Probleme des adnominalen Attributs in der deutschen Sprache der Gegenwart: Morpho-syntaktische und semantische Untersuchungen [Reprint 2019 ed.] 9783110826913, 9783110033465


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German Pages 286 [288] Year 1972

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkungen
1. Kapitel: Die Gruppe „Verbalsubstantiv auf -ung + Genitivattribut"
I. Das Problem des Verhältnisses zwischen Bezugswort und Genitivattribut
II. Erste Charakterisierung der -ung-Substantive als Gruppe
III. Die Gliederung der von transitiven Verben abgeleiteten -ung-Substantive
IV. Die Funktionen der von transitiven Verben abgeleiteten ung-Substantive
V. Das Verhältnis zwischen den Substantiven auf -ierung und den Substantiven auf -tion (-sion/-xion)
2. Kapitel: Das Bezugsadjektiv
1. Einleitung
II. Ein Inventar der hauptsächlichsten Bezugsadjektivformen
III. Drei Adjektivklassen: Bezugsadjektive - ambivalente Adjektive - gewöhnliche Adjektive
IV. Vergleich der Bezugsadjektive mit anderen Adjektivtypen, die eines oder mehrere Merkmale mit den Bezugsadjektiven teilen
V. Nachtrag: Bezugsadjektive auf -mäßig und auf -weise
VI. Das Verhältnis des Bezugsadjektivs zum substantivischen Attribut
VII. Statistische Zahlen - Zum stilistischen Gebrauch der Adjektivklassen
VIII. Exkurs: Zur Klassifizierung der Personenbezeichnungen
3. Kapitel: Präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung
I. Einleitung
II. Die kombinatorischen Möglichkeiten der einfachen Präpositionen und der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung
III. Die prapositionalen Wendungen „im Bereich" und „auf dem (im) Gebiet"
IV. Die präpositionale Wendung „im Rahmen"
V. Die präpositionale Wendung „auf Grund"
VI. Ist „in der Frage" eine präpositionale Wendung mit Gleichsetzung?
VII. Die Beurteilung der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung im Zusammenhang mit einigen Charakteristika der Gegenwartssprache
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Probleme des adnominalen Attributs in der deutschen Sprache der Gegenwart: Morpho-syntaktische und semantische Untersuchungen [Reprint 2019 ed.]
 9783110826913, 9783110033465

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Peter Schäublin Probleme des adnominalen Attributs in der deutschen Sprache der Gegenwart

w DE

G

Studia Linguistica Germanica Herausgegeben von Ludwig Erich Schmitt und Stefan Sonderegger

5

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1972

Peter Schäublin

Probleme des adnominalen Attributs in der deutschen Sprache der Gegenwart Morpho-syntaktische und semantische Untersuchungen

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1972

Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

© Library of Congress Catalog Card Number: 70-174176

ISBN 3 11 003346 1 Copyright 1972 by Walter de Gniyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung / T. Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J . Triibner / Veit & Comp , 1 Berlin 30 — Printed in Germany — Alle Redite der Übersetzung, des Nachdrucks, der photomechanischen "Wiedergabe und der Anfertigung von Mikrofilmen — auch auszugsweise — vorbehalten Satz und Drude: Franz Spiller, 1 Berlin 36

Vorwort Ein Nachwuchsstipendium des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gestattete es mir drei Jahre lang, mein Unterrichtspensum an der Dolmetscherschule Zürich zu reduzieren. Ohne diese Unterstützung wäre es mir nicht möglich gewesen, die vorliegende Arbeit zu schreiben. Dafür und für die Druckbeihilfe sei dem Schweizerischen Nationalfonds an dieser Stelle aufrichtig gedankt. Große Dankbarkeit hege ich gegenüber meinem Lehrer, Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Rudolf Hotzenköcherle, der das Patronat und damit die Verantwortung für diesen sprachwissenschaftlichen Erstling übernahm. Ihm verdanke ich meine sprachwissenschaftliche Ausbildung während des Studiums und damit den Mut zu einer sprachwissenschaftlichen Arbeit nach Abschluß des Studiums. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Stefan Sonderegger und Herrn Professor Ludwig Erich Schmitt für ihre Bereitschaft, meine Arbeit in die Reihe „Studia linguistica germanica" aufzunehmen. Herrn Professor Dr. Heinz Rupp (Universität Basel) möchte ich für seine kritischen Hinweise danken. Endlich gilt mein freundschaftlicher Dank Herrn Dr. Heinrich Mettler und Herrn Dr. Jürg Bleiker für ihre Durchsicht des Manuskripts.

Inhaltsverzeichnis Vorwort Vorbemerkungen 1. Kapitel: Die Gruppe „Verbalsubstantiv auf -ung + Genitivattribut" I. Das Problem des Verhältnisses zwischen Bezugswort und Genitivattribut..

1

1. Kritik der herkömmlichen Methode, die Genitivattribute zu bestimmen

1

2. Das Bestimmungsverfahren: die Rücktransposition

3

3. Beispiele für die Anwendung der Rücktransposition als Bestimmungsverfahren

4

II. Erste Charakterisierung der -ung-Substantive als Gruppe

16

1. Der Begriff „Verbalsubstantiv"

16

2. Zahlen zum -ung-Substantiv

20

3. Allgemeine Charakterisierung der -ung-Substantive durdi Vergleich mit den substantivierten Infinitiven a) Häufigkeit und Bildungsmöglichkeiten der -ung-Ableitung und des substantivierten Infinitivs b) Absorption der Merkmale des finiten Verbs durdi die -ung-Substantive c) Der Größencharakter der -ung-Abstrakta d) Zusammenfassung und Ausblick III. Die Gliederung der von transitiven Verben abgeleiteten -ung-Substantive.. 1. Kriterium 2. Kriterium

I: Die Zählbarkeit I I : Die Funktionen des Genitivattributs

21 22 23 27 29 31 31 32

3. Kriterium I I I : Die Form des Attributs

34

4. Ergänzende Bemerkungen zu den Gliederungskriterien

36

IV. Die Funktionen der von transitiven Verben abgeleiteten ung-Substantive. .

40

1. Der substantivierte Infinitiv als Ersatzform: Substitutionsprobe

40

2. Die Probe der Rüdstransposition a) Die Rücktransposition des -ung-Substantivs vor Genitivattribut mit Objektfunktion b) Die Rücktransposition des -ung-Substantivs vor Genitivattribut mit Subjektfunktion

43 44 45

VIII c) Die Berührung gewisser -ung-Substantive mit Eigenschaftsabstrakta auf -heit

49

3. Der Zusammenhang zwischen dem Gliederungskriterium I und den Gliederung II und III

53

4. Zusammenfassung der Ergebnisse a) Morphologische Struktur und Motivierung der -ung-Bildungen . . . . b) Der Funktionenbereich - „langue" und „parole" c) Die -ung-Substantive als Transpositionen betrachtet

55 55 58 60

V. Das Verhältnis zwischen den Substantiven auf -ierung und den Substantiven auf -tion (-sion/-xion) . . . . ... ... ...

63

1. Die morphologische Beschaffenheit der Substantive auf -ierung und der Substantive auf -tion (-sion/-xion)

63

2. Die Zone der Berührung zwischen den Substantiven auf -tion (-sion) und den Substantiven auf -ierung a) Die Substantive auf -ierung in den Fremdwörterbüchern und im Rückläufigen Wörterbuch b) Anmerkungen zu einzelnen Bedeutungsangaben in den Fremdwörterbüchern c) Die Angaben über den Plural der Wörter auf -tion (-sion) in den Wörterbüchern d) Wortinhalt und morphologische Struktur der beiden Substantivtypen in der Zone der Berührung 3. Die Differenzierung der Substantive auf -tion (-sion) und auf -ierung mit Hilfe der Kriterien für die Gliederung der -ung-Substantive . . . .

68 68 69 71 72 77

2. Kapitel: Das Bezugsadjektiv I. Einleitung

84

1. Das substantivische und das adjektivische Attribut: „rection" und „accord"

84

2. Prädikatives und attributives Adjektiv

85

3. Ballys Begriff „adjectif de relation"

87

II. Ein Inventar der hauptsächlichsten Bezugsadjektivformen 1. Adjektive auf -lisch

88 88

2. Adjektive auf -isch

89

3. Adjektive auf -weise

89

4. Adjektive auf -mäßig

90

5a. Adjektive auf -al

90

5b. Adjektive auf -eil

91

III. Drei Adjektivklassen: Bezugsadjektive - ambivalente Adjektive - gewöhnliche Adjektive

91

IX IV. Vergleich der Bezugsadjektive mit anderen Adjektivtypen, die eines oder mehrere Merkmale mit den Bezugsadjektiven teilen

94

1. Zusammenstellung der Adjektivtypen, die eines oder mehrere Merkmale mit den Bezugsadjektiven teilen

94

2. Vergleich der Bezugsadjektive mit jenen Adjektiven der Gruppe a, die von Personenbezeichnungen abgeleitet sind (Typus „schurkisch") . . . .

97

3. Die Kombination von Bezugsadjektiven mit „un-" und „nicht"

104

4. Vergleich der Bezugsadjektive mit den Adjektiven des Typs b („vielbändig")

107

V. Nachtrag: Bezugsadjektive auf -mäßig und auf -weise

111

1. Bezugsadjektive auf -mäßig

111

2. Bezugsadjektiv auf -weise

116

VI. Das Verhältnis des Bezugsadjektivs zum substantivischen Attribut

117

1. Zwei Beziehungsarten: R e k t i o n und Inhärenz . .

117

2. Virtuelles und aktualisiertes Substantiv - die grammatikalischen Merkmale des substantivischen Attributs und des Bezugsadjektivs

119

3. Funktion des Bezugsadjektivs und des substantivischen Attributs . . . .

121

VII. Statistische Zahlen - Zum stilistischen Gebrauch der Adjektivklassen . . . .

134

1. Statistische Zahlen

134

2. Zum stilistischen Gebrauch der Adjektivklassen

138

VIII. Exkurs: Zur Klassifizierung der Personenbezeichnungen

143

3. Kapitel: Präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung I. Einleitung

150

II. Die kombinatorischen Möglichkeiten der einfachen Präpositionen und der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung

153

A. Die einfachen Präpositionen

153

1. Die kombinatorischen Möglichkeiten der einfachen Präpositionen . .

153

2. Die historische Schichtung der einfachen Präpositionen 3. Kombinationsmöglichkeiten, historische Schichtung und heutiger Gebrauch

155

4. Die Verbindungen „Pronominaladverb + Präposition" und position 4- Pronomen" im heutigen Sprachgebrauch

„Prä-

157 160

B. Die kombinatorischen Möglichkeiten der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung

162

1. Suppletion des Substantivs

162

2. Transposition des Substantivs

163

3. Die präpositionale Wendung mit Gleichsetzung als analytische Form

165

C. Zusammenfassung

167

X III. Die prapositionalen Wendungen „im Bereich" und „auf dem (im) Gebiet" 1. Sprachgesdiiditliche Probleme

167 168

a) Das Verhältnis zwischen „Bereich" und „Gebiet"

168

b) Die Präposition vor „Gebiet"

169

c) Die Gleichsetzung von „Gebiet" und „Bereich" mit dem Attribut. .

170

2. Die Relation zwischen dem Substantiv „Bereich" und seinem Attribut. .

171

3. Das inhaltliche Verhältnis zwischen „im Bereich" und einfachem „in". .

172

4. Die Präposition vor „Gebiet"

175

5. Das Verhältnis zwischen „im Bereich" und „auf dem Gebiet"

177

a) Die Bestimmung der unterscheidenden Merkmale

177

b) Die Umfrage

184

Kommentar zur Gruppe 1 a („im Bereich" dominiert) Kommentar zur Gruppe 1 b („im Bereich" wurde mehrheitlich gewählt) ....

187 188

Kommentar zur Gruppe 2 a („auf dem Gebiet" dominiert)

192

Kommentar zur Gruppe 2 b („auf dem Gebiet" wurde mehrheitlich gewählt)

194

Die Wirksamkeit des vierten unterscheidenden Merkmals

195

IV. Die präpositionale Wendung „im Rahmen"

199

1. Die Gliederung der Belege

199

2. Das inhaltlidie Verhältnis zwischen „im Rahmen" und „in"

201

3. Versuch einer genetischen Erklärung der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung

203

V. Die präpositionale Wendung „auf Grund"

205

1. Von den diachronischen zu den synchronischen Problemen

205

2. Die Gliederung der Belege

207

3. Eine Umfrage mit Sätzen der Gruppe a („auf G r u n d " ist durch „wegen" substituierbar)

208

Die Gliederung der Sätze nach den Mehrheitsverhältnissen

210

Kommentar zu den Sätzen der Gruppe A (Mehrheit für „auf G r u n d " ) . .

212

Kommentar zu den Sätzen der Gruppe D (Mehrheit für „infolge")

....

217

Kommentar zu den Sätzen der Gruppe C (Mehrheit für „wegen")

....

222

..

228

Kommentar zu den Sätzen der Gruppe B (Mehrheit für „angesichts") Zusammenfassung VI. Ist „in der Frage" eine präpositionale Wendung mit Gleichsetzung?

230 231

1. In Variabilität der Präposition als Voraussetzung

231

2. Gleichsetzung von „Frage" mit dem Attribut als Voraussetzung

238

3. Die Affinität der Wendung „in der Frage" zu einfachen Präpositionen

242

4. Zusammenfassung

245

XI V I I . Die Beurteilung der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung im Zusammenhang mit einigen Charakteristika der Gegenwartssprache

246

1. Die präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung als Teilphänomen der Nominalisierung

246

2. Die präpositionalen Wendungen mit Gleidisetzung als sprachökonomisches Phänomen

247

3. Präpositionale W e n d u n g e n m i t Gleidisetzung als Mittel der deutlichung und als Mittel der Differenzierung

250

Ver-

Wissenschaftliche Schriften

253

Wörterbücher

256

Quellen

257

Sachregister

259

Vorbemerkungen Diese Vorbemerkungen sind drei Jahre nach Abschluß des Manuskripts, aus einer gewissen kritischen Distanz, geschrieben. Den Plan, einen ergänzenden Bericht über die einschlägigen Arbeiten zu schreiben, die mir bei Abschluß meines Manuskripts noch nicht zugänglich waren, mußte ich aufgeben, da ich so zentrale Arbeiten wie W. Bondzios ungedrudkte Habilitationsschrift U n t e r suchungen zu attributiven Genitivkonstruktionen und zur Nominalgruppe in der deutschen Sprache der Gegenwart' (Berlin 1967) bis heute nicht habe einsehen können. Aus diesem Grunde muß ich mich mit einem nachdrücklichen Hinweis auf Thea Schippans ebenfalls ungedruckte Habilitationsschrift ,Die Verbalsubstantive der deutschen Sprache der Gegenwart' (Leipzig 1967) begnügen, die mir durch die freundliche Vermittlung von Herrn Professor Dr. Wolfgang Fleischer, Leipzig, zugänglich wurde. Arges Kopfzerbrechen hätte mir aber auch die Entscheidung darüber bereitet, was denn alles in einen solchen Bericht aufzunehmen wäre. Das Problem der Abgrenzung von Ergänzungen und Angaben etwa wird in Untersuchungen über die Satzgrundformen erörtert (die neueste mir bekannte ist Ulrich Engels Aufsatz ,Die deutschen Satzbaupläne', Wirkendes Wort, Jg. 20, 1970, Heft 6). Auch das Problem einer angemesseneren Klassifikation der Verben, dessen Dringlichkeit heute unbestritten ist, berührt sich eng mit dem Problem der -ung-Substantive, wenn auch der Funktionenbereich der -ung-Substantive nicht allein durch den Bereich der zugrundeliegenden Verben determiniert ist. Das Problem der Satzgrundformen ist in dieser Arbeit nicht von Grund auf neu durchdacht worden. Obwohl ich mich ihrer Unzulänglichkeit bewußt war, habe ich die herkömmliche Betrachtungsweise und Terminologie übernommen und nur punktuell Kritik geübt. Die Arbeit wird, hoffe ich, zeigen, daß auch von diesem konventionellen Boden aus eine Vertiefung der Analyse der -ungSubstantive wie der Bezugsadjektive möglich ist. Die drei großen Kapitel, aus denen die Arbeit besteht, scheinen vielleicht auf den ersten Blick keine Einheit zu bilden. Sie sind indes, bei aller Selbständigkeit, durchaus keine Separata. Die thematische Einheit ist dadurch gegeben, daß in allen drei Kapiteln spezifische Probleme der Gruppe Substantiv + Attribut' untersucht werden. Sie sind aber auch durch übergreifende

XIV Fragestellungen und Verfahrensweisen verbunden. Das eingangs dargestellte Verfahren zur Bestimmung der Relation zwischen Bezugswort und Genitivattribut ist für alle drei Kapitel maßgebend. Ich verhehle mir nicht, daß in allen drei Kapiteln die Darstellung der Probleme lückenhaft ist und viele Fragen offen läßt, daß also manches nur Anregung bleibt. Unter Anrechnung solcher Vorläufigkeiten dürfen die folgenden Ziele der Arbeit besonders hervorgehoben werden: — die Erschließung von Wortbildungsstrukturen von der Syntax her (diese Formulierung nach P. von Polenz). (1. und 2. Kapitel) — der Nachweis von gesetzmäßigen Zusammenhängen zwischen den syntaktischen Strukturen, die den Derivata zugrundeliegen, und dem morphosyntaktischen Verhalten der Derivata selbst. (1. und 2. Kapitel) — die zweiseitige Bestimmung der Derivata von der Ausgangswortart und der Zielwortart her und die Demonstration ihrer variablen Integration in die Zielwortart. (1. und 2. Kapitel) — der Nadiweis der Möglichkeit, bei der Beschreibung von Wortarten die transitorischen Grenzklassen (wie das -ung-Substantiv oder das Bezugsadjektiv) zu Hilfe zu nehmen und die Konstituentenanalyse zu ergänzen durch die Analyse des Derivationsvorgangs. (1. und 2. Kapitel) — der Versuch, die vielzerredete Dichotomie ,langue/parole' praktisch zu explorieren und anzuwenden. (1., 2. und 3. Kapitel) — der Nachweis, daß sekundäre, hochgradig implizite Sätze nur unter der Voraussetzung der Rückkoppelung an primäre, explizite Sätze funktionieren. (1. Kapitel) — der Nachweis der Korrelation zwischen Substantivklassen und den Klassen der davon abgeleiteten Adjektive. (2. Kapitel) — der Nachweis einer ,Matrixformel' zur Bildung präpositionaler gen und deren praktischer Nutzung. (3. Kapitel)

Wendun-

Eine Bemerkung noch zu den semantischen Untersuchungen des 3. Kapitels. Die Umfragen und deren Auswertung haben Versuchscharakter. Am wenigstens

XV problematisch ist das Instrument der Umfrage wohl dort, wo die quantitativen Ergebnisse für sich selbst sprechen (Wahl der Präposition vor ,Frage'), ohne einer semantischen Interpretation zu bedürfen. Schließlich halte ich eine straffere Systematisierung in der Beschreibung der semantischen Merkmale für notwendig. University College Cork, Ireland Department of German 7. Februar 1971

Peter Schäublin

1.

KAPITEL

Die Gruppe „Verbalsubstantiv auf -ung + Genitivattribut" I. Das Problem des Verhältnisses zwischen Bezugswort und Genitivattribut Den weiteren Rahmen, in den die Gruppe „Verbalsubstantiv + Genitivattribut" (Beispiel: „die Prüfung des Fahrers") gehört, bildet die Gruppe „Substantiv + Genitivattribut". Will man die Gruppe „Verbalsubstantiv + Genitivattribut" genauer untersuchen, so ist es zunächst unumgänglich, Klarheit über die möglichen Verhältnisse zwischen Substantiv (Bezugswort) und Genitivattribut zu gewinnen. Eine kurze Kritik der herkömmlichen Methode, dieses Verhältnis zu bestimmen, soll den Blick für das Problem schärfen.

1. Kritik der herkömmlichen Methode, die Genitivattribute zu bestimmen: Die Einteilung der Genitivattribute nach ihrem Verhältnis zum Bezugswort hat eine feste Tradition. Historische und normative Grammatiken verwenden seit langem praktisch die gleichen Kategorien 1 . Stellvertretend sei deshalb die 1

z. B. H. Paul, Deutsche Grammatik Bd. III (Teil I V : Syntax), §§ 220—231, S. 284—306; Ingerid Dahl, Kurze deutsche Syntax, §§ 24—25, S. 22—28. Auch O. Behaghels Einteilung in seiner „Deutschen Syntax" (Bd. 1) entspricht im Ganzen der Einteilung der einschlägigen Duden-Bände. Besonders vermerkt sei jedoch, daß er unterscheidet zwischen „Genitiv der Identität" (§ 378 ff) und „Genitiv der Steigerung" („aller Künste Kunst") (§ 380), sowie zwischen „Verhältnisgenitiv (§ 374 ff) und „Genitiv der Zugehörigkeit" (§ 376 ff). Eine abweichende Darstellung gibt jetzt H. Brinkmann in „Die deutsche Sprache — Gestalt und Leistung" (Düsseldorf 1962). Nach Brinkmann steht der Genitiv in Opposition zum Akkusativ. Der Akkusativ gehöre in den Bereich des Verbums, der Genitiv in den Bereich des Substantivs (Vgl. S. 77). In vier Möglichkeiten des attributiven Genitivs spiegeln sich nach Brinkmann vier Satzmodelle (Vgl. S. 88—89): 1. das Kreisdien einer Gartenpforte < Vorgangssatz: Eine Gartenpforte kreischt 2. das Kaltstellen der Empfindung < Handlungssatz: Die Empfindung wird kaltgestellt 3. die Kahlheit des Ateliers < Stellungnahme: Das Atelier ist kahl

1

Schäublin 1

2

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Einteilung genannt, die sich die neue Duden-Grammatik zu eigen gemacht hat 2 : 1.

Genitiv der Zugehörigkeit (Genitivus possessivus): der Hut meines Vaters

2.

Genitiv der Identität (Genitivus definitivus und explicativus): das Laster des Trunks

3 a. Genitiv als Träger eines Geschehens (Genitivus subiectivus): die Ankunft des Zuges b. Genitiv als Gegenstand einer Handlung (Genitivus obiectivus): die Zerstörung Karthagos 4.

Genitiv der Eigenschaft oder Beschaffenheit (Genitivus qualitatis): ein Mann mittleren Alters

5.

Genitivus parti tivus: eine Schar fröhlicher Kinder

Bestimmung des Genitivattributs im Sinne der Duden-Grammatik heißt demnach Zuweisung zu einer der genannten Kategorien. Man wird freilich bald gewahr, daß diese Zuweisung oft schwierig und im Grunde unbefriedigend ist: — Die Kategorien sind heterogen. Sie bestimmen das Verhältnis zwischen Bezugswort und Genitivattribut teils nach i n h a l t l i c h e n (Genitivus possessivus), teils nach s y n t a k t i s c h e n Gesichtspunkten (Genitivus subiectivus und obiectivus). — Unter den Begriff „Genitivus possessivus" müssen die verschiedenartigsten Verhältnisse subsumiert werden. Man vergleiche etwa: der Hut meines Vaters die Benommenheit meines Vaters — Endlich bleiben bei der Bestimmung nach inhaltlichen Gesichtspunkten wichtige formale Merkmale der Gruppe „Substantiv + Genitivattribut" verborgen. Für die Untersuchung der Gruppen „Verbalsubstantiv + Genitivattribut" ist ein Verfahren zu wählen, das eine Feinbestimmung des Verhältnisses zwischen Bezugswort und Genitivattribut ermöglicht. Da es nicht unser Ziel ist, die herkömmliche Einteilung der Genitivattribute durch eine neue Einteilung zu ersetzen, entfällt die Notwendigkeit terminologischer Neuerungen. 4. der Fludi der Erkenntnis < Identitätssatz: Die Erkenntnis ist ein Fluch Mit Brinkmann gehen wir vom Zusammenhang aus, der zwischen den Gruppen „Bezugswort + Genitivattribut" und den Satzgrundformen besteht, ohne uns allerdings auf seine Satzmodelle festzulegen. 2

Duden Bd. 4 (Grammatik), § 980, S. 473—475. Duden Bd. 9 (Hauptschwierigkeiten der deutschen Sprache), S. 254, Spalte 1.

/. Das Problem

des Verhältnisses

2. Das Bestimmungsverfahren:

zwischen Bezugswort

die

und Genitivattribut

3

Rücktransposition:

Folgende Überlegungen scheinen mir für das Bestimmungsverfahren wichtig zu sein: — Es ist aussichtslos, dem Genitiv des adnominalen Attributs eine i n h a l t l i c h e Grundfunktion zuweisen zu wollen. Selbst die Annahme, dieser Genitiv drücke Zugehörigkeit im weitesten Sinne aus3, hält näherer Prüfung nicht stand. — Der Genitiv des adnominalen Attributs hat nur eine Funktion: Er zeigt die f o r m a l e Zugehörigkeit des Attributs zum Bezugswort an. Diese formale Zugehörigkeit ist nicht mit Zugehörigkeit inhaltlicher Art zu verwechseln 4 . — Das Genitivattribut kennt nur sehr wenige Stellungsvarianten. I m Unterschied zum Präpositionalattribut kann es kaum vom Bezugswort getrennt werden. Diese S t e l l u n g s f e s t i g k e i t stützt den Genitiv in seiner Funktion, die Zugehörigkeit des Attributs zum Bezugswort anzuzeigen. — Wenn der Genitiv des adnominalen Attributs einzig dazu dient, die Abhängigkeit im Satz anzuzeigen, so muß die Bestimmung der Relation zwischen Genitivattribut und Bezugswort anderen Merkmalen vorbehalten sein. — Isoliert man die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" vom Kontext, so ist das Verhältnis oft nicht eindeutig bestimmbar. Bei der Gruppe „das Haus des Vaters" ist das Verhältnis auch ohne Kontext bestimmbar. Hier genügen die g r u p p e n i n t e r n e n Bestimmungsmerkmale. Bei der Gruppe „die Vertretung dieser Firma" ist das Verhältnis zwischen Bezugswort und Genitivattribut ohne Kontext nicht eindeutig. Hier bedarf es zur Bestimmung noch e x t e r n e r Bestimmungsmerkmale. — D a es neben internen auch externe Bestimmungsmerkmale gibt, soll die Gruppe grundsätzlich nur im gegebenen Kontext analysiert werden. Es kann vorkommen, daß selbst der Satzkontext nicht ausreicht, um die Gruppe eindeutig zu bestimmen. — Wo immer es möglich ist, betrachten wir die Gruppe mit Genitivattribut als t r a n s p o n i e r t e n Satz 5 , d. h. wir suchen das Verhältnis zwischen

r

3

So H . Glinz, Die innere Form des Deutschen, S. 234.

4

E. Benveniste vertritt eine ähnliche Auffassung in bezug auf den Genitiv des determinierenden Teils des nominalen Syntagmas im Lateinisdien („ludus pueri", „liber pueri"). E r spricht von einer „rein syntaktischen Beziehung" und vermutet in ihr die Grundfunktion des Genitivs im Lateinischen. „Pour l'analyse des fonctions casuelles: le génitif latin", in „Problèmes de linguistique générale", Bibliothèque des sciences humaines, Gallimard 1967, S. 147 (Zuerst erschienen in Lingua, vol. X I ) .

5

Auch darin vertritt E . Benveniste ( a . a . O . , S. 146) eine ähnliche Auffassung: „Streng genommen ist nicht der Genitiv allein das Ergebnis einer Transposition,

4

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Bezugswort und Genitivattribut durch R ü c k t r a n s p o s i t i o n zu ermitteln. Rücktransposition heißt hier: Umwandlung der Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" in einen Verbalsatz6. Die Rücktransposition muß den Gegebenheiten des Kontexts Rechnung tragen7. — Um der Systematik willen analysieren wir die Gruppe mit Genitivattribut auf z w e i Ebenen: auf der Ebene des gegebenen Satzes (Satzgliedwert des Bezugsworts) und auf der Ebene des Verbalsatzes, der bei der Rücktransposition entsteht (Verhältnis zwischen Bezugswort und Genitivattribut)8. — Wir begnügen uns mit einer Darstellung des Verfahrens anhand einzelner ausgewählter Fälle. Da es sich darum handelt, die Voraussetzungen für eine Analyse der Gruppen „Verbalsubstantiv auf -ung + Genitivattribut" zu schaffen, wird auf eine vollständige Systematisierung der Rücktranspositionen verzichtet. 3. Beispiele für die Anwendung als Bestimmungsverfahren:

der

Rücktransposition

1. Beispiel: „Vielmehr sind gerade die einzelnen sozialen Konsequenzen, die Veränderungen im Aufbau der Gesellschaft, ganz anders, als die Befürworter ehedem hofften." (Eucken, S. 90) Der Kontext verbietet es, „Aufbau" als Handlungsbezeichnung, als Nomen actionis, zu verstehen, wie dies bei der isolierten Gruppe möglich wäre. „Aufbau" ist hier etwa gleichbedeutend mit „Struktur". Die auf den Kontext abgestützte Rücktransposition zum Verbalsatz trägt diesem Umstand Rechnung: „ . . . die Veränderungen im Aufbau, den die Gesellschaft ( h a t ) . . . " Für die Gruppe mit Genitivattribut ergeben sich hier folgende Bestimmungen: 1. Analyse

im Aufbau

der

Gesellschaft

(auf der Ebene des

Präpositionalattr. zu

Genitivattribut zu

gegebenen Satzes):

„Veränderungen"

„Aufbau"

sondern das ganze Syntagma . . . " (Beispiel: neglegere religionera > neglegens gionis, neglegentia religionis).

reli-

6

„Rücktranspositionen" können nicht als Transformationen gelten, denn: „Die Ausdrücke, deren Satzstruktur von den Transformationsregeln vorausgesetzt werden, heißen Kernsätze, die Ausdrücke, deren Satzstruktur durch Transformationen eingeführt wird, heißen sekundäre Sätze .. . (Bierwisch, Studia Grammatica I, 4. Aufl., 1966, S. 28). Rücktranspositionen führen von sekundären Sätzen zu Kernsätzen.

7

Im Untersdiied zu Brinkmann (vgl. oben S. 1) legen wir das Gewicht auf die formalen Aspekte der Transposition, resp. Rücktransposition. Was die Syntax der Verbalsätze betrifft, so verwenden wir nach Möglichkeit die herkömmlichen Begriffe.

8

Wir verweisen hier auf die in Abschnitt 3 analysierten Beispiele.

1. Das Problem

des Verhältnisses

2. Analyse (auf der Ebene der Rücktransposition):

zwischen Bezugswort

Akkusativobjekt

und Genitivattribut

5

Subjekt

(Prädikat „hat" = Nullzeichen) Der transponierte Satz enthält im allgemeinen ein N u 11 z e i c h e n. Nullzeichen nennen wir jenen Teil des Verbalsatzes, der bei der Transposition zur Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" absorbiert wird und deshalb als implizit angesetzt werden muß. Bei der Rücktransposition wird das Nullzeichen notwendig wieder durch ein Vollzeichen ersetzt. Die Wahl des Vollzeichens ist insofern nicht willkürlich, als sie den kontextuellen Gegebenheiten und der Idiomatik Rechnung trägt. Im ersten Beispiel ist das Prädikat Nullzeichen. 2. Beispiel: „Der Aufbau der Gesellschaft wird nun von oben dirigiert und wächst nicht von unten." (Eucken, S. 90) Bei der Rücktransposition sei vorerst nur das Prädikat „ w i r d . . . dirigiert" berücksichtigt. Das Verb „dirigieren" bestimmt das Substantiv „Aufbau" als Nomen actionis, das bei der Rücktransposition verbalisiert werden muß: „(Man) baut die Gesellschaft nach den Direktiven von oben auf" Für die Gruppe mit Genitivattribut ergeben sich in diesem Fall folgende Bestimmungen: 1. Analyse (gegebener Satz): 2. Analyse (Rücktransposition) :

der Aufbau Subjekt

Prädikat

der Gesellschaft Genitivattribut zu „Aufbau" Akkusativobjekt (Subjekt = Nullzeichen)

Wählt man dagegen bei der Rücktransposition eine passive Verbform 9 , so erübrigt sich die Annahme eines Nullzeichens, und „Gesellschaft" wird zum Subjekt. Bei identischen Gruppen ist also das Verhältnis in den Sätzen 1 und 2 grundverschieden. Die Satzrekonstruktion stützt sich nicht bloß auf die — hier ungenügenden — internen, sondern auch auf die externen Bestimmungsmerkmale. Externes Bestimmungsmerkmal ist im zweiten Satz das Verb „dirigieren". Nun hat der zweite Satz zwei Prädikate: „wird . . . dirigiert und wächst.. Es fragt sich deshalb, ob die beiden Prädikate das Subjekt gleich oder ver9

W. Härtung legt fest, daß nur das Subjekt zum Genitivattribut wird, wobei das Subjekt des Passivsatzes immer noch die Unterscheidung zwischen subjektivem und objektivem Genitivattribut gestatten würde (Studia Grammatica IV, S. 58).

6

Die Gruppe „Verbalsubstantiv auf -ung +

Genitivattribut"

schieden bestimmen. Das letztere ist der Fall: während „dirigieren" „Aufbau" als Nomen actionis bestimmt, schließt „wachsen" diese Deutung gerade aus. Dies kann nicht ohne Rückwirkung auf die Satzrekonstruktion und damit auf die Beziehung zwischen den beiden Teilen des transponierten Satzes bleiben. Die zweite Analyse führt zum gleichen Ergebnis wie im ersten Beispiel: „Der Aufbau, den die Gesellschaft ( h a t ) , . . . wächst nicht von unten". 1. Analyse (gegebener Satz): 2. Analyse (Rücktransposition) :

der Aufbau Subjekt

der Gesellschaft Genitivattribut zu „Aufbau"

Akkusativobjekt Subjekt (Prädikat „hat" = Nullzeichen)

Die semantische Kongruenz 10 zwischen Verb und Subjekt (des passiven Satzes) sowie zwischen intransitivem Verb und Subjekt hat zur Folge, daß dieses nicht bei beiden Verben gleiche Funktion hat: dirigieren —* Aufbau: = Nomen actionis wachsen Aufbau: Nomen actionis Was jedoch noch schwerer wiegt: Die semantische Kongruenz zwischen Verb und Subjekt bedingt einen Wechsel im Verhältnis zwischen Bezugswort und Genitivattribut, welches das eine Mal O b j e k t - , das andere Mal S u b j e k t f u n k t i o n hat. Wir können nicht entscheiden, ob dieser zweite Satz der Forderung der Sprachrichtigkeit genügt oder nicht, denn es gibt hier keine Autorität, auf die man sich berufen könnte. Das Beispiel zeigt, daß das Verfahren der Rücktransposition der normativen Grammatik neue Gebiete erschließen kann. 3. Beispiel: „Die Abhängigkeit der Einkommenshöhe wissen —zu Ungerechtigkeiten führen."

vom Markt kann — wie wir (Eucken, S. 88)

Die Rücktransposition bietet hier keine Schwierigkeiten: „Daß die Einkommenshöhe vom Markt abhängig (ist), kann — wie wir wissen — zu Ungerechtigkeiten führen." Für die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" ergeben sich hier folgende Bestimmungen: 1. Analyse (gegebener Satz):

die Abhängigkeit Subjekt

2. Analyse (Rücktransposition):

prädikatives Adjektiv

der Einkommenshöhe Genitivattribut zu „Abhängigkeit" Subjekt

(Prädikat [Kopula] = Nullzeichen) 10

Dieser Begriff nadi E . Leisi, Der Wortinhalt, S. 68 f.

I. Das Problem des Verhältnisses

zwischen Bezugswort

und

Genitivattribut

7

Bei Eigenschaftsabstrakta als Bezugswörtern ist die Analyse nach den herkömmlichen Einteilungskategorien besonders mißlich. Von den Kategorien der DudenGrammatik käme einzig der „Genitivus possessivus" in Betracht. Man erkennt unschwer, wie gezwungen und unnatürlich hier die Bestimmung des Genitivs als „Genitivus possessivus" wäre. Die Bestimmung des Verhältnisses auf dem Wege der Rücktransposition ist jedenfalls situationsgerechter als die Subsumption unter eine der herkömmlichen Kategorien 11 ). 4. Beispiel: a) „Mit jedem Abkömmling um den Preis des Reichtums zu buhlen, war die Schwäche des niederländischen Adels, welche die Regierung recht gut zu nutzen verstand." (Schiller, S. 119) b) „Die Schwäche der Grundmauern Hauses."

sprach gegen eine Aufstockung des

Bei Satz a lautet die Rücktransposition der Gruppe mit Genitivattribut: „Der niederländische Adel (hatte) die Schwäche, mit jedem Abkömmling um den Preis des Reichtums zu buhlen . . . " Die zweifache Analyse ergibt somit folgende Bestimmungen: 1. Analyse (gegebener Satz): 2. Analyse (Rücktransposition):

die Schwäche Subjekt

des niederländ. Adels Genitivattribut zu „Schwäche" Akkusativobjekt Subjekt (Prädikat = Nullzeichen)

Beim Satz 4 b lautet die Rücktransposition: „Daß die Grundmauern schwach (waren), sprach gegen eine Aufstockung des Hauses." Es ergeben sich folgende Bestimmungen: 1. Analyse (gegebener Satz):

die Schwäche Subjekt

der Grundmauern Genitivattribut zu „Schwäche" Subjekt

2. Analyse (Rücktransposition):

prädikatives Adjektiv (Prädikat = Nullzeichen)

Nach herkömmlicher Einteilung läge in beiden Sätzen Genitivus possessivus vor. Doch die Rücktransposition zeitigt verschiedene Ergebnisse, obwohl in beiden Sätzen das Eigenschaftsabstraktum „Schwäche" Bezugswort ist. Isoliert man die Gruppe „die Schwäche des niederländischen Adels" vom Kontext, so sind zwei Rücktranspositionen denkbar: 11

H . Brinkmann würde diese G r u p p e auf das Satzmodell der „Stellungnahme" zurückführen (vgl. oben S. 1, A n m e r k u n g 1).

8

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

a) Der niederländische Adel hatte die Schwäche . . . b) Der niederländische Adel war schwach. Es ist also wiederum ein externes Merkmal, das den Unterschied zwischen 4 a und 4 b deutlich macht. Im Satz 4 a ist „Schwäche" Subjekt eines Satzes mit Gleichsetzungsnominativ: „Die Schwäche des niederländischen Adels war es, mit jedem Abkömmling um den Preis des Reichtums zu buhlen." Diese Funktion kann das Eigenschaftsabstraktum „Schwäche" nur haben, wenn es ein zählbares Substantiv ist. Nicht zählbar und damit noch unverkennbar Transposition des Adjektivs „schwach" ist „Schwäche" dagegen im Satz 4 b. 5. Beispiel: „Karl der Fünfte, durch den glücklichen Fortgang seiner Waffen in Deutschland kühn gemacht, glaubte, nun alles wagen zu dürfen, und dachte ernstlich darauf, die spanische Inquisition in die Niederlande zu pflanzen." (Schiller, S. 109) Der Weg zum rekonstruierten Satz führt hier über mehrere Stufen. Einmal läßt sich das Verbalabstraktum „Fortgang" nicht sinngemäß auf ein Verb zurückführen. An dessen Stelle tritt die verbale Wendung mit einem sogenannten Funktionsverb: die Waffen nehmen einen glücklichen Fortgang Doch als Subjekt des vollständigen Satzes scheint uns „Waffen" sprachwidrig zu sein. Es liegt offensichtlich ein Fall von Metonymie vor: „Waffen" steht für „militärische Unternehmung", „Feldzug", „Waffengang". Der rekonstruierte Satz lautet also: „Karl der Fünfte, dadurch kühn gemacht, daß (seine militärischen Unternehmungen) in Deutschland einen glücklichen Fortgang (nahmen),..." Damit ergeben sich folgende Bestimmungen für die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut": 1. Analyse (gegebener Satz): 2. Analyse (Rücktransposition):

der Fortgang seiner Waffen Agens des Genitivattribut zu Partizipialsatzes „Fortgang" Akkusativobjekt Subjekt (Prädikat = Nullzeichen)

Warum bewundern wir die Gruppe „durch den glücklichen Fortgang seiner Waffen" als sprachliche Kühnheit, während wir uns an der Rücktransposition „seine Waffen nehmen einen glücklichen Fortgang" stoßen? Die Antwort liegt auf der Hand: Im transponierten Satz ist das Prädikat Nullzeichen. Wir lesen darüber hinweg, und das Gebot der semantischen Kongruenz wird uns gar nicht erst bewußt. Tritt aber ein Vollzeichen an die Stelle des Nullzeichens, so kann dieses Gebot nicht mehr ignoriert werden. Sicher leisten transponierte Sätze der Metonymie Vorschub, weil sie ein Nullzeichen enthalten,

/. Das Problem des Verhältnisses zwischen Bezugswort und Genitivattribut

9

und man tut gut daran, diese Wirkung des Nullzeichens sorgfältig zu beobachten. 6. Beispiel: „Die Situation dieser Wissenschaft wäre ohne Zweifel äußerst schwierig." (Sedlmayr, S. 38) Auch hier wäre nach der herkömmlichen Einteilung einzig die Bestimmung als Genitivus possessivus möglich. Die Tatsache, daß das Genitivattribut einem Possessivpronomen entspricht, genügt aber doch wohl nicht, diese Bestimmung zu rechtfertigen, denn das Possessivpronomen kann auch andere Funktionen des Genitivattributs wie die Objektfunktion und die Subjektfunktion übernehmen. Die Rücktransposition ergibt eine andere Beziehung: „Die Situation, in welcher (sich) diese Wissenschaft (befände, wäre), wäre ohne Zweifel äußerst schwierig." Für die Gruppe mit Genitivattribut ergeben sich folgende Bestimmungen: 1. Analyse (gegebener Satz):

die Situation Subjekt

2. Analyse (Rücktransposition):

Umstandsergänzung

dieser Wissenschaft Genitivattribut zu „Situation" Subjekt

(Prädikat = Nullzeichen)

Bemerkenswert ist bei diesem Beispiel der Subjektwechsel je nach Analyse. Faßt man die Gruppe mit Genitivattribut als transponierten Satz auf, so hat, wie eingangs erwähnt, der Genitiv nur die Aufgabe, die syntaktische Zugehörigkeit zum Bezugswort zu kennzeichnen. Die Bestimmung der inhaltlichen Beziehung obliegt anderen — internen oder externen — Merkmalen. Da die Gruppe mit Genitivattribut nur als „Satz" i m Satze möglich ist, kommt sie ohne jene grammatikalische Differenzierung aus, deren der explizite Satz bedarf. 7. Beispiel: „In der vornationalen Gesellschaft, auf deren Hintergrund sich das Erwachen der Völker vollzog, nationalisierten sich gerade die besten Geister in Richtung auf die unterdrückte nationale Gruppe." (Lemberg, S. 70) „Deren" steht für „vornationale Gesellschaft". Der rekonstruierte Satz muß deshalb lauten: „Die vornationale Gesellschaft (war) der Hintergrund, auf dem sich das Erwachen der Völker vollzog".

10

Die Gruppe „Verbalsubstantiv auf -ung +

Genitivattribut"

So ergeben sich für die Gruppe mit Genitivattribut folgende Bestimmungen: a—1,„„ 11. Analyse (gegebener Satz) :

2.

Analyse (Rücktransposition) :

deren

Hintergrund

Genitivattribut zu „Hintergrund" Subjekt

Umstandsergänzung des Ortes

Prädikatsnomen (Gleichsetzungsnominativ) (Prädikat = Nullzeichen)

Die Analyse fördert eine Unstimmigkeit zutage. Es kann kaum ein Zweifel bestehen, daß die „vornationale Gesellschaft" selbst der „Hintergrund" ist, daß also Gleichsetzung vorliegt. Nun entspricht jedoch das rückweisende „deren" hier einem Possessivpronomen12. Die Beziehung der Gleichsetzung durch das Verb „sein" schließt jedoch das Possessivpronomen und dessen Substitut „deren" aus. Ein „possessives Verhältnis" besteht vielmehr zwischen „Erwachen" und „Hintergrund": Das Erwachen h a t als Hintergrund die vornationale Gesellschaft. Weil die Rücktransposition zur Durchleuchtung des Kontexts zwingt ermöglicht sie den exakten Nachweis von Unstimmigkeiten. 8. Beispiel: „In diesem Gegensatz zwischen Erkenntniswahrheit um jeden Preis und Wertschätzung der Unwahrheit, die dem Leben dient, sieht Theodor Geiger die ganze Alternative beschlossen, vor die der Forscher gestellt ist." (Lemberg, S. 56) Obwohl deutlich als Nomen actionis empfunden, läßt sich „Wertschätzung" dennoch nicht direkt auf ein Verb zurückführen. Es ist nur in der verbalen Wendung „etwas erfreut sich jemandes Wertschätzung" verwendbar. Die Rücktransposition hat sich nach den Möglichkeiten der Sprache zu richten. Es darf hier also kein künstliches Verb gebildet werden: „ . . . und der Wertschätzung, deren (sich) die Unwahrheit ( e r f r e u t ) . . . " So ergeben sich folgende Bestimmungen für die Gruppe mit Genitivattribut: 1. Analyse Wertschätzung der Unwahrheit (gegebener Satz):

Teil des Präpositionalattributs

Genitivattribut zu „Wertschätzung"

2. Analyse Genitivobjekt Subjekt (Rücktransposition): (Prädikat = Nullzeichen) Die Satzrekonstruktion zeigt, daß ein Zusammenhang besteht zwischen der Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" und den verbalen Wendungen, die sich aus Verb und Objekt zusammensetzen. So auch im folgenden Beispiel: 12

Vgl. Duden, Bd. 9, S. 161, Spalten 1—2.

I. Das Problem

des Verhältnisses

zwischen Bezugswort

und Genitivattribut

11

9. Beispiel: „Da aber der Anteil der Grundherren an dem Ertrag der Güter durch Tradition und Sitte mehr oder weniger eng begrenzt war, kam der erzielte Überschuß zunächst den Bauern zugute." (Hauser, S. 72) Eine andere Satzrekonstruktion als die folgende ist nicht wohl denkbar: „Da aber der Anteil der Grundherren an dem Ertrag, den ihre Güter (brachten, abwarfen), durch Tradition und Sitte mehr oder weniger eng begrenzt w a r , . . . " Für die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" ergeben sich so folgende Bestimmungen : 1. Analyse (gegebener Satz) :

dem Ertrag Präpositionalattribut

2. Analyse (Rücktransposition) :

Akkusativobjekt (Prädikat

ihrer Güter Genitivattribut zu „Ertrag" Subjekt Nullzeichen)

In diesem Satz besteht gar keine Wahl zwischen verbaler Wendung („Ertrag bringen, abwerfen") und einfachem Verb. Es gibt kein entsprechendes einfaches Verb. Doch lassen sich unschwer Beispiele finden, wo diese Alternative besteht: Gruppe mit Genitivattribut: Die Wahl des Präsidenten einfaches Verb: verbale Wendung:

den Präsidenten wählen die Wahl des Präsidenten

vornehmen

Im Satz „Dieser Versammlung obliegt die Wahl des Präsidenten" sind deshalb zwei Satzrekonstruktionen der Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" möglich: a) Dieser Versammlung obliegt es, den Präsidenten zu wählen b) Dieser Versammlung obliegt es, die Wahl des Präsidenten vorzunehmen Je nach Satzrekonstruktion sind auch die Bestimmungen der 2. Analyse verschieden: 1. Analyse (gegebener Satz) : 2. Analyse

die Wahl Subjekt

des Präsidenten Genitivattribut zu „Wahl"

a) Prädikat des Infinitivsatzes b) Akkusativobjekt Akkusativobjekt Genitivattribut (Prädikat = Nullzeichen) Nur im ersten Fall wird das Nomen actionis „Wahl" zum Verb zurücktransponiert. Die Gegenwartssprache macht von dieser Möglichkeit, das Verbalsubstantiv sowohl in der Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" als auch in verbalen Wendungen zu gebrauchen, ausgiebig Gebrauch. (Rücktransposition)

12

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

10. Beispiel: „Auf die kürzeste Formel gebracht, hat sich die chinesische Zukunftsplanung eine Verdoppelung der Bevölkerung in 25 Jahren und eine Verdreifachung der landwirtschaftlichen Produktion in 12 Jahren zum Ziel gesetzt." (Baade, S. 145) Im vollständigen Satz wirken die expliziten Bestimmungsmerkmale als Wegweiser und bewahren so vor Verstößen; so auch bei diesem Satz. Betrachtet man die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" isoliert, so kann das Verbalsubstantiv „Verdoppelung" transitiv oder reflexiv gedeutet werden. Transitivität des Verbalsubstantivs wäre im zitierten Satz allerdings eine Quelle unfreiwilliger Komik, denn es ist ja wohl an eine natürliche Vermehrung und nicht an eine Vermehrung durch Zuwanderung gedacht. Man möchte deshalb Reflexivität des Verbalsubstantivs „Verdoppelung" annehmen. Aber gerade diese verbietet der Kontext: „sich etwas zum Ziele setzen" heißt „sich etwas vornehmen", „etwas anstreben". Der rekonstruierte Satz muß also lauten: „Auf die kürzeste Formel gebracht, hat sich die chinesische Zukunftsplanung zum Ziel gesetzt, die Bevölkerung in 25 Jahren zu verdoppeln und die landwirtschaftliche Produktion in 12 Jahren zu verdreifachen." Dies ergibt folgende Bestimmungen für die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" : 1. Analyse (gegebener Satz):

Verdoppelung Akkusativobjekt

2. Analyse (Rücktransposition)

Prädikat des Infinitivsatzes

der Bevölkerung Genitivattribut zu „Verdoppelung" Akkusativobjekt

Die Finalität der Wendung „sich etwas zum Ziel setzen" verlangt einen Infinitivsatz (Subjektgleichheit). Ziel ist jedoch nicht die Verdoppelung der Bevölkerung, sondern die Begrenzung der Zunahme auf das Doppelte von heute. Man will die Bevölkerungsvermehrung in Grenzen halten. Der Verfasser ist der Gefahr unfreiwilliger Komik nicht entgangen, vor der ihn die Explizitheit des verbalen Satzes wahrscheinlich bewahrt hätte. Nullzeichen und implizite Bestimmungsmerkmale (hier Transivität oder Reflexivität) leisten nicht nur sprachlichen Kühnheiten Vorschub, sondern auch unfreiwilligen Verstößen gegen die Sprachlogik. Bis jetzt sind keine Beispiele der herkömmlichen Kategorien „G e n i t i v u s q u a l i t a t i s " („ein Mann mittleren Alters") und „G e n i t i v u s p a r t i t i v u s" („die Hälfte meines Vermögens") analysiert worden. Zahlenmäßig sind dies ohne Zweifel die beiden schwächsten Kategorien des Genitivattributs in der Gegenwartssprache. Beim Genitivus qualitatis kann Parallelität zwischen

/. Das Problem

des Verhältnisses

zwischen Bezugswort

und Genitivattribut

13

attributivem und prädikativem Gebrauch bestehen 13 . Bei solcher Parallelität verläuft die Rücktransposition anders als bei den bisherigen Beispielen. Man vergleiche: a) Alle Menschen guten Willens helfen mit. (Genitivus qualitatis) b) Die Schönheit dieser Landschaft ist bekannt. Die Rücktransposition f ü h r t zu folgenden Sätzen a) Alle Menschen, die guten Willens (sind), helfen mit. b) D a ß diese Landschaft schön (ist), ist bekannt. Für die Gruppen mit Genitivattribut ergeben sich folgende Bestimmungen: 1. Analyse (gegebener Satz):

a) alle Menschen Subjekt

guten Willens Genitivattribut zu „alle Menschen" Artergänzung (nach Duden) (Prädikat = Nullzeichen)

2. Analyse (Rücktransposition):

Subjekt

1. Analyse (gegebener Satz):

b) die Schönheit Subjekt

2. Analyse (Rücktransposition):

Artergänzung

dieser Landschaft Genitivattribut zu „Landschaft" Subjekt

(Prädikat = Nullzeichen)

Wir nennen die Rücktransposition in der Gruppe a l i n e a r , folge unverändert bleibt:

weil die Glieder-

alle Menschen guten Willens alle Menschen, (die) guten Willens sind Die Rücktransposition der Gruppe b nennen wir a 1 i n e a r , weil die Glieder vertauscht werden 1 4 : die Schönheit dieser Landschaft diese Landschaft (ist) schön Bei den bisherigen Beispielen war die Rücktransposition alinear 15 . Es ist also ein Kennzeichen des Genitivus qualitatis, d a ß er bei Parallelität von attributivem und prädikativem Gebrauch lineare Rücktransposition zuläßt. 13

14

15

H. Paul vermutet, daß 3er Parallelismus zwischen attributivem Genitiv und attributivem Adjektiv die prädikative Verwendung des Genitivs in Analogie zum prädikativen Adjektiv herbeigeführt habe. (Dt. Grammatik, Bd. III, § 237, S. 319). In bestimmten Kontexten ist bei dieser Gruppe die Rücktransposition mit „haben" möglich: . . . die Schönheit, die diese Landschaft h a t . . . Im 2. Beispiel erlaubt die Gruppe „der Aufbau der Gesellschaft" eine lineare Rücktransposition zu einem aktivischen Satz (Bezugswort = Prädikat/Genitivattribut = Akkusativobjekt) und eine alineare zu einem passivischen Satz (Bezugswort = Prädikat/Genitivattribut = Subjekt).

14

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

11. Beispiel: „Früher bloß Medium der Erkenntnis, Spur eines anderen, das aus ihm erschlossen werden sollte, erscheint es (das Kunstwerk) jetzt als eine in sich ruhende kleine Welt eigener und besonderer Art." (Sedlmayr, S.53) Hier kann der attributive Genitiv nicht einfach in einen prädikativen Genitiv umgewandelt werden. An seine Stelle tritt eine präpositionale Konstruktion 16 : „ . . . eine in sich ruhende kleine Welt, die von eigener und besonderer Art ist." Dies ändert jedoch nichts an den Bestimmungen, die sich für die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" ergeben: eine Welt eigener und besonderer Art 1. Analyse Subjekt Genitivattribut zu „Welt" (gegebener Satz): 2. Analyse Subjekt Artergänzung (Rücktransposition) : 12. Beispiel: „Nutznießer dieser Chance war vor allem dieFamilie . . . und zwar zunächst in erster Linie die bürgerliche Familie, d. h. die Familie der Stadtbewohner vollen Rechts." (H. P. Bahrdt, S. 53) Man darf annehmen, daß früher auch dieser attributive Genitiv in einen prädikativen Genitiv hätte umgewandelt werden können. Heute kann jedoch die Satzrekonstruktion nicht mehr mit Hilfe des Verbs „sein" geschehen: „ . . . d. h. die Familie der Stadtbewohner, die volles Recht (besaßen, hatten)" Dies ergibt für die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" die folgenden Bestimmungen : die Stadtbewohner vollen Rechts 1. Analyse Genitivattribut zu Genitivattribut zu (gegebener Satz): „Familie" „Stadtbewohner" 2. Analyse (Rücktransposition) : Subjekt Akkusativobjekt (Prädikat = .Nullzeichen) Ein wichtiges Merkmal haben die Rücktranspositionen der Beispiele 11 und 12 gemeinsam: die L i n e a r i t ä t. 13.Beispiel: „Ein großer Teil der aufgenommenen Kontakte jeden ungestört seiner Wege gehen zu lassen." 16

Auch hier ist Rücktransposition mit „haben" denkbar.

dient nur dem Zweck, (H. P. Bahrdt, S. 40)

I. Das Problem

des Verhältnisses

zwischen Bezugswort

und Genitivattribut

15

Dies ist nach der herkömmlichen Einteilung ein partitiver Genitiv. Der Versuch, die Gruppe mit partitivem Genitiv zu einem Satz zurückzutransponieren, mißlingt. Betrachtet man das Genitivattribut als Subjekt, so wird das Bezugswort zur Umstandsangabe: „Die aufgenommenen Kontakte dienen zum großen Teil nur dem Zweck, jeden ungestört seiner Wege gehen zu lassen." Der Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" liegt hier somit kein Satz zugrunde. Die analysierten Beispiele mögen genügen, um einen Begriff vom Verfahren der Rücktransposition zu geben. Wie eingangs erwähnt, ist es nicht unsere Absicht, im Rahmen dieser Arbeit die Rücktranspositionen vollständig nach Typen zu ordnen, zu systematisieren. Die Auswahl der Beispiele ist denn auch nicht unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen. Sie hat den Zweck, das Verfahren der Rücktransposition mit der herkömmlichen Einteilung zu konfrontieren, seine Eignung für die Analyse zu erproben, aber auch seine Grenzen (Genitivus partitivus) sichtbar zu machen. Die eigentliche Bewährungsprobe wird das Verfahren bei der Untersuchung der Gruppe ,,-ung-Substantiv + Genitivattribut" zu bestehen haben. Hier seien noch einmal die Grundgedanken genannt, auf die es sich stützt: 1. Die starren Kategorien der herkömmlichen Einteilung haben den Nachteil, daß sie die Aufmerksamkeit vom Vorgang der Transposition, resp. Rücktransposition ablenken. Man gibt sich mit der Zuordnung des einzelnen Falls zu einer vorgegebenen Kategorie zufrieden und übergeht die Frage: W a s g e s c h i e h t bei der Transposition (Rücktransposition)? Die Beantwortung dieser Frage ist für uns entscheidend, wenn wir von der Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" aus die -ung-Substantive untersuchen wollen. 2. Wir gehen davon aus, daß der verbale Satz das Gebilde mit dem höchsten Grad von grammatikalischer Bestimmtheit ist. Wir nennen deshalb den vollständigen verbalen Satz p r i m ä r e n Satz. Betrachten wir die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" ebenfalls als — transponierten — Satz, so hat sie den Status eines s e k u n d ä r e n Satzes, dem Wesentliches von der Bestimmtheit des verbalen Satzes abgeht. Es ist ein Kennzeichen des sprachlichen Systems, daß solche sekundären Sätze an primäre Sätze r ü c k g e k o p p e l t sind .Durch die R ü c k k o p p e l u n g ist der Verlust an Bestimmtheit wettgemacht, wird die Verständlichkeit sekundärer Sätze ermöglicht. 3. Sekundäre Sätze sind unter folgenden Bedingungen möglich: a) Sekundäre Sätze sind immer in primäre Sätze eingebaut, welche Indikatoren für das das richtige Verstehen der sekundären Sätze enthalten.

16

Die Gruppe „Verbalsubstantiv

auf -ung 4-

Genitivattribut"

b) Sekundäre Sätze sind an primäre Sätze rückgekoppelt. Diese Rückkoppelung wird durch die Rüdetransposition sichtbar gemacht. Diesen beiden Bedingungen sollen die erste Analyse (auf der Ebene des gegebenen Satzes) und die zweite Analyse (auf der Ebene der Rücktransposition) gerecht werden. Diese beiden Bedingungen sind unauflöslich verknüpft: Eine korrekte Rüdetransposition kann nur unter Brücksichtigung der Indikatoren des Kontexts vorgenommen werden. 4. Bei Anwendung des Rücktranspositionsverfahrens kommt die Sonderstellung des „G e n i t i v u s q u a l i t a t i s " (lineare Rücktransposition) und des „G e n i t i v u s p a r t i t i v u s " (Unmöglichkeit der Rücktransposition) deutlich zum Vorschein. Die Sonderstellung dieser beiden Arten des Genitivattributs im heutigen Sprachsystem zeigt sich auch daran, daß sie, im Gegensatz zu allen übrigen, nicht mehr vital sind. Im folgenden Kapitelteil soll versucht werden, die -ung-Substantive als Gruppe zu charakterisieren. 17

II. Erste Charakterisierung

der -ung-Substantive als Gruppe

Mit anderen Substantiven zusammen werden die -ung-Bildungen „Verbalsubstantive" genannt. Beispiele: zeichnen >

Zeichnung

bewegen >

Bewegung

angeben > Angabe reißen > R i ß Es ist deshalb zu prüfen, wie der Begriff „Verbalsubstantiv" verstanden und gebraucht wird.

1. Der Begriff

„Verbalsubstantiv":

Über die Natur der Verbalsubstantive findet man in der Literatur widersprüchliche Aussagen. Einen Einblick in diesen Meinungsstreit vermittelt Karlheinz Daniels in seinem Buch „Substantivierungstendenzen in der deutschen Gegenwartssprache" 18 . Nach der einen Auffassung, wie sie von Hermann Wunderlich und Theo Franck vertreten wird, verlieren die Verbalsubstantive die charakteristischen Merkmale des Verbs: Tempus, Modus, syntaktisches Geschlecht (Genus verbi), 17

Mit Nachdruck verweise ich hier auf die ungedruckte Habil. Schrift von Thea Schippan ,Die Verbalsubstantive der deutschen Sprache der Gegenwart' (Leipzig 1967), die zu berücksichtigen mir leider nicht mehr möglich war.

II. Erste Charakterisierung der -ung-Substantive als Gruppe

17

Rektion, Aktionsart und Aspekt. Sie lösen sich von bestimmten Einzelsituationen, die beim Verb mitgesetzt sind19. „Der Bedeutungsgehalt, der sich in . . . V e r b f o r m e n . . . auf die Einzelheiten einer bestimmten Gegebenheit eingeengt zeigt, streift mit dem Ubertritt in die Wortklasse des Substativs diese Einschränkung ab und gewinnt eine Verallgemeinerung der Vorstellung" 20 . Dagegen betont Jespersen 21 : „The fundamental idea of the substantive „movement" is the same as that of the verb „move", and so is that of „Observation" and „observe", „reliance" and „rely" „error and „err" etc. The only difference between the substantives „look", „dream", „ebb", „limit", „effect", „repose" and the verbs „look", „dream", „ebb", „limit", „effect", „repose" is their role in the sentence, but their signification is the same. The distinction between them is a purely grammatical one." Daniels selbst macht sich die erste Auffassung, diejenige von Wunderlich und Franck, zu eigen. Er erachtet es als eine der Hauptaufgaben seiner Untersuchung, „die inhaltlichen Unterschiede verbaler und nominaler Fassung „desselben" Vorgangs zu bestimmen" 22 . Für H . Brinkmann gibt es keine einheitliche Gruppe „Verbalsubstantiv" 23 . Er unterscheidet zwischen V o r g a n g s begriffen wie „Ruf", „Lehre", „Umkehr" usw. und P r ä d i k a t s begriffen, die ihrerseits unterteilt werden in W e r d e n s begriffe und S e i n s begriffe. Ein Werdensbegriff liegt vor in „die Erkrankung des Vaters" ( = Der Vater ist erkrankt). Ein Seinsbegriff liegt vor in „Die Krankheit meines Vaters" ( = Der Vater ist krank). Die Werdensbegriffe stammen aus dem „Wortstand" der Prädikatsbegriffe auf -ung. Bei den Vorgangsbegriffen, sagt Brinkmann, sei das Geschehen aus dem Zusammenhang des Satzes gelöst und objektiviert. Prädikatsbegriffe dagegen (gemeint sind offensichtlich die Werdensbegriffe auf -ung) isolierten den Vorgang nicht. Sie gingen aus dem Satzzusammenhang hervor; sie übernähmen nicht nur den „Inhaltswert" des Verbums, sondern zum Teil auch seinen „Satzwert" 24 . 18

„Sprache und Gemeinschaft", Studien, Bd. III S. 1 6 — 1 7 . Auf den Aufsatz von Georg Stötzel „Zum Nominalstil Meister Eckharts — die syntaktischen Funktionen grammatischer Verbalabstrakta" (Wirkendes Wort, Jg. 16, 1966) bin ich erst nadi Abschluß meines Manuskripts aufmerksam geworden. Zwei Punkte dieses Aufsatzes seien hervorgehoben: 1. Die Ersetzbarkeit durdi den substant. Infinitiv wird als Kriterium für das echte Nomen actionis (nominale Gesdiehensbezeidinung) betrachtet. 2. Es wird, vom K o n t e x t aus, gefragt, wie es zu dem Ausfall z. B. der Personenangabe bei nominaler Gesdiehensbezeidinung komme (S. 292).

19

Nadi Theo Franck: Wörter für Satzinhalte. Zur inhaltlichen Leistung abstrakter Wortstände im Deutschen und Englischen. Diss. Bonn 1958 (Wiedergegeben nach Daniels, S. 16).

20

Nach H . Wunderlich: Der deutsche Satzbau, Bd. 1, 2. Aufl. Stuttgart 1901 (Zitiert nach Daniels, S. 16).

21

O. Jespersen, The Role of the Verb, G R M 3, 1911, S. 101. (Zitiert nadi Daniels, S. 16).

2

Sdiäublin 1

S.U.

18

Die Gruppe „Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Man erkennt, daß Brinkmann die Aussagen Wunderlichs und Francis nur für die Vorgangsbegriffe, nicht aber für die Prädikatsbegriffe gelten lassen würde. Auch wir vermuten, daß der Begriff „Verbalsubstantiv" eine Einheit vortäuscht, wo in Wirklichkeit Vielheit ist. Der Begriff „Verbalsubstantiv" besagt ja zunächst nichts weiter, als daß diese Substantive von Verben abgeleitet sind. Eine Charakteristik des Inhalts und der Funktionen dieser Substantive ist mit diesem Begriff nicht gegeben, sondern gefordert. Doch auch Brinkmanns Isolierung der Prädikatsbegriffe auf -ung will uns willkürlich erscheinen. Es ist zu bedenken, daß die Ableitung mittels -ung neben der Substantivierung des Infinitivs die einzige wirklich lebendige Möglichkeit ist, Verben zu substantivieren. Brinkmanns Scheidung zwischen Prädikatsbegriffen auf -ung (Werdensbegriffen) und Vorgangsbegriffen würde deshalb bedeuten, daß die Prädikatsbegriffe auf -ung eine aktuelle, offene Bildungskategorie sind, die Vorgangsbegriffe dagegen eine geschlossene, relikthafte Kategorie. Dabei bedarf die Gegenwartssprache der Vorgangsbegriffe ebenso wie der Werdensbegriffe. Wollte man diese Scheidung übernehmen, so wäre man gezwungen, Zonen der Interferenz anzunehmen: Ubergreifen der Vorgangsbegriffe in die Domäne der Werdensbegriffe und umgekehrt. Brinkmann würde die Substantive „Angabe" und „Annahme" wohl zu den Vorgangsbegriffen rechnen. Dabei sind sie in den Gruppen „die Angabe des Datums", „die Annahme von Paketen" durchaus funktionsgleich mit Prädikatsbegriffen auf -ung (Vgl. z. B. „die Ablehnung des Vorschlags", „die Zurückweisung des Protests"). Umgekehrt sehen wir auch keinen Unterschied zwischen dem Vorgangsbegriff „ T a t " und dem -ung-Substantiv „Eroberung" in den folgenden Sätzen 2 5 : Dies ist seine bedeutendste T a t Dies ist seine bedeutendste Eroberung U m solchen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, beschränken wir uns auf die -ung-Substantive und klammern alle andern Verbalsubstantive aus. J a , wir ziehen den Kreis noch enger und untersuchen nach der ersten allgemeinen Charakterisierung der -ung-Bildungen ausschließlich solche -ung-Substantive, die von transitiven Verben abgeleitet sind. Wir prüfen also die widersprüchli22

Vgl. Daniels, S. 16—17.

23

H . Brinkmann, Die deutsche Sprache, S. 3 2 — 4 3 .

24

Die Begriffe „Satzwert" und „Inhaltswert" werden von Brinkmann zunächst im Zusammenhang mit dem Verb gebraucht. Satzwert hat das Verb durch seine Fähigkeit, außer der Beziehung zum Subjekt noch weitere Stellen im Satz festzulegen, die besetzt werden müssen oder können (Vgl. S. 214). Bedeutungsgleich mit „Satzwert" verwendet Brinkmann auch den Begriff „Valenz" im Anschluß an Tesniere.

25

Darauf weist Brinkmann auch selbst hin: „Wie alle anderen substantivischen Ableitungen von Verben sind auch die Prädikatsbegriffe einer Vergegenständlichung nicht entgangen" (S. 35). Damit wird aber die Scheidung zwischen Vorgangsbegriffen und Prädikatsbegriffen auf -ung illusorisch.

II. Erste Charakterisierung

der -ung-Substantive

als Gruppe

19

dien Aussagen über das Verbalsubstantiv an einer einheitlichen Gruppe. D i e Frage lautet dann: Schließen sich die Aussagen von Wunderlich und Franck einerseits und Jespersen andererseits aus, oder ist der Widerspruch nur in der Allgemeinheit dieser Aussagen, in ihrem Anspruch auf allgemeine Gültigkeit begründet? N i m m t man an, daß sich der Widerspruch der Aussagen reduzieren läßt, so sind zwei Schritte der Reduktion denkbar: 1. D e r Nachweis, daß gar nicht alle -ung-Substantive die gleichen und gleich viele Funktionen haben. Dies wäre der Nachweis einer Differenzierung auf der Ebene der „langue", denn es würde sich dabei um systematische U n t e r schiede handeln. Gibt es solche Unterschiede auf der Ebene der „langue", so sind generelle Aussagen der oben erwähnten A r t für die Verbalsubstantive auf -ung nicht zulässig. 2.

D e r Nachweis, daß ein und dasselbe -ung-Substantiv

„verbnahe"

und

„verbferne" Funktionen haben kann, daß also seine Distanz zum Verb variabel ist. Was unter variabler Distanz zum Verb zu verstehen ist, sei schon hier mit einem Beispiel angedeutet. Man vergleiche: a) die Verordnung einer Medizin b) die Verordnung des Arztes Die Gruppe a läßt folgende Rücktransposition z u : die Verordnung einer Medizin > eine Medizin verordnen Dies ergibt in zweiter Analyse folgende Bestimmungen: die Verordnung

einer

Prädikat

Akkusativobjekt

Medizin

Die Gruppe b läßt unter Umständen die folgende Rücktransposition zu: die Verordnung des Arztes > was der A r z t verordnet (hat) Dies ergibt in zweiter Analyse folgende Bestimmungen: die Verordnung Prädikat + Akkusativ-

des

Arztes

Subjekt

objekt Die Rücktransposition zeigt, daß das Verbalsubstantiv „Verordnung" in der Gruppe b Prädikat u n d O b j e k t beinhaltet. Das O b j e k t tritt bei der Rücktransposition als Pronomen zutage. Aus dem Vergleich der Gruppen a und b schließen wir, daß „Verordnung" in der Gruppe a „verbnäher", in der Gruppe b „verbferner" ist. Dieser Schluß bleibt freilich intuitiv, solange die variable Distanz zum Verb nicht mit H i l f e geeigneter Kriterien bestimmt werden kann. Die Unterscheidung der verschiedenen Funktionen ist nur im K o n t e x t , also auf der Ebene der „parole" möglich. Dagegen ist es das System („langue"), das die Funktionsmöglichkeiten eines -ung-Substantivs bestimmt. Es sind drei verschiedene Ansichten über das Verbalsubstantiv kritisch gewürdigt worden. Es sei versucht, sie zusammenfassend zu charakterisieren: 2'

20

Die Gruppe „Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Jespersen einerseits, Wunderlich und Franck andererseits machen generelle Aussagen über die N a t u r des Verbalsubstantivs. Sie setzen stillschweigend voraus, daß es eine einheitliche Kategorie „Verbalsubstantiv" gebe und daß diese Verbalsubstantive von einfacher, invariabler A r t seien. Diese Voraussetzungen sind nicht erwiesen. Brinkmann unterscheidet zwischen Vorgangsbegriffen und Prädikatsbegriffen, wobei von den Prädikatsbegriffen nur die Werdensbegriffe, nicht aber die Seinsbegriffe als Verbalsubstantive betrachtet werden können. Dieser an sich berechtigte Differenzierungsversuch krankt vor allem daran, daß die einheitliche Formkategorie der Substantive auf -ung (Brinkmann spricht von „Wortstand") auch als einheitliche Funktionskategorie dargestellt wird. Z w a r konstatiert Brinkmann selbst alsbald mehrere Funktionen bei den -ungBildungen, doch hält er an der funktionell definierten Bezeichnung „Werdensbegriffe" für diese Bildungen fest. E r prägt also einen Begriff, um eine Funktion zu benennen: Werdensbegriffe übernehmen nicht nur den „Inhaltswert" des Verbums, sondern zum Teil auch seinen „Satzwert". E r belegt mit diesem Begriff eine Form (Bildungen auf -ung) und stellt alsdann fest, daß diese Form mehrere Funktionen haben kann. Dieser Widerspruch macht seinen Differenzierungsversuch fragwürdig.

2 . Zahlen

zum

-ung-Substantiv:

Die Kenntnis der zahlenmäßigen Bedeutung der -ung-Substantive wäre wünschenswert, würde sie doch den Aussagen über die Beschaffenheit dieser Bildungen noch mehr Gewicht verleihen. Das jüngst erschienene „Rückläufige Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache" von Erich Mater 2 6 erlaubt zwar nicht die Angabe verbindlicher Zahlen, denn ein offener, lebendiger Ableitungstypus ist lexikographisch nicht vollständig erfaßbar, und vollends aussichtslos wäre das Streben nach Vollständigkeit bei den Komposita mit einem Grundwort auf -ung 27 . Dennoch kann dieses Wörterbuch eine ungefähre Vorstellung von der zahlenmäßigen Bedeutung der Substantive auf -ung vermitteln. Wir haben bei den Zählungen den Eindruck gewonnen, daß die -ung-Substantive im „Rückläufigen Wörterbuch" recht extensiv berücksichtigt worden sind. D e r Verfasser hat sich offenbar entschlossen, diese Bildungen grundsätzlich als lexikalisiert zu betrachten. Ein Indiz für diese extensive Berücksichtigung der -ung-Substantive: Zu den 178 im „Rückläufigen Wörterbuch" verzeichneten 26

VEB Verlag Enzyklopädie Leipzig 1965.

27

Mater hat als Belegquelle hauptsächlich das Deutsch-Ungarische Wörterbuch von Elöd Halasz (Budapest 1952) benutzt. Einer der Gründe für die Wahl dieser Quelle war, daß in diesem Wörterbuch, bedingt durch den Bau der ungarischen Sprache, mehr Komposita verzeichnet sind als in anderen Wörterbüchern (Vgl. die Angaben in „Hinweise für die Benutzung").

II. Erste Charakterisierung

der -ung-Substantive

als

21

Gruppe

Verben auf -igen finden wir nicht weniger als 142 Substantive auf -igung angegeben. Von den Verben auf -igen, zu denen kein Substantiv verzeichnet ist, sind nach unserem Sprachgefühl deren 12 überhaupt nicht substantivierbar 28 . Bei einigen sind wir unsicher29. Insgesamt dürften rund 20 mögliche Substantive auf -igung nicht in die Liste aufgenommen worden sein30. Auch die Substantive auf -ierung sind stärker berücksichtigt als etwa in den beiden repräsentativsten deutschen Fremdwörterbüchern 31 . Das „Rückläufige Wörterbuch" verzeichnet insgesamt 9575 -ung-Substantive, die Komposita miteingerechnet. Schätzt man die Gesamtzahl der in diesem Wörterbuch verzeichneten Wörter auf 135 000—140 000 (inklusive Lautvarianten), so beträgt der Anteil der -ung-Substantive rund 7 °/o. Die -ung-Substantive sind also ohne Zweifel die gewichtigste Kategorie deverbaler Substative. Ja, man darf sogar annehmen, daß die Transpositionen mittels -ung im Deutschen an der Spitze aller Transpositionen stehen. Das „Rückläufige Wörterbuch" führt beispielsweise 2850 Abstrakta auf -heit, resp. -igkeit an. Das sind rund 2fl/o des inventarisierten Wortguts. Gewiß gibt es noch fruchtbarere Suffixe als das letztgenannte. So sind nicht weniger als 3790 Adjektive auf -ig verzeichnet. Aber im Unterschied zur Gruppe der -ung-Substantive ist die Gruppe der Adjektive auf -ig heterogen32.

3. Allgemeine Charakterisierung der -ung-Substantive durch Vergleich mit den substantivierten Infinitiven: Eine Probezählung hat ergeben, daß beinahe ein Drittel der Gruppen „Bezugswort + Genitivattribut" ein Substantiv auf -ung, sei es als Bezugswort, sei es als Attribut, enthalten 33 . Es lohnt sich also, die Leistung der -ung-Bildungen in diesen Gruppen genauer zu untersuchen. Wir betrachten den Ableitungstypus -ung auch und vor allem als ein Problem der Syntax. Mit Hilfe der -ung-Bildungen ist es möglich, Verben, insbesondere 28

predigen, anpredigen, einpredigen, auspredigen, befehligen, willigen, ligen (dreinwilligen), bemüßigen, benötigen, witzigen, entübrigen.

dareinwil-

29

etwa: gewältigen, mitfertigen, befleißigen.

30

überbefriedigen, umfriedigen, behändigen, verlebendigen, einkäfigen, verunheiligen, verinnigen, bevorrechtigen, notzüchtigen, vertausendfältigen, aufnötigen, gewärtigen, verängstigen, bekreuzigen, zufertigen, einnötigen, zurücknötigen, hereinnötigen, herausnötigen.

31

Der Fremdwörter-Duden des Bibliographischen Instituts Mannheim (1960) und das Fremdwörterbuch des Bibliographischen Instituts Leipzig (1966). Vgl. S. 68 dieses Kapitels.

32

Die Grundwörter gehören verschiedenen Wortarten an: Sucht > süchtig, heute heutig, holpern > holperig, voll > völlig.

33

Als Quellen haben uns folgende Bändchen von Rowohlts Deutscher Enzyklopädie gedient: rde 3 (Schmölders), rde 45 (Hauser), rde 47 (Adlinger), rde 53 (Gehlen), rde 71 (Sedlmayr), rde 81 (Eucken), rde 127 (Bahrdt), rde 199 (Lemberg).

>

22

Die Gruppe „Verbalsubstantiv auf -ung + Genitivattribut"

Handlungsverben, von ihrer Bindung an die Prädikatsfunktion zu befreien und für andere syntaktische Funktionen verfügbar zu machen. Zum Substantiv transponiert, gerät das Verb, das die übrigen Satzglieder beherrscht, seinerseits wieder unter die Herrschaft eines Verbs. Über was für Eigenschaften muß nun die nominale Form des Verbs verfügen, damit sie sich für die syntaktischen Rollen des Substantivs eigne? Ganz sicher muß sie die folgende Forderung erfüllen: Sie darf nicht vorbelastet sein mit formalen Merkmalen des Verbs. Zu untersuchen ist also, ob die -ung-Form diese Forderung erfüllt. Als Vergleichsform bietet sich der substantivierte Infinitiv an, der mit den -ung-Bildungen zusammen die einzige wirklich lebendige Nominalform des Verbs darstellt. a) Häufigkeit und Bildungsmöglichkeiten der -ung-Ableitung und des substantivierten Infinitivs: Unsere Probezählung hat ergeben, daß in 1909 Gruppen mit Genitivattribut 589 -ung-Bildungen, aber nur 112 substantivierte Infinitive vorkommen. Umgekehrt lassen sich fast unbeschränkt substantivierte Infinitive bilden, während, wie R . Kurth 3 4 festgestellt hat, von fast 2000 einfachen Verben (ohne die Verben auf -ieren) sich nur etwa 400, das heißt 20 % , für die Bildung von Wörtern auf -ung eignen. Die Häufigkeit der in Gruppen mit Genitivattribut verwendeten -ung-Substantive und der substantivierten Infinitive ist also umgekehrt proportional zu den Bildungsmöglichkeiten der beiden Formen. Von den 112 gezählten substantivierten Infinitiven sind nicht weniger als 90 (80, 3 %>) von intransitiven Verben gebildet. 10 weitere sind von transitiven Verben abgeleitet, aber intransitiv verwendet, also ohne Genitivattribut mit Objektfunktion. Von den 12 verbleibenden, zu transitiven Verben gebildeten und transitiv verwendeten substantivierten Infinitiven kommen deren 5 beim gleichen Autor (Sedlmayr) vor 35 . Von den 589 -ung-Substantiven sind 317 transitiv, also mit einem Genitivattribut in der Funktion des Objekts verbunden, 230 dagegen intransitiv verwendet. Von den 230 intransitiv gebrauchten -ung-Bildungen lassen sich nicht weniger als 186 auf transitive Verben zurückführen 36 . Somit verbleiben noch 44 -ungBildungen von intransitiven Verben. Bei 42 -ung-Substantiven endlich muß ein reflexives Verb zugrundegelegt werden. 34

„Bildung und Gebrauch der Wörter auf -ung" (PBB Ost, Bd. 78, S. 307 ff.).

35

Viermal die Gruppe „das Verstehen der Gebilde", einmal die Gruppe „das intellektuelle Verarbeiten der Wahrnehmungen".

36

In dieser Statistik wird noch nicht unterschieden zwischen einwertig transitiven und transitiv-intransitiven Verben (vgl. S. 25 dieses Kapitels).

II. Erste Charakterisierung

der -ung-Substantive

als

Gruppe

23

Als eigentliche Domäne des substantivierten Infinitivs hat sich der intransitive Gebrauch herauskristallisiert. Weniger eindeutig sind die Verhältnisse bei den -ung-Substantiven. Sie werden transitiv und intransitiv häufig verwendet (transitiv: 53,8%; intransitiv 39 °/o; reflexiv 7,1 °/o). Doch sind die Verben, die den -ung-Substantiven zugrundliegen, ganz überwiegend transitiv, nämlich in 503 Fällen (85,4 %>)37. Die E i n s e i t i g k e i t im Gebrauch des substantivierten Infinitivs kontrastiert deutlich mit der S t r e u u n g im Gebrauch der -ung-Substantive. Dies läßt die Annahme zu, daß die -ung-Substantive vielseitiger verwendbar sind. Der nächste Schritt besteht darin, daß wir untersuchen, welche Merkmale des finiten Verbs die beiden Formen übernehmen und welche sie absorbieren. b) Absorption der Merkmale des finiten Verbs durch die -ung-Substantive: Wo das -ung-Substantiv von einem Genitivattribut mit Objektfunktion begleitet ist, da hat es mit dem ihm zugrundeliegenden Verb die Transitivität gemeinsam: das Haus schätzen

die Schätzung des Hauses

Gerade in solchen Fällen zeigt das -ung-Substantiv eine gewisse Ähnlichkeit mit den sogenannten synsemantischen Wörtern (Pronomina, Pronominaladverbien). Die Ähnlichkeit besteht in der Abhängigkeit vom Kontext, in der Unselbständigkeit. Aber im Unterschied zu den synsemantischen Wörtern bedarf das -ungSubstantiv nicht semantisch, sondern grammatikalisch der Stützung von außen. Ihm eignet durchaus eine Zeitstufe, ein Modus, auch eine Verhaltensrichtung, aber alle diese Merkmale müssen erschlossen werden. Ein Beispiel: „Die Affekte können ja auch gar nicht mehr an der Außenwelt festgemacht werden, weil diese viel zu versachlicht und zu symbolentleert ist — dazugerechnet der fehlende Widerstand der rohen Natur, die Stillegung der körperlichen Anstrengung: was sollte anderes folgen als der „Erlebnisstrom", der in chronischer Wachheit und Reflexion bewältigt wird?" (Gehlen, S. 58) Die Satzrekonstruktion bereitet hier weniger wegen des Verhältnisses zwischen Bezugswort und Attribut als wegen der Zeitstufe Schwierigkeiten: „ . . . dazugerechnet, daß die rohe Natur keinen Widerstand mehr (bietet) und die körperliche Arbeit stillgelegt ist..." 37

Dies bestätigt vom Gebrauch her W. Henzens Feststellung: „Die abstrakten Bildungen auf -ung sind überwiegend transitiver Natur". (Deutsche Wortbildung, S. 183).

