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German Pages 311 [312] Year 2012
Hohmann/Morawe Praxis der Familienmediation
Mediations-Praxis
Praxis der Familienmediation Typische Probleme mit Fallbeispielen und Formularen bei Trennung und Scheidung von Rechtsanwältin und Notarin
Jutta Hohmann Fachanwältin für Familienrecht, Mediatorin (BAFM, BM, SDM) Rechtsanwältin
Doris Morawe Fachanwältin für Familienrecht, Mediatorin (BAFM, BM, SDM) 2. Auflage
2013
Verlag Dr. Otto Schmidt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ht1p://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 3738-01, Fax 0221/937 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-65402-3 ©2013 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfiiltigungen, Bearbeitungen. Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Betz, Darmstadt Printed in Germany
Book Review
The two of us, Gary Friedman and Jack Himmelstein, were the first to be invited to teach mediation in Germany, starting in 1989, and we have been fortunate to be there every year since those early days. During that time, mediation has developed and grown, and continues to do so, thanks to people like Jutta Hohmann and Doris Morawe, with whom we have had the privilege to work and to learn together. As their book demonstrates, many dedicated professionals across the country have developed their practices, engaging with the many parties who are open to the possibility of seeking to resolve their conflicts together. Through our work in Germany over these years, we have been honored to be part of the development of first class mediation training institutes (such as the Eidos Projekt Medation and the Heidelberger Institut für Mediation) and different important and creative mediation projects (such as the Judicial Mediation Project – Projekt Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen) and to have appreciated and learned from the valuable contributions of many including the mediation work of Jutta Hohmann and Doris Morawe recounted in this book. Both authors have made mediation their personal devoted pursuit as they have strived to integrate it into their professional and private lives with a concern for commitment and authenticity so that mediation can continue to be integrated more fully into society as an evolving model for conflict resolution. The mediations that they develop in this book demonstrate how they each continue to seek to make that goal a living reality. Germany has a troubled history with conflict, of which Germans are sensitively well aware, as also does the United States and in differing ways all other countries across the globe. Conflict appears to be deeply rooted in the nature of human beings and their evolution. The recent strong interest in mediation in Germany, the United States, and elsewhere marks an important and hopeful step forward in that evolution. For us, being part of Germany’s dynamic development of mediation has provided and contiunes to provide an always special opportunity to share with our German colleagues in that country’s taking a lead in Europe over this last generation in the V
Book Review
evolution of constructive forms of conflict resolution. As we view it, that interest and evolution is at its best not just a shortcut to the adversary process but a recognition on the part of mediators and parties in conflict of the possibility that “yes, we can do this together.” It is a realization that we have the ability, separately and together, to appreciate both our strength and our fragility, and to recognize our own relationship to conflict and its place in our lives, our interrelationship with one another, and how together we can approach our conflicts differently and in a mutually supportive way as individuals and as a society. For mediators, that carries with it the possibility, and the potential, to continue to look more deeply within ourselves as to how we can appreciate and express the tensions and connections within us and with one another as we strive for greater integrity and depth of undertanding of ourselves and of each other in the presence of conflict. That striving hopefully and surely will continue into the future as we, our communities and humanity evolve. Jutta Hohmann’s and Doris Morawe’s book is a welcome step along the way and a contribution to that striving toward greater understanding in and through the mediative approach to conflict. Gary Friedman and Jack Himmelstein The Center for Understanding in Conflict, September 2012
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Geleitwort
Wir beide, Gary Friedman und Jack Himmelstein, waren 1989 die Ersten, die nach Deutschland eingeladen wurden, um Mediation zu unterrichten. Seit diesen Anfängen hatten wir das Glück, jedes Jahr dort sein zu können. Im Laufe der Zeit hat die Mediation sich weiterentwickelt und entfaltet sich kontinuierlich fort – nicht zuletzt dank Persönlichkeiten wie Jutta Hohmann und Doris Morawe, mit denen wir zusammen arbeiten und lernen durften. Wie ihr Buch zeigt, haben bundesweit viele Fachleute ihre Praxis mit Leib und Seele ausgebaut und sind für die vielen Parteien tätig, die offen dafür sind, gemeinsam nach einer Lösung ihrer Konflikte zu suchen. Während unserer langjährigen Tätigkeit in Deutschland durften wir an der Entwicklung erstklassiger Mediationstrainingsinstitute, wie etwa dem Eidos Projekt Mediation und dem Heidelberger Institut für Mediation, sowie wichtiger und kreativer Mediationsprojekte, z.B. dem Projekt Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, teilnehmen und die wertvollen Beiträge vieler Fachleute kennen und schätzen lernen, darunter die in diesem Buch wiedergegebene Mediationsarbeit von Jutta Hohmann und Doris Morawe. Beide Autorinnen haben Mediation zum Gegenstand ihrer persönlichen engagierten Aufgabe gemacht. Sie sind bestrebt, die Mediation in ihr berufliches und privates Leben einzubinden mit besonderem Blick auf ihre Verbindlichkeit und Authentizität, so dass Mediation als sich entwickelndes Modell der Konfliktbewältigung immer stärker in die Gesellschaft integriert werden kann. Die Mediationen, die sie in diesem Buch beschreiben, zeigen, wie sehr beide Autorinnen danach streben, dieses Ziel in die Realität umzusetzen. Deutschland hat eine schwierige Geschichte mit Konflikten, derer sich Deutsche durchaus bewusst sind, ebenso die Vereinigten Staaten von Amerika und auf unterschiedliche Weise alle übrigen Länder rund um die Welt. Die Anlage zum Konflikt scheint tief in der menschlichen Natur und Evolution verwurzelt zu sein. Das starke Interesse an Mediation in Deutschland, in den USA und anderswo markiert in dieser Entwicklung einen wichtigen und hoffnungsvollen Schritt vorwärts. Teil dieser dynamischen Entwicklung der Mediation in Deutschland zu sein, gab und gibt uns weiterhin GeleVII
Geleitwort
genheit, mit unseren deutschen Kollegen in besonderer Weise daran teilzuhaben, wie dieses Land während der letzten Generationen in der Entwicklung konstruktiver Formen der Konfliktbewältigung eine führende Rolle in Europa erreicht hat. Aus unserer Sicht ist das Interesse an und die Entwicklung von Mediation im Idealfall nicht nur eine Abkürzung des streitigen Verfahrens, sondern bei Mediatoren und Konfliktbeteiligten vor allem Ausdruck eines Erkennens der Möglichkeit des „ja, das können wir zusammen bewältigen“. Wir besitzen die Fähigkeit, einzeln und gemeinsam, sowohl unsere Stärken als auch unsere Schwächen einzuschätzen und unser eigenes Verhältnis zum Konflikt und seinem Platz in unserem Leben sowie in unseren Beziehungen miteinander zu verstehen. Wir wissen, wie wir gemeinsam unseren Konflikten anders und auf gegenseitig unterstützende Weise begegnen können – als Individuen und als Gesellschaft. Für Mediatoren beinhaltet das zugleich die Möglichkeit und das Potenzial, fortzufahren mit der Suche, wie wir die Spannungen und Verbindungen in uns selbst und untereinander wahrnehmen und ausdrücken können, während wir angesichts von Konflikten nach größerer Integrität und tieferem Verständnis von uns selbst und voneinander streben. Dieses Streben wird sich hoffentlich und sicherlich in Zukunft fortsetzen, so wie wir, unsere Gemeinschaften und die Menschheit sich entwickeln. Das Buch von Jutta Hohmann und Doris Morawe ist ein willkommener Schritt auf diesem Weg und ein wertvoller Beitrag im Bemühen um ein besseres Verständnis von und während mediativer Konfliktbegleitung. Gary Friedman und Jack Himmelstein The Center for Understanding in Conflict, September 2012
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Geleitwort zur 1. Auflage
Jutta Hohmann und Doris Morawe haben das erste Buch in deutscher Sprache vorgelegt, das sich konkret mit dem Ablauf von Mediationen und dem Umgang mit Medianden beschäftigt. Ein solcher Blick in die Werkstatt ist zu einer Zeit, da das Thema immer noch mehr theoretisch als praktisch beschäftigt, außerordentlich wertvoll, weil Mediation für viele konkret anschaulich wird. Dabei entwickeln sich wünschenswerterweise, wie auch hier, persönliche Schwerpunkte und Stile. Die Autorinnen haben z.B. ihr mediatorisches Handwerkszeug offensichtlich aus den Methoden des NLP (Neurolinguistisches Programmieren) angereichert. So wird plastisch, dass es der jeweils eigene Weg ist, der am ehesten zum Ziel führt. Wir freuen uns, dass die Autorinnen den Mut, das Engagement und die Geduld aufgebracht haben, andere so dezidiert an ihrer Mediationspraxis teilhaben zu lassen. Betroffene können prüfen, ob Mediation das geeignete Verfahren für sie sein könnte. Praktiker finden eine Vielzahl von Beispielen und haben die Möglichkeit, ihr eigenes methodisches Vorgehen zu überdenken. Wir wünschen dem Buch eine große Leserschaft und dieser Leserschaft die Praxisnähe dieses Buches! München im Januar 2001
Gisela Mähler Hans-Georg Mähler
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Vorwort
Warum gibt es eine zweite Auflage? Seit der ersten Auflage 2001 hat es grundlegende Veränderungen im Bereich der Mediation und insbesondere bei der Familienmediation gegeben. 2008 hat das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDLG) das Rechtsberatungsgesetz abgelöst. Wir haben zudem seit 2009 ein Familienverfahrensgesetz (FamFG), nach dessen seit Juli 2012 geltender Fassung das Gericht den Beteiligten eines familiengerichtlichen Verfahrens eine Mediation vorschlagen kann. Schließlich gibt es das am 26. Juli 2012 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung mit dem Ziel, Mediation zu fördern und im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Seit 2001 hat sich unsere Mediationsarbeit durch die tägliche Praxis und die daraus ergebene Erfahrung weiterentwickelt. Wir haben nicht nur darüber nachgedacht, welche Werte unserer Haltung als Mediatoren zugrunde liegen, sondern zugleich, was diese Werte mit uns machen, d.h. wie sie unsere Konzepte und unser Handeln, also unsere berufliche Praxis beeinflussen. Dies hat dazu geführt, dass wir die Prinzipien der Mediation vertieft und weiterentwickelt haben. Berlin, Freiburg im September 2012
Jutta Hohmann Doris Morawe
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Vorwort zur 1. Auflage
Warum haben wir dieses Buch geschrieben? Wir arbeiten seit 1995 bzw. 1994 als Mediatorinnen. Gerade zu Beginn unserer Tätigkeit haben wir uns gewünscht, in schwierigen Situationen unserer Arbeit in einem Buch Problemkonstellationen nachschlagen und konkrete Antworten auf konkrete Fragen finden zu können. Wer ist der Adressat des Buches und worum geht es? Wir wenden uns mit diesem Buch in erster Linie an praktizierende und auszubildende Mediatoren. Darüber hinaus ist dieses Buch für alle Menschen gedacht, die nach neuen Wegen suchen, mit Konflikten konstruktiv umzugehen, und auch für sich selbst die Mediation als eine Alternative zum gerichtlichen Verfahren entdecken möchten. Wenn Sie als Familienmediator1 Paare, die sich getrennt haben, professionell und konstruktiv unterstützen, eine einvernehmliche Lösung ihres Konfliktes zu erarbeiten, werden Sie an eigene Grenzen und auf Schwierigkeiten stoßen. Oft blockieren Hindernisse den Weg zu einer Einigung. Ihre Aufgabe als Mediator im Mediationsprozess ist es, solche „Stolpersteine“ aus dem Weg zu räumen. Dieses Buch soll Ihnen Hilfe bieten, die Konfliktpartner zu ermutigen, Verständnis füreinander zu entwickeln und sie auf dem Weg zu einer einvernehmlichen Lösung zu begleiten. Neben der Fähigkeit und Bereitschaft der Medianten, autonome Konfliktlösungen zu erarbeiten, ist eine Voraussetzung für das Gelingen eines Mediationsverfahrens die Kompetenz des Mediators, mit sich und den Beteiligten in einem Konflikt so umzugehen, dass sich die positiven Kräfte in der Dynamik eines Konfliktprozesses durchsetzen. Diese Kompetenz ist niemandem einfach gegeben. Wir müssen sie erarbeiten. Wir können sie durch die Ausbildung
1 … und natürlich auch als Familienmediatorin! Wir verwenden – von einer Ausnahme abgesehen – aus Vereinfachungsgründen die männliche Form.
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Vorwort zur 1. Auflage
und die anschließende praktische Tätigkeit, die durch Supervision begleitet wird, erwerben. Dieses Buch soll Sie auch unterstützen, in schwierigen Situationen im Mediationsprozess Ihre Fassung und Geduld zu behalten. Was können Sie z.B. tun, wenn Sie merken, dass Sie aus der Balance geraten und Ihre Neutralität verlieren, wenn Sie Zweifel an der Autonomie der Konfliktpartner haben oder ein Konfliktpaar die Bestandsaufnahme verweigert? Wir haben es erlebt, dass es typische Problemkonstellationen in der Mediation bei Trennung und Scheidung gibt. In der Supervision haben wir gelernt, dass wir in unserer Mediationstätigkeit immer wieder Probleme zu überwinden haben, mit denen auch unsere Kollegen konfrontiert sind. Wir haben deshalb 39 Fallbeispiele nach typischen Problemkonstellationen, die uns unsere Arbeit als Mediatorinnen schwer gemacht haben, ausgewählt, analysiert und mit praktischen Anleitungen versehen. Aber jeder Konfliktfall ist ein Einzelfall und soll es auch bleiben. Generelle Lösungsmöglichkeiten gibt es nicht. Sie sind vielmehr abhängig von der Persönlichkeitsstruktur der Konfliktpartner und der Mediatoren. Wie ist dieses Buch aufgebaut? Dieses Buch ist entsprechend dem Mediationsverfahren gegliedert. Wir schildern in authentischen Beispielen die Schwierigkeiten, die die Prinzipien der Mediation in der Praxis bereiten können, und problematische Situationen, die wir in den einzelnen Phasen des Mediationsverfahrens immer wieder beobachtet haben. In einem weiteren Teil des Buches beschäftigen wir uns mit den Methoden und Techniken in der Mediation, die wir ebenfalls durch praktische Fallbeispiele illustrieren. Der gesamte Text ist mit „Tipps“, die praktische Handlungsanweisungen enthalten, und Resümees versehen. Danksagung Wir möchten uns an dieser Stelle bei den Menschen bedanken, die uns ermutigt haben, dieses Buch zu schreiben.
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Vorwort zur 1. Auflage
Besonderer Dank geht an unsere Lehrer Gisela und Hans-Georg Mähler, die uns seit vielen Jahren auf unserem Weg begleitet haben, an Gary Friedman, Jack Himmelstein und John Haynes. Wir bedanken uns auch bei unserer Lektorin Katherine Knauth, ohne deren Geduld, konstruktive Kritik und Zuspruch dieses Buch nie zustande gekommen wäre. Die Germanistin Petra Stegen hat das Manuskript als erste Leserin gelesen und mit Korrekturen versehen. Wir danken für ihre engagierte Unterstützung. Last but not least hoffen wir, unseren Lesern gute Anregungen liefern zu können, und wünschen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und Spaß bei der Lektüre. Berlin, Freiburg im Januar 2001
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Jutta Hohmann Doris Morawe
Inhaltsverzeichnis
Seite
Book Review . . . . . . . . . . Geleitwort . . . . . . . . . . . . Geleitwort zur 1. Auflage. Vorwort . . . . . . . . . . . . . . Vorwort zur 1. Auflage . . . Literaturverzeichnis. . . . .
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Wie eine Mediation beginnen könnte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Die Prinzipien der Mediation – Überblick . . . . . . . . . . . . .
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I. Offenheit und Informiertheit . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . Nr. 1: Die fehlende Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 2: Das fehlende Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 3: Die Scheu des Mediators vor der Offenheit
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II. Allparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . Nr. 4: Parteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 5: Nähe und Distanz des Mediators sind nicht ausgewogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 6: Zu große Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verschwiegenheit des Mediators . . . . . . . . . . . . . aa) Mediator mit dem Grundberuf Rechtsanwalt bb) Mediator mit anderem Grundberuf . . . . . . . . b) Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators . . . . . c) Verschwiegenheit der Medianden . . . . . . . . . . . .
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2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . Nr. 7: Ein Konfliktpartner glaubt nicht, dass sich der andere an die Schweigepflicht hält . . . . . . . . . . . Nr. 8: „Ich will nicht, dass sie ihren Freundinnen von dem, was hier in der Mediation geschieht, erzählt.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 9: „Meine betriebswirtschaftlichen Zahlen gehen niemanden etwas an.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Eigenverantwortung und Autonomie . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Eignung des Mediationsverfahrens für die Konfliktbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Prinzip der Eigenverantwortung und die Grenzen der Mediation – eine Gratwanderung. . . . . aa) Grenzen der Mediation aus dem Gesichtspunkt des Kindeswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigenverantwortung und Gewaltproblematik . . cc) Eigenverantwortung und Suchtprobleme . . . . . . dd) Eigenverantwortung und psychische Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Eigenverantwortung und Schuldgefühle . . . . . . 2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . Nr. 10: „Sagen Sie mir die Lösung, Sie sind doch der Anwalt!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 11: Die Mediation stößt an die Grenze zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 12: Die Ängste des Mediators sind nicht die Ängste des Konfliktpaares . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 13: Mediation und psychische Erkrankung . . . . . . Nr. 14: Die Konfliktpartner üben Druck aufeinander aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 15: Mediation und Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nr. 16: Das Familiengericht schickt das Paar in die Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 17: Ein Konfliktpartner will die Mediation, der andere nur notgedrungen oder gar nicht. . . . . . . . . VI. Das Recht in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darf oder muss der Mediator auf die rechtliche Beratung der Konfliktpartner hinwirken? . . . . . . . . b) Wer berät über das Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zu welchem Zeitpunkt erfolgt die rechtliche Beratung der Konfliktpartner? . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Wirkung der Rechtsberatung auf den Mediationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . Nr. 18: Die Konfliktpartner haben überzogene Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 19: Die Konfliktpartner verweigern die Konsultation von Außenanwälten . . . . . . . . . . Nr. 20: Das Recht wäre ungerecht . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 21: Die Beratung durch Außenanwälte blockiert das Mediationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 22: Eine Konfliktpartei macht mehr Zugeständnisse, als nach der gesetzlichen Regelung erforderlich wären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 23: Umgang mit Rechtsanwälten in der Mediation
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B. Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick . . . . . . .
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I. Phase 1: Das Arbeitsbündnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . Nr. 24: Kontaktaufnahme, bevor alle Beteiligten anwesend sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 25: Abbruch und Nichtaufnahme der Mediation: Eine gescheiterte Mediation . . . . . . . . . . . . .
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Nr. 26: Mediation vor der Mediation: Ein Konfliktpartner will sich nicht an den Kosten für die Mediation beteiligen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 27: Unterschiedliche Ziele des Paares: Ist eine Mediation möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 28: Blockaden zu Beginn der Mediation; das Kleinkind in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Phase 2: Die Erarbeitung der Themenbereiche . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Themenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Prioritäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . Nr. 29: Das Konfliktpaar verweigert die Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 30: Das Konfliktpaar kann sich über die Themenbereiche nicht einigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Phase 3: Bearbeitung der Konfliktfelder und Herausfinden der Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 31: Scheinbar unüberwindliche Positionen . . . . . . . . . Nr. 32: Kinder übernehmen die Konfliktdynamik ihrer verstorbenen Eltern im Streit um den Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Phase 4: Problemlösung und Einigung . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . Nr. 33: Eltern haben andere Vorstellungen von dem, was ihre Kinder wollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 34: Eine schwierige Umgangsregelung: Die Eltern leben in unterschiedlichen Städten. . . . . . . . . . Nr. 35: Eine komplexe Lösung: Unterhalt und Vermögensteilung in der Balance . . . . . . . . . . .
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V. Phase 5: Abschlussvereinbarung und rechtliche Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vollstreckbarkeit der Abschlussvereinbarung . . . 3. Typische Probleme mit Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . Nr. 36: Bei der Ausgestaltung des Vertrags zeigt sich, dass noch nicht alle Fragen geklärt sind. . . . .
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VI. Supervision mit Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 37: Der Mediator hat das Gefühl, zum Abbruch der Mediation beigetragen zu haben. . . . . . . . . . . . . . .
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C. Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Spiegeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Aktives Zuhören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Pacing und Leading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Reframing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Direkte und indirekte Kommunikation . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 38: Verbale Auseinandersetzungen werden durch indirekte Kommunikation unterbunden . . . .
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VI. Metapher und Bildersprache in der Mediation . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 39: Der Mediator nutzt die Metapher der Medianden: Ein Konfliktpartner „nimmt das Recht in die eigenen Hände“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nr. 40: Metaphern helfen den Medianden, ihre Ängste zu verlieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Reflecting Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VIII. Das gemischte Doppel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IX. Doppeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
232
X. Die Kunst des Fragens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Fragen des Mediators an die Medianden . . . . . . . . . . 2. Die Fragen des Mediators an sich selbst . . . . . . . . . . . . .
234 234 238
XI. Gewaltfreie Kommunikation nach Marshal Rosenberg .
239
D. Der Mediator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
243
I. Mediation und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) . . . . . . . . . . . 2. Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (MediationsG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahren und Prinzipien der Mediation nach dem MediationsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neutralität und Allparteilichkeit . . . . . . . . . . . bb) Eigenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verschwiegenheitspflicht und Zeugnisverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Rolle des Rechts und der Rechtsanwälte in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Änderungen der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Änderungen des FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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243 243
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250 251 251
II. Eingangsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Honorar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergütungsanspruch des Mediators, der als Rechtsanwalt zugelassen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Seite
2. Vergütungsanspruch des Mediators, der nicht als Rechtsanwalt zugelassen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Werbung und Titelführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. Co-Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Mediationstypische Formulare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Muster eines Eingangsvertrags zwischen den Medianden und dem Mediator, der im Grundberuf Rechtsanwalt ist .
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II. Muster eines Eingangsvertrags zwischen den Medianden und dem Mediator, der im Grundberuf nicht Rechtsanwalt ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Muster eines Aufnahmebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Muster von mediationstypischen Fragebögen über Einkünfte und Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Feste monatliche Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Flexible monatliche Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtselbständiger in den letzten 12 Monaten . . . . b) Selbständiger und Freiberufler in den vergangenen drei Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vermögen und Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenwärtiges Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mit in die Ehe eingebrachtes oder später durch Schenkung oder Erbschaft erworbenes Vermögen . . 5. Hausratsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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270 270 272 274 274
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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wie eine Mediation beginnen könnte
Mediator: Guten Tag Frau A, guten Tag Herr A. Herzlich willkommen. Ich möchte mit Ihnen klären, ob Mediation das richtige Verfahren für Sie ist und ob ich der richtige Mediator für Sie bin. Macht das auch für Sie Sinn? Frau A und Herr A: Ja. Mediator: Um dies zu klären, schlage ich vor, dass Sie mir beide Ihre Erwartungen und Hoffnungen, die Sie an ein Mediationsverfahren haben, mitteilen. Dabei möchte ich auch wissen, weshalb Sie gerade Mediation wählen und nicht zum Rechtsanwalt gehen oder zum Therapeuten. Wenn Sie jetzt antworten, bitte ich Sie, sich darauf zu beschränken, erst einmal nur Ihre Erwartungen und Hoffnungen an das Mediationsverfahren und noch nicht Ihre Erwartungen an eine Lösung Ihrer konkreten Situation zu schildern. Wenn ich dies von Ihnen erfahren habe, möchte ich Ihnen sodann das Mediationsverfahren und seine Prinzipien vorstellen. Danach werden Sie und ich genügend Informationen haben, um eine Entscheidung zu treffen, ob Mediation das richtige Verfahren für Sie ist und ich der richtige Mediator bin. Sind Sie mit diesem Vorgehen einverstanden? Ja? Ja! Wer möchte anfangen? Frau A: Ich möchte beginnen. Mediator: Herr A, ist dies für Sie in Ordnung? Ja! Frau A, bitte fahren Sie fort. Frau A: Ich habe mich von meinem Mann getrennt. Mein Mann ist ausgezogen. Ich lebe mit unseren Kindern in unserer früheren gemeinsamen Wohnung. Ich möchte, dass wir uns, wenn wir alles geregelt haben, noch in die Augen schauen können. Mir ist wichtig, dass wir eine faire Lösung finden und Eltern bleiben. Herr A: Das stimmt, was meine Frau sagt. Ich bin traurig, aber es ist jetzt in Ordnung. Ich habe die Befürchtung, dass ich die Kinder verliere und nur noch zum Spaß- und Zahlvater werde. Ich bin froh, wenn ich höre, dass meine Frau eine faire Lösung will. Genau das will ich auch! Ich bin auch sehr froh, wenn ich weiterhin höre, dass ihr unsere gemeinsame Elternschaft am Herzen liegt. Mediator: Wenn ich Sie beide richtig verstanden habe, sind Sie zu mir als Mediator gekommen, um gemeinsam und fair die Folgen Ihrer Trennung zu regeln und für Ihre Kinder verantwortliche Eltern zu bleiben.
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Wie eine Mediation beginnen könnte
Wenn zwei Menschen, die gerade in einer persönlichen Krise sind, in die Mediation kommen, sind sie meistens betroffen, traurig, ängstlich, ohne Vertrauen zum Anderen, vorsichtig, skeptisch und meist sehr feinfühlig. Es herrscht zudem eher Chaos als Ordnung. Es ist deshalb sehr wichtig, dass gleich zu Beginn der Mediation eine Struktur vorgegeben wird. Aber nicht nur die Struktur ist wichtig. Der Mediator muss auch feststellen, ob Mediation das richtige Verfahren für gerade diese Konfliktparteien ist. Deshalb klärt er mit den Konfliktparteien zuerst, ob das Verfahren der Mediation für diese überhaupt das passende und er der richtige Mediator ist. Er gibt den Menschen die Gewissheit, dass er weiß, was er tut und er vermittelt damit Sicherheit. Die Hoffnungen, die Wünsche und die Motivation, die die Parteien an das Verfahren haben, müssen mit dem übereinstimmen, was die Mediation bieten kann. Hier gilt es darauf zu achten, dass nicht die Wünsche, wie die Probleme im Einzelnen zu lösen sein sollen, herausgearbeitet werden, sondern vielmehr die Erwartung und Hoffnung an das Mediationsverfahren selbst. Was könnte ein Mediationsverfahren mehr oder überhaupt bieten, das in einem Gerichtsverfahren vielleicht nicht möglich sein wird? Wenn in diesem Moment dann die Hoffnungen auf Fairness und auf Erhalt der Elternschaft – vielleicht sogar von beiden Konfliktparteien- genannt werden, so schafft dies eine erste Entspannung. Die Hoffnungen und Werte, die ganz zu Beginn in das Mediationsverfahren eingebracht werden, sind aber auch ein „Honigspeicher“ für das weitere Mediationsverfahren. Auf diese Hoffnungen und Erwartungen kann der Mediator immer wieder zurückgreifen, wenn es im Laufe des Verfahrens eben doch auch immer wieder mal streitig wird. Hat das Familiengericht allerdings die Beteiligten in einem gerichtsanhängigen Verfahren in eine Mediation oder ein Informationsgespräch über Mediation geschickt, ist es leider nicht ganz so einfach. Wenn die Parteien auf die Frage nach den Hoffnungen und Erwartungen nur den Ärger zum Ausdruck bringen, dass sie hierher kom-
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Wie eine Mediation beginnen könnte
men „müssen“, ist eher der Hinweis des Mediators auf die Unvorhersehbarkeit des Ausganges des Gerichtsverfahrens hilfreich und die Erklärung, dass in einem Mediationsverfahren nichts geschieht, das einer von beiden nicht will. Dies ist der große Unterschied zwischen beiden Verfahren: Die Mediation ist ein selbstbestimmtes und autonomes Verfahren; im Gerichtsverfahren bestimmt ein Dritter.
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A. Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Offenheit und Informiertheit: Die Konfliktpartner legen alle Informationen, Tatsachen und Belege, die für die jeweiligen Themen erheblich sind, offen. Allparteilichkeit: Der Mediator nimmt die Bedürfnisse und Interessen aller Konfliktparteien gleichermaßen wahr und versucht, alle Konfliktparteien zu verstehen. Er stellt sicher, dass sich jede Konfliktpartei über ihre eigenen Bedürfnisse klar werden kann, und unterstützt die Konfliktparteien, damit sie die Bedürfnisse der jeweils anderen Konfliktpartei verstehen können. Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht: Die Medianden vereinbaren Art und Umfang der Verschwiegenheit. Der Mediator ist zum Schweigen verpflichtet und steht nicht als Zeuge zur Verfügung. Eigenverantwortung/Autonomie: Die Konfliktpartner müssen in der Lage sein, im Mediationsverfahren ihre Interessen und Bedürfnisse selbst wahrzunehmen und angemessen zu vertreten. Freiwilligkeit: Die Konfliktpartner können jederzeit das Mediationsverfahren beenden, wenn es keinen Sinn für sie macht. Das Recht in der Mediation: Jede Konfliktpartei lässt sich spätestens vor der Unterzeichnung der Vereinbarung parteilich rechtlich beraten.
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I. Offenheit und Informiertheit 1. Allgemeines Das Ziel der Trennungs- und Scheidungsmediation ist ein Vertrag. In diesem regeln die Medianden die Probleme, die anlässlich der Trennung entstanden sind. Der Trennungs- und Scheidungsfolgenvertrag soll den wechselseitigen Bedürfnissen und Interessen der Parteien entsprechen. Die Konfliktparteien sollen auf die Wirksamkeit dieses Vertrags vertrauen dürfen. Um einen solchen Vertrag mit fairen Lösungen erarbeiten zu können, bedarf es der Offenlegung aller entscheidungserheblichen Fakten. Der Mediator achtet darauf, dass beide Konfliktpartner informiert sind und die Informationen offenlegen. Hierzu gehören die Auskünfte über die Einkünfte und das Vermögen. Außerdem kann es wichtig sein, Pläne, Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft zu kennen. Mit Gary Friedman unterscheiden wir zwischen „weichen“ und „harten“ Informationen1. Bei den „harten“ Informationen handelt es sich um Zahlen, die sich auf die Einkünfte und das Vermögen beziehen. „Weiche“ Informationen sind solche über Pläne, Wünsche, Ängste und Hoffnungen, die das zukünftige Leben betreffen und für die Entscheidungen im Mediationsverfahren von Bedeutung sind. Der Unterschied zwischen den „harten“ und den „weichen“ Informationen liegt darin, dass die Konfliktpartner die „harten“ Informationen überprüfen können, während bei den „weichen“ Informationen eine Überprüfung nicht möglich ist. Die Konfliktpartner vereinbaren in dem Eingangsvertrag Offenheit und Offenlegung. S. Muster S. 260, 265.
1 Friedman, Die Scheidungsmediation, S. 33.
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Offenheit und Informiertheit
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 1: Die fehlende Offenheit
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 46 Jahre, Architekt mit eigenem Büro, Einkommen 5000 Euro netto, Ehefrau: 35 Jahre, englische Staatsangehörige, Tänzerin, kein Einkommen, verheiratet seit 2 Jahren, noch nicht getrennt lebend; Kinder
Maria, 4 Jahre und Bill, 8 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Das Ehepaar möchte in der Mediation die Themen Kindes- und Ehegattenunterhalt und das Besuchsrecht für die Kinder regeln. Sachverhalt und Konfliktsituation: Frau A wünscht die Trennung, die noch nicht vollzogen ist. Verlauf der Mediation: Der Mediator erläutert die Grundprinzipien der Mediation. Doch bereits jetzt bezweifelt Frau A, dass sich ihr Mann an das Prinzip der Offenheit halten wird. Sie glaubt nicht, dass er über seine Einkünfte Auskunft geben und diese belegen wird. Wegen des mangelnden Vertrauens legt der Mediator bei der Eingangsvereinbarung sehr großen Wert auf das Thema Offenheit und Informiertheit. Herr A ist damit einverstanden, alle relevanten Zahlen über sein Einkommen in überprüfbarer Weise vorzulegen. Er versteht das Misstrauen seiner Frau überhaupt nicht. Herr A: Ich weiß gar nicht, wie Du mir so misstrauen kannst. Das verletzt mich. Ich habe Dich nie im Unklaren über unsere Einkommens- und Vermögenssituation gelassen. Du weißt, dass ich sehr gut verdiene. Du weißt auch, dass alle Zahlen von unserem Steuerberater erstellt werden und ich darauf gar keinen Einfluss nehme. Du kennst auch den Steuerberater gut und weißt, dass er keine Manipulationen vornehmen würde. Ich verspreche hiermit nochmals, dass ich alle Zahlen auf den Tisch legen
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
werde und auch bereit bin, alle Zahlen von neutralen Dritten überprüfen zu lassen. Der Mediator: Frau A, reicht Ihnen dieses Versprechen Ihres Mannes oder benötigen Sie noch mehr Sicherheiten? Frau A: Wir können beginnen. Wir werden ja dann sehen, wenn die Zahlen da sind, ob sie korrekt sind.
Der Mediator überreicht sodann formularmäßige Listen für Angaben über die Einkünfte, Ausgaben und das Vermögen (s. S. 270). Sie sollen zu Hause erarbeitet werden. Die Medianden wollen mit Hilfe dieser Listen die Daten zusammentragen, um den jeweiligen Bedarf bestimmen zu können. In der zweiten Sitzung zeigt sich, dass Herr A im Monat 1750 Euro benötigt. Frau A gibt an, mit der Erstellung der Liste Probleme zu haben. Frau A: Ich kann das alles gar nicht genau berechnen. Ich weiß ja noch nicht einmal, wie hoch meine Miete sein wird. Ich kann mich doch jetzt noch nicht festlegen. Vielleicht benötige ich ja mehr.
Frau A fängt an zu weinen, wirkt aber gleichzeitig sehr wütend und enttäuscht. Herr A: Dann sag doch einfach, was Du maximal zu benötigen meinst. Wir können doch darüber reden. Wenn ich merke, dass das alles ehrlich gemeint ist, dann werden wir uns schon einigen.
Die Zahlen von Herrn A ergeben ein verfügbares monatliches Einkommen in einer Größenordnung von 5000 Euro. Hierbei hat er schon alle Ausgaben wie Steuern, Krankenversicherung und Altersvorsorge berücksichtigt. Dieser Betrag steht für den Unterhalt der Familie zur Verfügung. Die Sitzung vergeht damit, dass Frau A die Zahlen sehr genau kontrolliert. Mehrmals fragt sie einzelne Details nach. Für die nächste Sitzung verspricht Frau A, ihre Bedarfsbeträge zu ermitteln. In der dritten Mediationssitzung hat Frau A wieder den Bedarfsbogen nicht ausgefüllt. Herr A ist wütend.
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Offenheit und Informiertheit
Frau A: Ich kann es nicht ausrechnen. Es ist sicherlich mehr als 3250 Euro. Wahrscheinlich benötige ich wenigstens 5000 Euro. Herr A: Aber wie sollen wir denn dann hier weiterkommen? Wie sollen wir einen Unterhaltsbetrag finden, wenn Du nicht sagst, wie viel Du benötigst? Wir versuchen es jetzt gemeinsam. Frau A: Das kann ich nur allein. Du wirst es ohnehin nicht zahlen wollen.
Die Mediation befindet sich in einer Sackgasse. Der Mediator hat den Eindruck, dass sich die Konfliktpartner im Kreis bewegen. Der Prozess ist blockiert.
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TIPP: Blockaden Ziehen Sie Resümee. Es ist sehr hilfreich, dass Sie immer dann, wenn der Prozess stockt, für sich überlegen, was genau den Mediationsprozess stört. Behalten Sie Ihre Fragen nicht für sich. Stellen Sie diese Fragen den Medianden.
Der Mediator stellt sich folgende Fragen: Frau A hat in der ersten Sitzung ihr Misstrauen geäußert, ob ihr Mann sein Einkommen offenlegen würde. Sie befürchtet weiter, dass er nicht die Zahlungen erbringen würde, die sie für sich und die Kinder benötigt. Nun hat sich herausgestellt, dass Herr A alle Zahlen offengelegt hat. Die Zahlen sind überprüfbar. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sie nicht korrekt sind. Herr A signalisiert auch, dass er ihren Bedarf finanzieren würde. Frau A weigert sich, die Höhe ihres Bedarfs zu benennen. Sie blockiert damit den Fortgang der Mediation. Warum tut sie das? Eigentlich müsste es doch ihr Interesse sein, möglichst bald zu wissen, was sie finanziell zur Verfügung haben wird. Wie soll sie sonst ihr Leben planen? Könnte es sein, dass sie einerseits die Trennung will, sie aber andererseits dennoch verhindert? Könnte es sein, dass sie die Trennung gar nicht mehr will? Mediator: Frau A, Herr A, ich habe das Gefühl, dass der Mediationsprozess stockt. Habe ich Ihr Einverständnis zu rekapitulieren, was aus meiner Sicht bislang geschehen ist?
Beide geben ihr Einverständnis. 9
Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Mediator: Frau A, Sie haben in der ersten Sitzung Ihre Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass Ihr Mann nicht offen und ehrlich die Zahlen über sein Einkommen offenlegen und weniger Unterhalt zahlen wird, als Sie mit den Kindern benötigen. Inzwischen haben Sie, Herr A, die vollständigen Einnahmen- und Überschussrechnungen nebst Anlagen und Kontennachweisen, die Steuererklärungen und Steuerbescheide der letzten 3 Jahre vorgelegt. Sie haben alle weiteren notwendigen Ausgaben wie Krankenversicherung, Altersvorsorge und Versicherungen belegt. Damit sind Sie Ihren Verpflichtungen nachgekommen. Sie, Frau A, haben bislang ihren Bedarf noch nicht berechnen können. Sie wissen noch nicht genau, was Sie brauchen werden. Sie benötigen dieses Wissen jedoch, um eine Vereinbarung treffen zu können, die Ihren Interessen gerecht wird. Mich interessiert, Frau A, was genau Sie daran hindert, Ihren Bedarf zu berechnen. Sie haben den Wunsch geäußert, dass Sie sich von Ihrem Mann trennen wollen. Sie haben erklärt, eine Vereinbarung über die Folgen Ihrer Trennung treffen zu wollen. Sie können eine Vereinbarung aber nur treffen, wenn Sie wissen, was Sie konkret benötigen. Was hindert Sie daran? Ich frage mich, was Sie wirklich wollen. Frau A: Muss ich Ihnen sagen, was ich will? Mediator: Sie müssen mir nicht sagen, was Sie wollen. Es könnte Ihnen aber beiden in der Mediation helfen, eine befriedigende Lösung zu finden, wenn Sie beide alle relevanten, konkreten Informationen offenlegen. Sie haben beide zu Beginn der Mediation Offenheit und Informiertheit vereinbart. Zu dieser Offenheit gehören nicht nur die Zahlen. Zur Offenheit gehören auch die Informationen über Ihre Lebenspläne. Wie und wo wollen Sie mit den Kindern leben? Wollen Sie arbeiten und wenn ja, was wollen Sie tun? Wir sprechen bei Offenheit von den „harten“ und den „weichen“ Fakten. Die „harten“ Fakten sind die Zahlen und die „weichen“ sind die Pläne für die Zukunft, die Wünsche und die Vorstellungen. Frau A: Mir war nicht klar, dass Sie das unter Offenheit verstehen. Ich dachte nur an die Zahlen. Herr A: Das war mir auch nicht klar. Mediator: Ich habe wohl versäumt, bei der Erläuterung des Mediationsverfahrens darauf hinzuweisen, dass zur Offenheit und Informiertheit auch die Offenheit über eben diese „weichen“ Fakten gehört. Können
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Offenheit und Informiertheit
Sie beide sich denn darauf verständigen, nicht nur die Zahlen über das Einkommen offenzulegen, sondern auch Ihre Absichten und Pläne für die Zukunft?
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TIPP: Der Mediator hat etwas übersehen Wenn Sie merken, dass Sie in einer früheren Phase etwas übersehen haben, scheuen Sie sich nicht, dies einzugestehen. Es ist kein Problem, mit den Konfliktpartnern wieder in frühere Phasen der Mediation zurückzugehen.
Herr A: Ich denke, dass es ohne diese Offenheit nicht geht. Ich bin bereit, auch hier zu versprechen, dass ich mich daran halten werde. Mediator: Frau A, wie denken Sie darüber?
Frau A fängt jetzt verzweifelt an zu weinen. Herr A: Sag bitte, was Du wirklich willst, was sind Deine Pläne?
Es dauert eine Weile, bis sich Frau A wieder so weit gefangen hat, dass sie überhaupt reden kann.
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TIPP: Spannung aushalten Haben Sie Geduld und halten Sie die Spannung aus. Vermeiden Sie es, weinende Klienten zu trösten oder einen Kommentar abzugeben. Sagen Sie nichts!
Frau A: Ich will wieder nach England. Ich habe hier keine Chance. Ich möchte wieder in meinen Beruf. Hier kenne ich niemanden. Ich möchte für mich selbst sorgen können, zumindest in absehbarer Zeit. Ich will Dir und den Kindern aber nicht weh tun. Ich will sie Dir nicht nehmen. Aber sie brauchen mich auch. Ich weiß keinen Ausweg, aber ich weiß, dass ich gehen werde, und ich weiß auch, dass ich die Kinder mitnehmen werde. Herr A: Das habe ich gespürt und befürchtet. Deshalb wollte ich die Trennung nicht.
Auch Herr A weint jetzt.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Herr A: Ist es Dein fester Entschluss, tatsächlich nach England zu gehen? Frau A: Ja. Herr A: Gut, dass es jetzt heraus ist, ich habe es ohnehin befürchtet. Die Unsicherheit hat mich ganz krank gemacht. Ich brauche jetzt Zeit, um darüber nachzudenken.
Das Ehepaar A kommt nach zwei Monaten wieder. Frau A hat inzwischen sowohl eine Wohnung in England gefunden als auch Aussicht auf Arbeit. Beide sind sich einig, dass die Kinder in allen Ferien zum Vater und auch dieser sehr häufig nach England zu Besuch fahren werden. Nachdem Frau A festgestellt hat, was sie und die Kinder in England zum Leben benötigen, treffen sie eine Vereinbarung über den Unterhalt, die Reise- und Kommunikationskosten. Resümee: Mangelnde Offenheit über Zukunftspläne der Konfliktpartner blockiert den Mediationsprozess. Der Mediator hat in der ersten Phase der Mediation bei der Erläuterung des Verfahrens und der Bedeutung von Offenheit und Informiertheit versäumt, über die unterschiedlichen Arten von Offenheit zu informieren: die Offenheit über Einkommen und Vermögen („harte“ Informationen) und die Offenheit über Lebenspläne und Wünsche („weiche“ Informationen). Der Mediator geht deshalb mit den Konfliktpartnern in die erste Phase der Mediation zurück und erläutert die Bedeutung, die harten und weichen Informationen offenzulegen. Dadurch kann der Mediator die Blockade durchbrechen und den Mediationsprozess fortführen.
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Offenheit und Informiertheit E
Nr. 2: Das fehlende Vertrauen
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 49 Jahre, Kaufmann, selbständig, Ehefrau: 45 Jahre, Hausfrau, verheiratet seit 25 Jahren, getrennt lebend seit 6 Monaten; Kinder
Verena, 24 Jahre; Thomas, 22 Jahre; Nicola 18 Jahre alt; Verena lebt schon selbständig, Thomas und Nicola sind noch in der Ausbildung.
Themenbereiche der Mediation: Auseinandersetzung des gemeinsamen Grundstücks mit Haus, finanzielle Zukunft von Frau A, Unterhalt für Thomas und Nicola. Sachverhalt und Konfliktsituation: Das Ehepaar A führt eine Ehe mit der „klassischen“ Rollenverteilung. Herr A ist Alleinverdiener mit gutem Einkommen und zeitlich sehr ausgelastet. Frau A ist niemals berufstätig gewesen. Sie ist für die Kinder und das Haus zuständig. Herr A will die Trennung. Er hat eine Beziehung zu einer jüngeren Frau und ist aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen. Frau A ist sehr verletzt und hilflos. Herr A hat Schuldgefühle. Verlauf der Mediation: Frau A äußert in der ersten Mediationssitzung die Erwartung, in der Mediation eine finanzielle Regelung für die Zukunft zu finden. Sie hat sich noch nie um finanzielle Angelegenheiten gekümmert und deshalb ein starkes Gefühl der Unsicherheit. Sie befürchtet, dass Herr A ihre Unwissenheit ausnützen könnte. Sie erhofft sich Unterstützung von dem Mediator. Auch Herr A will die Mediation. Er erhofft sich finanzielle Vorteile, ohne dass er seiner Frau schaden will. Er hat auch die Erwartung, dass er mit dieser Haltung die Achtung seiner Kinder zurückgewinnen kann, die ihn seit seinem Auszug ablehnen.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Der Mediator erläutert die Regeln der Mediation und insbesondere das Prinzip der Offenheit und Offenlegung. Frau A: Es wäre schön, wenn wir alle Zahlen offenlegen würden. Ich bin mir aber sicher, dass Du das nicht tun wirst. Seitdem Du ausgezogen bist, sind alle Ordner aus Deinem Schrank verschwunden. Herr A: Was hast Du in meinem Schrank zu suchen? Was darin ist, geht Dich nichts an. Du hast nicht das Recht, an meine Unterlagen zu gehen. Frau A: Aber Du hast alle Unterlagen weggebracht, stimmt das etwa nicht? Herr A: Ja, weil ich nicht bereit bin, Dir alles zu geben, so dass mir nichts mehr bleibt. Ich will nicht, dass es mir so wie Uwe (einem Freund der Familie) geht, der in einem möblierten Zimmer von 900 Euro lebt. Ich will, dass es Dir gut geht, aber ich will auch noch genügend für mich haben. Wer garantiert mir aber, dass Du nicht dann, wenn ich alles offengelegt habe, die Mediation abbrichst und ich den Schaden habe? Mediator: Ich habe verstanden, dass Sie beide hoffen, in der Mediation zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Ich habe aber auch gehört, dass Sie beide Ängste haben. Sie, Frau A, befürchten, dass Ihr Mann nicht ehrlich sein könnte. Sie, Herr A, befürchten, dass Ihre Frau Ihre Ehrlichkeit ausnützen könnte. Habe ich das richtig verstanden?
Beide nicken zustimmend. Mediator: Wie wollen Sie mit damit umgehen?
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TIPP: Die Konfliktpartner haben kein Vertrauen zueinander Mangelndes Vertrauen ist bei Trennung und Scheidung normal. Mit der Frage, wie die Medianden mit dem Problem des mangelnden Vertrauens umgehen wollen, gibt der Mediator die Verantwortung an die Medianden zurück.
Frau A: Ich hoffe, dass Sie für mich darauf achten werden, dass mein Mann alle Zahlen vollständig offenlegt. Ich weiß ja nicht einmal, wonach ich fragen muss. Ich weiß nichts von seinen Bilanzen und all diesen Dingen. Ich weiß nicht einmal, wie eine solche Bilanz aussieht. Er könnte mir alle möglichen Zahlen vorlegen und ich wüsste nicht, ob es die richtigen sind. Wie sollte ich ausrechnen können, was mir zusteht? Ich weiß nicht, was er wirklich verdient.
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Offenheit und Informiertheit
Mediator: Wie können Sie sicherstellen, dass Sie alle Zahlen erhalten? Frau A: Ich habe schon an einen Anwalt gedacht. Aber der kennt sich vielleicht in diesen steuerlichen Dingen nicht unbedingt so gut aus. Vielleicht wäre ein Steuerberater richtig. Er kann mich beraten und mir sagen, wonach ich fragen muss und worauf es überhaupt ankommt. Danach könnte ich erst zu einem Anwalt gehen, sonst bin ich ja auch da nur die, die nichts versteht. Herr A: (sehr unwirsch) Dann geh lieber gleich zu einem Anwalt und wir können uns streiten. Der macht dann alles für Dich. Frau A: Ich will mich nicht mit Dir streiten. Aber trotzdem will ich keine Nachteile. Ich will zunächst nur wissen, was mir zusteht. Danach kann ich erst entscheiden, ob ich will, was mir zusteht. Ich will nicht das Gefühl haben, von Dir Almosen zu erhalten. Außerdem kommt es auch noch darauf an, wie alles andere geregelt wird. Mediator: Frau A, habe ich Sie richtig verstanden? Um Vertrauen zu den Zahlen finden zu können, brauchen Sie eine Erläuterung dieser Zahlen und eine juristische Information? (Frau A nickt.) Herr A, besteht für Sie auch dann die Möglichkeit, in der Mediation fortzufahren, wenn Ihre Frau Rat und Auskunft bei einem Rechtsanwalt einholt? Herr A: Ich kann ja nicht verhindern, dass sie das tut. Wenn sie sich schon beraten lässt, ist es vielleicht besser, wir bleiben in der Mediation, vielleicht können wir dann das Schlimmste verhindern. Mediator: Halten Sie es für sinnvoll, wenn auch Sie sich Rat und Auskunft holen? Auch Sie sollten eine Vorstellung darüber haben, was auf Sie zukommen kann. Herr A: Ich will auf keinen Fall ein streitiges Verfahren. Ich habe bereits so viele Fälle erlebt, bei denen es dann zu schrecklichen Auseinandersetzungen kam, nachdem beide Eheleute bei Anwälten gewesen waren. Ich möchte nicht das Verhältnis zu den Kindern verlieren. Ich hänge sehr an ihnen. Mediator: Es besteht doch die Möglichkeit, sich beraten zu lassen, ohne dass Sie auch gleichzeitig die ganze Verantwortung einem Anwalt übertragen müssen. Sie können sich doch beide versprechen, nach der Beratung wieder in die Mediation zurückzukehren. Sie müssen sich nur einig sein. Im Übrigen können Sie eine Einigung in der Mediation nur dann treffen, wenn Sie beide auch das Recht kennen. Vor der Unterschrift unter eine Vereinbarung müssen Sie sich einseitig parteilich von
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
einem Rechtsanwalt beraten lassen. Dies können Sie aber auch bereits jetzt tun. Frau A: Ich will mich nicht mit Dir streiten. Ich will, dass wir uns später in die Augen sehen können. Ich will, dass die Kinder vor uns Respekt haben. Was die steuerrechtlichen Probleme angeht, werde ich mich von einem Anwalt beraten lassen. Ich kann dann auch überprüfen, ob Du ehrlich bist und ich wieder Vertrauen zu Dir haben kann. Ich will, dass wir hier in der Mediation weiterarbeiten. Ich werde wieder zurückkommen in die Mediation. Herr A: Jetzt habe ich Dich verstanden. Dann werde ich mich ebenfalls von einem Rechtsanwalt beraten lassen und die Mediation fortsetzen.
Resümee: Häufig haben Eheleute, die sich getrennt haben, kein Vertrauen mehr zueinander. In traditionell geführten Ehen regeln vielfach die Männer die finanziellen Angelegenheiten. Die Frauen sind für die Kinder und die sozialen Kontakte zuständig. Während intakter Ehe ist das Vertrauen so groß, dass keine Kontrolle erfolgt. So fehlt dann oft das Verständnis für Zahlen; schwierige Bilanzen und Steuererklärungen werden blind unterschrieben. Diese fehlenden Kenntnisse rufen bei einer Trennung Misstrauen und Angst hervor. Dies gilt insbesondere dann, wenn Unterlagen über das Vermögen und die Einkünfte beiseite geschafft worden sind. Es ist deshalb zunächst wichtig, die Konfliktpartner zu ermutigen, diese Ängste herauszufinden und zu artikulieren. Beide Konfliktpartner befürchten, übervorteilt zu werden und nach der Trennung zu geringe finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben. Frau A hat deshalb so große Ängste, weil sie sich nie um die finanziellen Angelegenheiten gekümmert hat. Sie glaubt, dass sie es nicht merken würde, wenn sie übervorteilt würde. In diesem Fall ist frühzeitig zu Beginn der Mediation die Beratung durch einen Rechtsanwalt nötig. Mit dieser Hilfe ist Frau A dann auch in der Lage, in der Mediation ihre Interessen zu vertreten.
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Offenheit und Informiertheit
Herrn A wird erst in der Mediation deutlich, dass anwaltliche Beratung eine einvernehmliche Erarbeitung der Konfliktlösung nicht verhindert, sondern Teil des Mediationsprozesses ist.
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Nr. 3: Die Scheu des Mediators vor der Offenheit
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 55 Jahre, selbständiger Schriftsteller, Ehefrau: 55 Jahre, Hausfrau, verheiratet seit 20 Jahren, getrennt in der Wohnung seit 3 Monaten; Kinder
Sandra, 24 Jahre, aus erster Ehe von Frau A; Evelyn, 15 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Auszug des Herrn A aus der Ehewohnung, Regelung der Finanzen Sachverhalt, Konfliktsituation und Verlauf der Mediation: Herr und Frau A rufen unabhängig voneinander an und erbitten einen Termin im Büro des Mediators, der auch Anwalt ist. Herr A will Mediation. Er ist über die Methodik der Mediation informiert, hat sogar einen Artikel über Mediation in der örtlichen Presse veröffentlicht und die hierzu notwendigen Informationen von dem Mediator erhalten. Frau A will anwaltliche Beratung. Mediator: Sie haben beide hier in meiner Praxis angerufen. Sie, Herr A, wollen mich als Mediator. Sie, Frau A, wollen meine anwaltliche Hilfe. Beides kann ich nicht sein. Ich bin entweder Mediator für Sie beide oder Anwalt eines von Ihnen beiden. Sie haben sich beide zwar für meine Person entschieden, aber ich kann hier nur in einer Rolle tätig werden. Es muss also heute geklärt werden, ob ich für Sie als Mediator tätig werde. Vielleicht ist Mediation das richtige Verfahren, das für Sie beide geeignet ist und das Sie beide wünschen. Vielleicht bin ich auch der richtige Mediator für Sie.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Herr A: Ich weiß, dass für uns Mediation das Richtige ist. Sie müssen meiner Frau nur klarmachen, dass auch für sie diese Methode richtig ist. Schließlich muss doch die Vernunft siegen. Frau A: Ich will Sie eigentlich als Anwalt beauftragen. Ich habe sehr viele gute Dinge über Sie gehört und habe Vertrauen zu Ihnen. Wenn Sie mir sagen, dass Mediation auch für mich das Richtige ist, dann will ich Ihnen das gern glauben. Mediator: Wenn ich für Sie als Mediator tätig bin, kann ich weder für Sie beide noch für einen von Ihnen als Anwalt in Ihrer Scheidungsangelegenheit tätig werden. Ob Mediation auch für Sie, Frau A, das Richtige ist, kann ich nicht für Sie, sondern das können nur Sie für sich selbst entscheiden. Ich schlage Ihnen Folgendes vor: Ich erläutere jetzt, was Mediation ist und wie ich sie durchführe. Sie können dann beide am Ende dieser Sitzung entscheiden, ob Mediation für Sie das Richtige ist und ob ich der richtige Mediator für Sie beide bin. Herr A: Für mich wäre das alles nicht mehr nötig, aber wenn es für meine Frau nötig ist, höre ich es mir gern nochmal an. Außerdem weiß ich auch, dass Sie ein guter Mediator sind, ein anderer kommt nicht in Frage. Frau A: Ich finde es gut, wenn wir es so machen, wie Sie sagen.
Der Mediator schildert den Mediationsprozess. Danach entscheidet sich auch Frau A für die Mediation und den Mediator. Beide einigen sich, dass sie zunächst über den von Frau A gewünschten Auszug von Herrn A aus der Wohnung reden wollen. Frau A: Du hast bereits seit Jahren eine Beziehung zu dieser Frau, wie ich jetzt erst weiß. Das tut mir sehr weh. Ich leide sehr darunter, dass ich Dich verloren habe. Ich liebe Dich noch immer. Aber gerade deshalb kann ich es nicht mehr ertragen, Dich ständig zu sehen und dennoch zu wissen, dass ich keine Chance mehr habe, Dich zu halten. Es geht mir besser, wenn Du nicht da bist. Dann spüre ich, dass ich das irgendwie überleben werde. Immer, wenn Du dann aber wieder da bist, habe ich einerseits die Hoffnung, dass wieder alles gut mit uns wird. Andererseits spüre ich, dass Du mich nicht mehr willst, und aller Schmerz beginnt von neuem. Ich halte dieses Auf und Ab nicht mehr aus. Wenn Du gehen willst, dann geh. Alles andere macht mich kaputt.
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Offenheit und Informiertheit
Herr A: Ich werde erst ausziehen, wenn wir unsere Finanzen geklärt haben. Wie soll ich eine Wohnung mieten, wenn ich vielleicht dazu gar kein Geld mehr habe, weil Du zuviel willst? Frau A: Du willst also, dass ich auf alles verzichte. Nur dann, wenn ich von Dir nichts verlange, bist Du bereit, mich aus dieser schlimmen und unwürdigen Situation zu befreien. Herr A: Du kannst ja auch gehen.
Frau A fängt an zu weinen. Frau A: Dann habe ich alles verloren. Herr A: Ich kann es nicht ändern. Wir haben kein Geld. Mediator: Frau A, Sie wollen, dass Ihr Mann auszieht. Sie, Herr A, wollen erst ausziehen, wenn die finanziellen Angelegenheiten geklärt sind. Ich verstehe von Ihnen, Frau A, dass Sie die Befürchtung haben, dass es zu lange dauern wird, die finanziellen Dinge zu regeln. So lange wollen Sie nicht mehr warten. Von Ihnen, Herr A, verstehe ich, dass Sie sich nicht vorstellen können, dass Ihr beider Bedarf durch Ihr Einkommen gedeckt ist und Sie dennoch eine eigene Wohnung finanzieren können. Wie lange würde es denn dauern, die Zahlen zu belegen, Herr A? Herr A: Die habe ich morgen, wenn es sein muss. Mediator: Sie können sehr schnell alle Zahlen über Ihr Einkommen offenlegen. Frau A, ist es für Sie möglich, sich unter dieser Voraussetzung darauf einzulassen, dass das Thema „Finanzen“ vorab behandelt wird? Frau A: Ja, ich sehe ja auch ein, dass es gar nicht anders geht.
Herr A sagt zu, in der nächsten Sitzung alle Zahlen offenzulegen. In der nächsten Sitzung bringt Herr A einen Computerausdruck mit, auf dem er alle Einnahmen und Ausgaben darstellt. Diese Berechnung ergibt, dass von seinem Einkommen nach Abzug aller Kosten nicht mehr als 1000 Euro verbleiben. Frau A: So habe ich es erwartet, so habe ich es schon oft vorgerechnet bekommen. Das bringt nichts. Herr A: Leider entspricht dieses Ergebnis der Realität. Frau A: Ich kann es einfach nicht glauben, dass nur so wenig Geld zur Verfügung stehen soll. Wir haben doch immer recht großzügig gelebt.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Mediator: Herr A, Sie haben sich sehr viel Mühe mit dieser Zahlenaufstellung gemacht. Haben Sie dafür auch die entsprechenden Belege? Herr A (an Frau A direkt gewandt und sehr heftig): Du weißt doch aber, dass mir im Moment nicht mehr als 1000 Euro bleiben. Dir muss ich doch nichts beweisen. Willst Du mir etwa unterstellen, dass ich Dich betrügen will? War ich jemals unfair zu Dir? Frau A (wehrt sofort ab): Nein, nein, ich weiß, dass Du immer fair bist. Zum Mediator: Es ist in Ordnung. Ich kenne die Zahlen, wir können weitermachen. Herr A: Sie müssen wissen, dass wir nicht zu den Leuten gehören, die sich auf solche Art und Weise streiten. Trotz unserer Trennung haben wir den Grundkonsens, das Vertrauen, nicht verloren. So billig und primitiv verhalten wir uns nicht. Mediator: Ich möchte noch einmal unsere Eingangsvereinbarung wiederholen. Mediation ist für mich nur dann möglich, wenn Sie alle relevanten Zahlen offenlegen und in überprüfbarer Weise belegen. Herr A: Ich bin jetzt aber gleich sauer. Sie haben doch gehört, dass meine Frau mir vertraut. Wollen Sie als Mediator vielleicht Misstrauen säen? Das habe ich wirklich nicht von Ihnen erwartet. Da haben Sie endlich einmal Leute vor sich, bei denen das Vertrauen trotz der Trennung noch vorhanden ist, und dann beginnen Sie damit, Misstrauen zu schüren. Wie, bitte schön, soll denn Mediation funktionieren, wenn Sie meine Frau nicht ernst nehmen? Das finde ich nicht gut. Mediator: Ich nehme Sie beide und Ihre Interessen ernst. Auch der Außenanwalt, den Sie vor dem Abschluss des Vertrags aufsuchen werden, wird Sie nur dann verantwortlich beraten können, wenn er Ihre Unterlagen wie Steuerbescheide und -erklärungen gesehen hat. Gerade bei selbständig Tätigen ist die Ermittlung der Einkünfte schwierig, weil steuerrechtlich relevante Einkünfte anders als unterhaltsrechtlich relevante Einkünfte errechnet werden. Herr A: Das werden wir ja dann sehen. Jetzt sollten wir erst einmal weiterarbeiten, um zu einem baldigen Ende zu kommen. Schließlich will meine Frau, dass ich aus der Wohnung ausziehe. Soll sich das vielleicht noch ewig hinziehen? Frau A: Nein, nein. Ich bin auch dafür, dass wir jetzt weitermachen. Ich vertraue meinem Mann. Er wird mich schon nicht betrügen. Wenn ich dieses Vertrauen nicht hätte, könnten wir auch gar keine Mediation ma-
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chen. Das aber scheint mir sehr wichtig und richtig. Sie haben mich von dieser Methodik überzeugt.
Was ist zu tun, wenn die Medianden den Regeln nicht folgen wollen? Es geht um die Regel, dass alle entscheidungserheblichen Zahlen belegt und überprüfbar vorliegen müssen. Herr A will dies nicht tun. Frau A bezweifelt die Richtigkeit der behaupteten Zahlen. Herr A fordert statt der Offenlegung bei seiner Frau und dem Mediator Vertrauen ein. Frau A ist bereit, zu vertrauen und auf die Offenlegung zu verzichten.
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TIPP: Die Parteien halten sich nicht an die Regeln der Mediation Manchmal wollen die Konfliktpartner übereinstimmend von den Vereinbarungen über die Durchführung des Mediationsverfahrens abweichen. Sie können in Absprache miteinander derartige Vereinbarungen, die sie zu Beginn der Mediation getroffen haben, aufheben und abändern, sofern diese Abreden nicht die Grundprinzipien der Mediation und insbesondere das Prinzip von Offenheit und Offenlegung betreffen. Sie als Mediator sind verantwortlich dafür, dass die Medianden die Grundprinzipien der Mediation einhalten. Die Konfliktpartner haben die Freiheit, die Grundregeln der Mediation aufzuheben. Dann handelt es sich bei der Konfliktlösung aber nicht mehr um ein Mediationsverfahren. Sie müssen das Verfahren mit Ihnen als Mediator abbrechen.
Mediator: Ich habe verstanden, dass Sie sich beide nicht mehr an die ursprüngliche Vereinbarung halten wollen, alle entscheidungserheblichen Zahlen belegt und somit überprüfbar vorzulegen. Sie, Herr A, wollen Vertrauen. Sie, Frau A, sind einerseits bereit, die Mediation auf reiner Vertrauensbasis fortzusetzen, andererseits bezweifeln Sie aber die Angaben Ihres Mannes. Ich als Mediator habe die Verantwortung für den Mediationsprozess. Ich bin Garant dafür, dass der Mediationsprozess kompetent und professionell durchgeführt wird. Ich werde nicht mitwirken an einer Vereinbarung, die ohne die Einhaltung des Grundsatzes der Offenlegung aller entscheidungserheblichen Zahlen zustande gekommen ist. Leider kann ich Ihnen als Mediator nur dann weiter zur Verfügung stehen, wenn die Belege
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
vorgelegt werden. Sie haben die Freiheit, den Konflikt anders zu lösen. Dann handelt es sich aber nicht mehr um Mediation.
Die Mediation hat an dieser Stelle ihr Ende gefunden. Etwa neun Monate später hat Frau A angerufen und ausrichten lassen, dass Herr A aufgrund einer Auskunftsklage zur Auskunft verurteilt worden ist. Resümee: Die Grundregeln der Mediation sind einzuhalten. Dies gilt selbst dann, wenn die Konfliktpartner übereinstimmend von diesen Regeln abweichen wollen und die Mediation deshalb abgebrochen werden muss.
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II. Allparteilichkeit 1. Allgemeines Der Mediator ist für beide Konfliktparteien tätig. Beide Parteien haben ihn beauftragt. Er darf deshalb nicht nur einseitig einen Auftraggeber vertreten, sondern ist zur Neutralität2 und Allparteilichkeit verpflichtet. Allparteilichkeit bedeutet, dass der Mediator die Sichtweisen der Konfliktpartner gleichmäßig und gleichwertig wahrnimmt3 und auch versteht. Die Haltung des Mediators zu den Beteiligten ist gleichermaßen von Nähe und Distanz geprägt. Er darf sich nicht auf die Seite eines Konfliktpartners begeben und einen von ihnen bevorzugen oder benachteiligen. Sein Platz ist „zwischen den Stühlen“. Diese Allparteilichkeit ist weder starr noch unbeweglich. Die allparteiliche Haltung und Kommunikation gleicht einem Tanz zwischen den Parteien, der von Nähe und Distanz geprägt ist. Der Mediator hört zu und spiegelt zurück, was er verstanden hat. In diesem Augenblick versteht er natürlich denjenigen, dem er gerade zugehört hat, besser als die andere Partei, der er noch nicht zugehört hat. Er muss deshalb wieder in die Mitte zurückkommen und der anderen Konfliktpartei so zuhören, dass er diese genauso gut verstehen kann. Sollte es dem Mediator nicht gelingen, einen oder beide Konfliktparteien zu verstehen, ist es hilfreich, dieses Unverständnis zu artikulieren und mit Einverständnis der Parteien sie solange weiter zu befragen, bis er sie verstanden hat. Geschieht dies in einer wertschätzenden Art und Weise, ist dies ein guter Weg, in der Mediation in Richtung Einigung fortzuschreiten. Häufig versteht auch die andere Konfliktpartei erst, wenn der Mediator verstanden hat. Wir können die Allparteilichkeit des Mediators auch mit einer Gratwanderung, einem Balanceakt vergleichen. Jederzeit besteht die Gefahr, dass der Mediator sein Gleichgewicht verliert, wenn er sich zu einem Beteiligten stärker hingezogen fühlt oder ein Konflikt der Medianden in der Mediation bearbeitet wird, der ihn mit eige2 OLG Hamm, KonSens 1999, 307, 308. 3 Proksch, Curriculum einer Mediationsausbildung, KonSens 1999, 300, 305.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
nen Problemen konfrontiert. In diesem Fall hat der Mediator nur die Möglichkeit, in der Supervision4 sein Problem zu bearbeiten und zur Mitte zurückzufinden oder die Mediation abzubrechen.
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 4: Parteilichkeit
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 37 Jahre, Versicherungsmakler, Einkommen ca. 3000 Euro netto, lebt zu Beginn der Mediation in Berlin, Ehefrau: 35 Jahre, Erzieherin, derzeit Hausfrau und stundenweise in einem Kindergarten tätig, lebt in München, getrennt lebend seit 6 Jahren, geschieden seit 4 Jahren; Kinder
Theresia, 9 Jahre und Felicitas, 6 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Kindes- und Ehegattenunterhalt Sachverhalt, Konfliktsituation und Verlauf der Mediation: Frau A lebt seit vier Jahren in einer neuen Beziehung und beabsichtigt zu heiraten. Die Konfliktparteien haben bei der Scheidung den Kindes- und Ehegattenunterhalt durch einen gerichtlichen Vergleich geregelt. Beide Konfliktpartner wollen die damalige Vereinbarung in einer Mediation abändern. Sie haben damals das gerichtliche Verfahren als sehr belastend empfunden. In den ersten drei Sitzungen der Mediation ist effizient und zielorientiert gearbeitet worden; beide Konfliktpartner haben alle Einkommenszahlen belegt. Trotzdem ist seit Beginn der Mediation eine große Spannung zwischen den Parteien zu spüren. Der Mediator versteht diese Spannung zunächst nicht, weil die Parteien schon lange getrennt und geschieden sind und zudem räumlich sehr weit auseinander leben. Die Unterhaltsregelung, die sich abzeichnet, 4 S. hierzu S. 203.
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Allparteilichkeit
sieht nur noch den Kindesunterhalt vor. Frau A will auf ihren Unterhalt verzichten. Beide Konfliktpartner begeben sich zu ihren Anwälten in die Beratung. Bei der nächsten Terminvereinbarung signalisieren sie der Sekretärin der Mediatorin, dass sie nur noch Kleinigkeiten ändern wollen. Die Sitzung würde nur kurze Zeit in Anspruch nehmen. Mediatorin: Sie haben meiner Sekretärin signalisiert, dass die Vereinbarung wohl nahezu so bestehen bleiben kann, wie sie angedacht ist. Ich habe gehört, dass es nur noch eine Kleinigkeit zu ändern gibt. Ist es so? Frau A: Ja, das stimmt. Mein Anwalt hat mir geraten, auf den Unterhalt nicht zu verzichten, sondern ihn nur im Moment nicht geltend zu machen. Er hat mir gesagt, dass man auf den Unterhalt nicht verzichten sollte, solange die Kinder so klein sind.
Bei den letzen Worten von Frau A wird Herr A leichenblass, springt wütend auf und rennt aus dem Zimmer. Frau A und die Mediatorin bleiben irritiert zurück. Die Sitzung ist beendet. Die Mediatorin wendet sich schriftlich an die Parteien und bittet um Aufklärung und ein Gespräch über das ihr unverständliche Verhalten. Beide rufen sofort an und vereinbaren einen weiteren Termin.
