältigung persönlicher Konflikte (heftige Gegnerschaft) (2): Wird zur normierenden gleichmachenden Gewohnheit; zufälliges Mitmachen wird durch andere verstärkt; Kommerzialisierung steigert Ubiquität (3): Setzt in der Ausgangsgruppe mit (2) und Kommerzialisierung ein (4): Diffusion neuer Moden unterdrückt zunehmend die bisherige Mode
0. Einleitung
13 1
wir sagen in der Fachsprache: Diffusionsprozesse oder kurz: Diffusionen , eingegriffen werden, weil sie nicht so ablaufen, wie es wünschenswert wäre: Die Zahl der Wählerstimmen vermehrt sich nicht, der Kirchenbesuch ist rückläufig, ein Produkt wird zunehmend nur noch von der älteren Bevölkerung gekauft oder die Impfaktion wird von zu wenigen wahrgenommen, die Teilnahmebereitschaft breitet sich nicht aus. Man sagt von solchen Diffusionen, sie seien gestört. Dabei signalisiert „gestört" allerdings nicht allein einen objektiven Sachverhalt, sondern drückt aus, daß eine Gruppe, eine Institution oder seltener eine einzelne Person mit dem Zustand der Diffusion nicht zufrieden ist. Gestörte Diffusionen sucht man u. a. durch den Einsatz von Massenkommunikationsmitteln zu beeinflussen, z. B. durch Anzeigen, Plakataktionen, Fernsehspots, Funkspots, Werbebriefe, Broschüren, Probepackungen u. ä. Es werden also Nachrichten verbreitet, die Meinungen, Einstellungen, Kenntnisse oder auch Entscheidungen beeinflussen sollen. Von der Ausbreitung der Nachricht erhofft man eine (mindestens vorübergehende) Beschleunigung des Diffusionsprozesses (vgl. Abb. 0—2). Bekanntheit
,„
Abb. 0 - 2 . Diffusion der Bekanntheit eines Gegenstandes D: Diffusion ohne Unterstützung der Massenkommunikation W: durch eine Werbekampagne beschleunigte Diffusion
Bei der Diskussion der Ausbreitungsprozesse müssen wir also streng unterscheiden zwischen der Ausbreitung der Nachricht und der eventuell von ihr beeinflußten Diffusion, also zwischen Nachrichtendiffusion und Gegenstandsdiffusion. Deshalb können wir nicht von Diffusion schlechthin sprechen (wie es in der Diffusionstheorie geschieht). Die Kurven in Abb. 0—1 und 0—2 geben verschiedene Seiten von Gegenstandsdiffusionen wieder: in Abb. 0—1 die Benutzung und in Abb. 0 - 2 die Bekanntheit eines Gegenstandes. Kurven, die sich auf eine Nachricht beziehen, sehen kaum anders aus. Beide, Gegenstands- und Nachrichtendiffusion, sind Ausbreitungsvorgänge, beide beeinflussen sich gegenseitig; aber ihr Zusammenhang ist nicht zwangsläufig und notwendig. Dennoch wird uns gerade dieser Zusammenhang beschäftigen. An der Verbindungsstelle zwischen Nachrichten- und Gegenstandsdiffusion liegt 1
„Difffusion is thc process by which an innovation spreads" (E. M. ROGERS 1962, S. 13). Wir wenden den Begriff nicht nur auf Innovationen an, sondern auch auf andere soziale Erscheinungen.
14
0. Einleitung
die Unsicherheit, das Risiko jeder Planung und Durchführung solcher Beeinflussungsversuche. Die Ausbreitung der beeinflussenden Nachricht ist recht präzise planbar und voraussagbar. Dagegen ist ihr Einfluß auf die Gegenstandsdiffusion von vielen zusätzlichen Faktoren abhängig, die wir heute erst sehr unvollkommen überblicken. Deshalb empfehlen wir auch die Beschränkung auf den Kommunikationseffekt und verzichten auf die Diskussion von Werbemaßnahmen außerhalb der Massenkommunikation. In diesem begrenzten Sinne wird auch o f t Werbung definiert (so bei P. BRÜCKNER 1967, H.-J. HOFFMANN 1 9 7 2 u n d
1974). Es scheint sogar so, als sei der Einfluß der Nachrichtenauf die Gegenstandsdiffusion viel geringer, als es wünschens- oder befurchtenswert ist (U. JOHANNSEN 1966). G. GUT JAHR
0.3 Sender und Kommunikationsziel Es ist nicht Aufgabe dieses Lehrbuches, die Rolle des Senders, des sog. Kommunikators bei der Definition und Verfolgung des Beeinflussungszieles zu beobachten. Aber der Leser sei darauf hingewiesen, daß es sich um einen sozialpsychologischen Prozeß handelt, der für ihn und seine Arbeit interessant sein kann. Er würde sehen, wie Rollen-, Status- und Machtfragen die Wahl des Beeinflussungszieles determinieren, wie institutionelle Strukturen bei den Auftraggebern, bei den Realisatoren und auch in den Massenmedien Inhalte und Strategien der beeinflussenden Massenkommunikation bestimmen. Die Effektivität der beeinflussenden Massenkommunikation ist weitgehend ein Problem der Zielabgrenzung. Je begrenzter das Ziel festgelegt wird, je enger es dabei an die unmittelbaren Möglichkeiten der Nachricht angeschlossen wird, desto befriedigender wird der Einfluß der Nachrichten- auf die Gegenstandsdiffusion ausfallen. Der Sender muß also eindeutig ein enges und kontrollierbares Kommunikationsziel festlegen, das zugleich auf eine Gegenstandsdiffusion bezogen ist. Wenn zum Beispiel der Auftraggeber der Ansicht ist, es müsse zur Polioimpfung aufgefordert werden oder der Kanzlerkandidat X soll die Mehrheit der Stimmen gewinnen, so sind dies keine Kommunikationsziele, sondern Beeinflussungsziele des Marketing. Diese können niemals allein von der Massenkommunikation erreicht werden (vgl. Abb. 0—3). Deshalb muß der Sender die Nachricht eingeengter festlegen, ausgerichtet auf ein kommunikatives Beeinflussungsziel (kurz: Kommunikationsziel). Auf unsere Beispiele bezogen heißt das: Es sollen die Folgen des Nichtimpfenlassens bewußt gemacht werden oder es soll das Image des Kanzlerkandidaten in die Richtung xy korrigiert werden. Anders formuliert: (1) Zuwenige kennen die Folgen einer Kinderlähmung und beziehen sie vor allem nicht auf sich; das Bewußtsein der Krankheitsgefahr soll weiter ausgebreitet werden. (2) Eine
0. Einleitung
15
Z
o H D H H Vi Z
s Q w S
z tu w i/l
ner" 2 insgesamt n =
%= Männer Frauen Alter 1 6 - 2 9 Jahre 3 0 - 4 9 Jahre 50 Jahre u. älter Haushalts-Emkommen unter 800 DM 8 0 0 - 2 4 9 9 DM 2500 DM und mehr Werbefunk pro Tag Sender Fr. Berlin Hessischer Rundf. Radio Luxemburg Werbe-TV pro Tag Kino pro Woche Zeitung pro Tag regional überregional Zeitschriften (LPN) Stern Hör Zu Der Spiegel 1 2 3
Gesamt =100%
2896 1780 1746 1984 2195 35,9 22,1 21,6 24,6 27,2 5,4 19,5 57,7 23,5 3,2 17,0 13,0 37,7 41,3 33,9
887 11,0 9,6 12,2
668 8,3 7,0 9,4
944 11,7 11,7 11,7
8069 (100%) 3753=100% 4316=100%
48,6 38,9 25,3
19,3 23,1 22,9
10,2 22,4 28,8
35,8 25,8 16,6
23,1 35,0 22,9
16,7 12,0 6,6
11,2 8,8 5,9
12,0 12,9 10,4
2061=100% 2976=100% 3032=100%
15,7 37,5 40,9
14,7 21,6 30,7
34,0 21,4 13,9
14,1 25,5 27,8
21,0 28,6 23,5
5,0 11,5 11,9
6,0 8,4 9,5
8,3 12,1 11,6
714=100% 6322=100% 1033=100%
22,5 42,8 44,6 37,1 52,4
23,6 23,3 18,7 22,7 18,4
25,8 25,2 18,5 25,6 7,5
24.7 29,8 36,0 23,6 34,0
25,8 28,3 26,7 28,9 13,5
15,7 10,1 15,9 11,1 10,9
14,6 7,5 10,6 9,9 7,4
15,7 11,5 11,3 12,7 12,7
89=100% 477=100% 1052=100% 6219=100% 653=100%
36,6 43,1
24,9 46,0
22,2 10,2
23,0 25,8
28,9 26,6
11,0 11,0
8,8 8,4
12,2 15,7
5592=100% 489=100%
41,2 36,3 46,0
27,5 22,2 44,5
17,6 22,4 9,4
28,2 27,9 21,0
26,0 27,2 27,1
13,3 11,2 13,4
9,9 9,5 10,6
12,9 12,5 14,3
2542=100% 2443=100% 1236=100%
interessieren sich für das Neueste hohe interpersonelle Kommunikation kaufen nur was sich bewährt hat
Ein zentrales Stück jeder Kommunikationsplanung ist eine optimale Auswahl der Medien. Der Sender bemüht sich, diejenigen Medien zu benutzen, bei denen die Kosten in einem günstigen Verhältnis zu der Wahrscheinlichkeit stehen, daß sie von den Zielpersonen gewählt werden. Computer-Programme garantieren eine befriedigende Optimierung. Sie berücksichtigen von den Zielpersonen: demografische Daten 2 , Interessenbereiche, Konsumgewohnheiten, 2
Als am aussagekräftigsten hat sich der Bildungsgrad erwiesen. Er wirkt sich besonders ungünstig bei sozialökonomisch schlechter gestellten Personen aus. Allgemein läßt sich sagen, daß Personen mit einem niedrigen Bildungsgrad mehr aus dem Augenblick entscheiden und den Mühen der Informationsbeschaffung aus dem Wege gehen (vgl. E. KUHLMANN 1970 und G. WISWEDE 1972).
3. Die Merkmale der Zielpersonen
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Adopterrollen und ihre Mediengewohnheiten (vgl. Tabelle 3—2 und Tabelle 3-3). Tab. 3 - 3 . Adoptionsstatus als Ursache der Medienwahl aus: J. S. COLEMAN, H. MENZEL und E. KATZ: Medical Inovation. 1966, S. 59; Verbreitung eines Arzneimittels Erste Quelle
Mittlere Quelle
Letzte Quelle
52 % 10 3
27 % 15 4
5% 28 8
22 6 3 0 3 0
16 21 11 3 2 2
14 21 21 2 0 1
101 %
100 %
Persönliche Kontakte Ärztebesucher Ärztekollegen Tagungen und Kongresse Medien Direktpostsendungen Fachzeitschriften Hauszeitschriften Anzeigen Sonstiges Anderes
99 %
Wie das letzte Beispiel zeigt, spielen für Ärzte vor ihrer Entscheidung diejenigen Kanäle eine größere Rolle, die einen persönlichen Charakter haben und denen man sich kaum entziehen kann, wie etwa den Vertretern oder Werbebriefen. Beide gehören nicht zu den Massenmedien und werden folglich auch nicht in den Medien-Selektionsprogrammen berücksichtigt. Man müßte in der Tat den Zusammenhang zwischen dem Adoptionsstatus und der Bereitschaft, den Massenmedien Informationen zu entnehmen, in Rechnung stellen. Doch stößt dies heute noch auf große Schwierigkeiten. Tab. 3 - 4 . Persönliche Wichtigkeit der Nachricht und Medienwahl aus: P. MÜLLER: Die soziale Gruppe im Prozeß der Massenkommunikation F. Enke, Stuttgart 1970
erfahren in: Zeitung Rundfunk Fernsehen interperson. Kommun.
wichtige Nachricht (Ermordg. Kennedys) -
17,0 25,9 57,1 100,0 %
mäßig wichtige Nachricht (Start v. Explorer I) 18,0 23,0 41,0 18,0 100,0 %
unwichtige Nachricht (Alaska w. Bundesstaat) 38,0 27,0 29,0 6,0 100,0 %
Je wichtiger eine Nachricht genommen wird, desto unabhängiger ist ihre Ausbreitung von den Massenmedien, desto mehr wird sie von Mund zu Mund weitergetragen. Subjektiv unwichtige Nachrichten werden bevorzugt denjenigen Medien entnommen, die Nachrichten langsam transportieren, z. B. Zeitungen und Zeitschriften. In diesen Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit einer Nachricht und der Medienart ist auch der Ort eingebettet, an dem man die
80
Die Zielpersonen
Nachricht aufnimmt (siehe Tabelle 3—5). Persönliche Kontakte sind ortsunabhängiger als Massenmedien. Am Arbeitsplatz sind wir anderen Medien ausgesetzt als in unserer Wohnung. Wir sehen also: Je nach der Wichtigkeit der Nachricht wird der Sender andere Medien benutzen müssen. Tab. 3 - 5 . Ort der Nachrichtenaufnahme aus: (vgl. Tabelle 3 - 4 ) Wohnung benutzte Kanäle: Rundfunk Fernsehen interperson. Kommunikation
9,9 56,0 34,1
100,0 % n =
91
und Medienwahl Arbeitsplatz 24,7 3,7 71,6
100,0 % 81
Öffentlichkeit 17,5 2,5 80,0
100,0 % 40
Einschränkend wollen wir hier einfügen, daß Nachrichten durch ein Medium gesendet werden können, um die wahrscheinliche Benutzung des anderen Mediums zu erhöhen. So wird häufig mit Hilfe der Massenkommunikation die interpersonelle Kommunikation beeinflußt (vgl. Kapitel 12.4). In diesem Falle muß der Anteil der Meinungsführer beachtet werden, und es muß bekannt sein, wie stark das Medium zur interpersonellen Diskussion und Meinungsbildung beiträgt. Schließlich wird bei der Medienselektion von dem Kommunikationsfachmann beachtet, daß sich der Gegenstand einer zu verbreitenden Nachricht einem typischen Lebensbereich zuordnet. Dabei gibt es Nachrichten, die aus normativen, sozialen Verpflichtungen zu diesen Bereichen gesucht werden. Typische Lebensbereiche dieser Art sind z. B. der Beruf, die Hausarbeit, die Erziehung der Kinder, die Planung einer Anschaffung oder einer Reise, die Krankheit eines Mitmenschen, ein bevorstehender Geburtstag. Aus ihnen ergeben sich Anforderungen, die eine ernsthafte Nutzung der Medien verlangen. Wir wollen hier von Kommunikationsarbeit sprechen („Kommunikationsschmerz" wie es W. STEPHENSON (1968) nennt (in: D. PROKOP 1973)). Andere suchen Nachrichten aus spielerischen, unterhaltsamen, individuellen Gründen. Die persönliche Entfaltung, die Freizeit, das Ausdrücken persönlicher Gefuhlsbedürfnisse fuhren zur besonderen Bedeutung des Kommunikationsvergnügens. „Sie gefällt, unterhält und entwirft Moden und Launen. Sie ist rein ästhetisch und amoralisch, a-ethisch. Ihr Zweck ist nicht, Ängste zu erleichtern, sondern die Gesamtsumme der Möglichkeiten des Selbst zu steigern." (W. STEPHENSON S. 3 4 8 ) .
Untersuchungen sprechen dafür, daß Menschen überwiegend das Kommunikationsvergnügen suchen (vgl. Tabelle 3—6). Sie wollen spielen, sich vergnügen, in einer entlasteten Welt imaginativ leben. Nachrichtensehen bzw. -hören ist wie Kreuzworträtselraten, Blumengießen oder Krimilesen ein vergnügliches
3. Die Merkmale der Zielpersonen
81
Tab. 3 - 6 . Funktionen von Zeitschriften für ihre Leser (aus: Funktion, Image, Produkt-Interesse. Kindlcr u. Schiermeyer, München 1970, S. 34) Funktionen Lebens- entspanInforma- erschrek- eigene Lebens- schöne nende tion kende Lebens- freude n Meinungs- hilfe Ablenkg. Realität bildung gestaltg. 13 68 400 Das Beste 56 27 41 18 34 Bravo 34 25 64 300 25 27 16 13 17 400 Brigitte 39 66 13 15 15 59 Bunte Illustr. 12 70 400 32 11 56 16 31 59 401 11 Burda Moden 43 6 12 11 60 59 401 Eltern 59 33 25 33 30 40 Für Sie 68 400 46 16 20 15 17 59 Hör Zu 62 12 8 555 61 20 10 33 402 Jasmin 34 35 24 15 37 33 61 400 Das Neue Blatt 30 14 12 70 46 13 29 Neue Revue 47 12 17 68 400 36 31 16 400 Quick 45 32 8 10 66 15 23 Der Spiegel 52 404 74 54 8 7 9 40 400 Stern 42 21 24 12 65 63 10 62 TV Hören+Sehen 63 18 10 32 7 401 10 Twen 30 30 12 31 30 61 403 26 Die Funktionen wurden auf faktorenanalytischem Wege bestimmt. Die Zahlen sind prozentuale Ausprägungen. Spalte 1 und 6, sowie Spalte 2 und 5 sind entgegengesetzte Pole je eines Faktors.
Ritual, darüber darf nicht die dabei zur Schau gestellte Ernsthaftigkeit hinwegtäuschen. Deshalb müssen wir uns fragen, aus welcher Haltung unsere Zielpersonen bereit sind, die Nachricht zu empfangen: als Kommunikationsarbeit oder als Kommunikationsvergnügen? Die Antwort auf diese Frage dürfte folgenreich sein für die Nachrichtengestaltung und für die Beschaffenheit des akzeptierten medialen Umfeldes. Es reicht nicht aus, daß die Botschaft deutlich zeigt, daß sie Sportfans, Hausfrauen, sozialpolitisch Interessierten oder Reiseplanern etwas sagen will, wichtig ist die Art, wie es gesagt wird, wie es bebildert wird, welche zusätzlichen Gefühle angesprochen werden, ob im Stil des sich sachlichen Orientierens oder der vergnüglichen Entspannung. Dabei kann Freizeit durchaus im Sinne der Kommunikationsarbeit und der Beruf im Sinne des Kommunikationsvergnügens angesprochen werden. Wir müssen darauf achten, daß das benutzte Medium diesem Stil entspricht. Zum Beispiel bei einer Anzeigenserie für ein Nahrungsmittel kommt die Tageszeitung eher der Kommunikationsarbeit, die illustrierte Zeitschrift mehr dem Kommunikationsvergnügen entgegen. 3.5.2 Nachrichtenabwehr
Häufig genug kommt der Kommunikationsfachmann in die Situation, daß seine Zielpersonen nichts von der Nachricht wissen wollen. Sie zeigen gegenüber
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Die Zielpersonen
dem Inhalt ein Vermeidungsverhalten; wie z. B. der Autofahrer, der etwas über neue Sportwagen lesen will, nicht aber über Rücksichtnahme auf Fußgänger. Derartige Vermeidungen zu erkunden, ist oft mit großen Schwierigkeiten verbunden. Bei ihrer Erfragung müssen wir damit rechnen, daß uns nicht die Wahrheit gesagt wird. Wer gibt schon unumwunden zu, daß er sich nicht für die Dinge interessiert, die sonst in der Gesellschaft oder gar unter seinen Bezugspersonen hochgeschätzt werden? Es hat deshalb einen guten Sinn, innerhalb der Zielgruppe eine projektive Fragetechnik zu verwenden, also abschätzen zu lassen, wofür die anderen sich wohl nicht interessieren werden. Wir wollen nun nicht auf die vielen Ursachen eingehen, die zur Vermeidung eines Kommuniques fuhren. Aber wir wollen uns doch ein wenig die aktiven Vermeidungstechniken ansehen, mit denen wir bei unseren Zielpersonen rechnen müssen. Fragen wir uns, was die Zielpersonen unternehmen können, um sich absichtlich die Auseinandersetzung mit der beeinflussenden Botschaft zu ersparen. Wir müssen mit mindestens vier Formen der Nachrichtenabwehr rechnen: Negieren, Distanzieren, Stabilisieren und Inokulieren (zum Folgenden siehe H . - J . HOFFMANN 1972). Das Negieren ist sicher die am meisten verbreitete Möglichkeit der Abwehr. Sie verlangt lediglich, daß die Zielpersonen eine allgemeine Vorstellung von der Art der abzuwehrenden Botschaft entwickeln, denn dann reicht es für sie aus, es sich zur Gewohnheit zu machen, die Botschaft unbesehen beiseite zu schieben. Die Ersparnis an Denkaufwand, Ärger u. a. wirkt dabei verstärkend auf die sich bildende Gewohnheit. So gelingt es schließlich, bestimmte Arten von Kommuniques nicht zur Kenntnis zu nehmen, zum Beispiel eine reklamehafte Aufmachung, bestimmte Kombinationen von Text und Bild, ungewöhnliche Schriftgrößen oder Sondersprachen, wie sie in der Kirchen- und Wirtschaftswerbung verbreitet sind. In gewisser Weise bedeutet auch die Suche nach bestimmten Nachrichten zugleich ein Negieren anderer Nachrichten. Damit hängt zusammen, daß Anzeigen in der eigenen Zeitschrift weniger beachtet werden als in fremden, nur zufällig gelesenen Zeitschriften ( M . WEISER 1974). Kommuniques werden in dem Maße beachtet, wie- ihre Nachrichten für die Lösung persönlicher Probleme und für die Erfüllung von Gefühlserwartungen geeignet erscheinen. Nachrichten, die dies tatsächlich leisten, vermindern bei ihren Empfängern zugleich die Fähigkeit, andere Nachrichten aufzufassen. Das Negieren stellt psychologisch einen aktiven Prozeß dar. Die abzuwehrende Nachricht ist dem Abwehrer zunächst aufgefallen. Aber bereits nach den ersten Bruchteilen einer Sekunde findet das Negieren statt: es wird weggesehen, eine andere Nachricht gesucht, eventuell der Empfang des Mediums abgebrochen. Der hierfür erforderliche psychische Aufwand schwindet, das Negieren fällt leichter, wenn sich eine andere akzeptable Nachricht anbietet, vielleicht ein
3. Die Merkmale der Zielpersonen
83
„Vampir" in derselben Nachricht (z. B. eine lustige Szene, ein hübsches Mädchen). Eine gaghafte Gestaltung erleichtert häufig das Negieren. Im Distanzieren werden Kommuniques dadurch abgewehrt, daß sie von einer aussagefremden Ebene betrachtet werden. Besonders leicht fällt dies, wenn die eigene Berufsrolle eine aussagefremde Betrachtung gestattet: Die film-, fotooder drucktechnische Lösung, die grafische Gestaltung, der sprachliche Ausdruck, die psychologische Kommunikationsstrategie können distanzierende Betrachtungsaspekte sein. Die weltanschauliche Schätzung, die humorvolle Abwertung, das ironische Wörtlichnehmen dienen gleichfalls der distanzierenden Abwehr. Dieses Distanzieren leitet also durch den Einsatz kognitiver Mittel eine Negation ein. Die Funktion des Distanzierens wird für den Beobachter an der etwas zu heftigen Reaktion ablesbar, die den notwendigen Abwehraufwand signalisiert. Das Stabilisieren ist eine von Psychologen recht genau untersuchte Abwehrmöglichkeit. Sie stellt sich als eine Art Ankerwerfen dar. Die zu schützende Meinung wird an einem anderen stabileren (kognitiven) Gegenstand verankert. Bereits K. LEWIN hatte darauf hingewiesen, daß die für jeden anderen hörbare Meinungsäußerung diese stärker gegen Beeinflussung abschirmt, als wenn sie nur allein, ohne öffentliches Publikum vertreten wird. Hier wird also die stabilisierende Erwartung gebildet, die anderen wüßten, welchen Standpunkt man vertrete. Offensichtlich verhalten sich Menschen so, daß sie vor ihren signifikanten anderen als ein Mensch mit festen Grundsätzen erscheinen. Das Stabilisieren muß keineswegs nur durch Bezugsgruppen ermöglicht sein. Vielmehr können auch das eigene Selbstbewußtsein, persönliche Erfolgserfahrungen, der Lebenserfolg oder das Sozialprestige der Meinung einen festen Ankerplatz bieten. Eine ähnlich geringe Beeinflußbarkeit erlangen Meinungen, die Teil eines Glaubens sind. Dies liegt nicht nur an der Verankerung im Glauben, sondern es kommt hinzu, daß Personen, die stark in einem Glauben befangen sind, über eine hohe Selbstsicherheit verfügen und auch meist in einer Gruppe Gleichdenkender einen entsprechenden Rückhalt haben. Die Inokulationstechnik (Impfung) erzeugt Resistenz gegenüber Beeinflussungsversuchen, indem das Abwehren vorher geübt wird. Dabei können durchaus die oben genannten Techniken (Negieren, Distanzieren, Stabilisieren) zur Anwendung kommen. Das Entscheidende ist hier, daß vorangehend eine Art Training stattgefunden hat. Experimentell untersucht und theoretisch gedeutet wurde diese Technik von w. J. Mc GUIRE (1964, 66). Wir werden also diese Abwehr zu spüren bekommen, wenn unsere Zielpersonen absichtlich oder unabsichtlich Gelegenheit hatten, abwehrendes Verhalten zu üben. Wir haben vor allem mit zwei inokulierenden Techniken zu rechnen: In der ersten Technik werden den Zielpersonen zusätzliche Argumente geliefert, da-
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Die Zielpersonen
mit der eigene Standpunkt besser verteidigt werden kann. Das ist immer dann der Fall, wenn wir uns mit einer konkurrierenden Beeinflussung auseinandersetzen müssen (z. B. in der Konsumwerbung). In der zweiten Technik gab es vorher für die Zielpersonen eine genügende Anzahl ähnlicher kommunikativer Situationen, in denen sie aktiv lernen konnten, wie sie sich gegen beeinflussende Argumente wehren können. Dies kann überall dort der Fall sein, wo im Stil ähnliche Botschaften bereits gesendet wurden. Kommunikative Wirkungen ergänzen sich also auch in negativer Hinsicht. Ein experimenteller Vergleich der Techniken zeigt übrigens, daß die zweite Form (das sogenannte widerlegende Inokulieren) deutlich überlegen ist. In gewisser Weise haben wir es bereits mit dieser Technik zu tun, wenn die Zielpersonen vorher gewarnt wurden. Dies steigert offensichtlich ihre Motivation zu einer Abwehr des massenkommunikativen Einflusses. Mit inokulierten Zielpersonen werden wir auch überall dort rechnen müssen, wo innerhalb von Gruppen diskutiert wird, also meist Argumente für den eigenen Standpunkt gesammelt werden. Dies gilt vor allem für dön religiösen und politischen Meinungssektor. Aber auch überall dort werden wir inokulierte Personen finden, wo die Diffusion stark von der interpersonellen Kommunikation getragen wird.
3.6 Mitempfänger Die bisher besprochenen Merkmale der Zielpersonen sollten möglichst mit den Mitteln der Marktforschung erkundet werden. Ihre Kenntnis wird meist zu einer Korrektur des Zielpersonenkreises fuhren. Die nun endgültig angezielten Personen müssen über die Medien zu erreichen gesucht werden. In den seltensten Fällen stimmen die Leserschaft, die Hörer oder Zuschauer eines Mediums mit dem Zielpersonenkreis überein. Die Zahl der Medienbenutzer ist meist erheblich größer. Ganz stark gilt das für die Medien, die praktisch für jeden konsumierbar sind, wie etwa Rundfunk oder Plakate. Von diesen Medienbenutzern wiederum empfängt keineswegs jeder das Kommunique. Wir haben eine ganze Anzahl von Daten aufgezählt, die zum Empfang oder zur Meidung der Nachricht führen. Mit anderen Worten: die Zahl der endgültigen Empfänger ist wiederum erheblich kleiner als die der Medienbenutzer. Dabei kann es passieren, daß unter ihnen keine Zielperson mehr zu finden ist (Tafel 3—7). Immer aber enthält die Menge der Empfänger neben den nun tatsächlich erreichten Zielpersonen eine beträchtliche Anzahl von Mitempfängern. Mit diesen Mitempfängern sind eine Reihe von Problemen verbunden, die wir nicht unterschätzen sollten. Die Mitempfänger können erstens eine völlig neutrale Personenmenge sein.
3. Die Merkmale der Zielpersonen
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Ihre Benachrichtigung ist also sinnlos. Für sie bedeutet es bestenfalls ein Unterhaltungsspiel, das uns unnötig Geld kostet. Zweitens können diese Mitempfänger aber auch hinderlich für die Diffusion sein. Handelt es sich zum Beispiel um heftige Ablehner, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß sie sofort Gegennachrichten entwickeln und damit den Kommunikationseffekt unter den Zielpersonen eventuell in sein Gegenteil verkehren. Wir wollen zum Beispiel Personen erreichen, die sich gerade das Rauchen abgewöhnen wollen, haben aber als Mitempfänger starke Raucher, die sich über unser Kommunique lustig machen. Diesen Mitempfängern aus dem Wege zu gehen, wird so zu einem Hauptproblem der Nachrichtengestaltung. Die dritte Möglichkeit ist ethisch wichtig: die Mitempfänger sind Personen, die auf Grund unserer Kommuniques zu einem ßr sie oder für die Gesellschaft schädlichen Verhalten angeregt werden könnten (K. H. MANDEL 1966, F. RONNEBERGER 1971, H. THOMAE 1966): Der Kommunikationsfachmann geht zum Beispiel auf die Gefiihlsbedürfnisse einer bestimmten Rauchergruppe ein und signalisiert so Jugendlichen, daß Rauchen eine Sache von gesunden, glücklichen, selbständigen Menschen sei. Gewiß mögen die Ursachen ihres Rauchbeginns aus anderen Zusammenhängen kommen, aber sie erhalten doch eine zusätzliche Selbstrechtfertigung geliefert. Wie ist dies zu vermeiden? Es gibt nur zwei Wege (die m. E. auch vom Gesetzgeber vorgeschrieben sein sollten!). Entweder muß der Auftraggeber auf die Ausbreitung der Nachricht verzichten oder aber er hat ein zweites Kommunique mit dem gleichen Aufwand zu finanzieren, das sich ausdrücklich an diese Mitempfänger wendet. Dieses zweite Kommunique könnte in unserem Beispiel die Motive der Jugendlichen freilegen und deutlich machen, daß nur deqenige Rauchen notwendig
86
Die Zielpersonen
hat, der aus eigener Anstrengung nicht selbständig und selbstsicher zu sein vermag. Damit würde man das Rauchen unter Jugendlichen zu einem Symbol der Selbstunsicherheit machen. Die eigentlichen Zielpersonen sind nun (vom Auftraggeber her gesehen) die unerwünschten Mitempfänger. Sie könnten ausgeschaltet werden durch den ausdrücklichen Bezug auf Jugendliche, mit denen sich kaum eine der Zielpersonen identifizieren wird. Dagegen hat es keinen Zweck, einen anderen Argumentationsweg zu beschreiten und z. B. gesundheitsschädliche Folgen zu zeigen, da so lediglich der Mutcharakter des Rauchens unterstrichen werden würde. Ein besonderes Problem für die beeinflussende Massenkommunikation bilden Kinder, vor allem als Mitempfänger (B. FRANK 1973, H. HOLZER 1974). Die Problematik ist besonders dort groß, wo mit stark von Kindern konsumierten Medien gearbeitet werden muß, also vor allem im Fernsehen. Erhöht wird die Schwierigkeit dadurch, daß Kinder auch dort als Empfänger in Frage kommen, wo die Botschaften ihrer ganzen Art nach für Erwachsene gestaltet wurden. Die Art und Weise, wie Kinder in beeinflussenden Botschaften auftreten, aber auch, wie (zukünftige) Erwachsenenrollen für sie aussehen, ändert ihr Wissen darüber, wie das Verhalten ihrer Umgebung zu deuten und zu bewerten ist. Sind das die Rollenideale, die es tatsächlich anzustreben gilt? Es wird die positive oder doch mindestens erregende Bedeutung von Süßwaren, Autofahren, Alkohol, Kriminalität dargestellt: Sollen unsere Kinder dies tatsächlich lernen? Es werden politische und weltanschauliche Vorstellungen gepriesen: Sind es in jedem Falle diejenigen, die wir unseren Kindern vermitteln sollten? Kritik ist leicht und schnell zu äußern. Aber was muß getan werden? Daß Verbände (wie etwa der ZAW, siehe Kongreß der Werbung 1974) und die Medien selbst korrigierend eingreifen, ist begrüßenswert. Jedoch beschränken sich diese Korrekturen auf die Wirtschaftswerbung, deren Botschaften ohnehin als „beeinflussend" markiert sind. Keineswegs wird die große Zahl der als unterhaltend oder interpretierend getarnten Sendungen erfaßt, die gleichfalls beeinflussender Art sind. Auch wir sehen keine Patentlösung für dieses Problem. Doch halten wir zwei Maßnahmen fiir diskutierenswert: (1) Beeinflussende Kommuniques sollten dort verboten werden, wo nachweislich ein bestimmter Prozentsatz von Kindern (bis 14. Lebensjahr) das Medium konsumieren, also beispielsweise im Fernsehen bis 20 Uhr. Oder es müßten Zeitschriften besonders kontrolliert werden, die einen besonders hohen Kinderleseranteil (Leser pro Nummer) haben. (2) Es sollte eine staatliche Institution geschaffen werden, die für bestimmte Bereiche eine Gegenwerbung3 organisiert. Hierzu würde gehören, daß man 3
Wir meinen hier keine Berichtigungswerbung, wie sie in der Verbraucherschutz-Charta des Europarats (1973) gefordert wird, sondern eine kompensierende Werbung (vgl. Beispiel der Zigarettenwerbung).
3. Die Merkmale der Zielpersonen
87
im Schulunterricht Kindern (über 10 Jahre) ein Wissen vermittelt, mit dem ihnen eine kritische Distanz zur Massenkommunikation gelingt.
3.7 Übung 3.7.1 Zusammenfassung
Die Auswahl der Medien geschieht heute immer noch in einer für den Psychologen unbefriedigenden Form. Es sind vor allem zwei Fakten, die wir vermissen: (1) Die Position der Zielpersonen im [7] und wie weit bei ihnen die Adoption vorangeschritten ist. (2) Die Kommunikationsgewohnheiten: die subjektive Wichtigkeit der Nachricht, ihre Abhängigkeit von der [2] Kommunikation und die Art der Benutzung des Mediums, z. B. als [3] . Beim Konsum der Medien werden die Kommuniques nicht nur (unabsichtlich) gesucht, sondern auch abgewehrt. Die wichtigsten Abwehrtechniken sind: [4] . Aber nicht jede (vom Sender her gesehen) irrelevante Nachricht wird abgewehrt. Deshalb müssen wir immer mit [5] rechnen. Muß befürchtet werden, daß das Kommunique für die Mitempfänger abträgliche Wirkungen hat, sollten entweder [6] oder 0 •
3.7.2 Aufgaben
(1) Das Innenministerium Ihres Landes wünscht eine Werbeaktion, in der ein negatives Bild vom rücksichtslosen Schmutzfinken gezeichnet wird, der seinen Unrat in Wäldern, auf unbebauten Grundstücken, in Flüsse usw. ablädt, statt sich öffentlicher Müllabfuhrunternehmen zu bedienen. Da das eigene Auto ein bequemes Transportmittel ist, will man zunächst den Autobesitzer ansprechen. Es ist besonders auf solche Autobesitzer zu achten, die keine typischen Autofahrermedien konsumieren. Bestimmen Sie an Hand Ihrer Unterlagen diesen Zielpersonenkreis genauer (demografische Merkmale) und entscheiden Sie, welche Medien in Frage kommen (ohne Rücksicht auf Kosten usw.). Welche Personen erreichen Sie außer den Autobesitzern noch? Bestimmen Sie deren Merkmale. Bei welchen Personen könnte ein negatives Stereotyp vom Autofahrer verstärkt werden? Wieviel Prozent der Nachrichtenempfänger könnte maximal dieser Mitempfängerkreis ausmachen? (2) Eine schwierigere Aufgabe: M. PF ÄFF berichtet aus der SPES-Studie, daß „ . . . die Versorgung mit öffentlichen Gütern zur Zeit keine geeignete Methode sei, den Armen zu helfen. Bereitgestellte öffentliche Güter würden in ca. 80 % aller Fälle den Mittelschichten zugute kommen, da diese über ein höheres Informationsniveau verfugten als die unteren Einkommensschichten. Das Problem liege hier darin, daß die Informationssysteme
88
Die Zielpersonen nicht ausreichend funktionierten." Vergleichen Sie nun eine mittlere Einkommensgruppe mit der untersten Einkommensgruppe. Wie sehen in diesen beiden Personenkreisen die Verteilungen anderer Merkmale (z. B. Alter, Schulbildung) aus? Mit welchem Medium erreichen Sie die höchsten Kontaktzahlen? In welchem Grade sind die Gruppen jeweils gegen unerwünschte Mitempfänger abgegrenzt? Denken Sie über außerwerbliche Maßnahmen nach, mit denen Sie die unterste Einkommensgruppe informieren könnten!
3.7.3 Literatur
E. K. Scheuch: Soziologie der Freizeit. Köln 1972 zur Medienwahl M. F. Steinmann: Massenmedien und Werbung. Freiburg 1971 LA (Leseranalyse der Arbeitsgemeinschaft Leseranalyse) AWA (Allensbacher Werbeträger-Analyse; Institut für Demoskopie Allensbach) zur Ansprache von Kindern Jahrbücher z. B. des ARD, ZDF und ZAW H. Holzer: Kinder und Fernsehen. München 1974 Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationsforschung: Das Werbefernsehkind. 1973
[1] Diffusionsprozeß. - [2] interpersonellen. - ¡3] Kommunikationsvergnügen. - [4] Negieren, Distanzieren, Stabilisieren und Inokulieren. - [5j falschen Mitempfängern und verbotenen Zielpersonen. - [6] die Medien mit den stärksten FehUeitungen gemieden werden. - [7] Gegenwerbung an die verbotenen Zielpersonen arrangiert werden.
Die Botschaft (Kommunique) Im vorangegangenen Teil haben wir eine genügende Anzahl psychologischer Fakten kennengelernt, mit denen wir (gemeinsam mit wirtschaftlichen Überlegungen) entscheiden können, wem wir, über welches Medium, zu welchem Zeitpunkt, welche Nachricht, mit welcher diffusionsändernden Wirkung zukommen lassen wollen. Wir stehen nun vor der Aufgabe, unsere Nachricht in eine Botschaft zu verwandeln. Praktisch verfahrt man so, daß man an Hand eines Briefings den Gestalter mehrere Entwürfe herstellen läßt. Um die entworfene Botschaft dann beurteilen und diskutieren zu können, bedürfen wir einer harten, klaren Sprache. Nur mit ihr können wir uns eindeutig über das Kommunique verständigen, mit dem Auftraggeber, mit dem Gestalter und unter uns. Wir werden uns deshalb in den folgenden Kapiteln mit Sachverhalten beschäftigen, die als Maßgrößen oder als andere Quantifizierungsmöglichkeiten von Kommuniques dienen können. 1 Eine solche operationalisierte Sprache zeigt uns deutlicher das jeweilige Transformationsproblem, die Verzerrungen, die unsere Nachricht bei ihrer Umsetzung in das Kommunique erfährt. Zudem ist eine solche Sprache eine nützliche Vorarbeit für eine psychologische Wirkungsanalyse (ab Kapitel 7). Im einzelnen werden wir uns beschäftigen mit: — dem Inhalt des Kommuniques und seiner Abweichung von der Nachricht, — dem Informationsgehalt bzw. der Unmißverständlichkeit des Inhalts, — den im Inhalt enthaltenen Wertungen, — der medientypischen Merkmalsstruktur des Kommuniques. Wir werden hierbei voraussetzen, daß jeweils untereinander vergleichbare Entwürfe des Kommuniques zur Beurteilung vorliegen. Wir behandeln dagegen nicht die Wirkungsabhängigkeit des Kommuniques von dem evtl. vorhandenen redaktionellen oder werblichen Umfeld (dazu: E. M. RUCZINSKI und K. SUTHOFF 1971, M. WEISER 1974).
1
Derjenige Leser, der Schwierigkeiten mit quantifizierenden Betrachtungsweisen hat, mag die folgenden Kapitel querlesen. Der Text wird dennoch einen ausreichenden Informationswert für ihn haben. Erst ab Kapitel 6.2 lese er wieder genau.
90
Die Botschaft (Kommunique)
4. Der Aufbau 4.1 Elemente Jedes beeinflussend gemeinte Kommuniqué der Massenkommunikation ordnet einem oder mehreren ausdrücklich genannten oder gezeigten Gegenständen (sogenannte Score-Elemente\ DOLLARD) bestimmte Eigenschaften oder Handlungsaufforderungen (sogenannte Kontext-Elemente) zu, indem es diese als räumlich, zeitlich oder argumentativ nahe Zeichen darstellt. Diese Gegenstände (meist handelt es sich um die Diffusionsgegenstände selbst) und Eigenschaftsdarstellungen nennen wir die Elemente (Zeichenkomplexe) des Kommuniques. Ihre Menge umfaßt also alle (vom Sender so gemeinten) Zeichen und Superzeichen des Kommuniqués. Die Elemente sind in einem Kommuniqué auf oft kunstvolle Weise miteinander verknüpft. Diese Verknüpfung geschieht durch bestimmte Kontext-Elemente oder durch den räumlichen oder zeitlichen Aufbau des Kommuniqués oder eines Teiles von ihm. Typische Strukturteile (cluster) eines Kommuniqués können zum Beispiel sein: die Szene in einem Spot, der Slogan in einer Anzeige, das Foto auf einem Plakat oder ein abgeschlossener Gedanke in einer Agitationsrede. Die Begrenzung des Strukturteils kann also syntaktische Gründe haben, wie bei dem Bild, oder semantische, wie bei dem Gedanken. Welche Elemente zu einem Strukturteil verschmelzen, kann nie allgemeingültig gesagt werden. Was ein Strukturteil sein soll, bestimmt beim Sender seine Aussageabsicht und die ihm verfügbaren technischen Mittel, was vom Empfänger dagegen als Strukturteil erlebt wird, bestimmt nicht nur der Aufbau des Kommuniques, sondern auch seine Interessen, Erwartungen und Befürchtungen. Erlebte Strukturteile des Empfängers sind also nur zum Teil identisch mit den konstruierten Strukturteilen des Senders. Immer aber sind sie Träger von Aussagen, von Argumenten. Je nach der Aussage, die man zu erkennen glaubt, nehmen die zugehörigen Elemente und Verknüpfungen unterschiedlichste Bedeutungen an. Elemente haben also nicht Bedeutungen an sich; vielmehr besteht die Bedeutung nur im Kopf des Senders oder Empfängers, solange er das Element als Teil eines aussagetragenden Strukturteils erlebt. Die von einem bestimmten Personenkreis am häufigsten erlebten Bedeutungen bilden den Inhalt des Kommuniques für diese Personen. Beispiel: Stellen wir uns das Wahlplakat einer Partei XY vor. Der Kandidat ist als schwarz-weißes Porträtfoto auf einem roten Untergrund abgebildet. Links
4. Der Aufbau
91
über i h m steht w e i ß sein N a m e , unter ihm schwarz der Aufruf seiner Partei: „Wählt X Y ! " Die E l e m e n t e sind: ( 1 ) Kandidat . . . , ( 2 ) roter Untergrund, ( 3 ) Personenname, ( 4 ) „Wählt . . . !" u n d ( 5 ) X Y . Element ( 4 ) u n d ( 5 ) werden w o h l meist ein Strukturteil bilden. Derartige Headlines, Slogans aber auch Bilder fassen telegrammartig lange Erklärungen ( T e x t ) zu einer konserve
Argumentations-
z u s a m m e n , genau zu d e m Rest, der auch in der Erinnerung v o n
einem längeren T e x t bestehen bleiben soll. Das Plakat enthält einige VerknüpTab. 4 - 1 . Häufigste deutsche Wörter bis zu einer Häufigkeit von 0,1 %, dem Alphabet nach geordnet (nach H.-H. WÄNGLER: Rangwörterbuch hochdeutscher Umgangssprache. Elwert V., Marburg 1963). Die Zahlen geben das tausendfache der Auftrittswahrscheinlichkeit wieder (Z = 1000 • p). aber 5,3 alle(n, m, r, s) 3,7 als 3,6 am 2,8 an 4,6 anderen(s, r) 1,9 auch 6,2 auf 7,0 aus 3,9 bei(m) 3,7 bin 1,2 da 5,1 dann 3,8 das 20,6 daß 4,9 dein(e, m, r) 1,2 dem 6,8 den 10,2 denn 2,7 der 25,7 des 4,0 die 28,6 diese(m, n, r, s) 4,2 dir 1,1 doch 3,6 du 8,1 durch 1,5 ein(e, em, en, er, es) 21,0 er 5,5 erst(e, en) 2,0 es 6,8 etwas 1,0 Frau(en) 1,3 für 4,5 ganz(e, en) 2,7 gar 1,5 gehen, ging etc 3,6 gestern 1,2 glauben(te) 1,0 groß(e, er, en) 1,2
gut(e, en, es) 2,6 habe(n, t, geh.) 8,8 hast (Hast) 1,9 hat(te, ten) 8,3 heute 2,4 hier 2,4 ich 20,0 ihm(n, nen, r etc) 7,8 im, in 19,8 ist 14,6 ja 8,7 Jahr(e, es, en) 1,7 jetzt 3,3 Junge(n) 1,2 kann(st) 3,6 kein(e, er, en) 2,8 klein(e, en, er) 1,3 kommen(st, e, en) 3,2 können(te, ten) 1,9 machen(e, t, te) 3,2 mal 4,4 man 4,6 Mann (Männer) 1,4 mehr(ere) 2,3 mein(e, em, er, es) 2,7 Mensch(en) 1,1 mich 1,6 mir 2,8 mit 8,4 Morgen (ect) 1,3 muß, müssen 5,4 na 1,1 nach 3,7 nein, nee 1,4 nicht(s) 14,0 noch 6,3 nun 2,3 nur 3,2 ob 1,1 oder 1,8
sagen (etc) 3,4 sehr 1,7 sein(e, en, etc) 5,4 sich 6,5 sie 12,0 sind 3,7 so 7,4 soll(en, etc) 3,3 schon 4,0 schön 1,4 Tag(e, etc) 1,6 über 2,5 um 2,4 und 19,0 uns(er, etc) 2,9 viel(e, en) 2,0 von 6,4 vor 2,4 war(en, st) 6,3 was 5,6 wenn 3,7 werde (n) 3,0 wie 4,0 wieder 3,2 will(st) 1,8 wir 6,3 wird 2,7 wo 1,2 wohl 1,1 wollen(te, etc) 2,0 wurde(n) 2,3 Zeit 1,4 zu, (m, r) 12,3 zwei 1,2
Setzen Sie bei Berechnungen für alle anderen Wörter p = 0
92
Die Botschaft (Kommunique)
fungen, die nicht besondere Zeichen sind, so daß wir sie nicht als Elemente aufzählen konnten: Da ist einmal die Tatsache, daß der Name links über dem Foto steht. Er hätte auch unter ihm stehen können. Aber so kann diese Verknüpfung für einige Empfänger durchaus ihre besondere Bedeutung haben (Image). Dann hatte der Sender vielleicht rot gewählt, weil sie eine auffällige Farbe ist, aber in der räumlichen Verknüpfung mit dem Kandidaten nimmt sie für einige Empfänger die Bedeutung „sozialistisch" an. Übrigens können auch Bedeutungen erlebt werden, die vom Sender her gesehen völlig unwahrscheinlich sind. Man interpretiert sie gerne als projektive Auslegungen. Wir werden uns später noch damit zu beschäftigen haben. Wenden wir uns jetzt den mehr objektiven Eigenarten der Elemente zu. Ein solches objektives Charakteristikum ist die Häufigkeit von Text- und Bildelementen. Bei Textelementen spricht man gern von der Häufigkeit der Wörter, aber nicht bezogen auf bestimmte Medien oder Werbegegenstände, sondern auf einen ganzen Sprachraum (vgl. Tabelle 4—1). Für Bildelemente liegen bisher keine Auszählungen vor. Eigene Auszählungen an der Hochschule der Künste Berlin erbrachten bisher von Jahr zu Jahr stark wechselnde Ergebnisse. Ein Durchschnittsergebnis zeigt Tabelle 4—2. In beiden Fällen geht es darum, daß man die im eigenen Kommunique verwendeten Elemente mit der durchschnittlichen Häufigkeit vergleicht. Dadurch erhält man einen Hinweis auf die Leichtigkeit, mit der der Empfänger aller Voraussicht nach die Botschaft entschlüsseln kann. Tab. 4 - 2 . Die Wahrscheinlichkeit (in %) (n = 638)
Produkt Mann Frau Paar oder Gruppe Kind Kopf Hand Naturlandschaft Stadtlandschaft Haus, Garten Arbeitsplatz Zimmer oder Teile Freizeitgerät schwarz-weiß farbig
visueller Elemente
in Anzeigen einiger Branchen
Zigaretten
Kosmetik
Getränke
100 10 3 60 0 3 3 13 13 20 7 27 13 3 97
88 5 97 16 10 70 28 20 13 0 0 33 0 8 92
97 17 23 23 0 3 23 23 0 7 0 30 0 23 77
technische Produkte 93 13 10 3 7 7 20 7 10 3 7 20 0 87 13
Geldin 18 44 24 46 18 29 9 18 20 7 11 13 0 62 38
Ein weiteres objektives Merkmal der Elemente ist ihre theoretische Auffassungswahrscheinlichkeit. Wir müssen natürlich voraussetzen, daß das Kommunique dem Empfanger unbekannt ist. Stellen wir uns nun das Kommunique als auf-
4. Der Aufbau
93
gelöst in seine Elemente vor, so kann leicht in einer Voruntersuchung bestimmt worden sein, wie viele Elemente im Durchschnitt aufgefaßt werden (Kapitel 7). Stellen wir uns vor, die Untersuchung hätte ergeben, es werde ein Element im Durchschnitt gesehen. Wie viele Benutzer des Mediums fassen dann kein Element auf? Dies ist ein Problem der Verteilung „seltener Ereignisse". Nach POISSON können wir diese Frage nach der Auffassungszahl A von E Elementen mit Hilfe folgender Formel bestimmen: AE =
e
-D .
g|
DE
• 100
Hierin bedeutet D die durchschnittlich aufgefaßte Zahl von Elementen; in unserem Beispiel also 1. e ist die Basis der natürlichen Logarithmen. Tabelle 4—3 zeigt uns die Anwendung dieser Formel. Wir können der Tabelle direkt entnehmen, wieviel Prozent der Empfänger welche Zahl von Elementen auffassen. In unserem Beispiel werden voraussichtlich 36,8 % der Medienbenutzer unser Kommunique nicht bemerken. Nur 26 % werden mehr als ein Element beachten. Tab. 4 - 3 . Der prozentuale Anteil an aufgefaßten Elementen (E) bei Bekanntheit der durchschnittlich aufgefaßten Elementenzahl (D) tatsächlich aufgefaßte Elemente E = 0 1 2 3 u. mehr
durchschnittlich aufgefaßte Zahl von Elementen (D) 1 2 0,5 0,1 90,5 % 9,0 0,4 0,1
60,7 % 30,3 7,6 1,4
36,8 % 36,8 18,4 8,0
13,5 % 27,1 27,1 32,3
100,0 %
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Diese Betrachtung macht uns deutlich, daß wir eine Mindestzahl an auffaßbaren Elementen gestalten müssen, um die Anzahl der Nichtempfänger möglichst gering zu halten. Wir müssen uns dann allerdings damit abfinden, daß ein guter Teil unserer Elemente nicht beachtet werden wird, dafür werden aber eben einige aufgefaßt. Wir haben hier zwei unterschiedliche Vermittlungswege vor uns: (1) Man stelle wenig dar, dies aber auffällig und leicht verständlich. (2) Man stelle möglichst viel dar, etwas wird dann schon beachtet werden und hängen bleiben. Die statistische Betrachtung unterstützt den zweiten Weg. Sie kann die beosndere Hervorhebung eines Elementes schlecht in Rechnung stellen und geht von einer Gleichwahrscheinlichkeit der Elemente aus. Wenn es keine Möglichkeiten gibt, Einzelelemente stark zu betonen, dann sollte man tatsächlich dieser statistischen Empfehlung folgen.