Die Gruppe „Verbalsubstantiv

24

auf -ung +

Genitivattribut"

Als Zeitstufe der ersten Gruppe („der fehlende Widerstand der rohen Natur") kommt nur das Präsens in Betracht. Daraus erschließen wir auch für die zweite Gruppe („die Stillegung der körperlichen Anstrengung") ein Präsens, und zwar das Präsens des Zustandspassivs: „stillgelegt ist". Anders im folgenden Beispiel: „Dieses Zugeständnis einer Änderung der Bewußtseinsstrukturen selbst, nicht nur der Inhalte, macht diese Zeit, wie wir sehen konnten, außerordentlich ungern." (Gehlen, S. 59) Das Verb des rekonstruierten Satzes muß in einer Vergangenheitsform stehen, die zugleich den Bezug zu „dieser Zeit" herstellt. Also Perfekt: „Dieses Zugeständnis, haben..."

daß

sich die Bewußtseinsstrukturen

geändert

Francks These, das Verbalsubstantiv verliere die Merkmale Tempus und Modus, trifft offensichtlich für die -ung-Bildungen in den Gruppen ,,-ungSubstantiv + Genitivattribut mit Objektfunktion" nicht zu38. Wo die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" nur in Gestalt eines N e b e n s a t z e s rekonstruiert werden kann, muß auch dessen Form implizit im transponierten Satz enthalten sein. Beispiel: „ . . . und kooperativ — als Stadtgemeinde — übt das Bürgertum auch als Publikum einen bedeutenden Einfluß auf die Kunst, namentlich auf die Gestaltung der Kirchen und der städtischen Repräsentationsbauten aus." (Hauser, S. 76) Da bei der Rücktransposition von „Gestaltung" kein handelndes Subjekt zur Verfügung steht, führt man das Verbalsubstantiv mit Vorteil auf eine passive Verbform zurück: „ . . . übt das Bürgertum als Publikum einen bedeutenden Einfluß auf die Kunst aus, namentlich darauf, wie die Kirchen und die städtischen Repräsentationsbauten gestaltet werden." Die Rückkoppelung, wie sie durch die Rücktransposition sichtbar gemacht wird, setzt voraus, daß die Form des rekonstruierten Satzes auch in der Gruppe „-ung-Substantiv + Genitivattribut" enthalten ist. Das Wort „Einfluß", das die Form bestimmt, verliert seine prägende Kraft bei der Transposition nicht. Dies zeigt sich daran, daß nicht alle -ung-Substantive gleicherweise als Präpositionalattribute zu „Einfluß" treten können 39 . Man vergleiche: 38

Vgl. o b e n S. 16.

39

Anders als die Duden-Grammatik (§ 909) entschließe ich midi hier für die Bezeichnung „Präpositionakfiri£«t" statt „Präpositionalobjekt". Ein Satz w i e „Sein Einfluß auf die Ausbildung der Facharbeiter ist groß" zeigt, daß die Präposition „auf" durch „Einfluß", nicht durch das Verb „ausüben" gefordert wird, wogegen bei „auffor-

II, Erste Charakterisierung

der -ung-Substantive

als

Gruppe

25

a) einen Einfluß auf die Ausbildung der Facharbeiter ausüben b) (einen Einfluß auf die Abschaffung der Zölle ausüben)? Das Sprachgefühl akzeptiert nur die Gruppe a. In der Tat sind die beiden -ung-Substantive „Ausbildung" und „Abschaffung" nicht gleichwertig. Mit „Ausbildung" ist eine komplexe Tätigkeit gemeint, d. h. eine Tätigkeit, die eine Differenzierung nach der Art und Weise zuläßt. „Abschaffung" dagegen läßt keine Differenzierung nach der Art und Weise zu. Aus diesem Grund kann „Abschaffung" auch nur Handlungsbezeichnung sein, während „Ausbildung" darüber hinaus auch als Zustandsbezeichnung, als Nomen acti40, auftritt. Man kann die „Ausbildung" intensivieren, ausgestalten, nicht aber die „Abschaffung". Als Präpositionalattribut zu „Einfluß" eignen sich also nur solche Substantive, die das Wie, das im Nebensatz explizit ist, implizit enthalten. Der Unterschied zwischen dem transponierten Satz „die Gestaltung der Kirchen" und dem verbalen Satz „wie die Kirchen . . . gestaltet werden" besteht darin, daß sich die semantischen Merkmale in der F o r m des verbalen Satzes niederschlagen, während sie im transponierten Satz unsichtbar bleiben. Wenn ein Wort verschiedene Nebensatzformen zuläßt, ist die I m p l i z i t h e i t der Transpositionen besonders deutlich sichtbar: a) Es ist noch ungewiß, wie der Kampf ausgehen wird Transposition: Der Ausgang des Kampfes ist noch ungewiß b) Es ist noch ungewiß, ob der Beitrag erhöht wird Transposition: Die Erhöhung des Beitrages ist noch ungewiß Verlust der obligatorischen

Transitivität:

Nach der Definition der Duden-Grammatik sind nur jene Verben transitiv, die i m S a t z ein Akkusativobjekt bei sich haben 41 . Diese Definition stellt auf den Satz, also auf die „parole" ab. Sie erfaßt zwar alle transitiven Verben, aber sie unterscheidet nicht zwischen den e i n w e r t i g e n Transitiva, die nur mit einem Akkusativobjekt gebraucht werden können, und den transitiv-intransitiven Verben, die mit oder ohne Akkusativobjekt gebraucht werden können 42 . Zu den ersteren gehören „bebauen", „erreichen", „herleiten" usw.; zu den letzteren gehören „sehen", „singen", „schreiben" usw. Schematisch läßt sich der Unterschied zwischen einwertig transitiven und transitiv-intransitiven Verben wie folgt darstellen: dem, jemanden zu etwas" (Duden-Grammatik, § 909) die Präposition „zu" von „auffordern" abhängig ist. 40

Dieser Begriff nadi W. Henzen, Dt. Wortbildung, S. 183.

41

S. 82, § 57—58.

42

Vgl. dazu A. Blinkenberg, Le rôle de la transitivité en français moderne, S. 40 (Historik-filosofiske Meddelelser Bd. 38, Kopenhagen 1960).

26

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

singen

bebauen langue: einwertig transitiv

transitiv-intransitiv

parole: einwertig transitiv :

transitiv:

»

Er bebaut das Grundstück"

„Er singt ein Lied"

\

intransitiv: „Er singt"

Gerade im Hinblick auf die Transposition ist es wichtig, daß dieser Unterschied berücksichtigt wird, gibt es doch einwertig transitive Verben, die bei der Transposition zu Verbalsubstantiven ihre E i n w e r t i g k e i t verlieren. Beispiel: „Es war schon in der Einleitung davon die Rede, daß die Herleitung aus der Arbeiterfrage den älteren Theorien der Sozialpolitik eine feste und verläßliche Grundlage geliefert hat." (Achinger, S. 57) Während das Verb „herleiten" nicht ohne Akkusativobjekt verwendet werden kann, bedarf das Verbalsubstantiv „Herleitung" nicht notwendig eines Attributs mit Objektfunktion. Im zitierten Satz kann dieses Attribut leicht ergänzt werden: „ . . . diese Herleitung (der Sozialpolitik) aus der Arbeiterfrage . . . " Durch die Transposition wird also das einwertig transitive Verb „herleiten" transitiv-intransitiv. Der Verlust der Einwertigkeit wird dadurch möglich, daß die Nominalform des Verbs nicht in primären, sondern in sekundären Sätzen steht. Ergänzungslos können Nominalformen einwertig transitiver Verben ja zunächst nur dann bleiben, wenn die Ergänzung schon bekannt ist. Auch hierin sind die -ung-Substantive den synsemantischen Wörtern ähnlich. Ob der Verlust der Einwertigkeit bei Transposition mittels -ung durchgehend ist, wissen wir nicht. Implizitheit

der Reflexivität

und des Genus

Der substantivierte Infinitiv kommt sich Austoben", „das sich Winden", kundet sich seine Nähe zum Verb. dagegen ohne Reflexivpronomen aus; erschlossen werden.

verbi:

nicht ohne Reflexivpronomen aus: „das „dieses sich Einfühlen" usw. Darin beDas Verbalsubstantiv auf -ung kommt seine Reflexivität muß aus dem Kontext

Beispiel: „Die ältere Generation hat die Entwicklung Rußlands von einem rückständigen Agrarland . . . zu einer industrialisierten Weltmacht erlebt." (Lemberg, S. 76) Die Satzrekonstruktion lautet: „Die ältere Generation hat erlebt, wie sich Rußland von einem rückständigen Agrarland . . . zu einer industrialisierten Weltmacht entwickelte."

II. Erste Charakterisierung der -ung-Substantive

als Gruppe

27

Es gibt auch eine passive und eine aktive Form des substantivierten Infinitivs. Das Genus verbi ist also explizit: „das Unterdrücken / das Unterdrücktwerden" usw. So wie die R e f l e x i v i t ä t beim -ung-Substantiv implizit bleibt, so bleibt auch das G e n u s v e r b i implizit. Dies ermöglicht die Bildung sogenannter Funktionsverbformeln 43 . Beispiel: aktivisch: Er führte die Untersuchung des Vorfalls durch Er untersuchte den Vorfall passivisch: Die Abfertigung der Reisenden am Zoll geht rasch vor sich. Die Reisenden werden am Zoll rasch abgefertigt. Aus dem gleichen Grund kann das Possessivpronomen in der Gruppe „ s e i n e H e r a u s f o r d e r u n g " sowohl die Rolle des O b j e k t s als auch die Rolle des S u b j e k t s innehaben. Zählbarkeit

der

-ung-Abstrakta:

Der substantivierte Infinitiv kann grundsätzlich nicht in den Plural gesetzt werden. Die wenigen Ausnahmen 44 tun dieser Regel keinen Abbruch. Sie sind als Sonderfälle abgehoben. Weniger eindeutig sind die Verhältnisse beim -ungSubstantiv. Eine ansehnliche Minderheit von -ung-Bildungen scheint sich der Pluralisierung zu entziehen: z . B . „Beseitigung", „Erreichung", „Durchführung", „Einpeitschung" usw. Dennoch vermuten wir, daß die Kategorie der -ung-Substantive der Pluralisierung grundsätzlich nicht widerstrebt. Gelegentlich stehen sie sogar im Plural, wenn sie mit einem Attribut in der Funktion des Objekts verbunden sind: „Wenn die führenden Politiker ausnahmslos aller Fronten z. B. in den letzten Jahrzehnten zu geradezu phänomenalen Fehleinschätzungen der Lage gekommen s i n d , . . ( G e h l e n , S. 62) Auch hinsichtlich der Numerusmöglichkeiten unterscheiden sich also die -ungSubstantive klar von den substantivierten Infinitiven.

c) Der Größencharakter der -ung-Abstrakta: Es steht fest, daß der substantivierte Infinitiv dem Verb formal näher steht als das -ung-Substantiv. Das -ung-Substantiv absorbiert mehrere Merkmale des Verbs, die beim substantivierten Infinitiv explizit bleiben. Nun soll gezeigt werden, daß diesen f o r m a l e n Unterschieden eine i n h a l t l i c h e 43

44

Vgl. dazu P. v. Polenz, „Funktionsverben im Zeitschrift „Wirkendes W o r t " und Karlheinz zen . . .". z. B. das/die Abkommen, Beben, Einkommen, Treffen, Unternehmen, Verbrechen, Vergehen, Vorhaben, Wiedersehen.

heutigen Deutsch", Beiheft 5 der Daniels, „SubstantivierungstendenEssen, Leben, Rennen, Schreiben, Verfahren, Vergnügen, Vermögen,

28

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Differenzierung entspricht. Der folgende Satz enthält ein -ung-Substantiv, das zwei Deutungen zuläßt: „Man plant die Verlängerung der Autobahn bis X . " Ist „planen" durch „beabsichtigen" ersetzbar, so ist „Verlängerung" deutlich verbal. Die Gruppe „die Verlängerung der Autobahn bis X . " kann dann durch einen Infinitivsatz substituiert werden45. „Man plant, die Autobahn bis X . zu verlängern" „Verlängerung" bezeichnet in diesem Fall die beabsichtigte Handlung. Mit dem unbestimmten Artikel wäre „Verlängerung" überhaupt nur als Handlungsbezeichnung interpretierbar: „Man plant e i n e Verlängerung der Autobahn bis X . " Ist „planen" dagegen durch „Pläne anfertigen" ersetzbar, so kann „Verlängerung" gleichbedeutend sein mit „ Verlängerungsstück": „Man fertigt Pläne an für das Verlängerungsstück der Autobahn bis X . " Nun hat „Verlängerung" deutlich den Charakter einer umgrenzten Größe und kann mit Dingbezeichnungen verglichen werden. Die Untersuchung dieses Satzes verdeutlicht zweierlei: 1. Das -ung-Substantiv „Verlängerung" ist inhaltlich elastisch, variabel. 2. Es kann eine umgrenzte Größe bezeichnen. In den folgenden Sätzen ist das -ung-Substantiv Akkusativobjekt und wird seinerseits durch ein Attribut mit Objektfunktion bestimmt: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Er nimmt eine Überprüfung der Installationen vor Er führte die Kolonisierung des Gebietes durch Er führt die Erprobung des Motors durch Er nimmt die Erforschung dieses neuen Gebiets in Angriff Wir haben die Entwicklung der neuen Maschine abgeschlossen Er führte die Untersuchung des Unfalls durch

In keinem dieser Sätze ist das -ung-Substantiv durch den substantivierten Infinitiv ersetzbar. Das -ung-Substantiv faßt die Handlung von Anfang bis Ende zusammen, hypostasiert sie zur umgrenzten Größe 46 . Der substantivierte Infinitiv dagegen stellt das Handeln, den Vorgang unmittelbar dar: „das Uberprüfen der Installationen", „das Kolonisieren des Gebiets", „das Erproben des Motors" usw. Dies erklärt auch, weshalb -ung-Substantive so leicht als Objekte zu e f f i z i e r e n d e n und a f f i z i e r e n d e n Verben treten können : Die Verbindung des Verbs „planen" mit einem Infinitiv ist möglicherweise auf englischen Einfluß zurückzuführen. Das engl. Verb „to plan" wird oft mit dem Infinitiv gekoppelt: „He planned to come" ( = Er hatte die Absicht zu kommen). " Dieser Begriff nach E. Leisi, Der Wortinhalt, S. 23—25. 45

77. Erste Charakterisierung

der -ung-Substantive

als

Gruppe

29

die Bearbeitung des Stücks — in Angriff nehmen, abschließen, beschleunigen, verzögern, besorgen, vornehmen, vorbereiten usw. An Kombinationsmöglichkeiten sind die -ung-Substantive also den substantivierten Infinitiven überlegen. Es darf angenommen werden, daß die Vielseitigkeit der -ung-Bildungen eine Funktion ihrer formalen und inhaltlichen Unbestimmtheit ist und daß andererseits der substantivierte Infinitiv als formal und inhaltlich bestimmte Nominalform des Verbs nur beschränkt geeignet ist für die Rollen des Substantivs im Satz. Diese Annahme w i r d noch sorgfältig zu prüfen sein. d) Zusammenfassung und Ausblick: Wir stellen die Merkmale, die das -ung-Substantiv vom substantivierten Infinitiv unterscheiden, in einer Übersicht zusammen:

A . Inhaltliche Merkmale:

-ung-Substantive

substantivierte Infin.

Fähigkeit, Handlungen und Vorgänge als umgrenzte Größen darzustellen (nominales M e r k m a l )

Unmittelbare Darstellung des Vorgangs oder der Handlung (verbales M e r k m a l )

B. Verbale Merkmale: 1. formale Kennzeichnung der Reflexivität 2.

Bestimmtheit der Verhaltensrichtung (aktiv/passiv)

C. Nominale Merkmale: Zählbarkeit



+



+

+ (nicht durchgehend)

D. H ä u f i g k e i t : 1. Bildungsmöglichkeiten : (langue)

weniger zahlreich

zahlreicher

2.

zahlreicher

weniger zahlreich

Verwendung (parole)

30

Die Gruppe „Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Diese Übersicht zeigt deutlich einen Verlust an verbalen und einen Zuwachs an nominalen Merkmalen beim -ung-Substantiv, und zwar sowohl in bezug auf die Form als auch in bezug auf den Inhalt. Allerdings bleibt das Bild, das man von

den -ung-Substantiven

gewinnt,

wenn man sie mit dem substantivierten Infinitiv vergleicht, in verschiedener Hinsicht unscharf. D a f ü r lassen sich zwei Gründe nennen: 1. Wenn man zwei Formen vergleichend differenziert, so werden nur gerade ihre kontrastierenden Merkmale sichtbar. D a m i t wird aber die Beschreibung der einen wie der anderen Form über Gebühr vereinfacht. Als diakritische Zeichen sind sprachliche Formen durch mehrfache Kontrastierung zu bestimmen. 2.

Bei solcher Gegenüberstellung zweier Formen besteht die Neigung, die Vertreter einer Form als homogen zu betrachten, eine Einheitlichkeit anzunehmen, wo vielleicht gar keine besteht. Wir haben dieser Gefahr dadurch Rechnung zu tragen versucht, daß wir gewisse Aussagen relativierten. So waren wir beispielsweise gezwungen, von einer T e n d e n z der -ung-Substantive zur Zählbarkeit zu sprechen. D i e Aussagen über die Bildungsmöglichkeiten und über die Gebrauchshäufigkeit sind ohnehin relativ. D i e Unscharfe der Aussagen erklärt sich gerade durch die Annahme der Homogenität.

Im weiteren Verlauf der Untersuchung soll nun versucht werden, diese Aussagen zu präzisieren. Dies bedingt eine interne Gliederung der Kategorie der -ung-Substantive. N u r auf diesem Weg dürfen wir hoffen, präzisere Aussagen machen zu können. Ist die T e n d e n z zur Zählbarkeit ein Merkmal, das die -ung-Substantive von den substantivierten Infinitiven abhebt, so dient nun die Z ä h l b a r k e i t als Kriterium der internen Gliederung der Kategorie der -ung-Bildungen. Ein weiteres Kriterium wird das Verhältnis zwischen dem -ung-Substantiv und seinem Genitivattribut sein. Bei der Bestimmung dieses Verhältnisses gelangt das Verfahren der Rücktransposition zur Anwendung. Endlich kann auch die F o r m des Attributs (Genitivattribut oder Präpositionalattribut) zur Differenzierung der Wörter auf -ung beitragen. Bei der Gliederung werden nur -ung-Substantive berücksichtigt, transitiven Verben abgeleitet sind.

die

von

Im Vordergrund steht künftig also nicht mehr der Vergleich mit anderen Formen, sondern die Untersuchung der Kombinationsmöglichkeiten in der Gruppe ,,-ung-Substantiv + substantivisches A t t r i b u t " . Beides aber, der V e r gleich mit dem substantivierten Infinitiv und die Analyse der Kombinationsmöglichkeiten, dient dem einen Zweck: der z w e i s e i t i g e n Bestimmung der Transpositionen auf -ung von der A u s g a n g s w o r t a r t „ V e r b " und von der Z i e l w o r t a r t „Substantiv" her.

III.

Die Gliederung

der Von transitiven

Verben abgeleiteten

III. Die Gliederung der von transitiven abgeleiteten -ung-Substantive

-ung-Substantive

31

Verben

1. Kriterium I: Die Zählbarkeit: Der substantivierte Infinitiv ist grundsätzlich nicht pluralisierbar. Die wenigen zählbaren substantivierten Infinitive haben deutlich den Charakter von Ausnahmen 48 . Befragt, ob ein substantivierter Infinitiv pluralisierbar sei oder nicht, wird man nie um eine Antwort verlegen sein. Ganz anders verhält es sich mit den -ung-Substantiven. Bei zahlreichen -ungBildungen empfinden wir den Plural als unnatürlich; doch wäre es eine Verfälschung der Wirklichkeit, wollte man wie beim substantivierten Infinitiv eine klare Scheidung zwischen pluralisierbaren und nicht-pluralisierbaren -ung-Wörtern behaupten. Zutreffender ist die Annahme einer Zone von nichtpluralisierbaren -ung-Substantiven, einer Übergangszone mit Bildungen, deren Zählbarkeit teils bejaht, teils verneint wird 49 und einer Zone mit eindeutig pluralisierbaren -ung-Substantiven. Zur Gruppe der nicht-pluralisierbaren -ung-Bildungen zählen wir: Abfeuerung, Abstoßung, Anrechnung, Auffindung, Aufsetzung, Aufweisung, Aufzehrung, Aufziehung, Beilegung, Beiseitelassung, Bewohnung, Durchführung, Entreißung, Erarbeitung, Erforschung, Erhaltung, Erkämpfung, Erlernung, Erlistung, Erlangung, Erstellung, Erweisung, Erzwingung, Fortführung, Herausarbeitung, Herbeiführung, Hervorkehrung, Hervorlockung, Hervorrufung, Instandhaltung, Unterbreitung, Vermeidung, Verschließung, Verschonung, Wahrung, Zurverfügungstellung Die Wörterbücher behandeln die -ung-Substantive dieser Gruppe im allgemeinen gleich wie die substantivierten Infinitive: Sie führen sie gar nicht auf. Das bedeutet wohl, daß sie noch nicht als Substantive vollen Rechts, sondern erst als potentielle Ableitungen von Verben gelten, weshalb man sich damit begnügt, die zugrundeliegenden Verben aufzuführen. Beispiele (mit Genitivattribut in der Funktion des Objekts): die Abstoßung der Restbestände die Abfeuerung einer Salve die Auffindung des Ausbrechers die Aufsetzung eines Vertragstexts die Aufzehrung der Vorräte die Anrechnung der Dienstjahre 48 49

Vgl. oben S. 27, Anmerkung 44. Wir haben 7 Personen über die Möglichkeit der Pluralisierung folgender Substantive befragt. In Klammern die Zahl derer, die Plural für möglich hielten: Ausbildung (4), Beantragung (6), Beladung (2), Bemessung (5), Bemitleidung (3), Bestreuung (4), Eintreibung (4), Errichtung (4), Handhabung (4), Verlesung (3), Aufbietung (2).

Die Gruppe

32

die die die die

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Erforschung des Landesinnern 4 ' Erhaltung der Baudenkmäler Wahrung der Interessen Vermeidung eines Konflikts

Zur Gruppe der eindeutig pluralisierbaren Substantive zählen wir: Abmessung, Anfechtung, Anschaffung, Ausgrabung, Auslassung, Bearbeitung, Befragung, Begnadigung, Beleidigung, Belehnung, Berufung, Beschreibung, Beschuldigung, Darbietung, Darlegung, Ehrung, Einladung, Einsparung, Fortsetzung, Gründung, Impfung, Kreuzigung, Meldung, Prüfung, Schürfung, Streuung, Trübung, Tröstung, Übretreibung, Unterweisung, Verfolgung, Verrichtung, Verschiebung, Verwendung, Verwüstung, Vorhaltung, Vorlesung, Warnung, Würdigung, Zerstörung Beispiele (mit Genitivattribut, einerseits mit Objektfunktion, andererseits mit Subjektfunktion): die Ausgrabung Trojas die Übertreibung der Gefahr die Beleidigung des Staatsoberhaupts die Befragung der Zeugen die Anschaffung neuer Maschinen die Verfolgung der Christen die Auslassung eines Abschnitts die Anfechtung des Entscheids die Einsparung der Nebenkosten die Impfung der Kinder

/ / / / / / / / / /

die Ausgrabungen Schliemanns die Übertreibungen der Presse die Beleidigungen des Vorgesetzten die Befragungen der Polizei die Anschaffungen der Schule die Verfolgungen der Kirche die Auslassungen des Übersetzers die Anfechtungen des Priesters die Einsparungen der Behörden die Impfungen des Gesundheitsamtes

Über die Bedeutung der Numerusfreiheit für den Funktionenbereich dieser -ung-Substantive wird später zu sprechen sein.

2. Kriterium II: Die Funktionen des Genitivattributs Uber das genaue Verhältnis zwischen Bezugswort und Genitivattribut kann erst die Probe der Rücktransposition Aufschluß geben. Aber auch ohne diese Probe lassen sich grob zwei Funktionen des Genitivattributs unterscheiden: die Funktion des O b j e k t s und die Funktion des S u b j e k t s . Diese Funktionen des Genitivattributs bilden Kriterium I I . Es gibt -ung-Substantive Daß die Präposition „durch" das Attribut mit Subjekt- oder Agensfunktion einleitet ( . . . die Erforschung des Landesinnern durch Livingstone . . . ) spridit nicht notwendig für Rüdktransposition zu einem Passivsatz. Gerade Personennamen lassen sich als Genitivattribut mit Subjekt-oder Agensfunktion immer noch voranstellen (. . . Livingstones Erforschung des Landesinnern . . . ) . Dagegen zeigt die Festigkeit der Stellung des Genitivattributs mit Objektfunktion unmittelbar nadi dem Bezugswort die besonders starke Kohäsion zwischen diesen beiden an. 47

III. Die Gliederung der von transitiven Verben abgeleiteten

-ung-Substantive

33

zu transitiven Verben, die nur ein Genitivattribut mit Objektfunktion zulassen (Gruppe 1); andere dagegen lassen sowohl ein Genitivattribut mit Objektfunktion als auch ein Genitivattribut mit Subjektfunktion zu (Gruppe 2). Zur Gruppe 1 gehören unter anderen: Ächtung, Aufstockung, Aburteilung, Ausfertigung, Ausweisung, Behebung, Beurlaubung, Bemitleidung, Beibehaltung, Durchführung, Durchsetzung, Einreichung, Einweisung, Ehrung, Erhaltung, Enthauptung, Errichtung, Förderung, Fütterung 50 , Handhabung, Halbierung, Nennung, Mehrung, Realisierung, Schonung, Schließung, Verlagerung, Verbietung, Verschönerung, Verlesung, Vermietung, Vernichtung, Zerstörung, Zuschüttung, Zustellung Beispiele (das Bezugswort steht im Singular): die Nennung des Schuldigen die Einreichung des Gesuchs die Förderung des Exports die Verlagerung des Gewichts (hier transitiv, nicht reflexiv) die Halbierung der Rationen die Schließung des Lokals die Beibehaltung dieser Klausel die Erhaltung dieses Denkmals die Zerstörung Karthagos die Schonung des Wilds Zur Gruppe 2 gehören unter anderen: Anweisung, Aufführung, Auslegung, Äußerung, Befriedigung, Belehrung, Beobachtung, Betäubung, Einladung, Erfindung, Erhitzung, Erklärung, Erregung, Fälschung, Färbung, Forderung, Folgerung, Gründung, Isolierung, Kerbung, Lästerung, Lockung, Messung, Mischung, Offenbarung, Schraffierung, Täuschung, Tarnung, Verletzung, Verschnörkelung, Warnung. Beispiele + Genitivattr. mit Objektfunktion: die Kerbung des Holzes die Einladung der Eltern die Erfindung der Dampfmaschine die Erklärung des Vorgangs die Tarnung des Bunkers zur Warnung der Bevölkerung 50

im Sinne von „Tiere füttern".

3 Sdiäublin 1

+ Genitivattr. mit Subjektfunktion: die Kerbung des Holzes die Einladung der Eltern die Erfindung Edisons die Erklärung des Lehrers die Tarnung des Bunkers die Warnung Churchills

34

Die Gruppe

die die die die

Anweisung der Plätze Verschnörkelung des Sockels Beobachtung des Vorgangs Isolierung des Kranken

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

die Anweisung des Wärters 5 1 die Verschnörkelung des Sockels die Beobachtung des Astronomen die Isolierung dieses Politikers

Die Gegenüberstellung von je rund dreißig Bildungen dürfte genügen, um die Erheblichkeit dieses Kriteriums zu beweisen. O b die Gruppe 2 homogen ist, kann nur mit Hilfe der Rücktranspositionsprobe festgestellt werden. Gibt es auch -ung-Substantive zu transitiven Verben, die kein Genitivattribut mit Objektfunktion zulassen? Wir glauben, daß dies z. B. für folgende Bildungen zutrifft: Witterung, Erfahrung, Rührung, Geltung, Besitzung, Fühlung Geläufig ist die Wendung „eine gute Witterung haben". Unmöglich scheint uns dagegen eine Verbindung wie „die Witterung der Gefahr" (dagegen: „das Wittern der Gefahr"). Gruppen wie „die Erfahrung des Kriegs, der Not, des Todes" sind zwar möglich, doch ist hier wohl Gleichsetzung von Bezugswort und Attribut anzunehmen: „Krieg, Not, Tod s i n d Erfahrungen". Während „Besitz" subjektives wie objektives Attribut zuläßt („im Besitz eines Autos sein" / „das Auto ist im Besitz meines Bruders"), schließt „Besitzung" Genitivattribut mit Objektfunktion aus. „Fühlung" verlangt Präpositionalattribut. Es gibt also von transitiven Verben abgeleitete -ung-Substantive, die kein Genitivattribut mit Objektfunktion zulassen.

3. Kriterium III: Die Form des Attributs Nicht nur die F u n k t i o n e n einer bestimmten Attributform können als Kriterium der Gliederung benützt werden, auch die F o r m e n des freien nominalen Attributs erlauben eine Unterteilung der von transitiven Verben abgeleiteten -ung-Substantive. Gewisse -ung-Bildungen verbinden sich ausschließlich mit G e n i t i v a t t r i b u t (Gruppe 1); andere dagegen lassen sowohl ein G e n i t i v a t t r i b u t als auch ein P r ä p o s i t i o n a l a t t r i b u t zu (Gruppe 2) 52 . Dieses Präpositionalattribut ist dem Genitivattribut mit Objektfunktion funktionsverwandt. Aber während das Genitivattribut mit Objektfunktion wirklich ein transpo51

Es versteht sich, daß eine Gruppe wie „die Anweisung des Wärters" eine andere Rücktransposition verlangt als z. B. „die Kerbung des Holzes". Gemeinsam ist bloß die Subjektfunktion des Genitivattributs. Zur Differenzierung vgl. Abschnitt IV, 2 „Die Probe der Rüdetransposition".

52

Das durch „von" eingeleitete Präpositionalattribut mit Objektfunktion („die E r hebung von Steuern") ist eine bloße Variante des Genitivattributs mit Objektfunktion.

III. Die Gliederung der von transitiven Verben abgeleiteten -ung-Substantive

35

niertes Akkusativobjekt ist, entspricht dem Präpositionalattribut dieser Art auf der Stufe des Verbalsatzes kein Präpositionalobjekt. Die folgenden -ung-Substantive schließen Präpositionalattribut aus (Gruppe 1): Abgrenzung, Ablehnung, Ausarbeitung, Ausschaltung, Bebauung, Begrabung, Behebung, Bemitleidung, Bepflanzung, Beurlaubung, Darreichung, Einreichung, Erhaltung, Errettung, Fälschung, Freigebung, Freilassung, Handhabung, Herabsetzung, Mästung, Messung, Schlichtung, Tötung, Überweisung, Überschätzung, Verarbeitung, Verhütung, Versetzung, Verstoßung, Zerreibung Zu dieser Gruppe gehören -ung-Substantive, die nur ein Genitivattribut mit Objektfunktion zulassen, und solche, die auch ein Genitivattribut mit Subjektfunktion zulassen (Messung, Fälschung). Als Beispiele seien wiederum Gruppen mit objektivem Genitivattribut angeführt: die die die die die die die die die die

Handhabung der Maschine Behebung des Defekts Beurlaubung des Beamten Bemitleidung des Unglücklichen Einreichung des Gesuchs Erreichung der Altersgrenze Abgrenzung des Stoffes Mästung der Schweine Verstoßung des Abtrünnigen Uberweisung des Betrags

Die folgenden -ung-Substantive lassen neben dem Genitivattribut mit Objektfunktion auch ein funktionsverwandtes Präpositionalattribut zu (Gruppe 2): Anschuldigung, Ausrüstung, Ausstattung, Bedrohung, Begnadigung, Beleidigung, Belohnung, Beschuldigung, Bestätigung, Bevormundung, Bewilligung, Bezahlung, Entschädigung, Ergänzung, Ermittlung, Erwägung, Gefährdung, Genehmigung, Heilung, Klarstellung, Kühlung, Meldung, Prophezeiung, Rechtfertigung, Rettung, Unterstützung, Untersuchung, Verpflegung, Verzeihung Beispiele: + Genitivattr. mit Objektfunktion : die Meldung des Unfalls die Gefährdung der Seilschaft die Verpflegung der Truppe die Begnadigung der Attentäter die Beschuldigung des Untergebenen 3»

+

Präpositionalattribut:

die Meldung über den Unfall die Gefährdung für die Seilschaft die Verpflegung für die Truppe keine Begnadigung für die Attentäter die Beschuldigung gegen den Untergebenen

36

Die Gruppe „Verbalsubstantiv die die die die die

Bewilligung der Einfuhr Bedrohung der Freiheit Untersuchung der Vorfälle Ergänzung der Angaben Genehmigung der Ausreise

4. Ergänzende Bemerkungen

zu den

auf -ung + die die die die die

Genitivattribut"

Bewilligung für die Einfuhr Bedrohung für die Freiheit Untersuchung über die Vorfälle Ergänzung zu diesen Angaben Genehmigung für die Ausreise

Gliederungskriterien:

Zwischen Kriterium I (nicht-zählbar/zählbar) und Kriterium I I (nicht-kombinierbar/kombinierbar mit Genitivattribut in der Funktion des Subjekts) besteht insofern ein Zusammenhang, als nicht-zählbare Substantive in der Regel das Genitivattribut mit Subjektfunktion ausschließen, während zählbare Substantive es in der Regel zulassen. Beispiele: nicht-zählbar: die Erkämpfung der Gleichberechtigung (Objektfunktion) zählbar: die Berechnung der Einwohnerzahl (Objektfunktion) die Berechnung(en) des Steueramts (Subjektfunktion) Nun scheint jedodi die Numerusschranke, die in der analytischen Gruppe „Bezugswort auf -ung + Genitivattribut mit Objektfunktion" kaum durchbrochen wird, ihre Wirksamkeit zu verlieren, wenn das Attribut mit Objektfunktion mit dem Bezugswort zum Kompositum verschmilzt:

analytische Gruppe: die die die die die die

Erforschung von Gebieten Schließung von Lokalen Behebung von Defekten Erzwingung des Vortritts Erteilung von Konzessionen Freigebung von Krediten

Kompositum: Gebietserforschungen Lokalschließungen Defektbehebungen Vortrittserzwingungen Konzessionserteilungen Kreditfreigebungen

Gleiches läßt sich bei manchen pluralisierbaren -ung-Substantiven beobachten. Stehen sie vor freiem nominalem Attribut mit Objektfunktion, so wird man sie kaum pluralisieren. Als Grundwörter von Zusammensetzungen sind sie dagegen ohne weiteres pluralisierbar:

analystische Gruppe:

Kompositum:

die Anfechtung von Urteilen die Ehrung der Gefallenen die Belehnung von Grundstücken die Gründung von Vereinen die Anschaffung von Lehrmittein

Urteilsanfechtungen Gefallenenehrungen Grundstückbelehnungen Vereinsgründungen Lehrmittelanschaffungen

die Einsparung von Kosten

Kosteneinsparungen

Man ist zunächst versucht, den Plural des Kompositums als Numerusübertragung vom Bestimmungswort auf das Grundwort zu deuten. Aber diese Deu-

III.

Die Gliederung

der von transitiven

Verben abgeleiteten

-ung-Substantive

37

tung wird der Sache nicht gerecht. D e r Plural ist vielmehr auf das ganze Kompositum zu beziehen. Wie bei den Eigenschaftsabstrakta

(Schönheiten,

Dummheiten) wirkt der Plural hier konkretisierend. Diese Komposita sind zählbar

im Unterschied zu den Bezugswörtern vor freiem Attribut mit

Objektfunktion. So kann vor den Komposita auch der

Substantivbegleiter

„ein-" Zahlwortfunktion haben: eine Konzessionserteilung/mehrere Konzessionserteilungen eine Vortrittserzwingung/mehrere Vortrittserzwingungen eine Lokalschließung/mehrere Lokalschließungen Hierher gehören auch Komposita, die nicht mehr analysierbar sind, wie „ H a n d reichung". Die Gliederung der -ung-Substantive nach den möglichen Attributformen (Kriterium I I I ) wird durch die Komposita ebenfalls aufgehoben. Zusammensetzungen wie „Einfuhrbewilligung", „Truppenverpflegung", meldung",

„Unfalluntersuchung"

Genitivattribut

lassen

sich

auflösen

zu

„Unfall-

Gruppen

(die Bewilligung der Einfuhr usw.) oder zu Gruppen

mit mit

Präpositionalattribut (die Bewilligung für die Einfuhr usw.). I n der analytischen Gruppe mit objektivem Genitivattribut tritt das Subjekt (Agens) als Präpositionalattribut hinzu. Es hat die gleiche F o r m wie im passivischen S a t z : die Anschaffung der (von) Lehrmittel (n) durch die Schule Das Kompositum dagegen läßt die Stelle des Genitivattributs offen für das Subjekt (Agens): die Lehrmittelanschaffungen der Schulejdur&i

die Schule

Das abweichende Verhalten der -ung-Substantive in Zusammensetzungen des Typs „Bestimmungswort mit Objektfunktion + Grundwort auf - u n g " legt es nahe, diese Zusammensetzungen als Bildungen mit eigenen Gesetzen zu betrachten, die nur bedingt mit den Gruppen „-ung-Substantiv + Genitivattribut mit O b j e k t f u n k t i o n " vergleichbar sind. Die -ung-Substantive, die ein Präpositionalattribut an Stelle des Genitivattributs mit Objektfunktion zulassen, sind mehrheitlich pluralisierbar: Bewilligungen, Bedrohungen, Untersuchungen usw. (Ausnahmen sind z. B . Verachtung, Geringschätzung). Die Zahl der -ung-Substantive, die ein solches Präpositionalattribut zulassen, ist geringer als die Zahl der pluralisierbaren -ung-Substantive, geringer auch als die Zahl der -ung-Substantive, die ein Genitivattribut mit Subjektfunktion zulassen. Neben den -ung-Substantiven, die zwei Attributformen zulassen, gibt es welche, die sich nur mit einem Genitivattribut mit Objektfunktion verbinden, denen jedoch ein vom gleichen Verb abgeleitetes Substantiv mit Präpositionalattribut zur Seite steht (Typus „Ersetzung/Ersatz"). Es sind also folgende Möglichkeiten zu unterscheiden:

38

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

A. e i n e Form des Bezugsworts — zwei Attributformen: Vorbereitung + Genitivattr. mit Objektfunktion oder: + Präpositionalattr. (für) Verachtung + Genitivattr. mit Objektfunktion oder: + Präpositionalattr. (für)53 Vergeltung + Genitivatr. mit Objektfunktion oder: + Präpositionalattr. (für) Vergütung + Genitivattr. mit Objektfunktion oder: + Präpositionalattr. (für) Geringschätzung + Genitivattr. mit Objektfunktion oder: + Präpositionalattr. (für) B. z w e i Formen des Bezugsworts — zwei Attributformen: Tröstung + Genitivattribut oder Trost + Präpositionalattribut (für) Ersetzung + Genitivattribut oder Ersatz + Präpositionalattribut (für) Büßung + Genitivattribut oder Buße + Präpositionalattribut (für) Bestrafung + Genitivattribut oder Strafe + Präpositionalattribut (für) Verspottung + Genitivattribut oder Spott + Präpositionalattribut (für) Die -ung-Substantive der Gruppe A integrieren also die Möglichkeiten beider unter B genannten Substantivformen. Vor Genitivattribut mit Objektfunktion lassen sich die -ung-Substantive zu Verben zurücktransponieren. Tritt ein Präpositionalattribut an die Stelle des Genitivattributs, so ist, wie schon erwähnt, die Rücktransposition nicht mehr möglich. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Reverbalisierung würde bedingen, daß das Verb ein dem Präpositionalattribut entsprechendes Präpositionalobjekt zuließe. Dies ist nicht der Fall, da die -ung-Substantive dieser Gruppe von transitiven Verben abgeleitet sind: vorbereiten, verachten, vergelten, vergüten, geringschätzen + Akkusativobjekt. Dagegen läßt sich „Vorbereitung a u f etwas" zurücktransponieren, da eine entsprechende Verbkonstruktion „(sich) vorbereiten auf" existiert. Tritt ein Präpositionalattribut an die Stelle des Genitivattributs mit Objektfunktion, entfällt somit die Rückkoppelung des -ung-Substantivs an das Verb. Diese Funktion des -ung-Substantives ist deshalb v e r b f e r n . Das Präpositionalattribut, das an die Stelle eines Genitivattributs mit Objektfunktion tritt, zeichnet sich durch Stellungsfreiheit aus. Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht besonders das Attribut mit „von". Es kann eine bloße Formvariante des Genitivattributs mit Objektfunktion sein; es kann aber 53

Es ist zu unterscheiden zwischen: a) jemanden (etwas) verachten —> die Verachtung + Genitivattribut mit Objektfunktion oder: Präpositionalattr. (für). b) jemanden wegen (für) etwas verachten - * die Verachtung + Genitivattribut mit Objektfunktion + Präpositionalattribut (wegen, für?).

III.

Die Gliederung

der Von transitiven

Verben abgeleiteten

-ung-Substantive

39

auch als echtes Präpositionalattribut an die Stelle des objektiven Genitivattributs treten: Formvariante des Genitivattributs: die Uberweisung von Geld echtes Präpositionalattribut: Es gibt eine Beschreibung von diesem Bild Während die Stellung der Formvariante des Genitivattributs ebenso fest ist wie die Stellung des Genitivattributs selber, läßt sich das echte Präpositionalattribut mühelos umstellen: Von diesem Bild gibt es eine Beschreibung 5.

Zusammenfassung:

Kriterium I gliedert die von transitiven Verben abgeleiteten -ung-Substantive nach den Numerusmöglichkeiten. Kriterium II gliedert die -ung-Substantive nach den möglichen Funktionen des Genitivattributs. Kriterium III gliedert die -ung-Substantive nach den möglichen Formen des freien nominalen Attributs, mit dem sich diese Substantive verbinden. Mit Hilfe der Kriterien II und I I I lassen sich mehrere Funktionsbereiche unterscheiden : Paradigma 1: -ung-Substantiv + Genitivattribut mit Objektfunktion die Aburteilung des Verbrechers Paradigma 2: a) -ung-Substantiv + Genitivattribut mit Objektfunktion b) + Genitivattribut mit Subjektfunktion a) die Aufführung des Stücks b) die Aufführung des Berliner Ensembles Paradigma 3: a) -ung-Substantiv + Genitivattribut mit Objektfunktion b) + Genitivattribut mit Subjektfunktion c) + Präpositionalattribut an Stelle des Genitivattributs mit Objektfunktion a) die Unterstützung der Notleidenden b) die Unterstützung des Vorgesetzten c) die Unterstützung für die Notleidenden Es bleibt noch zu untersuchen, ob zwischen dem Kriterium der Zählbarkeit, dem Kriterium der Funktionen des Genitivattributs und Kriterium der Attributformen eine Korrelation besteht und welcher Art diese Korrelation ist. Gibt es Funktionen, die dem -ung-Substantiv Numerusbeschränkung auferlegen, gibt es welche, die ihm Numerusfreiheit lassen? Kurz: G i b t es n e b e n d e r g r u n d s ä t z l i c h e n N um er usb esc h r ä n k un g oder Numerusf r e i h e i t eine f u n k t i o n sg eb un d en e N u m e r u s b e s c h r ä n k u n g o d e r N u m e r u s f r e i h e i t ? Dies zu untersuchen, ist jedoch erst möglich, wenn die erste Gliederung mit Hilfe der Kombinationsproben (Kriterien II und I I I ) durch weitere Proben erhärtet und verfeinert ist.

40

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

IV. Die Funktionen der von transitiven abgeleiteten -ung-Substantive 1. Der substantivierte

Infinitiv als Ersatzform:

Verben

Substitutionsprobe:

Die substantivierten Infinitive sind gesamthaft verbnäher als die -ung-Substantive: formale Kennzeichnung der V e r h a l t e n s r i c h t u n g , formale Kennzeichnung der R e f l e x i v i t ä t , N u m e r u s b e s c h r ä n k u n g . Diese verbalen Merkmale des substantivierten Infinitivs legen es nahe, ihn als Prüfstein für die Verbnähe oder Verbferne der -ung-Substantive zu benutzen. Die begründete Annahme lautet: F u n k t i o n e n , d i e e i n e S u b s t i t u t i o n d e s - u n g - S ub s t a n t i v s d u r c h den s u b s t a n t i v i e r t e n I n f i n i t i v z u l a s s e n , sind v e r b n ä h e r als F u n k t i o n e n , die eine solc h e S u b s t i t u t i o n a u s s c h l i e ß e n . Kriterium I wird durch die Substitutionsprobe nicht berührt. Dagegen teilen die substantivierten Infinitive mit den Substantiven der Gruppe 1 des Kriteriums I (Typus „Erreichung") das Merkmal der Numerusbeschränkung. Wir machen die Substitutionsprobe mit -ung-Substantiven vor Genitivattribut mit Objektfunktion und vor Genitivattribut mit Subjektfunktion. Entscheidend ist die Möglichkeit der S u b s t i t u t i o n , also die Oberschneiciung der beiden Formen in einer bestimmten Funktion. Bedeutungsnuancen brauchen uns hier nidit zu kümmern:

+ Genitivattr. mit Objektfunktion 1. a) die Verlagerung des Gewichts b) das Verlagern des Gewichts 2. a) die Zerstörung des Hauses b) das Zerstören des Hauses 3. a) die Fütterung der Tiere b) das Füttern der Tiere 4. a) die Kerbung des Holzes b) das Kerben des Holzes 5. a) die Verschnörkelung des Sockels b) das Verschnörkeln des Sockels 6. a) die Mischung der Farben b) das Mischen der Farben 7. a) die Tarnung des Gebäudes b) das Tarnen des Gebäudes

+ Genitivattr. mit Subjektfunktion: a) b) a) b) a) b) a) die Kerbung des Holzes b) a) die Verschnörkelung des Sockels b) a) die Mischung der Farben b) a) die Tarnung des Gebäudes b)

IV. Die Funktionen

der von transitiven

8. a) die Übung der Tanzschritte b) das Üben der Tanzschritte 9. a) die Beobachtung des Vorgangs b) das Beobachten des Vorgangs 10. a) die Erklärung des Texts b) das Erklären des Texts

Verben abgeleiteten

-ung-Substantive

41

a) die Übung des Schülers b) das Üben des Schülers a) die Beobachtung des Astronomen b) das Beobachten des Astronomen a) die Erklärung des Lehrers b) das Erklären des Lehrers

Es lassen sich drei Gruppen unterscheiden: Beispiele 1—3: -ung-Substantive, die nur ein Genitivattribut mit Objektfunktion zulassen. In der Regel ist die Substitution durch substantivierten Infinitiv möglich. Beispiele 4—7: -ung-Substantive, die dasselbe Substantiv als Genitivattribut mit Objektfunktion und als Genitivattribut mit Subjektfunktion zulassen. Substitution durch substantivierten Infinitiv ist nur vor dem Genitivattribut mit Objektfunktion möglich. Beispiele 8—10: -ung-Substantive, die von transitiv-intrasitiven Verben abgeleitet sind. Hier kann sich der substantivierte Infinitiv auch mit einem Genitivattribut in der Funktion des Subjekts verbinden. Doch kann keine Rede davon sein, daß sich der substantivierte Infinitiv dann mit dem -ung-Substantiv überschneide. Von Beispiel 9 ausgehend, können wir die folgenden Möglichkeiten unterscheiden: a) Bezugswort + Genitivattribut mit Objektfunktion: die Beobachtung der Himmelserscheinung das Beobachten der Himmelserscheinung b) Bezugswort + Genitivattr. mit Objektfunktion + Attr. mit Subjektfunk. (Agens): die Beobachtung der Himmelserscheinung durch den Astronomen das Beobachten der Himmelserscheinung durch den Astronomen c) Bezugswort + Genitivattribut mit Subjektfunktion: ca. die Beobachtung des Astronomen . . . -r.1, v ( = das vom Astronomen Beobachtete) ca. die Beobachtung des Astronomen ( = der Astronom beobachtet)

. . transitiv intransitiv54

Die Ergebnisse der Substitutionsprobe sind eindeutig. Eine Überschneidung der beiden Formen läßt sich nur vor Genitivattribut mit Objektfunktion nach54

Dies ist mittelbar eine Bestätigung des statistischen Befundes, wonach beim substantivierten Infinitiv die Intransitivität (Bildung von intrans. Verben, intrans. Gebrauch bei Bildung von trans. Verben) vorherrscht. Vgl. oben S. 22—23.

42

Die Gruppe „Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

weisen. Vor Präpositionalattribut (an Stelle eines Genitivattributs mit Objektfunktion) ist die Substitution ohnehin nicht möglich: die Verpflegung der Truppen/das Verpflegen der Truppen die Verpflegung für die Truppen/ Als v e r b n a h hat sich damit die Funktion des -ung-Substantivs vor G e n i t i v a t t r i b u t m i t O b j e k t f u n k t i o n herauskristallisiert. Es folgt eine schematische Ubersicht über die Substitutionsmöglichkeiten: 1 Infin./-ungSubst. nicht pluralisierbar „Erreichung"

Pluralisierbarkeit Verbindung mit Genitivattribut in der Funktion des Objekts

-

/

2 Infin./-ungSubst. Gruppe 2, Kriterium II „Färbung" „Erklärung"

-

+/ +

Verbindung mit Genitivattribut in der Funktion des Subjekts

- /

+

+

+/+

- /

- /

+

- /

+

+

Beispiele zur schematischen Übersicht: A 1. die Erreichung/das Erreichen: nicht pluralisierbar 2. die Färbung/das Färben die Färbungen/ 3. die Unterstützung/das Unterstützen die Unterstützungen/ B 1. bei Erreichung/bei Erreichen der Altersgrenze 2. die Färbung des Stoffs/das Färben des Stoffs 3. die Unterstützung/das Unterstützen der Notleidenden

D 3. die Unterstützung für die Notleidenden/

- /

+/+

Verbindung mit Präpositionalattribut an Stelle des Genitivattributs mit Objektfunktion

C 2. die Färbung des Stoffs/ 3. die Unterstützung der Eltern/

3 Infin./-ungSubst. Gruppe 2, Kriterium III „Ergänzung" „Unterstützung"

IV. Die Funktionen

2. Die Probe der

der von transitiven

Verben abgeleiteten

-ung-Substantive

43

Rücktransposition:

Die Annahme lautet: Die Gruppe „Bezugswort auf -ung + Genitivattribut" ist die Transposition eines Satzes. Diese Gruppe sollte sich also auch zu einem Satz zurücktransponieren lassen. Die Rücktransposition dient dazu, das Verhältnis zwischen Bezugswort und Genitivattribut zu bestimmen. Schon das Kriterium II der ersten Gliederung gruppierte die -ung-Substantive nach den möglichen Funktionen des Genitivattributs, mit dem sie sich verbinden: Gruppe 1 des Kriteriums II + Genitivattribut mit Objektfunktion die Durchführung der Konferenz

Gruppe 2 des Kriteriums II + Genitivattribut mit Objektfunktion die Einladung der Eltern + Genitivattribut mit Subjektfunktion die Einladung der Eltern

Doch diese erste Differenzierung genügt nicht; sie bedarf der Verfeinerung. Es liegt auf der Hand, daß das Genitivattribut mit Objektfunktion das Bezugswort syntaktisch viel schärfer bestimmt als das Genitivattribut mit Subjektfunktion. Die Objektfunktion des Attributs läßt bei der Rüdetransposition für das Bezugswort nur gerade die Stelle des P r ä d i k a t s offen. Sie fordert überdies als Prädikat ein t r a n s i t i v e s V e r b . Ein Beispiel: Er lehnte die Unterzeichnung des Vertrags ab Rücktransposition:

Er lehnte es ab, den Vertrag zu unterzeichnen

In zweiter Analyse ergeben sich folgende Bestimmungen: Bezugswort: Prädikat

Genitivattribut: Objekt

Die Annahme eines Nullzeichens erübrigt sich hier, da die Rücktransposition die Form eines Infinitivsatzes hat. Die S u b j e k t f u n k t i o n des Attributs dagegen läßt bei der Rücktransposition für das Bezugswort eine V i e l z a h l von Stellen offen. Da es hier um die theoretische Erörterung der Möglichkeiten geht, wählen wir Satzbeispiele, in denen das Bezugs wort kein -ung-Substantiv ist: 1. Satz: Ich bin überzeugt von der Aufrichtigkeit dieses Mannes Rücktransposition: Ich bin überzeugt, daß dieser Mann aufrichtig ist 2. Satz: Er ist bewandert auf dem Gebiet der Heilpflanzen Rücktransposition: Die Heilpflanzen sind ein Gebiet, auf dem er bewandert ist 3. Satz: Das Feilschen dieses Mannes belustigte uns Rüdetransposition: Es belustigte uns, wie dieser Mann feilschte

44

Die Gruppe

4. Satz:

„Verbalsubstantiv

auj -ung +

Genitivattribut"

Die Rüge seines Vorgesetzten blieb ohne Wirkung

Rücktransposition: Die Rüge, die ihm sein Vorgesetzter Wirkung 5. Satz:

DieEinnahmen

erteilte, blieb ohne

dieses Geschäftes werden reinvestiert

Rücktransposition: Was dieses Geschäft einnimmt, wird reinvestiert Für die Gruppen der einzelnen Sätze ergeben sich folgende Bestimmungen: Rücktransposition: 1. Satz: 2. Satz: 3. Satz: 4. Satz: 5. Satz:

Bezugswort: Artergänzung Gleichsetzungsnominativ Prädikat (intransitives Verb) Akkusativobjekt Prädikat + Akkusativobjekt

Genitivattribut: Subjekt Subjekt

Nullzeichen: (Verb „sein") (Verb „sein")

Subjekt

(

Subjekt Subjekt

(trans. Verb) ( )

)

O b j e k t f u n k t i o n des Genitivattributs bedeutet also s y t a k t i s c h e E i n w e r t i g k e i t der Stelle des Bezugsworts. S u b j e k t f u n k t i o n des Genitivattributs bedeutet s y n t a k t i s c h e M e h r w e r t i g k e i t der Stelle des Bezugsworts. In schematischer Darstellung: Genitivattribut: Objektfunktion Subjektfunktion

—»

—»

a) b) c) d) e)

Bezugswort: Prädikat (transitives Verb) Gleichsetzungsnominativ Prädikat (intransitives Verb) Artergänzung Akkusativobjekt Prädikat + Akkusativobjekt

Ob damit alle Möglichkeiten des Bezugsworts vor Genitivattribut mit Subjektfunktion erfaßt sind oder nicht, tut nichts zur Sache. Das Fazit ist eindeutig. Zu untersuchen ist nun, wie das -ung-Substantiv die einwertige Stelle des Bezugsworts vor Genitivattribut mit Objektfunktion und die mehrwertige Stelle des Bezugsworts vor Genitivattribut mit Subjektfunktion ausfüllt. a) Die Rücktransposition des -ung-Substantivs vor Genitivattribut mit Objektfunktion: Beispiel: Man sah sich zu einer Verschiebung des Konzerts zwungen Rücktransposition: Man sah sich gezwungen, das Konzert

zu

ge-

verschieben

IV.

Die Funktionen

der von transitiven

Verben

abgeleiteten

-ung-Substantive

45

Die Rücktransposition führt zur Reverbalisierung des Bezugsworts. Dabei ist unerheblich, ob das Ergebnis eine finite oder eine infinite Verbform ist. Damit bestätigt die Probe der Rücktransposition die Substitutionsprobe: die Funktion des -ung-Substantivs vor Genitivattribut mit Objektfunktion ist v e r b n a h. Nun werden die Verhältnisse aber dadurch kompliziert, daß das Bezugswort auf -ung Objektergänzung zu einem Verb sein kann, das als Ergänzung nur ein Substantiv, nicht aber einen Infinitiv oder einen Konjunktionalsatz zuläßt. Beispiel: Man hat die Verfolgung des Ausbrechers aufgenommen Während „beginnen" sowohl einen Infinitiv als auch ein Substantiv als Objektergänzung zuläßt, verbindet sich „aufnehmen" nur mit einem Substantiv. In solchen Fällen kann die Rücktransposition nicht erfolgen. Beim Vergleich der -ung-Form mit dem substantivierten Infinitiv hat sich gezeigt, daß die -ung-Form wegen ihres nominalen Charakters (Darstellung des Bezeichneten als umgrenzte Größe) eine größere Zahl transitiver Verben ergänzen kann als der substantivierte Infinitiv55. Wir fassen zusammen: Wo die Rücktransposition der Gruppe „Bezugswort auf -ung + Genitivattribut mit Objektfunktion" möglich ist, da läßt sich das Bezugswort reverbalisieren. Tritt das Bezugswort auf -ung als Ergänzung zu einem Verb, das nur ein Substantiv zuläßt, so ist die Rüdetransposition nicht mehr möglich. Es wäre wünschenswert, daß die Lexikographie nicht bloß die Kategorie „transitive Verben" differenziert, sondern darüber hinaus noch die möglichen Formen des Akkusativobjekts vermerkt56. Beispiele: aufnehmen — Substantiv beginnen


. Der L-Duden ist etwas zurückhaltender mit 122 pluralisierbaren Fremdbildungen ( = rund 90 o/o). 79

Zu lat. emancipare ( = einen erwachsenen Sohn bzw. einen Sklaven aus der väterlichen Gewalt zur Selbständigkeit entlassen).

80

Im „Wildhagen-Heraucourt" und im „WirtschaftsWörterbuch" v o n R. v. Eichhorn (1. Aufl. 1962) ist es nicht erwähnt.

81

5. Auflage 1961.

82

Harrap's Standard German and English Dictionary, Bd. 1, 1963.

72

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Für die folgenden Substantive verzeichnet nur der M-Duden eine Pluralform: Automation,

Demoralisation,

Desorganisation,

Jonisation,

Konserva-

tion, Neutralisation, Valorisation, Vulkanisation Für „Diskrimination" dagegen verzeichnet nur der L-Duden eine Pluralform. Für „Adaptation", „Elektrifikation", „Saturation", „Vaporation" geben beide Wörterbücher keine Pluralform an. Wir können diese Angaben als solche nicht beurteilen, wohl aber uns Gedanken über die Unterschiede zwischen M-Duden und L-Duden machen. Wir deuten diese Unterschiede als Zeichen der Unsicherheit, einer Unsicherheit, die der relativen Seltenheit dieser Wörter, aber audi ihrer Berührung mit dem Verb zugeschrieben werden darf. Noch viel ausgeprägter ist diese Unsicherheit bekanntlich bei den Substantiven auf -ung. Auch bei Bildungen wie „Akklimatisation", „Augmentation", „Fabrikation", „Konsolidation" usw. dürfte der Plural zumindest exzeptionell sein. Als Fazit bleibt jedoch: Nach übereinstimmenden Angaben beider Wörterbücher ist N u m e r u s f r e i h e i t bei den Substantiven auf -tion (-sion) in der Zone der Berührung d i e R e g e l , N u m e r u s b e s c h r ä n k u n g die Ausnahme.

d) Wortinhalt und morphologische Struktur der beiden S u b s t a n t i v t y p e n in der Z o n e der B e r ü h r u n g : Der kleine Exkurs über die beiden Fremdwörterbücher hat uns näher an das Problem der inhaltlichen und funktionellen Beziehungen zwischen den beiden Substantivtypen herangeführt. Die morphologische Struktur, d. h. der Bau der Substantive auf -tion (-sion/-xion) und auf -ierung, ist uns schon bekannt. Unter „syntaktischer Struktur" verstehen wir die kombinatorischen Möglichkeiten dieser Substantive: ihre Verbindung mit Genitiv- oder Präpositionalattribut, ihre Verwendung als Akkusativobjekt usw. Numerusfreiheit und Numerusbeschränkung können ebenfalls als Erscheinungen von syntaktischer Relevanz betrachtet werden. Wenn neben ein Substantiv auf -tion (-sion/-xion) ein postverbales Substantiv auf -ierung tritt, so ist dies morphologisch gesehen ein Eindeuts c h u n g , eine Art Naturalisierung des Fremdelements, denn -ung ist das dominierende, heute allein vitale Suffix zur Bildung von Verbalsubstantiven, und -ieren wird nicht nur an Fremdelemente, sondern auch an deutsche Elemente angehängt. Man möchte nun gerne wissen, ob sich diese formale Eindeutschung auch im Wortinhalt spiegelt. Leider sind die Voraussetzungen für den Nachweis einer Beziehung zwischen Wortform und Wortinhalt hier nicht eben günstig. Es fehlt ein sehr wichtiges Hilfsmittel: die Häufigkeitsstatistik. Wir sind, was die Häufigkeit dieser Wörter betrifft, auf Vermutungen angewiesen.

V. Das Verhältnis

zwischen

den Substantiven

auf

-ierung

73

Man darf annehmen, daß gewisse Substantive der Berührungszone häufiger sind als andere. Dies gilt einmal für die Bildungen mit -tion (-sion/-xion) unter sich: „Proklamation" dürfte häufiger sein als „Inkrustation" 83 , „Organisation" häufiger als „Trepanation" 84 . Dies gilt aber auch für die nebeneinander existierenden Substantive auf -tion (-sion/-xion) und auf -ierung. Der M-Duden bezeichnet „Evakuation" als seltenere Form neben „Evakuierung", „Renovation" als veraltet neben „Renovierung". Wir glauben, daß auch „Propagation", „Demolition", „Dezimation", „Zitation" seltener sind als die entsprechenden Bildungen auf -ierung. Umgekehrt dürfte „Organisation" häufiger gebraucht werden als „Organisierung", „Information" häufiger als „Informierung". Für diese unterschiedliche Häufigkeit, für die vermutete wechselnde Dominanz der beiden Substantivtypen ist eine Erklärung zu suchen. Dabei sehen wir keine andere Möglichkeit des Vorgehens, als einzelne Substantivpaare zu untersuchen. Sollten sich bei mehreren Substantivpaaren ähnliche Unterschiede zeigen, so wäre dies schon als Erfolg zu werten, denn wir bewegen uns hier auf unsicherem Boden, und die auffallenden Divergenzen zwischen dem MDuden und dem L-Duden erleichtern uns die Aufgabe nicht. Was könnte als i n h a l t l i c h e r R e f l e x der f o r m a l e n Eindeutschung gelten? Die Kategorien, die wir im folgenden anführen, sind beschreibend, d . h . sie lassen sich nicht scharf gegeneinander abgrenzen; es sind Überschneidungen möglich: 1. Ein Fachbegriff oder Spezialwort wird in die Gemeinsprache aufgenommen. Voraussetzung für eine solche Entwicklung ist, daß der Begriff seine Esoterik verliert und in das öffentliche Bewußtsein eindringt. Dieser Vorgang läßt sich etwa an der Psychoanalyse als Lehre und an ihrer Begriffswelt beobachten 85 : z. B. „Verdrängung", „Sublimierung" usw. 2. Diese Entwicklung kann begleitet sein von einer semantischen Erweiterung, vom Verlust der scharfen Umgrenzung des Wortinhalts. Fachwörter zeichnen sich durch scharfe semantische Profilierung aus. Formale Eindeutschung wäre also in solchen Fällen gleichbedeutend mit inhaltlicher Erweiterung. Schon das Verb auf -ieren zeigt gegenüber dem Substantiv auf -tion (-sion/-xion) nicht selten einen solchen Profilverlust, an dem dann notwendig auch das postverbale Substantiv auf -ierung teilhat. 3. Die Möglichkeit metaphorischen Gebrauchs. Man weiß, daß zumal die Presse ein Umschlagplatz für Fachwörter und spezialisierte Begriffe ist. Begriffe aus einem bestimmten Fachgebiet werden in neuem, sachfremdem 83

Nach dem M-Duden: 1. farbige Verzierung von Flädien durch Einlagen: 2. K r u stenbildung durdi diemische Ausscheidung: 3. Blende, Ornament, in der Schneiderei eingesetzter Bestandteil.

84

Nach dem M-Duden: Öffnung des Schädels mit dem Trepan (Schädelbohrer).

85

Vgl. dazu E. Leisi, Engl, und dt. Wortinhalte . . . , Wirkendes Wort, Jg. 12, 1962.

74

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Zusammenhang gebraucht. So taucht der wirtschaftliche Begriff „Inflation" in Verbindungen wie „Inflation der Konferenzen" (Politik), „Ausstellungsinflation" (kulturelles Leben) auf. Es mag nützlich sein, zur Erklärung dieser metaphorischen Verwendung auf de Saussures Unterscheidung zwischen „langue" und „parole" zurückzugreifen. Der metaphorische Gebrauch eines Wortes wäre zunächst ein Phänomen der „parole": Er setzt das Vorhandensein eines Systems (langue), einer systemhaft-verfestigten Bedeutungsstruktur, voraus; er setzt dieser vorgegebenen Bestimmtheit die Bestimmung durch den Kontext, durch die aktualisierte Rede (parole), entgegen. Diese Spannung zwischen Vorbestimmtheit und aktualisierter Bestimmung ist das Merkmal metaphorischen Gebrauchs. Lexikalisierung metaphorischen Gebrauchs, d. h. Verankerung in der „langue", ist immer möglich. Ein Beispiel: Der M-Duden gibt für das Verb „liquidieren" auch die Bedeutung „beseitigen, jem. umbringen" an. Der ursprüngliche Objektbereich des Verbs ist bei solcher Bedeutung auf Personen erweitert. Diese Erweiterung des Objektsbereichs ist eingetreten infolge Metaphorisierung. Auf unser Problem bezogen, lautet nun die Frage: Besteht ein Zusammenhang zwischen formaler Eindeutschung und der Möglichkeit metaphorischen Gebrauchs? 4. Es ist möglich, daß die Fremdbildung und das Substantiv auf -ierung inhaltlich kaum etwas miteinander zu tun haben. Für uns wäre dann von Belang, welcher Form die Populärbedeutung zukommt. Beispiele: 1.

DezimationjDezimierung:

Bei „Dezimation" stimmen die Angaben des M-Dudens und des L-Dudens überein: 1. Hinrichtung jedes zehnten Mannes; 2. Erhebung des Zehnten. Auch beim Verb „dezimieren" besteht Übereinstimmung: große beibringen, stark vermindern, aufreiben.

Verluste

Das Verbalsubstantiv „Dezimierung" wird von keinem der beiden Wörterbücher erwähnt. Es gehört nicht nur formal, sondern auch inhaltlich zum Verb. Während „Dezimation" als geschichtlicher Begriff seine etymologische Bedeutung bewahrt hat, ist „dezimieren" — mithin auch postverbales „Dezimierung" — in die Gemeinsprache eingegangen. Das eingedeutschte Substantiv zeigt gegenüber dem Fremdwort einen Verlust an semantischer Profilierung. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, daß zur Erläuterung des Verbs deutsche Verben herangezogen werden. 2.

Degradation/Degradierung:

Die Verhältnisse sind hier insofern komplizierter als beim vorhergehenden Beispiel, als mehrere Spezialbedeutungen zu unterscheiden sind.

V. Das Verhältnis

zwischen

den Substantiven

auf

-ierung

75

a) sozialer Bereich: Der M-Duden unterscheidet zwischen „Degradation" ( = Bestrafung eines katholischen Geistlichen durch Ausstoßung aus dem geistlichen Stand) und „Degradierung" ( = Rangverlust im Militär). Der L-Duden kennt nur „Degradation" in der Bedeutung „Herabsetzung, strafweise Versetzung in eine geringer bewertete Tätigkeit, Rangerniedrigung, Amtsenthebung". Daneben ist „Degradation" b) ein physikalischer Begriff; c) ein bodenkundlich-landwirtschaftlicher Begriff. Im Gegensatz zum L-Duden weist der MDuden die bodenkundliche Bedeutung („Veränderung eines guten Bodens zu einem schlechten") dem Verbalsubstantiv „Degradierung" zu. Unser Augenmerk richtet sich natürlich auf die Populärbedeutung, also die allgemein-soziale Bedeutung. Laut Schulz86 ist „degradieren" als kirchlicher Terminus schon seit dem 13. Jh. belegt, als militärischer Begriff erst seit Beginn des 17. Jh.. Gemeinsprachlich ist heute ohne Zweifel die Form „Degradierung". Dieser Form weist der M-Duden auch die geläufigere Bedeutung zu. Der Begriff setzt eine feste, geregelte Hierarchie mit sichtbarer Rangabstufung voraus. Metaphorisierung hieße deshalb insbesondere, daß das Wort in einem Bereich verwendet wird, wo es eine solche Hierarchie mit sichtbarer Rangabstufung gar nicht gibt. Beispiel: „Dies käme einer Degradierung der Ärzte gleich" Wir halten es für unwahrscheinlich, daß das Fremdwort solcherart metaphorisch verwendet wird. 3.

Demolition/Demolierung:

Der M-Duden definiert „Demolition" als „das Zerstören einer Festung" und merkt an, daß das Wort der Geschichte angehöre. Der L-Duden notiert einfach: „Schleifung, Zerstörung von Befestigungen". Die Angaben zum Verb stimmen überein. M-Duden: „abreißen, zerstören"; L-Duden: „einreißen, abtragen, zerstören". Zusätzliche Angaben findet man im Synonymie-Duden 87 : „demolieren" wird u m g a n g s s p r a c h l i c h gebraucht in der Bedeutung „etwas durch rohe Gewalt so stark beschädigen, daß es nahezu oder völlig unbrauchbar wird". Jedenfalls weist das Verb „demolieren" gegenüber „Demolition" einen stark erweiterten Objektbereich auf. Metaphorisierung im Sinne einer nochmaligen Erweiterung des Objektsbereichs auf Abstraktes, Ideelles ist beim Verb wie beim postverbalen Substantiv durchaus denkbar: seinen Ruf demolieren (in Analogie zu: seinen Wagen demolieren) Dagegen können wir uns eine Metaphorisierung von Demolition kaum vorstellen. 86

Dt. Fremdwörterbuch, Bd. 1 (1913).

81

Duden, Bd. 8, S. 745 (Stichwort „zerstören").

76

4.

Die Gruppe

„Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Nommation/Nominierung:

Der M-Duden definiert „Nomination" als „Ernennung eines bischöflichen Beamten; Benennung eines Bewerbers f ü r das Bischofsamt durch die Landesregierung (kathol. Kirchenrecht)". Sonst werde allgemein „Nominierung" gebraucht. Der L-Duden kennt nur „Nomination" ( = Nennung, Benennung, Bezeichnung, Ernennung; Vorschlag f ü r die Besetzung eines kirchlichen Amtes). Die Bedeutungen „Benennung, Bezeichnung, Ernennung" reserviert der M-Duden für „Nominierung". Trifft dies zu, so befindet sich „Nomination" auf dem Weg zu semantischer Erstarrung. Die gebräuchlichen Bedeutungen würden von „Nominierung" übernommen. 5.

Propagation/Propagierung:

Nach dem M-Duden ist „Propagation" ein biologischer Begriff und bedeutet „Fortpflanzung des Lebens, Vermehrung". Der L-Duden gibt als Bedeutung an: „Vermehrung, Fortpflanzung". Auch bei den Angaben zum Verb „propagieren" weichen die beiden Wörterbücher kaum voneinander ab. MDuden: „verbreiten, f ü r etwas werben"; L-Duden: „politische Ideen verbreiten, f ü r etwas werben". Das Verbalsubstantiv „Propagierung" wird von keinem der beiden Wörterbücher erwähnt. Verb und Verbalsubstantiv auf -ierung haben eine Populärbedeutung. Das Fremdwort dagegen ist ein Fachwort von begrenzter Geltung. Die gemeinsame Bedeutungsgrundlage von „Propagation" und „Propagierung" ist allerdings noch deutlich erkennbar 8 8 . 6.

Zitation/Zitierung:

Der M-Duden definiert „Zitation" als „(Vor-)Ladung vor Gericht" und merkt an, das W o r t sei veraltet. Der L-Duden notiert als Bedeutungen: „Aufforderung zum Erscheinen, Vorladung vor Gericht, Ladung vor eine Behörde". Das Verb „zitieren" zeigt gegenüber „Zitation" einen Bedeutungszuwachs. M - D u d e n : „eine Stelle aus der Veröffentlichung eines Dichters oder Schriftstellers a n f ü h r e n " ; L-Duden: „einen Satz oder Abschnitt wörtlich anführen". Die Definition des M-Dudens ist zweifellos zu eng. „Zitierung" wird von beiden Wörterbüchern nicht erwähnt. Es deckt sich semantisch mit dem Verb, zeigt also gegenüber „Zitation" Bedeutungserweiterung: a) vor Gericht zitieren > die Zitierung vor Gericht b) diese Stelle zitieren > die Zitierung dieser Stelle Bei den bisher besprochenen Substantivpaaren dürfte die Form auf -ierung die häufigere sein. Den postverbalen Substantiven eignet eine gewisse semantische Flexibilität; sie sind offen f ü r neue Kombinationen (Möglichkeit der 88

Beide gehören letztlich zu lat. propagare: „weiter ausbreiten, ausdehnen; durch Senkreis f o r t p f l a n z e n " . (Duden, Bd. 7: Etymologie, S. 533).

V. Das Verhältnis zwischen den Substantiven auf -ierung

77

Metaphorisierung). Kurz: sie sind lebendig. Die entsprechenden Fremdbildungen dagegen halten sich in den engen Grenzen ihrer Spezialbedeutungen. Sie haben den Charakter von Termini technici. Eine Spannung zwischen systemhafter Bestimmtheit (langue) und kontextueller Bestimmung (parole) ist bei ihnen nicht zu beobachten. Deshalb können sie für sich allein definiert werden, wogegen zur Definition der Verben und der postverbalen Substantive immer wieder deutsche Synonyma herangezogen werden, mit denen zusammen sie Felder bilden. „Dezimation" ist ein scharf bestimmtes Zeichen von großer Komplexheit (militärisch — Hinrichtung jedes Zehnten einer Einheit — an eine geschichtliche Situation gebunden); „dezimieren" und „Dezimierung" sind vergleichsweise unprofilierte Zeichen, integriert in ein Feld, zu dem auch deutsche Wörter gehören (Zerstörung, Vernichtung, Aufreibung, Verminderung usw.), mit erweitertem Objektbereich. So entspricht der m o r p h o l o g i s c h e n K o n s o z i a t i o n der Substantive auf -ierung eine s e m a n t i s c h e K o n s o z i a t i o n , der m o r p h o l o g i s c h e n I s o l i e r t h e i t der Bildungen auf -tion (-sion/-xion) eine semantische Isolierung. Allerdings mag der öfter beobachtete Ausgleich zwischen den europäischen Sprachen, der sich gerade für die gemeinsame Schicht der Latinismen und Graezismen nachweisen läßt, da und dort der morphologisch-semantischen Eindeutschung entgegenwirken. Die Ausgleichsbewegungen werden erleichtert durch die Identität der Form, gefördert durch den Umstand, daß diese Wörter eine Art Manövriermasse bilden, weil sie nie tiefe Wurzeln geschlagen haben. Sie bleiben gleichsam an der Peripherie des deutschen Wortschatzes und sind weniger dem Einfluß von innen als dem Einfluß von außen ausgesetzt. Im Zuge solchen Ausgleichs zwischen den Sprachen hat sich etwa die Bedeutung von „adoptieren" und „Adoption" erweitert: Die Adoption (Annahme, Genehmigung) einer Reihe von nahmen 89 . 3. Die Differenzierung der Substantive auf -tion und auf -ierung mit Hilfe der Kriterien für die der -ung-Substantive

Sozialmaß-

(-sion/-xion) Gliederung

Es gibt eine ganze Anzahl von Substantivpaaren, bei denen die Fremdbildungen mutmaßlich häufiger sind als die Substantive auf -ierung. Beispiele: Delegation / Delegierung Fabrikation / Fabrizierung Illustration / Illustrierung 89

Nach Anna Urbanova, „Zum Einfluß des amerikanischen Engl, auf die dt. Gegenwartssprache — ein Beitrag zur Frage sprachlicher Kontakte", Muttersprache, 76. Jg., 1966, S. 109.

78

Die Gruppe „Verbalsubstantiv auf -ung +

Genitivattribut"

Information / Informierung Interpretation / Interpretierung Kombination / Kombinierung Konstruktion / Konstruierung Organisation / Organisierung Redaktion I Redigierung Die beiden Fremdwörterbücher erwähnen kein einziges -ierung-Substantiv dieser Gruppe. Die zugehörigen Verben sind ausnahmslos transitiv. Semantisch haben sich diese Verben nicht von Substantiven auf -tion entfernt. Von Bedeutungserweiterung beim Verb kann keine Rede sein, ö f t e r ist das Umgekehrte der Fall, daß nämlich die Substantive auf -tion zusätzliche, nicht verbalisierbare Bedeutungen haben: „Redaktion" kann auch eine Personengruppe oder eine Räumlichkeit bezeichnen, „Delegation" eine Personengruppe, „Organisation" eine Körperschaft usw. Nach übereinstimmenden Angaben beider Wörterbücher lassen sich alle Fremdbildungen dieser Gruppe pluralisieren. Was die Beurteilung der Numerusmöglichkeiten der Substantive auf -ierung betrifft, so sind wir ganz auf unser Sprachgefühl angewiesen. Wir würden alle postverbalen Substantive dieser Gruppe nur mit größtem Widerstreben pluralisieren. Versuchspersonen haben auf Befragen die gleiche Reaktion gezeigt. Zur Darstellung der Gruppenmerkmale ist die Inhaltsanalyse hier nicht besonders geeignet90. Deshalb wählen wir den Weg der syntaktischen Analyse. Prüft man die Möglichkeiten der Verbindung mit Genitivattribut, so zeigt sich, daß die Substantive auf -tion sowohl ein Genitivattribut mit Objektfunktion als auch ein Genitivattribut mit Subjektfunktion zulassen: + Genitivattribut funktion:

mit Objekt-

die Delegation administrativer Befugnisse die Fabrikation optischer Instrumente zur Illustration dieses Vorgangs zur Information des Personals die Interpretation eines Vertragstexts die Kombination verschiedener Verkehrsmittel die Konstruktion einer neuen Maschine 90

+ Genitivattribut funktion:

mit

Subjekt-

die Delegation der Schweiz die Fabrikation dieses Unternehmens eine Illustration Kokoschkas eine Information unseres Korrespondenten nach der Interpretation des Bundesrats die Kombination eines Schachspielers eine Konstruktion Henry Fords

Bei den oben behandelten Substantivpaaren wie „Dezimation/Dezimierung" die Inhaltsanalyse unumgänglidi.

war

V. Das Verhältnis zwischen den Substantiven auf -ierung die Organisation der nächsten olympischen Spiele die R e d a k t i o n politischer Nachrichten

79

die Organisation der Berufskraftfahrer die R e d a k t i o n dieser Zeitung

Substitution der Fremdbildungen durch die entsprechenden W ö r t e r auf -ierung ist nur in den G r u p p e n mit objektivem Genitivattribut möglich: die Delegierung administrativer Befugnisse die Fabrizierung optischer Instrumente zur Illustrierung dieses F a k t u m s zur I n f o r m i e r u n g des Personals die Interpretierung eines Vertragstexts die Kombinierung verschiedener Verkehrsmittel die Konstruierung einer neuen Maschine die Organisierung der nächsten olympischen Spiele die Redigierung politischer Nachrichten Vor objektivem Genitivattribut scheinen sich die beiden Substantivformen also zu überschneiden. O b sie sich dabei funktionell vollständig decken, k a n n erst die Probe der Rücktransposition erweisen, der Versuch, die G r u p p e mit Genitivattribut in einen vollständigen Satz zurückzuverwandeln. Sie zeitigt übereinstimmende Ergebnisse bei einem Satz wie: E r k a n n sich nicht z u r Delegation/Delegierung administrativer Befugnisse entschließen > E r k a n n sich nicht dazu entschließen, administrative Befugnisse zu delegieren Das M e r k m a l dieser Rücktransposition ist die Reverbalisierung des Bezugsworts: Delegation >

delegieren

Im Satz: Dies ist eine K o m b i n a t i o n verschiedener Verkehrsmittel bezeichnet das Bezugswort nicht mehr notwendig eine H a n d l u n g ; es k a n n mit dem gleichen Recht als Zustandsbezeichnung interpretiert w e r d e n : H i e r sind verschiedene Verkehrsmittel kombiniert Die Rücktransposition ergibt d a n n ein Zustandspassivum u n d f ü r das Genitivattribut S u b j e k t f u n k t i o n . In diesem Satz ist „ K o m b i n a t i o n " nicht durch „Kombinierung" ersetzbar. Die beiden Formen scheinen sich also nur d o r t zu überschneiden, w o die durch sie bezeichnete H a n d l u n g noch nicht abgeschlossen ist. D e n k b a r ist aber auch die G r u p p e „pluralisches Bezugswort + Genitivattribut mit O b j e k t f u n k t i o n " 9 1 : 01

dazu vgl. oben S. 53.

80

Die Gruppe „Verbalsubstantiv auf -urtg + Genitivattribut"

Es sind mehrere Kombinationen der vorhandenen Verkehrsmittel möglich Auch hier kann „Kombination" nicht durch „Kombinierung" substituiert werden. Wie bei den Substantiven auf -ung zeitigt die Rücktransposition auch bei den Wörtern auf -tion vor Genitivattribut mit Subjektfunktion verschiedene Ergebnisse: a) Das Bezugswort kann wiedergegeben werden durch ein Verb in Verbindung mit einem pronominalen Objekt. Beispiel: Die F a b r i k a t i o n d i e s e s U n t e r n e h m e n s ist kriegswichtig Rücktransposition: Was dieses Unternehmen fabriziert, ist kriegswichtig b) Das Bezugswort ist ein Akkusativobjekt; das Nullzeichen ein Funktionsverb : Maßgebend ist die Interpretation des Bundesrats Rücktransposition: Maßgebend ist die Interpretation, die der Bundesrat gibt c) Das Bezugswort ist Gleichsetzungsnominativ: Die O r g a n i s a t i o n d e r B e r u f s f a h r e r ist mächtig Rücktransposition: Die Berufsfahrer sind eine Organisation, die mächtig ist. Diese — unvollständige — Liste der Möglichkeiten möge genügen. Bei aller Verschiedenheit der Rücktransposition erkennen wir doch gemeinsame Züge: Das Genitivattribut hat die Funktion des Subjekts; das Bezugswort verliert seine Transitivität. Besonders deutlich ist dies bei a): „Fabrikation" enthält selbst schon das Objekt der Handlung „fabrizieren". Erst diese Intransitivierung macht bei „Delegation", „Konstruktion", „Organisation", „Redaktion" usw. die Entwicklung konkreter Bedeutungen möglich. Einige Fremdbildungen dieser Gruppe verbinden sich auch mit einem Präpositionalattribut, das dem objektiven Genitivattribut inhaltlich nahesteht92: eine Interpretation zu diesem Gedicht eine Illustration zu diesem Faktum eine Proklamation über etwas eine Information für das leitende Personal Auch hier ist die Substitution der Fremdbildungen durch die entsprechenden Substantive auf -ierung ausgeschlossen. Was leistet diese syntaktische Analyse? Sie gestattet eine klare Gliederung der Substantive nach Gruppenmerkmalen. Sie macht die Ansatzstelle für die Ent92

Vgl. oben S. 3 8 : Kriterium III, Gruppe 2 : „die Meldung des Unfalls/die Meldung über den Unfall".