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TIPP: Plötzlicher und unverständlicher Abbruch der Mediation Scheuen Sie sich nicht, auf einer Aufklärung zu bestehen. Oft sind die Parteien auch dankbar, wenn Sie ihnen eine Brücke bauen, um in der Mediation fortfahren zu können.
Herr A: Ich werde mich nicht auf irgendeinen ‚Psychokram‘ einlassen. Das tue ich mir nicht an. Ich will das nicht. Mediatorin: Wir haben zu Beginn der Mediation vereinbart, dass in der Mediation nur das geschehen wird, womit Sie beide einverstanden sind. Sie haben jederzeit das Recht zu sagen, was Sie wollen und was Sie nicht wollen. Das gilt selbstverständlich auch für Situationen, die Sie als Übergriff empfinden. Sie können jederzeit ‚Stopp‘ sagen. Könnten Sie sich auf dieser Basis auf ein weiteres Gespräch einlassen? Herr A: In Ordnung.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Mediatorin: Warum erwarten Sie denn jetzt ‚Psychokram‘ und welcher Art sollte der denn sein? Es geht doch um den Verzicht von Unterhalt. Was hat das mit ‚Psychokram‘ zu tun? Herr A: Ich habe mit diesem ‚Psychokram‘ nur schlechte Erfahrungen gemacht. Ich fürchte, dass wir streiten werden. Ich möchte mir vorbehalten, jederzeit gehen zu können. Mehr will ich dazu jetzt nicht sagen. Mediatorin: Ich werde die Grenzen, die Sie mir setzen, respektieren. Ich möchte Ihnen beiden die gleiche Frage stellen. Was bedeutet es Ihnen, Frau A, wenn Sie auf Unterhalt gänzlich verzichten? Was bedeutet es für Sie, Herr A, wenn Ihre frühere Frau auf Unterhalt verzichtet? Wer will anfangen?
Beide sind sich einig, dass Frau A anfangen soll. Frau A: Ich weiß, dass ich an sich keinen Anspruch mehr auf Unterhalt habe, weil ich ja mit meinem Freund schon so lange zusammenlebe und die Kinder älter als drei Jahre alt sind. Ich bin auch den ewigen Streit mit meinem ehemaligen Mann leid. Aber ich muss nicht auf den Unterhalt verzichten. Außerdem bin ich der Meinung, dass es moralisch eigentlich nicht richtig ist, dass ich keinen Unterhalt mehr bekommen soll. Schließlich kann ich nur deshalb nicht für mich selbst sorgen, weil ich die beiden Kinder habe. Diese sind aber nicht die Kinder meines Freundes. Hätte ich die Kinder nicht zu betreuen, könnte ich ganztags arbeiten und mein Freund müsste nicht für mich sorgen. Deshalb müsste meiner Meinung nach noch immer mein Mann für mich verantwortlich sein. Mediatorin: Herr A, ich sehe, dass Sie sich jetzt sehr aufregen. Ist es für Sie, Frau A, in Ordnung, wenn ich jetzt zunächst mit Herrn A fortfahre, obwohl Sie noch nicht ganz fertig sind? Frau A: Ja. Mediatorin: Ich sehe Sie, Herr A, sehr erschrocken und sehr blass. Worüber regen Sie sich so auf?
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TIPP: Deutliche Gefühlsregungen Wenn die Parteien deutliche Gefühlsregungen wie Wut, Enttäuschung oder Trauer zeigen, sprechen Sie diese an. Damit bringen Sie den Prozess weiter.
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Allparteilichkeit
Herr A: Ich will das jetzt alles eigentlich nicht. Ich kann nur sagen, dass ich mich nicht mehr für meine frühere Frau verantwortlich fühle. Frau A (ist jetzt auch sehr aufgeregt): Ich weiß, dass Du Dich nicht verantwortlich fühlst. Du drückst Dich vor der Verantwortung. (Sie wendet sich jetzt an die Mediatorin.) Sie müssen wissen, dass er mich im Wochenbett nach der Geburt von Felicitas sitzen gelassen hat. Was sagen Sie als Frau dazu? Ist das nicht verantwortungslos? Er lässt seine Frau in der Stunde, in der sie ihn am meisten braucht, im Stich.
Die Mediatorin hört die Worte von Frau A. Gefühle wie Schrecken, Wut und Angst kommen in der Mediatorin auf.
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TIPP: Sie sind sprachlos! Gehen Sie in den Situationen, in denen Sie nicht wissen, wie Sie reagieren sollen, auf Distanz oder, um es in einer Metapher auszudrücken, auf den ‚Balkon‘, und versuchen Sie, Ihre Gedanken und Gefühle aus der Metaebene zu betrachten.
Beim Ordnen der Gedanken gesteht sich die Mediatorin ein, dass sie ihre Neutralität verloren hat. Sie hat auch zwei Kinder und weiß, wie ängstlich und hilflos sie sich direkt nach der Geburt gefühlt hat. Sie stellt sich vor, wie schmerzhaft es sein muss, in einer solchen Situation verlassen zu werden. Sie nimmt innerlich Partei für Frau A und gegen Herrn A. Sie weiß aber auch, dass sie die Mediation abbrechen muss, wenn es ihr nicht gelingt, zu ihrer Allparteilichkeit zurückzufinden. Ihr ist klar, dass sie ihre innere Balance nur dann wiederherstellen kann, wenn sie auch die Sichtweise von Herrn A verstehen kann. Mediatorin: Herr A, ich bin nicht mehr neutral. Die Geschichte Ihrer früheren Frau hat mich erschüttert und sehr gegen Sie eingenommen. Ich kann mir aber vorstellen, dass Sie eine andere Sichtweise dieser Situation haben, die mir helfen könnte, wieder die Mitte und damit meine Allparteilichkeit zu finden. Ohne Ihre Version kann und wird es hier in der Mediation nicht weitergehen können.
Herr A zögert sehr lange, fängt dann aber sehr langsam an, seine Sichtweise zu schildern.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Herr A: Meine Frau musste während der Schwangerschaft mit dem ersten Kind nahezu die gesamte Zeit liegen. Es ist klar gewesen, dass diese Probleme auch bei einer zweiten Schwangerschaft auftreten würden. Ich wollte deshalb kein zweites Kind und habe meine Frau inständig gebeten, von ihrem Kinderwunsch abzusehen. Meine berufliche Situation war damals sehr schwierig, und von mir wurde größter Arbeitseinsatz verlangt. Ich habe Angst davor gehabt, unsere Tochter Theresia während der zweiten Schwangerschaft meiner Frau allein zu betreuen und dies mit meiner Berufstätigkeit verbinden zu müssen. Diese Ängste habe ich meiner Frau mitgeteilt und sie dringend gebeten, mich nicht in diese Überforderung zu zwingen. Meine Frau hat sich aber durchgesetzt und ist gegen meinen Willen schwanger geworden. Ich habe ihr vertraut und sie hat dieses Vertrauen missbraucht. Heute weiß ich gar nicht mehr, wie ich das alles damals geschafft habe. Es ist die Hölle gewesen. Ich bin mir während dieser schlimmen Zeit sicher gewesen, dass ich meiner Frau diesen Vertrauensbruch niemals würde verzeihen können. Nach der Entbindung habe ich das Gefühl gehabt, meine Pflicht getan gehabt zu haben und mich trennen zu müssen. Davon bin ich heute noch überzeugt. (Zu Frau A gewandt:) Ich möchte Dir jetzt eine Frage stellen und ich bitte Dich, ganz ehrlich zu antworten. Ich habe mich während unserer Ehe nicht geliebt gefühlt, sondern habe eher das Gefühl gehabt, nur Versorger zu sein. Es ist Dir sehr wichtig gewesen, mich in meiner Rolle als Versorger zu haben. Meine tatsächliche Gegenwart war dir nicht wichtig. Für Dich ist die Welt in Ordnung gewesen, wenn ich für Dich und die Kinder materiell gesorgt habe. Dir ist es gleichgültig gewesen, ob ich daheim, beruflich in New York oder an einem anderen Ort war. Du hast Kinder gewollt und dazu einen Mann benötigt, der Dir die finanzielle Sicherheit gewährleistet. Du hast Dein Leben mit den Kindern und Deinen Freundinnen gut eingerichtet. Ich habe eher gestört. Du hast mich nicht geliebt. Bitte sage mir jetzt offen und ehrlich, ob es so gewesen ist.
Herr A wirkt sehr betroffen und traurig.
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Frau A (den Tränen nahe): Es hört sich schlimm an, aber ich glaube, dass Du Recht hast. Es ist alles immer so viel einfacher gewesen, wenn Du nicht da warst. Ich habe Dich schon gemocht, aber Du hast nicht so richtig in mein Leben gehört. Herr A: Es ist gut, dass Du das jetzt sagen kannst. Ich bin zwar traurig, aber nicht mehr wütend.
Drei Monate später findet die sechste Mediationssitzung statt. Beide Parteien wirken heiter und gelöst. Sie treffen eine Vereinbarung. Frau A verzichtet nicht auf den Unterhalt. Sie macht ihn nur im Moment nicht geltend. Damit sind beide einverstanden. Mediatorin: Herr A, dieser Verzicht ist Ihnen so wichtig gewesen. Wieso ist er es jetzt nicht mehr? Herr A: Ich habe jetzt Vertrauen zu ihr. Ich habe jetzt übrigens wieder einen Job in München. Dann kann ich die Kinder auch wieder häufiger sehen. Darauf freue ich mich.
Resümee: Als Mediator können Sie in der Mediation nur dann erfolgreich arbeiten, wenn es Ihnen gelingt, Ihre innere Balance zu finden und zu halten. Im vorliegenden Fall hat die Mediatorin innerlich Partei gegen Herrn A ergriffen. Sie hat deshalb nicht nur zu ihrer Allparteilichkeit zurückfinden müssen, sondern auch dafür Sorge zu tragen gehabt, dass der Mann zu ihr als Mediatorin wieder Vertrauen finden kann. Dies ist ihr gelungen. Sie konnte ihm vermitteln, dass seine Sichtweise der Dinge anders als die seiner Frau sein darf. Der Mann vertraute der Mediatorin und fand den Mut, die Situation aus seiner Sicht zu schildern.
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Nr. 5: Nähe und Distanz des Mediators sind nicht ausgewogen
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 42 Jahre, Diplom-Pädagoge, angestellt in einer sozialen Einrichtung, Ehefrau: 38 Jahre, Hausfrau und als Teilzeitkraft beschäftigt, verheiratet seit 12 Jahren, getrennt lebend seit 8 Monaten; Kinder
Konrad, 11 Jahre; Lena, 8 Jahre und Katrin, 5 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Regelung der Finanzen und des gemeinsamen Grundstücks Sachverhalt, Konfliktsituation und Verlauf der Mediation: Herr A hat sich vor einem Jahr von seiner Frau getrennt und ist vor acht Monaten aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen. Frau A will keine Trennung, akzeptiert sie aber. Sie wohnt mit den Kindern in dem Haus. Herr A wohnt in einem möblierten Zimmer. Beide sind sich darüber einig, dass den Kindern das Zuhause erhalten bleiben muss. Die finanzielle Situation stellt sich wie folgt dar: Zins- und Tilgungsleistungen für das Haus scheinen die Einkommensverhältnisse der Eheleute zu übersteigen. Während des Zusammenlebens ist ihnen die Finanzierung möglich gewesen. Die durch das getrennte Leben entstehenden Kosten machen es Herrn A unmöglich, aus dem möblierten Zimmer in eine Wohnung zu ziehen. Die Konfliktparteien stellen das Vermögen und die Verbindlichkeiten fest und arbeiten ihre Interessen heraus. Bevor die Parteien in der Mediation beginnen, Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, haben sie sich bei ihrer Bank über eine Umfinanzierung informiert, die die finanziellen Spielräume erweitern würde. Hierbei haben sie erfahren, dass sie bei einer derartigen Umfinanzierung eine Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank zahlen müssten. Dies ist ihnen nicht möglich. Zudem ist ein Teil der Fi-
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nanzierung über eine Lebensversicherung erfolgt, deren Kündigung erhebliche Verluste bedeuten würde. Die nächste Sitzung läuft wie folgt ab: Mediator: Wir haben jetzt Fakten, Zahlen und Ihre Interessen herausgearbeitet. Ich weiß von Ihnen auch, dass Ihnen das Wohl Ihrer Kinder besonders wichtig ist. Ihr Interesse, Herr A, ist es, eine größere Wohnung zu finden, damit Sie ein freieres Leben führen können. Sie, Frau A, möchten ein Zuhause, in dem sich die Kinder wohl fühlen. Ich schlage nun vor, dass Sie in Form des Brainstormings Lösungsmöglichkeiten andenken. Herr A (zögerlich): Rein theoretisch können wir das Haus verkaufen.
Der Mediator beginnt, diese Möglichkeit auf das Flipchart zu schreiben. Frau A beginnt sofort zu weinen. Herr A: Nein, nein, das können Sie gleich vergessen. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass die Kinder ausziehen müssen. Das geht nicht. Ich werde einfach so eingeschränkt weiterleben müssen, bis die Kinder groß sind. Frau A: Ich finde es furchtbar, aber ich glaube, dass Du Recht hast. Es gibt keine andere Lösung. Wir haben das Haus für die Kinder gebaut. Unsere Trennung ist für die Kinder ohnehin schlimm. Wir würden unverantwortlich handeln, wenn wir sie außerdem aus ihrer gewohnten Umgebung herausnehmen würden.
Der Mediator kann die Situation des Konfliktpaares sehr gut nachvollziehen. Er hat sich gerade ein Haus für seine Familie mit den Kindern gebaut und stellt sich vor, in einer ähnlichen Situation dieses Haus, an dem alle Familienmitglieder hängen, aufgeben zu müssen. Dieser Gedanke erschreckt ihn derart, dass er für einen Augenblick die Balance verliert: Mediator: Ich glaube auch nicht, dass es eine Lösung gibt. Ich kann Sie so gut verstehen. Auch ich habe mit meiner Frau ein Haus für die Kinder gebaut. Auch ich kann mir nicht vorstellen, dass ich es je fertigbringen würde, den Kindern das Zuhause zu nehmen.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Als Herr und Frau A den Mediator hilflos und verzweifelt ansehen, wird ihm klar, dass er seine Distanz verloren hat. Allparteilichkeit ist nur möglich, wenn der Mediator Abstand zu den Problemen des Konfliktpaares hat. Es ist wenig hilfreich, wenn er sich zu sehr mit den Medianden identifiziert und sich deren Probleme zu eigen macht. Er erkennt auch, dass er einen Grundsatz der Mediation aus den Augen verloren hat: In Phase 4 der Mediation werden die Konfliktpartner ermuntert, Lösungsmöglichkeiten zu finden, ohne sie sofort zu bewerten; s. unten S. 172. Hier haben sich die Konfliktpartner dadurch blockiert, dass sie nicht einmal den Gedanken, das Haus zu veräußern, zuließen. Der Mediator erkennt seine Verstrickung, die er gegenüber den Medianden artikuliert. Die Fortsetzung dieses Mediationsfalles können Sie bei Fall Nr. 33 (S. 174) nachlesen. Resümee: Allparteilichkeit verlangt Distanz. Mediation ist nur dann erfolgreich, wenn der Mediator Abstand zu den Problemen des Konfliktpaares hat und ihm der Balanceakt zwischen Nähe und Distanz gelingt.
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Nr. 6: Zu große Distanz
Familien – und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 34 Jahre, technischer Zeichner, Ehefrau: 32 Jahre, Arzthelferin, verheiratet seit 5 Jahren, getrennt lebend seit 3 Monaten; Kinder
Moritz, 5 Jahre und Benjamin, 3 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Finanzen
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Sachverhalt und Konfliktsituation: Frau A will die Trennung von ihrem Mann. Sie fühlt sich ungeliebt. Sie möchte mit den Kindern im Haus bleiben. Das Grundstück gehört beiden je zu 1/2. Herr A sieht keine Probleme. Er versteht seine Frau überhaupt nicht. Für ihn ist die Ehe in Ordnung. Er will nicht ausziehen. Verlauf der Mediation: In der ersten Sitzung fragt der Mediator die Konfliktpartner, was sie von der Mediation erwarten. Frau A: Wir schaffen es nicht, mit dieser Situation umzugehen. Wir kommen nicht weiter. Wir drehen uns im Kreis. Jeder Streit wird schlimmer, und ich habe Angst, dass alles ganz furchtbar wird. Wir können nicht miteinander streiten. Sie sollen moderieren, neutral sein und uns helfen, dass wir Eltern bleiben können. Das hoffe ich. Herr A: Mir geht es ähnlich. Ich verstehe meine Frau überhaupt nicht. Ich weiß nicht, was sie will. Es kommt mir einfach so vor, als ob sie spinnt. Das ist wie eine Krankheit. Ja, Du spinnst. Du bist einfach verrückt. Frau A: Du Idiot hast nicht das Recht, so mit mir umzugehen. Wenn hier einer spinnt, dann bist Du das, Du Blödmann.
Die Lautstärke steigt bei diesem Wortwechsel. Beide Konfliktpartner schreien sich nur noch an und beschimpfen sich. Beide tun dies mit gleicher Intensität. Der Mediator fühlt sich zunehmend unwohl. Er kann die Wortwahl und die Lautstärke nicht ertragen. Mediator: Mediation ist für mich nur möglich, wenn die Konfliktparteien respektvoll miteinander umgehen und sich nicht gegenseitig beleidigen. Einen derartigen Umgang kann ich in einer Mediation nicht zulassen. Ich kann gut verstehen, dass Sie sich in einer schwierigen Situation befinden, in der Sie beide sehr emotional reagieren. Können Sie sich vorstellen, in einem respektvollen Ton miteinander zu reden?
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TIPP: Die Konfliktpartner streiten nicht konstruktiv Lassen Sie die Parteien zunächst streiten! Auch in heftigem Streit kann Kraft liegen. 33
Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Fassen Sie die Äußerungen der Konfliktpartner zusammen, wobei Sie die Beleidigungen weglassen. Stellen Sie die Kraft der Auseinandersetzung und das Engagement fest und würdigen Sie dieses. Stellen Sie den Medianden folgende Frage: Glauben Sie, dass diese Art der Auseinandersetzung produktiv ist? Beide Konfliktpartner stimmen zu. Das Gespräch verläuft zunächst sehr ruhig und sachlich. Beiden Eheleuten ist es vor der Mediation gelungen, eine Umgangsregelung und den Auszug von Herrn A aus dem Haus zu regeln. Frau A (lachend): Wir haben das zusammen mit einem guten Freund geschafft. Es dauerte die ganze Nacht lang, aber es ist in Ordnung. Herr A: Ja, es ist in Ordnung, ich kann mit den Regelungen gut umgehen. Wir müssen hier jetzt nur noch die Finanzen regeln. Mediator: Schön, dann lassen Sie uns damit beginnen, dass wir die Zahlen zusammentragen.
Die Zahlen und Belege hat Herr A bereits mitgebracht. Er ist angestellt tätig und hat einen Einkommensspiegel des letzten Jahres mit allen Zuwendungen und Sondergratifikationen erstellt. Frau A hat Einkünfte aus ihrer Tätigkeit als Arzthelferin. Herr A ist der Ansicht, dass sie weitere Einkünfte als Bedienung in einem Lokal hat. Frau A: Ich habe diesen Job im Lokal nicht mehr. Es ist mir zu viel gewesen. Du bist nicht mehr da und ich kann die Kinder nicht soviel allein lassen. Außerdem habe ich ohnehin nicht viel verdient.
Darauf reagiert Herr A sehr aggressiv. Er schreit seine Frau an. Sie schreit in gleicher Weise zurück. Mediator: Ich kann diese Art der Auseinandersetzung nicht mehr ertragen und werde mir Ihre Streitigkeiten nicht länger anhören. Frau A (traurig): Sie finden uns furchtbar und verachten uns. Mediator (zögerlich): Ich fürchte, ja. Aber es beschämt mich auch. Ich möchte mich jetzt eigentlich nur entschuldigen. Einerseits ist ein derartig
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Allparteilichkeit
respektloser Umgang nicht nur in der Mediation undenkbar, andererseits muss ich gleichzeitig anerkennen, dass Sie außerhalb der Mediation in der Lage gewesen sind, eine Regelung zu finden. Wir müssen überlegen, ob wir weiter miteinander arbeiten können.
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TIPP: Der Mediator verliert den Respekt vor den Konfliktpartnern Wenn Sie als Mediator den Respekt vor den Konfliktpartnern verlieren, gestehen Sie dies vor den Medianden ein. Diese spüren Ihre Haltung ohnehin.
Der Mediator hat seine Allparteilichkeit verloren und sich innerlich zu weit von den Konfliktpartnern entfernt. Er hat das Konfliktpaar nicht wertgeschätzt und den Respekt vor ihnen verloren. Der Mediator hat zunächst vergessen, dass die Konfliktpartner trotz ihrer gegenseitigen Beleidigungen zu einem anderen Zeitpunkt in der Lage gewesen sind, konstruktiv miteinander umzugehen und Vereinbarungen zu treffen. Sie beleidigen sich also nicht immer. Der Mediator hat mit den Medianden eine Pause vereinbart, damit alle Beteiligten entscheiden können, ob sie die Mediation fortsetzen wollen. Danach hat folgende Sitzung stattgefunden: Mediator: Ich möchte mich zunächst nochmals für mein Verhalten entschuldigen. Ich habe inzwischen nachgedacht. Ich glaube, dass ich meine Allparteilichkeit verloren habe. Ich bin über die Form Ihres Streites erschrocken und habe mich von Ihnen distanziert. Ich habe es schon immer als schwierig empfunden, wenn Konflikte mit großer Lautstärke ausgetragen werden. Bei diesem Schreck habe ich übersehen, dass Sie beide sehr wohl auch in der Lage sind, konstruktiv mit Konflikten umzugehen. Dies tut mir wirklich leid. Ich habe jetzt das Gefühl, dass ich wieder die Mitte zwischen Ihnen gefunden habe. Ich freue mich, dass Sie weiter mit mir arbeiten wollen. Frau A: Ich selbst finde unsere Art der Auseinandersetzung erschreckend. Der Streit ist so kräftezehrend und belastend. Es kommt auch immer wieder zu Verletzungen, die für uns beide sehr schmerzvoll sind. Ich schätze an Ihnen Ihre ruhige und beherrschte Art. Das gibt mir Sicherheit und Vertrauen. Herr A: Mir geht es auch so. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie man streitet, ohne sich anzubrüllen. Auch ich habe Ihre ruhige Art sehr genos-
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
sen und habe deshalb das Vertrauen, dass wir mit Ihrer Hilfe auch den Rest des Weges schaffen. Allerdings habe ich mit der Verachtung, die ich gespürt habe, schlecht umgehen können. Jetzt ist es besser.
In weiteren zwei Sitzungen erarbeiten die Parteien Regelungen über den Unterhalt und die zukünftige gemeinsame Verwaltung des Hauses. Ab und zu bricht das alte Streitmuster wieder auf. Der Mediator und die Parteien gehen aber fast spielerisch mit diesen Situationen um. Resümee: Das Konfliktpaar geht wenig respektvoll miteinander um und beschimpft sich gegenseitig. Der Mediator erschrickt über die Art und Weise der Auseinandersetzung. Er distanziert sich von den Parteien und verliert seine Balance. Damit wird Mediation erst einmal unmöglich. Der Mediator gesteht den Fehler ein und gewinnt seine Gelassenheit zurück. Er ist nun imstande, das Konfliktpaar trotz seines Streites zu würdigen. Dadurch gewinnt er das Vertrauen des Paares zurück.
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III. Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht 1. Allgemeines Die Offenheit der Beteiligten setzt unbedingten Vertrauensschutz voraus. Es ist für die Konfliktpartner, die bereit sind, alle Fakten offenzulegen, von großer Wichtigkeit, dass diese Erkenntnisse später weder außerhalb des geschützten Rahmens der Mediation von dem Konfliktpartner an Dritte offenbart, noch in einem Prozess gegen einen an der Mediation Beteiligten verwendet werden. a) Verschwiegenheit des Mediators aa) Mediator mit dem Grundberuf Rechtsanwalt Der Mediator, der als Anwalt zugelassen ist, ist kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 43a Abs. 2 BRAO). Der Notar, der als Mediator tätig ist, ist gemäß § 18 BNotO zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ein Verstoß des Mediators gegen diese Verpflichtung hat strafrechtliche Konsequenzen gemäß § 203 Abs. 1 StGB. Dieser Personenkreis ist somit kraft Gesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet, ohne dass diese Verpflichtung auf Seiten des Mediators einer vertraglichen Vereinbarung zwingend bedarf. Zur Klarheit und Beruhigung der Medianden sollte sich der Mediator gleichwohl im Eingangsvertrag zur Verschwiegenheit verpflichten; folgender Wortlaut ist denkbar: „Der Inhalt der Mediationsgespräche ist auch für den Mediator vertraulich. Er ist darf keine Informationen und Erkenntnisse aus dem Mediationsverfahren ohne schriftliche Zustimmung der Beteiligten weitergeben.“ Der Mediator soll vor Gericht nur dann eine Aussage machen dürfen, wenn alle Konfliktpartner ihn von der Schweigepflicht entbinden. Der Mediator seinerseits weist die Medianden darauf hin, dass er sich bei Gerichtsverfahren nicht als Zeuge zur Verfügung stellt.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
bb) Mediator mit anderem Grundberuf Mediatoren mit einem anderen Grundberuf als dem des Rechtsanwalts stand bislang als Mediator ein gesetzliches Schweigerecht und eine Schweigepflicht nur bei der Ausübung von Tätigkeiten in ihrem Grundberuf zu. Bei Personengruppen, deren Tätigkeit den Heilberufen zuzuordnen ist wie z.B. Ärzten, Diplompsychologen, Drogenberatern und Sozialarbeitern beschränkte sich die Verschwiegenheitspflicht auf ihre Tätigkeit in ihrem Grundberuf. Dasselbe gilt für Geistliche. Auch hier bezog sich das Recht und die Pflicht lediglich auf Angelegenheiten der Seelsorge. Keine Seelsorge sind dagegen die karitative oder erzieherische Tätigkeit5 und die Mediationstätigkeit eines Geistlichen. b) Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators Bei Rechtsanwälten und Notaren entspricht der materiell-rechtlichen Schweigepflicht das verfahrensrechtliche Zeugnisverweigerungsrecht, welches in § 53 StPO für Strafverfahren, in § 383 ZPO für Zivilverfahren und in § 29 Abs. 2 FamFG für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit seinen gesetzlichen Ausdruck gefunden hat. Angehörige anderer Berufsgruppen, die als Mediatoren tätig waren, stand dieses Privileg in der Vergangenheit nicht zur Seite. Dies hat sich erst durch das am 26.7.2012 in Kraft getretene MediationsG6 geändert. Gemäß § 4 MediationsG ist der Mediator zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist. Im Falle eines Scheiterns der Mediation steht nunmehr auch Mediatoren aus nichtanwaltlichen Berufsgruppen mit der Ausnahme von Strafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht zur Seite. c) Verschwiegenheit der Medianden Nicht nur die Verschwiegenheit des Mediators, sondern auch die der Medianden ist für das Mediationsverfahren und sein Ergebnis essentiell. Die Medianden versprechen sich deshalb in dem Eingangsvertrag, die im Verlauf der Mediation gewonnenen Informatio5 Zöller/Greger, § 383 ZPO Rz. 11. 6 BGBl. I, S. 1577.
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Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht
nen vertraulich zu behandeln. Keiner darf die Informationen ohne Zustimmung des anderen einem Dritten mitteilen. Unterlagen, die ein Konfliktpartner in das Verfahren eingeführt hat, dürfen in einem Gerichtsverfahren nicht als Beweismittel gegen ihn verwendet werden. Bei einer derartigen Vereinbarung handelt es sich um eine prozessuale Abrede über die Unterlassung eines Beweisantrags. Wenn ein Konfliktpartner gegen diese Vereinbarung verstößt und einen entsprechenden Beweisantrag stellt, hat der andere Konfliktpartner die Möglichkeit, seinerseits bei Gericht zu beantragen, den Beweisantrag zurückzuweisen. Das Gericht wird diesem Zurückweisungsantrag entsprechen. Für die Verpflichtung zur Verschwiegenheit eines Konfliktpartners gegenüber dem anderen bei einer Trennungs- und Scheidungsmediation ist folgende Formulierung denkbar: Musterformulierung: „Wir verpflichten uns, sämtliche im Verlauf des Verfahrens gewonnenen Informationen vertraulich zu behandeln, sie weder einem Dritten ohne Zustimmung des anderen mitzuteilen, noch sie in einem gerichtlichen Verfahren gegen den anderen Ehegatten zu verwenden. Wir verpflichten uns ferner, die Unterlagen, die die Ehegatten dem Mediator übergeben haben, nicht als Beweismittel in einen eventuellen Prozess einzuführen.“ S. auch Eingangsvertrag S. 260, 265. Die Abrede hilft jedoch nicht weiter, wenn es sich um einen reinen Sachvortrag im gerichtlichen Verfahren ohne Beweisangebot handelt. Ein Konfliktpartner darf die Behauptungen des Verfahrensgegners nicht der Wahrheit zuwider bestreiten. In diesem Fall ist es durchaus möglich, dass durch die Preisgabe von Informationen dem anderen Konfliktpartner ein Schaden entsteht. Ein Verwertungsverbot besteht nicht.
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TIPP: Regressgefahr! Weisen Sie beim Erstgespräch und auch im schriftlichen Eingangsvertrag darauf hin, dass Sie die Einhaltung dieser Verpflichtung nicht überwachen und damit nicht garantieren können. Weisen Sie auch darauf hin, dass die Nichteinhaltung dieser 39
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Verpflichtung zum Eintritt eines rechtlichen Nachteils bei dem anderen Konfliktpartner führen kann. Ohne diesen Hinweis sind Sie unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet. Schließen Sie zur Vermeidung eigener Nachteile und Regressansprüche eine Haftpflichtversicherung ab. Resümee: Die Konfliktbeteiligten verpflichten sich zu Offenheit und Offenlegung der relevanten Fakten im Mediationsverfahren. Sie haben den Anspruch, dass die Fakten, die sie offengelegt haben, nicht außerhalb der Mediation gegen sie verwendet werden. Mediatoren haben das Recht und die Pflicht zur Verschwiegenheit und damit ein Zeugnisverweigerungsrecht, mit Ausnahme von Strafverfahren.
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 7: Ein Konfliktpartner glaubt nicht, dass sich der andere an die Schweigepflicht hält
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 39 Jahre, Arzt, Ehefrau: 34 Jahre, Schriftstellerin, verheiratet seit 10 Jahren, getrennt lebend seit 6 Monaten; Kinder
Karl, 8 Jahre; Fritz, 6 Jahre und Hanna, 4 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Umgang, Kindesunterhalt, Auflösung der Ehewohnung Sachverhalt und Konfliktsituation: Frau A hat sich einem anderen Mann zugewandt und von ihrem Ehemann getrennt. Herr A leidet sehr unter der Trennung. Frau A plant, mit ihrem neuen Lebensgefährten und den Kindern in eine andere Stadt zu ziehen. Das Paar ist sehr zerstritten. Herr A ist ent40
Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht
täuscht und hat kein Vertrauen zu Frau A, weil sie das Eheversprechen gebrochen hat. Verlauf der Mediation: Der Mediator erläutert in der ersten Mediationssitzung das Verfahren der Mediation und erörtert mit dem Konfliktpaar den Grundsatz der Vertraulichkeit und der Verschwiegenheit. Herr A: Ich bin überrascht, dass man sich in den Eingangsverträgen über das Mediationsverfahren zur Vertraulichkeit verpflichten kann. Nein, ich habe nichts dagegen. Im Gegenteil! Auch ich würde mir wünschen, dass die Dinge, die in der Mediation besprochen werden, nicht nach außen dringen. Mir ist dies sehr wichtig. Ich würde mich gern dazu verpflichten und diese Verpflichtung auch einhalten. Ich bin mir aber sicher, dass meine Ehefrau eine derartige Verpflichtung nicht einhalten würde. Sie würde natürlich ihrem Geliebten alles, was hier in diesem Verfahren besprochen wird, erzählen. Mediator: Frau A, wie ist Ihre Einstellung zur Vertraulichkeit? Können Sie sich vorstellen, einen derartigen Grundsatz für dieses Verfahren zu vereinbaren? Was würde dies für Sie bedeuten?
Frau A reagiert sehr verletzt, als Herr A die Vermutung ausspricht, sie würde sich nicht an vereinbarte Regeln halten. Frau A: Ich habe darüber nachgedacht, als mein Mann geredet hat. Für mich wäre es schon leichter, mit meinem Lebensgefährten die Themen dieses Verfahrens zu besprechen. Ich will mich aber trotzdem dazu verpflichten, die Dinge, die wir hier bei Ihnen besprechen, vertraulich zu behandeln. Davon wird niemand etwas erfahren. Mediator: Frau A, darf ich zusammenfassen, wie ich Sie verstanden habe? (Frau A nickt.) Ihr Leben wäre einfacher, wenn Sie alle die für Sie wichtigen Themen, auch die Themen der Mediation, mit Ihrem neuen Partner besprechen könnten. Dadurch könnten Sie besser mit den durch die Trennung entstandenen Problemen umgehen. Sie haben von Herrn A gehört, dass es für ihn wichtig ist, über die hier besprochenen Angelegenheiten Stillschweigen zu bewahren. Sie wollen sich deshalb verpflichten, dass auch Sie über die in der Mediation besprochenen Themen außerhalb der Mediation schweigen. Sie werden diese Dinge auch
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
nicht mit Ihrem Freund besprechen. Habe ich dies richtig verstanden? (Frau A nickt.) Herr A: Das glaube ich nicht! Sie hat in der Vergangenheit Vereinbarungen, die wir getroffen haben, nicht eingehalten. Mediator: Welche Vereinbarungen genau hat Frau A nicht eingehalten? Frau A (bricht in heftiges Weinen aus): Er meint unsere Eheschließung. Er wirft mir ständig vor, die Vereinbarung, die wir zu Beginn unserer Ehe mit der Eheschließung eingegangen sind, gebrochen zu haben, weil ich mich von ihm getrennt habe und aus der Ehe weggehen will. Er gibt mir die alleinige Schuld für das Scheitern unserer Beziehung. Mediator: Ich möchte noch einmal zusammenfassen, was Sie beide eben geäußert haben. Sie, Herr A, möchten, dass Sie beide über alle Themen, die in der Mediation besprochen werden, Stillschweigen bewahren und sie nicht mit dritten Personen besprechen. Sie wollen sich selbst an diese Verpflichtung halten, glauben aber nicht, dass sich Ihre Frau an diese Verpflichtung hält. Ist dies so? (Herr A nickt.) Frau A, Sie wollen ebenfalls über alle Themen der Mediation außerhalb dieses Verfahrens schweigen. Glauben Sie, dass sich Ihr Ehemann an diese Verpflichtung halten und alle Themen vertraulich behandeln wird? Frau A: Ich denke, dass er schweigen wird.
Die Äußerungen des Mannes, – er werde die Grundsätze des Mediationsverfahrens einhalten, – seine Frau werde diese Verpflichtung wahrscheinlich nicht einhalten, und die Äußerungen der Frau, – sie werde die Grundsätze des Mediationsverfahrens einhalten, – ihr Mann werde diese Grundsätze ebenfalls einhalten, stellen für den Mediator ein Problem dar. Ist das Mediationsverfahren überhaupt für dieses Konfliktpaar geeignet? Kann ein Mediationsverfahren durchgeführt werden, wenn eine Konfliktpartei der anderen nicht traut? Der Mediator hat von beiden Konfliktpartnern den Eindruck gewonnen, dass sie verpflichtungstreu sein und sich an die vereinbarten Regeln halten wollen. Er sieht auch, dass die Frau sehr unter dem Misstrauen des Mannes leidet. Der Mann traut der Frau nicht, weil sie sich von ihrer Unterschrift beim Standes42
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amt lösen und die eheliche Gemeinschaft beenden will. Er will sie durch sein Misstrauen für diese Absicht bestrafen. Der Mediator spricht dieses Problem noch einmal an. Er weist darauf hin, dass er von beiden Konfliktpartnern den Eindruck gewonnen habe, sie würden ihre Zusagen für die Regeln des Verfahrens einhalten wollen. Dieser Eindruck genügt dem Mediator erst einmal, um ein Mediationsverfahren zu beginnen. Aber würde den beiden Parteien dies ebenfalls genügen? Wären beide bereit, an einem Verfahren teilzunehmen, obwohl einer von ihnen dem anderen nicht völlig traut? Beide Konfliktpartner bejahen die Frage ohne Zögern. Der Mediator fühlt sich in dieser Situation unsicher, will aber aus dem Gefühl der Unsicherheit heraus die Mediation nicht voreilig abbrechen und führt die Sitzung bis zum zeitlichen Ende durch. Danach verschafft er sich Gelegenheit zum Nachdenken und begibt sich in die Supervision.
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TIPP: Supervision Wenn Sie als Mediator das Gefühl haben, nicht weiterzukommen und für sich eine Klärung benötigen, begeben Sie sich in die Supervision. Dort haben Sie die Gelegenheit, sich wieder zu sortieren und Klarheit zu gewinnen. Und Sie haben die Gelegenheit zu erfahren, dass Ihre Kollegen, selbst wenn sie sehr erfahren sind, ähnliche Schwierigkeiten haben. Aus diesem Grunde gehört zur Tätigkeit eines Mediators laufende Supervision nach VII. der Richtlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation e.V. (BAFM) und nach 3.4. der Standards des Bundesverband Mediation e.V. (BM) im Hinblick auf seinen persönlichen Einsatz, namentlich seiner Allparteilichkeit.
Für den Mediator ist die Haltung des Mannes ein Ausdruck seiner Ambivalenz zum Trennungsgeschehen. Die anschließende Supervision bestärkt den Mediator, die Mediation fortzuführen, auch wenn noch nicht alle Zweifel beseitigt sind. Die Entscheidung hat sich als richtig erwiesen. Zu Beginn der zweiten Sitzung spricht der Mediator beide Konfliktpartner darauf an, dass nach seinem Verständnis von Mediation jeder der Beteiligten
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
davon ausgehen können sollte, auch der andere Beteiligte werde sich an die vereinbarten Verfahrensregeln halten. Zur Überraschung des Mediators erklärt Herr A nunmehr, er habe nachgedacht. Für ihn sei sein bisheriges Misstrauen kein Thema mehr. Wenn seine Ehefrau erkläre, sie würde sich an die Vereinbarungen halten, könne er nun davon ausgehen, dass sie dies auch tun würde. Nach diesen Worten ist auch Frau A offensichtlich erleichtert. Das Mediationsverfahren kann fortgesetzt werden. Resümee: Voraussetzung für die Durchführung eines Mediationsverfahrens ist die Einhaltung der Prinzipien wie Freiwilligkeit, Offenheit, Verschwiegenheit usw. Die Beteiligten müssen bereit sein, diese Regeln für sich zu akzeptieren und einzuhalten. Können sie nicht glauben, dass der andere Konfliktpartner diese Regeln ebenfalls zu akzeptieren bereit ist, so hindert dieser Zweifel die Durchführung eines Mediationsverfahrens nicht, wenn die Beteiligten trotz ihres Zweifels an einem derartigen Verfahren teilnehmen möchten. Allerdings sollte der Mediator die Beteiligten fragen, was sie benötigen, um dem anderen trauen zu können. Sich selbst sollte der Mediator fragen, ob derartige Zweifel Ausdruck einer Trennungsambivalenz sind.
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Nr. 8: „Ich will nicht, dass sie ihren Freundinnen von dem, was hier in der Mediation geschieht, erzählt.“
Familien und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 37 Jahre, Mathematiker, Ehefrau: 33 Jahre, Erzieherin, verheiratet seit 12 Jahren, kinderlos, getrennt lebend seit 10 Monaten. Themenbereiche der Mediation: Aufteilung des Vermögens, Unterhalt für Frau A
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Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht
Sachverhalt und Konfliktsituation: Herr und Frau A haben sich bereits in früher Jugend kennengelernt. Sie wünschten sich Kinder. Dieser Wunsch hat sich leider nicht erfüllt. Herr A wollte die Trennung. Frau A hat vor kurzer Zeit einen neuen Partner gefunden, von dem sie schwanger ist. Verlauf der Mediation: In der ersten Sitzung ergibt sich beim Thema Verschwiegenheit folgender Dialog: Herr A: Ich will, dass alles, was hier gesagt wird, im geschützten Rahmen bleibt. Frau A: Das kann ich Dir nicht versprechen. Für mich ist das Reden über die Beziehung und das, was geschieht und geschehen ist, eine Form, mit allem fertig zu werden. Ich muss mit meinem Freund und auch mit meinen Freundinnen darüber reden können. Herr A: Das ist ja schrecklich. Das bringt mich in fürchterliche Situationen. Das will ich nicht. Am schlimmsten ist die Vorstellung, dass diese Freundinnen, von denen ich einige ohnehin nicht mag, dann Dinge von mir wissen, diese womöglich weitererzählen, und ich nicht genau weiß, wer dann was von mir weiß. Das wird mir das Gefühl geben, auf Watte zu gehen und ausgeliefert zu sein. Ich kann allerdings auch verstehen, dass Du über alles reden musst. Mediator: Ich stelle fest, dass Sie, Frau A, den Wunsch haben, über die Beziehung und die Entwicklungen in der Mediation mit vertrauten Menschen reden zu können. Auf der anderen Seite habe ich verstanden, dass Sie, Herr A, den Wunsch haben, über intime Dinge nur hier im geschützten Rahmen der Mediation zu reden. Sie können sich schon vorstellen, dass es Freunde geben kann, die über derartige Angelegenheiten informiert sind. Sie möchten wissen, welche Personen dies sind. Habe ich Sie beide richtig verstanden? Herr und Frau A: Ja. Mediator: Herr A, können Sie sich vorstellen, hier zu arbeiten, wenn Frau A die Angelegenheiten, die hier in der Mediation besprochen werden, mit ihren Freundinnen beredet? Herr A: Nein. Ich kann es nicht billigen, wenn sie mit allen Freundinnen und ihrem Freund über die Inhalte der Mediation redet.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Mediator: Herr A, können Sie es sich vorstellen, dass sich Frau A mit einigen Menschen, denen sie vertraut, austauscht? Herr A: Ja. Frau A: Ich habe jetzt verstanden, welche Probleme Du hast. Ich will Deinen Wunsch respektieren. Bitte sage doch, zu welcher Person Du Vertrauen hast. Ich muss ja nicht mit allen darüber reden.
Herr A benennt zwei Freundinnen, die er mag und zu denen er eine gute Beziehung hat. Er bittet Frau A, ihrem Freund nichts zu erzählen. Diese Zusage fällt Frau A schwer, aber sie kann sie geben. Resümee: Nicht nur der Mediator ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Auch die Konfliktpartner müssen sich einigen, ob sie über Inhalte der Mediation mit Dritten sprechen dürfen.
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Nr. 9: „Meine betriebswirtschaftlichen Zahlen gehen niemanden etwas an.“
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 44 Jahre, Arzt, Ehefrau: 38 Jahre, Sprechstundenhilfe, verheiratet seit 7 Jahren, getrennt lebend seit 3 Monaten. Themenbereiche der Mediation: Unterhalt für Frau A, Vermögensauseinandersetzung Sachverhalt und Konfliktsituation: Frau A hat die Trennung gewollt. Sie hat sich in einen Kollegen ihres Mannes verliebt.
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Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht
Verlauf der Mediation: Die Konfliktpartner wollen eine Eingangsvereinbarung schließen. Beim Thema Offenheit und Verschwiegenheit kommt es zu folgendem Dialog: Herr A: Ich möchte meine Einkünfte nicht offenlegen. Mediator: Was hindert Sie daran? Herr A: Ich weiß, dass Sie eine Schweigepflicht haben. Ich vertraue darauf, dass Sie diese auch einhalten werden. Nicht sicher bin ich mir aber, ob sich meine Frau auch einer solchen Schweigepflicht unterwerfen wird. Frau A: Aber es ist doch für niemanden interessant, worüber wir hier reden. Was befürchtest Du denn? Herr A: Ich weiß, dass sie mit meinem Kollegen inzwischen eine Beziehung hat. Wir sollen vereinbaren, dass ich alle meine Zahlen über mein Einkommen offenlegen und belegen werde. Ich befürchte, dass sie ihm die Zahlen vielleicht zur Überprüfung gibt oder auch nur, um mit ihm darüber zu reden. Das will ich nicht. Mediator: Ich habe verstanden, dass Sie darauf vertrauen, dass ich eine Schweigepflicht habe und diese auch einhalten werde. Ich habe auch verstanden, dass Sie befürchten, dass Ihr Kollege von Ihrer Frau die Zahlen über Ihr Einkommen erhalten könnte. Habe ich richtig verstanden, dass Sie diesbezüglich kein Vertrauen zu Ihrer Frau haben? Herr A: Ja. Sie ist mir gegenüber auch sonst nicht mehr solidarisch. Schließlich hat sie mich verlassen. Er ist beruflich und persönlich mein Konkurrent. Frau A: Du spinnst, ich verstehe Dich nicht. Er will Dir doch gar nichts Böses. Ich kann das gar nicht begreifen. Ich werde ihm nichts erzählen. Aber wenn Du mir nicht glaubst, nützt das wenig. Mediator: Herr, A, wären Sie gern in der Lage, Ihrer Frau vertrauen zu können? Herr A: Ja, ich könnte dann viel freier mit allem umgehen, weil ich nicht so viele Befürchtungen haben müsste. Mediator: Herr A, was benötigen Sie, um Ihrer Frau vertrauen zu können?
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Herr A: Ich müsste das Gefühl haben, dass sie mich wirklich versteht. Sie weiß gar nicht, worum es mir geht. Mediator: Frau A, wollen Sie verstehen, worum es Ihrem Mann geht? Frau A: Ja, wenn es uns hilft. Mediator: Warum ist es für Sie so wichtig, dass alle Zahlen, die in Zusammenhang mit Ihrem Einkommen in der Mediation offengelegt werden, nicht an den Freund Ihrer Frau gelangen? Herr A: Es ist für mich beschämend, wenn er sieht, wie schlecht es mir im Moment geht. Ich bin gar nicht mehr in der Lage, richtig zu arbeiten. Ich befürchte, dass er meine Schwäche ausnutzen und triumphieren würde. Mit diesem Gefühl könnte nicht mehr mit ihm konkurrieren, was ich aber muss. Mediator: Frau A, können Sie verstehen, warum für Ihren Mann die Verschwiegenheit so wichtig ist? Frau A: Ich habe verstanden, dass es ihm schlecht geht und er nicht will, dass mein Freund davon erfährt. Er befürchtet, dass er schon an den Zahlen sehen würde, wie es um ihn steht. Ich kann nachvollziehen, dass er sich dann ausgeliefert fühlen würde. Mediator: Herr A, haben Sie das Gefühl, dass Ihre Frau sie verstanden hat? Herr A: Ja. Mediator: Benötigen Sie, Herr A, noch etwas, um wieder Vertrauen haben zu können? Herr A (wendet sich nun Frau A zu): Du müsstest es mir noch versprechen. Frau A: Ich habe Dich nun verstanden und ich verspreche Dir, dass ich meinem Freund keine Zahlen zeigen und auch nicht mit ihm über Zahlen sprechen werde.
Nunmehr haben beide Konfliktpartner Vertrauen zueinander, dass der jeweils andere Verschwiegenheit bewahrt.
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Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht
Resümee: Manchmal kann sich ein Mediand nicht zu Offenheit und Offenlegung verpflichten, weil er dem anderen Konfliktpartner misstraut. Dann ist „Vertrauen“ ein Thema in der Mediation. Der Mediator fragt den Medianden, was er genau benötigt, um Vertrauen in die Verschwiegenheit des anderen Konfliktpartners haben zu können.
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IV. Eigenverantwortung und Autonomie 1. Allgemeines a) Die Eignung des Mediationsverfahrens für die Konfliktbeteiligten Der Mediator hat sich nicht nur zu Beginn, sondern auch während des gesamten Mediationsverfahrens davon zu überzeugen, dass dieses Verfahren für die Beteiligten geeignet ist. Jeder Konfliktpartner muss wissen, was er will und seinen Willen äußern können. Zu der Eignung gehört auch die Fähigkeit, Entscheidungen treffen zu können. Ein Mediationsverfahren ist für Konfliktpartner dann geeignet, wenn: – jeder Konfliktpartner bereit ist, sich in gemeinsamen Gesprächen mit dem anderen Konfliktpartner konstruktiv auf einen Verhandlungsprozess einzulassen, – die Ziele der Konfliktparteien mit den Zielsetzungen der Mediation übereinstimmen. Ziel der Mediation bei Trennung und Scheidung ist es, dass Lösungen gefunden und vereinbart werden, mit denen beide Konfliktparteien einverstanden sind. Das bedeutet, dass beide Parteien schon zu Beginn der Mediation für Lösungen ergebnisoffen sein sollten, die sicherlich anders sein werden als die im Moment angedachten, mit denen aber sowohl sie selbst als auch der Konfliktpartner einverstanden sein müssen und – das Konfliktpaar selbst und eigenverantwortlich eine Lösung der Probleme erarbeiten will, die durch die Trennung entstanden sind. Kommt das Paar jedoch in die Mediation, um die Probleme vom Mediator entschieden zu erhalten, so ist Mediation für dieses Konfliktpaar ungeeignet. Gleiches gilt, wenn ein Paar in der Mediation in erster Linie therapeutische Hilfe sucht. Der Mediator trägt während des gesamten Mediationsverfahrens die Verantwortung, dass beide Konfliktparteien in der Lage sind, eigenverantwortlich zu handeln. Stellt er fest, dass einer Partei die Autonomie fehlt, hat er die Mediation abzubrechen.
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Eigenverantwortung und Autonomie
In Phase 2 (s. dazu unten, S. 149) des Mediationsverfahrens liegt Eigenverantwortung vor, wenn die Konfliktparteien bereit sind, sich über alle entscheidungserheblichen Tatsachen zu informieren, die für eine Entscheidung notwendig sind. Es spricht aber nicht gegen das Vorliegen von Eigenverantwortung, wenn eine oder auch beide Parteien für diese Kenntnisse Hilfe Dritter in Anspruch nehmen müssen wie Steuerberater, Rechtsanwälte oder Gutachter. In Phase 3 (s. dazu unten, S. 160) bedeutet Eigenverantwortung, dass beide Konfliktparteien eine eigene Position zum Konflikt und dessen Lösung haben sollten und für diese auch einstehen und Verantwortung übernehmen wollen und können. In Phase 5 (s. dazu unten, S. 196) liegt Eigenverantwortung vor, wenn beide Parteien sowohl entscheidungsfähig als auch entscheidungswillig sind und diese Entscheidungen auch nach außen vertreten können. b) Das Prinzip der Eigenverantwortung und die Grenzen der Mediation – eine Gratwanderung Wir fragen uns immer wieder, ob Mediation im konkreten Einzelfall gerade für diese Konfliktparteien geeignet ist. Was tun wir, wenn wir den Eindruck haben, dass eine Partei gewalttätig, suchtabhängig oder psychisch krank ist? Ist Mediation geeignet, wenn wir befürchten, dass es den Eltern in der Mediation gar nicht um das Kind geht, und sie es zu instrumentalisieren scheinen, wenn ein Elternteil das Kind entführt hat oder ein Kind den Elternteil, bei dem es nicht lebt, nicht sehen will? aa) Grenzen der Mediation aus dem Gesichtspunkt des Kindeswohls Wir unterscheiden zwischen Umgangsmediationen auf der einen Seite und allen anderen Mediationen bei Trennung und Scheidung, bei denen es um wirtschaftliche Fragen wie Unterhalt, Vermögensauseinandersetzungen, Ehewohnung, Zugewinn etc. geht. In allen Mediationsverfahren, in denen es nicht um den Umgang geht, berücksichtigen die Konfliktpaare nur die eigenen Interessen und erkennen sie gegenseitig an. Im Umgangsstreit stehen aber nicht (nur) die Interessen der Eltern im Vordergrund, sondern das Kindeswohl 51
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und die Interessen der Kinder. In keiner Auseinandersetzung sind dritte Personen unmittelbar so sehr betroffen von den Konflikten anderer und den gefundenen Lösungen wie Kinder, deren Eltern sich – vordergründig – über den Umgang streiten. Kinder können ihr Schicksal nicht selbst in die eigenen Hände nehmen. Sie können nicht ihre Interessen selbst wahrnehmen und verhandeln, sondern sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern verantwortlich auch ihre Interessen wahrnehmen. Bei einer Trennung der Eltern sind die Kinder ganz besonders auf deren Fürsorge angewiesen. Die Schwierigkeit und auch die Tragik beruht darauf, dass gerade in derartigen Augenblicken Eltern so stark mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind, dass es ihnen schwerfällt, auch noch die Interessen der Kinder wahrzunehmen. Kinder haben keine Lobby. Für uns Mediatoren bedeutet dies auch, dass eines der Prinzipien der Mediation eingeschränkt ist. Ein wichtiger Grundsatz der Mediation ist die Neutralität und Allparteilichkeit des Mediators. Bei Umgangsstreitigkeiten kann der Mediator aber nicht im üblichen Sinne neutral und allparteilich sein. Natürlich hat er sich auch hier darum zu bemühen, beide Konfliktparteien gleichermaßen zu verstehen. Das ist auch bei Umgangsmediationen der Fall. In Bezug auf die Kinder ist der Mediator aber nicht neutral, sondern parteilich für das Kind. Er hat darauf zu achten, dass Eltern trotz der schwierigen Situation nicht nur die eigenen, sondern auch die Interessen der Kinder angemessen berücksichtigen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Mediator besser als die Eltern weiß, was für die Kinder gut ist. Es geht hier um Grenzsituationen, in denen das Kindeswohl gefährdet ist. Ein Kind würde zu Verhandlungsmasse gemacht und instrumentalisiert werden, wenn z.B. der Vater das Kind, da es bei der Mutter lebt, nur dann sehen darf, wenn er auf Rechtspositionen verzichtet wie z.B. auf einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns. In einem derartigen Fall werden die Interessen der Kinder überhaupt nicht berücksichtigt. Eine Mediation ist nur dann möglich, wenn die Eltern in der ersten Mediationssitzung vor Besprechung aller anderen Themen bereit wären, den sofortigen Umgang des Kindes mit dem Vater zu regeln. Sonst würde das Kind zum Gegenstand einer Erpressung werden. Wir sind der Meinung, dass Mediation nicht möglich ist, wenn das Kind einen Elternteil nicht sehen will, ohne dass dafür ein besonde52
Eigenverantwortung und Autonomie
rer Grund ersichtlich ist. Wir wissen, dass Kinder die Trennung ihrer Eltern mit Angst und Sorge erleben. Sie verstehen nicht, warum ihre Eltern sich verletzen und abwerten. Sie sehen das Leid und sind fassungslos angesichts der Sprachlosigkeit, Aggression und Gewalt. Sie haben Angst, ihre Eltern zu verlieren. Dies ist normal, und es ist unsere Aufgabe als Mediatoren, auch das Leid der Kinder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu rücken. Eine Grenze für Mediation liegt dann vor, wenn die Kinder nicht in der Lage sind, ihre eigenen Interessen zu artikulieren, weil diese von den Bedürfnissen ihrer Eltern überlagert sind. Dies ist auch dann möglich, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, äußert, dass er den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil wünsche und auch das Kind hierzu zu überreden versuche „… aber es will ja nicht!“ Ist für uns kein Grund für eine derartige Weigerung ersichtlich und liegen auch offensichtlich keine Fälle von Gewalt, Alkohol, sexuellem Missbrauch etc. vor, so spricht einiges dafür, dass das Kind die Bedürfnisse dieses Elternteils verinnerlicht hat. Es denkt, der Elternteil, bei dem es sich befindet, erwarte eine derartige Einstellung von ihm, und vielleicht wird diese Haltung auch von ihm erwartet, ohne dass der Elternteil dies jemals explizit geäußert hat. Für diese Erscheinung gibt es einen Namen: Parantal Alienation Syndrome7. Die wichtigsten Symptome sind: – Das Kind zeigt keine Schuldgefühle, wenn es aversiv über den entfremdeten Elternteil spricht. – Das Kind ist nicht in der Lage, seine Animosität zu erklären; wenn es sie aber erklärt, sind die Erklärungen übertrieben und rechtfertigen nicht das Verhalten des Kindes. – Das Kind zeigt ein Fehlen von Ambivalenz. Wir wissen, dass es normal ist, wenn Kinder von getrennt lebenden Eltern äußern, dass sie bei beiden Elternteilen sein wollen und den Elternteil vermissen, bei dem sie nicht sind. – Häufig dehnt sich die Ablehnung des Kindes auf den Elternteil auch auf andere Verwandte diesen Elternteils (Großeltern etc.) aus.
7 Wassilius Fthenakis in: Ulrich Schmidt-Denter, Familiäre Beziehungen und Strukturen sechs Jahre nach der Trennung, Kapitel 15, 1999.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
In einem solchen Fall würden wir Psychotherapie oder ein Gerichtsverfahren, unter Umständen mit Sachverständigengutachten, vorschlagen oder den Eltern den Besuch einer sogenannten „Elternschule“, wie sie in vielen Orten vorhanden sind, empfehlen. bb) Eigenverantwortung und Gewaltproblematik Mediation ist grundsätzlich nicht geeignet, wenn eine Konfliktpartei besonderen Schutz benötigt und das persönliche Schutzbedürfnis jeden Kooperationswillen überlagert. Wenn Herr A vor und nach der Mediation Frau A verprügelt, ist es sicherlich schwer vorstellbar, dass zwischen diesen Phasen von Gewalt eine friedliche Lösung eines Konflikts erreicht werden soll. Können wir als verantwortlich arbeitende Mediatoren mit einem Paar arbeiten, wenn wir befürchten müssen, dass zwar bei uns im Raum während der Mediation die Waffen schweigen, aber außerhalb der Mediation eine Partei verprügelt wird? Wir waren früher der Auffassung, dass bei einer Gewaltproblematik Mediation grundsätzlich nicht geeignet ist. Heute glauben wir jedoch, dass man beim Vorliegen einer Gewaltproblematik Mediation weder grundsätzlich ausschließen noch befürworten kann. Vielmehr sollten wir Mediatoren den jeweiligen individuellen Fall sehr genau überprüfen und Vorteile und Nachteile von Mediation gegeneinander abwägen. Das Risiko von Mediation bei Gewalt besteht zum einen darin, dass die Konfliktpartei, gegen die Gewalt ausgeübt worden ist, aufgrund dieses Geschehens gar nicht mehr imstande ist, eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu handeln. Vermutlich wird hier eher Angst ein bestimmendes Motiv für eine Einigung sein als eigenverantwortliches Handeln. Wenn die Eheleute getrennt leben, kann es auch sein, dass gerade die Mediationssitzung dem Gewalttäter überhaupt die Möglichkeit eröffnet, mit dem Gewaltopfer in Kontakt zu kommen, so dass es unter Umständen nach der Sitzung zu neuen Gewalthandlungen kommt. Auf der anderen Seite kann es durchaus im Interesse des Opfers sein, sich langwierige und nervenaufwendige Gerichtsverfahren zu ersparen und durch Mediation schneller die Folgen von Trennung und Scheidung zu regeln.
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Diese Abwägung wird für uns Mediatoren immer schwierig sein, und die Entscheidung, ob Mediation indiziert ist, wird nicht nur von der Art des Konflikts des Paares, sondern auch von der Persönlichkeit des Mediators abhängen. Dem einen wird es vielleicht leichter fallen, auch angesichts von Gewalt Mediation anzubieten, für einen anderen wird Mediation unter Umständen aufgrund seiner eigenen Persönlichkeit undenkbar sein. Die Entscheidung hängt auch davon ab, wie der einzelne Mediator mit Grenzsituationen wie Gewalt umgehen kann. Aus diesem Grunde sollten sich Mediatoren in der Ausbildung mit dem Umgang und das Aushalten von Macht, Aggression, Wut, Gewalt und Ungleichgewicht auseinandersetzen. Wer Mediator werden will, sollte auch lernen, mit den eigenen Ängsten vor Gewalt umzugehen. cc) Eigenverantwortung und Suchtprobleme Ein anderes Problem, das die Eigenverantwortung und damit die Mediation ausschließen könnte, ist eine Suchtproblematik bei einem Beteiligten. Kann jemand an einem Mediationsverfahren teilnehmen, der trinkt oder „an der Nadel hängt“? Wir denken, dass auch Menschen mit einem Suchtproblem das Recht haben sollten, über eine Vereinbarung auch zum Umgang miteinander zu verhandeln. Allerdings würden wir sehr genau hinsehen, ob etwa die Sucht die Fähigkeit der Eltern beeinträchtigt, Entscheidungen zu treffen, ihre Bedürfnisse klar zu erkennen und zu äußern, aber auch die Bedürfnisse der Kinder wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Ist dies nicht der Fall, so ist Mediation nicht angezeigt und nicht möglich. Dann benötigen diese Menschen zu ihrem eigenen Schutz den Beistand eines Rechtsanwalts, von dem sie sich vertreten lassen. Wenn der Mediator und die Beteiligten mit einem derartigen Abhängigkeitsproblem der Meinung sind, dass Mediation verantwortlich durchgeführt werden kann, so empfiehlt es sich, besondere Regeln mit dem Konfliktpaar aufzustellen, um mit dem schwierigen Sachverhalt umgehen zu können, z.B. die Verpflichtung, nüchtern zur Mediation zu erscheinen. Hält sich der Abhängige nicht an die Vereinbarung, fällt die Sitzung aus. Vorher sollte auch vereinbart werden, dass das Honorar von demjenigen zu zahlen ist, der den Ausfall zu verantworten hat.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
dd) Eigenverantwortung und psychische Erkrankung Ein weiteres Problem bei jeder Mediation sind psychische Erkrankungen einer Konfliktpartei in der Mediation. Bei Suchterkrankungen und psychischen Erkrankungen besteht einerseits die Gefahr, dass die Konfliktbeteiligten nicht eigenverantwortlich handeln können. Andererseits werden derartig erkrankte Menschen leicht stigmatisiert. Auch ein psychisch Kranker oder ein Suchtabhängiger handelt eigenverantwortlich, wenn er trotz der Erkrankung den Sachverhalt, der in der Mediation geklärt werden soll, erfasst und die Folgen überblickt. Der Mediator übernimmt die Einschätzung und Verantwortung, nachdem er sich unter Umständen auch in der Supervision Hilfe geholt hat. Der Mediator kann aber auch die Konfliktpartei bitten, den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, um ihn zum Thema Eigenverantwortung befragen zu dürfen. Ähnlich wie bei Vorliegen einer Gewalt- oder Suchtproblematik kann es nicht generell erlaubt oder verboten sein, Mediation bei psychisch erkrankten oder suchtabhängigen Klienten durchzuführen. Der Mediator selbst kann nur subjektiv entscheiden, ob er die Durchführung der Mediation verantworten kann. Damit geht es Mediatoren ähnlich wie Notaren, die haufig bei der Beurkundung von Testamenten die Entscheidung treffen müssen, eventuell unter Hinzuziehung eines Arztes, ob der Erblasser testierfähig ist. Der Mediator muss sich allerdings in einem solchen Fall nicht nur die Frage stellen, ob das Mediationsverfahren für die Beteiligten geeignet ist, sondern ob auch er, der Mediator, selbst in der Lage ist, mit derartig erkrankten Menschen zu arbeiten. Wenn ihn die Erkrankung erschreckt oder blockiert, sollte er sich dafür entscheiden, die Mediation nicht durchzuführen. ee) Eigenverantwortung und Schuldgefühle Oft ist Mediation gerade auch bei Trennung und Scheidung dann nicht geeignet, weil vielleicht die Art und Weise, wie es zu einer Trennung kam und wie diese durchgeführt wurde, Schuldgefühle auslöste, die zu entsprechenden Zugeständnissen führen könnten, die später oft heftig bereut werden. Wenn diese Schuldgefühle nicht aufgelöst werden können, kann der Mediator nicht von Eigenver56
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antwortung der Konfliktpartei ausgehen. In diesem Fall muss das Mediationsverfahren ausgesetzt, unterbrochen oder beendet werden.
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 10: „Sagen Sie mir die Lösung, Sie sind doch der Anwalt!“
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 41 Jahre, Chefarzt, Einkommen 8000 Euro netto, Ehefrau: 38 Jahre, Krankengymnastin, Einkommen 1400 Euro netto bei Halbtagstätigkeit, verheiratet seit 15 Jahren, getrennt lebend seit einem Jahr; Kinder
Franzi, 11 Jahre; Hans, 10 Jahre und Karin, 5 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Umgang der Kinder mit dem Vater, Kindes- und Ehegattenunterhalt, Klärung der Wohnsituation, Auseinandersetzung des Eigentums am gemeinsamen Hausgrundstück, Teilung des Vermögens Sachverhalt und Konfliktsituation: Das Konfliktpaar ist zu je 1/2 Miteigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Das Eigentum ist lastenfrei. In der Ehe des Konfliktpaares hat es schwere Krisen gegeben. Frau A hat sich vor 15 Monaten einem anderen Mann zugewandt. Herr A ist daraufhin vor einem Jahr aus dem Eigenheim ausgezogen. Er lebt zu Beginn der Mediation in einer kleinen 2 1/2-Zimmerwohnung. Verlauf der Mediation: In der zweiten Sitzung haben die Eheleute die Themenbereiche und die Reihenfolge der Bearbeitung wie folgt festgelegt: Umgang der Kinder mit dem Vater, Kindes- und Ehegattenunterhalt, Klärung der Wohnsituation, Auseinandersetzung des Eigentums am gemeinsamen Hausgrundstück, Teilung des Vermögens. Sie haben ferner das vorhandene Vermögen festgestellt. Zum Schluss hat der Media57
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tor „Hausaufgaben“ verteilt. Er hat Herrn A gebeten, sich bis zur nächsten Sitzung darüber Gedanken zu machen, wie viel Geld er im Monat für seinen Lebensunterhalt, d.h. Miete, Nebenkosten, Nahrungsmittel, Pkw, Restaurantbesuche, kulturelle Veranstaltungen, Reisen usw. benötigt. Er möge bitte klären, was er zum Leben braucht, und möge sich überlegen, welchen Unterhalt er für Frau A und die Kinder unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Beteiligten zahlen wolle. Der Mediator hat Frau A eine ähnliche Frage gestellt und sie gebeten, für sich zu klären, wie viel Geld sie für die Kinder und sich unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Beteiligten zum Leben benötigt. Zu diesem Zweck hat der Mediator Fragebögen (s. S. 270) verteilt. Zu Beginn der dritten Sitzung fragt der Mediator, zu welchen Ergebnissen Herr und Frau A gekommen sind. Frau A: Ja, ich habe mir Gedanken gemacht und die Fragebögen nun ausgefüllt. Ich denke, wenn ich meinen Lebensstandard so in etwa aufrechterhalten will wie bisher, benötige ich neben meinem Einkommen in Höhe von 1400 Euro von meinem Mann 3000 Euro. Dabei gehe ich davon aus, dass ich keine Miete zahlen muss. (Frau A erläutert ihre Einschätzung ihrer finanziellen Situation.) Mediator: Frau A, Sie schätzen Ihren Bedarf einschließlich des Bedarfs der Kinder auf 4400 Euro ein, wenn Sie keine Miete zahlen. Herr A, zu welchen Ergebnissen sind Sie gelangt? Herr A: Sie sind doch auch Anwalt. Sie könnten uns doch die Rechtslage erklären? Das würde uns viel Zeit ersparen und natürlich auch Kosten! Mediator: Ich habe Ihnen ja bereits zu Beginn des Mediationsverfahrens gesagt, dass ich Ihnen die Rechtslage nicht erläutern werde. Dies werden Außenanwälte tun, die Sie erst am Ende des Mediationsverfahrens aufsuchen werden. So haben wir es ja auch in unserem Arbeitsbündnis vereinbart. Dies hat etwas mit meiner Rolle zu tun. Ich bin nicht in der Lage, Sie beide über Ihre jeweiligen, durchaus unterschiedlichen Rechte zu informieren, ohne dabei meine Allparteilichkeit zu verlieren. Aber auch der jetzige Zeitpunkt wäre nicht der Richtige. Sie sollten besser warten, bis Sie beide eine Lösung für alle anstehende Probleme gefunden haben. Wenn Sie bereits jetzt alle rechtlichen Informationen bekämen, be-
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fürchte ich, dass Sie dies daran hindern würde, selbst eine Lösung zu finden. Herr A: Nein, ich habe die Listen nicht ausgefüllt. Ich habe noch nie über meine Ausgaben Buch geführt. Ich bin doch kein Buchhalter. Für mich ist es grauenvoll, Formulare ausfüllen zu müssen. Ich hatte es nie nötig, genau zu rechnen. Ich weiß nicht, wie viel Geld ich genau pro Monat benötige. Und ich weiß schon gar nicht, wie viel ich zahlen will. Dafür gibt es feste Sätze. Sie sind Anwalt und kennen diese Sätze. Sie können mir sagen, wie viel ich zahlen muss. Mediator: Ich kann Sie gut verstehen, dass Sie wenig Lust verspüren, diese Liste auszufüllen. Das geht den meisten Menschen ähnlich. Wie wollen Sie aber wissen, wie viel Sie für Ihre Familie unter Berücksichtigung Ihres eigenen Bedarfs zahlen können, wenn Sie Ihren eigenen Bedarf gar nicht kennen? Wie wollen Sie feststellen, welches Ihre eigenen Interessen sind? Herr A: Sagen Sie doch die Lösung. Sie kennen sie doch. Mediator: Ich weiß zwar, welche Lösungen der Gesetzgeber und die Gerichte bei Trennungen von Eheleuten vorsehen. Sie sind aber zu mir in die Mediation gekommen, weil Sie selbst Ihre eigene Lösung finden wollten. Ich kann Sie hier nur darin unterstützen, Ihre eigenen Interessen herauszufinden und unter Berücksichtigung Ihrer beiderseitigen Interessen eine Lösung zu erarbeiten, die von Ihnen beiden persönlich als fair und gerecht empfunden wird. Der Gesetzgeber sieht nur Lösungen für Menschen vor, die diese nicht selbst finden können. Sie haben mich gebeten, mit Ihnen ein Mediationsverfahren durchzuführen, in dem Sie eigenverantwortlich die Lösung Ihres Problems erarbeiten. Nur hierbei kann ich Sie unterstützen. Natürlich können Sie beide jederzeit während der Dauer des Mediationsverfahrens entscheiden, ob Sie nicht einen anderen Weg einschlagen wollen, um Ihre Konflikte zu lösen. Sie können sich auch durch einen Anwalt einseitig beraten lassen, ob und in welcher Höhe Sie Ansprüche geltend machen beziehungsweise befriedigen wollen. Dies ist aber etwas anderes als Mediation. Voraussetzung für ein Mediationsverfahren ist, dass die Konfliktpartner selbst die Lösung erarbeiten wollen. Herr A: Als Sie uns das Verfahren der Mediation erklärt haben, haben Sie auch gesagt, dass Sie das Recht in die Mediation einführen. Tun Sie das doch jetzt! Mediator: Es ist richtig, dass wir zu Beginn des Verfahrens vereinbart haben, dass ich Sie beide über das Recht unter Berücksichtigung meiner
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Neutralität informieren werde. Dies habe ich auch weiterhin vor. Ich frage mich nur, ob jetzt der Zeitpunkt dafür günstig ist oder ob ich Ihnen nicht besser diene, wenn ich mit dieser Information warte, bis Sie die Lösung gefunden haben. Wenn ich Ihnen jetzt die rechtliche Regelung erläutere, befürchte ich, dass ich damit Ihre Kreativität behindern würde, selbst eine Regelung zu finden, die Ihren Interessen besser dient als die gesetzliche Regelung. Erfahrungsgemäß fällt es Menschen, die in die Mediation kommen, leichter, sich erst Gedanken über eine eigene Lösung zu machen und danach durch Vergleich mit den rechtlichen Regelungen, die der Gesetzgeber und die Rechtsprechung entwickelt haben, noch einmal zu überprüfen, ob die Regelung, die sie selbst erarbeitet haben, ihren eigenen Interessen wirklich entspricht. Diese Menschen orientieren sich erst einmal an ihren eigenen Bedürfnissen und nutzen das Recht nur als „Messlatte“ für ihre eigene Entscheidung. Ich befürchte ganz konkret, dass die Einführung des Rechts in die Mediation zu diesem Zeitpunkt Sie eher behindern als fördern würde. Sie wären vielleicht gedanklich nicht mehr so frei, viele eigene Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, weil Sie durch die Schilderung der rechtlichen Situation eine vorgefasste Meinung hätten.