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Die Botschaft (Kommunique)
4.2 Verknüpfungen von Elementen im Kommunique Wir hatten die räumlichen, zeitlichen oder verbalen Zuordnungen der Elemente in einem Kommunique als ihre Verknüpfungen bezeichnet. Dabei hatten wir zugelassen, daß auch Elemente selbst Verknüpfungen anderer Elemente sein können. Auf welche Weise lassen sich nun Verknüpfungen messen und ordnen? Plausibel scheint es, die logische oder grammatikalische Struktur des Kommuniques zu untersuchen. Doch deckt dieses Vorgehen nur die sprachschriftliche Konstruktion auf und ist zudem unangemessen aufwendig, wenn wir daran denken, daß eine solche Untersuchung wichtige Sachverhalte für die wahrnehmungspsychologische Beurteilung des Kommuniques liefern soll. Stattdessen sprechen gerade wahrnehmungspsychologische Erkenntnisse dafür, sich auf die Analyse sehr einfacher Verknüpfungsformen (etwa der raum-zeitlichen Nähe oder der Ähnlichkeit der Elemente) zu beschränken. Wir kommen auf diesem Wege dichter an die Deutungsgestalten heran, wie sie vom Empfänger beim Entschlüsselungsvorgang aus dem Kommunique herausgehoben werden ( H. JACOBI 1963). Im allgemeinen werden wir uns für die Schwerpunkte im Verknüpfungsfeld interessieren. Es sind diejenigen Stellen im Feld, die mindestens betrachtet werden müssen, um einen Gesamtüberblick zu erhalten. Es werden meist nur sehr wenige Stellen sein. Sie lassen sich, ausgehend von der prägnantesten Stelle, in etwa abschätzen. Sind zuverlässigere Abschätzungen erforderlich, wird man sich entschließen, die Schwerpunkte rechnerisch zu bestimmen. Das rechnerische Verfahren befreit uns von Intuition und ästhetischen Vorurteilen. Die Verknüpfungen v,j eines Kommuniques, gemessen unter einem bestimmten Aspekt (beispielsweise der Nähe) wollen wir dessen Verkruipfungsfeld nennen. Ein solches Feld ist eindeutig auf einer quadratischen Matrix V abbildbar, die zwischen den Elementen aufgespannt ist. Diese (symmetrische) Matrix hat folgendes Aussehen, wenn n die Anzahl der Elemente ist: Ei E2 E3 E4 . . . En El vn vi2 vi3 vi4 . . . vi„ V E2 21 v 22 v 23 v24 • • • V2n
En v n i v n 2 v„3 v n 4 . . . Vnn Die Verknüpfungen sollen prinzipiell so gemessen werden, daß ihr absoluter Betrag alle Werte von 0 bis 1 annehmen kann. Die Werte in der Diagonalen Vjj drücken die Gesamtverknüpfung eines Elementes mit seinem Feld aus; als Maßgröße kann der höchste Betrag der Spalte dienen. Als Beispiel mag die Berechnung der Schwerpunkte zur Anzeige in Tafel 4—1 dienen: Die Werte der oben stehenden Matrix (Tabelle 4 - 4 ) geben die räumliche Nähe der Elemente zueinander wieder. Die Nähe wird dabei gemessen nach der An-
4. Der Aufbau
95 Tafel 4 - 1 . Beispiel für die Auffindung von Verknüpfungsschwerpunkten (Hoehl-Anzeige aus: Der Spiegel. 26. Jg. 13. Nov. 72, S. 3) Tab. 4 - 4 . Matrix des 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
HOEHL. Geschätzt seit Kaisers Zeiten.
Verknüpfungsfeldes:
1 2 3 4 5 6 Mann .9 1.0 .9 .7 .6 Frau .9 .9 .8 .7 Mode 1910 .9 .7 .6 Sektflasche .7 .7 Hoehl 1.0 Geschätzt . . seit . . . Kaisers Zeiten Sektflasche Hoehl (Etikett)
7 .6 .7 .6 .7 .9 .9
8 .6 .7 .6 .7 .9 .0 .9
9 .4 .5 .4 .5 .8 .8 .8 .8
10 .4 .5 .4 .5 .7 .8 .8 .8 1.0
Tab. 4 - 5 . Schwerpunktsmatrix Die faktorenanalytische Bearbeitung dieser Matrix liefert zwei Schwerpunkte. Die Zahlen drücken die Charakteristik für den jeweiligen Schwerpunkt aus. 1.00 wäre identisch mit dem Schwerpunkt. Schwerp. 1 Schwerp. 2 1. Mann .19 .98 2. Frau .35 .88 .19 .98 3. Mode 1910 4. Sektflasche .32 .89 5. Hoehl .75 .60 6. Geschätzt . . .90 .40 7. seit . . . .47 .80 8. Kaisers Zeiten .89 .42 9. Sektflasche .95 .20 10. Hoehl (Etikett) .21 .93 Die Schwerpunkte liegen also bei der Paargruppe und der Produktdarstellung unten. Am schwächsten ordnet sich der Name Hoehl zu; ihm scheint die Funktion eines verknüpfenden Elementes zuzukommen. Er hat dadurch allerdings auch die Chance, bei oberflächlichster Betrachtung miterfaßt zu Werden, gleichgültig ob Schwerpunkt 1 oder 2 dem blickweisen Kontakt dient.
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Die Botschaft (Kommuniqué)
Weisung vy = 1 — dij/d max -, worin djj der Abstand zwischen den Elementen E¿ und Ej bedeutet und d m a x der größtmögliche Abstand, nämlich die Diagonale. Eine solche Matrix (sie könnte auch andere Verknüpfungen wiedergeben) gibt uns die Möglichkeit, die Schwerpunkte im Verknüpfungsfeld der Botschaft zu berechnen. Und zwar gelingt dies mit Hilfe eines faktorenanalytischen Verfahrens. Wir könnten uns zum Beispiel des B-Koeffizienten (coefficient of belonging) von HOLZINGER und TRYON oder (mit einer erheblichen methodischen Großzügigkeit) der Schwerpunktsmethode von THURSTONE bedienen. Im ersten Falle berechnet man von einer starken Variablen ausgehend einen Cluster: mittl. Verknüpfung der Variablen in dem Cluster B = 100 • —mittl. Verknüpfung des gesamten Feldes Sodann von der stärksten verbleibenden Variable usw. Das zweite Vorgehen ist zeitlich kaum aufwendiger. Wir haben es in Tafel 4—1 angewandt (vgl. K. ÜBERLA 1968). Es zeigt uns, daß zwei Schwerpunkte existieren (Tabelle 4—5). Wir müssen also damit rechenn, daß dies für den Empfänger die am stärksten beachteten Stellen der Anzeige sind. Der Markenname erweist sich als verknüpfendes Element: er wird häufig, aber nur sehr flüchtig betrachtet werden.
4.3 Medienabhängige Kombinationswahrscheinlichkeit von Elementen Eine weitere Frage, die objektiv beantwortet werden kann, bezieht sich auf die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Arten von Elementen gemeinsam in Werbekommuniques zu finden sind: Mit welcher Kombinationswahrscheinlichkeit treten welche Elemente gemeinsam z. B. in Theaterplakaten, in Leitartikeln oder in Wirtschaftsanzeigen auf? Oder noch spezieller gefragt: Welche Kombinationswahrscheinlichkeiten von Elementen beobachten wir in den Fersehspots der großen Fluggesellschaften (und dies jeweils beschränkt auf einen bestimmten Staat und Zeitraum)? Die Beantwortung dieser Fragen führt zur Auffindung branchentypischer Werbestile. Eine erste Antwort finden wir zunächst nur im Bereich der Anzeigen der Wirtschaftswerbung. Aber im Prinzip ist diese Betrachtungsweise auf jeden Bereich der beeinflussenden Massenkommunikation übertragbar. Die erste Untersuchung von Kombinationswahrscheinlichkeiten der Elemente wurde an Anzeigen durchgeführt (D. w. TWEDT 1952). Man folgt bei derartigen Untersuchungen der Erwartung, daß in einer repräsentativen Stichprobe von Anzeigen praktisch alle sinnvollen Kombinationen von Elementen mindestens tendentiös auffindbar sein müßten. Es gibt sicher nicht unbegrenzt viele Kombinationsmöglichkeiten, denn es werden solche Möglichkeiten zur Gewohnheit, von denen man glaubt, daß sie der Beeinflussungsabsicht genügen. Aber wieviele Kombinationen gibt es und welche sind es? Nun müssen wir einfügen, daß diese Untersuchungen keineswegs streng auf
4. Der Aufbau
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Elemente bezogen waren. Eine spätere Kontrolluntersuchung des Verfassers zeigte nämlich, daß eine puristische Beschränkung auf Elemente diese als orthogonal, als selbständig und unabhängig erweist ( H . - J . HOFFMANN 1972). Dieses Bild sieht aber anders aus, sobald man Bedeutungen hinzufügt, o. w. HASELOFF, H . - J . HOFFMANN U. K . - F . FLOCKENHAUS (EMNID 1961) berechneten Tab. 4—6. Codierungsvorschrift für Anzeigenmerkmale setze das Merkmal gleich +2 0 Allgemeine Merkmale Größe ganze Seite u. mehr halbe Seite Farbigkeit bunt eine Zusatzfarbe Anschaulichkeit fotografieartig sofort als Grafik erkennbar
1/16 S. u. weniger schwarz-weiß nur wenige Striche, kein Bild
Anzeigenteile Headline, Slogan
keine Überschrift
Produkt
markant hervorgehoben Alleinstellung
Konsument Text Coupon Leerfelder
Alleinstellung nur Text 1/3 und mehr 1/2 und mehr
Konsumentenmerkmale Alter Zuwendung Demonstration
Textmerkmale Erzählung Information Bild• und Trieb
Textinhalte
Heiterkeit Status/Luxus Eskapismus
Zusatznutzen
übliche Überschrift 1/5 Anzeige ohne Leerfelder 1/4 Anzeige o.L. 1/2 Anzeige o.L. 1/6 Anzeige o.L. 1/5 Anzeige
(auch Text und Produktbereich) 16jährige oder 60 und älter wenn kein Konsument wendet sich an keine Zuwendung Leser anschauliche abstrakte Demonstration (z. B. Demonstration Rezept) typischer Werbetext viele sachdienliche kaum sachdienHinweise liche Hinweise erzählender Text
starke Triebaufforderung lustig Oberschicht ungewöhnlicher Luxus Flucht in Vergangenheit, Zukunft oder Traumwelt vorrangige Darbietung eines Zusatznutzens
-2
kein Produkt kein Konsument kein Text kein Coupon keine Leerfelder Säugling kein Konsument keine Demonstration
kein Text kein Text
farblose Triebansprache zufrieden Mittelschicht (nicht bestimmbar) reale Flucht (Reisen, Hobby)
keine Triebansprache beängstigend Unterschicht
Zusatznutzen wird nebenbei erwähnt
kein Zusatznutzen
Armut keine Flucht
98
Die Botschaft (Kommunique)
Korrelationen zwischen 25 Arten von Elementen und anderen Variablen (vom Sender gemeinte Inhalte, sowie auch Verknüpfungs- und Gestaltungsformen von Elementen) (Tabelle 4—6 gibt einen Überblick über ähnliche Variablen und ihre Codierung). Mit Hilfe einer Faktorenanalyse hätten wir nun die Möglichkeit gehabt, aus den Korrelationen 18 verschiedene bevorzugte Kombinationen aufzudecken. Aber wir fanden nur sechs Faktoren (EFA 61). Wir interpretierten sie als idealtypische Stile von Wirtschaftsanzeigen. Die Tabelle 4—7 zeigt das Ergebnis einer der EFA 61 ähnlichen Untersuchung.2 Die Zahlen geben wieder, wie typisch die einzelnen Variablen für die gefundenen AnzeiTab. 4 - 7 . Anzeigenstile Die Zahlen wurden von faktoriellen Gewichtszahlen abgeleitet. Sie drücken aus, wie typisch das einzelne Merkmal für den Anzeigenstil ist. Informieren
Veranschaulichen
Verkaufen
Spiegeln
Bestätigen
Information
Konkretion
Suggestion
Identifikation
Motivation
0 -2 0
1 0 3
1 1 1
0 0 1
0 -1 -2
1 0 0 3 1 -2
-1 3 0 -2 1 1
3 -2 1 -1 2 -1
-1 -3 3 -1 0 -1
-2 -2 1 0 -2 0
-1 0 -1
-1 0 -1
-1 0 2
1 2 2
1 -1 0
0 0
2 3
-2 -1
0 -2
-1 -1
1 -2
Bild- und Textinhalte 1 Trieb (Sex) Heiterkeit -2 2 Status/Luxus Eskapismus 0 -1 Zusatznutzen
-2 -1 -2 -1 2
-1 1 1 -2 0
-1 1 -2 -2 0
1 1 -1 -1 -1
1 1 4 2 1
Bekanntmachen korreliert in der EFA 61 mit: Präsentation Allgemeine Merkmale Größe 3 Farbigkeit 3 Anschaulichkeit -1 Anzeigenteile Headline, Slogan -1 Produkt 2 Konsument 0 -1 Text 1 Coupon Leerfelder 0 Konsumentenmerkmale -2 Alter Zuwendung -2 -2 Demonstration Textmerkmale Erzählung Information
2
Sie wurde vom Verfasser 1968 mit den Anzeigen einer Zeitschrift durchgeführt. Sie ergab zur EFA 61 überraschend ähnliche Faktoren. Daß dies vor allem eine Folge der Variablenwahl ist, zeigte eine zweite Kontrolluntersuchung (referiert in H.-J. HOFFMANN 1972).
4. Der Aufbau
99
genstile sind. Sie erweisen sich als (sicher unabsichtlich) auf bestimmte Adoptionsphasen bezogene Kommunikationsmaßnahmen: (1) Bekanntmachender Anzeigenstil (in EFA 61 „Präsentation"): Dominierende Variablen: Größe, Farbigkeit, Produktbetonung. Hier handelt es sich um einen aufwendigen, repräsentativen Werbestil. Mit ihm hofft man sich bekannt zu machen und gleichzeitig ein Stück Anerkennung zu finden. (2) Informierender Anzeigenstil (in EFA 61 „Information"): Dominierende Variablen: Textanteil, informierender, aber auch erzählender Text, Zusatznutzen. Hier werden Zielpersonen angesprochen, die sich zu informieren wünschen. Es werden Entscheidungsalternativen vorweggenommen. Man sucht den Gegenstandsbereich zu differenzieren. (3) Veranschaulichender Anzeigenstil (in EFA 61 „Konkretion"): Dominierende Variablen: plastische, wirklichkeitsgetreue Produktdarstellung, unterstützt durch Bild. Dieser Anzeigenstil spricht Adopter vor der Entscheidung etwa zur gleichen Zeit wie der bekanntmachende Anzeigenstil an. Es wird versucht, das Produkt als Wunschbild zu konkretisieren. (4) Verkaufender Anzeigenstil (in EFA 61 „Suggestion"): Dominierende Variablen: Ansprechformel, Konsum vormachen, Coupon. Dieser Anzeigenstil ist typisch für die Phase der Annahme, des Kaufs, der Wahl. Man rechnet damit, daß sich die Zielpersonen gerne fuhren lassen, sie brauchen nicht nachzudenken, die endgültige Entscheidung wird ihnen abgenommen. (5) Spiegelnder Anzeigenstil (in EFA 61 „Identifikation"): Dominierende Variablen: Abbildung eines Konsumenten, er wendet sich dem Leser zu, die Anwendung des Gegenstandes demonstrierend, dieser Anzeigenstil rechnet damit, daß sich die Zielperson um eine Einbeziehung des Gegenstandes in die Ich-Sphäre bemüht. Man zeigt ihm, daß die Verbraucher seinem Ichideal und seiner sozialen Rolle entsprechen. Der am häufigsten vorgeführte Konsument ist eine reifere Frau (nach EFA 61), da Hausfrauen die häufigsten Zielpersonen sind. (6) Bestätigender Anzeigenstil (in EFA 61 „Motivation"): Dominierende Variablen: Luxus- und sozialprestigevorfuhrende Bilder, Eskapismus. Dieser Anzeigenstil bietet Ziel- und Traumwelten von sozialem Ansehen und Macht. Es sind Zielpersonen gemeint, die durch demonstrativen Konsum ihre Entscheidungsrechtfertigung zu finden hoffen. Für die Beschreibung einer Anzeige hat es sich als nützlich erwiesen, die Tabelle 4—7 zur Stilbestimmung zu benutzen. Der Rechenvorgang ist sehr einfach (vgl. Abb. 4—1 und Tabelle 4—8): Man trägt zunächst mit Hilfe der Tabelle 4 - 6 in die erste Spalte der Tabelle 4—8 den Ausprägungsgrad des einzelnen Merkmals ein. Er reicht in unserer Kodierungstabelle (Tabelle 4—6) von —2 über 0 bis +2. +2 ist einzutragen, wenn es nicht vorstellbar ist, daß das Merkmal deutlicher herausgearbeitet sein könnte.
100
Die B o t s c h a f t ( K o m m u n i q u e )
Es gibt ja das Arbeltsamt. M a n c h e meinen immer noch, d a s Arbeitsamt sei nur für Arbeitslose d a . Natürlich zahlen wir auch Arbeitslosengeld - eine beruhig e n d e ( V e r s i c h e r u n g , wenn es hart auf hart kommt.
seine C h a n c e n nutzen \ mer auf uns zählen.
II, kan
Kurzum : wir vom Arbeitsamt sind für Sie d a , wenn Sie uns brauchen. Ist es nicht gut zu wissen, d a ß es d a s Arbeitsamt g i b t ?
A b e r wir wollen mehr bieten: mehr Sicherheit für d a s g a n z e Arbeitsleben. Mit uns wird Ihr Risiko kleiner.
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immer gut beratenbei den Fachleuten hi Arbeitsamt A b b . 4—1. D i e s e v o n der A C O N G m b H K ö l n g e s t a l t e t e A n z e i g e w i r d in der f o l g e n d e n T a b e l l e 4 - 8 k o d i e r t u n d a u f ihren A n z e i g e n s t i l hin u n t e r s u c h t
4. Der Aufbau
101
0 bedeutet eine übliche Ausprägung des Merkmals (es ist eher etwas schwach, falls Entscheidungsschwierigkeiten bestehen). —2 wird nur benutzt, wenn das Merkmal nicht mehr zu finden ist. Sodann werden die Ausprägungsgrade mit den Gewichtszahlen aus Tabelle 4—7 multipliziert (Vorzeichen beachten!); dann werden die Werte jeder Spalte addiert. Ein Vergleich der Summe zeigt, welche (r) Werbestil(e) vorherrschen(t). Auf diese Weise kontrollieren wir, welcher Anzeigenstil nun tatsächlich von dem Gestalter verwirklicht wurde. Tab. 4 - 8 . Codierung und Berechnung des Anzeigenstils (Faktorenstruktur) Variablen
Gewicht Produkte zwischen den Gewichtszahlen der Anzeige und den Faktorengewichten aus Tabelle 4 - 7 . Bekannt- InforVeranVerkau- Spiegeln Bestä machen mieren schaufen lichen Größe 2 0 2 6 2 0 0 Farbigkeit1 1 -2 3 0 1 0 -1 Veranschaulichung 0 0 0 0 0 0 0 Headline 2 -2 2 -2 -2 -4 6 Produkt1 0 0 0 0 0 0 0 Konsument2 0 0 0 0 0 0 0 Text 1 -1 -2 -1 3 -1 0 Coupon -2 -2 -2 -2 -4 0 4 Leerfelder3 0 0 0 0 0 0 0 Alter 1 -2 -1 -1 -1 1 1 Zuwendung 2 -4 0 0 0 4 -2 Demonstration 0 0 0 0 0 0 0 Erzählung 0 0 0 0 0 0 0 Information -1 -1 1 0 3 -2 -2 Trieb 2 -2 -2 -2 4 2 -2 -1 1 1 1 1 Heiterkeit 1 -2 Status/Luxus 0 0 0 0 0 0 0 2 4 4 2 Eskapismus -2 0 -4 Zusatznutzen -2 -4 0 0 2 -2 2 Summe:* 1 1 3 4
-4
4
1
8
4
-11
Im Original sind die Grafik und das Zeichen rechts unten farbig. In diesem Beispiel ist die abgebildete Person sowohl als „Produkt" als auch als „Konsument" deutbar. Deshalb wurde sie in beiden Richtungen codiert. Im Original bleibt ein wesentlich breiterer weißer Rand. Zur Interpretation siehe Text auf dieser Seite unten.
Tabelle 4—8 zeigt den soeben beschriebenen Rechengang für die Anzeige in Abb. 4—1. Das Endergebnis (Summe) dieser Rechnung ist recht typisch, denn keinesfalls können wir damit rechnen, daß nur ein Anzeigenstil allem eine Anzeige beherrscht. Es wird immer ein Gemisch mehrerer Stile sein. Die hier untersuchte Anzeige setzt zu Recht eine Bekanntheit des Arbeitsamtes voraus. Sie ist stärker darauf abgestellt, die Information über das Arbeitsamt zu erhöhen. Vor allem aber trägt sie zur Entscheidung bei, vom Arbeitsamt Gebrauch
102
Die Botschaft (Kommunique)
zu machen. Es gelingt ihr allerdings nicht, das Arbeitsamt zu veranschaulichen, im Bewußtsein der Zielpersonen transparent zu machen. Der interessierte Leser findet in der EFA 61 oder 65 ein genaueres Verfahren.
4.4 Hierarchieanalyse In unseren bisherigen Betrachtungen des Aufbaus von Kommuniques hatten wir alle Elemente in einer Ebene belassen. Der Inhalt aber enthält einen hierarchischen Aufbau der Elemente. Einige Elemente haben zentrale Bedeutung, andere sind nur erläuternde Zutat. Der Analyse eines solchen Aufbaus begegnen wir nur im sprachlichen Bereich: der Aufgliederung eines Satzes in seine Konstituenten ( L. BLOOMFIELD, CH. C. FRIES): „Zuerst werden die näheren Bestimmungen des Gesamtsatzes abgetrennt, dann der übrige Satzkörper in eine Subjekt- und eine Verbphrase zerschnitten, dann die einzelnen Erweiterungen der Subjekt- und der Verbphrase abgetrennt. Bei der Subjektphrase werden die Erweiterungen, die hinter dem Kern (= dem eigentlichen Subjekt) stehen, zuerst abgetrennt, davon das letzte zu allererst, dann die, die vor dem Kern stehen und von ihnen das vorderste zu allererst." (P. TEIGELER (1968) S. 50) (vgl. auch G. WOTJAK 1971). Die Konstituentenanalyse ist eng mit der Phrasengrammatik gekoppelt. Da wir sie für unzweckmäßig halten, wollen wir beim Aufschlüsselungsvorgang (Hierarchieanalyse) in wesentlichen Punkten abweichen: Wir gehen prinzipiell vom Hauptgegenstand aus. Ihm sind als Ergänzungen ersten Grades adjektivische oder/und verbale Erläuterungen zugeordnet, diesen können als Ergänzungen zweiten Grades wiederum Erläuterungen zugeordnet sein, usw. Mit anderen Worten: uns kommt es nicht auf die einzelnen Worte an, sondern auf die Aussagefolge, die in jedem Satz enthalten ist (Tafel 4—2). Diese Hierarchieanalyse hat zwei Schwierigkeiten: Erstens sind die Elemente nicht sauber isoliert gegeneinander abgegrenzt, sondern sind miteinander verzahnt. Die Elemente künstlich zu isolieren bedarf der Kenntnis dessen, was der Sender beabsichtigte. Dies ist im visuellen Bereich nicht anders. Dort liegen die Elemente gewissermaßen aufeinander und müssen gleichfalls von einander abgehoben werden, wie das Beispiel in Tafel 4 - 3 zeigt. Eine zweite Schwierigkeit liegt darin, daß die Elemente wenig mit unserer gewohnten Grammatik zu tun haben. So ist beispielsweise der Hauptgegenstand (die „0. Ergänzung") im 3. Beispiel nicht identisch mit dem sogenannten Satzgegenstand. Ein eingeschobener Satz wird von der Hierarchieanalyse herausgenommen, also der zeitliche Ablauf verfälscht. Die Sätze können unterschiedlich verzahnt sein, ohne daß deshalb die Aussagen, die Nachricht sich ändert, in anderen Fällen dagegen ist es gerade die Art der Verzahnung, die selbst
4. Der Aufbau
103
Tafel 4 - 2 . Verbale Hierarchieanalyse Zunächst ein Beispiel aus P. TEIGELER (1968), um einen Vergleich der Hierarchieanalyse mit der Konstituentenanalyse zu ermöglichen: „Der Pilot sieht abends in der Ferne die Lichter der Stadt" Der Pilot
0. Ergänzung (Gegenstand)
sieht
1. Ergänzung (Verb) abends
2. Ergänzung (wann, wo, was)
I in der Ferne I
die Lichter I der Stadt
3. Ergänzung (wovon)
Als zweites Beispiel einen aufschlußreichen Gedanken von W. v. HUMBOLDT: „Die Verschiedenheit der Sprachen ist nicht eine von Schällen und Zeichen, sondern eine Verschiedenheit der Weltansichten." 0. Ergänzung (Gegenstand) 1. Ergänzung (Entscheidung) 2. Ergänzung (...zwischen) Hier wird besonders deutlich, daß uns keine Grammatik und vor allem auch keine Wortabgrenzung interessant ist, sondern die Aussage. Das dritte Beispiel läßt sichtbar werden, daß vertikal der Aussagezusammenhang der Elemente steht, horizontal dagegen der zeitliche Ablauf des Gedankenganges: „Was Menschen Böses tun, das überlebt sie, das Gute wird mit ihnen oft begraben." (SHAKESPEARE) Gutes
Böses
0. Ergänzung 1. Ergänzung
tun
2. Ergänzung
Mensch
überlebt
I
| wird begraben | mit ihnen
Ob „ o f t " richtig plaziert ist, bleibt unentscheidbar. Dazu müßte entweder die Aussageabsicht des Senders oder das Deutungsinteresse des Empfängers bekannt sein. Dieses könnte sogar die Rangfolge umkehren. eine (meist ästhetische) Aussage trägt. Schließlich ist der Hierarchieanalyse nicht eindeutig anzusehen, ob sie eine Feststellung oder eine Frage analysiert. Einen Ausweg aus diesen Schwierigkeiten ö f f n e t e n wir bereits, indem wir die Elemente ausdrücklich an den Aussagewunsch des Senders, oder an die Aussageerwartung des Betrachters koppelten. Im allgemeinen wird man allerdings die Hierarchieanalyse senderseitig durchfuhren. Dabei sollten wir uns immer darüber im klaren bleiben, daß es keine eindeutige Analyse gibt. Wir sollten deshalb immer mehrere Möglichkeiten durchspielen. Sie geben uns erste Hinweise
104
Die Botschaft (Kommunique)
auf die Auffassungsfolge beim Empfänger. Oft genug wird sie aus Geld- oder Zeitgründen der einzig durchfuhrbare Ersatz für eine empirische Auffassungsanalyse (Empfangsanalyse) sein. Tafel 4 - 3 . Visuelle Hierarchieanalyse Die visuelle Analyse ist ungleich schwieriger als die verbale. Ihr Versuch lohnt sich jedoch, da man auf diesem Wege gezwungen wird, die Elemente und ihre Verteilung neu zu durchdenken: 1. Schritt: Elementenanalyse (auch Analyse der Strukturteile) Plakat
Headline
Produkt
Erweiterungen (Beiwerk)
Text
Konsument
Markenzeichen
2. Schritt: Hierarchieanalyse Hier gilt es den Weg aufzuzeichnen, den der Sender vom Empfänger bei der Dekodierung erwartet. Ihn später mit Laboratoriumsergebnissen zu vergleichen, wirkt sich korrigierend, fast disziplinierend auf das eigene Gestalten aus. 1.
Headline
2.
Konsument
3.
Produkt
4. 5.
Beiwerk
| Text [ I Markenzeichen
4. Der Aufbau
105
4.5 Übung 4.5.1 Zusammenfassung
Der Aufbau eines Kommuniqu6s besteht aus [T] und ihren [2] . Beides, sowohl die Elemente als auch die Verknüpfungen sind Träger wechselnder [3] . Die von einem bestimmten Personenkreis am häufigsten erlebten Bedeutungen machen den [4] des Kommuniques aus. Am Rangplatz der Häufigkeit eines Elementes können wir die Leichtigkeit ablesen, mit der es [5] wird. Die häufigsten Hauptwörter der deutschen Sprache sind: [6] . Die Elemente treten nicht unabhängig voneinander auf, sondern ihre Auftrittswahrscheinlichkeit ist voneinander abhängig: sie ergänzen sich zu Werbestilen. In der Anzeigenwerbung fand man folgende sechs Stile: 0 . 4.5.2 Aufgabe
Suchen Sie sich zwei Anzeigen einer Branche, wobei die eine Ihrem persönlichen Geschmack entsprechen sollte, die andere dagegen nicht. (1) Aus welchen Strukturteilen bzw. Elementen bestehen die Anzeigen? (2) Sind es häufige Elemente in dieser Branche? Welches ist also die leichter verständliche Anzeige? (3) Wie viele Verknüpfungsschwerpunkte vermuten Sie, und wo werden diese liegen? (4) Berechnen Sie die Anzeigenstile mit Hilfe der Tabellen 4—6 und 4—7. (5) Führen Sie eine Hierarchieanalyse mit den Headlines durch. Hat sich Ihr Geschmacksurteil bestätigt? 4.5.3 Literatur H. Bessler: Aussageanalyse. (2. Aufl.) Düsseldorf 1972 J. Hantsch: Zur semantischen Strategie der Werbung. Aus: Sprache im technischen Zeitalter. 42, 1972 T. Hermann und K. H. Stäcker: Sprachpsychologische Beiträge zur Sozialpsychologie, im Handbuch der Psychologie. Bd. 7/1. Göttingen 1972 P. Teigeier: Verständlichkeit und Wirksamkeit von Sprache und Text. Stuttgart 1968 ZurEFA 61 /65 3 O. W. Haseloff, H.-J. Hoffmann und K . - F . Flockenhaus: Emnid-Faktorielle Anzeigenanalyse. Bielefeld-Berlin 1961 O. W. Haseloff, K . - F . Flockenhaus, U. Lauer und H.-J. Hoffmann: Efa 65. Eine faktorielle Technik der psychologischen, semantischen und informationellen Anzeigenanalyse. Berlin-Bielefeld 1965 O. W. Haseloff: Pharma-Anzeigen-Diagnostik. Berlin 1967 H.-J. Hoffmann: Werbepsychologie (S. 132-150). Berlin 1972 Die ersten drei Arbeiten sind nicht im Buchhandel erhältlich (Anfragen an Prof. Dr. O. W. Haseloff, Sigma-Institut, Berlin, oder Emnid-Institut, Bielefeld).
106
Die Botschaft (Kommunique)
[T1 Elementen. - [2] Verknüpfungen. - [T] Bedeutungen. - [4] Inhalt. - [T] entschlüsselt oder verstanden. - [ö] Frau, Jahr, Junge, Mann, Mensch, Morgen, Tag und Zeit. |7l bekanntmachend, informierend, veranschaulichend, verkaufend, spiegelnd und bestätigend.
5. Die Information
5.1 Informationsgehalt Die Elemente eines Kommuniques tragen Bedeutungen. Wenn wir nun von dem Kommunique sagen, sein Inhalt sei informativ, so meinen wir offensichtlich eine Eigenschaft dieser Bedeutungen bzw. ihrer Elemente. Diese Eigenschaft nennt die Informationstheorie den Informationsgrad des Elementes. Sie definiert (F. KUX 1971): Der reziproke Wert der Wahrscheinlichkeit p, mit der ein Element mit einer bestimmten Bedeutung in einer bestimmten Menge von Kommuniques auftritt, heißt der Informationsgrad dieses Elementes. In Anzeigen der Wirtschaftswerbung findet sich zum Beispiel das Element „ . . . ist neu" jedes sechste Mal. Die Wahrscheinlichkeit, diesem bedeutungshaltigen Element zu begegnen, beträgt also p = 1/6 = 0,17 oder 17 %. Der Informationsgrad dieses Elementes ist demnach 1/p = 6. Oder: Das Wort „die" macht 3,28 % der benutzten deutschen Wörter aus. Sein Informationsgrad beträgt 1/0,0328 = 30,5. Je seltener ein Element ist, desto größer ist sein Informationsgrad. Folgen wir der Hypothese, daß Bedeutungen von Elementen in Zweierschritten entschlüsselt werden, so müssen wir den Informationsgrad in die Anzahl der notwendigen Zweierentscheidungen übersetzen. Dies gelingt mit Hilfe der Formel I = ld (1/p) = - ld p = 3,32 • log (1/p) Dieser so transformierte Informationsgrad wird Informationsgehalt genannt. In unserem Beispiel von „ . . . ist neu" beträgt er I = 3,32 • log 6 = 2,6 bit Man kann diese Zahl auch als die Neuigkeit oder Überraschung interpretieren, die das Element beim Empfänger maximal auszulösen in der Lage ist. Aber wir müssen uns immer im klaren darüber bleiben, daß dieser Informationsgehalt erstens nur in Bezug auf eine bestimmte Menge von Kommuniques
107
5. Die Information
einen Sinn hat und daß zweitens mit der Definition der Menge ein Gruppenbezug hergestellt ist, möglichst ein Bezug auf die erhofften Zielpersonen, für die diese Kommunique gestaltet wurde. Wenn wir uns das Kommunique als ein Netzwerk aus Elementen vorstellen, können wir dem Kommunique einen mittleren Informationsgehalt zuordnen I = (Summe I) / n, wenn n die Anzahl der Elemente ist. Jedoch bezieht man I gerne auf die sogenannte Quelle und spricht vom mittleren Informationsgehalt der Quelle (Entropie, Negentropie): 1 H = Summe (p • ld — ) P = - Summe (p • ld p). Dabei meint das Wort Quelle nicht den Sender, sondern einen stochastischen Prozeß, der aus einem „Alphabet" Kommuniques entstehen läßt. So kann man sich fiktive Produzenten von Fernsehspots, von Romanen in französicher Sprache oder von Nahrungsmittelanzeigen in englischer Sprache vorstellen. Ist das Kommunique ein deutscher Text, so ist seine Quelle die Menge aller deutschen Wörter (mit den Wahrscheinlichkeiten p). Für jedes Alphabet gilt immer: Summe p = 1. Wäre die Wahrscheinlichkeit für alle Elemente gleich groß, also p, = pj, dann gilt im Alphabet p = 1 /n oder H m a x = In n. Dies ist der sogenannte maximale Informationsgehalt.
5.2 Berechnung des Informationsgehaltes und des Informationsflusses Gehen wir von einer plakativ gestalteten Anzeige aus. Sie besteht nur aus wenigen Strukturteilen, die wir der Einfachheit halber als Elemente auffassen wollen. Vernachlässigen wir zunächst, daß die Elemente Bedeutungen tragen und betrachten auch den Textblock als ein visuelles Element. Dann können wir den mittleren Informationsgehalt nach folgendem Schema berechnen: Tab. 5 — 1. Berechnung des mittleren
Informationsgehaltes
Wahrscheinlichkeit Informationsgrad Informationsgehalt
Person 0,59 1,7 0,77
mittlerer Informationsgehalt H = Summe (p • ld (1/p))
p • I
0,45
syntaktisches Element Headline Produkt 0,84 0,73 1,2 1,4 0,26 0,49 0,22 1,16 bit
0,36
Text 0,92 1,1 0,14 0,13
108
Die Botschaft (Kommunique)
Aus der Kenntnis der Häufigkeit h der Elemente in einer Stichprobe von Kommuniques (Anzahl = n) berechnet sich p = h/n. Sodann kann leicht der Informationsgrad 1/p = n/h bzw. der Informationsgehalt I = 3,32 • log (n/h) ermittelt werden. Fügen wir sodann alle Elemente summativ zusammen, so gewinnen wir eine Abschätzung des mittleren Informationsgehaltes H = Summe (p • I). Er beträgt in unserem Beispiel 1,16 bit. Denken wir daran, daß Groborientierungen der hier diskutierten Art nach etwa 1/125 sec. beim Empfänger abgeschlossen sind, so berechnet sich der Informationsfluß (pro sec.) zu: IF
=146
= w k
bit/sec
-
Dieser Betrag fällt nicht allzu verschieden aus, wenn wir zu den syntaktisch aufgefaßten Elementen, die von ihnen getragenen Bedeutungen mitberücksichtigen. Tab. 5 - 2 . Berechnung des mittleren (semantischen)
Informationsgehaltes
p I
0,35 1,63
semantisches Element produktbeWaschzogene mittel Headline 0,10 0,80 0,26 3,32
H
0,57
0,21
Frau
1,29 bit
0,33
Text etwa 4,7 pro sec. i. d. deutschen Sprache 0,18
5. Die Information
109
Der Informationsfluß ist etwas höher, wenn man die semantische Seite beachtet, denn er liegt im Schnitt bei etwa 180 bit/sec. Diese Abschätzung ist natürlich sehr vereinfacht, denn die einzelnen Elemente werden ja keineswegs gleich schnell aufgefaßt, ganz abgesehen davon, daß sie sich untereinander ergänzen und sich gegenseitig wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher machen. Die Tabelle 5—3 zeigt die Reihenfolge der Elemente, abgelesen an der Auffassungsgeschwindigkeit und dem Informationsfluß pro Element. Tab. 5 - 3 . Auffassungsgeschwindigkeit
und Informationsfluß Frau
Auffassungsgeschwindigkeit
P I
0,35 1,63
IF
1/200 326
pro Element
semantisches Element . . . ist neu Waschmittel X 0,17 0,01 6,64 2,6 1/120 312
1/10 66,4
Text (siehe oben) 2 - 5 sec. 4,7
Wenn diese Zahlen auch grob geschätzt sind, so liegen sie doch so dicht an den tatsächlichen Werten, daß sie uns zweierlei veranschaulichen: Erstens überschreitet der Informationsfluß praktisch nicht 300 bit/sec. Hier liegt, wie man aus Untersuchungen weiß, ein Geschwindigkeitsmaximum, das vermutlich physiologische Ursachen hat. Zweitens demonstriert das Beispiel sehr anschaulich, wie der Auffassungsvorgang mit einem hohen Informationsfluß einsetzt, um dann rasch nachzulassen. Der Informationsfluß läßt tatsächlich während jeder Nachiichtenaufnahme nach. Die Ursache hierfür liegt in einer psychischen Sättigung. Sie hat spätestens nach 5 bis 8 sec. ihren Höhepunkt und verlangt dann vom Empfänger eine aktive Neuorientierung. Gibt unser Kommunique dem Empfänger dazu eine Chance?
5.3 Informationswert Der Informationsgehalt ist nicht nur senderseitig definiert. Dies liegt am Begriff der Quelle (Kapitel 5.1). Durch ihn wird der Empfänger immer ein klein wenig mitberücksichtigt. In der Praxis wird selbst der ungeübteste Kommunikationsfachmann die Sprache seiner Zielpersonen zu sprechen versuchen. Wenn nun der Theoretiker in seinen Berechnungen die Häufigkeit eines Elementes nach branchenüblichen Kommuniques einkalkuliert, so bezieht er das Resultat seiner Berechnungen auf das Wissen, das Praktiker von dem zugehörigen Personenkreis, also auch von dessen Sprache haben. Im folgenden wollen wir weitere Maßgrößen kennenlernen, die den Prozeß der Informationsverarbeitung beim Empfänger quantifizieren.
110
Die Botschaft (Kommunique)
Für den Empfänger enthält das Kommunique nicht nur Überraschung und Neuigkeit. Die „Entzifferung" bereitet auch Mühe, kostet Zeit, seine Beschaffung eventuell auch Geld. Der Empfänger muß also eine Gewinnchance sehen, sonst würde er diese Kosten nicht auf sich nehmen. Genau das gilt es zu bedenken: (1) Kosten: Welche finanziellen Ausgaben, welchen Zeitaufwand, welche intellektuelle Anstrengung (Verständlichkeit; vgl. Kapitel 9.2.1), welches gefühlsmäßige Unbehagen, vielleicht auch welche sozialen Versagungen müssen unsere Zielpersonen in Kauf nehmen, wenn unser Kommunique zur Kenntnis nehmen und akzeptieren wollen? (2) Gewinn: Welchen finanziellen Nutzen, welche funktionellen Vorteile, welchen Zeitgewinn, welche Unterhaltung, welche intellektuellen Erleichterung, welche Bedürfnisbefriedigung und welche sozialen Chancen liefert ihnen das Kommunique (unter welchen Voraussetzungen? )? Je nach der Art des Problems berechnen wir den Informationswert als Verhältnis von Gewinn zu Kosten oder den relativen Informationswert als Verhältnis von Gewinnzuwachs zu Kostenzuwachs. Die Vielfalt der Auslegungen von Gewinn und Kosten zeigt jedoch, daß es ganz gewiß nicht möglich ist, einen globalen Informationswert zu berechnen. Aber wir können für jeden einzelnen Problemkreis gesondert die Vor- und Nachteile abwägen und dazu einen partiellen Informationswert bestimmen. Dazu drei Beispiele: Finanzieller Informationswert y _ (finanzieller Vorteil zur ähnlichsten Alternative) in (Beschaffungsausgaben) + 1 Wahrscheinlich wird der Vorteil vom Empfänger relativ zum finanziellen Aufwand des Gegenstandes bewertet. Hier könnte die Erklärung für die Tatsache liegen, daß teure Gegenstände eine (relativ) geringere kommunikative Orientierung nach sich ziehen, als solche die weniger kosten. Zeitlicher Informationswert Zeitersparnis bei Entscheidungsfindung + 1 Vf ~ Zeitaufwand zur Auffassung der Aussagen des K. Beim Vergleich unterschiedlicher Entwürfe von Kommuniques reicht es sicher aus, den Zähler gleich 1 zu setzen. Als Zeitaufwand gilt die Zeit, die verstreicht, bis der Empfänger die dem Sender wichtigen Aussagen wiederzugeben vermag. Notfalls kann der Zeitaufwand durch die Anzahl der Elemente (auch Textelemente) ersetzt werden. Bei Fernseh- oder Filmspots gilt die Zeitspanne bis zu dem Element, nach dem keine neuen Bedeutungen mehr übermittelt werden. Kognitiver Informationswert Möglicher Zuwachs an Wissen Menge der Aussagen des Kommuniques Die Berechnung des V^ setzt voraus, daß der Wissensschatz der Empfän*k
=
5. Die Information
111
ger bekannt ist. Ein nicht vorhandener Thesaurus kann eventuell ein Hinweis darauf sein, daß die Empfanger unfähig oder uninteressiert sind, zu dem Gegenstand Aussagen zur Kenntnis zu nehmen. Umgekehrt kann ein sehr großer Thesaurus jeden Zuwachs an Wissen unwahrscheinlich machen. Denken wir an ein erläuterndes Kommunique über das Ritchey-ChretienSystem im Teleskopbau. Weder für einen Laien noch für einen Fachmann wird dieses Kommunique einen Informationswert haben (V^ = 0). Für denjenigen dagegen, der gerade dabei ist, zur Fernrohrtechnik einen Thesaurus zu entwickeln, und der die notwendigen Vorinformationen erhalten hat, wird V^ ein Maximum haben. Das Kommunique erweitert seinen Thesaurus gerade im richtigen Augenblick der Kennenlernphase. Vielleicht sind alle Aussagen für ihn lernbar, dann ist V^ = 1. Übrigens kann auch ein Kommunique mit V^ = 0 seine Berechtigung haben; dann nämlich, wenn immer erneute Bestätigung oder Imagekorrekturen zum Kommunikationsziel gehören.
5.4 Übung 5.4.1 Zusammenfassung
Die Information des Elementes eines Kommuniques berechnet sich aus der Wahrscheinlichkeit, mit der das Element in vergleichbaren Kommuniques an bestimmte Zielpersonen gesandt wird. Dabei nennt man den reziproken Wert dieser Wahrscheinlichkeit den |T] des Elementes. Die notwendige Anzahl von Entscheidungen zur Entschlüsselung der Bedeutung des Elementes errechnet sich nach der Beziehung \2\ . Den so transformierten Informationsgrad nennt man den [3] des Elementes. Bezogen auf die Zeit, in der die Entschlüsselung vorgenommen wird, spricht man vom g ] . Anschauliche Gedächtnismarken des sozialen Feldes werden besonders rasch entschlüsselt. Die Auffassungsgeschwindigkeit läßt um so mehr nach, je symbolhafter die benutzte Sprache ist. Schließlich hat auch der [5] seinen Einfluß auf die Auffassungsgeschwindigkeit. Er bestimmt sich aus den Kosten und dem Gewinn beim Empfang des Kommuniques. Nennen Sie bitte Beispiele für entstehende Kosten und zu erwartende Gewinne: [6] . 5.4.2 Aufgabe
Die in diesem Kapitel dargestellten Betrachtungsweisen sind vor allem für denjenigen wichtig, der ohne umfangreiche Laboratoriumskontrollen auskommen möchte oder muß. Deshalb sollte gerade dieser Leser sich noch einmal die Berechnungen auf Seite 107ff. vornehmen und selbst durchführen (benutzen Sie Tabelle 5—4). Wählen Sie dann ein etwas komplizierter gestaltetes Kommunique und versuchen Sie es auch dort. Nehmen Sie schließlich die drei neuesten von Ihnen gestalteten Kommuniques zur Hand und berechnen Sie deren kognitive
Die Botschaft (Kommunique) Tab. 5 - 4 . Tabelle für den Logarithmus dualis (Id x) X
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50
ld x 0 1 1,58 2,00 2,32 2,58 2,81 3,00 3,17 3,32 3,46 3,58 3,70 3,81 3,91 4,00 4,09 4,17 4,25 4,32 4,39 4,46 4,52 4,58 4,64 4,70 4,75 4,81 4,86 4,91 4,95 5,00 5,04 5,09 5,13 5,17 5,21 5,25 5,29 5,32 5,36 5,39 5,43 5,46 5,49 5,52 5,55 5,58 5,61 5,64
X
50 53 56 59 62 65 68 71 74 77 80 83 86 89 92 95 98 101 104 107 110 113 116 119 122 125 128 131 134 137 140 143 146 149 152 155 158 161 164 167 170 173 176 179 182 185 188 191 194 197 200
ld x 5,64 5,73 5,81 5,88 5,95 6,02 6,09 6,15 6,21 6,27 6,32 6,38 6,43 6,48 6,52 6,57 6,61 6,66 6,70 6,74 6,78 6,82 6,86 6,89 6,93 6,97 7,00 7,03 7,07 7,10 7,13 7,16 7,19 7,22 7,25 7,28 7,30 7,33 7,36 7,38 7,41 7,43 7,46 7,48 7,51 7,53 7,55 7,57 7,60 7,62 7,64
X
200 210 220 230 240 250 260 270 280 290 300 310 320 330 340 350 360 370 380 390 400 410 420 430 440 450 460 470 480 490 500
ld x 7,64 7,71 7,78 7,84 7,91 7,97 8,02 8,08 8,13 8,18 8,23 8,28 8,32 8,37 8,41 8,45 8,49 8,53 8,57 8,61 8,64 8,68 8,71 8,75 8,78 8,81 8,85 8,88
8,91 8,94 8,97
X
500 520 540 560 580 600 620 640 660 680 700 720 740 760 780 800 820 840 860 880 900 920 940 960 980 1000
ld x 8,97 9,02 9,08 9,13 9,18 9,23 9,28 9,32 9,37 9,41 9,45 9,49 9,53 9,57 9,61 9,64 9,68 9,71 9,75 9,78 9,81 9,84 9,88 9,91 9,94 9,97
6. Die unthematische Information
113
Informationswerte oder versuchen Sie wenigstens diese abzuschätzen (0 < V k < 1). 5.4.3 Literatur F. Attneave: Informationstheorie in der Psychologie. Bern, Stuttgart 1965 D. Langer: Informationstheorie und Psychologie. Göttingen 1962 F. Klix: Information und Verhalten. Berlin 1971
E Informationsgrad. - 0 1 = ld(l/p). - |T| Informationsgehalt. - [4] Informationsfluß. (U Informationswert. - [6] Kosten: finanzielle Aufwendungen, Zeitaufwand, intellektuelle Anstrengung, gefühlsmäßiges Unbehagen, soziale Versagungen; Gewinn: finanzieller Nutzen, funktionelle Vorteile, Zeitgewinn, Unterhaltung, soziale Chancen u. a.