V. Das Verhältnis zwischen den Substantiven

auf -ierung

81

wicklung konkreter Bedeutungen sichtbar. Sie bewahrt uns vor der Gefahr einer Verzettelung, wie sie die semantische Einzelanalyse immer birgt. Dabei besteht ein manifester Zusammenhang zwischen den syntaktischen Möglichkeiten und dem Wortinhalt. Die Fremdbildungen dieser Gruppe sind s y n t a k t i s c h v i e l s e i t i g e r und zugleich i n h a l t l i c h komplexer als die Substantive auf -ierung. Es ist denn auch schwierig, solchen chargierten Zeichen lexikographisch gerecht zu werden. Ein Beispiel: Der M-Duden definiert „Fabrikation" als „Erzeugung", „Herstellung in einer Fabrik"; der LDuden als „fabrikmäßige Herstellung, Erzeugung, Fertigung". N u n wissen wir, daß „Fabrikation" auch „das Erzeugte, das Hergestellte" bezeichnen kann (Integration von Prädikat und Objekt). Die syntaktische Analyse zeigt auch, daß das Verhältnis der Substantive auf -tion (-sion) zu den Substantiven auf -ierung dem Verhältnis gewisser -ungSubstantive zueinander entsprechen kann. Es lassen sich geradezu Verhältnisformeln wie die folgende aufstellen: „Fabrizierung" zu „Fabrikation" = „Erlangung" zu „Ausgrabung" Die Entsprechungen lauten: 1. Alle vier Substantive lassen ein Genitivattribut mit Objektfunktion zu. 2. „Ausgrabung" und „Fabrikation" lassen ein Genitivattribut mit Subjektfunktion zu; „Erlangung" und „Fabrizierung" schließen es aus. 3. „Ausgrabung" und „Fabrikation" sind pluralisierbar. „Erlangung" und „Fabrizierung" sind nicht pluralisierbar. 4. Die Rücktransposition von „Fabrikation" und „Ausgrabung" kann übereinstimmende Ergebnisse zeitigen: die Ausgrabung Schliemanns > was Schliemann ausgegraben hat die Fabrikation dieses Betriebs > was dieser Betrieb fabriziert Nicht alle Substantivpaare der Berührungszone zeigen allerdings die gleiche Verteilung der syntaktischen Möglichkeiten wie „Fabrikation/Fabrizierung". Bei einigen beobachten wir eine deutliche Scheidung der Funktionen: transitive Funktion intransitive Funktion (mit objektivem

Komprimierung Konzedierung Pervertierung Präzisierung

Genitivattr.)

(mit subjektivem

Genitivattr.)

Kompression Konzession Perversion Präzision

Da die Fremdbildungen dieser Gruppe nur noch „intransitiv" gebraucht werden können, überschneiden sie sich nicht mehr mit den Substantiven auf -ierung. Endlich macht die syntaktische Analyse auch deutlich, daß bei gewissen Substantivpaaren Übereinstimmung der syntaktischen Möglichkeiten besteht. „Isolation" wie „Isolierung" lassen sowohl objektives als auch subjektives

6 Sdiäublin 1

82

Die Gruppe „Verbalsubstantiv

auf -ung +

Genitivattribut"

Genitivattribut zu. „Renovation" wie „Renovierung" schließen Genitivattribut aus.

subjektives

Nimmt man die Verteilung der syntaktischen Möglichkeiten als Kriterium, so lassen sich, wie es scheint, drei Gruppen von Substantivpaaren unterscheiden: transitive Funktion

intransitive Funktionen

mit Genitivattribut in der Funktion des Objekts

mit Genitivattribut in der Funktion des Subjekts

(Fabrikation) (Fabrizierung)

(Fabrikation)

A. Uberschneidung in der transitiven Funktion: a) -tion (-sion): b) -ierung B. Keine Überschneidung: a) -tion (-sion): b) -ierung:

(Kompression) (Komprimierung)

C. Kongruenz der syntaktischen Möglichkeiten: 1.

a) -tion (-sion): -ierung b)

(Isolation) (Isolierung)

a) -tion (-sion): b) -ierung:

(Renovation) (Renovierung)

2.

(Isolation) (Isolierung)

Fügt man noch hinzu, daß es auch Substantive auf -ierung gibt, die, obwohl von transitiven Verben abgeleitet, nicht mehr mit einem Genitivattribut in in der Funktion des Objekts verbunden werden können (z. B. „Regierung", „Legierung"), so ergibt sich ein höchst verwirrendes Bild. Zweifellos sind diese Verhältnisse labil. Und es besteht nicht einmal sichere Gewähr, daß unsere Darstellung der Funktionenverteilung auch wirklich verbindlich ist. Die Resultate einer Umfrage würden möglicherweise eine beträchtliche Streuung zeigen. Bei den Substantiven des Typs A ließe sich denken, daß die Substantive auf -ierung die Fremdbildungen in der transitiven Funktion vollends verdrängen. Noch wahrscheinlicher aber ist, daß die Substantive auf -ierung ihren Funktionenbereich erweitern und die Fremdbildungen auf breiterer Front zu konkurrenzieren beginnen. Ein Merkmal der Substantive auf -ierung verdient aber doch hervorgehoben zu werden: die „ T r a n s i t i v i t ä t " . Darunter ist hier zweierlei zu verstehen:

V. Das Verhältnis zwischen den Substantiven

auf -ierung

83

1. Deszendenz von transitiven Verben 2. Transitive Funktion der Substantive selbst, d. h. Verbindung mit objektivem Genitivattribut. Rekapitulieren wir kurz: — Die Substantive auf -ierung, die keine Form auf -tion (-sion/-xion) neben sich haben, sind fast durchwegs von transitiven Verben abgeleitet. — Überwiegend transitiver Herkunft sind auch die Substantive auf -ierung, die sich mit Substantiven auf -tion (-sion) berühren. — Der Verben auf -ieren, die ein Substantiv auf -tion (-sion/-xion), aber kein Substantiv auf -ierung neben sich haben, sind dagegen mehrheitlich intransitiv. — Prüft man die Verteilung der syntaktischen Möglichkeiten, so zeigt sich, daß die transitive Funktion wiederum bei den Substantiven auf -ierung stärker vertreten ist (vgl. die Typen A und B der Übersicht). Transitive Deszendenz und transitive Funktion laufen somit parallel. Diese Aussage gilt für eine bedeutende Gruppe von Bildungen auf -ierung in der Berührungszone. Bedenkt man überdies, daß sich diese Bildungen kaum pluralisieren lassen, so wird man nicht mehr zögern, sie mit der Gruppe 1 des Kriteriums I (nichtpluralisierbare Substantive, die nur ein Genitivattribut mit Objektfunktion zulassen) zu vergleichen.

6*

2. K A P I T E L

Das Bezugsadjektiv

1.

Einleitung

1. Das substantivische und das adjektivische „rection" und „accord":

Attribut:

Zu den freien Attributen des Substantivs gehören nicht nur das Genitivattribut, das Präpositionalattribut und die Apposition, sondern auch das Adjektiv. Während die substantivischen Attribute mit dem Substantiv, das sie bestimmen (Bezugswort), durch reinen oder präpositionalen Kasus verbunden sind1, stimmen die Adjektive in Kasus, Genus und Numerus mit ihrem Substantiv überein. Die Verbindung durch reinen oder präpositionalen Kasus wird von Bally „ r e c t i o n " genannt. Die Übereinstimmung in Kasus, Genus und Numerus wird „ a c c o r d " genannt. Zu diesen beiden Möglichkeiten syntagmatisdier Beziehung schreibt Bally: „Toutes choses égales d'ailleurs, l'accord est une syntaxe plus s y n t h é t i q u e que la rection. Cell-ci unit des termes extérieurs l'un à l'autre, l'accord les unit l'un d a n s l'autre 2 ." Wir halten fest: Das substantivische Attribut ist seinem Wesen nach selbständig; das adjektivische Attribut ist als Adjektiv seinem Wesen nach u n s e l b s t ä n d i g , es werde denn substantiviert. Das adjektivische Attribut ist deshalb enger mit dem Substantiv verbunden als das substantivische Attribut. Wir kommen vom substantivischen Attribut her und berücksichtigen das adjektivische Attribut nur insoweit, als es mit dem substantivischen Attribut in Wettbewerb treten kann. Dies ist zum Beispiel nicht der Fall beim Adjektiv „grün" in der Gruppe „das grüne Laub", wohl aber ist es der Fall beim Adjektiv „französisch" in der Gruppe „französischer Wein", kann doch das Adjektiv hier durch das Präpositionalattribut „aus Frankreich" substituiert werden. 1

Über den Sonderfall „Apposition" handelt Wolfgang Motsdi in „Untersuchungen zur Apposition im Deutschen". Studia Grammatica V, Berlin 1965.

2

Bally, L.g. et l.fr., § 322, S. 206 (Hervorhebungen von P. Sdì.).

I.

Einleitung

85

Das freie substantivische Attribut kann aber oft auch in ein „gebundenes" umgewandelt werden, d. h., es kann als Bestimmungswort des Kompositums auftreten: Schwierigkeiten der Anpassung / Anpassungsschwierigkeiten die Analyse der Laute / die Lautanalyse In den eben genannten Komposita scheinen Bestimmungswort und Grundwort wiederum rektioneil verbunden zu sein. Darf man dies aber auch noch behaupten bei Komposita wie „Musterbetrieb", „Feuereifer"? In solchen Komposita steht das Bestimmungswort dem adjektivischen Attribut nahe: „ein musterhafter Betrieb", „ein feuriger Eifer". Es ist jedenfalls angezeigt, das adjektivische Attribut nicht nur mit dem freien substantivischen Attribut, sondern auch mit dem Bestimmungswort des Kompositums zu vergleichen. 2. Prädikatives

und attributives

Adjektiv:

Der Begriff „ a d j e c t i f d e r e l a t i o n " (Bezugsadjektiv) ist von Bally für eine Klasse von Adjektiven verwendet worden, die von Substantiven abgeleitet sind und ganz bestimmte syntaktische Eigenschaften aufweisen'. Ehe wir jedoch auf diesen Begriff näher eingehen, müssen wir Klarheit über unser Vorgehen gewinnen. Dabei orientieren wir uns an den Prämissen der Studie „Syntax des deutschen Adjektivs" von Wolfgang Mötsch4 und einer ungedruckten Vorlesung über „Die Geschichte des deutschen Adjektivs" von Rudolf Hotzenköcherle 5 . Mötsch geht davon aus, daß die attributive Verwendung von Adjektiven in vielen Fällen als s e k u n d ä r gegenüber anderen Verwendungen empfunden werde6. Deshalb wählt er nicht die attributive Stellung als Ausgangspunkt für die Einführung von Adjektiven, sondern führt Konstruktionen mit attributiven Adjektiven auf andere Konstruktionen zurück7. Sehr bestimmt heißt es in Anmerkung 378: „Wir nehmen an, daß alle attributiven Adjektive aus anderen Konstruktionen abgeleitet werden können." Der gleiche Schluß darf aus dem synchronischen Satzgrundriß gezogen werden, den R. Hotzenköcherle seiner Adjektivdarstellung zugrundelegt. Die erste Ebene dieses Grundrisses bilden Subjekt, Prädikat und Objekt. Die zweite Ebene bilden die Erweiterungen und die näheren Bestimmungen. Zur 3

Bally. L.g. et l.fr., § 147, S. 96—97.

4

Studia Grammatica III, 4. Aufl. 1966.

5

gehalten im Sommersemester des Jahres 1962.

6

Vgl. S. 20.

7

Vgl. S. 21.

8

Vgl. S. 137.

86

Das

Bezugsadjektiv

e r s t e n Ebene gehört das p r ä d i k a t i v e Ebene gehört das a t t r i b u t i v e Adjektiv.

Adjektiv; zur

zweiten

Die Beschreibung syntaktischer Regelmäßigkeiten beim deutschen zerfällt nach Mötsch in vier Teilaufgaben 9 : 1. Eine Subklassifizierung der nur in prädikativer Position Adjektivklassen.

Adjektiv

auftretenden

2. Die Angabe von Subklassen von Adjektiven, die sowohl in prädikativer als auch in attributiver Stellung möglich sind. Die Formulierung der geeigneten Transformationsregeln, die die Umstellung in attributive Position bewirken. 3. Die Etablierung von Klassen von Adjektiv-Adverbien. 4. Der Nachweis, daß auf der Grundlage bestimmter Konstruktionen Adjektive gebildet werden können. In seiner Arbeit über die Syntax der deutschen Adjektive behandelt Mötsch nur die Probleme 1 und 2. Folgerichtig geht er darum von den „Hauptkomponenten des Kopulasatzes" aus und befaßt sich zuerst mit den auf prädikativen Gebrauch beschränkten Adjektiven. Danach werden die attributiv verwendbaren Adjektive behandelt, die in nicht-graduierbare und graduierbare Adjektive unterteilt werden. Die Adjektive, die wir hier untersuchen wollen, sind nach Auffassung Mötschs zuerst und vor allem ein Problem der W o r t b i l d u n g 1 0 . Auf die N o t wendigkeit einer gründlicheren Untersuchung der Wortbildung aus synchronischer Sicht hat übrigens schon Bally hingewiesen 11 . Wenn wir Mötsch richtig verstehen, so hat er die Absicht, diese Adjektive in einer Beschreibung der deutschen Wortbildung zu behandeln. An einer Stelle spricht er denn auch geradezu von „aus W o r t b i l d u n g s t r a n s f o r m a t i o n e n hervorgegangenen Adjektiven" 1 2 . Er meint damit offensichtlich Adjektive, die Bally als „adjectifs de relation" bezeichnet. Die Beschreibung dieser Adjektive würde demnach unter Teilaufgabe 4 fallen. In der Arbeit über die „Syntax des deutschen Adjektivs" werden die Bezugsadjektive erst gelegentlich gestreift. D a es sich bei den Bezugsadjektiven um T r a n s p o s i t i o n e n handelt, lassen wir uns vom gleichen Grundgedanken leiten wie bei der Untersuchung der -ung-Substantive. So wie wir die -ung-Substantive einerseits von der Ausgangswortart „Verb", andererseits von der Zielwortart „Substantiv" her zu bestimmen versucht haben, so versuchen wir auch die Bezugsadjektive 9

Vgl. S. 21.

10

Vgl. S. 21.

11

„ L a f o r m a t i o n des mots exige une etude statique beaucoup plus poussee qu'elle ne l'est actuellement: . . (L.g. et l.fr., § 174, S. 112).

12

Vgl. S. 132 (Hervorhebungen von P. Sdi.).

I.

Einleitung

87

einerseits von der A u s g a n g s w o r t a r t „ S u b s t a n t i v", andererseits von der Z i e l w o r t a r t „ A d j e k t i v " her zu bestimmen. Und wiederum bilden syntaktische Proben die Grundlage f ü r die angestrebte Bestimmung. R. Hotzenködierle widmet ein Teilkapitel seiner Vorlesung „Die Geschichte des deutschen Adjektivs" dem Verhältnis des Adjektivs zu den benachbarten Wortarten, dem Substantiv und dem Adverb. Wir werden auf Ergebnisse dieses Vergleichs zurückgreifen können. Unabhängig von Motsdi sind wir zu einem Verfahren gelangt, dessen Prämissen mit den Prämissen seiner Arbeit vieles gemeinsam haben. So nehmen wir f ü r die Bezugsadjektive an, was Mötsch für die attributiven Adjektive im allgemeinen postuliert, nämlich, daß sie von anderen Konstruktionen abzuleiten sind. Ebenfalls in Übereinstimmung mit Mötsch betrachten wir die Bezugsadjektive nicht zuletzt als ein Problem der Wortbildung, mit der Auflage freilich, daß die Wortbildung nicht von der Syntax abgetrennt werde.

3. Ballys Begriff „adjectif

de

relation"13:

Bally vergleicht die Adjektive „solaire", „parisien", „crânien" in den Gruppen „la chaleur solaire", „la municipalité parisienne", „la boîte crânienne" mit den Adjektiven „tropical" und „parisien" in den Gruppen „une chaleur véritablement tropicale", „un événement bien parisien". Dabei ergibt sich, daß: 1. „solaire", „parisien", „crânien" in den zuerst genannten Gruppen im Unterschied zu „tropical" und „parisien" in den Gruppen „une chaleur véritablement tropicale" und „un événement bien parisien" n i c h t p r ä d i k a t i v stehen können. Konstruktionen wie „Cette chaleur est solaire" oder „la boîte est crânienne" sind u n g r a m m a t i s c h . 2. „solaire", „parisien", „crânien" in den zuerst genannten Gruppen w e d e r gesteigert noch mil Gradadverbien versehen werden können. Konstruktionen wie „la chaleur la plus solaire", „une boîte tout à fait crânienne" sind u n g r a m m a t i s c h . Nach Mötsch fassen wir den Komparativ, den Superlativ und die Gradadverbien im Begriff „Grad" zusammen 14 . Diese Adjektive sind also nicht g r a d u i e r b a r : 3. „solaire", „parisien" und „crânien" nicht nur Transpositionen von Substantiven sind, sondern auch i n S u b s t a n t i v e zurückverwand e l t werden können: 13

a) Zum Bezugsadjektiv vgl. jetzt auch R. Hotzenködierle, Gegenwartsprobleme im deutschen Adjektivsystem; Neuphilologische Mitteilungen Bd. L X I X , Heft 1, 1968, S. 1—28. b) Eine gute allgemeine Darstellung der Kategorie „Bezugsadjektiv" findet man jetzt in Wolfgang Fleischers „Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache" (Leipzig 1969). Ein H i n w e i s auf das Stichwort „ R e l a t i v a d j e k t i v " im Register (S. 324) muß hier genügen.

14

Vgl. S. 32.

88

Das

Bezugsadjektiv

la chaleur solaire > la chaleur du soleil la municipalité parisienne > la municipalité de Paris la boîte crânienne > la boîte du crâne Dies sind die Merkmale, von denen wir ausgehen müssen, gleichgültig, ob wir es mit französischen oder mit deutschen Adjektiven zu tun haben. Wir fassen sie noch einmal zusammen: — Bezugsadjektive sind Transpositionen von Substantiven — Bezugsadjektive lassen sich in freie substantivische Attribute wandeln — Bezugsadjektive sind nicht prädikativ verwendbar — Bezugsadjektive sind nicht graduierbar.

zurückver-

Ein Merkmal ist noch nachzutragen, obwohl es für die Bezugsadjektive nicht im gleichen Maße typisch ist wie die eben genannten. Manche Adjektive können durch reinen oder präpositionalen Kasus ergänzt werden. Man nennt diese Adjektive e r g ä n z u n g s f ä h i g : Er ist des Feilschens müde: reiner Kasus Er ist zu großen Taten fähig: Präp.kasus Bei Bezugsadjektiven kommt dies nie vor. Also: — Bezugsadjektive sind nicht

ergänzungsfähig

II. Ein Inventar der hauptsächlichsten

Bezugsadjektivformen:

Das folgende Inventar kann nicht Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Es will lediglich die wichtigsten Bezugsadjektivformen anführen. I. Adjektive

auf -lieh:

Das Rückläufige Wörterbuch von E. Mater verzeichnet nicht ganz 1300 Adjektive auf -lieh, die nach der Ausgangswortart in Denominativa, Deverbativa und Deadjektiva zu unterteilen wären. Nach unserer Schätzung sind mehr als ein Drittel aller aufgeführten Adjektive auf -lieh als Bezugsadjektive verwendbar. Beispiele: die ärztliche Sorgfaltspflicht eine behördliche Verfügung betriebliche Probleme die feindlichen Aufklärungstätigkeit die gesundheitlichen Folgen der königliche Sendbote15 15

In seinem Aufsatz über „Die Struktur der Adjektive auf -ig und auf -lieh in der deutsdie Schriftsprache der Gegenwart" (Orbis vol. 4, 5, 6; 1955, 1956, 1957)

II. Ein Inventar

der hauptsächlichsten

Bezugsadjektivformen

89

2. Adjektive auf -isch: Alle von geographischen und von Völkernamen abgeleiteten Adjektive auf -isch sind im Prinzip als Bezugsadjektive verwendbar. Beispiele: das mitteleuropäische Klima die schwäbische Landschaft der thailändische Protest die chinesischen Wirren französische Bedenken die russische Verlegenheit Zahlreiche weitere Denominativa auf -isch können ebenfalls als Bezugsadjektive verwendet werden. Beispiele: strategische Überlegungen die demokratische Staatsform tierische Fette eine darstellerische Leistung seine rednerische Begabung die plastische Kunst Von den nicht ganz 2000 Adjektiven auf -isch, die das „Rückläufige Wörterbuch" aufführt, dürften ungefähr die Hälfte als Bezugsadjektive verwendbar sein.

3. Adjektive auf -weise: Einen Sondertypus von Bezugsadjektiven stellen die denominalen AdjektivAdverbien auf -weise dar. Das „Rückläufige Wörterbuch" verzeichnet 238 Bildungen auf -weise. Davon sind 65 Deadjektiva (Beispiel: „glücklicherweise") und somit nicht Bezugsadjektive. Von den verbleibenden 173 denominativen Bildungen scheiden ebenfalls noch einige aus, weil sie nicht attributiv gebraucht werden können: „beziehungsweise", „vergleichsweise", „beispielsweise", „schätzungsweise". Die restlichen denominativen -weise-Bildungen lassen sich in zwei Gruppen von Bezugsadjektiven unterteilen: a) Bildungen, deren nominaler Teil eine Rang-, Maß- oder Mengeneinheit bezeichnet, der kistenweise Verkauf von Orangen die ratenweise Abzahlung des Fernsehgeräts die tonnenweise Verbrennung von Kaffee die truppweise Infiltration subversiver Kräfte die stellenweise Vereisung der Straße beruft sich P. C . Spydier ausdrücklich auf Ch. Bally („Unsere Ausführungen möchten in Ballys Geiste geschrieben sein"), doch entgeht ihm der Begriff „adjectif de relation". Spydier untersucht nur die Bedeutungs- und Wortbildungskategorien, ohne auf das morpho-syntaktische Verhalten der Adjektive einzugehen.

90

Das

Bezugsad/ektiv

b) Bildungen, deren nominaler Teil n i c h t eine Rang-, Maß- oder Mengeneinheit bezeichnet: die strafweise Versetzung eines Beamten die leihweise Abgabe von Winterausrüstungen die versuchsweise Einführung des Dezimalsystems die behelfsweise Instandstellung der Brücke die zwangsweise Umsiedlung der Bewohner In einem Nachtrag sollen Entwicklung und Anwendungsbeschränkungen dieses Sondertyps kurz dargestellt werden 16 .

4. Adjektive auf -mäßig: Auch die Bezugsadjektive auf -mäßig stellen einen Sondertypus dar. Auszuklammern sind -mäßig-Bildungen, die auch prädikativ stehen können und deshalb nicht Bezugsadjektivcharakter haben: „parademäßig", „feldmarschmäßig", „zweckmäßig", „regelmäßig", „planmäßig", „kriegsmäßig", „friedensmäßig". Wohl der größere Teil der -mäßig-Bildungen sind jedoch Bezugsadjektive. Beispiele: das zahlenmäßige Übergewicht die gütemäßige Bestimmung die gesinnungsmäßige Zusammengehörigkeit die verstandesmäßige Erfassung die qualitätsmäßige Abstufung die rangmäßige Einteilung Audi von diesen Bildungen soll in einem Nachtrag ausführlicher gehandelt werden 17 .

5 a. Adjektive auf -al: Adjektive wie „fatal", „kapital", „real", „frugal" usw. können auch prädikativ verwendet werden, sind also nicht Bezugsadjektive. Eine Vielzahl von Bildungen auf -al hat jedoch Bezugsadjektivcharakter. Beispiele: die formalen Unterschiede traditionale Bindungen 18 16

Vgl. S. 116 f.

17

Vgl. S. 11 I i i .

18

Das Adjektiv „traditional" ist im Fremdwörter-Duden nicht verzeichnet, aber in soziologischen Schriften immer wieder anzutreffen. „Traditionale Bindungen" heißt, im Unterschied zu „traditionelle Bindungen", etwa „Bindungen an die Tradition, in bezug auf die Tradition".

III.

Drei

Adjektivklassen

91

das ostzonale Regime seine soziale Stellung der prozentuale Anteil die kollegialen Pflichten hormonale Störungen

5b. Adjektive

auf -eil:

Adjektive wie „traditionell", „akzidentell", „partiell" sind auch prädikativ verwendbar, sind also nicht Bezugsadjektive. Dagegen sind die Adjektive in den folgenden Gruppen offensichtlich Bezugsadjektive: personelle Probleme die präsidentiellen Pflichten strukturelle Unterschiede finanzielle Schwierigkeiten konfessionelle Unterschiede eine redaktionelle Berichtigung Wir verzichten bei den Adjektiven auf -al und auf -eil auf eine genaue Bestandesaufnahme. Einige Probleme seien jedoch kurz angedeutet. Zu untersuchen wäre das Verhältnis bei Doubletten wie „traditionell/traditional, universell/universal, originell/original" usw. Zu prüfen wäre, ob ein Zusammenhang besteht zwischen inhaltlichen Merkmalen von Adjektiven auf -al und der direkten lateinischen Provenienz des Suffixes -al einerseits, zwischen inhaltlichen Merkmalen von Adjektiven auf -eil und der französischen Provenienz des Suffixes -eil andererseits.

III. Drei Adjektivklassen: Bezugsadjektive — ambivalente Adjektive — gewöhnliche Adjektive In der Gruppe „la municipalité parisienne" ist „parisien" Bezugsadjektiv; in der Gruppe „un événement bien parisien" ist „parisien" gewöhnliches Adjektiv, d. h. prädikativ verwendbar und graduierbar. Daraus folgt, daß ein Adjektiv nicht ausschließlich Bezugsadjektiv sein muß, sondern unter Umständen auch als gewöhnliches Adjektiv gebraucht werden kann. Dies ist auch der Fall bei Adjektiven wie „königlich", „feindlich", „plastisch", „musikalisch", „kollegial", „sozial". In den folgenden Gruppen sind sie das eine Mal Bezugsadjektive, das andere Mal gewöhnliche Adjektive:

Bezugsadjektive:

gewöhnliche Adjektive:

der königliche Sendbote

eine königliche Freude

feindliche Aufklärungstätigkeit

eine feindliche Haltung

92

Das

die plastische Kunst die musikalischen Qualitäten die kollegialen Pflichten seine soziale Stellung

Bezugsadjektiv

eine plastische Schilderung ein musikalisches Kind eine kollegiale Haltung eine soziale Einstellung

Wir machen drei Proben, um die Adjektive rechts als gewöhnliche Adjektive zu bestimmen: a) prädikative Verwendung des Adjektivs b) Bildung der Komparativform c) Bestimmung des Adjektivs durch ein Gradadverb königlich: Seine Freude ist königlich Eine königlichere Freude kann man sich nicht denken Seine Freude ist ganz königlich feindlich:

Seine Haltung ist feindlich Eine noch feindlichere Haltung zeigt X . Seine Haltung war äußerst feindlich

plastisch:

Diese Schilderung ist plastisch Eine plastischere Schilderung wäre wünschbar Er gibt eine höchst plastische Schilderung

musikalisch:

Dieses Kind ist musikalisch Jenes Kind ist noch musikalischer Ein sehr musikalisches Kind

kollegial:

Seine Haltung war kollegial Eine kollegialere Haltung darf man von ihm nicht erwarten Eine sehr kollegiale Haltung

sozial:

Seine Einstellung ist sozial Eine sozialere Einstellung wäre notwendig Seine Einstellung ist sehr sozial

In der Regel wechselt mit der Funktion des Adjektivs auch das Substantiv: der königliche Sendbote/

eine königliche

Freude

Es kommt jedoch vor, daß ein Adjektiv in Verbindung mit dem gleichen Substantiv sowohl Bezugsadjektiv als auch gewöhnliches Adjektiv sein kann. Eine Bestimmung ist dann nur bei Kenntnis des Kontexts möglich. Beispiele (a) Verwendung als Bezugsadjektiv; b) Verwendung als gewöhnliches Adjektiv): a) Die p l a s t i s c h e Kunst ist die Krone der bildenden Künste ( = die Kunst der Plastik) b) Er strebt nach einer möglichst p l a s t i s c h e n Kunst a) Die k ö n i g l i c h e Mitgift ( = die Mitgift des Königs)

bestand in ausgedehnten

Ländereien

HL

Drei Adjektivklassen

93

b) E r hat eine wahrhaft k ö n i g l i c h e Mitgift zu erwarten a) Die m i t t e l a l t e r l i c h e alters)

Welt ist vertikal ( = die Welt des Mittel-

b) E r lebt in einer durchaus m i t t e l a l t e r l i c h e n

Welt

a) Das m e n s c h l i c h e Verhalten ist weniger instinktbestimmt ( = das Verhalten des Menschen) b) Sein m e n s c h l i c h e s bekannt

Verhalten

a) Das m i t t e l e u r o p ä i s c h e in Mitteleuropa) b) In gewissen Gegenden i s c h e s Klima a) Die d e m o k r a t i s c h e

gegenüber den Gefangenen

ist

Klima bekam ihm nicht ( = das Klima

Kanadas

herrscht

ein

mitteleuropä-

Staatsform ist die beste ( = die Staatsform

der Demokratie) b) Eine d e m o k r a t i s c h e

Staatsform setzt mündige Bürger voraus

Es hat sich gezeigt, daß manche Adjektive sowohl Bezugsadjektive als auch gewöhnliche Adjektive sein können. Dagegen sind Adjektive wie „ärztlich", „gesundheitlich", „darstellerisch", „behördlich", „schulisch" nur als Bezugsadjektive verwendbar. Zahlreiche Adjektive auf -lieh und -isdi endlich sind immer und ausschließlich gewöhnliche Adjektive, also prädikativ verwendbar und graduierbar: z . B . „handlich", „friedlich", „kindisch", „schurkisch", „bübisch". Für die Beschreibung der Bezugsadjektive scheint es daher zweckmäßig, drei Adjektivklassen anzunehmen 19 : 1.

Bezugsadjektive 20

2. Ambivalente Adjektive (Adjektive, die als Bezugsadjektive oder als gewöhnliche Adjektive gebraucht werden können) 3. gewöhnliche Adjektive. 19

Dies Dreiteilung drängt sich auf, wenn man vom substantivischen Attribut ausgeht und das Verhalten jener Adjektive beschreiben will, die substantivische Attribute ersetzen können. Sie ist jedoch nicht verbindlich für eine allgemeine Syntax der Adjektive, bei der vom prädikativen Adjektiv auszugehen wäre.

20

Im 9. Bd. des Dudens wird nicht unterschieden zwischen reinen Bezugsadjektiven und ambivalenten Adjektiven. Es werden verglichen: „eine winterliche Landschaft/eine Winterlandschaft", „eine abendliche Stimmung/eine Abendstimmung", „schulische Aufgaben/Sdiulaufgaben" (S. 24, Spalte 1). „Winterlich" und „abendlich" sind a m b i v a l e n t e Adj. und stehen hier als gewöhnliche Adj. „Schulisch" dagegen ist r e i n e s B e z u g s a d j . Nach dem Duden ist „Abendstimmung" immer eine Stimmung, die am Abend herrscht. Diese inhaltliche Beschränkung scheint uns arbiträr.

94

Das

Bezugsadjektiv

IV. Vergleich der Bezugsadjektive mit anderen Adjektivtypen, die eines oder mehrere Merkmale mit den Bezugsadjektiven teilen 1. Zusammenstellung der Adjektivtypen, die eines oder mehrere Merkmale mit den Bezugsadjektiven teilen: W i r kennen f ü n f M e r k m a l e der Bezugsadjektive: 1. Sie sind von Substantiven abgeleitet; 2. Sie lassen sich in substantivische Attribute u m w a n d e l n ; 3. Sie sind nicht p r ä d i k a t i v v e r w e n d b a r ; 4. Sie sind nicht graduierbar; 5. Sie sind nicht ergänzungsfähig. N u n stellt sich natürlich die Frage, ob zwischen den verschiedenen M e r k m a l e n ein Zusammenhang besteht. Diese F r a g e führt sogleich zu einer

weiteren:

G i b t es Adjektive, die eines oder mehrere M e r k m a l e mit den Bezugsadjektiven teilen? W e n n es solche A d j e k t i v e gibt, so erlaubt vielleicht ihr Vergleich mit den Bezugsadjektiven, die Frage nach dem Zusammenhang zwischen den verschiedenen M e r k m a l e n zu beantworten. W i r suchen also zunächst nach A d j e k t i v e n , die eines oder mehrere M e r k m a l e mit den Bezugsadjektiven gemeinsam haben. a) A d j e k t i v e wie „schurkisch", „diebisch", „paradiesisch", „närrisch", „schwärmerisch", „freundlich", „friedlich", „glücklich" haben wir als gewöhnliche A d j e k t i v e bezeichnet. Immerhin haben sie mit den Bezugsadjektiven meinsam,

daß

sie von

Substantiven

abgeleitet

und

nicht

ge-

ergänzungs-

fähig sind. I n allen übrigen M e r k m a l e n scheinen sie dagegen nicht mit den Bezugsadjektiven übereinzustimmen. b) Es gibt eine Gruppe von zusammengesetzten Adjektiven auf -ig, die, mit Ausnahme eines einzigen, alle M e r k m a l e des Bezugsadjektivs aufweisen. Beispiele: vielbändig, schwarzköpfig, mehrstufig, vielflächig, einarmig, pockennarbig, freihändig, ganzrandig, dreistündig, gleichrangig, spitzbogig, braunäugig, mehrsprachig, leberfleckig, blondlockig, vielstellig, doppelpolig Diese A d j e k t i v e

sind denominativ.

Sie lassen sich auch in

substantivische

Attribute u m w a n d e l n : ein pockennarbiges Gesicht >

ein Gesicht mit Pockennarben

Sie sind nicht graduierbar und nicht ergänzungsfähig. Doch im Unterschied zu den Bezugsadjektiven verwendet werden: Dieses W e r k ist vielbändig D e r J u n g e ist schwarzköpfig D a s K o l l e g w a r dreistündig

können sie

prädikativ

IV.

Vergleich

der Bezugsadjektive

mit anderen

Adjektivtypen

95

Diese Werke sind gleichrangig Die Zahl ist vielstellig c) Die Adjektive „dortig", „morgig", „heutig", „gestrig", „obig" usw. bleiben wie die Be2ugsadjektive auf attributiven Gebrauch beschränkt 21 und sind wie diese nicht graduierbar. Dagegen weichen sie in den übrigen Merkmalen von den Bezugsadjektiven ab. Sie sind von Adverbien abgeleitet und können folglich auch nicht in substantivische Attribute umgewandelt werden. d) Zahlreiche Adjektive sind wie die Bezugsadjektive z. B. tot, drahtlos, verlobt, zahlbar 22

nicht

graduierbar:

Faßt man diese Adjektive in einer Gruppe zusammen, so sind in bezug auf die Merkmale ,denominativ', ,umwandelbar in substantivisches Attribut', ,beschränkt auf attributiven Gebrauch' keine allgemeine Aussagen möglich. e) Endlich seien noch jene Adjektive, erwähnt, die auf attributiven Gebrauch beschränkt bleiben, wenn sie sich auf Nomina agentis beziehen und nur die Handlung, nicht die handlungstragende Person charakterisieren 23 . Diese Adjektive sind jedoch graduierbar: ein ein ein ein ein

kalter Rechner prächtiger Kämpfer starker Raucher stiller Genießer stiller Dulder

In der folgenden tabellarischen Übersicht sind die verschiedenen erwähnten Adjektivgruppen zusammengestellt. Das Pluszeichen besagt, daß die betreffende Adjektivgruppe das in Frage stehende Merkmal mit den Bezugsadjektiven gemeinsam hat. Das Minuszeichen besagt, daß der betreffenden Adjektivgruppe das in Frage stehende Merkmal der Bezugsadjektive fehlt. Der Vergleich der Bezugsadjektive mit den d, e bedingt eine H i e r a r c h i s i e r u n g eines L e i t m e r k m a l s . Das Merkmal als Leitmerkmal von vornherein aus, weil es gruppen gemeinsam ist.

21

Vgl. Grammatik-Duden, § 328 a, S. 204.

22

Vgl. Mötsch, S. 31 ff.

23

Vgl. Grammatik-Duden, § 328 a, S. 205.

Adjektiven der Gruppen a, b, c, der Merkmale, die Bestimmung „nicht ergänzungsfähig" scheidet allen oben betrachteten Adjektiv-

96

Das

denominativ

Bezugsadjektive ambivalente Adjektive

+ +

Gruppe a: T y p „schurkisch"

+

Gruppe b: T y p „vielbändig"

+

Bezugsadjektiv

umwandelbar in substantivisches Attr.

auf attributiven Gebrauch beschränkt

nicht graduierbar

nicht ergänzungsfähig

+ + /-

+ + /-

+ + /-

+ +

+ +

Gruppe c: T y p „dortig" Gruppe d: T y p „tot"

( )24

(

r

Gruppe e: T y p „starker Raucher"

+

+

+

+

+

( )21

+

( )24 +

+

Dagegen wäre es sinnvoll, ein Leitmerkmal „ T r a n s p o s i t i o n " anzunehmen, denn damit wäre der Weg gewiesen für einen Vergleich der Transpositionen : Leitmerkmal „Transposition"

,

.

. /

I ..

\

Substantivtranspositionen Verbtranspositionen Adverbtranspositionen (z. B. „schulisch) (z. B. „eßbar") (z. B. „dortig") Ein solcher Vergleich könnte Aufschluß geben über den Zusammenhang zwischen dem Merkmal „Transposition" und der Defizienz an adjektivischen Merkmalen. So sind zum Beispiel „schulisch", „zahlbar" und „dortig" nicht graduierbar. Im Rahmen dieser Arbeit können allerdings erst gewisse Vorarbeiten für einen umfassenden Vergleich geleistet werden. Wir beschränken uns zunächst auf die Merkmale „denominativ", „umwandelbar in substantivisches Attribut" und „beschränkt auf attributiven Gebrauch". Als Leitmerkmal wählen wir das Merkmal „ d e n o m i n a t i v " . Damit scheiden Adjektive, die nicht von Substantiven abgeleitet sind (Gruppen c, d, e) von vornherein aus. Das Leit24

Die Heterogenität der Gruppe d läßt keine allgemeine Aussagen über diese Merkmale zu.

IV. Vergleich der Bezugsadjektive

mit anderen Adjektivtypen

97

merkmal „denominativ" faßt die Bezugsadjektive und die Adjektive der Gruppen a und b zusammen. Die Merkmale „umwandelbar in substantivisches Attribut" und „beschränkt auf attributiven Gebrauch" bewirken eine Gliederung der so zusammengefaßten Adjektivtypen: 1. Leitmerkmal „denominativ": Bezugsadjektiv Typ b „vielbändig"

Typ a „schurkisch"

2. Merkmal „umwandelbar in substantivisches Attribut": Bezugsadjektiv T y p b „vielbändig" 3. Merkmal „beschränkt auf attributiven Gebrauch": Bezugsadjektiv An diese Gliederung halten wir uns bei den folgenden Vergleichen.

2. Vergleich der Bezugsadjektive mit jenen Adjektiven der Gruppe a, die von Personenbezeichnungen abgeleitet sind (Typus „schurkisch"): Zwar sind alle Adjektive der Gruppe a denominativ, doch ist die Gruppe insofern gemischt, als ihr einerseits Adjektive angehören, die von Personenbezeichnungen abgeleitet sind (närrisch, diebisch, bübisch, schwärmerisch usw.), andererseits Adjektive, die nicht von Personenbezeichnungen abgeleitet sind (launisch, parteiisch, tödlich, pünktlich). Zu den Merkmalen der Bezugsadjektive gehört bekanntlich auch, daß sie sich in substantivische Attribute umwandeln lassen. Dieses Merkmal fehlt den Adjektiven der Gruppe a, die nicht von Personenbezeichnungen abgeleitet sind. Eine „parteiische Haltung" ist nicht „die Haltung einer Partei", eine „tödliche Krankheit" ist nicht „die Krankheit des Todes" usw. Fehlt dieses Merkmal aber auch jenen Adjektiven der Gruppe a, die von Personenbezeichnungen abgeleitet sind? Diese Frage kann erst nach sorgfältiger Prüfung beantwortet werden. Darum werden in den folgenden Untersuchungen Bezugsadjektive, die von P e r s o n e n b e z e i c h n u n g e n abgeleitet sind, verglichen mit gewöhnlichen oder ambivalenten Adjektiven, die ebenfalls von P e r s o n e n b e z e i c h n u n g e n abgeleitet sind. Solche B e z u g s a d j e k t i v e

sind:

auf -lieh: anwaltlich, ärztlich, bauherrlich, bundesrätlich, försterlich, freiherrlich, friedensrichterlich, herzoglich, landesherrlich, oberherrlich, pächterlich, pfalzgräflich, regierungsrätlich, tierärztlich auf -isch: aufseherisch, erbpflegerisch, fechterisch, fürsorgerisch, gärtnerisch, gesetzgeberisch, planerisch, rennfahrerisch, schuldnerisch, seelsorgerisch, turnerisch, unternehmerisch, zeichnerisch Es ist einzuräumen, daß in s t i l i s t i s c h e r Absicht ausnahmsweise auch diese Adjektive als g e w ö h n l i c h e Adjektive verwendet werden können: 7

Schäubhn 1

98

Das

Bezugsadjektiv

mit bundesrätlicher Würde ( = mit der Würde eines Bundesrats) mit fechterischer Eleganz ( = mit der Eleganz eines Fechters) Stilistischen Wert hat solcher Gebrauch jedoch gerade deshalb, weil er ungewöhnlich ist25. Von Personenbezeichnungen abgeleitete g e w ö h n l i c h e und am b i v a l e n t e Adjektive sind: auf -lieh: bäuerlich, bürgerlich, fürstlich, göttlich, herrscherlich, junkerlich, kaiserlich, königlich, meisterlich, päpstlich, priesterlich, prinzlich, ritterlich auf -isch: betrügerisch, blutsaugerisch, diebisch, ehrenschänderisch, erpresserisch, gaunerisch, genießerisch, großsprecherisch, grüblerisch, kämpferisch, hetzerisch, heuchlerisch, kennerisch, krämerisch, leisetreterisch, lobrednerisch, lügnerisch, marktschreierisch, müßiggängerisch, prahlerisch, provinzlerisch, sektiererisch, schurkisch, schwärmerisch, schwelgerisch, träumerisch, verbrecherisch, verführerisch, verschwenderisch, würgerisch, zerstörerisch Bei den gewöhnlichen Adjektiven und bei den als gewöhnliche Adjektive verwendeten ambivalenten Adjektiven beobachten wir eine Parallelität zwischen prädikativem Adjektiv und prädikativem Substantiv: Er ist ein Schurke — Er ist schurkisch Er ist ein Bube — Er ist bübisch Er ist ein Dieb — Er ist diebisch Er ist ein Ritter — Er ist ritterlich Er ist ein Provinzler — Er ist provinzlerisch Aber auch das attributiv verwendete Adjektiv kann, zumindest in gewissen Satzkonstruktionen, in ein substantivisches Attribut umgewandelt werden: Dies ist ein schurkisches Benehmen —> Dies ken Dies ist ein diebisches Verhalten —» Dies Dies ist eine königliche Mitgift —* Dies Dies ist ein fürstliches Geschenk —> Dies Dies ist ein meisterliches Werk —* Dies

ist das Benehmen eines Schurist ist ist ist

das Verhalten eines Diebs die Mitgift eines Königs das Geschenk eines Fürsten das Werk eines Meisters

Das Bezugsadjektivmerkmal „umwandelbar in ein substantivisches Attribut" ist also insofern zu relativieren, als auch von Personenbezeichnungen abgeleitete gewöhnliche oder als gewöhnliche Adjektive verwendete ambivalente Adjektive unter Umständen in substantivische Attribute umgewandelt werden können. Dabei fällt auf, daß diese substantivischen Attribute dann den u n b e s t i m m t e n A r t i k e l verlangen, genau gleich wie das dem 25

Vgl. dazu die Ausführungen über die Metaphorisierung der Personenbezeidinungen, S. 148 f.

IV.

Vergleich

der Bezugsadjektive

mit anderen

Adjektivtypen

99

prädikativen Adjektiv parallele Substantiv den unbestimmten Artikel verlangt. Die Frage drängt sich auf, ob dieser unbestimmte Artikel das Merkmal einer bestimmten Klasse von Personenbezeichnungen sei. Ehe wir jedoch dieser Frage nachgehen, führen wir noch ein weiteres Kriterium ein, das die gewöhnlichen Adjektive und die als gewöhnliche Adjektive verwendeten ambivalenten Adjektive von den Bezugsadjektiven unterscheidet. In adverbialer Funktion können diese Adjektive durch die Gruppe „w i e e i n + S u b s t a n t i v " ersetzt werden. Also: Er Er Er Er Er Er

setzt sich herrscherlich ( - » wie ein Herrscher) in Szene ißt genießerisch (—» wie ein Genießer) rechnet krämerisch ( - » wie ein Krämer) benimmt sich prinzlich (—> wie ein Prinz) denkt spießbürgerlich (—> wie ein Spießbürger) sprach ihm väterlich (—> wie ein Vater) zu

Wir machen die Gegenprobe mit reinen Bezugsadjektiven: Er handelt ärztlich ( - » als Arzt) Er ist fürsorgerisch ( - » als Fürsorger) tätig Er wirkt seelsorgerisch (—* als Seelsorger) Er betätigt sich zeichnerisch ( - » als Zeichner) Er arbeitet buchhalterisch (—> als Buchhalter) Er ist gärtnerisch tätig (—» als Gärtner) Die reinen Bezugsadjektive lassen sich nicht durch die Konstruktion „wie ein -(- Substantiv" ersetzen. Möglich ist dagegen die Substitution durch „a 1 s + S u b s t a n t i v". Die Konstruktion „wie ein + Substantiv" drückt n i c h t I d e n t i t ä t aus; sie ist bloß vergleichend. Die Konstruktion „als + Substantiv" drückt dagegen I d e n t i t ä t aus. Die Unterscheidungsproben seien zusammengefaßt: 1. Bei den gewöhnlichen Adjektiven und den als gewöhnliche Adjektive verwendeten ambivalenten Adjektiven besteht eine Parallelität zwischen dem prädikativen Adjektiv und dem prädikativen Substantiv: Er ist leisetreterisch — Er ist ein Leisetreter 2. Als Attribute können diese Adjektive, zumindest bei gewissen Satzkonstruktionen, in substantivische Attribute umgewandelt werden, die den unbestimmten Artikel verlangen: Dies ist ein prahlerisches Benehmen — Dies ist das Benehmen eines Prahlers 3. In adverbialer Funktion lassen sich diese Adjektive durch die Konstruktion „wie ein + Substantiv" ersetzen: Er zog genießerisch an seiner Zigarre ( > wie ein Genießer) 7*

100

Das

Bezugsadjektiv

Auffallend ist die durchgehende Verwendung des u n b e s t i m m t e n k e l s beim Substantiv:

Arti-

Er ist ein Heuchler Dies ist das Benehmen eines Heuchlers Er benimmt sich wie ein Heuchler Nun vergleichen wir die Personenbezeichnungen, von denen gewöhnliche Adjektive abgeleitet sind, mit Personenbezeichnungen, von denen Bezugsadjektive abgeleitet sind, und zwar in der Funktion des Prädikatsnomens (Gleichsetzungsnominativs): a) Personenbezeichnungen, von denen Bezugsadjektive abgeleitet sind: Er ist Anwalt 26 Er ist Pächter Er ist Bundesrat Er ist Tierarzt Er ist Seelsorger Er ist Zeichner

b) Personenbezeichnungen, von denen gewöhnliche Adjektive abgeleitet sind: Er ist ein Angeber Er ist ein Verleumder Er ist ein Verschwender Er ist ein Schwindler Er ist ein Grübler Er ist ein Lügner

Die Personenbezeichnungen der Gruppe a sind a r t i k e l l o s . Die Personenbezeichnungen der Gruppeb verlangen den u n b e s t i m m t e n Artikel. Die Beweisführung wäre jedoch unvollständig, würden nicht auch jene Substantive untersucht, von denen a m b i v a l e n t e Adjektive abgeleitet sind. Diese Substantive können als Prädikatsnomen mit dem u n b e s t i m m t e n A r t i k e l stehen oder a r t i k e l l o s bleiben: Er Er Er Er Er Er

ist Herrscher / ist Meister / ist Priester / war Ritter / ist Bauer / ist Bürger /

Er Er Er Er Er Er

ist ein Herrscher (herrscherlich) ist ein Meister (meisterlich) ist ein Priester (priesterlich) war ein Ritter (ritterlich) ist ein Bauer (bäuerlich) ist ein Bürger (bürgerlich)

Es besteht offensichtlich eine K o r r e l a t i o n zwischen den Klassen „Bezugsadjektiv", „ambivalentes Adjektiv" und „gewöhnliches Adjektiv" einerseits und dem Wechsel „Artikellosigkeit/unbestimmter Artikel" bei den zugrundeliegenden Substantiven als Prädikatsnomen andererseits. Die Klassenzugehörigkeit der von Personenbezeichnungen abgeleiteten Adjektive auf -lieh und -isch scheint eine Funktion der Klassenzugehörigkeit der ihnen zugrundeliegenden Substantive zu sein27. In schematischer Darstellung: 26

Man vergleiche dazu den Exkurs „Zur Klassifizierung der Personenbezeidinungen" (Abschnitt V I I I ) .

27

Vgl. Exkurs „Zur Klassifizierung der Personenbezeidinungen", S. 143 ff.

IV.

Vergleich

der Bezugsadjektive

Substantiv: (Personenbezeichnung als Prädikatsnomen) a) mit unbestimmtem Artikel (Angeber, Kämpfer) b) mit unbestimmtem Artikel o d e r artikellos (König, Ritter) c) artikellos (Anwalt, Arzt)

mit anderen

Adjektivtypen

101

Adjektiv:

—* gewöhnliches Adjektiv (angeberisch, kämpferisch) -> ambivalentes Adjektiv (königlich, ritterlich) —» Bezugsadjektiv (anwaltlich, ärztlidi)

Diese Korrelation zwischen Substantivklassen und Adjektivklassen gilt freilich nicht ohne Ausnahmen. So ist „denkerisch" reines Bezugsadjektiv, obwohl das zugrundeliegende Substantiv als Prädikatsnomen den unbestimmten Artikel verlangt: Er ist ein Denker seine denkerischen Fähigkeiten ( = seine Fähigkeiten als Denker) „Rednerisch" ist ebenfalls Bezugsadjektiv, obwohl das zugrundeliegende Substantiv als Prädikatsnomen den unbestimmten Artikel zuläßt: Er ist ein Redner seine rednerische Gabe ( = seine Gabe als Redner) Dagegen wird die Korrelation bei „lobrednerisch" wieder sichtbar: unbestimmter Artikel beim Prädikatsnomen (Er ist ein Lobredner) — gewöhnliches Adjektiv (Er ist lobrednerisch). Auch das gewöhnliche Adjektiv „gebieterisch" durchbricht die Korrelation, denn das zugrundeliegende Adjektiv „Gebieter" verlangt als Prädikatsnomen nicht den unbestimmten Artikel. Die abweichenden Beispiele sind jedoch so wenig zahlreich, daß man sie als A u s n a h m e n betrachten darf. Für die Setzung des unbestimmten Artikels bei jenen Personenbezeichnungen, die den gewöhnlichen Adjektiven und den als gewöhnliche Adjektive verwendeten ambivalenten Adjektiven zugrundeliegen, gibt es eine einfädle Erklärung. Auszugehen ist dabei von der Parallelität der Konstruktionen: Er ist ein Prahler Er ist prahlerisch Er ist ein prahlerischer Mensch Daß die Personenbezeidinung „Prahler" durch die Gruppe „prahlerisdier Mensch" substituiert werden kann, zeigt, daß sie sich aus zwei Elementen zusammensetzt: aus den Elementen „ P e r s o n " und „ E i g e n s c h a f t " 2 8 . 29

Diese Zerlegung ist nicht identisch mit der Zerlegung nadi Morphemen. Morphematisch können Nomina agentis, von denen Bezugsadjektive abgeleitet werden, und Nomina agentis, von denen gewöhnliche Adjektive abgeleitet werden, völlig übereinstimmen:

102

Das

Bezugsadjektiv

Damit ist im Grunde auch schon die Setzung des unbestimmten Artikels erklärt, denn die Gruppe „ A d j e k t i v ( = Element „Eigenschaft") + P e r s o n e n b e z e i c h n u n g " verlangt als Prädikatsnomen von Haus aus den unbestimmten Artikel: Er ist ein guter Kerl Er ist ein hochmütiger Mensch Die Personenbezeichnungen, von denen gewöhnliche Adjektive abgeleitet werden, enthalten das Element „Eigenschaft" s e l b s t . Darum sind sie den Gruppen „Adjektiv + Personenbezeichnung" gleichzustellen und verlangen genau wie diese den unbestimmten Artikel. Man vergleiche: Er ist ein guter Kerl Er ist ein Prahler Er ist ein prahlerischer Mensch Gewöhnliche Adjektive und als gewöhnliche Adjektive gebrauchte ambivalente Adjektive können ihrerseits wieder Personenbezeichnungen attributiv bestimmen. Dagegen können Bezugsadjektive nicht Personenbezeichnungen attributiv bestimmen, weil die ihnen zugrundeliegenden Personenbezeichnungen nicht ein Element „Eigenschaft" enthalten: Personenbezeichnungen: gewöhnl. Adj.: ein diebischer Mensch ein schurkischer Mensch Bezugsadjektiv.: ein ärztlicher ein gärtnerischer Unbestimmter Artikel und Artikellosigkeit des Prädikatsnomens (Gleichsetzungsnominativs) sind syntaktische Merkmale verschiedener Klassen von Personenbezeichnungen. Die Zerlegbarkeit in die Elemente „Eigenschaft" und „Person" ist ein inhaltliches Merkmal jener Personenbezeichnungen, von denen gewöhnliche Adjektive abgeleitet werden. Das „Müßiggängersein", das „Schurkesein" oder das „Leisetretersein" sind echte Eigenschaften von Personen. Dagegen enthalten die Substantive, die im Prädikat artikellos bleiben, kein Element „Eigenschaft". Sie bezeichnen vielmehr eine Funktion, einen sozialen Status, sei es einen zugeschriebenen (König) oder einen erworbenen (Anwalt, Arzt). Der König, der Seelsorger, der Anwalt, der Buchhalter: sie sind nicht Träger von Eigenschaften, sondern Träger sozialer Rollen mit normativ geregeltem Handlungsmuster. Das „Fahrersein", das „Arztsein", das „Richtersein", das „Regierungsratsein" sind nicht Eigenschaften, sondern Funktionen. Eine bessere als diese soziologische Bestimmung wissen wir nicht. Für unsere Zwecke ist freilich nicht der inhaltliche Unterschied zwischen den Klassen von Personenbezeichnungen wesentlich, sondern der syntaktische Fahr — er > fahrerisch: Bezugsadjektiv Prahl — er > prahlerisch: gewöhnliches Adjektiv.

IV. Vergleich der Bezugsadjektive

mit anderen

103

Adjektivtypen

Unterschied, der den Nachweis einer Korrelation zwischen Substantivklassen und Adjektivklassen ermöglicht. Die folgende Übersicht stellt die Derivationsverhältnisse merkmale zusammen:

und die Klassen-

Personenbezeichnungen Klasse „ A r z t "

Klasse „Meister"

„Fahrer"

„Ritter"

artikellos als Prädikats-

artikellos

mit unbestimmtem

als Prädikatsnomen

nomen

Artikel

Klasse „Schurke" „Dieb" mit unbestimmtem Artikel als Prädikatsnomen

inhaltlich:

nicht zerleg-

zerlegbar

nicht zerlegbar

bar in die

zerlegbar in die Elemente „Eigenschaft" und „Person"

Elemente „Eigenschaft" und „Person"

Von Personenbezeichnungen

abgeleitete

Adjektive gewöhnliche

ambivalente Adjektive

Bezugsadjektive

Adjekt.

auf attributiven

auf attri-

auch prädika-

auch prädika-

Gebrauch be-

butiven

tiv verwend-

tiv verwend-

Gebrauch

bar

bar

graduierbar

graduierbar

in adverbieller Funktion durch

in adverbieller

in adverbieller

Funktion

Funktion

die Gruppe „als + Substant i v " ersetzbar

durch die

durch die

Gruppe „wie ein + Sub-

Gruppe „wie ein + Sub-

schränkt

beschränkt nicht graduierbar

nicht graduierbar

stantiv" er-

stantiv" er-

setzbar

setzbar

H i e r ist auch der Ort, die Wirkung des N e g a t i o n s a d v e r b s und des P r ä f i x e s

„u n - "

„nicht"

auf die Bezugsadjektive genauer zu studieren.

104

Das

Bezugsadjektiv

3. Die Kombination von Bezugsadjektiven

mit „un-" und „nicht":

„unEs lassen sich nur wenige reine Bezugsadjektive mit dem Präfix „un-" kombinieren. Beispiele: stofflich politisch fliegerisch nachbarlich

/ / / /

unstofflich unpolitisch unfliegerisch unnachbarlich

Dagegen lassen sich zahlreiche ambivalente Adjektive mit dem Präfix „un-" kombinieren: wissenschaftlich menschlich göttlich militärisch demokratisch

/ / / / /

unwissenschaftlich unmenschlich ungöttlich unmilitärisch undemokratisch

Verbindet sich das ambivalente Adjektiv mit „un-", so verliert es seine Ambivalenz: Es wird zum g e w ö h n l i c h e n A d j e k t i v . Beispiele: Bezugsadjektiv: gewöhnl. Adj.:

die wissenschaftliche Forschung ein wissenschaftliches Vorgehen ein unwissenschaftliches Vorgehen

Bezugsadjektiv: gewöhnl. Adj.:

wirtschaftliche Probleme ein wirtschaftliches Produktionsverfahren

ein unwirtschaftliches Produktionsverfahren

Bezugsadjektiv: gewöhnl. Adj.:

die göttlichen Gebote eine göttliche Freude

eine ungöttliche Freude

Bezugsadjektiv: gewöhnl. Adj.:

die militärische Ausrüstung ein militärischer Ton

ein unmilitärischer Ton

Bezugsadjektiv: gewöhnl. Adj.:

die demokratische Staatsform ein demokratischer Geist 29

ein undemokratischer Geist

Als gewöhnliches Adjektiv kann das mit „un-" präfigierte Adjektiv auch im Prädikat stehen. Das gilt für die ambivalenten wie für die reinen Bezugsadjektive: Sein Verhalten war ganz unfliegerisch Seine Haltung ist durchaus unpolitisch Diese Kräfte sind unstofflich 29

Man beadite, daß die Ersetzung des bestimmten durdi den unbestimmten Artikel die Funktion des Adjektivs verändert; vgl. das entsprechende Beispiel auf S. 93.

IV. Vergleich der Bezugsadjektive Das Präfix

„u n - "

verwandelt

und a m b i v a l e n t e

Adjektive

mit anderen also

reine

Adjektivtypen

105

Bezugsadjektive

in g e w ö h n l i c h e

Adjektive.

nicht-: Viele reine Bezugsadjektive, die „un-" ausschließen, lassen sich dagegen mit dem Negationsadverb „nicht" kombinieren: nicht:

un-:

nicht-betrieblich nicht-gewerblich nicht-vertraglich nicht-beruflich nicht-sprachlich Doppelte Kombinationsmöglichkeit besteht etwa bei: nicht-stofflich unstofflich nicht-kirchlich unkirchlich nicht-politisch unpolitisch nicht-fliegerisch unfliegerisch Doppelte Kombinationsmöglichkeit besteht auch bei zahlreichen ambivalenten Adjektiven nicht-englisch nicht-christlich nicht-psychologisch

unenglisch unchristlich unpsychologisch

nicht-sozialistisch

unsozialistisch

nicht-literarisch

unliterarisch

Die Ambivalenz der ambivalenten Adjektive besteht bekanntlich nur bei attributivem Gebrauch. Prädikativ sind die ambivalenten Adjektive per definitionem gewöhnliche Adjektive. Deshalb ist die Wirkung des Negationsadverbs „nicht" bei attributivem u n d bei prädikativem Gebrauch zu untersuchen: attributiv:

prädikativ:

die nicht-menschlichen Lebewesen Ein solches Verhalten ist nicht menschlich die nicht-militärischen

Verteidi-

gungsmaßnahmen Sein T o n ist nicht militärisch seine nicht-dichterischen Werke Sein Stil ist nicht dichterisch die nicht-sozialistischen tionen

FrakSeine Haltung ist nicht sozialistisch

die nicht-christlichen Religionen dieses Menschenbild ist nicht christlich

106

Das Bezugsadjektiv

Es zeigt sich, daß „nicht" beim attributiven Adjektiv eine andere Funktion hat als beim prädikativen Adjektiv. „Nicht" macht das ambivalente Adjektiv in a t t r i b u t i v e r Stellung zum B e z u g s a d j e k t i v . In p r ä d i k a t i v e r Stellung dagegen bleibt das ambivalente Adjektiv auch in Verbindung mit „nicht" g e w ö h n l i c h e s Adjektiv. Vergleichen wir nun die Wirkungen von „un-" und „nicht": mit „un-": 1. Das reine Bezugsadjektiv

wird zum gewöhnlichen

Adjektiv

ambivalente

Adj.

wird zum gewöhnlichen

Adjektiv

mit „nicht": 1. Das reine Bezugsadjektiv 2. Das attributive ambivalente

Adj.

bleibt wird zum

2. Das attributive

Bezugsadjektiv Bezugsadjektiv

Das gleiche Adjektiv kann im selben Satz attributiv mit „nicht", prädikativ mit „un-" kombiniert werden: Nicht-dichterische Werke sind immer undichterisch Nicht-christliche Menschen brauchen nicht unchristlich zu sein Wie läßt sich die unterschiedliche syntaktische Wirkung von „un-" und „nicht" erklären? Das Bezugsadjektiv ohne Negationsadverb „nicht" grenzt den Geltungsbereich des Begriffs ein, den das Substantiv nennt. Beispiele: die menschlichen Lebewesen: Lebewesen menschliche (tierische pflanzliche) die europäischen Staaten: europäische

Staaten (amerikanische afrikanische

asiatische)

Das Negationsadverb „nicht" beim Bezugsadjektiv bewirkt, d a ß der Geltungsbereich des Begriffs ex negatione eingegrenzt wird. Beispiele: die nicht-menschlichen Lebewesen: Lebewesen (menschliche) tierische pflanzliche die nicht-europäischen Staaten: Staaten (europäische) amerikanische afrikanische asiatische Mit oder ohne Negationsadverb wird also der Geltungsbereich des Begriffs eingegrenzt. In Verbindung mit dem Negationsadverb grenzt das Bezugsadjektiv das Genannte aus, das Nichtgenannte ein. Ohne Negationsadverb grenzt das Bezugsadjektiv das Genannte ein, das Nichtgenannte aus.

IV. Vergleich der Bezugsadjektive

mit anderen

Adjektivtypen

107

Um die Wirkung des Präfixes „un-" auf das Adjektiv zu bestimmen, untersuchen wir Bezugsadjektive und ambivalente Adjektive, die von Personenbezeichnungen abgeleitet sind. Als Adverbien verwendet, lassen sich diese Adjektive in Gruppen mit den zugrundeliegenden Substantiven umwandeln: Er denkt undemokratisch > Er denkt nicht wie ein Demokrat Er handelt unchristlich > Er handelt nicht wie ein Christ Er benimmt sich unsoldatisch > Er führt sich unfliegerisch auf > Er überlegt unschweizerisch >

Er benimmt sich nicht wie ein Soldat Er führt sich nicht wie ein Flieger auf Er überlegt nicht wie ein Schweizer

Das posititive „fliegerisch" ist reines Bezugsadjektiv und gestattet keine Umwandlung zu „wie ein Flieger": Er bildet sich fliegerisch aus > Er bildet sich zum (als) Flieger aus Die Adjektive mit „un-" implizieren einen Vergleich und wirken deshalb charakterisierend. Sie sind also jenen gewöhnlichen Adjektiven gleichzustellen, die von Personenbezeichnungen abgeleitet sind: Er freut sich königlich ( > wie ein König) Er handelt erpresserisch ( > wie ein Erpresser) Diese Mode ist uneuropäisch ( > nicht wie in Europa) Er handelt unmenschlich ( > nicht wie ein Mensch)

4. Vergleich der Bezugsadjektive mit den Adjektiven des Typs b („vielbändig"): Die Adjektive des Typs b stimmen in drei der vier Grundmerkmale mit den Bezugsadjektiven überein: — Sie sind denominativ — Sie sind umwandelbar in substantivische Attribute — Sie sind nicht graduierbar (Die Gruppe „ein schwarzköpfigeres Mädchen" ist ungrammatisch) Sie unterscheiden sich dadurch von den Bezugsadjektiven, daß sie auch prädikativ verwendbar sind (Der Satz „Das Mädchen ist schwarzköpfig" ist grammatisch). Es fragt sich nun, ob dies das einzige unterscheidende Merkmal ist oder ob noch weitere hinzukommen. Wir untersuchen zuerst die möglichen Beziehungen der attributiven Adjektive zum Substantiv. Wir bestimmen diese Beziehungen, indem wir die Adjektive in s u b s t a n t i v i s c h e Attribute u m w a n d e l n . Dies gestattet, die Beziehungen zu differenzieren. Es zeigt sich, daß Bezugsadjektive auf -lieh und auf -isch im allgemeinen m e h r f a c h in substantivische Attribute umgewandelt werden können.

108

Das

Bezugsadjektiv

Beispiele: 1 a) E r nahm seine staatsbürgerlichen Pflichten ernst ( = seine Pflichten a l s Staatsbürger) b) Die staatsbürgerliche Erziehung der Schüler war ihm wichtig ( = die Erziehung der Schüler z u Staatsbürgern) 2 a) Seine buchhalterische Tätigkeit beansprucht ihn voll ( = seine Tätigkeit a 1 s Buchhalter) b) E r ist gegen buchhalterische Neuerungen ( = gegen Neuerungen i n der Buchhaltung) 3 a) Seine landwirtschaftlichen Kenntnisse sind nützlich ( = seine Kenntnisse i n Landwirtschaft) b) Die landwirtschaftlichen Probleme sind vordringlich ( = die Probleme d e r Landwirtschaft) 4 a) Die gesetzlichen Vorschriften wurden nicht beachtet ( = die Vorschriften d e s Gesetzes) b) Die gesetzliche Verankerung dieser Rechte wäre notwendig ( = die Verankerung i n einem Gesetz, d u r c h ein Gesetz) Adjektive des Typs „vielbändig" erlauben dagegen nur e i n e

Umwandlung.

Beispiele: 1. E r hat ein pockennarbiges Gesicht ( = ein Gesicht mit Pockennarben) 2.

E r verlangt ein ganzrandiges B l a t t ( = ein B l a t t mit ganzem R a n d )

3. Dies ist eine vierteilige Zahl 4.

( = eine Zahl mit vielen Stellen) Die mehrstufige Rakete explodierte ( = die Rakete mit mehreren Stufen)

Während die Beziehung zwischen Adjektiven des Typs „vielbändig" und ihrem Substantiv eindeutig, d. h. von vornherein fixiert ist, verfügen die Bezugsadjektive über ein gewisses B e z i e h u n g s p o t e n t i a l 3 0 . Die U m wandlung von Adjektiven des Typs „vielbändig" in substantivische Attribute zeitigt immer das gleiche Ergebnis. Bei den Bezugsadjektiven treten die verschiedenen Beziehungsmöglichkeiten gerade durch die Umwandlung in substantivische Attribute zutage. D a m i t kennen wir ein weiteres unterscheidendes Merkmal: Bezugsadjektive: m e h r e r e

mögliche Beziehungen

Adjektive des Typs „vielbändig": nur e i n e Beziehung Dieses Merkmal der Beziehungspolyvalenz fehlt den Bezugsadjektiven auf -weise: der kistenweise Verkauf von Orangen > der Verkauf von Orangen per Kisten die strafweise Versetzung des Beamten > die Versetzung des Beamten zur Strafe. 30

IV.

Vergleich

der Bezugsadjektive

mit anderen

Adjektivtypen

109

Damit hat es aber noch nicht sein Bewenden. Mötsch weist in seiner Arbeit über die „Syntax des deutschen Adjektivs" darauf hin, daß es eine Reihe von abgeleiteten Adjektiven gibt, die nur Subordinationen mit anderen Adjektiven eingehen". Seine Beispiele: ein ernstes schulisches Problem ein neugegründetes linguistisches Institut die revidierte politische Ökonomie In allen diesen Fällen sei weder die Konjunktion „und" zugelassen noch eine Umstellung der beiden attributiven Adjektive. Also n i c h t : ein ernstes u n d schulisches Problem ein s c h u l i s c h e s e r n s t e s Problem Die Regel von Mötsch muß insofern eingeschränkt werden, als diese Adjektive sehr wohl mit Adjektiven g l e i c h e r Art koordiniert werden können. Man vergleiche: a) ein e r n s t e s / s c h u l i s c h e s Problem gewöhnl. Adj. + Bezugsadjektiv Subordination b) soziale, wirtschaftliche und politische Probleme Bezugsadj. + Bezugsadj. + Bezugsadjektiv Koordination Mit dieser Einschränkung gilt die Regel für die reinen Bezugsadjektive und für die als Bezugsadjektive verwendeten ambivalenten Adjektive. Sie gilt jedoch nidit für die Adjektive des Typs „vielbändig". Beispiele (Das Komma ist Zeidien der Koordination; das Fehlen des Kommas ist Zeichen der Subordination) : gewöhnliches Adj. + Bezugsadjektiv: die neue pfalzgräfliche Residenz eine sorgfältige staatsbürgerliche Erziehung die einschneidenden behördlichen Maßnahmen die engen vertraglichen Bindungen seine große zeichnerische Begabung 31

Adjektiv des Typs „vielbändig" + gewöhnliches Adjektiv: ein vielbändiges, reichillustriertes Werk eine mehrstufige, mächtige Rakete ein schwarzköpfiger, hochaufgeschossener Junge ein vielflächiges, bizarres Gebilde eine spitzbogige, elegante Brücke

S. 131—132. Zur Koordination und Subordination auch Duden-Grammatik, § 1035, S. 499.

attributiver Adjektive

vgl.

110

Das

Bezugsadjektiv

Wie die Möglichkeit prädikativer Verwendung weist auch die Möglichkeit der Koordination mit gewöhnlichen Adjektiven die Adjektive des Typs „vielbändig" selbst als g e w ö h n l i c h e A d j e k t i v e aus. So auch die Tatsache, daß sie nicht unmittelbar beim Substantiv stehen müssen. Zwischen der Subordination mit gewöhnlichen Adjektiven und der Beschränkung auf attributiven Gebrauch besteht ein Zusammenhang, der in folgende Regel gekleidet werden kann: A t t r i b u t i v e A d j e k t i v e , d i e n u r S u b o r d i n a t i o n e n mit gewöhnlichen A d j e k t i v e n eingeh e n , s i n d n i c h t p r ä d i k a t i v v e r w e n d b a r . Dies gilt, wie man weiß, für die Bezugsadjektive. Es gilt aber auch für gewöhnliche Adjektive, wenn sie inhaltlich mit dem Substantiv eine kompositumähnliche Einheit bilden: ein guter roter Wein (Dieser rote Wein ist gut) (Aber nicht: Dieser gute Wein ist rot) saftige saure Gurken (Diese sauren Gurken sind saftig) (Nicht: Diese saftigen Gurken sind sauer) In der Gruppe „weißer und roter Wein" sind nicht die Adjektive koordiniert, sondern die Substantive: „weißer (Wein) und roter Wein". Dagegen liegt bei der Gruppe „eine gute und nahrhafte Suppe" Adjektivkoordination vor, denn es ist ein und dieselbe Suppe, die gut und nahrhaft ist. Beschränkung auf attributiven Gebrauch und Subordination mit gewöhnlichen Adjektiven sind Merkmale des Bezugsadjektivs. Zugleich gilt generell die Regel: Gehen Adjektive nur Subordinationen mit gewöhnlichen Adjektiven ein, so können sie nicht prädikativ verwendet werden. Die Bezugsadjektive unterscheiden sich dadurch von den Adjektiven „rot" und „sauer" in den Gruppen „roter Wein" und „sauere Gurken", daß sie nicht nur in bestimmten Gruppen, sondern dauernd auf attributiven Gebrauch beschränkt bleiben und nie mit gewöhnlichen Adjektiven koordiniert werden können. Wir kennen nun drei Punkte, in denen sich die Bezugsadjektive von den Adjektiven des Typs „vielbändig" unterscheiden: Bezugsadjektive: 1. sind nicht prädikativ verwendbar

Adjektive des Typs „vielbändig": 1. sind prädikativ verwendbar

2. gehen nur Subordinationen mit gewöhnlichen Adjektiven ein

2. lassen sich mit gewöhnlichen Adjektiven koordinieren

3. ihre Beziehung zum Substantiv ist variabel

3. ihre Beziehung zum Substantiv ist eindeutig und fest

V. Nachtrag:

Bezugsadjektive

auf -mäßig und auf -weise

111

Daß zwischen dem ersten und dem zweiten Punkt ein Zusammenhang besteht, ist oben gezeigt worden. Ein Zusammenhang besteht aber auch zwischen dem ersten und dem dritten Punkt, setzt doch prädikativer Gebrauch eine eindeutige, feste Beziehung zum Subjekt voraus. Welcher Art die Beziehung des prädikativen Adjektivs zum Subjekt ist, soll in Abschnitt V I dieses Kapitels (,Das Verhältnis des Bezugsadjektivs zum substantivischen Attribut') gezeigt werden.

V. Nachtrag: Bezugsadjektive 1. Bezugsadjektive

auf -mäßig und auf -weise

auf-mäßig:

Wir können uns auf den grundlegenden Aufsatz von W. Seibicke in der Zeitschrift „Muttersprache"32 stützen. Seibickes Sammlung von -mäßig-Bildungen ist umfangreicher als jene des „Rückläufigen Wörterbuchs"33. Zudem werden die Belege mit Kontext angeführt, was für ihre syntaktische Beurteilung unentbehrlich ist. Seibicke weist nach, daß das Element -mäßig S u f f i x c h a r a k t e r hat und in der Regel an S u b s t a n t i v e tritt. Nicht denominativ sind: „Liefermäßig" („Liefermäßig liegen wir bei diesen Typen sehr günstig"), „schüttelmäßig" („Die Verbindung der beiden Schalter ist schüttelmäßig einwandfrei"), „werbemäßig" („einen Text werbemäßig vertreiben"), „sehensmäßig" („Sehensmäßig war es schön"). Hinsichtlich ihrer Funktion sind aber auch diese Bildungen denominativ: „liefermäßig" = was das Liefern betrifft, „schüttelmäßig" = was das Schütteln betrifft, „werbemäßig" = zu Zwecken der Werbung, „sehensmäßig" = was das Sehen betrifft. Seibicke schließt aus seinen Belegen, daß die -mäßig-Adjektive sowohl in a t t r i b u t i v e r als auch in a d v e r b i e l l e r Stellung stehen, zuweilen auch als P r ä d i k a t s n o m e n . Er teilt die Belege zunächst nach semantischen Gesichtspunkten in vier Gruppen ein: a) „mäßig" gibt die Art und Weise an, in der etwas geschieht oder ist: „nach Art, -artig, von (in) der Art wie, in Form, als". Nur in dieser Gruppe sollen Personenbezeichnungen im ersten Wortglied vorkommen („liebhabermäßig"). Beispiele: die berufsmäßige Beschäftigung mit Literatur die Stoffe sind wieder friedensmäßig mit schulmäßiger Korrektheit 32

Jg. 73, 1963, S. 33—47 Sprachbetradi tung").

und 73—78

(„Wörter

auf -mäßig. Sprachkritik

33

Seibicke führt rund 200 denominative -mäßig-Bildungen an, das Wörterbuch" 147.

und

„Rückläufige

112

Das

Bezugsadjektiv

b) „-mäßig" bezeichnet eine Entsprechung, Obereinstimmung: -gemäß, -gerecht, wie . . . verlangt, laut, nach."

„entsprechend,

D e r Unterschied zur Gruppe a besteht darin, daß die Substantive in der Gruppe b einen Maßstab (ein Richtmaß, eine N o r m , Regel, Vorschrift) angeben. Bezeichnenderweise kann man zu den meisten Adjektiven dieser Gruppe Gegensatzwörter auf „-widrig" bilden, mit denen der Verstoß gegen das Richtmaß ausgedrückt wird. Beispiele : die budgetmäßige Verwendung von Geldern mit pflichtmäßiger Verschwiegenheit der rechtmäßige Besitzer c) In der Gruppe c rückt die Vorstellung des Mittels, der Bedingung, V o r aussetzung oder Ursache für ein Geschehen in den Vordergrund: „durch, mittels, mit H i l f e v o n " , auch „von-her, aus". Beispiele: das erfahrungsmäßige Erfassen Gottes die erlebnismäßige Bildung die zwangsmäßige Einführung von Uberstunden d) M i t H i l f e von „mäßig" wird ein Bezug oder der besondere Gesichtspunkt angegeben: „hinsichtlich, in bezug auf, was . . . betrifft, s o w e i t . . . in Frage kommt, nach". Durch diese Adjektive wird die Gültigkeit einer Aussage eingeschränkt; sie nennen den besonderen Geltungsbereich 34 . Beispiele: sprachliche Wendungen, die bedeutungs- und anwendungsmäßig festliegen

genau

bildungsmäßige Möglichkeiten die entwicklungsmäßige Zugehörigkeit geltungsmäßige Unterschiede Wir fragen uns, ob dieser s e m a n t i s c h e n Kategorisierung nicht eine m o r p h o l o g i s c h - s y n t a k t i s c h e hätte vorausgehen sollen, eine K a t e gorisierung, die sich unter anderem der Kriterien der prädikativen Verwendung und der Umwandlung in substantivische Attribute bedient hätte. Wenn Seibicke aus seinem Belegmaterial schließt, daß die -mäßig-Adjektive zuweilen auch als Prädikatsnomen stehen, so ist diese Aussage, auf sein Belegmaterial bezogen, z w a r nicht falsch, aber irreführend insofern, als sie glauben läßt, alle -mäßig-Adjektive könnten unter Umständen auch prädikativ stehen. 34

In „Le rôle de la préposition et de la locution prépositive dans les rapports abstraits en français moderne" (Romanica Helvetica 58) nennt A. Jäggi Ergänzungen, die den besonderen Geltungsbereich angeben, Sekundärergänzungen. Sekundärergänzungen werden im Frz. durch Präpositionen und präpositionale Wendungen wie „en ce qui concerne, quant à, à propos de" eingeleitet.

V. Nachtrag:

Bezugsadjektive

113

auf -mäßig und auf -weise

Man muß freilich zugeben, daß es nicht immer leicht ist, zu entscheiden, ob ein -mäßig-Adjektiv prädikativ verwendbar ist oder nicht. Es steht fest, daß die Adjektive der Gruppe d (Adjektive, die einen Bezug oder den besonderen Gesichtspunkt angeben) auf attributiven und adverbiellen Gebrauch beschränkt bleiben. Sätze wie „Die Überlegungen sind kostenmäßig", „Seine Einstellung ist willensmäßig" sind ungrammatisch. Auch die Adjektive der Gruppe c (Vorstellung des Mittels, der Bedingung, Voraussetzung oder Ursache für ein Geschehen) sind, soweit wir sehen, nicht prädikativ verwendbar. Sätze wie „Die Bildung ist erlebnismäßig", „Sein Erfassen Gottes ist erfahrungsmäßig", „Die Einführung von Überstunden ist zwangsmäßig" sind ebenfalls ungrammatisch. Dagegen scheinen die Adjektive der Gruppe b, die eine Entsprechung oder Übereinstimmung bezeichnen, prädikativ verwendbar zu sein, zumal jene, zu denen sich Antonyme auf -widrig bilden lassen. Beispiele: Die Verwendung der Gelder war budgetmäßig Die Ankunft des Zuges war fahrplanmäßig Die Ordnung war verfassungsmäßig Audi die -mäßig-Bildungen kativ verwendbar zu sein:

der Gruppe a scheinen im allgemeinen

prädi-

I h r Denken ist herdenmäßig Ihre Ausrüstung ist feldmarschmäßig Seine Kleidung war frühlingsmäßig Es kommt vor, daß ein und dasselbe Adjektiv das eine M a l nur attributiv, das andere M a l auch prädikativ verwendbar ist: fachmäßiger Sprachgebrauch

— Dieser Sprachgebrauch ist fachmäßig

die fachmäßige Gliederung der Fakultät



Dieses variable syntaktische Verhalten ist uns von der Klasse der l e n t e n Adjektive her bekannt.

ambiva-

Seibidke stellt sich die Frage, ob für die Adjektive der Gruppe d nur zufällig kaum Belege aus dem deutschen Wörterbuch von Grimm beizubringen seien oder ob diese Adjektive tatsächlich erst in jüngster Zeit entstanden seien. Diese Frage stellt sich unseres Erachtens auch bei den Adjektiven der Gruppe c. Nach ihrem morpho-syntaktischen Verhalten (sie sind nicht prädikativ verwendbar und nicht graduierbar; sie sind umwandelbar in substantivische Attribute) gehören die Adjektive der Gruppen c und d zu den B e z u g s adjektiven. Gewisse Aussagen, die Seibicke über die -mäßig-Adjektive im

allgemeinen

macht, scheinen uns nur für die Adjektive der Gruppen c und d Gültigkeit zu

S Sdiäublin 1

114

Das Bezugsadjektiv

haben.

So

die Aussage:

„Der

ausgesprochen

funktionale

(oder

funktions-

mäßige!) Charakter von -mäßig, d. h. seine Bedeutung für den Satzbau, geht aus den Belegen deutlich hervor" 3 5 . So auch die Aussage: „Darüber hinaus bietet -mäßig den Vorteil, daß aus mehreren Wörtern bestehende Fügungen — vor allem solche mit Präpositionen —

in ein W o r t zusammengezogen werden können, wodurch —

zumindest

theoretisch — eine größere Beweglichkeit im gedanklichen und syntaktischen Umgang mit den Begriffen erreicht wird" 3 6 . Zu präzisieren endlich ist die folgende Aussage: „Aus verschiedenen Beispielen der Belegsammlung w a r zu ersehen, daß -mäßig-Bildungen sowohl in attributiver als auch in adverbieller Stellung anderen Adjektiven gleichgeordnet werden" 3 7 . Beispiele 3 8 : „, das, was technisch, ökonomisch, sozial, machtmäßig durch den technischen Fortschritt erreicht worden ist" „die Möglichkeit individueller, zeitlicher, geographischer, gattungs- und entwicklungsmäßiger Unterschiede" „die zeitliche, räumliche und „technisch"-entwicklungsmäßige keit der (Musik-)Stücke"

Zugehörig-

Die den -mäßig-Bildungen gleichgeordneten Adjektive „technisch", „ökonomisch," „sozial" „individuell", „zeitlich", „geographisch", „räumlich" sind ihrerseits B e z u g s a d j e k t i v e . Wenn -mäßig-Bildungen zur Klasse der Bezugsadjektive gehören, so können sie bekanntlich nur Bezugsadjektiven gleichgeordnet sein. M i t gewöhnlichen Adjektiven gehen sie nur Subordinationen ein 3 9 : die große machtmäßige Überlegenheit (nicht: die große u n d machtmäßige Überlegenheit) die deutlichen entwicklungsmäßigen Unterschiede (nicht: die deutlichen u n d entwicklungsmäßigen Unterschiede) Dagegen können -mäßig-Bildungen, die den Status von gewöhnlichen Adjektiven haben, gewöhnlichen Adjektiven gleichgeordnet sein: seine leichte, frühlingsmäßige Bekleidung (seine leichte u n d frühlingsmäßige Bekleidung) die sorgfältige, vorschriftsmäßige Verpackung (die sorgfältige u n d vorschriftsmäßige Verpackung) 35

S. 41.

36

S. 74.

37

S. 74. S. 41.

38 39

Vgl. oben S. 109.