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TIPP: Nutzen Sie Metaphern! Der Mediator kann Metaphern in Form von Märchen, Gleichnissen und Anekdoten nutzen, um die Medianden bei Veränderungsprozessen zu unterstützen. Hierzu erzählt er eine Geschichte aus eigener Erfahrung oder erfindet eine Geschichte, bei der die Lösung eines Problems einer anderen Person eine Rolle spielt, wobei dieses Problem dem der Medianden sehr ähnlich ist. Allgemein zu Metaphern s. unten S. 220.
Mediator: Stellen Sie sich bitte beide eine ganz andere Situation vor: Ihr Sohn Hans kommt aus der Schule nach Hause. Er hat zum nächsten Tag eine schwierige Hausaufgabe zu meistern. Er fühlt sich etwas überfordert und würde die Zeit am Nachmittag lieber mit seinen Freunden verbringen. Er kommt zu Ihnen und bittet Sie, seine Eltern, ihm die Lösung für seine schwierige Aufgabe zu nennen, weil Sie die Lösung kennen. Was würden Sie antworten? Was denken Sie? Frau A: Ich würde ihm sagen, dass er erst seine Aufgabe machen muss. Erst dann kann er sich mit seinen Freunden treffen. Mediator: Sie würden ihm also nicht die Lösung sagen. Und Sie, Herr A?
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Herr A: Hans muss natürlich selbst seine Lösung finden. Das ist doch klar. Aber die Situation ist doch wohl etwas anders. Hans muss lernen, selbst seine Aufgaben zu machen und selbständig zu arbeiten. Natürlich würde ich ihm helfen, wenn er nicht mehr weiterkommt. Für ihn würde ich seine Hausaufgaben aber nicht lösen. Mediator: Sie haben natürlich Recht, Herr A! Die Geschichte über Hausaufgaben von Schülern, die ich mir ausgedacht habe, und das Prinzip der Eigenverantwortung in der Mediation beruhen auf unterschiedlichen Situationen. Aber gibt es nicht auch Gemeinsamkeiten? Kinder haben Hausarbeiten aus zwei Gründen zu erledigen: Sie sollen einen bestimmten inhaltlichen Stoff lernen. Sie sollen aber auch Eigenverantwortung lernen und trainieren, um sich später auf das Abitur oder einen anderen Abschluss vorbereiten zu können. Wir haben in der ersten Mediationssitzung über den Grundsatz der Eigenverantwortung geredet. Es gibt viele Möglichkeiten, einen Konflikt zu lösen. Mediation ist dann ein gutes Verfahren, wenn die Konfliktparteien bereit sind, selbst eine Lösung zu erarbeiten. Wenn Sie die Lösung nicht selbst erarbeiten wollen, gibt es ja auch die Möglichkeit, einen Anwalt aufzusuchen und sich von diesem beraten und eine Lösung nennen zu lassen, die der rechtlichen Situation entspricht. Dieser Anwalt wird allerdings nicht als Mediator tätig, weil er dann Ihre Interessen, Herr A, vertritt, während Sie, Frau A, von einem anderen Anwalt vertreten werden würden. Wäre Ihnen beiden eine derartige Verfahrensweise lieber? Dann müssten wir allerdings an diesem Punkt die Mediation beenden. Ich als Mediator kann Ihnen keine Lösung nennen, denn das ist nicht meine Aufgabe. Herr A (ist nachdenklich geworden): Natürlich wollen wir unsere Probleme selbst lösen. Aber ich habe keine Lust, mir über meine monatlichen Ausgaben Gedanken zu machen. Vielleicht soll ich auch noch Buch führen! Mediator (lacht): Das kann ich wirklich gut verstehen. Mir geht es ähnlich und vielen anderen Menschen auch. Leider gibt es immer wieder Momente im Leben, in denen man nicht umhin kann, derartige unangenehme Aufgaben erledigen zu müssen. Sie werden nur dann eine Lösung finden, mit der Sie gut leben können, wenn Sie beide Ihre Interessen und Bedürfnisse kennen. Diese Bedürfnisse kennen Sie nur, wenn Sie wissen, wie hoch Ihr Lebensbedarf ist und welche Beträge Ihnen im Monat zur Verfügung stehen. Sie können natürlich auch andere Konfliktlösungswege beschreiten. Herr A: Was würden Sie tun, wenn wir die Bestandsverzeichnisse nicht ausfüllen würden?
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Mediator: Ich fürchte, dass ich die Mediation abbrechen würde. Herr A: Gut, wenn es keinen anderen Weg gibt, ohne dieses Verfahren abbrechen zu müssen, werde ich mich bis zum nächsten Mal um die Zahlen kümmern. Mediator: In diesem Fall möchte ich vorschlagen, dass wir die heutige Sitzung dazu nutzen, uns die Zahlen von Ihnen, Frau A, anzusehen. Sind Sie beide damit einverstanden?
Das Konfliktpaar ist einverstanden. Resümee: Es stellt sich immer wieder die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Recht in die Mediation eingeführt werden soll und ob die Einführung des Rechts die Autonomie der Medianden stärkt oder schwächt. Diese Frage kann nicht einheitlich für alle Konfliktfälle beantwortet werden. Die Kenntnis des Rechts kann die Kreativität der Konfliktparteien behindern, eine Regelung zu finden, die ihren Interessen besser dient als die gesetzliche Regelung. Erfahrungsgemäß fällt es Menschen, die in die Mediation kommen, leichter, sich erst Gedanken über eine eigene Lösung zu machen und danach durch einen Vergleich mit den rechtlichen Regelungen, die der Gesetzgeber und die Rechtsprechung entwickelt haben, noch einmal zu überprüfen, ob die Regelung, die sie selbst erarbeitet haben, ihren Interessen wirklich entspricht. Diese Menschen orientieren sich erst einmal an ihren eigenen Bedürfnissen und nutzen das Recht nur als „Messlatte“ für ihre eigene Entscheidung. Wenn sich die Konfliktpartner in der Mediation weigern, ihren Bestand zu erstellen und sich über ihre Bedürfnisse Gedanken zu machen, und den Mediator auffordern, die Lösung zu nennen, die dem Gesetz und der Rechtsprechung entspricht, deutet dies erst einmal darauf hin, dass diese Menschen nicht bereit sind, eigenverantwortlich zu handeln. Wenn der Mediator in solch einem Fall die Medianden nicht darin unterstützen kann, ihr Verhalten zu ändern und zu eigenverantwortlichem Handeln zu motivieren, ist Mediation nicht indiziert.
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Nr. 11: Die Mediation stößt an die Grenze zur Therapie
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 50 Jahre, Rechtsanwalt mit eigener Praxis, Ehefrau: 44 Jahre, angestellte Betriebspsychologin, verheiratet seit 15 Jahren, getrennt lebend seit 3 Jahren; Kinder
Fritz, 15 Jahre und Hannes, 11 Jahre alt, leben bei der Mutter und haben regelmäßigen Kontakt zum Vater.
Themenbereiche der Mediation: Auseinandersetzung mehrerer Immobilien und anderer Vermögenswerte wie Rechtsanwaltspraxis, Ehewohnung, Lebensmittelpunkt der Kinder, Kindes- und Ehegattenunterhalt Sachverhalt und Konfliktsituation: Das Ehepaar A hat sich vor drei Jahren getrennt. Herr A ist ausgezogen, nachdem er eine andere Frau kennengelernt hatte. Diese Beziehung bestand zum Zeitpunkt des Beginns der Mediation nicht mehr. Beide Konfliktpartner haben bei Beginn der Mediation darauf hingewiesen, dass sie ihre Alltagsproblematik in vielen Punkten gut gemeistert hätten, es jedoch viele Probleme gebe, an die sie sich bislang nicht herangetraut hätten. Hierbei handele es sich um Probleme bei der Aufteilung des Vermögens, beim Ehegatten- und Kindesunterhalt. Nach eigener Einschätzung der Konfliktparteien ruht ihr Konflikt. Alle drei bis vier Monaten bricht zwischen ihnen wegen finanzieller Fragen ein heftiger Streit aus. Beide haben bei ihrer Trennung vor drei Jahren einerseits Erleichterung erlebt und andererseits eine große Trauer empfunden. Herr A erklärt zu Beginn der Mediation, dass ihn der Verlust der Familie und der Verlust des Alltagskontaktes zu den Kindern bedrücke. Verlauf der Mediation: Mit diesem Paar haben ungewöhnlich viele, nämlich 22 Mediationssitzungen stattgefunden. Wegen der Ambivalenzproblematik sind sechs Sitzungen notwendig gewesen, um das Bestandsverzeichnis erstellen zu können Besonders ausgeprägt ist nicht nur die
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Konfliktdynamik dieses Paares. Die Konfliktpartner haben es bereits während ihres Zusammenlebens mit „Unterstützung“ ihres Steuerberaters nahezu meisterhaft verstanden, ihre Vermögensverhältnisse miteinander zu vermischen. Die Entflechtung wird zu einem Gewaltakt für alle Beteiligten einschließlich Mediator. Beispielsweise ist Frau A Eigentümerin der Wohnung, in der Herr A seine Praxis betreibt. Frau A hat diese Eigentumswohnung bei Erwerb vollständig finanziert und zur Sicherheit der Gläubigerbanken eine Lebensversicherung abgeschlossen. Herr A leistet allerdings die monatlichen Raten für die Rückzahlung des Kredits und die Prämien für die Risikolebensversicherung. Herr A hat außerdem mit einer Bank einen Praxisdarlehensvertrag geschlossen. Für die Rückzahlung hat sich Frau A verbürgt. Beide Eheleute sind außerdem Eigentümer eines Landguts in Süddeutschland. Hier leben die Eltern der Frau. Die ausgeprägte Trennungsambivalenz bei dem Konfliktpaar sorgt für wiederholte Verzögerungen und Blockaden bei der Durchführung in der Mediation. Immer wieder wird eine Mediationssitzung für die Aufarbeitung von Problemen verwendet, deren Ursprünge in der Vergangenheit zu suchen sind, die jedoch erst in der Gegenwart aufbrechen. Die Konfliktdynamik hat sich auch dadurch verschärft, dass unterschiedliche Gutachter bezüglich der Immobilien zu stark unterschiedlichen Verkehrswerten gelangt sind. Die Beantwortung steuerlicher Fragen ist immer wieder notwendig geworden und Steuerberater mussten beigezogen werden. Die Regelungspunkte „Ehewohnung, Lebensmittelpunkt der Kinder, Kindes- und Ehegattenunterhalt“ sind zwar einvernehmlich geklärt worden, die Auseinandersetzung des beiderseitigen Vermögens ist jedoch nicht vorangekommen. Immer wieder ist es zwischen dem Konfliktpaar zu großen Auseinandersetzungen gekommen. In dem Mediator reift langsam die Vorstellung heran, er könnte zu einer Institution im Leben der Konfliktpartner werden. Dies will er nicht! Er entschließt sich deshalb, bei der Versendung des Protokolls der zweiundzwanzigsten Sitzung beide Konfliktpartner darauf aufmerksam zu machen, dass das Mediationsverfahren überdurchschnittlich lange dauere.
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Das Protokoll hat zu diesem Punkt folgenden Wortlaut: „… Im Übrigen möchte ich Sie darauf hinweisen, dass nunmehr bereits die 22. Sitzung abgeschlossen ist. Ich möchte Ihnen zu bedenken geben, dass Ihr Mediationsverfahren überdurchschnittlich lange dauert und dadurch für Sie sehr teuer geworden ist. Andererseits bestimmen natürlich Sie beide, welche Zeit Sie für die Erarbeitung einer einvernehmlichen Lösung benötigen. Damit bestimmen Sie auch über die Höhe der Kosten. Allerdings – darüber hatten wir schon mehrfach gesprochen – handelt es sich bei einem Mediationsverfahren nicht um Therapie, auch wenn gelegentlich Probleme, die ihre Ursache in Ihrer Beziehung haben, Thema sind. Bitte überlegen Sie sich, ob dieses Verfahren für Sie effektiv ist, beziehungsweise wie Sie es effektiver gestalten können.“
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TIPP: Die Mediation findet kein Ende Wenn ein Mediationsverfahren überdurchschnittlich lange dauert, weisen Sie darauf und auf die Kosten hin, die durch die Dauer verursacht werden. Machen Sie deutlich, dass zwar das Konfliktpaar darüber bestimmt, wie viel Zeit es für die Lösung seiner Konflikte benötigt, weisen Sie aber auch darauf hin, dass es sich bei Mediation nicht um eine Therapie handelt, bei der die Paarkonflikte aufgearbeitet werden. Auch wenn der Mediator je nach Eigenart und Vorgehensweise ein Stück auf die Persönlichkeits- und Beziehungsproblematik eingeht, so ist dieses Eingehen nicht Selbstzweck. Ziel des Verfahrens ist nicht die Beziehungsklärung, sondern die Vereinbarung über die Folgen von Trennung und Scheidung.
In der darauffolgenden Sitzung erklärt Herr A, er habe über das Schreiben des Mediators nachgedacht. Er habe den Wunsch, sobald wie möglich das Verfahren mit einer Vereinbarung abschließen zu können. Er betont aber auch, dass er die vielen Sitzungen und die lange Zeit benötigt habe, um über die Trennung und deren Folgen Klarheit zu erlangen. Auch Frau A macht einen sehr nachdenklichen Eindruck. Aber sie äußert sich zu diesem Thema nicht. Beide Konfliktpartner arbeiteten in dieser Sitzung sehr konstruktiv. Nach zwei weiteren Sitzungen war das Vermögen auseinandergesetzt und die Darlehensverbindlichkeiten geteilt. Die Vereinbarun-
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gen werden sodann in einem Ehevertrag festgehalten und notariell beurkundet. Resümee: Wenn ein Mediationsverfahren überdurchschnittlich lange dauert, fragen Sie sich, warum dies der Fall ist. Verwechseln das Konfliktpaar und/oder der Mediator Mediation vielleicht mit Therapie? Dann brechen Sie das Mediationsverfahren unter Umständen vorübergehend ab und schlagen dem Paar eine Sitzung bei einem Therapeuten vor. Wenn Sie den Eindruck haben, dass dieses Mediationsverfahren die letzte Gemeinsamkeit ist, die das Konfliktpaar noch miteinander verbindet und die es nicht missen will, sprechen Sie diese Problematik an und brechen das Verfahren unter Umständen ab! Ihr Arbeitsauftrag ist, dem Paar bei einer einvernehmlichen Lösung zu helfen und nicht, zu einer festen Einrichtung in seinem Leben zu werden.
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Nr. 12: Die Ängste des Mediators sind nicht die Ängste des Konfliktpaares (s. auch Fall 28)
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 39 Jahre, Arzt, Einkommen 4500 Euro netto bei halber Stelle, Ehefrau: 34 Jahre, Journalistin, derzeit nicht berufstätig, als Paar seit 9 Jahren zusammen lebend, verheiratet seit 7 Jahren, getrennt lebend seit 6 Monaten; Kinder
Klaus, 11 Jahre; Karl, 5 Jahre und Pit 2 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Umgang, Kindesunterhalt, Auflösung der Ehewohnung Sachverhalt und Konfliktsituation: Zum Sachverhalt und der Konfliktsituation informieren Sie sich bitte bei dem Fallbeispiel Nr. 7, S. 40.
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Derzeit befinden sich die Konfliktpartner in der dritten Sitzung. Sie haben die Themenbereiche der Mediation erarbeitet und sind dabei, das Bestandsverzeichnis zu erstellen. Herr A hat gerade sein Einkommen dargelegt. Vor einem Jahr hat er in einem Berliner Krankenhaus als Arzt monatlich 7500 Euro verdient. Vor acht Monaten, also zu Beginn der Krise, hat er diese Stelle gekündigt. Sein Arbeitgeber habe den Ausspruch von Kündigungen beabsichtigt. Er ist dort als letzter Arbeitnehmer eingestellt worden, so dass er auch als Erster hätte gehen müssen. Frau A weist darauf hin, dass diese anstehenden Stellenstreichungen durchaus seinem Wunsch entsprochen hätten. Er sei froh gewesen, eine Stelle in Duisburg gefunden zu haben und nur halbtags arbeiten zu müssen. Herr A gibt dies auch zu. Schließlich habe er immer sehr viel gearbeitet. Das Konfliktpaar muss von dem verringerten Familieneinkommen nun zwei Wohnsitze unterhalten. Die Miete der Ehewohnung beträgt immerhin 1800 Euro. Es ist der Wunsch beider Konfliktpartner, das Mietverhältnis zu kündigen. Dies wird allerdings frühestens nach Ablauf von vier weiteren Monaten möglich sein. Das Konfliktpaar ist auf der Suche nach einem Nachmieter, der bereit ist, einen Abstand für diverse Einbauten zu zahlen. Es braucht dringend Geld für die bevorstehenden Veränderungen. Ersparnisse sind nicht vorhanden. Für die Abgabe der Wohnung an einen Nachmieter gibt es bislang keine Zustimmung des Vermieters; mit ihm ist bislang noch gar nicht gesprochen worden. Zwischen beiden Konfliktpartnern herrscht Streit, wer von ihnen die Gespräche mit dem Vermieter führen und Inserate für den Nachmieter in Auftrag geben soll. Die vollständige Renovierung der Wohnung steht zum Ende des Mietverhältnisses an. Darüber ist man sich einig. Uneinigkeit besteht bezüglich der Frage, wer die Renovierung vornehmen oder in Auftrag geben sollte. In diesem Augenblick weist Herr A darauf hin, dass seine jetzige Halbtagsstelle als Arzt in Duisburg in zwei Monaten beendet sei. Wovon die Familie danach leben werde? Das wisse er auch nicht. Vielleicht würde er eine Stelle in Berlin finden. Vielleicht würde er sich auch selbständig machen und eine Praxis übernehmen. Er werde dies in den nächsten beiden Monaten näher prüfen. Der Mediator kann sich nicht vorstellen, dass Menschen mit so wenig Geld so geringe Existenzängste haben. Die Familie wird in Kür67
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ze in verschiedenen Städten leben. Die Ehefrau hat – jedenfalls bislang – keine Einnahmen. Die Tätigkeit des Ehemannes wird in zwei Monaten enden. Eine sehr hohe Miete für die aufzugebene Ehewohnung ist noch vier Monate zu zahlen. Wovon? Herr A scheint nicht sonderlich beunruhigt. In dem Mediator steigen stellvertretend Existenzängste hoch. Er kann sich nicht vorstellen, auf welcher materiellen Basis die Familie leben soll und wendet sich Frau A zu. Er fragt sie, ob ihr dieser Sachverhalt bekannt sei. Frau A weiß Bescheid. Und nicht nur das! Sie ist ebenso wenig beunruhigt wie Herr A. Die Mittel für die Renovierung der Wohnung, den geplanten Umzug in eine andere Stadt und die finanzielle Organisation des zukünftigen Lebens, all dies werde sich finden. Das Paar, das im Übrigen sehr zerstritten ist, ist sich in einem Punkt einig: Es gibt für sie keinen Grund, wegen nicht vorhandener finanzieller Mittel in Sorge zu geraten. Damit gibt es nun eine paradoxe Situation: ein sorgloses Konfliktpaar und ein beunruhigter Mediator, der zu erkennen hat, dass das Problem, mit dem er es zu tun hat, nicht in dem Verhalten der Konfliktpartner zueinander besteht, sondern in seiner eigenen Reaktion auf deren Verhalten. Er macht sich gerade Gedanken über Dinge, die ihn in diesem Verfahren überhaupt nichts angehen. Er ist weder das Kindermädchen noch der Finanzberater des Paares, sondern lediglich für die Einhaltung der Grundsätze eines Mediationsverfahrens verantwortlich. Der Mediator merkt an eigenen körperlichen Signalen wie Unruhe und klopfendem Herzen, dass er selbst gerade dabei ist, aus der Balance zu geraten und eigene Probleme zu denen des Konfliktpaares zu machen.
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TIPP: Der Weg auf den Balkon Begeben Sie sich auf die Metaebene! Dieser Gang befähigt Sie zu einem anderen Blickwinkel und einer anderen Betrachtungsweise, damit Sie unterscheiden können, welches im Augenblick die Probleme der Konfliktbeteiligten und welches Ihre eigenen Probleme sind. Durch Atemübungen gelingt es, Distanz zu gewinnen, die eigenen Reaktionen auf das Geschehen unter Kontrolle zu halten und nicht zu reagieren. Sie können die Position der Beteiligten innerlich einnehmen und die Dinge aus deren Augen heraus betrachten. Nehmen Sie nach der Sitzung Supervision in Anspruch!
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Das Paar verhält sich offensichtlich nicht anders, als es sich sonst in finanziellen Dingen zu verhalten pflegt. Beide Beteiligten finden es wenig erstrebenswert, ihr Leben zu planen und zu verplanen, sondern leben mehr im Augenblick. Sie neigen nicht dazu, ihr Leben mit Existenzängsten zu belasten, wie dies bei dem Mediator gelegentlich der Fall ist. Das Konfliktpaar hat bislang trotz guter Einkünfte zwar keine Ersparnisse erwirtschaftet, ist aber auch nicht verschuldet. Offensichtlich gibt es aus seinen Blickwinkel keinen Grund zu größerer Unruhe. Niemand hat die Konfliktpartner bislang unter Pflegschaft oder Beistandschaft gestellt. Dies kann also auch nicht die Aufgabe des Mediators sein. Dem Mediator gelingt es, sich zu sammeln, die eigenen Emotionen zu entschärfen, die Dinge gelassen zu betrachten und vor allen Dingen nicht zu reagieren und sich nicht in Angelegenheiten einzumischen, die ihn nichts angehen. Resümee: Während der Mediationssitzung sind innere Konflikte und Existenzängste in der Person des Mediators entstanden. Die Medianden sind frei von diesen Konflikten gewesen. Der Mediator hat Schwierigkeiten gehabt, eine Unterscheidung zu treffen, ob es sich um einen Konflikt handelt, der seine eigene Person oder die der Medianden betrifft. Wenn es ihm nicht gelingt, sich aus eigener Kraft durch den „Gang auf den Balkon“ davon freizumachen, kann nur die Supervision des Mediators Klarheit bringen.
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Nr. 13: Mediation und psychische Erkrankung
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 33 Jahre, leitender Angestellter, Einkommen 5000 Euro netto monatlich, Ehefrau: 30 Jahre, selbständige Journalistin, Einkommen 1500 Euro netto monatlich, verheiratet seit 6 Jahren, getrennt lebend seit 6 Monaten; Kinder
Ira, 3 Jahre alt. 69
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Themenbereiche der Mediation: Lebensmittelpunkt des Kindes, Kindesunterhalt einschließlich Vorsorgemaßnahmen für eine zukünftige Ausbildung des Kindes, Umgang mit dem Kind an dessen Geburtstagen und an Feiertagen, Urlaubsregelung mit dem Kind, Ehegattenunterhalt, Verhaltensregeln zwischen dem Konfliktpaar Sachverhalt und Konfliktsituation: Herr und Frau A haben sich sechs Monate vor Beginn der Mediation getrennt. Vor der Trennung hat es seit mehr als zwei Jahren große Krisen in der Ehe gegeben. Frau A hat von sich aus in der ersten Mediationssitzung offenbart, dass sie bei Beginn dieser Krisen an einer bipolaren Erkrankung gelitten hat, die durch manische und depressive Phasen gekennzeichnet ist, die einander in mehr oder weniger raschem Wechsel ablösen. Frau A schildert, dass sie zur damaligen Zeit psychisch ausgesprochen labil gewesen sei. Sie habe in manischen Phasen Unsummen von Geld ausgegeben und ein Verhältnis mit einem anderen Mann aufgenommen. Beide Eheleute haben seinerzeit eine Beratungsstelle aufgesucht. Frau A ist zu diesem Zeitpunkt anwaltlich vertreten gewesen. Mit dieser Vertretung war sie jedoch nicht zufrieden. Die Trennung vor sechs Monaten ist auf Wunsch des Ehemannes erfolgt. Beide Konfliktpartner sind zufrieden mit dem Entschluss zur Trennung. Sie wollen nicht mehr miteinander leben. In der ersten Mediationssitzung haben sich Mediator und Medianden ausführlich über das Thema „Eigenverantwortung und Autonomie“ und über die Frage unterhalten, ob die Erkrankung von Frau A gegen die Teilnahme an der Mediation spricht. Frau A äußert, dass die Erkrankung vor zwei Jahren medikamentös behandelt worden und nunmehr überwunden sei. Es gehe ihr wieder gut. Sie macht auf den Mediator einen sehr selbstbewussten und energischen Eindruck. Sie weiß ihre Interessen präzise zu formulieren. Obwohl beide Konfliktpartner einerseits sehr streitbar wirken, sind sie andererseits um das Wohl des anderen besorgt. Sie wollen zusammen in der Mediation eine Lösung erarbeiten, die beider Interessen gerecht wird. Frau A erklärt, dass sie wegen der Heirat ihre Heimat, die Vereinigten Staaten von Amerika, verlassen hat. Sie will auch in Zukunft gemeinsam mit dem Kind leben. Es 70
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sei ihr aber wichtig, dass sie deshalb keine finanziellen Nachteile erleide, die Herr A nicht auch erleide. Sie wolle nicht die alleinige Last für das Aufziehen der Tochter tragen. Der Mediator hat sich nach der ersten Mediationssitzung bei einer Psychologin über die Merkmale einer bipolaren Erkrankung sachkundig gemacht. Danach hat er trotz der Erkrankung der Frau A vor zwei Jahren keinen Zweifel an der Eignung des Mediationsverfahrens für Frau A. Verlauf der Mediation: In der dritten Sitzung beginnen die Beteiligten mit der Erstellung des Bestandsverzeichnisses. Es kann festgestellt werden, dass Herr A über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 5000 Euro verfügt. Frau A erzielt monatlich netto 1500 Euro. Herr A ist Inhaber eines Aktienvermögens in Höhe von 35 000 Euro. Frau A hat kein Vermögen. Beide Konfliktpartner haben trotz der hohen Geldausgaben der Frau A vor zwei Jahren bislang keine Schulden. Frau A wendet im Monat für Miete 900 Euro auf, da sie ihre Traumwohnung, die sie endlich gefunden hat, nicht aufgeben will. Herr A ist allerdings der Meinung, die Wohnung sei zu teuer. Außerdem hat Frau A noch Ausgaben in Höhe von 800 Euro für eine Kinderfrau. Die Konfliktpartner wollen mit der Erstellung des Bestandsverzeichnisses in der vierten Sitzung fortfahren, die einen Monat nach der letzten Sitzung stattfindet. Zu Beginn der Sitzung erklärt Frau A, dass sie Geld benötige, weil sie zwischen den beiden Sitzungen ihr Konto in Höhe von ca. 5000 Euro überzogen habe. Sie kennt die genaue Höhe des Betrages nicht. Frau A: Ich habe Geld gebraucht. Mein Mann war im Urlaub und hat deshalb den Unterhalt etwas verspätet gezahlt. Herr A: Aber dies ist doch kein Grund, in solcher Höhe Schulden zu machen, wenn ich Dir einmal ausnahmsweise wenige Tage verspätet das Geld überwiesen habe. Ich bin entsetzt! Was zahlst Du da überhaupt an Zinsen? Wenn Du Geld brauchst, ist es sicherlich billiger, wenn ich es Dir gebe. Wofür hast Du das Geld überhaupt gebraucht? Frau A: Für Miete und so. Herr A: Wofür genau hast Du das Geld ausgeben?
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Frau A: So genau weiß ich das jetzt nicht. Mediator: Frau A, wissen Sie, wie hoch die Schulden genau sind? Frau A: Na so ungefähr 5000 Euro. Genau weiß ich das nicht. Ich habe eben das Konto überzogen. Herr A: Ich würde gern klären, warum es überhaupt sinnvoll ist, sich in derartiger Höhe zu verschulden.
Es ist deutlich zu merken, wie sehr Herr A beunruhigt ist. Der Mediator ist ebenso beunruhigt. Die Geldausgabe ist erst einmal unerklärbar. Der Mediator erinnert sich an die erste Sitzung, in der die Frau darauf hingewiesen hat, dass sie an einer bipolaren Erkrankung mit teilweise manischen Zügen gelitten hat. Ihre Ehe sei daran gescheitert, dass sie Unsummen von Geld ausgegeben habe. Der Mediator fühlt sich hilflos und fragt sich, ob die bipolare Erkrankung entweder wieder neu ausgebrochen oder vielleicht gar nicht zum Stillstand gekommen sei. Auch zu Beginn der Mediation sind die Ausgaben der Ehefrau deutlich höher als ihre Einnahmen gewesen, wobei die Ausgaben für die Kinderfrau einen großen Teil der Ausgaben ausmachen. Ist Frau A überhaupt noch imstande, eigenverantwortlich zu handeln? Der Mediator fragt sich, ob das Verhalten von Frau A in Geldangelegenheiten mit dieser Erkrankung zu tun habe. Muss er die Mediation nun abbrechen? Oder ist das, was hier gerade geschieht, überhaupt kein Problem von Frau A, sondern nur ein Problem des Mediators und vielleicht des Ehemannes? Der Mediator weiß keinen Rat und entschließt sich, Supervision in Anspruch zu nehmen.
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TIPP: Supervision Wenn Sie als Mediator das Gefühl haben, unter Druck zu stehen, nicht weiterzuwissen und für sich eine Klärung zu benötigen, begeben Sie sich in die Supervision. Treffen Sie wichtige Entscheidungen für das Mediationsverfahren erst nach dem Abschluss der Supervision. Dort haben Sie Gelegenheit, sich wieder zu sortieren und Klarheit zu gewinnen. Und Sie haben Gelegenheit zu erfahren, dass Ihre Kollegen, selbst wenn sie sehr erfahren sind, ähnliche Schwierigkeiten haben. Aus diesem Grunde gehört nach VII. der Richtlinien der BAFM im Hinblick
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Eigenverantwortung und Autonomie
auf den persönlichen Einsatz des Mediators und der Wahrung seiner Neutralität zu dessen Tätigkeit laufende Supervision. Supervision: Vor der Supervision hat noch eine weitere Sitzung stattgefunden. Herr A erklärt, seine Frau und er hätten gemeinsam geklärt, wie hoch das Konto überzogen und wofür das Geld verwendet worden sei. Frau A habe es im Wesentlichen für Neuanschaffungen für die Wohnung ausgegeben, die nach ihrer Auffassung nach dem Auszug von Herrn A erforderlich geworden seien. Herr A habe ihr den Betrag zur Begleichung der Schulden zur Verfügung gestellt. Später sollte beim Thema „Zugewinn“ eine Verrechnung erfolgen. Der Mediator begibt sich mit folgenden Fragen in die Supervision: – Ist dieses Verfahren geeignet für diese Konfliktpartner? – Spricht die bipolare Erkrankung der Frau gegen die Durchführung eines Mediationsverfahrens? – Spricht die Tatsache, dass die Frau ihr Konto überzieht, ohne die genaue Höhe der Überziehung und die Art der Ausgaben benennen zu können, gegen die Fähigkeit der Frau zur Eigenverantwortung? Der Mediator stellt in der Supervision klar, er sehe den Zusammenhang zwischen den Ausgaben und der psychischen Erkrankung deshalb, weil die Frau vor zwei Jahren große Summen Geld ausgegeben hat. Einer der Supervisoren ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie. Der Mediator findet in der Supervision die Antworten auf seine Fragen: Bei Ausbruch ihrer Erkrankung hat der Arzt Frau A medizinisch gut einstellen können. Die Phase selbst ist damals mehr als glimpflich abgelaufen. Sie hat zwar „Unmengen“ von Geld ausgegeben, zum Zeitpunkt des Beginns der Mediation sind die Verbindlichkeiten aber bereits zurückgezahlt. In der Zeit zwischen der Erkrankung und dem Beginn der Mediation hat es keinen Rückfall gegeben. Frau A hat in ihrer manischen Phase Handlungen vorgenommen, die den Ehemann überfordern, und die er auch nicht nachvollziehen und verstehen kann. Zu der Persönlichkeit der Frau gehört nach 73
Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Auskunft beider Konfliktpartner Kreativität. Diese Eigenschaft der Frau hat den Mann, der sehr diszipliniert strukturiert ist, zu Beginn der Beziehung sehr angezogen. Sie ist der kreative Teil und er der strukturierte Teil der Beziehung. Es ist zu einer Polarisierung der unterschiedlichen Charaktere in Form einer Erkrankung der Frau gekommen. Die Eigenschaft, die den Mann ursprünglich angezogen hat, stößt ihn nun ab und wird für ihn zu einem Beziehungsproblem. Für die Frau ist die Erkrankung unter Umständen notwendig gewesen, um sich aus der Beziehung lösen zu können. Beide Konfliktpartner haben in der letzten Sitzung die Ausgaben der Frau erklären können. Das spricht gegen einen derzeitigen Ausbruch einer manischen Phase. Im Übrigen erfährt der Mediator in der Supervision, dass in manischen Phasen dieser Erkrankung üblicherweise weitaus höhere Beträge ausgegeben werden, die in überhaupt keinem Verhältnis zu Einkünften und Vermögen stehen. Angesichts der Einkommensverhältnisse dieses Paares handelt es sich, so die Auffassung des Supervisors, bei einer Überziehung des Kontos um 5000 Euro geradezu um einen „Pappenstiel“, der nicht mit der Erkrankung in Zusammenhang gebracht werden sollte. Der Mediator hat die Mediation nach Beendigung der Supervision fortgeführt. Das Mediationsverfahren endet schließlich mit einer Vereinbarung des Konfliktpaares, mit der beide sehr zufrieden sind. Resümee: Bei Suchterkrankungen oder psychischen Erkrankungen besteht einerseits die Gefahr, dass Medianden nicht eigenverantwortlich handeln können. Andererseits werden derartig erkrankte Menschen leicht stigmatisiert. Das kann bei dem Mediator den klaren Blick verhindern. Auch ein psychisch Kranker oder ein Suchtabhängiger handelt eigenverantwortlich, wenn er trotz Erkrankung den Sachverhalt, der in der Mediation geklärt werden soll, erfasst und die Folgen überblickt. Der Mediator übernimmt die Einschätzung und die Verantwortung. Es kann nicht generell erlaubt oder verboten sein, Mediation bei psychisch erkrankten oder suchtabhängigen Klienten durchzuführen. Der Mediator selbst kann nur subjektiv entscheiden, ob er die Durchführung der Mediation verantworten kann. Die Frage der Zulässigkeit von Mediation bei psychischer Erkran74
Eigenverantwortung und Autonomie
kung oder Suchterkrankung wird manchmal unter Mediatoren heftig diskutiert, heftiger als beispielsweise unter Notaren, die bei der Errichtung von Testamenten häufiger mit der Frage konfrontiert sind, ob ein Testator geschäfts- und testierfähig ist. Hier scheint den verantwortlich handelnden Notaren eine Entscheidung leichter zu fallen als den Mediatoren. Der Mediator hat sich jedoch nicht nur zu fragen, ob das Mediationsverfahren für die Konfliktpartner geeignet ist, sondern ob er, der Mediator selbst, in der Lage ist, mit der Behinderung der Menschen umzugehen. Wenn ihn die Erkrankung der Klienten erschreckt und blockiert, sollte er für sich persönlich die Entscheidung treffen, die Mediation nicht durchzuführen, und die Klienten an einen Kollegen weiterverweisen. Der Mediator kann aber auch die Konfliktpartei um Einverständnis bitten, den behandelnden Arzt nach Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung zum Thema Eigenverantwortung befragen zu dürfen.
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Nr. 14: Die Konfliktpartner üben Druck aufeinander aus
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 47 Jahre, Firmenleiter, Ehefrau: 38 Jahre, Erzieherin, verheiratet seit 14 Jahren, noch nicht getrennt lebend; Kinder
Sabrina, 12 Jahre und Thomas, 8 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Unterhalt für Ehefrau und Kinder, Auszug aus der Ehewohnung und Nutzung des in anteiligem Eigentum stehenden Hausgrundstücks Sachverhalt und Konfliktsituation: Frau A will sich trennen. Ihr Mann soll aus dem Haus ausziehen. Herr A versteht nicht, warum sie sich trennen will, akzeptiert aber dennoch den Trennungswunsch. Er will aber nur dann ausziehen, wenn alle anstehenden Probleme gelöst sind. Vor allem geht es ihm darum, keinen Ehegattenunterhalt zu zahlen. Für den Fall, dass 75
Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Frau A auf jeglichen Unterhalt für sich verzichtet, sagt Herr A den sofortigen Auszug zu. In der Einliegerwohnung des Hauses lebt noch der 89-jährige Vater von Frau A, den sie betreut. Verlauf der Mediation: Das Konfliktpaar hat die Reihenfolge der Themen festgelegt. Thema Nr. 1 ist der Auszug aus der Ehewohnung. Frau A: Ich bitte Dich auszuziehen. Viele Monate streiten wir schon darüber, wie wir uns trennen. So kann es doch nicht weitergehen. Es macht auch keinen Sinn, wenn ich ausziehe. Ich muss doch meinen Vater versorgen. Wer soll ihn denn versorgen, wenn ich nicht da bin? Er kann nicht mehr umziehen. Herr A: Du musst nur auf Unterhalt verzichten, dann gehe ich sofort.
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TIPP: Die Konfliktpartner üben Druck aufeinander aus Finden Sie heraus, welche Befürchtungen die Medianden veranlassen, Druck aufeinander auszuüben! Gehen Sie auf diese Befürchtungen ein!
Mediator: Herr A, weshalb ist es Ihnen so wichtig, dass Ihre Frau auf Unterhalt verzichtet? Herr A: Ich weiß ja noch nicht, wie alles kommen wird. Ich weiß nicht, wie viel Geld ich benötigen werde. Ich habe auch die Befürchtung, dass ich alle meine Rechte verliere, wenn ich gehe. Mediator: Frau A, Sie möchten im Haus bleiben, weil Ihr Vater dort lebt und versorgt werden muss. Weshalb ist es Ihnen so wichtig, dass Ihr Mann aus dem Haus auszieht? Frau A: Es geht mir sehr schlecht, wenn er da ist. Ich kann nicht mehr schlafen. Ich spüre seine Wut und seine Verletzung. Ich kann nicht mehr richtig denken. Ich kann keine Entscheidungen in dieser Lebenssituation treffen. Eigentlich bin ich schon fast so weit, dass ich nachgebe, wenn er nur geht. Erst dann kann ich meine Zukunft planen. Mediator: Sie beide befinden sich in einem Dilemma. Sie, Herr A, haben das Gefühl, alles zu verlieren, wenn Sie aus dem Haus ausziehen, ohne vorher Ihre finanziellen Verpflichtungen geregelt zu haben. Wenn Sie aber bleiben, kann Ihre Frau keine Entscheidung treffen. Wenn Sie, Frau A, nachgeben, ist das keine gute Lösung, denn sie wäre unter Druck zu-
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Eigenverantwortung und Autonomie
stande gekommen. Wenn Sie nachgeben, Herr A, haben Sie Angst, zu viel zu verlieren und immer wieder nachzugeben. Die Konsequenz wäre, dass entweder einer oder Sie beide Entscheidungen unter Druck treffen würden. Das wäre kein guter Weg. Ich frage mich, ob es eine Lösung gibt, bei der Sie sich beide wohlfühlen könnten. Es ist deshalb wichtig, dass ich von Ihnen beiden erfahre, was jeder einzelne benötigt, um dieses konkrete Problem zu lösen. Ich möchte verstehen, was für beide von ihnen wichtig ist.
Der Mediator klärt ab, mit wem er beginnt. Herr A fängt an. Herr A: Ich habe Vertrauen zu ihr verloren. Sie will die Ehe beenden und ich habe nicht verstanden, warum. Wenn ich jetzt nachgebe, bin ich ihr ausgeliefert. Sie bestimmt dann das Tempo und ich kann nur noch zuschauen. Ich befürchte, dass eventuell gar nichts entschieden wird. Ich will aber nicht jahrelang in einem möblierten Zimmer wohnen. Mediator: Habe ich richtig verstanden, dass Sie befürchten, nur noch passiv dem Willen Ihrer Frau ausgesetzt zu sein, wenn Sie jetzt das Haus verlassen? Herr A: Ja. Mediator: Könnte es sein, dass Sie eine Sicherheit benötigen, die Ihnen die Befürchtung nimmt? Wie könnte die aussehen? Herr A: Ich möchte nicht ganz ausziehen. Ich möchte regelmäßig wieder herkommen können. Mediator: Frau A, welchen Rahmen benötigen Sie konkret, um eine Lösung finden zu können? Frau A: Ich brauche Ruhe und Entspannung. Ich muss wissen, wann er kommt und wann ich sicher sein kann, dass ich allein bin. Ich muss viele Entscheidungen treffen und mir über mein Leben klar werden. Ich brauche Zeit. Mediator: Wie viel Zeit benötigen Sie? Frau A: Ich muss wenigstens für einige Wochen Zeit zum Nachdenken haben.
Die Konfliktpartner schließen im Anschluss an dieses Gespräch eine vorläufige Vereinbarung mit dem Inhalt, dass Herr A in eine möblierte, kleine Wohnung zieht. Zwischen den Parteien ist aber klar, dass er eigentlich noch im Hause wohnt. 77
Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Er hat einmal in der Woche, Freitag, das Recht, im Haus zu übernachten, seine Wäsche zu waschen und sich mit neuer Kleidung für die nächste Woche auszustatten. Frau A ist in dieser Zeit bei einer Freundin. Das von ihr benutzte Zimmer ist abgeschlossen. Diese Vereinbarung gilt für die Dauer der Mediation. Resümee: Die Konfliktpartner kommen mit scheinbar unvereinbaren Standpunkten in die Mediation. Herr A setzt Frau A unter Druck, indem er ihr nur die Wahl lässt, entweder sofort auf Unterhalt zu verzichten oder aber nicht aus dem Haus auszuziehen. Frau A wünscht dringend, dass ihr Mann auszieht. Es droht die Gefahr, dass Frau A unter diesem Druck tatsächlich auf Unterhalt verzichtet und nicht mehr in der Lage ist, eigenverantwortlich eine Entscheidung zu treffen. Es ist wichtig, dass der Mediator versteht, welche Ängste die Konfliktpartner veranlassen, Druck auszuüben, und ihnen den Weg aus dem Dilemma zeigt.
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Nr. 15: Mediation und Gewalt
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 45 Jahre, Versicherungsvertreter, Ehefrau: 43 Jahre, Verwaltungsangestellte, verheiratet seit 20 Jahren, noch nicht getrennt lebend; Kinder
Ralph, 14 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Auszug von Herrn A aus dem Haus, Vermögensauseinandersetzung, Unterhalt für Frau A Sachverhalt und Konfliktsituation: Frau A ist seit ca. einem Jahr in Psychotherapie. Nach einem Selbstmordversuch befand sie sich 3 Monate in stationärer Behandlung. Die Ärzte haben ihr zu einer Trennung von ihrem Mann geraten. 78
Eigenverantwortung und Autonomie
Herr A sieht hierzu keine Notwendigkeit. Er behauptet, seine Frau sei krank und ohne ihn hilflos und verloren. Frau A möchte, dass ihr Mann auszieht. Verlauf der Mediation: Frau A erscheint in der zweiten Mediationssitzung mit einer Sonnenbrille, die sie zunächst nicht abnimmt. Der Mediator bittet aber darum, worauf sie dann sehr zögerlich die Brille absetzt. Ein Auge ist zugeschwollen. Mediator: Ich sehe, dass Sie verletzt sind. Darf ich fragen, wie es zu dieser Verletzung gekommen ist?
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TIPP: Körperliche Verletzungen Erfragen Sie die Ursachen körperlicher Verletzungen, die Sie bei den Medianden bemerken!
Herr A: Nein, das geht Sie nichts an! Mediator: Ich habe Ihre Frau gefragt, wie es zu dieser Verletzung gekommen ist. Ich möchte eine Antwort. Frau A (weinend und resigniert): Ich möchte dazu nichts sagen. Mediator: Sie möchten in einem Mediationsverfahren eine faire und eigenverantwortliche Regelung treffen. Ich als Mediator möchte Ihnen beiden einen sicheren Rahmen für eine friedliche Klärung schaffen. Dazu benötige ich die Gewissheit, dass Sie auch außerhalb des Mediationsverfahrens gewaltlos miteinander umgehen. Deshalb möchte ich wissen, was die Ursache dieser Verletzung ist. Erlauben Sie mir bitte die Frage, Herr A, haben Sie Ihrer Frau diese Verletzungen zugefügt? Herr A: Ja, aber das geht Sie dennoch nichts an! Mediator: Da bin ich anderer Meinung. Herr A: Ich habe ihr eine Ohrfeige gegeben, weil sie mich so genervt hat. Sie provoziert mich mit ihrer ‚Jammerei‘. So schlimm, wie es aussieht, ist es gar nicht. Frau A: Du hast mich schon viel schlimmer geschlagen. Einmal musste ich sogar ins Krankenhaus. Damals waren zwei Rippen und das Nasenbein gebrochen. In der Klinik haben sie mir geraten, in ein Frauenhaus zu gehen und Dich über einen Anwalt aus dem Haus zu zwingen.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Herr A (lachend): So weit kommt es noch! Du spinnst und willst Dich von mir trennen und ich soll aus dem Haus. Wenn hier einer geht, dann bist Du das. Das werden wir schon sehen. Frau A: Aber Du weißt doch, dass ich nicht gehen kann. Ich schaffe das nicht. Ralph braucht doch sein Zuhause. Er hängt so an seinem Zimmer und an seinen Freunden. Ich habe doch auch gar kein Geld, um mir eine eigene Wohnung zu leisten. Außerdem haben meine Eltern das Haus bezahlt. Mein ganzes Erbe steckt im Haus. Herr A (jetzt wütend, aufbrausend und zunehmend bedrohlich): Wenn Dein Vater wüsste, dass Du mich verlassen willst, würde er mir das Haus schenken. Er würde Dir den Hintern versohlen und Dich zu Verstand bringen. Er wüsste schon, wie das geht. Frau A: Es ist richtig, dass mein Vater mich und meine Mutter geschlagen hat. Aber ich will mich nicht mehr schlagen lassen. Herr A: Dann geh, aber ohne etwas. Der Junge bleibt hier, das Haus gehört mir und Geld bekommst Du auch keines.
Bei diesen Worten richtet sich Herr A auf und Frau A sinkt in sich zusammen. Herr A: Sehen Sie, meine Frau ist ohne mich gar nicht lebensfähig. Sie hat schon zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen. Wenn sie mich nicht hätte, der für sie und das Kind sorgt, ginge sie unter. Gut, ich sehe ein, dass ich zu stark geschlagen habe, als sie ins Krankenhaus musste. Das war etwas zu viel. Manchmal ist es einfach nötig. Sie versteht nicht, dass ich es ja nur gut meine. Mediator: Habe ich richtig verstanden, dass Sie Gewalt für ein zulässiges Mittel halten, Ihre Interessen durchzusetzen? Herr A: Na ja, wenn sie sonst nicht versteht, muss es sein. Es ist ja nur zu ihrem Besten. Mediator: Warum sind Sie, Herr A, in die Mediation gekommen? Was ist ihre Motivation? Herr A: Weil sie das wollte. Ich bin eigentlich nicht für einen solchen Psychokram, aber vielleicht kapiert sie hier, dass es keinen Wert hat, wenn sie geht. Ich will nicht, dass sie mich verlässt. Mediator: Warum sind Sie, Frau A, in die Mediation gekommen?
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Eigenverantwortung und Autonomie
Frau A: Ich glaube, dass es hier vielleicht möglich sein könnte, dass er aus dem Haus auszieht. Ich will ihn nicht mit juristischen Mitteln aus dem Haus werfen. Dann wird er nur wütend. Er wird einen Richterspruch ohnehin nicht akzeptieren. Mediator: Verstehe ich richtig, dass Sie Angst vor seiner Wut haben? Befürchten Sie, dass er Gewalt einsetzen wird, um seinen Willen auch gegen einen Richterspruch durchzusetzen? Frau A: Ja. Mediator: Dann hoffen Sie, dass er in der Mediation davon überzeugt werden könnte, dass eine Trennung und sein Auszug aus dem Haus richtig und notwendig sind? Dass er freiwillig gehen wird? Frau A: Ja. Mediator: Ich glaube nicht, dass Mediation der richtige Weg für Sie beide ist, Ihre Probleme zu lösen. Ziel der Mediation ist es, in einem freiwilligen Verfahren autonome Entscheidungen zu treffen. Ich bin der Meinung, dass ich mit Ihnen kein Mediationsverfahren durchführen kann. Ich sehe Sie, Herr A, ohne Unrechtsbewusstsein Gewalt einsetzen, um zu erreichen, was Sie wollen. Ich sehe Sie, Frau A, von dieser Gewalt unterdrückt. Auf gleicher Ebene können Sie deshalb nicht miteinander verhandeln. An einer Lösung, die unter Angst und Druck zustande käme, kann ich nicht mitwirken. Zudem bin ich nicht allparteilich, wenn ich weiß, dass Sie Ihre Frau schlagen. Da werde ich wütend und parteilich. Noch dazu, wenn ich höre, dass Sie, Herr A, tatsächlich der Meinung sind, dass solches Verhalten zulässig ist. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn Sie, Herr A, zunächst ein Einsehen hätten, dass Sie in Ihrem Verhalten etwas ändern müssen. Dann könnte ich mir eventuell vorstellen, dass es mit therapeutischer Begleitung einen Weg geben könnte, der Sie beide doch dazu befähigen könnte, miteinander Entscheidungen zu treffen. Dieser Weg ist aber nicht erkennbar. Somit bleibt mir nichts, als Ihnen, Frau A, zu raten, eine Anwaltskollegin oder Kollegen mit Ihrer Interessenvertretung zu beauftragen. Ihnen Herr A, kann ich auch nur raten, einen Anwalt zu beauftragen und sich zu überlegen, ob Sie Hilfe in einer Selbsthilfegruppe oder Therapie suchen wollen.
Damit ist das Mediationsverfahren beendet.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Resümee: Körperliche Gewalt, Bedrohung und daraus resultierende Angst dürfen in einer Mediation keinen Raum haben. Es ist wichtig, dass der Mediator vor solcher Gewalt nicht die Augen schließt. Sehr häufig decken die Opfer die Täter aus Scham vor der erlebten Erniedrigung. Grundsätzlich ist eine autonome und eigenverantwortliche Entscheidung nicht möglich, wenn es außerhalb des geschützten Rahmens der Mediation zu Gewalthandlungen kommt.
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V. Freiwilligkeit 1. Allgemeines Die Freiwilligkeit gehört zu den elementaren Grundsätzen der Mediation und ist demzufolge als eines der Prinzipien in die Richtlinien von BAFM und BM aufgenommen worden. Der Grundsatz der Freiwilligkeit steht für Selbstbestimmtheit und Verantwortung. Mediation ist ein freiwilliges Verfahren, das auf der Eigenverantwortung der Konfliktparteien beruht. Wir haben in der Vergangenheit das Postulat der Freiwilligkeit sehr undifferenziert und idealisiert betrachtet. Auch wenn für uns weiterhin die Freiwilligkeit ein hohes Gut bedeutet, so haben wir übersehen, dass Mediation in dieser undifferenzierten Form nicht freiwillig ist. Wir haben kaum jemals eine Mediation erlebt, in der die Konfliktparteien wirklich freiwillig erschienen sind, sondern immer hat auch der Zwang, Probleme lösen zu müssen, die Parteien in die Mediation geführt8. Die Menschen kommen in die Mediation, weil ein Gerichtsverfahren droht, der Arbeitgeber oder ein Gericht sie schickt oder sie einfach unter ungeklärter Konfliktsituation leiden. Gemäß § 135 FamFG kann das Familiengericht anordnen, dass die Eheleute an einem Informationsgespräch über Mediation teilnehmen. Sollte einer von beiden Konfliktparteien eine derartig veranlasste Teilnahme ablehnen, kann das Familiengericht diesem unabhängig vom Gewinnen oder Verlieren des Rechtsstreits die Kosten des Rechtsstreits auferlegen (§ 150 Abs. 4 S. 2 FamFG). Eine derartig veranlasste Teilnahme wird vermutlich nur einen sehr geringen Grad an Freiwilligkeit aufweisen. Dennoch wird die vom Gericht angeordnete Information nicht das Prinzip der Freiwilligkeit verletzen. Nur die Information, nicht aber die Mediation wird den Konfliktparteien aufgezwungen. Die Parteien sind nur verpflichtet, sich zu informieren, um danach selbst eine Entscheidung treffen zu können, ob sie Mediation für ein geeignetes Verfahren zur Lösung ihrer Konflikte halten. Aus diesem Grunde sollte der Moment der Ent8 Jutta Hohmann und Birgit Keydel, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Spektrum der Mediation 2010, 56 ff.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
scheidung, ob sie sich auf der Grundlage informierter Kompetenz auf das Mediationsverfahren einlassen wollen, tatsächlich freiwillig sein. Auch ein weiterer Aspekt in der Mediation sollte von einen hohen Grad an Freiwilligkeit geprägt sein: die Lösungsfindung. Die Entscheidung am Ende einer Mediation, ob jede Konfliktpartei eine Lösung für fair und angemessen hält, ob sie dem Ergebnis zustimmt und bereit ist, dieses verantwortlich mitzutragen, muss einen hohen Grad an Freiwilligkeit enthalten9. Freiwilligkeit setzt voraus, dass die Konfliktpartner in ihrer Selbstbestimmung nicht beschränkt sind und der Mediator keinen Weisungen unterliegt. Folglich kann die Mediation von allen Beteiligten jederzeit beendet werden. Jeder Konfliktpartner entscheidet für sich, ob ein Mediationsverfahren für ihn geeignet ist, ob er es beginnen oder weiter fortführen möchte. Für den Mediator sollte dieser Grundsatz mit der Einschränkung gelten, dass er eine laufende Mediation nur dann beenden kann, wenn für ihn ein wichtiger Grund besteht. Ein derartiger Grund kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn die Konfliktpartner gegen die vereinbarten Prinzipien der Mediation verstoßen, der Mediator die Eignung des Verfahrens für die Medianden nicht mehr für gegeben hält, er seine Neutralität und Allparteilichkeit nicht halten kann oder die Medianden mit der Zahlung des Honorars im Verzug sind. Die Konfliktpartner entscheiden selbst, ob sie an der Mediation teilnehmen möchten. Der Grundsatz der Freiwilligkeit ist verletzt, wenn beispielsweise das Familiengericht das Konfliktpaar in die Mediation schickt, ohne dass es wirklich an einem Mediationsverfahren teilnehmen will. Stellt sich jedoch anschließend im Erstgespräch zwischen dem Konfliktpaar und dem Mediator heraus, dass die Konfliktpartner wirklich bereit sind, sich auf die Mediation einzulassen, kann das Mediationsverfahren trotz anfänglicher Skepsis begonnen werden und hat ebenso große Chancen, dass einvernehmliche Lösungen gefunden werden wie in einem von Beginn an freiwilligen Verfahren.
9 Jutta Hohmann und Birgit Keydel, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Spektrum der Mediation 2010, 56 ff.
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Freiwilligkeit
Resümee: Die Konfliktparteien müssen nicht freiwillig in ein Mediationsverfahren kommen, sie sollten aber „freiwillig“ dabei bleiben. Dies werden sie dann tun, wenn sie von der Sinnhaftigkeit des Mediationsverfahrens für sich selbst überzeugt sind.
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 16: Das Familiengericht schickt das Paar in die Mediation
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 38 Jahre, Kaufmann, Einkommen 8000 Euro netto, Ehefrau: 38 Jahre, Angestellte, Einkommen 1800 Euro netto, verheiratet seit 10 Jahren, getrennt lebend seit 2 1/2 Jahren; Kinder
Helena, 8 Jahre und Moritz, 4 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Elterliche Sorge Sachverhalt und Konfliktsituation: Das Scheidungsverfahren ist bereits seit über einem Jahr vor dem Familiengericht anhängig. Die Auskünfte zum Versorgungsausgleich liegen auch vor, so dass die Ehe eigentlich geschieden werden könnte. Herr A hat sich vor 2 1/2 Jahren von Frau A getrennt und ist zu seiner Freundin gezogen. Frau A hat anfangs sehr unter der Trennung gelitten und die Trennungsproblematik in einer Therapie aufgearbeitet. Nach einem Jahr ist es ihr wieder besser gegangen. Sie hat während eines Urlaubes in Spanien einen Spanier kennengelernt. Sie möchte diesen Mann nach der Scheidung heiraten und mit den Kindern nach Spanien ziehen.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Nach der Trennung haben die Eheleute die Folgen ihrer Trennung selbst geregelt. Sie wollten die elterliche Sorge auch nach der Scheidung gemeinsam behalten. Der neue Wohnsitz von Herrn A befindet sich in der Nähe der Wohnung, in der Frau A mit den Kindern derzeit lebt. Der Vater verbringt jedes zweite Wochenende mit den Kindern. Die Kinder sind außerdem in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag beim Vater. Herr A ist nicht damit einverstanden, dass Frau A mit den Kindern nach Spanien zieht. Daraufhin hat Frau A über ihre Anwältin im Scheidungsverfahren die alleinige elterliche Sorge beantragt. Herr A hat über seinen Anwalt auch einen derartigen Antrag gestellt. Das Jugendamt hat dem Familiengericht mitgeteilt, dass es beide Eltern gleichermaßen für die Ausübung der elterlichen Sorge für geeignet hält. Verlauf der Mediation: Im Erstgespräch erkundigt sich der Mediator, wer dem Paar Mediation empfohlen hat. Frau A: Neulich hat ein Termin vor dem Familiengericht stattgefunden. Ich habe geglaubt, dass wir geschieden würden. Aber es war schrecklich. Der Richter wollte, dass wir uns einigen. Aber wir haben uns nicht geeinigt, wo die Kinder in Zukunft leben sollen. Wir wollen auch nicht die Kinder in diesen Streit einbinden. Ich habe mir vorgestellt, dass der Richter diese Frage entscheidet. Der Richter ist ziemlich laut gewesen. Er hat gesagt, dass wir beide für das Wohl unserer Kinder verantwortlich sind und gemeinsam eine Entscheidung treffen müssen. Dies gehöre zur Verantwortlichkeit von Eltern. Er hat uns auf den Bericht des Jugendamts hingewiesen, dass wir beide für die Ausübung der elterlichen Sorge geeignet sind. Er denke gar nicht daran, derzeit die Scheidung auszusprechen. Wir sollen uns einigen! Wir sollen es mit Mediation versuchen. Danach könnten wir weitersehen. Mediator: Frau A, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie nur deshalb hier, weil der Richter nicht entschieden hat? Ja? Was hat denn Ihre Anwältin gesagt? Frau A: Sie hat mit dem Kopf geschüttelt und gesagt, dass sie so etwas noch nicht erlebt habe. Ich habe deshalb mit ihr abgesprochen, dass ich diesen Termin bei Ihnen wahrnehme.
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Freiwilligkeit
Mediator: Mediation ist gut geeignet für Menschen, die ihre Probleme selbst regeln und für sich selbst sprechen wollen. Manche Eheleute, die sich voneinander getrennt haben, können trotz der Trennung direkt miteinander verhandeln, wenn sie dabei von einem neutralen Dritten, dem Mediator, unterstützt werden. Es gibt aber auch Menschen, die diesen direkten Kontakt ablehnen, sich lieber von einem Anwalt vertreten lassen und die Entscheidung eines Gerichts wünschen, weil sie selbst diese Entscheidung nicht treffen wollen. Ich kann Ihnen auch nicht sagen, welches der richtige Weg für Sie beide ist zu klären, wo der Lebensmittelpunkt Ihrer Kinder sein soll. Es gibt keinen richtigen und keinen falschen Weg. Menschen sind unterschiedlich. Deshalb sind auch die Wege unterschiedlich, wie sie ihre Probleme lösen. Wären Sie, Frau A, auch in die Mediation gekommen, wenn das Gericht Sie nicht geschickt hätte? Frau A: Nein. Ich habe damals nach der Trennung versucht, mich mit meinem Mann zu einigen. Ich habe mich auf den Unterhalt eingelassen, den er mir vorgeschlagen hat. Jetzt hat mir meine Anwältin gesagt, dass ich viel mehr hätte beanspruchen können. Aber ich war ihm nicht gewachsen. Mediator: Fühlen Sie sich heute für eine Verhandlung mit Ihrem Mann stark genug? Frau A: Nein, deshalb habe ich meine Anwältin beauftragt. Sie soll alles für mich machen. Ich will auch nicht entscheiden müssen, wo die Kinder wohnen sollen. Mediator: Sie möchten am liebsten Ihre Anwältin für sich handeln lassen und dem Richter die Verantwortung für die Entscheidung übertragen. Herr A, mit welcher Motivation sind Sie zu mir gekommen? Herr A: Vor diesem Verfahren habe ich nie an Mediation gedacht. Ich kannte dieses Verfahren überhaupt nicht. Ich habe deshalb den ganz normalen Weg eingeschlagen und einen Anwalt beauftragt. Inzwischen habe ich mich etwas informiert und würde gern Mediation ausprobieren. Mediator: Ich habe verstanden, dass Sie, Frau A, lieber Ihre Anwältin für sich sprechen lassen möchten. Sie möchten lieber eine gerichtliche Entscheidung. Sie, Herr A, können sich schon vorstellen, den Vorschlag des Richters aufzugreifen und das Verfahren der Mediation einmal auszuprobieren. Ist das so? Herr und Frau A: Ja.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Mediator: Mediation ist ein Verfahren, dessen Durchführung beide Konfliktpartner wollen müssen. Sie, Frau A, haben sich bereits für das gerichtliche Verfahren entschieden. Wenn Sie jetzt an einer Mediation teilnehmen würden, so würde dies nur geschehen, weil das Gericht Druck auf Sie ausübt. Mediation ist aber freiwillig. Ich kann Ihnen nur beiden vorschlagen, dass Sie Ihre Anwälte wieder aufsuchen und sie bitten, für eine Entscheidung des Gerichts zu sorgen. Sind Sie damit einverstanden?
Beide Eheleute sind einverstanden, die Mediation erst gar nicht zu beginnen. Frau A ist spürbar froh, nicht mehr unter dem Druck zu stehen und die Verantwortung wieder an ihre Anwältin zurückgeben zu können. Resümee: Frau A fühlt sich ihrem Ehemann unterlegen und hat deshalb eine Anwältin beauftragt. Sie möchte nicht für sich selbst sprechen und will keine Entscheidung treffen, sondern die Entscheidung des Gerichts akzeptieren. Sie würde an der Mediation nur teilnehmen, weil sie sich gezwungen fühlt. Ihre Teilnahme wäre nicht freiwillig. Ein Mediationsverfahren ist nicht möglich.
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Nr. 17: Ein Konfliktpartner will die Mediation, der andere nur notgedrungen oder gar nicht
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 37 Jahre, Krankenpfleger, Ehefrau: 33 Jahre, Erzieherin, derzeit nicht im Beruf tätig; Kinder
Eilena, 13 Jahre und Dominic, 10 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Trennung, Kindes- und Ehegattenunterhalt
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Freiwilligkeit
Sachverhalt und Konfliktsituation: Herr A will sich trennen. Frau A lehnt eine Trennung ab und möchte keine Mediation. Sie ist sehr verzweifelt und wünscht sich, in einer Therapie die Eheprobleme aufarbeiten zu können. Herr A ist sich sicher, dass die Ehe gescheitert ist, und möchte in einem Mediationsverfahren die Folgen der Trennung regeln. Eine Therapie lehnt er ab. Verlauf der Mediation: In der ersten Mediationssitzung eröffnet der Mediator die Mediation: Mediator: Zunächst möchte ich einiges von Ihnen wissen. Was bringt Sie hierher? Was erwarten Sie von der Mediation? Was ist bislang geschehen? Dann möchte ich Ihnen Mediation und meine Arbeitsweise vorstellen. Das Ziel dieser Sitzung sollte sein, dass Sie in der Lage sind zu entscheiden, ob Mediation für Sie das Richtige ist und ob ich für Sie auch der richtige Mediator bin. Macht das für Sie beide Sinn?
Beide Medianden nicken zustimmend. Der Mediator beginnt dann damit, dass er die Parteien entscheiden lässt, wer von beiden anfängt. Frau A will beginnen. Frau A: Mein Mann will sich von mir trennen, aber ich will das nicht. Ich verstehe überhaupt nicht, warum er das will. Es ist schon so, dass unser eheliches Verhältnis vom Alltag erdrückt ist. Mit einer Ehetherapie könnten wir unsere Beziehung retten. Es geht doch auch um die Kinder. Ich will nicht unsere Trennung regeln. Das ist schlimm für mich. Ich kann doch nicht etwas regeln, was ich gar nicht will. (Frau A beginnt zu weinen.) Herr A (unterbrechend): Ich kann das nicht mehr hören und nicht ertragen. Ich will nur noch alles klären, und zwar möglichst schnell! Mediator: Ich merke, dass Sie, Herr A, sehr ungeduldig sind. Ist es dennoch möglich, dass ich zunächst noch ein bisschen mehr von Ihrer Frau höre? Ich verspreche Ihnen, dass Sie dann auch genauso viel Redezeit bekommen wie Ihre Frau. Wäre das in Ordnung?
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Herr A: Ja, aber es nervt mich so, dass ich hier das Gleiche wie immer höre und nichts sagen kann. Aber wenn Sie mir versprechen, dass ich dann auch reden kann, ist es jetzt erst einmal in Ordnung.
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TIPP: Störungen Gehen Sie auf Störungen ein. Wenn ein Konfliktpartner den anderen Konfliktpartner unterbricht, befürchtet er häufig, nicht gehört zu werden. Versprechen Sie, dass in der Mediation jeder den „Raum“ und die Zeit erhält, den er benötigt, um seine Bedürfnisse und Interessen darzulegen.
Mediator: Frau A, ich habe gehört, dass Sie nicht verstehen, warum sich Ihr Mann von Ihnen trennen will. Sie sind zwar auch der Meinung, dass die Ehe eine „Auffrischung“ nötig hätte, aber Sie denken, dass dies in einer Ehetherapie gelingen könnte. Sie wollen keine Mediation, weil Sie nicht an der Trennung, die Sie auf gar keinen Fall wollen, mitwirken möchten. Ich spüre, dass Sie sehr verzweifelt sind und sich auch Sorgen um die Kinder machen. Frau A: Ich kann ohne ihn nicht leben. Ich liebe ihn. Ich weiß nicht, wie ich alles ohne ihn schaffen soll. Eilena ist im Moment so schwierig und auch Dominic braucht ihn. Ich weiß auch nicht, wie das alles mit dem Geld werden soll. Wir haben schon so viele Ausgaben. Wenn wir getrennt sind, dann wird es doch noch teurer. Mediator: Es ist für Sie sehr schwer, dass Ihr Mann sich von Ihnen trennen will. Die Kinder sind derzeit in der Pubertät und schwierig. Sie befürchten, dass es Geldprobleme geben könnte. Was erwarten Sie von der Mediation, was soll ich für Sie tun? Frau A: Ich hoffe, dass ich ihn vielleicht zurückgewinne, wenn ich mich doch auf die Mediation einlasse. Es bleibt mir ja gar nichts anderes übrig. Sonst redet er ja nicht mehr mit mir. So sind wir wenigstens zusammen und vielleicht wird ja doch noch alles gut. Mediator: Sie hoffen, dass Sie mit ihm über die Mediation wieder zusammenkommen? Frau A: Ja. Mediator: Wir werden später klären, ob Mediation dies leisten kann. Darf ich jetzt Ihre Sicht der Dinge hören, Herr A?