6. Die unthematische Information 6.1 Redundanz Kommuniques sollten immer so gestaltet sein, daß ihre Aussagen nicht mißverstanden werden. Besonders wichtig ist die Unmißverständlichkeit z. B. bei behördlichen Mitteilungen, bei Warnungen an Gefahrenstellen oder bei Gebrauchsanweisungen. Das einfachste Mittel, Unmißverständlichkeit zu erreichen, ist die wiederholte Darbietung der Nachricht. Wiederholungen sind also nicht immer nutzlose Teile der Botschaft. Sie haben für den Empfänger durchaus einen Wert, denn sie steigern die Verständlichkeit; aber sie können auch (wie andere Elemente) zum ästhetischen Genuß des Kommuniques beitragen, Bedürfnisse stimulieren oder die Wertsetzungen des Senders andeuten. Diese von Elementen getragene Information, die nicht zum Inhalt, sondern nur zu seiner Verständlichkeit, Betonung, affektiven Eindringlichkeit oder Bewertung beiträgt, nennt man unthematische Information. Der Informationstheoretiker interessiert sich für ein ähnliches Problem. „Unnötige Elemente" verstopfen den Nachrichtenkanal und verlängern die Übertragungszeiten. Er fragt deshalb nach der optimalen Codierung: Ist es möglich, eine Botschaft unter Verwendung desselben Zeichenrepertoires (Alphabet) ohne Verlust an thematischer Information zu reduzieren? Zur quantitativen Kennzeichnung der möglichen Kürzung verwendet er den Begriff der Redundanz (Weitschweifigkeit).
114
Die Botschaft (Kommunique)
6.1.1 Strukturelle Redundanz
Unter der strukturellen Redundanz R s versteht man die Differenz zwischen der Elementenzahl E eines Kommuniques und der Anzahl der zur Nachrichtenübermittlung mindestens notwendigen Elementenzahl E m j n (sogenannter
maximaler Strukturgehalt): ^s
=
E —Emjn.
Dieser Wert R s ist von dem zufälligen Umfang des Kommuniques abhängig und deshalb für Vergleichszwecke ungeeignet. Beziehen wir dagegen den Wert auf den Umfang, so kann R nur Werte zwischen 0 und 1 annehmen (sogenannte
relative strukturelle Redundanz): d
Rrs
_ ^s _ , " T "
Emin E
Dieses Maß ist uns dabei behilflich, den zusätzlichen Aufwand an Elementen und ihren Ausschmückungen zu messen. Diese Redundanz wird klein sein müssen, wenn wir den Zielpersonen neues Wissen vermitteln wollen. Geht es also um thematische Informationen, so muß R r s nahe 0 sein. R r s wird dagegen Werte nahe 1 annehmen, wenn wir Einstellungen ändern, Verhalten verunsichern oder Images korrigieren wollen; denn es sind vor allem die weitschweifigen, redundanten Elemente, die jene erforderliche unthematische Information tragen. Es wird vordergründig nichts Neues oder gar immer wieder ein und dasselbe gesagt, wenn auch mit wechselnder Betonung und Stilistik in der Wort- bzw. Bildwahl. Bevor wir uns mit den Inhalten unthematischer Informationen genauer befassen, wollen wir noch kurz betrachten, in welchen anderen Bedeutungen Informationstheoretiker den Redundanzbegriff verwenden.
6.1.2 Metrische und ökonomische Redundanz
Die metrische Redundanz ist ein Maß der nicht ausgenutzten optimalen Codierung. Der mittlere Informationsgehalt H (Kapitel 5.1) wird nur äußerst selten einen maximalen, für den Informationstheoretiker (nicht für den Psychologen) auch optimalen Wert H m a x annehmen. Es gilt also 0 < H < Hmax Deshalb definiert man die metrische Redundanz zu Rm = Hmax — H gemessen in bit pro Signal. Bei der Anwendung dieser Formel auf komplexere Kommuniques, wie wir sie diskutieren, bereitet die Bestimmung von H m a x Schwierigkeiten. Ein vertretbarer Ausweg ist die Möglichkeit, eine Gleichverteilung der Wahrscheinlichkeit anzunehmen und so H m a x = ld n zu setzen. In unserem Beispiel in Tabelle
6. Die unthematische Information
115
5—2 berechnet sich die metrische Redundanz demnach zu R m = 2 — 1,29 = 0,71 bit Es sind also 0,71 bit pro Element (es müßte in der Informationstheorie eigentlich „pro Signal" gerechnet werden) überflüssig. Um R m leichter interpretierbar zu machen, normiert man dieses Maß. Und zwar sorgt man dafür, daß die Redundanz höchstens 1 bzw. 100 % betragen kann, nämlich dann, wenn die Quelle keine metrische Information abgibt (sogenannte relative metrische Redundanz): Rr m - 1 ~
H R w H n n max max
In unserem oben zitierten Beispiel ist R r m — 1 -1,29/2 = 0,36 oder 36 %. Es ist jedoch für diese Betrachtungsweise von großer Wichtigkeit, die Elemente so fein wie nur möglich zu definieren. Erst dann gewinnt sie für den Gestalter an Aussagewert. Für einige Fragestellungen kann es zweckmäßig sein, an Stelle des Informationswertes (Kapitel 5.3) seinen reziproken Wert, die ökonomische Redundanz zu verwenden: Rg = J . = Kosten V Gewinn oder die relative ökonomische Redundanz: „ _ Kosten Kosten + Gewinn Sie spiegelt die kommunikative Belastung entweder der Quelle oder (bei empfängerbezogener Definition von Kosten und Gewinn) des Empfängers wider. IVj-Q
—
6.2 Unthematische Informationen ästhetischer Art Jedes Element trägt zur Gefühlswirkung des Kommuniques bei. Diese Wirkung wird im allgemeinen nicht für jedes Element geplant oder durchdacht, ein Fehler, der auf das Vorurteil zurückgeht, man könne entweder nur den Verstand oder nur das Gefühl ansprechen. In der Tat vermittelt nicht jedes Element Wissen, aber jedes stimuliert Gefiihlserlebnisse, und sei es das Erlebnis der Gefühlsunabhängigkeit, der gedanklichen Klarheit und der rationalen Distanziertheit. Mit anderen Worten: unthematische Information kommt allen Elementen eines Kommuniques zu. Wir beziehen uns deshalb im folgenden nicht nur auf redundante, sondern auf alle Elemente eines Kommuniques. Die gefühlsbezogene Planung unthematischer Informationen kann sich in zwei emotionalen Erlebnisbereichen bewegen: (1) in dem Bereich des Schönen, der ästhetischen, harmonischen und stimulierenden Erlebnisse und (2) in dem Bereich der normativen Wertvorstellungen, der Hochschätzungen oder Abwertungen. In diesem Kapitel wollen wir uns zunächst den ästhetischen Informationen zuwenden.
Die Botschaft (Kommunique)
116
Über ästhetische Erlebnisdimensionen an Kommuniques, an Bildern oder Texten ist verhältnismäßig wenig bekannt. Eine eigene Untersuchung (gemeinsam mit Herrn Prof. G. JEDERMANN 1972-75) konnte nachweisen, daß die erlebnismäßige ästhetische Beurteilung von Kommuniques nicht nur einer Bewertungsdimension schön-häßlich folgt, sondern mehreren von einander unabhänTab. 6 - 1 . Sechs ästhetische Erlebnisdimensionen gegenüber Anzeigen Stimmigkeit
Gefälligkeit
harmonische Farben zum Produkt passende Farben angenehme Farben gut gewählte Schrift
.84 .77 .57 .56
schön ruhig angenehme Farben dezente Farben sympathisch Wünsche weckend
.75 .63 .61 .61 .46 .41
Interessantheit
interessant sympathisch Wünsche weckend schön männlich
Übersichtlichkeit übersichtlich gut gewählte Schrift interessant Jugendlichkeit
jung bewegt weiblich (Benutzer
Glaubwürdigkeit glaubwürdig übersichtlich
.77 .70 .66 .52 .46 .72 .56 .51 .69 .58 .56 .44) .63 .55
gig benutzten Dimensionen (vgl. Tabelle 6—1). Es gibt also verschiedene Arten des ästhetischen Erlebens. Jedes Kommunique stimuliert bevorzugt bestimmte Erlebnisdimensionen. Strukturell sind sich diese Erlebnisdimensionen jedoch ähnlich. Diese Ähnlichkeiten (Faktoren 2. Ordnung) sind unabhängig von dem Beurteilungsgegenstand; denn wir fanden sie nicht nur in Anzeigen, sondern auch an Packungen und Tapetenmustern. Unseres Erachtens entsprechen diese strukturell ähnlichen Faktoren universellen ästhetischen Beurteilungsrichtungen Nach unserer Untersuchung gibt es drei solche allgemeinen ästhetischen Beurteilungsrichtungen (vgl. Tabelle 6—2):
6. Die unthematische Information
117
Tab. 6—2. Gewichtete Zusammenfassung der ästhetischen Dimensionen (Tabelle nach strukturellen Ähnlichkeiten in Anzeigen
6-1)
an Tapeten
Erlebnis des Schönen schön ruhig dezente Farben angenehme Farben sympathisch
.75 .63 .61 .61 .46
schön sympathisch interessant angenehme Farben harmonische Farben
.88 .80 .80 .60 .40
Erlebnis des Harmonischen harmonische Farben passende Farben angenehme Farben Gesamtfarbeindruck übersichtlich
.39 .37 .32 .32 .31
passende Farben harmonische Farben angenehme Farben ruhig übersichtlich
.43 .42 .36 .27 .25
Erlebnis des Modischen jung bewegt Wünsche weckend (Benutzer weiblich
.44 .38 .30 .30) .28
modisch auffallend jung kräftige Farben heiter
.41 .41 .40 .36 .31
Beurteilung nach der Schönheit: Typische, auf die Dimension des Schönen gerichtete Urteile sind: schön, sympathisch, angenehm. Es handelt sich offensichtlich um den individuellen Anteil bei der Hochschätzung oder Abwertung der Gestaltung eines Kommuniques. Genau das, was Motivationspsychologen als „Bedürfnisstimulation", als „symbolische Ansprache" kommunikationsstrategisch planen, das äußert sich hier als im positiven Sinne getroffen. Der Gestalter wird nicht selten Kommuniques als kitschig abwerten, die allein diese Seite des Empfangers treffen oder zu treffen suchen. „Schöne" Kommuniques zu gestalten, erfordert also die Kenntnis der Gefiihlsbedürfnisse der Zielpersonen. Die Schönheit eines Kommuniques zu messen, ist ohne Untersuchung des Empfängers nicht möglich. Sie ist nicht eine formale Seite am Kommunique, sondern seine motivationsabhängige Ausdeutbarkeit durch den Empfänger. Da es uns im Augenblick noch um die Vorbeurteilung einer Botschaft geht ohne Untersuchung des Empfängers, müssen wir diesen Aspekt zunächst zurückstellen. Beurteilung nach der Harmonie: Wünschen wir, ein Harmonieerlebnis beim Empfänger auszulösen, so müssen wir darauf achten, daß die gestalterische Formgebung und vor allem die Farben der Elemente untereinander passen, zum Inhalt stimmig sind und den Gesamteindruck durch nichts Störendes beeinträchtigen. „Zu einander passen" bedeutet, daß wir allgemeine ästhetische Gesetzmäßigkeiten beachten müssen, wie etwa den Goldenen Schnitt, den symmetrischen Aufbau oder das Zusammenpassen sprachlicher und bildlicher Stilelemente. Der Farbzusammenklang scheint dabei von besonderer Bedeutung zu sein. Vermutlich unterstützen auch Wiederholungen das Gefühl der Stim-
118
Die Botschaft (Kommunique)
migkeit. Weiter gehört hierher eine klare, übersichtliche und verständliche Gestaltung. Die notwendige Übersichtlichkeit erreicht man durch eine günstige Gliederung, leichte Lesbarkeit und durch eine möglichst geringe Zahl von Elementen. Wir sind sicher (durch die Ergebnisse einer Packungsuntersuchung (1975)), daß die Harmonie und Übersichtlichkeit der Elemente das Gefühl der Glaubwürdigkeit eines Kommuniques tragen. Tatsächlich korreliert auch die Glaubwürdigkeit von Anzeigen besonders stark mit Stimmigkeit, Übersichtlichkeit und Interessantheit. Hier ist erwähnenswert, daß nach einer Untersuchung von G. U. LETZRING (1972) zwei Empfängertypen wahrscheinlich sind, die entweder redundante, harmonische oder aber zerrissene, ungewöhnliche Muster bevorzugen. Die einen wollen beruhigt, die anderen erregt werden. Die einen neigen dazu, ruhige, einfache, übersichtliche Kommuniques zu bevorzugen, die anderen fühlen sich zu bewegten, spannungsgeladenen, in sich widersprüchlichen und ungeordneten Kommuniques hingezogen. Vielleicht sind diese Typen identisch mit den Polen des AC-Faktors von W. STEPHENSON. Dann ließe sich der zweite Personenkreis als jünger und vor allem selbstunsicherer vermuten. Oder benutzen diese Antiharmoniker nur eine dritte Beurteilungsdimension? Beurteilung nach dem modischen Eindruck: Gewiß ist die Entscheidung darüber, welches Kommunique modisch wirkt, besonders subjektiv, denn vor allem deijenige, der bereits adoptiert hat, beurteilt Kommuniques seines Gegenstandes als modisch. Umgekehrt zeigt sich, daß Imagedimensionen wie jung, auffallend, bewegt, heiter, weiblich den Eindruck des Modischen wahrscheinlich machen. Dabei ist es gewiß zeit- und gesellschaftsabhängig was gerade als modisch erlebt werden soll. Sicherlich ist das Modische immer mit Jugendlichkeit verknüpft; das geht soweit, daß im projektiven Sinne das „eigene" Kommunique als jugendlich interpretiert wird (vgl. Tabelle 6—2). Während man die Abschätzung des Harmonischen operationalisieren kann (siehe G. D. B I R K H O F F ) Wird die modische Note eines Kommuniques zur Zeit noch zuverlässiger vom Designer abgeschätzt. Ein Optimum der Gestaltung ästhetischer Dimensionen wird durch die Wahl desjenigen Gestalters erzielt, der in seiner persönlichen Handschrift den ästhetischen Intentionen der Zielpersonen am nächsten kommt. Wie weit es diesem Gestalter gelingt, die Nachricht in einer von den Zielpersonen akzeptierten Dimensionierung zu formulieren, zeigt bereits, ob eine Chance für die beeinflussende Kommunikation besteht. Man lasse sich deshalb nicht durch Gestalter beeindrucken, die ihre Arbeit an den Reaktionen ihrer Kollegen orientieren.
6. Die unthematische Information
119
6.3 Unthematische Informationen ethischer Art 6.3.1 Dimensionen des wertenden Eindrucks
So, wie ein Kommunique, seine Elemente und deren Zusammenspiel unter ästhetischem Aspekt erlebt und diskutiert werden können, ist dies auch für seinen Inhalt, seine Teilaussagen und die durch sie angeregten Gedanken unter ethischem Aspekt möglich. Der möglichen globalen Frage nach dem ästhetischen Erleben „Finden Sie die Gestaltung der Botschaft schön oder häßlich, ästhetisch oder unästhetisch? " entspräche dann die Frage nach dem ethischen Erleben: „Beurteilen Sie die Aussage der Botschaft als moralisch oder unmoralisch? " Es ist dabei nicht eine allgemein akzeptierte Moralität oder gar Legalität gemeint, sondern die Bewertung des Inhalts, des subjektiv verstandenen Inhalts nach persönlichen, eventuell schichttypischen moralischen Maßstäben. Auch hier kann mit einem Polaritätsprofil gearbeitet werden. Wortpaare der folgenden Art könnten zur Erfragung des moralischen Eindrucks dienen: menschlich zügellos innerlich geruhsam befreiend demütig genießerisch freundlich usw.
2
1
0
1
2
0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0
unmenschlich diszipliniert äußerlich aktiv bevormundend fordernd asketisch aggressiv
Bei der Zusammenstellung solcher Wortpaare für eine Untersuchung ist darauf zu achten, daß jeder wertende Gegensatz durch mindestens zwei Wortpaare präsentiert ist. Jeder Pol muß einmal in einer positiven, das andere Mal in einer negativen Bewertung formuliert sein. Die eingangs an die Vpn. gerichtete Aufforderung, aus der hervorgeht, unter welchem Aspekt die Beurteilung der Botschaft erfolgen soll, sollte in zwei Versionen angeboten werden; so kann die Auswirkung der Aufforderung auf das Untersuchungsergebnis besser abgeschätzt werden. Für den Aufbau des Polaritätsprofils können auch Forschungsergebnisse über ethische Dimensionen genutzt werden. Sie erwiesen sich — vergleichbar den ästhetischen Dimensionen — als universell, nur bedingt von der jeweiligen Kultur abhängig1. Beispiele für solche Dimensionen zeigt Tabelle 6—3. 1
Für die Existenz solcher Dimensionen spricht auch, daß CATTELL und GORSUCH (1965) eine identische Faktorenstruktur der Moralität bei den verschiedensten Völkern und Kulturen fanden.
120
Die Botschaft (Kommunique)
Tab. 6 - 3 . Einige faktorielle Dimensionen der Lebensweisen nach C. MORRIS Varietes of human value. Chicago, Univ. Chicago Press 1956 (vgl. I. KRAUSE und R. SOLLE: Ztschft. f. exp. u. angew. Psych. Bd. 20, S. 2 1 0 - 2 3 9 , Göttigen 1973) K o n s e r v a t i v e
H a i t u n gen Nichtstun
Konformismus
Religiosität
Gleichheit der Menschen Gruppenanpassung Nächstenliebe Selbstbeherrschung
Religiöse Demut Selbstgenügsamkeit Innerlichkeit
t1
Erhaltung des Status q u o
ti
Ziigellosigkeit Egoismus Ablehnung des Gruppendrucks S elbstver wirklichung
Pragmatismus Ablehnung von Idealen und Utopien Wirklichkeitsnähe
Individualismus
Realismus A k t i v e
Schlichte Behaglichkeit Genießen
1 t Körperliche Aktivität Auseinandersetzung mit der Umwelt Risiko Abenteuer Handeln
H a l t u n g e n
EYSENCK hält die ethischen Pole „konservativ gegenüber radikal" für die Extreme der wichtigsten und am deutlichsten bestätigten Grunddimension, die in allen Faktoren anklingt. Wir sollten bei dem gedanklichen Umgang mit dieser Dimension darauf achten, daß wir jede persönliche Bewertung zurückstellen. Insofern ist die Bezeichnung „radikal" unglücklich gewählt. Erstens muß die Hochschätzung von „Aktivität" nicht unbedingt einem radikalen Verhalten entsprechen, und zweitens kann der Gegenpol „konservative Haltung" im gleichen Maße radikal auftreten. Es ist allerdings sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, für ethische Dimensionen Bezeichnungen zu finden, die keine Bewertungen suggerieren. Es gibt neben dem Polaritätsprofil einen ganz anderen methodischen Weg, den ethischen Aspekt der unthematischen Informationen in den Griff zu bekommen: die Schilderung der jeweils dargestellten sozialen Rollen. Wir fragen uns: Welche sozialen Rollen werden vorgeführt? Mit welchen Merkmalen sind sie ausgerüstet? Bedeutet ihre Darstellung für die Zielpersonen eine Bestätigung bestehender Rollen? Werden abgewandelte oder neue Rollen dargeboten? Das sind Fragen, die der Kommunikationsfachmann durch eigenes Nachdenken, aber auch durch eine Marktforschungsuntersuchung beantworten kann. Der zweite Weg hat den Vorteil, daß nicht die Rollenerwartungen des Kommunikators, sondern des Empfängers analysiert werden. Beide Untersuchungsmethoden, das Polaritätsprofil wie die Rollenanalyse, sind dem Kommunikationsplaner wie auch dem -gestalter dabei behilflich, den mora-
6. Die unthematische Information
121
lischen Nutzen eines Kommuniques für die Zielpersonen abzuschätzen. Welchen Nutzen vermittelt es? Ist die Information den Zielpersonen nur ökonomisch nützlich oder bietet sie ihnen Mittel und Haltungen an, das Leben sinnvoller, glücklicher und erfüllter zu gestalten? Damit ist keineswegs gesagt, daß Massenkommunikation die Welt in ein konsumierbares Paradies für große Kinder verwandeln solle. Aber wir müssen ständig damit rechnen (auch wenn es nicht bewiesen ist), daß Massenkommunikation in ihrer Gesamtwirkung Menschen erzieht. „Wohin? ", das sollte sich der Kommunikator fragen: „Wohin führt das Kommunique die Zielpersonen und mithin die Gesellschaft, in der sie leben!"
6.3.2 Wertende Verzerrungen durch Massenkommunikation
Jeder, der Kommuniques für Massenmedien plant oder gestaltet — also auch der Verfasser dieses Buches —, ist einer Fülle von Einflüssen ausgesetzt, die dazu beitragen, daß die gestaltete Botschaft von der Absicht der Nachricht abweicht und daß Botschaften eine verzerrte, verfälschte Welt vorführen. Vor allem sind es institutionelle Bedingungen, die dazu beitragen, daß Kommuniques unangemessen anschaulich sind, Ungewöhnliches betonen, in Schwarzweißmalerei bewerten, banalisierende Patentlösungen anbieten usw. Der Kommunikationsfachmann kann diese Trends nur dann meiden oder auf das notwendige Maß beschränken, wenn sie ihm ganz bewußt sind. Sehen wir uns die Trends deshalb im folgenden genauer an: (1) Die technischen Mittel, aber vor allem der berufliche Zwang anzukommen, verführen den Kommunikator, so anschaulich wie möglich seine Sendungen zu gestalten. Leicht kann es ihm dabei passieren, daß er anspruchsvollere Gedankengänge unterschlägt oder durch eingängige Bilderfolgen ersetzt. Damit aber unterstützt er unabsichtlich die Abwertung vieldimensionalen Denkens als graue Theorie und das Gutheißen kurzschlüssiger Anschaulichkeit. Bei der Gestaltung von Nachrichten, in denen symbolische Operationen, abstrakte Denkfiguren die Möglichkeit geben, differenziertere Denkresultate abzuleiten, sollten Kommunikatoren nicht zu ängstlich auf Resonanz bedacht sein. Oft sind wenige Prozent genau informierter Zielpersonen mehr als hundert Prozent unvollkommen erreichter Personen. (2) Nicht selten fürchten die Auftraggeber oder die Verantwortlichen der Medien gelangweilte Abwendung. So bedrängt, bevorzugt mancher Kommunikationsfachmann, was einmalig oder doch selten ist. Er wählt aus, was wegen seiner Ungewöhnlichkeit auffällt und Affekte auslöst. Aber bedenken wir, daß so die Abwertung des Alltäglichen unterstützt wird. Lassen wir uns nicht irre machen von denen, die Sonderfälle als die „harte Realität" verkaufen. Das Extreme würde schließlich als schick gelten, als
122
Die Botschaft (Kommunique)
das, worauf es ankommt, das Alltägliche dagegen als fad, als mißglückte Lebensgestaltung. (3) Dem Kommunikationsfachmann steht häufig weniger Raum und Zeit zur Verfügung, als es für eine unverfälschte Sendung der Nachricht erforderlich wäre. Zur Abkürzung gezwungen, wird das Darzustellende karikiert, überzeichnet und schließlich mit übersteigerten Bewertungen versehen. Unbeabsichtigt unterstützt er die Schwarzweißmalerei, das Urteilen in zweiwertigen Orientierungen. Er fördert selbst die für seine Arbeit ungünstige Meinung, daß nur das beachtenswert ist, was man beklatschen oder verteufeln kann. (4) Die gleiche institutionelle Situation, die Zeit- und Raumnot, schafft noch einen zweiten verfälschenden Trend: In den Kommuniques werden positiv bewertete Sachverhalte gekoppelt, die in dieser vereinfachten Zusammenfügung einen Widerspruch bedeuten, so: Gesundheit und Rauchen, individuelle Freiheit und soziale Kontrolle, verminderter Leistungszwang und höhere staatliche Leistungen. Der Kommunikator unterstützt damit einen kindlichen Glauben an paradoxe Möglichkeiten, an die Erwartung, daß vieles ohne Verzicht und Unannehmlichkeiten zu bewerkstelligen sei. (5) Oft kann der Kommunikationsfachmann seine Zielpersonen mit einer Entscheidungs- oder Wahlschwierigkeit nicht allein lassen. In dieser Situation gibt er leicht nach und bietet Patentlösungen an. Er bemüht sich um Plausibilität, erklärt nach einem Ursache-Wirkungs-Schema und erweckt schließlich den Eindruck, daß das Problem auf einfache Weise zu beseitigen sei. Unterstützt er nicht unabsichtlich einen Trend, an radikale Lösungen zu glauben? Geben wir besser zu, daß es viele Lösungsmöglichkeiten für das Problem gibt, und regen wir unsere Zielpersonen zum Beobachten und Nachdenken an. (6) Vor allem bei der Herausarbeitung eines positiven Images für den Werbegegenstand übertreibt mancher Gestalter die Idealisierung von Personen und ihren Situationen; da ist das konfliktfreie Ehepaar, die problemlose Kindererziehung, der anstrengungslose Berufserfolg, die perfekte Hausfrau, der selbstsichere Jugendliche. Gewiß benötigen Menschen Ideale. Aber sie bekommen sie oft als so unerreichbar vollkommen vorgeführt, daß eigene Anstrengungen sich nicht mehr lohnen. Seien wir also zurückhaltender, und bauen wir darauf, daß realistischere Personendarstellungen als Vorbilder geeigneter sind. Zusammenfassend können wir sagen, daß sich der Kommunikationsfachmann bei seiner Arbeit bewußt machen sollte, was er gutheißt. Er sollte zusehen, welche Trends er untersützt: Ist das Kommunique unangemessen anschaulich? Betont es das Ungewöhnliche? Bewertet es in Schwarzweißmanier? Bietet es banalisierende Patentlösungen? Akzeptiert es sich ausschließende Wunschvor-
6. Die unthematische Information
123
Stellungen? Vermehrt es die Menge unerreichbarer Ideale? Sicher läßt sich einiges davon vermeiden.
6.4 Übung 6.4.1 Zusammenfassung
Bei der Übersetzung einer Nachricht in ein Kommunique wird die Nachricht meist ein wenig komplizierter formuliert als notwendig oder breiter erläutert oder durch zusätzliche Details ergänzt; sie wird weitschweifiger. Man nennt diesen zusätzlichen Aufwand die |T] der Botschaft. Der redundante Anteil der Elemente trägt vor allem [2] Informationen. Sie sind vorwiegend [3] oder [4] Art. Die ästhetischen Informationen entstammen individuellen Vorlieben, dem gestalterischen Schriftzug oder der gesellschaftlichen Forderung; wir unterscheiden demgemäß ästhetische Beurteilungen nach: [J]. Auch die ethischen Informationen lassen sich nach drei Dimensionen beschreiben [6] ; sie kommen vor allem in der Rollenwahl und -gestaltung zum Ausdruck. In ethischer Hinsicht sollten wir unser Kommunique prinzipiell hinterfragen: 0 • 6.4.2 Aufgaben
(1) Überprüfen Sie mehrere Kommuniques auf redundante Elemente, zum Beispiel eine Anzeige, ein Plakat, einen Leitartikel, einen Funkspot und einen Fernsehspot. Dies ist eine gute Übung zur Abgrenzung und Relevanzeinschätzung von Elementen. Zudem werden Ihnen auch die dramaturgischen Regeln deutlich werden, nach denen die Kommuniques aufgebaut sind. (2) Besorgen Sie sich zehn möglichst unterschiedliche Anzeigen. Bringen Sie diese in drei verschiedene Rangreihen: nach dem persönlichen Schönheitseindruck, nach der Harmonie ihres Aufbaus und schließlich nach dem Grad ihrer modischen Aktualität. Vergleichen Sie Ihre Vorstellungen mit denen eines anderen; diskutieren Sie die Unterschiede. (3) Denken Sie an die Ihnen am nächsten stehende politische Partei. Formulieren Sie für sie sechs Parolen. In jeder soll zum Ausdruck kommen, wofür die Partei eintritt. Passen Sie die Ziele den Polen der Faktoren Tabelle 6—3 an. Versuchen Sie, den Zielpersonenkreis zu beschreiben, der von der jeweiligen Parole am besten angesprochen wird. Stellen Sie sich dann vor, die Parolen ständen auf Plakaten. Unterlegen Sie das Plakat mit einem Foto, das einen widersprechenden Inhalt zur Parole ausdrückt (skizzieren Sie es). Was wird stärker sein, das Bild oder die Parole? (äunipjsiBQ aipnsu 9IQ)
124
Die Botschaft (Kommunique)
( 4 ) Wählen Sie ein paar Anzeigen, Leitartikel oder Aufzeichnungen von Funkoder TV-Spots. Betrachten Sie diese auf die in Kapitel 6 . 3 . 2 diskutierten Trends hin. Überlegen Sie sich, wie Änderungen möglich wären und welche Folgen für die Wirksamkeit entstehen.
6.4.3 Literatur
E. Bülow: Kommunikative Ethik. Düsseldorf 1972 H.-H. Lüger: Semantische Analyse publizistischer Texte, in: Publizistik. 19. Jg., S. 30-44, 1974 H . - J . Hoffmann und G. Jedermann: Ästhetische Dimensionen des Erlebens und Urteilens. Aufsätze in: Format, ab H. 40, 1972-75 W. Ubbens: Zur Kritik massenkommunikativer Textanalyse, in: J. Aufermann u. a.: Gesellschaftliche Kommunikation und Information. 1973 (dort weitere Aufsätze) P. Watzlawick, J. H. Weakland, R. Fisch: Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. Bern 1974
|T| Redundanz. - [2] unthematische. - [3] ästhetischer. - [4] ethischer. - [3] Schönheit, Harmonie und Modernität. - [6] Individualismus, Realismus und Aktivität. - ¡7] Wohin fuhrt mein Kommunique die Zielpersonen und mithin die Gesellschaft in der sie leben?
Der Empfang 7. Der erste Kontakt
7.1 Selektierende Zuwendung Wir sahen bereits, daß die Zielpersonen keine passiven Empfänger des Kommuniques sind (Kapitel 3.5). Sie suchen Nachrichten, die ihre Hoffnungen bestärken und ihre Befürchtungen beschwichtigen, die sie unterhalten oder ihre Entscheidungen rechtfertigen. Andere gehen Nachrichten ganz aus dem Wege: „Eines Tages werde ich es erfahren und dann ist es immer noch früh genug." Dieses aktive Suchen (oder Meiden) von Nachrichten bezeichnet man als Detektion1. Zielpersonen, die aktiv bestimmte Nachrichten suchen, setzen sich häufiger den Massenmedien aus. Diese Eigenart der Detektion darf uns nicht zu der Annahme verleiten, daß es nur auf das richtige Medium ankäme. Es sind weniger die Medien und Sendungen, sondern bestimmte Nachrichten, die in ihnen gesucht werden. Hinzukommt, daß auch Fähigkeiten (z. B. musikalische, mathematische, sportliche Fähigkeiten) die Auswahl bestimmen (vgl. H. wiLENSKY 1963). Auch der Bildungsgrad diktiert die Intensität der Mediennutzung. Dies erklärt, warum deqenige, der häufiger Zeitungen liest, auch dazu neigt, die Sendungen des Fernsehens oder Rundfunks häufiger aufzusuchen (Tabelle 7 - 1 ) . Tab. 7 — 1. Das starke Interesse für ein Medium macht auch ein starkes Interesse fiir ein anderes Medium wahrscheinlich (P. R. LAZARSFELD (1948)): Liest Zeitungen viel wenig RnnH ftink
viel
66
wenig
31
Liest Zeitschriften viel wenig
34 = 100 % 69 = 100 %
viel wenig
Liest Zeitschriften viel wenig ZeltunLi gen 1
viel
wenig
66
23
34
= 100 % 77 = 100 %
Zum Modell der Informationssuche siehe in: D. F. COX 1967
66 27
34 = 100 % 73 = 100 %
126
Der Empfang
Bezogen auf bestimmte Inhalte stellt sich die Detektion folgendermaßen dar: Wer einen bestimmten Inhalt in einem Medium zur Kenntnis nimmt, wird auch diesem Inhalt in einem anderen Medium den Vorzug geben. Wer politische Sendungen im Fernsehen meidet, meidet sie auch in anderen Medien. Dabei zeigt es sich, daß die Detektion auf solche Nachrichten gerichtet ist, die geeignet sind, die eigenen Ansichten, Einstellungen, Entscheidungen zu bestätigen (Tabelle 7 - 2 ) . Tab. 7 - 2 . Auswahl von Nachrichten zur Bestätigung der eigenen Meinung (P. R. LAZARSFELD (1948)): Interesse schwach stark Setzt sich bevorzugt der Propaganda der eigenen Partei aus Setzt sich in gleichem Maße der Propaganda beider Pateien aus Setzt sich bevorzugt der Propaganda der anderen Partei aus Personen mit konstanter Wahlabsicht n=
70 %
64 %
14 %
9%
16 %
27 %
102
119
Auch die Bewertung der Nachrichten folgt dieser Tendenz: Landwirte halten landwirtschaftliche Nachrichten für besonders wertvoll, Mitglieder einer Partei schätzen besonders die Nachrichten der eigenen Partei oder Akademiker loben Sendungen mit hohem Anspruch. Mit anderen Worten: die Detektion des einzelnen korreliert mit seinen Rollen, z. B. mit seiner Berufsrolle, seiner Geschlechtsrolle oder seiner Altersrolle. Vermittelnd wirken sich dabei Vorlieben und Interessen aus. Bezogen nun auf das einzelne Kommunique wirken sich die selben Tendenzen aus. Allerdings: ist das Kommunique erst einmal als betrachtenswert aufgesucht worden, so bekommt das Suchen hier zunehmend den Charakter des Auswählens, der Selektion. Die Zuwendung und Beschäftigung mit dem Kommunique ist vorwiegend selektiv. Es werden nur diejenigen Teile des Kommuniques ausgewählt, die einem Informationsbedürfnis zu entsprechen scheinen. Wie dieser Vorgang abläuft und welche Folgerungen wir aus der Kenntnis des Selektionsprozesses ziehen, soll im folgenden dargestellt werden. Doch zunächst noch eine Antwort auf die häufig gestellte Frage, wie „frei" der Auswählende sei: Jede Selektion ist eingeengt von dem Bedarf, den Interessen, den Gewohnheiten, dem sozialen Feld u. a. Von einer unbegrenzten Selektionsfreiheit kann also keine Rede sein. Hinzu kommt, daß viele Selektionen den Charakter des Zufälligen haben: Der Empfänger wählt eine Nachricht, z. B. weil er sich langweilt, weil er neugierig ist, weil es ihm gleichgültig ist, was er wählt oder weil das Kommunique leicht zugänglich ist. Wir werden
127
7. Der erste Kontakt noch sehen, daß erst während des Empfangsprozesses die Entscheidung fällt, ob es zur endgültigen Selektion kommt oder nicht. (Siehe Tabelle 7 - 3 ) . Tab. 7 - 3 . Abhängigkeit der Beachtung und Bewertung von Anzeigen von Lesefunktion und Image der Zeitschrift (nach (V. Kindler und Schiermeyer): Eine Untersuchung über 16 Publikumszeitschriften, München 1970) Die Zahlen in der folgenden Tabelle sind Korrelationskoeffizienten. Repräsentative Stichprobe (14-70 Jahre)
Korrelation mit: Lesefunktionen der Zeitschrift praktische Hilfe Lebenshilfe Lebensfreude entspannende Ablenkung Anregung zum Nachdenken Information Realitätskonfrontation Image der Zeitschrift Gute Aufmachung Freizügig Unterhaltend Wertvoll, vertrauenswürdig Anspruchsvoll, ungewöhnlich Interessant Aktuell
allgemeine Beachtung d. Anzeigen
Positive Bewertung des Anz.-Nutzens
Positive EinStellung zu d. Anzeigen
.76 .37 .56 -.03 -.13 -.61 -.63
.93 .52 .23 .28 -.25 -.35 -.73
.72 .20 .37 .22 -.42 -.54 -.68
.70 .36 -.19 -.01 -.16 -.40 -.74
.49 .17 .08 .09 -.36 -.28 -.54
.88 .11 .03 -.29 -.45 -.53 -.42
Dieses Untersuchungsergebnis macht deutlich, daß Anzeigen nicht in jeder Zeitschrift die gleiche Chance haben. Je mehr die Zeitschrift geeignet ist, dem Leser bei der Lösung der verschiedensten Probleme behilflich zu sein, desto mehr werden in ihr Anzeigen beachtet und positiv bewertet. Eine gute Aufmachung der Zeitschrift tut das Ihre noch dazu. Als Anzeigenträger sind solche Zeitschriften ungeeignet, die dem Leser Informationen liefern, ihn mit der „Realität" konfrontieren. Es muß also die Realität des Lesers sein und nicht eine außerhalb von ihm, um ihn zugleich für Anzeigen aufgeschlossen zu finden. Es ist interessant, daß sich das Alter der Leser oder ihre Schichtzugehörigkeit auf dieses Ergebnis kaum auswirkt. Nur die Geschlechtsrolle hat einen schwachen Einfluß: Männer beachten mehr Anzeigen in Zeitschriften, die der Lebensfreude dienen, Frauen dagegen eher in solchen, die eine praktische Lebenshilfe geben.
7.2 Reaktionsnaher und reaktionsferner Empfang Für die Wirksamkeit der meisten Kommuniques ist es nützlich, wenn bereits im ersten Moment ihres Empfangs ein zutreffender Eindruck ihrer Informationsabsicht entsteht. Wir sollten das Kommunique so gestalten, daß der Emp-
128
Der Empfang
fänger sofort in die richtige inhaltliche Richtung geführt wird. Es ist nicht nur ehrlicher, sondern es garantiert auch, daß wir den tatsächlich angezielten Empfänger erreichen. Gewiß gibt es vom Empfänger abgewehrte Informationen, die den Kommunikator zu einem Umweg zwingen. Aber dies rechtfertigt nicht die Arbeit mit einem Gag oder die Ansprache sachfremder Motive. Wenn eine Vermeidung zu erwarten ist, sollten wir niemals allein mit einem Kommunique direkt zum Hauptproblem vordringen wollen. Dies würde lediglich die Abwehr sofort alarmieren. Hier muß die Kommunikationsaufgabe in eine Folge von Teilaufgaben zerlegt werden (vgl. Kapitel 8.2.2 und 10.1.3). Es ist eine Kette von langsam an das Problem heranführenden Nachrichten erforderlich. Eventuell müssen einige dieser Nachrichten über (arrangierte) Ereignisse bekannt gemacht werden (Public relations). Für jedes einzelne Kommunique gilt jedoch: Es soll ein zutreffender Eindruck gleich im ersten Moment des Empfangs entstehen. Diese Regel sollten wir stets befolgen, auch unabhängig davon, ob unser Kommunique als sogenanntes Signalkommunique die Aufgabe hat, sofort an Ort und Stelle eine Reaktion auszulösen, oder ob es als Werbekommunique nur vorbereitende Kenntnisse oder nachträgliche Begründungen vermitteln soll: Das Signalkommunique wird unmittelbar am Entscheidungsort angeboten. Dort soll es eine sofortige Reaktion auslösen: der Autofahrer z. B. soll seine Geschwindigkeit drosseln, an einer Maschine soll eine gefährliche Nachlässigkeit unterbleiben, ein gewünschtes Produkt soll zwischen anderen möglichst rasch erkannt und ergriffen werden. Es soll also kein zeitaufwendiges Nachdenken, Lernen und Entscheiden in Gang setzen, sondern es kommt darauf an, daß es sofort und unmittelbar einen Handlungsimpuls auslöst. Dieser Impuls muß sich bereits im ersten Moment des Empfangs zu formieren beginnen und zwar ohne Umweg in die gewünschte Richtung. Das Werbekommunique, das lange vor oder nach dem Entscheidungspunkt eingreift, ist für unsere Unternehmungen typischer. Von dem Kommunique wird erwartet, daß es den Zielpersonen etwas vermittelt, sei es eine Bezeichnung oder eine veränderte Bewertung. Vielleicht sollen die Zielpersonen auch eine Handlung planen oder eine andere aufgeben. Das Werbekommunique bereitet also Reaktionen vor oder nach, es soll einen adoptionsgerechten Denkprozeß anregen oder förderliche interpersonelle Kommunikationen begünstigen. Auch für das Werbekommunique gilt, daß es bereits am Beginn des Empfangs keinen auffassungshinderlichen Eindruck wecken sollte. Zum Beispiel dunkle Figuren, die im ersten Moment der Zuwendung bedrohlich wirken, oder eine Gestaltung, die einen uninteressanten Eindruck vermittelt, können vom Empfang abhalten. Früher hing man der Idee der Aufmerksamkeitsweckung an. Damals konnte es leicht passieren, daß bedürfnisnahe Gedanken ausgelöst wurden, die dann während des Empfangs einseitig und divergent zur Nachricht
7. Der erste Kontakt
129
das Denken beherrschten. So wurde ein attraktives Mädchen hinzugefügt, das viele Betrachter fand, aber zugleich als Barriere den genaueren Empfang der Nachricht störte. Wem dies unglaubhaft erscheint, stelle sich ein mit Pin-upgirls bebildertes Lehrbuch vor. Wir sehen also: Durch den ersten Eindruck findet eine Einengung und Spezialisierung des folgenden Auffassungsverlaufs statt. Eine nicht nachrichtengerechte Gestaltung vermindert die Wahrscheinlichkeit, daß es zur endgültigen Auffassung und Auseinandersetzung mit der Nachricht kommt.
7.3 Erstanmutung 7.3.1 Aktualgenese
Die von uns nun als wichtig erkannte Erstanmutung hat ihren besonderen Stellenwert in dem Empfangsprozeß. Das Kommunique oder Teile von ihm sind nicht ruckartig und plötzlich im bewußten Erleben, sie setzen sich nicht unmittelbar (beim Signalkommunique) in eine Reaktion um, sondern sie benötigen dazu Zeit. Dieser „langsame" Entstehungsprozeß des Vorstellungsbildes (oder der Reaktionsgestalt) wird nach F. SANDER als Aktualgenese bezeichnet ( C . - F . GRAUMANN 1959). Der gesamte Empfangsprozeß des Kommuniques kann als eine sich überlappende Folge solcher Aktualgenesen beschrieben werden. Für uns hier ist die erste Aktualgenese am Anfang des Empfangs von Bedeutung. Ihren Verlauf wollen wir uns zunächst am Werbekommunique ansehen: Jede Aktualgenese setzt mit einer diffusen, gefühlsmäßigen Erstanmutung ein. Ihre Inhalte bleiben zunächst unterschwellig. Läßt man jedoch die ersten Gefühle voll zum Erleben kommen, so berichten die Versuchspersonen (Vpn.) Erlebnisse, die den Schluß nahelegen, daß in der Erstanmutung bereits richtungsweise einiges der Nachricht vorweggenommen ist.2 Zeigt man Vpn. nur eine tausendstel Sekunde lang das Wort Chaussee, so werden gefühlshafte Anmutungen von Bäumen, Laufen, Fahren usw. geschildert, verbunden mit einer deutlichen Bewertung, ohne daß allerdings das Wort bewußt aufgefaßt worden wäre. Dies ist die Zeit, oder wir müssen genauer sagen: der Grad an Wahrnehmungsgenauigkeit, unter dem die (nicht bewußt werdende) Entscheidung gefällt wird: das Kommunique wird empfangen bzw. nicht empfangen (Phase der Zuwendungsentscheidung). Zuweilen kommt es vor, daß diese Entscheidung nicht eindeutig genug ausfällt. Sekunden später kommt dann der Eindruck zum Bewußtsein, daß es sich doch um ein interessantes Kommunique handeln 2
Ist man nicht an den Inhalten dieser Gefühle interessiert, sondern nur an ihrer Stärke, empfiehlt sich die Kontrolle der galvanischen Hautreaktion (P. AMSTAD 1971) oder der Pupillendilatation.
130
Der Empfang
könne. Die entgegengesetzte Entscheidung setzt sich durch und wir blättern z. B. in der Illustrierten zurück, um uns die Anzeige doch noch anzusehen. Die Phase der Zuwendungsentscheidung geht fließend über in eine Rückkopplungsphase. Dieser entspricht bei tachistoskopischen Untersuchungen (siehe unten) eine Anbietzeit von etwa 1/100 sec. Bis zu diesem Zeitpunkt ist bereits eine erste Deutung vollzogen. Nun aber gerät eine Rückkopplung in Gang, in der der Empfänger kontrollierend ein zweites Mal hinsieht, um seine erste Deutung zu bestätigen. Im Laboratorium ist diese Phase durch ein Unsicherheitserlebnis gekennzeichnet: die Versuchsperson (Vp.) ist sich nicht mehr sicher, ob ihre erste Deutung das Kommunique richtig wiedergibt. Hat die Erstanmutung eine persönlich wichtige Nachricht wahrscheinlich gemacht, so wird diese Hürde genommen werden. Entdeckt jedoch der Empfänger jetzt, daß es sich um eine unwichtige Angelegenheit oder um „Reklame" handelt, so wird eine abrupte Abwendung und Abwertung die Folge sein. Hier sei erwähnt, daß wir weder der Hypothese von BROADBENT (1958) folgen: die Selektion gehe der Codierung voraus, noch der Hypothese von DEUTSCH und DEUTSCH (1963): das Datenmaterial werde erst voll verbal codiert, bevor eine endgültige Selektion stattfindet. Wir meinen, daß in jeder Phase Selektion erfolgt, wenn auch qualitativ in unterschiedlicher Weise. Die nun folgende Phase der Aktualgenese dient der notwendigsten Orientierung (Orientierungsphase). Es werden die besonders prägnanten, wichtig erscheinenden Teile des Kommuniques aufgefaßt. Spätestens nach 0,1 sec. ist dieser Vorgang abgeschlossen. Man glaubt nun endgültig zu wissen, worum es geht, was ausgesagt wird. In der Orientierungsphase läßt der von dem Kommunique ausgehende Anreiz (im Sinne der Sättigung) stark nach. Es hängt nun nur noch von dem Informationsbedarf des Empfängers ab, ob irgend ein Teil des Kommuniques genau weiter betrachtet wird (Betrachtungsphase)-, vielleicht das Auto, das besonders gefällt, oder der Text, weil man glaubt, ihm noch etwas besonderes entnehmen zu können; eventuell die Aufnahmetechnik des Fotos, weil sie Anregungen zum eigenen Hobby geben könnte; mit anderen Worten, es folgt nun eine weitere Folge von Aktualgenesen oder cleaning-up-Prozessen (siehe weiter unter Kapitel 9.1).