V. Nachtrag:

Bezugsadjektive

auf -mäßig und auf -weise

115

Zusammenfassung: 1. Seibickes Vierteilung der -mäßig-Adjektive nach semantischen Gesichtspunkten scheint sich einigermaßen zu decken mit einer Zweiteilung nach morphologisch-syntaktischen Gesichtspunkten: semantische Kategorien nach Seibicke: a) „nach Art, -artig, von (in) der Art, wie, in Form, als" b) „entsprechend, -gemäß, -gerecht, wie . . . verlangt, laut, nach"

morphologisch-syntaktische Kategorien: gewöhnliche Adjektive: prädikativ verwendbar graduierbar koordinierbar mit gewöhnlichen Adjektiven

c) „durch, mittels, mit Hilfe von, von-her, aus" d) „hinsichtlich, in bezug auf, was . . . betrifft, soweit... in Frage kommt, nach"

Bezugsadjektive: nicht prädikativ verwendbar nicht graduierbar nicht koordinierbar mit gewöhnlichen Adjektiven umwandelbar in substant. Attribute

Auch Ambivalenz kommt vor (vgl. „fachmäßig"). 2. Man darf mit Seibicke vermuten, daß das Suffix -mäßig in jüngster Zeit vorwiegend zur Bildung von Adjektiven des Typs d (und des Typs c), also zur Bildung von Bezugsadjektiven verwendet wird. Diese -mäßig-Bildungen sind ein gewichtiger Beleg für die Virulenz des Bezugsadjektivs in der Gegenwartssprache. 3. Die eigentliche syntaktische Ansatzstelle für die Bildung von Bezugsadjektiven auf -mäßig ist wohl die Stelle des Adverbs: „der Wunsch vieler Familien, sich wohnraummäßig dehnen"

ein wenig auszu-

Darin sind die -mäßig-Bildungen mit den noch zu behandelnden Bezugsadjektiven auf -weise verwandt, mit dem Unterschied allerdings, daß sie attributiv vielseitiger verwendbar sind als die -weise-Adjektive, die nur Verbalsubstantive bestimmen können. 4. Das Aufkommen der Bezugsadjektive spiegelt eine Tendenz, die Seibicke wie folgt umschreibt: „Meines Erachtens prägt sich im heutigen Ausbau des Typs -mäßig ein allgemeiner Entwicklungszug unserer Gegenwartssprache und vielleicht des gesamten Neuhochdeutschen aus: ein Zug zur größtmöglichen syntaktischen Ausnützung des Wortschatzes, d. h. zur Schaffung einfacher bequemer Funktionsmittel, die es erlauben, jedem Wort oder Begriff ein Höchstmaß an syntaktischer Verfügbarkeit zu verleihen"40. 40

a. a. O., S.75.

116

Das

Bezugsadjektiv

2. Die Bezugsadjektive auf -weise: Wir folgen der historischen Darstellung, die R. Hotzenköcherle in seiner Vorlesung „Geschichte des deutschen Adjektivs" von diesem Adjektivtyp gibt. Die ursprünglich rein adverbielle modale Genitivgruppe (glücklicher Weise = auf glückliche Weise; vernünftiger Weise = auf vernünftige Weise) wächst durch häufigen Gebrauch zur Einheit zusammen. Die Einheit wird orthographisch durch Zusammenschreibung und Kleinschreibung sanktioniert. Die so entstandenen Adverbien sind vergleichbar den Adverbien auf -mente im Italienischen, auf -ment im Französischen, „-mente" ist eigentlich der Ablativ von lat. -mens, dessen Bedeutung sich von „Geistesart" zu „Art und Weise" verschliffen hat. Der Anwendungsbereich von -weise bleibt zunächst jedoch enger als jener von -ment und ital. -mente. Eine Erweiterung erfährt er erst dadurch, daß im ersten Glied neben Adjektiven auch Substantive möglich werden: „auszugsweise". Dies setzt voraus, daß das ursprüngliche Verhältnis zwischen den beiden Gliedern nicht mehr transparent ist. Aber auch die Bildungen mit einem Substantiv im ersten Glied bleiben zunächst rein adverbiell: „stufenweise vorrücken". Ihre Verwendung als adjektivische Attribute ist sehr jung. Noch 1890 brandmarkt Wustmann in den „Sprachdummheiten" den Ausdruck „der glasweise Ausschank". In einer späteren Auflage wird nurmehr vermerkt, diese Bildungsweise habe sich eingebürgert. D a ß das Adverb die eigentliche Ansatzstelle für die Bildungen auf -weise ist, erkennt man heute noch daran, daß die -weise-Adjektive attributiv nur Substantive mit deutlich verbalem Charakter bestimmen können: Er verkauft die Orangen kistenweise

>

E r bezahlt das Fernsehgerät ratenweise >

der kistenweise Verkauf der Orangen die ratenweise Bezahlung des Fernsehgeräts

Gruppen wie „der glasweise Preis", „ein probeweiser Stundenplan" werden wohl noch für ungrammatisch gehalten. Die denominativen -weise-Adjektive zeigen a l l e M e r k m a l e d e s B e z u g s a d j e k t i v s : Sie sind nicht prädikativ verwendbar; sie sind nicht graduierbar; sie lassen sich in substantivische Attribute umwandeln. Der Verbreitung der Bezugsadjektive auf -weise sind jedoch vorderhand enge Grenzen gesetzt: — dadurch, daß sie nur deutlich verbale Substantive attributiv bestimmen können; — dadurch, daß sie (wie die Adjektive des Typs „vielbändig") in ihrer Beziehung zum Substantiv fixiert sind.

VI.

Das Verhältnis

des Bezugsadjcktivs

zum substantivischen

Attribut

117

Daß sie sich auch attributiv etabliert haben, hängt wohl mit dem Aufkommen der Satztranspositionen zusammen, deren Grundlage das Verbalsubstantiv bildet.

V/. Das Verhältnis des Bezugsadjektivs substantivischen Attribut 1. Zwei Beziehungsarten:

Relation

und

zum

Inhärenz:

Durch Vergleich mit den Adjektiven des Typs „schurkisch" und des Typs „vielbändig" konnten die morphologisch-syntaktischen Besonderheiten der Klasse „Bezugsadjektiv" im Rahmen der Wortart Adjektiv genauer erfaßt werden. Das Bild von dieser Adjektivklasse, das sich dabei ergeben hat, wäre jedoch unvollständig, wenn die Bezugsadjektive nicht auch mit den Substantiven verglichen würden. Es gibt zwei syntaktische Stellen der Berührung zwischen Bezugsadjektiv und Substantiv: 1. Das Attribut: die ärztliche Kampagne gegen das Rauchen

— die Kampagne der gegen das Rauchen

Ärzte

2. Das Adverbiale: Gesundheitlich

geht es ihm gut

— Hinsichtlich der Gesundheit geht es ihm gut

Für uns wird in der Folge die Berührungsstelle grund stehen.

Attribut

im Vorder-

Zu Beginn dieses Kapitels wurde zwischen „accord" und „rection" unterschieden: Das adjektivische Attribut ist durch „accord" (Numerus-, Genusund Kasusübereinstimmung) mit dem Substantiv verbunden; das substantivische Attribut ist durch „rection" mit dem Bezugswort verbunden). Entsprechend unterscheidet Bally auch zwei Arten von Beziehung: „ r e l a t i o n" (Relation) und „i n h e r e n c e" (Inhärenz)41. I n h ä r e n z liegt vor, wenn zwei Begriffe sich aufs innigste durchdringen („compenetration intime"). Dies ist der Fall, wenn das Subjekt zur Gattung gehört, die das Prädikatsnomen bezeichnet: Die Erde ist ein Planet Oder wenn das Subjekt die Eigenschaft besitzt, die das prädikative Adjektiv nennt: Die Erde ist rund (dauernde Eigenschaft) Die Erde dreht sich (Akzidens: Zustand oder Vorgang) 41

Bally, L.g. et l.fr., § 164 ff., S. 107 ff.

118

Das

Bezugsadjektiv

Der Beziehungsart der Inhärenz entspricht auf der Ebene des grammatikalischen Ausdrucks der „ a c c o r d " : die Kopula „sein" sowie die Übereinstimmung in Numerus, Genus und Kasus. R e l a t i o n nennt Bally die Beziehung zwischen zwei voneinander getrennten Dingen: das Buch a u f dem Tisch die Kirsche h a t einen Kern Der Beziehungsart der Relation entspricht auf grammatikalischer Ebene die „r e c t i o n". Damit ist nun auch die Bezeichnung „adjectif de relation" motiviert. Sie besagt, daß die Beziehung zwischen dem Bezugsadjektiv und seinem Substantiv der Beziehungsart der R e l a t i o n zuzuredinen ist. Es sind also zwei Ebenen auseinanderzuhalten: 1. Ebene: Beziehungsart

Inhärenz

2. Ebene: grammatikalischer Ausdruck der Beziehung: accord

Relation rection

Diese Scheidung zwischen der Beziehungsart und dem grammatikalischen Ausdruck der Beziehung läßt die Zwischenstellung des Bezugsadjektivs deutlich zutagetreten. Als Adjektiv hat es am „accord" teil. I n h a l t l i c h ist es jedoch der Beziehungsart der „ r e l a t i o n " zuzurechnen. Allerdings bleibt seine Teilhabe am „accord" unvollständig. Da es nicht prädikativ verwendbar ist, fehlt ihm das wichtigste Merkmal des „accord": die Kopula „sein". Beim gewöhnlichen Adjektiv ist von der prädikativen Stellung auszugehen42. Steht das gewöhnliche Adjektiv attributiv, so ist i m p l i z i t e Kopula anzusetzen. Beim Bezugsadjektiv hingegen kann man nicht implizite Kopula ansetzen, da es gar nicht prädikativ stehen kann. Wenden wir das Sdiema von Beziehungsart und grammatikalischem Ausdruck der Beziehung auf die Bezugsadjektive an, so ergibt sich folgendes Verhältnis: 7 M ^ r« V A

E r hat Schwierigkeiten wirtschaftlicher Art, N a t u r

Weitere Beispiele: Dieses L a n d hat keine politischen >

Probleme

Dieses L a n d hat keine Probleme politischer Art

Seine kunstgewerblichen Erzeugnisse >

sind sehr geschätzt

Seine Erzeugnisse kunstgewerblicher A r t sind sehr geschätzt

Sie haben weltanschauliche Differenzen >

Während

das Bezugsadjektiv

beschränkt

bleibt,

auch p r ä d i k a t i v

selbst

auf

Sie haben Differenzen weltanschaulicher A r t attributiven

Gebrauch

kann die Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r "

stehen:

Seine Schwierigkeiten s i n d wirtschaftlicher A r t Seine Probleme sind politischer N a t u r Seine Erzeugnisse sind kunstgewerblicher A r t Ihre Differenzen sind weltanschaulicher N a t u r

V/. Das Verhältnis des Bezugsadjektivs

2um substantivischen

127

Attribut

Gruppen wie „Schwierigkeiten wirtschaftlicher A r t " lassen sich somit zurückführen

auf

Sätze mit prädikativem

Genitiv:

„Seine

Schwierigkeiten

sind

wirtschaftlicher A r t " . Die Verbindung „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " verhält sich also gleich wie der sogenannte Genitivus qualitatis: D e r Mann ist mittleren Alters

>

ein Mann mittleren Alters

U m das Verhalten der Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " noch geauer zu bestimmen, vergleichen wir sie mit den von Personenbezeichnungen

ab-

geleiteten gewöhnlichen Adjektiven. In den Sätzen: Dieses Benehmen ist großsprecherisch Diese Machenschaften sind betrügerisch E r ist grüblerisch kann

das gewöhnliche

Adjektiv

ohne Schwierigkeiten

umgeformt

werden

zur Gruppe „Adjektiv + Art, N a t u r " : Diese Machenschaften sind betrügerischer N a t u r Dieses Benehmen ist von großsprecherischer Art E r ist von grüblerischer Art Thomas Mann weiß von dieser stilistischen V a r i a n t e des gewöhnlichen Adjektivs Gebrauch zu machen: „ . . . ein Bildungserlebnis weit Art,

als

der

sittigende Minnedienst

von

Weimar

gewaltigerer

ihm

hätte

gewähren

können." (statt: „ . . . ein weit gewaltigeres Bildungserlebnis, als . . .) 48 . Die Möglichkeit solcher Umformung gewöhnlicher Adjektive beweist, daß sich die Verbindung „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " mit dem gewöhnlichen Adjektiv berührt. D a f ü r spricht ebenfalls, daß die Verbindung

„Bezugsadjektiv

+ Art, N a t u r " auch prädikativ stehen kann, wie das gewöhnliche Adjektiv, aber im Unterschied zum Bezugsadjektiv. Die Verbindung „gewöhnliches Adjektiv + Art, N a t u r " ist eine bloße Variante des gewöhnlichen Adjektivs. Die Verbindung „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " ist mehr

als eine bloße Variante des Bezugsadjektivs. Sie ist nichts anderes

als eine Explizierung des adjektivischen Charakters des Bezugsadjektivs. „ A r t " , „Natur"

sind

dann

als

eigentliche

Adjektivierungszeichen

zu

deuten. Diese Adjektivierungszeichen sind notwendig, weil das Bezugsadjektiv in der Regel andere als Adjektivfunktionen hat. D a die Bezugsadjektive das Vefahren wortart

der

Transpositionen

zweiseitigen

sind, soll auf sie ebenfalls

Bestimmung

von

(Substantiv) und von der Z i e l w o r t a r t

wandt werden. Phantasie über Goethe", „Neue Studien", S. 31.

der

Ausgangs-

(Adjektiv) her ange-

128

Das

Bezugsadjektiv

Bei den Transpositionen auf -ung (1. Kapitel) waren folgende Einteilungen möglich: 1. die Einteilung ist verbnahe und substantivnahe -ung-Bildungen 2. die Einteilung in verbnahe und substantivnahe Verwendungen von -ungBildungen Die Kriterien dieser Einteilung waren: a) Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Pluralisierung b) Verbindung ausschließlich mit dem Genitivus obiectivus / Verbindung auch mit Attributen in der Funktion des Subjekts c) Verbindung mit einem Präpositionalattribut an Stelle des Genitivus obiectivus Bei den von transitiven Verben abgeleiteten -ung-Substantiven erwies sich, daß der entscheidende Schritt der Integration in die W o r t a r t Substantiv syntaktisch in der Möglichkeit der -ung-Bildungen besteht, Attribute mit Subjektfunktion zu sich zu nehmen. Damit werden die -ung-Bildungen im allgemeinen auch pluralisierbar. Ähnlich beurteilen wir nun die Möglichkeit, das Bezugsadjektiv in die Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " umzuwandeln. Ist das Bezugsadjektiv umwandelbar in die Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " , dann ist es nicht zugleich umwandelbar in ein freies substantivisches Attribut und umgekehrt. Ist das Bezugsadjektiv umwandelbar in die Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " , so berührt es sich mit dem gewöhnlichen Adjektiv, was schon daran ersichtlich ist, daß diese Gruppe auch prädikativ stehen kann. Es lassen sich also z w e i S t u f e n a r t A d j e k t i v unterscheiden:

der

Integration

in d i e

Wort-

1. Stufe: Das Bezugsadjektiv ist substituierbar durch ein freies substantivisches Attribut 2. Stufe: Das Bezugsadjektiv ist substituierbar durch die Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " Auf der ersten Stufe ist das Bezugsadjektiv funktionell noch nicht adjektiviert. Seine Beziehung zum Substantiv ist der Beziehungsart der R e l a t i o n zuzurechnen, obwohl die Form der Beziehung der a c c o r d zu sein scheint. Auf der zweiten Stufe berührt sich das Bezugsadjektiv mit dem gewöhnlichen Adjektiv. In der erweiterten Form der Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " ist es der Beziehungsart der I n h ä r e n z zuzurechnen. Beweis: die Möglichkeit prädikativer Verwendung.

VI. Das Verhältnis des Bezugsadjektivs

zum substantivischen

Attribut

129

Eine Frage muß hier unbeantwortet bleiben: G i b t es, entsprechend der Einteilung in verbnahe und substantivnahe -ung-Bildungen, auch eine Einteilung in substantivnahe und adjektivnahe Bezugsadjektive? M i t anderen W o r t e n : Gibt es eine Gliederung innerhalb der Klasse der Bezugsadjektive? W i r können bloß mit einem Beispiel auf dieses Problem aufmerksam machen. W i r haben das Adjektiv „mitteleuropäisch" als ambivalentes Adjektiv bestimmt: Bezugsadjektiv:

Das mitteleuropäische K l i m a bekam ihm nicht

gewöhnl. A d j . :

In gewissen Gegenden Kanadas herrscht ein mitteleuro-

( = das K l i m a Mitteleuropas, in Mitteleuropa) päisches K l i m a ( = ein K l i m a wie in Mitteleuropa) Als Bezugsadjektiv läßt „mitteleuropäisch" die Umwandlung in die Gruppe „Bezugsadjektiv -I- Art, N a t u r " überhaupt nicht zu. Wann immer die U m wandlung möglich ist, fungiert „mitteleuropäisch" als gewöhnliches Adjektiv 49 . E r zieht das mitteleuropäische K l i m a vor (das K l i m a Mitteleuropas, in Mitteleuropa) (Bezugsadjektiv: nicht umwandelbar) E r zieht ein mitteleuropäisches K l i m a vor (ein K l i m a wie in Mitteleuropa) (gewöhnl. A d j . : umwandelbar zu „ein K l i m a mitteleuropäischer A r t " ) Gleiches gilt für das ambivalente Adjektiv „mittelalterlich": Bezugsadjektiv:

Die mittelalterliche Welt ist vertikal: nicht umwandelbar

gewöhnl. A d j . :

E r lebt in einer mittelalterlichen W e l t : umwandelbar (in einer Welt mittelalterlicher A r t )

Das

Verhalten

dieser

ambivalenten

Adjektive

bestätigt

die Deutung

Verbindung „Bezugsadjektiv + Art, N a t u r " als einer eigentlichen vierung

der

Adjekti-

des Bezugsadjektivs.

Gewöhnliche Adjektive lassen sich attributiv wie prädikativ in die Gruppe „Adjektiv + Art, N a t u r " umwandeln: attributiv: ein seltsamer Traum ein Traum seltsamer Art

prädikativ: D e r Traum war seltsam D e r Traum war seltsamer Art

Dagegen bleibt die Parallelität zwischen dem Bezugsadjektiv und der Verbindung

„Bezugsadjektiv + Art,

schränkt: 49

9

Vgl. oben S. 93. Schaublin 1

Natur"

auf

die

attributive

Stellung

be-

130

Das

Bezugsadjektiv

attributiv:

prädikativ:

Er hat wirtschaftliche Schwierigkeiten Er hat Schwierigkeiten wirtschaftlicher Art

Seine Schwierigkeiten sind wirtschaftlicher Art

Die Frage drängt sich auf, warum die Parallelität zwischen dem Bezugsadjektiv und der Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, Natur" auf die attributive Stellung beschränkt bleibt. Wir gehen mit Mötsch50 von der Annahme aus, daß sich attributive Adjektive auf andere Konstruktionen zurückführen lassen. Die gewöhnlichen attributiven Adjektive lassen sich auf prädikative Adjektive zurückführen. Bei attributivem Gebrauch des gewöhnlichen Adjektivs ist deshalb i m p l i z i t e K o p u l a anzusetzen: gewöhnliches Adjektiv:

prädikativ: explizite Kopula

attributiv: -» implizite Kopula

Die Bezugsadjektive lassen sich auf substantivische Attribute zurückführen. Bei ihnen ist deshalb i m p l i z i t e R e l a t i o n anzusetzen: Relation:

substant. Attr.: explizit (Kasus)

Bezugsadjektiv: implizit

Was implizit bleibt, das kann sich vollends verlieren. Dieser Fall tritt ein, wenn das Bezugsadjektiv nicht mehr einem substantivischen Attribut, sondern der Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, Natur" entspricht. Wir haben die Substantive „Art, Natur" als Adjektivierungszeichen gedeutet. Sie dienen der Explizierung des Adjektivcharakters von Bezugsadjektiven. Die Stufenfolge der Adjektivierung stellt sich schematisch wie folgt dar: Probleme der Wirtschaft: e x p l i z i t e

Relation

1. Stufe: wirtschaftliche Probleme: i m p l i z i t e Relation 2. Stufe: Er hat wirtschaftliche Probleme: V e r l u s t der Relation 3. Stufe: Er hat Probleme wirtschaftlicher Art: e x p l i z i t e Adjektivierung Von hier aus wird verständlich, weshalb die Umwandlung des Bezugsadjektivs in die Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, Natur" bei attributiver Verwendung fakultativ, bei prädikativer Verwendung dagegen obligatorisch ist: explizite Kopula (prädikativ) bedingt explizite Adjektivierung des Bezugsadjektivs durch „Art, Natur" implizite Kopula (attributiv) erlaubt implizite Adjektivierung des Bezugsadjektivs Diese Erklärung wird gestützt durch die Möglichkeit stilistischen Gebrauchs der Adjektivklassen. In der Tat ist die Aufhebung der Klassenzugehörigkeit 50

Vgl. oben S. 85.

131

VI. Das Verhältnis des Bezugsadjektivs zum substantivischen Attribut

eines Adjektivs zu stilistischen Zwecken nur in a t t r i b u t i v e r S t e l l u n g möglich. Nur in attributiver Verwendung können gewöhnliche Adjektive okkasionell Bezugsadjektivfunktion erhalten 51 . In prädikativer Stellung geben sie ihre Klassenzugehörigkeit nie auf. Wir haben gesehen, daß Substitution des Bezugsadjektivs durch die Gruppe „Bezugsadjektiv + Art, Natur" die Substitution durch ein substantivisches Attribut ausschließt und umgekehrt. Andererseits ist weiter oben gezeigt worden, daß das Bezugsadjektiv wohl die Funktion des Subjekts, nicht aber die Funktion des objektiven Genitivs übernehmen kann 52 . Das Bezugsadjektiv kann also nicht alle Funktionen des substantivischen Attributs übernehmen. Audi hierfür ist eine Erklärung zu suchen. Wir gehen davon aus, daß die Gruppe „Bezugsadjektiv + Verbalsubstantiv + Genitivattribut mit Objektfunktion" eine Satztransposition ist. Es ist deshalb das Verhalten des Bezugsadjektivs bei der Rücktransposition dieser Gruppe zu untersuchen. Der Einfachheit halber wird das Verbalsubstantiv zu einem Infinitiv zurücktransponiert: Gruppe „Bezugsadjektiv + Verbalsubstantiv + Genitivattribut mit Objektfunktion":

Rücktransposition:

1. die räumliche Gestaltung des Hauses

— das Haus räumlich

2. die wissenschaftliche Förderung des Nachwuchses

— den Nachwuchs fördern

3. die preisliche Angleichung der inländischen Produkte an die ausländischen

— die inländischen Produkte preislich an die ausländischen angleichen

4. die formale Beherrschung des Instruments

— das Instrument formal

5. die körperliche der Jugend

Ertüchtigung

— die Jugend körperlich

6. die begriffliche des Texts

Analyse

gestalten wissenschaftlich

— den Text begrifflich

beherrschen ertüchtigen

analysieren

Das Bezugsadjektiv verhält sich bei der Rücktransposition dieser Gruppen gleich wie das gewöhnliche Adjektiv. Man vergleiche: die wirksame

51 52



Überwachung der Verwaltung

Vgl. unten S. 139. Vgl. oben S. 126.

— die Verwaltung überwachen

wirksam

132

Das

Bezugsadjektiv

Das Bezugsadjektiv muß also nicht zu einem Substantiv zurücktransponiert werden. Das A k k u s a t i v o b j e k t hat aber notwendig s u b s t a n t i vische Form. Nun untersuchen wir zum Vergleich das Bezugsadjektiv, wenn es Subjektfunktion hat. Gruppe „Bezugsadj. mit Subjektfunktion + Verbalsubstantiv + substant. Attribut":

Rücktransposition:

1. die kommunistische Vereitelung des Entwicklungsplans

— a) die Kommunisten vereiteln den Entwicklungsplan b) der Entwicklungsplan wird durch die Kommunisten vereitelt

2. die behördliche Einmischung in diese Angelegenheit

— a) die Behörden mischen sich in diese Angelegenheit ein

3. die bundesrätliche Zustimmung zu dieser Aktion

— a) der Bundesrat stimmt dieser Aktion zu

4. die polizeiliche Untersuchung des Vorfalls

— a) die Polizei untersucht den Vorfall b) der Vorfall wird von der Polizei untersucht c) der Vorfall wird polizeilich untersucht

5. die ärztliche Behandlung des Verunfallten

— a) ein Arzt behandelt den Verunfallten b) der Verunfallte wird von einem Arzt behandelt c) der Verunfallte wird ärztlich behandelt

6. die ärztliche Intervention beim Gesundheitsministerium

— a) die Ärzte intervenieren beim Gesundheitsministerium

Die Rücktransposition fällt je nach der Syntax des Verbs verschieden aus: Beispiel 1 : „vereiteln" ist ein transitives Verb und erlaubt deshalb die aktive oder die passive Form der Rücktransposition Beispiel 2: „sich einmischen" ist ein reflexiv-intransitives Verb und läßt deshalb nur die aktive Form der Rücktransposition zu. Die Bezugsadjektive „ärztlich" und „polizeilich" müssen nicht notwendig zu Substantiven zurücktransponiert werden. Werden sie nicht zurücktrans-

VI. Das Verhältnis des Bezugsadjektivs

zum substantivischen

Attribut

133

poniert, so haben sie jedoch gar nicht Subjektfunktion, wie die folgenden Proben beweisen: Er hat ihn ärztlich behandelt Man ist polizeilich gegen ihn vorgegangen Während also die Rüdktransposition der Gruppe „Bezugsadjektiv + Verbalsubstantiv + Genitivattribut mit Objektfunktion" keine Rüdetransposition des Bezugsadjektivs erforderlich macht, bedingt die Subjektfunktion die Rücktransposition des Bezugsadjektivs zum Substantiv. Die Transposition der folgenden Gruppen mit Präpositionalattribut in der Funktion des Präpositionalobjekts zeigt, daß das Bezugsadjektiv nicht nur die Funktion des A k k u s a t i v o b j e k t s , sondern s ä m t l i c h e O b j e k t f u n k t i o n e n ausschließt: 1. sich vor der Polizei fürchten 2. über die Behörden klagen 3. sich auf den Betrieb beschränken

die Furcht vor der Polizei (nicht: die polizeiliche Furcht) —» Klagen über die Behörden (nicht: behördliche Klagen) —> die Beschränkung auf den Betrieb (nicht: die betriebliche Beschränkung)

4. in den Vertrag einwilligen

—» die Einwilligung in den Vertrag (nicht: die vertragliche Einwilligung)

5. sich zum Handwerker bekennen

—* das Bekenntnis zum Handwerker (nicht: das handwerkliche Bekenntnis)

Das Bezugsadjektiv bleibt also vom gesamten Objektbereich ausgeschlossen. Seine Domänen sind die Funktion „Subjekt" und die Funktion „Umstandsangabe". Zur Erklärung dieses Sachverhalts ist davon auszugehen, daß den Kern der Satztransposition „Bezugsadjektiv + Verbalsubstantiv + Genitivattribut mit Objektfunktion" das Verbalsubstantiv bildet. Auf der Stufe des Verbalsatzes bildet das Verb mit seinem Objekt eine festgefügte Einheit. Im ersten Kapitel ist gezeigt worden, daß auf der Stufe des transponierten Satzes das Attribut mit Objektfunktion das Bezugswort bestimmt und umgekehrt. Diese wechselseitige Determinierung veranlaßt uns, Bezugswort und Attribut mit Objektfunktion als ein Ganzes, als G r u p p e n t r a n s p o s i t i o n zu betrachten. Aus dieser Sicht wird verständlich, weshalb sich das substantivische Attribut mit Objektfunktion der Substitution durch das Bezugsadjektiv entzieht. Fassen wir die Ergebnisse des Vergleichs zwischen Bezugsadjektiv und freiem substantivischem Attribut in einer Übersicht zusammen:

134

Das

Bezugsadjektiv

Bezugsadjektiv

Kompositum

freies subst. Attribut

a) Opposition „Sing./Plur.





+

b) Opposition „bestimmt/unbestimmt"





+

c) Bestimmtheit der Relation





+

Aktualisierung:

Beziehungsart und Beziehungsausdruck: a) Beziehungsart

Relation (wenn durch substant. Attr. substituierbar)

Relation

b) Beziehungsausdruck

accord (wenn man von der Kopula absieht)

rection

Funktionen: a) Objektfunktionen



+

+

b) Subjektfunktion Umstandsfunktion

+

+

+

c) adjektivische Funktion (substituierbar durch die Gruppe „Bezugsadj. + Art, N a t u r "

+

+

Genitivus qualitatis

VII.

Statistische Zahlen — Zum stilistischen Gebrauch der Adjektivklassen

1. Statistische Zahlen: Es ist nicht der Zweck der nachstehenden kleinen Statistik, genauen Aufschluß über das Vorkommen von Bezugsadjektiven in der geschriebenen Gegenwartssprache zu geben. Dazu ist die Basis zu schmal. Man darf von

VII.

Statistische

135

Zahlen

dieser Statistik nur Hinweise darauf erwarten, in was für Texten Bezugsadjektive vergleichsweise häufig, in was für Texten sie eher spärlich sind. Es

sind nur

die attributiv

gebrauchten

Bezugsadjektive

gezählt

worden,

während die adverbiell verwendeten unberücksichtigt geblieben sind. Die Zahl der attributiv gebrauchten gewöhnlichen Adjektive dient als Vergleichszahl. Es werden jedoch nur solche Adjektive als gewöhnliche Adjektive berücksichtigt, die ihr Substantiv im T e x t auch prädikativ bestimmen könnten. Bei einer solchen Statistik erübrigt es sich, die ambivalenten Adjektive auszusondern. Diese erscheinen teils unter den Bezugsadjektiven, teils unter den gewöhnlichen Adjektiven. Die Prozentzahlen, die sich aus dieser vergleichenden Statistik ergeben, sind mit Vorsicht zu beurteilen, kann doch die Frequenz der gewöhnlichen Adjektive außerordentlich stark schwanken. So haben wir in einem T e x t Thomas Manns von schätzungsweise 5 4 0 Wörtern nicht weniger als 48 gewöhnliche Adjektive gezählt, also einen Anteil von beinahe 9 % am gesamten W o r t bestand, während in einem T e x t Hans Erich Nossacks von schätzungsweise 1000 Wörtern ganze 10 Adjektive vorkommen, was einen Anteil von 1 °/o am gesamten Wortschatz ausmacht. Wirklich zuverlässig wären die Frequenzzahlen für die Bezugsadjektive wohl nur, wenn man sie an den vollen W o r t zahlen der T e x t e messen könnte. W i r haben die T e x t e in zwei Gruppen unterteilt: A. Sachprosa: T e x t e wissenschaftlichen (rechtlichen, soziologischen, wirtschaftlichen, sozialpolitischen, technologischen) Inhalts. Es fehlen T e x t e rein naturwissenschaftlichen und medizinischen Inhalts. B . Literarische Prosa: T e x t e essayistischen und erzählenden Inhalts. Gruppe

A:

Bezugsadjektive:

gewöhnliche

Ad,'].:

1. Arnold Gehlen: Die Seele im technischen Zeitalter (rde Bd. 5 3 ) : S. 1 2 — 1 3 2.

19 (29,7

°/o)

45 ( 70,3

%>)

26 (33,3

°/o)

56 ( 66,6

o/o)

19

(35,8

o/o)

34

( 64,2

°/o)

28 (37,3

°/o)

47 ( 63,7

°/o)

H a n s Achinger: Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik (rde Bd. 4 7 ) S. 1 4 0 — 1 4 3

3. Burkhart Lutz, Alfred Heim, Klaus H e l f e r : Ausbildung 5 3 : S. 9 2 — 9 4

4.

Lemberg: Nationalismus I I (rde Bd. 199) S. 2 5 — 2 7

53

Aus „Deutschland 1975 — Perspektiven und Prognosen", hg. von Ulridi Lohmar, München 1965.

136

Das

5. Rudolf Wiethölter: Staat — Gesellschaft — Individuum 54 S. 262—263 6. Hans Paul Bahrdt: Stadtplanung 53 S. 150—152 7. Walter Rüegg: Soziologie — Die Wissenschaft von der Gesellschaft 54 , S. 286—287 8. Claus Koch, Helmut Krauch: Trends des technischen Fortschritts53 S. 70—72 TOTAL Gruppe B: 1. Hans Erich Nossack: Spätestens im November (Roman) (dtv Bd. 162) S. 73—74 2. Ernst Jünger: Gläserne Bienen (ro ro ro Bd. 385) S. 8—10 3. Max Frisch: Tagebuch 1946—1949 (Suhrkamp Frankfurt 1950) S. 69—71 4. Martin Walser: Erfahrungen und Leseerfahrungen (edition suhrkamp Bd. 109), S. 148—149 5. Thomas Mann: Neue Studien (Berman — Fischer Stockholm 1948) S. 41—42 6. Uwe Johnson: Mutmaßungen über Jakob (Fischer Bücherei Bd. 457) S. 41—42 7. Reinhard Baumgart: Literatur für Zeitgenossen: Essays (edition suhrkamp Bd. 186), S. 83—84 8. Th. W. Adorno: Noten zur Literatur I I I (Bibliothek Suhrkamp Bd. 146), S. 69—71 TOTAL 54

Bezugsadjektiv

24 (42,3 °/o)

33

57,7 °/o)

%>)

22

55

28 (51,8 %>)

26

48,2 °/o)

30 (53,5 °/o)

26

46,5

204 (41,4 °/o)

289

18 (45

°/o)

°/o)

58,6 o/o)

o/o)

10

2 ( 6,06 %>)

33

93,94 °/o)

2 ( 6,9 °/o)

27

93,1

°/o)

2 ( 7,6 °/o)

24

92,4

o/o)

6 (11,1 °/o)

48

88,9 o/o)

5 (11,4 °/o)

39

88,6 o/o)

6 (16,2 °/o)

31

83,8

5 (17,8

23

82,2 o/o)

235

89,36 °/o)

0 ( 0

28 ( 1 0 , 6 4 % )

100

o/o)

o/o)

Aus „Wissenschaft und Gesellschaft — Einführung in das Studium von Politikwissenschaft, Neuere Geschichte, Volkswirtschaft, Recht, Soziologie", Fischer Bücherei Bd. 846.

VII. Statistische

137

Zahlen

Die Zahlen dieser kleinen Statistik lassen deutlich erkennen, daß die Bezugsadjektive in der wissenschaftlichen Sachprosa häufiger sind als in der literarischen Prosa. Dies ist nur eine Bestätigung dessen, was von vornherein vermutet werden durfte. Angesichts der schmalen Basis der Statistik hüten wir uns vor weiteren Folgerungen. Es seien jedoch einige Vermutungen über die Ursachen der vergleichsweise hohen Frequenz der Bezugsadjektive in der wissenschaftlichen Sachprosa geäußert: 1. Man darf vermuten, daß diese hohe Frequenz mit dem Gegenstand der Prosa selbst zu tun hat. Das Geschäft wissenschaftlicher, zumal zusammenfassender Darstellungen ist nicht zuletzt das Systematisieren, das Zuordnen und Einteilen. Nun sind Zuordnen und Einteilen gerade auch wesentliche Leistungen des Bezugsadjektivs. Wenn Seibicke von den -mäßig-Bildungen der Gruppe d 55 sagt, daß sie den besonderen Geltungsbereich nennen, so bezeichnet er damit eine wesentliche inhaltliche Leistung der Bezugsadjektive überhaupt. 2. Eine zweite Ursache der hohen Frequenz der Bezugsadjektive in der wissenschaftlichen Sachprosa dürfte sprachlicher, genauer syntaktischer Natur sein. Auf Grund von Zählungen an Texten aus „Rowohlts Deutscher Enzyklopädie" und an signierten Artikeln aus dem politischen und dem Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kommt H . Eggers 56 zum Schluß, daß die Sätze der geschriebenen deutschen Gegenwartssprache kürzer sind als die Sätze der geschriebenen Sprache vor 150 Jahren (Probezählungen an Texten von Lessing, Goethe und Schiller). Am häufigsten seien heute die Sätze mit 14—18 Wörtern; in der Zeitung seien die Sätze mit 1 3 — 1 4 Wörtern weit an der Spitze. Aber nicht nur die Länge, auch der Bau der Sätze hat sich gewandelt. Der Anteil der Satzgefüge dürfte heute geringer sein, der Anteil der Einfachsätze größer. Nun lassen sich Satzgefüge nur mit Hilfe von Satztranspositionen in Einfachsätze umwandeln. Zur Fügung „Nomen actionis -I- substantivische Attribute" bemerkt H . Eggers in einem anderen Aufsatz 5 7 : „Die sprachökonomische Leistung liegt auf der Hand: wozu ohne diese Fügung ein ganzer Satz, mindestens ein ganzer Nebensatz erforderlich wäre, das kann nunmehr einem einzelnen Satzgliede einverleibt werden. Der einzelne Satz wird dadurch mit mehr Inhalt gefüllt, oder anders betrachtet: ein einziger

55

Vgl. oben S. 112.

56

Zur Syntax Heft 1.

57

„Beobachtungen zum präpositionalen Attribut in der deutschen Sprache der Gegenwart", Sammelband 1 der Zs. „Wirkendes W o r t " („Sprachwissenschaft") S. 286, Düsseldorf 1962.

der deutschen Sprache der Gegenwart,

Studium Generale Jg.

15,

138

Das

Bezugsadjektiv

übergeordneter Satz kann mittels der neuen Fügung ausdrücken, was sonst durch ein Gefüge von untergeordneten Sätzen gesagt werden müßte." Die Substitution von Nebensätzen durch Satztranspositionen führt natürlich zu einer Aufschwellung der Satzglieder des Einfachsatzes, insbesondere zu übergroßen Komplexen mit substantivischen Attributen. Hier nun kann das B e z u g s a d j e k t i v e n t l a s t e n d w i r k e n , indem es ein substantivisches Attribut ersetzt. Die Annahme, daß zwischen dem Aufkommen der Bezugsadjektive und der Verdrängung der Satzgefüge durch Einfachsätze mit Satztranspositionen ein Zusammenhang besteht, bedürfte wiederum der statistischen Untermauerung. Es wären Zahlen notwendig, die über die Frequenz der substantivischen Attribute und über die Frequenz der Bezugsadjektive Aufschluß gäben. Auch über die Funktionen der substantivischen Attribute und über ihre Häufung wären statistische Zahlen zu ermitteln. Es war von einer Zunahme der Bezugsadjektive und von einer Zunahme der Einfachsätze mit Satztranspositionen die Rede. Wo von Zunahme gesprochen wird, da wird immer die D i a c h r o n i e ins Spiel gebracht. In der T a t müßten statistische Werte für vergleichbare Sachprosa früherer Zeiten zum Vergleich herangezogen werden. So erhielte man ein diachronisches Bild von der Gebrauchshäufigkeit der Bezugsadjektive und vom Zusammenhang dieser Gebrauchshäufigkeit mit anderen syntaktischen Erscheinungen. Darüber hinaus wäre auch eine Datierung der einzelnen Bezugsadjektivbildungen vonnöten. All dies zusammen erst würde es erlauben, das Aufkommen der Bezugsadjektive und ihre Integration in das sprachliche System genauer zu beschreiben.

2. Zum stilistischen Gebrauch der

Adjektivklassen:

Die Klasse der Bezugsadjektive hat noch nicht in die normativen Grammatiken Eingang gefunden. Ebensowenig natürlich die Gegenklasse der gewöhnlichen Adjektive und die Klasse der ambivalenten Adjektive. Diese Klassen sind also noch nicht zu Normen erhoben, die ihrerseits klassenkonservierende Wirkung hätten. Dennoch ist ihnen Gesetzeskraft zuzuerkennen. Die durch sie geschaffene Ordnung kann durch den Gebrauch respektiert werden (norm a l e r Gebrauch). Sie kann plump durchbrochen werden (Verstoß). Sie kann endlich auch listig aufgehoben werden ( s t i l i s t i s c h e r Gebrauch). Stilistischer Sprachgebrauch bedingt das Vorhandensein einer Ordnung und ist zugleich deren Aufhebung. Im Verstoß kommt bloße Unkenntnis der Ordnung zum Vorschein. Der Stilist dagegen zeigt, indem er die Ordnung überspielt, daß er ihr Gesetz gründlich kennt. Der stilistische Gebrauch bestätigt deshalb e contrario das Vorhandensein der Klassen, ja, die Klassen werden gerade durch ihre Aufhebung anerkannt und nicht, wie beim Verstoß, einfach zerstört.

VII.

Statistische

Zahlen

139

Es seien hier einige Beispiele für stilistischen Gebrauch der drei Adjektivklassen aus Aufsätzen von Thomas Mann angeführt und erläutert: Beispiel 1: „Es ist das tragische Mitleid mit einer überlasteten, überbeauftragten S e e l e ; . . . ; mit einer ursprünglich tief pietätvollen, ganz zur Verehrung gestimmten, an fromme Traditionen gebundenen Geistigkeit, die vom Schicksal gleichsam an den Haaren in ein wildes, jeder Pietät entsagendes, gegen die eigene Natur tobendes Prophetentum der barbarisch strotzenden Kraft, der Gewissensverhärtung, des Bösen gezerrt wurde." (Th. Mann, Nietzsches Philosophie im Lichte unserer Erfahrung, Neue Studien, S. 106—107) Wie ist das Adjektiv „fromm" in diesem Kontext zu deuten? Ohne Zweifel gehört „fromm" von Haus aus der Klasse der gewöhnlichen Adjektive an und kann füglich auch prädikativ stehen: ein frommer Mann — dieser Mann ist fromm Im zitierten Satz will jedoch die Probe mit prädikativem Gebrauch nicht gelingen. Ein Mensch oder eine Tat kann „fromm" sein. Aber „Traditionen"? Versteht man „Tradition" als „das Uberlieferte", so ist prädikativer Gebrauch nicht möglich. Dagegen kann die Handlung des „Tradierens" als „fromm" bezeichnet werden: „die fromme Überlieferung von etwas". Aber daran ist im zitierten Satz nicht gedacht, denn zwei Sätze später sagt der Verfasser, Nietzsche stamme von Vaters- wie von Mutters Seite aus angesehenen Pastorenfamilien. Betrachtet man die Folge der Pastorengenerationen als Tradition, so scheint es richtiger, von „Traditionen der Frömmigkeit" als von „frommen Traditionen" zu sprechen. Was in diesen Pastorenfamilien tradiert wird, ist protestantische Frömmigkeit. Dann wäre „fromm" ein B e z u g s a d j e k t i v , das nicht prädikativ stehen kann, das jedoch in ein substantivisches Attribut — „Tradition der F r ö m m i g k e i t " — umgewandelt werden kann. Wodurch unterscheidet sich dann „fromm" vom ambivalenten Adjektiv? Dieses ist e n t w e d e r Bezugsadjektiv o d e r gewöhnliches Adjektiv, nicht beides zugleich. Das a m b i v a l e n t e Adjektiv ist nur auf der Ebene der 1 a n g u e ambivalent. Aktualisiert wird ja immer bloß eine der beiden Möglichkeiten. Anders „fromm" im Satz von Thomas Mann. Da „fromm" an sich ein einwertiges, gewöhnliches Adjektiv ist, gibt es in bezug auf seine Klassenzugehörigkeit keinen Unterschied zwischen langue und parole. „Fromm" ist auf der Ebene der parole, was es auf der Ebene der langue ist. In Thomas Manns Satz besteht jedoch ein Spannungsverhältnis zwischen der Klassenzugehörigkeit von „fromm" und seinem Gebrauch. Dieses Verhältnis ist d i a l e k t i s c h , weil es die A u f h e b u n g der Klassenzugehörigkeit bewirkt, Aufhebung in dem doppelten Sinne von N e g a t i o n und K o n s e r -

Das Bezugsadjektiv

140

v a t i o n der Klassenzugehörigkeit. „Fromm" bewahrt seine Klassenzugehörigkeit, obwohl sie durch den Gebrauch negiert wird. Die Ambivalenz ist hier also a k t u a l i s i e r t . Inhaltlich ist die Klassenzugehörigkeit insofern konserviert, als die „Traditionen der Frömmigkeit" in der T a t zu „frommen Traditionen" werden: Die protestantische Frömmigkeit wird durch die Folge der Pastorengeschlechter zur Pietät gegenüber den Vorfahren. D a m i t ist die Tradition der Frömmigkeit zugleich Traditionsfrömmigkeit. Durch die A u f hebung der ursprünglichen Klassenzugehörigkeit wird das Adjektiv in den Stand der M e h r d e u t i g k e i t gehoben 58 . Beispiel 2: „Es war ein Ruf von Frau zu Frau, animalisch frohe, häusliche Nachricht, nichts weiter. U n d doch hätte er der Welt, der Menschheit gelten sollen..." (Phantasie über Goethe, a. a. O. S. 28) „Häuslich" ist an sich ein ambivalentes Adjektiv: Bezugsadjektiv: die häuslichen Pflichten —> die Pflichten des Hauses, im Hause gewöhnl. Adj.: eine häusliche Frau —» diese Frau ist häuslich 1. Zu Beginn des zitierten Satzes findet man die Gruppe „das tragische Mitleid". „Tragisch" ist der Klasse der ambivalenten Adjektive zuzurechnen : Bezugsadjektiv: die tragische Gattung gewöhnl. Adj.: ein tragisches Unglück

die Gattung der Tragödie —» dieses Unglück ist tragisch

Wenn Mann von „tragischem Mitleid" spricht, so spielt er auf das Mitleid des Zuschauers mit dem Tragödienhelden an. Er nennt sich selbst einen „ergriffenen Betrachter" und Leser Nietzsches (S. 106). Er spricht von einer „Gefühlsmischung", der Mischung nämlich von „Ehrfurcht und Erbarmen". Diese Gefühlsmischung ist eine christliche Abwandlung der „Mischung von Furcht und Mitleid", wie sie seit Lessing als Wirkung der Tragödienhandlung gefordert wird. Nietzsches „Lebensschauspiel" mit „Ehrfurcht und Erbarmen" betrachtend, nimmt Mann die Pietät jener „frommen Traditionen" wieder auf, die Nietzsche selbst zerbrochen hat und an denen er zerbrochen ist. Als gewöhnliches Adjektiv verbindet sich „häuslich" in der Regel sonenbezeichnungen. Im zitierten Satz kann „häuslich" deshalb wöhnliches Adjektiv sein; es läßt sich nicht in ein prädikatives umwandeln. Man darf also davon ausgehen, daß „häuslich" Klasse der Bezugsadjektive zuzurechnen ist. 38

Vgl. dazu u n t e n S. 148 die A u s f ü h r u n g e n über den metaphorischen der Personenbezeichnungen.

mit Pernicht geAdjektiv hier der

Gebrauch

VII.

Statistische

Zahlen

141

Nun zeigt jedoch das Komma an, daß die Adjektive „froh" und „häuslich" einander gleichgeordnet sind. Daraus wiederum folgt, daß „häuslich" als gewöhnliches Adjektiv gebraucht ist, denn nur gewöhnliche Adjektive können ja gewöhnlichen Adjektiven gleichgeordnet sein. „Häuslich" ist also dem Sinne nach als Bezugsadjektiv verwendet, syntaktisch jedoch als gewöhnliches Adjektiv behandelt. Aus dem unmittelbar anschließenden Satz geht hervor, daß „häuslich" im Gegensatz steht zu „der Welt, der Menschheit geltend". Dieser Gegensatz läßt sich auch umschreiben mit „privat-intim / öffentlich" oder „auf die Familie beschränkt / öffentlich". Zwar bezeichnet „häuslich" den besonderen Geltungsbereich der Nachricht wie „betrieblich" in „betriebliche Nachricht" und ist insofern Bezugsadjektiv. Zugleich charakterisiert es jedoch das Wesen der Nachricht im Sinne von „privat-vertraulich". Charakterisierung und Angabe des besonderen Geltungsbereichs: damit ist die Doppelnatur des Adjektivs „häuslich" im zitierten Satz angedeutet. Beispiel 3: „Wirklich, er ließ es sich sauer werden als Minister-Favorit und „Zweiter im Königreich", wie er sich, bestimmt nicht ohne Erinnerung an Joseph, wohl einmal nannte — als klug gängelnder und pädagogischer Mentor des Herzogs und Seele der Weimarischen Regierung." (a. a. O. S. 28) Wenn man bei Beispiel 2 noch Zweifel haben kann, ob das Komma zwischen „froh" und „häuslich" dem Verfasser oder dem Setzer zuzuschreiben sei, so können hier solche Zweifel gar nicht erst aufkommen, denn an Stelle des Kommas steht die koordinierende Konjunktion „und", die das Bezugsadjektiv „pädagogisch" dem gewöhnlichen Adjektiv „(klug) gängelnd" gleichordnet. Dabei wäre zu erwarten, daß „pädagogisch" als Bezugsadjektiv mit „(klug) gängelnd" in Subordination tritt. Es sind somit folgende Konstruktionen zu vergleichen: a) als klug gängelnder pädagogischer Mentor b) als klug gängelnder und pädagogischer Mentor Der zum Gattungsbegriff gewordene Name „Mentor" wird mit „Erzieher, Ratgeber" verdeutscht. Die Klischeewendung „pädagogischer Mentor" ist deshalb als beinahe pleonastisch anzusprechen. Bei einem Autor wie Thomas Mann tut man jedoch gut daran, ein Namenwort nicht nur begrifflich, sondern auch „mythologisch" zu verstehen. Bei Goethes Amtsantritt in Weimar hatte Herzog Karl August eben erst sein achtzehntes Altersjahr hinter sich gebracht. Goethes Verhältnis zu Karl August ist also durchaus jenem Mentors zu Odysseus' Sohn vergleichbar. Indem Mann das Bezugsadjektiv „pädagogisch" mit dem gewöhnlichen Adjektiv „(klug) gängelnd" koordiniert, gibt er dem Substantiv „Mentor" sein volles Gewicht als Namenwort. In der Gruppe „als klug gängelnder pädagogischer Mentor" liest man Bezugsadjektiv

142

Das

Bezugsadjektiv

und Substantiv als kompositumähnliche Einheit, ohne nach dem Adjektiv abzusetzen. In der Gruppe „als klug gängelnder u n d pädagogischer Mentor" liest man Bezugsadjektiv und Substantiv als getrennte Einheiten. „Mentor" bedeutet nun nicht „Erzieher, Ratgeber", sondern eher „älterer, erfahrener Freund". Selbst noch jung, ist Goethe doch schon Freund und Erzieher des jugendlichen Herzogs. Beispiel 4 : Im „Zauberberg" führt Thomas Mann eine Person als den „buckligen Amateurphotographen aus Mexiko" ein 59 . Wenig später wird dieselbe Person noch einmal erwähnt als „der mexikanische Bucklige". Zwischen die beiden Formeln fügen wir noch als Zwischenglied ein: „der bucklige Mexikaner". Zu vergleichen sind also a) „der bucklige Mexikaner" und b) „der mexikanische Bucklige". In beiden Gruppen trägt das Substantiv den Hauptton: „Mexikaner" in der Gruppe a, „Buckliger" in der Gruppe b. „Bucklig" ist ein gewöhnliches Adjektiv, „mexikanisch" ist ein ambivalentes Adjektiv. Kennzeichnend für die ambivalenten Adjektive ist sonst, daß ihre Ambivalenz nicht aktualisiert wird. Gilt dies auch für „mexikanisch" in der Gruppe „der mexikanische Bucklige"? Gewiß ist „mexikanisch" hier in erster Linie Bezugsadjektiv und entspricht einem Präpositionalattribut: „der Bucklige aus Mexiko". Aber die folgende Gegenüberstellung zeigt, daß es nicht bloß Bezugsadjektiv ist: a) die mexikanischen Besucher b) der mexikanische Bucklige In der Gruppe a hat „mexikanisch" ganz deutlich Bezugsadjektivfunktion. Es gibt die Herkunft an. Dagegen ist in Gruppe b die Ambivalenz des Adjektivs aktualisiert. „Mexikanisch" ist zugleich Bezugsadjektiv und gewöhnliches Adjektiv. Aktualisiert wird die Ambivalenz des Adjektivs offensichtlich durch das Substantiv „Buckliger". Während „Besucher" „mexikanisch" als Herkunftsangabe verstehen läßt, sucht man bei der Gruppe b unwillkürlich nach einem Zusammenhang zwischen der Buckligkeit und der mexikanischen Herkunft. D a die geographische Herkunft der Buckligkeit äußerlich bleibt, forscht man nach einer mexikanischen Besonderheit, mit der die Buckligkeit in Zusammenhang stehen könnte. Man denkt vielleicht an das FratzenhaftVerwachsene aztekischer Götzenfiguren. Es ist also möglich, daß das Substantiv die Ambivalenz des Adjektivs aktualisiert. Zusammenfassung: Im ersten Beispiel erhält das gewöhnliche Adjektiv „fromm" die Funktion eines Bezugsadjektivs. Im zweiten und im dritten Beispiel werden Bezugsadjektive syntaktisch als gewöhnliche Adjektive behandelt, was auf ihren In59

S. 389.

VIII.

143

Exkurs

halt a b f ä r b t . I m vierten Beispiel endlich w i r d die Ambivalenz des ambivalenten Adjektivs aktualisiert. Es zeigt sich, d a ß bei stilistischen Gebrauch die Klasseneinteilung nicht einfach ignoriert wird, sondern in einem mehrfachen Sinn aufgehoben w i r d . Die Klassen werden gerade dadurch anerkannt, d a ß sie überspielt werden. So läßt sich ihr Vorhandensein e contrario nachweisen. Für den Interpreten ist die Kenntnis der Klassen u n d ihrer Merkmale wertvoll, weil er mit ihrer H i l f e den stilistischen W e r t dieser Adjektive adaequat beschreiben k a n n .

VIII.

Exkurs:

Zur Klassifizierung

der

Personenbezeichnungen

Von Personenbezeichnungen lassen sich mit H i l f e der Suffixe -lieh u n d -isch teils Bezugsadjektive, teils ambivalente Adjektive, teils gewöhnliche A d j e k tive ableiten. Die Klassenzugehörigkeit der A d j e k t i v e ist nicht zufällig, entspricht ihr doch eine Gliederung der zugrundeliegenden Substantive. Als M e r k m a l dieser Gliederung h a t sich die Opposition „Artikellosigkeit/unbestimmter Artikel nach dem Verb „sein"" ergeben. Es f r a g t sich nun, o b diese Opposition singular ist oder ob ihr andere M e r k male z u r Seite stehen. W i r untersuchen das Verhalten der Personenbezeichnungen nach dem Verb „ w e r d e n " . Es gibt Personenbezeichnungen, die sich direkt mit „werden" verbinden (im N o m i n a t i v ) . Andere dagegen verlangen die K o n s t r u k t i o n „werden z u " : werden ( + Nominativ): Er w u r d e Bundesrat

werden zu: Er w u r d e z u m

Spielverderber

„Bundesrat" schließt die K o n s t r u k t i o n „werden z u " aus; „Spielverderber" schließt die K o n s t r u k t i o n „werden + N o m i n a t i v " aus. Weitere Beispiele: Er Er Er Er Er Er

wurde wurde wurde wurde wurde wurde

Arzt Anwalt 6 0 Flieger Schriftsteller Zeichner Fahrer Er Er Er Er Er Er

60

wurde wurde wurde wurde wurde wurde

zum zum zum zum zum zum

Verbrecher Hochstapler Helden Gauner Verschwender Profitjäger

Im Satz „Er wurde zum Anwalt der Armen" hat „Anwalt" eine andere Funktion als im Satz „Er wurde Anwalt".

144

Das

Bezugsadjektiv

Personenbezeichnungen, die sich direkt mit dem Verb „werden" verbinden, bleiben nach dem Verb „sein" in der Regel artikellos: Er Er Er Er Er

wird wird wird wird wird

Arzt Bundesrat Anwalt Zeichner Fahrer

/Er /Er /Er /Er /Er

ist ist ist ist ist

Arzt Bundesrat Anwalt Zeichner Fahrer

Personenbezeichnungen, die die Konstruktion „werden zu" verlangen, stehen nach dem Verb „sein" in der Regel mit dem unbestimmten Artikel: Er wird zum Spielverderber /Er ist ein Spielverderber Er Er Er Er

wird wird wird wird

zum zum zum zum

Verbrecher Helden Gauner Profitjäger

/Er /Er /Er /Er

ist ist ist ist

ein ein ein ein

Verbrecher Held Gauner Profitjäger

Der Unterschied zwischen den beiden Klassen von Personenbezeichnungen kommt natürlich auch bei der Negation zum Vorschein: Er Er Er Er Er

ist ist ist ist ist

nicht nicht nicht nicht nicht

Arzt Bundesrat Anwalt Zeichner Fahrer

/Er /Er /Er /Er /Er

ist ist ist ist ist

kein kein kein kein kein

Held Spielverderber Gauner Verschwender Brandstifter

Für die Personenbezeichnungen, die nach dem Verb „sein" artikellos bleiben, ist sehr oft kennzeichnend, daß sie auch vor einem Eigennamen artikellos bleiben: Er Er Er Er Er

ist ist ist ist ist

Flieger Zahnarzt Pfarrer König Richter

/Flieger Roth /Zahnarzt Weber /Pfarrer Meier /König Ludwig /Richter Adam

Die Personenbezeichnungen, die nach dem Verb „sein" mit dem unbestimmten Artikel stehen, schließen diese Konstruktion aus: Er ist ein Spielverderber Er ist ein Hochstapler Er ist ein Held Er ist ein Verschwender Er ist ein Dieb Wir fassen die unterscheidenden Merkmale zusammen Klasse „Bundesrat": a) nach dem Verb „sein"

artikellos

Klasse „Spielverderber" mit unbestimmtem Artikel

VIII.

b) nach dem Verb „werden" c) vor Eigennamen: d) Negation nach dem Verb „sein":

145

Exkurs

Nominativ ohne Art. artikellos

zu + Artikel + Substantiv mit Artikel

nicht

kein

Nun gibt es Personenbezeichnungen, die mehr oder weniger durchgehend beide Konstruktionen zulassen. Wir nennen sie, analog den entsprechenden Adjektiven, a m b i v a l e n t . Beispiele: Meister:

Soldat:

Schauspieler:

Christ:

a) b) c) d) a) b) c) d) a) b) c) d) a) b)

Klasse „Bundesrat": Er ist Meister Er wird Meister Meister Johann Er ist nicht Meister Er ist Soldat Er wird Soldat Soldat Müller Er ist nicht Soldat Er ist Schauspieler Er wird Schauspieler Schauspieler Graf Er ist nicht Schauspieler Er ist Christ Er wird Christ

c)

d) Er ist nicht Christ

Klasse „Spielverderber": Er ist ein Meister Er wird zum Meister der Meister Hieronymus Er ist kein Meister Er ist ein Soldat Er wird zum Soldaten der Soldat Müller Er ist kein Soldat Er ist ein Schauspieler Er wird zum Schauspieler der Schauspieler Göbbels Er ist kein Schauspieler Er ist ein Christ Er wird zum Christen der Christ Petronius Er ist kein Christ

Die Klassenmerkmale der verschiedenen Personenbezeichnungen treten jedoch nicht in allen syntaktischen Rollen in Erscheinung. So bleiben beispielsweise in der Rolle des S u b j e k t s die unterscheidenden Merkmale unsichtbar: Ein Bundesrat hat ein großes Arbeitspensum Ein Dieb ist nie vor Entdeckung sidier Im P l u r a l verschwinden die Klassenmerkmale ebenfalls, jedenfalls nach dem Verb „sein": Sie sind Bundesräte Sie sind Verschwender Tritt die einleitende Formel „es i s t . . . " an Stelle von „er ist. ..", so treten die Klassenunterschiede ebenfalls nicht zutage: Es war ein Arzt Es war ein Dieb Es steht somit fest, daß die Klassenmerkmale nur bei bestimmten syntaktischen Rollen in Erscheinung treten, während sie bei anderen latent bleiben.

10 Sdiäublin 1

Das

146

Bezugsadjektiv

Nun ist nach der s e m a n t i s c h e n F u n k t i o n der syntaktischen Klassenunterschiede zu fragen. Wir gehen dabei von der Beobachtung aus, daß bei den ambivalenten Substantiven die doppelte Klassenzugehörigkeit durch Antithesen aktualisiert werden kann: Er war ein Politiker, ohne Politiker zu sein Er besaß die Eigenschaften eines Politikers, ohne doch „professioneller" Politiker zu sein. Er war Meister und doch kein Meister Zwar durfte er sich „Meister" nennen, doch verfügte er nicht über die Fähigkeiten eines Meisters. Er war nicht Lehrer und dennoch war er ein Lehrer Ohne den Lehrerberuf auszuüben, wirkte er doch wie ein Lehrer. Was die Konstruktion „werden zu" angeht, so kann ihre Besonderheit deutlich am bekannten Vers aus Schillers Glocke abgelesen werden, obwohl das Substantiv im Prädikat keine Personenbezeichnung ist: Da werden Weiber zu Hyänen Das Werden, wie es die Präpositionalkonstruktion „werden zu" ausdrückt, ist n i c h t e i n K o n t i n u u m , s o n d e r n e i n W e c h s e l , e i n e V e r w a n d l u n g . Im zitierten Vers steht das Abrupte, Plötzliche der Verwandlung im Vordergrund. Es können aber auch die bewirkenden Umstände hervorgehoben werden: Im Krieg wird der Soldat zum Lehrer In der Not wird der Biedermann zum Dieb Zumeist besteht ein scharfer Kontrast zwischen dem Subjekt und dem prädikativen Substantiv: Soldat Weiber Biedermann

X Lehrer X Hyänen X Dieb

Die Konstruktion „werden zu" bewirkt aber auch, daß die kontrastierenden Substantive c h a r a k t e r i s i e r e n d e F u n k t i o n erhalten. Es ist bemerkenswert, daß durch diese Konstruktion selbst jene Personenbezeichnungen charakterisierende Funktion erhalten, die sonst kraft ihrer Klassenzugehörigkeit diese Funktion gerade ausschließen: Da wird der einfache Soldat zum Offizier Da wird der Laie zum Richter Voraussetzung ist freilich, daß das Subjekt eine Personenbezeichnung die mit der Personenbezeichnung im Prädikat kontrastiert wird.

ist,

Die nach dem Verb „sein" artikellosen Substantive bezeichnen in der Regel einen s o z i a l e n S t a t u s 6 1 , und dieser soziale Status ist p e r m a n e n t . „Werden zu" bezeichnet dagegen eine Verwandlung, einen Umschlag, wie er 01

Vgl. oben S. 102.

VIII.

Exkurs

147

mit dem Status unvereinbar ist. Der Status „Meister" ist losgelöst von der wirklichen Meisterschaft des Statusträgers. Die Meisterschaft muß unter Beweis gestellt werden, der Status nicht. Die Konstruktion „werden zu" wird nie mit dem Ausdruck des Wollens verbunden. Der Satz „Er will zum Meister werden" ist widersprüchlich in sich selbst. Die Frage „Willst du zum Spielverderber werden?" bedeutet: „Willst du dies tun und dadurch das Odium des Spielverderbers auf dich nehmen?" Das Verb „wollen" hat hier eine andere Bedeutung als in der Frage: „Willst du Arzt werden?" „Werden zu" bezeichnet also ein Werden, bei dem keine Absicht im Spiel ist, das durch die Umstände, die besondere Situation bewirkt wird. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den semantischen Funktionen der Konstruktionen „Er wurde zum Dieb" und „Er war ein Dieb", sowie zwischen den semantischen Funktionen der Konstruktionen „Er wurde Arzt" und „Er war Arzt"? Wir gehen davon aus, daß die Personenbezeichnung „Dieb" die Elemente „Eigenschaft" und „Person" enthält und so der Gruppe „Adjektiv + Substantiv" gleichzustellen ist62: Er ist ein schlechter Mensch Er ist ein Dieb Das Substantiv „Arzt" gestattet keine entsprechende Zerlegung in die Elemente „Eigenschaft" und „Person". Kennzeichnend für die Eigenschaft ist, daß sie latent bleiben oder manifest werden kann. Ob einer ein Dieb, ein Spielverderber, ein Held oder ein Prahler ist, muß sich in actu zeigen. Eben diese Aktualisierung wird durch die Konstruktion „werden zu" geleistet. Der Status dagegen ist weder latent noch manifest in diesem Sinne. Er bezeichnet, unabhängig von ihren Eigenschaften, die gesellschaftliche Position einer Person. Eine Aktualisierung des Status durch die Konstruktion „werden zu" erübrigt sich deshalb. Es sei hier noch auf eine Konstruktion hingewiesen, die der Konstruktion „werden zu" spiegelbildlich entspricht: a) Er wurde zum Dieb b) Aus ihm wurde ein Dieb Die Spiegelbildlichkeit zeigt sich deutlich bei der folgenden Gegenüberstellung: a) Nominativ: Der Biedermann wird b) Präpositionalkonstruktion Aus dem Biedermann wird

Präpositionalkonstruktion: zum Dieb Nominativ: ein Dieb

Die Spiegelbildlichkeit verbietet es, den Nominativ im Satz „Aus dem Biedermann wird ein Dieb" als Subjekt zu deuten. Spiegelbildlich sind auch die 62

10*

Vgl. oben S. 102.

148

Das

Bezugsadjektiv

Präpositionen: „Aus" bezeichnet den Ausgangspunkt, „zu" den Zielpunkt. Ist der Zielpunkt bezeichnet, so ist damit ein Ausgangspunkt impliziert, was eine Kontrastierung bewirkt (vgl. Soldat X Lehrer, Biedermann X Dieb). Ist der Ausgangspunkt bezeichnet, so ist ein Zielpunkt impliziert, was wiederum eine Kontrastierung bewirkt. Wir stellen nun die drei Klassen von Personenbezeichnungen noch einmal zusammen:

1 a) artikellos nach dem Verb „sein": b) mit unbestimmten Artikel: 2 a) werden + artikelloser Nominativ: b) mit Artikel (werden zu): 3 a) artikellos vor Eigennamen: b) mit Artikel:

Klasse 1 Bundesrat Gärtner Arzt

Klasse 2 Meister Politiker Soldat

+

+



+ —

+ —

+ + +

+ +

Klasse 3 Dieb Spielverderber Held



+



+ —

+

Wird ein Substantiv der Klasse 1 mit den Merkmalen der Klasse 3 versehen oder ein Substantiv der Klasse 3 mit den Merkmalen der Klasse 1, so sprechen wir von metaphorischem Gebrauch. Wir verwenden den Begriff „Metapher" im Sinne E. Leisis, der gezeigt hat, daß die Metapher durch Kombination verschiedener semantischer Klassen entsteht, z. B. durch die Kombination der Klassen „lebloses Ding" und „redefähiges Lebewesen" im Satz „Die Steine reden"*3. Hinter den s y n t a k t i s c h e n Klassenunterschieden der Personenbezeichnungen stecken s e m a n t i s c h e Unterschiede. Die Voraussetzungen für eine Metaphorisierung sind damit gegeben. Wird eine Personenbezeichnung der Klasse 1 mit den Merkmalen der Klasse 3 versehen, so v e r e i n i g t s i e die Bestimmungen b e i d e r K l a s s e n in s i c h , denn die angestammte Klassenzugehörigkeit bleibt erhalten. Es werden also, wie die Metaphorisierung es erfordert, zwei verschiedene Klassen kombiniert. 63

Der Wortinhalt, S. 70 f.

VIII.

Beispiele f ü r solche Metaphorisierung: klassengemäße Verwendung: Er ist ein Dieb Er wurde zum Dieb Er ist Pfarrer Er wurde Pfarrer

149

Exkurs

metaphorische Verwendung: Er ist Dieb Er wurde Dieb Er ist ein Pfarrer Er wurde zum Pfarrer

Metaphorisierung liegt auch in Sätzen wie „Da wurde der Laie zum Riditer" vor. Allerdings sind die Metaphern, die durch die Kombination der Klassen „Status" und „Eigenschaft" entstehen, schwächer als die Metaphern, die durch die Kombination der Klassen „Lebewesen" und „totes Ding" entstehen, denn die Differenz zwischen den Klassen „Status" und „Eigenschaft" ist sehr viel geringer als die Differenz zwischen den Klassen „Lebewesen" und „totes Ding". Bei den ambivalenten Personenbezeichnungen (Klasse 2) ist die Metaphorisierung nicht möglich. Da bei diesen Personenbezeichnungen die Merkmale der Klasse 1 und der Klasse 3 gleichberechtigt sind, ist ihre Klassenzugehörigkeit alternativ. Zugehörigkeit zur einen Klasse bedeutet bei den ambivalenten Personenbezeichnungen immer Verlust der Zugehörigkeit zur anderen Klasse, sofern nicht in stilistischer Absicht die Ambivalenz aktualisiert wird. Wir fassen zusammen: 1. Auf Grund mehrerer syntaktischer Merkmale, zwischen denen eine Korrelation besteht, lassen sich verschiedene Klassen von Personenbezeichnungen unterscheiden. 2. Den formalsyntaktischen Klassenunterschieden entsprechen zwischen denen ebenfalls eine Korrelation besteht.

semantische,

3. Den Wechsel von klassengemäßer zu nichtklassengemäßer Verwendung nennen wir Metaphorisierung. Die metaphorische Wirkung nichtklassengemäßer Verwendung ist hier vergleichsweise schwach, weil die Klassen sich nahe stehen. 4. Die ambivalenten Personenbezeichnungen lassen sich nicht metaphorisieren. Während die Substantive der Klassen 1 und 3 kraft ihrer Klassenzugehörigkeit die formalsyntaktischen Merkmale ihrer Klasse fordern, werden die ambivalenten Substantive der Klasse 2 erst durch die formalsyntaktischen Merkmale der einen oder der anderen Klassen zugewiesen. 5. Es hat sich gezeigt, daß der Wechsel „Artikel/Artikellosigkeit" die Personenbezeichnungen klassifiziert. Diese klassenbildende Funktion des Wechsels „Artikel/Artikellosigkeit" ist jedoch nur bei bestimmten syntaktischen Rollen des Substantivs relevant. Wir schließen daraus, daß eine Darstellung der Artikelfunktionen nicht allein auf das Substantiv, sondern auch auf dessen Rolle im Satz abzustellen hätte.

3. K A P I T E L

Präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung I.

Einleitung

Dem Zeitungsleser sind stereotype, mehr oder minder häufig wiederkehrende Formeln wie „auf dem (im) Gebiet", „im Bereich", „im Sektor", „auf der Ebene", „im Rahmen", „im Falle", „in der Frage", „in (der) Form", „in Gestalt", „im Sinne", „auf dem (im) Wege", „auf Grund", „auf dem Hintergrund" usw. wohlbekannt. Man begegnet ihnen auch recht oft in der wissenschaftlichen Sachprosa, etwa in den Bänden von Rowohlts Deutscher Enzyklopädie. Wer französische und englische Zeitungen liest, wird auch dort häufig Formeln dieser Art finden. Beispiele: französisch:

englisch:

dans le domaine de, dans le secteur de, en matière de, en fait de, sur la base de, dans le cadre de, dans le cas de, en cas de, au sujet de, par voie de, sous l'angle de, en qualité de in the domain of, in the field of, in the sector of, in the sphere of, on the basis of, within the framework of, in the case of, in case of, in the event of, in the matter of, by means of, by way of, in the occasion of, for the purpose of

Manchmal lassen sich deutsche Wendungen dieser Art wörtlich ins Französische und ins Englische übersetzen. Beispiele1 : a) „Es erhalte davon aber nur wenige Prozent in Form von Aufträgen der geförderten afrikanischen Länder zurück." (Köln. St. 4./5. 5. 63) französisch:

1

„Les pays africains qui jouissent de son aide n'en remboursent qu'un faible pourcentage sous forme de commandes."

Die Übersetzung ins Franz. verdanke ich Herrn Dr. A. Scholl; die Übersetzung ins Engl, verdanke ich Herrn F. M. Blackwell, B. A.

1.

englisch:

151

Einleitung

„It recovers only a small percentage of its financial aid in the form of orders from the African countries it has assisted."

b) „Russland hat bereits heute den Westen auf dem Gebiete der Ausbildung von technischen Kräften überflügelt." (Baade, S. 150) französisch:

„La Russie a déjà devancé les Occidentaux dans le domaine de la formation de techniciens."

englisch:

„Russia has already outdone the West in the training of engineers." ( k e i n e entsprechende Formel)

c) „Keine dieser Hoffnungen erscheint im Lichte der jüngsten Entwicklungen als gerechtfertigt." (Stuttg. Z. 9. 5. 64) französisch:

„A la lumière de ces développements les plus récents aucun de ces espoirs ne semble justifié."

englisch:

„In the light of recent developments none of these hopes seem justified."

Es wäre verlockend, Formeln dieser Art mehrsprachig zu untersuchen. Ein solcher Vergleich ergäbe zweifellos eine Vielfalt von interessanten semantischen und strukturellen Problemen. Wir wollen uns jedoch mit einer Untersuchung von deutschen Formeln dieser Art begnügen. In der Kapitelüberschrift werden diese Formeln „präpositionale Wendungen mit Gleidisetzung" genannt. Ob diese Bezeichnung zu Recht gewählt worden ist, mögen die Untersuchungen dieses Kapitels zeigen. Vorerst sind nur einige terminologische Probleme zu klären: a) Was heißt „präpositionale Wendung mit Gleichsetzung"} In der Regel sind die Formeln, die wir „präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung" nennen, mit einem Genitivattribut 2 verbunden. Das Substantiv der Formel selbst ist somit Bezugswort des Genitivattributs: die Forschungen auf dem Besprechungen auf der Meinungsverschiedenheiten in der ihre Stellungnahme in ihre Verluste im

Bezugswort Gebiet Ebene

Genitivattribut der Chirurgie der Kantonsregierungen

Frage Form Falle

der Steuerpolitik eines Memorandums einer Abwertung

Als Variante des Genitivattributs ist auch Präp.attribut mit „von" oder Attribut im gleichen Kasus wie das Bezugswort möglich.

152

Präpositionale Wendungen mit Gleichset2ung

Wie das Verhältnis zwischen Genitivattribut und Bezugswort bestimmt werden kann, ist im 1. Kapitel gezeigt worden. Wendet man das Verfahren der Rücktranspositionen auf die oben angeführten Gruppen an, so ergibt sich aus dem Bezugswort jedesmal ein G l e i c h s e t z u n g s n o m i n a t i v 3 : die Chirurgie ist das G e b i e t . . . die Kantonsregierungen die Steuerpolitik das Memorandum die Krise

sind ist ist ist

die Ebene . . . die F r a g e . . . die Form . . . der F a l l . . .

Das Bezugswort ist also dem Genitivattribut gleichgesetzt. Deshalb die Bezeichnung „Präpositionale Wendung mit Gleichsetzung". Wenn präpositionale Wendungen dieses Typs Gleichsetzung bedingen, so ist in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist. b) Terminologische Folgerungen aus dem Vergleich solcher Formeln mit einfachen Präpositionen: Einfädle Präpositionen setzen zwei Begriffe in ein Verhältnis zueinander. Einfache Präpositionen sind im Deutschen in der Regel daran kenntlich, daß sie den Kasus eines Substantivs regieren. Dieses regierte Substantiv nennen wir Begriff B. Den Begriff, den die Präposition mit dem Begriff B verbindet, nennen wir Begriff A. Beispiele: Begriff A das Buch der Einbruch die Trauer E r schläft E r verlangt

Präposition auf

im nach

Begriff B dem Tisch das Geschäft den Verstorbenen Garten Wasser

Formeln wie „auf dem (im) Gebiet", „im Rahmen", „auf dem (im) Wege" usw. als präpositionale Wendungen betrachten, heißt, sie f u n k t i o n e l l m i t e i n f a c h e n P r ä p o s i t i o n e n v e r g l e i c h e n . Daraus folgt, daß der Gleichsetzungsgenitiv als Begriff B zu betrachten ist. B e g r i f f A ist dann dasjenige, worauf der Gleichsetzungsgenitiv durch die präpositionale Wendung bezogen ist. Beispiele: Begriff A die Fortschritte Steuerermäßigungen

präp. Wendung auf dem Gebiet in Form

Begriff B der Chirurgie von erhöhten Abschreibungen

Zollsenkungen Leistungssteigerung Er arbeitet

im Rahmen auf dem Wege auf dem Gebiet

bilateraler Abmachungen der Rationalisierung der Molekularbiologie

3

Dieser Begriff nach der Duden-Grammatik, §§ 8 6 8 — 8 7 1 , S. 4 3 7 — 4 3 8 . Wir sprechen von „Gleichsetzungsgenitiv", obwohl das B e z u g s w o r t das Genitivattribut dem Gleichsetzungsnom. entspricht.

und nicht

II.

Kombinatorische

Möglichkeiten

der einfachen

Präpositionen

153

Aus dieser Darstellung geht hervor, daß die Bezeichnungen „(Genitiv-)Attribut" oder „Gleichsetzungsgenitiv" einerseits und „Begriff B " andererseits ein und dasselbe unter verschiedenen Gesichtspunkten bezeichnen. Die Bezeichnung „(Genitiv-)Attribut" oder „Gleichsetzungsgenitiv" hebt die direkte syntaktische Abhängigkeit vom Bezugswort, also vom Substantiv der präpositionalen Wendung, hervor. Die Bezeichnung „Begriff B " dagegen hebt die präpositionale Funktion von Wendungen wie „auf dem (im) Gebiet", „im Rahmen", „auf Grund" hervor und postuliert damit auch den Bezug des Begriffs B auf einen Begriff A. Nach diesen terminologischen Erläuterungen sei kurz auf die Fragen hingewiesen, die in diesem Kapitel behandelt werden. Zunächst werden die kombinatorischen Möglichkeiten der einfachen Präpositionen und der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung verglichen ( I I ) . Alsdann werden die Wendungen „im Bereich" und „auf dem (im) Gebiet" gemeinsam untersucht, wobei vor allem eine genaue Bedeutungsdifferenzierung angestrebt wird ( I I I ) . Die kurzen Ausführungen über die Wendung „im Rahmen" geben Gelegenheit, nach einer genetischen Erklärung für die präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung im allgemeinen zu suchen (IV). Bei „auf Grund" ist insbesondere abzuklären, wie sich diese Wendung in das Feld der kausalen Präpositionen einfügt (V). Das Thema des nächsten Abschnitts lautet: Darf „in der Frage" als präpositionale Wendung betrachtet werden? (VI). Zuletzt folgt eine strukturelle Betrachtung der Formel „Präposition + Substantiv mit gleichgesetztem Attribut" in präpositionaler Funktion ( V I I ) .

II. Die kombinatorischen Möglichkeiten der einfachen Präpositionen und der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung Für die Definition der Partikeln, also der Präpositionen, Konjunktionen und Adverbien, sind deren kombinatorische Möglichkeit wesentlich. O b z. B. „während" Präposition oder Konjunktion ist, erkennen wir an der Umgebung, in der es steht. Die Frage, die im folgenden beantwortet werden soll, lautet deshalb: M i t w e l c h e n W o r t a r t e n l a s s e n s i c h d i e e i n f a c h e n P r ä p o s i t i o n e n e i n e r s e i t s und die p r ä p o s i t i o n a l e n W e n d u n g e n a n d e r e r s e i t s k o m b i n i e r e n ? Stimmen die präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung in bezug auf die kombinatorischen Möglichkeiten mit den einfachen Präpositionen überein oder nicht? Wir betrachten zuerst die einfachen Präpositionen.

A. Die einfachen

Präpositionen

1. Die kombinatorischen Möglichkeiten der einfachen

Präpositionen:

Die einfachen Präpositionen stehen im Deutschen vor oder nach dem Substantiv und regieren dessen Kasus.

154

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Beispiele: wegen meiner Eltern entlang der Mauer

/ meiner Eltern wegen / die Mauer entlang

N u n gibt es eine Wortart, die zwar die grammatikalischen, nicht aber die inhaltlichen Merkmale des Substantivs aufweist: das P r o n o m e n . Wir nennen das Pronomen S u p p l e t i v w o r t a r t , weil es für ein Substantiv oder eine ganze Aussage stehen kann: Wo ist das Buch? Hast du es ( = das Buch) mitgebracht? Er hat Schmerzen. Ich weiß es ( = daß er Schmerzen hat) Versteht man unter Suppletion d i e Ü b e r n a h m e d e r grammatikalischen und den Verlust der i n h a l t l i c h e n M e r k m a l e , so ist es auch möglich, daß ein Substantiv ein anderes Substantiv suppleieren kann: Er besitzt alte Waffen und Werkzeuge. Solche Dinge ( = Waffen und Werkzeuge) sind heute sehr gefragt. Da das Pronomen ein Substantiv suppleieren kann, ist es nur natürlich, daß sich die Präposition nicht nur mit dem Substantiv, sondern auch mit dem Pronomen kombinieren läßt, wobei hier ungeprüft bleibe, ob sich alle Präpositionen mit sämtlichen Arten von Pronomina verbinden lassen. Neben den Pronomina gibt es eine Gruppe von Adverbien mit pronominaler Funktion 4 : die h-Adverbien „hier", „hin", „her", die d-Adverbien „da", „dort", „dann" und die w-Adverbien „wie", „wo", „wann". Sie werden Pronominaladverbien genannt, weil sie von alten Pronominalstämmen gebildet sind und an Stelle eines Substantivs stehen können: da = an dieser Stelle Unter den einfachen Präpositionen bilden jene eine besondere Gruppe, die sich nicht nur mit Pronomina, sondern auch mit den Pronominaladverbien „hier", „da", „wo" kombinieren lassen. Es sind dies: (ab), an, auf, aus, bei, durch, für, gegen, hinter, in, mit, nach, neben, ob, über, um, unter, von, vor, zu, zwischen Wählt man die Möglichkeit der Verbindung mit Pronominaladverbien als Kriterium, so lassen sich zwei Gruppen von einfachen Präpositionen unterscheiden: 4

Vgl. Duden-Grammatik, § 554, S. 291. Eine abweichende Definition gibt der 9. Bd. des Dudens: „Das Pron.adverb ist ein Adverb das für eine Fügung „Präposition + Pron." steht. Die Pron.adverbien sind mit „da, hier, wo" und den folgenden Präpositionen gebildet: an, auf, aus, bei usw." (S. 501—502). Es wird also, anders als im Grammatik-Duden, die Verbindung „da, hier, wo + Präp." Pronominaladverb genannt.

II. Kombinatorische

Möglichkeiten

der einfachen Präpositionen

155

a) Präpositionen, die sich sowohl mit Pronominaladverbien als auch mit gewöhnlichen Pronomina kombinieren lassen. Die oben angeführten Präpositionen gehören alle zu dieser Gruppe. Beispiele: mit Pronominaladverb: mit Pronomen:

hiervon, daran, worauf von dem, an wen, auf diesem

b) Präpositionen, die sich nur mit gewöhnlichen Pronomina verbinden lassen. Diese Möglichkeit ist grundsätzlich allen übrigen Präpositionen eigen, weshalb wir hier auf eine erschöpfende Aufzählung verzichten. Beispiele: trotzdem, statt meiner, diesbezüglich, ungeachtet dessen, ohne ihn, meinetwegen, demgegenüber, infolgedessen, kraft welcher (relativer Anschluß), dementsprechend, demgemäß Die Gliederung der einfachen Präpositionen nach diesem Kriterium führt uns zur Frage, wie denn der heutige Bestand einfacher Präpositionen historisch geschichtet sei.