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Freiwilligkeit
Herr A: Ich weiß, dass ich mich von meiner Frau trennen muss und dies auch tun werde! Wir sind als Ehepaar eigentlich getrennt, seit die Kinder auf der Welt sind. Seither gibt es nur die Kinder. Als Mann gibt es mich nicht, wenn Sie verstehen, was ich meine. Mediator: Verstehe ich richtig, dass Sie fest entschlossen sind, Ihre Frau zu verlassen? Habe ich auch richtig verstanden, dass Sie beide mit der Sexualität Probleme haben? Herr A: Wir haben keine Probleme mit der Sexualität, wir haben keine Sexualität! Frau A: Aber ich habe nicht gewusst, dass das ein so großes Problem für ihn ist. Dann hätten wir doch etwas tun können. Herr A: Ich will aber nicht, dass sie etwas gegen mein „Problem“ tut, sondern ich will, dass meine Frau mich als Mann begehrt. Ich weiß, dass ich ihr das nicht vorwerfen kann, aber es ist halt nun mal so. Mediator: Herr A, was erwarten Sie von der Mediation? Herr A: Ich achte meine Frau als Mutter unserer Kinder. Sie ist eine liebevolle und fähige Mutter. Ich werde mich von ihr trennen, weil ich etwas für mich tun muss. Aber ich will nicht, dass es ihr danach schlecht geht. Wir müssen Eltern bleiben, weil unsere Kinder uns beide brauchen. Ich will keinen Krieg. Mediator: Ich möchte zusammenfassen, was ich von Ihnen beiden verstanden habe. Sie, Frau A, erhoffen sich von der Mediation, Ihre Schwierigkeiten in der Ehe aufarbeiten zu können. Sie, Herr A, hoffen, dass es Ihnen mit der Mediation gelingt, die Trennung einvernehmlich durchzuführen. Sie wollen auch nicht, dass Ihre Frau, die Sie als Mutter Ihrer Kinder sehr hoch schätzen, Nachteile durch die Trennung hat. Sie wissen aber auch sicher, dass Sie die Trennung wollen. Sie beide haben unterschiedliche Erwartungen an die Mediation! Sie, Herr A, möchten, dass ich Sie unterstütze, eine Regelung über die Folgen der Trennung zu erarbeiten. Sie, Frau A, möchten, dass ich mit Ihnen therapeutisch arbeite. Mediation und Therapie sind jedoch unterschiedliche Verfahren. Frau A: Wenn er die Trennung wirklich will, dann weiß ich nicht mehr, warum ich hier bin. Ich werde nicht an einer Trennung mitwirken, die ich nicht will. (Sie fängt wieder an zu weinen.)
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Mediator: In einer Mediation können Konfliktpartner nur dann die Folgen einer Trennung regeln, wenn sie beide die Trennung akzeptieren können. Vielleicht benötigen Sie noch Zeit. Jetzt sehe ich keine Möglichkeit für eine Mediation. Vielleicht ändert sich dies.
An dieser Stelle wird die Mediation abgebrochen. Resümee: Es ist wichtig, dass der Mediator im Erstgespräch die Motivation und die Erwartungen an die Mediation klärt.
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VI. Das Recht in der Mediation 1. Allgemeines a) Darf oder muss der Mediator auf die rechtliche Beratung der Konfliktpartner hinwirken? Das Ziel der Mediation bei Trennung und Scheidung ist eine eigenverantwortliche Entscheidung der Konfliktpartner über die Frage, wie sie ihre rechtlichen Beziehungen regeln wollen. Jeder Konfliktpartner soll die Möglichkeit haben, sich – soweit das möglich ist – sein eigenes Recht zu schaffen oder aber auf die Lösung des Gesetzgebers zurückzugreifen. Um diese Wahlfreiheit ausüben zu können, benötigen die Konfliktpartner den Vergleich zwischen dem von ihnen geschaffenen Recht und den gesetzlichen Regelungen. Abgesehen davon wollen sie in der Regel auch wissen, ob die Regelung, die sie selbst gefunden haben, vor Gericht Bestand hat. Aus diesem Grunde ist Mediation keine Alternative zum Recht, sondern in das Recht eingebunden und Teil des Rechts10. Aus demselben Grund ist nach den Richtlinien der BAFM in VI. die Kenntnis des Rechts zwingender Bestandteil des Mediationsprozesses11. Spätestens vor Abschluss der vertraglichen Regelung müssen die Konfliktpartner Rechtsanwälte aufsuchen, die einseitig und parteilich diese Regelungen überprüfen und ihre Mandanten beraten. Diese Rechtsanwälte werden als Außenanwälte bezeichnet. Dies soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, vielmehr wird auf Spezialliteratur zu diesem Thema hingewiesen12. 10 Mähler/Mähler in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation: Die andere Scheidung, S. 53. 11 Mähler/Mähler in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation: Die andere Scheidung, S. 113 ff., 122. 12 Mähler/Mähler in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation: Die andere Scheidung, S. 53 ff.; Breidenbach, Mediation, S. 287 ff.; Mähler/Mähler, Das Verhältnis von Mediation und richterlicher Entscheidung in Krabbe (Hrsg.), Scheidung ohne Richter, S. 148 ff.; Friedman, Die Scheidungsmediation, S. 262 ff.; Mähler/Mähler in Büchting/Heussen (Hrsg.), Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, Rn. 36 ff. und 55 ff.; Mähler/Mähler, Zum Umgang mit dem Gesetzesrecht in der Mediation, FÜR 1996, 16 ff.; Mähler/Mähler, Rechtsberatung in der Mediation bei Trennung
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
b) Wer berät über das Recht? Am 1. Juli 2008 hat das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) das bis dahin geltende Rechtsberatungsgesetz abgelöst. Auch nach dem Inkrafttreten des RDG dürfen selbständig tätige Mediatoren, die nicht auch als Anwälte zugelassen sind, gemäß § 3 RDG ohne behördliche Erlaubnis keine Rechtsberatung erbringen. Unter Geltung des früheren Rechtsberatungsgesetzes war bereits umstritten, ob nur die einseitig beratenden Außenanwälte oder auch die Mediatoren, die zugleich Anwälte sind, in der Mediation über das Recht informieren können. Nach Proksch13 ist die Rechtsberatung durch Mediatoren grundsätzlich unabhängig vom Grundberuf im Hinblick auf die Neutralität des Mediators unzulässig. Anderer Auffassung sind Gisela und Hans-Georg Mähler: „Der Mediator, der als Rechtsanwalt zugelassen ist, weist darauf hin, dass Mediation von seiner Seite Rechtsberatung mit umfasst, dass dies aber im Hinblick auf den beiderseitigen Beratungsauftrag keine parteiliche Rechtsberatung sein könne. In diesem Zusammenhang weist er auf die zusätzliche Notwendigkeit zumindest einmaliger einseitiger anwaltlicher Beratung jeder Partei hin.“14 Eine ähnliche Auffassung vertreten auch Breidenbach15 und Henssler16, wonach Rechtsanwälte während ihrer Mediationstätigkeit auch Rechtsberatung erteilen dürfen. Wir sind der Meinung, dass Rechtsberatung in dem Mediationsverfahren durch Mediatoren, die als Rechtsanwälte zugelassen sind, nicht zulässig ist. Dies ist in den unterschiedlichen Rollen von Rechtsanwalt und Mediator begründet. Der Rechtsanwalt ist einseitig parteilich für seinen Mandanten tätig, während der Mediator allparteilich für beide Konfliktparteien tätig ist. Es dürfte einem
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und Scheidung, FÜR 1997, 258 ff.; Mähler/Mähler in: Dieter/Montada/ Schulze (Hrsg.), Gerechtigkeit im Konfliktmanagement und in der Mediation, S. 9 ff.; Trenczek, Recht in der Mediation, Perspektive Mediation 2006, 93 ff. Proksch, Dokumentation einer Scheidungsmediation, Konsens 1999, 116 ff. (117). Mähler/Mähler in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation: Die andere Scheidung, S 63. Breidenbach, Mediation, S. 257. Henssler, Anwaltliches Berufsrecht und Mediation in: Breidenbach/ Henssler (Hrsg.), Mediation für Juristen, S. 75, 77.
Das Recht in der Mediation
Mediator kaum möglich sein, eine von zwei Konfliktparteien rechtlich zu beraten, ohne dabei die Allparteilichkeit zu verlieren. Im Übrigen sind die Konfliktparteien gut beraten, sich durch Rechtsanwälte außerhalb des Settings der Mediation beraten zu lassen (Außenanwälte). c) Zu welchem Zeitpunkt erfolgt die rechtliche Beratung der Konfliktpartner? Der richtige Zeitpunkt für die Einführung des Rechts in die Mediation hängt davon ab, wann es vom Ablauf des Verfahrens zweckmäßig erscheint17. Dies beurteilen nicht die Medianden, sondern vorrangig der Mediator18. Mediatoren mit dem Grundberuf des Anwalts erleben es immer wieder, dass die Frage nach der Rechtslage von den Medianden schon sehr früh gestellt wird, wenn es um die Höhe des Unterhalts geht. Die Kenntnis der Rechtslage in einer frühen Phase des Mediationsverfahrens verhindert häufig eigene, phantasievolle und kreative Lösungen. Meistens sehen die Klienten nach entsprechender Erläuterung durch die Mediatoren auch schnell ein, dass das Recht lediglich ein Kontrollmechanismus dafür ist, ob die eigene Lösung ihren Interessen besser gerecht wird als die gesetzliche Lösung. Deshalb führen wir in der Regel das Recht erst ein, wenn die Konfliktpartner die eigene Lösung erarbeitet haben. Von diesem Grundsatz gibt es natürlich Ausnahmen. Wenn eine Konfliktpartei große Schwierigkeiten hat, eine eigene Position zu vertreten, oder sich gar nicht vorstellen kann, zu Forderungen berechtigt zu sein, kann es sehr sinnvoll sein, ihr erst einmal den Rücken zu stärken und sie frühzeitig zu einem Außenanwalt in die Beratung zu schicken. Dort wird sie einseitig beraten und kann anschließend in der Mediation erstmalig eigene Wünsche und Bedürfnisse äußern. Mediatoren aus Berufsgruppen, denen die Rechtsberatung verboten ist, werden die Medianden zu einem früheren Zeitpunkt zu Außen17 Mähler/Mähler in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation: Die andere Scheidung, S. 55. 18 Anders Mähler/Mähler in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation: Die andere Scheidung, S. 55.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
anwälten schicken müssen als Mediatoren, die auch Rechtsanwälte sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um Fristen, Inverzugsetzung oder einen drohenden Rechtsverlust geht. Diese Aufgabe können Mediatoren nur erfüllen, wenn sie derartige Gefahren erkennen. Deshalb setzt nach Abschnitt VII. der Richtlinien der BAFM die Tätigkeit als Mediator profunde Kenntnisse auf dem Gebiet des Familienrechts voraus. Mediatoren aus der psycho-sozialen Berufsgruppe müssen sich familienrechtlich fortbilden und juristische Kenntnisse aneignen.
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TIPP: Vernetzung unterschiedlicher Berufsgruppen und Fortbildung Vernetzen Sie sich mit Mediatoren anderer Berufsgruppen! Arbeiten Sie in der Form der Co-Mediation mit Angehörigen anderer Berufsgruppen zusammen! Lassen Sie sich von Mediatoren aus anderen Berufsgruppen unterstützen! Wenn Sie als Mediator mit einem psycho-sozialen Grundberuf tätig sind, verschaffen Sie sich Grundkenntnisse im Familienrecht durch Fortbildungen. Bitten Sie Mediatoren, die den rechtsberatenden Berufen angehören, um Information über das Recht! Wenn Sie als Mediator mit dem Grundberuf des Anwalts tätig sind, verschaffen Sie sich Kenntnisse von psycho-dynamischen Prozessen. Bitten Sie Mediatoren, die der psycho-sozialen Berufsgruppe angehören, um Unterstützung!
d) Die Wirkung der Rechtsberatung auf den Mediationsprozess Die Einführung des Rechts in die Mediation ist eine Gratwanderung. Einerseits besteht die Gefahr, dass das Recht das Ergebnis der Mediation bestimmt. Andererseits bietet das Recht eine Fairnesskontrolle, auf die die Konfliktpartner nicht verzichten sollten. Der Mediator kann diese Gratwanderung steuern: Je nachdem, welche Bedeutung und welche Macht er dem Recht zuweist, wird das Recht entweder eine Zwangsjacke, die den Mediationsprozess behindert, darstellen oder als ein Schatzkästlein angesehen, das die Konfliktpartner darin unterstützen kann, eine Lösung zu finden, die gerade ihren Interessen entspricht. Die Haltung, die der Mediator dem Recht gegenüber einnimmt, wird sich in der Haltung der Medianden widerspiegeln. Die Auswirkung des Rechts auf den Me96
Das Recht in der Mediation
diationsprozess und die Konfliktparteien hängt also auch davon ab, wie der Mediator mit dem Recht umgeht und welche Einstellung er zu der Einführung des Rechts hat. Wenn er – wie mitunter zu beobachten – den Gang der Konfliktpartner zu den Außenanwälten gelegentlich als einen „Weg durch das Fegefeuer“ erlebt, sollte er sich fragen, was die Auseinandersetzung mit dem Recht bei ihm, dem Mediator, auslöst. Vielleicht befürchtet er durch die Auseinandersetzung mit dem Recht ein Scheitern des Mediationsprozesses und ein damit für ihn verbundenes berufliches Versagen. Ein Mediator mit solchen Ängsten wird diese Ängste mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Medianden übertragen.
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TIPP: Die Einführung des Rechts in die Mediation Messen Sie dem Recht nur soviel Bedeutung wie notwendig bei! Nutzen Sie die Möglichkeiten, die Ihnen das Recht gibt. Bereiten Sie das Konfliktpaar auf dem Weg in die Rechtsberatung vor! Fragen Sie sich selbst: „Was löst das Recht bei mir, dem Mediator, aus?“
Die Einführung des Rechts in die Mediation kann sich auch deshalb als Blockade für die Mediation auswirken, weil sich die Konfliktpartner in einem für sie schwierigen Prozess von ihren Ausgangspositionen entfernt haben. Sie haben herausgefunden, welche Interessen und Bedürfnisse hinter ihren Positionen stehen. Sie begeben sich nun wieder auf die Positionsebene. Derjenige, der die schwächere juristische Position innehat, wird vielleicht Angst empfinden, dass sich der andere Konfliktpartner auf seine Rechtsposition zurückbesinnt und unter dem Eindruck der rechtlichen Beratung seine Ansprüche auch geltend macht.19 Eine derartige Rückbesinnung bedeutet, dass die Konfliktpartner ihren Einigungsprozess noch nicht beendet haben. Sie haben eine interessengerechte Regelung für sich noch nicht gefunden und müssen weiter an ihrem Ziel, eine einvernehmliche Lösung zu schaffen, arbeiten. Es ist hilfreich, wenn der Mediator die Konfliktpartner auf die Rechtsberatung durch die Außenanwälte vorbereitet und ihnen die Bedeutung des Rechts erläutert. Von wenigen Ausnahmen abge19 Mähler/Mähler, Licht und Schatten, Zum Umgang mit dem Gesetzesrecht in der Mediation, FPR 1996, 16, 18.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
sehen, wie z.B. Verzicht auf Unterhalt für Kinder, Verzicht auf Ehegattenunterhalt während der Ehe herrschen auch im Familienrecht die Grundsätze der Vertragsfreiheit. Nach der Intention des Gesetzgebers können die Eheleute also ihre Verhältnisse frei regeln. Nur wenn sie hierzu nicht in der Lage sind, stellt der Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung zur Verfügung. Eine derartige Erläuterung hilft den Beteiligten zu verstehen, dass für sie einerseits die Einführung des Rechts bedeutsam ist, andererseits das Recht nur die Bedeutung und Größe hat, die sie ihm selbst zuweisen.
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TIPP: Fragen des Mediators an die Medianden vor der Einführung des Rechts Bevor wir das Recht in die Mediation einführen, um Sie mit den gesetzlichen Möglichkeiten vertraut zu machen, möchte ich Sie fragen, was die Auseinandersetzung mit dem Recht bei Ihnen auslöst. Ich möchte mit Ihnen darüber reden, welchen Stellenwert das Recht für Sie hat. Gibt es Bedenken, die Sie im Zusammenhang mit der Einführung des Rechts haben? Wenn ja, welche sind das?
Nach der Beratung der Medianden durch die Außenanwälte bespricht der Mediator die Ergebnisse der parteilichen Rechtsberatung.
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TIPP: Fragen des Mediators an die Medianden nach der Einführung des Rechts Sie haben sich durch Ihre Anwälte beraten lassen. Was haben Sie erfahren? Wie geht es Ihnen nach diesen Informationen? Was hat die Rechtsberatung bei Ihnen ausgelöst? Wollen Sie immer noch eine Lösung, mit der Sie beide einverstanden sind?
Es geschieht immer wieder, dass die Beteiligten mit unterschiedlichen Ergebnissen aus der Rechtsberatung in die Mediation zurückkehren, weil ihre Anwälte unterschiedliche Rechtsauffassungen haben. Auch dies lässt sich für die Mediation nutzen. Die Rechtslage ist durchaus nicht immer eindeutig. Nicht nur Anwälte haben verschiedene Rechtsauffassungen. Auch die Gerichte beurteilen einen
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Das Recht in der Mediation
Sachverhalt in den Instanzen unter Umständen verschieden. Es ist hilfreich, die Beteiligten darauf hinzuweisen. Der Weg durch die Instanzen ist ein langer Weg, dessen Zeitdauer sich kaum schätzen lässt. Die Kosten sind hoch, und das Ergebnis eines derartigen Verfahrens ist in der Regel ungewiss. Diese Unsicherheit motiviert die Konfliktpartner häufig, eine eigene Lösung zu finden. Resümee: 1. Wer informiert über das Recht? Nur Rechtsanwälte dürfen über das Recht informieren und beraten. 2. Zu welchem Zeitpunkt erfolgt die rechtliche Beratung? Der richtige Zeitpunkt für die Einführung des Rechts in die Mediation hängt davon ab, wann die Einführung nach dem Ablauf des Verfahrens zweckmäßig erscheint20. Dies beurteilt vorrangig der Mediator. Kenntnis der Rechtslage bei den Medianden verhindert häufig kreative Lösungen. 3. Welche Wirkung hat die Rechtsberatung auf den Mediationsprozess? Für den Mediator bedeutet die Einführung des Rechts in die Mediation eine Gratwanderung. Es besteht die Gefahr, dass das Recht das Ergebnis der Mediation bestimmt und dass sich die Konfliktpartner von der Vorstellung des Gesetzgebers abhängig machen. Die Auswirkung des Rechts auf den Mediationsprozess und die Konfliktparteien hängt auch davon ab, wie der Mediator mit dem Recht umgeht und welche Einstellung er zu der Einführung des Rechts hat. Die Medianden benötigen eine innere Freiheit, um das Recht als Messlatte für ihre in der Mediation gewonnene Entscheidung nutzen zu können.
20 Mähler/Mähler in Duss-von Werdt/Mähler/Mähler, Mediation: Die andere Scheidung, S. 55.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 18: Die Konfliktpartner haben überzogene Erwartungen
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 30 Jahre, Krankenpfleger und Student, Einkommen 2000 Euro netto, Ehefrau: 30 Jahre, Verkäuferin und Studentin, Einkommen 750 Euro netto, verheiratet seit 6 Jahren, getrennt lebend seit 6 Monaten; Kinder
Ben, 5 Jahre und Britta, 3 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Lebensmittelpunkt der Kinder, Umgang mit den Kindern, Unterhalt für die Kinder, Unterhalt für Frau A, Teilung der Darlehensverbindlichkeiten Sachverhalt und Konfliktsituation: Herr A hat sich in eine andere Frau verliebt. Er hat sich deshalb vor 6 Monaten von der Ehefrau getrennt und ist in eine kleine Zweizimmerwohnung gezogen. Dort hat er sich nur notdürftig eingerichtet. Er hat z.B. noch keine Waschmaschine und geht in die eheliche Wohnung zum Wäsche waschen. Er möchte dies ändern. Frau A leidet immer noch unter der Trennung. Sie befürchtet, dass die Freundin eine „neue Mutter“ für die Kinder sein will, und ist deshalb, wie sie selbst artikuliert, eifersüchtig. Die Kinder haben sich bislang bei beiden Elternteilen aufgehalten und zwar bei der Mutter etwas mehr als 50 % und beim Vater etwas weniger als 50 % der Zeit. Dies wird sich in Zukunft ändern, weil der Vater dann einer Arbeit nachgehen wird, bei der ihm nicht mehr soviel Zeit für die Kinder bleiben wird. Beide Konfliktpartner sind hochmotiviert in die Mediation gekommen. Sie sind beide der Auffassung, ohne eine dritte neutrale Person die Probleme nicht regeln zu können.
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Das Recht in der Mediation
Verlauf der Mediation: Bislang haben drei Mediationssitzungen stattgefunden. Die Themen Lebensmittelpunkt der Kinder und Umgang mit dem Vater sind geklärt. In der vierten Sitzung werden die Themen Unterhalt für die Kinder und Unterhalt für Frau A bearbeitet. Anhand des Bestandverzeichnisses haben beide Konfliktpartner ihren jeweiligen Bedarf geklärt. Bislang hat die getrennt lebende Familie noch von einem gemeinsamen Konto der Eheleute gelebt. Dies soll sich im nächsten Monat ändern. Von diesem Zeitpunkt an wird jeder Ehepartner ein eigenes Konto unterhalten. Mediator: Wie viel Geld benötigen Sie beide zum Leben? Wer möchte anfangen? Sie, Frau A? Ist dies in Ordnung, Herr A, ja? Frau A: Ich brauche für mich und die Kinder im Monat 2600 Euro. Mediator: Wenn Sie den Standard aufrechterhalten, den Sie in der Ehe hatten? Frau A: Ja, und dabei schränke ich mich noch sehr ein. Herr A: Aber wir haben doch nur ein Gesamteinkommen in Höhe von 2750 Euro zusammen gehabt. Wie soll denn das gegangen sein? Frau A: Weil wir immer über unsere Verhältnisse gelebt haben. Weshalb, meinst Du, sind die Schulden in Höhe von 6000 Euro entstanden?
Der Mediator lässt die direkte Kommunikation zwischen den Konfliktpartnern noch nicht zu. Er will erst einmal ohne jede Bewertung den Bedarf des Konfliktpaares kennenlernen. Mediator: Ich schlage vor, dass erst einmal jeder von Ihnen seinen Bedarf, so wie er ihn errechnet hat, mitteilt. Hinterher werden wir uns darüber Gedanken machen, wie wir mit dieser Berechnung umgehen. Sind Sie damit einverstanden? (Frau und Herr A nicken.) Frau A, nach Ihrer Berechnung benötigen Sie für sich und die Kinder 2600 Euro im Monat. Herr A, wie hoch ist Ihr Bedarf? Was haben Sie berechnet? Herr A: Wenn ich mich sehr einschränke, benötige ich 750 Euro im Monat.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Mediator: Sind in diesem Betrag auch Sonderausgaben enthalten wie z.B. für Reisen etc.? Sie haben mir erzählt, dass Sie den gesamten Hausrat in der ehelichen Wohnung gelassen haben und nicht einmal eine Waschmaschine haben. Haben Sie in den Bedarf auch die Anschaffung von Haushaltsgeräten eingerechnet? Herr A: Dann würde ich auf jeden Fall 1150 Euro benötigen. Frau A: Das kann ja nicht sein! Dann musst Du etwas sparsamer leben. Wie sehr sollen sich denn die Kinder und ich einschränken? Ich habe in der Vergangenheit genau Buch geführt. Eigentlich brauche ich für mich und die Kinder für den Lebensbedarf einschließlich Reisen, Kleidung etc. 2600 Euro. Die schuldest Du mir! Ich werde in Zukunft sparsamer leben als in der Vergangenheit und mich einschränken. Ich brauche aber auf jeden Fall 2300 Euro. Ich habe folgende Mittel zur Verfügung: Einkommen 750 Euro und Kindergeld 368 Euro. Es fehlen 1182 Euro an Unterhalt. Diesen Betrag musst Du zahlen. Dazu bist Du verpflichtet. Herr A: Ich kann Dir 1100 Euro zahlen. Mehr kann ich nicht. Dann bleiben mir gerade 900 Euro im Monat. (Herr A richtet sich an den Mediator) Was muss ich nach dem Gesetz eigentlich zahlen? Können Sie hierzu nicht etwas sagen? Mediator: Sie möchten, dass ich Sie über das Unterhaltsrecht informiere. Möchten Sie dies auch, Frau A? Frau A: Ja, bitte.
Der Mediator empfiehlt nun allerdings beiden Parteien, sich zu ihrem jeweiligen Rechtsanwalt zu begeben, um sich über die Rechtslage informieren zu lassen. Er selbst sollte, obwohl er als Rechtsanwalt natürlich auf Grund seiner Ausbildung imstande wäre, diese Rechtsauskünfte zu geben, dies gerade nicht tun. Für ihn als Mediator ist es nicht möglich, seine Mitte zu halten, wenn er beide Parteien in der Mediation berät. Zwei Wochen später erscheinen beide Medianden wieder in der Mediation und berichten, wie die Rechtsanwälte gerechnet haben.
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Das Recht in der Mediation
Dabei ergab sich Folgendes: Einkommen Ehemann:
2000 Euro abzüglich 5 % 100 Euro 1900 Euro
Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle21 Gruppe 3, 1. Lebensaltersstufe: pro Kind Zahlbetrag bereits nach Abzug des hälftigen Kindergeldes 257 Euro × 2 514 Euro Ehegattenunterhalterrechnet sich wie folgt: Einkommen Ehemann nach Zahlung von Kindesunterhalt Hinzu kommt ihr bereinigtes Einkommen (750 Euro – 50 Euro) Geteilt durch 2 ergibt ihren ehebedingten Bedarf Welcher gedeckt ist durch ihr bereinigtes Einkommen in Höhe von Es bleibt ein offener Bedarf in Höhe von zuzüglich Kindesunterhalt
1386 Euro
700 Euro 2086 Euro 1043 Euro 700 Euro 343 Euro 514 Euro 857 Euro
Bei der Berechnung wird für beide Konfliktpartner deutlich, dass der Ehemann bereit war, wesentlich mehr an Unterhalt zu zahlen, als er verpflichtet gewesen wäre und dass die Ehefrau weitaus geringere Ansprüche hat, als sie ursprünglich angenommen hat. Herr A sagt auch noch – und dabei wird deutlich, dass Frau A die gleiche Information erhalten hat –, dass eigentlich überhaupt kein Ehegattenunterhalt geschuldet sei, weil das jüngste Kind bereits drei Jahre alt und Frau A zu einer Vollerwerbstätigkeit verpflichtet sei. Nach der Information schweigt Frau A betreten. Herr A: Die rechtliche Lösung will ich nicht. Damit würden wir die Kinder zu sehr einschränken. Ich komme mit 900 Euro aus. Ich werde eben etwas mehr auf das Geld schauen als früher. Ich will 1100 Euro an meine Frau zahlen. Ich will auch, dass die Kinder noch von der Mutter betreut werden, sie gehen ja auch in den Kindergarten, aber ich weiß, dass zu21 Stand 1.1.2011. Die nächste Erhöhung wird es zum 1.1.2013 geben.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
mindest die Kleine einen ganzen Tag im Kindergarten noch gar nicht aushält und ich weiß auch, wie sehr beide ihre Mama noch brauchen. Mediator: Frau A, Ihr Ehemann ist bereit, an Sie insgesamt 1100 Euro zu zahlen und ihre jetzige Lebens- und Arbeitssituation so fortzuführen. Das Kindergeld behalten Sie, so dass Ihnen einschließlich Ihres eigenen Einkommens 1975 Euro verblieben. Was meinen Sie? Frau A (sehr nachdenklich und erleichtert): Ja, damit bin ich einverstanden.
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TIPP: Einführung des Rechts in die Mediation Informieren Sie über das Recht nicht, auch wenn Sie selbst Rechtsanwalt sind! Es wird Ihnen nicht gelingen, in der Mitte zu bleiben. Lassen Sie dies die Außenanwälte tun. Die rechtlichen Informationen sind wichtig, weil es für die Elternbeziehung wichtig ist, dass jeder der beiden weiß, wer nachgibt und wer mehr erhält als ihm eventuell in einem streitigen Verfahren zustünde. Stellen Sie sich vor, Herr A hätte erst nach einem geschlossenen Vertrag erfahren, dass er nicht nur weniger hätte zahlen müssen, sondern vielleicht sogar gar nichts. Diese Situation hätte den Elternfrieden nachhaltig gestört. Hilfreich ist es aber, wenn die Parteien zunächst eine eigene Lösung erarbeiten und erst danach die rechtlichen Information erhalten.
Resümee: Die Auseinandersetzung mit dem Recht kann bei den Beteiligten Betroffenheit hervorrufen, wenn ein Konfliktpartner erstmals erkennt, dass der andere Konfliktpartner, dem immer wieder vorgeworfen worden ist, zu wenig Unterhalt zahlen zu wollen, einen höheren Betrag zu zahlen bereit ist, als er nach der Rechtslage zahlen müsste. Insofern kann die Einführung des Rechts in die Mediation zu einem realitätsbezogenen Blick führen.
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Das Recht in der Mediation E
Nr. 19: Die Konfliktpartner verweigern die Konsultation von Außenanwälten
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 35 Jahre, Einkommen 1600 Euro netto, Ehefrau: 32 Jahre, Einkommen 600 Euro netto, verheiratet seit 13 Jahren, getrennt lebend seit einem halben Jahr; Kinder
Fritz, 12 Jahre und Moritz, 7 Jahre alt, die bei der Mutter leben. Sie verbringen mit dem Vater einen Tag in der Woche.
Themenbereiche in der Mediation: Umgang, Kindesunterhalt, Ehewohnung, Hausrat und PKW, Grundstück auf Pachtgelände, Ehegattenunterhalt und nachehelicher Unterhalt, Teilung des Vermögens Sachverhalt und Konfliktsituation: Auf Empfehlung des Jugendamtes sind Frau und Herr A in der Mediation erschienen. Die Eheleute haben sich getrennt, nachdem sich der Ehemann einer anderen Frau zugewandt hatte. Für die Ehefrau ist dies ein überraschender und schmerzlicher Schritt gewesen, mit dem sie nicht gerechnet hat. Sie hat nach der Trennung bis drei Wochen vor Beginn der Mediation einen Therapeuten aufgesucht und zu Beginn der Mediation noch sehr unter der Trennung gelitten, was sie immer wieder durch Mimik und Gestik zum Ausdruck bringt. Sie erklärt, sie akzeptiere die Trennung, weil sie dies tun müsse, und sie erscheint hierbei sehr bewegt und weint häufig. Der Ehemann hält dann beruhigend die Hand der Ehefrau, wenn er bemerkt, dass bei ihr starke Gefühle aufkommen. Verlauf der Mediation: Beide wollen eine Regelung erarbeiten, die sämtliche Folgen der Trennung umfasst und die im Scheidungsverfahren dem Familiengericht als Trennungs- und Scheidungsvereinbarung vorgelegt wer-
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den kann. Besonders wichtig erscheint ihnen eine Regelung zum Unterhalt. Bei der Erläuterung des Verfahrens der Mediation weist der Mediator die Beteiligten auf die Notwendigkeit hin, vor Abschluss einer rechtsgültigen Vereinbarung Rechtsanwälte zu konsultieren. Hiermit sind beide Konfliktpartner einverstanden. In der ersten Sitzung händigt der Mediator dem Konfliktpaar die Fragebögen zu Einkünften und Vermögen und den Entwurf des Vertrags zwischen dem Mediator und den Medianden über die Durchführung des Mediationsverfahrens aus. In der zweiten Sitzung unterzeichnen der Mediator und die Beteiligten diesen Vertrag. In diesem Eingangsvertrag (s. Muster S. 260) befindet sich auch die Verpflichtung der Medianden, vor einer Unterzeichnung der abschließenden Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung parteiisch beratende Außenanwälte aufzusuchen. Sodann legen die Konfliktpartner einvernehmlich Themen und die Reihenfolge fest, für die sie in dem Mediationsverfahren Lösungen wollen. Zum Thema Unterhalt finden die Konfliktpartner eine Lösungsmöglichkeit, nach der Herrn A ein Betrag unterhalb des notwendigen Eigenbedarfs verbleibt. Das Konfliktpaar will danach Anwälte zur Überprüfung der Vereinbarung aufsuchen. Mehr als zwei Monate später erscheinen beide Konfliktpartner zu der vierten Sitzung. Mediator: Haben Sie mit dem Memorandum Ihren Anwalt oder Ihre Anwältin aufgesucht? Was hat diese Besprechung ergeben? Bleibt es bei dem, was sie in der letzten Sitzung gewünscht haben, oder gibt es Änderungswünsche? Frau A: Ja, ich habe eine Anwältin aufgesucht. Meine Anwältin hat das Memorandum verändert und einen neuen Vertrag entworfen. Danach zahlt mein Ehemann nicht 685 Euro sondern 800 Euro. Mein Mann ist damit einverstanden. Mediator: Herr A, haben Sie ebenfalls einen Anwalt oder eine Anwältin aufgesucht? Was ist das Ergebnis dieser Besprechung? Herr A: Nein, ich habe keinen Anwalt aufgesucht. Ich werde auch keinen Anwalt aufsuchen. Für mich ist die Regelung so in Ordnung, wie wir sie vereinbart haben.
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Daraufhin zieht die Frau A einen Vertrag aus der Tasche. Frau A: Wir möchten den Vertrag gern unterschreiben. Mediator: Sie, Frau A, und Sie, Herr A, sind natürlich frei, miteinander die Folgen Ihrer Trennung so zu regeln, wie Sie dies möchten. Vielleicht würde der Notar dies auch so beurkunden. Diese Entscheidung ist sicherlich auch rechtswirksam, wenn sie nicht gegen geltendes Recht verstößt. Ich hatte Ihnen bereits bei der Eingangsbesprechung erklärt, dass hier in Deutschland in einem weiten Rahmen Vertragsfreiheit herrscht. Sie sind deshalb von wenigen Ausnahmen abgesehen in der Gestaltung der rechtlichen Folgen von Trennung und Scheidung frei. Sie können sich in weitem Umfang Ihr eigenes Recht schaffen. Der Gesetzgeber sieht lediglich für die Fälle, in denen eine derartige Einigung nicht erarbeitet wird, Regelungen vor. Ziel der Mediation ist es, dass jeder Betroffene eine eigenverantwortliche Entscheidung, die auf dem Verständnis der eigenen und der Person des Konfliktpartners beruht, trifft. Eine eigenverantwortliche Entscheidung kann aber nur der treffen, der auch das Recht kennt. Hierbei ist es wichtig zu wissen, von welchen gesetzlichen Regeln Sie abweichen können und welche Normen nicht abdingbar sind. Sie sollen und können sich Ihr eigenes Recht schaffen. Ich bitte Sie jedoch, wenn Sie dies getan haben, einen Vergleich mit der rechtlichen Regelung anzustellen, um vor sich selber begründen zu können, warum die Vereinbarung, die sie selbst gefunden haben, Ihren Interessen besser dient als die gesetzliche Regelung. Herr A: Ich werde keinen Anwalt aufsuchen. Sie sind schließlich auch Anwalt. Die Kosten kann ich mir sparen. Mediator: Natürlich bin ich auch Anwalt. Ich habe auch das Recht in die Mediation eingeführt und auf die Düsseldorfer Tabelle hingewiesen. Es macht jedoch einen Unterschied, ob ich Sie einseitig parteilich berate oder Ihnen hier in der Mediation das Recht vorstelle. Hier habe ich die Interessen von Ihnen beiden im Auge. Ich möchte, dass Sie beide herausfinden, welche Argumente für Ihre Lösung sprechen und warum Ihre Vereinbarung besser als die gesetzliche Regelung ist. Um diese Entscheidung treffen zu können, müssen Sie Anwälte aufsuchen, die Sie über die Rechtslage aufklären. Diese Anwälte werden nur Ihre Interessen, Frau A, und nur Ihre Interessen, Herr A, bei dieser Beratung berücksichtigen. Dies kann ich hier in der Mediation nicht tun, obwohl ich auch Anwalt bin.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Beide Konfliktpartner erklären dennoch, die Vereinbarung abschließen zu wollen. Mediator: Sie sind natürlich frei, diese Vereinbarung zu schließen, auch wenn nur Sie, Frau A, sich anwaltlich haben beraten lassen. Ich habe Ihnen zu Beginn der Mediation erläutert, dass es viele Möglichkeiten gibt, Konflikte zu lösen. Dieser Weg jedoch, den Sie gewählt haben, entspricht nicht den Prinzipien, die ich für die Mediation für wichtig erachte. Wenn Sie diese Unterschrift leisten wollen, können Sie dies zu tun, aber nicht hier im Rahmen der Mediation, sondern außerhalb der Mediation. Ich bitte um Ihr Verständnis.
Die Konfliktpartner haben sich im Eingangsvertrag über die Durchführung der Mediation verpflichtet, sich vor Abschluss einer Vereinbarung einseitig parteilich beraten zu lassen. Wenn sie ohne eine derartige Beratung die abschließende Vereinbarung unterzeichnen, verstoßen sie gegen diesen Vertrag. Allerdings ist es nicht die Aufgabe des Mediators, eine derartige Unterschrift zu verhindern. Er ist lediglich dafür verantwortlich, dass während des Mediationsverfahrens die vereinbarten Regeln eingehalten werden. Hält sich einer der Beteiligten nicht mehr an die Vereinbarung im Arbeitsbündnis, so hat der Mediator das Mediationsverfahren abzubrechen. Im vorliegenden Fall ist der Mann in den meisten Punkten, die geregelt werden sollten, sehr zum Nachgeben bereit gewesen. Er ist damit einverstanden gewesen, dass die Frau die Wohnung, das Auto und den Hausrat behält und auch das Kleingartengelände in Zukunft nutzen darf. Schließlich will er auch weitaus mehr Unterhalt zahlen, als er nach der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen verpflichtet wäre und obwohl sein Selbstbehalt unterschritten ist. Es fragt sich, ob Herr A bei der Regelung, die er mit Frau A getroffen hat, seine eigenen Interessen berücksichtigt hat. Resümee: Gelegentlich sind die Beteiligten eines Mediationsverfahrens zwar zu Beginn des Mediationsverfahrens bereit, vor der Unterschrift unter die abschließende Vereinbarung Außenanwälte zur Beratung aufzusuchen, wollen sich aber später nicht mehr an diese Zusage halten. Eine derartige Beratung ist aber auch nach den Richtlinien der BAFM und nach der Auffassung der 108
Das Recht in der Mediation
Anwaltskammern unverzichtbar. Mediatoren können zwar nicht die Einhaltung der im Arbeitsbündnis vereinbarten Regeln durchsetzen, aber sie können das Mediationsverfahren abbrechen. Dies sollten sie auch tun!
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Nr. 20: Das Recht wäre ungerecht
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 62 Jahre, Elektrikermeister und als Betriebsleiter in einer Niederlassung tätig, Ehefrau: 60 Jahre, Hausfrau, verheiratet seit 37 Jahren, getrennt lebend seit einem Jahr; Kinder
Stefan, 28 Jahre; Sieglinde, 32 Jahre und Christine, 35 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Ehegattenunterhalt, Verteilung der Rentenanwartschaften, Vermögensauseinandersetzung Sachverhalt und Konfliktsituation: Herr A hat seine Frau vor einem Jahr verlassen. Er ist damals einfach gegangen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Er ist morgens zur Arbeit gegangen und nicht zurückgekommen. Vorher hat es keinen Streit gegeben. Frau A hat sich wochenlang in Sorge befunden. Nur die Polizei hat vermutet, dass Herr A freiwillig gegangen ist, weil alle Papiere und Sparbücher ebenfalls verschwunden waren. Nach zwei Monaten hat die Tochter Christine eine erste Nachricht erhalten: Herr A hat unbezahlten Urlaub genommen und die Zeit mit einer jungen Frau in der Karibik verbracht. Frau A ist lange überhaupt nicht in der Lage gewesen, mit ihrem Mann nach seiner Rückkehr den von ihm angebotenen Kontakt aufzunehmen. Die Kinder haben den Kontakt vermittelt. Frau A hat zudem inzwischen alle finanziellen Reserven aufgebraucht. Sie benötigt Geld. Die Kinder haben Mediation vorgeschlagen, Frau A ist
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
diesbezüglich sehr zögerlich, den Kindern zuliebe aber zunächst einverstanden. Herr A will auch die Mediation. Frau A hat zu Beginn der Ehe ein Haus geerbt, in dem die Familie seitdem lebt. Das Haus war damals stark renovierungsbedürftig. Herr A hat über all die Jahre das Haus nicht nur komplett renoviert, sondern auch noch einen Anbau erstellt, in dem früher zwei der Kinder gelebt haben. Heute ist das Haus etwa 500 000 Euro wert. Zu Beginn der Ehe war es bei der Übernahme auf 200 000 Euro geschätzt worden. Das Haus ist jetzt lastenfrei. Herr A hat monatlich unter Berücksichtigung von berufsbedingten Aufwendungen und Erwerbstätigenbonus 3000 Euro netto zur Verfügung. Verlauf der Mediation: In sechs Sitzungen ist ein Ergebnis erarbeitet worden. Frau A vermietet den Anbau. Den Erlös nutzt sie für ihren Unterhalt. Von der Miete kann sie leben. Sie benötigt keinen Unterhalt, denn ihr Bedarf ist durch die Mieteinnahme gedeckt. Beide Konfliktpartner sind sich darüber einig, dass das Haus und das Grundstück ohne die Bauarbeiten von Herrn A nicht den gegenwärtigen Verkehrswert aufzuweisen hätten. Das Paar beziffert den Wert dieser Arbeiten auf 100 000 Euro. Frau A hat keine Mittel zur Verfügung, um Herrn A einen Ausgleich zu zahlen. Deshalb ist sie bereit, auf die Übertragung von Rentenanwartschaften zu verzichten. Herr A will für Frau A nur die Krankenversicherung zahlen. Beide können dann auch nach der Trennung gut leben. Herr A kann, solange er noch arbeitet, Geld sparen, um sich vielleicht eine Eigentumswohnung zu kaufen. Die Konfliktpartner gehen zur Anwaltsberatung. Die nächste Sitzung läuft folgendermaßen ab: Mediator: Ihre Rechtsanwälte haben Sie rechtlich beraten. Ich würde gern von Ihnen beiden wissen, was Sie dort gehört haben und ob das, was Sie von den Anwälten gehört haben, für Sie hilfreich gewesen ist.
Zunächst schweigen beide Konfliktpartner. Dann beginnt Frau A wütend zu reden:
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Das Recht in der Mediation
Frau A: Ich weiß jetzt, dass ich eigentlich keine Mediation will. Der juristische Weg wäre viel besser für mich! Dir steht nämlich überhaupt nichts zu! Im Gegenteil, ich bekomme von Dir Unterhalt und Rente! Mediator: Bitte sagen Sie mir genau, was Sie gehört haben. Wir werden dann sehen, ob es sich mit dem deckt, was auch Sie, Herr A, erfahren haben. Frau A: Ich habe erfahren, dass ihm ein Anspruch wegen des Hauses nicht zusteht. So richtig verstanden habe ich das zwar nicht, aber es ist so, dass deshalb, weil ich das Haus schon zu Beginn unserer Ehe hatte, dieser damalige Wert (200 000 Euro) wie auf einem Sparbuch angelegtes Geld behandelt wird. Der Wert von damals wird „indexiert“ und dies führt dazu, dass ich so behandelt werde, als ob ich schon immer 500 000 Euro gehabt hätte. Da das Haus heute sogar nur 500 000 Euro wert ist, habe ich keinen „Zugewinn“ erwirtschaftet, den es auszugleichen gäbe. Herr A: Aber ohne mich wäre das Haus doch heute gar nichts wert! Ich habe allein die ganze Arbeit geleistet, ich habe gearbeitet und die Schulden, die wir für das Material aufnehmen mussten, abbezahlt. Das kann doch nicht gerecht sein! Frau A: Ja, aber so ist die Rechtslage! Und ich finde sie auch gerecht! Und ich finde es auch gerecht, dass Du mir auch noch monatlich Unterhalt mindestens in Höhe von 500 Euro zahlen musst und ich die Hälfte Deiner Rente bekomme. Herr A: Dann bleibt mir nichts. Von der Rente, die mir dann bleibt, kann ich gar nicht leben. Ich erwarte doch nur 1750 Euro. Wenn ich davon die Hälfte abgeben muss, dann kann ich meinen Lebensabend in Not und Armut fristen. Du aber hast die Mieteinnahme und wohnst umsonst, da kannst Du gut von 1750 Euro leben. Aber ich doch nicht. Ich kann auch in den nächsten Jahren keine Rücklagen bilden, wenn ich Dir noch Unterhalt zahlen muss. Frau A: Ja, und das ist gerecht! Schließlich hast Du mich verlassen und vor allem „wie“. Du bist einfach ohne Erklärung gegangen. Ich habe solche Angst gehabt. Das Schlimmste waren die mitleidigen Blicke, als klar war, dass Du freiwillig gegangen warst. Dies ist für mich wie ein schlechter Film gewesen. Das kann ich Dir nie verzeihen. Wenn die Kinder nicht gewesen wären, hätte ich nie mehr ein Wort mit Dir geredet! Wie konntest Du mir das antun? Herr A: Ich weiß, dass ich nicht richtig gehandelt habe. Ich weiß auch, dass ich Dir sehr weh getan habe. Ich war so feige damals. Wir konnten
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
nie miteinander streiten. Bei jeder Auseinandersetzung habe ich immer gleich gehört, dass mir nichts zusteht und ich sofort gehen kann, wenn es mir nicht passt. Mir hat oft etwas nicht gepasst. Aber ich wollte nicht gehen. Ich habe an den Kindern gehangen und auch an Dir. Das Haus war mein Zuhause. Ich habe mit meinen Händen jeden Zentimeter renoviert und neu erstellt. Es hat mir fast das Herz gebrochen, dass ich gegangen bin. Ich konnte nicht vorher davon reden, sonst wäre ich nie gegangen. Ich musste aber gehen! Ich habe keine Luft mehr bekommen in unserer „Scheinidylle“. Jetzt geht es mir trotz allem besser. Aber auch Dir geht es besser. Die Kinder haben mir erzählt, dass Du keine Migräneanfälle mehr hast. Und wenn ich Dich anschaue, dann hast Du mindestens 20 Pfund verloren, was Du doch immer wolltest. Die Kinder haben mir erzählt, dass Du endlich Deine Diät durchgehalten hast und einem Club zum Abnehmen beigetreten bist. Die Trennung hat also auch für Dich eine gute Seite gehabt. Für die Art und Weise, wie ich gegangen bin, muss ich mich und will mich auch bei Dir entschuldigen! Es tut mir leid, dass alles so hat kommen müssen. Bitte verzeihe mir!
Frau A fängt an zu weinen. Dann beginnt sie erneut: Frau A: Ich weiß, dass auch ich Fehler gemacht habe. Es stimmt auch, dass es mir jetzt wieder besser geht. Aber ich kann doch nichts dafür, dass die Rechtslage für Dich so ungünstig ist. Daran können wir nun mal nichts ändern. Mediator: Herr A, zunächst möchte ich von Ihnen hören, ob Sie die gleichen Rechtsauskünfte erhalten haben. Herr A: Ja, im Großen und Ganzen schon. Zwar könnte es vielleicht Möglichkeiten geben, im Zugewinnausgleich und auch beim Unterhalt ein für mich besseres Ergebnis zu erzielen, aber im Versorgungsausgleich gibt es gar keine Möglichkeit. Das macht mich ganz fertig, weil ich dieses Ergebnis so ungerecht finde. Ich kann auch nicht verstehen, dass Du jetzt auf einmal umschwenkst. Du musst doch auch spüren, wie ungerecht es wäre, wenn nur Du etwas bekommst und ich zum Sozialfall werde. Ich habe das Gefühl, als wolltest Du mich bestrafen. Mediator: Ich erlebe Sie beide jetzt sehr verunsichert, nachdem Sie erfahren haben, wie das „Recht“ ihre Probleme lösen würde. Sie, Frau A, scheinen dazu zu neigen, von Ihrer gemeinsam erarbeiteten Lösung abzugehen und der rechtlichen Lösung den Vorzug zu geben. Sie, Herr A,
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Das Recht in der Mediation
sind entsetzt und enttäuscht von der Ungerechtigkeit des Rechts. Habe ich Sie beide richtig verstanden? (Beide bejahen.) Ich möchte mit Ihnen über die Rolle des Rechts reden. Ist das für Sie beide möglich? (Wieder bejahen beide.) Bevor Sie eine verbindliche Regelung treffen, sollten Sie die geltende Rechtslage kennen. Das „Recht“ gilt es zu respektieren. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich nach den gesetzlichen Regelungen zu richten. In wenigen Fällen schreibt das Recht zwingende Regelungen vor. In vielen Fällen haben Sie die Möglichkeit, von dem Recht abzuweichen, weil Sie als Konfliktpartner auch zu respektieren sind. Es ist Ihre Sache, zu entscheiden, wie sehr das Recht zu respektieren ist. Sie bestimmen, welches Gewicht Sie dem Recht beimessen. Das Recht ist auch relativ. In anderen Ländern zum Beispiel würde das Recht ein anderes Ergebnis bringen. Sie leben in der Nähe der österreichischen Grenze. Bei einer Scheidung in Österreich wird zum Beispiel das Vermögen beider Eheleute aufgeteilt. Dies geschieht unabhängig davon, dass es bis zur Scheidung nur die Gütertrennung gibt. Wenn Sie in Österreich leben würden, würde der Familienrichter das Haus wertmäßig nach Billigkeit zwischen Ihnen aufteilen. Sie sehen, dass für Sie in Österreich eine völlig andere Rechtslage gelten würde, obwohl Sie nur eine Autostunde von der Grenze entfernt leben. Nach deutschem Recht haben Sie beide das Recht, eine andere Lösung zu finden und zu gestalten. Das Recht ist nicht zwingend. Wie hört sich das für Sie an? Herr A: Wir haben ja schon eine andere Lösung gefunden, die vernünftig und für uns beide passend war. Frau A: Ja, aber eigentlich ist das Recht für mich doch soviel günstiger. Warum sollte ich darauf verzichten?
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TIPP: Konsequenzen Konfrontieren Sie die Konfliktparteien mit den Konsequenzen, die der rechtliche Weg für beide bringen würde, wenn sie unsicher sind, welchen Weg sie gehen wollen.
Mediator: Frau A, stellen Sie sich vor, es kommt bei dem gerichtlichen Verfahren das heraus, was Sie oben beschrieben haben. Sie bekommen Unterhalt, die halbe Rente und Ihr Mann nichts von dem Haus. Wie geht es Ihnen bei dieser Vorstellung?
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Frau A: (zögerlich) Zunächst einmal ginge es mir gut, weil er mir soviel angetan hat. (Noch zögerlicher und sehr leise.) Wenn ich dann aber erfahren würde, dass es ihm wirklich schlecht ginge, dann wäre es nicht so gut. Ich würde mich vielleicht ein bisschen schämen. Es ist richtig, dass er sich so engagiert um das Haus gekümmert hat, als wäre es sein Eigentum. Auf der anderen Seite hat er mir so wehgetan. Es würde so und so jetzt nicht stimmen. Mediator: Habe ich richtig verstanden, dass Sie eine Entschädigung für sein Verhalten als gerecht empfänden? Frau A: Ja, das könnte es sein. Ganz ohne Preis kann die Art und Weise, wie er mich verlassen hat, nicht sein. Ich spüre aber schon, dass es andererseits auch nicht gut wäre, wenn er nur der Verlierer sein würde. Dann würde ich mich schon schlecht fühlen. Vor allem die Kinder würden es mir sehr übel nehmen, wenn wir uns so unwürdig trennen würden. Mediator: Es geht also darum, den richtigen Preis zu finden für seine Schuld, die er durch die Art und Weise, wie er Sie verlassen hat, auf sich geladen hat? Frau A: Ja, das wäre eigentlich richtig. Mediator: Könnten Sie sich vorstellen, dass es etwas geben könnte, das Sie entschädigen würde? Frau A: Ja, aber dazu benötige ich etwas Zeit.
Die Medianden treffen sich zwei Monate später in der Mediation wieder. Herr A zahlt Frau A ein „Schmerzensgeld“, das ihr eine zweimonatige Schiffsreise ermöglicht, von der sie immer geträumt hat. Ansonsten bleibt es bei der ursprünglichen Vereinbarung. Resümee: Ohne die Rechtslage zu kennen, erarbeiten die Konfliktpartner eine Lösung, die beider Interessen berücksichtigt. Als sie durch die jeweilige einseitige Rechtsberatung mit dem Recht konfrontiert sind, droht die Einigung zu scheitern. Frau A erfährt, dass das Recht einerseits mehr finanzielle Vorteile als die selbst erarbeitete Lösung bietet. Andererseits ist sie sicher, dass die Wahl der rechtlichen Lösung bei ihr das Gefühl hervorrufen würde, sich ohne Würde getrennt zu haben. Gleichzeitig er-
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Das Recht in der Mediation
kennt sie durch die Rechtsberatung, dass die in der Mediation erarbeitete Lösung ihre Bedürfnisse noch nicht befriedigt. Für Frau A hat die Kenntnis des Rechts die Möglichkeit eröffnet, eine Korrektur der Lösung zu verlangen. Zum Schluss haben beide Konfliktpartner eine Lösung gefunden, die für beide ausgewogen und gerecht ist.
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Nr. 21: Die Beratung durch Außenanwälte blockiert das Mediationsverfahren
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 41 Jahre, selbständiger Kaufmann, Ehefrau: 39 Jahre, Arzthelferin, halbtags tätig, verheiratet seit 10 Jahren, getrennt lebend seit einem Jahr; Kinder
Klaus, 4 Jahre und Anja, 2 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Kindes- und Ehegattenunterhalt Sachverhalt und Konfliktsituation: Herr und Frau A haben in vier Mediationssitzungen eine Lösung ihrer Regelungspunkte erarbeitet. Der Mediator ist auch Rechtsanwalt. Herr A möchte für Klaus Kindesunterhalt in Höhe von 327 Euro und für Anja in Höhe von 273 Euro monatlich zahlen. Frau A soll das Kindergeld ohne Anrechnung auf den Kindesunterhalt behalten. Er will für Frau A Ehegattenunterhalt in Höhe von 200 Euro pro Monat leisten. Auch Frau A findet diese Lösung fair. Beide Konfliktpartner haben sich viel Zeit in der Mediation genommen, um sich über ihre jeweiligen Bedürfnisse und die Leistungsfähigkeit von Herrn A Klarheit zu verschaffen. Nunmehr haben sie sich zu Außenanwälten begeben, um mit ihnen die Lösungsvorschläge zu besprechen. Das Konfliktpaar erscheint zu der fünften Mediationssitzung.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Verlauf der Mediation: Mediator: Frau A, Herr A, sind Sie beide bei den Anwälten gewesen? (Beide Konfliktpartner nicken.) Was haben Sie bei der Beratung erfahren? Wer möchte beginnen? Beide Konfliktpartner sind sich einig, dass Frau A mit ihrem Bericht beginnt. Frau A: Meine Anwältin hat lange gerechnet. Bedenken gegen die Berechnung des Kindesunterhalts hat sie nicht geäußert. Die Beträge für die Kinder sind in Ordnung. Aber sie hat gesagt, dass wir meinen Unterhalt viel zu gering berechnet haben. Ich habe bei dem Einkommen meines Mannes 500 Euro pro Monat zu beanspruchen.
Frau A macht einen verunsicherten Eindruck. Mediator: Frau A, was löst es bei Ihnen aus, wenn Sie von Ihrer Anwältin hören, Sie könnten Unterhalt in Höhe von 500 Euro beanspruchen? Frau A: Erst einmal habe ich ein gutes, beruhigendes Gefühl, dass ich hier weniger verlangt habe, als mir eigentlich zusteht. Andererseits bin ich aber auch unsicher, weil wir zu anderen Zahlen gekommen sind. Ich bin etwas verwirrt. Mediator: In Ihnen steigen unterschiedliche Gefühle hoch angesichts der Tatsache, dass Sie hier in der Mediation andere Zahlen als Ihre Anwältin erarbeitet haben. Einerseits bereitet es Ihnen ein gutes Gefühl zu wissen, dass Sie den rechtlichen Rahmen nicht voll ausschöpfen, andererseits haben Sie Zweifel, ob dies wirklich Ihren Interessen entspricht? (Frau A nickt.) Möchten Sie uns berichten, was Sie erfahren haben, Herr A? Herr A: Das gibt es doch gar nicht. Meine Anwältin hat etwas ganz anderes gesagt. Ich muss überhaupt keinen Unterhalt an meine Frau zahlen. Meine Anwältin hat sich meine Steuererklärungen angesehen. Wenn man meine Abschreibungsmöglichkeiten berücksichtigt, muss ich überhaupt keinen Unterhalt zahlen.
Beide Konfliktpartner wirken nun verunsichert. Sie wissen erst einmal nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Die Außenanwältinnen haben unterschiedliche Rechtsauffassungen in der Beratung geäußert. Für ein derartiges Geschehen sind zwei Möglichkeiten denkbar: Entweder entspricht die Rechtsauffassung einer Anwältin nicht der Rechtslage oder es sind unterschiedliche Auffassungen denkbar. Der Mediator sollte sich selbst dann, wenn er 116
Das Recht in der Mediation
im Grundberuf Rechtsanwalt ist, davor hüten, seine eigene Rechtsauffassung zu offenbaren. Die Situation ist auch ohne eine derartige Äußerung schwierig genug!
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TIPP: Die Außenanwälte haben unterschiedliche rechtliche Standpunkte Hüten Sie sich selbst davor, die Rechtsauffassungen der Außenanwälte zu bestätigen oder in Frage zu stellen, wenn Sie Mediator und Anwalt sind. Dadurch gerät Ihre Neutralität und Allparteilichkeit in Gefahr! Fassen Sie die unterschiedlichen Standpunkte zusammen und nutzen Sie die Situation als Metapher.
Mediator: Ich möchte gern zusammenfassen, was ich verstanden habe. Sind Sie damit einverstanden? Sie, Frau A, haben bei der Beratung durch Ihre Anwältin erfahren, dass Sie Unterhaltsansprüche in Höhe von 500 Euro bei der Einkommenssituation von Herrn A haben. Sie, Herr A, haben bei der Beratung durch Ihre Anwältin erfahren, dass Sie bei Ihrer Einkommenssituation als selbständiger Kaufmann unter Berücksichtigung der steuerlichen Abschreibungen keinen Trennungsunterhalt zahlen müssten. Habe ich dies richtig verstanden? (Beide Konfliktpartner nicken.) Frau A: Ich verstehe das nicht. Ich habe mir vorgestellt, dass wir beide die gleichen Auskünfte erhalten. Wie kann dies denn überhaupt sein? Herr A: Deine Anwältin hat Dich bestimmt nicht richtig beraten. Mediator: Ich kann mir gut vorstellen, dass ein derart unterschiedlicher Umgang mit dem Recht durch die beiden Anwältinnen Sie beide vor große Probleme und Entscheidungsschwierigkeiten stellt. Sie haben sich Klarheit durch die Rechtsberatung erhofft. Jetzt erscheint Ihnen Ihre Situation noch unklarer. Vielleicht kann ich Sie dadurch unterstützen, indem ich die letzte Sitzung in Erinnerung rufe. Sie beide haben gemeinsam in der letzten Sitzung eine Lösung erarbeitet. Sie fanden es beide unter Berücksichtigung Ihrer eigenen Interessen und den Interessen des jeweils anderen fair, wenn Sie, Herr A, an Sie, Frau A, Unterhalt in Höhe von 200 Euro zahlen. War dies so? Frau A: Ja, dies ist richtig. Herr A: Ja, in der letzten Sitzung fand ich es richtig, dass ich an meine Frau 200 Euro zahle. Aber heute ist alles anders.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Mediator: Sie haben die letzte Sitzung verlassen, um Ihre Anwälte aufzusuchen und mit Ihnen zu überprüfen, ob die Lösung, die Sie hier erarbeitet haben, Ihren Interessen besser entspricht als die gesetzliche Regelung. Stellen Sie sich vor, Frau A, die Rechtsauffassung Ihrer Anwältin würde vom Gericht bestätigt werden. Ihnen würden 500 Euro Unterhalt zugesprochen werden. Würden Sie in diesem Fall die Lösung, die Ihnen das Gericht anbietet, für interessengerechter halten als die Lösung, die Sie selbst hier in der Mediation gefunden haben? Frau A: Nein, so viel kann er doch gar nicht zahlen. Gerecht würde ich so ein Urteil nicht finden. Müssen wir uns denn danach richten? Mediatorin: Sie können hier in der Mediation eine Unterhaltsvereinbarung treffen, die Sie für Ihre persönliche Situation passend und fair finden. Frau A: Ich finde es richtig, wenn ich 200 Euro Unterhalt im Monat habe. Damit komme ich aus. Mediator: Stellen Sie sich vor, Herr A, die Rechtsauffassung Ihrer Anwältin, wonach Sie keinen Ehegattenunterhalt zu zahlen hätten, würde gerichtlich bestätigt werden. Würden Sie in diesem Fall die Lösung, die Ihnen das Gericht anbietet, für interessengerechter halten als die Lösung, die Sie hier in der Mediation erarbeitet haben? Herr A: Meine Frau braucht das Geld doch. Wie sollen sie und die Kinder leben, wenn ich den Unterhalt, den wir vereinbart haben, nicht zahlen würde?
Das Konfliktpaar ist sich einig, dass es bei der Regelung bleiben soll, die es in der letzten Sitzung gefunden hat. Beide sind der Auffassung, dass diese Lösung den eigenen und den Interessen des jeweils anderen besser entspricht, als die Lösungen, die ihnen ihre Anwältinnen anbieten. Resümee: Unterschiedliche Rechtsauffassungen der Außenanwälte können zu einer Blockade des Mediationsprozesses führen. Unerheblich ist es hierbei, ob einer der Anwälte einen Rat erteilt hat, der nicht der Rechtslage entspricht, oder ob unterschiedliche Rechtsauffassungen denkbar sind. Auch Mediatoren mit dem Grundberuf Rechtsanwalt sind gut beraten, nicht noch eine weitere Rechtsauffassung in den Prozess der Mediation ein118
Das Recht in der Mediation
zuführen oder gar die Rolle des Schiedsrichters über die Rechtsauffassung der Außenanwälte übernehmen. Damit unterstützt der Mediator die Konfliktpartner nicht und löst die Blockade nicht auf. Er würde die Konfliktpartner nur noch mehr verunsichern. Hier ist es hilfreich, wenn der Mediator die Rechtsauffassung beider Außenanwälte mit den Medianden durchspricht. Auf diese Weise unterstützt der Mediator die Konfliktpartner, die Blockade zu lösen, die durch die unterschiedlichen Standpunkte der Außenanwälte entstanden ist. Die Konfliktpartner können selbst eine Fairnesskontrolle vornehmen. Zuletzt kann der Mediator die Situation, die durch die unterschiedlichen Auffassungen der Außenanwälte entstanden ist, als Metapher nutzen. Er kann darauf hinweisen, dass es ihnen bei gerichtlichen Entscheidungen ähnlich ergehen kann. Es ist durchaus möglich, dass ein Gericht der Rechtsauffassung des Anwalts einer Partei zustimmt, das nächstinstanzliche Gericht hingegen das erstinstanzliche Urteil aufhebt und der Rechtsauffassung des Anwalts der anderen Partei folgt.
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Nr. 22: Eine Konfliktpartei macht mehr Zugeständnisse, als nach der gesetzlichen Regelung erforderlich wären
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 50 Jahre, Architekt, Einkommen 6000 Euro netto, Ehefrau: 45 Jahre, Künstlerin, Einkommen 500 Euro netto, verheiratet seit 20 Jahren, getrennt lebend seit einem halben Jahr; Kinder
Karin, 12 Jahre und Petra, 14 Jahre alt, die bei der Mutter leben.
Themenbereiche in der Mediation: Ehegattenunterhalt und nachehelicher Unterhalt, Kindesunterhalt, Teilung des Vermögens, Nutzung des im gemeinsamen Eigentum stehenden Grundstücks mit Einfamilienhaus
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Sachverhalt und Konfliktsituation: Das Ehepaar A ist seit 20 Jahren verheiratet. Die Eheleute sind Eigentümer zu je 1/2 eines Grundstücks mit einem Einfamilienhaus. In diesem Haus hat die Familie bis zur Trennung der Eheleute gewohnt. Herr A ist ausgezogen, weil Frau A einen anderen Mann kennengelernt hat und mit ihm eine neue Partnerschaft eingegangen ist. Frau A wohnt jetzt mit den beiden Kindern in diesem Haus. Verlauf der Mediation: Bislang haben sieben Sitzungen stattgefunden. In der Mediation haben sich die Konfliktpartner über den Unterhalt für die Kinder geeinigt. Frau A wird weiter mit den Kindern in dem gemeinsamen Haus wohnen, ohne hierfür ein Nutzungsentgelt zu zahlen. Sie sind sich auch einig, dass das Grundstück nicht vor Ablauf von 8 Jahren zwangsversteigert werden soll. Das jüngste Kind wird dann 18 Jahre alt sein. Herr A will außerdem die Darlehensraten für das Haus in Höhe von monatlich 1000 Euro an die Bank zahlen, sowie Ehegattenunterhalt in Höhe von 1500 Euro. Beide Konfliktpartner sind mit der in der Mediation erarbeiteten Lösung zu ihren Außenanwälten gegangen, um sich rechtlich beraten zu lassen. Vor der Rechtsberatung durch die Außenanwälte hat der Mediator, der weiß, dass die Lösung, die das Konfliktpaar in der Mediation erarbeitet hat, sehr von der gesetzlichen Regelung abweicht, Herrn und Frau A auf diesen Besuch vorbereitet.
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TIPP: Rechtsberatung durch die Außenanwälte Bereiten Sie die Medianden auf den Gang zu den Außenanwälten vor!
Mediator: Frau A, Herr A, Sie haben beide in den vergangenen Sitzungen eine Lösung für Ihre Probleme, die durch Ihre Trennung entstanden sind, erarbeitet. Bevor Sie diese Vereinbarung von einem Notar beurkunden lassen, wollen Sie beide Anwälte aufsuchen und mit diesen Ihre gemeinsam erarbeitete Lösung durchsprechen. Wir haben schon wiederholt hier in der Mediation darüber geredet, dass Sie Ihre Probleme, die durch die Trennung entstanden sind, selbst regeln und Sie sich ihr eigenes Recht schaffen können.
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Das Recht in der Mediation
Sie wissen aber auch, dass der Gesetzgeber für diejenigen Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können oder wollen, so etwas wie ein Sicherheitsnetz in Form von rechtlichen Normen geschaffen hat, in das sich Menschen fallen lassen können. Ich möchte, dass Sie dieses Sicherheitsnetz kennen, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Sie gehen in die Beratung zu den Außenanwälten, um Ihr eigenes Recht, das Sie hier in der Mediation erarbeitet haben, mit dem Gesetz und der Rechtsprechung zu vergleichen und sich vielleicht noch weitere Anregungen für eine Verbesserung der hier gefundenen Lösung zu holen. Sie messen das von Ihnen gefundene Ergebnis noch einmal an den rechtlichen Normen und überprüfen, ob Ihre eigene Lösung besser oder schlechter ist als die Lösung, die der Gesetzgeber vorgesehen hat. Sie werden vielleicht feststellen, dass die Lösung, die Sie beide gefunden haben, weit von dem abweicht, was sich der Gesetzgeber vorgestellt hat. Der Gesetzgeber hat eine Vielzahl von Fällen im Auge. Nur Sie beide können feststellen, ob das, was Sie hier erarbeitet haben, gerade Ihren speziellen Interessen und Bedürfnissen entspricht. Nur Sie können entscheiden, ob es nicht gute Gründe gibt, von den Vorstellungen des Gesetzgebers abzuweichen.