7.3.2 Gestalterische Determinanten
Die Aktualgenese beginnt also mit einer Änderung der inneren Gefiihlslage. Die hier auftretenden Gefühle (Erstanmutung) dürfen nicht mit dem Image des Kommuniques verwechselt werden. Während der Zuwendungsentscheidung treten sie noch unverfälscht auf (nur im Laboratorium!): es sind lebenserhaltende Gefühle (gefährlich oder ungefährlich? Freund oder Feind? Beute oder
7. Der erste Kontakt
131
Nutzloses? Triebziel? ). Dagegen spielen die verinnerlichte Gruppenmoral und gelernte soziale Bewertungsmuster in diesem ersten Moment kaum eine Rolle. Deshalb läßt sich vom Image her eine Erstanmutung nie abschätzen. Die abgebildete Person, die bei längerer Betrachtung dem Empfänger sympathisch erscheint, kann in der Erstanmutung durchaus unheimlich, aggressiv oder gar abstoßend wirken. Ausgelöst wird eine solche Anmutung weniger durch das Objekt, als durch die Art der Gestaltung: gesichtsartige Anordnungen werden als Mensch fehlgedeutet, eine fconirasireiche Darstellungstechnik signalisiert Gefahr, Aggression. Vorsicht also mit Darstellungen, die eckig oder kontrastreich sind. In der fortschreitenden Aktualgenese übernehmen dann abstoßende Szenen und Tabuwörter eine ähnliche Funktion. Im logischen Gesamtzusammenhang mögen sie durchaus eine freundliche, erläuternde Aufgabe haben, in der Aktualgenese dagegen werden sie zur Ursache für die Abwendung vom Kommunique. Die Situation ist jedoch etwas anders, wenn es sich um ein entscheidungsnahes Signalkommunique handelt. In diesem Fall darf die Erstanmutung nicht einen starken Anreiz zur Betrachtung des Kommuniqu6s signalisieren. Vielmehr muß sie sich in die Gesamthandlung einpassen, die es in irgendeiner Hinsicht zu kanalisieren gilt: — Die Packung, die ergriffen werden soll, ist ein Mittel zur Bedürfnisbefriedigung. Ein solches Mittel wird gesucht. Also muß die Gestaltung bereits in der Erstanmutung die wichtigsten Aspekte der Befriedigung signalisieren. — Der bei einer Reparatur wohl zeitsparende, aber gefährliche Griff in eine Maschine soll unterbleiben. Hier muß das am Ort angebrachte Kommunique an die einleitende Handlung anknüpfen und dann den ungefährlichen Weg so eindringlich visualisieren, daß er wie selbstverständlich automatisch benutzt wird. Es kommt hier also nicht auf eine fortschreitende Aktualgenese an, sondern auf eine handlungssteuernde Wirkung. Sie läßt sich nur an Ort und Stelle prüfen. Immer wenn sich eine Gestaltung als angeblich unzureichend erweist, sollten wir daran denken, daß die in Laboratoriumsuntersuchungen von den Vpn. geschilderten Erstanmutungen nicht nur auf die Gestaltung selbst bezogen sind. Vielmehr teilen die Vpn. zugleich auch indirekt etwas über ihre (Informations-) Bedürfnisse mit. Die in den Schilderungen sich andeutenden Bedürfnisse können auch informationsabweisender Art sein. Diese sind nur selten typisch für die Zielpersonen. Sie sagen mehr über die Vorurteile und Tabus aus, die in der Gesellschaft bzw. in der Schicht der Versuchspersonen verbreitet sind und dort zum Selbstverständnis beitragen.
132
Der Empfang
7.4 Aktualgenetische Verfahren Im folgenden wollen wir uns ein paar typische Geräte ansehen, die von Psychologen benutzt werden, um Erstanmutungen kennenzulernen. Abb. 7—1 zeigt ein elektronisches Projektionstachistoskop.
Abb. 7 - 1 . Elektronisches Projektions-Tachistoskop EPTa 3 (Fa. ZAK) Es besteht aus zwei Einheiten: der Lampensteuerung mit Zeitelektronik, und einem separaten, an die Steuerung anschließbaren Dia-Projektor mit XenonLampe
Dieses Tachistoskop bietet Anzeigen, Plakate, Schilder, Packungen usw. auf Dias oder einem Film reproduziert für sehr kurze Zeit dar (evtl. in einer Zufallsreihenfolge). Das hier abgebildete Gerät hat Darbietungszeiten von 1/1000 bis 10 sec. und Dauerdarbietung. Durch Projektion auf eine besondere Scheibe werden bei den Vpn. Nachbilder vermieden, die sonst das Ergebnis verfälschen können. Dadurch kann sogar bei vollem Tageslicht gearbeitet werden. Im allgemeinen wird aber dem Gruppenversuch in einem abgedunkelten Raum der Vorzug gegeben. Die Vpn. werden in einem Vorversuch auf ihre Aufgabe vorbereitet. Dabei zeigt es sich oft, daß die eine oder andere in Aussicht genommene Vp. ungeeignet ist, meist weil sie sprachlich zu ungewandt reagiert. Im Hauptversuch können den Vpn. drei Aufgaben gestellt werden: (1) Sprachliche Wiedergabe des Gesehenen (bzw. dessen, was vermutet wird), (2) zeichnerische Wiedergabe des Gesehenen und (3) Einfälle zu dem mehr gefiihlshaften Eindruck, den die Vpn. während der kurzen Darbietungszeit hatten. Ein vielfältiger verwendbares Gerät ist die elektronische Universal-Produktbühne und Einblicktachistoskop (Abb. 7—2). Mit ihm können sowohl Gegenstände (Produkte, Packungen) als auch großflächige Vorlagen (Anzeigen, Aufsteller, kleine Plakate) im Original dargeboten werden. Der Einblick für die Vp. befindet sich an der Vorderseite des Balgenauszuges. In unbelichtetem Zustand sieht
133
7. Der erste Kontakt
Abb. 7 - 2 . Elektronische Universal-Produktbühne (Fa. ZAK)
EUP und
Einblicktachistoskop
die Vp. eine helle neutrale Fläche. Diese Fläche wird über ein Spiegelsystem eingeblendet und dient der Anpassung der Vp. an die spezielle Beleuchtungsstärke in der Produktbühne. Das Gerät hat wie das Tachistoskop Expositionszeiten zwischen 1/1000 und 10 sec. sowie Dauerdarbietung. Man hat früher mit einem einfacheren Gerät gearbeitet, der sogenannten Schnellgreifbühne (Abb. 7—3). Es kann sich dabei um eine rein mechanische Vorrichtung handeln. Ich erwähne sie, weil sie den Vorteil hat, die Wahrneh-
Abb. 7 - 3 . Schnellgreißühne
(Fa. ZAK)
134
Der Empfang
mung mit einer Zugriffshandlung zu verbinden. Allerdings bedarf ihre Verwendung einer vorgeschalteten Übung. Am Beginn eines Versuches ist die Bühne durch einen festen Schirm abgedeckt. Die Vp. kann also die Gegenstände nicht sehen. Die Expositionszeit wird vom VI. durch eine Drucktaste gewählt (z. B. 2 sec.). Nach dem Drücken einer Auslösetaste fällt der Schirm herunter und die Bühne ist hell beleuchtet. Nach Ablauf der gewählten Darbietungszeit erlischt das Licht, und die auf einer Hebebühne stehenden Objekte verschwinden unter der Bühnenfläche. Die Bühne schließt sich nun wieder automatisch, die Hebebühne fährt aufwärts und der nächste Versuch kann beginnen. Die Schnellgreifbühne ersetzt die bloße Wahrnehmungsbeschreibung durch eine möglichst spontane Zugriffshandlung. Nehmen wir an, wir wollen mehrere Entwürfe von Flaschen für eine Gewürzserie untersuchen. Wir geben dann die Anweisung: „Sie werden mehrere kleine Flaschen vor sich sehen. Eine der Flaschen enthält ein Medikament. Die Bühne ist nur 2 sec. geöffnet. In dieser kurzen Zeit müssen Sie sich entscheiden, welche Flasche es sein könnte und diese herausnehmen. Sowie die Bühnenbeleuchtung erlischt, greifen Sie bitte nicht mehr zu . . .". Unserer Erfahrung nach lohnt sich die Zugriffshandlung nur bei solchen Objekten, die sich schwierig beschreiben lassen. Dabei ist wichtig, sich zu verdeutlichen, daß die Schnellgreifbühne keine einwandfreie Schilderung der Erstanmutung gibt. Ihre Ergebnisse nehmen eine Mittelstellung ein zwischen Erstanmutung und Image. Je größer die Expositionszeit, desto näher kommt man an das Image heran. Eine Imageanalyse auf diesem Wege lohnt sich jedoch nur dann, wenn man unsicher ist, welche Wortpaare im Polaritätsprofil benutzt werden sollen. Die Schnellgreifbühne vermittelt in der Tat interessante Anregungen für die Formulierung polarer Wortpaare. Doch keineswegs stehen uns immer Geräte der vorgeführten Art zur Verfugung. Oder es sind andere Umstände, die uns zwingen, sehr rasch ohne eine sauber angelegte Untersuchung zu einer Beurteilung der Erstanmutung zu kommen. In all diesen Fällen können wir auch zu einfacheren Mitteln greifen. Sie ersetzen eine wichtige Teilaufgabe der komplizierteren Apparaturen, nämlich die Erschwerung des Prozesses der Informationsentschlüsselung. Jedoch simulieren sie nicht die kurzen Zeitspannen der tatsächlichen Aktualgenese. In der Reihenfolge der Aussagekraft ihrer Ergebnisse sollen hier die gängigsten Ersatzverfahren dargestellt werden: — Die Vpn. in Leseabstand einen Punkt mindestens 50 cm neben dem Schwerpunkt der Anzeige starr fixieren lassen; ein Auge bleibt verdeckt; nach jedem Deutungsversuch wird die Anzeige um 10 cm weiter zur Mitte des Gesichtsfeldes geschoben. Mit anderen Maßen ist das Verfahren auch auf Plakate übertragbar. — Die Anzeige unter mehreren Lagen graugetönter Klarsichtfolie zugedeckt anbieten; nach jedem Deutungsversuch zwei Lagen entfernen. Dieses Verfahren ist auch auf Fernsehspots übertragbar. Bei Funkspots u. ä. kann man mit einem Störgeräusch arbeiten. Das Verfahren wird in ähnlicher Form
7. Der erste Kontakt
135
auch benutzt, um das angesprochene Interesse zu messen (sogenannte Controlled Ad Awareness Technic). — Die Botschaft in einer ungewöhnlich großen Entfernung anbieten (50 m langer Gang); nach jedem Deutungsversuch die Botschaft um etwa 5 m näher heranrücken. Mit anderen Maßen ist dieses Verfahren auf jede Kommunikationsart übertragbar. — Szenen aus Spots mit absichtlich falscher Scharfeinstellung anbieten; immer wieder mit zunehmender Schärfe vorführen. Bei einigen Vpn. den Ton fortlassen, bei einer zweiten Gruppe mit einem sehr leisen Ton beginnen, bei einer Kontrollgruppe schließlich mit Normalton vorführen. Bei allen Verfahren dürfen Versuchsleiter oder Mitarbeiter nicht als Vpn. dienen, da ihnen die Vorlage bekannt ist. Man wähle wenige, in möglichst vielen Merkmalen sich unterscheidende Personen. Jede Deutung, die ausgesprochen wird, sollte ernstgenommen werden. Da kein repräsentatives Ergebnis zu erwarten ist, werden so mögliche Richtungen der Erstanmutungen gewiesen.
7.5 Übung 7.5.1 Zusammenfassung
Das aktive Suchen nach einer bestimmten Nachricht nennt man [I]. Sie ist medienunabhängig. Sie wirkt sich bei der Kenntnisnahme der einzelnen Botschaft weiter aus. Dort fuhrt sie zur [2] bestimmter Elemente oder Inhaltsteile. Den Auffassungsablauf eines Kommuniques bezeichnet man als [3]. An seinem Anfang liegt immer eine gefühlsmäßige [4] . Sie entscheidet darüber, ob sich der Empfänger dem Kommunique [5] . Bei einem handlungsnahen Kommunique sollte die Erstanmutung bereits dem notwendigen Handlungsimpuls entgegenkommen. In handlungsfernen Kommuniques kommt es dagegen mehr auf das Auslösen positiver, sympathischer Eindrücke an. Die gängigste Apparatur zur Erfassung der Erstanmutung nennt man [6] (beschreiben Sie sie!). Sie läßt sich notfalls ersetzen durch Verfahren der [7] . 7.5.2 Aufgabe
Nehmen Sie eine ganzseitige Anzeige zur Hand. Wählen Sie eine der oben genannten Verfahren zur Untersuchung der wahrscheinlichsten Erstanmutung. Führen Sie Ihre kleine Untersuchung mit mindestens drei Personen durch. Da Sie keine repräsentative Stichprobe vor sich haben, schätzen Sie für jede einzelne Person die anzeigenwichtigen Informationsbedürfnisse ab. Und nun lösen Sie die Aufgabe.
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Der Empfang
Zur Deutung der gefundenen Erlebnisschilderungen ist es förderlich, vorher die wahrscheinlichsten Erstanmutungen abzuschätzen. Sie kontrollieren damit auch Ihre eigenen Kenntnisse. Beachten Sie dabei folgendes: — Gesichter, Personen und andere wohlbekannte Elemente werden sehr früh erkannt und bestimmen die Richtung der weiteren Aktualgenese; — Farben werden nicht gesehen (es sei denn, sie sind bekannt oder können aus dem Zusammenhang erraten werden); — dunkle Partien wirken unheimlich und können im Ernstfall zum Abbruch der Informationsaufnahme beitragen; — harte, spitze Formen vermitteln männlich-technische Erwartungen; — weiche, runde Formen machen weiblich-naturhafte Deutungen wahrscheinlich; — Textteile beeinflussen die Erstanmutung nur, wenn sie sich prägnant herausheben, leicht lesbar sind und zum häufig benutzten Wortschatz gehören. Zahlen und Formeln bilden für viele Empfänger eine Auffassungsbarriere. 7.6.3 Literatur W. D. Fröhlich und L. Laux: Serielles Wahrnehmen, Aktualgenese, Informationsregulation und Orientierungsreaktion. In: Ztschft. f. exp. u. angew. Psych. Bd. XVI, S. 2 5 0 - 7 7 , 1969 Zu den Methoden in diesem und den folgenden Kapiteln K. Koeppler: Werbewirkungen definiert und gemessen. Bonn 1974 B. Spiegel: Werbepsychologische Untersuchungsmethoden. 2. Aufl. Berlin 1968
|T] Detektion. - [T) Selektion. - [3] Aktualgenese. - ¡4] Erstanmutung. - [5] zuwendet. - ¡6] Tachistoskop. - 0 Wahrnehmungserschwerung durch peripheres Sehen, Abdunklung, Betrachtung aus größerer Entfernung oder unscharfe Darbietung.
8. Die Betrachtung 8.1 Betrachtungsverlauf Die Betrachter eines Plakates oder einer Anzeige vollziehen recht unterschiedliche Deutungen und Inhaltsbetonungen. Da gibt es denjenigen, der sich mehr von dem Gesamteindruck fangen läßt und von ihm her kleinere Strukturteile deutet, andere, die in genau umgekehrter Weise das Kommunique vom Detail her auffassen, und schließlich solche, die zwischen großen und kleinen Teilen
8. Die Betrachtung
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wechseln. Sieht man sich jedoch den durchschnittlichen Verlauf der Betrachtungen an, so kommt man unabhängig von dem Betrachtungs- bzw. Erlebnistyp zu einer mittleren Linienführung, dem sogenannten Blickverlauf (vgl. Abb. 8—1). Von ihm weicht der individuelle Betrachtungsverlauf weniger in der Linienführung als in seiner Gesamtlänge ab. Auch die Elemente, an denen der Blick hängen bleibt, sind immer wieder etwa die gleichen. Man nennt sie nach LYSINSKI die Blickfeßler. Sie sind in Abb. 8—1 als Punkte gekennzeichnet. Jedes Stehenbleiben an einem Blickfeßler kann den Neubeginn einer Aktualgenese signalisieren. Das betrachtete Element kann zunehmend an Kontur gewinnen (Figur-Bildung). Ob es bis zu einer prägnanten Endgestalt bzw. Figur kommt, ist schwer festzustellen. Zuweilen macht es sich bemerkbar in einem engen, rasch wechselnden Blickverlauf im Umfeld des ursprünglichen Blickfeßlers (in Abb. 8 - 1 bei B). Während dieser Betrachtungsphase wechselt alternierend die Größe des betrachteten Feldes. rftUl
Abb. 8—1. Plakat mit eingezeichnetem Blickverlauf Die Punkte markieren die Blickfeßler. Bei A begann am häufigsten der Betrachtungsverlauf. Bei B befindet sich ein näher betrachtetes Gebiet. Die korrekte Registrierung eines Blickverlaufs wird mit einer Kamera vorgenommen (siehe B. SPIEGEL 1958/68).
Der Betrachtungsverlauf ist also einerseits von der Persönlichkeit des Betrachters abhängig: von seinem Erlebnistyp, seinen Bedürfnissen oder seiner (eventuell stark angesprochenen) sozialen Rolle. Andererseits ist der Verlauf deutlich mitgesteuert von der Gestaltung des Kommuniques, von den sogenannten Blicklenkern. Sie sind häufig die Ursache dafür, daß bestimmte Elemente nicht empfangen, bestimmte Textpartien prinzipiell überlesen werden. Studenten der angewandten Graphik sollten in der Tat üben, Kommuniques so zu gestalten, daß bestimmte Elemente oder auch Inhalte einmal empfangen, das andere Mal dagegen übersehen werden. Dies schärft zugleich die Empfindlichkeit für die Lenkbarkeit des Empfangsvorganges.
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Der Empfang
Die Elemente eines Kommuniques sind nicht von gleicher Prägnanz. Sie oder Merkmale an ihnen fallen unterschiedlich stark auf. Dies geht sowohl von der Gestaltung der Elemente selbst aus als auch von dem Informationsbedarf und dem Wahrnehmungsstil des Empfängers. Jedes Kommunique hat besonders auffallende, informationstragende Stellen. Man könnte sie auch „Redundanz unterbrechende Stellen" nennen (vgl. Abb. 8—2). Diese sind Blickfeßler, aber 18
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23
Abb. 8 - 2 . Umrißlinie eines Tieres. Die außenstehenden Zahlen geben die Anzahl der notwendigen Fragen wieder, die zusätzlich erforderlich waren, um den weiteren Verlauf der Linie zu erkunden. Hohe Zahlen entsprechen also informationstragenden Stellen. (Jede Versuchsperson begann den Rateprozeß an einem anderen Ort der Linie).
in ihrer Abfolgebedeutung zugleich Anfänge von Blicklenkern. An ihnen bestimmt sich jeweils neu die Richtung des weiteren Betrachtungsverlaufs (vgl. ATTNEAVE 1965).
Dies alles gilt nicht nur fiir den visuellen oder auditiven Bereich, sondern mit gleicher Stärke für den Text. Bereits auf der Ebene der Buchstaben sind einige sehr schwer für den Empfänger erratbar. Sie sind also die (subjektiv) informationstragenden Stellen. Wir können uns dies leicht am folgenden Textbeispiel verdeutlichen. Es demonstriert zugleich die Methode, mit der diese Stellen im Text aufgefunden werden, dem sogenannten Lückentest (vgl. MEYER-EPPLER 1959): D . . I n f . . m . . . . n . st n . . . t g l . . chm i. Kom.. . . qu. v . . t . . lt Hier sind die Buchstaben wiedergegeben, die die höchste Information tragen. Der Empfänger tastet offensichtlich das KommuniquS beim Empfang auf informationstragende Stellen ab. Er interpoliert das Übrige nach der wahrscheinlichsten Hypothese; welche Buchstaben (oder Worte, Inhalte) am häufigsten in dieser Sprache (oder in dem Gedankengang) folgen. Dadurch vereinfacht er den Entschlüsselungsvorgang und beschleunigt die Auffassung der Nachricht.
8. Die Betrachtung
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Allerdings vermehrt sich dadurch auch die Gefahr der Ergänzung und Verzerrung durch persönliche Erwartungen, Vorurteile und Befürchtungen (projektive Verzerrungen). Manchmal ist diese persönliche Verzerrung vom Sender erwünscht. Er kann sie auch zulassen, weil er sich auf diesem Wege eine bessere Anpassung an die Zielpersonen erhoffen kann. Folgende Gestaltungsweisen ermöglichen dem Empfänger projektive Verzerrungen: Der Sender stellt Szenen verwaschen und mehrdeutig dar, zeigt Personen von hinten oder nur Teile von ihnen, formuliert mehrdeutig, verzichtet auf eine genauere Schüderung derjenigen Dinge, die persönlich ausgelegt werden sollen, benutzt Allgemeinplätze und Begriffe von möglichst großem Umfang aber nichtssagendem, diffusem Inhalt. Visuelle Beispiele wird man leicht in der Wirtschaftswerbung finden, Textbeispiele in der politischen Propaganda. Die Betrachtungsdauer ist eine weniger interessante Größe. Sie korreliert allein mit Variablen, die den Betrachtungsverlauf steuern, also z. B. mit den Bedürfnissen, mit der Identifikationsschwierigkeit des Werbegegenstandes und mit der Komplexität des Kommuniques (B. I. MORRISON und M. J. DAINOFF 1972). Dagegen läßt die Betrachtungsdauer keinen Schluß auf irgendeine Wirkung des Kommuniques zu.
8.2 Geschwindigkeit 8.2.1 Reaktionszeit auf Signalkommuniques
Zum Problem der Reaktionsgeschwindigkeit sind eine große Zahl interessanter Erkenntnisse gesammelt worden. In der Industrie und im militärischen Bereich gibt es viele kommunikative Probleme, bei denen es auf eine Reaktionskanalisierung bei hoher Reaktionsgeschwindigkeit ankommt; von hier kommen auch die meisten Anregungen zu Untersuchungen. Aber es handelt sich bei der Reaktionsgeschwindigkeit auch um das älteste von Psychologen untersuchte Phänomen. (Zum folgenden siehe A. F. SANDERS 1971) Es ist seit langem bekannt, daß die Reaktionszeit (RZ) vom angesprochenen Sinnesbereich abhängig ist. Am schnellsten reagieren Empfänger auf taktile Signale, schneller als auf akustische. Am längsten dauert die Reaktion auf visuelle Signale. Wenn die Möglichkeit besteht, lohnt es sich also, ein visuelles Signalkommunique durch ein anderes abzulösen. Je unterschiedlicher die erwarteten Signale sind, je mehr Alternativen es gibt, desto größer ist die RZ. Wir sollten also das Repertoire an Signalkommuniques möglichst klein halten. Der Gestalter sollte sich nicht von der Differenziertheit des Ausdrucks bestechen lassen, sondern nur die gängigsten Signale benutzen, um das reaktionsnahe Verhalten zu steuern.
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Der Empfang
Eine sehr ähnliche Erkenntnis besagt, daß das Kommunique möglichst einfach strukturiert sein, also nur aus wenigen Elementen bestehen soll. Die Erkennungszeit und die RZ können nur noch durch die Einführung zusätzlicher redundanter Elemente vermindert werden (KLIX 1971, S. 272). Daß alternative Kommuniques möglichst deutlich voneinander abgehoben sein müssen, ist beinahe selbstverständlich. Sie sollten jeweüs so einfach sein, daß man sie als Signale bezeichnen kann. Dies fördert ihre Unterscheidbarkeit. Die Verwechslungsgefahr kann außerdem durch eine deutliche räumliche bzw. zeitliche Trennung vermindert werden. Es ist zweckmäßig, dem Signalkommunique ein vorbereitendes Kommunique vorwegzuschicken. Die optimale Spanne ist von Fall zu Fall verschieden und muß jeweils empirisch ermittelt werden. Nur wenn der Empfänger nicht reagieren möchte, sollte man ihn nicht vorbereiten. Ähnlich liegt der Fall, wenn das vorbereitende Kommunique im Laufe der Zeit zum Signalkommunique wird: beide werden eine Einheit, allein wirken sie nicht mehr. In diesem Fall muß die Vorbereitung neu durchdacht werden oder man muß auf sie verzichten. Die Reaktionen auf ein Signalkommunique bedürfen der Bestätigung, sie müssen verstärkt werden. Auf diese Weise wird die Reaktion schließlich zur gelernten Selbstverständlichkeit. Doch das Bewußtsein, eine Gefahr vermieden zu haben, unterstützt oft genug nicht das Lernen, weil die nachteiligen Auswirkungen die wirksameren Verstärker sind: Die Gruppe wertet die Reaktion ab, indem sie dies als Feigheit bezeichnet, der Betrieb zahlt weniger Geld, weil durch die Reaktion die Produktion unterbrochen wurde u. ä. Die Kenntnis der Reaktionen anderer verkürzt die eigene RZ, sofern sie unter den herrschenden sozialen Bedingungen als Leistungsansporn zu wirken vermag, andernfalls macht die Gruppe die Reaktion unwahrscheinlich oder verlängert zumindest die RZ. Nicht nur das soziale Umfeld wirkt sich auf die RZ aus, sondern auch die Art der gerade laufenden Tätigkeit. Ist der Empfänger auf eine langsame, aber akkurate Arbeitsweise eingestellt, so erhöht sich einerseits die Wahrscheinlichkeit, daß er reagiert, aber die RZ wird eher etwas länger ausfallen. Der unter Zeitdruck arbeitende Empfänger reagiert rascher, doch können bei ihm die Umstände dazu beitragen, daß das Signal nicht ernst genommen wird (U. UNDEUTSCH 1966).
Schließlich bleibt das Problem des Inhalts: Es ist sicherlich das wichtigste, denn man weiß, daß es auf eine möglichst natürliche Beziehung zwischen dem Signal und der geforderten Reaktion ankommt. Der gedankliche Weg von dem Kommunique zu der Reaktion sollte so kurz wie möglich sein. Ideäl wäre es, wenn der Gegenstand, auf den hin reagiert werden soll, selbst der Träger des Kommuniques ist. Die zu drückende Taste leuchtet auf und zeigt so, daß sie gedrückt werden muß.
8. Die Betrachtung
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Der Leser wird sich vielleicht gewundert haben, daß wir nichts zur Intensität des Kommuniques gesagt haben. Doch sieht man einmal davon ab, daß das Kommunique überhaupt bemerkt werden muß, so verändert eine hohe Auffälligkeit oder Intensität kaum die RZ. 8.2.2 Auffassungsgeschwindigkeit bei Werbekommuniques
Die soeben aufgezählten Bedingungen für die Reaktionszeit sind durchaus auf reaktionsferne Werbekommuniques übertragbar. Da die Betrachtungsphase in den seltensten Fällen erreicht wird, sollten gleichfalls an einfache deutliche Strukturen, an vorbereitende Kommuniques, an das Problem der Verstärkung, an Handlungsnähe und vor allem an das soziale Umfeld gedacht werden. Hier noch einige Ergänzungen: Im Bereich von Werbekommuniques wird das Vorschalten von vorbereitenden Kommuniques als Teasing-Technik bezeichnet. Es ist eine Strategie, die seit Jahrzehnten vorwiegend in der Plakatwerbung eingesetzt wird (JUDA hatte damit begonnen). In dem vorbereitenden Kommunique zeigt man ein Symbol, ein Zeichen oder ein Wort, das unverständlich und offen genug ist, um ein Bedürfnis zur Vervollständigung und Deutung zu aktivieren (Beispiele: Haarlocke -*• Panteen, Rifif! -* Kriminalfilm). Nach 1—2 Wochen bietet man die vollständige Nachricht an. Bei der Neueinführung von Produkten, sozialen Verhaltensweisen u. a. kann die Teasing-Technik einen ersten Lernschritt einleiten. Im Rahmen von Marketingmaßnahmen sollte es möglich sein, das Werbekommunique von PR-Maßnahmen begleiten zu lassen. Diese können die sozialen Bedingungen fördern, die eine Reaktion auf das Kommunique verstärken: das Gespräch darüber, die Benutzung einschlägiger Bezeichnungen, die gedankliche Verbindung des Gegenstandes mit Prestigeführern, die Erwartung neuer Nachrichten, die Hochschätzung einer genaueren Gegenstandsorientiertheit u. ä. dieses verstärkende soziale Umfeld ist zugleich die Voraussetzung dafür, daß eine größere Anzahl von Empfängern das Kommunique nicht nur bemerkt, sondern auch betrachtet und mit anderen diskutiert. Wir sehen, daß die Bedingungen, die die Reaktionszeit verkürzen, bei Werbekommuniques vor allem die Kontaktwahrscheinlichkeit erhöhen und nur nebenbei, so könnte man sagen, die Auffassung erleichtern und beschleunigen. Ähnlich ist es mit der Integration des Kommuniques in die laufende Tätigkeit. Hier müssen wir uns Fragen etwa folgender Art beantworten: Auf welche Weise wird von den Zielpersonen das Medium konsumiert? Welche Zeit bringt der Empfänger für Kommuniques dieser Art auf? Was geschieht während des Empfangs? Die Beantwortung dieser Fragen wird meist viel zu wenig ernst genommen. Aber die Antworten müssen wir kennen, wenn wir die Ausführlichkeit der Betrachtung oder die Auffassungsgeschwindigkeit erhöhen wollen.
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Der Empfang
Natürlichkeit" hat beim Werbekommunique eine etwas andere inhaltliche Bedeutung als beim Signalkommunique: Die Betrachtung wird wahrscheinlicher, wenn die Sprache des Empfängers gesprochen wird, wenn die ihm vertrauten oder gewünschten Bilder auftreten. „Natürlichkeit" bezieht sich aber auch auf die zukünftige Situation, in der die vermittelte Nachricht angewandt werden soll. In diese Situation muß der Gestalter des Kommuniques die Nachricht einpassen, damit sie an Ort und Stelle leichter erinnert wird. Doch dies kann andererseits der Betrachtungsdauer und auch der Auffassungsgeschwindigkeit abträglich sein. Der konkrete Kompromiß, der gefunden werden muß, läßt sich theoretisch nicht vorwegnehmen. Die Intensität oder Auffälligkeit eines Kommuniques garantiert wohl eine große Zahl von Zuwendern (H. FOWLER 1965), aber sie ist sowohl für die Auffassungsgenauigkeit als auch für die Betrachtungsdauer von Nachteil. Die hohe Aufforderung am Beginn des Empfangs hat ein sehr rasches Nachlassen der Betrachtungsmotivation zur Folge. Die Betrachtungsdauer ist daher in der Regel verringert. Man sollte annehmen, daß unter derartigen Bedingungen die Auffassungszeit recht günstig aussieht. Doch güt dies nur für die auffälligen Elemente und nicht für die gesamte Nachricht, es sei denn, es gibt keine weiteren nachrichtentragenden Elemente. Meist jedoch lenken auffällige Elemente nur von der Nachricht ab und führen den Empfänger häufig genug in eine falsche Richtung.
8.3 Betrachtungskontrolle Schließlich ein paar Worte zu den Methoden, mit denen die Betrachtung und die mit ihr verbundene Auffassungsgeschwindigkeit kontrolliert werden. Diese Methoden sind stärker als die im vorangegangenen Kapitel geschilderten an eine möglichst wirklichkeitsgerechte Herstellung der Empfangssituation gebunden (sogenannte Felduntersuchungen)-, mit anderen Worten, es ist kaum möglich, Laboratoriumsmethoden einzusetzen. Wir werden den Blickverlauf registrieren, die Betrachtungsdauer bzw. Reaktionszeit messen und eventuell versuchen, den empfangenen Inhalt mit einer Fragebogenmethode zu kontrollieren. Die Blickverlaufsmessung ( G. GUTJAHR 1964) erfolgt mit Hilfe versteckt angebrachter Kameras, z. B. einer Fernseh-Augenkamera von MACKWORTH und MACKWORTH (1958), mit der Augenbewegungen und ihre Fixationen gemeinsam mit dem Kommunique auf einem Monitor sichtbar gemacht werden. Dieses Vorgehen ist finanziell sehr aufwendig. Es bringt uns Ergebnisse von der in Abb. 8—1 gezeigten Art. Es werden also Betrachtungsschwerpunkte sichtbar, der jeweilige Erregungsgrad wird abschätzbar (vgl. Fußnote 2 in Kapitel 7.3), und wir erfahren, welche Elemente nicht betrachtet werden. Wir erfahren dagegen nicht, welche Elemente mit welchen Gefühlen, Vorstellungen und Gedan-
8. Die Betrachtung
143
Tafel 8 - 1 . Messung der Reaktionszeit Zur Ermittlung der Reaktionszeiten zwischen auslösendem Signalkommunique und (motorischer) Reaktion verwendet man eine elektronische Stoppuhr (Abb. 8 - 3 ) . Sie kann die Zeit in 1/100 sec. aber auch in vollen Sekunden messen und ist an die verschiedensten Geräte anschließbar. Sie kann an Stelle einer Zeitmessung auch die Fehler in einem Handlungsablauf zählen. Oft wird man eine Reaktionszeituntersuchung vorprogrammieren; dies vor allem dann, wenn es gelungen ist, die Situation so zu vereinfachen, daß sie als Gruppenexperiment durchgeführt werden kann und zwar unter Laboratoriumsbedingungen. Hierzu bedient Abb. 8 - 3 . Elektronische Stoppuhr (Fa. ZAK) man sich apparativer Mittel zur Untersuchung sensumotorischer Leistungen bei Mehrfachwahlreaktionen. Die abgebildeten Geräte eignen sich fiir Gruppen- und Einzeltests. Die apparative Anlage besteht aus einer zentralen i nrrn-Tiiin—Mi.11 ii ii''^'*' ' •' Steuer- und Registriereinheit HHHMnHB (Abb. 8 - 4 ) , an die ein oder y. mehrere Arbeitsplätze (Abb. 8—5) angeschlossen werden.
Abb. 8 - 4 . Elektronisches Determinationsgerät DTG: Steuergerät (Fa. ZAK) Jeder Arbeitsplatz umfaßt das Gehäuse mit Reizlampen (25) und Reaktionstasten, Kopfhörer für akustische Reize und zwei Pedalen.
Abb. 8 - 5 . Arbeitsplatz: Reizfeld mit Reaktionstastatur (Fa. ZAK)
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Der Empfang
kengängen verbunden sind. Signalkommuniques sollten deshalb niemals isoliert in dieser Weise untersucht werden. Bei ihnen muß vielmehr der Blick- und Handlungsverlauf auch vor und nach dem Kommunique kontrolliert werden. Die Betrachtungsdauer läßt sich verhältnismäßig leicht unter Feldbedingungen beobachten. In früheren werbepsychologischen Untersuchungen spielte die Betrachtungsdauer die Rolle eines Wirkungsindikators. In der Regel kann man sie ohne komplizierte Apparaturen erfassen, doch sind auch hier Filmkameras im Gebrauch. Die Reaktionszeit auf Signalkommuniques ist in erster Linie ein Definitionsproblem: wo beginnt sie, wo endet sie? Die Festlegung dieser Begrenzung ist vor allem von der Aufgabe des Kommuniques abhängig. Als Anfangspunkt wählt man entweder das Auftreten des Signalkommuniques oder das Ereignis, das das Kommunique als relevant definiert. Mit dem Beginn oder dem Abschluß der vom Kommunique ausgelösten Reaktion läßt man die Reaktionszeit enden. Da es sich in der Regel um kurze Zeiten handelt, ist der technische Aufwand etwas größer (Tafel 8—1).
8.4 Übung 8.4.1 Zusammenfassung
Der zeitaufwendigste Teil des Empfangs eines Kommuniques ist dessen [7] . Ihr Ablauf spiegelt sich formal in der Analyse des [2] . Seine Aufzeichnung ergibt keine kontinuierliche Kurve, sondern Sprünge von [3] zu [3]. Meist sind Blickfeßler [4] Stellen. Die Geschwindigkeit, mit der auf ein Signalkommunique reagiert werden kann, ist von vielen Bedingungen abhängig; nennen Sie bitte mehrere Bedingungen: [5] . Diese Bedingungen gelten auch für Werbekommuniques; allerdings wirken sie sich mehr auf [6] aus als auf die Auffassungsgeschwindigkeit. 8.4.2 Aufgaben
(1) Zeichnen Sie ein Schemagesicht. Pausen Sie es auf einer Folie mehrmals ab, wobei Sie jedesmal einen anderen Teil fortlassen. Sie werden auf sehr anschauliche Weise erkennen, wie unterschiedlich stark die einzelnen Teile Information tragen. Führen Sie dann das Gleiche mit einer Anzeige durch. (2) Besorgen Sie sich ein Plakat (notfalls auch ein nicht beeinflussend gemeintes Poster). Schätzen Sie zunächst so gut Sie können selbst den Blickverlauf ab. Schreiben Sie sich Ihre Überlegungen und Begründungen auf; notieren Sie auch, mit welchen Einfällen und Gedankengängen Sie rechnen. Hängen Sie sodann das Plakat an einer gut sichtbaren Stelle auf.
8. Die Betrachtung
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Wenn Sie bemerken, daß Ihr Besucher das Plakat betrachtet hat, sprechen Sie ihn darauf an. Lassen Sie sich erzählen, in welcher Reihenfolge die Betrachtung ablief, was besonders auffiel, woran er denken mußte. Sie werden überrascht sein, wie übereinstimmend die Auskünfte ihrer „Versuchspersonen" sind. (3) Vergleichen Sie die beiden folgenden Texte. Welcher Text liest sich rascher? Streichen Sie redundante Stellen und unterstreichen Sie schwierige, ungewöhnliche Wörter. Je mehr informationtragende Stellen, desto schwieriger ist der Text. Was würden Sie an den Texten abändern, um sie handlungsnäher zu gestalten? Rechnen Sie mit einem breiten Zielpersonenkreis (ab 25 Jahre, verheiratet, mittl. Einkommen, eher niedriger Bildungsstand). Und hier die Texte: (a) Gegen Halsschmerzen S . . . Halspastillen. Das ist ein Rat, der sich seit Jahren gut bewährt hat. Immer dann, wenn Halsschmerzen buchstäblich in der Luft liegen — so wie jetzt — und es im Hals schon kratzt und sticht. S . . . Halspastillen sind ausgezeichnet verträglich und schmecken gut. Am besten hat man sie jetzt immer bei sich. (b) Mutti weiß das doch: Wenn der Husten kommt, ist die Infektion schon da! Der Husten kommt hörbar. Die Erkältung aber ist längst da, im Hals. Bekämpfen Sie beide zusammen: L . . . löst den Husten, L . . . hemmt die Infektion. Zwei in einem: L . . . die Lutschtablette mit der Doppelwirkung. L . . . nimmt die Heiserkeit. Die Schmerzen. Und das Wundgefiihl im Hals. Es löst den zähen Schleim von Ihren Bronchien. Sie können wieder frei atmen. 8.4.3 Literatur H. Jacobi: Werbepsychologie. Wiesbaden 1963 A. F. Sanders: Psychologie der Informationsverarbeitung. Bern, Stuttgart, Wien 1971 Zu den Methoden siehe Kapitel 7.6.3
[F] Betrachtung. - [2] Blickverlaufs. - [3] Blickfeßler. - [4] informationstragende. - [s] Sinnesbereich, Zahl der Alternativen, Grad der Strukturiertheit, Existenz eines vorbereitenden Kommuniques, Haltung des sozialen Umfeldes, die laufende Tätigkeit und Inhalt des Kommuniques. - [6] die Kontaktwahrscheinlichkeit.
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Der Empfang
9. Die Verarbeitung 9.1 Gedankliche Verarbeitung 9.1.1 Verarbeitungsprozeß
Die Zeit, die der Empfanger für die Beschäftigung mit einer Werbebotschaft und ihre gedankliche Verarbeitung aufbringt, ist weniger von seinem Interesse als von der erlebten Komplexität der Botschaft abhängig (B. J. MORRISON und M J. DAINOFF 1972). Je komplexer sie empfunden wird, desto mehr Elemente, Ausschnitte, Aspekte müssen betrachtet werden, um sie zu verstehen oder ihre gefühlsstimulierenden Zeichen zu erfassen. Der die Betrachtung begleitende Auffassungsprozeß verläuft diskontinuierlich. Beobachtet man sich beim Lesen, so bemerkt man, wie der Lesestoff in kleinen Sprüngen abgetastet wird. Jedes Mal wird eine Stichprobe entnommen, die eine neue Aktualgenese anregt. Jede dieser Stichproben beschränkt sich auf einen Sinnesbereich, eine physikalische Dimension oder einen thematischen Aspekt (Filtermodell für selektive Aufmerksamkeit; siehe Abb. 9—1). Sinnesbereich
visuell,
i
auditiv,
t
a
Filter Erlebnismodus Filter
thematisch selektiv
Abb. 9 - 1 . Filtermodell ßr selektive Aufmerksamkeit Wahrnehmung
(vgl. BROADBENT 1957)
Dieser stichprobennehmende und -verarbeitende Auffassungsprozeß ist so gut wie immer von verbalen Zuordnungen und Deutungen begleitet. Die gedankliche Verarbeitung besteht in jeder einzelnen Aktualgenese sowohl aus der Bildung von Ordnungen (Gruppierung, Vereinfachung, Zusammenfassung, Trennung, Betonung, Zusammenhangsfindung) als auch aus einer inhaltlich-sprachlichen Zuordnung. Ersteres ist vorwiegend emotional-imaginativ, das Zweite dagegen kognitiv-verhaltensbezogen. Die gedankliche Verarbeitung kann dabei nicht wesentlich über das bestehende Wissen, vorhandene Einstellungen, geläufige Verhaltensmuster hinausgehen. Sie hat mehr den Charakter des spielerischen Versuchs: probieren, wo diese Nachricht innerweltlich hinfuhrt; immer bereit, es sofort zu verwerfen, wenn Angstbesetzungen aufleuchten.
9. Die Verarbeitung
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Die übergreifende Verarbeitung der Gesamtauffassung ist kaum noch von dem Kanal abhängig: im visuellen wie im auditiven Kanal wird aus der Folge ein Nebeneinander, ein erinnerungsfähiges Bild; immer in der Nähe von bereits bestehenden Erwartungen (Stereotypen) bleibend. Im visuellen Fall gibt es mindestens zwei gedankliche Kristallisationszentren: das wahrzunehmende Kommunique und das Vorstellungsbild von dem Nachrichtengegenstand. Im auditiven Kanal ist das zweite Zentrum vorherrschend; im visuellen nur dann, wenn es sich um eine bewegte Bilderfolge handelt. Dabei besteht zwischen den Zentren ein permanenter Rückkopplungsprozeß. Wird er unterbrochen, gleitet der Empfänger in ein Tagträumen ab. Der äußere Verhaltensablauf der Nachrichtenaufnahme kann dabei voll erhalten bleiben: der Empfänger findet sich auf einmal an einer anderen Stelle des Kommuniques wieder und weiß von dem dazwischen liegenden Teil nichts. Meist geht einem solchen Abgleiten die Ansprache eines starken, nicht vollständig verarbeiteten Erlebnisses voraus. Beispiel: Stellen wir uns einen Empfänger einer Margarine-Anzeige vor, auf der eine junge Frau mit einer Margarinepackung an einem Frühstückstisch abgebildet ist. Mögliche Kristallisationszentren seines Denkens können zum Beispiel sein: die Margarinepackung, die junge Frau, der Frühstückstisch, aber auch ein Erinnerungsbild an ein morgendliches Frühstück, bei dem er sich über eine Zeitungsmeldung ärgerte. Immer ist die Bildung eines endgültigen Bildes begleitet von sprachlichen oder sprachäquivalenten inneren „Erzählfolgen". Es läuft eine Folge von Einfällen, Affekten, Sprachfetzen ab. In unserem Beispiel könnten die Gedanken um das Bestreichen knuspriger Frühstücksbrötchen kreisen (orales Thema), um einen zärtlichen Kontakt zu der Frau (sexuelles Thema) oder um eine wütende, imaginäre Auseinandersetzung mit dem Schreiber des Zeitungsartikels (aggressives Thema). Diese Themen sind in der Regel ichnah und entsprechen einem persönlichen Bedürfnis; man nennt sie deshalb motivationale Themen. Sie bilden während des Verarbeitungsprozesses einen Kompromiß mit dem Inhalt des Kommuniques. Der Kompromiß kann für das Verständnis so störend werden, daß es zu einem Auseinanderklaffen von Nachricht und Verarbeitungsprozeß kommt. Hier sei erwähnt, daß eine Blickverlaufsanalyse keinen verläßlichen Einblick in den Verarbeitungsprozeß gestattet. Wir dürfen uns nicht verleiten lassen, Blickfeßler als verläßliche Stellen der Stereotyp- und Themenbearbeitung zu deuten: „Offenbar ist es nicht notwendigerweise so, daß die fixierten Details auch selektiert werden." (A. F. SANDERS 1971, S. 164). 9.1.2 Determinanten der Verarbeitung
Die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Kommunique knüpft an die Detektion und Selektion in der Zuwendungsphase an. Dort werden, vorwiegend
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Der Empfang
am Ausdruckhaften und in geringerem Maße am Inhaltlichen orientiert, Hypothesen gebildet, die nun im folgenden weiterverarbeitet werden. Sie gewinnen oder verlieren an Wahrscheinlichkeit, werden bestätigt oder verworfen, verfeinert oder vereinfacht und durch neue Hypothesen ergänzt oder ersetzt. Immer aber gibt das Ausdruckhafte, also die unthematische Information, die wertende Leitlinie der gedanklichen Verarbeitung an. Ein positiver Inhalt wird als ironisch gedeutet, wenn unthematisch Unfreundlichkeit signalisiert wird. Ein negativer Inhalt wird unernst, folgenlos erlebt, wenn begleitend der Gedankengang in eine heitere Atmosphäre getaucht ist ( J . A. SIDDIQI, H . - L . SCHWIND und H.-G. VOSS 1973). Bestimmte Szenen, Worte, Bilder gewinnen an Eigenleben, werden gemäß der unthematischen Information gedeutet und in den persönlich wichtigen Gedankenablauf eingegliedert, oft im Widerspruch zur Absicht des Senders. Der Gedankengang erhebt sich mehr oder weniger eigenwillig über die visuellräumliche und vor allem über die grammatikalisch-logische Ordnung der Botschaft ( J . E. DEESE 1966). Ob ihre Elemente in den Verarbeitungsprozeß einbezogen werden, ist nicht nur von dem vorangegangenen Gedankengang abhängig, sondern auch von der Geläufigkeit der Elemente selbst. Diesen Beeinflussungsfaktor beachteten wir bereits bei der formalen Analyse des Kommuniques. Dort lernten wir zur Abschätzung der Geläufigkeit sogenannte Häufigkeitslisten kennen. Tatsächlich ist die gedankliche Berücksichtigung eines Elementes um so wahrscheinlicher, je häufiger es in Kommuniques oder im sonstigen Erfahrungsraum der Zielpersonen erscheint. Dies geht soweit, daß Empfänger unwahrscheinliche Elemente in ihnen geläufigere umdeuten. Fehlende, aber erwartete Elemente (etwa die Produktabbildung in einer Wirtschaftsanzeige) werden hinzugedichtet. Dargestellte Bewertungen werden in ihr Gegenteil verkehrt, wenn sie so besser der eigenen Überzeugung entsprechen. Mit dem letzten Beispiel deutet sich ein dritter Beeinflussungsfaktor an: die Wünschbarkeit einer Nachricht oder eines Nachrichtenteils. Nichtwünschbare, unangenehme Elemente oder Inhaltsteile werden auf die unterschiedlichste Weise abwehrend verarbeitet: diese Elemente werden nicht bewußt bemerkt, sie werden gedanklich isoliert, sie werden ins Gegenteil verkehrt, sie werden auf andere Personen bezogen oder sie werden rasch wieder unterdrückt (auch wenn man kurz ihre Relevanz akzeptiert hatte). Dies alles gilt vor allem für Nachrichten, die das Selbstwertgefiihl vermindern, aber auch für Nachrichten, die unangenehme Ereignisse vorhersagen oder in die Erinnerung zurückrufen (I. ZÖHRER 1970).
Interessant für den Gestalter sind Einsichten, die sich auf die Rolle nicht zur Sache gehörender Elemente beziehen, also auf Elemente, die der Übermittlung der Nachricht nur indirekt dienen. Entweder reißen sie im Erleben die Herr-
9. Die Verarbeitung
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schaft an sich und werden zum Zentrum einer nicht beabsichtigten Nachricht (Vampir-Effekt), oder sie stören (sofern sie bemerkt werden) die gedankliche Verarbeitung. Sie verlängern die Auffassungszeit und unterliegen besonders stark der Verzerrung in Richtung des Wünschbaren. Auch wenn der Gestalter eine triftige Rechtfertigung für ein nicht zur Sache gehörendes Element zu haben glaubt, ist es besser, auf solche Elemente zu verzichten.