2. Die historische Schichtung der einfachen

Präpositionen:

a) D i e P r ä p o s i t i o n e n der G r u p p e a ( k o m b i n i e r b a r m i t P r o n o m i n a l a d verbien oder P r o n o m i n a ) : Von den Präpositionen, die sich mit Pronominaladverbien kombinieren lassen, gehören „ab, an, in, ob, um, unter, über, mit, durch, für, vor, bei, wider" zum ältesten Bestand deutscher Präpositionen 5 . Noch im Althochdeutschen kommen hinzu: hinter, gegen, nach, auf, aus. Audi „zu" darf zu dieser Schicht geredinet werden 6 . „Neben" ist eine Verbindung der Präposition „in" mit dem Substantiv ahd. ebani ( = Gleichheit). Aus der Grundbedeutung „in gleicher Weise" soll sich die Bedeutung „auf gleicher H ö h e " entwickelt haben 7 . Die Präposition „zwischen" ist mhd.; sie ist eine Verkürzung aus ahd. „in/ untar zwisken" ( = in der Mitte von beiden) 8 . Gesamthaft betrachtet gehören die Präpositionen, die sich mit Pronominaladverbien verbinden, zur ältesten Schicht deutscher Präpositionen. Die Präpositionen „ab, an, in, ob, um, unter, über, mit, durch, für, vor, bei, wider" sind ursprünglich Ortsadverbien. Sie bekunden ihre adverbiale Herkunft noch heute durch Verbindung mit dem Verb: ab- treten, aus- treten, auf- treten, an- treten, ein- treten (Variante von „in"), über- treten, bei- treten, durch- treten, vor- treten, um- treten, 5

Paul, Dt. Grammatik, Bd. 4, § 278, S. 3.

6

Im Ahd. stand neben der Präp. „za, ze, zi" das Adverb „zuo", von dem sich das heutige „zu" herleitet (Paul, a. a. O., S. 4).

7

Kluge, S. 505.

8

Kluge, S. 900.

156

Präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung mit- machen, wider- sprechen, ob- liegen, unter- ziehen ( = lat. sub), unter- brechen ( = lat. inter)

Die jüngeren „neben" und „zwischen" können nur in Kombination mit dem Pronominaladverb zum Verb treten: daneben- geraten, dazwischen- treten b) Die Schichtung der Präpositionen der Gruppe b (kombinierbar nur mit Pronomina): Schon im A h d . vorhanden sind die Präpositionen „ohne" und „seit", die beiden einzigen Präpositionen der ältesten Schicht, die von A n f a n g an n i c h t l o k a l e Bedeutung haben 9 . Bezeichnenderweise verbinden sich diese beiden nicht-lokalen Präpositionen auch nicht mit Pronominaladverbien. Mhd. sind lokale Präpositionen der Gruppe b wie „innerhalb", „außerhalb", „oberhalb", „unterhalb" (zuerst „niderhalp") 10 , „diesseits", „jenseits" 11 , „inmitten" 12 , „längs" 13 . Mhd. sind aber auch einige nicht-lokale Präpositionen der Gruppe b wie „halb" („halben", „halber") 14 , „statt" 15 , „wegen" 16 . Im Nhd. kommen weitere lokale Präpositionen der Gruppe b hinzu: z . B . „abseits" 17 , „entlang" 18 , „gegenüber" 19 . 9 10 11 12 13

14

15

16

17

18

19

Paul, Bd. 4, § 293, S. 32 und § 297, S. 38. Paul, Bd. 4, § 298, S. 39. Paul, Bd. 4, § 298, S. 40. Paul, Bd. 4, § 306, S. 52. Kluge, S. 422: mhd. lenges ( = der Länge nach) ist Adverb (erstarrter Genitiv). Als Präposition soll es erstmals 1340 in Köln auftreten. Kluge, S. 282: Es handelt sich um Kasusformen des Subst. ahd. „halba", mhd. „halbe" ( = Seite). Die Prap. zeigt schon im Mhd. ein Kausalverhältnis an. Kluge, S. 741: „statt" ist ursprgl. Dat. Sg. des Subst. mhd. „stat" ( = Ort, Stelle). Im Mhd. findet sich auch die Konstruktion mit Präp. „an . . . stete". Kluge, S. 845: „wegen" ist gekürzt aus mhd. „von . . . w e g e n " ( = von Seiten). Die Kürzung soll erstmals im 14. Jh. belegt sein. Kluge, S. 4: die Form mit -s ist seit Stieler (1691) belegt. Früher stand daneben „seitab" ( = zur Seite weg). Kluge, S. 167: „entlang" wird erst seit Campe (1807) als schriftsprachlich anerkannt. Kluge, S. 240: zuerst sind „gegen" und „über" getrennt. Die Verschmelzung „gegenüber" wird von Campe (1808) verzeichnet. Sie ist vielleicht an frz. „visà-vis" angelehnt. „Gegenüber" ist die einzige nhd. Präposition, die sich mit Pronominaladverbien kombinieren läßt: „da gegenüber", „hier gegenüber". Anders als bei den Präpositionen der Gruppe a bleibt diese Kombination allerdings strikte auf lokalen Gebrauch beschränkt (vgl. da-gegen/dem-gegenüber).

II. Kombinatorische

Möglichkeiten

der einfachen

Präpositionen

157

Der gewichtigste Beitrag des Nhd. ist jedoch ein reiches Instrumentarium n i c h t - l o k a l e r Präpositionen. Beispiele: laut 20 , kraft 2 1 , trotz 22 , angesichts23, vermöge 24 , unbeschadet 25 , mittels 26 , dank 27 , seitens28, bezüglich 29 , anläßlich 30 , hinsichtlich31, gemäß 32 , entsprechend 33 . W i r fassen zusammen: Den Kernbestand der Gruppe a bilden Präpositionen d e r ä l t e s t e n S c h i c h t , die ursprünglich O r t s a d v e r b i e n waren. In der Gruppe b finden w i r einmal die zwei n i c h t - l o k a l e n tionen der ä l t e s t e n S c h i c h t (ohne, seit), dann l o k a l e und l o k a l e Präpositionen der m h d . S c h i c h t , endlich einige und zahlreiche n i c h t - l o k a l e Präpositionen des N h d .

Präposinichtlokale

Unsere chronologische Bestandesaufnahme ist von Vollständigkeit weit entfernt. Dennoch vermag sie einige wichtige Aufschlüsse zu geben.

3. Kombinationsmöglichkeiten, und, heutiger Gebrauch:

historische

Schichtung

Für den heutigen Gebrauch der Präpositionen der Gruppe a ist zweierlei kennzeichnend: 1. Sie sind s y n t a k t i s c h v i e l s e i t i g v e r w e n d b a r , verfügen also über eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten. Sie lassen sich nicht nur 20

21

22 23 24

25 26 27 28 29 30 31

32 33

Paul, Bd. 4, §301, S. 47: „laut" geht zurück auf mhd. „nach lüt" (Kanzleisprache). Einfaches „laut" soll seit dem „Ende des Mittelalters" belegt sein. Etym.-Duden, S. 364: „kraft" ist im 16. Jh. aus Dat. Sg. von „Kraft" entstanden Es ist hervorgegangen aus Verbindungen wie „in Kraft", „durdi Kraft" usw. Etym.-Duden, S. 722: „trotz" seit dem 16. Jh. Etym.-Duden, S. 217: „angesichts" seit dem 16. Jh. Paul, Bd. 4, §301, S. 47: In der 2. Hälfte des 16. Jh. fällt die Präp. in Formeln wie „in, nach vermögen" weg. Etym.-Duden, S. 592: Kanzleiwort des 17. Jh. Etym.-Duden, S. 445: Seit dem 17. Jh. Etym.-Duden, S. 99: Als Präp. erst seit dem 19. Jh. Etym.-Duden, S. 635: Als Präp. im 19. Jh. neben älteres „von Seiten" getreten. Etym.-Duden, S. 781: Um 1800 gebildet. Etym.-Duden, S. 387: Im 19. Jh. gebildet. Etym.-Duden, S. 266 (Stichwort „hin"): „hinsichtlich" zu Beginn des 19. Jh. von „Hinsicht" gebildet. Etym.-Duden: Heute wird „gemäß" häufig präpositional gebraucht (S. 209). Etym.-Duden, S. 663: Das Verb „entsprechen" ist mhd. Seine Bedeutung „gemäß sein" ist erst im 16. Jh. im Südwestdeutschen, wohl nach dem Vorbild von frz. „repondre", aufgekommen.

158

Präpositwnale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

mit Substantiv und Pronomen, sondern auch mit Pronominaladverbien und Verben verbinden. Es wäre darum gerechtfertigt, für diese Zeichen die terminologischen Trennungen aufzuheben und eine einheitliche Bezeichnung zu schaffen. 2. Sie sind auch s e m a n t i s c h v i e l w e r t i g . Zwar gilt diese Feststellung nicht für alle Präpositionen der Gruppe a in gleichem Maße, aber sie ist dennoch kennzeichnend für die ganze Gruppe. So können die Präpositionen „an", „auf" und „bei" ein Raumverhältnis, ein Zeitverhältnis, ein Modalverhältnis oder ein Kausalverhältnis ausdrücken 34 . Beispiele mit „bei": Raumverhältnis:

die Weide beim Teich

Zeitverhältnis:

Bei Tag schlafen sie, nachts marschieren sie

Modalverhältnis:

Er war bei vollem Bewußtsein

Kausalverhältnis:

Bei solchen Anforderungen

ist mit

zahlreichen

Ausfällen zu rechnen Syntaktische und semantische Vielwertigkeit sind Zeichen eines fortgeschrittenen Grades von G r a m m a t i k a l i s i e r u n g. Darunter ist zu verstehen: ein weitgehender Verlust an Eigenbestimmtheit, was gleichbedeutend ist mit erhöhter Abhängigkeit vom Kontext. An die Stelle der systemhaften Bestimmtheit, die durch Feldbeziehungen geleistet wird, tritt die parolehafte Bestimmung durch die Verkettung der Zeichen im realisierten Text. Die Präpositionen der ältesten Schicht zeichnen sich aber nicht nur durch syntaktische und semantische Vielwertigkeit aus, der chronologischeen Schichtung korrespondiert darüber hinaus noch eine s y n c h r o n i s c h e Schicht u n g hinsichtlich des Gebrauchs. Die Präpositionen der ältesten Schicht, die sich von Ortsadverbien herleiten, gehören, mit Ausnahme obsolet gewordener Präpositionen wie „ab", „ob", „wider", dem Grundwortschatz der Gegenwartssprache an. Sie sind in der gesprochenen Sprache ebenso heimisch wie in der geschriebenen, in der Alltagssprache ebenso wie in der gewählten. Kurz: diese Präpositionen gehören zum Wortgut aller Sprachschichten. Dasselbe läßt sich nicht behaupten von den neuhochdeutschen Präpositionen. Zwar dürfte „wegen" heute in allen Schichten gebräuchlich sein. Dagegen haben sich „laut", „kraft", „trotz" (?), „angesichts", „vermöge", „unbeschadet", „mittels", „dank", „seitens", „bezüglich", anläßlich", „hinsichtlich" bis heute nicht in der gesprochenen Sprache eingebürgert, es sei denn, die gesprochene Sprache nehme sich die geschriebene zum Vorbild (z. B. die Parlamentssprache). Vielen dieser Präpositionen merkt man noch ihre amtssprachliche Herkunft an. 34

Vgl. Grammatik-Duden, § 574, S. 300.

II. Kombinatorische Auf der einen Seite also wertigkeit,

hohe

Möglichkeiten

der einjachen

syntaktische Frequenz,

und

semantische

Verbreitung

Sprachschichten ;

auf der anderen Seite eine

kombinatorischer

Möglichkeiten,

Frequenz, benen

Beschränkung

auf

die

159

Präpositionen

in

geringere

Monosemie, Schicht

der

Vielallen Zahl

niedrige geschrie-

Sprache.

In der folgenden vergleichenden Übersicht sind die Besonderheiten der Präpositionen der Gruppe a und der Gruppe b zusammengestellt.

A. Chronologische Schichtung

Gruppe a

Gruppe b

M i t Ausnahme von „zwischen" sind diese Präp. schon im Ahd. vorhanden.

Zu dieser Gruppe gehören ahd., mhd., nhd. Präp. (Liste unvollständig)

Den Kernbestand bilden: ab, an, in, ob, um, unter, über, mit, durch, für, vor, bei, wider; diese Präp. sind urspgl. Ortsadverbien.

ahd.: ohne, seit mhd.: inner-, außer-,

Schon im Ahd. sind dazugekommen: hinter, gegen, nach, auf, aus, zu, neben

nhd.:

ober-, unterhalb, dies-, jenseits, inmitten, längs, halb, statt, wegen abseits, entlang, gegenüber, (fern, nah), laut, kraft, trotz, angesichts, vermöge, unbeschadet, mittels, dank, seitens, bezüglich, anläßlich, hinsichtlich, gemäß, entsprechend, während, zwecks

lassen sich kombinieren

lassen sich kombinieren

sche Möglich-

mit:

mit:

keiten

Substantiven

Substantiven

Pronomen

Pronomen

Pronominaladverbien Verben

(Präpositionaladverbien wie „ f e r n " und „nah" auch mit Verben)

B . Kombinatori-

160

Präpositionale Wendungen mit

Gleichsetzung

C. Inhaltliche Eigenschaften

Sieht man von obsolet gewordenen Präp. wie „ab, ob, wider" ab, so ist Polysemie das Kennzeichen dieser Präp. Sie können eine Vielzahl von Verhältnissen ausdrücken, d. h., ihre Funktion wird erst in der „parole" realisiert.

Kennzeichen dieser Präp. ist ihre inhaltliche Bestimmtheit. Sie können nicht eine Vielzahl von verschiedenen Verhältnissen ausdrücken. Ihre Funktion wird nicht erst in der „parole" realisiert, sondern ist schon auf der Ebene der „langue" bestimmt. Die spezialisierten nicht-lokalen Präp. des Nhd. treten in Wettbewerb mit Präp. der Gruppe a

D. Heutiger Gebrauch:

Die Präp. dieser Gruppe dürften die größte relative Häufigkeit aufweisen. Sie sind auf allen Sprachebenen heimisch

Die Präp. dieser Gruppe dürften im allgemeinen weniger häufig sein als die Präp. der Gruppe a. Die nicht-lokalen Präp. der nhd. Schicht, aber auch manche lokalen Präp. dürften in der gesprochenen Sprache nicht heimisch sein

Audi wenn wir annehmen, daß diese Darstellung manches über Gebühr vereinfacht, auch wenn wir berücksichtigen, daß die Gruppe b nicht so homogen ist wie die Gruppe a, so zeigen sich doch Zusammenhänge zwischen chronologischer Schichtung, kombinatorischen Möglichkeiten, inhaltlicher Struktur und heutigem Gebrauch. 4. Die Verbindungen „Pronominaladverb + Präposition" und „Präposition + Pronomen" im heutigen Sprachgebrauch: Die Pronominaladverbien „hier", „da" und „wo" können in Verbindung mit Präpositionen der Gruppe a Substantive suppleieren: Er weiß darüber ( = über diese Angelegenheit) Bescheid Er hatte Pech damit ( = mit seinem Wagen) Dies ist ein Gebiet, worüber ( = über dieses Gebiet) er Bescheid weiß Oft tritt die Verbindung „Präposition + Pronomen" an die Stelle der Verbindung „Pronominaladverb + Präposition". Die Duden-Grammatik bemerkt

II. Kombinatorische

Möglichkeiten

der einfachen

Präpositionen

161

hierzu: „Das Pronominaladverb ersetzt (?) Fügungen aus den Präpositionen an, auf, aus, bei, durch, für, gegen, hinter, in, mit, nach, neben, über, um, unter, von, vor, zwischen mit den Dativen und Akkusativen der persönlichen, demonstrativen und interrogativen und relativen Pronomen. In allen diesen Fällen ist es auf dem Rückzug, weil es keine große Deutlichkeit besitzt" 35 . Das Pronominaladverb steht im allgemeinen für Sachbezeichnungen und „Begriffe". Für Personenbezeichnungen wird dagegen die Verbindung „Präposition + Pronomen" verwendet 36 : Er fährt damit ( = mit seinem neuen Boot) nach Schweden Er fährt mit ihm ( = mit seinem Bruder) nach Schweden Laut Duden ist die Verbindung „Präposition + Pronomen" umgangssprachlich, wenn sich das Pronomen auf Sachbezeichnungen oder Begriffe bezieht. Sie sollte schon deshalb vermieden werden, weil sie als personenbezogen verstanden wird 37 : Hier ist mein Wagen. Du kannst damit (nicht: mit ihm) nach Hause fahren. Endlich empfiehlt der Duden, die Verbindung „Präposition + es" zu vermeiden38: Das Brett ist zu schmal, um ein Buch auf es (besser: darauf) zu stellen. Bei relativem Anschluß ist die Verdrängung des Pronominaladverbs weiter fortgeschritten. Dort wird die Verbindung „Präposition + Pronomen" auch dann verwendet, wenn das Bezugswort eine Sache oder einen abstrakten Begriff nennt 39 : Dies ist der Wagen, mit dem (selten: womit) er flüchtete Die Verbindung „wo + Präposition" gehört hier laut Duden der gehobenen Sprache an40. Dagegen werde das Pronominaladverb verwendet, wenn der (nicht Attribut, sondern) Satzglied sei41. Beispiele:

Relativsatz

Ich frage mich, womit (umgangssprachlich: mit was) er das verdient hat. Ich weiß nicht, worüber (umgangssprachlich: über was) er sich freut. 35

§ 558, S. 293—294.

36

Vgl. Duden, Bd. 9 (Hauptschwierigkeiten), S. 502 (Spalte 2).

37

Duden, Bd. 9, S. 502—503.

38

Vgl. Grammatik-Duden, § 558 a, S. 294.

39

Duden, Bd. 9, S. 503 (Spalte 2).

40

Duden, Bd. 9, S. 503 (Spalte 2).

41

Duden, Bd. 9, S. 504 (Spalte 1). Das in Klammern Hinzugefügte stammt v o m Verfasser.

42

Zur Abgrenzung des indirekten Fragesatzes v o m Relativsatz vgl. Duden-Grammatik, § 1071, S. 515.

11 Sdiäublin 1

162

Präpositionale

"Wendungen mit

Gleichsetzung

Ohne Zweifel sind dies jedoch gar nicht Relativsätze, sondern i n d i r e k t e F r a g e s ä t z e , lassen sie sich doch sinnvoll in direkte Fragesätze umwandeln: „Womit hat er das verdient? Das frage ich mich." „Worüber freut er sich? Ich weiß es nicht" 42 . Interpretiert man sie als indirekte Fragesätze, so beantwortet sich die Frage, warum sich hier die Pronominaladverbien halten können, eigentlich von selbst. Das Interrogativpronomen „fragt in einer ganz allgemeinen Weise nach einem Wesen oder Ding" 4 3 . D a das Wesen oder Ding, wonach gefragt ist, unbekannt, also unbestimmt ist, entbehrt auch das Fragepronomen im allgemeinen der Bestimmtheit. Das Pronominaladverb unterscheidet sich dadurch vom Pronomen, daß es weder Genus, noch Numerus, noch Kasus anzeigt. Eben weil ihm diese bestimmenden Merkmale fehlen, vermag es sich im indirekten Fragesatz zu halten. Die Zahl der Pronomina ist beträchtlich größer als die Zahl der Pronominaladverbien. Dies hat zu tun mit der größeren Deutlichkeit der Pronomina, die grammatikalische Merkmale aufweisen, die den Pronominaladverbien fehlen. Wo immer die Verbindung „Pronominaladverb + Präposition" der Verbindung „Präposition + Pronomen" weicht, da werden die sprachlichen Beziehungen verdeutlicht. Beim indirekten Fragesatz bedarf es dieser Verdeutlichung so wenig beim direkten.

B. Die kombinatorischen Möglichkeiten der Wendungen mit Gleichsetzung

präpositionalen

1. Suppletion des Substantivs: Wendungen wie „im Rahmen", „im Falle", „im Bereich", „auf Grund" usw. verdienen die Bezeichnung „präpositionale Wendungen" vor allem deshalb, weil sie mit Substantiven kombiniert werden können: einfädle Präposition: bei einer Krise präp. Wendung: im Falle einer Krise Das durch die präpositionale Wendung regierte Substantiv ist dann

Attri-

b u t des nominalen Teils der präpositionalen Wendung („Fall"). Wie bei der einfachen Präposition kann auch bei der präpositionalen Wendung mit Gleichsetzung das Substantiv durch die Suppletivwortart Pronomen ersetzt werden: einfache Präposition: präp. Wendung:

43

unter den Schülern

>

unter i h n e n

bei meinem Onkel

>

bei i h m

im Bereich der N A T O >

in d i e s e m

auf dem Gebiet der Krebsforschung

auf d i e s e m

Duden-Grammatik, § 480, S. 256.

>

Bericht Gebiet

II. Kombinatorische

Möglichkeiten

der einfachen

Präpositionen

163

Die Grammatiken der romanischen Sprachen unterscheiden zwischen demonstrativen Adjektiven und demonstrativen Pronomen. Als Adjektiv gilt das Demonstrativum in Verbindung mit dem Substantiv: cette institution Als Pronomen gilt das selbstständige Demonstrativum: celle-ci Der formale Unterschied scheint diese begriffliche Unterscheidung zu rechtfertigen. Die deutschen Grammatiken fassen „Stellvertreter" und „Begleiter" des Substantivs unter der Bezeichnung „Pronomen" zusammen44: diese Institution / diese i s t . . . Begleiter Stellvertreter In Gruppen wie „in diesem Bereich" ( = im Bereich der NATO) und „auf diesem Gebiet" ( = auf dem Gebiet der Krebsforschung) ist die vereinheitlichende Bezeichnung doppelt gerechtfertigt, da das Demonstrativum hier Stellvertreter u n d Begleiter in einem ist: in diesem Bereich 1. Begleiter von „Bereich" 2. Stellvertreter von „NATO" Die präpositionalen Wendungen sind, was ihre kombinatorischen Möglichkeiten betrifft, soweit vergleichbar mit den einfachen Präpositionen der Gruppe b. Wie diese verbinden sie sich m i t S u b s t a n t i v e n u n d m i t P r o n o m i n a . 2. Transposition des

Substantivs:

Wir haben das Pronomen Suppletivwortart genannt, weil es die grammatikalischen Merkmale des Substantivs aufweist, ohne dessen inhaltliche Merkmale zu zu übernehmen. Die so definierte Suppletion ist, wie erwähnt, auch innerhalb derselben Wortart möglich (Substantiv > Substantiv, Verb > Verb). Als T r a n s p o s i t i o n bezeichnet Bally die Überführung eines sprachlichen Zeichens von einer Wortart in eine andere bei gleichbleibendem semantischem Wert 45 . So kann das Substantiv zum Adjektiv transponiert werden: Wissenschaft > Recht > Schule > Kaufmann >

wissenschaftlich rechtlich schulisch kaufmännisch

Diese Adjektive, die wir als Bezugsadjektive kennengelernt haben, können ein Substantiv ersetzen: 44

z. B. die Duden-Grammatik, § 418, S. 237.

45

Vgl. Bally, L.g. et l.fr., § 179, S. 116. Vgl. auch oben S. 6 2 — 6 3 .

Ii 1

164

Präpositionale

'Wendungen

ein Gebiet des Rechts die Staatsform der Demokratie die Pflichten des Arzts

> > >

mit

Gleichsetzung

ein rechtliches Gebiet die demokratische Staatsform die ärztlichen Pflichten

Bezugsadjektive sind bekanntlich nur attributiv verwendbar. Sie können deshalb zum substantivischen Kern der präpositionalen Wendung treten: auf dem Gebiet des Rechts >

auf rechtlichem Gebiet

Vom Bezugsadjektiv wird heute in wachsendem Maße Gebrauch gemacht. Zwischen dem Aufkommen der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung einerseits und dem Aufkommen der Bezugsadjektive andererseits scheint eine Art Wechselbeziehung zu bestehen: die präpositionalen Wendungen erweitern den Anwendungsbereich des Bezugsadjektivs, und das Bezugsadjektiv ist eine zusätzliche kombinatorische Möglichkeit der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung, über die die Präpositionen der Gruppe b nicht verfügen. Beispiele für die Verbindung „präpositionale Wendung + Bezugsadjektiv": Der Mensch braucht Sinn, um leben zu können, und er sucht ihn auch i m p o l i t i s c h e n B e r e i c h . ( = im Bereich der Politik) (N. Z. Z. 17. 4. 62 m) Hierzu sind eine innere Festigung der militärischen Einheiten und eine ständige Modernisierung a u f r ü s t u n g s t e c h n i s c h e m Gebiet ( = auf dem Gebiet der Rüstungstechnik) erforderlich. (F. A. Z. 9. 10. 63) Im Zusammenwirken mit weiteren Fortschritten a u f b i o l o g i s c h e m G e b i e t ( = auf dem Gebiet der Biologie) setzt eine Revolutionierung der landwirtschaftlichen Produktionstechnik mit weitreichenden Folgen auf allen Gebieten ein. (Presse 4./5. 1.64) Freilich gestatten nicht alle präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung die Transposition des substantivischen Attributs zum Bezugsadjektiv. „Auf Grund" zum Beispiel kann nicht mit Bezugsadjektiven kombiniert werden, denn zwischen „auf" und „Grund" kann nichts (nicht einmal ein Demonstrativpronomen) eingefügt werden. „Auf Grund" läßt deshalb auch als Suppletivform einzig das nachgestellte Relativpronomen zu („auf Grund dessen"). Die präpositionalen Wendungen „im F a l l e " , „ a u f d e m ( i m ) W e g e " , „im Z e i c h e n " lassen sich zwar mit dem Demonstrativpronomen kombinieren, s c h l i e ß e n j e d o c h d a s B e z u g s a d j e k t i v i m a l l g e m e i n e n a u s . Nur gerade „im Falle" wird hin und wieder mit Adjektiven verbunden, die als Bezugsadjektive gelten dürfen: Im dänischen Fall sind die durchaus engen und vertrauensvollen Kontakte von etwas anderer Natur. (Welt 15. 2. 64)

II.

Kombinatorische

Möglichkeiten

der einfachen

Präpositionen

165

Wäre er (der eigentliche Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten) im kanadischen Fall einberufen worden, so wäre die Note an Kanada in fünf Minuten abgelehnt worden. (National-Zeitung 26. 2. 63 a) Ähnlich wie bei „im Falle" liegen die Verhältnisse bei „in der Frage". Pluralisches „in Fragen" wird oft mit Bezugsadjektiven kombiniert: „in wirtschaftlichen Fragen", „in medizinischen Fragen", „in schulischen Fragen" usw. Aber gerade der Plural „Fragen" schließt Gleichsetzung mit dem Attribut und damit präpositionale Funktion der Wendung „in Fragen" aus. „Wirtschaftliche Fragen" ist aufzulösen in „Fragen die Wirtschaft betreffend", „medizinische Fragen" in „Fragen die Medizin betreffend", „schulische Fragen" in „Fragen die Schule betreffend46. „Wirtschaft", „Medizin" und „Schule" bezeichnen in diesen Gruppen „Gebiete" oder „Bereiche". Dies erklärt auch, weshalb gerade die präpositionalen Wendungen mit übertragen räumlicher Bedeutung wie „auf dem Gebiet", „im Bereich", „im Felde" usw. die Umwandlung des Gleichsetzungsgenitivs in ein Bezugsadjektiv gestatten. Die Bezugsadjektive stehen dann für Substantive, die selbst ein „Gebiet", einen „Bereich", ein „Feld" bezeichnen. Ganz entsprechend könnte man die pluralischen Gruppen „in wirtschaftlichen, medizinischen, schulischen Fragen" auflösen zu „in Fragen auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Medizin, der Schule". „Frage", „Fall", „Grund", „Zeichen" werden oft mit einem Verbalsubstantiv gleichgesetzt, im Falle einer Verschlechterung seines Zustands in der Frage der Steuererhöhungen auf Grund dieser Erhebungen im Zeichen der Stagnation Von solchen Verbalsubstantiven lassen sich gar nicht Bezugsadjektive ableiten.

3. Die präpositionale

Wendung mit Gleichsetzung als analytische

Form:

Es wurde schon gesagt, daß die Ersetzung der Fügung „Pronominaladverb + Präposition" durch die Verbindung „Präposition + Pronomen" (dafür > für das) zum Teil erst umgangssprachlich, zum Teil schon die Norm (bei relativem Anschluß) sei47. In diesen Fällen tritt eine analytische Form an die Stelle einer synthetischen. Nun läßt sich zeigen, daß auch d i e p r ä p o s i t i o n a l e n W e n d u n g e n m i t G 1 e i c h se t z u n g ins B i l d d i e s e r a n a 1 y t i s c h e n T e n d e n z gehören. Beispiel: Sollte sich wirklich im Zeichen einer Achse „Bonn—Paris" eine bleibende Entfremdung in den amerikanisch-deutschen Beziehungen und in der ganzen 46

Gruppen wie „in Fragen der Wirtschaft" sind möglich, schließen jedodi Gleichsetzung aus.

47

Vgl. oben S. 161.

166

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

westlichen Staatengruppe ergeben, so würde Washington das bedauern . . . aber man ist in der amerikanischen Bundeshauptstadt fest davon überzeugt, daß der lachende Dritte in einem solchen Falle nicht Chruschtschew wäre und daß Chruschtschew, sollte er auf eine solche Karte setzen, einer bitteren Enttäuschung entgegensieht." (National-Zeitung 17. 5. 62 a) Das Demonstrativum „solchen" steht hier für ein substantivisches Attribut, das in diesem Satz leicht zu ermitteln ist: „im Falle einer bleibenden Entfremdung". Als Ersatz für die präpositionale Wendung „in einem solchen Fall" bietet sich das Pronominaladverb „dann", allenfalls auch „dabei", also eine Verbindung „Pronominaladverb + Präposition", an. Die Substitution der Gruppe „präpositionale Wendung mit Demonstrativpronomen" durch das Pronominaladverb oder die Fügung „Pronominaladverb + Präposition" läßt sich vergleichen mit der Substitution der Verbindung „Präposition + Pronomen" durch die Fügung „Pronominaladverb + Präposition": synthetische Torrn: 1. Pronominaladverb + Präposition:

analytische Form: >

darunter womit 2. Pronominaladverb + (Präposition): > dann, dabei

Präposition + Pronomen: unter ihnen mit dem präpositionale Wendung mit Pronomen: in diesem (einem solchen) Falle

Die präpositionale Wendung mit Pronomen besitzt wie die Verbindung „Präposition + Pronomen" größere Deutlichkeit als die Verbindung „Pronominaladverb + Präposition". Wir wissen, daß ein Substantiv nicht nur durch ein Pronomen, sondern auch durch ein anderes Substantiv suppleiert werden kann. Vergleichen wir die volle Gruppe „im Falle einer bleibenden Entfremdung" mit „in einem solchen Falle", so ergibt sich, daß das Pronomen „solchen" das substantivische Attribut „bleibende Entfremdung" vertritt. Doch ist schon „Fall", der nominale Teil der präpositionalen Wendung, nichts anderes als eine Suppletivform für „bleibende Entfremdung". Wie „Ding", „Angelegenheit", „Frage" ist „Fall" ein synsemantisches Wort, das erst durch die Gleichsetzung mit „bleibende Entfremdung" inhaltlich bestimmt wird. Es liegt also bei der Gruppe „in einem solchen Falle" doppelte Suppletion vor: einerseits steht das Pronomen „solchen" für das substantivische Attribut „bleibende Entfremdung"; andererseits suppleiert auch „Fall" dasselbe substantivische Attribut. Diese doppelte Suppletion (Substantiv > Pronomen / Substantiv > Substantiv) erhöht die Deutlichkeit der präpositionalen Wendung gegenüber dem Pronominaladverb „dann" oder der Fügung „Pronominaladverb + Präposition" („dabei").

III.

C.

Die präpositionalen

167

Wendungen „im Bereich"

Zusammenfassung:

Ubersicht über die kombinatorischen Möglichkeiten der einfachen Präpositionen und der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung: Substantiv

Trans-

Suppletion des Subst.

position

analyt.: des Subst.: Pronomen

synthet.:

Bezugs-

nominaladv.

adjekt.

Verb

Pro-

einfache Prä-

+

positionen der Gruppe a

+

+



+

+



+





+





(nicht alle)

einfache Präpositionen der Gruppe b präpositionale

+

Wendungen mit Gleichsetzung

+

(nicht alle)

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß manche präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung nicht nur die S u p p l e t i o n des Substantivs durch ein P r o nomen, sondern auch die T r a n s p o s i t i o n des Substantivs durch ein Bezugsadjektiv ermöglichen. Audi im Bereich des präpositionalen Ausdrucks macht sich damit eine Erscheinung bemerkbar, die in der modernen geschriebenen Sprache immer mehr P l a t z greift: d i e S y n t a x d e r T r a n s p o s i t i o n e n . Bemerkenswerterweise gibt es sogar präpositionale Wendungen (ohne Gleichsetzung), die sich nur noch mit Bezugsadjektiv oder dem Pronomen, nicht aber mit dem Substantiv verbinden lassen:

in ideengeschichtlicher Beziehung / in dieser Beziehung in wirtschaftlicher Hinsicht / in dieser Hinsicht

III. Die präpositionalen Wendungen „im Bereich" und „auf dem (im) Gebiet": Vorbemerkungen: —

Eine vergleichende Betrachtung von „im Bereich" und „auf dem (im) G e b i e t " erscheint schon vom Belegmaterial her gerechtfertigt, wird doch vielfach dasselbe Attribut einmal mit „Bereich", dann wieder mit „Gebiet" verbunden: z. B . „auf dem Gebiet der K u n s t " / „im Bereich der K u n s t " .

168

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

— Zwar sind wir nicht in der Lage, den Vergleich zwischen „im Bereich" und „auf dem Gebiet" auch sprachgeschichtlich durchzuführen, doch sei immerhin auf einige sprachgeschichtliche Probleme hingewiesen, die sich von der synchronischen Betrachtung her ergeben. — Nach dem Ausblick auf die sprachgeschichtlichen Probleme wenden wir uns zuerst der Wendung „im Bereich" zu. Es gilt, die möglichen Relationen zwischen „Bereich" und seinem Attribut zu bestimmen. Weiter ist das inhaltliche Verhältnis zwischen „Bereich" und einfachem „in" zu untersuchen. — Bei „auf dem (im) Gebiet" kommen die Wahl der Präposition und die Relation zwischen „Gebiet" und seinem Attribut gemeinsam zur Sprache. — Nach diesen Vorbereitungen versuchen wir, „im Bereich" und „auf dem (im) Gebiet" zu differenzieren, indem wir zuerst einzelne unterscheidende Merkmale bestimmen und danach mit Hilfe der gewonnenen Merkmale die Ergebnisse einer Umfrage interpretieren. 1. Sprachgeschichtliche

Probleme:

Wollte man die Geschichte der präpositionalen Wendungen „im Bereich" und „auf dem (im) Gebiet" schreiben, so sähe man sich vor Probleme gestellt, mit denen sich auch eine synchronische Untersuchung befassen muß. Im Blick auf eine solche sprachgeschichtliche Darstellung, die wir hier nicht geben können, seien einige Probleme kurz angedeutet. a) Das Verhältnis zwischen „Bereich" und „Gebiet": Das zum Verb „bereichen" gebildete Substantiv „Bereich" ist noch jung48. Es soll zum erstenmal 1797 im „Antibarbarus" von Heynatz belegt sein49. Die Wörterbücher von Adelung (l.Teil 1793) und Campe (l.Teil 1807) erwähnen es noch nicht. Im Wörterbuch von Grimm50 werden Belege aus Werken Goethes angeführt, die nach 1800 entstanden sind: Wo wir Nützliches betreiben / Ist der werteste B e r e i c h (Wilhelm Meisters Wanderjahre) Nicht nur als Maskulinum, auch als Neutrum kommt das Substantiv bei Goethe vor: Greiffst in ein f r e m d e s t e s B e r e i c h (Faust II, 6195) 48

„bereidien" wird heute nicht mehr gebraucht. D a s Wörterbuch v o n Grimm (Bd. 1, Spalte 1496) merkt an: „bereichen": attingere, consequi (mhd. bereidien). Beispiel: „da schlugen sie alles darnider, was sie bereidien konden und mochten" (Aimon N 4).

49

Vgl. Trübner, Bd. 1 (1939), S. 281.

50

Bd. 1 (1854), Spalte 1495.

III.

Die präpositionalen

Wendungen

„im

169

Bereich"

Noch im „Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache" werden die maskuline und die neutrale Form als gleichberechtigt anerkannt 5 1 . Eine Datierung der Konstruktion „im Bereich + Gleichsetzungsgenitiv" ist auf Grund der Wörterbuchbelege nicht möglich. Sehr viel älter als „Bereich" ist „Gebiet". „Gebiet", gebildet vom Verb „gebieten", ist schon im Mhd. belegt, und zwar im Sinne von „Befehl, Gebot, Herrschaft, Gerichtsbarkeit" 5 2 . Selbst die „bildliche, unsinnliche, abstracte" Verwendung von „Gebiet" soll bis ins 16. J h . zurückreichen 53 . Geläufig ist „Gebiet" in „bildlicher, abstracter" Verwendung im 18. Jahrhundert: „Wie also die Blume dastand . . . um sich i m G e b i e t ersten Lebens zu erfreuen." „Die Zeitfolge ist d a s

Gebiet

der Sonne

des

(Herder, Ideen . . . ) des

Dichters,

das Gebiet des Mahlers"

so wie der Raum (Lessing, Laokoon)

In diesen Belegen schimmert aber immer noch die alte Bedeutung durch: im Gebiet der Sonne

=

wo die Sonne H e r r i n

das Gebiet des Dichters

=

wo der Dichter

ist

herrscht

Wie für „im Bereich" läßt sich auch für „auf dem (im) Gebiet" auf Grund der Wörterbuchbelege nicht ausmachen, wann die Konstruktion mit Gleichsetzung aufkommt. Zu untersuchen wäre also das Eindringen von „Bereich" in die Domäne des älteren „Gebiet". Zu untersuchen wäre die Wechselbeziehung der Wortinhalte seit den frühesten Belegen für „Bereich". In der Gegenwartssprache lassen sich unterscheidende Merkmale nachweisen, von denen wir nicht wissen, ob sie von Anfang an vorhanden sind.

b) Die Präposition vor „Gebiet": Es gibt in der Gegenwartssprache Belege für „im Gebiet" und für „auf dem Gebiet". Beide Präpositionen lassen sich schon im 19. Jahrhundert nachweisen: „Die Gemeinheit pflegt in den höheren Gebieten alles, was sie nicht begreift, kurzweg Mysticism zu schelten." (Görres, Europa und die Revolution) 51

Bd. 1 (Berlin 1964), S. 521. Nach P. v. Polenz ist das okkasionelle Neutrum Analogiebildung nadi dem Geschlecht des in gleicher Bedeutung damals noch gebräuchlichen „Reich". Der noch empfundene begriffliche Zusammenhang (von „Reich" und „Bereich") führt zur Kontaminationsform. (,Das W o r t „Reich" als unpolitische Raumbezeichnung', in Zs. f. dt. Philologie 76, 1957).

52

Grimm, Bd. 4 (1878), Spalte 1 7 4 9 : „doch hatt er nidit so grözer macht (Streitkräfte) undir sim gebite" 16239).

53

Grimm, Bd. 4, Spalte 1751.

(Jeroschin

Prapositionale

170

Wendungen mit

Gleichsetzung

„Es that dem Landwirth doch sehr wohl, daß er dem Gelehrten auf

des-

sen Gebiet Bescheid sagen konnte." (Freytag, Die verl. Handschrift) 5 4 Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Präposition und dem Wortinhalt von „Gebiet". Durch den Wechsel „in/auf" wird auch der Inhalt von „Gebiet" modifiziert. Es besteht weiter, wie sich noch zeigen wird, ein Zusammenhang zwischen der Präpositionswahl und der präpositionalen Funktion der Wendung „auf dem (im) Gebiet".

c) D i e G l e i c h s e t z u n g v o n „ G e b i e t " u n d „ B e r e i c h " m i t d e m A t t r i b u t : Von präpositionaler Funktion der Wendungen „im Bereich" und „auf dem (im) Gebiet" darf nur gesprochen werden, wenn „Bereich" und „Gebiet" ihrem Attribut gleichgesetzt sind: im Bereich der Kunst / auf dem Gebiet der Kunst (Kunst = Bereich)

(Kunst =

Gebiet)

Eine geschichtliche Untersuchung müßte also auch Auskunft geben über die Frage, wann diese Konstruktionen aufkommen. Bei „Gebiet" hängt die Möglichkeit der Gleichsetzung mit der Bedeutungsentwicklung zusammen. Solange die Bedeutung „Herrschaftsbereich" auch bei übertragenem Gebrauch der Wendung lebendig ist, was für die zitierten Sätze von Lessing und Herder angenommen werden darf, solange ist die Konstruktion mit Gleichsetzung unwahrscheinlich. Es ist auch mit mehrdeutigen Belegen zu rechnen: „ . . . sobald er (der Mensch) nur die Markung in Acht nimmt, welche s e i n Gebiet

von dem N a t u r g e b i e t e

scheidet." (Schiller, Aesth. Erziehung, Brief 26)

Bei „Naturgebiet" wäre die Gleichsetzung von Bestimmungswort und Grundwort (Natur = Gebiet) sehr wohl denkbar. Nun steht jedoch das Possessivpronomen in der Gruppe „sein G e b i e t " für „Mensch". Das „Gebiet des Menschen" und das „Gebiet der N a t u r " sind parallele Konstruktionen. D a bei „Gebiet des Menschen" Gleichsetzung ausgeschlossen ist, darf man das gleiche auch für „Naturgebiet" annehmen. In diesem Beleg scheint die Bedeutung „Herrschaftsbereich" noch immer aktuell zu sein. Es wird sich zeigen, daß die synchronische und die geschichtliche Darstellung einander ergänzen würden. Die Untersuchung der gegenwärtigen Verhältnisse fördert Fragen zutage, deren Beantwortung einer sprachgeschichtlichen Untersuchung vorbehalten bleibt. Die Antworten wiederum wären für die Darstellung der gegenwärtigen Verhältnisse von Belang. 54

Vgl. Grimm, Bd. 4, Spalte 1752.

III.

Die prapositionalen

Wendungen

171

„im Bereich"

2. Die Relation zwischen dem Substantiv „Bereich" und seinem

Attribut:

Die Relation der Gleichsetzung ist nicht die einzig mögliche Relation zwischen „Bereich" und seinem Attribut. Beispiel 1: „Und wer wollte bestreiten, daß in wesentlichen B e r e i c h e n setzgebung

der

Ge-

die Beschlüsse in Wahrheit schon in den Ausschüssen fal-

len?" (Welt 15. 1 . 6 4 ) Die Kombination „pluralisches Bezugswort +

singularisches A t t r i b u t " schließt

Gleichsetzung von vornherein aus. Es werden mehrere Bereiche der Gesetzgebung angenommen. Das Attribut „Gesetzgebung" bezeichnet also ein teilbares Ganzes, das Bezugswort „Bereich" Teile dieses Ganzen. „In Bereichen" ist hier auch nicht als präpositionale Wendung anzusprechen. Vielmehr verhält es sich so, daß die Präposition „in" die verbale Wendung „Beschlüsse fallen" mit dem Substantiv

„Bereich" verbindet, das seinerseits

durch das Genitivattribut „Gesetzgebung" bestimmt wird. Beispiel 2 : „Wie wird es in den

anderen

Bereichen

der

aussehen?"

Wirtschaft (Welt 21. 12. 63)

Wiederum bezeichnet das Attribut „Wirtschaft" das Ganze, wovon die einzelnen Bereiche Teile sind. Die Beispiele 1 und 2 stimmen überein. Beispiel 3 : „An der Erhaltung eines m ö g l i c h s t großen Bereichs f r e i e n E n t f a l t u n g des einzelnen ist auch der Arbeiter interessiert."

der

( N . Z. Z . 2. 9. 62 So) Das Bezugswort „Bereich" und das Attribut „der freien wirtschaftlichen E n t f a l tung" stehen im Singular. Was den Numerus betrifft, wäre Gleichsetzung also durchaus möglich. Doch zeigt die Rücktransposition ( . . . eines möglichst großen Bereichs, in dem sich der einzelne wirtschaftlich frei entfalten kann), daß der übertragen gebrauchte Raumbegriff „Bereich" nicht dem Verbalsubstantiv „Entfaltung" gleichgesetzt sein kann. Nicht der Numerus, sondern der Wortinhalt schließt hier Gleichsetzung aus. Es gibt noch ein zweites Beweisverfahren. Das Genitivattribut läßt sich in diesem Satz sinnvoll durch ein Präpositionalattribut substituieren: „An der E r h a l tung eines möglichst großen Bereichs für die freie wirtschaftliche Entfaltung des einzelnen ist auch der Arbeiter interessiert." Die Möglichkeit dieser Substitution schließt Gleichsetzung des Genitivattributs mit dem Bezugswort ebenfalls aus. Eine genaue Umschreibung der Gruppe „Bezugswort + A t t r i b u t " lautet so: „Es soll ein möglichst großer Bereich erhalten bleiben, in dem der einzelne sich wirtschaftlich frei entfalten k a n n . "

172

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

In den bisher zitierten Beispielen war „Bereich" mit der Präposition „in" verbunden, aber dem Attribut nicht gleichgesetzt. Es kommt auch das Umgekehrte vor, daß nämlich „Bereich" dem Attribut gleichgesetzt, aber nicht mit der Präposition „in" verbunden ist: Beispiel 4: „ . . . daß eine Privatsphäre niemals autark ist, daß sie sich gewissermaßen nicht selbst ernähren kann, sondern Impulse aus dem Bereich der Öffentlichkeit benötigt." (Bahrdt, S. 58) Die Öffentlichkeit i s t in der Tat der Bereich, aus dem die Privatsphäre Impulse benötigt. Sieht man davon ab, daß „aus dem Bereich" viel seltener ist als „im Bereich", so darf man auch „aus dem Bereich" als präpositionale Wendung betrachten, sofern „Bereich" und sein Attribut einander gleichgesetzt sind. Wir fassen zusammen: Die präpositionale Funktion von Wendungen wie „auf dem (im) Gebiet", „im Bereich", „im Rahmen", „auf dem Wege", „im Falle", „auf Grund" usw. bedingt Gleichsetzung des substantivischen Kerns dieser Wendungen mit dem Attribut. Bei der Mehrzahl dieser Wendungen (Ausnahmen sind „auf Grund", „im Falle") ist Gleichsetzung nicht die einzige mögliche Relation zwischen dem substantivischen Kern und dem Attribut. So schließt Plural des Bezugsworts bei singularischem Attribut Gleichsetzung aus (Beispiele 1 und 2). Gleichsetzung kann aber auch aus semantischen Gründen unmöglich sein (Beispiel 3). Immer ist deshalb zu prüfen, ob der substantivische Kern der Wendung dem Attribut gleichgesetzt ist oder nicht.

3. Das inhaltliche Verhältnis

zwischen „im Bereich" und. einfachem

„in":

Die Belege für „Bereich" lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen: a) In gewissen Sätzen erlaubt der Kontext eine sinnvolle Substitution der präpositionalen Wendung durch die einfache Präposition. Beispiele: 1. Sie geben Zeitschriften heraus und veröffentlichen laufend Erklärungen zu mehr oder minder bedeutsamen Vorgängen im Bereich afrikanischer, asiatischer und auch lateinamerikanischer Staaten." (Tat, 2 9 . 1 1 . 6 2 ) Sinnvoll wäre auch: „ . . . z u mehr oder minder bedeutsamen Vorgängen in afrikanischen, asiatischen und auch in lateinamerikanischen Staaten." 2. „Im Bereich d e r I n n e n p o l i t i k hat es mit der Finanzreform noch gute Weile, da bisher noch nicht einmal das erste Expertengutachten vorliegt." (Münchner Merkur 7. 1. 66) Sinnvoll wäre auch: „In der Innenpolitik hat es mit der Finanzreform noch gute Weile . . . "

III.

Die präpositionalen

Wendungen

„im

Bereich"

173

Sinnvolle Substitution der präpositionalen Wendung durch einfaches „in" bedeutet freilich nicht, daß beide gleichwertig sind. b) In manchen Sätzen erlaubt der Kontext, insbesondere das Attribut (Begriff B), keine sinnvolle Substitution der präpositionalen Wendung durch die einfache Präposition „in". Beispiele: 1. „Nur im Bereich des persönlichen Vertrauensverhältnisses spielt die Affäre Argoud eine Rolle." (Presse 8. 1. 64) „Im Bereich" kann hier allenfalls durch „in bezug auf", nicht aber durch einfaches „in" ersetzt werden. 2. „ . . . durch eine sinnvolle Beeinflussung der öffentlichen Ausgaben vor alem im Investitionsbereich die Wirtschaftstätigkeit anzuregen und gegebenenfalls auch zurückzudämmen." (F. A. Z. 19.10. 63) Statt „im Investitionsbereich" wäre noch „bei den Investitionen" denkbar, keinesfalls aber „in den Investitionen". Will man das inhaltliche Verhältnis zwischen einfachem „in" und der präpositionalen Wendung „im Bereich" beschreiben, so muß man sich an die Beispiele der Gruppe a halten. Beim folgenden Satz ist man ohne Kenntnis des weiteren Kontexts versucht, „im Bereich" als bloße Variante von „in" zu betrachten: „Keine Fortschritte im Hinblick auf einen verstärkten Wettbewerb wurden dagegen im Bereich des Verkehrswesens erzielt." (S. 2 . 24./25./26. 12. 63) Dieser Satz beschließt einen Abschnitt, der wie folgt beginnt: „Dem Streben, das marktwirtschaftliche Ordnungssystem auf weitere B e r e i c h e unserer Volkswirtschaft auszudehnen, war 1963 ein bedeutsamer Erfolg beschieden." Das „Verkehrswesen" ist demnach als einer von mehreren Bereichen der „Volkswirtschaft zu betrachten. Andere Bereiche sind etwa die Landwirtschaft und die Wohnungswirtschaft. In allen diesen Bereichen soll die wirtschaftliche Konzeption der Regierung, eben das marktwirtschaftliche Ordnungssystem, verwirklicht werden. Für die richtige Deutung der präpositionalen Wendung ist die Kenntnis dieses Hintergrundes entscheidend. Dadurch, daß „Verkehrswesen" dem übertragenen Raumbegriff „Bereich" gleichgesetzt ist, werden die umschließenden Grenzen hervorgehoben, während das Umschlossene, der „Inhalt", zurücktritt. Die Gleichsetzung „Verkehrswesen = Bereich" wirkt abstrahierend, und zwar gerade dadurch, daß das Attribut „Verkehrswesen" einem Begriff gleichgesetzt ist, der, im übertragenen Sinne, eine räumliche Gliederung schafft und „Verkehrswesen" als abgegrenzten Teil eines Ganzen vorstellt. „Bereich" setzt im Grunde zwei Relationen voraus: die explizite Relation der Gleichsetzung (Verkehrswesen = Bereich) und die implizite Relation der Subsumption „Teil" (Bereich) — „Ganzes" (Volkswirtschaft).

174

Prapositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

In schematischer Darstellung: Volkswirtschaft (das aus allen Bereichen gebildete Ganze) A

Subsumption

Bereich

Gleichsetzung

>-

Attribut (Verkehrswesen)

Durch die Gleichsetzung mit „Bereich" wird also das Attribut „Verkehrswesen" unter einen impliziten Oberbegriff subsumiert. Diese Subsumption ist es, die abstrahierend wirkt. Im eben zitierten Satz ließe sich „im Bereich" auch durch „auf dem Gebiet" ersetzen. Was für „im Bereich" gilt, die doppelte Relation der Gleichsetzung und der Subsumption, das würde auch für „auf dem Gebiet" gelten. Weiteres Beispiel: „Am schnellsten werden sich wohl die Abmachungen i m U n t e r r i c h t s b e r e i c h verwirklichen." (F. A. Z. 6. 7. 63) „Im Unterrichtsbereich" läßt sich sowohl auf „Abmachungen" als auch auf das Verb „verwirklichen" beziehen. Im ersten Fall ist es Präpositionalattribut, im zweiten Fall ist es Umstandsangabe. Im ersten Fall steht „im Bereich" den präpositionalen Ausdrücken „bezüglich" und „in bezug auf" nahe, im zweiten Fall einfachem „in". Bei einfachem „in" sind die Beziehungen im Satz eindeutig: „im Unterricht" kann nur auf das Verb bezogen sein, ist also Umstandsangabe. „Im Unterrichtsbereich" ist somit mit „im Unterricht" nur vergleichbar, wenn es Umstandsangabe ist. Ersetzen wir „im Bereich" durch ein einfaches „in", so ergibt sich eine neue Bedeutung. Nun denken wir beim Wort „Unterricht" an Unterrichtsstunden und an Vorlesungen. Bei der Gleichsetzung „Unterricht = Bereich" dagegen wird „Unterricht" selbst zum räumlichen Begriff im übertragenen Sinne; es kann dann mit dem Kompositum „Unterrichtswesen" verglichen werden. Das Wort „Unterricht" kann also verschiedene Inhalte annehmen, ähnlich wie das Wort „Schule" etwa in den Gruppen „Schule haben, geben" und „Schule und Elternhaus" verschiedene Inhalte annimmt. Der Wechsel „im Unterricht / im Unterrichtsbereich" ist primär ein Wechsel von einer Vorgangsbezeichnung zu einer übertragen-räumlichen Größenbezeichnung. Aber auch hier ist die implizite Subsumption wirksam. Zwar fehlt ein Oberbegriff, doch wissen wir vom Kontext her, daß das Unterrichtswesen nur einer von mehreren Verhandlungsgegenständen war. Beispiel 3: „Der Mensch braucht Sinn, um leben zu können, und er sucht ihn auch i m p o 1 i t i s c h e n B e r e i c h." (N. Z. Z. 17. 4. 63 m) „Politisch-" ist Bezugsadjektiv und kann in einen Gleichsetzungsgenitiv umgewandelt werden: „ . . . i m Bereich der Politik". Bei substantivischem Attribut

III.

Die präpositionalen

Wendungen

„im Bereich"

175

kann „im Bereich" wiederum sinnvoll durch einfaches „in" substituiert werden: „in der Politik". Wiederum wird das Attribut, „Politik", durch die Gleichsetzung mit „Bereich" eingeordnet in ein umfassendes Ganzes, das zwar ungenannt bleibt, aber doch gegenwärtig ist. Es gibt neben der Politik noch andere Bereiche. Wir denken etwa an den Bereich der Arbeit oder an den privaten Bereich. Das umfassende Ganze ist vermutlich das menschliche Leben. Die Politik wäre somit ein Bereich des menschlichen Lebens. Der Satz mit einfachem „in": „Der Mensch braucht Sinn, um leben zu können, und er sucht ihn auch in der Politik" ist doppeldeutig. Hofft der Mensch, daß die Politik, ähnlich wie die Religion, ihm selbst, seinem Leben, einen Sinn gibt? Oder hofft er, die Politik sei etwas, was in sich selbst sinnvoll sei? Mit einfachem „in" verbunden, bleibt „Politik" Geschehensbezeichnung, läßt an das öffentliche Geschehen denken. Sucht der Mensch einen Sinn „in der Politik", so sucht er ihn im öffentlichen Geschehen. Sucht er dagegen „im Bereich der Politik" Sinn, so hofft er, daß die politischen Institutionen, der öffentliche Bezirk, an dem sein Leben teilhat, Sinn und Ordnung aufweise. Was „im Bereich" durchgängig von einfachem „in" unterscheidet, das ist die implizite Subsumption, die auch da wirksam ist, wo der Oberbegriff ungenannt bleibt. Immer wird das Attribut durch die Gleichsetzung mit „Bereich" in ein umfassenderes Ganzes eingeordnet. Darüber hinaus ist der Unterschied zwischen einfachem „in" und „im Bereich" abhängig vom jeweiligen Attribut (Begriff B). So bewahrt „Unterricht" in Verbindung mit „in" den Charakter eines Verbalsubstantivs, den es durch die Gleichsetzung mit „Bereich" verliert.

4. Die Präposition vor

„Gebiet":

H a t die Wendung „auf dem (im) Gebiet" präpositionalen Charakter, so steht ganz überwiegend die Präposition „auf". „Auf" ist in unseren Belegen f ü n f z e h n m a l h ä u f i g e r als „in". Präpositionalen Charakter hat die Wendung, wenn „Gebiet" ü b e r t r a g e n - räumliche Bedeutung hat und seinem Attribut g l e i c h g e s e t z t ist. Nicht präpositional ist „im Gebiet" etwa in den folgenden Gruppen: im Gebiet des Schwarzwalds (eigentlich-räumliche Bedeutung bei Gleichsetzung: Schwarzwald = Gebiet) im Gebiet der Sueben (eigentlich-räumliche Bedeutung ohne Gleichsetzung: Sueben 4= Gebiet) Bei nicht-präpositionalem Gebrauch der Wendung scheint die Präposition „in" vorzuherrschen, obzwar auch „auf dem Gebiet" vorkommt: „auf staatlichem Gebiet", „auf fremdem Hoheitsgebiet". Aus dieser Verteilung der Präpositionen schließen wir, daß der Wechsel „a u f / i n " im Verein mit dem Wechsel „ G l e i c h s e t z u n g / N i c h t - G l e i c h s e t z u n g " der Kennzeichnung des

176

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Gegensatzes „eigentlich-räumliche/übertragen-räumliche B e d e u t u n g " von „Gebiet" diene. Kombiniert mit Gleichsetzung zeigt „auf" präpositionale Funktion der Wendung „auf" dem/im Gebiet" an. Wo „auf dem Gebiet" eigentlich-räumliche Bedeutung hat, da fehlt das Merkmal der Gleichsetzung: „auf dem Gebiet des Staates" (Staat 4= Gebiet). In übersichtlicher Darstellung verteilen sich die Funktionen von „im Gebiet" und von „auf dem Gebiet" wie folgt: Präpositionale Funktion der Wendung: Gleichsetzung bei übertragen-räumlicher Bedeutung von „Gebiet" im Gebiet



auf dem Gebiet

+

Nicht-präpositionale Funktionen der Wendung: Gleichsetzung bei eigentlich-räumlicher Bedeutung von „Gebiet"

NichtGleichsetzung

+

+



+

Betrachten wir nun zwei der seltenen Sätze, in denen die Wendung „im Gebiet" präpositionalen Charakter hat : Beispiel 1 : „Sie betrifft indessen andere Berufe, nämlich solche im Gebiet von Industrie, Handwerk, Handel, Bank-, Versicherungs-, Transport- und Gastgewerbe. " (N. Z. Z. 3. 3. 63 So) „Im Gebiet" kann hier sowohl durch „i m B e r e i c h" als auch durch einfaches „ i n " substituiert werden55. „Industrie", „Handel" oder „Gastgewerbe" sind nicht Berufs g e b i e t e , sondern der Ort, der Raum, in dem die betreifenden Berufe ausgeübt werden. Selbst „Handwerk" ist wohl ein zu weiter Begriff, als daß von „Berufen auf dem Gebiet des Handwerks" gesprochen werden könnte. Wir zögern nicht, „im Gebiet" hier als M i s c h f o r m zu betrachten, als Kreuzung zwischen „in" oder „im Bereich" einerseits und „auf dem Gebiet" andererseits. Beispiel 2: „ . . .wie unzureichend eine noch weithin verbreitete Auffassung des historischen Geschehens im Gebiete der Kunst ist." (Sedlmayr, S. 54/55) Die präpositionale Wendung setzt „historisches Geschehen" und „Kunst" miteinander in Beziehung. Wie im vorhergehenden Satz kann „im Gebiet" auch hier durch einfaches „in" oder durch „im Bereich" substituiert werden. Wie55

Vgl. dazu das Ergebnis der Umfrage, S. 185 (Satz 8).

III.

Die präpositionalen

Wendungen

„im Bereich"

177

derum betrachten wir „im Gebiet" als M i s c h f o r m , weil „Kunst" hier ohne Zweifel als konkreter Bereich historischen Geschehens zu verstehen ist, als Bereich etwa neben den Bereichen „Politik" und „Religion". Die Auswertung der Umfrage wird uns Gelegenheit geben, auf die beiden Sätze zurückzukommen. Die etablierte Form der präpositionalen Wendung lautet also „auf dem Gebiet". Die Form „im Gebiet" dürfte meistens als Mischform zu betrachten sein. 5. Das Verhältnis zwischen „im Bereich" und „auf dem

Gebiet".

a) Die Bestimmung der unterscheidenden Merkmale: Es wurden 17 Personen 19 Sätze vorgelegt, in denen die ausgelassene präpositionale Wendung einzusetzen war55". Die Leitfrage lautete: „im Bereich" oder „auf dem Gebiet" oder beides? Nach dem Ausfüllen der Sätze haben sich viele spontan über den Bedeutungsunterschied zwischen „im Bereich" und „auf dem Gebiet" geäußert. Wir führen einige dieser Aussagen in Stichworten an: auf dem Gebiet: eingegrenzt, feste Konturen konkreter als „im Bereich" etwas Begrenztes, fest Umrissenes klare Abgrenzung

enger als „im Bereich", zeigt deutlicher die Trennlinie gegenüber anderem eher k o n k r e t , faßbar „Gebiet" ist von außen gesehen das Sachliche, das Fachgebiet

im Bereich: keine klaren Grenzen (schließt mehr ein als „Gebiet") eher ungenau; was innerhalb der Reichweite liegt diffuse Abgrenzung, darum auch für Abstrakta; „Bereich" ist weiter als „Gebiet" umfassender, ungenauer, unschärfer, unbegrenzter; Grenzen verfließen abstrakt „Bereich ist vielleicht von innen gesehen faßt auch das Zwischenmenschliche ins Auge, das Ethische, weniger abstrakt und anonym

Diese Aussagen bezeugen die Schwierigkeit, „im Bereich" und „auf dem Gebiet" bündig zu unterscheiden. Überdies zeigen sie sehr eindringlich die Fragwürdigkeit der Begriffe „konkret" und „abstrakt". Beide Begriffe werden für beide Wendungen in Anspruch genommen. Ihr Aussagewert ist daher praktisch gleich null. Allgemein sind die Aussagen, die deskriptiv bleiben, wertvoller als die Aussagen, die auf Begriffe zu reduzieren versuchen. Begriffe, die nicht durch Definitionen abgesichert sind, haben fast zwangsläufig Schlagwortcharakter. Wir dürfen annehmen, daß die explizite Unterscheidung zwischen „im Be55a

Bei den befragten Personen handelte es sich um Studenten der Dolmetsdiersdiule Züridi.

12 Sdiäublin 1

178

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

reich" und „auf dem Gebiet" und die Beantwortung der Umfrage nicht überall im gleichen Verhältnis zueinander stehen. Die eine Haltung: Man legt sich ein Konzept zurecht, nach dem man die Antworten einsetzt, so einseitig und unscharf dieses Konzept auch sei. Der Beantwortung der Fragen geht dann so etwas wie ein definitorischer Akt voraus, eine improvisierte Sprachregelung. Die Verhältnisse werden im Sinne des Konzepts zurechtgebogen. Mit anderen Worten: das Konzept hat Meinungscharakter. Die andere Haltung: Man füllt die Sätze aus und vertraut dabei auf sein Sprachgefühl. Hinterher sucht man nach einer Erklärung für die getroffene Wahl. Diese Haltung ist ohne Zweifel sprachgerechter als die erste, wie ja auch die deskriptiven Unterscheidungen wertvoller sind als die begrifflichen. Bei der Beantwortung der Fragen gemäß einem vorgefaßten Konzept wird auf die Erfahrung verzichtet. Bei der Unterscheidung mittels Begriffen wird auf deren Definition verzichtet. Die Erklärungen sind teils Variationen des gleichen Gedankens (Gebiet: feste Konturen — fest Umrissenes — klare Abgrenzung), teils sind sie komplementär (Gebiet: feste Konturen — von außen gesehen), teils schließen sie sich gegenseitig aus (Bereich: abstrakt — weniger abstrakt). Die h ä u f i g e W i e d e r k e h r der gleichen Unterscheidung (scharfe/unscharfe Abgrenzung) berechtigt zur Annahme, daß dieser Unterscheidung auch i m p r a k t i s c h e n S p r a c h v e r h a 11 e n b e s o n d e r e s G e w i c h t z u komme. So wie bei der Umfrage selbst nicht die einzelne Antwort, sondern die Summe der Antworten Aussagekraft hat, so dürfte auch die Summe der Unterscheidungen relevanter sein als die einzelne Unterscheidung. Wiederholung der gleichen Antwort und Komplementarität der Unterscheidungen scheinen uns gleicherweise relevant zu sein. Bemerkenswert ist endlich, daß alle Unterscheidungsversuche vom Substantiv ausgehen. Der Präpositionswechsel „in/auf" wird nirgends in Betracht gezogen. Diese Reihe von Unterscheidungen erspart uns freilich nicht die Mühe, selbst die beiden Wendungen sorgfältig auf unterscheidende Merkmale hin zu analysieren und zu prüfen, welche der genannten Differenzierungen unverändert in die Reihe der unterscheidenden Merkmale aufgenommen werden können und welche sekundärer Natur sind. Zu diesem Zweck untersuchen wir zunächst die Kombinationsmöglichkeiten in der isolierten Gruppe „präpositionale Wendung + Attribut". Die Fragen, die sich bei der isolierten Gruppe „präpositionale Wendung + Attribut" stellen, lauten: — Gibt es Attribute, die sich mit der Wendung „im Bereich" kombinieren lassen, aber die Wendung „auf dem Gebiet" ausschließen? — Gibt es Attribute, die sich mit „auf dem Gebiet" kombinieren lassen, aber die Wendung „im Bereich" ausschließen?

III.

Die präpositionalen

179

Wendungen „im Bereich"

Mögliche Bedeutungsunterschiede kümmern uns dabei noch nicht. Es wäre natürlich ein Unding gewesen, eine Umfrage mit solchen isolierten Gruppen zu machen, hätte doch die Kontextlosigkeit das Sprachgefühl völlig desorientiert. Für unsere Analyse ist jedoch die Beantwortung dieser Fragen wichtig. Die erste Frage kann eindeutig bejahend beantwortet werden: „im Bereich" wird oft mit Attributen kombiniert, die „ a u f d e m G e b i e t " weitgehend ausschließen : im Bereich des Möglichen, im Bereich des persönlichen Vertrauensverhältnisses (vgl. Frageblatt), im Bereich der praktischen Wirklichkeit, im B e reich der Gesellschaft, im Bereich der Familie, im Bereich der Öffentlichkeit, im Bereich der mittleren Einkommen, im Bereich des Geistigen, im Bereich des Geschmacklichen (vgl. Frageblatt). Zur Beantwortung der zweiten Frage muß etwas weiter ausgeholt werden. Zuerst sei in grober Ordnung ein Überblick gegeben über die wichtigsten Attribute, die in unseren Belegen mit „auf dem G e b i e t " kombiniert sind: Wirtschaft, Landwirtschaft, portgewerbe,

Industrie, Handwerk, Bankgewerbe,

Versicherungsgewerbe,

Politik, Weltpolitik,

Trans-

Außenpolitik,

Innenpolitik, Währungspolitik, Konjunkturpolitik, Geldpolitik,

Kredit-

politik Kunst, Kultur, Sport, Wissenschaft, Biologie, Geisteswissenschaften Siedlungswesen, Flugwesen, landwirtschaftliche Technik, Rüstungstechnik Verteidigung, Wiedergutmachung, Regelung der Arbeits- und Lohnverhältnisse, Gesetzgebung, Organisation, Landesplanung, Kurortsplanung, E n t kartellisierung, reine Information, Staatsordnung, Weltanschauung,

Pro-

paganda, soziales Leben, öffentliches Baurecht, Verfahrensrecht Bezugsadjektive: atomar-, wirtschaftlich-, konjunkturell-, wissenschaftlich-, politischW i r behaupten, daß alle diese Attribute in bestimmten Kontexten auch mit „im Bereich" kombiniert werden können. Ganz gewiß würde der Leser an solchen Verbindungen weniger Anstoß nehmen als an Verbindungen der weiter oben erwähnten Attribute mit der Wendung „auf dem G e b i e t " . Aus Raumgründen ist es uns nicht möglich, den umfassenden Beweis für unsere Behauptung anzutreten, denn das würde bedeuten, daß wir für jeden Begriff einen Satz bilden. W i r begnügen uns deshalb mit Stichproben: „Das Geschehen

im

der B i o l o g i e ,

Bereich

der

der K u n s t

(der

Wissenschaft,

Geisteswissenschafen,

der

Politik,

des S p o r t s usw.) wird immer undurchsichtiger." „Die Entwicklung wirtschaft,

im

der

Bereich Industrie,

der des

Wirtschaft Handwerks

nicht ohne Rückwirkungen auf die Politik bleiben." 12"

(der

Land-

usw.)

kann

180

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

„ I m B e r e i c h der V e r t e i d i g u n g mehren sich die Zeichen der Desorganisation ". „ I m atomaren B e r e i c h sind ganz eigene Gesetze wirksam." „ I m B e r e i c h des V e r f a h r e n s r e c h t s gelten andere Maßstäbe." Wir fassen zusammen: 1. Es gibt Attribute, die sich mit „im Bereich" kombinieren lassen, aber „auf dem Gebiet" ausschließen. 2. Attribute, die sich mit „auf dem Gebiet" kombinieren lassen, scheinen grundsätzlich „im Bereich" nicht auszuschließen. „Im Bereich" läßt also für das Attribut (Begriff B) weiteren Spielraum als „auf dem Gebiet". Die Ursache dafür muß in der inhaltlichen Verschiedenheit von „Bereich" und „Gebiet" liegen. Vertauschbarkeit der beiden Wendungen in der isolierten Gruppe „präpositionale Wendung + Attribut" bedeutet nicht etwa Gleichwertigkeit, d. h. Vertauschbarkeit in jedem beliebigen Kontext. Es muß im Gegenteil angenommen werden, daß der Wechsel „im Bereich/auf dem Gebiet" den Inhalt des Attributs verändert. Es ist also mit folgenden Möglichkeiten zu rechnen: a) Das Attribut schließt „auf dem Gebiet" aus. b) Das Attribut läßt ba) Der Satzkontext bb) Der Satzkontext bc) Der Satzkontext

beide Wendungen zu: schließt „im Bereich" aus. schließt „auf dem Gebiet" aus. läßt beide Wendungen zu.

Nun gilt es, die einzelnen unterscheidenden Merkmale zu bestimmen: 1. Der Präpositionen Wechsel „in/auf" vor „Gebiet" dient, wie schon erwähnt 5 6 , vor allem der Signalisierung des Unterschieds zwischen eigentlich-räumlicher und »¿eriragen-räumlicher Bedeutung des Substantivs. Kombiniert mit dem Verhältnis der Gleichsetzung bedingt die Präposition „auf" immer übertragenräumliche Bedeutung des Substantivs „Gebiet", während die Präposition „in" bei Gleichsetzung eigentlich-räumliche Bedeutung bedingt. Dieser Unterschied war allen befragten Personen deutlich bewußt. „Im Bereich" dagegen kann eigentlich-räumlich gebraucht werden: eigentlich-räumlich:

oder

übertragen-räumlich

„im Bereich der Artilleriegeschosse" (nicht Gleichsetzung) übertragen-räumlich: „im Bereich der Wirtschaft" (Gleichsetzung) Wir beobachten also bei „im Bereich" eine K o n t i n u i t ä t d e r F o r m . Wir schließen daraus, daß der Wechsel „i n / a u f " nicht nur für die Bedeutung von „Gebiet", sondern a u c h f ü r d i e D i f f e r e n z z w i s c h e n „im B e r e i c h " u n d „auf d e m G e b i e t " k o n s t i t u t i v sei. 56

Vgl. oben S. 176.

III. Die präpositionalen

Wendungen

„im Bereich"

181

2. Der Wechsel „in/auf" spiegelt einen inhaltlichen Unterschied der Begriffe „Bereich" und „Gebiet", der sich am einzelnen Beispiel aufzeigen läßt: „ . . . um in einem finanziell vertretbaren Rahmen steuerliche Unausgeglichenheit vor allem im Bereich d e r m i t t l e r e n E i n k o m m e n zu bereinigen." (F. A. Z. 19. 10. 63) Die komplementären Begriffe zu „mittlere Einkommen" sind „niedrige Einkommen" und „hohe Einkommen". Der „Bereich der mittleren Einkommen" ist also nicht in der Ebene, sondern nach oben und nach unten abgegrenzt. Die verschiedenen Einkommensbereiche sind vertikal geschichtet. Die beiden raumbildenden Achsen „Horizontale" und „Vertikale" behalten ihre orientierende Funktion auch dort, wo die räumliche Vorstellung nur eine Metapher ist. Eben dies berechtigt uns ja, von «¿eriragew-räumlichen Gebrauch zu sprechen. Vertikal begrenzt ist der B e r e i c h wohl auch im folgenden Satz: „Er bezeichnete u. a. Zwischenlösungen im Bereich d e r A s s o z i i e r u n g bis zum vollen EWG-Beitritt Englands als nicht ausgeschlossen." (Tat 9. 2.63) Nach oben ist der Bereich der Assoziierung abgegrenzt gegen die „volle Mitgliedschaft", nach unten gegen ein „völliges Außerhalbbleiben". Die Fähigkeit des Wortes „Bereich", in der Vertikale abzugrenzen, nennen wir „V e r t i k a 1 i t ä t " ; die Fähigkeit, in der Ebene abzugrenzen, nennen wir „ H o r i z o n t a l i t ä t " . Während die Wendung „im Bereich" die Abgrenzung in der Vertikale gestattet, schließt die Wendung „auf dem Gebiet" sie aus. Mit anderen Worten: der Wendung „ a u f d e m G e b i e t " eignet a u s s c h l i e ß l i c h das Merkmal der „H o r i z o n t a l i t ä t " . Kann „im Bereich" auch in der Ebene abgrenzen? „Der virulente Antiimperialismus hat im Bereich d e s M i t t e l m e e r s keinen direkten Ansatzpunkt mehr in den Aktionen der angelsächsischen Mittelostmächte." (Tat 11. 5. 63) In diesem Satz ist der Bereich wohl horizontal zu denken, gewiß nicht vertikal. Wie aber grenzt „Bereich" im folgenden Satz ab? „ I m B e r e i c h d e r S t a d t Z ü r i c h ist das Fliegen verboten?" Hier wird offensichtlich sowohl in der Horizontale als auch in der Vertikale abgegrenzt. „Bereich" ist somit d r e i d i m e n s i o n a l und könnte durch „Raum" ersetzt werden. Während der Wendung „auf dem Gebiet" immer und ausschließlich das Merkmal „Horizontalität" eignet, kann die Wendung „im Bereich" je nach Kontext die Merkmale „ H o r i z o n t a l i t ä t " , „Vertik a l i t ä t" oder „D r e i d i m e n s i o n a l i t ä t " aufweisen, so daß man sich fragen muß, ob diese wechselnden inhaltlichen Merkmale auch wirklich fest

182

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

zum Wort „Bereich" gehören. Wir glauben es nicht, zumal ja die Merkmale „Horizontalität" und „Vertikalität" sich gegenseitig ausschließen. Es ist vielmehr der Kontext, der dem Wort „Bereich" diese wechselnden Merkmale aufprägt. „Horizontalität" und „Vertikalität" sind aufgehoben in der „Dreidimensionalität". Die „ D r e i d i m e n s i o n a 1 i t ä t" dürfte denn auch das u r s p r ü n g l i c h e M e r k m a l von „im Bereich" sein. Es hängt vom jeweiligen Kontext ab, ob die „Horizontalität" oder die „Vertikalität" in den Vordergrund tritt. Was die eben genannten Merkmale betrifft, so stimmen die Präpositionen „auf" und „in" mit ihren Substantiven überein: „auf" bedingt immer „Horizontalität"; „in" ist neutral in bezug auf „Horizontalität" („im Feld"), „Vertikalität" („in dieser Schicht") und „Dreidimensionalität" („im Keller"). 3. Fast alle befragten Personen haben betont, das Gebiet habe feste Konturen, grenze sich deutlich gegen anderes ab; der Bereich dagegen sei unscharf gegen anderes abgegrenzt. Dafür gibt es ein instruktives Beispiel: „im Bereich der Schwerkraft". Je weiter sich ein Körper vom Zentrum der Schwerkraft entfernt, desto geringer wird die Schwerkraft, bis sie den Wert Null erreicht. Diese progressive „Verdünnung gegen die Ränder hin" ist charakteristisch für den Raum, den wir als „Bereich" bezeichnen. Das bei „im Bereich" so wichtige Merkmal des Übergänglichen fehlt bei „auf dem Gebiet" völlig. Wir zögern deshalb nicht, den Gegensatz „ s c h a r f e / u n s c h a r f e A b g r e n z u n g " als p r i m ä r e s u n t e r s c h e i d e n d e s M e r k m a l zu betrachten. 4. „Auf" bedingt „Horizontalität"; „in" ist neutral in bezug auf „Horizontalität", "Vertikalität" und „Dreidimensionalität". Diese Merkmale haben zunächst einmal mit dem Begriff B (dem Attribut) zu tun. Aber der Wechsel „in/ auf" beeinflußt auch das Verhältnis zwischen Begriff B und Begriff A. Die Präposition „ a u f " bedingt K o n t a k t : auf dem Tisch das Buch Begriff A Begriff B In der präpositionalen Wendung „auf dem Gebiet" bewirkt „auf" aber auch eine deutliche Absetzung des Begriffs A vom Begriff B, die den B e g r i f f B zum Gegenstand, zum O b j e k t macht: seine Untersuchungen auf dem Gebiet des Sachenrechts Begriff A Begriff B Hier ist „auf dem Gebiet" substituierbar durch „betreffend", „über", Präpositionen, die den Begriff B ebenfalls objektivieren 57 . Dieser vergegenständlichenden Wirkung schreiben wir es zu, daß „Gebiet" speziell das Wissensgebiet, das Lehrgebiet, das Forschungsgebiet bezeichnet. Wenn irgendwo der Begriff » Abstraktion" seine Berechtigung hat, so gerade bei solcher Vergegenständlichung. 57

Wir verweisen auf die ausführliche Darstellung dieser Eigenschaft S. 197.

111. Die präpositionalen

Wendungen

„im Bereich"

183

Die Präposition „in" vor Bereich bewirkt keine solche Vergegenständlichung, keine Absetzung des Begriffs A vom Begriff B. Im Gegenteil: Der Begriff B vermag den Begriff A in sich aufzunehmen, zu integrieren; er kann gleichsam das Gehäuse für den Begriff A bilden. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang der Unterscheidung einer der befragten Personen: „Gebiet" ist von außen gesehen, „Bereich" vielleicht von innen58. Wir geben nun eine Übersicht über die unterscheidenden Merkmale, die wir isolieren zu können glaubten: auf dem Gebiet: im Bereich: A. Der Spielraum der Attribute (Begriffe B): Die Begriffe B, die sich mit „auf dem Gebiet" kombinieren lassen, schließen grundsätzlich „im Bereich" nicht aus B. Die inhaltlichen Merkmale: 1. „im Gebiet": eigentlichräumlich; „auf dem Gebiet": (mit Gleichsetzung): übertragen-räumlich 2. „Horizontalität" als permanentes, ausschließliches Merkmal

Nicht alle Begriffe B, die sich mit „im Bereich" verbinden, lassen auch „auf dem Gebiet" zu

„im Bereich": eigentlich-räumlich u n d übertragen-räumlidi „Dreidimensionalität" als ursprüngliches Merkmal; mit möglicher, kontextbedingter Reduktion auf „Horizontalität" oder „Vertikalität"

3. scharfe Abgrenzung gegen anderes

unscharfe Abgrenzung gegen anderes

4. Vergegenständlichung (Abstraktion) des Begriffs B

nicht Vergegenständlichung, sondern Integration des Begriffs A in Begriff B

Bei eigentlich-räumlicher Bedeutung stehen sich „im Gebiet" und „im Bereich" gegenüber: „ i m G e b i e t der Donaumündung"/„i m B e r e i c h der Donaumündung" Bei übertragen-räumlicher Bedeutung stehen sich „auf dem Gebiet" und „im Bereich" gegenüber: „ a u f d e m G e b i e t der Kunst" / „ i m B e r e i c h der Kunst" Bei eigentlich-räumlicher Bedeutung sind die Merkmale „Horizontalität", „Vertikalität" und „Dreidimensionalität" unproblematisch. Unsicherheit stellt sich 58

Vgl. oben S. 177.

184

Präpositionale

Wendungen mit

Gleichsetzung

erst bei übertragen-räumlicher Bedeutung ein. Betrachtet man die Reihe der unterscheidenden Merkmale aufmerksam, so entdeckt man Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Merkmalen. Kumulativ wirken e t w a : bei „auf dem G e b i e t " : Das Merkmal der scharfen Abgrenzung gegen anderes und das Merkmal der ausschließlichen „ H o r i z o n t a l i t ä t " . bei „im Bereich": Das Merkmal der unscharfen Abgrenzung gegen anderes und die Indifferenz in bezug auf „ H o r i z o n t a l i t ä t " und „Vertikalität". Bei „auf dem (im) G e b i e t " besteht auch eine Korrelation zwischen der abstrahierend-vergegenständlichenden Wirkung der Präposition „ a u f " einerseits und der formalen Signalisierung des Unterschiedes zwischen

eigentlich-räumlicher

und übertragen-räumlicher Bedeutung durch den Wechsel „in/auf"

anderer-

seits. D a ß „im Bereich" für das Attribut (Begriff B ) einen weiteren Spielraum läßt als „auf dem Gebiet", dürfte mit allen genannten Merkmalen zu tun haben. Z w a r glauben wir nun die wesentlichen unterscheidenden Merkmale zu kennen, doch wissen wir nicht, wie sie sich in der Praxis auswirken. Durch die Auswertung der Umfrage hoffen wir Näheres darüber zu erfahren.

b) Die Umfrage 1. Die prinzipielle Berechtigung des Konsumentenschutzes — etwa ( G e b i e t 17/ B e r e i c h

4 ) der Lebensmittelkontrolle, der Kontrolle der Arznei-

mittel usw. — sei hier nicht angezweifelt.

Doppelnennungen: 4

2. Keine Fortschritte im Hinblick auf einen verstärkten Wettbewerb wurden dagegen ( G e b i e t

16/Bereich

5 ) des Verkehrswesens erzielt. Doppelnennungen: 4

3. Ungleich geringer sind die Chancen der Werbung ( G e b i e t 1 6 ) der Meinungen und Einstellungen.

2/Bereich

Doppelnennungen: 1

4. W i r sind uns mit unseren Verbündeten darin einig, daß wir angesichts der weltpolitischen Situation in unseren gemeinsamen Anstrengungen biet

17/ B e r e i c h

(Ge-

5 ) der Verteidigung nicht nachlassen dürfen. Doppelnennungen: 4

5. Neben der diplomatischen Unterstützung, die Frankreich Israel zuteil werden läßt, äußert sie sich vornehmlich im französischen Interesse an der territorialen Integrität Israels und manifestiert sich auch und vor allem (Gebiet 6.

14/ B e r e i c h

1 1 ) der Verteidigung.

Doppelnennungen: 8

. . . die Frage der rechtlichen Stellung Berlins und die Frage der Durchführung spezieller Programme wie zum Beispiel die Entflechtung großer Konzerne, insbesondere ( G e b i e t Eisenindustrie.

8 /Bereich

1 3 ) der K o h l e - und Doppelnennungen: 4

III.