Nach der Beratung durch die Außenanwälte erscheinen die Medianden zu einer weiteren Sitzung bei dem Mediator. Mediator: Sie haben hier angerufen und diesen Sitzungstermin vereinbart. Was haben Sie in der Rechtsberatung von Ihren Anwälten erfahren? Wer möchte anfangen? Frau A: Der Unterhalt für die Kinder ist geringfügig höher als der Unterhalt, den die Düsseldorfer Tabelle bei entsprechendem Einkommen vorsieht. Die Anwältin hat mich aber darauf aufmerksam gemacht, dass ich unter Umständen gar keinen Anspruch auf Ehegattenunterhalt habe, weil unsere Kinder schon zwölf und vierzehn Jahre alt sind. Mediator: Und was löst das, was die Anwältin zu Ihnen gesagt hat, bei Ihnen aus? Frau A: Sie haben uns ja darauf vorbereitet, dass wir in der Beratung bei den Anwälten erfahren können, dass das Gesetz unter Umständen eine ganz andere Regelung vorsieht, als die, die wir hier für uns finden. Richtig überrascht war ich also nicht. Aber ein Gefühl der Unsicherheit und Unruhe habe ich schon, ob es jetzt dabei bleibt, was wir hier vereinbart haben.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
Mediator: Herr A, was hat Ihnen Ihr Anwalt geraten? Herr A: Mein Anwalt hat mir ebenfalls gesagt, dass ich für meine Frau keinen Unterhalt zahlen muss, weil sie sich während unseres Zusammenlebens einem anderen Mann zugewandt hat. Ich könnte auch von ihr ein Nutzungsentgelt verlangen, weil sie in dem Haus lebt, das zur Hälfte auch mir gehört. Mediator: Und Ihr Anwalt, hat er Ihnen einen Rat gegeben? Herr A: Nein, er hat gesagt, er würde mich nur über meine Rechte informieren. Welchen Schluss ich daraus ziehe, müsse ich selbst wissen. Die Entscheidung müsse ich schon allein treffen. Mediator: Wenn Sie das, was Ihnen Ihr Anwalt gesagt hat, berücksichtigen, finden Sie, dass die Lösung, die Sie hier in der Mediation gefunden haben, Ihren Interessen besser gerecht wird, als das, was Gesetzgeber und Rechtsprechung entwickelt haben? Herr A: (ist empört!) Nein! Wovon soll meine Frau denn dann leben? Schließlich kümmert sie sich auch um die Kinder. Und wie würde es den Kindern gehen, wenn ich ihr keinen Unterhalt zahlen möchte? Nein, das will ich nicht. Und ein Nutzungsentgelt will ich auch nicht. Dabei hätte ich kein gutes Gefühl. Aber etwas möchte ich schon verändern. Hierauf hat mich der Anwalt gebracht. Ich will den Unterhalt für meine Frau nur solange zahlen, bis Karin 18 Jahre alt ist. Bis dahin sollen die Kinder auch in unserem Haus wohnen bleiben können. Dann sind sie groß und können auch an einem anderen Ort wohnen. Bis dahin hat meine Frau auch Zeit, sich über eine Ausweitung ihrer Tätigkeit oder eine andere Tätigkeit Gedanken zu machen. Oder wir verkaufen dann unser Haus und sie kann von ihrem Anteil aus dem Verkauf leben. Ich möchte den Unterhalt für meine Frau nur noch sechs Jahre lang zahlen. Mediator: Habe ich Sie, Herr A, richtig verstanden? Sie möchten die Vereinbarung, die Sie beide in der Mediation erarbeitet haben, auch weiterhin. Nutzungsentgelt soll nicht gezahlt werden. Nur einen Punkt möchten Sie verändern. Sie wollen den Unterhalt für Frau A in Höhe von 1500 Euro nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs von Karin zahlen? Und danach? Herr A: Danach soll von uns beiden auf Ehegattenunterhalt verzichtet werden. Mediator: Derzeit wollen Sie für Ihre Frau Unterhalt zahlen. Ab der Vollendung des 18. Lebensjahrs von Karin sollen Sie beide auf Unterhalt ver-
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Das Recht in der Mediation
zichten. Frau A, Sie haben gehört, was Herr A vorgeschlagen hat. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie dies hören? Frau A: Ich finde es schon großzügig von ihm, dass ich jetzt in unserem Haus mit den Kindern leben kann, und er 1500 Euro an mich neben dem Geld für die Kinder zahlt. Damit komme ich gut aus. Und ich zahle keine Miete! Außerdem habe ich ja gehört, dass ich juristisch keine Ansprüche habe. Ich bin deshalb auch bereit, auf den Unterhalt zu verzichten, wenn Karin achtzehn Jahre geworden ist.
Die Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung wurde kurze Zeit später beurkundet. Resümee: Es ist hilfreich, wenn der Mediator, auch wenn er nicht Rechtsanwalt ist, das Konfliktpaar auf die Beratung durch die Außenanwälte vorbereitet. Durch die Konfrontation mit Rechtspositionen können bei den Medianden Ängste entstehen. Sie befürchten vielleicht, ihren Unterhalt und damit ihre Existenz zu gefährden. Diese Ängste werden aber unter Umständen wegfallen, wenn der Mediator die Medianden auf den „Gang durch das Fegefeuer“ vorbereitet und noch einmal erläutert, welche Bedeutung die Kenntnis des Rechts hat. Für die Konfliktpartner ist dann klar, dass sie ihre Probleme, die durch die Trennung entstanden sind, selbst regeln und sie sich ihr eigenes Recht schaffen können. Sie wissen aber auch, dass der Gesetzgeber ein Sicherheitsnetz in Form von rechtlichen Normen geschaffen hat. In dieses Netz können sich Menschen fallen lassen, die ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können oder wollen. Sie gehen in die Beratung zu den Außenanwälten in dem Bewusstsein, ihr eigenes Recht mit Gesetz und Rechtsprechung zu vergleichen und sich vielleicht noch weitere Anregungen für eine Verbesserung ihrer gefundenen Lösung zu holen. Sie messen das von ihnen gefundene Ergebnis noch einmal an den Normen und sehen, ob ihre eigene Lösung besser oder schlechter ist als die Lösung, die der Gesetzgeber vorgesehen hat.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick E
Nr. 23: Umgang mit Rechtsanwälten in der Mediation
Familien- und Sozialdaten: Frau A
64 Jahre, Geschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin der A GmbH, verwitwet seit 10 Jahren;
Sohn Peter A
Architekt, 37 Jahre, verheiratet, 1 Kind, Jule, 2 Jahre;
Tochter Sabrina A
Betriebswirtin, 28 Jahre, unverheiratet;
Rechtsanwalt Dr. H
68 Jahre, Fachanwalt für Steuer- und Familienrecht, seit 35 Jahren ständiger Rechtsvertreter der Interessen des Familienbauunternehmens A GmbH;
Rechtsanwalt Dr. S
37 Jahre alt, Klassenkamerad von Peter A.
Themenbereiche der Mediation: Übergabevertrag, finanzielle Absicherung der Mutter, weitere Mitarbeit der Mutter in der Firma Sachverhalt und Konfliktsituation: Sabrina und Peter möchten zusammen das elterliche Unternehmen, die A GmbH, übernehmen. Peter ist bereits seit vier Jahren als angestellter Architekt und Sabrina seit einem Jahr in der Buchhaltung tätig. Bis vor kurzem glaubten sie, mit ihrer Mutter, die seit dem Tode des Vaters vor 10 Jahren das Unternehmen allein führt, über fast alle Modalitäten einig zu sein. Frau A möchte sich zurückziehen, das Enkelkind Jule mehr betreuen und den Ruhestand genießen. Die Kinder möchten, dass sie eine feste, vom Umsatz unabhängige Betriebsrente bezieht. Dies möchte Frau A nicht. In der letzten Woche kam es plötzlich zu Irritationen, als Herr Rechtsanwalt Dr. H einen entsprechenden Vertrag fertigen sollte. Er ist der Meinung, dass seine Mandantin und die Kinder unterschiedliche Interessen in Bezug auf den Nachfolgeregelungsvertrag haben. Da er ausschließlich der Interessenvertreter von Frau A ist, kann er die Interessen der Kinder nicht ebenfalls vertreten. Sie be124
Das Recht in der Mediation
nötigen fairerweise einen eigenen Rechtsanwalt, mit dem Rechtsanwalt H den Vertrag verhandeln und ausarbeiten könnte. Frau A ist verunsichert, das „Rechtliche“ scheint ihr doch sehr kompliziert zu sein, und sie hat auch großes Vertrauen in die Fähigkeiten von Dr. H. Es geht schließlich um ihre Alterssicherung! In der Vergangenheit kam es zu ihrem großen Bedauern nach der Einschaltung von Dr. H immer wieder zu unschönen Rechtsstreitigkeiten mit anderen Konfliktparteien. Er konnte die Prozesse zwar häufig gewinnen, jedoch waren die Beziehungen zu den Streitgegnern häufig beendet. Frau A fürchtet, die guten Beziehungen zu ihren Kindern zu verlieren. Das wäre für sie eine Katastrophe. Ähnlich ging es den Kindern. Sie fühlten sich imstande, mit der Mutter selbst und nicht über Stellvertreter zu verhandeln. Dabei war ihnen sehr wichtig, dass alle anstehenden Probleme geregelt werden, ohne dass dabei der Familienfrieden gefährdet würde. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters hatte die Mutter in bewundernswerter Weise das Baugeschäft weitergeführt, sodass Sabrina und Peter studieren konnten und 40 Arbeitsplätze gesichert blieben. Nun fühlt Frau A sich ausgebrannt und möchte die Firma an Sabrina und Peter übergeben. Beide sind auch hervorragend dazu geeignet, Sabrina hat die betriebswirtschaftlichen und Peter die technischen Kenntnisse. Nun hat eine Freundin von Frau A eine Mediation vorgeschlagen. Sie hatte diese Methode bei ihrer Scheidung erlebt und gute Erfahrungen gemacht. Frau A und ihre Kinder waren auch sofort damit einverstanden. Die Aufrechterhaltung des Familienfriedens schien hier eine Chance zu haben. Dr. H war der Einzige, der dem Mediationsverfahrens kritisch gegenüber stand. Er machte sich Sorgen um Frau A, die er in Gefahr sah, um des „lieben Friedens willen“ auf elementare Sicherheiten zu verzichten. Deshalb schlug er vor, selbst in der Mediation anwesend zu sein. Damit wollte er eventuellen Schaden von Frau A abwenden. Der ins Auge gefasste Mediator signalisierte bereits im Vorfeld, dass er aus Gründen des Gleichgewichts empfehle, dass die Konfliktparteien mit Anwälten erscheinen sollten.
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Die Prinzipien der Mediation – Überblick
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TIPP: Anwesenheit von Rechtsberatern in der Mediation Seien Sie vorsichtig! Wenn nur eine Konfliktpartei mit einem Anwalt in der Mediation erscheint, besteht die große Gefahr eines Übergewichts der Konfliktpartei, die sich sozusagen mit einem Rechtsanwalt „bewaffnet“. In diesem Fall ist es für den Mediator viel schwieriger, das Gleichgewicht zu halten. Wenn zwei Rechtsanwälte anwesend sind, ist das Gleichgewicht wiederhergestellt. Dann geht es nur noch darum, dass der Mediator die Rechtsanwälte bittet, sich im Hintergrund zu halten.
Dr. S, ein Klassenkamerad von Peter, ist Anwalt und hat sich bereit erklärt, als Rechtsanwalt für die Geschwister an der Mediation teilzunehmen. Er ist ein Befürworter eines Mediationsverfahrens. Verlauf der Mediation: Der Mediator begrüßt alle Beteiligten und beginnt mit den beiden Rechtsanwälten. Er bedankt sich zunächst ausdrücklich für ihr Kommen. Mediator: Ich weiß, dass Sie als Anwälte für ihre Mandanten das Beste wollen, dass es Ihre vornehme Aufgabe ist, sie zu schützen und dafür zu sorgen, dass eventueller Schaden von ihnen abgehalten wird. Deshalb schätze ich Ihre Arbeit und freue mich darüber, dass Sie heute hier anwesend sind.
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TIPP: Wertschätzung der Rechtsanwälte als Haltung des Mediators Es ist dem Mediationsprozess dienlich, wenn Sie als Mediator die Anwesenheit von Rechtsanwälten nicht als Störung und Bedrohung empfinden, sondern als Bereicherung, und dass Sie Ihre Wertschätzung deutlich zum Ausdruck bringen.
Mediator: Ziel dieses Mediationsverfahrens soll eine einvernehmliche Lösung aller zur Regelung anstehenden Probleme sein. Die hier anwesenden Familienmitglieder wollen miteinander Lösungen finden, mit denen Sie alle zufrieden sein können. Im Fokus stehen deshalb die Parteien selbst. Sie sprechen hier jeder für sich. Es ist deshalb meine Bitte, natürlich nur, wenn das auch für alle hier Anwesenden Sinn macht, dass Sie als Anwälte nicht statt Ihrer Mandanten reden. Wenn Sie eingreifen
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Das Recht in der Mediation
möchten, weil Sie vielleicht aus Sorge Ihrem Mandanten etwas mitteilen wollen, würde ich vorschlagen, dass Sie die Hand heben, und in diesem Fall würden wir sofort unterbrechen. Alle Beteiligten würden den Raum verlassen und Sie könnten dann mit Ihrem Mandanten reden. Dann kämen alle wieder hinein und ich führe die Mediation in Kommunikation mit Ihnen, Familie A, fort.
Alle Anwesenden besprechen das Für und Wider dieses Vorgehens und kommen zu dem Schluss, dass es gut ist, wenn die Anwälte nicht für sie reden, sondern sie selbst. Resümee: Die Ethik, die der Arbeit der Rechtsanwälte zugrundeliegt, ist von der Verpflichtung getragen, Schaden von ihren Mandanten abzuwenden und beste Lösungen für sie zu ermöglichen. Das Wohl der Mandanten steht im Vordergrund anwaltlichen Handelns und deshalb dem Ziel der Mediation, beste Lösungen für alle zu erreichen, nicht entgegen. Es kommt immer wieder vor, dass in Trennungs- und Scheidungsmediationen mit komplizierten wirtschaftlichen Verflechtungen Rechtsanwälte anwesend sind. Es ist sehr wichtig für den Mediator, dass er bereits vor Beginn der Mediation den Rechtsanwälten gegenüber eine positive Haltung und Einstellung hat. Von großer Bedeutung ist auch, dass der Mediator zu Beginn des Verfahrens eine Vereinbarung vorschlägt, die die direkte Kommunikation mit den Konfliktparteien gewährleistet. Dies hat zur Voraussetzung, dass die Rechtsanwälte damit einverstanden sind, in der Mediation selbst zu schweigen. Sie haben aber jederzeit das Recht, die Mediation zu unterbrechen, um mit ihren Mandanten außerhalb des Settings zu sprechen. Manchmal ist es sogar hilfreich, dies durch die Anordnung der Stühle deutlich zu machen, etwa in der Weise, dass jeder Rechtsanwalt hinter seinem Mandanten Platz nimmt.
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B. Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Phase 1: Das Arbeitsbündnis – Kontaktaufnahme: gemeinsamer Empfang – Vorstellung aller Beteiligten – Bisherigen Stand der Situation erfragen: Sind gerichtliche Verfahren anhängig? – Erwartungen an das Mediationsverfahren mit den Beteiligten klären – Verfahren der Mediation erläutern: Verfahren, Rolle des Mediators, Grundregeln der Mediation aushandeln, Zeitplan und Kosten klären – Verteilung der Unterlagen, die zur nächsten Sitzung ausgefüllt und unterzeichnet mitzubringen sind: Fragebögen über Einnahmen, Ausgaben und Vermögen, Entwurf des Eingangsvertrags
Phase 2: Erarbeitung der Themenbereiche – Bestandsaufnahme – Themen festlegen – Prioritäten bestimmen
Phase 3: Bearbeitung der Konfliktfelder und Herausfinden der Interessen – Positionen der jeweiligen Konfliktparteien klären – Interessen und Bedürfnisse herausarbeiten (Gefühle, Hoffnungen, Befürchtungen, Werte, Glaubenssätze) – Anerkennung unterschiedlicher Sichtweisen und Bedürfnisse der jeweils anderen Konfliktpartei 129
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Phase 4: Problemlösung und Einigung – Lösungsmöglichkeiten sammeln ohne Bewertung – Lösungsmöglichkeiten bewerten: gut denkbar denkbar schwer denkbar gar nicht denkbar – Lösungsmöglichkeiten auswählen
Phase 5: Rechtliche Gestaltung – Vertragsabfassung und Unterzeichnung mit evtl. notarieller Beurkundung – Abschiedsgespräch – eventuell: Erprobungsphase
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I. Phase 1: Das Arbeitsbündnis 1. Allgemeines In Phase 1 eines Mediationsverfahrens nehmen Mediator und Medianden erstmals Kontakt miteinander auf und besprechen die Rahmenbedingungen. Der Mediator erkundigt sich über den bisherigen Stand der Situation und klärt, ob zwischen dem Paar bereits gerichtliche Verfahren anhängig sind. Sollte dies der Fall sein, so kann ein Mediationsverfahren nur stattfinden, wenn „die Waffen schweigen“ und Gerichtsverfahren für die Dauer der Mediation ruhen. Der Mediator bespricht mit dem Paar die Ziele und Erwartungen, die es an die Mediation hat, und prüft, ob diese Ziele mit denen der Mediation in Einklang gebracht werden können. Die Motivation des Paares ist insbesondere deshalb wichtig, weil der Mediator zu ermitteln hat, ob Mediation gerade für dieses Konfliktpaar geeignet ist. Das Paar muss bereit und imstande sein, eigenverantwortlich eine Lösung der Probleme zu erarbeiten, die sich aus der jeweiligen Lebenssituation ergeben. Der Mediator erläutert dabei auch andere Wege, Konflikte zu lösen, und weist auf Alternativen wie z.B. eine Therapie oder eine anwaltliche Interessenvertretung hin. Sodann erklärt der Mediator den Ablauf des Mediationsverfahrens und verständigt sich mit den Klienten über die Regeln des Mediationsverfahrens. Ein Mediationsverfahren kann nur dann stattfinden, wenn das Konfliktpaar mit den Grundregeln der Mediation einverstanden und bereit ist, diese Regeln einzuhalten. Hierbei handelt es sich um folgende Grundsätze: – Freiwilligkeit (s. S. 83 ff.) – Allparteilichkeit (s. S. 23 ff.) – Eigenverantwortlichkeit (s. S. 50 ff.) – Offenheit und Informiertheit (s. S. 6 ff.) – Vertraulichkeit, Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht (s. S. 37 ff.)
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
– Verpflichtung der Medianden, sich vor dem Abschluss der Vereinbarung einseitig parteilich durch einen Rechtsanwalt beraten zu lassen (s. S. 93 ff.) Diese Grundsätze haben alle Beteiligten zwingend einzuhalten. Hiervon muss der Mediator während des gesamten Verfahrens überzeugt sein Daneben können im Einzelfall weitere Verfahrensregeln vereinbart wie: – Kommunikationsregeln (Ich-Botschaften) und respektvoller Umgang miteinander, d.h. zuhören, ausreden lassen, – die Verpflichtung, während des Mediationsverfahrens keine Vermögensveränderungen ohne Zustimmung des anderen Konfliktpartners durchzuführen. Wesentlicher Punkt, über den sich der Mediator und die Medianden verständigen müssen, ist die Höhe des Honorars (s. S. 254). Zum Ende der ersten Sitzung verteilt der Mediator Fragebögen über die laufenden Einnahmen, Ausgaben und das Vermögen, sowie den Entwurf des Mediationsvertrags, s. mediationstypische Formulare S. 259 ff. In diesem Mediationsvertrag, dem Arbeitsbündnis, sind die Prinzipien der Mediation noch einmal ausgeführt und die Rechte und Pflichten des Mediators und der Medianden schriftlich fixiert. Der Mediator bittet das Paar, diesen Entwurf des Arbeitsbündnisses zu Hause noch einmal durchzulesen und zur nächsten Sitzung unterschrieben mitzubringen. Er bittet sie gleichfalls, die Fragebögen auszufüllen, damit das Bestandsverzeichnis erstellt werden kann. Phase 1 der Mediation endet mit der Unterzeichnung des Arbeitsbündnisses durch den Mediator und die Medianden.
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Phase 1: Das Arbeitsbündnis
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 24: Kontaktaufnahme, bevor alle Beteiligten anwesend sind
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 40 Jahre, selbständiger Kaufmann, Ehefrau: 40 Jahre, Sachbearbeiterin, verheiratet seit 10 Jahren, getrennt lebend seit einem Jahr; Kinder
Johannes, 9 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Kindesunterhalt, Ehewohnung; Sachverhalt und Konfliktsituation: Herr und Frau A haben sich auf Wunsch von Frau A vor einem Jahr getrennt. Die Familie hat in den letzten Jahren in einem Zweifamilienhaus gelebt, welches sich im alleinigen Eigentum der Mutter von Frau A, Frau B, befindet. Frau B ist 70 Jahre alt und lebt ebenfalls in diesem Zweifamilienhaus. Frau A ist ausgezogen. Herr A möchte auch weiterhin mit Johannes in dem Haus seiner Schwiegermutter leben. Frau B hat den Wunsch, dass ihre Tochter wieder in das Haus zurückkehrt, sich um sie und Johannes kümmert. Wenn sich das Ehepaar schon trennen möchte, soll nach ihrem Wunsch der Schwiegersohn ausziehen. Verlauf der Mediation: Der Mediator erhält einen Anruf von Frau A. Diese erklärt, eine Anwältin habe Mediation und Mediator empfohlen. Es gehe um eine Vermittlung in einer Trennungsangelegenheit und um ein Haus, das im alleinigen Eigentum ihrer Mutter steht. Sie möchte Mediation. Ihre Mutter soll ebenfalls an diesem Verfahren teilnehmen. Die Frage des Mediators, ob alle Beteiligten, also auch Ehemann und Mutter, bereit seien, an einem Mediationsverfahren teilzunehmen, bejaht Frau A. Sie bittet ferner, dass die Gespräche nicht in der Praxis des Mediators, sondern in dem Haus der Mutter, in dem 133
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
auch der Ehemann und der Sohn Johannes leben, stattfinden. Ihre Mutter ist bereits 70 Jahre alt und etwas gehbehindert. Ein Notar, der ein Testament beurkundet habe, sei ebenfalls in das Haus gekommen. Der Mediator begibt sich deshalb in das Zweifamilienhaus der Familie. Herr und Frau A sind anwesend. Frau B ist nicht erschienen, obwohl sie über das Erscheinen des Mediators informiert ist und sich im oberen Stockwerk aufhält. Der Mediator ist allein mit den Eheleuten. Offensichtlich will die alte Dame ihre Macht ausüben, die sie über das Paar hat. Herr und Frau A versuchen sofort, dem Mediator den Hintergrund des Konflikts darzustellen. Mediator: Ich darf Sie noch einmal fragen, ob es Ihr Wunsch ist, dass auch Frau B an der Mediation teilnimmt? Herr und Frau A: Ja. Mediator: Dann möchte ich vorschlagen, dass wir solange warten, bis auch Frau B erscheint. Ich lege bei meiner Arbeit Wert darauf, nur mit allen Beteiligten gemeinsam zu reden. Sonst könnte bei Frau B der Eindruck entstehen, dass wir hinter ihrem Rücken etwas bereden. Ich schlage vor, erst einmal das Flipchart aus meinem Auto zu holen und im Wohnzimmer aufzubauen. Sind Sie hiermit einverstanden?
Das Einverständnis wird erteilt. Mit dieser Tätigkeit ist der Mediator solange beschäftigt, bis die alte Dame schließlich erscheint und die Mediation beginnen kann. TIPP und Resümee: Kontaktaufnahme, bevor alle Beteiligten anwesend sind Führen Sie Gespräche nur in Gegenwart aller Beteiligten! Sonst entsteht der Anschein von „Kungelei“ hinter dem Rücken eines Betroffenen. Stehen Sie deshalb grundsätzlich nur für Gespräche im Beisein aller Medianden zur Verfügung. Findet die Mediation in Ihrer Praxis statt, bitten Sie die Beteiligten in das Wartezimmer, bis alle Medianden eingetroffen sind. Begeben Sie sich in besonderen Fällen zu den Konfliktpartnern, so vermeiden Sie, von einer kurzen Begrüßung abgesehen, eine
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Phase 1: Das Arbeitsbündnis
Kontaktaufnahme. Auch Smalltalk sollte unterbleiben! Wenn kein Warteraum zur Verfügung steht, so beschäftigen Sie sich deutlich sichtbar mit der Vorbereitung der Mediation (Aufbau des Flipcharts usw.).
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Nr. 25: Abbruch und Nichtaufnahme der Mediation: Eine gescheiterte Mediation
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehefrau: 35 Jahre, angestellte Grafikerin, Ehemann: 38 Jahre, Sachverständiger, verheiratet seit 13 Jahren, getrennt lebend seit 3 Jahren; Kinder
Anna, 13 Jahre alt, lebt bei beiden Elternteilen gleichermaßen und wird von beiden hälftig betreut.
Themenbereiche der Mediation: Lebensmittelpunkt des Kindes, Kindesunterhalt, Unterhalt der Kindesmutter Sachverhalt und Konfliktsituation: Das Ehepaar A erscheint bei dem Mediator durch Vermittlung seiner Anwälte zum ersten Gespräch. Die Eheleute leben bereits seit 3 Jahren getrennt. Ihre Wohnungen befinden sich nah beieinander. Trotz des langen Trennungszeitraums haben sie bislang die mit der Trennung verbundenen Probleme nicht befriedigend regeln können. Beide Konfliktpartner sind in die Mediation gekommen, weil sie nicht miteinander reden können. Sie tauschen sich im Wesentlichen schriftlich aus, weil jede Unterhaltung mit großen Streitigkeiten verbunden gewesen ist. Die Erwartungen beider Konfliktpartner an die Mediation sind unterschiedlich. Der Ehefrau geht es in erster Linie darum, in dem Mediationsverfahren die mit der Trennung verbundenen Folgen wie Lebensmittelpunkt des Kindes sowie Unterhalt von Mutter und Kind zu regeln. Bislang wird die Tochter von beiden Elternteilen hälftig betreut. Anna lebt eine Woche in der Wohnung des Vaters und wechselt dann für die nächste Woche in die Wohnung der Mutter. Frau A 135
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
überlegt, ob eine derartige Regelung dem Interesse der Tochter am besten dient. Frau A befürchtet, dass das Kind bei einer derartigen Aufteilung kein richtiges Zuhause hat. Der Wechsel beruht auf dem ausdrücklichen Wunsch der Tochter. Der Ehemann äußert, dass er über diese Themen erst an zweiter Stelle reden möchte. Ihm geht es in erster Linie darum, als Mensch und als Vater von seiner getrennt lebenden Ehefrau anerkannt zu werden. Nachdem der Mediator das Verfahren der Mediation erläutert und das Konfliktpaar in Ansätzen über die anstehenden Themen geredet hat, nimmt das Gespräch plötzlich eine überraschende Wende. Das Konfliktpaar stellt übereinstimmend fest, dass es mit ein wenig Hilfe imstande ist, miteinander zu reden. Sie wollen gern selbst eine Lösung für ihre Probleme finden, ohne dass ihnen ein Mediator hierbei hilft. Dies müsste doch gehen und würde außerdem weniger Kosten verursachen. Sie bitten den Mediator jedoch, eine derartige direkte Verhandlung mit ihnen jetzt in dieser Sitzung zu strukturieren. Der Mediator ist hierzu gern bereit. Nach einer weiteren Stunde kommt das Konfliktpaar zu folgendem Ergebnis: – Beide wollen drei Sitzungstermine vereinbaren, um die in der Sitzung angesprochenen drei Themenbereiche selbst zu regeln. Die Termine für diese Gespräche werden sofort vereinbart. – Bei dem ersten Termin wollen sie lediglich über ihre persönlichen Sichtweisen sprechen, die hinter ihren Standpunkten stehen und über ihre Bedürfnisse und Interessen an der jeweiligen Regelung. – Bei einem zweiten Gespräch soll die juristische Sichtweise berücksichtigt werden. Vor diesem Termin werden auch die jeweiligen Anwälte konsultiert. Die dritte Sitzung wird nur vorsorglich vereinbart. – Die Konfliktpartner wollen die Mediation fortsetzen, wenn sie sich nicht einigen können.
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Phase 1: Das Arbeitsbündnis
Resümee: Bei dem Ergebnis, das die beiden Konfliktpartner in dem Mediationsverfahren erzielt haben, handelt es sich nicht um eine klassische Mediationsvereinbarung über die Folgen einer Trennung und Scheidung einer Ehe. Die Konfliktpartner haben lediglich eine Lösung über das weitere Verfahren, das zu einer Einigung führen soll, gefunden. Hierbei hat der Mediator geholfen. Im Übrigen haben sich die Eheleute geeinigt, dass eben keine Trennungsmediation stattfindet. Es ist aber nur ein Ziel von Mediation, dass die Konfliktpartner eine rechtliche Vereinbarung über ihre mit der Trennung und Scheidung verbundenen Probleme treffen. Mediation bezweckt darüber hinaus, die Konfliktpartner zu befähigen, miteinander ins Gespräch zu kommen, kooperativ zu verhandeln und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Die Mediation ist zwar abgebrochen und mag damit vielleicht als gescheitert angesehen werden. Für die Konfliktpartner war sie aber erfolgreich, da sie wieder selbst miteinander kommunizieren und ihre Probleme regeln konnten. Damit hat das – gescheiterte – Mediationsverfahren den Kommunikationsprozess wieder in Gang gesetzt.
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Nr. 26: Mediation vor der Mediation: Ein Konfliktpartner will sich nicht an den Kosten für die Mediation beteiligen
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 40 Jahre, griechischer Staatsangehöriger, Journalist, Einkommen 4200 Euro netto, Ehefrau: 38 Jahre, Dozentin, Einkommen 5000 Euro netto, verheiratet seit 10 Jahren, getrennt lebend seit einem Jahr; Kinder
Alexis, 10 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Lebensmittelpunkt des Kindes, Umgang des Kindes mit den Eltern 137
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Sachverhalt und Konfliktsituation: Die Eheleute haben sich vor einem Jahr getrennt, nachdem sich der Ehemann einer anderen Frau zugewandt hat. Lange Zeit vor der Trennung haben beide Eheleute einen Ehevertrag geschlossen, in dem sie den Güterstand der Gütertrennung sowie Fragen des nachehelichen Unterhalts geregelt hatten. Alexis lebt bei der Mutter und sieht den Vater regelmäßig an jedem zweiten Wochenende, das er bei dem Vater verbringt. Seit der Trennung hat das Paar große Kommunikationsprobleme. Bei jedem Wechsel des Kindes vom Vater zur Mutter und umgekehrt gibt es viele Auseinandersetzungen. Bei beiden Konfliktpartnern handelt es sich um sehr gebildete Personen, die auch bei ihrem Kind großen Wert auf Bildung legen. Beide Konfliktpartner machen einen sehr selbstbewussten Eindruck. Verlauf der Mediation: Die bisherigen Verhandlungen sind an den Kommunikationsproblemen des Paares gescheitert. Beide Rechtsanwältinnen der Eheleute haben dem Konfliktpaar das Mediationsverfahren und den Mediator empfohlen. Das streitige Verfahren soll ruhen. Frau A hat den Termin für die erste Sitzung telefonisch vereinbart und bei diesem Gespräch mit der Bürovorsteherin des Mediators darauf hingewiesen, dass es nicht ihr Wunsch sei, an einem Mediationsverfahren teilzunehmen. Dies sei der Wunsch des Mannes. Diese Äußerung hat die Bürovorsteherin an den Mediator weitergeleitet. Dieser nimmt erst einmal zur Kenntnis, dass es die Ehefrau gewesen ist, die die Anmeldung und damit den ersten Schritt für die Durchführung des Mediationsverfahrens unternommen hat. Für den Mediator ist sie der aktivere Teil, auch wenn sie den Wunsch nach Mediation abstreitet. Herr und Frau A erscheinen pünktlich zur ersten Sitzung. Frau A weist darauf hin, dass Herr A an einem Mediationsverfahren teilnehmen möchte. Ihr Wunsch sei dies nicht. Der Mediator erläutert, dass er ein Mediationsverfahren nur dann durchführen könne, wenn beide Konfliktparteien die Teilnahme wünschen. Er schlägt vor, das Verfahren erst einmal zu erläutern. Danach könnten beide Eheleute entscheiden, ob ein derartiges Verfahren für sie geeignet
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Phase 1: Das Arbeitsbündnis
sei und sie daran teilnehmen möchten. Ob sie mit einer derartigen Vorgehensweise einverstanden seien? Sie sind es. Frau A: Ich werde mich an den Kosten für ein derartiges Verfahren nicht beteiligen. Dies habe ich ihm (weist auf Herrn A) auch bereits gesagt. Es ist sein Wunsch, dass ein derartiges Verfahren durchgeführt wird. Also soll er auch die Kosten dafür tragen. Außerdem wollte er auch die Trennung. Soll er die Kosten tragen. Mediator: Ich möchte noch einmal auf das zurückgreifen, was ich eben erläutert habe. Dieses Verfahren, das ich Ihnen beiden für die Lösung Ihrer Probleme anbieten kann, ist nur dann durchführbar, wenn es Ihr gemeinsamer Wunsch ist, daran teilzunehmen. Ich kann mit Ihnen beiden nur arbeiten, wenn Sie beide das wünschen. Wenn ich Sie, Frau A richtig verstanden habe, wollen Sie nicht an einem Mediationsverfahren teilnehmen. Nur Herr A möchte, dass Ihre gemeinsamen Probleme hier in meiner Gegenwart gelöst werden. Dann kann ich Ihnen leider nicht helfen, sondern würde Sie bitten, wieder Ihre Anwältinnen aufzusuchen. Frau A: So habe ich es nicht gemeint! Natürlich will auch ich an einem Mediationsverfahren teilnehmen. Schließlich habe ich uns beide auch angemeldet. Dies hätte ich schließlich nicht getan, wenn ich dieses Verfahren nicht wollte.
Frau A spricht etwas von oben herab. Der Mediator ist ebenfalls davon ausgegangen, dass die Teilnahme von Frau A an der Mediationssitzung auf ihrem Wunsch beruht. Frau A ist eine sehr selbstsichere Frau, die genau weiß, was sie will und nur das zu tun bereit ist, was ihrem ureigenen Wunsch entspricht. Sie gehört nicht zu den Frauen, die sich nur deshalb zu einem Schritt entschließen, weil der Mann es so will. Der Mediator hat die Hypothese, dass Frau A mit dieser Äußerung lediglich die Kosten für das Verfahren dem Mann zuweisen will. Mediator: Gut, dann habe ich es jetzt verstanden. Mediation ist auch Ihr Wunsch. Herr A, wie ist es bei Ihnen? Sie wollen ebenfalls an diesem Vermittlungsverfahren teilnehmen? Herr A (bejaht mit lebhaften Worten): Aber selbstverständlich trage ich die Kosten nicht allein. Warum auch! Sie hat genauso dazu beigetragen, dass unsere Ehe auseinander gegangen ist. Ich will deshalb, dass wir beide die Kosten zur Hälfte tragen.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Nunmehr entbrennt ein heftiger Streit zwischen dem Konfliktpaar, den sich der Mediator eine Weile anhört, ohne sich dazu zu äußern.
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TIPP: Halten Sie die Streitigkeiten der Konfliktpartner aus, auch wenn Ihnen dies manchmal unerträglich erscheinen mag. Paare, die streiten, haben nicht nur das Bedürfnis, sich auszuagieren, sondern benötigen laute Auseinandersetzungen, um die Spannung abbauen zu können. Lassen Sie die Auseinandersetzung zu, jedenfalls eine Weile. Wenn Sie meinen, dass es an der Zeit ist, intervenieren Sie auf Ihre Art und wie es Ihnen gemäß ist. Räuspern Sie sich, lassen Sie etwas zu Boden fallen, stehen Sie kurz auf. Tun Sie möglichst etwas für das Konfliktpaar Unerwartetes, um dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Danach, wenn Ihnen die Aufmerksamkeit des Konfliktpaares sicher ist, sind Fragen angemessen wie: „Glauben Sie, dass diese Art der Auseinandersetzung Ihnen hilft, Ihre Konflikte zu lösen?“ Oder Sie machen sie darauf aufmerksam, dass ein Stundenhonorar vereinbart worden ist und sie auch für jede Minute derartiger Auseinandersetzungen ein Honorar zahlen. Ob sie dies wollen?
Nach geraumer Zeit steht der Mediator wortlos auf und rückt das Flipchart zurecht. Dann schreibt er groß darauf: Regelungspunkte. Das Streitpaar verstummt und schweigt verdutzt. Mediator: Wenn ich Ihre Auseinandersetzung richtig verstanden habe, können Sie sich beide für oder gegen Mediation erst dann entscheiden, wenn die Kostenfrage geklärt ist. Ist das so? (Das Paar nickt.) Möchten Sie beide, dass zuerst dieser Punkt geklärt wird, wer von Ihnen welche Kosten trägt, und Sie dann entscheiden, ob ein Mediationsverfahren durchgeführt wird?
Das Paar nickt wieder. Mediator: Sie, Frau A, möchten sich nicht an den Kosten beteiligen. Sie, Herr A, möchten, dass die Kosten zwischen Ihnen geteilt werden. (Beide Konfliktpartner bestätigen die Richtigkeit. Der Mediator stellt nunmehr die Frage nach den Einkünften des Paares und erfährt das Nettoeinkommen der Ehefrau: 5000 Euro und des Ehemannes: 4200 Euro.) Jetzt würde ich gern verstehen, weshalb es für Sie, Frau A, wichtig ist, dass
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Phase 1: Das Arbeitsbündnis
Herr A sämtliche Kosten übernimmt und für Sie, Herr A, wichtig ist, dass die Kosten zwischen Ihnen geteilt werden. Wer möchte beginnen? Sie, Herr A! Ist dies für Sie, Frau A, in Ordnung? (Frau A ist einverstanden). Herr A: Ich sehe nicht ein, warum ich die gesamten Kosten tragen soll. Wir beide wollen, dass unsere Probleme geklärt werden. Sie verdient mehr als ich. Da könnte ich sogar verlangen, dass ihr Kostenanteil größer ist als meiner. Auf jeden Fall ist es mehr als gerecht, wenn wir uns die Kosten teilen. Frau A: Du wolltest Dich doch trennen. Dann kannst Du auch die Kosten dafür bezahlen. Aber ich mache einen Vorschlag. Wir teilen uns die Kosten für die Mediation, aber nur für fünf Sitzungen. An fünf Sitzungen werde ich mich zur Hälfte beteiligen, an mehr nicht. Herr A: Nein, damit bin ich nicht einverstanden. Ich will, dass wir uns die gesamten Kosten teilen, auch wenn wir mehr als fünf Sitzungen benötigen. Mediator: Wenn ich Sie beide richtig verstanden habe, sind Sie beide darüber einig, dass Sie die Kosten für insgesamt fünf Sitzungen zur Hälfte unter sich aufteilen wollen. (Beide Konfliktpartner bestätigen dies.) Lediglich wenn die Mediation mehr als fünf Sitzungen dauern sollte, sind Sie sich jetzt noch nicht einig, wie Sie dann die Kosten verteilen wollen? (Beide Konfliktpartner bestätigen dies.) Was halten Sie beide davon, jetzt erst einmal fünf Sitzungen lang mit mir zu arbeiten und dann darüber zu verhandeln, ob weitere Sitzungen für Sie notwendig sind und wie sie bezahlt werden sollen. Wäre dies für Sie beide eine vernünftige Lösung?
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TIPP: Finden Sie den kleinsten gemeinsamen Nenner bei den Konfliktpartnern heraus und nutzen Sie ihn für eine Einigung!
Beide Konfliktpartner sind nicht nur einverstanden, eine Mediation für eine Dauer von fünf Sitzungen zu vereinbaren, sondern sie machen auch einen ausgesprochen erleichterten Eindruck, dass diese Lösung gefunden werden konnte. Insbesondere Frau A, die anfangs behauptet hat, Mediation sei nur der Wunsch des Mannes, drängt nun darauf, dass jetzt auch mit der Mediation begonnen wird. Dies geschieht dann auch, nachdem zwischen dem Mediator und den Konfliktpartnern die Höhe des Honorars und die Sitzungsdauer von 11/2 Stunden vereinbart worden ist. Die Mediation vor der eigentlichen Mediation ist damit erfolgreich, so dass mit der Mediation begonnen werden kann. Es ist auch unschädlich, dass sich die Kon141
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
fliktpartner über eine Verfahrensdauer von nur fünf Sitzungen geeinigt haben. In fünf Sitzungen kann viel geschehen. Resümee: Paare mit hoher Konfliktdynamik müssen sich erst einmal ausagieren und streiten. Mediatoren sind nur dann hilfreich, wenn sie derartige Auseinandersetzungen eine Weile ertragen können. Wenn ein Paar seit langer Zeit in der Kommunikation gestört ist, können wir nicht von ihm erwarten, dass es gleich in der ersten Mediationssitzung gute Kommunikationsstrukturen entwickelt. Hier ist es die Aufgabe des Mediators, seinerseits feste Strukturen zu entwickeln, nachdem er den Auseinandersetzungen genügend Zeit eingeräumt hat. Manchmal sind die Fronten derart verhärtet, dass die Bedingungen für ein Mediationsverfahren erst durch Mediation geklärt werden müssen. Dann findet vor dem eigentlichen Mediationsverfahren bereits ein Mediationsverfahren statt, um z.B. die Kosten- und Honorarfrage zwischen dem Konfliktpaar zu klären.
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Nr. 27: Unterschiedliche Ziele des Paares: Ist eine Mediation möglich?
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 47 Jahre, ägyptischer Staatsangehöriger, Diplomat, Ehefrau: 37 Jahre, französische Staatsangehörige, Lehrerin; Kinder
Samantha, 10 Jahre und Faruc, 7 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Trennung und zukünftiger Aufenthalt der Kinder Sachverhalt und Konfliktsituation: Frau A will sich trennen. Für Herrn A kommt das überhaupt nicht in Frage.
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Phase 1: Das Arbeitsbündnis
Verlauf der Mediation: Der Mediator bittet die Konfliktpartner, ihre Erwartungen an die Mediation zu äußern. Herr A: Meine Frau möchte sich trennen. Ich weiß, dass das gar nicht möglich ist. Wir haben eine Vereinbarung getroffen, dass wir gemeinsam nach Deutschland gehen, weil ich hier eine diplomatische Aufgabe habe. Ich kann im diplomatischen Dienst im Ausland nur dann tätig sein, wenn ich verheiratet bin und mit meiner Ehefrau tatsächlich zusammenlebe. Meine Frau weiß, dass ich sofort nach Ägypten zurückkehren müsste, wenn wir nicht mehr zusammenleben würden. Sie kann mich nicht meiner Existenz berauben. Die Kinder gehen hier zur Schule. Ein Schulwechsel wäre schlecht für sie. Ich möchte in der Mediation unsere Eheprobleme aufarbeiten. Ich will meiner Frau durchaus mehr Freiheiten zugestehen, die ihrem Wunsch nach mehr Distanz entsprechen. Allerdings muss nach außen alles beim Alten bleiben. Für dieses Ziel halte ich Mediation für durchaus geeignet.
Der Mediator fasst das Gehörte zusammen, um dann mit Frau A fortzufahren. Frau A: Unsere Ehe ist eine Farce und ich möchte sie beenden. Es kann doch nicht sein, dass ich für immer an ihn gebunden sein soll. Ich möchte in der Mediation die Folgen für eine Trennung regeln. Mediator: Ich habe verstanden, dass Sie unterschiedliche Ziele haben. Sie, Herr A, wollen in der Mediation neue Regeln für Ihre Ehe erarbeiten, um die Ehe zu erhalten. Sie, Frau A, wollen die Trennung regeln. Ich habe Zweifel, dass Ihre unterschiedlichen Erwartungen in einem Mediationsverfahren verwirklicht werden können. Herr A: Wir sind uns beide einig, dass für unseren Konflikt nur Mediation in Frage kommt. Wir haben dies bereits vor unserem heutigen Treffen sehr ausführlich miteinander besprochen. Wir wollen nicht zu Rechtsanwälten gehen. Wir wissen, dass es sehr unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt. Im Übrigen wird in unserem Fall für die Scheidung ägyptisches Recht, für die elterliche Sorge und den Unterhalt französisches Recht anzuwenden sein. Ein derartiges Verfahren kann Jahre dauern und kostet viel Geld. Deshalb kommt für uns nur Mediation in Frage.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Frau A: Es stimmt, etwas anderes als Mediation kommt gar nicht in Frage. Wir haben keine andere Möglichkeit. Wir sollten es doch zumindest versuchen. Mediator: Sie können in einer Mediation nur dann die Folgen einer Trennung regeln, wenn Sie sich entweder trennen oder für den Fall einer Trennung eine Regelung erarbeiten wollen. Sie, Herr A, habe ich so verstanden, dass eine Trennung überhaupt nicht in Frage kommt und Sie hier in der Mediation ihre Eheprobleme aufarbeiten wollen. Herr A: So habe ich es nicht gemeint. Es ist zwar nicht mein Wunsch, dass wir uns trennen, aber ich weiß, dass ich gegen den Willen meiner Frau das Zusammenleben nicht aufrechterhalten kann. Wenn wir uns aber trennen, möchte ich keine beruflichen Nachteile erleiden. Mediator: Habe ich Sie beide richtig verstanden, dass das Thema „Wie regeln wir die Folgen der Trennung“ ein Thema in der Mediation sein könnte?
Resümee: Manchmal bestehen nur auf den ersten Blick unterschiedliche Ziele. Herr A möchte zwar, dass die Ehe aufrechterhalten bleibt. Bei weiterem Nachfragen wird aber deutlich, dass er den Trennungswunsch seiner Frau respektiert und für ihn wichtig ist, auf welche Weise die Trennung vollzogen wird.
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Nr. 28: Blockaden zu Beginn der Mediation; das Kleinkind in der Mediation (s. auch Fall 12)
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 39 Jahre, Arzt, Einkommen 4500 Euro netto bei halber Stelle, Ehefrau: 34 Jahre, Journalistin, derzeit nicht berufstätig, verheiratet seit 7 Jahren, getrennt lebend seit 6 Monaten; Kinder
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Klaus, 11 Jahre, Karl, 5 Jahre und Pit, 2 Jahre alt.
Phase 1: Das Arbeitsbündnis
Themenbereiche der Mediation: Umgang, Kindesunterhalt, Auflösung der Ehewohnung Sachverhalt und Konfliktsituation: Frau A hat sich vor acht Monaten einem anderen Mann zugewandt. Herr B ist fassungslos. Er kündigt daraufhin seine Stelle als Arzt in einem Berliner Krankenhaus. Er hat dort eine volle Stelle innegehabt und ca. 7500 Euro netto monatlich verdient. Er hat eine neue Halbtagsstelle in Duisburg in einem Krankenhaus angenommen. Er arbeitet zu Beginn der Mediation nunmehr eine Woche in Duisburg und kehrt dann jeweils für eine Woche in die Ehewohnung in Berlin zurück, in der auch die Ehefrau mit den Kindern lebt. Frau A plant, mit ihrem neuen Lebensgefährten und den Kindern Berlin in zwei Monaten zu verlassen und nach Hamburg zu ziehen. Die Anwältinnen der Eheleute haben ihren jeweiligen Mandanten Mediation empfohlen, da sie sich keinen Rat mehr wissen. Alle Verhandlungen sind gescheitert. Das Einzige, worauf sich die Konfliktpartner einigen können, ist die Durchführung eines Mediationsverfahrens und die Person des Mediators. Aber sind sich die beiden Konfliktparteien hierüber wirklich einig oder versuchen sie nur, ihren Kampf auf einem anderen Schlachtfeld fortzusetzen? Verlauf der Mediation: Zur ersten Sitzung erscheinen Frau und Herr A und zur großen Überraschung des Mediators auch der kleine Pit. Pit ist zwar für ein Kind, dessen Eltern gerade in der Trennungsphase und zerstritten sind, relativ unkompliziert, aber doch kindgemäß lebhaft.
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TIPP: Kleinkind in der Mediation Unter Umständen kann es sinnvoll sein, auch Kinder an einem Mediationsverfahren teilnehmen zu lassen. Voraussetzung ist hierbei, dass die Kinder aufgrund ihres Alters und ihrer Entwicklung imstande sind, das Geschehen zu verstehen und ohne Beeinträchtigung zu überstehen. Aber ein zweijähriges Kind ist für ein derartiges Verfahren zu jung. Im Übrigen sollten Kinder erst zu einem viel späteren Zeitpunkt in das Verfahren einbezogen werden, wenn die Medianden ihre Interessen bereits artiku145
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
liert sowie Lösungsvorschläge erarbeitet haben und den Kindern diese vorgestellt werden sollen. Nachdem sich der überraschte Mediator wieder gefasst hat und weil er die Situation erst einmal nicht ändern kann, hat er sich entschieden, die Anwesenheit des Kindes zu problematisieren. Er vermutet, dass sie Ausdruck eines der Beteiligten gegen das Mediationsverfahren ist.
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TIPP: Wenn Sie im Mediationsverfahren von dem Verhalten der Konfliktpartner überrascht werden, wenn Sie das Gefühl haben, so und unter diesen Bedingungen nicht arbeiten zu können, greifen Sie das Geschehen auf und problematisieren Sie es. Sie – und nur Sie – sind dafür verantwortlich, dass Bedingungen vorhanden sind, unter denen Sie arbeiten können.
Mediator: Warum ist es für Sie wichtig, dass Pit hier dabei ist? Frau A: Mir ist völlig klar, dass wir so ein kompliziertes Konfliktlösungsverfahren nicht in Anwesenheit eines kleinen Kindes durchführen können. Ich wollte das auch gar nicht, zumal meine Freundin Susanne bereit war, auf Pit aufzupassen. Aber er – sie deutet auf Herrn A – wollte Pit unbedingt mitnehmen. Herr A: Wir konnten Susanne das Kind einfach nicht zumuten. Es ist viel zu lebhaft. Natürlich wird es nicht ganz einfach sein, solch ein Mediationsverfahren mit einem kleinen Kind durchzuführen. Aber es ging eben nicht anders. Mediator: Heute befinden wir uns in der ersten Sitzung und schaffen für uns drei den Rahmen, in dem wir, sofern Sie sich für die Durchführung des Mediationsverfahren entscheiden sollten, in Zukunft miteinander arbeiten werden. Pit ist ein sehr aufgewecktes Kind und sehr lebendig. Ich hätte die Befürchtung, dass er mich in meiner Aufmerksamkeit von Ihnen beiden ablenken würde und ich Ihnen deshalb nicht die Hilfe sein könnte, die ich gern für Sie wäre. Ich kann mich deshalb nur dann entscheiden, mit Ihnen gemeinsam dieses Verfahren durchzuführen, wenn Sie sich beide vorstellen können, dass während der Zeit, in der wir zusammen arbeiten, jemand auf Pit aufpasst. Sind Sie damit einverstanden? Frau A: Ja, Susanne. Sie macht das sonst ja auch.
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Phase 1: Das Arbeitsbündnis
Mediator: Und können Sie sich beide darauf verständigen, dass Pit bei zukünftigen Sitzungen bei Susanne bleibt? Herr A, könnten Sie sich das vorstellen?
Nunmehr lenkt Herr A ein. Beide Eltern kommen überein, dass Pit bei späteren Sitzungen von Susanne oder einer anderen geeigneten Person betreut wird. Sie wollen in Zukunft ohne Kind in der Mediation erscheinen. Der Mediator kann fortfahren, das Mediationsverfahren zu erläutern. Allerdings gestaltet sich der weitere Verlauf der Sitzung manchmal etwas schwierig, weil Pit mal ruhig spielt, mal weint und auch gewickelt werden muss. Dann müssen die Beteiligten das Gespräch unterbrechen. Allerdings haben diese „Störungen“ auch eine positive Seite. Der Mediator erlebt die Konfliktpartner nicht nur als zerstrittene, getrennt lebende Eheleute, sondern auch als liebevolle, um ihr Kind besorgte Eltern. Solange sie sich mit dem Kind beschäftigen, beansprucht es ihre ganze Aufmerksamkeit. In diesen Augenblicken geraten ihre Auseinandersetzungen in den Hintergrund. Sie sind nur noch Eltern. Bei allen Unstimmigkeiten und Konfliktdynamiken wird deutlich, dass das Paar die Probleme, die es in seiner Rolle als Ehepaar hat, bei der Sorge um das Kind ausklammern kann. Wenn das Kind die Aufmerksamkeit seiner Eltern verlangt, weil es z.B. gewindelt werden muss oder weint, wenden sich ihm beide Elternteile zu. Sie binden jeweils einen Schuh zu. Der Vater hält es, während die Mutter die Windeln wechselt, so dass sie zu dritt einen sehr harmonischen Eindruck machen. Für den Mediator ist die Situation eine Herausforderung, weil die Konfliktpartner in diesen Augenblicken nur noch Eltern sind, die nicht nur von ihren eigenen Streitigkeiten, sondern auch in ihrer Aufmerksamkeit von dem Verfahren der Mediation abgelenkt sind. Hier gelingt es dem Mediator dadurch die Aufmerksamkeit auf das Verfahren zu lenken, dass er immer wieder den Tonfall der Stimme ändert.
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TIPP: Wenn die Konfliktpartner von ihrer Aufmerksamkeit abgelenkt sind, wenn sie sich nur noch streiten, wenn sie weder einander noch Ihnen zuzuhören bereit sind, wechseln Sie den Tonfall ihrer Stimmlage, reden Sie mal laut, mal leise, verändern Sie das Sprechtempo, verändern Sie Ihre Körperhaltung, stehen Sie auf, gehen Sie durch das Besprechungszimmer, las147
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
sen Sie etwas auf die Erde fallen und führen Sie durch die Veränderung Ihrer eigenen Haltung eine Veränderung in der Einstellung Ihrer Klienten herbei. Die Sitzung kann – mit kleinen Störungen – ihren Fortgang nehmen. Resümee: Manchmal erscheinen in der Mediation Konfliktpaare, die durch ihre Anmeldung zur ersten Sitzung zum Ausdruck bringen, dass sie Mediation wollen. Dennoch kann es sein, dass sie unausgesprochen Einwände oder Ängste vor dem Verfahren haben, die die Mediatoren ansprechen und ausräumen müssen, um mit dem Verfahren beginnen zu können. Im vorliegenden Fall hat Herr A das Kleinkind Pit in die Mediation mitgebracht und dadurch signalisiert, dass er noch nicht für ein Mediationsverfahren bereit ist und erst einmal das Verfahren behindern möchte. Der Mediator hat ihn auf die Problematik der Anwesenheit eines Kleinkindes zu Beginn der Mediation angesprochen. Hierdurch ist ihm die eigene Ambivalenz bezüglich der Mediation deutlich geworden, und er hat sich für die Trennung und damit für die Mediation entscheiden können.
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II. Phase 2: Die Erarbeitung der Themenbereiche 1. Allgemeines a) Bestandsaufnahme In Phase 2 des Mediationsverfahrens haben die Konfliktpartner zunächst zu klären, was sie an Vermögen, Einkünften und Schulden haben und was genau sie für ihr Leben brauchen. Die Klärung geschieht durch eine Bestandsaufnahme. Am Ende der ersten Phase der Mediation übergibt der Mediator den Konfliktpartnern Fragebögen zur Erstellung eines Bestandsverzeichnisses über Einkünfte, Vermögen, Verbindlichkeiten etc (s. mediationstypische Formulare S. 270 ff.). Die Konfliktpartner füllen dieses Verzeichnis entweder allein oder manchmal sogar gemeinsam außerhalb der Mediation aus und üben damit wieder Kommunikation und gemeinsames Handeln ein. Sie legen in der Mediation dieses Verzeichnis und alle entscheidungserheblichen Daten vor. Die Medianden gehen mit dieser Aufgabe, je nach Persönlichkeitsstruktur, sehr unterschiedlich um. Diejenigen, die während des Zusammenlebens die Verantwortung für die Haushaltsplanung übernommen und ein Haushaltsbuch geführt haben, legen mit einer selbstverständlichen Haltung das vollständig ausgefüllte Bestandsverzeichnis vor. Andere wiederum scheuen diese Aufgabe und benötigen die Hilfe des Mediators. Wenn es aber trotz dieser Hilfe den Konfliktpartnern nicht gelingt, ihren Vermögensbestand und die Verkehrswerte ihres Vermögens festzustellen, so hat der Mediator zu klären, was genau die Konfliktpartner an dieser Aufgabe hindert. b) Themenbereiche Das Konfliktpaar legt in Phase 2 ferner fest, welche Themenbereiche es gemeinsam klären will. Zu diesem Zweck bittet der Mediator jeden Konfliktpartner, die Themen, über die er in der Mediation reden möchte, zu benennen. Bei diesen Themen kann es sich z.B. um den Lebensmittelpunkt der Kinder, Unterhalt eines Ehepartners, Ehewohnung, Teilung des Vermögens, Zugewinn, Rentenanwartschaften, Erbregelungen usw. handeln. 149
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
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TIPP: In welcher Sprache redet der Mediator mit dem Konfliktpaar? Bei der Aufstellung der Themenbereiche sprechen Sie dieselbe Sprache, die auch die Konfliktpartner benutzen. Vermeiden Sie juristische Fachausdrücke, wenn die Konfliktpartner die Alltagssprache benutzen. Wenn die Klienten juristische Begriffe benutzen, hinterfragen Sie diese Begriffe!
In der Regel einigen sich die Konfliktpartner schnell, wer von ihnen beginnt, die Themen zu benennen. Manchmal hat der Mediator aber auch vorab zu vermitteln, welcher der Konfliktpartner als Erster beginnt. Nachdem der Mediator alle Themenbereiche auf dem Flipchart gesammelt hat, klärt er mit den Beteiligten, über welche Themen Einigkeit besteht. Es können in der Mediation nur diejenigen Themen bearbeitet werden, über deren Bearbeitung Einigkeit besteht. Es ist hilfreich, Übereinstimmungen deutlich hervorzuheben. Können sich die Konfliktparteien über einen Themenbereich nicht einigen, müssen sie entscheiden, ob die Mediation ohne dieses Thema durchgeführt wird oder aber an dieser Stelle abgebrochen wird.
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TIPP: Normalisieren Weisen Sie das Paar darauf hin, dass es gerade zu Beginn der Mediation völlig normal ist, wenn es über viele Themen unterschiedlicher Meinung ist. Hierbei sind folgende Worte denkbar: „Sie sind unterschiedlicher Meinung, wie Sie Ihre Trennung regeln wollen. Dies ist völlig normal. Das geht den meisten Ehepaaren ebenso, wenn sie sich trennen. Deshalb sind Sie hier in der Mediation, um eine Lösung zu finden.“
Konflikte sind normal. Konfliktfähigkeit ist auch in Zweier-Beziehungen eine Voraussetzung für Friedensfähigkeit. Zu Beginn der Mediation ist es für die Konfliktpartner häufig notwendig, erst einmal heftig miteinander zu streiten. Der Mediator hält diesen Streit möglichst aus, ohne ihn zu frühzeitig zu unterbrechen. Dies hat auch den Vorteil, dass er das Streitmuster des Paares erkennt. Gary
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Phase 2: Die Erarbeitung der Themenbereiche
Friedman22 vergleicht das streitende Paar mit einer verschlungenen Metallfeder. Eine Bewegung in der einen Feder löst eine Reaktion in der anderen aus (s. direkte und indirekte Kommunikation S. 215 ff.). Der Mediator wird sich außerdem überzeugen, ob jeder Konfliktpartner über die Themen, die der andere vorgeschlagen hat, reden möchte. Wenn nur ein Konfliktpartner über ein Thema reden, der andere Konfliktpartner dieses nicht behandeln möchte, so ist eine Mediation über diesen Themenbereich nicht möglich. Jetzt kann der Mediator die Konfliktpartner nur fragen, ob sie auch dann an dem Mediationsverfahren teilnehmen möchten, wenn dieses Thema ausgeschlossen ist. c) Prioritäten Nunmehr legen die Konfliktpartner die Reihenfolge der Themen fest, die in der Mediation bearbeitet werden sollen.
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TIPP: Flipchart Arbeiten Sie in der Mediation mit einem Flipchart! In Phase 2 listen Sie auf dem Flipchart die Themen auf und vermerken Sie später die von den Konfliktpartnern gewünschte Reihenfolge bei der Bearbeitung der Themenbereiche! Markieren Sie während der Mediation die Themenbereiche auf dem Flipchart, die bereits vorläufig geregelt sind! Damit verdeutlichen Sie dem Paar auch visuell, dass es im Verständigungsprozess voranschreitet.
Resümee: In Phase 2 des Mediationsverfahrens nehmen die Konfliktpartner eine Bestandsaufnahme vor und stellen ihre laufenden Einnahmen, Ausgaben, Vermögen und Verbindlichkeiten fest. Gemeinsam mit dem Mediator sammeln sie die Themenbereiche und legen gemeinsam fest, in welcher Reihenfolge sie die Themen zu bearbeiten wünschen.
22 Friedman, Die Scheidungsmediation, S. 40.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 29: Das Konfliktpaar verweigert die Bestandsaufnahme
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 56 Jahre, Architekt mit eigenem Büro, Ehefrau: 45 Jahre, Angestellte, verheiratet seit 15 Jahren, getrennt lebend seit 3 Jahren; Kinder
Monika, 14 Jahre und Hanna, 11 Jahre alt. Sie leben bei der Mutter und haben regelmäßigen Kontakt zum Vater.
Themenbereiche der Mediation: Auseinandersetzung mehrerer Immobilien und anderer Vermögenswerte wie Architektenbüro, Lebensversicherungen, Teilung der Schulden, Ehewohnung, Lebensmittelpunkt der Kinder, Kindesund Ehegattenunterhalt Sachverhalt und Konfliktsituation zu Beginn der Mediation: Die Eheleute A leben seit drei Jahren räumlich getrennt. Herr A ist ausgezogen, nachdem er eine andere Frau kennengelernt hat. Diese Beziehung besteht zum Zeitpunkt des Beginns der Mediation nicht mehr. Derzeit haben beide Eheleute keine Lebenspartner. Sie wollen in der Mediation über ihre Probleme bei der Aufteilung des Vermögens und der Schulden, über Ehegatten- und Kindesunterhalt reden. Nach eigener Einschätzung ruht ihr Konflikt. Alle drei bis vier Monaten bricht zwischen ihnen bei finanziellen Fragen ein heftiger Streit aus. Beide Konfliktpartner haben die Trennung vor drei Jahren einerseits als Erleichterung erlebt und andererseits eine große Trauer empfunden. Herrn A bedrückt nicht nur der Verlust der Familie, sondern auch der fehlende Kontakt zu den Kindern im Alltag. Verlauf der Mediation: Der Mediator übergibt den Konfliktpartnern nach der Erläuterung des Mediationsverfahrens zum Ende der ersten Sitzung Fragebögen (s. Muster von mediationstypischen Formularen S. 270 ff.) für Ein152
Phase 2: Die Erarbeitung der Themenbereiche
kommen, Ausgaben und Vermögen verbunden mit der Bitte, diese Formulare zur zweiten Sitzung auszufüllen. Frau und Herr A sagen zu, diese „Hausaufgaben“ zu erledigen. In der zweiten Mediationssitzung jedoch überreicht Herr A nur unvollständig ausgefüllte Fragebögen. Frau A hat ihre Fragebögen erst gar nicht mitgebracht. Beide Konfliktpartner haben sich nicht vorbereitet, das Bestandsverzeichnis auch nur im Ansatz zu erstellen. Dem Mediator gelingt es in Zusammenarbeit mit den Konfliktpartnern nicht, den Bestand zu ermitteln. Es gibt keine komplette Aufstellung des Vermögens und der Verbindlichkeiten. Das Konfliktpaar kennt den Verkehrswert des Vermögens und die Höhe der valutierenden Verbindlichkeiten nicht; es tut nichts, um sich die notwendige Klarheit zu verschaffen. Damit ist es unmöglich, Lösungen in der Mediation zu finden. Derartige Situationen geschehen immer wieder in Mediationsverfahren. Das Konfliktpaar A wäre intellektuell in der Lage, sich die nötigen Informationen zu beschaffen. Der Grund, der sie daran hindert, muss also ein anderer sein. Der Mediator stellt sich die Frage: Wie kann ich den Konfliktpartnern bei dem Strukturieren ihres Bestandes helfen, ohne ihnen hierbei die Verantwortung aus der Hand zu nehmen?
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TIPP: Blockaden bei der Bestandsaufnahme Wenn das Konfliktpaar in der Mediation nicht bereit ist, bei der Bestandsaufnahme mitzuwirken, fragen Sie sich, ob eine reale Trennung wirklich gewollt ist. Klären Sie mit dem Konfliktpaar Ihren Auftrag!
Der Mediator stellt die Hypothese auf, dass die Konfliktpartner ihre Verflechtung absichern wollen, um ihre Trennung im Kern zu verhindern. Trotz der langen räumlichen Trennung herrscht bei beiden eine starke Ambivalenz bezüglich der Einstellung zur Trennung. Der konkrete Auftrag: „Wir wollen finanzielle Klarheit.“ wird offensichtlich sabotiert. Damit wird der gesamte Auftrag an den Mediator diffus.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Die Kernfragen lauten somit: – „Was ist mein Auftrag? Ist Ihre Trennung und wirtschaftliche Entflechtung wirklich gewollt?“ – „Können Sie mein Angebot hier in der Mediation nutzen und wozu brauchen Sie mich?“ – „Soll die Trennung wirklich organisiert werden oder nur ein Zwischenstadium?“ Der Mediator eröffnet die nächste Sitzung wie folgt: Mediator: Ich habe mich vor dieser Sitzung gefragt“ aus welchem Grund es nicht möglich ist, ein Bestandsverzeichnis zu erstellen und alle Fakten wie insbesondere die Höhe der Einkünfte zusammenzutragen. Sie leben doch schon seit mehreren Jahren räumlich voneinander getrennt. Ich habe mir die Frage gestellt, ob Sie sich auch innerlich getrennt haben und wirklich emotional eine wirtschaftliche Entflechtung wollen. Ich möchte gern von Ihnen wissen, was Sie von mir erwarten und was mein konkreter Auftrag ist. Denken Sie derzeit an eine Scheidung? Auf eines möchte ich aber in aller Deutlichkeit hinweisen: Das Mediationsverfahren kann nicht zu Ende geführt werden, wenn Sie sich nicht entscheiden können, das Bestandsverzeichnis zu erstellen. Die Fakten wie z.B. die Einkommenszahlen müssen Sie kennen und hier offenlegen, wenn Sie eine Lösung erarbeiten wollen. Frau A: An eine Scheidung habe ich bisher nicht gedacht. Ich habe den vielen Streit um finanzielle Dinge satt. Ich habe auch Angst, dass die Mittel nicht reichen. Er (sie weist auf Herrn A) ist so unzuverlässig. Ich will nicht nur eine räumliche, sondern auch eine wirtschaftliche Trennung. Herr A: Mir ist erst jetzt klar geworden, dass es hier um eine endgültige Trennung geht. Als meine Frau gegen meinen Wunsch, die Kinder in der Ehewohnung besuchen zu können, Protest erhoben hat, ist mir die ganze Dimension dieses Mediationsverfahrens klar geworden. Ich (und hier wird seine Stimme leise) habe mich jedenfalls nunmehr zu einem Scheidungsverfahren entschlossen. Ich will geschieden werden, auch wenn dies zu erheblichen steuerlichen Nachteilen führt. Ich hoffe, dass Sie uns bei der wirtschaftlichen Entflechtung behilflich sein können.
Herr A überreicht nunmehr die vollständigen Steuerunterlagen für drei Jahre. Sodann kommt es plötzlich zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den Konfliktpartnern. 154
Phase 2: Die Erarbeitung der Themenbereiche
Frau A: Du redest immer so viel! Ich ertrage die Situation einfach nicht mehr. Ich habe mir überhaupt überlegt, ob ich die Mediation nicht abbrechen sollte. Ich werde meine Ansprüche gerichtlich durchsetzen. Ich kann Dir nicht vertrauen und mich nicht auf Dich verlassen. Mediator: Worauf können Sie sich nicht verlassen? Frau A: Er hat vor wenigen Tagen einen „Familienrat“ mit den Kindern zusammengerufen und die Frage zur Diskussion gestellt, ob die Kindern nicht zur Hälfte bei ihm und zur Hälfte bei mir leben wollen. Dies ist doch unmöglich. Er soll die Kinder heraushalten. Ich erwarte von ihm, dass er die Auseinandersetzungen ausschließlich mit mir führt und am besten nur hier in der Mediation. Ich habe mir überlegt, ob wir die Mediation nicht abbrechen sollten. (Frau A weint heftig.) Herr A: Ich bin eben ein spontaner Mensch. Wenn bei mir etwas hochsteigt, kann ich nur schwer bis zur nächsten Sitzung warten.
Herr A will zur Tagesordnung übergehen. Der Mediator unterbricht ihn. Er möchte erst einmal mit beiden Konfliktpartnern abklären, ob das Mediationsverfahren nach beider Willen fortgeführt werden soll. Schließlich hat Frau A eben noch Einwände gegen die Fortsetzung geäußert. Diese Einwände äußert sie auch weiterhin. Sie erklärt, die Einbeziehung der Kinder in die Auseinandersetzung habe sie irritiert. Beide Konfliktpartner sind sehr erregt. Frau A weint zornig. Frau A: Ich kann die Mediation nur fortsetzen, wenn ich sicher sein kann, dass ich nicht außerhalb der Mediation von ihm mit Problemen konfrontiert werde, die zwischen uns bestehen. Mediator: Und wie können Sie sicher sein? Frau A: Wenn wir über unsere Probleme nur hier in der Mediation reden! Dann wäre ich bereit, dieses Verfahren fortzusetzen. Mediator: Frau A, Sie möchten die Mediation nur fortsetzen, wenn über die mit Ihrer Trennung verbundenen Probleme ausschließlich hier in der Mediation geredet wird. Herr A, was ist Ihre Meinung? Herr A: Hiermit bin ich einverstanden.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Es wird dann folgende Zwischenvereinbarung getroffen: – Das Mediationsverfahren wird fortgesetzt. – Die zwischen den Konfliktpartnern anstehenden Probleme werden bis auf weiteres nur in der Mediation in Gegenwart des Mediators besprochen. Resümee: Es gibt Paare, die seit Jahren räumlich getrennt leben, ohne sich wirklich innerlich getrennt zu haben. Trotz eines gemeinsamen Entschlusses zur Mediation verhindern sie eine Trennung und eine Entflechtung ihrer persönlichen und finanziellen Beziehung. Sie sind also bezüglich ihrer Trennung ambivalent. Dies kann dadurch zum Ausdruck kommen, dass das Konfliktpaar sich weigert, die Bestandsaufnahme vorzunehmen und die Formulare zu Einkünften und Vermögen auszufüllen, und damit eine endgültige Klärung verhindert. In solchen Fällen ist es hilfreich, wenn der Mediator die Frage der Trennung problematisiert und damit die „Gretchenfrage“ für eine Trennungs- und Scheidungsmediation stellt: „Wollen Sie sich wirklich trennen?“ Der Mediator trägt zur Klarheit und Klärung bei, wenn er die Medianden fragt, was sie von ihm erwarten, wobei er behilflich sein soll und den Auftrag klärt, den er von den Medianden erhalten hat.