9.2 Indikatoren der Verarbeitung Was ist für praktische kommunikative Aufgaben an gedanklichen Verarbeitungsprozessen erfaßbar und eventuell meßbar? Es bieten sich folgende vier Komponenten an: — die subjektive Vorstellung vom Nachrichtengegenstand: sie ist mit einem Fragebogen entweder durch eine direkte Befragung oder mit mit Hilfe eines Polaritätsprofils erfaßbar; — das subjektiv vorherrschende Thema: es kann mit Hilfe eines Tachistoskops sichtbar gemacht werden; da das Untersuchungsergebnis stark von den Versuchspersonen (Vpn.) abhängt, ist eine repräsentative Auswahl aus dem Zielpersonenkreis anzustreben; — die Verständlichkeit der Botschaft: sie kann im voraus berechnet oder direkt im Experiment beobachtet werden; — die Akzeptanz der Nachricht: sie wird mit sogenannten Akzeptanz-Skalen gemessen. Während die beiden ersten Aspekte keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten, bergen die anderen sowohl methodische als auch theoretische Probleme. Deshalb wollen wir beide ausfuhrlicher diskutieren. 9.2.1 Verständlichkeit
Die Verständlichkeit eines Kommuniques wird im allgemeinen nicht am Empfänger gemessen, sondern direkt aus dem Kommunique berechnet ohne Zuhilfenahme von Vpn. Dazu sind viele Verständlichkeitsformeln erprobt worden. Hier folgt die (sehr vereinfachte) Wiedergabe einer solchen Formel: Verst. = 5 X S - W S ist der Prozentsatz der Wörter (evtl. auch der visuellen Zeichen), die häufiger als zu 0,1 % benutzt werden. W ist die durchschnittliche Wortzahl pro Satz. Zwei Möglichkeiten, die Verständlichkeit von Texten ohne Formel abzuschätzen, bestehen darin, entweder den Anteil der ein- und zweisilbigen Wörter oder den Anteil der sich wiederholenden Wörter zu bestimmen. Vor allem die erste Möglichkeit korreliert befriedigend mit einer empirisch ermittelten Verständlichkeit (r = 0.75 nach P. TEIGELER 1973).
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Der Empfang
Alle Formeln zur Berechnung der Verständlichkeit haben den Mangel, daß sie nur das Kommunique sehen und sich auf ein allgemeines Sprachreservoir beziehen, statt auf das der Zielpersonen. Die Formeln und Worthäufigkeitslisten stellen also nur einen Ausweg dar, wenn Zeit, Geld oder andere Umstände eine spezielle Sprachuntersuchung der Zielpersonen verhindern. Aber eine Untersuchung lohnt sich für den Sender, wenn er über Jahre mit einem recht konstanten Kreis von Zielpersonen rechnen kann. Eine weitere Anpassungsleistung, die ein guter Texter vollziehen sollte, bezieht sich auf die angezielte Sprachsituation: Erwartet die Zielperson eine Schriftsprache, eine Alltagssprache, eine Berufssprache? Oder erwartet etwa die Zielperson ein Sprachstereotyp vom Sender? Ist diese Anpassung vorgenommen, reicht es nicht, Worthäufigkeiten auszuzählen. Formulierungsgewohnheiten sind mindestens gleich wichtig. Wie komplex sind die Satzkonstruktionen der Zielpersonen? Wird allgemein- oder ichbezogen formuliert? Werden die Sätze ausformuliert? usw. Zumindest sollte man feststellen, ob die Sprache der Zielpersonen einem elaborated oder einem restricted code (B. BERNSTEIN) nahesteht. Lange komplexe Sätze, viele Konjunktionen, Nebensätze, Präpositionen und unpersönliche Bezüge sind typisch für den elaborated code. Der restricted code dagegen zeigt unfertige Sätze, geringen Wortschatz, personenbezogene Formulierungen. Am Können des Texters liegt es schließlich, einen Kompromiß zu finden zwischen der Sprache der Zielpersonen und der erwarteten Sprache vom Sender. Nur im Falle der Imagewerbung wird man die Sprache einer anderen Gruppe sprechen dürfen (mehr in B. BADURA 1973, H. HOLZER 1972). Das Problem der Verständlichkeit kann auch von einer ganz anderen Seite angefaßt werden, nämlich vom Erlebnis der Botschaft her. Wir können uns fragen, wie erlebt der Empfänger die Botschaft? Hier haben psychologische Untersuchungen erwiesen, daß Botschaften nicht einfach als verständlich oder unverständlich erlebt werden, sondern daß es mindestens vier erlebnismäßige Verständlichkeitsdimensionen gibt: (1) Einfachheit (gegen: Kompliziertheit) (die Sätze werden für einfach gehalten, die Wörter erlebt man als geläufig, der Inhalt scheint leicht verständlich) (2) Gliederung, Ordnung (gegen: Zusammenhangslosigkeit) (die Botschaft wird als folgerichtig, übersichtlich, stark gegliedert beurteilt) (3) Kürze, Prägnanz (gegen: Weitschweifigkeit) (in der Botschaft hat man sich auf das Wesentliche beschränkt, sie wirkt aber auch als zu kurz und abstrakt) (4) Zusätzliche Stimulanz (gegen: keine zusätzliche Stimulanz) (der Stil der Botschaft wird als anregend, interessant und flüssig erlebt) Diese als allgemeingültig erwiesenen Dimensionen steigern in ihrer positiven
9. Die Verarbeitung
151
Ausprägung während des Lesens das Gefühl der Zufriedenheit und des Erfolges. Dies ist unabhängig von der Intelligenz des Empfängers. Macht man sich die Mühe und überarbeitet einen Text für die Forderung jeder Dimension gesondert, so beobachtet man, daß bis zu 50 % mehr Leser den Text verstanden haben und vor allem ihn behalten (mehr bei I. LANGER u. a. 1974). Andere Versuche der Messung von Verständlichkeit bedienen sich der Lernsituation, die das Kommunique schafft. Wir werden hierauf später zurückkommen (Kapitel 10). 9.2.2 Akzeptanz
Während sich die Verständlichkeit vorwiegend als eine sprachlich-kommunikative Einschätzung darstellt, begegnen uns die Glaubhaftigkeit und die Akzeptanz eines Kommuniqués als von Normen, Wertsetzungen und Bedürfnissen abhängige Urteile des Empfängers. Der Auffassungsprozeß läuft zunehmend in eine Entscheidung hinein: in ein Abwerten und Verwerfen der Nachricht, oder in ihr neutrales Hinnehmen, oder aber in ihre Bejahung und Akzeptanz. Sowohl die Verwerfung als auch die Akzeptanz der Nachricht werden in Interaktionen, also in Gesprächen, öffentlichen Mitteüungen und Stellungnahmen abgesichert. Dabei entscheiden das Bild vom Sender, vor allem seine Glaubwürdigkeit (vgl. Abb. 9—2), aber auch die Mitmenschen des Empfängers, ihre Gewohnheiten, Normen, Wertvorstellungen und Lebensideale, weitgehend über die Akzeptierbarkeit der Nachricht. Während also die Verständlichkeit eventuell noch direkt am Kommunique ablesbar ist, besteht die Akzeptanz des Kommuniqués nur in den Köpfen der Empfänger.
.
Grad der Änderung der angesprochenen Einstellung Nachricht mit glaubwürdigem Sender Nachricht mit unglaubwürdigem Sender
Berührung mit der Nachricht
Zeit in Wochen
Abb. 9—2. Änderung einer Einstellung in Abhängigkeit von der Glaubwürdigkeit des Senders (nach C. I. HOVLAND und H. H. KELMAN)
Die Nachricht mit glaubwürdigem Sender führt also zu einer stärkeren Einstellungsänderung. Allerdings wird die Zuordnung zu dem Sender mit der Zeit vergessen und die Wirkungen gleichen sich schließlich an (sleeper effect). Wird die Erinnerung an den Sender durch zusätzliche Nachrichten aufrecht erhalten, so zeigen beide Wirkungskurven einen gleichmäßigen, von einander unabhängigen, jedoch einander parallelen Verlauf.
152
Der Empfang
Akzeptanz besagt noch nicht, daß die Empfänger ganz im Sinne des Senders reagieren werden. Vielmehr handelt es sich zunächst nur um ein Gefühl der Glaubhaftigkeit 1 und des persönlichen Fürwichtighaltens, in das der Auffassungsprozeß hineinläuft. Man könnte also Akzeptanz auch als die erlebte Ich-Nähe des Nachrichteninhalts beschreiben, plus der zugehörigen Bewertungsrichtung. Diese bewertungshaltige Ich-Nähe des Nachrichteninhalts ist eine besondere Seite vom Image des Kommuniques und kann folglich mit den Methoden der //wa^emessung erfaßt werden. Nach W. D. WELLS (1964 und 1971) sind es drei Dimensionen, die der Akzeptanz nahestehen und mit zehn Wortpaaren erfaßt werden können:
Attractiveness
(1) (2) (3) (4)
Beautiful Attractive Appealing Interesting
- Ugli — Unattractive — Unappealing — Uninteresting
Meaningsfulness
(5) (6) (7)
Meaningfull Convincing Honest
— Meaningless — Unconvincing — Dishonest
- Stale (8) Fresh — Lifeless (9) Lively (10) New, different — Common, ordinary (nach K. KOEPPLER: 1966) Vitality
Da die Akzeptanz ein soziales Phänomen ist, ist es sicher von Bedeutung, wann im Diffusionsprozeß, in welcher Adoptionsphase und auch wann im Auffassungsprozeß die Messung stattfindet; zum Beispiel werden spätere Adoptionsphasen eine höhere Bereitschaft bedingen, das Kommunique zu akzeptieren. Wir müssen also kontrollieren, in welcher Adoptionsphase sich unsere Auskunftsperson befindet. Unmittelbar nach der Betrachtung eines Kommuniques wird seine Beurteüung recht individuell und differenziert ausfallen. Nach einiger Zeit jedoch werden die Urteile einheitlicher werden. Es macht sich ein sozialer Konvergenzprozeß bemerkbar. Dabei wird sich vermutlich auch die faktorielle Struktur der Akzeptanz ändern, vor allem wird sie einfacher werden. Nun noch ein paar Worte zum WELLS sehen Differential: Die ersten Wortpaare messen den Anreiz des Kommuniques. Allein das erste Wortpaar sticht in ein vieldimensionales Urteilsfeld hinein (vgl. Kapitel 6.2: Ästhetische Informationen). Aber den Wortpaaren ist gemeinsam, daß sie den Appeal, den Aufforderungscharakter wiedergeben. Vor allem die Wortpaare (5) bis (7) entsprechen im engeren Sinne unserer AufDie Glaubhaftigkeit der Nachricht wird häufig gesondert untersucht.
9. Die Verarbeitung
153
fassung von Akzeptanz: sie zeigen, als wie persönlich bedeutsam die Nachricht akzeptiert werden wird. Hierbei spielt sicher auch die oben diskutierte Verständlichkeit eine gewisse Rolle. Geringe Verständlichkeit wird vermutlich das Urteil extrem ausfallen lassen. Die verbleibenden Wortpaare repräsentieren das Erlebnis der Frische, Lebendigkeit und Neuartigkeit. Sie stellen eher einen Beschäftigungsanreiz dar, zeigen aber zugleich, daß der Empfänger das Kommunique nicht als alte, abgestandene Sache beiseite schiebt. Bei nichtkommerziellen Kommuniques wird es häufig aufschlußreicher sein, die erlebte Ich-Nähe durch eine Beobachtung der gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Kommunique zu prüfen. Wir können uns fragen: Wie klassifiziert der Empfänger die Nachricht? Ein konkretes Beispiel für die Beantwortung einer solchen Frage ist H. CANTRILs Analyse „Die Invasion vom Mars" ( 1 9 6 5 ) . Er fand vier verschiedene Grade der Ich-Nähe bzw. der Distanz zum Nachrichteninhalt unter denjenigen, die das Hörfunkspiel zur Kenntnis nahmen: „1. Hörer, die die innere Beweisführung des Hörspiels prüften." „2. Hörer, die die Sendung durch andere Informationen überprüften und erfuhren, daß es sich um ein Hörspiel handelte." 3. Hörer, die mit einem starken Glauben an die Sendung herangingen und nur noch zusätzliche Informationen im Sinne dieses Glaubens suchten. „4. Hörer, die keinen Versuch machten, die Sendung oder die Ereignisse zu überprüfen." Verallgemeinern wir CANTRILs beobachtete Reaktionstypen, so erhalten wir eine Akzeptanzskala, die sich an der unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Kommunique orientiert (vgl. Abb. 9 - 3 ) . Prüfung erübrigt sich, die Nachricht wird voll akzeptiert
• -• j: J
>- im Sinne der Akzeptanz Inhaltliche Prüfung
^ durch Vergleich mit anderen Erfahrungsdaten
• - Prüfung auf logische Stimmigkeit des Kommuniques Kommunique wird nicht zur Kenntnis genommen (vorweggenommene Ablehnung)
Abb. 9 - 3 .
Akzeptanzskala
Hier sei erwähnt, daß die Stufen der Akzeptanz nur eine geringe Beziehung zur Annahme des Nachrichtengegenstandes haben. Anders ist das bei Entscheidungen. Je höher die Akzeptanz, desto wahrscheinlicher ist es, daß das Korn-
154
Der Empfang
muniqué bei gedanklicher Entscheidungsfindung berücksichtigt wird. Aber es besteht keine zwingende Abhängigkeit zwischen Akzeptanz und endgültiger Annahme. Dennoch wird bei Kaufprognosen von der Akzeptanz Gebrauch gemacht, z. B. im Involvement-Modell von H. E. KRUGMAN 1967) oder bei der Messung der persönlichen Produktreaktion (PPR) von C. LEA VITT u. a. (1970). Abschließend wollen wir noch auf folgende Meßmöglichkeit hinweisen: Man stelle das wichtigste Argument a des Kommuniqués dem wichtigsten Gegenargument g gegenüber. Mißt man bei verschiedenen Empfängergruppen die Prozentsätze der Zustimmung zu den Argumenten a und g, so erhält man mit Hilfe des Majoritätsmaßes (Tafel 3—5) einen Akzeptanzwert:
Bezieht man diesen Wert auf entscheidungswichtige Merkmale der Empfänger, z. B. auf ihr Einkommen, so erhält man einen Hinweis darauf, ob die akzeptierenden Empfänger (schraffierte Fläche) etwa deckungsgleich sind mit den Zielpersonen (Abb. 9—4). Ein Problem dieser Betrachtung liegt in der Wahl A4
Einkommen
Abb. 9 - 4 . Abhängigkeit tanzwertes A Merkmal der nen (hier das men)
des Akzepvon einem ZielpersoEinkom-
des Gegenargumentes. Nicht selten handelt es sich nur um konkurrierende Argumente, die zugleich akzeptierbar sind. In solchen Fällen muß damit gerechnet werden, daß ein dritter Faktor darüber entscheidet, ob im Sinne des Kommuniqués und seiner Argumentation reagiert wird oder nicht. Diese Möglichkeit sollte immer zusätzlich geprüft werden (siehe weiter Kap. 11, S. 175).
9.3 Übung 9.3.1 Zusammenfassung
Der Empfänger einer Nachricht beurteilt ihren Inhalt vorwiegend nach |T| Informationen, man könnte auch sagen: nach dem Ausdruck der Botschaft. Ein zweiter die Auffassung beeinflussender Faktor ergibt sich mit der [2] der Elemente. Selbstverständliche wie unverständliche Elemente bleiben außerhalb des Auffassungsprozesses. Von der Motivation des Empfängers her betrachtet determiniert die [3] der Elemente ihre Verarbeitung. Eine besondere Rolle spielen dabei sachfremde [4] , denn sie können leicht einen [Jj Effekt haben. Der Auffassungsprozeß ist eine diskontinuierliche Folge von [6]. Sie sind je-
9. Die Verarbeitung
155
weils beschränkt auf bestimmte physiologische oder inhaltliche [7]. Die Untersuchung der Auffassung als Prozeß ist kaum möglich. Wir müssen uns auf die Analyse weniger Aspekte beschränken: z. B. [§]. Davon kann mit Hilfe eines semantischen Differentials geprüft werden: [9] und [To] . 9.3.2 Aufgaben
(1) Schlagen Sie in einer Ihnen unbekannten Illustrierten eine ganzseitige Anzeige auf. Auch wenn sie Ihnen nicht zusagen sollte, betrachten Sie sie etwa 1/2 bis 1 min. Notieren Sie anschließend Ihre Eindrücke, Einfälle und Gedanken. Sie werden überrascht sein, wie viel es ist. Wiederholen Sie es an einem Fernsehspot. Schalten Sie das Gerät ab, wenn der Spot vorüber ist. Lassen Sie die Gedanken noch etwa 10 sec. weiterlaufen. Dann erst wieder notieren. Vergleichen Sie die Aufzeichnungen. Wie groß ist der Anteil Ihrer persönlichen Gedanken? Wie wirken sich die unterschiedlichen Medien aus? (2) Vergleichen Sie die Texte der dritten Aufgabe, Kap. 8, S. 145 hinsichtlich ihrer Verständlichkeit und bedienen Sie sich der Formel auf Seite 149. 9.3.3 Literatur
K. Koeppler: Die klassischen Verfahren der Anzeigenprüfung. Bonn 1966 K. Koeppler: Werbewirkungen definiert und gemessen. Bonn 1974 I. Langer, F. Schulz von Thun, J. Meffert und R. Tausch: Merkmale der Verständlichkeit schriftlicher Informations- und Lehrtexte. In: Ztschft. f. exp. u. angew. Psych. Bd. 20, H. 2, S. 269-286, 1973 I. Langer, F. Schulz von Thun und R. Tausch: Verständlichkeit in Schule, Verwaltung, Politik und Wissenschaft. München 1974 (Selbsttrainingsprogramm) P. Teigeier: Verständlichkeit und Wirksamkeit von Sprache und Text. Stuttgart 1968
Hl unthematischen. - 0 Geläufigkeit. - [T| Wünschbarkeit. - [4] Elemente. - [3] verzerrenden oder ablenkenden. - ¡6] Aktualgenesen. - [7] Dimensionen oder Reize. - ¡8] subjektive Vorstellung vom Nachrichtengegenstand, subjektiv vorherrschendes Thema, Verständlichkeit und Akzeptanz. - [9] Verständlichkeit. - [lO] Akzeptanz.
Die Wirkung Von einem Werbekommunique wird erwartet, daß es in einem angezielten Personenkreis den Informationsstand, Einstellungen, Wünsche, Entscheidungen oder sogar das Verhalten ändert. Immer ist damit die Hoffnung verbunden, daß es gelingen möge, über eine Augenblicksreaktion hinaus eine länger anhaltende Änderung zu bewirken. Psychologen nennen das Zustandekommen derartiger längerfristig anhaltender Änderungen im Erleben und Verhalten Lernen. Mit der psychologischen Vorstellung vom Lernen beschreiben wir die im Individuum ablaufenden Prozesse, die während einer Adoption zur endgültigen Annahme z. B. einer Meinung oder einer Wahlabsicht hinfuhren. Hier interessieren wir uns besonders für das durch massenkommunikative Maßnahmen beeinflußte oder sogar ausgelöste Lernen. Wir werden uns im einzelnen mit folgendem beschäftigen: mit dem provozierten Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen, mit der gezielten Änderung von Meinungen und Bewertungen, mit der Ansprache und Stimulation von Bedürfnissen sowie mit dem Versuch, das Verhalten von Menschen zu korrigieren. Wir werden auch das schwierige Problem der Wirkungsmessung kennenlernen. Dabei müssen wir auseinanderhalten: die Lernwirkung bei der einzelnen Person und dem an einem Durchschnitt solcher Lernwirkungen anknüpfenden Phänomen der Beschleunigung einer Gegenstandsdiffusion durch eine Nachrichtendiffusion.
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen 10.1 Lernen 10.1.1 Begriff des Lernens
„Das Wort Lernen bezeichnet diejenige intervenierende Variable, die längerfristige Neuanpassungen an äußere Umstände, an soziale Systeme und an innere Zustände erklärt" (HASELOFF und JORSWIECK 1971). Der Begriff des Lernens verweist also erstens auf einen Prozeß, einen Vorgang,
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen
157
der zwischen einer lernauslösenden Situation und der Lernwirkung liegt. Wenn wir uns für die Wirkung eines Kommuniques interessieren, so ist immer dieser vom Suchverhalten und vom Kommunique zugleich ausgehende Vorgang und sein Resultat gemeint. Zweitens sagt uns die Definition, daß es sehr viele unterschiedliche Lernwirkungen geben muß. Lernen kann zu den verschiedensten längerfristigen Neuanpassungen fuhren. Es kann z. B. der Wortschatz sein, der sich ändert, das Wissen um bestimmte Zusammenhänge, die Art wie man etwas beurteilt usw. Psychologen haben sich intensiv mit der Klärung von Lernvorgängen beschäftigt. Dabei wurde sichtbar, daß Lernen recht unterschiedlich ablaufen kann: Sie sprechen von operanter Konditionierung, wenn eine zu lernende Handlung versuchsweise produziert und verstärkt wird (Radfahren lernen), und von klassischer Konditionierung, wenn (in größerer Handlungsferne) Symbole, Bezeichnungen, Bilder, Gefühle zu Signalen erwartbarer Ereignisse werden. Nur die zweite Art von Lernen finden wir in der Massenkommunikation. Dort werden Erwartungen geschaffen. Diese werden gefühlsmäßig, gedanklich und vorstellungsmäßig mit Gegenständen verbunden, und zwar einfach durch ihr räumliches und zeitliches Beieinander. Es ist aber von Bedeutung für die Auswirkung des Gelernten, ob sich der Lernvorgang vorwiegend an eigenen Verhaltenserfolgen orientierte, ob in ihm nur das sichtbare Handeln anderer verfolgt wurde oder ob lediglich sprachlich-visuelle Kommuniques entschlüsselt wurden. In der genannten Reihenfolge vergrößert sich die Übersetzung ins Handeln, und es wird entsprechend unwahrscheinlicher, daß sich das Gelernte im Handeln auswirkt. Es ist weiter für die Lernwirkung sehr wichtig, ob sie die Folge eines ausdrücklich beachteten oder eines nur beiläufigen Lernvorganges ist. Im zweiten Fall ist die Wirkung mehr punktuell und die Reproduktionsfolge umgekehrt; mit anderen Worten, es wird bei unabsichtlichem Lernen das zum Schluß Gehörte, Gelesene am besten behalten, und es erfolgt keine umfassende gedankliche Verarbeitung des Gelernten. Ein letzter wichtiger Umstand, der bereits hier genannt werden muß, ist der Einfluß des Lemanreizes. Manche Werbekommuniques fordern nur durch ihre Auffälligkeit zum Lernen heraus, andere dagegen knüpfen an die Motivation des Empfängers an. Es ist aber sicher: je stärker die eigene Motivation zum Lernen ist, desto eher kommen auch längerfristige Anpassungen zustande. Sehen wir also zu, daß wir unser Kommunikationsziel möglichst so formulieren, daß die Nachricht an die Motivation der Zielpersonen anknüpfbar ist. 10.1.2 Abfolge der Lernwirkungen
Die beeinflussende Massenkommunikation greift in einen Diffusionsprozeß ein. Dabei ist die beim einzelnen Adopter ausgelöste Lernwirkung qualitativ ver-
Die Wirkung
9
Ende
Abb. 1 0 - 1 . Werbekommunikation
verändert den
Adoptionsstatus
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen
159
schieden, je nach dem Adoptionsstadium, in dem er sich befindet. Die Adoptionsstadien bilden eine zeitliche Folge wechselnder kommunikativer Einflußmöglichkeiten. Wir wollen versuchen, uns diese Abfolge von Beeinflussungsstationen zu veranschaulichen (vgl. Abb. 10—1). Denken wir an den leicht überschaubaren Fall der Beeinflussung des Konsumverhaltens eines Verbrauchers. Sinngemäß könnte der Beeinflussungsablauf genauso gut auf die Wahl einer Partei, die Zahlung einer karitativen Spende oder die Beachtung einer Impfaufforderung bezogen sein (nicht dagegen auf ein Signalkommuniqué). Denken wir weiter daran, daß das Durchlaufen der einzelnen Adoptionsstadien ständig begleitet ist von anderen Einflüssen vor allem sozialer Art. Unter ihnen kommt der interpersonellen Kommunikation die größte Bedeutung zu; doch wollen wir uns auf den massenkommunikativen Einfluß beschränken. Wir beginnen mit der Eingabe der Datenfelder, deren Aufeinanderwirken wir betrachten wollen: Erstens geben wir Daten ein, die den (zukünftigen) Verbraucher charakterisieren: seine vielen individuellen und sozialen Besonderheiten, wie z. B. seine Meinungen und Einstellungen, seine Gewohnheiten, seinen Bedarf und das von ihm erlebte Bedürfnis, sein Adoptionsniveau, seine Bezugspersonen usw. Zweitens geben wir die Charakteristiken des Kommuniques ein, also seine Inhalts- und Gestaltungseigenarten, die mit dem Medium verbundenen Besonderheiten und die von anderen Kommuniqués ausgehenden Störungen (Rauschen). Diese Daten werden darüber entscheiden, ob und an welcher Stelle des diskutierten Ablaufs das Kommuniqué besonders lernwirksam ist. Nun wollen wir den Ablauf der Wirkungen verfolgen, die sich ergeben, wenn das Kommuniqué von einer Person (möglichst einer Zielperson) empfangen wird. Noch bevor dieser Empfang stattfindet, muß sich bei der angesprochenen Person eine Empfangsbereitschaft gebildet haben, ein Suchverhalten (1) (Detektion; Kapitel 7). Die Motive unserer Person, die Erwartungen ihrer Bezugsgruppe und andere Faktoren ihres Adoptionszustandes verursachen dieses Such- oder auch Vermeidungsverhalten, das letzten Endes darüber entscheidet, ob die Person ein für das weitere Programm interessanter Fall wird. Es kommt alles darauf an, daß der Sender diejenigen Medien auswählt, die tatsächlich zur gewohnten Informationsquelle des Suchenden gehören. Bei der Wahl der Medien darf er nicht erwarten, daß seine Zielperson genau diese Botschaft sucht. Vielmehr bedeutet die Existenz eines Suchverhaltens zunächst nicht mehr, als daß eine Bedürfnisbefriedigung gesucht wird, die der Sache oder dem Image nach im Umfeld der geplanten Nachricht liegt. Meist ist dabei der potentielle Empfänger nur für bestimmte Medien (dies können auch Personen seiner Gruppe sein!) zugänglich (Kontaktwahrscheinlichkeit). Die Empfangswahrscheinlichkeit ist gleich dem Produkt aus der Suchwahrscheinlichkeit (als Funktion der Faktoren des Suchverhaltens) und der Kontakt-
160
Die Wirkung
Wahrscheinlichkeit. Etwas weniger genau können wir auch sagen: Erreicht das Kommunique die Person (oder einen Zwischeninformanten) über zutreffend gewählte Medien und entspricht das Kommunique dem Suchbild des Angesprochenen, so haben wir einen Empfänger vor uns. Das Kommunique hebt sich auf Grund der Suchmotivation und einer ihr angemessenen Gestaltung für den Empfänger ausreichend deutlich aus dem vielfältigen Nachrichtenangebot heraus. Mit dieser Situation sind nun auch diejenigen Voraussetzungen erfüllt, die notwendig sind, damit der Empfänger einige Aspekte der Nachricht lernen kann (2). Er wird zum Erinnerer des Kommuniques und hoffentlich auch unserer Nachricht werden, wenn das Kommunique nicht von der zu vermittelnden Nachricht ablenkt (Vampir-Effekt), sondern sie eindeutig in den Vordergrund rückt. Um sich zu vergegenwärtigen, wieviele Menschen als Erinnerer eines Kommuniques in Frage kommen, sei hier mit Hilfe statistischer Erfahrungswerte ein Beispiel gegeben. Gehen wir von 5 Millionen Zielpersonen aus, von denen 10 % durch das Medium erreicht werden, so erhalten wir die Zahl 500.000. Beim Einsatz einer ganzseitigen, mehrfarbigen Anzeige können wir mit 5 % = 25.000 Erinnerern rechnen. Selbst wenn der Erinnerer nicht nur die Botschaft, sondern auch die Nachricht auf Befragen wiederzugeben vermag, ist es von seinem Adoptionsstatus und von vielen zusätzlichen Bedingungen abhängig, ob er diesen Status auf Grund der Nachricht ändern wird. Sein Bedarf, seine finanzielle Lage, die Reaktion seiner Gruppe u. v. a. bilden also Lernbedingungen, die nun darüber entscheiden, ob er sich genauer informieren wird, ob er kaufen wird oder ob er sich endgültig an das Produkt gewöhnen wird. Wichtig ist fast in jedem Falle, daß das Kommunique seine Einstellung zum Werbegegenstand zum Positiven wandelt (3). Wenn die Einstellungsänderung nicht nur einer Selbstrechtfertigung dient, können wir annehmen, daß sich der Adoptionsstatus unserer Zielperson ändert (4). Dies ist genau der individuelle Punkt, der in einer statistischen Betrachtung der Diffusionsbeschleunigung durch Werbekommunikation entspricht. Diese Betrachtung hat deutlich gemacht, daß die Diskussion von Lernen im Zusammenhang mit Werbekommunikation immer nur einen Sinn hat bezogen auf einen jeweiligen Adoptionsstatus. Das Werbekommunique vermag nur einen sehr kleinen Ausschnitt des Adoptionsprozesses beim Einzelnen zu beeinflussen. Seine Chancen liegen vor allem in dem Lernenlassen bestimmter Informationen und in der beruhigenden Aufwertung der Adoptionsentscheidung. 10.1.3 Kommunikative Lehrprogramme
Bevor wir uns den einzelnen Lernwirkungen genauer zuwenden, sei noch nachdrücklich auf einen Gedanken aufmerksam gemacht, der indirekt in dem soeben Dargestellten enthalten ist: Kommunikative Wirkungen erzeugen bedeutet,
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen
161
behutsam Schritt für Schritt vorzugehen. Wir müssen unser Kommunikationsziel in eine wohlüberlegte Folge von Unterzielen auflösen und diese nacheinander mit Kommunikationsmaßnahmen zu erreichen suchen. In einfacheren Fällen werden wir einen Zielpersonenkreis über alle Adoptionsphasen hinweg begleiten können. Aber meist wird sich der Diffusionsgegenstand von Maßnahme zu Maßnahme ändern, wie nachfolgendes fiktives Beispiel zeigt: Stellen wir uns vor, es ginge darum, den Anteil der „nicht regelmäßigen Buchleser" unter den Abiturienten zu vermindern. Die „nicht regelmäßigen Buchleser" unter den Abiturienten bilden also unseren Zielpersonenkreis, das „regelmäßige Buchlesen" ist der Diffusionsgegenstand, seine Ausbreitung zu beschleunigen ist unsere Aufgabe. Sicherlich ist das, was während der ganzen Schulzeit nicht erreicht wurde, auch jetzt nicht mit einer einzigen Nachricht zu bewirken. Es bedarf schon vieler geschickt gestaffelter Nachrichten und vor allem auch nichtkommunikativer Maßnahmen, um Erfolg zu haben. Hier interessiert uns nur das massenkommunikative Vorgehen. Wir teilen das uns aufgegebene Ziel in drei kommunikative Teilziele auf (in der Praxis müßte man sicher mit einer feineren Aufteilung arbeiten). Wir beginnen mit einer Wissensvermittlung, gehen über zur Einstellungsänderung und wagen uns abschließend an die Beeinflussung der interpersonellen Kommunikation. Wir haben folglich auch drei verschiedene kommunikative Diffusionsgegenstände. Die erste Gruppe der drei geplanten Lehrschritte bzw. Kommunikationsmaßnahmen wird den Zielpersonen zunächst nahebringen, was sie mit der geringsten Anstrengung lernen können. Das kann in unserem Beispiel nicht das Lesen sein, sondern wir werden ihnen sagen, was sie unter möglichst geringem Aufwand mit Büchern anfangen können. Hätte eine Marktforschungsuntersuchung gezeigt, daß diese Personen Geld, Besitz, Ansehen sehr wichtig nehmen, so könnten wir ihnen z. B. die Erkenntnis vermitteln, daß sie den Charakter ihrer Mitmenschen am Besitz von Büchern ablesen können. Diese Nachricht fügt Bücher in den von ihnen geschätzten Kreis von Besitzgegenständen ein. Wir hoffen, daß diese Nachricht zugleich eine positive Einschätzung des Bücherbesitzes bewirkt. Breitet sich die Erkenntnis aus und erfolgt die erstrebte Einstellungsänderung, kann die zweite kommunikative Maßnahme eingesetzt werden. Mit der zweiten Gruppe von Maßnahmen gilt es, die gewonnene Erkenntnis und Einstellung zu stabilisieren und zu differenzieren; z. B. sind die Zielpersonen davon zu überzeugen, daß das Lesen von Büchern einen verläßlichen Bewertungsmaßstab abgibt. Diese Überzeugung wird sich vermitteln lassen, wenn der Besitz von ungelesenen Büchern mit Schuldgefühlen besetzt ist. Sobald die Zielpersonen beginnen, einander unter dem Aspekt zu bewerten, ob und welche Bücher man liest, wird sicher auch die Lesehäufigkeit zunehmen. Das ist der Zeitpunkt, die dritte Kommunikationsmaßnahme einzuleiten.
162
Die Wirkung
Mit der dritten Gruppe von Maßnahmen gilt es, die interpersonelle Kommunikation zu stärken, z. B. die Zielpersonen zu veranlassen, untereinander das Gespräch über ihren Lesestoff zu suchen. Die Kommuniques müßten nun Informationen darüber bringen, wie man über Bücher diskutiert, und dabei anschaulich und glaubhaft den sozialen Erfolg vorwegnehmen. Vielleicht gelingt es uns so, das Miteinandersprechen über Literatur zu einem erstrebenswerten Befriedigungsmittel zu machen. Die Gliederung des hier skizzierten kommunikativen Lehrprogramms ist sicher nicht perfekt, schon deshalb nicht, weil das Programm in kein umfassendes Marketingkonzept eingebettet ist und weil die Probleme der gestalterischen Umsetzung ausgeklammert sind. Doch ging es hier im wesentlichen darum, die Notwendigkeit der Aufgliederung des kommunikativen Auftrages, also der Basisnachricht in eine Folge von kommunikativen Maßnahmen (Lehrschritten) zu demonstrieren. Eine solche Folge von Kommunikationsmaßnahmen bildet in lerntheoretischer Hinsicht ein Lehrprogramm (Tafel 10-1). Im folgenden werTafel 10—1. Kommunikative
Lehrprogramme
In jedem schulischen Lehiprogramm wird der Lehrstoff in viele kleine Lehrschiitte aufgeteilt. Das gilt gleichfalls für das kommunikative Programm. Aber es muß auf jeder Lernstufe mehrere Lehrschritte anbieten; denn stärker als in der Schule muß damit gerechnet werden, daß vorangegangene Teile nicht empfangen oder doch zumindest nicht gelernt wurden. Start
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Ende
Abb. 10-2. Skinner-Programm Das SKINNER-Programm wird derjenige wählen, der seine Nachricht fein genug unterteilen kann und damit zu rechnen vermag, daß jedes Kommunique empfangen wird.
Abb. 10-3. Crowder-Programm Das CROWDER-Programm sieht echte Zusatzprogramme (ZP) vor, die je nach Verständnis zusätzlich eingeschaltet werden. In der Massenkommunikation müssen wir die ZPs in den jeweils folgenden Kommuniques mit unterbringen. Sie vorwegzunehmen ist gefährlich, da dies die Orientierungs- und Lernmotivation vermindert.
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen
163
den wir voraussetzen, daß das einzelne Kommunique Teil eines solchen Programms ist.
10.2 Informationsspeicherung Die einfachste Wirkung, die ein Werbekommunique zu entfalten vermag, ist das Abspeichern seiner Information. Aber wie merkt sich der Empfänger das wahrgenommene Kommunique? Jeder von uns hat viele Male eine Fünfzigpfennig-Briefmarke gesehen. Sollen wir sie aber genau beschreiben, versagen die meisten von uns, obwohl wir alle sie wiedererkennen würden. Die ankommende Information wird also nicht einfach behalten oder vergessen. Wir haben es mit einem komplizierteren biochemischen Prozeß zu tun, den wir zunächst ein wenig kennenlernen wollen. Jede ankommende Information verharrt in drei unterschiedlich langen Speicherstufen: (1) Ultrakurzzeit-Gedächtnis (UKG): Der ankommende Wahmehmungsimpuls kreist in Form von elektrischen Schwingungskreisen im Gehirn. Wenn keine ähnlichen Informationen zusätzlich registriert werden, vorhanden sind oder von der Motivation gefordert werden, klingt diese elektrisch kreisende Information rasch ab. Im äußersten Falle hält sie sich 10 bis 20 sec. Im Laboratorium kann ihr kognitiver Einfluß als Aktualgenese analysiert werden. Wenn Verhaltensmuster wirksam sind, greift die Information aus dem UKG in die gerade laufende Handlung ein. In der Regel wird sie, ohne daß sie eingespeichert wurde, abklingen, und unser Gehirn ist von ihr befreit. (2) Kurzzeit-Gedächtnis (KG): Jeder Inhalt des UKG kann (aber nur, wenn er lange genug verbleibt, durch keine weitere Information gestört wird und passende Assoziationsmuster vorhanden sind) stofflich verankert werden. Das UKG regt Gehirnzellen an, je nach ihrem Erregungszustand Ribonukleinsäuren (RNS) zu bilden, die eine Art stoffliche Vervielfachung des Erregungszustandes darstellen (vgl. Tafel 10—2). Die Bildung und Existenz dieser vielfachen „Abzüge" macht das Kurzzeit-Gedächtnis (KG) aus. Die Produktion der RNS ist etwa nach 20 min. abgeschlossen, dann beginnen die „Abzüge" wieder zu zerfallen. In dieser Zeit muß also die Einlagerung in das Langzeit-Gedächtnis begonnen haben. Dies kann nur noch durch grobe, schockartige oder chemische Eingriffe verhindert werden. (3) Langzeit-Gedächtnis (LG): Mit Hilfe von Ribosomen werden schließlich Aminosäuremoleküle zu langen Proteinmolekülen verknüpft, und zwar genau nach dem Vorbild des KG. Die Proteinmoleküle werden in Zellen eingelagert. Dabei wird die neue Information mit bereits vorhandenen In-
164
Die Wirkung
Tafel 10-2. Ablauf des biochemischen Prozesses der Informationsspeicherung Gehirn
JF
im
Im Kern einer jeden Nervenzelle betinden sich die Gene. Sie sind Pakete doppelspiraliger Desoxyribonukleinsäure (DNS) (1) (etwa 20 millionenfach vergrößert).
Die durch die Wahrnehmung ausgelösten Erregungsimpulse veranlassen ein Auseinanderfalten der Spiralen (UKG). Dies geschieht an Stellen, die der Erregungsart entsprechen. Diese Stellen dienen nun als Vorlage für RNS-Vervielfältigungen (Ribonucleinsäuren). Die „Abzüge" verlassen den Zellkern (2) und wandern zu den Ribosomen (KG).
Bestimmte Stoffe transportieren Aminosäuremoleküle heran. Diese ordnen sich dem Code entsprechend auf den „Abzügen" an (3).
-J Die so geordneten Moleküle werden von den Ribosomen zu einem festen und langen Proteinmolekül verknüpft. Dabei löst sich das neu entstandene Molekül von dem „Abzug". Es hat dadurch seinen Halt verloren und fällt zu einem Knäuel in sich zusammen (4).
4 Die Proteinmoleküle werden schließlich als Träger der Information eingelagert (5) (LG), (nach: F. VESTER: Denken, Lernen, Vergessen. S. 77 f, Stuttgart 1975)
t
s
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen
165
halten assoziiert. Je mehr Assoziationen vorhanden sind und auch genutzt werden, desto leichter werden wir uns später an die Information erinnern können. Durch die Art der gebildeten Assoziationen müssen wir auch zwei Arten von Informationen auseinander halten: Wir lernen einerseits Informationen über unser Verhalten und verknüpfen diese auch mit anderen Verhaltensdaten. Andererseits lernen wir Informationen, die unsere Umgebung widerspiegeln und verknüpfen diese mit anderen Umweltdaten. Erstere Informationen werden im Rahmen einer operanten, letztere im Rahmen einer klassischen Konditionierung gelernt (vgl. Kapitel 10.1). Nur mit der zweiten Art haben wir es im Bereich der Massenkommunikation zu tun. Von den Bezeichnungen und Sachinformationen aus der Umgebung speichern wir vor allem einen Sinneseindruck, also ein Bild, eine Melodie, ein Geräusch o. ä. Gleichzeitig registrieren wir situationelle Umstände, eine zeitliche Regelmäßigkeit und die Wahrscheinlichkeit, mit der wir die Information erwarten können; also das Umfeld der Information. Beides wird beim Speichern mit Vorhergelerntem assoziiert, einem Superzeichen untergeordnet. Allerdings müssen wir immer damit rechnen, daß der Inhalt unseres Kommuniques falsch superiert wird, in dem er z. B. — einem konkurrierenden Gegenstand zugeordnet wird, — als fotografisch oder ästhetisch interessantes Objekt bewertet wird, — als bloße Reklame isoliert wird, — als Zielbild einer sachfremden Motivation erlebt wird. Diesem Lernhindernis können wir in der Massenkommunikation nur durch Hilfssuperzeichen begegnen. In unserem Beispiel oben werden Bücher zunächst registriert als wertvoller Besitz, dann als Bewertungsmaßstab und schließlich als Lese- und Gesprächsstoff. Die Leichtigkeit, mit der vom UKG zum KG übergegangen wird, und auch die Stabilität der Speicherung im LG sind Funktionen der Suchmotivation. Diese Abhängigkeit des Lernens von der Motivation versetzt uns in die Lage, an der Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Nachricht abzulesen, wie stark das Suchen und das Lernen der Nachricht motiviert waren. Hohe Aufnahme- und Ausbreitungsgeschwindigkeiten machen über die intervenierende Variable der Lernmotivation ein stabiles und leicht abrufbares Speichern wahrscheinlich (vgl. Tabelle 10-1). Die Leichtigkeit und Intensität der Informationsspeicherung sind schließlich auch von der Gestaltung des Kommuniques abhängig. Die Elemente (vor allem der Werbegegenstand und sein Name) müssen übersichtlich, einfach, prägnant und leicht verständlich gestaltet sein. Symmetrische Formen, Kontrastreichtum und Ungewöhnlichkeit der Formen wirken unterstützend auf die Möglichkeit, die Elemente oder das ganze Kommunique oder auch die von ihnen ausge-
166
Die Wirkung
Tab. 1 0 - 1 . Ausbreitungsgeschwindigkeit als Indikator für Lernmotivation (nach R. J. HILL und CH. M. BONJEAN: News Diffusion: A Test of the Regularity Hypothesis. In: Journalism Quarterly XLI, S. 336-342, 1964 (zitiert nach P. MÜLLER 1970))
Ermordung Kennedys Tod Roosevelts Start Explorer I Schlaganfall Eisenhowers Alaska Bundesstaat der USA
Prozentsatz der 15 30 83,7 66,5 82,7 61,9 40,0 20,0 5,0 -
erreichten Personen nach: 45 75 90 min 60 88,5 92,8 93,3 94,7 % 93,5 90,6 95,7 98,7 % 45,0 % 43,0 31,0 % 26,0 6,0 7,0 % -
Die höhere Anfangsquote bei der Ermordung Kennedys im Vergleich zum Tod Roosevelts hängt mit den modernen Massenmedien zusammen, die zu der Anfangsaufstauchung beitragen. Der niedere Stand nach 1,5 Stunden kann ein Erhebungseffekt sein.
drückte Nachricht zu lernen. Wir sagen von einem solchen Kommunique, es hätte eine feste Gestalt, und drücken damit die wichtige Erkenntnis aus, daß bereits am Wahrnehmungsprozeß ablesbar ist, o b eine stabile Speicherung zustande k o m m e n wird. Die beiden Abbildungen 10—4 und 10—5 demonstrieren, wie im Laboratorium diese Gestaltfestigkeit gemessen wird. Man erhöht für die Versuchspersonen (Vpn.) die Schwierigkeit, ein anschauliches Vorstellungsbild des Kommuniques Abb. 1 0 - 4 . Torsionsstereoskop Die Abbildung zeigt ein Stereoskop, bei dem mit zwei Dias ein räumliches Bild vom Kommunique erzeugt wird. Das eine Dia ist mit Hilfe einer Mikrometerschraube um seinen Mittelpunkt verdrehbar. Der erreichte Winkel bis zum Zerfall des räumlichen Bildes gilt als Maß der Gestaltfestigkeit. (B. SPIEGEL 1968)
Abb. 1 0 - 5 . Nachbild-Verfahren Das Kommunique wird vor einer grauen Wand befestigt. Sein Mittelpunkt ist rot markiert. Er muß von der Vp. 3 bis 4 min. fixiert werden. Sodann wird eine zweite graue Wand vor dem Objekt herabgelassen. Auf ihr befindet sich lediglich der rote Punkt. Er bleibt weiter fixiert. Die Vp. muß das Nachbild und seine Änderungen beschreiben. Aus ihnen kann man auf leichter auffaßbare und lernbare Gestaltungsmöglichkeiten schließen. (B. SPIEGEL 1968)
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen
167
zu behalten und der VL erkennt so die gestaltschwachen Stellen. Ein besonderes Problem dieser Untersuchungen ist die gleichzeitige Wirksamkeit der Motivation der Vpn. Ein entsprechender Appetit auf ein abgebildetes Nahrungsmittel wird auch bei ungünstigster grafischer Darstellung eine hohe Gestaltfestigkeit vortäuschen. Nun haben wir aber gelernt, daß das Suchen, Empfangen und Beschäftigen mit dem Kommunique ohnehin von der Motivation des Kommunikanten abhängig sind. Deshalb müssen wir aus der Störquelle „Motivation" Erkenntnisse zu ziehen versuchen. Dies gelingt, wenn wir eine für die Motivation der Zielpersonen repräsentative Stichprobe ziehen. Allerdings ist damit der zunächst einfach aussehende Untersuchungsvorgang für die meisten praktischen Anlässe zu aufwendig geworden. Diese Situation hat dazu beigetragen, daß man den Speichererfolg nicht aus einer Kontrolle der Botschaft oder ihrer Wahrnehmung voraussagt, sondern aus einem direkten Abruf der Erinnerung. Bevor wir uns im folgenden Kapitel der Erinnerungsmessung zuwenden, noch zwei Gestaltungshinweise: Soll das Kommuniqu6 Lernen von Bezeichnungen, Visualisierungen und einfachen Sachinformationen unterstützen, so sollte der Gestalter auch die Anbietfolge und Betonung der Elemente überdenken. Grundsätzlich gilt: — die Anzahl und Anbietfolge der Elemente müssen dem möglichen Lernablauf und seiner Geschwindigkeit angepaßt sein; — die zu lernenden Elemente müssen sich in verschiedenen Versionen wiederholen, auch wenn der Gestalter dies zunächst primitiv, kitschig oder ermüdend findet.
10.3 Erinnerungsmessung 10.3.1 Erinnerungswert
In den meisten kommunikativen Kampagnen kommt es darauf an, daß ein Teil der Nachricht von den Zielpersonen gelernt und erinnert wird. Bei der in der Marktforschung üblichen Erinnerungsmessung ersetzt man nun die Erinnerung an die Nachricht durch die leichter abzufragende Erinnerung an die Botschaft. Für diese (und nicht für die Nachricht!) ermittelt man den Erinnerungswert. Er ist eine Prozentzahl, die angibt, welcher Anteil der Leser einer Zeitschrift (oder eines anderen Mediums) sich spontan und zutreffend an das Kommunique erinnert. Der Erinnerungswert wird mit Hilfe einer Fragebogenmethode ermittelt (sogenannter Impact-Test) ( A . HELLMANN 1968): Etwa 450 Versuchspersonen (Vpn.) erhalten je ein Exemplar einer Zeitschrift, das die zu testende Anzeige enthält. Die Stichprobe sollte möglichst repräsentativ die Struktur der Leser-
Die Wirkung
168 1
Schaft oder des Zielpersonenkreises wiedergeben. Nach einer Woche werden die Vpn. befragt. Zunächst wird geprüft, ob sie tatsächlich die Zeitschrift gelesen haben. Sodann wird den tatsachlichen Lesern (etwa 400) eine allgemeine Frage nach der Anzeigenwerbung gestellt. Und zwar wird erwartet, daß sie mindestens ein Merkmal der Anzeige und vor allem den Namen des Werbegegenstandes nennen können. Der Prozentsatz derer, die sich nun spontan an die interessierende Anzeige erinnern, gilt als Erinnerungswert dieser Anzeige. Meist wird die Ermittlung des Erinnerungswertes durch zusätzliche Fragen zur Anzeige ergänzt. Man fordert die Vp. zu weiteren Detailerinnerungen heraus und läßt außerdem die Anzeige bewerten. Erst wenn sicher ist, daß die Vp. die Anzeige nicht spontan erinnern kann, gibt der Interviewer einen Hinweis (er zeigt zum Beispiel die Anzeige) und prüft so, ob sie wenigstens wieder erinnert werden kann (Wiedererinnerungswert). Im Prinzip ist die Ermittlung des Erinnerungswertes unabhängig vom Medium und kann für jede Botschaft in jedem Medium gemessen werden; doch wird vorwiegend für Anzeigen von dem Erinnerungswert Gebrauch gemacht. Es bleibt zu überlegen, was zu tun ist, wenn keine Daten vorliegen. Ganz sicher ist in vielen Fällen eine gedankliche Abschätzung möglich. Wir können E = 0 schätzen, wenn der Werbegegenstand keinen oder einen sehr schwer aussprechbaren Namen trägt, wenn ein sachferner Gag die Anzeige beherrscht und wenn die Anzeige nichts zu sagen hat, was einem Bedürfnis der Zielpersonen entspricht. Nur ein extrem hoher Werbeaufwand oder eine hohe Bekanntheit oder ein sehr starkes Bedürfnis der Zielpersonen können die Null in wenige Erinnerungsprozente verwandeln. In allen anderen Fällen können wir eine ganzseitige vierfarbige Anzeige mit E = 5 bis 10 % ansetzen. Liegen keinerlei Tendenzen der oben besprochenen Art vor, können wir E bis zu 15 % erhöhen. Ist diese Anzeige wiederum von starken anderen Werbemaßnahmen begleitet, kann dieser Betrag bis zum Doppelten gesteigert werden. Der Grad der Bekanntheit schließlich kann mit einer Schwankung von ± 10 % berechnet werden. 10.3.2 Schätzung und Korrektur des Erinnerungswertes
Häufig genug wäre es zu spät, wenn man den Erinnerungswert E erst nach dem Sendebeginn der Botschaft messen würde. Deshalb ist man an einem geschätzten Erinnerungswert E g interessiert. Diese Schätzung kann sich an zwei die Erinnerung determinierenden Sachverhalten orientieren: — Struktur und Verständlichkeit des Kommuniques — bereits bestehende Bekanntheit des zu lernenden Gegenstandes. Wir nehmen also an, daß ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Erinnerungswert einerseits und der Gegenstandsbekanntheit sowie den Struktureigenarten der Anzeige andererseits besteht: Eg = f(L; B) (1) 1
An Hand eines Strukturvergleichs sollte der Erinnerungswert immer auf den Zielpersonenkreis umgerechnet werden.