Die präpositionalen

Wendungen

„im

Bereich"

185

7. Summa summarum: „Vermassung" ein Stück weit ( G e b i e t 3 / B e r e i c h 16) des Geschmacklichen, des gesellschaftlichen Benehmens vielleicht, nicht aber ( G e b i e t 12 / B e r e i c h 4 ) der politischen Information. Doppelnennungen: a. 2/b. 1 8. Sie betrifft indessen andere Berufe, nämlich solche ( G e b i e t 6 / Ber e i c h 13) von Handel, Industrie, Handwerk, Bank-, Versicherungs-, Transport- und Gastgewerbe. Doppelnennungen: 2 9. ( G e b i e t 13 / B e r e i c h 8 ) der Innenpolitik hat es mit der Finanzreform noch gute Weile, da bisher noch nicht einmal das erste Expertengutachten v o r l i e g t . . . Doppelnennungen: 4 10. Man habe auch ausreichende Maßnahmen zur Verteidigung vernachlässigt und ( G e b i e t 16 / B e r e i c h 5 ) der Rüstung große Versäumnisse begangen. Doppelnennungen: 4 11. . . . wie unzureichend eine noch weithin verbreitete Auffassung des historischen Geschehens ( G e b i e t 7 / B e r e i c h 14) der Kunst ist. Doppelnennungen: 4 12. Hierzu sind eine innere Festigung der militärischen Einheiten und eine ständige Modernisierung ( P r ä p . ) rüstungstechnisch- ( G e b i e t 1 1 / B e r e i c h 6 ) erforderlich. Doppelnennungen: 1 13. Nur ( G e b i e t 0 / B e r e i c h 17) des persönlichen Vertrauensverhältnisses spielt die Affäre Argoud eine Rolle. Doppelnennungen: 0 14. Der Mensch braucht Sinn, um leben zu können, und er sucht ihn auch ( P r ä p . ) politisch- ( G e b i e t 8 / B e r e i c h 14) Doppelnennungen: 6 15. Die Zahl der Hochschulabsolventen ( G e b i e t 14 / B e r e i c h 3 ) der landwirtschaftlichen Technik betrug im Jahre 1953 nicht weniger als 180 000. Doppelnennungen: 0 16. Planung ( G e b i e t 13 / B e r e i c h 6 ) des Siedlungswesens ist nicht Selbstzweck: sie hat eine Schutz- und Ordnungsfunktion. Doppelnennungen: 3 17. Es ist an dieser Stelle nicht zu erörtern, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, ( G e b i e t 1 2 / B e r e i c h 8 ) der Wirtschaftswissenschaften — dem Beispiel der technischen Berufe folgend — neben der akademischen Ausbildung eine „Technikums"-Ausbildung zu fördern. Doppelnennungen: 3 18. Die Bundesrepublik hat sich seit ihrem Bestehen ( P r ä p . ) staatlich- und wirtschaftlich ( G e b i e t 10 / B e r e i c h 13) zunehmend gefestigt. Doppelnennungen: 6 19. Unter Sozialpolitik im allgemeinen verstehen wir diejenige Politik des Staates, welche Mißstände ( G e b i e t 8 / B e r e i c h 14) des Verteilungsprozesses mit Mitteln der Gesetzgebung und Verwaltung zu bekämpfen sucht. Doppelnennungen: 5

186

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Wir gruppieren die Sätze nach den Zahlenverhältnissen, und zwar unterscheiden wir zwei Stufen: a) Eine Wendung d o m i n i e r t (sie wird mindestens d r e i m a l häufig e r gewählt als die andere) b) Eine Wendung wird m e h r h e i t l i c h gewählt (bis zum Verhältnis 3:1) Gruppe la: „im Bereich" dominiert: Satz 3 (im Bereich: 16 / auf dem Gebiet: Satz 7:a (im Bereich: 16 / auf dem Gebiet: Satz 13 (im Bereich: 17 / auf dem Gebiet: Total: im Bereich: 49 / auf dem Gebiet: Verhältnis: 9,8 : 1 Mittel der Doppelnennungen: 1

2) 3) 0) 5

Gruppe 2a: „auf dem Gebiet" dominiert: Satz 1 (auf dem Gebiet: 17 / im Bereich: 4) Satz 2 (auf dem Gebiet: 16 / im Bereich: 5) Satz 4 (auf dem Gebiet: 17 / im Bereich: 5) Satz 7:b (auf dem Gebiet: 12 / im Bereich: 4) Satz 10 (auf dem Gebiet: 16 / im Bereich: 5) Satz 15 (auf dem Gebiet: 14 / im Bereich: 3) Total: auf dem Gebiet: 92 / im Bereich: 26 Verhältnis: 3,54 : 1 Mittel der Doppelnennungen: 3,5 Gruppe lb: „im Bereich" wurde mehrheitlich gewählt: Satz 6 (im Bereich: 13 / auf dem Gebiet: Satz 8 (im Bereich: 13 / auf dem Gebiet: Satz 11 (im Bereich: 14 / auf dem Gebiet: Satz 14 (im Bereich: 14 / auf dem Gebiet: Satz 18 (im Bereich: 13 / auf dem Gebiet: Satz 19 (im Bereich: 14 /auf dem Gebiet: Total: im Bereich: 81 / auf dem Gebiet: Verhältnis: 1,72 :1 Mittel der Doppelnennungen: 4,33

8) 6) 7) 8) 10) 8) 47

Gruppe 2b: „auf dem Gebiet" wurde mehrheitlich gewählt: Satz 5 (auf dem Gebiet: 14 / im Bereich: 11) Satz 9 (auf dem Gebiet: 13 / im Bereich: 8) Satz 12 (auf dem Gebiet: 11 / im Bereich: 6) Satz 16 (auf dem Gebiet: 13 / im Bereich: 6) Satz 17 (auf dem Gebiet: 12 / im Bereich: 8) Total: auf dem Gebiet: 63 / im Bereich: 39 Verhältnis: 1,62 : 1 Mittel der Doppelnennungen: 3,4

III. Die prapositionalen Wendungen „im Bereich"

187

Kommentar zur Gruppe 1 a: („im Bereich" dominiert) „Im Bereich" dominiert in drei Sätzen; „auf dem Gebiet" dominiert in sechs Sätzen. „Im Bereich" dominiert jedoch deutlicher (Verhältnis: 9,8 : 1) als „auf dem Gebiet" (Verhältnis: 3,68 : 1). Überdies ist bei der Gruppe l a mit 1 das Mittel der Doppelnennungen wesentlich geringer als bei der Gruppe 2 a (3,5). Wie ist diese deutlichere Dominanz der Wendung „im Bereich" zu erklären? Bei der Wahl der präpositionalen Wendung ist der Begriff B, das Attribut von „Bereich" oder „Gebiet", besonders wichtig. Zuerst richtet man das Augenmerk auf den Begriff B und erst danach auf den weiteren Kontext. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang, daß es Attribute gibt, die sich mit „im Bereich" kombinieren lassen, aber „auf dem Gebiet" ausschließen. Die Begriffe B der drei Sätze, in denen „im Bereich" dominiert, lauten: Satz 3: „Meinungen und Einstellungen Satz 7(a): „das Geschmackliche", „das gesellschaftliche Benehmen" Satz 13: „das persönliche Vertrauensverhältnis" Gehören diese Begriffe zu jener Gruppe von Attributen, die sich nicht mit „auf dem Gebiet" kombinieren lassen? Mit Sicherheit trifft dies für „persönliches Vertrauensverhältnis" zu. Es trifft wohl auch zu für „das Geschmackliche", denn substantivierte Adjektive werden vorzugsweise mit „im Bereich" verbunden. im Bereich im Bereich im Bereich im Bereich

des Ästhetischen / auf dem Gebiet (im Bereich) der Ästhetik des Psychologischen / auf dem Gebiet (im Bereich) der Psychologie des Dekorativen / auf dem Gebiet (im Bereich) der Dekoration des Geschichtlichen / auf dem Gebiet (im Bereich) der Geschichte

Die Adjektive „ästhetisch", „psychologisch", „dekorativ", „geschichtlich" bezeichnen Eigenschaften. Die substantivierten Adjektive bezeichnen dasjenige, was die betreffende Eigenschaft besitzt, dasjenige, was ästhetisch, psychologisch, dekorativ oder geschichtlich ist. Die Ästhetik ist die Lehre vom Ästhetischen, die Psychologie die Lehre vom Psychologischen, die Geschichte befaßt sich mit dem Geschichtlichen; selbst „Dekoration" kann ein „Lehr-, Fachgebiet" sein. Damit dürfte das Verhältnis zwischen den wurzelgleichen Substantiven deutlich geworden sein: Die substantivierten Adjektive bezeichnen die Sache unmittelbar, während „Ästhetik", „Psychologie" usw. dieselbe Sache zum Gegenstand des Erkennens, Wissens und Lehrens machen, zum „theoretischen Gebiet", und damit eine Subjekt-Objekt-Beziehung voraussetzen. Welche Merkmale der Wendung „auf dem Gebiet" schließen die Gleichsetzung solcher substantivierten Adjektive mit „Gebiet" aus? Es ist das Merkmal 1 (formale Trennung zwischen eigentlich-räumlicher und übertragen-räumlicher Bedeutung durch den Wechsel „in/auf" bei „Gebiet"); im Anschluß daran auch das

188

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Merkmal 4 (Vergegenständlichung des Begriffs B, bewirkt durch die Präposition „auf"); die Merkmale 2 und 3 („Horizontalität" und „scharfe Abgrenzung gegen anderes") nehmen wir zusammen. Am ehesten mit „auf dem Gebiet" kombinieren läßt sich der Begriff B von Satz 3: „Meinungen und Einstellungen". Denn die „Meinungen und Einstellungen" sind ja schon ein Gegenstand der Forschung geworden. Hier ist deshalb der weitere Kontext, insbesondere das Verhältnis zwischen Begriff A und Begriff B, bei der Erklärung mit zu berücksichtigen. Kennzeichnend für diese Gruppe von Sätzen scheint uns jedoch, daß zwischen dem Begriff B und „Gebiet" eine s e m a n t i s c h e I n k o n g r u e n z besteht, die eine Gleichsetzung verhindert. Es ist somit fast ausschließlich der Begriff B, der die Wahl der präpositionalen Wendung steuert. Deshalb die so klaren Mehrheitsverhältnisse in dieser Gruppe. Kommentar zur Gruppe 1 b: („im Bereich" wurde mehrheitlich gewählt) In sechs Sätzen wurde „im Bereich" mehrheitlich gewählt. Wir prüfen zunächst, ob die Begriffe B indifferent sind in bezug auf die präpositionale Wendung. Sie lauten: Satz 6: Satz 8: Satz 11: Satz 14: Satz 18: Satz 19:

„Kohle-und Eisenindustrie" „Handel, Industrie, Handwerk, Bank-, Versicherungs-, Transport- und Gastgewerbe" „Kunst" „politisch-" (Bezugsadj.: gleichwertig dem nominalen Attribut „Politik") „staatlich-und wirtschaftlich-" (Bezugsadjektive: gleichwertig den nominalen Attributen „Staat" und „Wirtschaft") „Verteilungsprozeß"

Alle diese Attribute, vielleicht mit Ausnahme von „Verteilungsprozeß", lassen sich auch mit der Wendung „auf dem Gebiet" kombinieren. Man darf deshalb voraussetzen, daß die Wahl der präpositionalen Wendung in diesen Sätzen nicht durch den Begriff B allein gesteuert wird. Es sind andere Faktoren im Spiel, und um diese Faktoren zu bestimmen, untersuchen wir diese Sätze einzeln oder in Zweiergruppen. Die Sätze 11 und 14: Es fragt sich, ob eine sorgfältige Analyse beide oder nur eine Wendung als möglich erweist. Wir machen zwei Proben: 1.Probe:

Bei gleichbleibendem Kontext mit dem Begriff B des Satzes 14 („Politik" an Stelle des Bezugsadjektivs „politisch-") wird die präpositionale Wendung variiert:

a) Er kennt sich aus auf dem Gebiet der Politik b) Er kennt sich aus im Bereich der Politik

III.

Die präpositionalen

Wendungen „im Bereich"

189

Die durch den Wechsel der präpositionalen Wendung bedingte Änderung läßt sich wie folgt umschreiben: Die Gleichsetzung „Politik = Gebiet" macht „Politik" zum Gegenstand theoretischen Wissens. Auch ein Nicht-Politiker kann „sich auf dem Gebiet der Politik auskennen". Die Gleichsetzung „Politik = Bereich" macht Politik zum konkreten Bereich menschlichen Lebens. Wer sich „im Bereich der Politik" auskennt, weiß Bescheid über die politische Praxis, kennt das politische Leben aus eigener Anschauung. Daß durch den Wechsel der präpositionalen Wendung der Inhalt des Begriffs B modifiziert wird, rührt von den v e r s c h i e d e n e n inhaltlichen M e r k m a l e n der Substantive „Gebiet" und „Bereich" her. Bei Gleichsetzung mit „Gebiet" werden folgende Merkmale von „Gebiet" auf „Politik" übertragen: das Merkmal der scharfen Abgrenzung gegen anderes; das Merkmal der Vergegenständlichung des Begriffs B, der Verwandlung in einen abstrakten Gegenstand des Wissens, der Kenntnis. Bei Gleichsetzung mit „Bereich" werden folgende Merkmale von „Bereich" auf „Politik" übertragen: das Merkmal der „Dreidimensionalität" (im übertragenen Sinne); das Merkmal der UnUnterscheidbarkeit von eigentlichem und übertragenem Gebrauch. Da die Präposition den Begriff A („sich auskennen") nicht vom Begriff B („Politik") absetzt 59 , wird „Politik" nicht zum abstrakten Gegenstand. 2. Probe:

Es wird der Begriff A variiert bei invariablem Begriff B. Gesucht ist die präpositionale Wendung:

a) Er beobachtet aufmerksam die Vorgänge (im Bereich) der Politik. b) Seine Kenntnisse (auf dem Gebiet) der Politik sind bewundernswert. Diese Probe beweist, daß der Wechsel des Begriffs A einen Wechsel der präpositionalen Wendung bedingen kann. „Vorgänge" konkretisiert „Politik", wirkt also ähnlich auf den Begriff B ein wie dessen Gleichsetzung mit „Bereich". „Kenntnisse" dagegen vergegenständlicht den BegrifF B, verwandelt ihn in einen Gegenstand des Wissens. „Kenntnisse" wirkt somit ähnlich auf den Begriff B ein wie dessen Gleichsetzung mit „Gebiet". Die e r s t e P r o b e erhärtet, daß die präpositionalen Wendungen nicht gleichwertig sind, daß durch den Wechsel der präpositionalen Wendung auch der Inhalt des Begriffs B modifiziert wird. Die z w e i t e P r o b e erhärtet, daß auch der Begriff A die Wahl der präpositionalen Wendung zu steuern vermag, und zwar wiederum auf dem Wege über eine Modifikation des Begriffs B. Der Begriff A kann solcher Art sein, daß man von vornherein weiß, wie der Begriff B zu verstehen ist. In Satz 14 läßt der Begriff A, das Verb „suchen", Spielraum für die Bedeutung des Begriffs B. „Politik" kann hier sowohl konkreter Bereich als auch Wissens59

Vgl. oben S. 183.

190

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

gebiet sein. Wenn dennoch „im Bereich" häufiger gewählt wurde, so rührt dies wohl daher, daß man unwillkürlich zuerst an Politik als konkreten Bereich und erst in zweiter Linie an Politik als Wissensgebiet denkt, zumal im Satz auch noch das Verb „leben" vorkommt. Was zu Satz 14 gesagt worden ist, das gilt grundsätzlich auch für Satz 11. Die Sätze 6 und 8: Betrachtet man in Satz 6 „Konzerne" als Begriff A, so läßt sich der Begriff B auch als Genitivattribut anschließen: „ . . . d i e Entflechtung großer Konzerne, insbesondere der Kohle- und Eisenindustrie". Die Konzerne sind dann Teile des Ganzen „Kohle- und Eisenindustrie". Ein solches Verhältnis würde wohl die Wendung „im Bereich" bedingen. Wählt man hingegen „die Entflechtung (großer Konzerne)" als Begriff A, so denkt man beim Begriff „Konzern" eher an die Organisationsform und an die Besitzkonzentration als an eine Gruppe von Produktionsbetrieben. Damit ändert sich aber auch das Verhältnis zwischen Begriff A und Begriff B. Es ist nicht mehr ein Verhältnis „Teil-Ganzes". Angesichts dieser unklaren Beziehungsverhältnisse erübrigt sich wohl eine semantische Analyse. Bei Satz 8 wählte der Verfasser selbst, wie erinnerlich, die Form „im Gebiet", die wir als Mischform von „auf dem Gebiet" einerseits und „im Bereich" oder einfachem „in" andererseits erklären zu können glaubten 60 . Daß von den beiden präpositionalen Wendungen „im Bereich" einfachem „in" näher steht als „auf dem Gebiet", läßt sich wiederum durch Variation der präpositionalen Wendung in einem Minimalkontext mit konstantem Begriff B beweisen. Wir wählen als Begriff B „Handel": a) Er kennt sich aus im Bereich des Handels. b) Er kennt sich aus auf dem Gebiet des Handels. Der „Bereich des Handels" ist der Raum praktischer Tätigkeit. Das „Gebiet des Handels" ist Gegenstand des Wissens und des Unterrichts. Die einfache Präposition „in" kann hier wohl „im Bereich", kaum jedoch „auf dem Gebiet" substituieren. In Satz 8 könnte „in" durchaus statt der präpositionalen Wendung stehen. Dies spricht gegen die Wendung „auf dem Gebiet" und für die Wendung „im Bereich". Daran ändert sich auch nichts, wenn wir die Attribute nicht einzeln, sondern als ganze Reihe auf die präpositionale Wendung beziehen. Satz 18: Die Begriffe B haben in diesem Satz die Form von Bezugsadjektiven: „staatlich-" und „wirtschaftlich-". Würde man „staatlich-" eliminieren und „wirtschaftlich-" allein als Begriff B stehen lassen, so ergäbe sich ohne Zweifel eine 00

Vgl. oben S. 176.

III.

Die präpositionalen

Wendungen

„im Bereich"

191

Mehrheit für „auf dem Gebiet". Es ist also wohl das Bezugsadjektiv „staatlich-", das die Wahl der präpositionalen Wendung entscheidend beeinflußt hat. In den Gruppen „auf staatlichem Gebiet" und „auf dem Gebiet des Staates" hat „Gebiet" ausnahmsweise die eigentlich-räumliche Bedeutung „Territorium". Nun schließt, wie wir wissen, eigentlich-räumliche Bedeutung von „Gebiet" die Gleichsetzung des Attributs mit „Gebiet" aus61. „Auf staatlichem Gebiet" heißt: „auf Gebiet, das dem Staat gehört". In Satz 18 ist jedoch offensichtlich nicht an „staatliches Territorium" zu denken, sondern an das Staatswesen, an seinen Aufbau, an seine Institutionen. Als Gleichsetzungsgenitiv kann deshalb nicht der Begriff „Staat" allein stehen, sondern eine verdeutlichende Gruppe wie „auf dem Gebiet des Staatswesens" (oder: „der staatlichen Institutionen"). Dagegen gestattet „im Bereich" die direkte Umwandlung des Bezugsadjektivs „staatlich-" in ein Genitivattribut: „im Bereich des Staates". Dieses Genitivattribut kann je nach Kontext dem Bezugswort „Bereich" gleichgesetzt sein oder nicht: a) Staat = Bereich b) Der Staat hat, verfügt über einen Bereich Diese Doppelwertigkeit des Attributs hängt offenbar zusammen mit der inhaltlichen Struktur von „Bereich": „Dreidimensionalität", „unscharfe Abgrenzung", „keine formale Unterscheidung zwischen eigentlich-räumlicher und übertragenräumlicher Verwendung". Diese inhaltliche Struktur läßt es auch zu, daß „im Bereich" bei Gleichsetzung sowohl eigentlich-räumlich („im Bereich des Schwarzwalds") als auch übertragen-räumlich („im Bereich der Kunst") gebraucht werden kann, was bei „auf dem Gebiete" nicht der Fall ist62. Vergleichen wir die Sätze der Gruppe 1 b („im Bereich wurde mehrheitlich gewählt) mit den Sätzen der Gruppe 1 a („im Bereich" dominiert), so stellen wir folgende Unterschiede fest: — Abgesehen von der sehr viel schwächeren Mehrheit für „im Bereich" ist bei den Sätzen der Gruppe 1 b auch die Zahl der Doppelnennungen bemerkenswert. Während in der Gruppe 1 a im Mittel auf jeden Satz e i n e Doppelnennung entfällt, sind es in der Gruppe 1 b 4,5 Doppelnennungen. Beides, die schwächere Mehrheit für „im Bereich" und die vergleichsweise hohe Zahl von Doppelnennungen, sind Zeichen der U n s i c h e r h e i t . — Um diese Unsicherheit zu motivieren, muß man die Sätze einzeln untersuchen. Aber e i n e gemeinsame Ursache, vielleicht mit Ausnahme von Satz 19, läßt sich immerhin anführen: Anders als die Begriffe B der Sätze 61 62

Vgl. oben S. 176. Vgl. oben S. 180.

192

Präpositionale

Wendlingen

mit

Gleichsetzung

von Gruppe 1 a verbinden sich d i e B e g r i f f e B der Sätze von G r u p p e l b grundsätzlich mit b e i d e n präpositionalen Wendungen. Kommentar zur Gruppe 2 a („auf dem Gebiet" dominiert): Die Begriffe B der sechs Sätze, in denen „auf dem Gebiet" dominiert, lauten: Satz 1: „Lebensmittelkontrolle", „Kontrolle der Arzneimittel" Satz 2: „Verkehrswesen" Satz 4: „Verteidigung" Satz 7(b): „politische Information" Satz 10: „Rüstung" Satz 15: „landwirtschaftliche Technik" Alle diese Begriffe lassen sich ohne weiteres auch mit „im Bereich" kombinieren. Wenn auf dem Gebiet weniger deutlich dominiert als „im Bereich" (3,68 :1) (9,8 : 1), so bestätigt dies mittelbar die Annahme, daß Begriffe, die sich mit „auf dem Gebiet" verbinden, grundsätzlich auch mit „im Bereich" kombiniert werden können. In den S ä t z e n 4 und 5 zum Beispiel ist d e r B e g r i f f B i d e n t i s c h („Verteidigung"), das Zahlenverhältnis jedoch deutlich verschieden (Satz 4: Gebiet 17 / Bereich 4; Satz 5: Gebiet 14 / Bereich 11). Dieser Unterschied muß seine Ursache im weiteren Kontext, insbesondere im Verhältnis zwischen den Begriffen A und B, haben. Es gibt also für die Dominanz der Wendung „auf dem Gebiet" keine einfache Erklärung wie für die Dominanz der Wendung „im Bereich". In Satz 15 scheint schon der Begriff B, „landwirtschaftliche Technik", die Wendung „auf dem Gebiet" zu fordern. In Wirklichkeit wird der Begriff B erst durch seine Beziehung zum Begriff A, „Hochschulabsolventen", als „Studiengebiet" oder „Fachgebiet" definiert. Der isolierte Begriff B würde noch keine Entscheidung zugunsten der Wendung „auf dem Gebiet" gestatten. Es sind somit die Informationen des weiteren Kontexts, die hier den Ausschlag zugunsten von „auf dem Gebiet" gegeben haben. In den Sätzen 1, 2 und 10 gibt der Kontext nicht genügend Informationen, um die Wahl der Wendung „auf dem Gebiet" eindeutig zu motivieren. Es ist bezeichnend, daß in den Sätzen 1, 2 und 10 je viermal beide Wendungen für möglich gehalten wurden, während bei Satz 15 keine einzige Doppelnennung zu verzeichnen ist. Der Leser, der in den Sätzen 1, 2 und 10 die fehlenden Präpositionen einzusetzen hat, findet Spielraum vor; er setzt nicht ein kontextuell bestimmtes X ein, er wagt vielmehr selbst eine Interpretation, die aber nicht willkürlich ist, deren Ursache vielmehr in der inhaltlichen Struktur der beiden präpositionalen Wendungen liegen dürfte. Es mag gerade die inhaltliche Profiliertheit der Wendung „auf dem Gebiet" sein, die den Ausschlag zugunsten dieser Wendung gegeben hat, insbesondere die formale Unterscheidung zwischen übertragen-räumlicher und eigentlich-räumlicher Bedeutung.

III.

Die präpositionalen

Wendungen

„im Bereich"

193

Spräche man in Satz 1 vom „Bereich der Lebensmittelkontrolle" und vom „Bereich der Kontrolle der Arzneimittel", so könnte damit der praktische Apparat der Lebensmittel- und Arzneimittelkontrolle gemeint sein. Der Konsumentenschutz ist jedoch nicht etwas, was „im Bereich der Lebensmittel- und Arzneimittelkontrolle" noch zusätzlich hinzukäme. Die Lebensmittel- und Arzneimittelkontrolle ist vielmehr selbst ein Teil des Konsumentenschutzes. Spricht man vom „Gebiet der Lebensmittelkontrolle", so tritt der Aspekt des praktischen Kontrollapparates in den Hintergrund. Als „Gebiet" wird die Lebensmittel- und Arzneimittelkontrolle theoretisch ins Auge gefaßt. Ähnlich kann bei Satz 10 argumentiert werden. Komplizierter sind die Verhältnisse in Satz 4. Aus dem Kontext geht hervor, daß die Anstrengungen den Verteidigungsvorbereitungen und nicht der effektiven Verteidigung gegen einen Angriff gelten. Mit „Verteidigung" sind also die vorbereitenden Maßnahmen für die Abwehr eines möglichen Angriffs gemeint. Als eigentliches Nomen actionis könnte „Verteidigung" gar nicht mit „auf dem Gebiet" kombiniert werden. Wie aber verhält es sich mit der Verbindung „im Bereich der Verteidigung"? Während „auf dem Gebiet" bei Gleichsetzung notwendig übertragene Bedeutung hat, ist „im Bereich" offen für eigentliche wie für übertragene Bedeutung. Kombiniert mit dem Attribut „Verteidigung" kann „im Bereich" denn auch eigentliche Bedeutung haben. „Bereich" bezeichnet dann, auf unbestimmte Weise, jenen Sektor der Front, in dem verteidigt wird, im Unterschied zum Angriffsbereich. Bei solcher Bedeutung ist das Attribut dem Begriff „Bereich" allerdings nicht mehr gleichgesetzt. Mit diesem Hinweis dürfte die Wahl des eindeutigen „auf dem Gebiet" gerechtfertigt sein. Satz 5 wird uns Gelegenheit geben, auf die Gruppen „im Bereich / auf dem Gebiet der Verteidigung" zurückzukommen. In S a t z 7 dominiert bei a die Wendung „im Bereich", bei b die Wendung „auf dem Gebiet". Beide Wendungen verbinden denselben Begriff A „Vermassung" mit verschiedenen BegriffenB (a. „das Geschmackliche, das gesellschaftliche Benehmen"; b. „die politische Information"). Bei a ist schon die Gleichsetzung des Begriffs B „das Geschmackliche" mit „Gebiet" fragwürdig. Bei b kann der Begriff B „politische Information" grundsätzlich mit beiden Wendungen kombiniert werden. Man darf annehmen, daß die befragten Personen eine Wiederholung der gleichen Wendung vermeiden wollten. Gibt es neben diesem Prinzip der Variation auch semantische Gründe für die Dominanz von „auf dem Gebiet" bei b? Was „das Geschmackliche und das gesellschaftliche Benehmen" betrifft, so zeigt das Publikum selbst Zeichen der „Vermassung". Bei der „politischen Information" (b) dagegen sucht man die „Vermassung" zuerst bei den Informationsträgern. Die Gleichsetzung mit „Gebiet" prägt das Attribut „politische Information" zum deutlich umrissenen Gegenstand. Eine Notwendigkeit, die Wendung „auf dem Gebiet" zu wählen, besteht freilich nicht.

13 Sdiäublin 1

194

Präpositionale

Kommentar

Wendungen

mit

Gleichsetzung

zur Gruppe 2 b („auf dem Gebiet" wurde mehrheitlich gewählt):

Die Begriffe B lauten: Satz Satz Satz Satz Satz

5: 9: 12: 16: 17:

„Verteidigung" „Innenpolitik" „rüstungstechnisch-" (Bezugsadjektiv) „Siedlungswesen" „Wirtschaftswissenschaften"

Alle diese Begriffe können auch mit „im Bereich" kombiniert werden. Die Sätze 4 und 5 haben den gleichen Begriff B: „Verteidigung". In Satz 4 ist das Verhältnis 4,2 : 1 zugunsten von „auf dem Gebiet"; in Satz 5 bloß 1,3 : 1. In Satz 5 sind zweimal soviel Doppelnennungen zu verzeichnen wie in Satz 4 (8 : 4). Wie ist diese Differenz zu erklären? Es wurde schon darauf hingewiesen, daß in Satz 4 die „Anstrengungen auf dem Gebiet der Verteidigung" unmißverständlich vorbereitenden Charakter haben. Der Kontext von Satz 5 gibt nicht so klare Informationen. Zwar denkt man nicht geradezu an einen Frontsektor, in dem verteidigt wird, doch sind hier deutlicher als in Satz 4 die praktischen Belange der Verteidigung anvisiert. Frankreich liefert Israel Defensivwaffen, und man kann dabei nicht umhin, an die fortgesetzten Grenzverletzungen zu denken. Kurz: der „Bereich der Verteidigung" bezeichnet eher die praktische Wirklichkeit, die konkrete Verteidigung der territorialen Integrität; „auf dem Gebiet der Verteidigung" faßt die Verteidigung mehr vom theoretisch-politischen Gesichtspunkt aus ins Auge. Dies dürfte der Grund für die unterschiedlichen Zahlenverhältnisse in den Sätzen 4 und 5 sein. Satz 9: Der Kontext dieses Satzes scheint keine bündige Entscheidung für die eine oder andere Wendung zu gestatten. Möglich wäre statt einer präpositionalen Wendung auch einfaches „in". Einen vergleichbaren Begriff finden wir in Satz 14 (Bezugsadjektiv „politisch-"). Während jedoch das Verhältnis in Satz 9 1,62 : 1 zugunsten von „auf dem Gebiet" steht, ist es in Satz 14 1,75 :1 zugunsten von „im Bereich", also ziemlich genau entgegengesetzt. „Innenpolitik" ist nicht nur ein engerer Begriff als „Politik", bei „Innenpolitik" denken wir auch eher an ein Ressort, ein Fachgebiet, während der allgemeinere Begriff „Politik" ebenso oft eine Sphäre, einen Bereich des menschlichen Lebens bezeichnen kann. „Innenpolitik" wird darum vorzugsweise mit „auf dem Gebiet" kombiniert. Immerhin ist in Satz 9 auch die Verbindung „im Bereich" möglich. Satz 12: Hier scheint die Opposition „Artikellosigkeit („auf rüstungstechnisdiew Gebiet") / Artikel {„im rüstungstechnischen Bereich")" von Bedeutung zu sein. Der Artikel unterstreicht die implizite Subsumption von „Rüstungstechnik" unter einen Oberbegriff. Die Artikellosigkeit läßt das Moment der impliziten Subsumption in den Hintergrund treten. In Satz 12 ist die Einordnung der Rüstungstechnik in das Ganze der verschiedenen technischen Sektoren gerade nicht erheblich.

III.

Die präpositionalen

Wendungen

„im Bereich"

195

Satz 16: Um den Mehrheitsentscheid zu erklären, variieren wir die präpositionale Wendung in einem Minimalkontext: a) „Planung im Bereich der Wirtschaft" b) „Planung auf dem Gebiet der Wirtschaft" Bei der Wendung „auf dem Gebiet" wird die Wirtschaft als Ganzes ins Auge gefaßt. Die Wirtschaft als Ganzes ist Gegenstand der Planung. Bei Gleichsetzung mit „Bereich" wird die Wirtschaft zu einem „Raum", in dem geplant wird. Gegenstand der Planung ist nicht mehr die Wirtschaft als Ganzes, sondern einzelne Wirtschaftseinheiten. Diese Unterscheidung läßt sich übertragen auf die Gruppe in Satz 16: „Planung auf dem Gebiet / im Bereich des Siedlungswesens". „Planung auf dem Gebiet des Siedlungswesens" betrifft das Siedlungswesen als Ganzes, während „Planung im Bereich des Siedlungswesens" an Einzelplanungen denken läßt. Da der Kontext weder den einen noch den anderen Sinn notwendig fordert, ist die Einsetzung der einen oder der anderen Wendung eine Interpretation des Satzes. Satz 17: Der Begriff B in diesem Satz kann mit dem Begriff B in Satz 15, „landwirtschaftliche Technik", verglichen werden. Während jedoch in Satz 15 das Verhältnis 4,25 : 1 zugunsten von „auf dem Gebiet" steht, ist es in Satz 17 bloß 1,5 : 1 . Der Begriff A in Satz 15, „Hochschulabsolventen", bestimmt den Begriff B „landwirtschaftliche Technik" klar als „Lehr- und Fachgebiet". In Satz 17 ist der Begriff A erst zu ermitteln. Wäre „Technikums-Ausbildung" Begriff A, so wäre „auf dem Gebiet" gegeben. Mit größerer Berechtigung stellt man jedoch die Frage: „Wo hätte neben der akademischen Ausbildung eine ,Technikums'Ausbildung gefördert werden sollen?" Diese Frage zeigt, daß das Verb „fördern" (mit seiner Objektergänzung) der eigentliche Begriff A ist. In diesem Fall bezeichnet „Wirtschaftswissenschaften" nicht mehr nur ein Lehr- und Forschungsgebiet, sondern eine konkrete Abteilung der Hochschule. Der Verfasser selbst hat denn auch „im Bereich" gewählt. Bei den Umfrage-Antworten ist mit folgenden Möglichkeiten zu rechnen: 1. Der Befragte stellt vor allem auf den Begriff B „Wirtschaftswissenschaften" ab und wählt dann „auf dem Gebiet"; 2. Der Befragte stellt auf den ganzen Satzzusammenhang ab und wird dann eher „im Bereich" wählen. Bisher ist das vierte Merkmal der Wendung „auf dem Gebiet", die V e r g e g e n s t ä n d l i c h u n g oder O b j e k t i v i e r u n g des Begriffs B, noch nicht mit der wünschenswerten Klarheit nachgewiesen worden. Deshalb kommen wir zum Abschluß noch einmal auf diese Frage zurück. Die Wirksamkeit des vierten unterscheidenden Merkmals: Die Wendung „auf dem Gebiet" kann bei Gleichsetzung des Attributs mit „Gebiet" nur im übertragenen Sinne räumlich gebraucht werden. Die Präposition „auf" bewirkt eine Vergegenständlichung des Attributs (Begriff B), 13"

196

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

verleiht dem Attribut den Charakter eines Objekts. Die Wendung „im Bereich" kann bei Gleichsetzung des Attributs mit „Bereich" sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Sinne räumlich gebraucht werden. Die Präposition „in" bewirkt keine Vergegenständlichung des Attributs (Begriff B). Obwohl wir den Begriff „Gegenstand" („Objekt") bisher nur semantisch verwendet haben, drängt sich doch ein Vergleich mit dem Objekt im grammatikalisch-syntaktischen Sinne auf. Da wir „auf dem Gebiet" als präpositionale Wendung betrachten, ist das Attribut von „Gebiet" mit dem Präpositionalobjekt zu vergleichen. Das Präpositionalobjekt ist manchmal schwer abzugrenzen von der Umstandsangabe des Ortes, denn „viele Präpositionalobjekte sind . . . durch übertragene Anwendungen von Raumvorstellungen entstanden" 63 . Beispiel: eigentliche Raumvorstellung: sein Haus auf Felsen gründen (Umstandsangabe des Ortes) übertragene Raumvorstellung: Sein Verdacht gründet sich auf meine rungen. (Präpositionalobjekt)

Äuße-

„Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich . . . bei jenen Präpositionalobjekten, die aus der übertragenen Anwendung von Raumangaben entstanden sind, weil man bei ihnen ebenso nach dem im Präpositionalgefüge genannten W e s e n oder D i n g wie nach dem mit Hilfe des Wesens oder Dinges bezeichneten R a u m fragen kann" 64 : seine Anstrengungen führten zum (Wohin oder wo zu führten sie?)

Erfolg

Wenn wir die Gruppe „auf dem Gebiet + Attribut" mit dem P r ä p o s i t i o n a l o b j e k t vergleichen, so müssen wir andererseits die Gruppe „im Bereich + Attribut" mit der U m s t a n d s a n g a b e d e s O r t e s vergleichen. Nun wiederholt sich die Abgrenzung zwischen Präpositionalobjekt und Umstandsangabe des Ortes auf der Stufe des adnominalen Attributs: — Einerseits kann das Präpositionalattribut „Wesen oder Dinge in einer bestimmten Situierung" bezeichnen und damit dem P r ä p o s i t i o n a l o b j e k t entsprechen65: Ich freue mich über den Sieg > Präpositionalobjekt

63

Duden-Grammatik, § 894, S. 444.

64

Duden-Grammatik, § 1027, S. 495.

65

Duden-Grammatik, § 982, S. 475.

meine Freude über den Sieg Präpositionalattribut mit Objektcharakter

III.

Die präpositionalen

Wendungen

„im Bereich"

197

— Andererseits kann das Präpositionalattribut aber auch „mit Hilfe eines Wesens oder Dinges U m s t ä n d e ausdrücken" und damit einer Umstandsangabe des Ortes entsprechen66: Ich fahre nach Genf > Umstandsangabe

meine Fahrt nach Genf Präpositionalattribut mit Umstandscharakter

Der Begriff „Präpositionalattribut" bezeichnet also sowohl Attribute mit O b j e k t c h a r a k t e r als auch Attribute mit U m s t a n d s c h a r a k t e r . Objektcharakter kann das Attribut auch dann haben, wenn das Bezugswort nicht direkt die Transposition eines Verbs ist: direkte Verbtransposition: die Hoffnung auf Hilfe ( < auf Hilfe hoffen) nicht direkte Verbtransposition: seine Ansicht über die Neutralität Diese Unterscheidung zwischen Präpositionalattributen mit Objektcharakter und solchen mit Umstandscharakter läßt sich sinnvoll übertragen auf die Gruppen „auf dem Gebiet + Attribut" und „im Bereich + Attribut". Um dies zu beweisen, vergleichen wir zuerst Präpositionalattribute mit der Präposition „über" und die entsprechenden Gruppen „auf dem Gebiet + Attribut": über + Attribut:

auf dem Gebiet +

Attribut

1. Seine Ansichten über die innenpolitik

seine Ansichten auf dem Gebiet der Innenpolitik

2. Seine Veröffentlichungen über Quantenchemie

seine Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Quantenchemie

3. Theorien über die Massenmedien

Theorien auf dem Gebiet der Massenmedien

4. Informationen über die Sozialpolitik

Informationen auf dem Gebiet der Sozialpolitik

5. Untersuchungen über das Gesellschaftsrecht

Untersuchungen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts

Das Präpositionalattribut mit „über" bezeichnet den Gegenstand der „Ansichten", „Veröffentlichungen", „Theorien", „Informationen", „Untersuchungen" und „Vorschläge", dasjenige, worauf sie sich beziehen. Statt der idiomatischen Präposition „über" könnte man auch den gänzlich unbestimmten Beziehungsausdruck „betreffend" einsetzen. „Betreffend" ist das tertium comparationis zwischen „über" und „auf dem Gebiet". Wie das Präpositionalattribut bezeichnet auch das Attribut von „Gebiet" den Gegenstand der „Ansichten", „Veröffentlichungen" usw. Das Attribut von „Gebiet" hat also ebenfalls deutlich Objektcharakter. 66

Duden-Grammatik, § 982, S. 475.

198

Prapositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Macht man die Substitutionsprobe, so entdeckt man, daß i n k e i n e r d e r f ü n f g e n a n n t e n G r u p p e n „ a u f d e m G e b i e t " d u r c h „im B e r e i c h " e r s e t z t w e r d e n k a n n . Wir vermuten, diese Substitution sei gerade deshalb unmöglich, weil das Attribut Objektcharakter hat. Wir machen die Gegenprobe, indem wir Gruppen bilden, in denen das Attribut ebenso eindeutig Umstands charakter hat: B. in + Attribut:

im Bereich +

1. neue Strömungen in der innenpolitik

neue Strömungen im Bereich der Innenpolitik

2. die Vorgänge in der Wirtschaft

die Vorgänge im Bereich der Wirtschaft

3. das Geschehen in der Kunst

das Geschehen im Bereich der Kunst

4. die Unruhe in der Industrie

die Unruhe im Bereich der Industrie

5. die Lohnentwicklung in der Landwirtschaft

die Lohnentwicklung im Bereich der LandWirtschaft

Attribut:

Das Präpositionalattribut mit „in" antwortet in diesen Gruppen auf die Frage „wo?". Die einfache Präposition läßt sich durchwegs durch die präpositionale Wendung „im Bereich" substituieren. Es fragt sich nun, ob in diesen Gruppen „im Bereich" ebensowenig durch „auf dem Gebiet" ersetzbar ist, wie in den obengenannten Gruppen (A) „auf dem Gebiet" durch „im Bereich" ersetzbar war. Wir glauben es nicht. Gruppen wie „das Geschehen auf dem Gebiet der Kunst", „Nachwuchsprobleme auf dem Gebiet der Naturwissenschaften" scheinen uns möglich zu sein. Das Attribut zu „im Bereich" scheint also immer Umstandscharakter zu haben. Das Attribut zu „auf dem Gebiet" scheint teils Objekt-, teils Umstandscharakter zu haben. Die gleiche Differenzierung haben wir schon bei den Begriffen A „sich auskennen" und „Kenntnisse" nachweisen können: Umstandsergänzung: a) Er kennt sich aus auf dem Gebiet der Kunst b) Er kennt sich aus im Bereich der Kunst c) Er kennt sich aus in der Kunst Attribut mit Objektcharakter: seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Politik (nicht: im Bereich) Damit dürfte die Wirksamkeit des vierten unterscheidenden Merkmals von „auf dem Gebiet" und „im Bereich" (Vergegenständlichung/Nidit-Vergegenständlichung) hinlänglich bewiesen sein.

IV. Die präpositionale

IV. Die präpositionale 1. Die Gliederung

Wendung

Wendung

„im

Rahmen"

„im

199

Rahmen"

der Belege:

Gliedert man die Belege nach dem Verhältnis der präpositionalen Wendung „im Rahmen" zur einfachen Präposition „in", so lassen sich grob drei Gruppen unterscheiden: A. In gewissen Sätzen kann die präpositionale Wendung „im Rahmen" durch die einfache Präposition „in" ersetzt werden, ohne daß eine nennenswerte Bedeutungsveränderung feststellbar wäre. „Im Rahmen" ist dann eine bloße Variante von „in". Beispiel 1: „Im Rahmen" der Konsumgesellschaft, in der wir leben, ist es die verdienstvolle sozio-ökonomische Rolle der Werbung, neue Wünsche zu schaffen oder herauszukristallisieren." (N. Z. Z. 9.10. 65 m) Beispiel 2: „Im Rahmen meiner Washingtoner Besprechungen spielten Wirtschaftsfragen eine große Rolle." (N. Z. Z. 9. 10. 65 m) Beispiel 3: „ . . . daß die in Frankreich erhobene (!) Befürchtung ausgeräumt würde, Frankreich könne sich infolge seiner überseeischen Verpflichtungen, wie zum Beispiel in Indodiina und Nordafrika, im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im Verhältnis zu Deutschland eines Tages in einer schwächeren Position befinden." (Stuttg. Z. 13.11.65) Es hält schwer, in diesen Sätzen „im Rahmen" und „in" zu differenzieren. Gerade die Tatsache, daß „im Rahmen" zuweilen als bloße Variante von „in" auftritt, zeigt, wie fest es als präpositionale Wendung verankert ist. B. In manchen Sätzen läßt der substantivische Begriff B zwar sowohl die einfache Präposition als auch die präpositionale Wendung zu, aber im Satzkontext sind „in" und „im Rahmen" nicht vertauschbar, sei es, weil sie nicht gleichwertig sind, sei es, weil „in" gar nicht eingesetzt werden kann. Beispiel 1: „Im Rahmen eines längerfristigen Programms muß das Subventionsvolumen systematisch abgebaut werden." (Stuttg. Z. 11.11.65) Beispiel 2: „In diesen Zahlen nicht inbegriffen sind die Aufwendungen im Rahmen des allgemeinen Budgets der Eidgenössischen Technischen Hochschule sowie jene der auf diesem Gebiet tätigen Angestellten." (N. Z. Z. 29. 5. 66 So)

200

Präpositionale

Wendungen mit

Gleichsetzung

Beispiel 3: „Seit die tschechischen Kommunisten letztes Jahr im Rahmen der KafkaDiskussion die junge Generation zu einer aufbauenden Kritik an der marxistischen Idee aufgerufen haben und entdeckt worden ist, daß dem Individuum sein bestimmter Platz auch in der sozialistischen Gesellschaft gebührt, will die Kritik nicht mehr verstummen." (National-Z. 10.12. 65 a) Wohl sind hier beide Kombinationen möglich: 1. im Programm/im Rahmen des Programms; 2. im Budget/im Rahmen des Budgets; 3. in der Diskussion/imRahmen der Diskussion. Doch ist in den angeführten Sätzen die einfache Präposition „in" entweder nicht verwendbar (Beispiel 1 und 2) oder nicht gleichwertig (Beispiel 3). C. In einer dritten Gruppe von Sätzen läßt sich der Begriff B überhaupt nicht mit der einfachen Präposition „in" kombinieren. Beispiel 1: „Wie schon erwähnt, gäbe es im Rahmen der Branchenplafonierung nur noch Kontingente auf gesamtschweizerischer Ebene." (N. Z. Z. 2.12. 65 m) Beispiel 2: „Es gibt hübsche Frisuren, im Rahmen des Möglichen elegante Kleider, wenn auch aus billig aussehenden Stoffen." (N. Z. Z. 21.4. 63 Sa) Beispiel 3: „ . . . dem Druck des Volkes nach etwas mehr Freizügigkeit und höherem Lebensstandard im Rahmen des politisch Tragbaren nachzugeben." (Presse 7-/8. 12. 63) Die Begriffe B „Branchenplafonierung", „das Mögliche", „das politisch Tragbare" schließen die Präposition „in" in jedem Kontext aus. Schematisch lassen sich die drei Gruppen wie folgt darstellen: Gruppe A: Gruppe B: Gruppe C:

Begriff B

Begriff A

unverändert unverändert unverändert

unverändert-» frei -» frei —>

im Rahmen

in

+ + +

+ + —

Nun suchen wir nach Analogien zum Verhältnis zwischen der präpositionalen Wendung und der einfachen Präposition in den drei Gruppen: Dem Verhältnis zwischen „im Rahmen" und „in" in der Gruppe A entspricht etwa das Verhältnis zwischen den einfachen Präpositionen in den folgenden Sätzen: „Wegen/infolge einer Panne verpaßten wir den Zug." „Dies ist ein Angriff gegen/auf die Pressefreiheit."

IV. Die präpositionale

Wendung „im

Rahmen"

201

Dem Verhältnis zwischen „im Rahmen" und „in" in der Gruppe B entspricht etwa das Verhältnis zwischen den einfachen Präpositionen in den folgenden isolierten Gruppen (der Begriff B läßt beide Präpositionen zu, aber die beiden Präpositionen sind nicht gleichwertig): im Schachspielen in dieser Zeit

/ beim Schachspielen / zu dieser Zeit

Dem Verhältnis zwischen „im Rahmen" und einfachem „in" in der Gruppe C entspricht etwa das Verhältnis zwischen den einfachen Präpositionen in den folgenden Beispielen: beim Schließen der Tür auf dem Tisch 2. Das inhaltliche

Verhältnis

/ (im) / (im) zwischen

„im Rahmen"

und

„in":

Die Mehrheit unserer Belege ist der Gruppe B zuzurechnen (der Begriff B läßt einfaches „in" zu, der ganze Satzkontext schließt es aus). Will man „in" und „im Rahmen" differenzieren, so muß man die Belege dieser Gruppe untersuchen, denn hier dient der Wechsel „im Rahmen/in" dazu, mögliche Inhalte des Begriffs B zu unterscheiden. Wir versuchen zuerst einen Überblick über die Begriffe B zu gewinnen, die sich sowohl mit „in" als auch mit „im Rahmen" kombinieren lassen. Dabei stellt sich heraus, daß die scheinbare Vielfalt beträchtlich reduziert werden kann. Es begegnen u. a. folgende Begriffe: Organisation (UN-Organisation), UN, Verteidigungsorganisation, AFL ( = American Federation of Labor), NATO, Vertrag, Abkommen, Verhandlungen, Gespräch, Diskussion, Gemeinschaft, Bündnis, Allianz, Plan, Strategie, Ordnung, Funktion, Entwicklung, Konzeption Die meisten dieser Begriffe sind mehrfach belegt. Zu untersuchen ist, wie der Wechsel „in/im Rahmen" diese Begriffe differenziert, und ob sich die Unterschiede auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Schon jetzt können wir ein unterscheidendes Merkmal nennen: Wie „auf dem Gebiet" kann auch „im Rahmen" bei Gleichsetzung nur übertragen-räumlich verwendet werden: eigentlich-räumlich: übertragen-räumlich:

im Keller in seiner Haltung im Rahmen dieser Entwicklung

Das zweite wichtige Merkmal: Die Präposition „in" impliziert nicht nur die Grenzen eines Raum- oder Flächengebildes, sie kann auch den Raum oder die Fläche selbst einbegreifen. Im Satz „Er arbeitet im Garten" abstrahiert „in" nicht von dem, was die Grenze umschließt.

202

Prapositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Durch die Gleichsetzung mit „Rahmen" wird der Begriff B als umschließende Grenze dargestellt. Es wird abstrahiert von dem, was die Grenze umschließt. Wir stellen die beiden Merkmale in schematischer Übersicht zusammen: in:

im Rahmen:

1. eigentlich-räumlich u n d übertragen-räumlich

nur übertragen-räumlich (bei Gleichsetzung)

2. stellt das Bezeichnete als kompaktes Ganzes dar

stellt das Bezeichnete (Begriff B) als umschließende Grenze, als „Hohlraum" dar

Wie wirken nun diese Merkmale auf den Begriff B ein? Am einfachsten läßt sich dies bei Begriffen wie „Vertrag", „Abkommen" beschreiben. Kombiniert mit „in" bezeichnet „Vertrag" oder „Abkommen" den Text, den Wortlaut. Kombiniert mit „im Rahmen" bezeichnen sie die Rechte und Pflichten, die aus dem Vertrag oder dem Abkommen erwachsen: „Es handelt sich um Zahlungen der Bundesrepublik i m R a h m e n des sogenannten Kreuznacher Abkommens." (Presse 28./29. 12. 63) Das „Kreuznacher Abkommen" schafft überhaupt erst die Zahlungsverpflichtungen der Bundesrepublik und d e f i n i e r t sie zugleich. Wir heben das Verb „definieren" hervor, weil es im Grunde dasselbe besagt wie die Gleichsetzung „Abkommen = Rahmen". Das Abkommen ist der R a h m e n oder die D e f i n i t i o n der Zahlungsverpflichtung und der Zahlungsmodalitäten. Die Gleichsetzung wirkt abstrahierend nach beiden Seiten: „Rahmen" ist eine Metapher, und mit dem Begriff B „Abkommen" wird nicht der Text, sondern der Gehalt bezeichnet. Zur Differenzierung des Begriffs B tragen hier beide Merkmale von „im Rahmen" und „in" bei: die ausschließlich übertragen-räumliche Bedeutung von „im Rahmen", aber auch die Darstellung des Bezeichneten (Begriff B) als umschließende Grenze, als „Hohlraum". Durchaus vergleichbare Wirkung hat der Wechsel „in/im Rahmen" aber auch bei den anderen erwähnten Begriffen B: „Diese militärische Vorstellung zwang sich uns bereits damals auf, als der Feldmarschall de Lattre de Tassigny die ersten Verteidigungspläne im Rahmen der Verteidigungsorganisation des Brüsseler Paktes ausarbeitete." (Stuttg. Z. 9. 4. 66) Die „Verteidigungsorganisation" ist „Rahmen" insofern, als sie die Daten in bezug auf geographische Gegebenheiten, Verteidigungspotential usw. liefert, die für die Verteidigungspläne verbindlich sind. Solche Pläne bestimmen Möglichkeiten des Handelns unter Berücksichtigung bestimmter Gegebenheiten. Man vergleiche damit den Satz mit einfachem „in": „In der Verteidigungsorganisation des Brüsseler Paktes werden die ersten Verteidigungspläne ausgearbeitet".

IV.

Die präposttionale

Wendung

„im

Rahmen"

203

Nun ist die „Verteidigungsorganisation" nicht mehr ein Komplex von Gegebenheiten und Daten, sondern ein konkretes lokalisierbares Gebilde, ein Apparat mit Planungsstab. Nun antwortet der Begriff B auf die Frage: „Wo werden die ersten Verteidigungspläne ausgearbeitet?" Ähnlich ist der Unterschied im folgenden Satz: „Österreich hat im Rahmen der UN ausreichend Gelegenheit, zu weltpolitischen Problemen Stellung zu nehmen." (Presse 23./24. 11. 63) Wiederum bezeichnet der Begriff B, „UN", nicht den konkreten Ort, an dem Österreich zu weltpolitischen Problemen Stellung nimmt, sondern den abstrakten Spielraum für eine solche Stellungnahme, der gebildet wird durch die Charta der Vereinten Nationen, durch die erklärten Grundsätze und Ziele dieser völkerrechtlichen Institution. Die beschriebenen inhaltlichen Veränderungen der Begriffe B lassen sich allesamt auf die erwähnten unterscheidenden Merkmale zurückführen, nämlich auf die Oppositionen „eigentliche (in)/übertragene Bedeutung (im Rahmen)" und „Kompaktheit (in)/Hohlraum (im Rahmen)". Durch die Gleichsetzung werden die Merkmale von „Rahmen" auf den Begriff B übertragen. 3. Versuch einer genetischen Erklärung der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung: In den Sätzen der Gruppe C gibt es keine Alternative „in/im Rahmen". In diesen Sätzen ermöglicht die Gleichsetzung „Begriff B = Rahmen" überhaupt erst die Setzung der Präposition „in". Die Aussage, der Begriff B lasse in den Sätzen der Gruppe C die Präposition „in" überhaupt nicht zu, gilt freilich nur, wenn der Begriff B Attribut oder Umstandsangabe, nicht aber, wenn er Präpositionalobjekt ist. Man vergleiche daraufhin die beiden folgenden Sätze: a) „Eine Lösung der Uberfremdungsprobleme im Rahmen der allgemeinen Freizügigkeit sieht der Referent nicht." (Präpositionalattr. oder Umstandsangabe) (N. Z. Z. 5. 12. 62) b) „Er sieht in der allgemeinen rechte."

Freizügigkeit

eines der wichtigsten Grund(Präpositionalobjekt)

In Satz a könnte statt der präpositionalen Wendung „im Rahmen" eine einfache Präposition der althochdeutschen Grundschicht, d. h. jener Präpositionen, die sich sowohl mit Pronomina als auch mit Pronominaladverbien verbinden, gesetzt werden67: „Eine Lösung des Uberfremdungsproblems bei allgemeiner Freizügigkeit sieht der Referent nicht." „Bei" hätte dann grundsätzlich dieselbe Funktion wie im Satz: „Bei schönem Wetter findet der Ausflug statt." 67

Vgl. oben S. 155—156.

204

Prdpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Diese Funktion wiederum ist ableitbar vom Gebrauch der Präposition „bei" in Sätzen wie: „Der Ausflug fand bei schönem Wetter statt." In diesem letzten Satz bezeichnet „bei" einen das Geschehen begleitenden Umstand. Ist das Geschehen nur potentiell, so kann der begleitende Umstand zur Voraussetzung für das Geschehen werden. So eben im Satz: „Bei schönem Wetter findet der Ausflug statt". Satzintonation und Stellung der Umstandsangabe „bei schönem Wetter" können die konditionale Funktion von „bei" verdeutlichen. Das „bei" des begleitenden Umstands endlich läßt sich mit Sicherheit auf das lokale „bei" zurückführen: „Beim Ausgang steht ein Apfelbaum". Lokales „bei" bestimmt einen Ort, indem es ihn auf einen nahegelegenen Ort als Orientierungspunkt bezieht. Entsprechend beziehen temporales und konditionales „bei" ein Geschehen, sei es auf einen b e g l e i t e n d e n , sei es auf einen B e d i n gungsumstand. Der Schritt von lokalem zu temporalem und konditionalem „bei" ist nicht leicht nachzuvollziehen. An die Stelle der statischen Beziehung im Raum tritt die Beziehung zwischen einem Geschehen und einem Umstand. Trotz dieser Schwierigkeit des Nachvollzugs glauben wir doch eine Kontinuität der Beziehungsfunktion von „bei" zu erkennen. Bei den Präpositionen der Grundschicht bestehen die mannigfaltigsten Satzfunktionen nebeneinander, ohne daß sich der Sprecher über ihren inneren Zusammenhang Gedanken machte. So unterscheiden die Grammatiken ein lokales, ein temporales, ein konditionales und ein konzessives „bei". Man sollte sich jedoch Rechenschaft darüber geben, daß „bei" diese Satzfunktionen gar nicht alle zu übernehmen vermag, sondern sie vom S a t z k o n t e x t h e r e m p f ä n g t . Nur eine Funktion vermag „bei" wirklich zu tragen: die lokale. Was hier über die Präposition „bei" gesagt worden ist, das gilt grundsätzlich für die Präpositionen der Grundschicht im allgemeinen. Um die Entwicklung von der einfachen Präposition zur präpositionalen Wendung mit Gleichsetzung besser verstehen zu können, stellen wir die Frage: Wie verhalten wir uns, wenn wir in einem Satz wie „Eine Lösung des Überfremdungsproblems bei allgemeiner Freizügigkeit sieht der Referent nicht" die Angabe „bei allgemeiner Freizügigkeit" syntaktisch zu erläutern haben? Wir bedienen uns natürlich wiederum des Mittels der Sprache, indem wir versuchen, diese Angabe zu einem ganzen Satz auszubauen, sei es zu einem ergänzungslosen Satz wie: „ . . . wenn allgemeine Freizügigkeit herrscht" sei es zu einem Satz mit Gleichsetzungsnominativ wie: „ . . .wenn allgemeine Freizügigkeit die Grundlage, das Prinzip, die Forderung, das Ziel, die Bedingung, der R a h m e n usw. ist." Zu solchen P r ä d i k a t i o n e n nehmen wir immer Zuflucht, wenn wir Sprachliches mit Hilfe von Sprache zu erklären haben.

V. Die präpositionale

Wendung

„auf

Grund"

205

P r ä p o s i t i o n a l e W e n d u n g e n m i t G l e i c h s e t z u n g lassen sich ganz natürlich als solche P r ä d i k a t i o n e n verstehen, als verkürzte Prädikationen allerdings, verkürzt insofern, als das Zeichen der Gleichsetzung, das Verb „sein", fehlt. Nun vergleichen wir die Umstandsangabe mit einfacher Präposition und jene mit präpositionaler Wendung, indem wir die Teile der einen mit den Teilen der anderen zu identifizieren suchen und als Zwischenstufe den vollständigen Umstandssatz einschalten: a) mit einfacher Präposition: b) Umstandssatz:

„¿ei allgemeiner Freizügigkeit" „wenn allgemeine Freizügigkeit der Rahmen ist" „im Rahmen allgemeiner Freizügigkeit"

c) mit präp. Wendung:

Auf der Stufe b entspricht der einfachen Präposition von Stufe a die konditionale Konjunktion „wenn" und der Gleichsetzungsnominativ „(ist) der Rahmen". Auf der Stufe c entspricht der einfachen Präposition von Stufe a das Syntagma „im Rahmen". Der wesentliche Teil der erklärenden Prädikation von Stufe b bleibt also auch auf Stufe c erhalten: das grammatikalisierte, kontextbedingte, unselbständige „bei" wird ersetzt durch ein Syntagma „Präposition + Substantiv", d. h., es wird l e x i k a l i s i e r t . Wo die präpositionale Wendung mit Gleichsetzung an die Stelle einer polyvalenten Präposition der Grundschicht tritt, da ist sie nichts anderes als die E r k l ä r u n g einer sprachlichen Form mit H i l f e einer e x p l i z i t e r e n s p r a c h l i c h e n Form.

V. Die präpositionale 1. Von den diachronischen

Wendung

„auf

zu den synchronischen

Grund" Problemen:

Das Grimmsche Wörterbuch verzeichnet eine Wendung „auf den Grund" mit Gleichsetzungsgenitiv, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts belegt ist68. In der Regel leite diese Wendung eine Voraussetzung ein, aus der eine Berechtigung fließe69. Beispiele: „(Pudel und Möpse) durften nur . . . auf den Grund der nach Beratung des Ausschusses erteilten Erlaubskarte mitgebracht werden." (E. Th. A. Hoff mann, 6, 13 Gr) 68

Vgl. die analoge Konstr. „auf den Fall".

69

Bd. 4, 1. Abth., 6. Teil (bearbeitet von A. Hübner und H . Neumann) (Leipzig 1935), Spalte 712.

206

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

„Madam verlangte auf den Grund dieses Vorzuges ein vollstimmiges Ja zur Heirath." (Hippel, Kreuz- und Querzüge 1, 87) „In jenem Augenblick, in welchem eine Vereinbarung... auf den Grund der alten Zustände möglich erschien . . . " (Ranke, S. W. 4, 3) Nach Angabe des Grimmschen Wörterbuchs e r l i s c h t d e r A r t i k e l der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. So schon bei Schopenhauer 70 :

in

„Der Richterstuhl der Prozesse auf Grund desselben (des Völkerrechts) ist die öffentliche Meinung." Mit dem Erlösdien des Artikels vollzieht sich ohne Zweifel eine U m d e u t u n g d e s K a s u s : der Akkusativ wird zum Dativ umgedeutet. In der artikellosen Wendung fehlt ein Kasusindikator, da die Präpostion „auf" sowohl den Kasus der Lage (Dativ) als auch den Kasus der Richtung (Akkusativ) verlangen kann. Aber für das heutige Sprachgefühl gibt „auf" zweifellos nicht die Richtung, sondern die L a g e an. Das Grimmsche Wörterbuch verzeichnet aber noch eine zweite Wendung mit Gleichsetzung71. Diese Wendung gilt als ganz jung und wird angeführt unter der Anmerkung: „Die Bedeutung „Fundament" verblaßt zur allgemeineren „feste Grundlage". Diese Wendung ist mit dem Artikel versehen und weist von Anfang an den Dativ auf: Beispiele: „Auf dem Grunde des parlamentarischen Lebens . . . bildeten sich neue Anschauungen." (Ranke, S. W., 31, 83) „... auf dem Grunde dieser Substanzenlehre eine haltbare Vorstellung des Verhältnisses von Geist und Körper auszubilden." (Dilthey: Einleit. in die Geistesw. 1, 9) So jung diese Wendung sein mag, so würde man heute doch schon „Grundlage" an die Stelle von „Grund" setzen. Die heutige präpositionale Wendung „auf Grund" ist mit Sicherheit von „auf den Grund", nicht von jüngerem „auf dem Grund", herzuleiten. Dafür spricht die Artikellosigkeit. Bei Ranke finden sich „auf den Grund" und „auf dem Grund" nebeneinander in verschiedener Funktion 72 . Nach dem Erlöschen des Artikels stehen sich „auf Grund" und „auf dem Grund" gegenüber. Bei gleichem Kasus (Dativ) wirkt jetzt der Wechsel „Artikellosigkeit/Artikel" unterscheidend. 70

ebenda, Spalte 712.

71

ebenda, Spalte 704.

72

Vgl. die zitierten Beispiele.

V. Die präpositionale

Wendung

„auf

Grund"

207

Nach dem DWB ist für beide Wendungen auszugehen von der Bedeutung „Grundlage". Will man dagegen den neuesten Nachschlagewerken Glauben schenken, so fällt die Bedeutung „Grundlage" im heutigen Gebrauch der Wendung „auf Grund" völlig außer Betracht. Im „Wörterbuch zum deutschen Sprachgebrauch" („Wörter und Wendungen") erscheint „auf Grund" nicht unter Titel 8 des Stichworts „Grund" („Grundlage"), sondern unter Titel 10: „Ursache, Veranlassung". Als Beispiel wird angeführt: „Auf Grund dieses Berichts, von genauen Feststellungen wurde er verhaftet." 73 Im 9. Band des Großen Dudens („Hauptschwierigkeiten der deutschen Sprache") wird „auf Grund" zusammen mit „durch", „infolge", „vor", „von", „wegen", „zufolge", also zusammen mit e i n f a c h e n k a u s a l e n P r ä p o s i t i o n e n behandelt74. Im Synonymie-Duden findet man Angaben über „auf Grund" unter dem Stichwort „wegen"75. Bei einer synchronischen Betrachtung scheinen also die folgenden Probleme vordringlich zu sein: a) Es ist zu untersuchen, ob sich „Grund" in der Wendung „auf Grund" wirklich ganz von der Bedeutung „Grundlage" emanzipiert hat, wie es die genannten neuesten Darstellungen nahelegen. b) Es ist zu untersuchen, wie sich „auf Grund" in das Feld der kausalen Präpositionen eingliedert. Um dieses Feld überblickbar zu machen, beschränken wir es auf die vier Präpositionen „angesichts", „auf Grund", „infolge", „wegen". 2. Die Gliederung

der

Belege:

Aus Gründen, die erst im weiteren Verlauf der Untersuchung sichtbar werden, wählen wir „wegen" als Kriterium der Gliederung, d. h., wir nehmen an, „wegen" sei die universalste Kausalpräposition, die Kausalpräposition mit dem weitesten Anwendungsbereich. Wir unterscheiden zwischen Belegen, in denen „auf Grund" durch „wegen" substituiert werden kann (Gruppe a), und Belegen, in denen „auf Grund" nicht durch „wegen" substituiert werden kann (Gruppe b). Beispiele der Gruppe a: „Es ist zu bedauern, daß auf Grund (wegen) rechtlicher Überlegungen auf dieses Vorgehen, jedenfalls vorläufig, verzichtet werden muß." (N. Z. Z. 30. 7. 66 m) 73

„Wörter und Wendungen": Wörterbuch zum dt. Sprachgebrauch (VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1962), S. 253, Spalte 1.

74

S. 81, Spalte 1.

73

S. 721, Spalte 1.

208

Präpositionale

Wendungen mit

Gleichsetzung

„ D e r P r ä s i d e n t braucht R o b e r t K e n n e d y , weil dieser im W a h l k a m p f die entscheidenden S t i m m e n des industriellen u n d städtischen N o r d o s t e n s beeinflussen k a n n , die L y n d o n J o h n s o n auf Grund

(wegen) seiner H e r k u n f t

nie zu gewinnen vermöchte."

(F. A . Z . 25. 1. 64)

„ I n den österreichischen K o m m e n t a r e n z u r G e n f e r E F T A - K o n f e r e n z w i r d übereinstimmend das V e r s t ä n d n i s hervorgehoben, d a s Österreich auf

Grund

(wegen) seiner besonderen

seinen

Abhängigkeit

vom

EWG-Markt

für

Wunsch nach V e r h a n d l u n g e n mit der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gefunden habe."

( N . Z. Z . 22. 3. 63 mi)

Beispiele der G r u p p e b : „ V o n größerer B e d e u t u n g als die Beitragszuteilung auf

Grund

d e r Stu-

dienrichtungen ist diejenige, die sich nach der Z a h l der a n der Hochschule immatrikulierten Studenten berechnet." „ W e r soll d a f ü r z u s t ä n d i g sein, u n d auf Grund

( N . Z. Z . 16. 1. 66 So) welcher K r i t e r i e n soll ent-

schieden w e r d e n . "

( N . Z . Z . 2 . 1 2 . 66 m)

„ V o n Ostern wissen wir aus Zeugnissen historischen A u s s a g e w e r t s , ohne d a ß wir auf Grund

dieser Berichte den G e s a m t a b l a u f historisch rekonstru-

ieren k ö n n e n . "

( W i t t r a m , S . 93)

V o n unseren Belegen sind r u n d z w e i nen u n d nur

ein D r i t t e l

Drittel

der G r u p p e b

zuzurech-

der G r u p p e a.

W o „ a u f G r u n d " nicht durch „ w e g e n " oder eine andere k a u s a l e P r ä p o s i t i o n substituiert werden k a n n , d a ist i m allgemeinen Substitution durch „ a u f der G r u n d l a g e " oder durch „ n a c h " , „entsprechend", „ g e m ä ß " möglich. U m g e k e h r t ist manchmal auch die Substitution v o n „ a u f der G r u n d l a g e " (mit Gleichsetzungsgenitiv) durch „ a u f G r u n d " möglich: „ E s ist durchaus d e n k b a r , d a ß auf der Grundlage

(auf G r u n d ) einer f u n -

dierten wirtschaftlichen P r o g n o s e a l t e r n a t i v e P l ä n e f ü r die

wünschens-

werte wirtschaftliche E n t w i c k l u n g aufgestellt w e r d e n . " ( N . Z . Z . 1 . 5 . 6 5 mi) E s zeigt sich also, d a ß d a s geschichtlich orientierte Wörterbuch v o n G r i m m den heutigen Sprachgebrauch im G r u n d e a d ä q u a t e r beschreibt als die e r w ä h n t e n jüngeren Nachschlagewerke.

3. Eine Umfrage mit Sätzen der Gruppe a („auf Grund" kann durch „ w e g e n " substituiert werden): Wir haben in 9 S ä t z e n der G r u p p e a die ursprüngliche p r ä p o s i t i o n a l e W e n d u n g „ a u f G r u n d " ausgelassen u n d die u n v o l l s t ä n d i g e n S ä t z e v o n 13 Personen erg ä n z e n lassen 7 5 '. D u r c h die L e i t f r a g e : „Angesichts, infolge, a u f G r u n d o d e r we75,1

Bei den b e f r a g t e n Personen handelte es sidi wiederum um Studenten der metscherschule Zürich.

Dol-

V. Die präpositionale

Wendung

„auf

Grund"

209

gen?" haben wir die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt. Die Ergebnisse ohne Vorbereitung zu analysieren, hätte allerdings wenig Sinn, da die Umfragesätze schon reichlich komplex sind. Zuerst muß durch die Analyse von Sätzen mit Minimalkontext (Begriff A, präpositionale Wendung oder Präposition, Begriff B) der Boden für eine sachgerechte Deutung bereitet werden.

DIE UMFRAGE 1. Die nunmehr aufgetretene Erschwernis ( ) der französischen Aktionen an der Saar war ungleich gefährlicher und dazu angetan, meine Befürchtungen wahr zu machen. (Stuttg. Z . 1 1 . 1 1 . 65) auf Grund: 1 / wegen: 5 / infolge: 11 / angesichts: 4 2. Ich muß hier ergänzend beifügen, daß der bisherige Innenminister Heinemann mir sein Rücktrittsgesuch übergeben hatte ( ) meiner Bereitschaft, einen deutschen Beitrag zu einer europäischen Armee zu leisten. (Stuttg. Z. 3 0 . 1 0 . 6 5 ) auf Grund: 7 / wegen: 9 / infolge: 3 / angesichts: 7 3. Nicht nur nach früheren Erfahrungen, sondern vor allem ( ) der Einstellungen, die unsere Verantwortlichen zu diesem Thema haben, muß leider das Gegenteil befürchtet werden. (Köln. St. 8./9. 6. 63) auf Grund: 7 / wegen: 6 / infolge: 3 / angesichts: 1 0 4. auf den meisten Gebieten die Ausübung der obersten Gewalt aufzugeben, die die Alliierten Deutschland gegenüber ( ) der völligen Niederlagen besaßen. (Stuttg. Z. 6 . 1 1 . 6 5 ) auf Grund: 4 / wegen: 2 / infolge: 1 1 / angesichts: :2 5. Ein als politische Organisation eines bestimmten Sprachvolks proklamierter Staat ist ( ) eben dieser Staatsrechtfertigungsideologie nicht imstande, die in ihm wohnenden ethnischen Gruppen ideologisch zu gewinnen. (Lemberg, S. 63) auf Grund: 1 2 / wegen: 10 / infolge: 2 / angesichts: 0 6. E r behauptet, daß der Westen ( ) der seiner Wirtschaftsordnung „inhärenten Instabilität" sich „ständig am Rande des Abgrundes bewege . . . " (N. Z . Z . 1 . 1 2 . 63 So) auf Grund: 4 / wegen: 1 0 / infolge: 1 0 / angesichts: 0 7. Zu der Ankündigung Adenauers, im Herbst 1963 zurücktreten zu wollen, gibt es in Washington ( ) der Erfahrungen seit 1961 keine amtlichen Kommentare. (F. A. Z. 1 1 . 1 2 . 6 3 ) auf Grund: 7 / wegen: 4 / infolge: 3 / angesichts: 7 8. Jahrelang standen die Amerikaner unter dem Eindruck der Befürchtung (sie!), daß sich ( ) technischer Fehlerquellen oder unvorsichtiger Aktionen untergeordneter Organe ein kriegerischer Konflikt spontan entwickeln könnte. (Stuttg. Z. 9 . 4 . 6 6 ) auf Grund: 2 / wegen: 4 / infolge: 1 3 / angesichts: 0 14

Schäublin 1

210

Präpositionale Wendungen

mit

Gleichsetzung

9. . . . vor allem im Hinblick darauf, daß jedem von ihnen diejenigen Leistungen zufallen, zu deren Bewältigung sie (sie!) ( ) ihrer technischen und kostenwirtschaftlichen Eigenart besonders geeignet sind. (F. A. Z. 19.10. 63) auf Grund: 1 1 / wegen: 6 / infolge: 2 / angesichts: 0 Die Gliederung der Sätze nach den

Mehrheitsverhältnissen:

Wir teilen die 9 Sätze nach den ermittelten Zahlenverhältnissen in Gruppen ein: Gruppe A: In den Sätzen 5 und 9 wurde mehrheitlich „ a u f wählt.

Grund"

ge-

Gruppe B: In den Sätzen 3 und 7 wurde mehrheitlich „ a n g e s i c h t s " gewählt (In Satz 7 halten sich „angesichts" und „auf Grund" die Waage). Gruppe C: In den Sätzen 2 und 6 wurde mehrheitlich „ w e g e n " gewählt. Gruppe D: In den Sätzen 1, 4 und 8 wurde mehrheitlich „i n f o 1 g e" gewählt. Die Befragten haben also in 7 von 9 Sätzen mehrheitlich anders gewählt als die Verfasser der Sätze, denn in sämtlichen Sätzen steht ja ursprünglich „a u f Grund". Wie verteilen sich nun die vier Präpositionen auf die vier Gruppen, die wir unterschieden haben? Die folgende Übersicht zeigt diese Verteilung in Prozentzahlen : Gruppe A B C D

auf Grund 47

o/o

29,7 % 20,2 % 12 %

angesichts

wegen

infolge

12,2%

36,6 % 21,2 %

8,1 % 12,2 % 26 %

36,2

%

14,5 % 10 %

39,1

%

18,6%

59,3

%

Diese Zahlen scheinen uns in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich: 1. „Infolge" und, etwas weniger ausgeprägt, „auf Grund" zeigen die deutlichsten Mehrheiten. Die Zahlen für „auf Grund" und „infolge" sind gegenläufig: je stärker der Anteil von „auf Grund", desto schwächer der Anteil von „infolge" und umgekehrt: auf Grund: infolge:

A

B

C

D

47 % 8,1 °/o

29,7% 12,2 °/o

20,2 °/o 26 %

12 % 59,3%

Diesem statistischen Befund dürfte eine P o l a r i t ä t d e r inhaltl i c h e n M e r k m a l e der beiden Präpositionen zugrundeliegen.

V. Die präpositionale 2.

„W e g e n"

211

Wendung „auf Grund"

ist sowohl in der Gruppe A (Mehrheit für „auf G r u n d " ) als

auch in der G r u p p e D (Mehrheit für „infolge") die Präposition.

zweithäufigste

In der Gruppe A ist „wegen" stärker vertreten als in der

Gruppe D (36,6 °/o zu 18,6 °/o). Doch wird diese Differenz zum Teil dadurch aufgewogen, daß in der Gruppe C, in der „wegen" selbst eine relative Mehrheit erreicht, „infolge" etwas stärker vertreten ist als „auf G r u n d " (26 % zu 20,2 °/o). Dieses Bild wird durch die D o p p e l n e n n u n g e n

bestä-

tigt. Von Doppelnennungen sprechen wir, wenn eine Person im gleichen Satz zwei Präpositionen eingesetzt hat. Die folgende Übersicht zeigt, wie oft in den Gruppen A, C und D die Doppelnennungen „auf Grund/wegen", „infolge/wegen" und „auf Grund/infolge" vorkommen: Gruppe

auf Grund/wegen

infolge/wegen

A

13

2

C

8

8

4

D

2

11

6

23 (40,3 o/o) Die

auf Grund/infolge

Doppelnennungen gen"

„auf

sind u n g e f ä h r

3

21 ( 3 7 % )

Grund/wegen"

gleich

häufig

13(22,8%) und

„infolge/we-

und kommen mit deutlichem

Abstand vor der Doppelnennung „auf Grund/infolge". In den Sätzen der Gruppe C (Mehrheit für „wegen") halten sich die Doppelnennungen „wegen/auf G r u n d " und „wegen/infolge" die Waage. Diese Zahlen lassen vermuten, daß s i c h „infolge"

„w e g e n "

sowohl mit „ a u f

überschneiden

Grund"

als auch mit

k a n n , also mit jenen beiden Präposi-

tionen, bei denen wir eine inhaltliche Polarität vermuten. 3.

Während die Präpositionen „auf Grund", „wegen" und „infolge" in keinem der 9 Sätze vollständig fehlen, ist „a n g e s i c h t s"

in nicht weniger als

vier Sätzen (5, 6, 8, 9) überhaupt nicht vertreten. In den Sätzen der Gruppe B, in denen „angesichts" mehrheitlich gewählt worden ist, ist „auf G r u n d " sein stärkster, „wegen" sein zweitstärkster Konkurrent (Satz 3 : angesichts 1 0 / a u f Grund 7 / wegen 6 ; Satz 7 : angesichts 7 / auf Grund 7 / wegen 4). Dieses Bild wird wiederum durch die Doppelnennungen bestätigt: Gruppe angesichts/auf Grund B

8

angesichts/wegen

angesichts/infolge

5

2

Andererseits wurden in den beiden Sätzen der Gruppe A (Mehrheit für „auf G r u n d " ) die Präposition „angesichts" überhaupt nicht eingesetzt. Es ist deshalb zu untersuchen, unter welchen Bedingungen „auf G r u n d " und „angesichts vertauschbar sind und wo sie sich nicht berühren. 14

212

Präpositionale

Kommentar gewählt):

Wendungen

mit

Gleichsetzung

zu den Sätzen der Gruppe A („auf Grund" wurde

mehrheitlich

a) Zum Verhältnis zwischen „auf Grund" und „wegen": Der 9. Band des Großen Dudens merkt zur präpositionalen Grund" an: „Auf Grund" gibt den b e w e g e n d e n G r u n d ges, einer Erkenntnis wieder, aus dem etwas gefolgert wird, eine M o t i v i e r u n g . Es kann weder einen S a c h g r u n d bezeichnen, noch als Q u e l l e f ü r e i n e A n g a b e (wie „gemäß") stehen76.

Wendung „auf eines Vorganbezeichnet also (wie „durch") „nach", „laut",

Zu „wegen" heißt es gleichenorts: „Wegen" bezeichnet den ganz allgemein, ohne Rücksicht auf zeitliche Verknüpfung 77 .

Sachgrund

Nach diesen Bestimmungen sollte sich „auf Grund" nicht mit „wegen" überschneiden, da es ja n i c h t den S a c h g r u n d bezeichnen kann. Nun haben in den Sätzen der Gruppe A (Mehrheit für „auf Grund") nicht weniger als 13 Personen „auf Grund" und „wegen" gemeinsam eingesetzt, was gegen die Angaben des Dudens spricht. Allerdings ist zu bedenken, daß solche Doppelnennungen ebensogut Differenz wie Äquivalenz bedeuten können. Zunächst müssen wir jedoch Klarheit über den Begriff „Motivierung" erlangen. Wir versuchen diesen Begriff mit Hilfe von Beispielen zu erklären: 1. Das Gericht verurteilte ihn wegen Diebstahls (nicht: auf Grund) 2. Das Gericht verurteilte ihn auf Grund von Indizien (nicht: wegen) Die beiden Sätze enthalten den gleichen Begriff A („verurteilen"), aber verschiedene BegriffeB (1. „Diebstahl"; 2. „Indizien"). Es muß also der Wechsel des Begriffs B sein, der den Wechsel „wegen/auf Grund" bedingt. Durch diesen Wechsel des Begriffs B wird freilich auch das Verhältnis zwischen Begriff B und Begriff A verändert. Dies zeigt die folgende Probe. Man kann sagen: „Der Diebstahl ist der Grund für seine Verurteilung". Dagegen kann man nicht sagen: „Die Indizien sind der Grund für seine Verurteilung". Vielmehr schließt das Gericht aus den Indizien, daß ein Tatbestand vorliegt, der Grund für eine Verurteilung ist. Das Gericht ist also die m o t i v i e r e n d e I n s t a n z , d. h. die Instanz, die das Vorliegen eines Straftatbestandes aus den Indizien folgert. Wir nennen diese motivierende Instanz künftig auch Motivator. Der Motivator läßt sich vergleichen mit dem, was Bally „Modalität" nennt. Das Denken sei nicht nur Vorstellung („representation") eines Gegenstandes, eines Geschehens, sagt Bally, 76 77

S. 81, Spalte 1. S. 82, Spalte 1.

V, Die präpositionale

Wendung

„auf

Grund"

213

immer sei auch ein denkendes Subjekt präsent78. Ein Satz enthält deshalb nicht nur ein „Dictum", d. h. die Vorstellung, sondern auch eine „Modalität", d. h. eine Beziehung des denkenden Subjekts zu dieser Vorstellung79. In der Regel wird die „Modalität" durch ein Verb und das dazugehörige Subjekt ausgedrückt: Ich freue mich, daß du kommst Modalität Dictum Wie mit dem „Dictum" immer eine „Modalität" mitgesetzt ist, so ist bei der Wendung „auf Grund" immer ein Motivator mitgesetzt. Im Satz „Das Gericht verurteilte ihn auf Grund von Indizien" ist das Gericht der Motivator. Aber das Gericht ist auch im Satz „Das Gericht verurteilte ihn wegen Diebstahls" Motivator, denn jedes Urteil bedarf der Motivierung. Mit Hilfe des Begriffs „Motivierung" lassen sich also „auf Grund" und „wegen" nicht unterscheiden. Es sind wie gesagt die Begriffe B „Diebstahl" und „Indizien", die den Wechsel der Präposition bedingen. „Diebstahl" bezeichnet den d i r e k t e n G r u n d der Verurteilung. Die „Indizien" dagegen bedürfen der Interpretation. Durch Interpretation der Indizien gelangt das Gericht zum Schluß, daß eine Verurteilung gerechtfertigt sei. „Auf Grund" verlangt also einen z u i n t e r p r e t i e r e n d e n B e g r i f f B, „wegen" nicht. In den folgenden Sätzen bleibt der ganze Kontext invariabel. Einzig die Präposition wechselt. Wenn es einen Bedeutungsunterschied gibt, so beruht er allein auf dem Wechsel der Präposition: 3. Wegen seiner Qualifikationen hat er gute Aussichten, die Stelle zu bekommen. 4. Auf Grund seiner Qualifikationen hat er gute Aussichten, die Stelle zu bekommen. In diesem Satz bleibt der Motivator ungenannt. Es ist deshalb ein i m p l i z i t e r M o t i v a t o r anzusetzen, so wie von Bally in gewissen Sätzen eine implizite „Modalität" angesetzt wird. Im Satz „Es regnet" zum Beispiel ist die „Modalität" zu ergänzen: „(Ich stelle fest), daß es regnet 80 ." Es liegt nahe, bei Satz 4 den Sprecher als Motivator anzusetzen: „ A u f G r u n d seiner Qualifikationen halte ich seine Aussichten, die Stelle zu bekommen, für gut." Die gleiche Ergänzung ist aber auch bei Satz 3 möglich: „ W e g e n seiner Qualifikationen halte ich seine Aussichten, die Stelle zu bekommen, für gut." Bei „auf Grund" interpretiert der Motivator (der Sprecher) die „Qualifikationen" und gelangt zum Schluß, daß der Bewerber gute Aussichten habe, die 78

Vgl. Bally, L.g. et l.fr., S. 35, § 27.