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Nr. 30: Das Konfliktpaar kann sich über die Themenbereiche nicht einigen
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 40 Jahre alt, Betriebswirt im Angestelltenverhältnis, Ehefrau: 35 Jahre alt, Krankenschwester, dreiviertel Stelle, verheiratet seit 15 Jahren, getrennt lebend seit einem Jahr; Kinder
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Klaus, 11 Jahre und Annabella, 9 Jahre alt.
Phase 2: Die Erarbeitung der Themenbereiche
Themenbereiche der Mediation: Kinder, Unterhalt für Kinder und Kindesmutter, Auseinandersetzung eines im Miteigentum stehenden Grundstücks, Umzug der Mutter mit den Kindern in eine andere Stadt, Zugewinnausgleich Sachverhalt und Konfliktsituation: Herr und Frau A leben zu Beginn der Mediation seit einem Jahr in getrennten Haushalten. Die Trennung beruht auf dem Wunsch von Herrn A. Er hat eine andere Frau kennengelernt und die Ehewohnung verlassen. Er lebt zu Beginn der Mediation mit seiner Freundin zusammen, die ein Kind von ihm erwartet. Seit der Trennung hat Herr A ein schlechtes Gewissen. Er fühlt sich schuldig, wobei Frau A dieses Gefühl zu stützen versteht. Die Kinder leben bei der Mutter. Der Vater sieht die Kinder an jedem zweiten Wochenende in der Wohnung seiner neuen Freundin. Dort schlafen sie dann auch. Die Kinder des Konfliktpaares gehen gemeinsam mit den Kindern der neuen Lebensgefährtin in die Schule und verstehen sich gut mit ihnen. Zwischen den Besuchswochenenden besucht der Vater die Kinder auch gelegentlich zu Hause. Das Konfliktpaar hat noch keine Anwälte aufgesucht. Gerichtliche Verfahren sind nicht anhängig. Herr A ist der aktive Teil in der Beziehung. Er hat nicht nur die Trennung gewollt und vollzogen, sondern es ist auch sein Wunsch, die anstehenden Probleme in einem Mediationsverfahren zu klären. Er hat Frau A überzeugt, mit ihm an einem derartigen Verfahren teilzunehmen. Sowohl bei der Trennung als auch zu Beginn des Mediationsverfahrens ist Frau A eher passiv. Sie ist von ihrem Mann verlassen worden. Sie liebt ihren Mann immer noch. Sie leidet unter der Trennung. Sie weiß, dass seine Entscheidung zur Trennung endgültig ist. Trotzdem hat sie den Wunsch, dass ihr Mann zu ihr zurückkehrt. Gleichzeitig weiß sie aber auch, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird. Sie ist zu Beginn der Mediation ausgesprochen verletzt und bricht immer wieder in Tränen aus. Der Mediator erfährt in der ersten Mediationssitzung, dass sich auch Frau A nach der Trennung einem anderen Mann zugewandt hat. Sie beabsichtigt, aus der Stadt X, einer Kleinstadt, in er sie beide zurzeit leben, wegzuziehen. Diese Absicht ängstigt Herrn A. Er 157
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
befürchtet, durch diesen Umzug den Kontakt zu seinen Kindern zu verlieren. Frau A weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob sie zu ihrem Freund nach N zieht oder in eine andere Stadt. Das Hauptmotiv wegzuziehen liegt darin, den Ort, an dem sie mit Ehemann und Kindern gelebt hat, zu verlassen. Hier gibt es zu viele Erinnerungen. Es schmerzt sie außerdem sehr, in der Kleinstadt immer wieder der neuen Lebensgefährtin des Ehemannes zu begegnen. Zu Beginn der dritten Mediationssitzung informiert Herr A den Mediator, dass Frau A schwanger ist. Etwas später wird sich herausstellen, dass es sich bei dem Erzeuger dieses Kindes um den Bruder von Herrn A handelt, zu dem Frau A nach der Trennung eine Beziehung aufgenommen hat. Verlauf der Mediation: In der dritten Mediationssitzung erarbeitet der Mediator mit den Konfliktpartnern die Liste der Themenbereiche. Beide Konfliktpartner wollen über folgende Punkte reden: – Kindesunterhalt – Unterhalt von Frau A – Zugewinn – Rechtsverhältnisse an Grundstück und Haus – Weiterführung der Lebensversicherung – Hausrat Nachdem Herr A den Mediator über die Schwangerschaft von Frau A informiert und Frau A das bestätigt hat, ergibt sich folgende schwierige Situation: Herr A: Ich habe noch weitere wichtige Anliegen. Ich möchte darüber reden, dass meine Frau wieder schwanger ist, und darüber, wie wir die Regelungen, die wir hier erarbeiten, bei neuen Situationen wieder ändern können. Frau A: Ich werde hier über meine Schwangerschaft nicht reden. Das gehört nicht hierher. Über den Punkt, wie wir unsere Regeln wieder ab-
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Phase 2: Die Erarbeitung der Themenbereiche
ändern, möchte ich hier auch nicht reden. Damit bin ich nicht einverstanden.
Der Mediator empfindet die Situation als schwierig. Es ist klar, dass die Schwangerschaft der Ehefrau trotz der Trennung der Eheleute eine große Bedeutung für die Beziehungsdynamik hat. Der Mediator weiß auch, dass offensichtlich die Frau ihren Ehemann weiterhin liebt und die Beziehung zum Bruder des Mannes deshalb aufgenommen hat, um so ihrem Mann wenigstens auf diese Weise nahe zu sein.
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TIPP: Uneinigkeit bei den Themenbereichen Wenn sich das Konfliktpaar über die zu verhandelnden Themen nicht einigen kann, bitten Sie es, sich zu überlegen, ob die Mediation ohne das Thema, über das nur ein Beteiligter reden möchte, fortgeführt werden oder ob die Mediation abgebrochen werden soll.
Herr A überlegt sich einen Augenblick, ob er das Verfahren unter Ausklammerung des Themas „Schwangerschaft der Ehefrau“ fortsetzen möchte. Dann verständigt er sich mit Frau A dahingehend, dass über diesen Themenbereich in der Mediation nicht geredet werden wird. Resümee: Mediation beruht auf dem Konsensprinzip. Mediation ist freiwillig. Dies bedeutet, dass in der Mediation nur über die Themen verhandelt werden kann, über die beide Konfliktpartner zu verhandeln wünschen. Keiner der Konfliktpartner kann gezwungen werden, über ein Thema oder eine Situation zu reden, über die er nicht zu reden wünscht. Lässt sich zwischen den Konfliktpartnern keine Einigkeit über die in der Mediation zu verhandelnden Themen herstellen, so können sich die Konfliktbeteiligten nur überlegen, ob die Mediation ohne dieses Thema fortgeführt oder aber abgebrochen werden soll.
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III. Phase 3: Bearbeitung der Konfliktfelder und Herausfinden der Interessen 1. Allgemeines In Phase 3 der Mediation findet die Bearbeitung der Themenbereiche statt. Auch wenn wir wissen, dass Positionen nicht verhandelbar sind, beginnen wir zu Beginn von Phase 3, die Positionen abzufragen. Dies scheint zunächst kontraproduktiv. Schließich sollen die Konfliktparteien eine Lösung finden, mit der beide einverstanden sind. Weshalb sollen sie die von ihnen gewünschte Lösung äußern, wissend, dass es zu dieser Lösung vermutlich mangels Einverständnis der anderen Partei in der Mediation nicht kommen wird? Trotz dieser scheinbaren Paradoxie ist es für den Verlauf des Verfahrens wichtig, dass die jeweiligen Positionen klar und deutlich geäußert werden. Nur von bekannten Positionen können sich Konfliktparteien wegbewegen, und nur dann kann diese Bewegung von der anderen Seite auch anerkannt werden. Wichtig ist die Benennung der Positionen aber auch, um die Bedürfnisse herausarbeiten zu können. Wir stellen sodann die Frage: „Stellen Sie sich vor, Sie hätten, was Sie wollen, wie würde Ihr Leben dann aussehen?“ Diese Frage leitet zu den Interessen und Bedürfnissen der Konfliktparteien über. Probleme werden durch Interessen bestimmt. Das Grundproblem von Menschen in Konfliktsituationen liegt nicht in gegensätzlichen Positionen, sondern im Konflikt beiderseitiger Nöte, Wünsche, Sorgen und Ängste23. Hinter gegensätzlichen Positionen liegen sowohl gemeinsame als auch sich widersprechende Interessen. In Phase 3 unterstützt der Mediator die Klienten, die Interessen und Bedürfnisse herauszufinden, die hinter den Positionen stehen. Bedürfnisse sind zielorientiert. Die menschlichen Bedürfnisse lassen sich nach dem amerikanischen Psychologen A.H. Maslow in einer „Bedürfnispyramide“24 wie folgt darstellen:
23 Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept, S. 69. 24 Birkenbihl, Train The Trainer, S. 27.
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Phase 3: Bearbeitung der Konfliktfelder und Herausfinden der Interessen
Selbstverwirklichung Ich-Bedürfnisse Soziale Bedürfnisse Sicherheits-Bedürfnisse Physiologische Bedürfnisse
Nach Maslow25 symbolisieren die Stufen dieser Pyramide die Reihenfolge, in der die Bedürfnisse befriedigt werden müssen. Danach hat für den Menschen das Überleben Priorität. Er benötigt Nahrung, eine Schlafgelegenheit, Kleidung usw. Wenn diese physiologischen Bedürfnisse befriedigt sind, möchte er seine Existenz und seinen Lebensstandard absichern. Sicherheitsbedürfnisse können z.B. dadurch befriedigt werden, dass der Mensch spart, Lebensversicherungen abschließt, Geld anlegt, Immobilien erwirbt oder Ähnliches tut. Gerade in der Trennungs- und Scheidungsmediation ist das Leben des Paares, das sich getrennt hat, von Ängsten geprägt: – „Habe ich genügend finanzielle Mittel, um in Zukunft leben zu können?“ oder: – „Wie wird sich der Kontakt mit meinen Kinder entwickeln, wenn sie nicht mehr bei mir leben?“ Häufig entsteht bei Verhandlungen zwischen getrennt lebenden Eheleuten der Eindruck, dass nur finanzielle Interessen im Vordergrund stehen. Beispiel: Die Ehefrau verlangt Unterhalt in Höhe von 3000 Euro. Diesen Betrag will der Ehemann nicht aufbringen, weil 25 Zitiert nach Birkenbihl, Train The Trainer, S. 27.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
er befürchtet, dass die verbleibenden Mittel zum Leben nicht ausreichen. Geht es der Ehefrau nur um die Höhe der Unterhaltszahlung oder um etwas anderes? Menschen möchten finanziell abgesichert sein. Manchmal bauen sie Widerstände auf, weil ihre Bedürfnisse nach Anerkennung nicht befriedigt sind. Vielleicht benötigt ein Konfliktpartner den geforderten Geldbetrag nur deshalb, um sich sicher zu fühlen. Vielleicht hat dieser Mensch ein Bedürfnis nach persönlicher Anerkennung und könnte einen geringeren Geldbetrag akzeptieren, wenn sein Bedürfnis nach Sicherheit und Anerkennung in anderer Weise vom anderen Ehegatten befriedigt werden kann. Deshalb ist es in Phase 3 der Mediation wichtig, dass der Mediator den Konfliktpartnern hilft, ihre Grundbedürfnisse herauszufinden und auszusprechen, damit nicht nur ihnen selbst klarer wird, was sie genau brauchen, sondern auch dem Konfliktpartner. Hier geht es um die Frage, wie sich die Konfliktpartner die Zukunft vorstellen: – Wie sieht das Zuhause aus? Leben sie allein? – Ist der Lebensunterhalt gesichert? – Zu welchen Personen gibt es persönliche Kontakte? – Wo leben die Kinder? Wie sieht der Kontakt zu den Kindern aus? Das Ziel hierbei ist, dass jeder Konfliktpartner ein Verständnis von sich selbst und dem anderen erlangt und dessen Sichtweise versteht. Resümee: Phase 3 der Mediation dient der Konflikterhellung und der Bearbeitung der strittigen Themenbereiche. Es findet ein Wechsel von der Positionen- zur Interessenebene statt. Der Mediator hilft dem Paar, Interessen und Bedürfnisse herauszufinden.
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Phase 3: Bearbeitung der Konfliktfelder und Herausfinden der Interessen
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 31: Scheinbar unüberwindliche Positionen
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 53 Jahre, Ingenieur, angestellt, Ehefrau: 50 Jahre, Buchhalterin, selbständig, verheiratet seit 25 Jahren, getrennt lebend seit einem Jahr; Kinder
Ulf, 23 Jahre, Student, und Mareike, 20 Jahre alt, Abiturientin.
Themenbereiche der Mediation: Verkauf des gemeinsamen Hauses, Unterhalt für Ulf und Mareike Sachverhalt und Konfliktsituation: Herr A ist nach einem heftigen Streit vor einem Jahr völlig überraschend aus dem Haus ausgezogen. Er wohnt seither sehr beengt in einer kleinen Wohnung. Er will die Ehe endgültig beenden. Frau A hat sich inzwischen damit abgefunden. Herr A will das Haus verkaufen und den Erlös teilen. Frau A will dies auf keinen Fall, sie will im Haus bleiben. Verlauf der Mediation: Die Eheleute haben die Einkünfte offengelegt und den Bestand geklärt. Aus den beiderseitigen Einkünften können sie hälftig die monatlichen Kreditraten für das Haus zahlen und die Unterhaltsleistungen für die Kinder aufbringen. Frau A kann durch ihre Tätigkeit ihre finanziellen Bedürfnisse befriedigen. Es ist kein Geld vorhanden, um eine größere Wohnung für Herrn A zu finanzieren. Vierte Mediationssitzung: Mediator: Ich habe jetzt verstanden, dass Sie, Frau A, das Haus behalten wollen. Ich habe von Ihnen, Herr A, verstanden, dass Sie das Haus verkaufen wollen. Sie haben also sehr unterschiedliche Positionen, was ganz normal ist.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Ich möchte jetzt gern verstehen, was es für Sie, Frau A, bedeutet, das Haus zu behalten. Ich möchte von Ihnen, Herr A, hören, was es für Sie bedeutet, das Haus zu veräußern. Habe ich dazu Ihr Einverständnis? (Beide bejahen.) Wer möchte beginnen?
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TIPP: Fragen Stellen Sie keine Fragen, die mit „warum“ beginnen. Derartige Fragen fordern die Medianden heraus, sich zu rechtfertigen. Stellen Sie besser Fragen, die mit „was“ oder „wie“ beginnen.
Mit dem Einverständnis ihres Mannes will Frau A beginnen. Mediator: Frau A, was würde es für Sie bedeuten, wenn Sie das Haus behalten könnten? Frau A (überrascht): Oh, dann wäre ich sehr froh. Ich hätte keine Angst mehr vor der Zukunft. Ich weiß dann, dass ich meinen Beruf hier auch weiter ausüben kann. Es ist auch schön, wenn Mareike ihr Zimmer behalten kann. Auch Ulf kommt noch jedes zweite Wochenende nach Hause. Wir verstehen uns immer so gut. Es ist fast so harmonisch wie früher. Ich wäre glücklich. Mediator: Ich habe verstanden, dass Sie dann keine Zukunftsängste hätten. Ihren Kindern, mit denen Sie sich sehr gut verstehen, bliebe das Zuhause erhalten. Dieser Zustand würde Sie sehr glücklich machen. Sie hätten fast ein Gefühl wie früher, als Ihre Ehe noch intakt war. Habe ich das richtig verstanden? Frau A: Ja. Mediator: Was löst das noch für Gefühle in Ihnen aus, Frau A? Frau A: Ich fühle mich beschützt. Das Haus gibt mir Schutz. Es ist wie eine Hülle, die mich umgibt. Als mein Mann vor einem Jahr einfach ging, habe ich fast den Boden unter den Füßen verloren. Der einzige Halt sind das Haus und der Garten. Allein die Vorstellung, das Haus verlassen zu müssen, bringt mich um. (Sie fängt an zu weinen.) Mediator: Ich habe verstanden, dass das Haus für Sie mehr ist als ein Gebäude, das zum Wohnen dient. Es hat Ihnen in der schwierigen Zeit Ihrer Trennung Halt gegeben. Sie können sich nicht vorstellen, das Haus zu verlassen. Das wäre bedrohlich für Sie. Frau A: Ja.
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Phase 3: Bearbeitung der Konfliktfelder und Herausfinden der Interessen
Mediator: Herr A, ich möchte jetzt auch von Ihnen hören, was es für Sie bedeuten würde, wenn das Haus veräußert wird. Herr A: Ich habe vor einem Jahr erkannt, dass unsere Ehe in einem Zustand war, der mich sehr beengt hat. Ich habe keine Luft mehr bekommen. Ich habe deshalb damals die Entscheidung getroffen, mich zu trennen. Aber diese Trennung war dennoch auch für mich sehr schlimm. Ich habe vieles verloren, was schön war. Ich habe die Kinder vermisst. Das ist immer noch so. Es schmerzt mich, dass ich kaum noch Kontakt zu ihnen habe. Ich habe in meiner Wohnung aber keinen Platz, um sie auch mal ein Wochenende bei mir zu haben, so dass wir miteinander kochen und reden können. Wir treffen uns nur in Kaffeehäusern und kommen zu gar keinen Gesprächen. Die Kinder nehmen mir auch übel, dass ich das Haus verkaufen will. Für mich ist das Haus auch eine Zuflucht gewesen, die ich seither nicht mehr habe. Ich will auch wieder ein eigenes, richtiges Zuhause haben, in dem ich wirklich leben kann. Jetzt wohne ich nur in einer Notunterkunft. Ich möchte Freunde und die Kinder einladen. Ich möchte wieder einen Garten haben, in dem ich mich ausarbeiten kann. Wenn wir das große Haus verkaufen, dann bin ich wieder flexibel. Mediator: Ich habe verstanden, dass das Haus für Sie und Ihre Frau eine Zuflucht bedeutet. Sie möchten ein eigenes Zuhause, in das Sie Freunde und vor allem die Kinder einladen können. Sie, Herr A, vermissen das Leben mit den Kindern. Sie haben mit den Kindern keinen guten Kontakt, weil das in Ihrer kleinen Wohnung gar nicht möglich ist. In einem Café kommt es nur zu kurzen Kontakten, die für eine gute Beziehung nicht ausreichen. Sie wünschen sich auch wieder einen Garten, um sich ausarbeiten zu können. Sie können solche Pläne nur umsetzen, wenn Sie den Erlös aus dem Hausverkauf haben. Habe ich richtig verstanden? Herr A: Ja. (zu seiner Frau gewandt) Das musst Du doch verstehen? Mediator: Ich habe jetzt von Ihnen beiden gehört, dass Sie ähnliche Wünsche und Bedürfnisse haben. Für Sie, Frau A, bedeutet das Haus eine Hülle, die Ihnen Schutz gibt. Für Sie, Herr A, stellt das Haus eine Zuflucht und auch einen wirtschaftlichen Faktor dar, der es Ihnen ermöglichen würde, sich eine solche Zuflucht wieder zu erschaffen. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich beide Gedanken machen, welche Möglichkeiten es gibt, diese Bedürfnisse zu befriedigen.
Das Konfliktpaar findet nach zwei weiteren Sitzungen die Lösung, dass sie das Haus veräußern und jeder ein kleines Reihenhaus erwirbt. 165
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Resümee: Die Positionen scheinen unüberwindlich. Herr A will das Grundstück verkaufen, Frau A will es behalten. Der Mediator bringt die Konfliktpartner dazu, die Interessen zu betrachten, die den Positionen zugrunde liegen. Dabei wird deutlich, dass die Immobilie für den Mann in erster Linie einen wirtschaftlichen Faktor darstellt, mit dem er sein Grundbedürfnis nach einem eigenen Zuhause realisieren kann. Er möchte in einem Haus ein Leben mit Kindern und Freunden führen. Das Heim ist ihm eine Zuflucht. Auch für Frau A stellt das Heim einen Schutzraum dar, der ihr Sicherheit und Ruhe gibt. In Phase 3 der Mediation verlassen die Beteiligten die Positionsebene, um die Konfliktfelder zu bearbeiten und die den Positionen zugrunde liegenden Interessen und Bedürfnisse herauszuarbeiten. Diese Umdeutung von Positionen in Interessen treibt den Verständigungsprozess des Konfliktpaares voran. Hier sind die Interessen der Konfliktpartner, die den unterschiedlichen Positionen zugrunde liegen, sogar ähnlich. Damit eröffnen sich zum ersten Mal Möglichkeiten, über andere Alternativen nachzudenken, als in den Positionen, das Haus zu veräußern oder nicht zu veräußern, zu verharren.
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Nr. 32: Kinder übernehmen die Konfliktdynamik ihrer verstorbenen Eltern im Streit um den Nachlass
Familien- und Sozialdaten: Geschwister A, B, C
Bruder A: 50 Jahre, Lehrer, verheiratet, Bruder B: 45 Jahre, Steuerberater, verheiratet, Tochter C: 43 Jahre, Krankengymnastin, ledig.
Themenbereiche der Mediation: Erbauseinandersetzung
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Phase 3: Bearbeitung der Konfliktfelder und Herausfinden der Interessen
Sachverhalt und Konfliktsituation: Der Vater der drei Geschwister ist vor 11 Jahren und die Mutter vor fast drei Jahren gestorben. Die Eltern haben sich testamentarisch gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und keine Regelung über die Schlusserbfolge getroffen. Nach dem Tod des Vaters hat keines der drei Geschwister seinen Pflichtteil geltend gemacht. C hat die Mutter bis zu deren Tod gepflegt und wohnt im Elternhaus. Das elterliche Vermögen hat nur aus dieser Immobilie bestanden. Das Haus steht in Berlin in einem sehr begehrten Stadtteil und hat einen Verkehrswert von ca. 3 Millionen Euro. Nach dem Tod der Mutter haben die Brüder erfahren, dass das Haus bereits seit fast 10 Jahren der Schwester C gehört. Die Mutter hat das Grundstück kurz nach dem Tod des Vaters auf C übertragen. A und B haben nur noch wenige Wochen Zeit, Pflichtteilsergänzungsansprüche nach der Mutter geltend zu machen. Die Verjährungsfrist läuft dann ab. Verlauf der Mediation: Nachdem die Konfliktpartner die Fakten zusammengetragen haben, hat der Mediator, der auch Rechtsanwalt ist, mit Einverständnis aller Beteiligten über die Rechtslage informiert. Außerdem haben die Geschwister jeweils Anwälte aufgesucht, um sich beraten zu lassen. Sie kennen deshalb den drohenden Ablauf der Verjährungsfrist. Daraufhin haben die Geschwister vereinbart, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Diese Vereinbarung macht es möglich, die Mediation in Ruhe fortzuführen, ohne dass einem Beteiligten durch Zeitablauf ein Schaden entstehen kann.
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TIPP: Achtung, wenn ein Fristablauf droht! Auch in der Trennungs- und Scheidungsmediation können Medianden einen Schaden erleiden, wenn nach einer gescheiterten Mediation Fristen abgelaufen sind und Ansprüche deshalb nicht mehr geltend gemacht werden können. Es besteht ein Haftungsrisiko für den Mediator! Sorgen Sie dafür, dass die Konfliktpartner in derartigen Fällen rechtzeitig durch Beratungsanwälte über die rechtliche Situation aufgeklärt werden.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Es haben drei Sitzungen stattgefunden. Zurzeit sind die Medianden dabei, die Konfliktfelder zu bearbeiten. Mediator: Wir haben nun alle Fakten zusammengetragen und wissen, worum es geht. Jetzt ist es an der Zeit, dass ich von jedem einzelnen von Ihnen seine Interessen und Bedürfnisse erfahre und verstehe. Sind Sie damit einverstanden? Wer möchte anfangen?
Alle drei stimmen zu und einigen sich, dass Frau C beginnt. Frau C: Ich bin der Meinung, dass ich nichts an meine Brüder abgeben muss. Das Haus hat nach dem Tod unseres Vaters meiner Mutter allein gehört. Sie konnte mit ihrem Vermögen tun, was sie wollte. Es war auch richtig und gerecht, dass sie das Haus allein geerbt hat. Sie hat in der Ehe unter dem Vater sehr gelitten. Was hat er ihr alles angetan! Darüber hinaus hat sie uns drei Kinder allein großgezogen. Sie hat keine Unterstützung bei unserer Erziehung von ihm bekommen. Er ist doch nur unterwegs gewesen. Er hat sich immer solche Arbeit ausgesucht, die ihn von zu Hause weggeführt hat. Sie ist immer allein gewesen! Wenn ich sie nicht gepflegt hätte, dann wäre sie auch im Alter ganz allein gewesen. Wenn ich euch auszahlen muss, dann muss das Haus verkauft werden. Das hätte Mutter nie gewollt. Herr A: Er ist ja nicht absichtlich so früh gestorben, um sie im Alter allein zu lassen. Mediator: Herr A, ich möchte Sie bitten, sich noch einen Augenblick zu gedulden. Dann werde ich auch Sie bitten, mir Ihre Sichtweise zu schildern. Erst möchte ich noch einmal wiedergeben, was ich von Ihnen, Frau C, verstanden habe. Ist dies für Sie, Herr A, in Ordnung? Herr A: Ja. Mediator: Frau C, von Ihnen habe ich Folgendes verstanden: Als Ihr Vater noch gelebt hat, hat Ihre Mutter unter der Einsamkeit gelitten und sich allein gefühlt, weil Ihr Vater beruflich viel unterwegs gewesen ist. Wegen der häufigen Abwesenheit des Vaters hat Ihre Mutter die Belastungen, die mit der Erziehung von Kindern verbunden ist, zum großen Teil allein tragen müssen. Es ist ihr nicht gut gegangen. Als Ausgleich für diese schweren Zeiten hat die Mutter vom Vater Haus und Grundstück geerbt.
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Phase 3: Bearbeitung der Konfliktfelder und Herausfinden der Interessen
Es entspricht Ihren Vorstellungen von Gerechtigkeit, dass die Mutter Ihnen das Grundstück nach dem Tode des Vaters geschenkt hat. Sie haben sie im Alter gepflegt. Ihretwegen hat sie sich nicht so einsam gefühlt. Habe ich Sie richtig verstanden?
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TIPP: Reframing Menschen in Konfliktsituationen neigen zu negativen Bewertungen. Durch Reframing (Umdeuten) können Sie negative Aussagen der Medianden umformulieren und damit deren negative Bewertung aus der Aussage herausfiltern.
Frau C: Ja. Ich möchte auch noch sagen, dass sich meine Brüder genauso wenig um die Mutter gekümmert haben wie der Vater. Herr B: Uns ist es wie Vater ergangen. Wir haben es Mutter nie recht machen können. Nie ist ihr etwas gut genug gewesen. Wenn ich gekommen bin, hat sie sich nur darüber beschwert, dass ich nicht schon früher gekommen bin. Sie hat keine Freude gezeigt, dass ich überhaupt da war. So ist sie auch mit Vater umgegangen. Auch er hat ihr nie etwas recht machen können. Deshalb hat er immer gearbeitet. Ohne ihn hätte es dieses große und wunderschöne Haus nicht gegeben. Er hat sich zu Tode gearbeitet. Und nun soll uns nicht einmal etwas zustehen. Mediator: Für Sie, Herr A und Herr B, hat es wichtige Gründe für die Abwesenheit des Vaters gegeben. Er ist so oft weggefahren, um Geld für die Familie zu verdienen. Ohne die Arbeit Ihres Vaters hätte es dieses schöne Haus nicht gegeben. Auch Ihr Vater hat viel gelitten und sich mehr Anerkennung gewünscht. Habe ich Sie alle drei richtig verstanden?
Alle drei bejahen. Mediator: Wissen Sie, ich habe ein merkwürdiges Gefühl. Ich meine aus Ihren Worten Ihre Eltern sprechen zu hören. Ich kann mir gut vorstellen, wie Ihre Eltern jetzt miteinander reden würden, wenn sie noch lebten. Sie würden sich mit denselben Worten auseinandersetzen wie Sie jetzt hier. Sie vertreten die Interessen Ihrer verstorbenen Eltern. Sie, Frau C, fühlen die Enttäuschung Ihrer Mutter darüber, dass sie immer allein gewesen ist. Sie, Herr A und Herr B, fühlen die große Arbeitsbelastung des Vaters,
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
die ihn Ihrer Meinung nach sogar das Leben gekostet hat. Könnte es so sein?
Die Beteiligten wirken sehr betroffen. Frau C: Es stimmt. Früher bin ich auf Vater böse gewesen. Nach seinem Tod bin ich auf euch böse gewesen. Für mich habt ihr den Vater vertreten. Dabei habt ihr mir doch gar nichts getan. Ich mag euch doch beide sehr gern. Ich will eigentlich mit euch auch nicht streiten. Mutter ist aber immer so allein gewesen und hat sich allein nicht durchsetzen können. Ich habe sie deshalb unterstützt. Nach ihrem Tod habe ich das Gefühl gehabt, sie weiter vertreten zu müssen. Ich weiß eigentlich gar nicht genau, was ich wirklich will. Ich weiß nur, dass es der Wunsch von Mutter gewesen ist, dass ich das Haus bekomme. Herr A: Mir geht es ähnlich. Ich weiß nicht, was ich wirklich will. Eigentlich möchte ich, dass das Haus der Familie erhalten bleibt. Aber Vater hätte nie gewollt, dass wir beide nichts bekommen. Ich weiß auch, dass er dieses Testament, das Mutter zur Alleinerbin machte, so nicht gewollt hätte. Er ist davon ausgegangen, dass Mutter uns Kinder in gleichem Umfang bedenkt. Herr B: Es ist verrückt! Auch ich weiß nicht mehr, was ich eigentlich will. Im Prinzip geht es mir nicht um Geld. Viel wichtiger ist mir, mit Euch beiden eine gute Beziehung zu haben. Kommt, lasst uns doch überlegen, was wir eigentlich wollen.
Diese Sitzung endet damit, dass alle drei erst einmal Zeit brauchen, um darüber nachzudenken, was ihre eigenen Interessen sind. Nach drei Monaten findet eine weitere Sitzung statt. Die Geschwister vereinbaren, dass das Haus erhalten bleibt. Alle drei Geschwister werden Eigentümer. Es werden Regeln über die zukünftige Nutzung erarbeitet. Die drei Geschwister werden in Zukunft das Haus mit ihren Familien nutzen. Ein Sohn von Herrn A will in Berlin studieren und kann unentgeltlich im Hause wohnen. Herr B, der in Hannover wohnt, will mit seiner Frau regelmäßig nach Berlin kommen, um hier abzuschalten und Urlaub zu machen. Frau C freut sich, dass es im Haus wieder lebendig werden wird. Sie ist dann nicht mehr so allein. Das Haus ist für alle diese Zwecke groß genug.
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Phase 3: Bearbeitung der Konfliktfelder und Herausfinden der Interessen
Resümee: Die Geschwister nehmen nicht ihre eigenen Bedürfnisse wahr, sondern führen die Konflikte ihrer Eltern stellvertretend fort. Erst als der Mediator die Geschwister darauf hinweist, dass sie die Konfliktdynamik ihrer Eltern übernommen haben, sind sie in der Lage, ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse zu erkennen.
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IV. Phase 4: Problemlösung und Einigung 1. Allgemeines Nachdem die Konfliktpartner in Phase 3 ihre Interessen und Bedürfnisse herausgefunden haben, entwickeln sie in Phase 4 Optionen für die Lösungen ihrer Konflikte. Hierbei dürfen Phantasien, Utopien und auch völlig verrückt erscheinende Ideen ausgesprochen werden. Der Mediator bittet das Konfliktpaar, bei der Sammlung der Optionen jegliche Bewertung zu unterlassen. Eine zu frühzeitige Bewertung würde die Kreativität einschränken. Gleichzeitig unterstützt der Mediator die Medianden bei der Verbesserung einzelner Lösungsvorschläge. Menschen mit Konflikten haben häufig die Grundannahme, dass der „Kuchen“ begrenzt26 und nicht genug für alle vorhanden ist. Dadurch entsteht die Einstellung „der kleinere Teil für dich, der größere für mich“27. Vielleicht kann „der Kuchen vergrößert“28 werden. Das bedeutet für die Konfliktpartner, sich nach neuen Energiequellen umzusehen. Diese Ressourcen können ihnen behilflich sein, ihr Einkommen und Vermögen derart zu vermehren, dass sie die Grundbedürfnisse der Familie befriedigen können. Der Mediator unterstützt sie dabei, Vorteile für alle Familienmitglieder zu entwickeln. Der Mediator wird sie deshalb fragen, ob sie beispielsweise steuerliche Vorteile in Anspruch nehmen, ob sie Eigentum veräußern, ein Zimmer in der Wohnung untervermieten oder Verwandte um ein Darlehen bitten können. Der Mediator sammelt die Lösungsvorschläge auf einem Flipchart. Wenn die Sammlung abgeschlossen ist, wählen die Medianden die aussichtsreichsten Ideen aus. Erst jetzt bewerten sie die Vorschläge nach folgenden Kriterien: – gut denkbar – denkbar 26 Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept, S. 108. 27 Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept, S. 108. 28 Mähler/Mähler in: Mähler/Mähler/Duss-von Werdt (Hrsg.), Faire Scheidung durch Mediation, S. 65.
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Phase 4: Problemlösung und Einigung
– schwer denkbar – gar nicht denkbar. Nach der Auswahl der Optionen verhandeln die Konfliktpartner eine gemeinsame Lösung und vereinbaren sie vorläufig. Da es bei der Trennungs- und Scheidungsmediation in der Regel um eine Vielzahl von Konfliktthemen geht, bearbeiten die Beteiligten jedes Thema nacheinander in der gewählten Reihenfolge in allen Mediationsphasen. Wenn (vorläufige) Lösungen für alle zu klärenden Punkte gefunden sind, betrachten die Konfliktpartner zum Schluss die einzelnen Lösungen und prüfen, ob diese auch im Gesamtzusammenhang ausgewogen sind. Gerade bei der Trennungs- und Scheidungsmediation sind die Themenbereiche eng miteinander verknüpft. Oft können die Beteiligten über einen Regelungspunkt erst dann eine Einigung treffen, wenn bei einem anderen Regelungspunkt, den sie in der Mediation bereits (vorläufig) geregelt haben, eine Abänderung ausgehandelt wird. Zum Schluss unterzeichnet das Ehepaar ein „Gesamtpaket“. Resümee: Nachdem die Konfliktpartner in Phase 3 die Interessen und Bedürfnisse herausgefunden haben, können sie in Phase 4 eine Lösung erarbeiten, die für beide Konfliktpartner vorteilhaft ist. Mit einem Brainstorming werden kreative Ideen gesammelt und später bewertet. Die besten Ideen werden zu Lösungsvorschlägen ausgearbeitet.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
2. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 33: Eltern haben andere Vorstellungen von dem, was ihre Kinder wollen
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 42 Jahre, Diplompädagoge, angestellt in einer sozialen Einrichtung, Ehefrau: 38 Jahre, Hausfrau und als Teilzeitkraft beschäftigt, verheiratet seit 12 Jahren, getrennt lebend seit 8 Monaten; Kinder
Katrin, 5 Jahre; Lena, 8 Jahre und Konrad, 11 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Regelung der Finanzen und Auseinandersetzung des gemeinsamen Grundstücks Sachverhalt, Konfliktsituation und Verlauf der Mediation: Sachverhalt, Konfliktsituation und Verlauf der Mediation haben wir bereits in Fallbeispiel Nr. 5 auf S. 30 dargestellt. Die Konfliktpartner haben ihre Bedürfnisse herausgearbeitet. Herr A wünscht sich, sein möbliertes Zimmer, in dem er derzeit noch wohnt, verlassen zu können und in eine größere Wohnung in der Stadt zu ziehen. Frau A. erkennt dieses Bedürfnis an, da dies auch im Interesse der Kinder ist. Wegen der hohen Darlehensbelastungen sind keine finanziellen Spielräume für eine größere Wohnung vorhanden, wenn Haus und Grundstück nicht verkauft werden. Weiteres gemeinsames Interesse ist das Wohl der Kinder. Die Konfliktpartner glauben beide nicht, dass es Lösungen für ihr finanzielles Problem geben kann. Sie sind auch beide davon überzeugt, dass sie es ihren Kindern nicht antun können, das gemeinsame Haus aufzugeben. Dieses Haus befindet sich in einem kleinen Dorf. Es hat einen großen Garten, in dem die Kinder herrlich spielen können. Der Mediator macht den Vorschlag, die Kinder in die Mediation für eine Sitzung mit einzubeziehen. Sie sollen an einem Brainstorming 174
Phase 4: Problemlösung und Einigung
für Lösungsmöglichkeiten teilnehmen. Die Eltern sind einverstanden. In der nächsten Sitzung sind alle drei Kinder, der 11-jährige Konrad, die 8-jährige Lena und die 5-jährige Katrin, zwischen ihren Eltern sitzend da. Sie sind ganz gespannt und aufgeregt. Sie genießen es sichtlich, dabei zu sein. Mediator: Eure Eltern sind ja schon mehrfach hier gewesen, um miteinander alle die Dinge zu klären, die geklärt werden müssen. Das wisst ihr ja sicherlich? Lena: Ja, seit sie bei Ihnen sind, streiten sie nicht mehr so viel. Seither ist es fast wieder wie früher. Nur, dass Papa nicht mehr bei uns wohnt, das ist blöd.(Die beiden anderen Kinder nicken zustimmend.) Mediator: Dann ist es eigentlich gut, dass sie hier sind? (Alle drei nicken.) Papa und Mama müssen jetzt Ideen sammeln, wie es weitergehen kann. Da euch das ja auch etwas angeht, wollen sie auch eure Ideen hören, die ihr vielleicht habt. Ist es für euch möglich, mit Papa und Mama mitzudenken und Ideen zu sammeln? Wollt ihr das?
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Tipp: Kinder in der Mediation Vergessen Sie nicht, auch bei Kindern den Grundsatz einzuhalten, dass alles nur mit Einverständnis der Beteiligten geschehen darf.
Konrad: Ja schon, aber ich möchte nichts entscheiden. Mediator: Es ist gut, dass du darauf hinweist. Das möchte ich nochmals ganz deutlich sagen. Es geht nicht darum, dass ihr jetzt Entscheidungen treffen sollt. Es geht vielmehr darum, dass nur Ideen gesammelt werden. Es können auch ganz verrückte Ideen sein, einfach alles, was euch einfällt. Es geht darum, wie und wo ihr in Zukunft leben könntet. Die Entscheidungen, was tatsächlich gemacht werden wird, die treffen eure Eltern später miteinander. Ist das so okay? (Alle drei nicken.) Katrin: Darf ich auch schon mitmachen? Mediator: Aber natürlich, du hast bestimmt auch ganz tolle Ideen. (Katrin strahlt.) Darf ich euch noch einmal ein bisschen näher erklären, was wir machen? (Kinder und Eltern nicken.) Ich habe hier ein Flipchart, auf das man
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
schreiben kann. Ich schreibe jetzt nebeneinander alle eure Namen auf, auch die von Papa und Mama. Zwischen den Namen ziehe ich jeweils eine Linie bis nach unten auf die Seite. Dann werden alle Ideen unter die Namen geschrieben. Und jetzt kann es schon losgehen. Was habt ihr für Ideen, wie und wo ihr leben könntet, was man alles mit dem Haus machen könnte. Wer will anfangen? Katrin: Ich. Mediator (wendet sich an alle anderen.): Ist es in Ordnung, wenn Katrin anfängt? (Alle stimmen zu.) Katrin: Papa kann doch wieder einziehen.
Der Mediator schreibt auf die Tafel unter den Namen von Katrin: „Papa zieht wieder ein.“ Lena: Aber das tut er doch nicht. Mediator: Es kommt nicht darauf an, ob ein Vorschlag realistisch ist, sondern nur auf die Idee als solche. Ich werde einfach alle Ideen aufschreiben. Habt ihr verstanden? Konrad: Okay, jetzt habe ich es kapiert. Wir sagen einfach alles, was uns einfallen könnte. Ich hätte die Idee, dass wir auch ausziehen. Jetzt, wo Papa nicht mehr da ist, ist eh alles blöd. Ich fände es viel toller, wenn wir in die Stadt ziehen könnten. Ich muss immer nur den Rasen mähen. Früher mit Papa hat das ja noch Spaß gemacht, aber jetzt nicht mehr. Außerdem müsste ich dann nicht so weit in die Schule fahren. Immer muss alles mit dem Auto gemacht werden.
Der Mediator schreibt unter den Namen von Konrad: „Wir ziehen alle aus.“ Lena: Ich fände es auch super, wenn wir in die Nähe zum Papa in die Stadt ziehen könnten. Dann wäre es nicht ganz so schlimm, dass er weg ist, wenn wir schneller zu ihm könnten. Dann wäre alles viel einfacher. Außerdem ist auch die Oma dann näher. Wir könnten einfach mal zu ihr, ohne dass Mama uns fahren muss. Herr A: Aber dann hättet ihr nicht mehr jeder ein eigenes Zimmer. Und der schöne Garten mit dem Sandkasten und der Schaukel? Katrin: Oh, das ist nicht schlimm. Wenn wir nur näher bei dir und der Oma sind und ich meine Katze mitnehmen kann. Ich würde sowieso viel
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Phase 4: Problemlösung und Einigung
lieber mit Katrin in einem Zimmer schlafen oder mit Mama, die ist jetzt doch immer allein. Und für den Sandkasten bin ich viel zu groß. Eine Schaukel hat es auch auf dem Spielplatz bei dir um die Ecke. Konrad: Und mit den Rollerblades kann ich eh nicht im Garten fahren. Mediator: Was ich jetzt so gehört habe, seid ihr euch eigentlich alle einig, dass ihr es toll fändet, das Haus zu verkaufen und in die Stadt in die Nähe von Papa und Oma zu ziehen? Alle drei Kinder: Ja, ja, super!
Damit geht diese Mediationssitzung zu Ende und man kann sich vorstellen, dass Herr und Frau A aus ihrer Blockade, der Kinder wegen das Haus nicht veräußern zu können, sehr schnell herauskommen. In der nächsten Sitzung ist die Vereinbarung in allen Punkten perfekt. Resümee: Kinder können in die Mediation einbezogen werden, wenn der Mediator mit den Eltern bereits Interessen und Bedürfnisse herausgearbeitet hat. Das Sammeln von Lösungsmöglichkeiten ist mit Kindern gut möglich, wenn ihnen deutlich gemacht wird, dass Entscheidungen nicht von ihnen, sondern von ihren Eltern getroffen werden.
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Nr. 34: Eine schwierige Umgangsregelung: Die Eltern leben in unterschiedlichen Städten
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 39 Jahre, Arzt, Einkommen: 4500 Euro netto bei halber Stelle, Ehefrau: 34 Jahre, Journalistin, derzeit nicht berufstätig, verheiratet seit 7 Jahren, getrennt lebend seit 6 Monaten; Kinder
Klaus, 11 Jahre, Karl, 5 Jahre und Pit, 2 Jahre alt.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Themenbereiche der Mediation: Umgang, Kindesunterhalt, Auflösung der Ehewohnung Sachverhalt und Konfliktsituation: Dieses Konfliktpaar begegnet uns bereits oben in den Fallbeispielen Nr. 12, S. 66 und Nr. 28, S. 144. Ablauf der Mediation Es haben vier Sitzungen stattgefunden. Das Konfliktpaar hat die Themenbereiche in folgender Reihenfolge festgelegt: 1. Umgang 2. Hausrat 3. Lebensunterhalt der Kinder 4. Auflösung der Ehewohnung Das Bestandsverzeichnis ist erstellt. Frau A will demnächst mit ihrem neuen Lebensgefährten und den Kindern nach Hamburg ziehen, während Herr A in Berlin bleiben wird. Herr und Frau A wollen nun klären, wann die Kinder ihren Vater sehen und wie sie von Hamburg nach Berlin kommen werden. Frau A hat die Vorstellung, dass der Vater die Kinder gemeinsam in Abständen von zwei bis drei Wochen jeweils am Wochenende sieht. Herr A möchte an drei Wochenenden im Monat jeweils eines der Kinder sehen. Herr A: Du willst weggehen! Du hast eine so unverantwortliche Entscheidung getroffen und die Familie zerstört. Die Kinder leiden ganz furchtbar. Ich muss mich um die Kinder ganz besonders kümmern. Ja, wenn du wenigstens in Berlin bleiben würdest. Dann wäre alles viel leichter. Ich muss mich jedenfalls ganz intensiv um jedes Kind kümmern und zwar einzeln. Ich bin deshalb der Auffassung, dass ich an drei Wochenenden im Monat jeweils ein Kind sehe und mich mit diesem ganz besonders beschäftige. Frau A (empört): Dann habe ich ja überhaupt kein Wochenende ohne Kinder. Das ist mir nicht zuzumuten. Ich brauche doch auch Zeit für mich und meinen Freund. Ich werde in Hamburg wieder berufstätig sein und die Kinder aufziehen.
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Phase 4: Problemlösung und Einigung
Herr A: Dies ist allein dein Problem. Du bist schließlich gegangen und hast nun endlich Verantwortung hierfür zu übernehmen. Frau A: Wie stellst du dir das denn vor? Du kennst doch unseren Pit. Wenn er sieht, dass einer seiner Brüder oder beide Brüder zu dir kommen können und er zu Hause bleiben muss, dann beginnt er furchtbar zu weinen. Die Kinder sollten an den Besuchswochenenden zusammen bleiben.
Beide Konfliktpartner sind stur und erst einmal nicht bereit, auf den anderen einzugehen. Beide glauben, dass ihr Standpunkt richtig und der andere Konfliktpartner im Unrecht sei. Beide sind halsstarrig und uneinsichtig. Immer wieder werden die Beziehung des Konfliktpaares und der Grund für die Trennung Themen der Mediation. Frau A erklärt, sie habe sich einem anderen Mann zugewandt, weil sie die Beziehung zu ihrem Ehemann nicht mehr ertragen konnte. Nach Auffassung von Herrn A ist die Beziehung gescheitert, weil sich Frau A einem anderen Mann zugewandt hat. In der Trennungs- und Scheidungsmediation herrscht ein Beziehungs- und Rollengeflecht. Mann und Frau bringen unterschiedliche Rollen mit. Sie kommen sowohl in ihrer Rolle als Vater beziehungsweise Mutter und gleichzeitig in ihrer Rolle als Ehemann und Ehefrau, deren Beziehung gerade gescheitert ist. Diese Rollen geraten in einer derartig konfliktbeladenen Situation wie einer Trennung häufig durcheinander29. Aufgabe des Mediators ist es, dieses Rollenknäuel zu entflechten30. Ein Beziehungskonflikt hat zu Sachproblemen und zu den Fragen geführt, wie der Umgang mit den Kindern, der Unterhalt usw. geregelt werden sollen. Während in der Therapie an erster Stelle Beziehungen aufgearbeitet werden und damit die Beziehungsebene angesprochen wird, ist es die Aufgabe der Mediation, in erster Linie die Probleme auf der Sachebene zu klären. Die Konfliktpartner lernen in der Mediation, Beziehungsebene und Sachebene voneinander zu trennen und sachbezogen miteinander umzugehen31. Es ist die Auf29 Duss-von Werth in: Mähler/Mähler/Duss-von Werdt (Hrsg.), Mediation: Die andere Scheidung, S. 244. 30 Duss-von Werth in: Mähler/Mähler/Duss-von Werdt (Hrsg.), Mediation: Die andere Scheidung, S. 244. 31 Duss-von Werth in: Mähler/Mähler/Duss-von Werdt (Hrsg.), Mediation: Die andere Scheidung, S. 244.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
gabe der Konfliktpartner in der Mediation zu begreifen, dass sich ihre Trennung auf der Ebene von Ehemann und Ehefrau vollzieht, während sie in ihrer Rolle als Vater und Mutter auch weiterhin verbleiben. Dies ist grundsätzlich ein schwieriger Schritt für ein Paar, das sich gerade getrennt hat. Dieser Prozess ist auch schwierig für den Mediator, denn er erfordert viel Geduld. Wichtig für den Fortgang im Verständigungsprozess ist die Wahl der richtigen Sprache. Es ist hilfreich, auch mit der Anrede der Frau als Mutter und des Mannes als Vater in den Angelegenheiten der Kinder zur Rollenklarheit beizutragen. „Herr A, die Mutter hat …“ oder: „Würde das Kind darunter leiden, wenn zwar einer seiner Brüder zu seinem Vater könnte, es aber selbst zu Hause bleiben müsste?“
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TIPP: Achten Sie darauf, dass das Konfliktpaar in der Mediation lernt, zwischen den Rollen als Vater und Mutter einerseits und als Ehemann und Ehefrau andererseits zu unterscheiden. Wenn sich ein Ehepaar trennt, muss es begreifen, dass die Trennung auf der Ebene Frau und Mann erfolgt, während sie weiterhin in ihrer Rolle als Mutter und Vater verbleiben. Sprechen Sie das Konfliktpaar bei dem Thema „Elternvereinbarungen“ als Mutter und Vater, nicht aber als Ehefrau und Ehemann an.
Der Mediator hat für sich die Hypothese aufgestellt, dass Herr A immer noch sehr verletzt ist über die Trennung und deren Begleitumstände und deshalb versucht, über die Ausübung des Umgangs Einfluss auf das Leben der Frau zu nehmen. Als der Mediator Herrn A jedoch als Vater und nicht als Ehemann anspricht, gelingt es Herrn A – jedenfalls für kurze Zeit – sich auf seine Rolle als Vater zu besinnen. Mediator: Herr A, ich habe gerade von der Mutter gehört, dass Pit weinen würde, wenn einer seiner Brüder zu seinem Vater fahren könnte, er aber bei der Mutter bleiben müsste. Wie sehen Sie das? Herr A: Natürlich würde Pit darunter leiden, wenn er mich nicht sehen könnte. Pit braucht jetzt in der schwierigen Situation viel Zuwendung. Die anderen Kinder benötigen aber auch eine intensive Beschäftigung. Deshalb wollte ich mich eigentlich mit jedem Kind an einem Wochenende ausschließlich beschäftigen. Natürlich wären dann die Kinder, die
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Phase 4: Problemlösung und Einigung
an diesem Wochenende bei ihrer Mutter bleiben müssten, traurig und ganz besonders der kleine Pit. Vielleicht sollte ich es doch anders machen und die Kinder sollten gemeinsam zu mir kommen. Dies würde ich aber erst einmal für einen bestimmten Zeitraum von sechs Monaten ausprobieren wollen. Bist du damit einverstanden? Frau A: Ja, damit bin ich einverstanden! Aber ich möchte, dass du nach Hamburg kommst und die Kinder abholst. Dies wird in anderen Fällen auch so gemacht. Der Vater holt normalerweise die Kinder von zu Hause ab. Du willst sie ja schließlich sehen. Dann musst du auch kommen. Herr A: Hier liegt kein Normalfall vor. Du hast die Trennung gewollt. Also musst du auch die Konsequenzen tragen. Ich hole die Kinder nicht in Hamburg ab. Ich möchte, dass wir uns die Verantwortung zur Hälfte teilen. Wir treffen uns in der Mitte zwischen Hamburg und Berlin. Dort übergibst du mir die Kinder. Ich möchte, dass du die Hälfte der Last trägst. Du hast die Beziehung aufgekündigt. Eigentlich müsstest du die Kinder nach Berlin bringen. Frau A: Du weißt sehr wohl, dass ich viel Verantwortung für die Kinder übernehme. Aber ich bin nicht bereit, jedes zweite Wochenende mit Bahnfahrten zu verbringen und dir die Kinder in der Mitte zwischen Berlin und Hamburg zu übergeben. Das ist doch Unsinn. Herr A: Das ist überhaupt kein Unsinn. Bei dieser Lösung sind wir beide jeweils zur Hälfte belastet. Mediator (fasst zusammen und stellt den kleinsten gemeinsamen Nenner heraus): Sie wollen also beide, dass die Kinder weiterhin einen regelmäßigen Kontakt zum Vater trotz der räumlichen Entfernung haben. Sie wollen beide, dass Sie gleichmäßig und dabei so wenig wie möglich durch die Reisen belastet werden. Es ist Ihr Wunsch, eine Lösungsmöglichkeit zu finden, die Ihre beiderseitigen Interessen und die Interessen der Kinder berücksichtigt. Ist dies so? (Beide Konfliktpartner nicken.)
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Tipp: Zusammenfassen als besondere Art des aktiven Zuhörens Sie unterstützen den Mediationsprozess, wenn Sie die Äußerungen der Medianden zusammenfassen und dadurch das Gesagte ordnen und strukturieren. Dabei können Sie Unwichtiges aussortieren und das Wichtige auf den Punkt zu bringen. Vergewissern Sie sich, dass Sie die Medianden richtig verstanden haben. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, Korrekturen anzubringen. Betonen Sie bei unterschiedlichen Meinungen die Aus181
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
sagen, die bei beiden Konfliktpartnern übereinstimmen. Finden Sie den kleinsten gemeinsamen Nenner und animieren Sie die Konfliktpartner zu zustimmenden Äußerungen! Mediator: Was halten Sie davon, wenn wir am Flipchart alle Möglichkeiten sammeln? Ich bitte Sie, dass wir dabei alles aufschreiben, was Ihnen einfällt, ohne dass Sie dies gleich bewerten und auf Tauglichkeit überprüfen. Sind Sie hiermit einverstanden? (Beide Konfliktpartner stimmen zu.)
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TIPP: Brainstorming Wenn die Interessen und Bedürfnisse der Konfliktpartner in der Mediation herausgearbeitet worden sind, werden Lösungsmöglichkeiten gesammelt. Häufig fällt dies den Konfliktpartnern deshalb schwer, weil sie diese Sammlung sofort mit einer Bewertung beginnen. Sie werden in ihrer Kreativität gehindert, weil sie sich sofort darüber Gedanken machen, ob die von ihnen angedachte Lösungsmöglichkeit in die Tat umgesetzt werden kann. Bitten Sie die Konfliktpartner, erst einmal jede Idee, mag sie ihnen auch noch so verrückt erscheinen, gedanklich zuzulassen, ohne sie zu bewerten. Erst wenn alle Optionen gesammelt sind, werden sich die Beteiligten darüber Gedanken machen, ob die angedachte Lösungsmöglichkeit sehr gut, gut, wenig oder gar nicht denkbar erscheint.
Das Konfliktpaar sammelt nun am Flipchart folgende Möglichkeiten: – Die Eltern treffen sich auf der Mitte des Weges zwischen Hamburg und Berlin. – Die Mutter bringt die Kinder nach Berlin und holt sie wieder ab. – Der Vater holt die Kinder aus Hamburg ab und bringt sie wieder zurück. – Die Mutter bringt die Kinder nach Berlin. Der Vater bringt sie wieder zurück. – Der Vater holt die Kinder aus Hamburg ab, und die Mutter bringt die Kinder zurück von Berlin nach Hamburg. – Mischlösungen. 182
Phase 4: Problemlösung und Einigung
Mediator: Können Sie sich weitere Möglichkeiten vorstellen? Nein? Dann sehen Sie sich bitte die Möglichkeiten, die Sie beide herausgefunden haben, genau an. Welche Möglichkeit finden Sie gut? Welche Möglichkeit könnten Sie verbessern? Welche Möglichkeit kommt für Sie überhaupt nicht in Frage? Frau A: Möglichkeit 1 kommt für mich überhaupt nicht in Frage. Da müssen wir uns ja beide sowohl bei dem Hinweg als auch bei dem Rückweg auf die Reise begeben. Das ist furchtbar umständlich. Ich bin auch nicht bereit, sowohl auf dem Hinweg als auf dem Rückweg die Kinder zu begleiten. Herr A: Möglichkeit 3 scheidet für mich natürlich aus. Dann würde sich meine Frau gar nicht am Transport der Kinder beteiligen. Mediator: Die Möglichkeiten 1 und 3 scheiden also aus. Sie, Herr A möchten, dass sich die Mutter am Transport der Kinder beteiligt. Frau A, möchten Sie sich auch an der Begleitung der Kinder beteiligen? Frau A: Natürlich! Ich sitze ja nur hier, weil ich es wichtig finde, dass die Kinder einen guten Kontakt zu ihrem Vater haben. Aber ich möchte nicht die ganze Last allein tragen. Mediator: Ich habe Sie so verstanden, dass Sie sich beide an dem Transport der Kinder von und nach Berlin beteiligen wollen. Sie möchten sich beide auch möglichst gleichmäßig beteiligen. Ist dies richtig? (Das Paar nickt.) Welche Möglichkeit würde Sie nun beide gemeinsam am wenigsten belasten? Frau A: Am wenigstens würde es uns beide belasten, wenn einer von uns den Hinweg und einer den Rückweg übernehmen würde. (Sie wendet sich Herrn A zu). Ich wäre bereit, die Kinder an jedem Freitag des Besuchswochenendes nach Berlin zu bringen. Du bringst die Kinder jeweils am Sonntag wieder zurück nach Hamburg. Bist Du damit einverstanden? Herr A: Damit bin ich ab dem zweiten Besuchswochenende einverstanden. Ich möchte, dass wir uns an dem ersten Besuchswochenende in der Mitte treffen. Danach bin ich damit einverstanden, dass Du die Kinder nach Berlin bringst. Ich werde die Kinder dann wieder zurückbringen.
Herr A braucht die Ausnahmeregelung für das erste Besuchswochenende, um sein Gesicht zu wahren. Frau A erkennt dies offensichtlich und ist einverstanden. Sie vereinbaren eine kurze Probezeit. 183
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Sie können sich wenig später auch über die restlichen Themenbereiche einigen. Resümee: Bei hohem Konfliktpotential sind die Konfliktpartner häufig erst einmal stur und wenig bereit, aufeinander einzugehen. Sie machen die Paarbeziehung und den Grund für die Trennung zum Thema der Mediation. Wenn aus der Beziehung Kinder hervorgegangen sind, fällt es dem Konfliktpaar besonders schwer, Beziehungsebene und Sachebene voneinander zu trennen. Die Rolle als Vater bzw. Mutter und die Rolle als Ehemann bzw. Ehefrau, deren Beziehung gescheitert ist, geraten durcheinander. Die Aufgabe des Mediators ist es, dieses Rollenknäuel zu entflechten und die Medianden in der Einsicht zu unterstützen, dass sie sich zwar als Mann und Frau getrennt haben, aber weiterhin ihre Rolle als Eltern beibehalten. Hierbei kann der Mediator das Paar auch durch die Wahl der Sprache unterstützen, indem er die Frau als Mutter und den Mann als Vater der Kinder anspricht.
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Nr. 35: Eine komplexe Lösung: Unterhalt und Vermögensteilung in der Balance
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 44 Jahre, Inneneinrichter, Einkommen 2500 Euro netto, Ehefrau: 40 Jahre, Angestellte, Einkommen 2000 Euro netto, verheiratet seit 16 Jahren, getrennt lebend seit 10 Monaten; Kinder
Klara, 15 Jahre und Kerstin, 12 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Kindesunterhalt, Auseinandersetzung des gemeinsamen Grundstückseigentum mit Einfamilienhaus
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Phase 4: Problemlösung und Einigung
Sachverhalt und Konfliktsituation: Die Eheleute haben sich auf Wunsch von Frau A getrennt. Für Herrn A ist dieser Wunsch überraschend gekommen und mit großer Enttäuschung verbunden gewesen. Ein Gefühl von Trauer ist auch noch zu Beginn der Mediation zu spüren. Beide Konfliktpartner haben keine neuen Partner. Die Familie hat in einem Einfamilienhaus, das beiden Eheleuten zu je 1/2 Anteil gehört, gelebt. Herr A ist aus diesem Haus ausgezogen. Die Kinder sind bei ihrer Mutter in dem Haus geblieben. Der Vater sieht die Kinder regelmäßig. Ablauf der Mediation: In den bisherigen Mediationssitzungen ist Folgendes erarbeitet worden: Das Konfliktpaar hat ein Bestandsverzeichnis mit folgendem Ergebnis erstellt: Verkehrswert Haus und Grundstück abzüglich valutierende Verbindlichkeiten Saldo
459 000 Euro 432 738 Euro 26 262 Euro
Außerdem hat jeder Ehepartner eine Lebensversicherung abgeschlossen. Die Verkehrswerte betragen 20 000 Euro bei Frau A und 21 000 Euro bei Herrn A. Frau A ist Inhaberin eines Sparkontos in Höhe von 15 000 Euro und Herr A in Höhe von 17 000 Euro. Es existiert ferner ein Bausparvertrag, der auf den Namen der Ehefrau läuft. Frau A zahlt auf das Bausparkonto monatlich 328 Euro ein. Das Paar tilgt über diesen Bausparvertrag die Schuldverbindlichkeiten, die die Immobilie betreffen. Das Eigentum ist öffentlich gefördert. Das Paar erhält einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 579 Euro, der ebenfalls zur Rückzahlung der Kredite verwandt wird. Die Konfliktpartner haben sich (vorläufig) geeinigt, dass Herr A an Frau A Kindesunterhalt zahlt und die Zusatzkrankenversicherung für die Tochter Kerstin übernimmt. Frau A erhält das staatliche Kindergeld für beide Kinder. Diese Lösung haben beide Konfliktpartner auch dann noch für fair erachtet, als sie erfahren haben, dass Herr A nach der Düsseldorfer Tabelle höheren Kindesunterhalt zahlen müsste. Bei Einkommensänderungen in der Zukunft wollen 185
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
sie sich über die Höhe des Unterhalts einigen. Sollte eine Einigung scheitern, sollen die gesetzliche Regelung und die Düsseldorfer Tabelle für die Höhe des Unterhalts ausschlaggebend sein.
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Tipp: Achtung bei Unterhaltsvereinbarungen! Fragen Sie die Konfliktpartner, die sich über die Höhe von Kindes- und Ehegattenunterhalt geeinigt haben, wie sie sich in Zukunft über Unterhaltszahlungen einigen wollen, wenn sich die Einkommensverhältnisse des Zahlungspflichtigen ändern! Hieran denken die Klienten häufig nicht. Fragen Sie die Klienten auch, wie die Höhe des Unterhalts zu ermitteln ist, wenn sie keine gemeinsame Lösung finden können! Fragen Sie, ob in einem derartigen Fall die gesetzliche Regelung gelten soll!
Insbesondere beim Ehegattenunterhalt können die Methoden, die die Rechtsprechung zur Berechnung (Differenzmethode, Anrechnungsmethode) entwickelt hat, durch die Vereinbarung in der Mediation ausgeschlossen sein. In Phase 3 der Mediation haben Herr und Frau A folgende Interessen bezüglich der Immobilie herausgefunden: – Das Interesse von Frau A besteht in erster Linie darin, mit den Kindern im Haus zu wohnen. Ihr ist es wichtig, dass das Haus für die Kinder als Zuhause erhalten bleibt. – Für Herrn A bedeutet die Immobilie eine Wertanlage. Es ist ihm aber auch wichtig, dass das Haus für die Kinder als Zuhause erhalten bleibt, bis sie einmal ausziehen sollten. Er hat früher viele werterhaltende und -schaffende Arbeiten in Haus und Garten durchgeführt. Er möchte, dass diese Arbeiten von Frau A anerkannt und irgendwie honoriert werden. In Phase 4 der Mediation erarbeiten die Medianden nunmehr Lösungsvorschläge. Mediator: Nachdem wir nun Ihre Interessen bezüglich des Hauses in der letzten Sitzung herausgefunden haben, möchte ich Sie bitten, sich über Lösungsmöglichkeiten Gedanken zu machen. Ich schlage vor, dass wir Ihre Ideen hier auf dem Flipchart sammeln. Ich bitte Sie auch, diese Ideen erst einmal nicht zu bewerten und sie einfach stehen zu lassen. Denken Sie bitte nicht daran, ob es sich um realistische oder unrealistische
186
Phase 4: Problemlösung und Einigung
Vorschläge handelt. Jede noch so verrückte Idee ist erlaubt. Sind Sie damit einverstanden? Ja? Gut! Wer möchte beginnen? Herr A: Mir fällt nichts ein. Meine Frau kann mich bei ihrem Einkommen derzeit gar nicht auszahlen. Sie soll doch mit den Kindern im Haus wohnen bleiben. Mediator: Tun Sie doch einfach so, als ob alles geht und Sie Ihre Ideen realisieren können. Wir machen uns jetzt noch keine Gedanken darüber, welche Ihrer Ideen realistisch sind und welche nicht. Stellen Sie sich beide vor, Sie hätten einen Zauberstab und könnten sich etwas wünschen. Was würde das sein?
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Tipp: Als-ob-Technik Nutzen Sie die Als-ob-Technik! Hierbei handelt es sich um ein Konjunktivmanöver. Die Medianden können unter Einsatz ihrer Phantasie ein gewünschtes Ergebnis oder eine gewünschte Veränderung in ihren Gedanken in allen Einzelheiten als bereits erreicht vorwegnehmen und Hindernisse in Gedanken überwinden, indem sie kreative Lösungsmöglichkeiten entwickeln.
Nunmehr entwickeln die Konfliktpartner Lösungsvorschläge, die nacheinander auf das Flipchart geschrieben werden: Herr A: Ich könnte meinen Anteil am Grundstück auf meine Frau übertragen. Sie zahlt die Schulden in Zukunft allein ab. Sie zahlt außerdem an mich 13 131 Euro. Mediator: Können Sie uns sagen, wie Sie auf diesen Betrag gekommen sind? Herr A: Ja, wir haben festgestellt (er geht an das Flipchart und zeigt auf den Bogen, auf dem die Werte und Verbindlichkeiten aufgeführt sind): Der Wert des Grundstücks beträgt: 459 000 Euro Die Schulden betragen: 432 738 Euro Die Differenz beträgt: 26 262 Euro Die Hälfte hiervon ist: 13 131 Euro Mediator: Und was ist mit den Schulden? Herr A: Wenn meine Frau meinen Anteil übernimmt, hat sie auch die Darlehen zurückzuzahlen. Mediator: Haben Sie noch weitere Ideen?
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Herr A: Ja, wenn das nicht geht, muss das Grundstück verkauft werden und wir teilen den Kaufpreis unter uns je zur Hälfte auf. Mehr fällt mir nicht ein. Mediator: Frau A, welche Ideen haben Sie? Frau A: Ich kann mir gut vorstellen, dass wir beide Eigentümer bleiben, bis die Kinder groß sind und ausziehen. Danach können wir das Grundstück verkaufen und uns den Kaufpreis teilen. Mediator: Fällt Ihnen noch eine Lösungsmöglichkeit ein? Frau A: Ich könnte mir auch vorstellen, dass ich mit deinem Vorschlag (und wendet sich an Herrn A) einverstanden wäre. Ich würde dich in Höhe von 13 131 Euro auszahlen, wenn ich wirklich sicher sein könnte, dass du mit dieser Lösung auch zufrieden wärst. Herr A: schweigt erst einmal. Mediator: Ich bin wirklich von Ihnen beiden beeindruckt, wie Sie miteinander umgehen. Sie machen sich sogar darüber Gedanken, ob der andere mit Ihrem Vorschlag zufrieden ist. Ich würde nur gern noch weitere Vorschläge sammeln und diese hier auf das Flipchart schreiben.
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Tipp: Sammeln von Lösungsvorschlägen Lassen Sie sich von den Konfliktpartnern beim Sammeln der Lösungsvorschläge nicht dazu verführen, Bewertungen zuzulassen. Eine Bewertung der Vorschläge nehmen die Konfliktpartner erst vor, wenn die Vorschläge gesammelt sind.
Nunmehr schreibt der Mediator die Vorschläge auf das Flipchart: Lösungsmöglichkeit 1:
– Herr A überträgt seinen Miteigentumsanteil auf Frau A. – Frau A zahlt einen Betrag in Höhe von 13 131 Euro (hälftiger Betrag des aktuellen Verkehrswertes minus Schulden). – Die Schulden übernimmt Frau A.
Lösungsmöglichkeit 2:
– Verkauf des Hauses und Teilung des Erlöses.
Lösungsmöglichkeit 3:
– Verkauf des Hauses zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. wenn die Kinder ausziehen.
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Phase 4: Problemlösung und Einigung
Mediator: Habe ich Ihre Vorschläge richtig aufgezeichnet? (Das Konfliktpaar nickt.) Haben Sie noch weitere Vorschläge? Nein? Dann möchte ich gern Ihre letzte Frage, Frau A, aufnehmen. Sie befürchten, dass Sie, Herr A, mit Ihrem eigenen Vorschlag nicht zufrieden sein könnten? Was sagen Sie dazu, Herr A? Herr A: Natürlich ist eine Ausgleichszahlung in Höhe von 13 131 Euro nicht fair! Ich habe noch während unserer Ehe viele Arbeiten an Haus und Garten vorgenommen. Ich habe den Dachboden ausgebaut, Einbauten vorgenommen und den Keller instand gesetzt. Ich habe den Garten angelegt. Ich habe aber gar keine Vorstellungen, wie ich diese Tätigkeiten bewerten würde.
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Tipp: „Hausaufgaben“ und das Schaffen von Dissonanzen32 Ermuntern Sie die Konfliktpartner, die Zeit zwischen den Sitzungen zu nutzen. Geben Sie ruhig „Hausaufgaben“ auf! Geben Sie Aufgaben, durch die sie sich Gedanken machen müssen, was der andere wirklich denkt und will. Bitten Sie die Konfliktpartner, sich zu überlegen, ob das eigene Angebot aus der Sicht des jeweils anderen fair ist. Fragen Sie jeden Konfliktpartner, – was der andere Teil tun müsste, damit er mit dessen Position einverstanden sein kann, und – was er dem anderen Teil anbieten müsste, damit dieser mit der eigenen Position einverstanden sein könnte.