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen
169
In (1) symbolisiert L die lernbegiinstigenden und lernhemmenden Merkmale des Kommuniques (bzw. die von ihnen ausgehenden Wirkungen). L symbolisiert also eine Erinnerungswirkung, sofern es nur auf die Gestaltung des Kommuniques ankäme. Die Größe von L ist mit Hilfe faktorenanalytischer Verfahren bestimmbar, für Anzeigen beispielsweise mit Hilfe der EFA 61 oder 65 (vgl. Tabelle 10-2). Tab. 1 0 - 2 .
Grobe Abschätzung des Erinnerungswertes mit Hilfe einer faktoriellen genanalyse (vgl. Kapitel 4.3)
Anzeigenstil Bekanntmachen Informieren Veranschaulichen Verkaufen Spiegeln Bestätigen
Umrechnungsfaktor 8 2 2 5 1 2
Anzeigengewicht - 4 4 1 4 3 - 11 Summe
Anzei-
Produkt - 32 8 2 20 3 - 22 - 21
= L
Eine grobe Abschätzung gelingt mit: E g = -pj- • L + 17, also - 2 + 17 = 15 %. Dies ist für ganzseitige Anzeigen ein guter Wert.
Die Bekanntheit B des Werbegegenstandes läßt sich als eine Prozentzahl (für einen bestimmten Personenkreis) durch eine einzige Frage vor der Sendung des Kommuniques ermitteln. Im Augenblick ist das schwierigere Problem das Aussehen der Funktion (1). Wir könnten die Funktion ein Stück konkretisieren, wenn uns aus empirischen Untersuchungen der Zusammenhang von Erinnerungswert und der Wirkungsvoraussage der EFA bekannt wäre. In der Tat liegt eine solche Untersuchung vor (F. WILKE 1964). Seine Durchrechnung von 74 Anzeigen (deren Erinnerungswerte aus Feldstudien bekannt waren) ergab eine lineare Beziehung zwischen E und L (vgl. Abb. 10-6). Wir können also die Abhängigkeit des Erinnerungswertes E von den Lernbedingungen L mit Hilfe einer Regressionsgraden beschreiben: E = a •L + b = S : -
l
+
(e-|l-L)
(2)
Je nach dem Verfahren, das man zur Bestimmung von E und L benutzt, werden sich andere Werte für die Konstanten a und b ergeben. Betrachten wir die Abb. 10—6 genauer, so fällt auf, daß eine Reihe von Anzeigen sich der prognostischen Bemühung widersetzt: ihr Erinnerungswert wird grob über- oder unterschätzt. Anstelle der recht befriedigenden Schätzung würde uns die EFA allein benutzt einen zu kleinen oder zu großen Wert liefern. Solange es nur auf einen Vergleich von Anzeigenentwürfen ankommt, die im gleichen Medium an dieselben Zielpersonen gesendet werden, spielt dieser Fehler keine Rolle. Was ist aber, wenn wir den absoluten Betrag des Erinnerungswertes prognostizieren wollen? F. WILKE hatte auf dieses Problem hin bereits Außenseiteranzeigen betrachtet und die Vermutung geäußert, daß Über- oder Unterschätzungen durch die EFA ihre Ursache in der fehlenden Berücksichtigung der Bekanntheit des Werbe-
Die Wirkung
170
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10
-t—• L EFA61 20
Abb. 10-6. Zusammenhang zwischen dem Erinnerungswert von Anzeigen E und der Ausgeprägtheit ihrer lernbegünstigenden Merkmale (L) nach der EFA 61 dabei ist: X = 8,1 E = 16,9
s l = 3,8 s E = 7,3
gegenständes haben könnten. In der Tat spricht alles dafür, daß Unterschätzungen der Erinnerungswerte dann erfolgen, wenn der Werbegegenstand eine hohe Bekanntheit hat oder aber die die Anzeige unterstützende Werbung von einem überdurchschnittlichen Umfang ist. Mit anderen Worten, entweder die Bekanntheit oder der Gesamtwerbeetat könnten Korrekturgrößen des geschätzten Erinnerungswertes abgeben. Im folgenden wollen wir uns diese Korrektur etwas genauer ansehen, allerdings unter der vereinfachenden Annahme, daß mit der Ermittlung der Bekanntheit zugleich die Auswirkung des Werbeetats mitberücksichtigt sei. Wir interessieren uns also für die Differenz AE = E„ — E c f a . Unsere Annahme geht dahin, daß diese Differenz eine Funktion der Bekanntheit B des Werbegegenstandes sei: A E = f (B) (3) Wir erinnern uns, daß B als Prozentwert verhältnismäßig leicht in Marktforschungsuntersuchungen ermittelt werden kann. Neben dieser Bekanntheit des Werbegegenstandes müßte bei den Zielpersonen allerdings auch die Durch-
171
10. Das Lernen von Bezeichnungen und Sachinformationen
schnittsbekanntheit konkurrierender Gegenstände ermittelt werden: also B (und damit auch die Standardabweichung sg). Nehmen wir an, der Durchschnittsbekanntheit entspreche der Erinnerungswert auf der Regressionsgeraden, so kann die Gleichung (3) nun genauer geschrieben werden als: (4) AE = c • (B — B) Die Konstante c gewinnt hier die Bedeutung eines Umrechnungskoeffizienten von Bekanntheits- in Erinnerungswerte, c läßt sich konkretisieren, in dem wir uns an den Standardabweichungen orientieren: AE=g(B-B)
(5)
Diese Formel gibt uns die Möglichkeit, eine der Bekanntheit entsprechende Korrektur an der Formal (2) anzubringen: Da Eg = Eefa + AE,
können wir nun schreiben; Egg = — • L + — . B SL
SB
+ (V
E-
SL
.L--Ü
Sß
-B)
(6)
v
>
Damit haben wir die von uns gesuchte Funktion (1). Sie enthält nur Daten, die relativ leicht zu ermitteln sind. Es ist sicherlich nützlich, von vornherein die Skalen so zu definieren, daß ihre Standardabweichungen zu 1 werden. Allerdings haben wir dann keine einfachen Prozentzahlen mehr vor uns. Unsere Formel (6) hätte dann die einfache Form: E„ = L + B + konst
(7)
Die Konstante in dieser Schätzformel der Erinnerungswirkung ist gleich (E - L - B). Können wir mit einer selbständigen, von den Massenmedien unabhängigen Ausbreitung des Erinnerungsgegenstandes rechnen, bedarf es mehrerer Messungen und einer Korrektur im Sinne unserer oben angestellten Überlegungen zur Diffusion (vgl. Kapitel 1.3.1).
10.4 Übung 10.4.1 Zusammenfassung
Jede Auswirkung eines Kommuniques wird in der Psychologie als [I] beschrieben. Die wichtigsten Lernwirkungen sind: [2] . Jede geprüfte und endgültig gefaßte Beeinflussungsabsicht sollte man nicht mit einer einzigen Botschaft erreichen wollen. Es sollte (mit wechselndem Nachrichtengegenstand) immer eine [I] entwickelt werden. Dabei ist dem SKlNNER-Programm das [4] vorzuziehen. Das wichtigste Maß zur Überprüfung der ersten Lernwirkung ist der [J] . Er wird mit Hilfe einer Fragebogenmethode auf folgende Weise ermittelt: [6].
172
Die Wirkung
10.4.2 Aufgabe
Zur Wahlpropaganda einer Partei soll eine Anzeige gestreut werden. Die Bekanntheit der Partei unter den Zielpersonen beträgt zur Zeit 92 %, die Durchschnittsbekanntheit aller Parteien 63 % (bei einer Standardabweichung von 12,1 %). Eine Berechnung der Allgemeinresonanz dieser Anzeige nach der EFA 61 ergibt L = 13. Legen Sie im übrigen Ihrer Berechnung die in Abb. 10—6 genannten Werte zu Grunde. Wie groß wird voraussichtlich der Erinnerungswert der Anzeige bei den Zielpersonen sein? (Formel (6)) Haben Sie die Aufgabe gelöst? Sie bekommen einen recht hohen Erinnerungswert (nach Formel (6)) heraus: E g = 43 %. Die hohe Bekanntheit der Partei und die offensichtlich recht günstige Gestaltung der Werbebotschaft machen diesen hohen Wert wahrscheinlich. Würde die Nachricht des Kommuniqués mit nur medientypischen Abwandlungen auch als Plakat oder als Fernsehspot auftreten, müßten wir mit einem noch wesentlich höheren Erinnerungswert rechnen. 10.4.3 Literatur K. Foppa: Lernen, Gedächtnis, Verhalten. Köln (3. Aufl.) 1967 O. W. Haseloff und E. Jorswieck: Psychologie des Lernens. (2. Aufl.) Berlin 1971 K. Schräder: Psychologische und verhaltensbiologische Grundlagen des Marketing. Berlin, New York 1971 F. Vester: Denken, Lernen, Vergessen. Stuttgart 1975
|T] Lernen. - [2] Wiedererinnerung, spontane Erinnerung, Einstellungsänderung, Imageänderung. - [3] nach einem kommunikativen Lehrprogramm aufgebaute Kampagne. [4] Crowder-Programm. - [5] Erinnerungswert. - [ö] (siehe S. 167 f.).
11. Die Beeinflussung von Meinungen 11.1 Meinung und Einstellung 11.1.1 Meinungskomponenten
Neben dem Vermitteln von Informationen ist die Änderung oder auch Neubildung von Meinungen ein wichtiges Anliegen der Beeinflussenden Massenkommunikation (M. STOSBERG 1972). Wir haben bereits gesehen (Kapitel 3.2), daß Meinungen vieldimensionale Gebilde sind. In jeder Meinung sind enthalten: (1) eine Vorstellung vom Gegenstand der Meinung, (2) dessen affektive Bewer-
11. Die Beeinflussung von Meinungen
173
tung (Einstellung) und (3) eine Abschätzung seines Nutzens für bestimmte Zielsetzungen des Empfängers (H. PEAK 1955). Die drei herausgehobenen Komponenten stehen bei der massenkommunikativen Beeinflussung der Meinung mit unterschiedlichem Gewicht zur Änderung an. Vor allem sucht man die Bewertungen und Vorstellungen von Meinungsgegenständen zu beeinflussen. Dabei zeigt es sich, daß einige Meinungsgegenstände außerordentlich lange Zeit wichtig genommen werden (z. B. Völker und Rassen), während Moden (sogenannte fads; PENROSE) sich sehr rasch verbreiten und wegen ihrer Neuigkeit unbedingt Aufmerksamkeit verlangen, aber dann schnell wieder in Vergessenheit geraten. Das Extrem stellen Meinungsgegenstände dar, die nur durch die Befragung kurz ins Bewußtsein rücken. Damit haben wir zwei weitere Komponenten, die geändert werden können, kennengelernt: (4) die Lebensdauer und damit eng verbunden (5) die Intensität von Meinungen. Die Vielzahl an beeinflussungsrelevanten Komponenten bedeutet, daß es nicht möglich ist, die Änderung von Meinungen in einer einzigen Zahl auszudrücken ( M. J. ROSENBERG und C. J. HOVLAND 1960). Vielmehr ändert sich prinzipiell eine ganze Matrix (Tafel 11—1). In der beeinflussenden Massenkommunikation Tafel 11-1. Meinungsmatrix Vorstellungen von den Eigenschaften des Gegenstandes Beschreibung
Zugehörigkeit zu Personen, Gruppen, Handlungen, Situationen, Institutionen: seit wann? frühere Änderungen der Komponenten: Intensität der Komponenten (Ursachen): korrespondierende Komponenten anderer Meinungen:
Gegenstandskomponenten Bewertungen bzw. praktischer und Einstellungen zum emotionaler Nutzen Gegenstand und des Gegenstandes seinen Eigenschaften
174
D i e Wirkung
ist es zweckmäßig, sich die Probleme des Beeinflussungsauftrages an Hand einer solchen Matrix zu vergegenwärtigen. Niemals sollte man alle Koeffizienten der Meinungsmatrix zu ändern trachten, sondern schwergewichtig die labilsten Komponenten anzielen. Erfahrungsgemäß — wenn auch nicht immer berechtigt — liegt das Schwergewicht bei der Änderung von Bewertungen bzw. Einstellungen. 11.1.2 Stabilität von Meinungen
Meinungen widerstehen Änderungsversuchen unterschiedlich stark. Man kann sagen, sie sind verschieden stabil. Diese Stabilität ist vorwiegend eine Folge der Verankerung der Meinung. Die Gestaltpsychologie hat nachgewiesen, daß jede Vorstellung, jedes Erlebnis nicht für sich allein isoliert existiert, sondern verankert ist in einem umfassenden System anderer Erlebnisgegebenheiten. So sind auch Meinungen verankert in übergeordneten Wertsystemen, in Weltanschauungen, in Situationellen Erwartungen, in Hoffnungen und Befürchtungen. Der Grad der Meinungsverankerung korreliert positiv mit der Stabilität der Meinung. Aber Stabilität folgt nicht nur aus einer Verankerung der skizzierten Art, sondern auch aus der Festigkeit des umfassenden Meinungssystems, zu dem die Meinung gehört. Diese Systemfestigkeit ist abhängig von der Funktion des Systems in der Selbstwerterhaltung, von der kognitiven Selbsterhellung des Systems, von der Stützung durch die Gruppe und von seiner Hilfe bei der Lösung wichtiger Probleme. Letzteres läßt sich auch als die Motiviertheit der Meinung beschreiben. Wie läßt sich die Stabilität einer Meinung messen? Leider ist zur Zeit die Messung der Festigkeit des stützenden Systems noch nicht möglich und schon gar nicht die Messung des Verankerungsgrades der Meinung in dem System. In seltenen Ausnahmefällen werden wir Hinweise erhalten, die uns die Systemfestigkeit oder die Meinungsverankerung eindeutig als hoch oder niedrig einschätzen lassen. Aber ein zuverlässiges, fein abgestuftes Maß gibt es nicht. Ganz allgemein wissen wir, daß die Kenntnis einer großen Zahl von Gegenstandseigenschaften, von Nutzungsarten oder von Bewertungsaspekten die Meinung positiver, weniger starr und aufgeschlossener für Abweichungen macht. Doch ist hier eine globale Änderung der Meinung nicht mehr möglich. Ein beeinflussendes Kommuniqu6 muß auf das differenzierte Bild vom Gegenstand Rücksicht nehmen. Gewissermaßen haben wir es jetzt mit vielen Meinungen zu tun, die sich gegenseitig stützen. Über die unterschiedliche Stabüität verschiedener Gegenstände weiß man wenig. Soweit sie zum Selbstverständnis des Empfängers, einer ganzen Gruppe oder umfassender sozialer Systeme (Institutionen, Gesellschaften) beitragen, wird eine Beeinflussung mit starken Wider-
11. Die Beeinflussung von Meinungen
175
ständen rechnen müssen. Das zugehörige Selbstverständnis gibt also immer einen Hinweis auf die Verankerung der Meinung. Doch ist sie, wie wir bereits sagten, praktisch nicht genau meßbar. In dieser Situation müssen wir zu sehr einfachen Mitteln der Stabilitätsmessung greifen, wissend, daß die feineren Ursachen dabei unberücksichtigt bleiben. Solche einfachen Meßmöglichkeiten sind: (1) Die Abschätzung der bisherigen Lebensdauer der Meinung. Es genügt dabei nicht, die mittlere Lebensdauer zu bestimmen. Es muß vielmehr der Diffusionsprozeß der Meinung und der Kreis ihrer Adopter, vor allem auch der ihrer Abarten und Gegenmeinungen in Erfahrung gebracht werden. Doch geben uns bereits Lebensdauer und Streuung der Meinungsvarianten einen Hinweis auf die mögliche Änderbarkeit der Meinung. (2) Die Meinungsänderung, die in der letzten Zeit zu beobachten war (Nähe der Rejektionsphase!). Je nach der Art der Meinung wird man diese Beobachtung über eine Zeitspanne von ein bis vier Wochen ausdehnen müssen. (3) Die Extremität, mit der die Meinung vertreten wird. Dazu muß die Motivation der extremen Stellungnahmen erkundet werden. Denn hinter einer extrem vertretenen Meinung kann sich auch die Notwendigkeit verbergen, die Meinung gegen andere, ihr widersprechende Erscheinungen zu verteidigen (Gefahr des Bumerang-Effektes! Vgl. M. v. CRANACH u. a. 1965). 11.1.3 Gegenstandstoleranz
Der Gegenstand einer Meinung kann sich in bestimmten Grenzwerten ändern, ohne daß deshalb die Meinung verändert wird. Man kann sagen, daß dieser Reaktionsraum von dem Gegenstandsbewußtsein des Empfängers abhängig ist. Dieses Gegenstandsbewußtsein, also Bekanntheit und Gegenwärtigkeit in den persönlichen Überlegungen, ist vor allem von der Art des Gegenstandes abhängig. Je vielfältiger die Abwandlungen sind, in denen ein Gegenstand auftritt (je unterschiedlicher zum Beispiel die Lösungswege für ein politisches Problem oder je größer die Preisunterschiede in einer Produktgattung sind), desto geringer ist das Gegenstandsbewußtsein (in unseren Beispielen also die Vorstellung von den Lösungswegen bzw. den Preisen). Das jeweilige Bewußtsein hängt stark von der persönlichen Bedarfslage des Empfängers ab, etwa davon, wie nahe ihm im Augenblick das politische Problem steht oder wie wichtig ihm eine optimale Produktauswahl ist. Dieses Bewußtsein ist keine konstante Größe. Sie kann sich innerhalb weniger Minuten ändert, je nach der Situation, in der man sich befindet, je nach dem, mit welchen Personen man gerade zusammen ist oder in welchem Geschäft man sich gerade befindet. Zu jedem Meinungsgegenstand gibt es gruppen- und schichttypische Normen. Sie sorgen (gemeinsam mit dem Bild von der eigenen Person, den Rollen, den
Die Wirkung
176
Gewohnheiten) für eine gewisse Situationsunabhängigkeit der Meinungsäußerungen. Sie definieren auch für die Beurteilung des Gegenstandes eine obere und untere Akzeptanzschwelle {Akzeptanzbereich). Die Gegenstandsnorm sagt, welcher Lösungsweg angemessen oder welcher Preis akzeptabel ist. Die Schwellen definieren sich als Skalenwerte, über oder unter denen der Gegenstand als „abwegig", „zu teuer" oder „zu billig" abgelehnt wird. Der Akzeptanzbereich verschiebt sich, sobald oberhalb bzw. unterhalb der Schwelle eine ungewöhnlich große Zahl von Gegenständen der gleichen Gattung auftritt. Eine weitere Ursache einer Verschiebung liegt in der Furchtbesetzung des äußeren Schwellenbereichs; wird von zu billigen Produkten ein persönlicher Nachteil befürchtet (der stärker als Geldverlust wiegt), weicht der Verbraucher zur oberen Schwelle aus. Wann und von wem wird die Änderung eines Gegenstandes toleriert? Offensichtlich ist die Toleranz von dem umfassenderen System des Gegenstandes abhängig, etwa von der Partei, die den Lösungsweg propagiert oder von dem Produkt, dessen Preis geändert werden soll. Die Stabilität der Bindung an das umfassende System (an die Partei, an das Markenerzeugnis) diktiert die Toleranz gegenüber der Änderung des Meinungsgegenstandes. Allerdings muß dabei
Tafel 1 1 - 2 . JAHODA-Typen Nachricht mit Meinung x ursprüngliches Interesse an x
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weicht privat von öffentlicher Meinung ab
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11. Die Beeinflussung von Meinungen
177
beiücksichtigt werden, wie ähnlich das umfassende System anderen Systemen ist. Die stärkste Bindung nutzt nichts, wenn es leicht durch ein anderes (erlebnismäßig) sehr ähnliches System ersetzt werden kann. Wir können also sagen, die Toleranz T gegenüber einer Gegenstands- oder Meinungsänderung ist: T =
Systembindung Substituierbarkeit des Systems
(Zu dem eben behandelten Thema siehe Beispiel „Preistoleranz" in GUTJAHR 1972, S. 149-169.)
11.2 Änderungsbedingungen von Meinungen 11.2.1 Persönliche Änderungsbedingungen
Der Grad einer Meinungsänderung, den ein beeinflussendes Kommunique erzeugt, ist zu einem guten Teil davon abhängig, wie gut es gelungen ist, die Persönlichkeitsstruktur des Empfängers, seinen Adoptionsstatus und seine interpersonelle Kommunikation zu berücksichtigen. Gewiß läßt sich der Empfänger von seinem sozialen Feld nicht streng trennen. Dies sehen wir besonders deutlich an den möglichen Reaktionen auf eine Nachricht (Reaktionstypen nach JAHODA; Tafel 11-2). Sie zeigen uns zugleich, daß die Meinungsänderung nicht nur eine graduelle Angelegenheit ist, sondern auch qualitativ recht unterschiedlich auszufallen vermag (zum folgenden siehe B. BERELSON und G. A. STEINER 1969). Tab. 11—1. Für die Übernahme und Akzeptanz einer Meinung förderliche und hinderliche Persönlichkeitseigenschaften förderlich
sozial unangepaßt aggressiv gehemmt depressiv wenig intelligent schwaches Selbstwertgefuhl labil, sprunghaft von anderen abhängig wenig originell
hinderlich
sozial angepaßt aggressiv nicht gehemmt aktiv (-optimistisch) hoch intelligent starkes Selbstwertgefuhl zwanghaft, eingleisig negativistisch, narzißtisch sehr originell
Für die Abschätzung und Beobachtung der meinungsändernden Wirkung ist es aber zweckmäßig, zwischen Persönlichkeit und sozialem Feld zu trennen: Tabelle 11—1 gibt uns einen Überblick über die persönlichen Ursachen der Meinungsänderung. Wir sehen, daß neurotoide, die soziale Anpassung erschwerende Eigenschaften förderlich für eine kommunikative Meinungsänderung sind. Umgekehrt sind es nicht nur Angepaßtheit, Intelligenz und Aktivität, die Meinungen abwehren helfen, sondern auch normative Starrheit, Zwanghaftigkeit und Selbstbezogenheit.
178
Die Wirkung
Tab. 1 1 - 2 .
Persönliche Aufnahmebereitschaft
förderlich Meinung ändert sich bereits Verhalten hat sich schon geändert großes Interesse an der Nachricht hat bereits eine ähnliche Meinung weiß nicht, daß sie beeinflußt werden soll bekommt Nachricht zum ersten Mal nirgends festgelegt ist uneinheitlichen sozialen Einflüssen ausgesetzt
einer Meinung
hemmend keine Änderungstendenzen keine Verhaltensänderung kein Interesse stark abweichende Meinung weiß um die Beeinflussung, oder kennt gar das Thema Nachricht ist bekannt (vor allem bei Alternativen) vorher Position öffentlich festgelegt soziale Einflüsse sind homogen
Die persönliche Aufnahmebereitschaft (Tabelle 11—2) signalisiert sich vorwiegend in meinungsändemden Tendenzen, die dem Empfang des Kommuniques bereits vorausgingen. Das persönliche Interesse und die Haltung des sozialen Umfeldes leistet einen weiteren Beitrag zur Bereitschaft, die Meinung zu ändern. 1 1 . 2 . 2 Ä n d e r u n g s b e d i n g u n g e n des M e i n u n g s g e g e n s t a n d e s u n d dessen k o m m u nikativer Darstellung
Obwohl immer wieder darauf hingewiesen wurde, daß die allgemeinen Sendungen der Massenmedien kaum Meinungen ändern, sondern eher geeignet sind, die Wichtigkeit von Themen zu bestimmen, brauchen wir gegenüber entsprechenden Beeinflussungsaufgaben nicht zu resignieren. Wir müssen nur die Änderungsbedingungen peinlich genau in Rechnung stellen: Je ausdauernder die bisherige Meinung gelernt werden konnte und je schwächer ein Bedürfnis nach einer neuen Meinung ist, desto geringer ist für uns die Chance, die alte Meinung über Massenkommunikationsmittel zu ändern (vgl. Tabelle 11—3). Tab. 1 1 - 3 .
Für die Übernahme einer Meinung förderliche und hemmende der bisherigen Meinung
förderlich schwach verankert spät erworben uninteressante Kontroverse Änderungsbedürfnis der neuen Meinung ähnlich Folgen sind überschaubar
Eigenschaften
hemmend stark verankert früh erworben emotional engagierter Glaube kein Änderungsbedürfnis unähnlich komplexe, vieldeutige Folgen (Anlehnung an Autorität: sogenannter fait-accompli-Effekt)
Wir müssen auf hemmende Meinungseigenschaften mit einem Kommunique antworten, das auf die Bedürfnisse der Zielpersonen eingeht, ihre Interessen berücksichtigt, kurz dem Adoptionsstatus der Zielpersonen entspricht (vgl. Tabelle 11—4). Wenden wir uns nur an eine diffuse Menge von Personen, sprechen wir nicht ihre Sprache, gehen wir nicht auf ihre Bedürfnisse ein, spielen wir
11. Die Beeinflussung von Meinungen
179
uns als Besserwisser und Agitatoren auf, dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir die angezielte Meinung nicht ändern. Tab. 11-4. Für die Übernahme einer Meinung förderliche und hinderliche Bedingungen im Kommunique förderlich dient einer Bedürfnisbefriedigung wendet sich an einen genau abgegrenzten Personenkreis Kommunikationsstil der Zielpersonen entspricht Interessen und Meinungen einseitige Darbietung bei geringer Intelligenz zweiseitige Darbietung bei hoher Intelligenz es werden zunächst leicht akzeptierbare Nachrichten gebracht schwache Furchtappelle bei komplizierter Nachricht Schlußfolgerung vorführen Mehrheitsmeinungen Unterhaltung
hinderlich dient keiner Bedürfnisbefriedigung diffuse Zielpersonen Werbesprache nimmt auf Interessen und Meinungen keine Rücksicht einseitige Darbietung bei hoher Intelligenz mehrseitige Darbietung bei niedriger Intelligenz es wird zunächst eine stark abgelehnte Meinung gesendet starke Furchtappelle bei komplizierter Nachricht die Schlußfolgerungen selbst finden lassen Meinungen von Sondergruppen Belehrung
11.2.3 Änderungsbedingungen in der Gruppe Massenkommunikationsmittel beschleunigen die Meinungsbildung in Gruppen und erhöhen zugleich (meist ungewollt) die Meinungskonformität. Dies hängt damit zusammen, daß die Mittel vor allem den notwendigen informativen Hintergrund für die Durchsetzung der Meinung liefern. Erst der persönliche Kontakt in der Gruppe sichert die endgültige Übernahme der Meinung (A. R. COHEN 1964). Sehen wir uns hierzu einige besondere Bedingungen in der Gruppe an Tab. 11-5. Förderliche und hinderliche Bedingungen zur Meinungsänderung in der Bezugsgruppe des Empßngers förderlich divergierende Ansichten in der Bezugsgruppe schwache Bindungen in der Gruppe positive Haltung der dominanten Meinungsträger und Multiplikatoren Wunsch nach Übereinstimmung in dieser Frage Meinung paßt zu Positionserwartungen und Rollen Kontakt mit Personen, die die Meinung bereits vertreten nach schwieriger Trennung von einer Gruppe: besonders empfänglich ftir entgegengesetzte Meinungen
hinderlich übereinstimmende Ansichten kontaktreiche Bindungen ablehnende Haltung der Meinungsträger und Multiplikatoren uninteressantes Thema für die Gruppe Meinung paßt nicht zu Positionserwartungen und Rollen keinen Kontakt zu solchen Personen in der gleichen Situation werden Meinungen der alten Gruppe heftig abgelehnt
180
Die Wirkung
(Tabelle 11-5). Wir sehen, daß die Bindung an die Gruppe und die Stabilität der Gruppe zusammen die wichtigsten hemmenden Faktoren enthalten (s. E. ASCH 1969). Der Neueintritt in eine Gruppe garantiert die Übernahme gruppentypischer Meinungen. Zunächst werden diese recht extrem vertreten, vor allem wenn sie helfen, sich von der alten Gruppe loszusagen. Spielt jedoch in der Folgezeit die neu erworbene Meinung keine allzu große Rolle, so kehrt man langsam wieder zur alten Auffassung zurück. Beispielhaft hierfür kann die Lösung von der Familie in der Pubertät und die spätere Gründung einer eigenen Ehe sein. In dieser Zeitspanne lassen sich die geschilderten Phänomene besonders gut beobachten.
11.3 Ü b u n g 11.3.1 Zusammenfassung
Meinungen sind vieldimensionale Gebüde. Ihre drei wichtigsten Komponenten sind: [T] . Diese müssen wir genau bei unseren Zielpersonen kennen und eine Entscheidung darüber treffen, welche geändert werden sollen. Jeder Meinungsgegenstand kann sich in gewissen Grenzen ändern, ohne daß dies die Komponenten verändert. Man nennt dies seine \2\. Die Akzeptanzgrenzen verschieben sich nach oben oder unten, sobald [3] . Es gibt viele Bedingungen, die eine Meinungsänderung erschweren oder erleichtern. Erleichternde Bedingungen sind bei den Zielpersonen: [4] , bei der Art der Meinung: [5], bei dem Gruppenbezug der Meinung: [6] . 11.3.2 Aufgabe
Etwa 15 % der Bevölkerung haben negative Meinungen von der gegenwärtig vorherrschenden Art der Produktpackungen. Denken Sie zum Beispiel an die Meinung, daß die meisten Packungen einen größeren Inhalt vortäuschen, als sie tatsächlich bieten. Ohne nun eine Befragung durchzuführen, die natürlich erforderlich wäre, füllen Sie, so gut Sie können, die Felder der Meinungsmatrix (Tafel 11—1) aus. Sie werden rasch merken, daß Sie für unterschiedliche Verbrauchergruppen verschiedene Matrizes herstellen müssen. 11.3.3 Literatur B. Berelson und G. A. Steiner: Menschliches Verhalten. Bd. 2, Weinheim 1972 P. R. Hofstätter: Die Psychologie der öffentlichen Meinung. 2. Aufl., Wien 1960 P. R. Hofstätter: Sozialpsychologie. 5. Aufl., Berlin, New York 1973 E. Katz und P. F. Lazarsfeld: Persönlicher Einfluß und Meinungsbildung. München 1962 J. Klapprot: Die Anatomie von Einstellungen. Stuttgart 1975
11. Die Beeinflussung von Meinungen
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[T] Vorstellung, Bewertung und Nutzen. - [2] Toleranz. - [T] außerhalb der Schwelle eine ungewöhnlich große Zahl von Gegenständen der gleichen Gattung erscheint. - [T] Hemmungen, geringe Intelligenz, soziale Abhängigkeit, geringe Originalität, Interesse an der Meinungsänderung. - [5] Dient der Bedürfnisbefriedigung, entspricht dem Kommunikationsstil der Person, Mehrheitsmeinung, intellektuelle Angemessenheit. - [6] Divergierende Ansichten in der Gruppe, schwache Bindung an die Gruppe, positive Haltung der Meinungsführer, Wunsch nach Übereinstimmung in dieser Frage, Kontakt zu Harmonisierern.
11.4 Prognose der Meinungsänderung Wir stehen vor der Frage, in welchem Maße sich eine Meinung unter der Wirkung unseres Kommuniques zu ändern vermag. Um eine solche Änderung voraussagen zu können, benötigen wir eine generelle Vorstellung davon, auf welche Weise sich Meinungen ändern. Besitzen wir nämlich ein Modell des Änderungsvorganges, so können wir an dem Modell unter Eingabe der gegenwärtigen Daten die zukünftige Reaktion bestimmen. Es gibt eine ganze Reihe solcher Modelle. Sie kommen aus den verschiedensten Forschungsgebieten: aus der Lern-, Wahrnehmungs- und Kleingruppenforschung, aber auch aus der psychologischen Praxis: so aus der Werbepsychologie und der Marktforschung. Hier wollen wir diese Modelle nicht im Detail diskutieren, sondern nur einen exemplarischen Überblick geben, vorwiegend mit der Absicht, Werkzeuge für das praktische Handeln aufzuzeigen (siehe F. BLENDJIAN und K. STOSBERG 1972). 11.4.1 Gleichgewicht und Spannung
Viele Psychologen nehmen an, daß Menschen danach streben, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen ihren persönlichen Einstellungen, zwischen Einstellungen und Verhalten, sowie zwischen persönlichen und bezugsgruppentypischen Einstellungen (S. FELDMANN 1966). Natürlich lassen sich nicht alle Gleichgewichtsmöglichkeiten bei den Zielpersonen kontrollieren. Deshalb muß eine zweckmäßige Vereinfachung vorgenommen werden. Man wählt ganz bestimmte Teile des Gleichgewichtssystems aus und macht sie zu Indikatoren für eine zu kontrollierende Gleichgewichtsänderung, denn genau dies ist ja mit der Übernahme einer Meinung verbunden. Die wichtigsten Grundannahmen eines jeden Gleichgewichtsmodells sind die folgenden: (1) Alle gedanklichen Eigenschaften eines Gegenstandes werden in einer übereinstimmenden Richtung bewertet. So wird angenommen, daß die Eigenschaften einer Person in etwa gleich bewertet werden, unabhängig davon, ob es sich um einen ihrer Charakterzüge, ihre Parteizugehörigkeit, ihren Berufserfolg oder etwas anderes handelt. Zumindest besteht die Tendenz zu einer solchen Gleichbewertung. Je höher das Ausmaß der Übereinstim-
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Die Wirkung
mung ist (auch hinsichtlich der Intensität der gleichgerichteten Bewertungen), desto stabiler ist das Gleichgewichtssystem. Das ist u. a. ein Grund, warum es nicht gelingt, im Gleichgewicht befindliche Einstellungen (z. B. religiöser Art) zu ändern. Die Änderung einer Einstellung aktiviert alle übrigen Einstellungen zur Wiederherstellung des alten Gleichgewichts. (2) Es wird weiterhin angenommen, daß auch ein Gleichgewichtszustand besteht, wenn eine Übereinstimmung in negativen Einstellungen und Außenbeziehungen besteht. Zum Beispiel: Herbert (den ich mag) lehnt die Partei X ab (die ich auch nicht mag). Dies sind die beiden fundamentalen Annahmen der meisten Gleichgewichtsmodelle. Sie bedürfen allerdings bestimmter Ergänzungen und Korrekturen: (3) Es spielen nicht nur die gleichen Richtungen und Intensitäten für das Gleichgewicht der Einstellungen eine Rolle, sondern auch ihre Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihres gedanklichen und/oder praktischen Nutzens. Dies ist eine Einschränkung für (1) und (2). Es macht uns auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Zusammengehörigkeit der Einstellungen zu prüfen. Denn zwischen Einstellungen verschiedener gedanklicher oder handlungsbezogener Systeme kann weder ein Gleichgewicht noch ein Ungleichgewicht existieren. Zum Beispiel: Herbert (den ich mag) fliegt mit einer Maschine der Fluggesellschaft X (die ich nicht mag). Dies muß nicht unbedingt ein Ungleichgewicht sein, dann nämlich nicht, wenn das Mittel des Fliegens nicht zum System Herbert gehört. Man kann auch sagen, es komme auf die Toleranz gegenüber Herbert an, und meint damit, daß man das Einstellungssystem gegenüber Herbert nicht auf unnötig viele außer ihm liegende Sachverhalte ausdehnt. (4) Eine weitere Einschränkung, auf die wir von Fall zu Fall zu achten haben, ist die Toleranz gegenüber Ungleichgewicht. Manche Menschen sind sehr bestrebt, Ungleichgewicht zu beseitigen. Andere scheinen es gar nicht zu bemerken. Ihr Einstellungsraum scheint aus vielen kleinen, gegeneinander dicht abgeschirmten Systemchen zu bestehen. Was in dem einen passiert, berührt nicht ein anderes. Im Bereich der beeinflussenden Massenkommunikation werden wir häufig Empfängerinteressen beobachten, die der Gleichgewichtshypothese genau entgegengesetzt zu sein scheinen. Es werden Spannung vermehrende Kommuniques dort bevorzugt, wo es um das Kommunikationsvergnügen ( T . S. SZASZ) geht (vgl. oben). Der Fernsehkrimi, das Kreuzworträtsel, die modische Extravaganz, die Lokalnachrichten sind Beispiele dafür. Dennoch demonstrieren sie zugleich, daß dieses subjektive Spiel eingebettet bleibt in ein Gleichgewichtssystem: es muß alles einen regelmäßigen Ausgang finden. Erst das Bewußtsein des sozial kontrollierten Gleichgewichts macht jenes spannende Vergnügen möglich, um für ein paar Minuten freigesetzt zu sein von der gesellschaftserhaltenden sozialen
11. Die Beeinflussung von Meinungen
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Kontrolle (W. STEPHENSON 1968). Dort aber, wo es um die Probleme der Änderung von Meinungen geht, haben wir es prinzipiell mit dieser sozialen Kontrolle zu tun. Meinungen, die sich hierhin und dorthin wenden lassen, können unter Umständen nur winzige Teilfragen des Kommunikationsvergnügens sein. Trotzdem reiben auch sie sich noch oft genug an der mißtrauischen sozialen Kontrolle: die Rocklänge ist hierfür ein Beispiel. Es bleibt nun dem Einfallsreichtum des Untersuchers überlassen, diejenigen Teilaspekte eines Gegenstandes auszuwählen, zwischen denen Übereinstimmung angestrebt wird. Aber die Fortlassung eines Aspektes kann evtl. eine grobe Fehleinschätzung zur Folge haben; zum Beispiel kann das Meinungssystem beweglicher wirken, als es tatsächlich ist (das Umgekehrte wird selten der Fall sein). Das mangelnde Gleichgewicht wird also als eine Kraft gedacht, die die sich ändernde Meinung wieder zurückzieht in ihr altes Gleis. Diese Kraft ist in etwa abschätzbar nach der FESTINGER-Formel: . , ,, . Meinungserhaltende = Kraft w
Anzahl und Stärke der dissonanten Elemente Anzahl und Stärke der konsonanten Elemente
Ein Steigen der Kraft macht ein Rückfall in die alte Meinung sehr wahrscheinlich. 1 1 . 4 . 2 Image-Modell
Schwieriger ist die Frage nach der Anzahl derer zu beantworten, die ihre Meinung ändern werden. Einen Weg, diese Anzahl zu bestimmen, weist B. SPIEGEL 1961 (vgl. Kapitel 2.2): Er beschränkt die Gleichgewichtsforderung auf das Image. Sie gilt also weniger für die formulierte Meinung als für das Image vom Meinungsgegenstand. Dadurch ist sein Image-Modell auch dann anwendbar, wenn die Meinung nicht ausdrücklich formuliert ist. Seine Modellkonstruktion knüpft an die Tatsache an, daß uns die Dinge in der Welt gefühlsmäßig unterschiedlich nahestehen. Diese erlebte Nähe oder Weite übersetzt B. SPIEGEL in einen räumlichen Abstand zwischen Images. Dieser Image-Raum wird zwischen einem System von Koordinaten aufgespannt, die von den (faktorisierten) Wortpaaren eines Polaritätsprofils gebildet werden (vgl. Kapitel 2.3.2). In diesem Raum kann man nun Abstände zwischen Personen und Meinungsgegenständen messen; genauer zwischen dem Image, das die Person von einem idealen Gegenstand hat, und dem Image, das sie von dem tatsächlichen Gegenstand hat. Der Abstand zwischen dem idealen und dem realen Image drückt auf diese Weise aus, wie erlebnisnah der Gegenstand für die Person ist. Je geringer der Abstand ist, desto wahrscheinlicher ist es auch, daß sich die Person im Falle einer Wahl für diesen Gegenstand entscheidet.
184
Die Wirkung Schön Ideal dyi
D \
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Real
X -
Schwach
Stark
Abb. 11 — 1. Distanz zwischen idealem und realem Image
Häßlich
Der Abstand des Ideals vom Gegenstand und mithin die Größe der Dissonanz zwischen erhofftem und tatsächlichem Image errechnet sich als pythagoreische Summe der dimensionstypischen Einzelabstände: D = \/Summe d 2 . In Abb. 11—1 beträgt der Abstand auf der Stark-Koordinate d = 5 und auf der Schön-Koordinate d = 4. Demnach beträgt die Differenz D = 6,4. Werbekommunikation muß entweder das Realimage oder aber das Idealimage zu ändern trachten. Schön
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12.3.3 Literatur
E. Dichter: Handbuch der Kaufmotive. Wien, Düsseldorf 1964 O. W. Haseloff: Marktforschung und Motivationstheorie. In: Handbuch der Marktforschung. S. 91-146, Wiesbaden 1974 H. Henry: Was der Verbraucher wünscht - Die Praxis der Motivforschung. Düsseldorf 1960 G. Wiswede: Motivation und Verbraucherverhalten. München, Basel (2. Aufl.) 1973
Hl inneren und äußeren Bedingungen und Ereignisse vieler Menschen, die bei diesen ein besonderes Verhalten antreiben, ausrichten und gestalten. - [2] Motive. - |T] motivational unterdrückt, emotional, unbekannte Herkunft, Ziele sind unbekannt oder aus Symptomen erschlossen. — [4] Themen, Gewohnheiten, Bedürfnisse, Dränge, Vorsatz, instrumentelles Verhalten, Assoziationen, Ursachen, Absichten, Verhaltensziele, Gefühle oder Verhaltensstile. - |3] symbolische. - [6] Angesprochenes Motiv muß einem relevanten Thema entsprechen, darf nicht ausreichend befriedigt sein, Sättigung des bisherigen Mittels, keine ökonomischen oder sonstigen Barrieren.
12.4 Konfliktverminderung 12.4.1 Ansprache von Konflikten
In der Massenkommunikation wird immer wieder versucht, Motive allein anzusprechen und zu beeinflussen. Es soll also z. B. „das Geltungsstreben" der Zielpersonen genutzt werden, um sie zu einem rücksichtsvolleren Verhalten im Straßenverkehr zu bewegen. Doch in solchen Versuchen wird die Abhängigkeit
202
Die Wirkung
der Motive untereinander unterschätzt. Es dient dem Kommunikationsplaner nur als Denkökonomie, Motive zu vereinzeln, gegeneinander zu isolieren. Einzelmotive erleichtern ihm die Entscheidung für ein bestimmtes Kommunikationsthema, sie sind anschaulicher, leichter vorstellbar, und sie stehen der Art näher, wie sich Laien Verhaltensursachen vorstellen. Einzelmotive haben auch mehr Ähnlichkeit mit bewußten Begründungen, die häufig für die Motivation gehalten werden. Doch hinter Begründungen verbirgt sich immer ein internes Kräftespiel von Motiven. Beispiel: Der Interviewer eines Marktforschungsinstituts fragt nach der Begründung für den Eintritt in eine Partei. Die fast vierzigjährige Auskunftsperson (Jurist, verh., 2 Kinder) wählt als Begründung für ihren Eintritt das Statement: „Diese Partei braucht die Unterstützung aller anständigen Bürger unseres Landes". Dieses Statement eignet sich in der Tat gut für eine Selbstrechtfertigung. Hätte unser Interviewer Gelegenheit gehabt, sich ausführlicher mit der Auskunftsperson zu unterhalten — am besten über mehrere Tage verteilt und durch andere Befragungsthemen getarnt —, hätte er erfahren können, daß es damals zum Zeitpunkt des Eintritts um das Erreichen eines Berufszieles ging. Er hätte heraushören können, wie es der Auskunftsperson damals auch darum ging, den Verpflichtungen ihrer Familie zu entgehen, und wie sie damals nach einem neuen Bekanntenkreis suchte. Mit dem Eintritt begann sie die negative Bewertung der Ehe zu adoptieren, die ihr jetzt die Rechtfertigung gibt, die Ehe nicht allzu wichtig zu nehmen. Diese Motivziele zusammengenommen waren stark genug, um Gegenmotive im Schach zu halten: die befürchteten Geldausgaben, die Unbequemlichkeiten der Parteiarbeit, die frühere Absicht (und auch der Wunsch seiner Frau) keiner Partei nahezustehen, geschweige denn einer beizutreten. Hätte sich unser Interviewer Gesprächstechniken der Psychoanalyse bedienen können, wäre ihm die Entstehungsgeschichte des Motivfeldes sichtbar geworden. Mit dem Eintritt in die Partei realisierte die Auskunftsperson an der Ehefrau und Familie eine Abwendung, die der autoritären Haltung ihrer Mutter golt. Heute allerdings hat die Parteizugehörigkeit für sie eine weltanschauliche Aufgabe. Stellen wir uns vor, wir hätten die Ausgangsbegründung allein ernst genommen. Wir hätten also nur ein rechtfertigendes Motiv gekannt. Seine Beeinflussungsnutzung wäre durch die Vielseitigkeit seiner Verankerung im Motivationsfeld zunichte gemacht worden. Erst die Kenntnis vieler Aspekte der Motivation läßt uns Konflikte erahnen, in unserem Beispiel etwa der Widerspruch zwischen familiärer Verpflichtung und dem Wunsch nach Unabhängigkeit. An solchen Konflikten können wir häufig erfolgreich einen Änderungsversuch ansetzen. Deshalb sollten wir in den Mittelpunkt unserer Kommunikationsplanung nicht ein einzelnes Motiv stellen, sondern immer Konflikte zwischen Motiven, allerdings Motive, die zu einer gemeinsamen Handlung bzw. Motivation gehören (z. B. zu dem Parteieintritt).