79

ebenda, S. 36, § 28.

80

Vgl. Bally, L.g. et l.fr., S. 46, § 48.

214

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Stelle zu bekommen. Bei „wegen" führt der Sprecher die „Qualifikationen" als Grund für seine günstige Prognose an. Mit anderen Worten: „Qualifikationen" kann sowohl ein z u i n t e r p r e t i e r e n d e r B e g r i f f sein als auch d e n G r u n d u n m i t t e l b a r bezeichnen. So oder so kommt es auf die Beschaffenheit der „Qualifikationen", nicht nur auf deren Vorhandensein an. Ein Wechsel des Begriffs B kann bewirken, daß „auf Grund" ausscheidet: 5. Wegen (nicht: auf Grund) seiner Beliebtheit hat er gute Aussichten, die Stelle zu bekommen. Im Unterschied zu „Qualifikationen" ist „Beliebtheit" nicht ein zu interpretierender Begriff, sondern bezeichnet den unmittelbaren Grund. 6. Wegen des neuen Belastungsmaterials muß ein neues Verfahren eröffnet werden. 7. Auf Grund des neuen Belastungsmaterials muß ein neues Verfahren eröffnet werden. Satz 7 ist mehrdeutig, weil mehrere implizite Motivatoren in Frage kommen. Motivator kann zunächst einmal jene Instanz sein, die das neue Verfahren eröffnet: „Die Instanz X muß auf Grund des neuen Belastungsmaterials ein neues Verfahren eröffnen." Das bedeutet, daß die betreffende Instanz bei ihrem Vorgehen sich auf das neue Belastungsmaterial stützt. In diesem Fall kann „auf Grund" durch „auf der Grundlage" substituiert werden. Eine andere Interpretation des Satzes lautet: „Auf Grund des neuen Belastungsmaterials (steht fest), daß ein neues Verfahren eröffnet werden muß." Aus dem neuen Belastungsmaterial wird die Notwendigkeit eines neuen Verfahrens gefolgert. Motivator kann nun der Verfasser des Satzes sein. Wir unterscheiden die beiden Bedeutungen mit Hilfe der Substitutionsprobe: 1. „auf Grund" ist durch „auf der Grundlage" substituierbar. 2. „auf Grund" ist nicht durch „auf der Grundlage" substituierbar. N u r im zweiten Fall berührt sich „auf Grund" mit „wegen". Es besteht indes ein Unterschied: „Wegen des neuen Belastungsmaterials" heißt: weil neues Belastungsmaterial vorliegt". „Auf Grund des neuen Belastungsmaterials" heißt: „Das neue Belastungsmaterial ist so beschaffen, daß . . . " . Bei „wegen" ist die Tatsache, daß neues Belastungsmaterial vorliegt, wichtig. Bei „auf Grund" ist die B e s c h a f f e n h e i t des neuen Belastungsmaterials wichtig. Dieser Unterschied war bei den Sätzen 3 und 4 nicht relevant, weil dort immer die Beschaffenheit der „Qualifikationen" ausschlaggebend war. Auch bei Satz 7 kann ein anderer Begriff B „auf Grund" ausschließen: 8. Wegen (nicht: auf Grund) eines F o r m f e h l e r s muß ein neues Verfahren eröffnet werden. Während „Belastungsmaterial" ein interpretierbarer Begriff ist, kann „Formfehler" nur den direkten Grund bezeichnen.

V. Die prdpositionale

Wendung

„auf

215

Grund"

Wir fassen zusammen: 1. „auf Grund" bedingt einen expliziten oder impliziten Motivator. „Wegen" kann ebenfalls einen Motivator haben. 2. „auf Grund" bedingt einen vom Motivator z u i n t e r p r e t i e r e n d e n B e g r i f f B. In Verbindung mit „wegen" bezeichnet der Begriff B dagegen immer den direkten Grund. Der Begriff „Sachgrund" ist also für die Unterscheidung von „auf Grund" und „wegen" erheblich, nicht aber der Begriff „Motivierung". Die Begriffe B der bisher untersuchten Sätze zeigen folgende Möglichkeiten: Satz:

1 Diebstahl/

a) zu interpretierender Begriff B (verbunden mit „auf Grund") b) Begriff B bezeichnet direkt den Grund (verbunden mit „wegen")

2 Indizien

+

+

3/4 5 6/7 8 Quali- Beliebt- Bela- Formfik. heit stungs- fehler material

+

+

+

+

+

+

Die Bedingungen für eine Überschneidung von „auf Grund" und „wegen" lauten somit: 1. Es muß ein Motivator explizit oder implizit vorhanden sein. 2. D e r B e g r i f f B m u ß s o w o h l i n t e r p r e t i e r b a r s e i n a l s auch den G r u n d u n m i t t e l b a r b e z e i c h n e n können. Der folgende Satz mag zeigen, daß durch den Motivator immer auch die Perspektive gesetzt wird: „(Präposition) d e r K r i e g s e r i n n e r u n g e n betrachten die Südostasitaten Japan immer noch mit Argwohn." Setzt man „auf Grund" ein, so motivieren die Südostasiaten selbst ihren Argwohn mit ihren Kriegserinnerungen. Setzt man „wegen" ein, so kann ein Beobachter (Journalist) oder die Beteiligten selbst (Südostasiaten) den Zusammenhang zwischen den Kriegserinnerungen und dem Argwohn herstellen. Setzt man „infolge" ein, so ist Motivierung durch die Beteiligten selbst ausgeschlossen. „Infolge" stellt den Argwohn als n a t ü r l i c h e , z w a n g s l ä u f i g e F o l g e der Kriegserinnerungen dar. Der Kausalzusammenhang

216

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

wird als der Sache immanent, als objektiv dargestellt. Bei „infolge" erübrigt sich deshalb ein Motivator. „Infolge" ist demnach aperspektivisch und insofern dem „wegen" der Beobachterperspektive nahe. Wählt man die Perspektive als Kriterium, so verteilen sich die drei Präpositionen im vorangehenden Beispiel wie folgt: Perspektive der Beteiligten: Perspektive des Beobachters oder Aperspektivität:

auf Grund

wegen wegen

infolge

Diese Verteilung stimmt mit den ermittelten Zahlenverhältnissen überein: Polarität von „auf Grund" und „infolge", Berührung von „wegen" mit beiden. b) Die Sätze der Umfrage: Satz 5: „Ein als politische Organisation eines bestimmten Sprachvolks proklamierter Staat ist ( ) eben dieser S t a a t s r e c h t f e r t i g u n g s i d e o l o g i e nicht imstande, die in ihm wohnenden ethnischen Gruppen ideologisch zu gewinnen." auf Grund 12 / wegen 10 / infolge 2 / angesichts 0 Die Gruppe „auf Grund eben dieser Staatsrechtfertigungsideologie" läßt sich umstellen: „Ein als politische Organisation eines bestimmten Sprachvolks organisierter Staat ist nicht imstande, auf Grund e b e n d i e s e r S t a a t s r e c h t f e r t i g u n g s i d e o l o g i e die in ihm wohnenden ethnischen Gruppen ideologisch zu gewinnen." Nun bezieht sich die Gruppe „auf Grund + Begriff B " eindeutig auf den Infinitiv „(ideologisch) zu gewinnen". Die besagte Staatsrechtfertigungsideologie ist dann die — unzureichende — Grundlage für die ideologische Gewinnung der in diesem Staat wohnenden ethnischen Gruppen. In der ursprünglichen Stellung ist die Gruppe „auf Grund eben dieser Staatsrechtfertigungsideologie" mehrdeutig, weil mehrere Motivatoren und damit mehrere Perspektiven möglich sind: 1. Die Perspektive des Satzsubjekts „Staat": „Der Staat ist auf Grund eben dieser Staatsrechtfertigungsideologie nicht imstande..." Bei dieser Perspektive hat „Grund" wiederum die Bedeutung „Grundlage": „Ein solcher Staat vermag auf der Grundlage eben dieser Staatsrechtfertigungsideologie die in ihm wohnenden ethnischen Gruppen ideologisch nicht zu gewinnen." 2. Die Perspektive des Verfassers: „Auf Grund eben dieser Staatsrechtfertigungsideologie (hält der Verfasser) einen solchen Staat (für unfähig), die in ihm wohnenden ethnischen Gruppen ideologisch zu gewinnen." Bei dieser Perspektive ist die Staatsrechtfertigungsideologie der Grund für die Unfähigkeit des Staates. Wählt man die Perspektive des Satzsubjekts „Staat", so hat „auf Grund" praktisch die gleiche Bedeutung, wie wenn es sich auf den Infinitiv „(ideo-

V. Die präpositionale

Wendung

„auf

Grund"

217

logisch) zu gewinnen" bezieht. So oder so ist die Perspektive des Satzsubjekts bestimmend. So oder so hat „Grund" die Bedeutung „Grundlage". Mit „wegen" berührt sich „auf Grund" nur, wenn wir die Perspektive des Verfassers als Deutungsgrundlage nehmen. Dies erhellt schon daraus, daß die Gruppe mit „wegen" nicht wie die Gruppe mit „auf Grund" umgestellt werden kann. „Wegen" ist im Unterschied zu „auf Grund" eindeutig, perspektivisch bestimmt. Bei „wegen" ist die Staatsrechtfertigungsideologie aus der Sicht des Verfassers Ursache für die Unfähigkeit eines solchen Staates, die in ihm wohnenden ethnischen Gruppen ideologisch zu gewinnen. Die gemeinsamen Merkmale von „wegen" und von „auf Grund" im zweiten Sinne sind: gleicher Begriff A („nicht imstande sein") und Perspektive des Verfassers. Das unterscheidende Merkmal ist die Funktion des Begriffs B: „wegen" bestimmt „Staatsrechtfertigungsideologie" als S a c h g r u n d ; „auf Grund" bestimmt „Staatsrechtfertigungsideologie" als z u interpretierenden Begriff. Satz 5 der Umfrage ist damit vergleichbar mit dem schon analysierten Satz „Auf Grund des neuen Belastungsmaterials muß ein neues Verfahren eröffnet werden". In beiden Sätzen ist „auf Grund" doppeldeutig. In beiden Sätzen kann es entweder durch „wegen" oder durch „auf der Grundlage" substituiert werden. Satz 9: „ . . . v o r allem im Hinblick darauf, daß jedem von ihnen diejenigen Leistungen zufallen, zu deren Bewältigung s i e ( ) ihrer techn i s c h e n u n d k o s t e n w i r t s c h a f t l i c h e n E i g e n a r t besonders geeignet sind." auf Grund 1 1 / wegen 6 / infolge 2 / angesichts 0 Sechs Personen haben „auf Grund" allein eingesetzt; vier Personen haben „auf Grund" und „wegen" zusammen eingesetzt. Wir beschränken uns darauf, die Wahl von „auf Grund" und „wegen" genauer zu analysieren. „Imstande sein" und „geeignet sein", die Begriffe A der Sätze 5 und 9, begünstigen die Wahl von „auf Grund" insofern, als sie eine urteilende Instanz voraussetzen. Der Begriff B „technische und kostenwirtschaftliche Eigenart" kann entweder in Verbindung mit „wegen" den eigentlichen Sachgrund oder in Verbindung mit „auf Grund" einen zu interpretierenden Begriff darstellen. Die Voraussetzungen für eine Uberschneidung von „auf Grund" mit „wegen" sind also erfüllt. Da jedoch die „technische und kostenwirtschaftliche Eigenart" zuerst ermittelt werden muß, ehe auf die Eignung geschlossen werden kann, ist „auf Grund" vorgezogen worden. Kommentar zu, den Sätzen der Gruppe D: (Mehrheit für „infolge") Im Grammatik-Duden und im 9. Band („Hauptschwierigkeiten der deutschen Sprache") wird „infolge" so definiert: „Infolge" weist unmittelbar auf den

218

Prdpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

zurückliegenden Grund. Das von ihm abhängende Substantiv darf nur ein Geschehen, keine Sache oder Person bezeichnen81. Es trifft zweifellos zu, daß das von „infolge" abhängende Substantiv keine Sache oder Person bezeichnen darf. Das zeigen die folgenden Beispiele: a) Wegen dieses Hauses (nicht: infolge) bekamen sie Streit. Sachbezeichnung b) Wegen dieses Mädchens (nicht: infolge) bekamen sie Streit. Personenbezeichnung Wie steht es aber mit der Forderung, daß der Begriff B ein Geschehen bezeichnen müsse? Der Begriff „Geschehensbezeichnung" ist nicht so eindeutig wie die Begriffe „Personenbezeichnung" und „Sachbezeichnung". E. Leisi spricht zum Beispiel von Substantiven, welche Vorgänge als Dinge vorstellen: Reise, Fahrt, Flucht, Wetter, Blitz, Husten, Spiel, Tanz usw.82. Die Wortart Substantiv verleiht diesen Vorgängen Gegenstandscharakter. Von der Untersuchung der -ung-Substantive her wissen wir, daß ein und dasselbe -ung-Substantiv bald Geschehensbezeichnung, bald Gegenstandsbezeichnung sein kann. Wir begnügen uns mit diesem Hinweis auf die Problematik des Begriffs „Geschehensbezeichnung". Es zeigt sich überdies, daß in der Praxis „infolge" oft mit Substantiven verbunden wird, die auf gar keinen Fall als Geschehensbezeichnungen gelten können. Beispiele: „Dadurch wird die kritische Distanz zu „Bonn", die ( ) des t r a d i t i o n e l l e n d e u t s c h e n D u a l i s m u s von „Staat" und „Gesellschaft" ohnehin von Natur aus beträchtlich ist, noch wesentlich verstärkt." In diesem Satz haben a c h t von dreizehn Personen „ i n f o l g e " eingesetzt, obwohl „Dualismus" keine Geschehensbezeichnung ist. „Er behauptet, daß der Westen ( schaftsordnung „inhärenten am Rande des Abgrunds" bewege . . . "

) der s e i n e r W i r t I n s t a b i l i t ä t " sich „ständig (Satz 6 der Umfrage)

In diesem Satz haben z e h n von dreizehn Personen „ i n f o l g e " eingesetzt. Dabei ist „Instabilität" wiederum keine Geschehensbezeichnung. Die Norm, wonach das von „infolge" abhängende Substantiv ein Geschehen bezeichnen muß, ist somit in doppelter Hinsicht fragwürdig: 1. weil der Begriff „Geschehensbezeichnung" nicht leicht abzugrenzen ist. 2. weil in der Sprachwirklichkeit nicht selten Substantive mit „infolge" verbunden werden, die nicht ein Geschehen bezeichnen. 81

Grammatik-Duden, S. 312, § 589, sowie Duden Bd. 9, S. 81, Spalte 2.

82

Der Wortinhalt, S. 26.

V. Die prapositwnale

Wendung

„auf

Grund"

219

Prüft man alle einschlägigen Duden-Bände, so entdeckt man, d a ß selbst d o r t keine „unité de doctrine" in bezug auf „infolge" besteht. So übernimmt der 1965 erschienene 9. Band („Hauptschwierigkeiten der deutschen Sprache") w ö r t lich die Definition des 1959 erschienenen G r a m m a t i k - D u d e n s , w ä h r e n d das 1964 erschienene Synonym-Wörterbuch Angaben macht, die beträchtlich von dieser Definition abweichen. U n t e r dem Stichwort „wegen" lesen wir d o r t über „inf o l g e " : „Infolge" zeigt an, w o v o n etwas die Folge ist, woraus es resultiert; „infolge" w i r d im Unterschied zu „auf G r u n d " , wobei es sich eher um Ursachen handelt, die in einem selbst liegen, meist in bezug auf eine E i n w i r k u n g von außen verwendet 8 3 . Weder w i r d hier gesagt, d a ß das von „infolge" abhängende Substantiv keine Sache oder Person bezeichnen dürfe, noch, d a ß es ein Geschehen bezeichnen müsse. Wer R a t sucht, erhält v o m G r a m m a t i k - D u d e n u n d v o m 9. Band eine klare, aber nur teilweise richtige Auskunft, v o m Synonym-Wörterbuch eine Auskunft, die k a u m geeignet ist, die Unsicherheit zu mindern. Auch die Unterscheidung zwischen „auf G r u n d " u n d „infolge" im Synonym-Wörterbuch entbehrt der Präzision. N a c h den Zahlen unserer U m f r a g e zu urteilen, ist „ w e g e n " der H a u p t k o n k u r r e n t von „infolge". I m 9. Band des Dudens ist angemerkt: „Wegen bezeichnet den Sachgrund ganz allgemein, ohne Rücksicht auf zeitliche Verk n ü p f u n g " . D a ß diese Angabe stichhaltig ist, k a n n leicht nachgewiesen w e r d e n : a) W e g e n d e r d r o h e n d e n portzölle erhöht. (Nicht: infolge)

Währungskrise

werden die I m -

W e n n nicht p r ä v e n t i v e M a ß n a h m e n ergriffen werden, steht eine Währungskrise b e v o r . Die „Währungskrise" ist also kein „zurückliegender G r u n d " . b) I n f o l g e d e r G e l d k n a p p h e i t (Auch: wegen)

ging die Bautätigkeit zurück.

Die G e l d k n a p p h e i t ist schon da, sie steht nicht erst bevor. Sie setzt ein, ehe die Bautätigkeit rückläufig w i r d ; sie dauert aber auch noch in der Phase rückläufiger Bautätigkeit an. Diese Beispiele bestätigen, d a ß „wegen" in bezug auf die zeitliche V e r k n ü p f u n g neutral ist, w ä h r e n d „infolge" zeitlich wie logisch die Folge anzeigt. Die Angaben des Schwierigkeiten-Dudens genügen jedoch nicht, um den folgenden Fall zu erklären: D a s Gericht verurteilte ihn w e g e n V e r u n t r e u u n g , (nicht: infolge) D e r B e g r i f f B „Veruntreuung" ist eine G e s c h e h e n s b e z e i c h n u n g , wie sie v o m G r a m m a t i k - D u d e n bei „infolge" gefordert wird. Überdies weist die 83

Duden Bd. 8, S. 721, Spalte 2.

220

Präpositionale

Wendungen mit

Gleichsetzung

Präposition hier ohne Zweifel auf den „ z u r ü c k l i e g e n d e n

Grund".

Obwohl diese Bedingungen erfüllt sind, kann „wegen" nicht durch „infolge" substituiert werden. Die Verurteilung ist eben nicht die unmittelbare Wirkung der Ursache „Veruntreuung", wie der Rückgang der Bautätigkeit eine Wirkung der Ursache „Geldknappheit" war. Es liegt also keine der Sache immanente

Kausalität

zwangsläufige,

vor.

Als bestimmende Merkmale der Präposition „infolge" haben sich damit ergeben: 1.

„Infolge" bezeichnet eine sachimmanente Kausalität. Sachimmanente K a u salität schließt Sach- oder Personenbezeichnungen als Begriffe B per definitionem aus.

2.

Sachimmanente Kausalität bedeutet immer auch zeitliche Folge. Daher die Annahme, das von „infolge" abhängende Substantiv (Begriff B ) müsse ein Geschehen bezeichnen. In Wirklichkeit kann der Begriff B auch einen Sachverhalt bezeichnen, aus dem etwas resultiert („Geldknappheit",

„Dualis-

mus", „Instabilität" sind solche Sachverhalte). Als Ursache geht der Sachverhalt der durch den Begriff A bezeichneten Folge zeitlich voraus. Nicht

immer

wirkt

der K o n t e x t

so bestimmend

wie

bei

den

bisherigen

Beispielsätzen. Es ist auch möglich, daß durch die Setzung der einen oder anderen Präposition der K o n t e x t , das Verhältnis zwischen Begriff B und Begriff A, bestimmt wird. Beispiel: „Diese Armee hat ( unseres Volkes und

) der der

jüngsten

geschichtlichen

Vergangenheit Rolle,

die sie selbst

zu spielen gezwungen war, die militärische Unschuld für immer verloren." Setzt der Verfasser „infolge" ein, so bestimmt er die Relation zwischen Begriff B und Begriff A als ein Verhältnis sachimmanenter Kausalität. Setzt er „wegen" ein, so bleibt ein Spielraum möglicher Relationen,

denn

„wegen" bedingt weder notwendig einen Motivator, noch bezeichnet es notwendig die sachimmanente Kausalität. A m nächsten liegt dann wohl die Annahme, der Verfasser bringe „die Vergangenheit unseres V o l k e s " und „die geschichtliche Rolle dieser A r m e e " als Sachgründe vor. Setzt der Verfasser „auf G r u n d " ein, so ist er M o t i v a t o r : E r schließt aus der „Vergangenheit unseres V o l k e s " und aus der „geschichtlichen Rolle, die sie selbst zu spielen gezwungen w a r " , daß diese Armee die militärische Unschuld für immer verloren habe. Die Sätze der Gruppe

D:

Von allen vier Präpositionen erreicht „infolge" in seiner Gruppe die d e u t lichste

Mehrheit

(59,3°/o). Es wird in den Sätzen 1, 4 und 8 durch-

schnittlich dreimal häufiger gewählt als sein Hauptkonkurrent

„wegen".

In

Satz 8 haben sogar sämtliche Personen „infolge" eingesetzt, eine sonst nirgends erreichte Einhelligkeit.

V. Die präpositionale

Wendung

„auf

221

Grund"

Satz 1: Die nunmehr aufgetretene Erschwernis ( ) der f r a n z ö s i s c h e n A k t i o n e n an der Saar war ungleich gefährlicher und dazu angetan, meine Befürchtung wahr zu machen, auf Grund 1 / wegen 5 / infolge 1 1 / angesichts 4 Begriff A ist die Gruppe „die nunmehr aufgetretene Erschwernis". Um die Relation genau beschreiben zu können, verwandeln wir den Begriff A in einen vollständigen Satz zurück: „Nunmehr war ( ) der französischen Aktionen an der Saar eine Erschwernis aufgetreten, die ungleich gefährlicher und dazu angetan war, meine Befürchtungen wahr zu machen." Es zeigt sich, daß die Präposition den Begriff B „französische Aktionen an der Saar" auf die ganze Aussage „war eine Erschwernis aufgetreten" bezieht. Der Verfasser tritt hier nicht als begründende Instanz auf. Er beschränkt sich vielmehr darauf, festzustellen, daß als F o l g e der französischen Aktionen an der Saar eine Erschwernis aufgetreten ist. Der Verfasser selbst folgert nicht, er konstatiert bloß. Dieses Verhältnis des Verfassers zum Konnex zwischen Begriff A und Begriff B schließt „auf Grund" von vornherein aus. Es läßt indes die Wahl zwischen „wegen" und „infolge" offen. Da „wegen" der Eigenbestimmtheit weitgehend entbehrt, vermag es auch den Kontext nicht zu bestimmen. Eben diese kontextbestimmende Bestimmtheit eignet der Präposition „infolge". „Infolge" bestimmt die Relation zwischen Begriff B und Begriff A als Relation der reinen, sachimmanenten Kausalität. Dies dürfte die Erklärung für die Mehrheitswahl sein. Satz 4: „ . . . auf den meisten Gebieten die Ausübung der obersten Gewalt aufzugeben, die die Alliierten Deutschland gegenüber ( ) der v ö l l i g e n N i e d e r l a g e besaßen." auf Grund 4 / wegen 2 / infolge 1 1 / angesichts 2 In diesem Satz ist nicht „wegen", sondern „auf Grund" die zweithäufigste Präposition, wenn auch mit weitem Abstand hinter „infolge". Der Begriff A „die oberste Gewalt besitzen" läßt sich sowohl mit „auf Grund" als auch mit „infolge" verbinden. Die Wahl der Präposition muß also durch den Begriff B bestimmt sein: a) Auf Grund dieses Abkommens, dieser Regelung, der bedingungslosen Kapitulation besitzen sie die oberste Gewalt. b) Infolge des Rücktritts der Regierung besitzen sie die oberste Gewalt. Aus der „völligen Niederlage" ergibt sich ebenso wie aus dem „Rücktritt Regierung" zwangsläufig der „Besitz der obersten Gewalt". Anders bei Begriffen B „Vertrag", Regelung" oder „bedingungslose Kapitulation". Fremdwörter-Duden definiert „Kapitulation" als „Vertrag, mit dem sich

der den Der eine

222

Präpositionale

Wendungen mit Gleichsetzung

Truppe oder Festung dem Feind ergibt" oder als „die Übergabe selbst" 84 . In Satz 4 würde „Kapitulation" den Vertrag bezeichnen, durch den die „völlige Niederlage" besiegelt wird. Die „bedingungslose Kapitulation" wäre also die r e c h t l i c h e Sanktionierung der „völligen Niederlage". Der „Besitz der obersten Gewalt" ist einerseits die n a t ü r l i c h e F o l g e der „völligen Niederlage", andererseits die r e c h t l i c h e F o l g e r u n g aus der „bedingungslosen Kapitulation". Folgerungen bedingen eine folgernde, eine motivierende Instanz. Natürliche Folgen entbehren durchaus solcher Vermittlung; sie sind zwangsläufig. Daß „auf Grund" in diesem Satz der Hauptkonkurrent von „infolge" ist, rührt wohl daher, daß der natürliche Begriff „völlige Niederlage" dem rechtlichen Begriff „bedingungslose Kapitulation" sehr nahe steht. Satz 8: „Jahrelang standen die Amerikaner unter dem Eindruck der Befürchtung, daß sich ( ) t e c h n i s c h e r F e h l e r q u e l l e n oder u n v o r s i c h t i g e r A k t i o n e n untergeordneter Organe ein kriegerischer Konflikt spontan entwickeln könnte." auf Grund 2 / wegen 4 / infolge 13 / angesichts 0 Die Amerikaner befürchten gerade eine z w a n g s l ä u f i g e , e i n e b l i n d e K a u s a l i t ä t . Das wird auch durch die Artangabe „spontan" angezeigt. Das Geschehen entzieht sich der menschlichen Kontrolle; es ist von „naturgesetzlicher" Notwendigkeit. Dies wäre die klassische Verwendung von „infolge". Nicht ganz in dieses klare Bild paßt allerdings der erste Teil des zweiteiligen Begriffs B : „technische Fehlerquellen". „Technische Fehler" können einen kriegerischen Konflikt direkt zur Folge haben, nicht aber „technische Fehlerquellen". „Technische Fehlerquellen" dürfte soviel heißen wie „technische Fehlermöglichkeiten", und diese rühren her von der Kompliziertheit der Waffen und des Befehlsübermittlungssystems. Die Befragten haben offensichtlich „technische Fehlerquellen" als „technische Fehler" interpretiert. Die Umfrageergebnisse bestätigen damit unsere vorgängige Darstellung: „ I n folge" ist die P r ä p o s i t i o n der reinen, sachimmanenten K a u s a l i t ä t und e r ü b r i g t die D a z w i s c h e n s c h a l t u n g einer motivierenden Instanz. Kommentar zu den Sätzen der Gruppe C (Mehrheit für „wegen"): Wir haben „wegen" als Substituenten sowohl für „auf Grund" als auch für „infolge" benützen können. „Infolge" ist immer durch „wegen" substituierbar, „auf Grund" nur unter gewissen Voraussetzungen. „Wegen" erreicht in der Gruppe C keine so ausgeprägte Mehrheit ( 3 9 , 1 % ) wie „auf Grund" in der 84

Duden Bd. 5, S. 307.

V. Die präpositionale

Wendung

„auf

Grund"

223

Gruppe A ( 4 7 % ) und „infolge" in der Gruppe D (59,3%). Ja, sein Anteil ist in der Gruppe C nicht viel höher als in der Gruppe A ( 3 9 , 1 % zu 3 6 , 6 % ) . Aus dieser starken Streuung darf zweierlei geschlossen werden: 1. „Wegen" ist die u n i v e r s a l s t e der vier Präpositionen. 2. Universalität ist gleichbedeutend mit M a n g e l a n s e m a n t i s c h e m P r o f i l , an inhaltlichen Spezifikationen. Es ist deshalb zu vermuten, daß „wegen" zumal dann gewählt wird, wenn keine der spezifischeren Präpositionen zu passen scheint. Wir vergleichen die beiden Sätze, in denen „wegen" die Mehrheit erreicht hat: Satz 2: „Ich muß hier ergänzend beifügen, daß der bisherige Innenminister Heinemann mir sein Rücktrittsgesuch übergeben hatte ( ) meiner B e r e i t s c h a f t , einen deutschen Beitrag zu einer europäischen Armee zu leisten." auf Grund 7 / wegen 9 / infolge 3 / angesichts 7 Satz 6: „Er behauptet, daß der Westen ( ) der seiner W i r t s c h a f t s o r d n u n g „ i n h ä r e n t e n I n s t a b i l i t ä t " sich „ständig am Rande des Abgrunds bewege." auf Grund 4 / wegen 10 / infolge 9 / angesichts 0 Für die beiden Sätze haben sich sehr unterschiedliche Zahlenkombinationen ergeben. In Satz 2 sind „auf Grund" und „angesichts" die Hauptkonkurrenten von „wegen"; in Satz 6 ist dagegen „infolge" der Hauptkonkurrent von „wegen". Diese wechselnden Zahlenverhältnisse zeigen erneut die zentrale Stellung von „wegen" im Feld der Kausalpräpositionen. Wir suchen zunächst eine Erklärung für den unterschiedlichen Anteil von „infolge" in den beiden Sätzen. Bei Satz 2 ist die Annahme wenig sinnvoll, Heinemanns Rücktrittsgesuch sei die zwangsläufige Folge von Adenauers Bereitschaft, einen deutschen Beitrag zu einer europäischen Armee zu leisten. Vielmehr motiviert Heinemann sein Rücktrittsgesuch mit Adenauers Bereitschaft. Er sieht sich durch Adenauers Bereitschaft, einen deutschen Beitrag zu einer europäischen Armee zu leisten, zum Rücktritt veranlaßt. Heinemann selbst ist dann Motivator. Die Auswahl reduziert sich deshalb auf „wegen", „auf Grund" und „angesichts". Bei Satz 6 ist es dagegen sinnvoll, den Zusammenhang zwischen Begriff B („die der westlichen Wirtschaftsordnung inhärente Instabilität") und Begriff A („der Westen bewege sich ständig am Rande des Abgrunds") als in der Sache selbst liegend, als immanenten Kausalzusammenhang zu betrachten, zumindest aus der Sicht dessen, der die Behauptung aufstellt.

224

Präpositionale

Wendungen mit

Gleichsetzung

In Satz 2 sind wie gesagt „auf G r u n d " und „angesichts" die Hauptkonkurrenten von „wegen". „Auf G r u n d " und „angesichts" stimmen perspektivisch überein, indem sie beide Innenminister Heinemann als M o t i v a t o r fordern. Bei „wegen" läßt sich dagegen die Perspektive gar nicht eindeutig bestimmen. „Wegen" bezeichnet den Sachgrund, ohne eine bestimmte Perspektive zu fordern. Es bleibt offen, ob der Zusammenhang zwischen Begriff B und Begriff A aus der Sicht Adenauers oder aus der Sicht Heinemanns zu betrachten ist. W i r ziehen bei Satz 2 einfaches „wegen" der Wendung „auf G r u n d " vor, weil Adenauers Bereitschaft, einen deutschen Beitrag zu einer europäischen Armee zu leisten, viel eher Sachgrundbezeichnung als interpretierbarer Begriff ist. Über das Verhältnis von „angesichts" und „wegen" soll im Kommentar zur Gruppe B gehandelt werden. Weshalb wurde in Satz 6 „auf G r u n d " seltener gewählt als „wegen" und „infolge"? Durch eine Umstellung im Rahmen des gegebenen Satzes kann die Setzung von „auf G r u n d " ermöglicht werden: „Auf G r u n d

der

inhärenten

Instabilität

der

westlichen behauptet

Wirtschaftsordnung er, daß

der Westen

sich

ständig am Rande des Abgrunds bewege." Begriff B ist wie im ursprünglichen Satz die Gruppe „der der westlichen W i r t schaftsordnung inhärenten Instabilität". Dagegen wechselt der Begriff A. I m ursprünglichen Satz lautet er: „(der Westen) bewege sich ständig am R a n d e des Abgrunds". Nach der Umstellung lautet er: „behauptet er, daß . . . " . Im ursprünglichen Satz 6 ist der Begriff B also in der Behauptung eingeschlossen, ein Teil davon, was auch durch die Anführungszeichen angedeutet werden soll. Nach der Umstellung bezeichnet der Begriff B eine Gegebenheit,

auf

Grund deren eine Behauptung aufgestellt wird. I m ursprünglichen Satz kann ein direkter Kausalzusammenhang zwischen Begriff B und Begriff A angenommen werden, der durch „wegen" oder „infolge" bezeichnet wird. Nach der U m stellung folgert der Behauptende aus Begriff B seine Behauptung. Sofern der K o n t e x t die Relation immanenter Kausalität impliziert, sind „wegen" und „infolge" gleichwertig. Bei S a t z 6 ist dies nicht der Fall. D i e Perspektive des Behauptenden wird überlagert durch die Perspektive des Berichtenden, der offensichtlich an der Richtigkeit des Behaupteten zweifelt. F ü r den Berichtenden ist der Begriff B („die der westlichen Wirtschaftsordnung inhärente Instabilität") nicht so sehr objektive Ursache des durch den Begriff A bezeichneten Sachverhalts („infolge") als vielmehr behaupteter Sachgrund für den behaupteten Sachverhalt („wegen"). „Wegen" und „infolge" sind also nicht gleichwertig. Wenn in den Sätzen 2 und 6 „wegen" bevorzugt worden ist, so gerade um seiner Unverfänglichkeit, um seiner perspektivischen Offenheit willen.

V. Die präpositionale

Wendung „auf Grund"

225

Kommentar zur Gruppe B (Mehrheit für „angesichts"): 1. Das Verhältnis zwischen „angesichts" und „wegen": „Angesichts" verlangt, im Unterschied zu „wegen", stets einen determinierten Begriff B. Die Determination wird im allgemeinen durch einen bestimmenden Begleiter geleistet (Artikel, Demonstrativpronomen, Possessivpronomen, Adjektiv) : a) Angesichts d e r Uneinigkeit des Kabinetts entschloß er sich zum Rücktritt. b) Wegen (der) Uneinigkeit des Kabinetts entschloß er sich zum Rücktritt. Da „angesichts" selbst deutlich hinweisenden Charakter hat, ist es nur bei S i t u a t i o n s b e s t i m m t h e i t verwendbar. Es ist deshalb undenkbar, daß „angesichts" in einer Aussage von allgemeiner Gültigkeit erscheint: a) Angesichts solcher Auswüchse mußte die Polizei eingreifen. b) Bei / im Falle von (nicht: angesichts) Auswüchsen muß die Polizei eingreifen. Mit der Situationsbestimmtheit hängt die p e r s p e k t i v i s c h e B e s t i m m t h e i t zusammen: a) Angesichts dieser Widerstände zog er seine Kandidatur zurück. b) Wegen dieser Widerstände zog er seine Kandidatur zurück. Die Perspektive von „angesichts" ist hier die Perspektive des Satzsubjekts: Als sich der Kandidat diesen Widerständen gegenübersah, zog er seine Kandidatur zurück. Dagegen setzt „wegen" keine bestimmte Perspektive. Mit „wegen" kann der Kandidat selber, aber auch ein Dritter, z. B. der Verfasser des Satzes, den Rückzug der Kandidatur begründen. Wir nennen diese bestimmte Perspektive von „angesichts" E r l e b n i s p e r s p e k t i v e . Sie kommt auch zum Vorschein, wenn wir die Gruppe „Präposition + Begriff B" in einen vollständigen Satz umwandeln: a) Angesichts der drohenden Einkesselung entschloß er sich zum Rückzug. Umwandlung: Als er sah (erkannte), daß eine Einkesselung drohte, entschloß er sich zum Rückzug. b) Wegen der drohenden Einkesselung entschloß er sich zum Rückzug. Umwandlung: Weil eine Einkesselung drohte, entschloß er sich zum Rückzug. Bei „angesichts" teilt der Leser die Sicht dessen, der in der Situation drin steht und aus ihr heraus seinen Entschluß faßt. Mit Hilfe von „wegen" kann auch ein Historiker nachträglich den Entschluß des Heerführers motivieren. „Wegen" bedingt nicht Erlebnisperspektive. Eine zweite Perspektive von „angesichts" kann sich ergeben, wenn der Satz nicht anzeigt, wer in einer Situation drin steht und danach handelt: 15 Sdiäublin 1

226

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

a) Angesichts dieses Kurssturzes ist mit Panikverkäufen zu redinen. b) Wegen dieses Kurssturzes ist mit Panikverkäufen zu rechnen. Hier wird eine Vermutung ausgesprochen, die durch den Hinweis auf den Kurssturz motiviert wird. Anders als beim Satz „Angesichts der drohenden Einkesselung entschloß er sich zum Rüdezug" motiviert hier der Begriff B nicht mehr die Handlung des Satzsubjekts. Es liegt also nicht mehr Erlebnisperspektive vor. Auch im folgenden Beispiel nicht: a) Angesichts seiner Ertragskraft kann dieses Unternehmen sehr wohl (mit Leichtigkeit, ohne Gefahr usw.) höhere Lohnkosten tragen. b) Wegen seiner Ertragskraft kann dieses Unternehmen höhere Lohnkosten tragen. „Angesichts" bezeichnet nicht eine direkte Kausalrelation zwischen Begriff B und Begriff A. Vielmehr wird die Relation durch jemanden vermittelt: „ B e t r a c h t e n w i r seine Ertragskraft, ( s o k o m m e n w i r z u m S c h l u ß ) , daß dieses Unternehmen sehr wohl höhere Lohnkosten zu tragen vermag." Die urteilende Instanz gibt sich oft durch eine modale Angabe wie „sehr wohl", „mit Leichtigkeit", „ohne Gefahr" usw. zu erkennen. Diese Instanz motiviert nicht nur, sie will auch überzeugen. Mit Hilfe des hinweisenden „angesichts" wird ein Sachverhalt als entscheidender Grund vorgestellt. Der Begriff B ist also nicht einfach Sachgrund, er ist A r g u m e n t. Wir nennen dieses „angesichts" deshalb argumentierende Kausalpräposition. Ein Argument setzt einen Adressaten voraus. Der Sprecher weist den Hörer auf etwas hin. Während sich das „angesichts" mit Erlebnisperspektive ausschließlich auf das handelnde Subjekt bezieht, ist das argumentierende „angesichts" demonstrativ. Wir sprechen deshalb nicht mehr von Erlebnisperspektive, sondern von G e s p r ä c h s p e r spektive. Bei Erlebnisperspektive handelt jemand aus der Situation heraus, in der er sich befindet. Bei Gesprächsperspektive wird der Hörer auf etwas hingewiesen, das Argumentcharakter hat. Der Begriff A ist dann sehr oft ein urteilender Begriff: „ . . . h a l t e ich für gefährlich...", „ . . . i s t berechtigt...", „ . . . i s t unbegreifl i c h . . . " , „ . . . i s t unwahrscheinlich...", „ . . . i s t zu rechnen m i t . . . " , „ . . . h a t wenig Aussicht...", „ . . . ist nicht ratsam . . . " . a) W e g e n seiner starren Haltung scheiterte die Konferenz. b) A n g e s i c h t s seiner starren Haltung mußte die Konferenz scheitern. In Satz a kann „wegen" nicht durch „angesichts" substituiert werden, weil das Scheitern der Konferenz die direkte Folge „seiner starren Haltung" ist. In Satz b zeigt das Hilfsverb „müssen" (wie andere Ausdrücke der Modalität) die Intervention einer urteilenden Instanz an. Durch die Einfügung des Hilfsverbs wechselt man vom Bereich der objektiven Kausalzusammenhänge in den Bereich des Räsonierens und Argumentierens hinüber. Im Vergleich mit „wegen" haben sich bisher folgende Merkmale von „angesichts" herauskristallisiert:

V. Die präpositionale —

Wendung „auf

Grund"

227

„Angesichts" ist s i t u a t i o n s b e s t i m m t . Die Situationsbestimmtheit ist im allgemeinen an bestimmenden Begleitern des Begriffs B erkenntlich. „Angesichts" steht nie in hypothetisch-allgemeinen Aussagen.



„Angesichts" bezeichnet eine Relation, d i e d u r c h vermittelt



einen

Motivator

ist.

„Angesichts" bedingt entweder sprächsperspektive.

Erlebnisperspektive

oder

Ge-

Bei Erlebnisperspektive wird das Subjekt in

seinem Handeln durch die Wahrnehmung der Situation bestimmt, in der es sich befindet. Bei Gesprächsperspektive hat „angesichts" hinweisende Funktion.

2. Das Verhältnis zwischen „angesichts" und „auf Grund": Wie bei „angesichts" und „wegen" gibt es auch bei „angesichts" und

„auf

G r u n d " eine Zone der Überschneidung (die eine Präposition ist durch die andere substituierbar) und eine Zone der Verschiedenheit („auf G r u n d " ist nicht durch „angesichts" substituierbar und umgekehrt). In den Sätzen der G r u p p e B (Mehrheit für „angesichts") ist „ a u f der

Hauptkonkurrent

Grund"

v o n „ a n g e s i c h t s " . Diese Sätze liegen also

in der Zone der Überschneidung. In den Sätzen der Gruppe A (Mehrheit für „auf G r u n d " ) ist überhaupt

nicht

„angesichts"

v e r t r e t e n . Diese Sätze liegen also in der Zone der

Verschiedenheit. Unsere Aufgabe ist es, die Differenz und die Voraussetzungen für die Überschneidung genau zu bestimmen. Beispiele: a) Angesichts

dieser

krassen

Fehlentscheide

gebe ich ihm

wenig Chancen. b) A u f Grund

dieser

Stellungnahmen

gebe ich ihm

wenig

Chancen. In Satz a ist „angesichts" nur durch „wegen", nicht durch „auf G r u n d " ersetzbar. I n Satz b ist „auf G r u n d " sowohl durch „wegen" als auch durch „angesichts" substituierbar. D e r Grund für diese unterschiedlichen Substitutionsmöglichkeiten ist in der Verschiedenheit der Begriffe B zu suchen. „Diese krassen Fehlentscheide" ist direkter Sachgrund oder Argument, aber nicht interpretierbarer Begriff. „Stellungnahme" hingegen bezeichnet in Verbindung mit „wegen" den direkten Sachgrund; in Verbindung mit „auf G r u n d " wird es zum interpretierbaren Begriff. Für die Substitution „angesichts / auf G r u n d " gilt hier also dasselbe Kriterium wie für die Substitution „wegen / auf G r u n d " : D e r Begriff B muß einerseits interpretierbarer Begriff sein, andererseits direkt den Grund (das Argument) bezeichnen können. Insofern unterscheiden sich „wegen" und „angesichts" gemeinsam von „auf G r u n d " . 15"

228

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

a) Angesichts d i e s e r R e a k t i o n e n verlor er den Mut. b) Auf Grund d i e s e r R e a k t i o n e n rechnete er sich eine Chance aus. Wirkte beim vorangegangenen Beispiel der Begriff B differenzierend, so ist es hier der Begriff A: a. „verlor er den Mut" / b. „rechnete er sich eine Chance aus". „Auf Grund" setzt rationales Motivieren und Handeln voraus, d. h., der Begriff A darf nicht ein Gefühl bezeichnen. Gleiches gilt auch für den Begriff B. Verbindungen wie „auf Grund seiner Angst, seines Hasses, seiner Liebe, seiner Freude" usw. sind ebenso widersprüchlich wie die Verbindungen „Er haßte, liebte ihn auf Grund von etwas" 85 . Auch in dieser Hinsicht unterscheiden sich „wegen" und „angesichts" gemeinsam von „auf Grund". Die Sätze der Gruppe B (Mehrheit für „angesichts"J.Satz 3: „Nicht nur nach früheren Erfahrungen, sondern vor allem ( ) d e r E i n s t e l l u n g e n , die unsere Verantwortlichen zu diesem Thema haben, muß leider das Gegenteil befürchtet werden." auf Grund 7 / wegen 6 / infolge 3 / angesichts 10 Dieser Satz liegt in der Zone der dreifachen Überschneidung „angesichts/wegen/ auf Grund". „Angesichts" bedingt hier Gesprächsperspektive, nicht Erlebnisperspektive. Der Leser wird vom Verfasser auf das entscheidende Argument „die Einstellungen unserer Verantwortlichen" hingewiesen. Gesprächsperspektive und Argumentcharakter des Begriffs B werden gestützt durch die Umstandsangaben „vor allem" und „leider". Die übrigen Bedingungen für den Gebrauch von „angesichts" — Bestimmtheit des Begriffs B und vermittelte Relation zwischen Begriff B und Begriff A — sind ohnehin erfüllt. Das Verhältnis zwischen „angesichts" und „wegen" ist hier d a s V e r h ä l t n i s zwischen einem e i g e n b e s t i m m t e n und einem außenb e s t i m m t e n Z e i c h e n . Sonst in Verbindung mit „wegen" neutraler Sachgrund, wird hier der Begriff B ebenfalls zum Argument, und zwar durch die Angaben „vor allem" und „leider". Ist „angesichts" selbst hinweisend, so wirken bei „wegen" diese Angaben demonstrativ. Fordert „angesichts" von Haus aus Bestimmtheit des Begriffs B, so ist auch „wegen" hier situationsbestimmt, weil der Begriff B solche Bestimmtheit von vornherein aufweist. Eben diese bestimmenden Merkmale des Kontexts gleichen das bestimmbare „wegen" dem eigenbestimmten „angesichts" an. Das Verhältnis zwischen „angesichts" und „auf Grund" ist e i n V e r h ä l t n i s z w i s c h e n z w e i r e l a t i v e i g e n b e s t i m m t e n Z e i c h e n . „Auf Grund" unterscheidet sich darin von „angesichts" und „wegen", daß es den Begriff B zum interpretierbaren Begriff stempelt. „Auf Grund" ist überdies die Präposition der rationalen Motivierung, während „angesichts" das emotionale Moment nicht ausschließt. Dieses emotionale Moment kommt auch in „leider" 85

Vgl. dazu Duden Bd. 8 (Synonymie), Stichwort „wegen", S. 721.

V. Die präpositionale

Wendung

„au}

Grund"

229

zum Ausdruck, was den Ausschlag zugunsten von „angesichts" gegeben haben dürfte. Satz 7: „Zu der Ankündigung Adenauers, im Herbst 1963 zurücktreten zu wollen, gibt es in Washington ( ) d e r E r f a h r u n g e n seit 1961 keine amtlichen Kommentare." auf Grund 7 / wegen 4 / infolge 3 / angesichts 7 „Auf Grund" bestimmt die Perspektive. Die amtlichen Stellen, die sich des Kommentars enthalten, motivieren selbst ihre Zurückhaltung mit den „Erfahrungen seit 1961". „Wegen" ist perspektivisch neutral. Die Begründung kann ebensogut vom Verfasser wie von den amtlichen Stellen ausgehen. Liegt bei „angesichts" Erlebnisperspektive oder Gesprächsperspektive vor? Nimmt man Gesprächsperspektive an, so weist der Verfasser den Leser auf die „Erfahrungen seit 1961" als Grund für Washingtons Schweigen hin. Nimmt man Erlebnisperspektive an, so verweigern die amtlichen Stellen in Washington den Kommentar, weil sie die „Erfahrungen seit 1961" vor Augen haben. Es liegt zwar näher, Gesprächsperspektive anzunehmen, aber das unpersönliche Verb „es gibt" schließt auch die andere Perspektive nicht aus. Es steht also perspektivisch bestimmtes „auf Grund" perspektivisch offenem „angesichts" und perspektivisch neutralem „wegen" gegenüber. Hinzu kommt wiederum, daß „auf Grund" den Begriff B zum interpretierbaren Begriff stempelt. Offensichtlich ist bei „wegen" und „angesichts" die Zone der Überschneidung größer als bei „auf Grund" und „angesichts". So gehören auch die Sätze der Gruppe A (Mehrheit für „auf Grund") nicht in die Zone der Überschneidung. Satz 5: „Ein als politische Organisation eines bestimmten Sprachvolks organisierter Staat ist ( ) eben dieser S t a a t s r e c h t f e r t i g u n g s i d e o l o g i e nicht imstande, die in ihm wohnenden ethnischen Gruppen ideologisch zu gewinnen." „Angesichts" ist in diesem Satz überhaupt nie gewählt worden. Zwar ist der Begriff B von einem Demonstrativpronomen begleitet, doch wäre es falsch, dieses Pronomen als Zeichen der Situationsbestimmtheit zu deuten. Situationsbestimmtheit bedingt eine reale Situation. Satz 5 ist jedoch ein Axiom, eine Aussage von h y p o t h e t i s c h - a l l g e m e i n e r B e d e u t u n g . Nicht ein bestimmter Staat ist gemeint, sondern irgendein Staat, der die Bedingungen dieses Axioms erfüllt. Der Kontext schließt somit „angesichts" aus. Satz 9: „ . . . vor allem im Hinblick darauf, daß jedem von ihnen diejenigen Leistungen zufallen, zu deren Bewältigung s i e ( ) ihrer techni-

230

Präpositionale Wendungen mit

Gleichsetzung

sehen und k o s t e n w i r t s c h a f t l i c h e n geeignet sind."

Eigenart

besonders

Auch in diesem Satz ist „angesichts" nicht ein einziges Mal gewählt worden. Korrekt wäre der Satz: „Angesichts (auf Grund) ihrer technischen und kostenwirtschaftlichen Eigenart sind sie zur Bewältigung solcher Leistungen besonders geeignet." Dann aber wäre „ihre technische und kostenwirtschaftliche Eigenart" bekannt. Der Sprecher könnte darauf als auf etwas Gegegebenes hinweisen. Der ursprüngliche Satz 9 dagegen hat die Form einer Regel: Die Zuteilung der Leistungen ist zu bestimmen nach der technischen und kostenwirtschaftlichen Eigenart, die ihrerseits erst noch zu bestimmen ist. „Angesichts" kann nicht auf etwas erst noch zu Bestimmendes hinweisen86. Zusammenfassung:

1. „Auf Grund" ist entweder durch „wegen" oder durch „auf der Grundlage" („entsprechend, „gemäß", „nach") substituierbar. „Auf Grund" kann in ein und demselben Satz sowohl durch „wegen" als auch durch „auf der Grundlage" substituierbar sein. Immer jedoch schließt die eine Substitution die andere aus. 2. Substitution von „auf Grund" durch „wegen" bedingt, daß der Begriff B einerseits interpretierbarer Begriff (in Verbindung mit „auf dem Grund"), andererseits direkte Bezeichnung des Sachgrunds (in Verbindung mit „wegen") ist. 3. „Auf Grund" bedingt einen Motivator, der die Relation zwischen Begriff B und Begriff A vermittelt. Durch den Motivator wird die Relation perspektivisch. Die Perspektive wird bestimmt durch Setzung eines Motivators. Der Motivator kann explizit oder implizit sein. 4. Von den drei anderen Präpositionen verlangt „angesichts" ebenfalls einen Motivator und ist somit auch perspektivisch bestimmt. 5. Die Präposition „wegen" hat sich als neutral in bezug auf Motivator und Perspektive erwiesen. Es kann ein Motivator angesetzt werden oder nicht. 6. „Infolge" schließt als Präposition der sachimmanenten Kausalität den Motivator aus und bleibt deshalb aperspektivisch. Die Kriterien „interpretierbarer Begriff B", „Motivator" und „Perspektive" gestatten eine erste Gliederung der vier Präpositionen: auf Grund 1. interpretierbarer Begriff B 2. Motivator und Perspektive 86

Vgl. oben S. 225.

angesichts

wegen

+

+ / -

infolge

+ +



VI.

„In der Frage"

— eine präpositionale

Wendung?

231

Diese Gliederung bestätigt die Ergebnisse der Umfrage. Sie zeigt, daß „wegen" sich mit jeder der anderen drei Präpositionen überschneiden kann. Sie zeigt, daß sich „auf Grund" dadurch von den anderen drei Präpositionen unterscheidet, daß es einen interpretierbaren Begriff B bedingt. Überschneidung mit „wegen" und „angesichts" ist nur möglich, wenn ein und derselbe Begriff B zugleich interpretierbarer Begriff und Sachgrund (Argument) ist. Endlich zeigt diese Gliederung, daß „auf Grund" und „infolge" keine Merkmale teilen. Wo sie beide gesetzt werden können, zeigen sie ganz verschiedene Relationen an. Zu den Kriterien dieser Gliederung kommen andere Unterscheidungen hinzu, insbesondere in bezug auf den Begriff B: 1. „Infolge" bedingt einen BegriffB, aus dem z e i t l i c h u n d l o g i s c h e t w a s f o l g t (Bezeichnung eines Sachverhalts oder Geschehens). Bei „wegen" unterliegt der Bereich der Begriffe B k e i n e r E i n s c h r ä n kung. 2. Der BegriffB von „angesichts" bezeichnet eine reale Situation ( S i t u a t i o n s b e s t i m m t h e i t ) . „Angesichts" kann nicht in Aussagen hypothetisch-allgemeinen Charakters stehen. Diese Einschränkung gilt weder für „auf Grund" noch für „wegen". 3. „Auf Grund" ist beschränkt auf die Sphäre r a t i o n a l e n F o l g e r n s. Weder der Begriff B noch der Begriff A dürfen deshalb der emotionalen Sphäre angehören. Diese Einschränkung gilt weder für „wegen" noch für „angesichts". Weitere Unterscheidungen, die sich im Laufe der Untersuchung ergeben haben, seien hier nicht wiederholt. Unser Belegmaterial könnte den Schluß nahelegen, „auf Grund" habe sein inhaltliches Profil schon weitgehend eingebüßt. In sämtlichen Sätzen der Umfrage steht ja ursprünglich „auf Grund". In zahlreichen weiteren Belegsätzen ist „auf Grund" ebenfalls nicht den erarbeiteten Kriterien entsprechend gebraucht. Die Umfrage hat jedoch diesen Profilverlust nicht bestätigt. Nur in zwei Sätzen hat sich eine Mehrheit für „auf Grund" ergeben.

VI. Ist „in der Frage" eine präpositionale Wendung mit Gleichsetzung? 1. Invariabilität

der Präposition

als

Voraussetzung:

Die einfädle Präposition verbindet einen Begriff B (das von ihr regierte Substantiv) mit einem Begriff A. Entsprechend muß auch die präpositionale Wendung einen Begriff B (das Genitivattribut) mit einem Begriff A verbinden 87 : 87

Vgl. die Einleitung zu diesem Kapitel, S. 152—153.

232

Präpositionale

Wendungen mit

Gleichsetzung

einfache Präposition: Meinungsverschiedenheiten

des Wahlrechts

wegen

Begriff B

Begriff A präpositionale Wendung:

Meinungsverschiedenheiten in der Frage des Wahlrechts Begriff A

Begriff B

Die präpositionale Wendung selbst ist ein Syntagma bestehend aus Präposition und Substantiv. Es versteht sich, daß die Präposition invariabel sein muß, damit überhaupt von präpositionaler Wendung gesprochen werden darf. Bei Wendungen wie „im Bereich", „auf dem Gebiet", „im Felde", „auf der Ebene", „im R a h m e n " , „im Falle", „auf G r u n d " usw. ist diese Voraussetzung erfüllt 8 8 . Nicht erfüllt ist sie dagegen bei „ F r a g e " . Es bleibt indes zu prüfen, ob hier wenigstens eine

Tendenz

zur

Invariabilität

der Präposition

bestehe.

Ein

Beispiel mag das Problem verdeutlichen: a) Verhandlungen über die Frage der Präferenzzölle b) Verhandlungen in

der Frage der Präferenzzölle

D e r Unterschied besteht darin, daß in der Gruppe a die Präpositionenwahl durch den Begriff „ V e r h a n d l u n g e n " Gruppe b durch den Begriff

gesteuert wird, während sie in der

„ F r a g e " gesteuert wird. In der Gruppe a wird

die Präpositionenwahl durch den Begriff A gesteuert. In der Gruppe b wird die Präpositionenwahl durch das Substantiv der präpositionalen Wendung gesteuert. Es muß also die folgende Bedingung erfüllt sein, damit sich eine präpositionale Wendung mit Gleichsetzung konstituiere: Die Präposition muß sich vom Begriff A ablösen, sie muß ausschließlich vom Substantiv der

präpositionalen

Wendung gesteuert sein. Diese Bedingung ist bei Umstandsangaben (des Ortes, der Zeit, der Art, des Grundes) erfüllt. Ebenso bei Präpositionalattributen, die einer Umstandsangabe entsprechen (z. B . „die Fahrt nach G e n f " ) . Nicht erfüllt ist sie dagegen bei Präpositionalobjekten die

einem

und bei

Präpositionalobjekt

Präpositionalattributen, entsprechen

(z.B.

„ver-

handeln über etwas", „Verhandlungen über etwas"). 8 9

2. Die

Umfrage:

U m Aufschluß über die Tendenzen und Motive der Präpositionenwahl

bei

„Frage" zu erhalten, haben wir uns wie bei „im Bereich/auf dem G e b i e t " und 88

Daß sich z. B. „Bereich" auch mit der Präp. „aus" verbindet, ist in diesem Zusammenhang irrelevant, da „in" und „aus" völlig verschiedene Funktion haben. „In" und „aus" vor „Bereich" überschneiden sich nicht.

89

Vgl. dazu die Ausführungen über die vergegenständlichende Wirkung der Wendung „auf dem Gebiet". S. 195—198.

VI.

„In der Frage" — eine präpositionale

Wendung?

233

bei „auf Grund" des Mittels der Umfrage bedient. Studenten des deutschen Seminars der Universität Zürich wurden Frageblätter mit insgesamt 315 ausgewählten Sätzen aus Zeitungen vorgelegt90. In jedem Satz waren auf Grund des Kontexts eine oder mehrere Präpositionen, die fehlten, einzusetzen. Wir können die Antworten von 42 Personen auswerten 91 . Es handelt sich hier nicht wie bei „im Bereich/auf dem Gebiet" oder bei „auf Grund" um eine Umfrage mit einschränkender Leitfrage. Die Präposition vor „Frage" war nur eines von einer Vielzahl von Problemen dieser Umfrage. Von den 315 Sätzen sind nicht mehr als 12 (also rund 4 °/o) einschlägig92. Auch war den Gewährspersonen nicht bekannt, mit welcher Absicht die Präposition vor „Frage" ausgelassen worden war. Insofern darf angenommen werden, daß die Umfragesituation nichts präjudizierte. Daß die Zahl der Gewährspersonen viel höher ist als bei den vorhergehenden Umfragen, kann uns nur willkommen sein, geht es doch um die Präpositionenwahl und nicht um die semantische Differenzierung von präpositionalen Wendungen. Satz 1: „Darin wurde unter einem dünnen Deckmantel freundlicher Worte die Regierung aufgefordert, in Brüssel mit gleicher Härte wie (Präposition + bestimmter Artikel) landwirtschaftlich — Fragen auch über die Souveränität, das Commonwealth und die Freihandelszone zu verhandeln." (F. A. Z. 15.12. 62) Ergebnisse: in 21, bei 22, über 14 Der Verfasser selbst hat „in" gewählt. Satz 2: „Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde damals nicht verabschiedet, weil die Konferenz der Länderministerpräsidenten den Wunsch ausgesprochen hatte, (Präposition) dies- Frage vorher mit der Bundesregierung zu verhandeln." (T.-A. 9. 4. 63) Ergebnisse: in 16, bei 0, über 29, wegen 4, betreffs 1 Der Verfasser selbst hat „in" gewählt. Die beiden Sätze verlangen nach einer synoptischen Betrachtung, einmal, weil der Begriff A („verhandeln") identisch ist, zum zweiten, weil in beiden „Frage" nicht mit einem Gleichsetzungsgenitiv verbunden ist93. Die Vermutung, daß angesichts dieser Übereinstimmung die gleiche Präposition gewählt werde, hat sich nicht bestätigt. So hat sich beim ersten Satz eine Mehrheit für die Präposition „bei" entschieden, die im zweiten Satz kein einziges Mal eingesetzt wurde. 90

Herrn Prof. Hotzenködierle und seinen Studenten sei an dieser Stelle gedankt.

91

Es fehlen nur ganz wenige Antworten.

92

Die übrigen Ergebnisse werden nicht in dieser Arbeit ausgewertet.

93

Gleichsetzung als Bedingung präpositionaler Funktion tut hier noch nichts zur Sache.

234

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Im ersten Satz entfällt auf „über" nur ein Drittel aller Antworten; im zweiten Satz dagegen erreicht „über" das absolute Mehr. Dabei kommt „über" mit „verhandeln" im ersten Satz tatsächlich vor. Dieser Umstand kann allerdings konträre Folgen haben: er kann „assimilierend" oder „dissimilierend" wirken 94 . Bei Satz 1 würde das Ergebnis ohne Zweifel ganz anders lauten, wenn „Landwirtschaft" an Stelle von „landwirtschaftliche Fragen" stünde: „ . . . mit gleicher Härte wie (Präposition + bestimmter Artikel) Landwirtschaft auch über die Souveränität, das Commonwealth und die Freihandelszone zu verhandeln." „In" wäre wohl, weil mißverständlich, vermieden worden. Kurz: Einzig „ F r a g e" läßt die Präposition „i n" zu, ohne freilich „bei" und „über" auszuschließen. Daß „über" im ersten Satz nicht so oft gewählt wurde wie im zweiten, hat syntaktische Gründe. „Über" bringt den Vergleich „mit gleicher Härte wie . . . " in syntaktische Abhängigkeit von „verhandeln". „Landwirtschaftliche Fragen", „Souveränität", „Commonwealth" und „Freihandelszone" sind dann parallele Objekte zu „verhandeln". Dagegen hebt „bei" den Vergleich aus dem durch das Verb „verhandeln" geschaffenen syntaktischen Rahmen heraus und verleiht ihm den Charakter eines Nebensatzes mit Verbellipse: „ . . . mit gleicher Härte, wie (dies) bei den landwirtschaftlichen Fragen (getan wurde/geschehen ist) . . . " . Die Suppletivverben „tun" und „geschehen" würden „über" nicht zulassen. „In" nimmt im ersten Satz deutlich eine Zwischenstellung ein. Im zweiten Satz ist es immerhin 16 X gewählt worden, kann also durchaus auch das Objekt einleiten. Daraus folgt, daß „in" im ersten Satz s o w ö h 1 f ü r „ b e i " a l s a u c h f ü r „ ü b e r " s t e h e n k a n n . Als Variante von „bei" stünde es wiederum im Nebensatz mit Ellipse des Suppletivverbs: „ . . . mit gleicher Härte, wie (dies) in den landwirtschaftlichen Fragen (getan wurde/geschehen i s t ) . . . " . Als Variante von „über" dagegen leitet es das Präpositionalobjekt zu „verhandeln" ein. Wir fassen zusammen: 1. Substitution von „landwirtschaftlichen Fragen" durch „Landwirtschaft" hätte mit Sicherheit auch die Ersetzung der Präposition „in" durch „über" zur Folge. 2. Ist „Frage" Präpositionalobjekt zu „verhandeln", so ist „in" der einzige Konkurrent von „über", das hier immer noch den Vorrang hat. 3. „In" vereinigt im ersten Satz die Funktionen von „bei" und „über" in sich. Es ist vielwertig. Satz 3: „Aber die Hoffnung muß nicht eitel sein, daß im Verlauf der Kontroverse 94

Durch verweisende Zeichen haben mehrere Gewährspersonen „Assimilation" oder mit „Dissimilation" begründet.

ihre Wahl

mit

VI.

„In der Frage" — eine präpositionale

Wendung*

235

auch Klarheit (Präposition) mehrer- grundlegend- Fragen der politischen Struktur der Bundesrepublik geschaffen wird." (S. Z. 16./17. 11.63) Ergebnisse: in 27, bei 1, über 17, durch 1, zu 1 Der Verfasser selbst hat „über" gewählt. Als Präpositionalattribut ist „Fragen" hier mit einem Wort verbunden, das gewöhnlich die Präposition „über" verlangt. Die Begriffe „Klarheit" und „Fragen" ringen um die Herrschaft über die Präposition, und die Zahlen lassen ein deutliches Übergewicht des Begriffs „Fragen" erkennen, denn „in" ist ebenso fest mit „Frage" verbunden wie „über" mit „Klarheit". Für diesen Satz darf jedenfalls die postulierte Tendenz als erwiesen gelten: „Frage" ist der s ä r k e r e Pol bei der P r ä p o s i t i o n e n w a h l . Damit wäre die erste Voraussetzung für das Entstehen der präpositionalen Wendung „in der Frage" erfüllt. Satz 4: „Die Folge zeigt sich ( a ) A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auch ( b ) a n d e r - F r a g e n , so über die Assoziierung einer Reihe von afrikanischen Ländern und über die gemeinsame Agrarpolitik, die am Jahresende mit einem Kompromiß endeten." (S.Z. 31. 12. 63/1. 1.64) Ergebnisse: in 24, bei 18, während 2, an 2, durch 1 (a) Fürb: in 24, bei 12, über 8, an 2, wegen 1, in bezug auf 1, betreffend 1 Der Verfasser selbst hat „in" (a) und „über" (b) gewählt. Es wäre verfehlt, die Antworten für a und b getrennt zu analysieren. So wie der Antwortende die Präpositionen aufeinander abstimmen muß, so müssen auch wir die Antwortkombinationen untersuchen. Es dominieren vier Kombinationen und unter diesen wiederum recht deutlich die Kombination a. bei/b. in (15X). An zweiter Stelle folgt die Kombination a. in/b. in ( 1 0 x ) . Ungefähr die Waage halten sich die Kombinatinonen: a. in/b. über ( 8 x ) und a. in/b. bei (7X). Je zweimal gewählt wurden die Kombinationen: a. an/b. bei, a. während/b. in, a. bei/b. über. Mit den Kombinationen wechseln auch die Relationen im Satz. So ist es die Präposition, welche die Relation zwischen „Folge" und „Auseinandersetzung" bestimmt, nicht umgekehrt. Während die Präposition „bei" das Substantiv „Auseinandersetzungen" zur Umstandsangabe macht, leitet „an" ein Präpositionalobjekt ein. „In" nimmt wiederum eine Zwischenstellung ein, läßt es doch für „Auseinandersetzungen" beide Funktionen zu95. 95

Im Satz . . die Kunst mehr oder weniger subtiler Form von Beeinflussung (wird) mit Bedacht geübt, was sich im publizistischen Bereich (Präp.) der Bevorzugung bestimmter Favoritengruppen zeigt" wurde „in" 35 X , „bei" 2 X und „an" ebenfalls bloß 2 X gewählt.

236

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Ist „Auseinandersetzungen" Unistandsangabe, so wird die Rolle des Präpositionalobjekts zu „sich zeigen" frei für ein anderes Wort im Satz, nämlich für „Fragen". „Fragen" kann als Präpositionalattribut auf „Auseinandersetzungen" oder als Präpositionalobjekt auf das Verb „sich zeigen" bezogen werden. Als Präpositionalattribut zu „Auseinandersetzungen" kann „Fragen" mit „in" oder „über" verbunden sein, als Präpositionalobjekt zu „sich zeigen" mit „in" oder („an"): 1. bei in

—» „Auseinandersetzungen" = Umstandsangabe —» „Auseinandersetzungen" = Präpositionalobjekt oder Umstandsangabe

2. über —» „Fragen" = Präpositionalattribut zu „Auseinandersetzungen" in —» „Fragen" = Präpositionalattribut zu „Auseinandersetzungen" oder Präpositionalobjekt zu „sich zeigen" Es gibt eindeutige und mehrdeutige Kombinationen. Die klarsten Verhältnisse schafft die Kombination: a. in/b. über. Die Präposition „über" bestimmt „Fragen" als Attribut zu „Auseinandersetzungen". Diese feste Verbindung hat zur Folge, daß das Verb „sich zeigen" nur auf „Auseinandersetzungen" bezogen werden kann. Die Sequenz von Abhängigkeiten zwischen benachbarten Teilen gliedert bei dieser Kombination den Satz unmißverständlich. Dagegen sind die beiden häufigsten Kombinationen (a. bei/b. in und a. in/b. in) mehrdeutig, weil „in anderen Fragen" sowohl auf das Verb als auch auf „Auseinandersetzungen" bezogen werden kann. Es ist möglich, daß die Unsicherheit der Anwortenden den Ausschlag für die Wahl dieser Kombinationen gegeben hat. Die Präposition „bei" vor „Fragen" bewirkt, daß „Fragen" nicht mehr gleichwertig ist mit „Assoziierung" und „Agrarpolitik". Die Betonungsverhältnisse lassen dann vielmehr „Assoziierung" und „Agrarpolitik" als Attribute zu „Fragen" verstehen, was allerdings zur Folge hat, daß der abschließende Relativsatz in der Luft hängt. Weiter möchten wir die Analyse nicht treiben. Es ist so schon deutlich geworden, wie wichtig die Abstimmung der Präpositionen aufeinander und wie kompliziert die Kombinatorik ist. „In" hat sich von neuem als die unverbindlichste Präposition erwiesen. Und gerade diese Unverbindlichkeit prädestiniert „in" dazu, sich mit „Frage" zur präpositionalen Wendung zu verbinden. Satz 5: „Äußerlich liegen weder in Berlin noch ( P r ä p o s i t i o n + b e s t i m m t e r A r t i k e l ) A b r ü s t u n g s f r a g e Beweise für eine Änderung der sowjetischen Haltung vor." (F. A. 2. 11.12. 62) Ergebnisse: in 33, bei 5, für 1, hinsichtlich 1, in bezug auf 1 Der Verfasser selbst hat „in" gewählt.

VI. „In der Frage" — eine präpositionale

237

Wendung1

Satz 6 : „Es ist zu erwarten, daß der Kanzler dem Botschafter sehr eindringlich darlegen wird, die These, Bonn müsse jetzt zwischen Frankreich und Amerika wählen, sei völlig unverständlich; die Haltung der Bundesregierung sei sowohl des

(Präposition

Beitritts

auch d e r

+

Englands

Zusammenarbeit

bestimmter

Artikel)

Frage

zu der Europäischen Gemeinschaft als für eine multilaterale Atommacht völ-

lig eindeutig." (F. A. Z. 2 . 2 . 6 3 ) Ergebnisse: in 37, bei 3, über 1, zu 1 D e r Verfasser selbst hat „in" gewählt. In beiden Sätzen dominiert „ i n " ; im zweiten noch etwas stärker als im ersten. Die Ähnlichkeit der beiden Sätze täuscht, denn nur im zweiten Satz steht „ H a l tung" als Begriff A, wogegen im ersten „Abrüstungsfrage" nicht direkt auf „ H a l t u n g " bezogen werden kann. H i e r kann man mit Martinet 9 6 „in der A b rüstungsfrage" als a u t o n o m e s

Syntagma

betrachten, dessen funktio-

nales Monem „in" die Beziehung des zweiten Monems,

„Abrüstungsfrage",

zum K o n t e x t ausdrückt. Das autonome Syntagma ist nicht wortbezogen, sondern aussagebezogen. Auch diese Funktion kann „in" übernehmen. In Satz 6 sind die sonst nach „ H a l t u n g " üblichen Präpositionen, „zu" und „gegenüber", nicht zulässig, da der Beitritt Englands noch nicht Tatsache geworden ist. „ I n der F r a g e " könnte deshalb nur durch ein völlig unbestimmtes Beziehungswort wie „bezüglich" oder „hinsichtlich" ersetzt werden. Solchen unbestimmten Beziehungswörtern hat „in der Frage" in diesem K o n t e x t die Präzision voraus. Die Auswertung der Umfrageergebnisse bei den bisher angeführten Sätzen erlaubt folgende Schlußfolgerungen: 1. Die Tendenz, vor „Frage" eine i n v a r i a b l e len, eine Präposition also, die m i t

„Frage"

Präposition fest

zu wäh-

verbunden

ist,

darf als erwiesen gelten. 2. Den stärksten Widerstand gegen „in" leisten die Verben mit scher

Präposition,

zu

denen

„Frage"

Objekt

idiomatiist

(„ver-

handeln über"). Aber auch nach solchen Verben hat sich „in" schon eingebürgert. 3.

Keine andere Präposition ist so v i e l s e i t i g

verwendbar wie „in". Dies

erklärt, weshalb „in" vor „Frage" allen anderen Präpositionen vorgezogen wird. Die Statistik für alle 12 einschlägigen Umfragesätze mit „Frage" belegt die Überlegenheit 96

und das Ü b e r g e w i c h t

von „in" sehr eindrücklich.

A. Martinet, Grundzüge der allgemeinen Sprachwissenschaft, S. 101.

238

Prdpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

Die Zahl unter jeder Präposition gibt die Summe der Nennungen in allen zwölf Sätzen an: in 365

bei 79

über 77

zu 13

für 12

vegen 5

betreffend betreffs 5

bezüglich in bezug 3

hinsichtlich 3

Es gibt keinen Satz, in dem „in" nicht zahlenmäßiges Gewicht hätte. Dagegen kommt „bei" in drei Sätzen überhaupt nicht vor, desgleichen „über". „In" kann vor U m s t a n d s a n g a b e , vor A t t r i b u t , aber auch vor O b j e k t stehen. Diese Vielseitigkeit nennen wir syntaktische Disponibilität. Die erste Voraussetzung für die Kristallisation einer präpositionalen Wendung „in der Frage" scheint damit erfüllt. 2. Gleichsetzung

von „Frage"

mit dem Attribut als

Voraussetzung:

Im 1. Abschnitt wurden Sätze angeführt, in denen „Frage" kein Attribut bei sich hatte. Die Präposition „in" verbindet „Frage" mit einem Begriff A, und da ist es zunächst unerheblich, ob „Frage" attributiv bestimmt ist oder nicht. Von präpositionaler Funktion der Gruppe „in (der) Frage(n)" kann jedoch erst gesprochen werden, wenn „Frage" einem Attribut gleichgesetzt ist. Deshalb ist zu untersuchen, welche Formen das Attribut haben kann und unter welchen Bedingungen Gleichsetzung möglich ist. Als Substantiv kann „Frage" auf mannigfache Weise attributiv bestimmt werden. Es kann ein Adjektiv zu sich nehmen. Es kann durch einen Begleiter des Substantivs97, z. B. ein Demonstrativpronomen, bestimmt werden. Es kann auch ein nominales Attribut, ein Genitivattribut, zu sich nehmen. Endlich kann es mit dem Attribut zu einem Kompositum verschmelzen. Beispiele: a) „Daß Ulbricht diese allgemeine Informationsfreiheit mit den plattesten Argumenten ablehnte . . . beweist nur, wie schwach seine Position in dieser Frage ist." (Welt 2 0 . 1 . 64) b) „...solange damit nicht sofort auch Konzessionen in der deutschen Frage verbunden seien." (S. Z. 17. 9. 63) c) „Andernfalls sei ein Gegenstand für Verhandlungen in der Berlin-Frage nicht mehr gegeben." (S. Z. 2 7 . 1 1 . 63) d) „Die Differenzen zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich in Fragen der Atomstrategie und der atlantischen Partnerschaft sind im Vergleich mit dem jüngsten „Atout" des Generals geringfügig." (Welt 2 0 . 1 . 64) 97

Vgl. Duden-Grammatik, S. 78/79, § 42.

VI.

„In der Frage"

— eine präpositionale

Wendung?

239

Gleichsetzung kommt nur in einem einzigen dieser vier Beispiele vor: c. „ . . . in der Berlin-Frage". „Berlin" selbst ist die Frage, über die verhandelt werden soll. Die Teile des Kompositums können also einander gleichgesetzt sein, was zumal dann der Fall ist, wenn der bestimmende Teil des Kompositums als selbständiges Attribut die Form der Apposition hat (das Berlin-Problem = das Problem Berlin), denn die Apposition kann wie das Genitivattribut dem Bezugswort gleichgesetzt sein98. Gleichsetzung ist freilich nur selten die einzig mögliche Relation zwischen Bezugswort und Genitivattribut. So liegt bei der Gruppe „das Gebiet der Programmgestaltung" Gleichsetzung vor. Aber schon durch den Wechsel vom Artikel „das" zum Demonstrativum „das" würde Gleichsetzung unmöglich: „Das Gebiet der Programmgestaltung, das von Herrn X betreut wird ( = dasjenige Gebiet der Programmgestaltung, d a s . . . ) . Jetzt handelt es sich um eines von mehreren Gebieten der Programmgestaltung. Um zu erkennen, in welchem Verhältnis die Relation der Gleichsetzung zu anderen Relationen steht, betrachten wir die Gruppe „Bezugswort + Genitivattribut" isoliert vom Kontext und untersuchen nur gerade den Einfluß der Veränderlichen, d. h. der Substantivbegleiter und des Numerus, auf die Relation: a) bestimmter Artikel + Singular des Bezugsworts/Singular des Attributs: das Gebiet der Programmgestaltung b) bestimmter Artikel + Plural des Bezugsworts/Singular des Attributs: die Gebiete der Programmgestaltung c) unbestimmter Artikel + Singular des Bezugsworts/Singular des Attributs: ein Gebiet der Programmgestaltung d) Demonstrativum + Singular des Bezugsworts/Singular des Attributs: dieses Gebiet der Programmgestaltung In a. ist nur Gleichsetzung möglich. In b. dagegen ist Gleichsetzung undenkbar: Die Programmgestaltung kann nicht mit ihren Teilen gleichgesetzt werden. In c. ist Gleichsetzung möglich, wenn auch wenig wahrscheinlich: „Die Rundfunkorganisation ist in mehrere Gebiete gegliedert. Da gibt es (das) ein Gebiet der Programmgestaltung, (das) ein Gebiet der Programmvorbereitung, und (das) ein Gebiet der Programmrealisierung." In diesem Satz ist der unbestimmte Artikel eine stilistische Variante des bestimmten. Im allgemeinen aber wird man nach dem unbestimmten Artikel nicht Gleichsetzung erwarten. Ähnlich verhält es sich mit dem Demonstrativum (d). In rhetorischer Verwendung kann es rückweisenden Sinn haben und dadurch Gleichsetzung ermöglichen: „Dieses Gebiet der Programmgestaltung aber ist bis jetzt das Stiefkind des Rundfunks gewesen." 98

Genitivattribut und Apposition als Möglichkeiten der Gleichsetzung wären eine vergleichende Untersuchung wert, zumal die Apposition das Genitivattribut auch in anderen Funktionen (partitiver Genitiv!) ersetzen kann.

240

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

In solcher Verwendung deutet das Demonstrativum an, daß unmittelbar zuvor vom Gebiet der Programmgestaltung die Pvede war, daß also die Gleichsetzung schon einmal realisiert ist. In der gesprochenen Sprache wirkt bei den Gruppen c und d die Tonführung unterscheidend. Ist das Bezugswort dem Genitivattribut gleichgesetzt, so steigt der Ton am Ende des Genitivattributs. In Gruppe d bleibt überdies das Demonstrativum ohne den sonst üblichen Starkton. Ist das Bezugswort dem Genitivattribut nicht gleichgesetzt, so sinkt der Ton am Ende des Genitivattributs. In Gruppe c wird dann das Demonstrativum betont. Bei Gleichsetzung dürfen somit der unbestimmte Artikel (c) und das Demonstrativum (d)als V a r i a n t e n d e s b e s t i m m t e n A r t i k e l s angesehen werden. Die Gruppe mit Gleichsetzungsgenitiv ist die Transposition der Satzgrundform mit Gleichsetzungsnominativ. In dieser Satzgrundform ist wohl die Kombination „Plural des Subjekts/ Singular des Gleichsetzungsnominativs", nicht aber die umgekehrte Kombination möglich:

(aber nicht:

Schüler einer Klasse sind eine soziale Gruppe Subjekt Gleichsetzungsnominativ Eine Gruppe sind mehrere Individuen) Subjekt Gleichsetzungsnominativ

Gleiches gilt auch für die Gruppe mit Gleichsetzungsgenitiv. Gleichsetzung ist nur bei der Kombination „Singular des Bezugsworts ( = Gleichsetzungsnominativ)/Plural des Attributs ( = Subjekt)", nicht aber bei der umgekehrten Kombination möglich. Da im folgenden Satz beide Teile der Gruppe im Plural stehen, ist die Relation nicht mit Sicherheit auszumachen. „Diese Disziplin befaßt sich im Unterschiede zur technischen Kommunikationswissenschaft mit dem Phänomen der Kommunikation zwischen Personen und Gruppen im allgemeinen und der kulturellen Institutionen der Massenmedien im besonderen." (N. Z. Z. 22.1. 63 a) Für Gleichsetzung spricht, daß die Gruppe kopulativ mit einer anderen Gruppe ( . . . das Phänomen der Kommunikation...) verbunden ist, deren Teile einander gleichgesetzt sind. Dieses Kriterium kann allein jedoch nicht entscheidend sein. Auch wenn wir nur den Einfluß der gruppeninternen Variabein Numerus und Artikel/Pronomen in Rechnung setzen, ergibt sich doch ein deutliches Ü b e r g e w i c h t der n i c h t - g l e i c h s e t z e n d e n R e l a t i o n . Das folgende Beispiel scheint der Regel, daß Plural des Bezugsworts Gleichsetzung ausschließt, zu widersprechen: „Die Kehrtwendung des Vizekanzlers in Fragen Montanunion um volle 180 Grad ist zwar die auffallendste, doch lange nicht die einzige." (Presse, 12. 12. 63)

VI. „In der Frage" — eine präpositionale

Wendung?

241

„In Fragen" ist wohl eine Analogiebildung zur Wendung „in Sachen". „Sache" (ahd. sahha, mhd. sache, sach) ist ursprünglich ein starkes Femininum der ô-Deklination mit den Bedeutungen „Streit", „Verfolgung", „Krieg", „Prozeß". Die Personenbezeichnungen „Sachwalter" und „Widersacher" erinnern noch an die alte Bedeutung „Rechtshandel". So auch die Wendung „in Sachen A gegen B" ( = engl, in re A versus B!). Im älteren Neuhochdeutschen finden sich aber auch schwache Singular- und Pluralformen. Bei Luther: „aber in der sache« selbst des sacraments halben, haltet fest an dem evangelio". Nach dem DWB ist „in Sachen" s c h w a c h e r D a t i v S i n g u l a r " . S y n c h r o n i s c h freilich sind „in Sachen" wie auch „in Fragen" P l u r a l e . Daß bei „in Fragen Montanunion" trotz des Plurals Gleichsetzung vorliegt, das beweist schon die appositionelle Konstruktion. Der Verstoß gegen die Numeruskongruenz dürfte wohl daher rühren, daß im transponierten Satz (Bezugswort + Genitivattribut) die Gleichsetzung zu erschließen ist und nur bei Rücktransposition explizit wird. Kehren wir zurück zu den eingangs zitierten Beispielen. Wie wir festgestellt haben, liegt bei einem einzigen Gleichsetzung vor. Die übrigen sind der Form nach keine präpositionalen Wendungen. Was jedoch die Funktion betrifft, so läßt sich nicht allen der präpositionale Chrakter absprechen. Verbindungen wie „diesbezüglich" verbieten es, eine Gruppe wie „in dieser Frage" vorschnell als nicht-präpositional zu bezeichnen100. Es ist unerläßlich, die Funktion des Attributs zu „Frage" von Fall zu Fall zu untersuchen. Oft wird zum Beispiel die Gruppe „die deutsche Frage" gleichbedeutend mit „Deutschland-Frage" verwendet. Wie frz. „la question allemande", „le problème allemand" bezeichnet „die deutsche Frage" nicht eine innerdeutsche Frage, vielmehr ist Deutschland selbst die Frage. Das Bezugsadjektiv „deutsch-" entspricht demnach einem gleichgesetzten Attribut „Deutschland". „In der deutschen Frage" ist also durchaus eine präpositionale Wendung. Wir fassen zusammen : 1. Nur bei G 1 e i c h s e t z u n g ist „in der Frage" nach F o r m und t i o n eine p r ä p o s i t i o n a l e W e n d u n g .