Mediator: Ich würde Ihnen beiden gern einen Vorschlag unterbreiten. Unsere Mediationsstunde nähert sich ohnehin dem Ende. Ich möchte Sie beide bitten, sich zur nächsten Sitzung Gedanken zu machen, was Sie sich in Bezug auf Haus und Garten wünschen. Bitte machen Sie sich auch darüber Gedanken, was der andere will und ob er Ihr Angebot fair finden kann. Sind damit einverstanden?
Die Eheleute sind mit dem Vorschlag einverstanden und erscheinen eine Woche später zur nächsten Sitzung. Herr A: Ich habe mir über die vielen Arbeiten, die ich geleistet habe, Gedanken gemacht. Natürlich würden diese Arbeiten von einem Verkehrswertgutachten gar nicht erfasst werden können. Ich habe eine Solaranla32 Haynes/Bastine/Link/Mecke, Scheidung ohne Verlierer, S. 166, 167.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
ge installiert. Ich habe den Garten angepflanzt. Ich habe den Dachboden umgebaut. Die Kosten hierfür haben betragen: Solaranlage 10 000 Euro Gartenanpflanzung 2 000 Euro Dachbodenumbau 8 000 Euro 20 000 Euro Es wäre nur fair, wenn ich von diesem Betrag etwas mehr als die Hälfte erhalten würde. Die Ausgleichszahlung sollte insgesamt 26 000 Euro betragen. Mediator: Sie könnten es sich gut vorstellen, dass Sie Ihrer Frau Ihren Miteigentumsanteil übertragen und dafür insgesamt 26 000 Euro erhalten. Frau A: Für mich ist die beste Lösung, wenn wir beide weiter zusammen Eigentümer bleiben. Ich könnte höchstens einen Betrag von 13 000 Euro finanzieren. Mehr ist mir nicht möglich. Mediator: Wenn Sie sich in die Situation Ihres Mannes hineindenken, was meinen Sie, wie es ihm dann geht? Frau A: Dies ist für meinen Mann nicht gerecht. Das sehe ich auch. Er hat wirklich viele Arbeiten für unser Grundstück geleistet. Deshalb kommt für mich auch nur die Möglichkeit in Frage, dass wir gemeinsam Eigentümer bleiben. Ich würde Zinsen und Tilgung für das Darlehen zahlen. Wenn wir später beim Auszug der Kinder das Grundstück verkaufen, müsste vom Kaufpreis ein Betrag abgezogen werden, der dem Betrag der Tilgung seit Beginn unserer Trennung entspricht. Mediator: Frau A, Sie erweitern Ihren Vorschlag. Ich würde dies gern auf dem Flipchart vermerken. Ihre Ergänzung, Herr A, möchte ich auch gleich aufschreiben. OK?
Die Vorschläge auf dem Flipchart werden deshalb ergänzt: Lösungsmöglichkeit 1:
– Herr A überträgt seinen Miteigentumsanteil auf Frau A. – Frau A zahlt einen Betrag in Höhe von 13 131 Euro (hälftiger Betrag des aktuellen Verkehrswerts minus Schulden). – Für Einbauten zahlt Frau A einen weiteren Ausgleichsbetrag. – Die Schulden übernimmt Frau A.
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Phase 4: Problemlösung und Einigung
Lösungsmöglichkeit 2:
Verkauf des Hauses und Teilung des Erlöses.
Lösungsmöglichkeit 3:
– Verkauf des Hauses zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. wenn die Kinder ausziehen. – Frau A zahlt Zinsen und Tilgung. – Bei Verkauf des Grundstücks erhält sie einen Betrag, der dem Betrag der Tilgung seit Beginn der Trennung entspricht.
Herr A: Ich kann mir Lösungsmöglichkeit 3 gut vorstellen, wenn ich jetzt eine Abfindung für die Arbeiten erhalte. Auch Kerstin macht Abitur und wohnt vielleicht noch 8 bis 10 Jahre zu Hause. Wenn wir dann das Haus verkaufen, haben die Einbauten ihren Wert verloren. Mein Vorschlag ist deshalb: Verkauf erfolgt später und die Abfindung erhalte ich jetzt. Mediator: Ich möchte Ihren neuen Vorschlag auch noch schriftlich fixieren.
Die Vorschläge auf dem Flipchart werden wieder ergänzt: Lösungsmöglichkeit 1:
– Herr A überträgt seinen Miteigentumsanteil auf Frau A. – Frau A zahlt einen Betrag in Höhe von 13 131 Euro (hälftiger Betrag des aktuellen Verkehrswertes minus Schulden). – Für Einbauten zahlt Frau A einen weiteren Ausgleichsbetrag. – Die Schulden übernimmt Frau A.
Lösungsmöglichkeit 2:
Verkauf des Hauses und Teilung des Erlöses.
Lösungsmöglichkeit 3:
– Verkauf des Hauses zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. wenn die Kinder ausziehen. – Frau A zahlt Zinsen und Tilgung. – Bei Verkauf des Grundstücks erhält sie einen Betrag, der dem Betrag der Til191
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
gung seit Beginn der Trennung entspricht. Lösungsmöglichkeit 4:
– Verkauf des Hauses wie Lösungsmöglichkeit 3. – Jetzt erhält Herr A eine Abfindung für die Arbeiten an Haus und Garten.
Mediator: Frau A, wie geht es Ihnen mit dem neuen Vorschlag? Frau A: Gar nicht gut. Ich habe ein schlechtes Gefühl. Ich soll eine Abfindung zahlen und habe nichts davon. Mediator: Was macht Ihr schlechtes Gefühl genau aus, Frau A? Wie wäre es, wenn Herr A jetzt seinen Anteil am Eigentum auf Sie übertragen würde und Sie ihm auch für die Einbauten eine Abfindung zahlen würden, die Ihren finanziellen Möglichkeiten entspricht? Frau A: Dann hätte ich ein anderes Gefühl. Dann würde meine Zahlung auf einer Gegenleistung meines Mannes beruhen. Dabei würde es mir gut gehen. Mediator: Wenn ich mich in die Situation von Herrn A versetze, würde ich sagen, dass die Gegenleistung darin besteht, auf die Auseinandersetzung und die Verwertung des Eigentums zu verzichten. Frau A: Wenn ich die Sache nur vom Verstand her betrachte, würde ich es auch so sehen. Dann erbringt auch mein Mann eine Gegenleistung. Aber mein Bauch sagt etwas anderes. Da stellt sich ein ganz schlechtes Gefühl ein. Mediator: Was für ein Gefühl genau? Frau A: Angst! Ich habe Angst, dass ich mit den Kindern das Haus verlassen muss, weil ich es mir nicht mehr leisten kann. Ich habe auch das Gefühl, dass ihm die Kinder gar nicht so wichtig sind. Wenn er wirklich möchte, dass die Kinder ihr Zuhause behalten, dann würde er seine finanziellen Interessen hinten anstellen. Da aber seine finanziellen Interessen im Vordergrund stehen, bedeutet das für mich, dass ihm die Kinder nicht so wichtig sind. Das macht mich auch traurig. Herr A (erregt): Du weißt genau, wie wichtig mir die Interessen der Kinder sind. Ich weiß, wie sie am Haus hängen. Sonst würde ich jetzt das Haus verkaufen wollen. Aber ich habe meine ganze freie Zeit in dieses Grundstück gesteckt. Wenn ich dafür gar nichts erhielte, und das wäre
192
Phase 4: Problemlösung und Einigung
so, wenn wir das Grundstück in 8 oder 10 Jahren verkaufen, hätte ich ein ganz schlechtes Gefühl. Mediator (fasst noch einmal zusammen): Sie, Frau A, haben ein schlechtes Gefühl, wenn Sie beide Eigentümer bleiben und Herr A einen Ausgleich erhält. Sie befürchten, etwas zu leisten, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Sie, Herr A, haben ein schlechtes Gefühl, wenn Sie für Ihre damaligen Arbeiten und Einbauten keinen Ausgleich bekommen. Sie haben das Gefühl, etwas geleistet zu haben, ohne eine Gegenleistung zu erlangen. Sie beide befürchten also, eine Leistung ohne Gegenleistung erbracht zu haben bzw. zu erbringen. Habe ich Sie beide so richtig verstanden? Herr und Frau A: nicken zustimmend.
Hier wird dem Mediator in Phase 4 beim Entwickeln von Lösungsmöglichkeiten klar, dass das Konfliktpaar noch nicht alle Interessen und Bedürfnisse herausgearbeitet hat.
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Tipp: Scheuen Sie sich nicht, in eine frühere Phase zurückzugehen! Verlassen Sie eine Phase der Mediation und gehen Sie in eine frühere Phase zurück, wenn Sie merken, dass in einer vorangegangenen Phase noch „nachgearbeitet“ werden muss.
Mediator: Für Sie beide ist eine Lösung nur dann gerecht, wenn Sie für eine Leistung Ihrerseits auch etwas erhalten. Ist das so? Leistung und Gegenleistung stellen für Sie beide einen hohen Wert dar? (Beide Eheleute bejahen dies.) Frau A, was würde Ihr Gefühl verbessern? Frau A: Ich könnte jetzt einen Betrag für die Arbeiten und Einbauten an dich zahlen. Beim Verkauf erhalte ich diesen Betrag aus dem Kaufpreis wieder zurück. Herr A: Dann würde ich ja jetzt nur einen Vorschuss erhalten. Frau A: Genau! Herr A: Das will ich aber nicht! Dann könnte ich ja gleich darauf verzichten. Frau A: Alles andere wäre unfair. Mediator: Ich möchte Sie gern verstehen, Frau A. Können Sie bitte noch einmal genau erläutern, weshalb eine Abfindung für Sie so unfair ist?
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Frau A: Wir wissen beide, mein Mann und ich, dass die Arbeiten, die mein Mann vorgenommen hat, für einen Käufer wenig Wert haben und beim Kaufpreis keine Berücksichtigung finden würden. Diese Arbeiten sind nur für uns wertvoll, wenn wir in dem Haus leben. Wenn ich nun z.B. in 2 Jahren auszöge, hätte ich viel Geld bezahlt und nichts davon. Das ist doch unfair. Mediator: Ich glaube, jetzt habe ich Sie verstanden. Wäre eine Abfindung für Sie fair, wenn Sie z.B. erst in 10 Jahren ausziehen würden? Frau A: Damit wäre ich sehr zufrieden. Herr A: Jetzt habe ich Dich auch verstanden. Damit wäre ich auch sehr zufrieden.
Wenig später ist sich das Konfliktpaar einig, dass Frau A den Abfindungsbetrag, den sie an Herrn A zu zahlen bereit ist, abwohnt. Sie treffen folgende Regelung: – Es verbleibt für den Zeitraum von 10 Jahren bei dem gemeinsamen Eigentum beider Konfliktpartner. Vorher können sie die Eigentümergemeinschaft gegen den Willen des anderen nicht aufheben. Dieses Recht soll in das Grundbuch eingetragen werden. – Vom Zeitpunkt des Auszugs des Ehemannes übernimmt die Ehefrau die Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag mit den Banken und stellt den Ehemann im Innenverhältnis von diesen Verpflichtungen frei, bis sie selbst aus dem Haus auszieht. Vom Zeitpunkt des eventuellen Auszugs der Frau tragen wieder beide Eheleute die mit dem Haus verbundenen Belastungen. – Für den Fall der Veräußerung der Immobilie teilen die Konfliktpartner den zu erzielenden Kaufpreis wie folgt auf: Sie zahlen aus dem Kaufpreis die dann noch valutierenden Kreditverbindlichkeiten. Von dem verbleibenden Restbetrag erhält Frau A vorab einen Betrag, den sie seit der Trennung für die Tilgung aufgewandt hat. Die Eheleute teilen den verbleibenden Restkaufpreis unter sich je zur Hälfte auf. Frau A zahlt an Herrn A für die Einbauten usw. einen Betrag in Höhe von 10 000 Euro. Diesen Betrag kann Frau A pro Jahr in Hö194
Phase 4: Problemlösung und Einigung
he von 1000 Euro abwohnen. Herr A hat bis zum Ablauf von 10 Jahren an Frau A einen Betrag in Höhe von 1000 Euro pro Jahr zurückzuerstatten, wenn die Konfliktpartner die Immobilie vor Ablauf von 10 Jahren veräußern oder Frau A auszieht. Nachdem die Konfliktpartner diese Lösung für die Auseinandersetzung ihres Eigentums gefunden haben, haben sie noch einmal überprüft, ob sie die vorläufige Regelung zum Kindesunterhalt immer noch ausgewogen finden. Für sie ist dieses „Gesamtpaket“ in sich stimmig, so dass kurze Zeit später nach rechtlicher Beratung durch die Beratungsanwälte die Beurkundung des Vertrags stattfinden kann. Resümee: Selbst Konfliktpaare, die vorbildlich im Mediationsprozess mitwirken, haben manchmal Schwierigkeiten, Lösungsvorschläge zu entwickeln. Sie glauben, dass sie Lösungen nicht realisieren können. Deshalb ist es wichtig, beim Sammeln der Vorschläge von Bewertungen Abstand zu nehmen, da Bewertungen die Kreativität beeinträchtigen. In solchen Fällen ist es hilfreich, wenn der Mediator mit „Als-ob-Realitäten“ arbeitet. Er kann die Medianden auch bitten, sich vorzustellen, sie hätten einen „Zauberstab“ und Wünsche frei. In Phase 4 der Mediation stellt sich heraus, dass in Phase 3 noch nicht alle Interessen und Bedürfnisse herausgearbeitet worden sind. Deshalb geht der Mediator mit den Klienten für kurze Zeit in die Phase 3 zurück und führt eine Klärung herbei, um hinterher in Phase 4 mit der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen fortzufahren. Der Mediator schafft Dissonanzen und beschleunigt den Verständigungsprozess.
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V. Phase 5: Abschlussvereinbarung und rechtliche Gestaltung 1. Allgemeines Während die Konfliktpartner in Phase 4 des Mediationsverfahrens die Lösung der mit der Trennung verbundenen Probleme erarbeiten und rechtliche Beratung durch parteiliche Rechtsanwälte in Anspruch nehmen, bringen sie in Phase 5 die einverständlich erarbeitete Lösung in die rechtlich verbindliche Form. Der Mediator, der als Rechtsanwalt zugelassen ist oder dem das Amt eines Notars verliehen ist, kann den Vertragsentwurf vorbereiten. Gehört der Mediator einer anderen Berufsgruppe an, so wird einer der beratenden Außenanwälte die Formulierung der Abschlussvereinbarung vornehmen. Anschließend kann die Vereinbarung entweder durch einen Notar beurkundet oder bei dem gerichtlichen Scheidungstermin gerichtlich protokolliert werden. Allerdings müssen sich in diesem Fall im Scheidungsverfahren beide Beteiligten durch Anwälte vertreten lassen, so dass die Wahl der notariellen Beurkundung für das Konfliktpaar kostengünstiger ist. Das Gesetz sieht für bestimmte Vereinbarungen die notarielle Beurkundung zwingend vor. Wenn die Konfliktparteien in der Mediation z.B. eine Einigung über Grundstücksangelegenheiten, güterrechtliche Fragen, den Versorgungsausgleich, nachehelichen Unterhalt oder einen Erbvertrag schließen wollen, so ist die notarielle Beurkundung zwingend erforderlich. Es gibt unterschiedliche Auffassungen über Inhalt und Sprache von Abschlussvereinbarungen. Der Grundberuf des Mediators kommt gerade bei der Abschlussvereinbarung stark zum Ausdruck. Mediatoren der psycho-sozialen Berufsgruppe sehen den Abschlussvertrag als Ritual, als Brücke, als „Übergang und Grenze“33. Sie raten, bei Formulierung der Vereinbarung die Fachsprache in die Sprache der Medianden zu übersetzen34. Mediatoren mit juristischem Grund33 Ripke, Charakteristika eines guten Abschlussvertrages, KonSens 1999, 341. 34 Ripke, Charakteristika eines guten Abschlussvertrages, KonSens 1999, 341, 342.
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Phase 5: Abschlussvereinbarung und rechtliche Gestaltung
beruf benutzen bei der Formulierung juristische Begriffe, so dass sich die Abschlussverträge nur wenig von den Entwürfen unterscheiden, die sie sonst auch zur Vorbereitung einer Beurkundung fertigen. Was ist nun richtig? Bei der Trennungs- und Scheidungsmediation endet das Mediationsverfahren im Falle des erfolgreichen Abschlusses mit einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung. Eine derartige Vereinbarung betrifft häufig Fragen des Güterstands, des Kindes- und Ehegattenunterhalts, erbrechtliche Fragen etc. Die Konfliktpartner wollen u.a. ihr Vermögen auseinandersetzen, die Fragen des Lebensunterhalts klären, den Lebensmittelpunkt der Kinder bestimmen und den Umgang der Kinder mit dem Elternteil regeln, bei dem die Kinder leben. Sie wollen also in der Mediation ihre rechtlichen Beziehungen regeln. Die Beteiligten eines Mediationsverfahrens fragen häufig, ob die Einigung, die sie am Ende des Verfahrens treffen, wirklich verbindlich ist. Sie haben den Wunsch, dass die Einigung auch dann wirksam ist, wenn ein Konfliktpartner mit dem Inhalt zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr einverstanden sein sollte. Sie wollen einen eindeutigen Vertrag. Sie wünschen sich Klarheit. Diese Klarheit und Eindeutigkeit kann aber nur erreicht werden, wenn auch die Formulierung der Vereinbarung keine Möglichkeiten zu unterschiedlichen Interpretationen bietet, wenn wir eindeutige Begriffe benutzen und uns der Hilfe der juristischen Fachsprache bedienen. Wenn das Gesetz für die Wirksamkeit der in der Mediation gefundenen Lösung die Beurkundung vorschreibt, wird der Notar den notariellen Vertrag natürlich in der üblichen Form vorbereiten und auch die juristische Fachsprache benutzen. Die Konfliktpartner sind gut beraten, ihre Vereinbarungen durch die beratenden Anwälte oder den Mediator, der als Anwalt zugelassen ist, formulieren zu lassen und sich dabei der juristischen Fachsprache zu bedienen. Andernfalls sind Streitigkeiten über die Auslegung vorprogrammiert. Mediatoren handhaben die Unterzeichnung der Abschlussvereinbarungen unterschiedlich. Manchmal unterzeichnen nur die Medianden den Abschlussvertrag. In anderen Fällen finden wir außerdem die Unterschrift des Mediators neben der Unterschrift der Medianden. Diese Mediatoren möchten damit zum Ausdruck brin197
Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
gen, dass sie sich „als Partner der Entscheidungsfindung“ gesehen haben und ihre „Unterschrift als Unterschrift einer Begleitung verstanden wissen“35. Wir vertreten hier eine andere Meinung. Die Vereinbarung am Ende eines Mediationsprozesses betrifft im Gegensatz zum Eingangsvertrag nur das Verhältnis der Medianden zueinander. Die Medianden sind ausschließlich selbst für den Inhalt ihrer Einigung verantwortlich, während der Mediator nur für den Prozess der Mediation einzustehen hat. Er hat deshalb den Vertrag nicht zu unterschreiben.
2. Die Vollstreckbarkeit der Abschlussvereinbarung In notariellen Verträgen haben die Vertragspartner, die sich zu Zahlungen wie z.B. Unterhalt oder Zugewinnausgleich verpflichten, die Möglichkeit, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Dies hat den Vorteil, dass der Berechtigte im Fall des Verzugs des Verpflichteten sofort mit der Zwangsvollstreckung beginnen kann, ohne ein langwieriges Gerichtsverfahren betreiben zu müssen. Anwälte und Notare sind bei der Beratung verpflichtet, die Vertragschließenden auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Sie müssen mit Regressforderungen rechnen, wenn sie dies unterlassen. Es herrschen unterschiedliche Auffassungen, ob sich die Medianden in der Abschlussvereinbarung der Zwangsvollstreckung unterwerfen sollten. Natürlich entscheiden die Medianden wie auch sonst die Beteiligten an einer Beurkundung ausschließlich selbst, ob sie eine derartige Klausel in ihren Vertrag aufzunehmen wünschen. Sie sind jedoch durch ihre parteilich beratenden Anwälte auf diese Möglichkeit der Vertragsgestaltung hinzuweisen, um frei entscheiden zu können. Im ersten Augenblick wird der Begriff der „Zwangsvollstreckungsunterwerfung“ vielleicht bei den Konfliktpartnern einen Schrecken oder ein unangenehmes Gefühl hervorrufen. Derjenige Konfliktpartner, der sich zu Zahlungen verpflichten will, wird das Gefühl haben, dass der andere Konfliktpartner ihm misstraut. Der Konfliktpartner, der die Zahlung empfangen soll, wird eine Scheu davor haben, auf einer solchen Klausel zu be-
35 Ripke, Charakteristika eines guten Abschlussvertrages, KonSens 1999, 341, 343.
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Phase 5: Abschlussvereinbarung und rechtliche Gestaltung
stehen, weil er gerade am Ende des Mediationsverfahrens dem anderen nicht misstrauen will. An dieser Stelle können Mediatoren die Medianden darauf hinweisen, dass eine derartige Vertragsgestaltung nichts mit Misstrauen, sondern eher mit Klarheit von Vereinbarungen zu tun hat, die Gefühle von Sicherheit vermitteln. Schließlich wird am Ende einer Mediation nicht ein „Gentlemen’s Agreement“ oder eine Abrede auf Ehrenwort getroffen, sondern ein verbindlicher Vertrag, auf dessen Einhaltung beide Konfliktpartner sich verlassen können sollten. Wenn ein Konfliktpartner eine Zahlungsverpflichtung – aus welchen Gründen auch immer – nicht einhält, soll der andere Vertragspartner nicht erst noch gezwungen werden, vor Gericht die Vereinbarung einzuklagen. Resümee: In Phase 5 wird die einverständlich erarbeitete Lösung in die rechtlich verbindliche Form gebracht: den Trennungs- und Scheidungsfolgenvertrag. Hier geht es um Fragen des Güterstands, Kindes- und Ehegattenunterhalts, erbrechtliche Fragen etc. Sofern das Gesetz für bestimmte Regelungen wie z.B. Güterstand, Versorgungsausgleich etc. eine entsprechende Formvorschrift enthält, sind die Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen notariell zu beurkunden. In anderen Fällen sollten die Vereinbarungen auf jeden Fall schriftlich und in der juristischen Fachsprache formuliert sein.
3. Typische Probleme mit Fallbeispielen E
Nr. 36: Bei der Ausgestaltung des Vertrags zeigt sich, dass noch nicht alle Fragen geklärt sind
Familien – und Sozialdaten: Lebensgemeinschaft Frau A und Herr B
Herr B: 45 Jahre, Gärtnermeister, Frau A: 37 Jahre, Floristin, getrennt lebend seit 2 Jahren, nicht verheiratet;
Kinder
Meike, 5 Jahre und Sebastian, 7 Jahre alt.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
Themenbereiche der Mediation: Zukünftige berufliche Gemeinsamkeit Sachverhalt und Konfliktsituation: Die Konfliktpartner haben 10 Jahre unverheiratet zusammen gelebt. Beide wollten keine Ehe eingehen. Jetzt haben beide neue Lebenspartner. Während des Zusammenlebens haben sie eine Gärtnerei und ein Blumengeschäft betrieben, ohne schriftlichen Vertrag. Diese berufliche Zusammenarbeit setzen sie trotz der Trennung fort. Frau A führt das Blumengeschäft und Herr B die Gärtnerei. Nach außen werden beide Geschäfte unter dem Namen von Herrn B in der rechtlichen Form der Einzelfirma betrieben. Sie teilen die Gewinne aus beiden Geschäften gleichmäßig untereinander auf. In der Zeit, in der Frau A die Kinder betreut, ist in dem Blumengeschäft eine Aushilfskraft beschäftigt. Verlauf der Mediation: In fünf Mediationssitzungen haben die Konfliktpartner unter Mitarbeit eines Steuerberaters eine Regelung erarbeitet. Sie haben mehrmals zwischendurch ihre parteilichen Anwälte aufgesucht. Der Mediator, der auch Anwalt ist, hat den schriftlichen Vertrag formuliert und entworfen. Danach sind beide Konfliktparteien gleichberechtigte Partner. Mit diesem Vertragsentwurf haben die Parteien ihre Außenanwälte noch einmal aufgesucht und sind jetzt in die Mediation zurückgekehrt, um ihn endgültig zu unterzeichnen. Mediator: Sie haben nun beide noch einmal Ihre Anwälte aufgesucht. Diese sollten den Vertrag vor der Unterzeichnung überprüfen. Was haben Sie bei der Beratung erfahren? Haben Sie Änderungswünsche? Frau A (zögernd): Ich finde den Vertrag, so wie er jetzt ist, eigentlich sehr gerecht und ausgewogen. Er sichert mein Einkommen und die Betreuung der Kinder. Mediator: Sie scheinen aber dennoch nicht endgültig zufrieden zu sein?
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Phase 5: Abschlussvereinbarung und rechtliche Gestaltung
Frau A: Ich fühle mich enger an meinen Partner gebunden als je zuvor. Eigentlich wollen wir uns ja trennen. Mit diesem Vertag sind wir aber fester aneinander gebunden, als wir es während unseres Zusammenlebens gewesen sind. Das macht mir Angst. Mediator: Sie wollen sich trennen. Dieser Vertrag schmiedet Sie aber fest zusammen und verhindert eine Trennung. Mit diesem Vertrag sind Sie fester verbunden als in früheren Zeiten des Zusammenlebens. Frau A: Ja, so ist es. Mediator: Herr B, wie geht es Ihnen mit diesem Vertragsentwurf? Herr B: Mir ist nicht bewusst gewesen, dass wir uns mit dem Vertrag enger aneinander binden. Eigentlich hat sie recht. Aber ich weiß nicht, wie wir es anders machen könnten. Mediator: Vielleicht gibt es doch noch andere Lösungsmöglichkeiten. Wir sollten noch einmal gemeinsam überlegen, ob Sie in der letzten Sitzung wirklich alle Möglichkeiten in Erwägung gezogen haben. Sind Sie beide damit einverstanden, über weitere Möglichkeiten nachzudenken? Frau A (seufzend): Ja, ich bin dazu bereit, obwohl ich eigentlich glücklich wäre, wenn wir alles hinter uns hätten. Aber es muss wohl so sein. Herr A: So sehe ich es auch.
Die Konfliktpartner entwickeln in weiteren sechs Sitzungen eine andere Lösung. Frau A arbeitet in dem Blumengeschäft als Angestellte. Sie erhält monatlichen Unterhalt für sich und die Kinder. Dieser ist unabhängig von ihrer Beschäftigung. Herr B ist alleiniger Geschäftsinhaber beider Geschäfte. Resümee: Beide Konfliktpartner sind zunächst daran interessiert, eine Lösung zu finden, die ihre bisherige Lebenssituation rechtlich bindend gestaltet. Andere Lösungsmöglichkeiten sehen sie erst einmal nicht. Erst als der Vertrag zur Unterzeichnung vorliegt, werden sich die Konfliktpartner der Konsequenzen dieses Lösungsweges bewusst. Eine derartige Regelung würde eine Trennung verhindern und deshalb Frau A sehr große Angst bereiten. Der Media-
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
tor ermuntert Frau A, ihre Befürchtungen auszusprechen. Dadurch wird auch dem anderen Konfliktpartner deutlich, dass die gefundene Lösung nicht ihren jeweiligen Interessen entspricht. Der Mediator unterstützt die Konfliktpartner darin, von Phase 5 nach Phase 4 zurückzugehen und nach anderen Lösungswegen zu suchen.
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VI. Supervision mit Fallbeispiel Immer wieder gibt es in der Mediation Situationen, in denen der Mediator in Gefahr gerät, aus der Balance zu geraten oder seine Neutralität und Allparteilichkeit zu verlieren. Probleme des Konfliktpaares können eigene, bislang noch nicht verarbeitete Probleme des Mediators ansprechen und den Mediator unter Druck setzen oder erschrecken. In derartigen Augenblicken ist es erforderlich, die Situation aus einer distanzierten Position zu betrachten. Supervision hat dabei die Aufgabe, für Klarheit beim Mediator zu sorgen, schwierige Stellen und Schwachpunkte in den Mediationssitzungen herauszuarbeiten und eigene Themen des Mediators wie Ängste, Druck, Sympathien und Antipathien zu bearbeiten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Supervision ein spannender Prozess ist, der in persönlicher und beruflicher Hinsicht eine Bereicherung darstellt. Im Übrigen hat Supervision in einer Gruppe auch etwas Tröstliches. Wir werden nicht nur mit eigenen Schwierigkeiten in der Mediation konfrontiert, sondern auch mit denen unserer Kollegen. Wir machen die Erfahrung, dass wir uns alle mit ganz ähnlichen Problemen auseinanderzusetzen haben. Den Fortbildungscharakter der Supervision unterstreichen nicht nur die Richtlinien von den Mediationsverbänden BAFM und BM, sondern auch die Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages vom 1. Dezember 201136 zu dem Gesetzesentwurf zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung der Bundesregierung. Auch wir sind der Meinung, dass im Hinblick auf den persönlichen Einsatz des Mediators, namentlich seiner Allparteilichkeit, eine laufende Supervision zu seiner Tätigkeit gehört. Supervision wird von Supervisoren durchgeführt, die zugleich Mediatoren sein sollten. Auskunft über geeignete Personen erteilt die BAFM. Es gibt Einzel- und Gruppensupervision, die zwischen einer Stunde und mehreren Tagen dauern kann.
36 BT-Drucks. 17/8058.
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick E
Nr. 37: Der Mediator hat das Gefühl, zum Abbruch der Mediation beigetragen zu haben
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 33 Jahre, Ingenieur, Einkommen 5000 Euro netto, Ehefrau: 29 Jahre, Volkswirtin, derzeit kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit, verheiratet seit 7 Jahren, getrennt lebend seit 6 Monaten; Kinder
Hanna, 3 Jahre und Klaus, 2 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Umgang Sachverhalt, Konfliktsituation und Ablauf der Mediation: Die Eheleute haben sich erst vor sechs Monaten getrennt und bereits eine notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, in der alle relevanten Probleme, ausgenommen der Umgang des Vaters mit den Kindern, einvernehmlich und vernünftig gelöst worden sind. Sie sind also in der Lage, trotz der kurzen Trennungszeit effizient, strukturiert und sachlich Probleme zu lösen. In der ersten Sitzung werfen sie sich plötzlich gegenseitig Alkoholmissbrauch und psychische Erkrankung vor. Der Mediator geht hierauf nicht ein. Die Konfliktpartner brechen die Mediation nach der ersten Sitzung ab. Der Mediator ist hierüber sehr betroffen und hat das beunruhigende Gefühl, zum Abbruch der Mediation beigetragen zu haben. Er begibt sich deshalb in die Supervision mit folgenden Fragen: 1. Habe ich zum Abbruch der Mediation beigetragen und wenn ja, wodurch? 2. Wie und in welcher Form hätte ich auf die Äußerungen, der Mann sei alkohol- und die Frau psychisch krank, eingehen müssen?
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Supervision mit Fallbeispiel
In der Supervision wird aus dem Teilnehmerkreis der Supervisanten die abgebrochene Mediation in Form eines Rollenspiels dargestellt. Der Mediator betrachtet den Prozess von außen. Die Supervision hat folgende Antworten auf seine Fragen gebracht: Zu 1: Der Mediator ist durch die Vorwürfe beider Konfliktpartner von Alkoholmissbrauch und psychischer Erkrankung erschrocken und verunsichert. Zum einen glaubt er die Behauptungen nicht, zum anderen weiß er nicht mit seinen Restzweifeln, die Vorwürfe könnten richtig sein, umzugehen. Deshalb übergeht er die Vorwürfe und erweckt bei der Frau das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Dies hat die Frau nach ihren Äußerungen zum Abbruch der Mediation veranlasst. Zu 2: Durch Beantwortung der Frage 1 ist nun klar geworden, dass der Mediator auf die Vorwürfe hätte eingehen müssen, z.B. wie folgt: Mediator: Ich bin überrascht. Ich habe von Ihnen gehört, dass Sie in kurzer Zeit nach Ihrer Trennung den hier vorliegenden notariellen Vertrag geschlossen haben. Dieser Vertrag ist sehr vernünftig und ausgewogen. Diese Tatsache steht für mich im Widerspruch zu Ihren Behauptungen. Sie, Herr A, sollen Alkoholiker, und Sie, Frau A, sollen psychisch erkrankt sein. Beides passt für mich auf den ersten Blick nicht zusammen. Sie machen auf mich beide einen sehr gesunden Eindruck. Ich möchte Sie beide mit Ihren Äußerungen aber auch ernst nehmen. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich eine Pause benötige, um mir selbst Klarheit zu verschaffen, wie wir weiterarbeiten können.
Eine solche Äußerung beruhigt. Sie zeigt Kompetenz und Verantwortungsgefühl. Der Mediator täuscht keine Ruhe vor, die nicht vorhanden ist und die ihm ohnehin nicht abgenommen würde; er ist authentisch und glaubwürdig. Dies schafft bei dem Konfliktpaar das Vertrauen, das sie in ihrer schwierigen Lebenssituation benötigen, um in der Mediation Lösungen erarbeiten zu können. Abgesehen von der Supervision können Sie eine solche Situation auch mit sich selber klären:
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Der Ablauf des Mediationsverfahrens – Überblick
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TIPP: Housekeeping Wenn Sie als Mediator unter Druck, Schreck oder Schock geraten oder wenn Sie ein anderes unangenehmes Gefühl an der Weiterarbeit hindert, äußern Sie dieses Gefühl in Gegenwart der Medianden. Wenn Sie eine Unterbrechung benötigen, sorgen Sie dafür, dass Sie die benötigte Pause erhalten. Nutzen Sie die Unterbrechung, um erst einmal mit sich selbst zu klären, was Sie in eine derartige Drucksituation gebracht hat. Gehen Sie auf den „Balkon“ und versuchen Sie, die Problematik aus einer distanzierten Position zu betrachten.
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C. Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
Kommunikation ist das wichtigste Handwerkzeug in der Mediation. Erst durch Kommunikation ist es möglich, einen Kontakt zwischen dem Mediatoren und den Medianden einerseits und den Medianden untereinander andererseits herzustellen. Kommunikation ermöglicht dem Mediator, in schwierigen Situationen zu intervenieren, Informationen von den Medianden zu erfragen, Ideen und Kreativität zu fördern. Nachfolgend einige Kommunikations- und Interventionsmethoden, die für die Mediation hilfreich erscheinen.
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I. Spiegeln Das Spiegeln bedeutet in der Mediation für den Mediator, mit eigenen Worten kurz wiederzugeben, was ein Konfliktpartner gesagt hat. Das Spiegeln ist eine wichtige Methode für den Mediator, dem Konfliktpartner deutlich zu machen, dass er ihm zuhört. Er kann dabei auch überprüfen, ob er tatsächlich richtig verstanden hat. Wichtig ist, die Sichtweise des Konfliktpartners darzustellen und eigene Bewertungen zu vermeiden. Beispiele: „Ich möchte sichergehen, dass ich Sie richtig verstanden habe und …“ „Sie meinen, dass …“
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II. Aktives Zuhören Zuhören ist eine Kunst und will gelernt sein. Zuhören ist auch eine Gratwanderung. Lässt der Mediator eine Konfliktpartei je nach Bedürfnis endlos reden, hat die andere Konfliktpartei das Gefühl, nicht zu Wort zu kommen. Gibt der Mediator andererseits den Medianden zur Darstellung des Konflikts nicht genug Raum, Sachverhalt und Befindlichkeit zu erläutern, haben sie das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Es gibt zwei Arten von Zuhören: passives und aktives. Beim passiven Zuhören muss der Zuhörende sein Gegenüber nicht unbedingt verstehen. Er beschränkt sich auf die Aufnahme von Äußerungen und verzichtet auf jeden Kommentar. Die Methode des aktiven Zuhörens ist bekannt aus der klientenorientierten Gesprächsführung nach Carl Rogers. Aktives Zuhören bedeutet für den Mediator einfühlendes Zuhören und Verstehen, was jeder Konfliktpartner fühlt und zum Ausdruck bringen möchte. Aktives Zuhören beruhigt den Erzählenden. Wer sich verstanden und akzeptiert fühlt, braucht sich nicht ständig zu wiederholen. Aktives Zuhören setzt voraus, dass der Hörende versucht, sich selbst zu vergessen, um nur das Gehörte in sich aufnehmen zu können, gänzlich frei von eigenem Erlebten „neu zu hören“. Ingmar Bergmann, der auf dem rechten Ohr taub war, hat in einem Interview in der Zeitschrift „The New Yorker“37 richtiges Zuhören als das Zuhören eines drei Jahre alten Kindes beschrieben. Kleine Kinder sind durch eigenes Erleben nicht vorbelastet und hören unvoreingenommen. Und wie funktioniert die Technik des aktiven Zuhörens? Es gibt zwei Arten der Kommunikation. Menschen kommunizieren verbal und nonverbal. Der Mediator filtert aus der Äußerung einer Konfliktpartei das Wichtige heraus und spiegelt es – verbal und nonverbal – akzeptierend zurück. Nonverbal geschieht die Spiegelung, indem der Mediator aufmerksam zuhört und dem Sprechenden durch aufmerksames Nicken, „mmh“, „ich verstehe“ signalisiert, dass er
37 The New Yorker, May 31, 1999, S. 76.
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
ihn wirklich versteht Es geschieht aber auch dadurch, dass der Mediator den Atemrhythmus des Medianden übernimmt. Eine ganz wichtige Form des aktiven Zuhörens und eine der wichtigsten Kommunikationsmethoden überhaupt ist das Zusammenfassen. Es genügt nicht, nur zuzuhören. Der Konfliktpartner muss wissen, ob der Mediator ihn verstanden hat. Diesem Zweck dient das Zusammenfassen durch den Mediator, der dabei das Gesagte ordnet und strukturiert. Wenn der Mediator die Äußerungen des Medianden wiederholt, sollte er möglichst dessen Sprache benutzen, ohne ihm nachzuplappern und ohne ein eigenes Werturteil hinzuzufügen. Dabei kann er Unwichtiges aussortieren, um das Wichtige auf den Punkt zu bringen. So hilft er den Konfliktpartnern, den roten Faden des Gesprächs wiederzufinden und Klarheit in die eigene Gedanken- und Gefühlswelt zu bringen. Immer wieder wird er sich vergewissern, dass er richtig verstanden hat. Wichtig ist es dabei, dem Medianden die Möglichkeit zu geben, Korrekturen anzubringen, wenn er sich missverständlich ausgedrückt hat. Zusammenfassen hat aber noch eine weitere wichtige Funktion. Dem Konfliktpartner, der seine Sichtweise der Dinge darlegt, wird klar, was er will. Er fühlt sich verstanden. Der Mediator, der zusammenfasst, vergewissert sich, dass er richtig verstanden hat. Der Konfliktpartner, der seinem Ehepartner, von dem er getrennt lebt, vielleicht niemals zuhören würde, hört nun dem Mediator zu, der die Äußerungen des anderen Konfliktpartners zusammenfasst. Er hat damit die Chance, seinen Konfliktpartner zu verstehen.
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III. Pacing und Leading Pacing (im Gleichschritt gehen) und Leading (führen) sind therapeutische Kommunikationstechniken. Pacing38 ist eine Methode, die in der Kommunikation Kontakt und Vertrauen schafft. Pacing bedeutet für den Mediator, sich der Sprache und dem Sprachverhalten (Geschwindigkeit und Lautstärke), der Gestik und/oder dem Atemrhythmus39 der Konfliktpartner anzupassen. Dadurch entsteht auf unbewusster Ebene ein intensiver Kontakt zwischen dem Mediator und den Medianden, der von der inhaltlichen Übereinstimmung unabhängig ist. Der Mediator begegnet den Medianden in ihrer Gefühlswelt und in ihrem Erleben. Er nimmt die Welt mit ihren Augen wahr. Der Mediand wird dort abgeholt, wo er sich gerade emotional befindet. Pacing bedeutet hierbei, dass sich der Mediator im Gleichschritt40 mit seinen Medianden durch die Kommunikation bewegt. Er wird sich ihm emphatisch nähern, ihn abholen, eine vertrauensvolle Beziehung herstellen und sodann die Führung (Leading) in dem Mediationsprozess übernehmen. Ein derartiges Gespräch könnte folgenden Wortlaut haben: Beispiel für Pacing und Leading Mediator: Wenn ich Sie, Herr A, so über die Zeit der Trennung reden höre, merke ich, dass Sie immer noch sehr enttäuscht über den Auszug von Frau A aus der Wohnung sind. (Pacing) Herr A: Ja, sehr. Mediator: Und ich habe den Eindruck, dass es Ihnen gut getan hat, mir dies erzählen zu können. Sehe ich das richtig? (Pacing) Herr A: nickt mit dem Kopf. Mediator: Wenn ich Sie, Frau A, richtig verstanden habe, fühlten Sie sich in der Zeit der Trennung sehr verletzt und wenig von Herrn A gewürdigt. War dies so? (Pacing)
38 Grochowiak, Das NLP Practitioner Handbuch, S. 27. 39 Grochowiak, Das NLP Practitioner Handbuch, S. 27. 40 Schieferstein/Krämer, Maulkorb für Dobermänner? Konsens 1999, 3, 7.
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
Frau A: nickt. Mediator: Sie fühlten sich beide in der Vergangenheit sehr verletzt und enttäuscht voneinander. Ich möchte Ihnen jetzt gern einen Vorschlag machen. Ich möchte Sie bitten, sich darüber Gedanken zu machen, was jeder von Ihnen beiden tun kann, damit der andere wieder Vertrauen fassen kann. (Leading)
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IV. Reframing Häufig sind die Konfliktpartner nicht gerade freundlich im Umgang miteinander. Aussagen werden feindlich formuliert. Gerade in der Trennungs- und Scheidungsmediation sind die Konfliktpartner ihren Ehepartnern, die ihnen so viel Schreckliches angetan haben, wenig freundlich gesinnt, und sie haben aus ihrer Sicht recht. Genauso recht hat natürlich der andere Konfliktpartner, der mit den gleichen Waffen zurückschlagen will. Eine derartige Verhaltensweise, so verständlich sie auch sein mag, ist aber wenig hilfreich für die Lösung schwerer Familienprobleme und sehr belastend für die gemeinsamen Kinder, die die Welt plötzlich nicht mehr verstehen. Hier hilft die Methode des Reframing. Reframing heißt „umdeuten“ bzw. „den Rahmen wechseln“. Der Mediator akzeptiert die Medianden, ohne ihre Meinung zu teilen. Er nimmt ihre Worte und formuliert sie so um, dass sie dem Problem gerecht werden. Der Mediator behält zwar das Bild, gibt ihm aber einen anderen Rahmen, d.h. er stellt die Aussage in einen neuen Kontext. Es bleibt bei dem Inhalt der Worte, jedoch wird der Kontext geändert vom Feilschen um Positionen zum Berücksichtigen von Interessen. Dadurch entstehen neue Perspektiven von Wirklichkeit. Auf diese Weise bringt der Mediator die Medianden dazu, sich mit ihren Interessen auseinanderzusetzen. Beispiel für Reframing Frau A: Du bist schon immer ein richtiges Ekel gewesen. Immer hatte ich die ganze Arbeit im Haus am Hals und du bist nach Hause gekommen, hast dir nicht mal die Füße abgeputzt und mit deinen Dreckbotten meine ganze Arbeit zunichte gemacht. Danach hast du dich vor dem Fernseher verkrochen. Herr A: Du bist doch schon immer faul gewesen. Ich habe den ganzen Tag gearbeitet. Du hast es gemütlich zu Hause gehabt. Nach so einem anstrengenden Tag war ich wirklich fertig und musste mich erst mal ausruhen.
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
Mediator, nachdem er beide kurz an die Regeln der Kommunikation erinnert: Frau A, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie das Gefühl haben, Ihr Mann würde Ihre Arbeit zu Hause nicht anerkennen? … Herr A, ist es richtig, dass Sie sich abends gewünscht hätten, …?
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V. Direkte und indirekte Kommunikation 1. Allgemeines Die Grundfigur in der Mediation ist das Dreieck: Frau A kommuniziert mit Herrn A, Frau A kommuniziert mit dem Mediator, und Herr A kommuniziert ebenfalls mit dem Mediator. Das Konfliktpaar kommuniziert untereinander anders als mit dem Mediator, weil dieser an dem Konflikt nicht beteiligt ist. Gerade Paare, die nach einer Trennung in die Mediation kommen, bringen eine sehr konfliktbeladene Paardynamik mit, welche ihnen die Kommunikation untereinander erschwert. Es ist die Aufgabe des Mediators, diese Dissonanz des Konflikts in sich auszuhalten und die Brücke zur Verständigung41 zwischen dem Konfliktpaar zu bauen. Die Menschen kommen in die Mediation, weil sie nicht mehr direkt miteinander kommunizieren können. Deshalb ist es erforderlich, dass der Mediator die Konfliktpartner zuerst innerlich voneinander trennt. Er bittet sie zu Beginn der Mediation, während der Sitzung nur mit ihm und nicht miteinander zu reden. Er hört jeden Konfliktpartner an. Der andere Konfliktpartner hat solange zu schweigen. Der Mediator weist auch darauf hin, wie schwierig, aufregend und manchmal unerträglich es sein kann, schweigen zu müssen. Das Paar kommuniziert also indirekt miteinander; die Kommunikation findet über den Mediator statt. Der Mediator hört jedem der beiden Konfliktpartner nacheinander zu und erfährt so dessen Sichtweise. Frau A lernt durch das Gespräch zwischen dem Mediator und Herrn A die Sichtweise von Herrn A kennen, und umgekehrt erlebt Herr A den Konflikt mit den Augen von Frau A durch das Gespräch zwischen dem Mediator und Frau A. Über den Mediator haben sie die Chance, einander zuhören zu können. Natürlich fällt es bei hohem Konfliktpotential schwer, die direkte Kommunikation zu unterlassen. Hier ist es die Aufgabe des Mediators, zu intervenieren und damit Streitmuster zu durchbrechen, so-
41 Mähler/Mähler in Mähler/Mähler/Duss-von Werdt (Hrsg.), Mediation: Die andere Scheidung, S. 14.
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
wie dem Paar alternative Vorschläge für die Kommunikation zu unterbreiten. Beispiel für indirekte Kommunikation und das Durchbrechen eingefahrener Streitmuster der Eheleute Mediator: Ich erlebe Sie beide in großer Spannung. Ich spüre bei Ihnen auch sehr viel Kraft und Stärke. Ich sehe Sie aber auch sehr miteinander verflochten. Nichts scheint sich zu bewegen und vorwärts zu gehen. Sehen Sie dies auch so? Herr und Frau A: Ja, nichts geht mehr. Es ist alles so aussichtslos. Mediator: Ich habe einen Vorschlag. Vielleicht ist es besser, wenn Sie jeweils nur mit mir und erst einmal nicht miteinander reden. Vielleicht hilft es Ihnen, zu einer Lösung zu kommen, wenn Sie sich nicht unterbrechen, sondern den anderen ausreden lassen. Ich würde Sie bitten, nur zuzuhören, was der andere sagt, und es erst einmal zu unterlassen, die Äußerungen des anderen zu bewerten oder ihnen zu widersprechen. „Zuhören“ bedeutet nicht gleich „zustimmen“. Macht das für Sie Sinn? Herr und Frau A: stimmen zu. Spätestens in der 3. Phase der Mediation stellt der Mediator die direkte Kommunikation zwischen den Medianden wieder her. Beispiel für direkte Kommunikation Mediator: Ich möchte Sie bitten, Herr A, das, was Sie mir gerade gesagt haben, auch Frau A direkt zu sagen.
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Direkte und indirekte Kommunikation
2. Fallbeispiel E
Nr. 38: Verbale Auseinandersetzungen werden durch indirekte Kommunikation unterbunden
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 30 Jahre, Lehrer, Ehefrau: 30 Jahre, Laborantin, verheiratet seit 6 Jahren, getrennt lebend seit einem Jahr; Kinder
Tarek, 5 Jahre und Urs, 3 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Unterhalt, Schuldenregelung, Aufenthalt der Kinder und Urlaubsgestaltung Sachverhalt, Konfliktsituation und Verlauf der Mediation: Die Trennung ist auf Wunsch von Frau A erfolgt und hat Herrn A schockiert. Er hat die Ernsthaftigkeit dieses Wunsches zuerst nicht glauben können, dann aber die Konsequenzen gezogen und die gemeinsame Wohnung verlassen. Inzwischen hat er die Trennung akzeptiert, will nicht mehr zurück und lebt mit einer neuen Partnerin zusammen. Das Paar hat vor Beginn der Mediation einen sogenannten Familientag an einem Sonntag im Monat vereinbart. An diesem Tag wollen die Eltern mit den Kindern einen Ausflug machen. Frau A ist zu Beginn der Mediation gar nicht mehr so sehr von der Richtigkeit ihrer damaligen Entscheidung überzeugt. Sie ist sehr emotional und erklärt, dass sie eifersüchtig auf die neue Freundin von Herrn A sei, weil diese sich bei den Kindern zu sehr in die Mutterrolle begebe. Sie möchte die Kinder zum Arzt und zum Ballett begleiten, wenn sie sich beim Vater aufhalten, und mit dem Vater zu den Elternabenden gehen. Während der Trennungszeit hat es immer wieder sehr konfliktbeladene Auseinandersetzungen gegeben. Frau A hat einmal das Familienauto, das sich immer bei dem Elternteil befindet, bei dem sich die Kinder gerade aufhalten, von der Wohnung von Herrn A „entführt“.
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
Frau A: Du bist derjenige, der sich nicht an die Verabredungen hält. Du warst damit einverstanden, dass wir zusammen mit den Kindern einen Ausflug machen. Du hast einfach einen Tag vorher angerufen und gesagt, dass du keine Lust hast. Herr A: Natürlich habe ich keine Lust, mit dir etwas zu unternehmen, wenn wir uns immer streiten. Außerdem hast du die Vereinbarung nicht eingehalten! Wer die Kinder hat, hat auch das Auto. Nachdem ich dir abgesagt habe, hast du einfach das Auto von meiner Wohnung geholt.
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TIPP: Holen Sie sich die Erlaubnis des Konfliktpaares, es zu unterbrechen Manche Auseinandersetzungen der Konfliktpartner sind hilfreich oder notwendig, andere nur destruktiv. Holen Sie sich deshalb bereits zu Beginn der Mediation von dem Konfliktpaar die Erlaubnis, es unterbrechen zu dürfen, wenn Ihnen die Auseinandersetzung für eine Lösung des Konflikts nicht geeignet erscheint. Wenn derartiges während der Mediation geschieht, vergewissern Sie sich, ob das Einverständnis noch immer besteht. Der Mediator kann während des Mediationsverfahrens nur mit Einverständnis der Konfliktpartner agieren.
Mediator: Darf ich Sie unterbrechen? Ja? (Das Konfliktpaar ist einverstanden.) Ich sehe Sie beide sehr erregt. Sie, Frau A, sind zornig, dass Herr A eine Verabredung nicht eingehalten hat. Sie, Herr A, sind sehr ärgerlich, dass Frau A das Auto abgeholt hat. Ich weiß, wie schwierig es in Ihrer Situation ist, miteinander zu reden. Sie sind zornig, enttäuscht, traurig und verletzt. Dies erschwert das Reden miteinander. Gerade deshalb ist es zu Beginn der Mediation hilfreich, wenn Sie nicht direkt miteinander reden, sondern erst einmal nur mit mir. Dann habe zunächst ich die Chance, Sie beide zu verstehen. Sind Sie damit einverstanden?
Das Konfliktpaar ist von der Mediation überzeugt und bereit, sich an diese Regel zu halten. Beide Konfliktpartner sind allerdings manchmal derart involviert, dass sie nicht daran denken, nur mit dem Mediator zu reden. Sie sprechen sich direkt an und weisen sich gegenseitig Schuld zu: „Du hast das … und das … getan.“ Immer wieder erinnert der Mediator an die Verabredung, nur mit dem Mediator zu reden, bis sie sich schließlich gegenseitig erinnern, nur mit dem Mediator zu reden. 218
Direkte und indirekte Kommunikation
Herr A: Und Du hast wieder … Frau A: Du weißt doch, rede mit ihm (sie zeigt auf den Mediator) und nicht mit mir.
Beide Konfliktpartner lachen und sind nach einiger Zeit auch wieder imstande, direkt miteinander zu reden. Resümee: Zu Beginn des Mediationsprozesses ist es notwendig, dass der Mediator die direkte Kommunikation zwischen den Konfliktpartnern unterbindet. Er bildet die Brücke zwischen den Beteiligten. Die Kommunikation findet über ihn statt. Spätestens in der dritten Phase des Mediationsprozesses stellt der Mediator die direkte Kommunikation wieder her.
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VI. Metapher und Bildersprache in der Mediation 1. Allgemeines Schon immer haben wir uns über Geschichten in der Welt zurechtgefunden. Metaphern sind Instrumente indirekter Kommunikation42 und haben die Aufgabe, Suchprozesse zur Konfliktlösung in den Konfliktpaaren auszulösen. Sie ermöglichen bildhaftes Verstehen und verschaffen Orientierung durch den „Gang auf den Balkon“43 und den distanzierten Blick auf die eigene Geschichte. Bei einer Metapher handelt es sich um die Übertragung eines Sachverhalts in ein Bild44 oder eine bildliche Redewendung. Metaphern sind Instrumente analoger Kommunikation und dienen dazu, dem Adressaten eine Botschaft zu übermitteln, die in einer Anekdote, einer Geschichte oder einem Märchen enthalten ist. Der Mediator erzählt den Medianden eine Geschichte, ein Märchen, ein Gleichnis oder eine Anekdote, die die wesentlichen Elemente der Konfliktsituation des Paares abbildet. Hierbei kann es sich um eine Geschichte handeln, die sich der Mediator ausdenkt oder der Literatur entnimmt. Er kann aber auch die Bilder und Metaphern nutzen, die die Medianden selbst in den Mediationsprozess einbringen. Personen und Ereignisse in der Metapher sollten den Personen und der Situation des Konfliktpaares entsprechen. Metaphern fordern die Medianden auf, Vergleiche mit der eigenen Situation zu ziehen. Bewusster Einsatz von Metaphern entkrampft und setzt bei den Medianden Kreativität und Lösungsenergie frei45.
42 Watzke, Äquilibristischer Tanz zwischen Welten, S. 28. 43 Im Fallbeispiel Nr. 37, S. 204 wird auch dem Mediator geraten, auf den „Balkon“ zu gehen, um die Problematik aus einer distanzierten Position zu betrachten. 44 Risto, „Du sollst Dir ein Bildnis machen“ -Einsatz und Konstruktion von Metaphern in der Mediation, ZKM 2000, 7. 45 Risto, „Du sollst Dir ein Bildnis machen“ -Einsatz und Konstruktion von Metaphern in der Mediation, ZKM 2000, 7, 8. Beispiele für die Bildung von Metaphern, um beispielsweise einen Perspektivenwechsel oder Blockaden zu lösen, wenn eine Mediation zum Stillstand gekommen ist, finden Sie bei Dulabaum, Mediation: Das ABC, S. 114 ff.
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Metapher und Bildersprache in der Mediation
Beispiel: Wie bilde ich eine Metapher? Nutzen Sie ein Wort, um sich die Situation in einer Familie beschreiben zu lassen. Bitten Sie die Klienten, sich vorzustellen, bei ihrer Familie würde es sich um einen Bus handeln. Lassen Sie sich von dem Konfliktpaar beschreiben, um welche Art Bus es sich hierbei handelt: um einen Reisebus, einen Bus der städtischen Verkehrsgesellschaft, einen Kleinbus … Stellen Sie folgende Fragen: – Wer fährt den Bus? – Wer sitzt noch im Bus? – Wer gibt die Richtung an? – Was geschieht, wenn sich ein Unfall oder eine Reifenpanne ereignet?
2. Fallbeispiele E
Nr. 39: Der Mediator nutzt die Metapher der Medianden: Ein Konfliktpartner „nimmt das Recht in die eigenen Hände“
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 40 Jahre, Ingenieur, arbeitslos, Ehefrau: 40 Jahre, Therapeutin, verheiratet seit 10 Jahren, getrennt lebend seit einem Jahr; Kinder
Gisa, 8 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Vertrauen, Auseinandersetzung eines gemeinsamen Grundstücks Sachverhalt und Konfliktsituation: Aus Anlass der Trennung hat Herr A die gemietete Ehewohnung verlassen und ist in das gemeinsame Ferienhaus gezogen, das 80 km
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
entfernt ist. Frau A ist mit der Tochter in der Ehewohnung geblieben. Zu Beginn der Trennung haben die Konfliktpartner vereinbart, dass Herr A die Verwaltung des gemeinsamen Grundstücks übernimmt und das gemeinsame Hauskonto führt, wobei Einigkeit geherrscht hat, dass eine Entnahme vom gemeinsamen Konto zu privaten Zwecken zu unterbleiben hat. Dennoch hat Herr A einige Monate vor Beginn der Mediation 2250 Euro für private Zwecke abgehoben. Die Konfliktpartner haben in Phase 2 der Mediation die Themenbereiche festgelegt. Beide haben dargelegt, dass sie voneinander während des Zusammenlebens enttäuscht worden sind. Eine Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung können beide nur dann abschließen, wenn es ihnen gelingt, wieder Vertrauen zueinander zu fassen. Deshalb wollen sie zuerst das Thema Vertrauen bearbeiten und hier eine Regelung treffen, bevor sie sich über das gemeinsame Vermögen auseinandersetzen. Frau A: Als wir uns getrennt haben, sind wir einig gewesen, dass mein Mann in unser Ferienhaus zieht und unser gemeinsames Konto für das Haus verwaltet. Wir sind uns darüber einig gewesen, dass mein Mann von diesem Konto nur die Ausgaben für das Haus tätigt. Wir wollten dieses Konto nicht für Privatentnahmen nutzen. Ich bin entsetzt gewesen, als ich durch die Kontoauszüge feststellen musste, dass er 2250 Euro abgehoben hat. Stellen Sie sich vor! Er hat das Recht in die eigenen Hände genommen. Das geht doch nicht. Herr A: Ich habe meine Arbeit in dem Ingenieurbüro verloren und nur 700 Euro Arbeitslosengeld bezogen. Ich bin in unser Ferienhaus gezogen und habe dieses erst einmal zu Ende ausgebaut. Im Erdgeschoss habe ich eine Wohnung eingerichtet, die wir jetzt vermietet haben. Im Obergeschoss habe ich eine Wohnung für mich ausgebaut. Möbel musste ich mir auch beschaffen. Ich habe kein Geld gehabt! Ich wollte mit ihr immer wieder über unsere finanziellen Angelegenheiten reden. Sie hat nie Zeit gehabt. Da habe ich das Recht in die eigenen Hände genommen.
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TIPP: Nutzen Sie die Metaphern und die Bildersprache, die die Medianden einbringen! Sie können die Medianden bei der Klärung ihrer Probleme unterstützen, wenn Sie die Bilder und Metaphern nutzen, die die Konfliktpartner in den Mediationsprozess einbringen. Ermuti-
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Metapher und Bildersprache in der Mediation
gen Sie sie, sich selbst in die Bilder und Metaphern hineinzubegeben und darin zu denken. Mediator: Sie nutzen beide denselben Ausdruck: das Recht in die eigenen Hände nehmen. Was bedeutet es für Sie beide, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen? Wer möchte beginnen? Frau A: Ich kann ihm nicht mehr vertrauen. Er hat gegen unsere Absprache gehandelt. Er hat mich betrogen. Er hat unser Geld für sich genommen. Mediator: Und was bedeutet es für Sie, wenn er etwas, das auch Ihnen gehört, gegen Ihren Willen in seine Hände nimmt? Frau A: Ich fühle mich ohnmächtig und völlig hilflos. Er hat ja auch in unserem Haus noch ein neues Schloss eingebaut, so dass ich nicht mehr hinein konnte. Mediator: Herr A, was hat es für Sie bedeutet, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen? Herr A: Ja, ich habe gegen unsere Absprache gehandelt. Aber was sollte ich denn tun? Ich musste doch das Recht in die eigenen Hände nehmen. Ich habe nicht mehr gewusst, was ich tun soll. Ich habe mich völlig hilflos gefühlt, weil ich mit ihr nicht reden konnte. Ich habe auch Angst gehabt, weil ich völlig abgebrannt gewesen bin. (Herr A benutzt eine weitere Metapher.) Mediator: Abgebrannt? Herr A: Ja, abgebrannt. Ich habe nichts mehr gehabt. Ich habe alles durch die Trennung verloren. Ich habe den intensiven Kontakt zu meinen Freunden verloren, weil ich wegziehen musste. Das warme Gefühl, in einer Familie leben zu können, hat es für mich nicht mehr gegeben. Mein Konto ist völlig leer gewesen. Ich habe meine Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Ich habe nur noch Angst und Kälte gespürt. Ich habe mit ihr abrechnen wollen, weil ich wegen anderer Ausgaben zumindest einen Teil des Geldes beanspruchen konnte. Ich wollte mit ihr darüber reden, aber sie hat es nicht gemacht. Ich habe mich so ohnmächtig gefühlt. Mediator: Und was haben Sie verspürt, als Sie das Recht in die eigenen Hände genommen haben? Herr A: Als ich das Geld von unserem Konto abgehoben habe, habe ich mich weniger hilflos gefühlt. Ich war viel handlungsfähiger und konnte fi-
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
nanziell überleben. Außerdem habe ich einen großen Teil des Geldes zu beanspruchen. Frau A: Das möchte ich noch dahingestellt sein lassen. Ich habe so viel Vertrauen verloren, weil er eine Entnahme von unserem Konto getätigt hat, ohne sie mit mir abgesprochen zu haben. Es ist schon richtig, dass ich damals nicht mit ihm reden konnte. Mediator: Ich möchte zusammenfassen, was ich von Ihnen beiden verstanden habe. Sie, Frau A, haben sich ohnmächtig und hilflos gefühlt, als Herr A das Recht in die eigene Hand genommen hat. Sie, Herr A, haben das Gefühl von Hilflosigkeit und Angst dadurch zu beseitigen gesucht, dass Sie das Recht in die eigene Hand genommen haben. Ist das so? Frau und Herr A: nicken.
Beide Konfliktpartner haben die gleiche Metapher benutzt. Für beide Partner ist dieser Begriff ein Ausdruck ihrer Unfähigkeit gewesen, Konflikte kommunikativ auszutragen. In dem restlichen Teil der eben dargestellten Mediationssitzung hat das Konfliktpaar eine Vereinbarung erarbeitet, wie es in Zukunft in schwierigen Situationen miteinander umgehen wollte. Danach haben sie sich den übrigen Themenbereichen zugewandt. Resümee: Der Mediator kann die Konfliktpartner bei der Selbstklärung ihrer Probleme unterstützen, wenn er die Metaphern aufgreift, die sie benutzen. Beide Medianden haben dieselbe Metapher benutzt. Herr A hat das „Recht in die eigene Hand genommen“. Mit Hilfe des Mediators finden die Konfliktpartner heraus, dass dieser Begriff für beide Partner ein Ausdruck von Hilflosigkeit, Ohnmacht und der Unfähigkeit ist, in Krisensituationen miteinander zu kommunizieren. Frau A, weigert sich zu reden. Herr A fühlt sich deshalb ohnmächtig. Er nimmt sich, was ihm vermeintlich zusteht und löst damit seinerseits bei Frau A das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit aus.
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Metapher und Bildersprache in der Mediation E
Nr. 40: Metaphern helfen den Medianden, ihre Ängste zu verlieren
Familien- und Sozialdaten: Ehepaar A Ehemann: 44 Jahre, Betriebswirt, Ehefrau: 44 Jahre, Buchhalterin, seit der Ausbildung nicht mehr berufstätig, verheiratet seit 23 Jahren, getrennt lebend seit 2 Jahren; Kinder
Nikola, 21 Jahre und Simon, 18 Jahre alt.
Themenbereiche der Mediation: Unterhalt für Nikola, Simon und Frau A, Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit von Frau A Sachverhalt und Konfliktsituation: Die Ehepartner haben die Trennung gemeinsam beschlossen. Herr A hat bis heute die Kosten für das gemietete Haus und den Gesamtfamilienunterhalt getragen. Frau A hat wie auch vor der Trennung die Kinder und das Haus versorgt. Sie geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Zum Teil sind ersparte Gelder im Einvernehmen für den Lebensunterhalt verwendet worden. Dies soll auch weiter geschehen, bis Simon demnächst das Abitur hat. Verlauf der Mediation: In der vierten Sitzung arbeiten die Konfliktparteien die Interessen heraus. Herr A möchte Unterhalt für einen begrenzten Zeitraum zahlen. Danach möchte er, dass Frau A wieder berufstätig und wirtschaftlich unabhängig wird. Dies möchte Frau A auch. Sie würde sich eine Anstellung in einem Steuerberatungsbüro wünschen. Ihr fehlen aber jegliche Kenntnisse der EDV. Sie bezweifelt, dass sie eine Anstellung finden wird. Herr A: Das höre ich jetzt seit über einem Jahr. Natürlich hast du recht, wenn du befürchtest, dass dich niemand ohne Kenntnisse im Computerbereich anstellen wird. Aber du musst dir diese Kenntnisse eben aneignen. Ich habe dir schon 10 Adressen gegeben, bei denen du dich zu einem PC-Kurs anmelden kannst. Du tust es nicht. Das kann doch nicht
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
ewig so weiter gehen. Du wirst ja nicht jünger und die Chancen werden nicht besser. Fang endlich an! Frau A (weinend und sehr zögerlich): Ich habe solche Angst. Mediator: Frau A, ich höre und sehe, dass sie Angst haben. Wovor genau fürchten Sie sich? Frau A: Ich weiß es nicht genau, aber alles kommt mir so fremd vor. Ich weiß gar nicht mehr, wie man sich „da draußen“ benimmt. Alles ist an mir vorbeigegangen. Die Kinder gehen so spielerisch mit der Computertechnik um. Wenn ich dies beobachte, glaube ich, das auch lernen zu können. Wenn ich jedoch vor einem Computer sitze, dann fürchte ich mich, auch nur eine Taste zu berühren. Deshalb habe ich Angst, mich zu einem Lehrgang anzumelden. Mediator: Ich glaube, dass ich verstehe, was Sie meinen. Darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen?
Beide Konfliktpartner sind etwas irritiert, stimmen aber zu. Mediator: Erinnern Sie sich an die Geschichte vom Froschkönig? Die Prinzessin hat dem Frosch versprochen, dass er am Tisch neben ihrem Teller sitzen und in ihrem Bettchen schlafen dürfe. Der Frosch kommt zu der Prinzessin und verlangt, dass sie ihr Versprechen erfüllt. Die Prinzessin bekommt Angst und geht zu ihrem Vater, dem König, und sagt: „Ich will nicht, dass der Frosch an meinem Tisch sitzt“. Der König fragt: „Warum willst du das nicht mehr? Du hast es ihm doch fest versprochen. Versprechen muss man einhalten.“ Die Prinzessin erwidert: „Das weiß ich auch. Aber ich fürchte mich vor dem Frosch. Er ist so glibberig und glitschig, und ich habe Angst.“ Der König sagt zu seiner Tochter: „Du hast Angst. Das kann ich gut verstehen. Mein Kind, ich werde dir sagen, wie man den Geist der Angst besiegen kann. Bitte, höre gut zu: Sieh auf das, was dir Angst macht. Schau dir den Frosch genau an. Hole tief Luft und tu, was zu tun ist. Die Prinzessin folgt dem Rat. Wunderbarerweise verwandelt sich der Frosch nach der Begegnung mit der Prinzessin in einen wunderschönen Prinzen. Die Prinzessin hat ihren Traumpartner gefunden. Frau A, wie hört sich das für Sie an? Frau A: Das hört sich sehr einfach an. Vielleicht ist es auch einfach. Ich weiß, dass ich wieder arbeiten muss. (Dabei holt sie hörbar ganz tief Luft.) Ich werde mich morgen zu dem Kurs anmelden.
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Metapher und Bildersprache in der Mediation
Diesen Entschluss setzt Frau A tatsächlich in die Tat um. Jedes Mal, wenn sie vor dem Computer Platz nimmt und Angst hat, den PC einzuschalten, erinnert sie sich an das Märchen. Herr A erkennt ihre ernsthaften Bemühungen an, tatsächlich einen eigenen beruflichen Neustart zu beginnen. Das Paar einigt sich; Herr A sagt Frau A solange seine finanzielle Unterstützung zu, bis sie eine Anstellung gefunden hat. Resümee: Der Mediator erzählt den Konfliktparteien eine Geschichte, in der es um die Überwindung von Ängsten geht. Diese Metapher bringt Frau A dazu, einen Vergleich mit ihrer eigenen schwierigen Situation zu ziehen und ermutigt sie, die für sie mit Angst verbundene Situation selbst zu klären. Sie lernt, mit ihren Ängsten umzugehen.
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VII. Reflecting Team Die Methode des Reflecting Teams ist ebenfalls eine Unterart der indirekten Kommunikation. Sie setzt zwei Mediatoren voraus. Die Mediatoren wenden sich von dem Konfliktpaar verbal oder nonverbal ab und reden nur miteinander. Dabei erzählen sie sich, was sie gerade in der Mediation mit diesem Konfliktpaar erlebt haben, was ihnen in der Mediation aufgefallen ist, oder sie beschreiben die Konfliktsituation in Form von Metaphern. Sie können auch Vermutungen äußern, als advocatus diaboli agieren oder provokante Vorschläge machen. Die Mediatoren können sich z.B. fragen, was man tun könnte, um die Situation noch weiter zu verschlimmern. Hierbei haben die Mediatoren jedoch zwei Bedingungen einzuhalten: – Die Kommunikation findet ausschließlich zwischen den Mediatoren statt. – Im Reflecting Team äußern die Mediatoren keine Tatsachen, Wahrheiten, Schuldzuweisungen etc., sondern sie kommunizieren ausschließlich in den Formen der Vermutung und der Phantasie.46 Die Mediatoren sprechen im Reflecting Team die Medianden nicht direkt an, sondern lassen sie Zeugen ihres Gesprächs werden. Durch diesen Blick von außen haben es die Medianden leichter, sich schwierigen Themen zu nähern und Widerstand aufzugeben.