12. Die Beeinflussung der Motivation
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hatte als erster auf die Bedeutung von Konflikten im Neurose- und Verhaltensverständnis, sowie in der Beeinflussungstechnik hingewiesen (1896). Heute sind sie ein selbstverständlicher Zielpunkt in der therapeutischen Manipulation. Wir wollen uns im folgenden den psychoanalytisch orientierten Psychotherapeuten zum Vorbild nehmen und zusehen, wie er unter Ausnutzung der Konflikte seines Patienten diesem zu helfen sucht. Er setzt im Behandlungsablauf drei Schwerpunkte: (1) Bewußtmachung: Der Anlaß seines Kommens, die Konflikte (die ihn bewegen und vor allem seine Symptome speisen) und die Entstehung seiner Konflikte müssen dem Patienten zunehmend bewußt und durchsichtig gemacht werden. Damit schafft der Therapeut eine Bereitschaft zu weiterer Mitarbeit und Annahme von Hilfe. S. FREUD
(2) Konfliktlösung: Dem Patienten zeigen und ihn lehren, wie er angstfrei seine bisher unterdrückten Affekte entspannen kann (evtl. Verhaltenstherapie). Seine Befürchtungen und Einwände analysieren und ihn beruhigen. Diese Behandlungsperiode ist deshalb schwierig, weil sie in ihrer positiven Auswirkung leicht dazu führt, daß der Patient zufrieden die Behandlung abbricht. Dabei kann er erst als geheilt gelten, wenn er die dritte Periode absolviert hat. (3) Neuanpassung-. Mit dem Patienten neue Ziele finden und diese zu lebenswichtigen Aufgaben machen. Die Ziele in den bisherigen Lebensrahmen einfügen. Normen akzeptieren, Pflichten und Verantwortungen übernehmen lassen. Diesen drei Behandlungsperioden entsprechen (nach H . - J . HOFFMANN 1972) strategische Überlegungen in der beeinflussenden Massenkommunikation: es gibt bewußtmachende (zunächst konfliktsteigernde) Maßnahmen, quasi als Einleitung einer Motivationsbeeinflussung. Es gibt befreiende, entlastende, dämpfende Maßnahmen, meist, um Dinge als Mittel solcher Entspannungen aufzuweisen; und es gibt aufbauende, intensivierende Maßnahmen, die Normen verstärken, Pflichten sichtbar machen. Diese drei, sich ergänzenden Beeinflussungswege wollen wir uns im folgenden etwas ausfuhrlicher ansehen (vgl. Tafel 12—2). 12.4.2 Bewußtmachende Kommuniques
Das Bewußtmachen eines Verhaltens und seiner Hintergründe bedeutet immer eine vorübergehende Verunsicherung. Oft reicht dies allein aus, um ein Verhalten unwahrscheinlicher zu machen. Dies vorweg spürend oder erahnend wehrt sich der Angesprochene in der Regel gegen die Bewußtmachung. Er übersieht das Kommunique, überhört es, glaubt, es sei nur für andere bestimmt. Diesen Widerstand zu durchbrechen, wendet die Psychotherapie besondere Techniken an:
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Die Wirkung
Tafel 12-2. Psychoanalytische Strategien und ihre Zielfelder Ich: Intelligente Realitätsbewältigung Bewußtmachende (allgemeine Wirkung Kommuniques einer substitutiven Werbekommunikation)
Konfliktlösende kontrottentlastend Kommuniques jede imperative Aufsedative und ka- forderung: thartische „Nimm . . . " „Wähle . . . " Strategien
Über - Ich: Es: Befolgung von Pflich- Suchen nach Spiel, ten und Verboten Unterhaltung, Entspannung trieberhellend normerhellend Darstellung von Kon- Symbolische Deutuntrastnormen in ande- gen des Ausdrucksverhaltens ren Kulturen Diskussion normativer VerhaltensaufforderunProbleme an anderen gen unter dem Vorwand des Experimentes, des Neuen, des Fortschrittlichen triebverschleiernd oder normdämpfend Beschwichtigung von triebbefreiend Ängsten a) Abschirmen von triebhaften Drän„Gönn Dir was" gen (Kitsch) b) Miterleben: Sport, Film, Literatur c) Mitmachen: Sport, Versammlungen
normstärkend Harmonisierende kontrollstärkend Kommuniques Auskunft, Belehrung, Einbeziehung in eine Wertvorstellung: Erklärung intensivierende Krawattenmuffel jede Art von RealStrategien „Du kannst der information nächste sein" logisch-empirische Einwandbehandlung
triebbindend Bindung des Gegenstan des an einen oder mehrere Triebbereiche
— Das Bewußtzumachende wird dem Patienten im Rahmen einer anderen Nachricht mitgeteilt, die er gerne zur Kenntnis nimmt, die ihn z. B. bestätigt. — Der Widerstand wird mit der Gefahr verbunden, daß ihm Bestätigung entzogen wird (von der Bezugsgruppe oder einer wichtigen Beziehungsperson). Auf diese Weise hat der Patient zwischen Bewußtmachung und Bestätigungsentzug zu wählen. — Der Vorgang der Bewußtmachung wird zunächst auf Nebensächlichkeiten beschränkt. Dort wird ihm die Erfahrung vermittelt, daß das Bewußtmachen ein zunächst schmerzliches, dann aber sehr positives Erlebnis sei. Man verstärkt also das Bewußtmachungsverhalten. — Man fordert den Patienten auf, sich zu beobachten, Einfälle zu registrieren (evtl. zu Bildern, Träumen usw.), künstlerische Objekte zu gestalten. Diesen Eigenproduktionen kann er dann nicht mehr ausweichen und man kann sie benutzen, ihm seine Konflikte bewußt zu machen.
12. Die Beeinflussung der Motivation
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Diese wenigen Beispiele aus der psychoanalytischen Behandlungspraxis machen deutlich, daß die einleitende Periode einer Motivations- bzw. Konfliktbeeinflussung nur mit größten Schwierigkeiten über Massenkommunikationsmittel zu verwirklichen ist. Der Kommunikationsfachmann wird diejenigen ansprechen müssen, die ohnehin schon mit dem Gedanken spielen, ihren Konflikt zu bewältigen oder ihr Verhalten zu ändern. So wandte man sich zum Beispiel in einer „Kampagne gegen das Rauchen" (in „Bild der Wissenschaft") an die Personen, die sich das Rauchen abgewöhnen möchten. Diese Zielpersonen forderte man auf, ihr Rauchverhalten möglichst genau zu registrieren, also aufzuschreiben, wann eine Zigarette unter welchen Umständen geraucht wird. Mit der Befolgung dieser Aufforderung macht sich der Angesprochene genau diejenigen Verhaltensweisen und deren Regelhaftigkeiten bewußt, die es abzubauen gilt (siehe genauer S. 220 ff.). — In einer einfacheren Form haben wir die Bewußtmachungstechnik vor uns, wenn der Konsument aufgefordert wird, entgegen seiner bisherigen Gewohnheit einmal ein Konkurrenzprodukt auszuprobieren. Es werden vor allem diejenigen Kommunikanten reagieren, die mit ihrem bisherigen Produkt nicht mehr ganz zufrieden sind. Merken wir uns also, daß ein bewußtmachendes Kommunique vor allem dann wirksam sein wird, wenn es Adopter anspricht, die sich bereits in der Entfremdungsphase befinden. Je weiter die Angesprochenen von dieser Phase entfernt sind, desto anschaulicher muß ihnen gesagt werden, worauf sie achten sollen, auf welche Weise sie einen Vergleich durchfuhren und welche positiven Nachwirkungen sie erwarten können. Wenn es sich weniger um einen Eingriff in motivationale Konflikte handeln soll, sondern bereits um eine Verhaltenskorrektur, muß der Sender danach trachten, einen möglichst persönlich wirkenden Kontakt zur Zielperson herzustellen.
12.4.3 Konfliktlösende Kommuniques
Kann man damit rechnen, daß der Konflikt (in Form eines Problems) den Zielpersonen bewußt ist, können die ersten Schritte zur Lösung unternommen werden. Man wird erstens entlastende, Befriedigung versprechende Wege aufzeigen und zweitens dämpfend auf die Befürchtungen und Einwände einzuwirken trachten. Wenden wir uns zunächst der entlastenden Strategie zu, also den kathartischen Kommuniques. In einem kathartischen Kommunique werden vor allem Freizeitsituationen, von Pflichten befreite, normativ nur schwach kontrollierte zwischenmenschliche Beziehungen gezeigt. Gewiß kann jeder selbst etwas zur spielerischen Entlastung seiner Spannungen unternehmen, z. B. reisen, Sport treiben, flirten, Kreuzworträtsel raten, musizieren, lesen u. a. Doch viele Menschen sind nicht einfallsreich genug, haben nicht die Zeit, sind nicht aktiv genug oder stellen zu hohe An-
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Die Wirkung
Spruche, um geeignete Beschäftigungen finden zu können. Diesen Menschen gegenüber ist es strategisches Mittel der kathartischen Kommunikation, Befriedigungsmöglichkeiten vorzugeben und gleichzeitig den Kommunikationsgegenstand anzubieten. Damit hofft man, daß das Objekt, das Produkt, die Idee o. a. zur Zielvorstellung des zu entlastenden Motives wird. Im Umgang mit dem Gegenstand kann dann das unterdrückte Motiv imaginativ mitbefriedigt werden. Eine besondere Möglichkeit der Trieb- und Nonnentlastung bietet sich in der Nutzung der sogenannten Regression ( B . DEJUNG 1967). Der Kommunikant soll in eine vom Realitätsdruck entlastete Fantasiewelt fliehen können. Die Fluchtmöglichkeit in eine schönere Vergangenheit oder Zukunft kann thematisch festgelegt sein, wie etwa in der Nostalgie oder in den Heilsversprechungen religiöser oder politischer Utopien. Meist sind die angebotenen Regressionsmöglichkeiten anspruchsloser. Traumartige Visualisierungen sollen Entrückungserlebnisse ermöglichen; Ideen, Bilder, Formen sollen zusätzliche Projektionen gestatten; undeutliche Formulierungen und Darstellungen, aber auch Tier- und Zeichentrickfiguren sollen die Bereitschaft zur Regression unterstützen. In der Wirtschaftswerbung werden gern sexuelle Entlastungsfantasien mit regressivem Charakter geboten, z. B. in der geschlechtstypischen Interpretation von Produkten. Statt zu entlasten, wirken solche Kommuniques oft nur motivstärkend. Es sind nicht nur einzelne, konflikthaft unterdrückte Motive, sondern auch umfassende Daseinswünsche und Persönlichkeitsideale, die oft unbefriedigt bleiben und nun zur Verwirklichung angeboten werden; ein guter Mensch sein, fortschrittlich sein, erfolgreich sein sind Beispiele. Zur Realisierung solcher Wünsche werden Werbegegenstände (Produkte, Parteien) zu Idealpersönlichkeiten, zu symbolischen Leitbildern stilisiert, z. B. Peter Stuyvesant (P. MARTINEAU 1959 und R. BERGLER 1972). Ist die Persönlichkeitsstruktur des Kommunikanten bekannt, so sind seine Vorlieben gemäß dieser symbolischen Leitbilder statistisch voraussagbar. Korrelationen zwischen der Persönlichkeitsstruktur einerseits und verschiedenen Konsummöglichkeiten andererseits (Autotypen, Zigarettensorten) sind Belege dafür (Tafel 12—3). Allerdings beobachten wir die Korrelation nur dort, wo der Konsum Daseinsformen imaginativ realisieren hilft. Es muß im Konsumerlebnis ein Freiraum bleiben für die individuelle Selbstverwirklichung (vgl. die Produktwahltheorie von G. WISWEDE 1973, S. 141 ff). In einigen Lebensbereichen können wir damit rechnen, daß ein starkes Bedürfnis zur Kontrollentlastung besteht. Dort können wir durch eine imperative Botschaft die Kontrolle zu übernehmen trachten. Z. B. wird nach einem redundanzfreien Überangebot an Information imperativ der Handlungsweg gewiesen: Gebote, Patentlösungen, Rationalisierungen, aber auch Einlagerung der Idee in fremde Zusammenhänge (Politisches in einem Mathematikbuch). Alles dies funktioniert aber nur dann, wenn es ein persönlich unwichtiger Bereich ist, in dem gerne einem anderen die verantwortliche Entscheidung überlassen wird.
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12. Die Beeinflussung der Motivation
Tafel 12-3. Motivationale Themen und Konsum Den Zielpersonen (hier Zigarettenraucher) werden Karten vorgelegt, auf denen Lebensinhalte stehen. Sie sollen die Karten in eine Rangreihe bringen, die ausdrückt, wie wichtig ihnen die Themen sind. Außerdem müssen sie aus ihnen vorgelegten Zigarettcnschachteln sympathische und unsympathische Sorten aussuchen. In der folgenden Tabelle sind die Rangplätze mitgeteilt, die sich im Durchschnitt für die Bevorzuger der Marken ergaben. Das Themenangebot ist am GMT (O. W. HASELOFF) orientiert.
Beliebtheit, Kontakt Beruf, Arbeit Erfolg, Prestige Essen, Trinken, Vergnügen Familie, Kinder Freiheit, Ungebundenheit Geld, Besitz Gesundheit, Fitness Glaube, Kirche Lernen, Wissen Liebe, Sex Persönlichkeit, Wille Reisen, Spiel, Sport Schönheit, Mode, Kultur Zufriedenheit, Geborgenheit
Zigarettenmarken C A B 7 7 10 1 2 2 4 10 13 14 6 3 8 3 6 12 5 13 2 11 15 1 11 3 14 15 10 12 9 5 4 5 9 11 9 12 1 6 8 8 7 13 4 15 14
D 9 1 7 11 3 14 10 2 15 5 6 12 4 13 8
Derartige Durchschnittsrangreihen müssen mit Hilfe der Chi-Quadrat-Methode auf ihre Signifikanz geprüft werden. Hier ist die Rangreihe C nicht signifikant: die Varianz innerhalb der C-Raucher ist größer, als die Varianz gegenüber anderen Gruppen. Ein mit anderen Mitteln (Selbstbeurteilung) angegangenes Beispiel der Erarbeitung einer faktoriellen Rauchertypologie referiert R. BERGLER 1972, S. 121 f.
Es gibt viele Situationen, die für den Verbraucher unwichtig sind und in denen andere die Entscheidung abnehmen sollen (z. B. Schuhputzzeug). Für diese Konsumbereiche sind imperative Slogans nicht überredend (wie MöCKtLMANN und ZANDER behaupten), sondern entscheidungsersparend.2 Liegen aus konflikthaften Motivationen keine marschbereiten Motive vor, weil die hemmenden Anteile zu stark wirksam sind, wird man eher an eine dämpfende Strategie, also an sedative Kommuniques denken müssen. Außerhalb des sprachlich-symbolischen Bereichs sind kontrolldämpfende Praktiken seit alters her bekannt: Tanz, Alkohol sowie andere Rausch- und Suchtmittel, rote Beleuchtung, Weihrauch, Rituale, beeindruckende Aufmachung, aber auch Aufmärsche und Massenveranstaltungen. Alle diese Mittel wirken kontrolldämpfend und versetzen die Teilnehmer in einen hypnoseartigen Zustand. Sich wiederholende, 2
Es ist leider eine Tatsache, daß zu den unwichtig genommenen Lebensbercichen oft gerade solche gehören, die für die Gesellschaft lebenswichtig sind. Dies enthält die Gefahr der manipulativen Ausnutzung (wie die Geschichte zeigt) und gibt damit politischen Institutionen die Aufgabe auf, das Desinteresse an diesen Bereichen abzuwerten und mit massenkommunikativen Mitteln in ein Interesse zu verwandeln (vgl. Kapitel 12.5).
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Die Wirkung
monotone und stereotype Sprechweisen vertiefen diesen Zustand, der eine günstige Voraussetzung für Suggestionen ist. Schlagworte, plausibel klingende Redewendungen wirken in solchen Situationen selbst auf diejenigen Teilnehmer überzeugend, die andere logische Maßstäbe gewöhnt sind. Dies wissend, setzen Propagandisten diese manipulative Technik für politisch-weltanschauliche Ziele ein; Beispiele finden wir vor allem in Diktaturen. Doch so interessant und folgenschwer die kontrolldämpfende Strategie ist, sie benötigt andere Bedingungen, als sie für die in diesem Buch dargestellten Beeinflussungsmethoden bestehen. Agitatoren können jene dämpfenden Mittel auf ihre Zuhörer wirken lassen und sich an der unmittelbaren Resonanz ihrer Worte orientieren. Mit den unpersönlichen, riickkopplungsgestörten Mitteln der Massenkommunikation, also der Tagespresse, dem Rundfunk, dem Fernsehen, läßt sich die kontrolldämpfende Strategie nicht verwirklichen (weiter Kapitel 13). Eher lassen sich im Rahmen der Massenkommunikation triebdämpfende Strategien realisieren. Allerdings sind sie nur gegenüber solchen Trieben anwendbar, die bereits eingeschränkt, kanalisiert oder gar geleugnet werden. In unserer Gesellschaft handelt es sich um diejenigen Triebe, deren unmittelbare, unkontrollierte Befriedigung der Fähigkeitsentwicklung, der Leistungsentfaltung und dem Leben auf engem Raum im Wege stehen würde, also Sexualität, Hunger, Durst, Schlaf, Aggression. Triebdämpfende Strategien greifen in Konflikte zwischen Trieben und den sie kontrollierenden Normen ein. Der gekonnte Einsatz solcher Strategien bestimmt manchen Erfolg literarischer und filmischer Produktionen. In der Werbung wird zuweilen der gefühlshafte, symbolische Hintergrund von Kommuniques nach dieser Strategie konzipiert. Die Triebdämpfung wird dabei durch das geleistet, was man als Kitsch bezeichnet. Triebstimulierende Objekte werden bemäntelt, veredelt, verniedlicht. Die unmittelbare Lustquelle wird zugedeckt und andere Zielobjekte wirken so, als seien sie vergleichsweise leichter erreichbar. Sehnsüchtiges Tagträumen kann so an den Konsum von Substituten geheftet werden, zum Beispiel an das Rauchen einer bestimmten Zigarettenmarke. Normdämpfende Strategien beschwichtigen Schuldgefühle, Befürchtungen, Ängste, Einsamkeitsgefühle. Es geht hier um die Lösung einer Aufgabe, die auch in der Psychotherapie ein häufiges Anliegen ist. Es kann deshalb nicht verwundern, daß die normdämpfende Strategie von einem Psychoanalytiker auf die Werbung übertragen wurde. E. DICHTER (1961) hält das Nichtzuwenden einem Angebot gegenüber für den Angelpunkt jeder werblichen Überlegung: Das Nichtzuwenden interpretiert er nicht nur als eine Folge mangelnder Informiertheit oder rationaler Einwände, sondern auch als eine Auswirkung von (oft unbewußten) Konflikten und Hemmungen; vor allem die hemmende Wirkung von Uber-Ich-Motiven gilt es nach seiner Ansicht werblich zu vermindern. Deshalb sind seine Hauptzielpersonen immer die Adopter vor der Entscheidung.
12. Die Beeinflussung der Motivation
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Die beiden Werbeformeln: „Gönn Dir was" und „Mach's Dir leicht" deuten die beiden wichtigsten Richtungen normdämpfender Appelle an: Schuldgefühle gegenüber infantilen Ansprüchen (Riesenanspriichen) und gegenüber sozialer Passivität (Bequemlichkeit). In der Kindheit werden sie als Anpassung an gesellschaftliche Forderungen aufgebaut. Durch diese frühe Entstehung sind sie generalisiert. Die Werbung bemüht sich nun um eine Differenzierung: die Schuldgefühle sollen gegenüber leistungsfreien, individuellen Lebensbereichen gedämpft werden. Ungeklärt ist allerdings, wie weit sich generalisierte Hemmungen tatsächlich teilweise dämpfen lassen, ohne die für die Gesellschaft wichtige Gesamthaltung zu stören. Weitere Beßrchtungen, die man werblich zu beschwichtigen trachtet, sind: — der Gesundheit zu schaden und früh sterben zu müssen — der Geschlechtsrolle oder anderen Rollen nicht ausreichend zu entsprechen (Identitätsproblem) — nicht bestätigt zu werden (zu dick, zu jung, zu alt zu sein) und in Isolation zu geraten — nicht perfekt genug zu sein, nicht genug zu leisten und Minderwertigkeitsgefühle zu haben — in unüberschaubaren Situationen mit Scham, Zweifel und Unselbständigkeit zu reagieren. Zur dämpfenden Ansprache solcher Befürchtungen gehört es, daß sie von ihrer positiven Seite her angepackt werden. Man vermeidet die Auslösung der mit ihnen verbundenen Ängste; dazu ist ihre logische Einbettung in Verneinungen und Abwertungen nicht ausreichend (J. L. JANIS und S. FESHBACH 1969). Oft beruht der Widerwille gegen einen Kommunikationsgegenstand nicht nur auf früh erworbenen Abneigungen und Gewissensängsten, sondern auf später übernommenen Vorurteilen, Stereotypen und Fehleinstellungen. In diesen Fällen ist die Änderung des Widerwillens vor allem ein Problem der Einwandbehandlung, der Einstellungsänderung und der Imagestrategie.
12.5 Harmonisierung Mit bewußtmachenden und konfliktlösenden Kommuniques hatten wiT die endgültige Annahme eingeleitet. Jetzt nach der Annahme gilt es, das neue Wissen, die frisch erworbene Meinung, den Produktwechsel zu einer Gewohnheit zu machen.3 Bestehende Dissonanzen müssen abgebaut, das Über-Ich gegen das Alte mobilisiert und das Neue zur Routine gemacht werden. Dies läuft praktisch auf eine stabilisierende Beeinflussung hinaus. Den methodischen wie psychologischen Unterschied zwischen der die Annahme vorbereitenden Beeinflussung und der harmonisierenden Beeinflussung nach der Annahme sah LENIN bereits 1902. Er unterschied deshalb zwischen Agitation und Propaganda.
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Die Wirkung
Die Intensivierung der Steuerung und Kontrolle soll nun nicht mehr die Distanz zu sich, seinen Handlungen und Gefühlen erhöhen, sondern beruhigend wirken. Jetzt müssen Kommuniqués erklären, Einwände behandeln und vor allem Rechtfertigungen für die gefällte Entscheidung liefern. Man beschränkt sich auf gewohnte Gedanken, bleibt in der Sprache besonders dicht am Thesaurus der Zielpersonen. Sachinformationen dürfen nicht mehr im Übermaß gegeben werden, sondern wohldosiert, das Gefühl der Sicherheit und rationalen Orientierung vermittelnd. Das Neue muß zunehmend zur Stützung des Selbstbildes beitragen. Ein wichtiges Stück dieses Integrationsvorganges ist die Verankerung des Neuen in der normativen Steuerung: Begleitend zur spielerisch-konsumtiven Entspannung wird ein verpflichtendes Gefühl vermittelt. Die Gruppenzugehörigkeit wird beachtet, Gruppennormen werden befolgt. Der Umgang mit dem adoptierten Gegenstand gewinnt etwas überraschend Ernsthaftes selbst im spielerischsten Konsum. Es entsteht eben etwas Endgültiges mit dem Nimbus einer Norm. Es ist jetzt gefährlich, das Lächerliche hervorzuheben; noch nachträglich könnte es zu einer abwehrenden Reaktionsbildung kommen. Mit harmonisierenden Kommuniqués verstärken wir also normengebundenes konservatives Verhalten. Mit anderen Worten, wir stabilisieren immer zugleich eine Haltung, die als eine starke Barriere eine spätere werbliche Beeinflussung blockiert. Die harmonisierende Kommunikation bildet Quasi-Normen. Diese Quasi-Normen würden jedoch nicht diese erschreckende Toleranzlosigkeit haben, wie wir sie vor allem bei modischen Verhaltens- und Beurteilungsmustern beobachten, wenn ihre Stabilisierung nicht von einer anderen Seite unterstützt würde: von einer starken interpersonellen Kommunikation. Deshalb werden Botschaften an Harmonisierer immer deren interpersonelle Kommunikation berücksichtigen, eventuell sie sogar ein wenig zu steuern versuchen ( H . S C H N A B L 1970, K. H. H Ö R N I N G 1970, G . W I S W E D E 1972). Wir sollten daran denken, daß es gerade die Harmonisierer sind, die einen starken Einfluß auf die Kaufentscheidungen, den Markenwechsel u. ä. der Entscheider nehmen. Sie suchen selbst solche Gespräche, werden aber auch von anderen auf ihre noch ganz frischen Erfahrungen angesprochen. Ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit ist noch nicht Ausdruck einer Gewohnheit. Hinzukommt, daß sie in Bezug auf die Adoption von den Entscheidern als fortschrittlich, modern, als kompetent erlebt werden, also als Opinión leaders. Deshalb hat die massenkommunikative Beeinflussung der Harmonisierer eine doppelte Wirkung. Sie hilft ihnen selbst, eine positive Harmonisierung zu vollziehen ( K . - D . O P P 1968), spricht aber indirekt zugleich die Adopter in der Entscheidungsphase an und liefert diesen (über die Harmonisierer) zur Entscheidungsfindung geeignete Argumente (Abb. 12—7). Der zur Massenkommunikation vergleichsweise hohe Wirkungsgrad der inter-
12. Die Beeinflussung der Motivation
211
interpersonelle Kommunikation als / \ \ als Entscheidung sDvissonanzhilf minderung Entscheider ¥
x¥ Annehmer ::: v: Haimonisierer
: : : Anhänger
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harmonisierende Kommuniques
Abb. 12-7. Bedeutung harmonisierender Kommuniques für die Adopter 55 bis 70 % der Entscheider orientieren sich bei den Harmonisierern. Etwa bis zu 40 % der Annehmer führen ihre vorangegangene Entscheidung auf den Einfluß von Harmonisierern zurück.
personellen Kommunikation (vgl. KAAS 1973, S. 52 f) darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß es Faktoren wie Produktbeschaffenheit, Werbeargumentation, Geschäftsimage, Verkaufsgespräch, u. ä. sind, die die Argumente und Einstellungen liefern, mit denen in den rückkoppelnden Gesprächen diskutiert wird. Nur sind diese Argumente nun durch den Filter von Personen gegangen, die sie (aus Gründen der Selbstharmonisierung) transformiert haben. Sie sind nun einfacher, plausibler und vor allem aus ihrem Munde glaubhafter. Die Glaubhaftigkeit sich selbst gegenüber entsteht, weil man meint, man selbst sei auf diesen Betrachtungsaspekt gekommen. Dem anderen gegenüber ist es die Wertschätzung der Person, deren Ruf sich auf das von ihr Ausgesagte überträgt. Hinzu kommt, daß das Argument an den Gesprächspartner angepaßt wird und daß der es sich anhören muß. Die sonst so wirksame psychische Abwehr (vgl. S. 81 ff.) und selektive Wahrnehmungssperre werden also umgangen. Tafel 12-4. Motive für die interpersonelle Kommunikation Entscheider Risikominderung Vereinfachung der Entscheidungssituation Abschätzen der Nähe zur Idealerwartung Beruhigung von mit Zielnähe aufkommenden Zweifeln
Harmonisierer Prestigedemonstration Änderung der Selbstdarstellung Bestätigungsgewinn Abbau nachträglicher Zweifel Ausdehnung der Ichsphäre Abbau von Schuldgefühlen gegenüber bisherigem Substitut Verminderung der Befürchtung, andere könnten die Adoption belächeln, kritisieren o. ä.
212
Die Wirkung
Wir müssen in unseren Botschaften vorrangig den Harmonisierer ansprechen, aber dennoch nebenbei den Entscheider berücksichtigen. Stellen wir deshalb einmal ihre unterschiedlichen Motive nebeneinander (Tafel 12—4). Der Überblick zeigt, wie der Entscheider erst dabei ist, in die Motivationslage des Harmonisierers hineinzugeraten. Wahrscheinlich ahnt er dies, und deshalb ist er für die Gedanken und Argumente des Harmonisierers besonders aufgeschlossen: dieser hat das „Schicksal" schon fast bewältigt, das dem Entscheider erst bevorsteht. Außerhalb der beeinflussenden Massenkommunikation gibt es eine Beeinflussungstechnik, die sich darauf spezialisiert hat, Gesprächsstoff für die interpersonelle Kommunikation zu liefern: die diskutierbare Ereignisse schaffenden Public Relations. Sie sind eine Technik, relevante Ereignisse zu produzieren, die der Massenkommunikation Gelegenheit geben, beeinflussende Nachrichten zu formulieren. Abschließend ein Hinweis auf eine häufig benutzte, oft kritisierte, doch selten verstandene Seite der Harmonisierung, auf die endgültige motivationale Aufwertung des Gegenstandes mit Hilfe triebbindender Kommuniques. Diesen geht es nicht um die Vorführung von Befriedigungsmöglichkeiten mit Hilfe des Gegenstandes, sondern um die Fixierung eines Triebes an ihn. Der Gegenstand soll zu einer (wenn auch schwachen) Erregungsquelle des Triebes werden und dadurch eine besondere Stellung unter den Lustquellen des Individuums gewinnen.4 Es handelt sich um das, was Kritiker an der Werbewirkung als „Pervertierung" abgewertet haben, nicht erkennend, daß jede Gewöhnung (auch die an die Rolle des Kritikers) von einer solchen Libido-Besetzung begleitet ist. Machen wir uns den Sachverhalt an einem Beispiel klar: Eine Autofirma zeigt einen ihrer Wagen mit einer attraktiven jungen Dame. Wir erinnern uns, daß dies ein grober Fehler gegenüber den Adoptern vor der Annahme sein kann (Vampir-Effekt). Nicht so in der Harmonisierungsphase. Mit dem Betrachten der Anzeige von dem ja schon angeschafften Wagen wird ein (für den Wagen fremder) Trieb stimuliert. Im Sinne des Bedingungslernens (klassische Konditionierung, siehe Kap. 10, S. 157) kann bei ausreichend häufiger Wiederholung (mit wechselnden Reizen) der Wagen zu einem Auslöser (nur sehr schwach und unthematisch erlebter) sexueller Lust werden. Allerdings müßten derartige triebbindende Kommuniques häufig angeboten werden, zweitens müßte Sexualität eine nicht ausreichend befriedigte Motivation sein (Konflikt!) und drittens müßte der Angesprochene in einer Welt leben, in der es nicht genug liebenswerte Objekte gibt. All dies wird äußerst selten der Fall sein. Die harmonisierende Wirksamkeit triebbindender Kommuniques wird deshalb in der Regel 4
In diesem Zusammenhang gibt die von O. W. HASELOFF geforderte Unterscheidung von Befriedigung und Lust einen wichtigen theoretischen Hintergrund (1974, S. 124 f).
12. Die Beeinflussung der Motivation
213
weit unterhalb anderer stabilisierender Kommuniques und vor allem der interpersonellen Kommunikation bleiben.
12.6 Übung 12.6.1 Zusammenfassung
Uns gelingt eine realistischere Einschätzung der Motivation unserer Zielpersonen und deren Änderbarkeit, wenn wir keine isolierten Motive betrachten (und ansprechen). Für die beeinflussende Massenkommunikation sind solche Motive am interessantesten, die als [T] mit einander verzahnt sind. In der Ansprechstrategie solcher Konflikte orientiert man sich an psychotherapeutischen Techniken. Danach können wir drei sich ergänzende Beeinflussungsmaßnahmen unterscheiden: [2] . Sie lassen sich sinngemäß in die Massenkommunikation übertragen; nennen Sie bitte zu jeder Strategie ein Beispiel: [3]. Wenn wir Triebziele veredeln oder bemänteln wollen, wird sich der Gestalter wehren, [4] darzustellen. Eine kommunikative Ansprache der Harmonisierer trifft auch indirekt die [U . Diese haben folgende Motivation zur Orientierung an den Harmonisierern: [6] . 12.6.2 Aufgaben
(1) Sie haben in 12.3.2 eine große Zahl von Anzeigen gesammelt. Ordnen Sie diese nun der Tabelle 12—2 zu. Ergänzen Sie notfalls die Sammlung. (2) Analysieren Sie (und diskutieren Sie mit einem anderen) ein triebbindendes Kommunique (z. B. Plakat zur Seife Atlantik). Welche Voraussetzungen müssen bei den Zielpersonen erfüllt sein (für Frauen und Männer getrennt durchführen). Denken Sie an: Adoptionsphase, Konflikt, Einpassung in andere Harmonisierungsvorgänge, Variabilität der Triebansprache. 12.6.3 Literatur E. Dichter: Strategie im Reich der Wünsche. Düsseldorf 1961 siehe weitere Literatur in 12.3.3 Zur interpersonellen Kommunikation: J. Arndt: Methodisches Beispiel einer Untersuchung über Mundwerbung. In: Handbuch der Werbung 1970 O. W. Haseloff: Direkte Kommunikation und ihre Bedeutung fiir Meinungsbildung und Kaufentscheid. In: Handbuch für Direkt-Marketing. Gütersloh 1975 U] Konflikte. - [T] Bewußtmachung, Konfliktlösung und Neuanpassung. - [3] (vgl. Tafel 12-2). - g ] Kitsch. - [5] Entscheider. - [6] Risikominderung, Vereinfachung der Entscheidung, Abschätzen der Nähe zur Idealerwartung und Beruhigung aufkommender Zweifel.
214
Die Wirkung
13. Die Beeinflussung des Verhaltens
13.1 Entscheidung und Annahme Verhaltensänderung ist der unwahrscheinlichste Erfolg der Massenkommunikation. LENIN hatte schon recht, wenn er den Einfluß der Presse nicht hoch einschätzte; aber er wußte, daß sie ihre Schreiber auf die Einhaltung der Parteilinie diszipliniert. Also eine Verhaltensbeeinflussung, aber außerhalb der Massenkommunikation. Sprechen wir dennoch über die direkte Verhaltensbeeinflussung (zur Theorie siehe CHR. ROHR 1972), denn die Auftraggeber werblicher Unternehmungen sind in erster Linie an ihr interessiert. Entweder soll sich das Ziel des Verhaltens ändern (z. B. SPD-Wähler sollen FDP wählen) oder es soll sich sogar das Verhalten selbst ändern (z. B. Pkw-Besitzer sollen disziplinierter Auto fahren). Doch beides ist nie allein und direkt über die Massenmedien erreichbar. Vielmehr bedarf es eines umfassenden Marketing und in der Kommunikation der Realisation einer Reihe vermittelnder, zwischengeschalteter Kommunikationsziele. Deshalb sollte in jeder Werbeplanung das Kommunikationsziel ausdrücklich von der beabsichtigten Verhaltensänderung abgehoben werden. Dem Anfänger unterläuft leicht der Fehler, das zu beeinflussende Verhalten nicht genau genug abzugrenzen. Wenn zum Beispiel das „manipulative Zustandekommen eines kriegerisch-aggressiven Verhaltens" analysiert werden soll, so ist dies eine zu allgemeine Verhaltensbeschreibung, und der Hinweis, daß „die notwendigen Haßreaktionen durch systematische Propaganda und Gehirnwäsche" zustande gekommen seien, ist keine ausreichende Erklärung. Auch wenn eine so kurze Erklärung ein notwendiges deutliches Werturteil setzt, so ist sie doch zu undifferenziert, um dazu beizutragen, in der Zukunft solche Erscheinungen zu vermeiden. Das erste, was bei Aufgabestellungen dieser Art getan werden muß, ist eine Auflösung der Verhaltenskomplexe in eine Mehrzahl kommunikativ beeinflußter Gegenstände, also z. B. in Meinungen, Einstellungen, Haltungen, Bedürfnisse, Befürchtungen, Entscheidungen. Sodann muß geklärt werden, durch welche kommunikativen (oder anderen) Ereignisse diese Gegenstände bei welchen Bevölkerungs- bzw. Adoptergruppen beeinflußt werden. Dabei müssen die sozialen und psychischen Bedingungen berücksichtigt werden, unter denen die Beeinflussung erfolgt. Wir wollen dies hier nicht genauer ausfuhren. Aber der aufmerksame Leser wird erkannt haben, daß wir ganz an den Anfang dieses Buches und mithin auf eine mühevolle analytische Kleinarbeit verwiesen werden.
13. Die Beeinflussung des Verhaltens
215
Nach einer solchen Analyse bleibt schließlich ein kleiner, aber nun genau abgrenzbarer Rest, der diskutierbar ist. Für seine psychologische Betrachtung müssen wir drei Formen der Verhaltensbeeinflussung unterscheiden: (1) Zielsteuerung: Hier wird vorausgesetzt, daß der zu Beeinflussende bereits handelt: er kauft, wählt, arbeitet. Es geht darum, während der Handlung die Bevorzugung, die Entscheidung für eine Handlungsalternative (Substitut) sicherzustellen. Er soll in der Wahlkabine eine bestimmte Partei ankreuzen, er soll ein bestimmtes Produkt im Selbstbedienungsladen ergreifen, er soll während der Arbeit an einer Maschine einen bestimmten gefährlichen Griff unterlassen. Für diese Zielsteuerungen sind Maßnahmen am Ort, zum Beispiel am point of purchase erforderlich. Sie werden täglich von Promotionsfachleuten, Schauwerbedesignern und Verkäufern arrangiert. Für uns ist dies nur dann von Interesse, wenn massenkommunikative Maßnahmen diese Zielsteuerungen unterstützen sollen (vgl. Kapitel 13.2). (2) Verhaltensformierung: Hier geht es darum, daß ein bisher nicht vorhandenes Verhaltensmuster aufgebaut werden soll. Da soll die Vorsorgeuntersuchung besucht werden, Konsumenten sollen Preise vergleichen, sie sollen Krawatten tragen, sollen mehr lesen, sollen mehr Geld zur Bank tragen. Wir verlassen hier also endgültig den Bereich der substitutiven Werbung. Es kommt nicht auf Leitideen und enge Abgrenzungen gegen Konkurrenten an, sondern auf generelles Um- und Neulernen. Nur viele Leitideen und viele Lerntechniken zugleich können Verhalten evtl. geringfügig ändern. Am psychotherapeutischen Vorgehen können wir Techniken studieren, die direkt Verhaltensänderungen anzielen. Vor allem eine von ihnen dient der Verhaltensformierung: die Vorbildwerbung (Übertragungstechnik) und die mit ihr versuchte Einleitung einer Verhaltensverinnerlichung (vgl. Kapitel 13.3). (3) Verhaltensauslöschung: Bei ihr versucht der Sender, unerwünschtes Verhalten zu unterdrücken. Raucher sollen von ihren Rauchgewohnheiten befreit werden, junge Eltern sollen Erziehungsfehler unterlassen, Trinker sollen von ihrer Bindung an den Alkoholkonsum gelöst werden, Geschwindigkeitsfanatiker sollen zu rücksichtsvollen Fahrern gemacht werden. Abgeleitet von den Techniken der Verhaltenstherapie (L. BLÖSCHL 1974) bemüht man sich, über die Massenmedien eine programmierte Verhaltensschulung zu realisieren. Wie weit dies eine erfolgversprechende Vorgehensweise ist, wie weit man sie auf die Werbung übertragen kann, wollen wir in Kapitel 13.4 untersuchen.
216
Die Wirkung
13.2 Zielsteuerung bei Substituten Zur Zielsteuerung am Ort des Verhaltens bedarf es zunächst einmal einiger Maßnahmen, die für das Vorhandensein der gewünschten Alternative sorgen; z. B. muß das Produkt in ausreichender Menge angeboten werden. Deshalb ist eine vorbereitende Beeinflussung des Händlers notwendig. Hier ist Massenkommunikation kaum einsetzbar. Nur das persönliche Gespräch und andere direkte Kontaktformen (Werbebriefe, orientierende Treffen u. a.) führen zum Erfolg (ihändlerorientiertes Promotion). Für uns interessanter ist die kommunikative Steuerung des Zielsystems des bereits zur Handlung ansetzenden Käufers, Wählers usw. Die einzelnen Adoptionsphasen vor der Annahme sind also bereits durchlaufen, unser Substitut ist bekannt, es bestehen auch bereits differenzierte Vorstellungen, ein möglichst positives Image wurde entwickelt, und es nimmt einen positiven Stellenwert in der interpersonellen Kommunikation ein. Jetzt in der Phase des Annehmens soll mit Hüfe massenkommunikativer Aktionen das Handlungsziel auf das Substitut eingeengt werden. Die drei wichtigsten Maßnahmen sind die folgenden: (1) Es werden Nachrichten gebracht, die sich in die letzten Entscheidungen des Annehmers einpassen. Das werden in der Regel Nutzenüberlegungen sein. Deshalb müssen jetzt Preis- oder Qualitätsvorteile genannt werden. (2) Sind sich die Substitute in ihrem ökonomischen Nutzen sehr ähnlich, muß der Geßhlswert durch eine massive Werbung angehoben werden. Das Substitut soll in der Bekanntheitsskala den ersten Platz erreichen; das Bewußtsein, man kenne das Substitut besonders gut (kleinstes Entscheidungsrisiko), muß verstärkt werden; eine letzte Korrektur des Images ist vorzunehmen. Es handelt sich mit anderen Worten um Werbekommuniques, wie üblich, nur in massiertem, ruckartigem Einsatz, mit der Absicht, günstige Präferenzen zu schaffen (Vorsicht: Das Vorgehen erzeugt leicht ein reklamehaftes Image!). (3) Im ungünstigsten Fall interessiert sich die Zielperson nicht für die Art der Entscheidung. Hier ist nur auf das Bedürfnis einer Entscheidungsersparung zu hoffen. Deshalb versucht man der Zielperson die Entscheidung durch eine befehlende Ansprache abzunehmen (S. 206 f.). Insgesamt bieten diese Maßnahmen psychologisch nichts Neues, doch sei noch erwähnt, daß es Fälle gibt, in denen eine Ansprache über Massenmedien praktisch nicht möglich ist. Dann werden über Displays und Platzgestaltung diejenigen Maßnahmen erforderlich, die wir bei den Signalkommuniques bereits diskutierten (S. 127 f.). Die Wirkungsmessung solcher zielsteuernder Maßnahmen läuft darauf hinaus,
13. Die Beeinflussung des Verhaltens
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die Zahl der Wechsler zu bestimmen, die durch die Maßnahmen zum beworbenen Substitut übertreten. Die Anzahl derer, die ohne Zielsteuerung gewechselt hätten, läßt sich im Markt durch Befragung ermitteln. Eine Umrechnung (vgl. Tafel 13—1) zeigt dann, mit welchen Marktanteilen gerechnet werden kann. Die Werbemaßnahmen müßten die S-Werte (bzw. (S-GM)) signifikant korrigieren. Wir k ö n n e n bei einer solchen Betrachtung allerdings nie ganz sicher sein, daß die beobachtete Korrektur tatsächlich eine Folge unserer Maßnahmen ist. 1
Tafel 13—1. Prognose der Verhaltensänderung unter Kenntnis der Markentreue (N. L. ENRICK und W. SCHÄFER 1972) Matrix der Markentreue bzw. Verhaltensänderung: Heute gekauftes Produkt A B C Ursprünglich A bleibt bei A A -»• B A C B -* C gekauftes B B ->• A bleibt bei B Produkt C C->-A C B bleibt bei C Die Häufigkeiten in den verschiedenen Feldern lassen sich leicht so umrechnen, daß sie ganz bestimmten erwarteten Häufigkeiten von A, B und C entsprechen. Rechnet man dies für verschiedene Möglichkeiten durch, so gewinnt man einen Hinweis auf die wahrscheinlichsten Ereignisse. Das folgende Rechenschema zeigt, wie aus der Kenntnis der Wechselhäufigkeiten und der gegenwärtigen Marktanteile die zukünftigen Marktanteile bestimmt werden können: gegenwärtige Marktanteile GM
Prozentsätze der Wechsler (wie Matrix oben) W
(GM) x (W)
A 25 % B 45 % C 30 %
90 10 10
22,5 4,5 3,0
0,0 22,5 15,0
2,5 18,0 12,0
S= 30,0
37,5
32,5
100 %
0 50 50
10 40 40
100 % 100 % 100 %
Kontrollsumme
S-GM
25 % 45 % 30 %
+ 5,0 % - 7,5 % + 2,5 %
Die Rechnung ergibt, daß ohne zusätzlichen Eingriff der Massenkommunikation für B die Gefahr besonders groß ist, an Marktanteil zu verlieren. C hält sich wohl, muß sich aber auf eine stark fluktuierende Verbraucherschaft einstellen. Am stabilsten erweist sich A. Hinter diesen Ergebnissen verbirgt sich die Hypothese, daß die Verbraucher nach einem relativ stabilen Muster wechseln. Das kann so sein (das Verfahren wird es auch immer vortäuschen!), muß aber nicht. Für die Inhalte der Werbekommuniques wäre es nun wichtig, die jeweiligen Motive der Wechsler (für ihr Wechseln) zu kennen. Gerade darüber sagt diese Methode aber nichts.
Einen zusammenfassenden Überblick über Versuche, die Beeinflussungsauswirkungen auf das Käuferverhalten über Einstellungsänderungen usw. zu messen, geben J. N. SNETH 1972 und K. KOEPPLER 1974).
218
Die Wirkung
13.3 Verhaltensformierung über Identifikation und Verinnerlichung Verhaltensformierung erreicht man über die Vermittlung eines neuen Rollenwissens und eines geänderten Rollenverständnisses (Vorbildwerbung). Man geht dabei von der Erkenntnis aus, daß psychische Teile nie isoliert für sich stehen, sondern immer einem umfassenden System zugehören. So gehört das zu ändernde Verhalten zu einer jeweiligen Rolle ( K . - D . OPP 1970). Ändert man die Rolle (z. B. ein modebewußter Herr), so ändert man auch das zu ihr gehörende Verhalten (z. B. Tragen einer Krawatte). Durch die Darstellung von Personen, ihren sozialen Rollen und Situationen wird das neue Wissen veranschaulicht. Man hofft nun auf Identifikation, auf das Akzeptieren der abgebildeten Personen als Vorbild oder gar Leitbild, auf ihre Nachahmung; man hofft, daß das nachgeahmte Verhalten verstärkt wird, daß es also zur Introjektion (Verinnerlichung) kommt. Das neu erlernte Wissen um die Rolle soll demnach ausprobiert werden, das soziale Umfeld und Massenkommunikation sollen dabei verstärkend wirken und es soll so zur angestrebten Verhaltensänderung kommen. Die schwächste Stelle dieser Beeinflussungstechnik ist die Hoffnung auf Nachahmung. Bereits in einem sehr frühen Konzept der Werbung wurde angenommen, daß die Werbewirkung auf einer Ansprache des Nachahmungstriebes beruhe (K. MARBE), daß ein Trieb also die Ursache für Nachahmung sei. Heute wissen wir, daß es sich nicht um einen Trieb handelt, sondern daß es eine große Zahl auslösender, determinierender Bedingungen gibt. So tritt spontane, zur Verinnerlichung führende Nachahmung immer nur dann auf, wenn frustrierende oder fordernde Dauersituationen eine schwierige Anpassungsleistung abverlangen. Hierzu gehört zum Beispiel die Gewöhnung an die altersentsprechenden sozialen Rollen und ihre Befriedigungsmöglichkeiten ebenso wie die Entwöhnung von ihnen. Dazu gehören weiter Anpassungsleistungen an die Ansprüche und Forderungen der Eltern, Geschwister, Klassenkameraden, Ehepartner, der eigenen Kinder, der Kollegen, aber auch Anpassungsleistungen an Personengewinne und -Verluste. Die dabei auftretenden negativen Erlebnisse, wie Angst, Depression, Schuldgefühle werden zugunsten einer Einfügung in die Gemeinschaft in Kauf genommen, vor allem um Bestätigungsentzug zu vermeiden. Auf diese Weise entsteht eine innere Verhaltenskontrolle. Psychoanalytiker nennen sie das Über-Ich und beschreiben sie als eine antreibende, hemmende, bestrafende Instanz. Diese Verhaltenskontrolle bestimmt nicht nur das normative Verhalten, sondern auch Lebensideale, Selbstakzeptanz und Frustrationstoleranz. Mit dem Über-Ich sind wir mehr oder weniger gut vorbereitet auf die Übernahme von sozialen Aufgaben und Rollen (zur Psychologie der Identifikation siehe: w. GOTTSCHALCH 1973, G. GÜTTNER 1972, w. JAIDE 1968, H. THOMAE 1966 und W. TOMAN 1965).
13. Die Beeinflussung des Verhaltens
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Wollen wir in der beeinflussenden Kommunikation die Neigung nutzen, Probleme durch Identifikation und Verinnerlichung ( A . B A N D U R A 1969) zu lösen, so gilt es zu berücksichtigen, daß unsere Zielpersonen gelernt haben, bestimmte Personenmerkmale und Gruppenbezüge als Identifikationsobjekte zu bevorzugen oder auch zu meiden (Vertrautheit des Vorbildes). Hiermit hängt zusammen, daß das Selbstideal ein verläßlicher Maßstab für die Eignung des Vorbildes zur Identifikation ist ( R . BERGLER 1972). Wenn wir in unseren Botschaften Vorbilder benutzen wollen, so müssen wir neben dem Selbstideal, dem Selbstbild auch frühere Identifikationsobjekte der Zielpersonen in Rechnung stellen. Die gewählten Vorbilder müssen den bestehenden Gruppenerwartungen entsprechen. Darüber hinaus sollte die Werbekommunikation zu einem Lebensbereich gehören, in dem die Zielpersonen gewohntermaßen ihre Probleme mit Hilfe von Identifikation lösen (und nicht mit einem anderen Abwehrmechanismus). Haben wir sodann ein (auch nach den Maßstäben der Bezugspersonen) geeignetes Vorbild gefunden, so muß es, wie in der Realität, dem Empfänger in einer miterlebbaren Situation begegnen. Je eher ein Medium bewegte Illusionen auslösen kann, desto erfolgversprechender ist es. Ob es dann allerdings tatsächlich zur Verinnerlichung des dargebotenen Verhaltens kommt, ist vorwiegend von der Dauer und Häufigkeit der Identifikationsmöglichkeiten, aber genauso von der Reaktion der Mitmenschen abhängig. Deren Anspruchsniveau, vorgeführt in spontanen Äußerungen, werden die Entscheidung beeinflussen. Sehen wir uns Kommuniques an, in denen Personen als Vorbilder wirksam werden sollen, so unterscheiden sich diese in nichts von sonstigen Personendarstellungen. Gewiß handelt es sich immer um Menschen, die in irgend einer Hinsicht Vorzüge aufweisen. Aber Vorbilder? In der Tat, es ist mit dem Vorbild wie mit dem Image. Beides existiert nur in den Köpfen der Empfänger. Es ist von der Motivation des Empfängers abhängig, ob die abgebildete Person als Vorbild wirken kann. In welchen Lebenssituationen können wir mit der Identifikation und Übernahme bestimmter Eigenheiten des Vorbildes rechnen? Es sind immer Aufforderungen, Zwänge, Konflikte aus den zwischenmenschlichen Beziehungen, zu deren Lösung ein Vorbild herangezogen wird. Meist geht also die Motiviertheit zur Identifikation auf die normenbildenden Bezugsgruppen oder auf Schwierigkeiten bei der Anpassung an die gegenwärtigen Vergleichsgruppen zurück. Da muß die Alters- oder Geschlechtsrolle verändert werden, eine neue Berufsrolle bereitet Schwierigkeiten oder auch die Erhaltung der bisherigen Berufsrolle, da bestehen Konflikte zwischen attraktiven Lebensthemen wie Selbständigkeit oder Geborgenheit, zwischen Abenteuer und Sicherheit, zwischen Privatleben oder Berufserfolg, zwischen risikoreichen Erfolgschancen und der Vermeidung von Mißerfolgen usw. Andere Konflikte ergeben sich in ähnlicher
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Die Wirkung
Weise immer aus dem Bewältigungsversuch von Ängsten, zum Beispiel vor Einsamkeit, vor Bestätigungsverlust, vor Schuldgefühlen, vor Bloßstellungen, vor der Gefahr, einen wichtigen Wunsch nicht befriedigen zu können, etwa kein Kind zu bekommen, keinen Ehepartner zu finden, sich nie ein Auto leisten zu können, sich nie von der Bevormundung einer Beziehungsperson lösen zu können usw. Der Werbegegenstand und die Art des Konfliktes entscheiden gemeinsam über das günstigste Alter des Vorbildes. Im allgemeinen muß es etwas älter als der Schnitt der Zielpersonen sein, damit es in glaubhafter Weise die Konfliktbewältigung vorführen kann (vgl. Abb. S. 63). Das Aussehen des Vorbildes wie auch seine Äußerungen sollten vieldeutig genug sein, um persönliche Ausdeutungen zuzulassen, so daß der Empfänger sich nicht mit dem dargestellten, sondern mit dem von ihm erlebten Vorbild identifizieren kann. Im religiösen und politischen Bereich finden wir ausgeprägte Beispiele. Die Akzeptanz und Bewunderung der anderen erleichtert die eigene Identifikation, es werden vielfaltig interpretierbare Weisheiten formuliert, Probleme werden mit plausiblen, aber anspruchsvoll klingenden Patentlösungen abgedeckt. Man sollte ihr Verhalten beobachten können, aber nur so weit es im Umfeld der Identifikationsproblematik liegt (der Konflikt des Angesprochenen ist wichtiger als der des Vorbildes). Zuwendungen zum Empfänger müssen sehr intensiv und persönlich wirken. Ein Rückbezug auf Persönliches oder gar auf die Institution (Firma) sollte vermieden werden. Formulierungen wie „ich", „wir", „uns", „man" sind am Empfänger vorbei formuliert. Die Neigung, sich nicht mit der vorgeführten Person, sondern mit ihrer Ausdeutung zu identifizieren, rechtfertigt den Einsatz von Tieren, Puppen oder Zeichen trickfiguren, meist humorvoller Art. Es kommt bei ihnen nicht darauf an, daß man sich mit der ganzen Figur und ihrem Leben identifizieren kann, sondern mit einem bestimmten nun meist übertrieben dargestellten Aspekt, etwa der Ungeduld des HB-Männchens, der Selbstsicherheit des Käpten-Nuß, der Bedürftigkeit nach Hilfe und Zärtlichkeit bei babyhaften Tiergestalten. In all diesen Fällen reicht die Identifikation nicht aus, um Verhalten zu ändern. Sie dient nur der assoziativen Zuordnung von Gegenständen zu gefühlshaften Selbstdeutungen; es handelt sich um Image-Werbung. Der Vorgang der Verinnerlichung dagegen bedarf des tatsächlichen, wenn auch nur probierenden Handelns und der Reaktion von Beziehungspersonen.