Funk-

Untersucht man den Einfluß der gruppeninternen Variabein Numerus und Artikel (Pronomen), so ergibt sich ein deutliches Übergewicht der anderen Relationen über die Relation der Gleichsetzung. Alle Relationsmöglichkeiten lassen sich im Grunde durch die Numerusopposition erklären: Explizite Mehrzahl (mehrere Teile) oder implizite Mehrzahl (ein Teil) schließen Gleichsetzung aus. Der unbestimmte Artikel und das Demonstrativpronomen implizieren Teilvorstellung und damit Mehrzahl, sofern sie nicht Varianten des bestimmten Singularartikels sind (Beispiele c und d). 99 100

Deutsches Wörterbuch, Bd. 8, Spalten 1592 ff. Vgl. dazu oben S. 162—163.

16 Sdiäublin 1

242

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

2. Neben „in der Frage" tritt auch „in Fragen" auf. Neben der Relation der Gleichsetzung kommen auch andere Relationen vor. M a n mag deshalb f r a gen, ob es richtig sei, eine von mehreren möglichen Formen und Verwendungsweisen zu isolieren und mit dem Etikett „präpositionale Wendung" zu versehen. Diese Isolierung hat gewiß etwas Künstliches, doch kann darauf hingewiesen werden, daß die Wendung „in der Frage + Attribut im Verhältnis der Gleichsetzung" nach einer Formel gebildet ist, die in vielfacher Ausprägung (im Bereich, auf dem Gebiet, im Rahmen, auf Grund usw.) mit nachweisbar präpositionaler Funktion auftritt. Im Zusammenhang mit der Präposition „in" vor „Frage" haben w i r von syntaktischer Disponibilität gesprochen. „In" hat sich als die rationellste, weil am vielseitigsten verwendbare Präposition erwiesen. Disponibilität ist aber auch ein M e r k m a l von „Frage", dem nominalen Teil der präpositionalen Wendung, insofern als die Kombination mit „in" bei Gleichsetzung mit dem Attribut nur eine von vielen Verwendungsmöglichkeiten des Substantivs „Frage" darstellt. „ F r a g e " i s t e i n d i s p o n i b l e s E l e m e n t , das in b e s t i m m t e r K o m b i n a t i o n T e i l e i n e r p r ä p o s i tionalen Wendung werden kann. 3. Die Affinität der Wendung „in der Frage" zu einfachen Präpositionen: Invariabilität der Präposition und Gleichsetzung sind unerläßliche Bedingungen für die Kristallisation einer präpositionalen Wendung „in der Frage". Substituierbarkeit durch einfache Präpositionen w ä r e ein klarer Beweis für die p r ä p o s i t i o n a l e F u n k t i o n dieser Wendung. Die Affinität der Wendung „in der Frage" zu einfachen Präpositionen ließe sich auch historisch untersuchen. So könnte man fragen: Mit welchen Mitteln wurde früher die Relation ausgedrückt, für die heute „in der Frage" zur Verfügung steht? Andreas Blinkenberg hat für das Französische gezeigt, daß „de" noch in der Epoche der Klassik die abstrakte Relation „quant ä, en ce qui concerne, pour ce qui est de" ausdrücken konnte, eine Fähigkeit, die es inzwischen verloren hat 101 . Der Bedeutungsverlust ging wohl H a n d in H a n d mit der Schaffung von Ersatzformen. Eine andere Möglichkeit, die w i r leider nicht wahrgenommen haben, hätte darin bestanden, bei der U m f r a g e in gewissen Sätzen nicht nur die Präposition vor „Frage", sondern die präpositionale Wendung als Ganzes auszulassen. Da w i r diese Möglichkeit nicht genutzt haben, müssen w i r in einzelnen Sätzen prüfen, ob „in der Frage" durch eine einfache Präposition substituiert werden kann oder umgekehrt. 101

Le rôle de la transitivité en français moderne, S. 31.

VI.

„In der Frage" — eine präpositionale

Wendung?

243

1. Beispiel: „Sowohl in der Frage der militärischen, speziell atomaren Integration als auch gegenüber dem Beitritt Englands zur E W G muß Bonn auf der logischen Linie seiner bisherigen Politik eine andere Stellung einnehmen als de Gaulle. (F. A. Z. 1 7 . 1 . 6 3 ) In diesem Satz steht „in der Frage" gleichberechtigt neben der einfachen Präposition „gegenüber". „Gegenüber" ließe sich sehr wohl durch „in der Frage" ersetzen. Daß der Schreiber sich zu solchem Wechsel entschloß, zeigt, daß er der Wendung „in der Frage" den Status einer Präposition zuerkennt. 2. Beispiel: " . . . eine neue Haltung in der Nachfolge/rage und damit gegenüber seinem Nachfolger befehlen (F. A. Z. 2 4 . 4 . 63) Sind im vorhergehenden Beispiel „Integration" und „Beitritt" als Vorgangsbezeichnungen einander gleichgeordnet, so trifft dies auf „Nachfolge" und „Nachfolger" nicht zu. „Zu" und „gegenüber", die beiden nach „Haltung" üblichen Präpositionen, stehen zumeist vor Sachbezeichnungen (zu) oder Personenbezeichnungen (gegenüber). Keine dieser Präpositionen kann die Wendung „in der Frage" ersetzen, da „Nachfolge" ein noch nicht vollendeter Vorgang ist. Als Ersatzform wäre nur eine Präposition möglich, die eine gänzlich unbestimmte Relation ausdrückt. Präpositionen, die die Beziehung o h n e i n h a l t l i c h e B e s t i m m u n g ausdrücken, sind „ h i n s i c h t l i c h " und „b e z ü g 1 i c h". Sie passen in keine der Bedeutungskategorien, die in der Duden-Grammatik für die Präpositionen verzeichnet sind102. Sie sind weder lokal noch temporal, weder modal noch kausal. Es gibt denn auch Belege für die Affinität zwischen „in der Frage" und „hinsichtlich". 3. Beispiel: „Hinsichtlich des Verbots der Kernwaffenversuche ist er so unnachgiebig wie je, aber um Berlin ist es stiller geworden." (T.-A. 5 . 1 . 63) Die Gleichsetzung „Verbot = Frage" wäre durchaus möglich, denn das Verbot der Kernwaffenversuche ist noch nicht in Kraft, es befindet sich erst im Stadium der Frage, die diskutiert wird. „Hinsichtlich" könnte in diesem Satz also durch „in der Frage" substituiert werden. Heißt das aber, daß „hinsichtlich" und „in der Frage" auch äquivalent sind? Für sich allein genommen ist der Satz „Hinsichtlich des Verbots der Kernwaffenversuche ist er (Chruschtschew) so unnachgiebig wie j e " nicht eindeutig. Es ist nicht auszumachen, ob Chruschtschew gegen jede Lockerung des Verbots oder gegen dessen Einführung ist. Erst der Kontext und die Kenntnis der Situation schaffen Eindeutigkeit. Die Wendung „in der Frage" wäre dagegen eindeutig, weil sie anzeigt, daß das Verbot noch nicht in Kraft ist, noch Verhandlungsgegenstand ist. „In der Frage" deckt hier nur einen Teil des Bereichs von „hinsichtlich." 102

16*

§ 574, S. 300.

244

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

4. Beispiel: „Weder hinsichtlich Berlins noch der Wiedervereinigung werde es jedoch für die Bundesrepublik und ihre Verbündeten faule Kompromisse geben." (T.-A. 1 . 3 . 6 3 ) Wiederum ist „hinsichtlich" mit „in der Frage" vertauschbar: „Weder in der Berlin-Frage noch in der Frage der Wiedervereinigung . . . " . „Hinsichtlich" verursacht hier auch keine Mehrdeutigkeit, weil der Begriff B „Berlin" keine Unklarheit in bezug auf die Zeitverhältnisse aufkommen läßt. 5. Beispiel: „ . . . daß er die Entscheidung in der Frage der Kanzlernachfolge bald zu erlangen wünscht." (F. A. Z. 1. 3. 63) Neben der Wahl der Präposition vor „Frage" steht hier auch die Wahl zwischen einfacher Präposition und präpositionaler Wendung offen. „Über" könnte hier nicht nur „in", sondern auch „in der Frage" als Ganzes ersetzen. Zwischen „über" und „in der Frage" läßt sich auch kein Unterschied erkennen, der dem oben festgestellten Unterschied zwischen „hinsichtlich" und „in der Frage" vergleichbar wäre. „Frage" entbehrt hier einer spezifischen Funktion. 6. Beispiel: „Wichtiger erscheint zunächst Klarheit in der Verfahrens/rage — so viel Klarheit, daß nirgendwo mehr herumgerätselt und herumgedeutet werden kann." (F. A. Z. 22. 2. 63) Wiederum bietet sich „über" als Konkurrenzpräposition sowohl zu „in" als auch zur Wendung „in der Frage" an. „In der Frage" kann also „hinsichtlich", „bezüglich", nach gewissen Begriffen A (z. B. „Entscheidung", „Klarheit") auch „über" ersetzen. In den Beispielen 5 und 6 wäre „über" die idiomatische, fest mit dem Begriff A verbundene Präposition. „Hinsichtlich" oder „bezüglich" wären ein unverfänglicher Ersatz dafür. Als gänzlich unbestimmte Relationsausdrücke überlassen „hinsichtlich'' und „bezüglich" die nähere Bestimmung der Beziehung zwischen den Begriffen A und B dem Kontext, während „über" sie selbst spezifiziert. Hinzu kommt noch, daß die Begriffe A und B durch „hinsichtlich" syntaktisch viel lockerer verbunden werden als durch „über". „Hinsichtlich" und „bezüglich" geben dem Begriff B eine Stellungsfreiheit, die ihm „über" nicht gewähren kann. Dasselbe gilt, wie wir gesehen haben, auch für „in" vor „Frage". Dasselbe trifft endlich auch für die Wendung „in der Frage" als Ganzes zu. Am folgenden Satz läßt sich die syntaktische Beweglichkeit der Wendung „in der Frage" zeigen. 7. Beispiel: „Es ist wohl möglich, daß die neuen Kreml-Führer in der „Peking-Frage"

VI.

„In der Frage"

— eine präpositionale

Wendung?

245

den Chruschtschew-Kurs verändern und die geplante Dezember-Konferenz der kommunistischen Parteien wie das Welttreffen im Sommer nächsten Jahres absagen.« (ZEIT 23.10.64) Die Umstellung „ . . . den Chruschtschew-Kurs in der „Peking-Frage" verändern . . . " hätte zur Folge, daß „in der Peking-Frage" sowohl Umstandsangabe als auch Attribut sein könnte, während man es im gegebenen Satz als Umstandsangabe interpretiert. Nur die Betonung ließe bei Nachstellung zwischen Attribut und Umstandsangabe unterscheiden. Als Zeichen der Relation zwischen Bezugswort und Attribut kann „in der Frage" durch „gegenüber" ersetzt werden: den Chruschtschew-Kurs gegenüber Peking verändern . . Doch ist ein Bedeutungsunterschied zwischen „in der Frage" und „gegenüber" nicht zu übersehen. Der „Kurs in der Peking-Frage" betrifft nicht nur die Beziehungen zwischen Rußland und China, sondern auch das Verhältnis der kommunistischen Parteien untereinander. Die Parteibeziehungen sind, um ein Modewort zu gebrauchen, multilateral, nicht bilateral. Daß dies dem Verfasser gegenwärtig gewesen ist, beweist der Satzinhalt. Zur größeren syntaktischen Beweglichkeit kommt die größere Bedeutungsweite der präpositionalen Wendung hinzu. 8. Beispiel: „Ein bißchen hat Saragat in der EWG-Frage zwar eingelenkt, als er zugab, daß die Sechs wie mit allen anderen Dritten auch mit Spanien Wirtschaflsund Handelsabkommen abschließen könnten." (Stuttg. Z. 1./2. 5. 64) Zuvor ist die Rede von der tiefsitzenden Abneigung Saragats und Nennis gegen Franco und sein Regime. Beide sind gegen eine Aufnahme Spaniens in die EWG, ja sogar gegen die bloße Assoziierung, während Frankreich und die Bundesrepublik Spanien gegenüber Wohlwollen bekunden. Dieser ganze Gedankenkomplex ist, auf ganz unbestimmte Weise, in „Frage" enthalten: ein extremes Beispiel für die s e m a n t i s c h e U n s e l b s t ä n d i g k e i t — aber auch K a p a z i t ä t — dieses Wortes. Man wird umsonst nach einer einfachen Präposition suchen, die hier „in der Frage" vollwertig ersetzen könnte. 4.

Zusammenfassung

Wir haben die Wendung „in der Frage" nach drei Seiten hin untersucht. 1. Die Umfrageergebnisse lassen eine deutliche Tendenz zur I n v a r i a b i l i t ä t d e r P r ä p o s i t i o n v o r „ F r a g e " e r k e n n e n . Invariabilität bedeutet, daß d i e P r ä p o s i t i o n s i c h v o m B e g r i f f A l ö s t und mit dem S u b s t a n t i v „Frage" eine f e s t e V e r b i n d u n g e i n g e h t . Es hat sich gezeigt, daß die Präposition „ i n " allen anderen Präpositionen an Verwendungsmöglichkeiten ü b e r l e g e n i s t . 2. Präpositionale Funktion der Wendung „in der Frage" bedingt Gleichsetzung: Das Bezugswort „Frage" ist dem G e n i t i v a t t r i b u t ( A p p o s i t i o n ,

Präpositionale

246

determinierender adjektiv,

Wendungen mit Teil

des

Gleichsetzung

Kompositums,

Demonstrativpronomen)

Bezugs-

gleichgesetzt.

Wenn „ i n " allen anderen Präpositionen vorgezogen wird, so verdankt es dies seiner s y n t a k t i s c h e n

Disponibilität.

Disponibel ist aber

auch „Frage", der nominale Teil der Wendung. Weder die invariable Präposition „ i n " allein noch die Gleichsetzung allein genügt zur Herausbildung einer präpositionalen Wendung. „Frage des Atomversuchsverbots" auch Subjekt oder Akkusativobjekt sein, und

andererseits

ist

kann

bei

der

Gruppe „in Fragen des T a k t s " die Gleichsetzung nicht verwirklicht. Erst die Kombination von beidem kann zur Kristallisation einer präpositionalen Wendung führen. Erst in der kombinatorischen Formel „in

Gleichsetzung"

Frage

wird das disponible Substantiv „Frage" zum Bestandteil

einer präpositionalen Wendung. 3. Als erwiesen darf die Affinität der Wendung „in der F r a g e " zu einfachen Präpositionen gelten. S u b s t i t u i e r b a r ist sie insbesondere durch Präpositionen, lation

die

ausdrücken,

eine

gänzlich

durch

„hinsichtlich",

jene

unbestimmte „bezüglich".

Re-

Als

semantisches W o r t ist „ F r a g e " auch geeignet, ganze Satzinhalte

synaufzu-

nehmen. „Ist ,in der Frage' eine präpositionale Wendung

mit Gleichsetzung?"

So

lautete die Frage. Die A n t w o r t : „In der F r a g e " hat präpositionale Funktion und scheint sich als feste Wendung mit dieser Funktion zu etablieren.

VII. Die Beurteilung der präpositionalen Wendungen im Zusammenhang mit einigen Charakteristika der Gegenwartssprache 1. Die präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung als Teilphänomen der Nominalisierung: Kern

der

präpositionalen

Wendung ist der n o m i n a l e

Teil,

dem das Attribut gleichgesetzt ist. Das ist schon daran ersichtlich, daß für eine Vielzahl von Substantiven der gleiche Rahmen besteht (z. B . in . . . Attribut). D e r Inhalt der präpositionalen Wendung wird allein bestimmt

durch das

jeweilige Substantiv, das diesen Rahmen füllt und dem das Attribut folgt. Es liegt deshalb nahe, diese präpositionalen Wendungen als men

der

Nominalisierung

zu

betrachten.

Teilphäno-

Unter

Nominali-

sierung wird gemeinhin die Einschränkung des Verbs zugunsten des Substantivs verstanden. So gilt als ein Teilphänomen der Nominalisierung die Ersetzung des Verbs durch eine verbale Wendung 1 0 3 : sich entschließen > 103

einen (den) Entschluß fassen

Für die Beurteilung der verbalen Wendungen in Sprachlehre und Stilkunde vgl. K. Daniels, Substantivierungstendenzen . . . , S. 9 f.

VII.

Die Beurteilungen

der präpositionalen

Wendungen

247

Ein anderes Teilphänomen der Nominalisierung ist die Substitution eines Nebensatzes durch einen transponierten Satz: Dadurch, daß man die Einfuhrzölle zu dämpfen

senkt, hofft man die Konjunktur

Durch die Senkung der Einfuhrzölle hofft man die Konjunktur zu dämpfen Diese Nominalisierungen werden oft mit der Begründung verurteilt, das Verb sei die „Seele" des Satzes, man solle sich deshalb wenn immer möglich verbalen Ausdrucks befleißen. Diese Erkenntnis beherzigen, heißt aber gerade die Nominalisierung besser verstehen. Als „Seele" des Satzes ist das finite Verb syntaktisch unfrei, d. h. es kann nur als Prädikat stehen. Das Substantiv dagegen ist disponibel, es kann viele Rollen im Satz übernehmen. „Die formalgrammatische Leistung des Substantivs für den Satzbau und Gedankengang im rationalisierten Stil ist vielseitiger als diejenige des Verbums" 104 . Was den Satzbau betrifft, so darf man sogar die einschränkende Klausel „im rationalisierten Stil" weglassen: Nominalisierung des Verbs bedeutet immer den Ubergang von syntaktischer Unfreiheit zu syntaktischer Disponibilität 105 . Die präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung bedeuten zwar nicht direkt eine Einschränkung des Verbs; dennoch zögern wir nicht, sie als Teilphänomen der Nominalisierung zu beurteilen. Sie sind eine spezielle Anwendung der Gruppe „Substantiv + nominales Attribut (Bezugsadjektiv)", jener Gruppe also, die die Nominalisierung zu einem guten Teil überhaupt erst ermöglicht. Die präpositionale Wendung mit Gleichsetzung beruht auf der T r a n s p o s i t i o n der S a t z g r u n d f o r m mit G l e i c h s e t z u n g s n o m i n a t i v .

2. Die präpositionalen Wendungen nomisches Phänomen:

mit Gleichsetzung

als

sprachöko-

Im „Basic English" ist der syntaktischen Unfreiheit des finiten Verbs auf besondere Weise Rechnung getragen. Seine Schöpfer haben, eine Tendenz der englischen Umgangssprache potenzierend, die Zahl der Verben radikal reduziert. So kommt das „Basic English" mit bloß 18 Verben aus, die Hilfsverben eingeredinet. Von diesen 18 Verben sind 10 sogenannte „Operators", Verben, „die sich mit allem verbinden lassen und mit denen alle Arten von menschlichen und anderen Bewegungen wiedergegeben werden können" 106 . Die Verben „to say", „to see" und „to send" sind dabei nur aus Gründen der Bequemlichkeit in dieses radikal vereinfachte Verbensystem eingebaut. Auf sie könnte ebenfalls verzichtet werden. Durch die Kombination dieser Verben mit sogenannten 104 p

v

p 0 l e n Z ) Funktionsverben, S. 12.

105

Vgl. dazu das erste Kapitel, S. 63.

106

E. Leisi, Das heutige Englisch, S. 81.

248

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

„ d i r e c t i v e s " sollen sich r u n d 2 0 0 Verben ersetzen lassen 1 0 7 . Diese V e r b i n d u n g e n ihrerseits können ein Vielfaches an „ s i g n i f i e s " übernehmen, nämlich durch die V e r b i n d u n g mit Substantiven, also durch kontextuelle Spezifizierung. C . K . O g d e n h a t ausgerechnet, d a ß mit H i l f e solcher gestufter K o m b i n a t o r i k ein Potential v o n 4 0 0 0 V e r b a l b e d e u t u n g e n geschaffen werde 1 0 8 . Diese Speicherung beruht auf dem

Prinzip

der

Vervielfachung

Zeichenverbindung. vollends

der

„signifies"

durch

In einem solchen S y s t e m w i r d der Begriff „ W o r t "

f r a g w ü r d i g . E i n Beispiel

möge

diese gestufte K o m b i n a t o r i k

ver-

anschaulichen 1 0 9 :

1.

Stufe:

invariabel: put put put put put 2.

variabel: o f f (B) on out over right up

invariabel:

variabel: about across by down forward in ( A )

put

put put put put put put

Stufe:

invariabel: put

a word

invar.: in in

invariabel:

invar.:

put put

the meeting

off

put

an account

off

the light

put

the tea

put

someone

off

somewhere

put

the sheep

put

someone

off

f r o m doing s.

put

a request

put

someone

off

b y d o i n g s. 1 1 1

W a s h a t diese K o m b i n a t o r i k der engl. „Operators" mit den

präpositionalen

Wendungen m i t Gleichsetzung z u tun? E s läßt sich zeigen, d a ß zwischen den präpositionalen

Wendungen

und

den

„operator"-Kombinationen

f a l l e n d e Ähnlichkeit besteht. M a n vergleiche:

1.

Stufe:

variabel: im

107 108 109

variabel: Bereich

auf dem

Gebiet

zum

Zwecke

mit dem

Mittel

invariabel: Gleichsetzung Gleichsetzung Gleichsetzung Gleichsetzung

C. K . Ogden, Basic English, S. 54. Basic English, S. 55. Vollständigkeit ist dabei nicht erstrebt.

110

Nach C. K. Ogden, Basic English, S. 54.

111

Nach F. T. Wood. English Verbal Idioms, S. 215 ff.

eine

auf-

VII.

Die Beurteilungen

der präpositionalen

Wendungen

249

2. Stufe: invariabel: im im in (der) im im in der im

Bereich Sinne Form Falle Zeichen Frage Zuge

invariabel: Gleichsetzung Gleichsetzung Gleichsetzung Gleichsetzung Gleichsetzung Gleichsetzung Gleichsetzung

Wie die „operator"-Verbindungen setzen sich die präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung aus V a r i a b e i n u n d I n v a r i a b e l n zusammen. In der „operator"-Verbindung ist auf der ersten Stufe das Verb invariabel, auf der zweiten Stufe Verb und „directive". Bei den präpositionalen Wendungen ist auf der ersten Stufe die G l e i c h s e t z u n g m i t d e m A t t r i b u t die Invariable; auf der zweiten Stufe bleiben P r ä p o s i t i o n und V e r h ä l t n i s z u m A t t r i b u t invariabel. Jede Verbindung ergibt ein neues „signifie". Daß die Bildung präpositionaler Wendungen mittels der aufgezeigten Kombinatorik ein ö k o n o m i s c h e s Verfahren ist, leuchtet unmittelbar ein. Diese Ökonomie hat indes verschiedene Aspekte: a) Auf der Ebene der „1 a n g u e" darf, vor jeder Verwirklichung individueller Wendungen, eine g e n e r e l l e F o r m e l von folgender Gestalt angenommen werden: Präposition + Substantiv, das dem Attribut gleichgesetzt ist Diese Formel gestattet die Bildung spezifischer präpositionaler Wendungen. Die Summe der präpositionalen Wendungen, von denen Gebrauch gemacht wird, ist keineswegs identisch mit dem P o t e n t i a l , das diese Formel zur Verfügung stellt. Man darf annehmen, daß sich das Inventar der nach dieser Formel gebildeten präpositionalen Wendungen noch erweitern wird. Die Bereitstellung einer solchen Bildungsformel kann nicht anders denn als R a t i o n a l i s i e r u n g gedeutet werden. b) Die Gruppe „Substantiv + Attribut im Verhältnis der Gleichsetzung" ist s y n t a k t i s c h f r e i v e r f ü g b a r . Sie kann alle syntaktischen Rollen übernehmen, die dem Substantiv an sich offenstehen. Beispiele: Subjekt:

Der Bereich der Technik ist unüberschaubar geworden

Akkusativobjekt:

Er ignoriert den Bereich der Technik

Dativobjekt:

Sein Interesse gilt dem Bereich der Technik

Erst durch die Verbindung mit „ i n " erhält die Gruppe p r ä p o s i t i o n a l e F u n k t i o n . Darum ist es notwendig, die präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung je nach Perspektive anders zu zergliedern:

250

Präpositionale

Perspektive

der präp.

Wendungen

mit

Gleicbsctzung

Funktion:

in der Frage des Atomversuchsstops im Rahmen des Wirtschaftsabkommens auf dem Gebiet der Meteorologie Perspektive der syntaktischen Verfügbarkeit: in im auf

der Frage des Atomversuchsstops Rahmen des Wirtschaftsabkommens dem Gebiet der Meteorologie

So betrachtet, ist die präpositionale Funktion d a s E r g e b n i s e i n e r b e s t i m m t e n k o n t e x t u e l l e n K o m b i n a t i o n , bleibt also der „ p a r o l e" vorbehalten. Dies widerspricht durchaus nicht der Annahme einer Bildungsformel „Präposition + Substantiv + Attribut im Verhältnis der Gleichsetzung" auf der Ebene der „langue", denn diese Formel geht jeder individuellen Verwirklichung voraus, c) In engem Zusammenhang mit dem eben Gesagten steht der dritte ökonomische Aspekt. Die Präpositionen, die zur Bildung von präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung dienen, gehören durchwegs der ältesten Schicht deutscher Präpositionen an 112 . N u n können einige dieser präpositionalen Wendungen einfache Präpositionen der neuhochdeutschen Schicht ersetzen oder bedrängen: in der Frage / bezüglich, hinsichtlich auf dem (im) Wege / mittels auf Grund / wegen? Wo dies der Fall ist, da darf mit einigem Recht von Sprachökonomie gesprochen werden, weil dann die präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung d i e V e r m i n d e r u n g des P r ä p o s i t i o n e n b e s t a n d e s g e s t a t t e n . 3. Präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung als Mittel der Verdeutlichung und als Mittel der Differenzierung: Die Substitution einfacher Präpositionen der ältesten Schicht ist weiter oben untersucht und als „Erläuterung von Sprachlichem mit Hilfe von expliziteren sprachlichen Formen" beschrieben worden 113 . Eine vieldeutige, kontextabhängige Form wird dabei durch eine explizite, in sich selbst bestimmte Form abgelöst 114 . Deren Explizitheit beruht auf der Gleichsetzung des Attributs mit dem Bezugswort, was nichts anderes ist als die Transposition der Satzgrundform mit Gleichsetzungsnominativ 115 . 1,2 113 114

115

Vgl. dazu oben S. 155—156. Vgl. oben S. 203—205. Ein Musterfall dürfte die in dieser Arbeit nicht dargestellte Substitution von „bei" durch konditionales „im Falle" sein. Vgl. Duden-Grammatik, §§ 868—871, S. 437—438.

Vll.

Die Beurteilungen

der präpositionalen

251

Wendungen

I m Abschnitt „Die kombinatorischen Möglichkeiten der einfachen Präpositionen und der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung" wurde die Substitution des Pronominaladverbs ( + Präposition) durch die Verbindung „Präpositionale Wendung mit Demonstrativpronomen" der Substitution

der Verbindung

in Parallele gesetzt mit

„Pronominaladverb + Präposition"

durch

die Verbindung „Präposition + Pronomen". Dabei hat sich gezeigt, daß die Verbindung „Präpositionale Wendung mit Demonstrativpronomen" eine doppelte Suppletion ist, indem sowohl das Demonstrativpronomen als auch das Substantiv der präpositionalen Wendung das ursprüngliche Substantiv suppleieren 1 1 6 . Auch diese doppelte Suppletion darf als Verdeutlichung gewertet werden. D a m i t ist d i e

verdeutlichende

Wirkung

der präpositionalen

Wendung mit Gleichsetzung wenigstens in Umrissen angedeutet. Es liegt nun nahe, die Schaffung präpositionaler Wendungen mit Gleichsetzung mit der Bildung s p e z i a l i s i e r t e r

begrifflicher

Präpositionen

im Neuhochdeutschen in Zusammenhang zu bringen, zumindest was das V e r hältnis beider zur älteren Schicht der Präpositionen betrifft. In der T a t steht in beiden Fällen die Substitution von Präpositionen der alten Schicht unter dem gleichen Vorzeichen: A b l ö s u n g textabhängigen sich

selbst

Zeichens

eines

durch

ein

vielwertigen, explizites,

kondurch

b e s t i m m t e s . Diese Parallelität ist offenkundig. D a b e i darf

jedoch nicht übersehen werden, daß die präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung die Forderung der Sprachökonomie in höherem M a ß e erfüllen als die spezialisierten einfachen begrifflichen Präpositionen des Nhd., weil sie, in Anwendung des Prinzips „ V e r m e h r u n g bination

der

signifiants",

der

signifies

durch

Kom-

den Rückgriff auf den althochdeutschen

Präpositionenbestand möglich machen, ohne die Verfügbarkeit der Zeichen als separate Einheiten zu beeinträchtigen. Von Verdeutlichung darf vielleicht noch in einem anderen Sinne gesprochen werden. Betrachtet man Verbindungen wie „im Rahmen dieses Vertrags",

„im

Bereich des Sozialen", „auf dem Hintergrund der politischen Nachkriegsentwicklung", so fällt auf, daß sich die anschauliche präpositionale Wendung mit einem unanschaulichen Begriff als Attribut verbindet. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung setzt solcher A r t das Attribut einer

Raumbezeichnung

kennbar der Orientierung; reich

(!) d e s

gleich. Diese Gleichsetzungen dienen unver-

sie sind V o r s t e l l u n g s s t ü t z e n

im

Be-

Unanschaulichen.

In diesem Kapitel nehmen semantische Probleme einen breiten R a u m ein. Ein semantisches Problem ist die Unterscheidung von „im Bereich" und „auf dem G e b i e t " . Ein semantisches Problem ist auch die Bestimmung des Ortes von „auf G r u n d " im Feld der kausalen Präpositionen. W i r sind in beiden Fällen 116

Vgl. oben S. 162—163.

252

Präpositionale

Wendungen

mit

Gleichsetzung

gleich vorgegangen, indem wir zuerst versucht haben, die unterscheidenden Merkmale pointiert herauszuarbeiten, um dann ihre Wirksamkeit anhand von Umfrageergebnissen zu untersuchen. In beiden Fällen wird das einigermaßen scharfe semantische Profil durch die Umfrageergebnisse bis zu einem gewissen Grade verwischt. Bedeutet dies, daß die eruierten unterscheidenden Merkmale keine Gültigkeit haben? Wir glauben es nicht. Es lassen sich verschiedene Gründe für die Relativierung der unterscheidenden Merkmale durch die Umfrageergebnisse anführen: — Der Satzkontext kann das einzusetzende Zeichen definieren. Dann ist er einer Gleichung ähnlich, in der X zu bestimmen ist. Der Satzkontext, d. h. die Relation zwischen Begriff A und Begriff B kann aber auch erst durch das einzusetzende Zeichen definiert werden. Dann ist die Einsetzung des Zeichens ein Interpretationsakt. — Bei „auf Grund" wurden für die Umfrage Sätze gewählt, die ursprünglich durchwegs „auf Grund" enthielten. In der Mehrzahl der Sätze wurde die Wahl des Autors durch die Umfrageergebnisse korrigiert. Daraus darf doch wohl geschlossen werden, daß die Wahl von „auf Grund" in der Mehrzahl der Sätze einen undifferenzierten Sprachgebrauch darstellt. Wo es um so komplexe semantische Probleme geht wie bei „auf Grund", ist die Bezeichnung „undifferenziert" der Bezeichnung „falsch" gewiß vorzuziehen. Die Bezeichnung „undifferenziert" impliziert ein Mehr oder Minder, die Möglichkeit der Vergröberung oder Verfeinerung. Und diese Möglichkeit ist ein Grundmerkmal sprachlicher signifies. — Nicht alle Präpositionen und präpositionalen Wendungen sind gleichermaßen komplex und differenziert. „Auf Grund" und „infolge" sind es in höherem Maße als „wegen". „Bereich" kann einer größeren Vielfalt von Attributen gleichgesetzt werden als „Gebiet". Die Umfrageergebnisse stellen also die ermittelten unterscheidenden Merkmale nicht in Frage, aber sie machen den S p i e l r a u m bewußt, den die „p a r o 1 e" darstellt. Die breite Darstellung semantischer Probleme in diesem Kapitel hatte gerade den Zweck, präpositionale Wendungen wie „im Bereich", „auf dem Gebiet" und „auf Grund" als M i t t e l d e r D i f f e r e n z i e r u n g darzustellen.

Wissenschaftliche Schriften1 Behaghel, O., Deutsdie Syntax, Heidelberg 1923—32 Bally, Ch., Linguistique générale et linguistique française, Berne 1950 Brinkmann, H., Die deutsche Sprache — Gestalt und Leistung, Düsseldorf 1962 Brinkmann, H., Der Austausch zwischen den Wortarten im Deutschen, in „Die Wissenschaft von deutscher Sprache und Dichtung-Methoden, Probleme,

Aufgaben",

Festschrift für Friedrich Maurer zum 65. Geburtstag, Stuttgart 1963 Brinkmann, H., Die Zusammensetzung im Deutschen, Spradiforum Jg. 2, 1956/57 Benveniste, E., Problèmes de linguistique générale, Bibliothèque des sciences humaines, Paris 1967 Blinkenberg, A., Le rôle de la transitivité en français moderne, Historisk-filosofiske Meddelelser Bd. 38, Kopenhagen 1960 Dahl, I., Kurze Deutsdie Syntax, 2., verbesserte Aufl., Tübingen 1962 Daniels, K., Substantivierungstendenzen in der deutschen Gegenwartssprache, in „Sprache und Gemeinschaft", Studien Bd. I I I , Düsseldorf 1963 Dubois, J., Recherches lexicographiques, Esquisse d'un dictionnaire structural, in .Etudes de linguistique appliquée' 1, Paris 1962 Dubois, J., Distribution, ensemble et marque dans le lexique, in ,Cahiers de lexicologie' 1, 1964 Dubois, J., Grammaire structurale du français (1. Band), Paris 1965 Dubois, J., Grammaire structurale du français: le verbe, Paris 1967 Duden Bd. 4, Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, Mannheim 1959 Duden Bd. 9, Hauptschwierigkeiten der deutschen Sprache, Mannheim 1965 Eggers, H., Zur Syntax der deutschen Sprache der Gegenwart, Studium Generale Jg. 15, Heft 1 Eggers, H., Beobachtungen zum präpositionalen Attribut in der deutschen Sprache der Gegenwart, Wirkendes Wort, Sammelband 1 („Sprachwissenschaft"), 1962 Erben, J., Abriß der deutschen Grammatik, 2. durchgesehene Aufl., Berlin 1959 Franck, Th., Wörter für Satzinhalte, Zur inhaltlichen Leistung abstrakter Wortstände im Deutschen und Englischen, Diss. Bonn 1958 Frei, H., La grammaire des fautes, Paris 1929 Glinz, H., Die innere Form des Deutschen, Bern 1952 Greimas, A.-J., Sémantique structurale, Paris 1966 Grevisse, M., Le Bon Usage, Grammaire française, septième édition, Gembloux 1959 Henzen, W., Deutsche Wortbildung, Halle (Saale) 1947 1

Nur in Anmerkungen erscheinen Hinweise auf einige Arbeiten, die erst nach Abschluß meines Manuskripts erschienen sind.

254

Präpositionale

Wendungen mit Gleichsetzung

Hotzenköcherle, R . , Geschichte des deutschen Adjektivs, Vorlesung gehalten im Sommersemester 1962 (ungedruckt) Hotzenköcherle, R . , Entwicklungsgeschichtliche Grundzüge des Neuhochdeutschen, W i r kendes Wort J g . 12, 1962 Hotzenköcherle, R., Gegenwartsprobleme im deutschen Adjektivsystem, Neuphilologische Mitteilungen Bd. L X I X , Heft 1, 1968, S. 1 — 2 8 Härtung, W., Die zusammengesetzten Sätze des Deutschen, Studia Grammatica Berlin 1967

IV,

Härtung, W., Die bedingenden Konjunktionen der deutschen Gegenwartssprache, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Halle) Bd. 86, 1964 Hartmann,

P.,

„Lebendige

Sprachformen",

Zur

Frage

des nominalen

Ausdrucks,

Sprachforum J g . 1, 1955/56 Jespersen, O., The Role o f the Verb, Germanisch-Romanische Monatsschrift 3, 1911 Jespersen, O., The Philosophy of Grammar, London 1958 Jäggi, A., Le rôle de la préposition et de la locution prépositive dans les rapports abstraits en français moderne, Romanica Helvetica Bd.58 Jakobson, R., Essais de linguistique générale, traduit et préfacé par Nicolas Ruwet, Paris 1963 Kurth, R . , Bildung und Gebrauch der Wörter auf -ung, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Halle), Bd. 78 Leisi, E., Der Wortinhalt, Seine Struktur im Deutschen und Englischen, 2. Aufl., H e i delberg 1961 Leisi, E., Das heutige Englisch, 2. Aufl. Heidelberg 1960 Leisi, E., Englische und deutsche Wortinhalte — Zonen der Deckung, Zonen der V e r schiedenheit, Wirkendes W o r t J g . 12, 1962 Mötsch, W., Zur Stellung der „Wortbildung" in einem formalen Sprachmodell, in Studia Grammatica I, 4. Aufl. 1966 Mötsch, W . , Untersuchungen zur Apposition im Deutschen, in Studia Grammatica V , Berlin 1965 Mötsch, W., Syntax Berlin 1966

des deutschen

Adjektivs,

Studia

Grammatica

III,

4.

Aufl.,

Martinet, A., Grundzüge der Allgemeinen Sprachwissenschaft, Stuttgart 1963 Moser, H., Entwicklungstendenzen im heutigen Deutsch, D e r Deutschunterricht

VI,

1954 Ogden, C . K . , Basic English, London 1930 Paul, H . , Deutsche Grammatik, 5. Aufl. (Halle) 1959 Polenz, P . v., Funktionsverben im heutigen Deutsch, Beiheft 5 der Zeitschrift Wirkendes Wort, Düsseldorf 1963 Polenz, P . v., „durchführen" in der Stilnot substantivischer

Tätigkeitsbezeichnungen,

Muttersprache J g . 73, 1963 Polenz, P . v., Das W o r t

„Reich" als unpolitische Raumbezeichnung, Zeitschrift

für

deutsche Philologie 76, 1957 Porzig, W . , Die Leistungen der Abstrakta in der deutschen Sprache, Blätter deutsche Philosophie 4, 1930/31

für

Pottier, B., Systématique des éléments de relation, Etudes de morphosyntaxe structurale romane, Bibliothèque française et romane, Paris 1962 Renicke, H., Grundlegung der neuhochdeutschen Grammatik, Berlin 1961

Wissenschaftliche

255

Schriften

Rosenqvist, A., Das Verbalsuffix -(i)eren, Annales Acad. Scient. Fennicae Bd. 30 Richards, I. A., Basic English and its uses, London 1943 Seibicke, W., Wörter auf -mäßig — Sprachkritik und Sprachbetrachtung, sprache Jg. 73, 1963

Mutter-

Sandmann, M., Substantiv, Adjektiv-Adverb und Verb als sprachliche Formen, Indogermanische Forschungen 57, 1940 Spycher, P. C., Die Struktur der Adjektive auf -ig und auf -lieh, Orbis vol. 4, 1955, vol. 5, 1956, vol. 6, 1957 Stötzel, G., Zum Nominalstil Meister Eckharts — Die syntaktischen Funktionen grammatikalischer Verbalabstrakta, Wirkendes Wort J g . 16, 1966 Urbanova, A., Zum Einfluß des amerikanischen Englisch auf die deutsche Gegenwartssprache — Ein Beitrag zur Frage sprachlicher Kontakte, Muttersprache Jg. 76, 1966 Vinay, J . P. und Darbelnet, J . , Stylistique comparée du français et de l'anglais, Bibliothèque de stylistique comparée vol. 1, nouvelle édition corrigée, Paris 1960 Weisgerber, L., Die Erforschung der Sprach„zugriffe" I. — Grundlinien einer inhaltbezogenen Grammatik, Wirkendes Wort, Sammelband 1 („Sprachwissenschaft"), Düsseldorf 1962 Weisgerber, L., Der Mensch im Akkusativ, ebenda Weisgerber, L., Zur innersprachlichen Umgrenzung der Wortfelder, ebenda Weisgerber, J . L., Vertragstexte als spradilidie Aufgabe, Sprachforum, Beiheft Nr. 1, Bonn 1961 Wunderlich, H., Der deutsche Satzbau Bd. 1, 2. Aufl., Stuttgart 1901 Wood, F. T., English Verbal Idioms, London 1964 Winter, W., Vom Genitiv im heutigen Deutsch, Zs. für deutsche Sprache, Bd. 22 Wölfl, L., Über den Rückgang des Genitivs und die Verkümmerung der partitiven Denkformen, in Annales Academiae Scientiarum Fennicae, Ser. B 84, 1954, S. 185 ff.

Wörterbücher Adelung, J . Chr., Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs der hochdeutschen Mundart, 2. Aufl., Leipzig 1 7 9 3 — 1 8 0 1 Campe, J . H., Wörterbuch der deutschen Sprache, Braunschweig 1 8 0 7 — 1 8 1 1 Duden Bd. 2, Stilwörterbuch der deutschen Sprache, 4. Aufl., Mannheim 1956 Duden Bd. 5, Fremdwörterbuch, Mannheim 1960 Duden Bd. 7, Etymologie, Herkunftswörterbuch 1963

der deutschen Sprache,

Mannheim

Duden Bd. 8, Vergleichendes Synonymwörterbuch, Mannheim 1964 Eichborn, R . v., Wirtschaftswörterbuch I (Englisch—Deutsch), Düsseldorf 1961 Ernst, Richard, Wörterbuch der industriellen Technik, 5. Aufl., Wiesbaden 1961 Bd. I I I : Deutsch—Französisch Bd. I V : Französisch—Deutsch Fremdwörterbuch des Bibliographischen Instituts Leipzig, Leipzig 1966 Grimm, J . und W . , Deutsches Wörterbuch, sämtliche Bände, Leipzig 1 8 5 4 — 1 9 6 0 Harrap's Standard German and English Dictionary, B d . 1 Klappenbach, R . und Steinitz W . , Wörterbuch Berlin 1961 ff.

der

deutschen

Gegenwartssprache,

Kluge, Fr., Etymologisches Wörterbuch, 17. Aufl., Berlin 1957 Lexer, M., Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 26. Aufl., Zürich 1951 Mater, E., Rückläufiges Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, Leipzig 1965 Schulz, H., D t . Fremdwörterbuch Bd. 1 ( A — K ) , Straßburg 1913 Trübners Deutsches Wörterbuch, Berlin 1 9 3 9 — 5 7 Wildhagen, K . , English—German/German—English Dictionary vol. 1: English—German, 9. unveränderte Aufl., Wiesbaden 1959 vol. 2 : German—English ( A — K ) , 1. Aufl., Wiesbaden 1953 vol. 2 : German—English ( L — Z ) , 1. Aufl., Wiesbaden 1954 Wörter und Wendungen, Wörterbuch zum deutschen Sprachgebrauch, Leipzig 1962

Quellen A.

Bücher:

Adiinger, H., Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik, rde 47 Adorno, Th. W., Noten zur Literatur III, Bibliothek Suhrkamp Bd. 146 Baade, F., Welt-Ernährungswirtschaft, rde 29 Baumgart, R., Literatur für Zeitgenossen — Essays, edition suhrkamp 188 Bahrdt, H. P., Die moderne Großstadt — Soziologische Überlegungen zum Städtebau, rde 127 Deutschland 1975 — Perspektiven und Prognosen, hrsg. von U. Lohmar, München 1965 Eucken, W., Grundsätze der Wirtschaftspolitik, rde 81 Frisch, M., Tagebuch 1946—1949, Frankfurt a. M. 1950 Gehlen, A., Die Seele im technischen Zeitalter — Sozialpsychologisdie Probleme in der industriellen Gesellschaft, rde 53 Hauser, A., Sozialgeschichte der mittelalterlichen Kunst, rde 45 Johnson, U., Mutmaßungen über Jakob, Fischer Bücherei Bd. 457 Jünger, E., Gläserne Bienen, rororo Bd. 385 Lemberg, E., Nationalismus II — Soziologie und politische Pädagogik, rde 199 Mann, Th., Neue Studien, Stockholm 1948 Mann, Th., Der Zauberberg, Ungekürzte Sonderausgabe, 3. Aufl., Berlin und Frankfurt a. M. 1958 Nossack, H. E., Spätestens im November, dtv 162 Schiller, Fr., Geschichte des Abfalls der Niederlande, Schillers Historische Schriften, hrsg. und eingel. von Edgar Bonjour, 1. Band, Basel 1945 Schmölders, G., Konjunkturen und Krisen, rde 3 Sedlmayr, H., Kunst und Wahrheit — Zur Theorie und Methode der Kunstgeschichte, rde 71 Walser, M., Erfahrungen und Leseerfahrungen, edition suhrkamp 109 Wissenschaft und Gesellschaft — Einführung in das Studium von Politikwissenschaft, Neuere Geschichte, Volkswirtschaft, Recht, Soziologie (Funk-Kolleg 1), Fischer Bücherei Bd. 846 Wittram, R., Das Interesse an der Geschichte — ZwölfVorlesungen über Fragen des zeitgenössischen Geschichtsverständnisses. Kleine Vandenhoeck-Reihe 59/60/61 17 SdiäubHn 1

258 B.

Präpositionale Wendungen mit

Gleichsetzung

Zeitungen:

F. A. Z. Köln. St. Münchner Merkur N . Z. N . Z. Z. Presse S. Z. Stuttg. Z. T.-A. Tat Welt Zeit

— Frankfurter Allgemeine Zeitung (Deutsche Tageszeitung) = Kölner Stadtanzeiger (Deutsche Tageszeitung) = Münchner Merkur (Deutsche Wochenzeitung) = National-Zeitung (Schweizer Tageszeitung) = Neue Zürcher Zeitung (Schweizer Tageszeitung) = Die Presse (östereichische Tageszeitung) = Süddeutsche Zeitung (Deutsche Tageszeitung) = Stuttgarter Zeitung (Deutsche Tageszeitung) = Tages-Anzeiger (Schweizer Tageszeitung) = Die Tat (Schweizer Tageszeitung) = Die Welt (Deutsche Tageszeitung) = Die Zeit (Deutsche Wochenzeitung)

Abkürzungen: m • ' Morgenausgabe mi = Mittagsausgabe a = Abendausgabe

Sachregister (Die „Sachen" sind nach Möglichkeit zu größeren Gruppen [z. B. unter Oberbegriffen wie „im Bereich", ,,-ung-Substantive"] zusammengefaßt.) - accord (rection, rektioneil): 84, 85, 117, 118, 121, 128, 134, s. auch Bezugsadjektiv - adjectif de relation: s. Relation, Bezugsadjektiv - aktualisieren (Aktualisierung): a. 74, 139, 140, 142, 146, 147 b. s. virtuell (Virtualität) - -al: Adjektive auf: s. Bezugsadjektiv - alinear: s. Rücktranposition - ambivalent: s. Bezugsadjektiv, s. Personenbezeichnungen - angesichts: s. „auf Grund" - arbiträr: s. motiviert - Art (Natur), Bezugsadjektiv: s. Bezugsadjektiv - Artergänzung: 13, 14, 44, 50, 51, 59, 62 - Artikel (Artikellosigkeit: s. auch „auf Grund" - Artikelfunktionen: 149 - Opposition „Artikel/Artikellosigkeit": 100-103, 143, 144, 149, 194 - Beeinflussung der Relation zwischen Bezugswort und Genitivattribut durch den Substantivbegleiter (Artikel, Demonstrativpronomen): 239-240 - Zahlwortfunktion: 37, 54 - vor Personenbezeichnungen: 98-103, 143-144, 147, 149 - als Variante des bestimmten Artikels: 239-240 - Artikellosigkeit: s. Artikel - „auf dem Gebiet": s. „Gebiet" - „auf Grund": s. „Grund" - Ausgangswortart: s. Transposition - Basic English: 247-249 - Begriff A, Begriff B: s. präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung; s. Bezugsadjektiv - Bereich: „im Bereich": - in/im Bereich: - „im Bereich" substituierbar durch „in": 172-173, 190, 198 - „im Bereich" nicht substituierbar durch „in": 173-175 - „im Bereich + Attribut" verglichen mit „in + Attribut": 198 - das Attribut (Begriff B) zu „im Bereich": - Relation zwischen Attribut und „Bereich": 171-172 - Gleichsetzung von „Bereich" mit dem Attribut: 170, 173-174 - Subsumption des Begriffs B unter Oberbegriff: 173-175, 194 17»

260 - Attribute, die „im Bereich" zulassen, aber „auf dem Gebiet" ausschließen: 178 bis 180, 187 - Attribute, die „auf dem Gebiet" zulassen, lassen auch „im Bereich" zu: 179-180, 192, 194 - „im Bereich" läßt für Begriff B weiteren Spielraum als „auf dem Gebiet": 180 - Merkmale, inhaltliche, die „im Bereich" von „auf dem Gebiet" unterscheiden: - historisch: 168-169 - „im Bereich" eigentlich-räumlich und übertragen-räumlich: 180, 189, 191, 196 - Vertikalität, Horizontalität, Dreidimensionalität: 181-182, 183, 189, 191 - unscharfe Abgrenzung gegen anderes: 182, 183, 191 - nicht vergegenständlichend (integriert Begriff A in Begriff B ) : 183, 196, 198 - Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Merkmalen: 184 - die Umfrage (im Bereich/auf dem Gebiet): 184-195 - Bezugsadjektiv: -

-

-

-

accord: 84, 118, 128, 134 adjektivnah/ su bstantivnah: 129 -al: Bezugsadjektive auf: 90-91 Bezugsadjektiv als Begriff B von präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung: 163-165, 188, 190-191, 194, 247 Bezugsadjektiv + Art, Natur: 126-131, 134 -eil: Bezugsadjektive auf: 91 Funktionen (im Vergleich mit dem freien substantivischen Attribut): - Verhältnis zum Gleichsetzungsgenitiv: 164-165, 174 - Verhältnis zu den Objektfunktionen: 121-124, 126, 133, 134 - Verhältnis zur Umstandsfunktion: 131-133, 134 - Verhältnis zur Subjektfunktion: 125-126, 131-134 grammatikalische Bestimmtheit (im Vergleich mit dem freien substantivischen Attribut): - Beziehung zwischen Bezugsadjektiv und Substantiv: 107-108, 110, 119-120, 134 - Fehlen des Beziehungszeichens der Relation (Rektion): 120, 134 - Fehlen der Opposition „Singular/Plural": 120, 134 - Fehlen der Opposition „bestimmt/unbestimmt": 120, 134 Häufigkeit: 134-138 Leistung, inhaltliche und syntaktische: 137-138 Integration in die Wortart „Adjektiv" („Adjektivierung"): 127-130, 134 -isch: Bezugsadjektive auf: 89, 97 (von Personenbezeichnungen) -lieh: Bezugsadjektive auf: 88, 97 (von Personenbezeichnungen) -mäßig: Bezugsadjektive auf: 90, 111-115 Merkmale: - abgeleitet von Substantiven (denominativ, Transpositionen von Substantiven): 86, 87, 88, 94-97, 107, 127, 163-165 - umwandelbar (zurücktransponierbar) zu Substantiven: 87-88, 94, 96, 97, 98, 107, 115, 116 - nicht ergänzungsfähig: 88, 94, 95, 96 - nicht graduierbar: 87, 88, 94, 95, 96, 103, 107, 115, 116 - nicht prädikativ verwendbar (auf attributiven Gebrauch beschränkt): 87, 94-96, 103, 110, 115, 116, 126, 139, 164 - Subordination mit gewöhnlichen Adjektiven (nicht koordinierbar): 109-110, 115, 141 nicht-/un-: Möglichkeit der Kombination von Bezugsadjektiven mit: 104-107 von Personenbezeichnungen abgeleitete: 97—103 stilistische Verwendung: 97-98, 138-143

261 -

Vergleich: - mit ambivalenten und gewöhnlichen Adjektiven: 9 1 - 9 3 , 96, 1 0 4 - 1 0 7 , 113, 115 - mit von Adverbien abgeleiteten Adjektiven: 95, 96 - mit von Personenbezeichnungen abgeleiteten ambivalenten und gewöhnlichen Adjektiven: 9 7 - 1 0 3 , 107 - mit dem Bestimmungswort des Kompositums: 1 1 9 - 1 2 0 - -weise: Bezugsadjektive auf: 8 9 - 9 0 , 1 1 6 - 1 1 7

- Deadjektiva: 88 (auf -lieh), 89 (auf -weise) - denominativ (denominal): s. „Bezugsadjektiv" (Merkmale) - Dreidimensionalität: s. „im Bereich" - einfache Präpositionen: - historische Schichtung: 1 5 5 - 1 5 7 , 159 - historische Schicht der einfachen Präpositionen, mit denen präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung gebildet werden: 251 - Kombinatorische Möglichkeiten: 1 5 3 - 1 5 5 , 159, 167 - Kombinatorische Möglichkeiten, historische Schichtung, heutiger Gebrauch: 157 bis 160 - präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung ersetzen einfache Präpositionen der ahd. Schicht: 2 0 3 - 2 0 5 , 2 5 0 - 2 5 1 - präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung ersetzen einfache Präpositionen der nhd. Schicht: 250 - „Präposition + Pronomen"/„Pronominaladverb -1- Präposition" im heutigen Sprachgebrauch: 1 6 0 - 1 6 2 - Vergleich der präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung mit den einfachen Präpositionen als Relationszeichen: 152, 2 3 1 - 2 3 2 - eil: s. „Bezugsadjektiv" - ergänzungsfähig (nicht ergänzungsfähig): s. „Bezugsadjektiv" - externe (interne) Bestimmungsmerkmale: s. „Rücktransposition" - Frage: „in der F r a g e " : - das Attribut zu „in der F r a g e " : - die Relation zwischen „Frage" und dem Attribut: 2 3 9 - 2 4 1 - Gleichsetzung als Voraussetzung für präpositionale Funktion: 238, 241, 242, 245-246 - Formen des Attributs: 238, 241, 2 4 5 - 2 4 6 - einfache Präpositionen: das Verhältnis von „in der Frage" zu: - gegenüber: 243, 2 4 5 ; über: 244 - „in der Frage" substituierbar durch Präp., die gänzlich unbestimmte Relation ausdrücken: 237, 243, 244, 2 4 6 -

„Frage": - Disponibilität (syntaktische Beweglichkeit): 242, 245, 246 - semantische Unselbständigkeit und K a p a z i t ä t : 245 - synsemantisches W o r t : 246

- die Präposition vor „ F r a g e " : - die U m f r a g e : 2 3 2 - 2 3 8 - Invariabilität der Präposition: - als Voraussetzung: 232, 2 4 2 - „Frage" als der stärkere Pol bei der Präpositionenwahl: 232, 235, 245 - Tendenz zur Invariabilität der Präposition vor „ F r a g e " : „ i n " : 232, 237, 245

262 - als funktionales Monem vor autonomem Syntagma: 237 - vielseitig, vielwertig, unverbindlich, rationell: 234, 236, 237, 238, 242, 245 - syntaktisdie Disponibilität (vor Umstandsangabe, Attribut, Objekt): 237, 238, 242, 246 - die häufigste Präposition vor „Frage": 237-238 - Funktionsverb(formel) (verbale Wendung): 8, 11, 27, 48, 49, 246 - Gebiet: „auf dem Gebiet": - „Gebiet": Alter, Herkunft: 169 - das Attribut (Begriff B) zu „Gebiet": - Attribute, die „im Bereich" zulassen, aber „auf dem Gebiet" ausschließen: 178 bis 180, 187 - Attribute, die „auf dem Gebiet" zulassen, lassen auch „im Bereich" zu: 179-180, 192, 194 - Gleichsetzung als Voraussetzung der präpositionalen Funktion: 170, 175-176 - Subsumption des Begriffs B unter Oberbegriff: 174, 194 - „im Bereich" läßt für das Attribut weiteren Spielraum als „auf dem Gebiet": 180

- Merkmale, inhaltliche, die „auf dem Gebiet" von „im Bereich" unterscheiden: - „auf dem Gebiet" bei Gleichsetzung nur übertragen-räumlich: 176, 180, 183, 187, 192 - ausschließliche Horizontalität: 181, 183, 188 - scharfe Abgrenzung des Begriffs B gegen anderes: 182, 183, 188, 189 - Objektcharakter des Attributs: 182, 183, 195-198 - Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Merkmalen: 184 - die Umfrage („im Bereich/auf dem Gebiet"): 184-195 - „in/auf" vor Gebiet: 175-177 - Funktionen von „im Gebiet" / „auf dem Gebiet": 175-176 - Präpositionenwechsel und Wechsel „eigentlidi-räumlich/übertragen-räumlich": 175-176 - Häufigkeit der beiden Präpositionen bei präpositionaler Funktion der Wendung: 175 - historisch: 169-170 - Mischcharakter von „im Gebiet" als präpositionaler Wendung: 176-177 - Präpositionenwahl und präpositionale Funktion der Wendung: 170, 175-176 - Präpositionenwahl und Wechsel „Gleichsetzung/Nicht-Gleichsetzung": 175-176, 180

- Wechsel der Präposition modifiziert Inhalt von „Gebiet": 170 - Genitiv: - Genitivus definitivus und explicativus (Genitiv der Identität): 1 (Anm. 1), 2, s. auch „Gleichsetzungsgenitiv" - Genitivus obiectivus (Genitiv als Gegenstand der Handlung): 2, 5 (Anm. 9), 124, 128, 131, s. auch „Objektfunktion des Genitivattributs" - Genitivus partitivus: 2, 12, 15, 16 - Genitivus possessivus (Genitiv der Zugehörigkeit): 1 (Anm. 1), 2, 7, 9 - Genitivus qualitatis (Genitiv der Eigenschaft oder Beschaffenheit): 2, 12, 13, 16, 127, 134 - Genitivus subiectivus (Genitiv als Träger des Gesdiehens): 2, 5 (Anm. 9), s. auch „Subjektfunktion des Genitivattributs" - prädikativer Genitiv: 13, 13 (Anm. 13), 14, 127 - Genus verbi (Verhaltensrichtung): s. -ung-Substantive, s. substantivierter Infinitiv - gewöhnliches Adjektiv: s. „Bezugsadjektiv"

263 -

Gleichsetzung: - von Bestimmungswort und G r u n d w o r t des Kompositums: 239, 239 (Anm. 98) - von Apposition und Bezugswort: 239, 239 (Anm. 98) - s. auch „präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung" - s. auch „im Bereich" - s. auch „in der Frage" - s. auch „auf dem Gebiet" - s. auch „Transposition"

- Gleichsetzungsakkusativ: 123 - Gleichsetzungsgenitiv: 171, 191, 205, 233, 240 - Bezugswort, nicht Attribut, entspricht dem Gleichsetzungsnominativ: 152 (Anm. 3) - Gleichsetzungsgenitiv = Begriff B = (Genitiv) A t t r i b u t : 153 - substituiert Bezugsadjektiv und umgekehrt: 165, 174 - Gleichsetzungsnominativ (Prädikatsnomen): 10, 44, 59, 62, 80, 100, 101, 102, 103, 152, 204, 205, 240, 247 - graduierbar (nicht graduierbar): s. Bezugsadjektiv - G r u n d : „auf G r u n d " (angesichts, infolge, wegen): - diachronische Probleme: - Alter der Wendung mit Gleichsetzungsgenitiv: 205-206 - auf {den) G r u n d / auf dem G r u n d : 206-207 - Erlöschen des Artikels - U m d e u t u n g des Kasus: 206 - Gliederung der Belege: - substituierbar durch „wegen": 207-208, 230 - substituierbar durch „auf der Grundlage" („nach, entsprechend, g e m ä ß " ) : 208, 214, 217, 230 - inhaltliche Merkmale: - bedingt (expliziten oder impliziten) Motivator und Motivierung: 213, 215, 230 - bedingt einen (vom Motivator) zu interpretierenden Begriff B: 213-215, 217, - 227, 228, 230, 231 - perspektivisch (durch Motivator): 216, 224, 229, 230 - Begriffe A und B bezeichnen nicht G e f ü h l : 228 - bedingt rationales Motivieren: 228, 231 - relativ eigenbestimmtes Zeichen: 228 - teilt kein Merkmal mit „infolge" - Polarität von „auf G r u n d " und „infolge": 210, 231 - „angesichts": - bedingt determinierten Begriff B: 225, 228, 230 - bedingt Situationsbestimmtheit u n d perspektivische Bestimmtheit: 225, 227, 230, 231 - mit Erlebnisperspektive: 225, 227 - mit Gesprächsperspektive: 226-228 - Begriff B Argument, nicht Sachgrund: 226-228, 231 - durch Motivator vermittelte (nicht direkte) Relation zwischen A und B: 226 bis 228, 230 - Begriff A oft urteilender Begriff: 226 - eigenbestimmtes Zeichen: 228 - schließt emotionales Moment nicht aus: 228 - „infolge": - ohne Motivator: 216, 222, 230 - aperspektivisch: 216, 230 - Begriff B nicht Sache oder Person: 218 - Begriff B bezeichnet Geschehen oder Sachverhalt: 218, 220, 231

264 - zeigt zeitlich und logisch die Folge an: 2 1 7 - 2 1 8 , 220, 221, 231 - kontextbestimmende Bestimmtheit: 221 - sachimmanente Kausalität: 215, 220, 221, 222, 224, 230 „wegen": - schließt Motivator und Motivierung nicht aus: 213, 215, 230 (neutral in bezug auf Motivator) - Begriff B bezeichnet direkten Grund (Sachgrund): 213, 214, 215, 217, 230 - Perspektive: 216, 217, 224, 225, 229 u. 230 (perspektivisch neutral) - neutral in bezug auf zeitliche Verknüpfung: 219 - außen-, nicht eigenbestimmt, mithin nicht kontextbestimmend: 221, 228 - verlangt nicht notwendig determinierten Begriff B : 225 - Mangel an semantischem Profil: 223 - universalste der Kausalpräpositionen: 207, 223 - zentrale Stellung im Feld der kausalen Präpositionen: 223, 231 - Begriff B unterliegt keiner Einschränkung: 231 - Horizontalität: s. „im Bereich" s. „auf dem Gebiet" - ierung: Substantive auf: - Bildungsmöglichkeit und Vitalität des Suffixes: 63, 67 - -ierung als deutsches Suffix: 66, 66 (Anm. 71) - -ierung-Substantive nicht pluralisierbar: 81, 83 - morphologische Struktur (und Wortinhalt): 6 4 - 6 7 , 7 2 - 7 7 - morphologische und semantische Konsoziation: 77 - Motivation: 67 - postverbal: 64, 64 (Anm. 66), 72, 73, 74, 75, 76, 77 - von postnominalen Verben: 64 (Anm. 66) - kombinatorische (syntaktische) Möglichkeiten: 72, 82 (Obersicht) - kombinierbar (nicht kombinierbar) mit Genitivattribut mit Objektfunktion: 79, 81-82

- -ierung/-tion (-xion,-sion): - -ierung-Substantive bedeutungsgleich mit Bildungen auf - tion (-xion, -sion): 6 8 - 6 9 - -ierung-Substantive nicht bedeutungsgleich mit Bildungen auf -tion -sion): 6 9 - -ierung-Substantive als formale Eindeutschung von Bildungen auf -tion -sion): 66, 7 2 - 7 4 , 77 —ierung-Substantive mit formaler Entsprechung auf -tion (-xion, -sion): 64 (Anm. 66), 7 2 - 7 7 , 7 7 - 8 2 ierung-Substantive ohne formale Entsprechung auf -tion (-xion, -sion): 65 (Anm. 67) - „Transitivität" als Merkmal: 8 2 - 8 3

(-xion, (-xion, 63-64, 64-65,

— i g : Adjektivkomposita auf -ig: s. Bezugsadjektiv -

„im Bereich": s. „Bereich"

- „im R a h m e n " : s. „Rahmen" - infinite Verbformen: s. -ung-Substantive - Infinitiv, substantivierter: - aktive und passive Form des: s. Explizitheit (des Genus verbi) - Bildungsmöglichkeiten: 2 2 - 2 3 - als Ersatzform für -ung-Substantive (Substitutionsprobe): 17 (Anm. 18), 28, 4 0 - 4 2 , 60-61 - Explizitheit:

265

-

- des Genus verbi: 27, 29, 60 - der Reflexivität: 26, 29, 60 - der Zeitstufe: 60 - der verbalen Merkmale allgemein: 61 Häufigkeit: 22, 61 intransitiver Gebrauch vorherrschend: 2 2 - 2 3 Kombinationsmöglichkeiten: 29, 61 morphologisch motiviert: 60 morphologische und inhaltliche Merkmale (Übersicht): 2 9 Nicht-Zählbarkeit als Merkmal: 27, 2 7 (Anm. 44), 29, 31, 61

- verbnähere Nominalform als -ung-Substantiv: 40, 61 infolge: s. auf Grund Inhärenz/Relation (adjectif de relation): 85, 8 7 - 8 8 , 1 1 7 - 1 1 8 , 128, 130, 134 interne Bestimmungsmerkmale: s. Rüdetransposition Intransitivierung des Verbs: s. -ung-Substantive isch: Adjektive auf: s. Bezugsadjektiv -isch: Adjektive auf: s. Bezugsadjektiv K o n t e x t : s. Rücktransposition Koordination: s. Bezugsadjektiv (Merkmale) Kopula: 6, 86 (Kopulasatz), 118, 130, 134 Korrelation: - zwischen Klassen von Personenbezeichnungen und den Adjektivklassen „ambivalente Adjektive, Bezugsadjektive, gewöhnliche A d j e k t i v e " : 1 0 0 - 1 0 1 , 103 - zwischen den syntaktischen und semantischen Merkmalen der Klassen von P e r sonenbezeichnungen: 149 langue/parole: 19, 25, 26, 29, 56, 58, 59, 74, 77, 139, 158, 249, 250, 2 5 2 -lieh: Adjektive auf: s. Bezugsadjektiv linear: s. Rüdetransposition -mäßig: Adjektive auf: s. Bezugsadjektiv Metapher (Metaphorisierung): 7 3 - 7 4 , 75, 77, 1 4 8 - 1 4 9 Metonymie: 8 Modalität/Dictum: s. Motivator Motivator (Motivierung) bei kausalen Präpositionen: s. „auf Grund" motiviert (Motivierung)/arbiträr: - morphologische Struktur: - der Eigensdiaftsabstrakta auf -heit: 51 - der substantivierten Partizipien I I : 46 - der -ung-Substantive: 5 5 - 5 6 - morphologisch motiviert: - Eigensdiaftsabstrakta auf -heit: 56 - substantivierter Infinitiv: 56, 60 - substantiviertes Partizip I I : 46, 56 ung-Substantive entbehren der morphologischen Motivation: 46 (arbiträr), 56, 63 (arbiträr) - Motivationsverhältnisse bei den Substantiven auf -ierung, auf -tion (-xion, -sion): 67

266 - nicht-: s. Bezugsadjektiv - N o m e n acti: 25, 25 (Anm. 40) - N o m e n actionis: 4, 5, 6, 11, 17 (Anm. 18), 137, 193 - N o m e n agentis: 46, 57, 62, 95, 101 (Anm. 28) - Nominalisierung: s. präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung - N o r m (normativ): 6, 138, 165, 218 - Nullzeichen: 5 - 1 1 , 13, 14, 44, 48, 51, s. auch Rüdetransposition -

Numerus: - nicht-zählbar (Numerusbeschränkung): 8, 36, 39, 40, 61, 72, 81, 83 - Numerusproblem: 71 (bei Substantiven auf -tion, -xion, -sion) - Numerusübertragung (nur scheinbar): 36-37 - Numerus und Gleichsetzung: 171-172, 239-241 - zählbar (Numerusfreiheit, Möglichkeit der Pluralisierung, pluralisierbar): 8, 36, 39-40, 61, 72, 81 - Zählbarkeit/Nicht-Zählbarkeit: s. -ung-Substantiv, s. substantivierter Infinitiv, s. -tion (-xion, -sion) (Plural)

- O b j e k t f u n k t i o n des Genitivattributs: s. -ierung, s. -tion (-xion, -sion), s. -ung-Substantiv, s. Präpositionalattribut, s. Rücktransposition - Partizip I : 57-58 - Partizip I I : - adjektivisch: 47, 49-52, 55-58 - substantiviert: s. -ung-Substantiv -

Personenbezeichnungen: - Adjektive, abgeleitet von Personenbezeichnungen: 97—103, 107, 127 - ambivalente Personenbezeichnungen: 145, 146, 149 - analysierbar/nicht-analysierbar in die Elemente „Eigenschaft" und „Person": 101, 101 (Anm. 28), 147 - Klassen von Personenbezeichnungen: 99-103 - Merkmale der Klassen von Personenbezeichnungen: 143-148 - Metaphorischer Gebrauch der Klassen von Personenbezeichnungen: 140 (Anm. 58), 148-149 - semantische Funktion der syntaktischen Klassen von Personenbezeichnungen: 102, 146-147

- postnominale Verben: s. -ierung - postverbal: s. -ierung -

Prädikatsnomen: - als A d j e k t i v : 111, 112 - als Substantiv: s. Gleichsetzungsnominativ

- Präpositionalattribut: 4, 10, 11, 24, 24 (Anm. 39), 25, 119, 120, 235, 236, 238 - mit Agensfunktion: 5 (Anm. 9), 32 (Anm. 47), 37 - anstelle von Genitivattribut (mit O b j e k t f u n k t i o n ) : 30, 34-36, 37-39, 42, 72, 80, 128, 171 (nicht mit O b j e k t f u n k t i o n ) - entspricht einem Präpositionalobjekt: 133, 196, 197, 232 - entspricht einer Umstandsangabe: 196, 197, 198 - substituiert Bezugsadjektiv (und umgekehrt): 84, 108, 121, 142 - als Variante des Genitivattributs mit O b j e k t f u n k t i o n : 34 (Anm. 52), 3 8 - 3 9 - präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung (allgemein): - als analytische F o r m : 165-166

267 - Begriff A und Begriff B bei einfachen Präpositionen und bei präpositionalen Wendungen mit Gleichsetzung: 1 5 2 - 1 5 3 , 2 3 1 - 2 3 2 - deutsch, englisdi, französisch: 1 5 0 - 1 5 1 - Differenzierung: präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung als Mittel der Differenzierung: 2 5 0 - 2 5 2 - Bildungsformel auf der Ebene der „langue": 2 4 9 - 2 5 0 - Genetische Erklärung: 2 0 3 - 2 0 5 - Gleichsetzung als Voraussetzung: 1 5 1 - 1 5 2 , 2 4 8 - 2 4 9 - Invariabilität der Präposition als Voraussetzung: 2 3 1 - 2 3 2 - Kombinatorische Möglichkeiten: 1 6 2 - 1 6 5 , 167 - Nominalisierung: präpositionale Wendungen mit Gleidisetzung als Teilphänomen der Nominalisierung: 2 4 6 - 2 4 7 - Sprachökonomie: präpositionale Wendungen mit Gleichsetzung als Teilphänomen der Sprachökonomie: 2 4 7 - 2 5 0 , 251 - Präpositionalobjekt: 24 (Anm. 39), 35, 38, 133, 196 (Abgrenzung von der Umstandsangabe), 203, 232, 234, 235, 238 - Pronominaladverb: s. einfache Präpositionen - Rahmen: im Rahmen: - Gliederung der Belege: - Kriterium der Gliederung: 1 9 9 - 2 0 0 - „im R a h m e n " als Variante von „ i n " : 199 - „im Rahmen" und „in" nicht aequivalent: 1 9 9 - 2 0 0 - Begriff B von „im R a h m e n " nicht kombinierbar mit „ i n " : 200, 203 - Übersicht: 200 - das inhaltliche Verhältnis zwischen „in Rahmen" und „ i n " : - Opposition „eigentlidie/übertragene Bedeutung": 2 0 1 - 2 0 3 - Opposition „Kompaktheit/Hohlraum": 2 0 1 - 2 0 3 - Übersicht über die differenzierenden Merkmale: 202 - Einwirkung der differenzierenden Merkmale auf Begriff B : 202 - rection (rektionell): s. accord - reflexiv (Reflexivität): s. -ung-Substantiv (Implizitheit), s. substantivierter Infinitiv (Explizitheit) - Regrammatikalisierung: s. Rücktransposition - Relation: s. Inhärenz - Rückkoppelung: 1 5 - 1 6 , 24, 38, 63, s. auch Rücktransposition - Rückläufiges Wörterbuch: 20, 21, 52, 63, 64, 66, 68, 71, 88, 89, 111 -

Rücktransposition: - als Verfahren (Probe) zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen Genitivattribut und Bezugswort: 4 - 1 6 , 30, 34, 4 3 - 4 4 , 79, 81, 119, 131, 152 - alineare Rücktransposition: 13, 13 (Anm. 15) - als Analyse des Bezugsworts: 4 3 - 4 4 - externe/interne Bestimmungsmerkmale der Gruppe „Bezugswort-I-Genitivattribut": 3, 5, 8, 9 - Gleichsetzung wird durch Rücktransposition explizit: 152, 241 - Kontext und Rücktransposition: 3, 4, 5, 7, 16, 56 - lineare Rücktransposition: 13, 13 (Anm. 15), 14 (Linearität), 16 - mehrfache Rücktransposition: 7, 11, 13 (Anm. 14, 15), 48 - Nullzeichen und Rücktransposition: 5 - Regrammatikalisierung durch Rücktransposition: 56 - Rückkoppelung und Rücktransposition: 16, 24

268 - Rüdetransposition des Bezugsadjektivs: 1 2 4 - 1 2 5 , 131, 1 3 2 - 1 3 3 - Rücktransposition der Substantive auf -ierung und auf -tion (-xion, -sion) : 7 9 - 8 0 - Rücktransposition der -ung-Substantive vor Genitivattribut mit Objektfunktion: 24, 38, 43, 4 4 - 4 5 - Rücktransposition der -ung-Substantive vor Genitivattribut mit Subjektfunktion: 4 5 - 5 2 , 59, 62 - Transformation und Rücktransposition: 4 (Anm. 6) - Unmöglichkeit der Rücktransposition: 15, 16, 38, 45 - semantische Kongruenz: 6, 8, 188 (Inkongruenz) - Sprachökonomie: 137; s. auch präpositionale Wendung mit Gleichsetzung - stilistisch: 9 7 - 9 8 , 127, 130, 131, 1 3 8 - 1 4 3 , 149, 2 3 9 - Subjektfunktion des Genitivattributs: s. Rücktransposition, s. -ung-Substantiv - Subordination: s. Bezugsadjektiv - Suppletion (Suppletivwortart): 154, 1 6 2 - 1 6 3 , 166, 167, 234, 251 - synsemantisch: 23, 26, 166, 2 4 6 - tion (-xion, -sion) : Substantive auf : - mit Genitivattribut mit Objektfunktion: 7 8 - 8 0 - -ierung: Verhältnis zu den Bildungen auf -ierung: - bedeutungsgleich mit -ierung: 6 8 - 6 9 - bedeutungsverschieden: 6 9 - mit formaler Entsprechung auf -ierung: 6 3 - 6 4 , 64 (Anm. 66), 73, 7 7 - 7 9 - ohne formale Entsprechung auf -ierung: 65 - substituierbar durch -ierung: 79, 82 - nicht substituierbar durch -ierung: 7 8 - 7 9 , 80, 82 - Integration von Prädikat + O b j e k t : 8 0 - 8 1 - intransitive Funktion: 81, 82 - kombinatorische (syntaktische) Möglichkeiten: 72, 78, 80, 81, 82 (Übersicht) - mit lateinischen Präfixen: 66 - morphologische und semantische Isoliertheit: 77 - morphologische Struktur: 66, 67 (Übersicht) - morphologische Struktur und Wortinhalt : 7 2 - 7 7 - Motivation: 67 - Plural, Pluralisierbarkeit : 7 1 - 7 2 , 78, 81 - Präpositionalattribut anstelle von Genitivattribut mit Objektfunktion: 80 - präverbal: 64 (Anm. 66), 71 - Rücktransposition vor Genitivattribut mit Subjektfunktion: 80 - Verhältnis zum V e r b : 65, 71 - Transformation: 86, s. auch „Rücktransposition" -

Transposition: - des Adjektivs zum Substantiv : 8 - des Adverbs zum Adjektiv: 96 - des Akkusativobjekts: 3 4 - 3 5 - Ausgangswortart: s. zweiseitige Bestimmung transponierter Wörter - Bezugsadjektiv als Transposition: 86, 87, 88, 127, 1 6 3 - 1 6 5 - funktionelle Transposition: 6 2 - 6 3 , 163 - Gruppentransposition: 3 (Anm. 5), 133 - Substantiv auf -ierung als Transposition des Verbs auf -ieren s. -ierung - Implizitheit der Transposition: 25

(postverbal) :

269 - als Leitmerkmal (beim Vergleich transponierter Adjektive): 96 - präpositionale Wendung mit Gleichsetzung als Transposition der Satzgrundform mit Gleidisetzungsnominativ: 240, 247, 250 - Satztransposition: 3, 6, 8, 9, 24, 43, 117, 133, 137, 138, 241, 247 - des Substantivs zum Adjektiv: 96 - -ung-Substantiv als Transposition des Verbs: 21, 26, 30, 46, 49, 50, 54, 60-63, 197 - des Verbs zum Adjektiv: 96 - Zielwortart: s. zweiseitige Bestimmung transponierter Wörter - zweiseitige Bestimmung transponierter Wörter von der Ausgangswortart und von der Zielwortart her: 30, 60, 86, 87, 127-128 - Umstandsangabe: s. Präpositionalobjekt - un-: Eigenschaftsabstrakta auf -heit mit un-: 52, 52 (Anm. 60); s. Bezugsadjektiv - -ung: Substantive auf: - Absorption der Merkmale des finiten Verbs: 23-27 - Berührung: - mit den Eigenschaftsabstrakta auf -heit: 49-52, 55-56 - mit den substantivierten Partizipien II: 46—49, 55-57 - Bildungsmöglichkeiten (Vitalität): 18, 20, 22, 29, 60, 72 - Funktionen(bereich): 19, 32, 39, 50, 53, 56, 58-59 - verbferne Funktionen: 19, 38, 60, 61, 62 (Übersicht), 63, 128 - verbnahe: 19, 40, 42, 45, 60, 61, 62 (Übersicht), 63, 128 - Gliederung: - nach der Form des Attributs: 30, 34-36, 37, 38, 39, 54 - nach der Funktion des Attributs: 30, 32-34, 39, 43, 53-55 - nach den Numerusmöglichkeiten: 31-32, 39, 53-55, 83 - Kriterien der Gliederung: 30, 77 - Größencharakter der: 28, 29, 45, 54, 55, 61, 62 - als Grundwörter von Komposita mit Bestimmungswort in der Funktion des Objekts: 36-37 - Häufigkeit: 22, 29 - Implizitheit: - des Genus verbi (Verhaltensrichtung): 23, 26, 27, 29, 58, 60 - des Modus: 23, 24, 58 - der Person: 58 - der Reflexivität: 26, 27, 29, 58, 60 - der verbalen Merkmale (allgemein): 58, 60 - die infiniten Verbformen als Bezugssystem: 56-58 - Integration von: - Prädikat (Verb) + Objekt: 46, 48, 49, 57, 59, 60, 62 - Subjekt + Prädikat: 57, 58, 60, 62 - Intransitivierung des Verbs: - durch Absorption des Objekts: 19, 49 - durch Einsparung des Objekts: 26, 49, 59 - als Kategorie: 20, 21, 27, 30, 59 - Merkmale (im Vergleich mit dem substantivierten Infinitiv): 23-28, 29 (Überblick) - Morphologische Struktur und Motivierung: 46, 55-58 - Rüdttransposition der -ung-Substantive: s. Rücktransposition - Substitution durch substantivierten Infinitiv: - vor Genitivattribut mit Objektfunktion: 40-42 - vor Genitivattribut mit Subjektfunktion: 40, 41 - Substitutionsprobe (Ergebnisse): 61

270 - Verlust der obligatorischen Transivität: 2 5 - 2 6 - Zählbarkeit (Pluralisierbarkeit): 27, 29, 30, 3 1 - 3 2 (als Kriterium), 42, 5 3 - 5 5 , 61, 62 - Verbalsubstantiv, der Begriff: 1 6 - 2 0 - Vertikalität: s. „im Bereich" - virtuell (Virtualität)/aktualisieren (Aktualisierung): 119, 120, 120 (Anm. 43), 121 - wegen: s. „auf Grund" - weise: Adjektiv auf: s. Bezugsadjektiv - Zahlwortfunktion: s. Artikel - Zielwortart: s. Transposition

Studia Linguistica Germanica H e r a u s g e g e b e n v o n L U D W I G E R I C H S C H M I T T u n d STEFAN SONDEREGGER

Bereits erschienen:

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Phonetisch-phonologische Untersuchungen zur Vokalentwicklung in den deutschen Dialekten Groß-Oktav. 1970. Ganzleinen. Zusammen DM 120,— (Band 2) Band 1: Die Lang vokale im Hochdeutschen. 420 Seiten. Mit 11 Karten in eigener Mappe Band 2: Die Diphthonge im Hochdeutschen. 360 Seiten. Mit 7 Karten in eigener Mappe ISBN 3 11 001895 0; 3 11 001896 9 GLENN G. GILBERT

Texas Studies in Bilingualism Spanish, French, German, Czech, Polish, Sorbian, and Norwegian in the Southwest With a concluding chapter on code-switching and modes of speaking in American Swedish Groß-Oktav. X, 223 Seiten. Mit 8 Abbildungen auf 4 Tafeln. 1970. Ganzleinen DM 98,— (Band 3). ISBN 3 11 002691 0 GÜNTER BELLMANN

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Untersuchungen zur Wechselbeziehung zwischen Grammatik und Lexik im Englischen XIV, 412 Seiten. 1969. DM 56,— (Band 32). ISBN 3 11 000226 4 U R S HERZOG

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Goethes Tag- und Jahreshefte VIH, 176 Seiten. 1970. DM 34,— (Band 35). ISBN 3 11 002683 X HANS-WOLFGANG SCHAFFNIT

Mimesis als Problem Studien zu einem ästhetischen Begriff der Dichtung aus Anlaß Robert Musils X, 297 Seiten. 1971. DM 42,— (Band 36). ISBN 3 11 006422 7 IRENE SONDEREGGER-KUMMER

Transparenz der "Wirklichkeit Edzard Schaper und die innere Spannung in der christlichen Literatur des 20. Jahrhunderts XII, 308 Seiten. 1971. DM 48,— (Band 37). ISBN 3 11 001845 4 J A K O B KNAUS

Hofmannsthals Weg zur Oper „Die Frau ohne Schatten" Rücksichten und Einflüsse auf die Musik VID, 151 Seiten. Mit zahlreichen Musikbeispielen. 1971. DM 38,— (Band 38) ISBN 3 11 001865 9

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