13.4 Programmierte Verhaltensauslöschung Alle bisher diskutierten Formen der beeinflussenden Massenkommunikation stellen zu den Zielpersonen keine wechselseitige Kommunikation her. Aber
13. Die Beeinflussung des Verhaltens
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gerade darum bemüht sich die programmierte Verhaltensauslöschung.2 Die Änderung oder gar Auslöschung des Verhaltens wird in sehr kleine, genau überschaubare Schritte zerlegt. Über den jeweils erreichten Verzicht bleibt man mit dem zu Beeinflussenden in Kontakt und kann so die nächste mögliche Änderung abschätzen. Dabei stellt die Anpassung des Nachrichtenaustausches an den Einzelnen das Hauptproblem dar. Während die bisher diskutierten Formen der beeinflussenden Kommunikation ein Bedürfnis nach Information voraussetzen, damit eine Meinungsänderung, Selbstbildänderung usw. möglich wird, knüpft die programmierte Verhaltensauslöschung an ein Bedürfnis zur Verhaltensänderung an, etwa nicht mehr rauchen zu wollen, keinen Alkohol mehr trinken zu wollen. Ohne dieses Bedürfnis ist die programmierte Verhaltensauslöschung machtlos. (In dem Beispiel Anm. 2 meldeten sich 13.000 Raucher; von ihnen hatten 87 % bereits vorher versucht, das Rauchen aufzugeben; nach 5 Wochen beendete nur jeder 25. das Programm). Eventuell von einer Vorbildwerbung unterstützt, muß das Bedürfnis aktualisiert und von dem zu Beeinflussenden so genau wie möglich präzisiert werden. Man fordert ihn also auf, sein Änderungsziel eindeutig zu formulieren, und hofft, daß er seine Absicht laut in seiner Umgebung, mindestens aber schriftlich gegenüber dem akzeptierten Sender verkündet. Will der zu Beeinflussende nun nicht in einem schlechten Licht dastehen, ist er gezwungen, etwas für dieses Ziel zu tun. Der nächste Schritt nach der Absichtsbekundung besteht in einem Bewußtmachen des bisherigen Verhaltens (siehe Kap. 12, S. 203 f.). Es soll also ein starkes Verhaltensbewußtsein erzeugt werden. Dies geschieht dadurch, daß man den zu Beeinflussenden auffordert, sein Verhalten zu beobachten und genaue Notizen über das Beobachtete anzufertigen. Damit wird zweierlei erreicht: (1) Dem zur Automatik erstarrten Verhalten wird seine Selbstverständlichkeit genommen; es gewinnt ein wenig seine Labilität und Entscheidungsabhängigkeit zurück, die einmal für seine Adoptionszeit charakteristisch waren. (2) Das Verhalten wird verunsichert. Denn ein Verhalten, das unter Selbstbeobachtung abläuft, wird von den zusätzlich notwendigen Kontrollvorgängen gestört. Es treten Mißerfolge und Unlusterlebnisse auf, die zur Auslöschung des Verhaltens beitragen. Allerdings können sie auch die Absicht, das Verhalten zu ändern, lückgängig machen. Die Absichtsbekundung und die Bereitschaft zur Selbstbeobachtung lassen sich gut über Massenkommunikationsmittel anregen und kontrollieren. Dabei kann der zu Beeinflussende durchaus den Eindruck haben, ihm werde ganz indivi2
Als Beispiel zum folgenden siehe: G. KIESSLER-KRAUSE: Lernprogramm. In: Bild der Wissenschaft. Mai 1973 und April 1974 (Kampagne gegen das Rauchen).
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Die Wirkung
duell geholfen. Schwieriger wird dies bei dem folgenden dritten Schritt. Es muß mit ihm eine erste Verhaltenseinschränkung verabredet werden. Er sollte sie selbst festlegen. Dazu kann ihm zweierlei geraten werden: (1) Er solle zunächst das Verhalten in einer Situation unterdrücken, in der es ohnehin nicht regelmäßig auftritt, oder in einer Situation, die ihm nicht allzu wichtig ist. (2) Er solle die Menge des zu unterdrückenden Verhaltens so gering wählen, daß er es unter allen Umständen schaffen kann, aber auch so groß, daß es ihm einige Anstrengung kostet. Während der Durchfuhrung dieser ersten Verhaltenseinschränkung wie auch in der Folgezeit lauft die Selbstbeobachtung weiter. Die Selbstbeobachtung gibt — vor allem in dieser ersten Zeit - der Person das Gefühl, es tatsächlich schaffen zu können. Sie vermittelt also eine Art Selbstbestätigung. Nach einer Zeit, die eigentlich individuell abgeschätzt werden müßte, erfolgt eine zweite Verhaltenseinschränkung usw. Soweit möglich sollte jeder gelungene Verzicht (z. B. der Verzicht auf das Rauchen vor dem Frühstück) durch eine Belohnung, Bestätigung oder Anerkenung gefestigt werden. Eventuell lassen sich dazu Angehörige gewinnen. Doch wird dies nur selten vom Massenmedium her arrangierbar sein. Deshalb sollten dem zu Beeinflussenden Ratschläge gegeben werden, die ihm helfen, seinen Verhaltensveizicht leichter zu ertragen (Dissonanzminderung): (1) Der zu Beeinflussende soll selbst andere auffordern und anleiten, ihr Verhalten zu ändern (dazu Informationen über eine begleitende Werbung liefern); (2) Er soll die Verhaltensänderung gemeinsam mit einem anderen unternehmen (Partnerkontakte über Massenmedien herstellen); (3) Er soll öffentlich das Verhalten, das er bei sich selbst bekämpft, bei anderen abwerten und kritisieren; umgekehrt soll er andere für das Verhalten, das er selbst gewinnen will, bestätigen (die notwendigen Formulierungen über Massenmedien liefern; kritische Haltung später rückgängig machen!); (4) Er soll andere Personen, die das abzubauende Verhalten zeigen, vorübergehend meiden und häufiger mit gleichgesinnten Personen zusammen sein; (5) Dem zu Beeinflussenden sind Ersatzhandlungen vorzuschlagen. Diese sollen die Abgewöhnungszeit überbrücken helfen; sie müssen also eine ähnliche Befriedigung wie das alte Verhalten liefern oder zumindest dazu geeignet sein, die durch die Unterdrückung entstehende innere Unruhe abzuleiten. Niemals ist die Ersatzhandlung zum zentralen Thema der Abgewöhnung zu machen! (Ersatzhandlungen später abbauen). Diese Empfehlungen spiegeln zugleich eine Schwierigkeit wider, die bei jeder Verhaltensbeeinflussung auftritt: Ein sich änderndes Verhalten zieht die Änderung anderer Verhaltensabläufe nach sich. Es ist das gleiche Verankerungsproblem, das wir bei der Meinungsbeeinflussung kennenlernten. Nur ist es gegenüber einem Beeinflussungsversuch noch blockierender. Oft sind die Verhaltensformen, die wir zu ändern wünschen, Teile von sozialen Interaktionen. Ändern wir das Verhalten, so ändern sich auch die zwischenmenschlichen Beziehungen.
13. Die Beeinflussung des Verhaltens
223
Der Sender müßte dies für den zu Beeinflussenden dadurch erträglich zu machen suchen, daß er ihm in dieser Verhaltensfrage eine wichtige Beziehungsperson wird. Doch gerade dies ist der beeinflussenden Massenkommunikation kaum möglich. Soviel zur programmierten Verhaltensauslöschung. Die Grenzen, die ihrer Durchführbarkeit gesetzt sind, machen ähnlich wie die Schwierigkeiten bei einer wirkungsvollen Vorbildwerbung deutlich, daß die Verhaltensänderung kaum Hauptaufgabe der beeinflussenden Massenkommunikation sein kann. Ihre Mittel und der Ort ihrer Einflußnahme sind allein nicht geeignet, eine über Wissens- und Meinungsänderung hinausgehende Verhaltensformung zu bewirken. Kommunikationsstrategien richten sich auf Wissen, Meinungen, Images, Bedürfnisse. Sie können nur dasjenige fördern oder hemmen, was sich bereits unter den Menschen ausbreitet. Aber diese Begrenztheit der Kommunikationswirkung sollte uns nicht in einer ungerechtfertigten Sicherheit wiegen. Massenkommunikation ist auch in dieser Beschränktheit gefährlich genug. Wir haben es mit einem Instrumentarium zu tun, dessen Einsatz einer ständigen inneren und äußeren Kontrolle bedarf. Diese Kontrolle kann nur derjenige erfolgreich durchführen, der erstens den Nachrichteninhalt für den Sender und Empfänger kompetent beurteilen kann und der zweitens die Wirkungsweisen der Massenkommunikation kennt.
13.5 Übung 13.5.1 Zusammenfassung
Bei der direkten Beeinflussung des Verhaltens mit Hilfe der Massenmedien müssen drei Formen der Beeinflussung unterschieden werden: Q] . Wollen wir einem Substitut zu einer günstigeren Präferenz verhelfen, so müssen wir im Vergleich zur Konkurrenz [2] . Neue Verhaltensmuster formieren wir am ehesten über [3]. Damit unsere Zielpersonen bereit sind, sich zu identifizieren, müssen bei ihnen folgende Voraussetzungen gegeben sein: [4] . Geht es dagegen darum, bestehende Verhaltensgewohnheiten zu eliminieren, so bedienen wir uns der [J]. Ihre Einflußnahme läuft in mehreren aufeinander folgenden Phasen ab: [6]. Der einsetzende Abbau des Verhaltensmusters erzeugt Dissonanzen. Sie können durch folgende Maßnahmen gemindert werden: 0 . 13.5.2 Aufgaben
(1) Wählen Sie zwei Werbespots des Fernsehens aus. Ihr Geschehen sollte von je einer Person getragen werden. Schildern Sie möglichst genau die sozialen Rollen dieser Personen (es werden mehrere je Person sein). Was ge-
224
Die Wirkung lingt diesen Personen besonders gut? A c h t e n Sie dabei nicht nur auf das v o m Gestalter gemeinte Hauptgeschehen. Wie müssen Zuschauer motiviert sein, damit sie sich m i t diesen Personen identifizieren? Wer wird sich gegen diese Identifikationsmöglichkeit besonders wehren? Was m ü ß t e n die sich identifizierenden Empfänger tun u n d erleben, damit sie b e s t i m m t e A s p e k t e des Vorbildes ( w e l c h e ? ) verinnerlichen? E n t w e r f e n Sie eine weitere Maßnahme, die diese Verinnerlichung bestätigen k ö n n t e ( w i e d e r u m unter B e n u t z u n g eines Vorbildes).
(2)
N e h m e n Sie sich n u n z u m A b s c h l u ß n o c h einmal Ihre Lösung der A u f gabe 0 . 5 . 2 vor. A n d e m A u s m a ß der n u n n o t w e n d i g e n Korrekturen werd e n Sie ablesen k ö n n e n , m i t w e l c h e m Erfolg Sie dieses B u c h gelesen haben.
13.5.3 Literatur A. Bandura: Principles of behavior modifikation. New York 1969 A. Hermanns: Sozialisation durch Werbung. Düsseldorf 1972 K. H. Hörning: Ansätze zu einer Konsumsoziologie. Freiburg 1972 F. Klix: Information und Verhalten. Berlin 1971 Ch. Rohr (Hergb.): Verhaltensänderung. München 1972
[T] Zielsteuerung, Verhaltensformierung und Verhaltensauslöschung. - [2] Preis- und Qualitätsvorteile nennen, das Image anheben und eine Entscheidungsabnahme anbieten. - |T| Vorbildwerbung (Identifikation). - [4] Sie müssen ungelöste soziale Konflikte und Anpassungsschwierigkeiten haben und die aktuelle oder eine vergangene Bezugsgruppe muß eine Lösung über Identifikation nahelegen. - [3] programmierten Verhaltensauslöschung. - [6] Anknüpfung an ein Bedürfnis zur Verhaltensänderung, Erzeugung eines starken Verhaltensbewußtseins, schrittweise Verhaltenseinschränkung und belohnende Verstärkung der Unterlassung. - [7] Selbst bei anderen zur Verhaltensauslöschung beitragen; sich mit anderen solidarisieren; sich öffentlich zur Unterlassung des früheren Verhaltens bekennen; Personen meiden, die noch das abzubauende Verhalten zeigen; evtl. Ersatzhandlungen.
14. Anhang 14.1 Anmerkung zur Definition von Kommunikationswirkung „Kommunikationswirkung" war und ist heute noch in der Massenkommunikationspraxis ein vieldeutig benutztes Wort. Je nach dem Rahmen (z. B. dem Marketingziel) oder nach den Hoffnungen der Auftraggeber (z. B. dem Umsatz) wird unter „Wirkung" etwas anderes verstanden. In dem vorliegenden Buch beziehen wir „Kommunikationswirkung" immer auf Diffusionsprozesse. Dieser Bezug gibt die Möglichkeit, den Begriff zu operationalisieren. Wie eine solche operationalisierte Betrachtungsweise aussehen würde, wollen wir im folgenden kurz anreißen: Diffusion bezeichnet die Ausbreitung eines Gegenstandes in einem Personenkreis. Dieser Gegenstand kann zum Beispiel die Erinnerung an etwas, ein bestimmtes Wissen, eine Einstellungsänderung, die Benutzung einer Einrichtung oder der Kauf eines Produktes sein. Durch die Kontakte zwischen den Personen als Gruppenmitglieder, Nachbarn, Passanten usw. aber auch durch Besprechungen in der Presse, im Fernsehen usw. breitet sich der Gegenstand aus. Man weiß von ihm oder akzeptiert ihn oder nimmt ihn in Besitz. Die Anzahl derer, die das Objekt im Sinne des Gegenstandes adoptiert haben, wird der jeweilige Diffusionsstatus DS zum Zeitpunkt t genannt. Wir schreiben DS%, wenn wir DS in Prozent des angezielten Personenkreises ausdrücken. Massenkommunikative Kampagnen unterstützen oder hemmen, beschleunigen positiv oder negativ Diffusionen. Die Abb. 14—1 bis 14—4 zeigen die Einflußmöglichkeiten kommunikativer Kampagnen. Während also Diffusionen eine eigene, zunächst unbeeinflußte Geschwindigkeit haben 1 , kann ein massiver Versuch der Einflußnahme auf sie eine beschleunigende Kraft ausüben. Ein DS
i
11' Abb. 1 4 - 1 . Positiv beschleunigender Einfluß auf eine Diffusion 1
DS
Abb. 1 4 - 2 . Bremsender Einfluß auf eine Diffusion
Diese Geschwindigkeit ist von den Kosten, dem wirtschaftlichen Ertrag, kurz: dem Vorteil (Nachteil) des Gegenstandes, seiner normativen Akzeptierbarkeit, seiner Verständlichkeit und Einfachheit, seiner Vergleichbarkeit und seiner Mitteilbarkeit abhängig; hinzu kommen konkurrierende etablierte Gegenstände (J. M. BOHLEN u. a. 1972).
226
14. Anhang
DS
DS
N
N
DS DS
•a Abb. 1 4 - 3 .
Positiv beschleunigender Einfluß auf eine rückläufige Diffusion
Abb. 1 4 - 4 .
Bremsender Einfluß auf eine rückläufige Diffusion
Maß für diese kommunikative Kraft K einer Kampagne2 kann nur in ihrer Wirkung gefunden werden, also in der durch sie bewirkten Beschleunigung b. Sicher wäre es falsch, die Kraft der Beschleunigung gleichzusetzen. Denn ein und derselbe kommunikative Aufwand kann verschiedenen Gegenständen und Personenkreisen gegenüber sehr unterschiedliche Beschleunigungen erzeugen. Aber die Kraft ist der Beschleunigung proportional: (1) K =w •b Den Proportionalitätsfaktor w können wir uns durch folgende Überlegung deuten: Nehmen wir an, die Kraft K zweier Kampagnen wäre gleich groß, aber wir würden im zweiten Falle eine dreimal so große Beschleunigung erzielen, also 1. Kampagne: Kt = w! • bi oder Ki = 3 • 1/3 = 1, 2. Kampagne: K2 = w 2 • b 2 oder K2 = 1/3 • 3 = 1. Demnach drückt w den Widerstand aus, den der Gegenstand (und seine Verankerung im sozialen Feld) dem Erreichen einer gleich großen Beschleunigung entgegensetzt; in der zweiten Kampagne würde der Widerstand nur ein Drittel des Widerstandes in der ersten Kampagne sein. Um Gegenstände (oder Personenkreise, soziale Felder) hinsichtlich ihres Widerstandes vergleichen zu können, bedarf es der Definition eines Einheitswiderstandes. Vermutlich muß dieser für psychologisch verschiedene Gegenstände getrennt festgelegt werden. Die Beschleunigung b kann aus den Zuwachsraten von DS in aufeinander folgenden Zeiteinheiten (z. B. Wochen) ermittelt werden. Am Ende t e der Kampagne können wir ablesen, welche kommunikative Arbeit A geschafft wurde. Der Diffusionsstatus müßte auf ein neues Niveau gehoben (oder gedrückt) worden sein. Im ungünstigsten Fall haben wir trotz größter Kraftanstrengung keine Niveauverschiebung erreicht, unsere Arbeit war gleich Null. In einem anderen extremen Fall mit einem Minimum-Aufwand werblicher Art, etwa einer PR-Nachricht an die Presse, ergab sich eine große Niveauverschiebung; aber unsere Arbeit war wieder gleich Null, da wir keine kommunikative Kraft angewandt hatten. Es ist also die Kommunikationsarbeit gleich dem Produkt aus kommunikativer Kraft und der erzielten Niveauverschiebung: (2) A = K • A DS 2
K ist eine beschreibende Größe und kein direkt beobachtbarer Sachverhalt.
227
14. Anhang
Diese Formel folgt der Voraussetzung, daß die Kraft K während der Verschiebung konstant war. Dies wird im allgemeinen nicht der Fall sein (wenn man sich auch zur Abschätzung der Arbeit mit dem Produkt aus finanziellem Aufwand und dazugewonnenen Adoptern begnügen wird). Man muß daher die Kommunikationsarbeit als ein Wegintegral der Kraft auffassen. itrmnmTTTll^^ A = / K dDS
DS a
DSe
DS
Abb. 1 4 - 5 . Wegintegral der Kraft
Schließlich mag es aus Vergleichsgründen zweckmäßig sein, die Leistung von Kampagnen zu analysieren. Sie stellt sich als Ableitung der Arbeit nach der Zeit dar: (3) Leistung = dA / dt Für den Fall einer konstant einwirkenden Kraft ist die Leistung gleich dem Differential der Niveauverschiebung nach der Zeit. Können wir sogar die Arbeit als konstant auffassen, so gilt (3 a) Leistung = A / (t e — t a ) oder (3b) Leistung; Kosten • neugewonnene Personen Zeitraum der Kampagne Diese Andeutungen mögen genügen. Sie zeigen, zu welcher Art von Betrachtung wir geführt werden, wenn wir einer operationalisierten Definition von „Kommunikationswirkung" folgen. Diese Betrachtungsform hat den Vorteil, daß sie nur kontrollierbare, eventuell sogar experimentell prüfbare Aussagen zuläßt. Sie bildet bei ihrer rigorosen Verwirklichung einen Makrorahmen, in den sich die psychologischen Analysen des individuellen Verhaltens wie eine „Atomtheorie" einfügen lassen.
14.2 Psychologische Prüf listen Kommunikationsfachleute haben häufig aus Termin- und Finanzgründen Schwierigkeiten, alle Probleme und Wirkungsmöglichkeiten ihrer Kampagnen zu überprüfen. An die Stelle korrekter, wissenschaftlicher Untersuchungen treten gedankliche Analysen und Versuche mit kleinen Gruppen. Nur für diesen Zweck sind die im folgenden referierten Prüflisten gedacht. Sie haben die Aufgabe, dabei behilflich zu sein, die Nachrichtenrealisation, die Botschaft noch einmal (an Hand eines Entwurfes) systematisch zu überdenken und — wenn die Möglichkeit besteht — zu untersuchen. Die Listen entstanden in Seminaren der Hochschule der Künste (Fachbereich 5) Berlin in Zusammenarbeit zwischen Herrn Prof. G. JEDERMANN und dem Verfasser. 14.2.1 Prüfliste für Anzeigen
Die hier folgende Liste ist sinngemäß auch auf andere Formen der beeinflussenden Massenkommunikation übertragbar, also z. B. auf TV-Spots.
228
14. Anhang
Bevor Sie mit der psychologischen Untersuchung und Beurteilung der Anzeige beginnen, klären Sie bitte ihre 0. Angemessenheit 0.1 Wird die Anzeige als eine angemessene Möglichkeit erlebt, gerade diese Nachricht so zu übermitteln? (Befragung verschiedener Zielpersonenkreise) 0.2 Sind Nebenwirkungen zu befürchten? a) inhaltlicher Art (werden z. B. unnötig Rollen und Vorurteile stabilisiert? ) b) gegenüber nicht gemeinten, also falschen Mitempfängern (evtl. Prüflisten bei einer Gruppe solcher Mitempfänger anwenden) Erst wenn man sicher ist, daß die entworfene Anzeige, die angemessene Form der Nachrichtenübermittlung darstellt, sollte man die folgende Prüfliste anwenden: 1. Wahrnehmung 1.1 Welche Gefühle und Einfälle löst die Anzeige im ersten Moment ihrer Betrachtung aus? (Tachistoskop; Anbietzeit 1/500, 1/125, 1/30 und 1/8 sec; verschiedene Empfängergruppen) 1.2 Wie lange dauert es, bis die Aussagen zutreffend erkannt werden? (wie 1.1, jedoch auch längere Zeiten) 1.3 In welcher Reihenfolge und Intensität werden die Anzeigenteile betrachtet, aufgefaßt und gedanklich verarbeitet? (wie 1.1, evtl. Kamera, nur als Ausweg: Selbstbeobachtung oder Beobachtung anderer; Variation der Motivation) Versuchen Sie visuelle Barrieren aufzufinden (Lesewiderstand, negative Assoziationen, ungünstige Anordnungen u. ä.) 2. Image 2.1 Affektive Erregung bei der Betrachtung der Anzeige? (Psycho-galvanische Hautreaktion; Pupillenreaktion) 2.2 Welches Image hat die Anzeige? (Polaritätsprofil; vgl. Tabelle 2 - 1 und Abb. 2 - 1 ) 2.3 In welchen Erlebnisdimensionen weicht das Anzeigenimage ab vom bestehenden Gegenstandsimage, vom Imageideal des Gegenstandes und vom Image konkurrierender Anzeigen und ihrer Gegenstände? (wie 2.2) 2.4 Welche Gestaltungseigenarten der Anzeige erklären die in 2.3 ermittelten Abweichungen? (experimentelle Variation von Lay out, Bild, Schrift, Wortwahl, Farbe; Methode wie 2.2) 3. Textwirkung 3.1 Welche Argumentationsstrategien werden benutzt? (auszählen: begründend, behauptend, veranschaulichend, ins Ungewöhnliche oder Humoristische verschiebend, symbolisierend, befehlend, moralisierend) 3.2 Wirkt der Textinhalt verständlich oder unverständlich? (Lassen Sie den Text der Anzeige von Zielpersonen einmal kurz durchlesen und auf folgenden Skalen beurteilen:
14. Anhang
einfach gegliedert kurz, prägnant sympathisch
229
+2 +2 +2 +2
+1 +1 +1 +1
0 0 0 0
-1 —1 —1 —1
-2 —2 —2 —2
kompliziert zusammenhanglos weitschweifig unsympathisch)
4. Motivationale Wirkung 4.1 Welche vordergründigen und welche symbolischen Motivansprachen finden in Bild und Text statt? (vgl. Abb. 1 2 - 1 bis 1 2 - 6 ) 4.2 Welche motivationale Strategie wird in der Anzeige verwirklicht? (vgl. Tafel 1 2 - 2 ) 4.3 Welche motivationalen Themen begünstigen oder hemmen die Beschäftigung mit der Anzeige und ihre Akzeptanz? (Legen Sie Zielpersonen eine Themenliste zur Selbstbeurteilung vor (vgl. Tafel 12—3); prüfen Sie die Korrelationen mit den Reaktionen auf die Anzeige) 5. Lemwirkung und soziale Durchsetzung 5.1 Mit welcher Häufigkeit wird was von der Anzeige behalten werden? (repräsentative Befragung: Erinnerungswert, Wiedererinnerungswert) 5.2 Mit welcher Stärke wird in welcher Richtung welche Einstellung geändert werden? (Fragebogenmethode; experimentelles Befragungsschema; evtl. Benutzung von Einstellungsskalen) 5.3 Welche Adoptionszustände werden unter dem Einfluß der Anzeige am ehesten zu Gunsten des nächsten aufgegeben? (Fragebogenmethode, Kreuztabulierung) (5.2 und 5.3 können mit der EFA abgeschätzt werden) 5.4 Ist die Zuwachsrate in der angezielten Diffusion größer als sie ohne die Anzeige wäre? 14.2.2 Prüf liste für Packungen
Bevor Sie mit der psychologischen Untersuchung und Beurteilung der Packung beginnen, klären Sie bitte ihre 0. Angemessenheit für Umwelt- und Verbraucherinteressen 0.1 Wird die Packung von dem Verbraucher als angemessen erlebt? (Material, Volumen, Ausstattung; Befragung verschiedener Zielpersonenkreise) 0.2 Wurden bei der Konzeption des Produktes und seiner Verpackung die Erfordernisse des Umweltschutzes berücksichtigt? (Expertenbefragung; Stiftung Warentest. Verbraucherbefragung) Wenn die Klärung dieser Fragen zu einer angemessenen Gestaltung der Packung im Sinne der Umwelt- und Verbraucherinteressen geführt hat, können die folgenden Fragen beantwortet werden: 1. Wahrnehmung 1.1 Welche Gefühle und Einfälle löst die Packung im ersten Moment ihrer Betrachtung aus? (wie oben: Prüfliste fiir Anzeigen)
230
14. Anhang
1.2 Wie lange dauert es, bis der Inhalt der Packung zutreffend erkannt wird? (wie oben) 1.3 Wird die besondere Produkteigenschaft bei einer spontanen Wahl unter konkurrierenden Packungen bestätigt? (Schnellgreifbühne; 2 sec.) 2. Image 2.1 Welche affektive Erregung löst die Packung bei ihrer Betrachtung aus? (wie oben) 2.2 Welches Image hat die Packung? (wie oben) 2.3 In welchen Erlebnisdimensionen weicht das Packungsimage ab von dem idealen Produktimage, von dem bestehenden Markenimage und vom Image der konkurrierenden Produkte? (wie oben) 2.4 Welche Gestaltungseigenarten der Packung erklären die Abweichungen? (wie oben) 3. Textwirkung 3.1 Wirkt der Textinhalt verständlich oder unverständlich? (wie oben) 4. Motivationale Wirkung 4.1 Welche motivationalen Themen begünstigen oder hemmen die Wahl der Packung? (wie oben) 5. Umgang mit der Packung 5.1 Welche Probleme sind mit der Handhabung der Packung verbunden? (Befragung oder quasibiotisches Experiment) 5.2 Welche Probleme sind mit dem Dauergebrauch der Packung verbunden? (Befragung) 5.3 Welche Probleme treten bei der Beseitigung der Packung auf? (Befragung; Expertengutachten (vgl. 0.2)) 5.4 Wird die Packung weiterverwandt oder läßt sie sich für eine Weiterverwendung umgestalten? (wie 5.3) 14.2.3 Literatur R. Beigier: Dimensionen der Werbemittelanalyse, in: Marktpsychologie. Bern, Stuttgart, Wien 1972 H . - J . Hoffmann und G. Jedermann: Fragen an die Packung. In: Format 60, 1976 H . - J . Hoffmann und G. Jedermann: Fragen an die Anzeige. In: Format 58, 1975
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14.4 Glossar Abwehrmechanismus: Verhalten, das der Bewältigung von Konflikten dient; z. B. Projektion, -»• Identifikation, -> Reaktionsbildung. Adoption: Annahme eines Gegenstandes (z. B. Produkt, Meinung, Mode) durch eine Person. Adoptionsprozeß: Abfolge verschiedener Adoptionsphasen: Kennenlernen, Entscheiden, Annehmen, Gewöhnen (1.1). aided recall: Verfahren der Erinnerungsmessung; der Versuchsperson werden Erinnerungshilfen gegeben; fuhrt zum sogenannten ->• Wiedererinnerungswert. Akkuranz (Wiederholungsgenauigkeit): Sauberkeit, mit der ein Meßinstrument mißt; statistische Signifikanz. Aktualgenese: Entstehungsprozeß eines Wahrnehmungs- oder Vorstellungsbildes während des Empfangs (7.3). Assoziationstest: Testverfahren, bei dem die Vpn. zu einem vorgegebenen Wort, Bild oder Satz Einfälle produzieren müssen. band wagon effect: Mitläufereffekt. Bezugsgruppe: eine Gruppe, mit der sich ein Individuum identifizierte) und der es sich anpaßt(e). briefing: kurze Darstellung aller Daten und Überlegungen aus der Planung einer kommunikativen Kampagne, um z. B. dem Gestalter seine Aufgabe zu erläutern. Bumerang-Effekt: im entgegengesetzten Sinne einer Meinungsbeeinflussung reagieren, um der Beeinflussung nicht nachgeben zu müssen. Codierung: Verschlüsselung. Content-Analyse (Inhaltsanalyse): quantitative Analyse des Inhalts eines Mediums. demografische Merkmale: stat. Merkmale von Befragten (z. B. Geschlecht, Alter, Schulbildung, Einkommen, Ortsgröße). Detektion: Suchen nach Information (7.1). Diffusion, Diffusionsprozeß: Ausbreitung, Ausbreitungsprozeß (0.2 und 14.1). Diffusionsgegenstand: der von der Werbebotschaft zu beeinflussende Gegenstand einer Diffusion: z. B. eine Meinung, die Einstellung zu einer Partei, eine Kaufgewohnheit (0.2). Einstellung: Intensität und Richtung der Bewertung eines Meinungsgegenstandes (3.2). Erinnerungswert: Prozentzahl der Erinnerer eines Kommuniques in einem bestimmten Medium (10.3).
14.4 Glossar
243
Erstanmutung: die am Beginn einer ->• Aktualgenese auftretenden Gefühle (7.3). Experiment: Untersuchung einer Hypothese; bestimmte Bedingungen werden systematisch verändert, um ihre Auswirkung auf eine andere zu prüfen. Faktorenanalyse: statistisches Verfahren, das Zusammenhänge (Korrelationen) zwischen Beobachtungsdaten ordnet und interpretiert. Feldforschung: Untersuchung eines Sachverhaltes unter natürlichen Bedingungen. Frustration: als Versagung erlebte Situation. gatekeeper: Person, die die Zuträglichkeit von Meinungen für eine Gruppe bewacht und die Meinung lanciert oder unterdrückt. Gegenstand: Abkürzung für -»• Diffusionsgegenstand oder Nachrichtengegenstand. Gegenstandsdiffusion: (im Gegensatz zur Nachrichtendiffusion) diejenige Diffusion, die durch Massenkommunikation beeinflußt werden soll (0.2). Gestalt: Begriff der Wahrnehmungspsychologie. Er betont die über die bloße Reizaddition hinausgehende Strukturiertheit und Bedeutungshaltigkeit des Wahrgenommenen. Harmonisierung: letzte Phase des Adoptionsprozesses; Abbau von -*• kognitiven Dissonanzen, die aus der Annahme (z. B. dem Kauf) stammen (12.5). Identifikation: Abwehr eines Konflikts durch das Erleben fremden Verhaltens(absichten) als eigenes Verhalten(sabsicht). Wird das Verhalten dabei gelernt, so spricht man von Verinnerlichung oder Introjektion (13.3). Image: Gesamtheit der gefühlsmäßigen Einfalle, die ein bestimmter Personenkreis zu einem Ding, einer Person oder einer Gruppe hat. Imagination; imaginativ: Einbildungskraft; in der Vorstellung. Impact: Erinnerungs- und Bewertungswirkung einer Werbemaßnahme (10.3). Indikator: ein als Anzeiger für ein komplexeres Phänomen benutzter meß- oder zählbarer Sachverhalt. Informationsgehalt: Maß für die Neuigkeit, die Überraschung eines Nachrichtenelementes (5.1). Informationswert: Verhältnis von Gewinn zu Kosten für den Empfänger einer Nachricht (5.3). Innovation: Neuerung (2.3). Inokulation: Impfung, schützende Vorbereitung auf eine Beeinflussung (3.5). Intention: Gerichtetheit, Ziel einer Motivation oder Handlung. intentionierender Einfluß: eine Zielvorstellung vermitteln für eine Motivation. Interaktion: zwischenmenschliche Handlung. interpersonelle Kommunikation: zwischenmenschlicher, meist mündlicher Nachrichtenaustausch (12.5).
244
Introjektion (Verinnerlichung):
14.4 Glossar
Identifikation.
Katharsis: psychotherapeutische Technik, bei der man den Patienten unkontrolliert berichten läßt, mit der Absicht, ihm ein Stück Abreaktion (und Selbsterkenntnis) zu ermöglichen (12.4). kognitive Dissonanz: konflikthaftes Sichwidersprechen gedanklicher Elemente. Kommunikant (Rezipient): Empfänger. Kommunikator: Sender; Auftraggeber; Planer, Gestalter und Übermittler von Nachrichten. Kommunique: Botschaft; gestaltete Nachricht (0.3). Konditionierung: Bedingen; eine Erfahrung bewirkt, daß ein ursprünglich neutraler Reiz verhaltenswirksam wird (klassische K.), oder daß ein spontanes Verhalten mit größerer Wahrscheinlichkeit auftritt (operante K.) (10.1). Korrelation: Wechselbeziehung; statistischer, nicht ursächlicher Zusammenhang. Leitbild: eine Person, die anderen als Verhaltensmaßstab dient und deren Erwartungen und Verhaltensweisen übernommen werden (->• Identifikation, -> Vorbild) (13.3). Lernen, Lernvorgang: Erwerben oder Verändern von Wissen, Einstellungen oder Verhaltensgewohnheiten (10.1). Marketing: Unternehmenspolitik, in der alle Maßnahmen am Absatz, am Markt und an den Kunden orientiert werden. metrische Skala: eine Skala, der eine Maßeinheit zugrunde liegt. Motiv: gedanklich isolierte Bedingung in einer
Motivation.
Motivation: Gesamtheit aller inneren und äußeren Bedingungen und Ereignisse, die ein Verhalten antreiben, ausrichten und gestalten (12.1). Nachbild: das nach der Reizeinwirkung nachklingende Wahrnehmungsbild. Nachrichtendiffusion: Ausbreitung einer (beeinflussenden) Nachricht (0.2). Neophilie: alles Neue bevorzugend (1.2). opinion leader: Einführer von Meinungen, Bevorzugungen, Abneigungen (1.2). Persönlichkeit: bewertungsfreies, empirisches Bild von den Eigenschaften, Fähigkeiten, Gewohnheiten u. a. eines Menschen. Polaritätsprofil (semantisches Differential, Eindrucksdifferential): Verfahren zur Messung eines -> Images (2.3). Population: endliche Grundgesamtheit. Präzision (Treffgenauigkeit, Validität): Verläßlichkeit, mit der ein Meßinstrument das mißt, was es zu messen vorgibt. Projektion: Abwehr eines Konfliktes durch das Erleben eigener zum Konflikt gehörender Wünsche oder Befürchtungen bei anderen Personen, Gruppen oder Objekten.
14.4 Glossar
245
promotions: Maßnahmen (meist außerhalb der Massenkommunikation), die direkt Verhalten (z. B. Kaufen, Wählen) beeinflussen sollen (13). proved recall: Prüfung des tatsächlichen Empfangs eines Kommuniques an der Kenntnis des Inhalts. public relations (Abk.: PR): absichtliche Erzeugung von Ereignissen, um den Bekanntheitsgrad und das Image aufzubessern (12.5). Reaktionsbildung: Abwehr eines Verhaltensanreizes durch betont entgegengesetztes Verhalten. Recall-Verfahren (Erinnerungstest): Verfahren zur Messung der Erinnerung an ein Kommunique (-»• aided recall, Impact-Test von Emnid, proved recall). Recognition-Verfahren (Wiedererinnerungstest): Verfahren zur Messung der Wiedererinnerung eines Kommuniques (z. B. Starch-Verfahren, Anzeigenkompaß von Infra-Test). Redundanz: Weitschweifigkeit (6.1). Regression: Abwehr der Anforderungen der gegenwärtigen Situation durch Vereinfachung und Rückbildung des Verhaltens (12.4). Rejektion(sprozeß): Verwerfung, Zurückweisung; negativer ->• Adoptionsprozeß (1.1). Rezipient: Kommunikant, Empfänger. Rolle: Erwartungen, die eine Gruppe an den Inhaber einer Position richtet. Sättigung: durch gleichbleibenden Reiz auftretende Unfähigkeit zur Auffassung (entsprechend bei Handlungen). Selektion: Auswahl; Prozeß des Auswählens. Signifikanz: Genauigkeit (-• Akkuranz), mit der ein Meßergebnis einen Schluß von der Stichprobe auf die Population zuläßt. Stereotyp: öffentliches, stark vereinfachtes Vorstellungsbild (3.1). Stichprobe: jeder zur Untersuchung anstehende Teil einer Grundgesamtheit. Kann sie als ein Modell der Grundgesamtheit angesehen werden, nennt man sie eine repräsentative St. stochastisch: zufällig. Substitut: Ersatzgegenstand; z. B. eine Seifenmarke unter vielen, eine Partei unter vielen. Suggestion: Befehle und Handlungsanweisungen an eine Person, die sich in einem Zustand verminderter Selbstkontrolle befindet (z. B. in der Hypnose). Tachistoskop: Gerät zur kurzzeitigen Darbietung eines Kommuniques (7.4). Tesaurus: Wissensschatz. Übertragung:
Identifikation mit der ->• Projektion einer Rolle.
unthematische Information: Information eines Kommuniques, die nicht zum
246
14.4 Glossai
sachlichen Inhalt beiträgt, sondern nur betont, bewertet, Gefühle stimuliert (6). Validität (Gültigkeit, Treffgenauigkeit):
Präzision.
Variable: in Zahlen übersetzbares, veränderliches Merkmal. Verdrängung: Abwehr eines Konfliktes durch (vorübergehende) Unterdrückung des einen Motivs durch andere Motive. Verinnerlichung: (-• Identifikation). Verstärkung: Bekräftigung; zusätzlicher Reiz, der die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Reaktion erhöht (10.1). VL: Versuchsleiter. Vorbüd: in einem Kommunique vorgeführte Person, die den Idealen der Zielpersonen entspricht (-* Leitbüd) (13.3). Vp, Vpn: Versuchsperson(en) Wiedererinnerungswert (Wiedererkennungswert): Prozentsatz der Medienbenutzer, die bei Vorzeigen des Kommuniques dieses wiedererinnern (Recognitions-Verfahren). Zielpersonen (Zielgruppe): diejenigen Personen, die von einem Kommunique der Massenkommunikation beeinflußt werden sollen.
14.5 Sachregister Ablehner 32, 85, 185 Abwägen vor d. Adoption 23, 27, 42 Abwehr von Nachrichten 8 1 - 8 4 , 128 Adopterrollen 2 7 - 3 2 , 40f. Adoption, Annehmen 24, 42, 211, 214ff. Adoptionsbeginn 28f. Adoptionsprozeß 2 1 - 2 7 , 157ff., 197, 208ff. Adoptionsstatus 79, 152 ästhetische Information 1 1 5 - 1 1 8 Aktualgenese 129-135, 146 Akzeptanz 151-154, 176-180 Angst 179, 209 Antrieb 192, 200 Anzeigenanalyse 98ff., 227ff. Argumentation 49, 57, 83f., 91, 154, 197, 206, 209, 211 Auffälligkeit 141f. Auffassungsgeschwindigkeit 14 lf. Aufforderung 185f., 192 Aufmerksamkeit (sweckung) 128, 146f. Aufstauchung (sphase) 39f. Autoritarismus 73f. Bedarf 29, 185 Bekanntmachen 47, 98ff., 216 Betrachtungsdauer 139, 144 Betrachtung (-sverlauf) 130, 136-145 Bewußtmachung 203ff., 221 Bewußtseinslagen 192 Bezugsgruppe 66f., 83, 151, 173f., 219 Büd 9 Iff., 102ff. Blickverlauf 137 Botschaft 16, 8 9 - 1 2 4 , 146 Bumerang-Effekt 175 Denken (vgL Kognition) 146-155 Detektion 125ff., 159 Diffusion 13, 34, 185, 225f. Diffusionsbeschleunigung 56f. Diffusionsgegenstand 21 Diffusionshelfer 31 Diffusionsniveau, -status 33f., 225 EFA 61/65 9 7 - 1 0 2 , 105, 169f. Einführer 30f., 37f., 40, 47f. Einstellung 65ff., 172ff. Einstellungsänderung 151, 173ff., 217 Einstellungsmessung 6 7 - 7 0 , 175 Empfang 92f., 104, 109, 125-155, 159f. Erinnerungswert 1 6 7 - 1 7 1 Erkennungszeit 140ff. Erstanmutung 129-135 Erstübernehmer 29f., 47f.
Erstverwender 30 ethische Informationen 1 1 9 - 1 2 3 Faktorenanalyse 68, 95f., 98f., 116f., 119f. Festinger-Formel 183 Fragen an den Psychologen 18f. Furchtappelle 179, 209 Gag 83, 128 Gatekeeper 30, 45 Gedächtniswirkung 163-168 Gefühlswirkung (siehe Image) 115ff., 129ff., 216 Gegenwerbung 86f. Gestalter, Gestaltung 118, 120ff., 130f„ 137f., 165f„ 178f. Glaubwürdigkeit 118, 151 ff. Gruppe 42f., 63, 140, 179f. Harmonisierer 49f. Harmonisierung (sphase) 24f., 28, 42, 181ff., 186, 2 0 9 - 2 1 3 Hemmungsansprache 196, 208f. Ich-Nähe 152f. Idealerwartungen, -image 29, 50f., 53, 122, 183f. Identifikation 98ff., 218ff. Image 50ff., 116-119, 127, 134, 150f., 152, 183-187, 216, 220 Impact-Modell 47 imperative Ansprache 206f. Induktor 30 Information 106-124, 138 Informationsfluß 107ff. Informationsgehalt 106ff. Informationswert 61 f., 109f. Informieren 98ff., 131 Inhalt 90, 128 Innovation 17f., 47f., 55f. Innovator 29 Inokulationstechnik 83f. Interessen 23, 78, 126, 135, 192 interpersonelle Kommunikation 30, 41, 4 2 - 4 5 , 79f„ 21 Off. Jugendliche 85f„ 180 kathartische Strategie 204ff. Kennenlernen 22f., 27, 42 Kinder 86 Kitsch 117, 208 Kognition 146-154 kognitive Dissonanz 25, 181-186, 222 Kommunikationsarbeit und -vergnügen 80f., 182 Kommunikationsgewohnheiten 61, 7 7 - 8 4
248 Kommunikationsplanung 160ff. Kommunikationstrategien 17, 96ff., 203ff. Kommunikationswirkung l l f f . , 34, 37, 121 f., 156ff., 225ff. Kommunikationsziel 14f., 17f., 202 Kommunique Botschaft Konditionierung 157 Konfliktansprache 201-213, 219f. Konservative 32, 78, 120, 210 Konsumententypen 74f. Konsumpionier 29f., 78 Kontaktwahrscheinlichkeit 141, 159 Lebensbereiche 80f., 120, 207 Leitbild 206 Lernen 156-171 logistische Funktion 35 Lückentest 138 Majorität 31 f. Markentreue, -Wechsel 54, 217 Massenkommunikation 77 -, Kritik u. Kontrolle der l l f . , 61, 85ff., 121f„ 209 Medien 77, 127 Medienkontakt 43, 78ff. Medienselektion 16, 7 7 - 8 1 , 125ff. Meinungsbeeinflussung 172-190 Meinungsführer 30f., 40, 45, 78, 210 Meinungsgegner 32, 85, 185 Mitempfänger 8 4 - 8 7 Mode 12, 118, 182f. Motiv, -ansprache 192ff., 201f. Motivation 7 0 - 7 6 , 99, 125f., 131, 139, 142, 147, 157, 185, 191-213, 219 Motivforschung 71ff., 193, 198f. Nachrichtenmeider 39, 74f., 82f. Nachrichtensucher 39, 74f. Neophile, Neophilie 25, 29f., 74 Neueinführung 47f. Nischentheorie 53f., 58 Opinion leaders ->• Meinungsfuhrer Packung 118, 131, 229f. Polaritätsprofil 50f. Prestigeführer 30 PR-Maßnahmen 47, 63, 141, 212 Probierer 30, 39 Prognose 188ff., 217 Projektion 72, 139 Psychoanalyse 196, 202ff., 218 Psychologie 11 Reaktionszeit 139f., 143f. Redundanz 113ff., 138
14.5 Sachregister Regression 62, 99, 206 Rejektion 22, 25f., 40, 56f., 205 Risikobereitschaft 74f. Rollen 2 7 - 3 2 , 40f„ 78, 120, 126, 218ff. Schulbildung 28, 78, 125 Selbstbild, -ideal 186, 219 selektive Wahrnehmung 126f. sleeper effect 151 Soziogramm 44 Soziometrie 43f. Sparen 73f. Status 28 Stereotyp 62ff., 173 Substitut 18, 5Of., 55f„ 196ff., 215ff. substitutive Diffusion 39 Suggestion 98f., 194, 208 symbolische Kommunikation 193, 195f., 206 Tachistoskop 132-135, 149 Teasing - Technik 141 Tendenzmaße 70 Testverfahren 72ff. Text 90f., 98f„ 102f„ 131, 138f., 149ff. Themen, motivationale - 147ff., 194ff., 199, 207 Toleranz 175f., 182, 210 Tradition 57 Triebansprache 195f., 200, 208, 212 Two-step-flow 39, 45 Typen 52, 74, 75, 176f., 207 Übernahmeverteilung 26 unbewußt, unterschwellig 192ff. unthematische Information 113-124, 148 Verhaltensbeeinflussung 2 1 4 - 2 2 3 Vermeidungsverhalten 74f., 82f. Verständlichkeit 62, 113f., 121, 148, 149-151 Verstehen 146-154 Verzicht 22 lf. Vorbildwerbung 48, 98ff., 206, 215, 218ff. Vorurteil 62f., 173f. Werbung 12, 14, 128, 196ff. Werturteüe 65ff., 119f., 126f. Wiedererinnerungswert 168 Wissen 61 f. Wunsch, Wünschbarkeit 148, 192 Zauderer 31 f. Zeichentrickfiguren 220 Zeitschriftenfunktion 81 Zielpersonen 16, 2 1 - 8 8 , 187 zweiwertige Orientierungen 122