46 Watzke, Äquilibristischer Tanz zwischen Welten, S. 39.
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VIII. Das gemischte Doppel Bei dem gemischten Doppel, das Ed Watzke47 entwickelt hat, handelt es sich um eine gesteigerte Form des Reflecting Teams. Das gemischte Doppel benötigt zwei Mediatoren, die bereits mediationserfahren sind. 1. Variante: 1. Phase: Die Mediatoren begrüßen die Medianden gemeinsam. Danach zieht sich jeder Mediator mit seinem Konfliktpartner in einen gesonderten Raum zurück, um eine Beziehung zu dem Konfliktpartner aufzubauen. Jeder Mediator erfährt die Konfliktsituation ausschließlich aus der Sichtweise des Konfliktpartners, der vor ihm sitzt. Am Ende dieses Erstgespräches hat jeder Mediator jeweils eine Geschichte erfahren, die um den Vorfall und den Konflikt rankt und jeweils die Sichtweise eines Betroffenen wiedergibt. 2. Phase: Wenn die Einzelgespräche zu Ende sind, treffen sich die Mediatoren und die Medianden. Sie nehmen folgende Sitzordnung ein:
Mediator
Frau A
Mediator
Herr A
47 Watzke, Äquilibristischer Tanz zwischen Welten, S. 32 ff.
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
Die Mediatoren informieren die Medianden über den Fortgang des Mediationsprozesses. Dies kann mit folgenden Worten geschehen: „Wie angekündigt, setzen wir uns nun zu viert zusammen. Wir möchten als Spielregel vereinbaren, dass Sie uns ausschließlich zuhören, erst einmal nichts sagen und das Gesagte nur auf sich wirken lassen. Ich werde meinem Kollegen Ihre Geschichte erzählen und dieser wird mir die Geschichte Ihres Konfliktpartners/Ehemannes/Ehefrau erzählen. Danach haben Sie selbstverständlich ausreichend Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Auch wenn es Ihnen vielleicht schwerfällt, bitte unterbrechen Sie nicht. Hören Sie zuerst nur zu.“48 Die Mediatoren wenden sich nunmehr demonstrativ von den Medianden ab und erzählen einander das, was sie jeweils gehört haben. Dabei haben sie keinen Blickkontakt zu den Konfliktpartnern. Sie tun so, als seien sie allein im Raum. Sie enthalten sich außerdem jeder persönlichen Wertung und Interpretation. Danach wenden sich die Mediatoren voneinander ab und den Konfliktpartnern wieder zu und fordern sie z.B. mit folgenden Worten auf, Stellung zu nehmen: „Sie, Herr A haben die Geschichte aus meinem Mund gehört! Habe ich den Sachverhalt richtig wiedergeben. Was wurde vergessen? Was ist falsch wiedergegeben? Was möchten Sie ergänzen?“ Die Figur dauert solange, bis sich der Mediand in den Geschichten wiedererkennt. Danach wendet sich der Co-Mediator dem anderen Konfliktpartner zu und stellt dieselbe Frage. 2. Variante: Variante 2 des gemischten Doppels läuft wie Variante 1 ab. Nur bauen die Mediatoren in die Schilderung des Sachverhalts zusätzlich Metaphern oder paradoxe Interventionen zum Spiegeln der Geschichte ein. Es können auch Vermutungen und Phantasien geäußert, Witze erzählt, böse Unterstellungen als advocatus diaboli oder provokative Vorschläge gemacht werden, deren Befolgung die Lage vielleicht sogar noch verschlimmern würden. Auch gewagte Inter-
48 Watzke, Äquilibristischer Tanz zwischen Welten, S. 34, 35.
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Das gemischte Doppel
pretationen und Lösungsvorschläge sind erlaubt49. Weil die Mediatoren die Medianden nicht direkt ansprechen, sondern Zeugen eines Gesprächs werden lassen, in dem viele Vermutungen und Phantasien geäußert werden, sind die Medianden imstande, sich schwierigen Situationen und Themen ohne großen Widerstand zu nähern. Je besser die Mediatoren das Thema in eine Metapher verpacken und je humorvoller sie es präsentieren, desto einfacher wird es für die Medianden sein, sich dem komplizierten Thema zu nähern. Das gemischte Doppel setzt eine große Erfahrung als Mediator und eine Übung in der Technik voraus. Diese Technik gehört nicht in die Hände von Anfängern.
49 Watzke, Äquilibristischer Tanz zwischen Welten, S. 39.
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IX. Doppeln Doppeln ist insbesondere in Phase 3 der Mediation eine der wichtigsten Techniken50. Immer wieder haben Mediatoren in der Mediation das Gefühl: „So wie die Konfliktpartner miteinander umgehen, werden sie nie eine Lösung ihres Problems finden.“ In solchen Augenblicken ist es die Aufgabe des Mediators, den Konfliktpartnern als „Dolmetscher“ behilflich zu sein, indem er in die Rolle eines Konfliktpartners schlüpft und in dieser Rolle den anderen direkt anspricht. Bei dem Doppeln handelt es sich um einen Prozess, den der Mediator in vier Schritten vollzieht. Wichtig ist, dass der Mediator an unterschiedlichen Orten im Mediationsraum agiert. Die einzelnen Schritte51: Schritt 1: Der Mediator fragt einen Konfliktpartner, ob er neben ihn treten und statt seiner etwas zu dem anderen Konfliktpartner sagen darf. Wichtig ist hierbei, dass der Mediator die Frage noch von seinem Platz aus stellt und der Mediand die Erlaubnis erteilt. Schritt 2: Erteilt der Mediand die Erlaubnis, verlässt der Mediator seinen Platz und tritt neben den Konfliktpartner. Hierbei geht er etwas in die Hocke, um die gleiche Sichthöhe zu haben und spricht in der Ich-Du-Form für die gedoppelte Person zu dem anderen Konfliktpartner. Er nimmt dabei die Sichtweise der gedoppelten Konfliktpartei ein, allerdings nutzt er kommunikationsfördernde Worte und nimmt auch Umdeutungen vor. Schritt 3: Nach dem Doppeln fragt der Mediator die gedoppelte Person: „Stimmt das so?“ Wird die Frage verneint oder nicht eindeutig bejaht, so bittet der Mediator die gedoppelte Person um eine Korrektur oder Ergänzung und wieder-
50 Thomann, Klärungshilfe: Konflikte im Beruf, S. 276; Thomann/Schulz von Thun, Klärungshilfe, S. 108. 51 Thomann, Klärungshilfe: Konflikte im Beruf, S. 276.
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Doppeln
holt den Vorgang. Fühlt sich die gedoppelte Person korrekt wiedergeben, so kann die Aussage stehenbleiben. Schritt 4: Nach dem Doppeln kehrt der Mediator auf seinen Platz zurück und fragt erst jetzt die andere Konfliktpartei: „Und was sagen Sie dazu?“ oder: „Wie geht es Ihnen, wenn Sie dies hören?“ Doppeln und aktives Zuhören sind sich sehr ähnlich. Beim Doppeln geht es jedoch „nicht nur um die Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte, sondern gleichfalls um die Ergänzung und Klärung von Sache, Selbstaussage, Beziehung und Appell.“52 Während beim aktiven Zuhören der Mediator die „Du-Sprache“ bzw. „Sie-Sprache“ („Ich merke, dass Sie sehr darunter leiden, Ihre Kinder nur noch einmal im Monat sehen zu können.“) benutzt, spricht er beim Doppeln anstelle des Medianden in der „Ich-Du-Sprache“ („Ich bin sehr enttäuscht, Franz, dass du …“ oder: „Franz, ich möchte dir etwas ganz Wichtiges sagen …“.)
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TIPP: Doppeln Wenn Sie einen Konfliktpartner in der Mediation doppeln, holen Sie sich auch die Erlaubnis von dem anderen Konfliktpartner ein, ihn während des Doppelns mit „du“ und dem Vornamen anzureden.
52 Thomann/Schulz von Thun, Klärungshilfe, S. 110.
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X. Die Kunst des Fragens Der Mediator steuert den Mediationsprozess durch Fragen. Präzise Fragen bringen präzise Informationen hervor und lösen Kommunikationsstörungen auf.
1. Die Fragen des Mediators an die Medianden Bei offenen Fragen ist jede Antwort möglich und der Mediator kennt die Antwort nicht: – Wie lange leben Sie schon getrennt? – Wie oft sehen Sie Ihre Tochter? – Was ist geschehen? Geschlossene Fragen können nur mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden und sind hilfreich, wenn der Mediator die Medianden ihrem Thema zurückführen möchte. – Wollen Sie weiterhin Eltern bleiben? – Wollen Sie das Beste für Ihr Kind? Wenn sich Menschen in Krisensituationen befinden, die festgefahren sind, benötigen sie einen Zugang zu ressourcevollen Zuständen. Der Mediator kann die Als-ob Technik anwenden und die Medianden mit Als-ob-Fragen bei ihrer Zukunftsplanung unterstützen. Er sollte die Medianden auf solche Fragen vorbereiten, wobei folgende einleitenden Worte denkbar sind: Ich möchte Ihnen ein Experiment vorschlagen, darf ich? Danach bittet der Mediator das Konfliktpaar, sich in Gedanken eine Situation in der Zukunft vorzustellen, in der der Konflikt nicht mehr existiert: – Stellen Sie sich vor, Ihre Frau würde …? – Stellen Sie sich vor, Sie würden diese Möglichkeit einmal wahrnehmen. Was würde geschehen? – Nehmen Sie einmal an, Sie würden sich für … bei Ihrem Mann entschuldigen. Wie würde er reagieren? 234
Die Kunst des Fragens
– Was würde passieren, wenn …? – Falls es doch möglich wäre? – Tun Sie bitte so, als ob …? – Stellen Sie sich bitte vor, es seien bereits drei Jahre vergangen. Sie leben in einer anderen schönen Wohnung. Wie würde es Ihnen gehen? – Stellen Sie sich die Zukunft vor: Sie sind krank, verreist … und können nicht nach Hause zurück! Wer würde sich um die Tochter kümmern? – Falls Sie diese Unterstützung durch Ihre Eltern hätten, wie würde das sein? Mit solchen Fragen kann der Mediator eine Bewegung in starre Konfliktbeziehungen bringen. Er hilft den Konfliktpartnern, eine Zukunftsvision zu entwickeln. Bei dieser Vision handelt es sich nicht um eine Lösung. Eröffnungsfragen bringen das Gespräch in Gang. – Was erhoffen Sie sich von Mediation? – Was sind Ihre schlimmsten Befürchtungen? – Sie haben also Angst, über den Tisch gezogen zu werden! Was können Sie tun, um diese Befürchtung zu verlieren? Oder: Was kann Ihr Mann/Ihre Frau tun, damit Sie wieder Vertrauen haben können? – Können Sie sich vorstellen, mit mir als Mediator zu arbeiten? Die Motivation bestimmt das Thema. – Was ist Ihnen besonders wichtig zu regeln? – Worüber besteht bereits Einigkeit? Fokussierende Fragen53 können die Auseinandersetzung wieder auf die Kernpunkte zurückbringen: – Was hat die Frage mit den Kindern zu tun? – Glauben Sie, dass Sie auf diese Art und Weise, wie Sie miteinander reden, einer Lösung näherkommen? 53 Haynes/Bastine/Link/Mecke, Scheidung ohne Verlierer, S. 214.
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
– Darf ich Ihnen eine Frage stellen: Ist die Lösung immer noch Ihr Wunsch? Wenn die Medianden die Frage mit „ja“ beantworten, kann der Mediator die weitere Frage stellen: Wie meinen Sie, Frau A, Herr A, sollte Ihr Gegenüber mit Ihnen reden, damit eine Lösung erarbeitet werden kann? Miteinbeziehende Fragen54 ermutigen die Medianden, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern: – Was sagen Sie dazu? – Wie finden Sie die Idee? Reflexive Fragen sollen die Konfliktpartner zum Nachdenken bewegen und sich Gedanken darüber zu machen, was geschehen wird, wenn sie sich nicht einigen: – Was können Sie Gutes über Ihren Mann (Frau) sagen? Welche guten Eigenschaften haben die Kinder von ihm (ihr) geerbt? – Was denken Sie, gefällt den Kindern am Besten an ihrem Vater (Mutter)? – Ist es in Ordnung, dass Eltern unterschiedliche Ansichten haben? – Stellen Sie sich vor, Sie bekämen, was Sie sich wünschen. Wie geht es Ihnen in diesem Fall? Was löst dies für Gefühle in Ihnen aus? – Stellen Sie sich vor, Sie erzielen hier in der Mediation kein Ergebnis und Sie gehen vor Gericht. Was geschieht mit Ihnen, Herr A, wenn die Kinder sich nach der gerichtlichen Entscheidung bei der Mutter aufhalten werden? Und, Frau A, was wäre umgekehrt, wenn der Richter die Kinder dem Vater zuspricht? – Stellen Sie sich vor, Sie prozessieren Jahre über den Unterhalt. Einer von Ihnen gewinnt, einer von Ihnen verliert oder Sie schließen beide in der zweiten Instanz einen Vergleich, den Sie eigentlich beide nicht wollen und haben hohe Anwalts- und Gerichtskosten zu zahlen. Können Sie dann überhaupt noch gut miteinander über die Dinge kommunizieren, die die Kinder betreffen?
54 Haynes/Bastine/Link/Mecke, Scheidung ohne Verlierer, S. 214.
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Die Kunst des Fragens
– Wenn die Kinder erwachsen sind, was werden sie über Ihr beider Verhalten während Ihrer Trennungszeit denken? Zirkuläre Fragen: Es ist die Aufgabe des Mediators, Dissonanzen hervorzurufen und die Konfliktpartner dazu zu bringen, die Situation auch mit den Augen des anderen zu sehen. Durch Fragen kann er sie dazu bringen, in die Rolle des anderen zu schlüpfen: – Ich möchte, dass Sie sich beide über eine Lösung Gedanken machen. Frau A, was würden Sie von Herrn A als Gegenleistung verlangen, damit Sie mit seiner Position einverstanden sein können? Und Herr A, was würden Sie als Gegenleistung von Frau A verlangen, damit Sie mit der Position von Frau A einverstanden sind? Und schließlich möchte ich Sie beide bitten, sich darüber Gedanken zu machen, was Sie dem anderen anbieten, damit er mit Ihrer Position einverstanden ist? 55 Schlussfragen56 stellen sicher, dass das Thema abgeschlossen ist. – Was brauchen Sie noch, um über den Wert der Immobilie sicher sein zu können? – Haben Sie die Informationen, die Sie brauchen? – Haben wir über diesen Punkt genug geredet? – Wollen Sie noch einen weiteren Punkt besprechen?
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TIPP: Fragen Es gibt keine falschen Fragen! Es gibt nur falsche Zeitpunkte, zu denen sie gestellt werden! Eine Frage zum falschen Zeitpunkt ist grundsätzlich kein Drama und verursacht in der Regel keinen Abbruch der Mediation, solange Sie authentisch bleiben! Sie haben je nach Temperament der Beteiligten unterschiedliche Möglichkeiten, auf derartige Fehler zu reagieren.
55 Haynes/Bastine/Link/Mecke, Scheidung ohne Verlierer, S. 173. 56 Haynes/Bastine/Link/Mecke, Scheidung ohne Verlierer, S. 214.
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
2. Die Fragen des Mediators an sich selbst Der Mediator stellt Fragen aber nicht nur an die Konfliktpartner, sondern auch an sich selbst. Hierbei kann es sich um folgende Fragen57 handeln: – Mit welchem der beiden Konfliktpartner stimme ich am meisten überein? Mit der Beantwortung dieser Frage trifft der Mediator eine Aussage über seine Neutralität und Balance und kann mit sich selbst klären, ob die Gefahr einer Allianz besteht. – Mit welchen Eigenschaften habe ich den Klienten belegt? Manchmal neigt man dazu, andere Menschen mit einem Etikett zu versehen, das den eigenen, klaren Blick verhindert: psychisch krank, abhängig, unverantwortlich u.a. – Woher kommt mein Vorurteil oder meine negative Einstellung? – Bin ich noch neugierig? Ein guter Mediator ist ein Mediator, für den die Arbeit mit den Klienten spannend ist. Es besteht die Gefahr, dass der Mediator die Kontrolle über den Prozess verliert, wenn er sich langweilt. – Wer beeinflusst wen? – Weiß ich mehr, wenn ich weniger weiß? – Hindern mich meine Kenntnisse des Falles am Nachfragen nach mehr Informationen?
57 Diese Fragen hat John M. Haynes in einem Seminar vom 19.8. bis 21.8.1995 in Berlin entwickelt.
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XI. Gewaltfreie Kommunikation nach Marshal Rosenberg58 Gewaltfreie Kommunikation ist keine Mediation, sondern eine Methode, die in der Mediation sehr hilfreich ist, die hinter den Positionen liegenden Bedürfnisse herauszuarbeiten. Gewaltfreie Kommunikation vollzieht sich in vier Schritten: 1. Beobachtung 2. Gefühl 3. Bedürfnis 4. Bitte Nach Wittgenstein59 bestimmen unsere Sprachmuster unsere Wahrnehmung. Unsere Alltagskommunikation ist für viele unerkannt und häufig unbewusst von einer massiven (Ab-)Wertungskultur geprägt60. Wir sind unfähig geworden, Beobachtungen von Bewertungen zu trennen. Wir diagnostizieren, wenn wir glauben wahrzunehmen. Wir klassifizieren und stempeln ab. Wir stecken Menschen in Schubladen, verurteilen und fördern damit Gewalt. Diese Vermischung von Wahrnehmung – Interpretation – Bewertung fördert Eskalation in konflikthaften Situationen. Deshalb wirkt die Trennung von Beobachtung und Bewertung deeskalierend. In der Mediation hat der Mediator zwei Ebenen zu berücksichtigen. Er muss zum einen analysieren, wie die Parteien ihrerseits in ihrer Kommunikation das Beobachten und das Bewerten von Sachverhalten miteinander vermischen. Andererseits darf der Mediator in einer zweiten Ebene dasjenige, was er bei den Parteien beobachtet, seinerseits nicht bewerten. Nur diese Trennung versetzt ihn in die Lage, allparteilich und in der Mitte zu sein. Folgendes Beispiel soll dies deutlich machen:
58 Marshal Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation, Junfermann, 2009. 59 Zitiert nach Patera, Gewaltfrei kommunizieren in der Mediation, ZKM 2003, 220. 60 Patera, Gewaltfrei kommunizieren in der Mediation, ZKM 2003, 220.
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Das Handwerkszeug des Mediators: Methoden und Techniken
Die Eltern zweier Kinder, zweijährige Zwillinge, haben sich innerhalb der Ehewohnung getrennt. Der Vater schildert in der Mediation: Herr A: Wenn ich nach einem Arbeitstag nach 19.00 Uhr abends nach Hause komme, schließt meine Frau die Tür zum Kinderzimmer ab, um mir den Kontakt zu den Kindern zu verwehren und sie mir zu entfremden. (Beobachten und Bewerten vermischt)
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TIPP: Trennung von Beobachten und Bewerten Hüten Sie sich als Mediator davor, in die gleiche Bewertungsfalle zu tappen!
Der Mediator trennt deshalb die Beobachtung von der Bewertung. Mediator: Herr A, Sie finden am Abend, wenn Sie nach Hause kommen, die Zimmertür der Kinder verschlossen vor. Herr A: Ja! Frau A: (dazwischen rufend) Weißt du, wie hart ein Tag mit diesen beiden Jungen ist? Wie froh ich bin, wenn ich sie abends einmal im Bett habe! Sie schlafen nicht einmal mehr mittags und ich bin abends um 19.00 Uhr wirklich am Ende mit meinen Kräften. Dann kommst du hereingestürzt und reißt die Kinder aus ihrer Einschlafphase. Bis sie dann endlich einmal zur Ruhe gekommen sind, ist es 21.00 Uhr. Zu spät für die Kinder und zu kräfteraubend für mich! Ich will dir die Kinder nicht entfremden. Wir müssen nur andere Zeiten finden, damit du mit den Kindern spielen kannst. Mediator: Frau A, wenn ich Sie richtig verstanden habe, schließen Sie die Tür ab, damit die Kinder zur Ruhe kommen und Sie selbst auch, aber nicht, um sie dem Vater zu entfremden. Frau A: Ja!
Es ist das Verdienst von Rosenberg, den Zusammenhang zwischen Gefühlen und Bedürfnisbefriedigung hergestellt zu haben. Positiv empfundene Emotionen wie Freude weisen auf erfüllte Bedürfnisse hin, während negativ empfundene Emotionen wie Ärger oder Wut auf bislang nicht erfüllte Bedürfnisse hinweisen. Die Parteien kommen mit Ärger, Wut und anderen schlechten Gefühlen in die Me240
Gewaltfreie Kommunikation nach Marshal Rosenberg
diation, weil die Bedürfnisse unbefriedigt sind. In Phase 3 der Mediation ist es die Aufgabe des Mediators, die Parteien zu unterstützen, ihre Interessen und Bedürfnisse herauszuarbeiten. Das obige Mediationsgespräch geht wie folgt weiter: Mediator: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Frau A, sind Sie abends völlig erschöpft. Sie befürchten weitere Auseinandersetzungen mit Ihrem Mann. Dazu haben Sie keine Kraft mehr, die Kinder zu bändigen und mit Ihrem Mann zu reden. Ihr größtes Bedürfnis ist Ruhe. Frau A: (erleichtert) Ja! Mediator: (zu Herrn A gewandt) Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr A, haben Sie die Befürchtung, die Beziehung zu den Kindern zu verlieren. Sie haben ein großes Bedürfnis nach Nähe zu den Kindern. Herr A: (erleichtert) Ja!
Resümee: Die Gewaltfreie Kommunikation ist eine Methode in der Mediation und keine Mediation. Sie vollzieht sich in vier Schritten, die als Handwerkszeug in der Mediation sehr hilfreich sein können. Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation ersetzen nicht die Struktur des Phasenmodells Mediation. Sie beginnt in der Mediation damit, dass der Mediator die Beobachtung von der Bewertung getrennt spiegelt. Die Gefühle, die die Menschen dabei bewegen, dienen auch in der Mediation dazu, die Bedürfnisse der Parteien herauszufinden. Nach Rosenberg sind die Bedürfnisse die Gefühlswurzeln. Unangenehme Gefühle deuten auf unerfüllte Bedürfnisse hin. Angenehme Gefühle entstehen, wenn die Bedürfnisse erfüllt werden. Der vierte Schritt, nach Rosenberg die Bitte, findet sich in Phase 4 bei Erarbeitung der Optionen wieder.
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D. Der Mediator
I. Mediation und Recht 1. Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) Am 1.7.2008 ist das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) in Kraft getreten und hat das Rechtsberatungsgesetz abgelöst. Das Rechtsdienstleistungsgesetz führt den neuen Begriff der Rechtsdienstleistung ein. Nach § 2 RDG ist eine Rechtsdienstleistung eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Das Motiv des Gesetzgebers war es, zum Schutz der Rechtssuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat und im Interesse einer reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrs fachlich ungeeignete und unzuverlässige Personen von der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten fernzuhalten. Das Gesetz erfasst nur die selbständige Erbringung einer Rechtsdienstleistung. Vor dem 1.7.2008 wurde über die Frage gestritten, ob Mediation als Rechtsberatung unter das Verbot des Rechtsberatungsgesetzes falle. Dieses Problem ist nunmehr beseitigt. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 4 RDG ist Mediation und jede vergleichbare Tätigkeit der Streitbeilegung keine Rechtsdienstleistung. Für Mediatoren, die nicht als Anwälte zugelassen sind, ist die Gefahr gebannt, auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden, wenn sie Mediation lege artis durchführen.
§ 2 Rechtsdienstleistungsgesetz lautet: (1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. (2) Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Abgetretene Forderungen gelten für den bisherigen Gläubiger nicht als fremd.
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Der Mediator (3) Rechtsdienstleistung ist nicht: 1. Die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten, 2. die Tätigkeit von Einigungs- und Schlichtungsstellen, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern, 3. die Erörterung der die Beschäftigten berührenden Rechtsfragen mit ihren gewählten Interessenvertretungen, soweit ein Zusammenhang zu den Aufgaben dieser Vertretungen besteht, 4. die Mediation und jede vergleichbare Form der alternativen Streitbeilegung, sofern die Tätigkeit nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift, 5. die an die Allgemeinheit gerichtete Darstellung und Erörterung von Rechtsfragen und Rechtsfällen in den Medien, 6. die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen.
Die Frage für den Anwendungsbereich des Gesetzes ist, ob eine Rechtsdienstleistung vorliegt. Nach § 2 dieses Gesetzes liegt eine Rechtsdienstleistung vor, wenn eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 4 RDG ist Mediation dann keine Rechtsdienstleistung, wenn „diese Tätigkeit nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift.“61
Die Begründung der Bundesregierung (BT-Drucks. 16/3655) zu § 2 Abs. 3 Nr. 4 RDG führt hierzu Folgendes aus: „Der Begriff Mediation bezeichnet die Methode der außergerichtlichen Konfliktbearbeitung, in der ein neutraler Dritter (Mediator) die Beteiligten dabei unterstützt, ihren Streit im Wege eines Gesprächs beizulegen und selbständig eine für alle Seiten vorteilhafte Lösung zu finden, die dann evtl. in einer Abschlussvereinbarung protokolliert wird. Sie ist eine kommunikative Handlung eines neutralen Dritten mit dem Ziel der Herstellung von Verständigungsprozessen. Schwerpunkt der Tätigkeit des Mediators ist die Gesprächsleitung. Mediation kann zwar Rechtsinformationen beinhalten und sich auf Rechtsverhältnisse beziehen sowie Regelungsmöglichkeiten zur Diskussion stellen, sie überlässt je-
61 von Stein, Der neue Begriff der Rechtsdienstleistung, Anwaltsblatt 2008, 385, 389.
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Mediation und Recht doch den Konfliktparteien die Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse eigenverantwortlich. Bewegt sich die Tätigkeit eines Mediators in diesem Rahmen, so liegt, wie Nummer 4 lediglich klarstellend regelt, keine Rechtsdienstleistung vor. Entsprechendes gilt für ähnliche, nicht ausdrücklich als Mediation bezeichnete Streitbeilegungsformen. Entscheidend ist stets der gesprächsleitende Charakter der Tätigkeit. Greift der Mediator dagegen durch rechtliche Regelungsvorschläge gestaltend in die Gespräche der Beteiligten ein, so können diese Regelungsvorschläge Rechtsdienstleistungen im Sinn dieses Gesetzes sein. Es handelt sich in diesen Fällen nicht mehr um eine (reine) Mediation, sondern um eine Streitlösung mit (auch) rechtlichen Mitteln, bei der sich der nichtanwaltliche Mediator nicht auf § 2 Abs. 3 Nr. 4 berufen kann. Soweit der rechtliche Teil der Tätigkeit in diesen Fällen nicht nach § 5 Abs. 1 erlaubt ist, steht dem Mediator die Zusammenarbeit mit einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt offen … Auch die über eine bloße Protokollierung des erzielten Mediationsergebnisses hinausgehende Abfassung einer Abschlussvereinbarung kann, soweit rechtliche Inhalte betroffen sind, den Tatbestand der Rechtsdienstleistung erfüllen. Die Zulässigkeit der reinen Protokolltätigkeit des Mediators wird im Gesetzestext ausdrücklich genannt und der nicht-rechtsdienstleistenden Mediationstätigkeit zugeordnet, um diese Grenze zwischen erlaubnisfreier Mediation und erlaubnispflichtiger Rechtsdienstleistung zu definieren.“
Rechtsberatung ist damit weiterhin grundsätzlich den Rechtsanwälten vorbehalten. Dies gilt insbesondere für die parteiliche rechtliche Beratung. Reine Protokollierung des Ergebnisses der Mediation ist also erlaubt. Erlaubt ist auch die sog. Rechtsinformation wie z.B. die Hinweise auf Rechenmodelle, Aushändigung der Düsseldorfer Tabelle, Information über gesetzliche Regelungen, soweit sie allgemeiner Art sind und keine individuellen Regelungsvorschläge – unabhängig ob für eine oder für beide Parteien – enthalten62. Spezielle rechtliche Regelungsvorschläge einschließlich der Formulierung der Abschlussverträge und Rechtsberatung im Einzelfall sind nach wie vor Rechtsanwälten vorbehalten, vorzugsweise den Beratungsanwälten der Parteien. 62 Empfehlung und Stellungnahme von BAFM, BM und BMWA, Spektrum der Mediation 2008, 48.
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Der Mediator
2. Das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) Am 1.9.2009 ist das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in Kraft getreten. Gemäß § 135 Abs. 1 FamFG kann das Familiengericht anordnen, dass die Eheleute an einem Informationsgespräch über Mediation oder eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung teilnehmen. Ziel des Gesetzes ist es unter anderem, außergerichtliche Streitbeilegung und insbesondere Mediation zu fördern. Nach unserem Verständnis ist für die Eignung von Mediation u.a. das Prinzip der Freiwilligkeit zu beachten. Die Konfliktparteien müssen selbst entscheiden, ob sie an der Mediation teilnehmen möchten. Das Prinzip der Freiwilligkeit ist jedoch durch die vom Gericht angeordnete (bloße) Informationspflicht nicht verletzt. Dieses Prinzip wäre nur dann verletzt, wenn den Beteiligten Mediation aufgezwungen werden würde. Hier sind die Beteiligten aber nur verpflichtet, sich zu informieren und selbst eine Entscheidung zu treffen, ob sie Mediation für ein geeignetes Verfahren zur Lösung ihrer Konflikte halten. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an der Mediation folgt hieraus nicht. Gerade in familienrechtlichen Verfahren haben Eltern die Pflicht gegenüber ihren Kindern, ihrer gemeinsamen Elternverantwortung nachzukommen und sich um eine Einigung mit dem anderen Elternteil zu bemühen. Mediation ist nur möglich, wenn die Beteiligten diesen Weg der Konfliktlösung wollen. Hierüber haben sie eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Eine derartige freiwillige und eigenverantwortliche Entscheidung der Beteiligten über die Frage, ob sie an einem Mediationsverfahren teilnehmen wollen, ist nur dann möglich, wenn sie zuvor professionell über Mediation aufgeklärt worden sind. Sie müssen wissen, inwiefern sich Mediation von anderen Konfliktlösungsverfahren unterscheidet und welche Vor- und Nachteile ein Mediationsverfahren in Abgrenzung zu einem Gerichtsverfahren hat. Nicht die Teilnahme an der Mediation, sondern die Teilnahme an der Informationssitzung kann angeordnet werden. Nach unseren Er246
Mediation und Recht
kenntnissen wird der Erfolg von Mediationsverfahren nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Konfliktparteien verpflichtet sind, sich über Mediation informieren zu lassen. Das durch die obligatorische Information gewonnene Wissen stärkt vielmehr die Konfliktparteien in ihrer Autonomie. Die Frage der Eignung des Mediationsverfahrens für die Konfliktparteien kann neben den Konfliktparteien selbst nur ein Mediator entscheiden. Diese Auffassung liegt auch dem Gesetz zugrunde. Die Verweisung soll auch an einen externen Mediator erfolgen. Auch dies ist zu begrüßen, da die Konfliktparteien eine größere Freiheit bei der Entscheidung über die Frage haben, ob sie an einem Mediationsverfahren teilnehmen, wenn die Mediatoren nicht als verlängerter Arm der Justiz betrachtet werden, sondern unabhängig vom Familiengericht sind.
3. Das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (MediationsG) Bis 2012 war Mediation im deutschen Recht weitgehend ungeregelt. Am 26.7.2012 ist das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 21.7.2012 (BGBl. I, 1577) in Kraft getreten, dessen Art. 1 das neue Mediationsgesetz (MediationsG) beinhaltet. Ziel dieses Gesetzes ist es, Mediation und andere Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung zu fördern und diese im Bewusstsein der Bevölkerung und der in der Rechtspflege tätigen Personen zu verankern. a) Verfahren und Prinzipien der Mediation nach dem MediationsG § 1 MediationsG definiert die Begriffe „Mediation“ und „Mediator“. Danach ist Mediation ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Konfliktparteien mit Hilfe eines Mediators freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Lösung ihres Konfliktes anstreben. Der Mediator hat unabhängig und neutral zu sein. Ohne Entscheidungsbefugnis führt er die Parteien durch das Mediationsverfahren. Die Formulierung bedeutet, dass der Mediator die Verantwortung für das Einhalten der Struktur des 247
Der Mediator
Mediationsverfahrens, nicht aber für die Lösung des gegenständlichen Konflikts hat. Damit enthält § 1 MediationsG die für die Mediation wesentlichen Prinzipien der Mediation. aa) Neutralität und Allparteilichkeit Gemäß § 1 Abs. 2 MediationsG ist der Mediator neutral. Wir halten den Begriff der Neutralität für unglücklich gewählt und ziehen den der Allparteilichkeit vor. Neutralität des Mediators würde lediglich bedeuten, dass er für keine Seite im Streit Partei ergreift. Die Aufgabe des Mediators enthält aber ein über die bloße Neutralität hinausgehendes aktives Element der Allparteilichkeit63. Bei dieser Haltung der Allparteilichkeit geht es darum, alle Konfliktparteien gleichermaßen zu verstehen. bb) Eigenverantwortung In § 1 Abs. 1 MediationsG wird das Prinzip der Eigenverantwortung hervorgehoben, das die Bedeutung der Autonomie der Parteien unterstreicht. Mediationsverfahren sind für autonome, eigenverantwortlich handelnde Menschen geschaffen. Ein Mediationsverfahren ist dann geeignet, wenn beide Parteien bereit sind, sich konstruktiv auf einen Verhandlungsprozess mit der jeweils anderen Partei einzulassen. Die Ziele der Konfliktparteien müssen mit der Zielsetzung der Mediation übereinstimmen. Ziel der Mediation bei Trennung und Scheidung ist es, Lösungen für die Folgen der Trennung zu finden. Hierzu gehört auch, dass die Parteien ergebnisoffen auch für Lösungen sind, die anders sind, als die von ihnen vor der Mediation angedachten, mit denen aber beide einverstanden sein müssen. Weitere Voraussetzung ist ferner, dass das Konfliktpaar selbst eine Lösung der Probleme erarbeiten möchte, die durch die Trennung entstanden sind. Eine Übertragung der Entscheidungskompetenz auf den Mediator gibt es – anders als bei dem Schiedsgerichtsverfahren oder der Schlichtung – nicht. Geht das Paar mit der Bitte an den Mediator in die Mediation, eine Entscheidung zu treffen, ist Mediation ungeeignet, und der Mediator hat sie abzubrechen. Gleiches
63 So auch in der Begründung des Gesetzesentwurfes BT-Drucks. 17/5335 S. 15.
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Mediation und Recht
gilt, wenn eine Konfliktpartei in erster Linie therapeutische Unterstützung benötigt oder sucht. Autonomie bedeutet Selbständigkeit, Eigengesetzlichkeit und auch Willensfreiheit. Autonomie ist die Fähigkeit, sich als Wesen der Freiheit zu begreifen und aus dieser Einsicht heraus zu handeln. Als Eigenverantwortung bezeichnet man die Fähigkeit, die Bereitschaft und die Pflicht, für das eigene Handeln Verantwortung zu übernehmen, d.h. für sich selbst zu sorgen, für seine Taten selbst einzustehen und die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen, also das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Die Hervorhebung von Autonomie und Eigenverantwortung bedeutet nun nicht, dass der Weg zu den ordentlichen Gerichten ein Weg für nicht autonome Menschen ist, weil sie nicht selbst entscheiden wollen, sondern der Richter entscheidet. Die Funktion des Rechts ist immer schon – auch – der Schutz der Schwachen gewesen. Der Gesetzgeber gibt – von Ausnahmen abgesehen – den Bürgern die Freiheit, ihre rechtlichen Beziehungen selbst zu regeln und stellt hierfür bestimmte Vertragstypen zur Verfügung. Derjenige, der sich nicht selbst helfen kann oder will, kann den Rechtsweg beschreiten. Die Möglichkeit, ein Gericht anzurufen, ist eine demokratische Errungenschaft und war nicht immer selbstverständlich. Das Problem bei der Wahl dieses Konfliktlösungsweges ist jedoch, dass der Schwache schwach bleibt, da er nicht an Autonomie gewinnt. Hierzu gehört die Begegnung mit der anderen Konfliktpartei „auf Augenhöhe“. Eine Konfliktpartei bleibt fremdbestimmt, wenn ein Dritter, etwa der Richter, die Entscheidung trifft. Im Gegensatz zu einem Gerichtsverfahren besteht in der Mediation die Möglichkeit, sich auf Augenhöhe zu begeben, selbst eine Entscheidung zu treffen, die auf eigenen Interessen und Bedürfnissen beruht. Der Mensch ist selbstbestimmt und gewinnt an Autonomie und Stärke und damit auch an Freiheit. Er schafft sich sein Recht selbst, indem er sich unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der anderen Seite auf seine Bedürfnisse besinnt. cc) Verschwiegenheitspflicht und Zeugnisverweigerungsrecht Zu den Prinzipien der Mediation gehören Offenlegung und Informiertheit. Es ist für die Konfliktparteien, die bereit sind, alle Tatsachen offenzulegen, von großer Wichtigkeit, dass diese Offenbarun249
Der Mediator
gen später weder außerhalb des geschützten Rahmens der Mediation von der anderen Konfliktpartei Dritten offenbart noch in einem eventuellen Prozess nach einem Scheitern der Mediation gegen eine andere an der Mediation beteiligte Partei verwendet werden. Um diesen Schutz und die Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens zu gewährleisten, verpflichtet § 4 MediationsG den Mediator und die in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen zur Verschwiegenheit. Daraus folgt zugleich ein Zeugnisverweigerungsrecht für Mediatoren in der ZPO (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) und alle auf sie verweisenden Verfahrensordnungen. Die Verschwiegenheitspflicht und das Zeugnisverweigerungsrecht gelten für alle Mediatoren unabhängig von ihrem Grundberuf. Aufgrund der nunmehr gemäß § 4 MediationsG geregelten gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtung sind alle Mediatoren in Zivilverfahren nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zeugnisverweigerungsberechtigt. Dies gilt sowohl für den „normalen“ als auch für den gemäß § 5 Abs. 3 MediationsG zertifizierten Mediator. Allerdings sind die gemäß § 4 Nr. 1 bis 3 MediationsG postulierten Ausnahmen zu beachten. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit entfällt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, wenn z.B. das Kindeswohl oder die physische oder psychische Integrität eines Menschen gefährdet ist. dd) Die Rolle des Rechts und der Rechtsanwälte in der Mediation Das Ziel der Mediation ist eine eigenverantwortliche Entscheidung der Konfliktparteien über die Frage, wie sie ihre rechtlichen Beziehungen regeln wollen. Die Konfliktparteien handeln nur dann mit der erforderlichen Eigenverantwortung, wenn sie bereit sind, die von ihnen angedachte mit der gesetzlichen Regelung zu vergleichen. Folgerichtig ordnet § 2 Abs. 6 Satz 2 MediationsG an, dass der Mediator die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinweist, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift, kann – wie auch gegen alle anderen in § 2 aufgestellten Verpflichtungen – haftungsrechtliche Konsequenzen haben.
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Mediation und Recht
b) Änderungen der ZPO Eine große Förderung des Mediationsgedankens ist die Änderung von § 253 Abs. 3 ZPO durch Art. 2 des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung v. 21.7.2012.64 Zukünftig soll die Klageschrift die Angabe enthalten, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Die Neufassung des § 253 Abs. 3 ZPO dient dem Ziel, die Mediation und die außergerichtliche Konfliktbeilegung stärker im Bewusstsein der Bevölkerung und in der Beratungspraxis der Rechtsanwaltschaft zu verankern. Spätestens beim Abfassen der Klageschrift sollen sich die Parteien und deren Rechtsanwälte daher mit der Frage auseinandersetzen, ob und wie sie den der beabsichtigten Klageerhebung zugrunde liegenden Konflikt außergerichtlich beilegen können“.65 Diese Vorschrift zwingt die Anwälte, ihre Mandanten über Mediation aufzuklären, da sie sich sonst vom Gericht oder ihren Mandanten die Frage gefallen lassen müssen, warum sie nicht vor Einleiten des gerichtlichen Verfahrens auf die Möglichkeit der Mediation hingewiesen haben. c) Änderungen des FamFG Die Förderung einvernehmlicher Regelungen in Familiensachen durch die Beteiligten selbst war bereits das Anliegen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 1.9.2009. Durch die ergänzenden Regelungen und Änderungen in Art. 3 des Gesetzes66 wird die außergerichtliche Konfliktbeilegung in Verfahren über Familiensachen weiter gestärkt und auf eine ausdrücklich gesetzliche Grundlage gestellt. Damit wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die einvernehmliche Konfliktbeilegung in Familiensachen besonders bedeutsam ist.67
64 65 66 67
BGBl. I S. 1577. BT-Drucks. 17/5335 S. 20. BGBl. I S. 1577. BT-Drucks. 17/5335 S. 22.
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Der Mediator
Der neu eingefügte § 23 Abs. 1 Satz 3 FamFG überträgt den Regelungsgedanken des neu gefassten § 253 Abs. 3 ZPO auf das FamFG. Auch in Familiensachen und anderen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sollen sich die Beteiligten und deren Anwälte spätestens bei der Einreichung der Antragsschrift damit auseinandersetzen, ob und wie sie den der Antragsschrift zugrunde liegenden Konflikt außergerichtlich beilegen können. Zwar soll dies nur in geeigneten Fällen geschehen. Aus der Begründung des Gesetzes ergibt sich jedoch, dass geeignete Fälle im Bereich der Familiensachen neben Ehewohnungs- und Haushaltssachen insbesondere Kindschaftssachen sind, die die elterliche Sorge oder den Umgang zum Gegenstand haben. Adoptions- und Abstammungsverfahren sind hingegen keine geeigneten Fälle.68 Der neu eingefügte § 36a FamFG sieht daneben vor, dass das Gericht den Beteiligten eine Mediation vorschlagen kann. Entscheiden sich die Beteiligten dafür, setzt das Familiengericht das Verfahren aus (der neu eingefügte § 278a ZPO sieht das Ruhen des Verfahrens vor, wenn sich die Parteien zur Durchführung einer Mediation entscheiden). In Kindschaftssachen, in denen das Beschleunigungsgebot gilt, hat das Gericht das Verfahren nach drei Monaten wieder aufzunehmen, wenn eine einvernehmliche Regelung bis dahin nicht erzielt wird. Eine ausdrückliche Regelung für den Bereich der Ehe- und Familienstreitsachen war daneben nicht erforderlich, weil § 113 Abs. 1 FamFG auf die Vorschriften der ZPO verweist.
68 BT-Drucks. 17/5335 S. 22.
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II. Eingangsvertrag Zu Beginn des Mediationsverfahrens schließen der Mediator und die Medianden einen Vertrag über die Durchführung des Mediationsverfahrens ab. Es herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob dieser Vertrag in mündlicher oder in schriftlicher Form geschlossen werden soll. Schriftliche Eingangsverträge dienen der Klarheit und der Sicherheit des Mediators und der Medianden und sind deshalb mündlichen Vereinbarungen vorzuziehen. Der Eingangsvertrag regelt zum einen das Verhältnis der Medianden untereinander, zum anderen das Verhältnis zwischen den Medianden und dem Mediator. Regelungspunkte sind:69 – die Prinzipien der Mediation; s. S. 5 ff. – die Verpflichtung zu Offenlegung und Verschwiegenheit auf Seiten der Medianden. – jederzeitige Kündigung und Beendigung des Mediationsverfahrens durch die Medianden. – Kündigung durch den Mediator bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ein wichtiger Grund liegt beispielsweise vor, wenn der Mediator Allparteilichkeit und Neutralität nicht mehr gewährleisten kann oder wenn die Medianden gegen einen Grundsatz der Mediation verstoßen. – prozessuale Abrede; s. S. 266. – Honorar; s. S. 254.
69 Koch, Vertragsgestaltungen in der Mediation in Henssler/Koch (Hrsg.), Mediation in der Anwaltspraxis, S. 246.
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III. Honorar 1. Vergütungsanspruch des Mediators, der als Rechtsanwalt zugelassen ist Üblicherweise schließen Mediatoren mit den Medianden die Vergütungsvereinbarungen auf Stundensatzbasis ab. Sie nehmen diese Vereinbarung entweder in die Eingangsverträge oder in eine gesonderte Urkunde auf. Gem. § 3a RVG bedarf diese Vereinbarung der Textform. Die Stundensätze reichen von 100 Euro bis 400 Euro. Daneben kann der Mediator für die Formulierung des die Mediation abschließenden Vertrags eine Einigungsgebühr aus dem Gegenstandswert zuzüglich der Mehrwertsteuer vereinbaren.70.
2. Vergütungsanspruch des Mediators, der nicht als Rechtsanwalt zugelassen ist Auch dem Mediator, der nicht als Anwalt zugelassen ist, steht ohne ausdrückliche Vereinbarung mit den Konfliktpartnern ein Vergütungsanspruch zu. Gem. §§ 612, 675 BGB gilt in derartigen Fällen die marktübliche Vergütung als vereinbart, da Mediatoren üblicherweise gegen Entgelt tätig werden. Um Streitigkeiten zu verhindern, empfehlen wir auch hier eine Vereinbarung auf der Basis von Stundensätzen.
70 Schlussbericht des BRAK-Ausschusses in BRAKMitt.1996, 186, 188.
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IV. Werbung und Titelführung Die beste Werbung ist die gute Leistung. Sie spricht sich herum. Wichtig ist auch ein guter Internetauftritt. Werbung hat aber auch Grenzen. Eine Grenze hatte das LG Rostock bereits im Jahr 2000 gezogen und einem Ingenieur und Mediator untersagt, werbend damit aufzutreten, dass die außergerichtliche Streitbeilegung ohne Beteiligung von Rechtsanwälten kostengünstig herbeigeführt werden kann.“ Der Mediator erwecke durch die Werbung mit bis zu 60 % geringeren Kosten als im herkömmlichen streitigen Verfahren den Anschein, dass er auf die Beteiligung von Rechtsanwälten bei der Mediationstätigkeit verzichtet. Das sei ein Verstoß gegen § 1 UWG und gegen das – heute allerdings nicht mehr geltende – Rechtsberatungsgesetz. Die Berufsbezeichnung „Mediator“ ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung der Mediation nicht geschützt. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 6 MediationsG das Bundesjustizministerium ermächtigt, durch Rechtsverordnung Bestimmungen über die Ausund Fortbildung zum zertifizierten Mediator zu regeln. Neben dem Mediator gibt es nun auch einen zertifizierten Mediator. Aus dem gleichen Grund haben in den 1990-iger Jahren bzw. im Jahr 2000 die Mediationsverbände BAFM, BM und BMWA Richtlinien und Standards für die Anerkennung von Mediatoren und Ausbildern für Mediation beschlossen. Durch den Zusatz Mediator BAFM, Mediator BM oder Mediator BMWA macht ein Mediator deutlich, dass er sich die Bezeichnung nicht selbst gegeben hat, sondern dass sie ihm nach einer Ausbildung verliehen worden ist.
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V. Haftung Nach einer Entscheidung des OLG Hamm71 haftet ein Anwalt, der als Mediator tätig ist, aus positiver Vertragsverletzung, wenn er seine Aufgaben schlecht erfüllt und dadurch einem Konfliktpartner Schaden zufügt. Eine derartige Haftung trifft auch den Mediator mit einem anderen Grundberuf. Bei der Trennungs- und Scheidungsmediation besteht für den Mediator ein Haftungsrisiko, wenn Fristen versäumt werden oder mit Zeitablauf Beweismittel verloren gehen. Auch der Mediator, der nicht als Anwalt zugelassen ist, hat dafür Sorge zu tragen, dass den Konfliktpartnern durch die Mediation keine Nachteile entstehen. Die Verjährung gegen den Mediator gerichteter Schadensersatzansprüche aus der Verletzung des Mediationsvertrags (pVV) beträgt gem. § 195 BGB regelmäßig drei Jahre.
71 OLG Hamm, KonSens 1999, 308, 309.
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VI. Co-Mediation Bei der Mediation in Form der Co-Mediation begleiten zwei Mediatoren den Mediationsprozess. In der Familienmediation sind gute Erfahrungen gemacht worden, wenn die Mediatoren beiden Geschlechtern und unterschiedlichen Berufsgruppen aus dem juristischen und dem psycho-sozialen Bereich angehören. Mediation in Familienangelegenheiten verbindet bei interdisziplinärer Zusammenarbeit die psychosozialen und rechtlichen Aspekte der Konfliktregelungen miteinander72. Co-Mediation bietet im Übrigen folgende Vorteile: – Das Mediatorenteam kann demonstrieren, wie Konfliktpaare ihre Konflikte produktiv lösen können. – Zwei Mediatoren haben im Umgang mit Konflikten mehr Handlungsmöglichkeiten als ein einzelner Mediator. Sie können aufzeigen, dass unterschiedliche Sichtweisen nebeneinander bestehen und in Übereinstimmung gebracht werden können. – Die Mediatoren teilen sich die Verantwortung und entlasten sich gegenseitig. Die Mediatoren können sich in der Gesprächsführung abwechseln. Während ein Mediator das Gespräch leitet, übernimmt der andere die Beobachtung des Prozesses. Er kann den Gesprächsfaden unter einem anderen Gesichtspunkt wieder aufgreifen, wenn der Prozess ins Stocken gekommen ist. – Die Mediatoren können den Konflikt auf der Metaebene darstellen und das Konfliktpaar dabei spiegeln. – Die Co-Mediatoren können den Mediationsprozess nach jeder Sitzung reflektieren. Der Erfolg der Co-Mediation hängt von der Beziehung zwischen den Mediatoren und der guten Zusammenarbeit ab. Die „Chemie“ muss stimmen. Darüber hinaus müssen sie diese Art der Zusammenarbeit professionell lernen.
72 Präambel der Richtlinien der BAFM für Mediation in Familienkonflikten.
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E. Mediationstypische Formulare
Wir weisen darauf hin, dass es einen für alle Fälle passenden Standardvertrag nicht gibt, so dass der Inhalt eines derartigen Vertrags von dem Sachverhalt und den tatsächlichen Gegebenheiten abhängt.
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I. Muster eines Eingangsvertrags zwischen den Medianden und dem Mediator, der im Grundberuf Rechtsanwalt ist 1. Frau … 2. Herr … 3. Herr Rechtsanwalt … als Mediator Wir, die Eheleute ………… wollen gemeinsam mit dem Mediator in einer Mediation die anlässlich einer möglichen Auflösung unserer Ehe zur Regelung anstehenden Folgen klären. Die Mediation dient dazu, außergerichtlich und selbstverantwortlich Vereinbarungen zu erarbeiten, die im Zusammenhang mit unserer Trennung und/oder Scheidung stehen. Es ist uns bewusst, dass wir uns zur Durchführung der Mediation an bestimmte Verfahrensregeln halten müssen. Bei den nachstehenden Regelungen handelt es sich sowohl um Vereinbarungen zwischen uns, den Eheleuten, als auch um Vereinbarungen zwischen uns, den Eheleuten, einerseits und dem Mediator andererseits. Teil I. Vereinbarung zwischen den Eheleuten 1. Wir sind uns darüber einig, dass wir während der Dauer des Mediationsverfahrens gerichtliche Verfahren, die die Konfliktpunkte betreffen und die Thema des Mediationsverfahrens sind, ruhen lassen bzw. nicht einleiten werden. Sollte das Mediationsverfahren ohne eine Einigung enden, so kann jeder der Beteiligten das ruhende juristische Verfahren wieder aufnehmen oder neue Verfahren einleiten. 2. Wir verpflichten uns, in der Mediation alle Informationen über unsere Einkünfte, Vermögenswerte und sonstigen Tatsachen, die für eine abschließende Regelung von Bedeutung sein können, offenzulegen und alle erforderlichen Unterlagen für die Mediationssitzungen zur Verfügung zu stellen. Wir verpflichten uns ferner, während der Dauer der Mediation Vermögenswerte nicht ohne Zustimmung des anderen Ehegatten zu veräußern oder anderweitig beiseite zu schaf260
Muster eines Eingangsvertrags/Mediator ist Rechtsanwalt
fen. Wir verpflichten uns ferner, gemeinsame Bankkonten ohne Einverständnis des anderen Ehegatten nicht weiter zu belasten. 3. Wir sind übereingekommen, während der Mediation fair und gerecht miteinander zu verhandeln und die Interessen des anderen Ehegatten zu berücksichtigen. 4. Wir verpflichten uns, sämtliche im Verlauf der Mediation gewonnenen Informationen vertraulich zu behandeln, sie weder einem Dritten ohne Zustimmung des anderen Ehegatten mitzuteilen, noch sie in einem gerichtlichen Verfahren gegen den anderen Ehegatten zu verwenden. Wir verpflichten uns ferner, die Unterlagen, die wir in die Mediation eingeführt haben, nicht als Beweismittel in einem evtl. Gerichtsverfahren zu verwenden. Der Mediator hat uns darauf hingewiesen, dass er die Einhaltung dieser Verpflichtung nicht überwachen kann und dass die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung durch einen der Ehegatten für den anderen Ehegatten zu rechtlichen Nachteilen führen kann. 5. Wir verpflichten uns, den Mediator in einem gerichtlichen Verfahren, bei dem es um Verhandlungsgegenstände des Mediationsverfahrens geht, nicht als Zeugen vor Gericht zu benennen. Wir können den Mediator nur gemeinsam von der Schweigepflicht entbinden. Sollte einer von uns die Entbindung von der Schweigepflicht verweigern, so sind wir uns darin einig, dass wir in einem Gerichtsverfahren Beweisvereitelung nicht geltend machen können. 6. Die Kosten des Mediationsverfahrens tragen wir je zur Hälfte. Teil II. Vereinbarung zwischen den Eheleuten und dem Mediator 1. Der Mediator ist allparteilich und bleibt während der Mediation unparteiisch. Insbesondere vertritt der Mediator keine der Konfliktparteien gerichtlich oder außergerichtlich gegen die andere Konfliktpartei. Der Mediator weist darauf hin, dass die Mediation von seiner Seite eine Rechtsinformation mit umfasst. Hierbei handelt es sich aber im Hinblick auf den beiderseitigen Beratungsauftrag um keine parteiische Rechtsberatung. Aus diesem Grunde wird der Mediator keinen der Ehegatten individuell juristisch beraten.
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Mediationstypische Formulare
Aus diesem Grunde ist es für uns Ehegatten unbedingt erforderlich, vor einer abschließenden Vereinbarung jeweils einen Anwalt oder eine Anwältin des Vertrauens aufzusuchen, um uns einseitig parteiisch beraten zu lassen. Wir verpflichten uns deshalb, vor Abschluss einer Vereinbarung, diese von einem Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin überprüfen zu lassen. Der Mediator weist vorsorglich darauf hin, dass Kindes- und Ehegattenunterhalt nur dann gerichtlich geltend gemacht werden kann, wenn der/die Unterhaltsberechtigte den/die Unterhaltsverpflichtete(n) zur Auskunft über die Höhe des Einkommens und zur Zahlung von Unterhalt unter Fristsetzung aufgefordert hat. Die Mediationssitzungen finden grundsätzlich mit beiden Ehegatten statt. Sollte es im einzelnen Fall wünschenswert sei, dass der Mediator mit einem Ehegatten allein redet, so ist dies zulässig, sofern der andere Ehegatte sein Einverständnis hierzu erteilt. 2. Der Inhalt der Mediationsgespräche ist auch für den Mediator vertraulich. Er ist verpflichtet, keine Informationen und Erkenntnisse aus dem Mediationsverfahren ohne ausdrückliche Zustimmung aller Beteiligten weiterzugeben. Diese Zustimmung wird für den Fall einer Supervision des Mediators unterstellt. Der Mediator unterliegt der Schweigepflicht und erklärt, dass er sich weder im Zusammenhang mit der Scheidung, noch bei einem anderen familiengerichtlichen Verfahren über Themen, die Gegenstand der Mediation sind, als Zeuge zur Verfügung stellt. Er gibt keine Informationen an das Gericht weiter. Er stellt sich nicht als Sachverständiger zur Verfügung. 3. Die Teilnahme an der Mediation ist freiwillig. Die Ehegatten sind berechtigt, das Mediationsverfahren jederzeit zu beenden und gerichtliche Schritte einzuleiten oder fortzuführen. Die Beendigung des Mediationsverfahrens erfolgt durch eine schriftliche Kündigung eines Ehegatten gegenüber dem anderen und dem Mediator ohne Einhaltung einer Frist. Der Mediator kann die Mediation nur aus wichtigem Grund schriftlich kündigen. Ein wichtiger Grund ist insbesondere dann gegeben, wenn er den Eindruck hat, dass einer der Ehegatten die Regeln für
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Muster eines Eingangsvertrags/Mediator ist Rechtsanwalt
die Durchführung der Mediation nicht einhält oder die Ehegatten mit ihren Zahlungsverpflichtungen in Verzug sind. 4. In dem Mediationsverfahren werden wir eine Vereinbarung erarbeiten, die alle im Zusammenhang mit der Trennung und/oder Scheidung wichtigen Themen regelt. Wir gehen übereinstimmend davon aus, dass diese Vereinbarung solange nicht rechtswirksam ist, bis wir sie beide unterzeichnet haben. Wir erklären hiermit ausdrücklich, dass wir unsere Unterschrift erst leisten werden, nachdem wir bei parteiisch beratenden Rechtsanwälten Rechtsrat eingeholt haben. Sollte auch nur für einen Punkt der Einigung Beurkundungszwang bestehen, wird die Vereinbarung erst wirksam, wenn eine notarielle Urkunde errichtet worden ist. 5. Sollte es sich im Verlauf der Mediation als notwendig herausstellen, Gutachten Dritter einzuholen, werden wir über die Notwendigkeit einer solchen Begutachtung in der Mediation sprechen. Wenn ein Auftrag an einen Gutachter vergeben werden soll, werden wir vorher regeln, in welchem Verhältnis die Kosten aufzuteilen sind. 6. Während der Mediation wird der Mediator Ergebnisprotokolle fertigen. Er wird außerdem die abschließende Einigung der Ehegatten dokumentieren. 7. Es wird folgende Gebührenvereinbarung getroffen: Der Mediator erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung auf Stundensatzbasis, wobei pro Stunde ein Betrag in Höhe von … Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen ist. Angefangene Stunden sind anteilig zu vergüten. Die Vergütung ist jeweils zum Ende einer Sitzung fällig. Endet das Mediationsverfahren durch eine Einigung, so ist der Mediator berechtigt, für die Erstellung des abschließenden Vertrags eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV RVG aus dem Gegenstandswert zuzüglich Mehrwertsteuer zu berechnen, sofern eine solche Vergleichsgebühr bei den jeweils beratenden Rechtsanwälten nicht entstanden ist.
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Mediationstypische Formulare
Vereinbarte Termine sind spätestens 24 Stunden vor der Sitzung abzusagen. Sollten Termine nicht rechtzeitig abgesagt sein, so ist das Honorar für die vereinbarte Sitzung fällig. …………… (Ehefrau) ………… (Mediator)
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…………… (Ehemann)
II. Muster eines Eingangsvertrags zwischen den Medianden und dem Mediator, der im Grundberuf nicht Rechtsanwalt ist 1. Frau … 2. Herr … 3. Herr … als Mediator Wir, die Eheleute ………… wollen gemeinsam mit dem Mediator in einer Mediation die anlässlich einer möglichen Auflösung unserer Ehe zur Regelung anstehenden Folgen klären. Die Mediation dient dazu, außergerichtlich und selbstverantwortlich Vereinbarungen zu erarbeiten, die im Zusammenhang mit unserer Trennung und/oder Scheidung stehen. Es ist uns bewusst, dass wir uns zur Durchführung der Mediation an bestimmte Verfahrensregeln halten müssen. Bei den nachstehenden Regelungen handelt es sich sowohl um Vereinbarungen zwischen uns, den Ehegatten, als auch um Vereinbarungen zwischen uns, den Ehegatten, einerseits und dem Mediator andererseits. Teil I. Vereinbarung zwischen den Eheleuten 1. Wir sind uns darüber einig, dass wir während der Dauer des Mediationsverfahrens gerichtliche Verfahren, die die Konfliktpunkte betreffen und die Themen des Mediationsverfahrens sind, ruhen lassen bzw. nicht einleiten werden. Sollte das Mediationsverfahren ohne eine Einigung enden, so kann jeder der Beteiligten das ruhende juristische Verfahren wieder aufnehmen oder neue Verfahren einleiten. 2. Wir verpflichten uns, in der Mediation alle Informationen über unsere Einkünfte, Vermögenswerte und sonstigen Tatsachen, die für eine abschließende Regelung von Bedeutung sein können, offenzulegen und alle erforderlichen Unterlagen für die Mediationssitzungen zur Verfügung zu stellen. Wir verpflichten uns ferner, während der Dauer der Mediation Vermögenswerte nicht ohne Zustimmung des anderen Ehegatten zu veräußern oder anderweitig 265
Mediationstypische Formulare
beiseite zu schaffen. Wir verpflichten uns ferner, gemeinsame Bankkonten ohne Einverständnis des anderen Ehegatten nicht weiter zu belasten. 3. Wir sind übereingekommen, während der Mediation fair und gerecht miteinander zu verhandeln und die Interessen des anderen Ehegatten zu berücksichtigen. 4. Wir verpflichten uns, sämtliche im Verlauf der Mediation gewonnenen Informationen vertraulich zu behandeln, sie weder einem Dritten ohne Zustimmung des anderen Ehegatten mitzuteilen, noch sie in einem gerichtlichen Verfahren gegen den anderen Ehegatten zu verwenden. Wir verpflichten uns ferner, die Unterlagen, die wir in die Mediation eingeführt haben, nicht als Beweismittel in einem evtl. Gerichtsverfahren zu verwenden. Der Mediator hat uns darauf hingewiesen, dass er die Einhaltung dieser Verpflichtung nicht überwachen kann und dass die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung durch einen der Ehegatten für den anderen Ehegatten zu rechtlichen Nachteilen führen kann. 5. Wir verpflichten uns, dem Mediator in einem gerichtlichen Verfahren, bei dem es um Verhandlungsgegenstände des Mediationsverfahrens geht, nicht als Zeugen vor Gericht zu benennen. Wir können den Mediator nur gemeinsam von der Schweigepflicht entbinden. Sollte einer von uns die Entbindung von der Schweigepflicht verweigern, so sind wir uns darin einig, dass wir in einem Gerichtsverfahren Beweisvereitelung nicht geltend machen können. 6. Die Kosten des Mediationsverfahrens tragen wir zu je zur Hälfte. Teil II. Vereinbarung zwischen den Ehegatten und dem Mediator 1. Der Mediator ist allparteilich und bleibt während der Mediation unparteiisch. Er vertritt keine der Konfliktparteien. Der Mediator weist darauf hin, dass die Mediation von seiner Seite aus Rechtsberatung nicht umfasst und nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz auch nicht umfassen darf. Aus diesem Grund ist es für uns Ehegatten unbedingt erforderlich, vor einer abschließenden Vereinbarung jeweils einen Anwalt oder eine Anwältin des Vertrauens aufzusuchen, um sich einseitig parteiisch beraten zu lassen. Wir verpflichten uns deshalb vor Ab266
Muster eines Eingangsvertrags/Mediator ist kein Rechtsanwalt
schluss einer Vereinbarung diese von einem Rechtsanwalt bzw. einer Rechtsanwältin überprüfen zu lassen. Die Mediationssitzungen finden grundsätzlich mit beiden Ehegatten statt. Sollte es im einzelnen Fall wünschenswert sei, dass der Mediator mit einem von uns allein redet, so ist dies zulässig, sofern der andere sein Einverständnis hierzu erteilt. 2. Der Inhalt der Mediationsgespräche ist auch für den Mediator vertraulich. Er ist verpflichtet, keine Informationen oder Kenntnisse aus dem Informationsverfahren ohne ausdrückliche Zustimmung beider Ehegatten weiterzugeben. Diese Zustimmung wird bei der Konsultation von Anwälten und Experten im Rahmen des Mediationsverfahrens und bei der Supervision unterstellt. Für den Mediator gibt es allerdings kein von dem Gesetz anerkanntes Zeugnisverweigerungsrecht. Aus diesem Grund ist die prozessuale Abrede getroffen worden, den Mediator nicht als Zeugen zu benennen (vgl. I. Ziff. 5). 3. Die Teilnahme an der Mediation ist freiwillig. Wir sind berechtigt, das Mediationsverfahren jederzeit zu beenden und gerichtliche Schritte einzuleiten oder fortzuführen. Die Beendigung des Mediationsverfahrens erfolgt durch eine schriftliche Kündigung eines der Ehegatten gegenüber dem anderen und dem Mediator ohne Einhaltung einer Frist. Der Mediator kann die Mediation nur aus wichtigem Grund schriftlich kündigen. Ein wichtiger Grund ist insbesondere dann gegeben, wenn er den Eindruck hat, dass einer der Ehgatten die Regeln für die Durchführung der Mediation nicht einhält oder wir mit unseren Zahlungsverpflichtungen in Verzug sind. 4. In dem Mediationsverfahren werden wir eine Vereinbarung erarbeiten, die alle im Zusammenhang mit unserer Trennung und/oder Scheidung wichtigen Themen regelt. Wir gehen übereinstimmend davon aus, dass diese Vereinbarung solange nicht rechtswirksam ist, bis wir sie beide unterzeichnet haben. Wir erklären hiermit ausdrücklich, dass wir unsere Unterschrift erst dann leisten werden, nachdem wir bei parteiisch beratenen Rechtsanwälten Rechtsrat eingeholt haben.
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Mediationstypische Formulare
Sollte auch nur für einen Punkt der Einigung Beurkundungszwang bestehen, wird die Vereinbarung erst wirksam, wenn eine notarielle Urkunde errichtet worden ist. 5. Sollte es sich im Verlauf der Mediation als notwendig herausstellen, Gutachten Dritter einzuholen, werden wir über die Notwendigkeit einer solchen Begutachtung in der Mediation sprechen. Wenn ein Auftrag an einen Gutachter vergeben werden soll, werden wir vorher regeln, in welchem Verhältnis die Kosten aufzuteilen sind. 6. Während der Mediation wird der Mediator Ergebnisprotokolle fertigen. Er wird außerdem die abschließende Einigung der Ehegatten dokumentieren.7. Es wird folgende Gebührenvereinbarung getroffen: Der Mediator erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung auf Stundensatzbasis, wobei pro Stunde ein Betrag in Höhe von …Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen ist. Angefangene Stunden sind anteilig zu vergüten. Die Vergütung ist jeweils zum Ende einer Sitzung fällig. Vereinbarte Termine sind spätestens 24 Stunden vor der Sitzung abzusagen. Sollten Termine nicht rechtzeitig abgesagt werden, so ist das Honorar für die vereinbarte Sitzung fällig. …, den …………… (Ehefrau) ………… (Mediator)
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…………… (Ehemann)
III. Muster eines Aufnahmebogens 1. Name: Vorname: geb. am: Wohnort: Telefon: erlernter Beruf: zzt ausgeübter Beruf: 2. Name: Vorname: geb. am: Wohnort: Telefon: erlernter Beruf: zzt ausgeübter Beruf: 3. Eheschließung am: Standesamt: 4. Getrennt lebend seit: in der Ehewohnung: ja/nein unverheiratet zusammenlebend: Wie lange haben Sie als Paar zusammengelebt?: Scheidungsantrag/Gerichtsverfahren: 5. Gemeinsame Kinder: Name: geb. am: Aufenthalt: Wie oft sehen die Kinder den Elternteil, bei dem sie nicht leben?: 6. Waren Sie schon einmal verheiratet: Wenn ja, von wann bis wann: Kinder aus früheren Lebensgemeinschaften: 7. Welche Erwartungen haben Sie an die Mediation? 8. Haben Sie einen Anwalt, der Sie berät? 9. Psychotherapeutische Behandlung? 10. Gibt es bereits Vereinbarungen, die Sie getroffen haben?
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IV. Muster von mediationstypischen Fragebögen über Einkünfte und Vermögen 1. Feste monatliche Ausgaben vor Summe nach Summe Trennung Trennung Wohnung oder Haus Miete oder Abzahlung: – Zins – Tilgung Grundsteuer Gebäudeversicherung Sonstiges Summe
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Wohn-Nebenkosten Strom Wasser Heizung Müllabfuhr Sonstiges Summe
……… ……… ……… ……… ………
Versicherungen Lebensversicherung BerufsunfähigkeitsUnfallHaftpflichtHausratRechtschutzKrankenversicherung Sonstiges Summe
……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ………
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……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ………
……… ……… ……… ……… ……… ………
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……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ………
………
………
Muster von mediationstypischen Fragebögen
vor Summe nach Summe Trennung Trennung Ratenzahlungen Persönliche Darlehen Sonstiges Summe
……… ………
Organisiertes Sparen Sparverträge Bausparverträge Sonstiges Summe
……… ……… ………
Kfz.-Kosten Kfz.-Versicherung Kfz.-Steuer Benzin Reparaturen Leasingraten Sonstiges Summe:
……… ……… ……… ……… ……… ………
Sonstige Fahrtkosten Öffentl. Verkehrsmittel Sonstiges Summe
……… ………
Mitgliedsbeiträge Berufsverbände Gewerkschaft Kirche Vereine Sonstiges Summe
……… ……… ……… ……… ………
Kinder Schulgeld Krankenversicherung Kindergarten
……… ……… ………
……… ……… ……… ………
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Mediationstypische Formulare
Musikunterricht Nachhilfe Summe Feste monatliche Kosten insgesamt:
vor Summe nach Summe Trennung Trennung ……… ……… ……… ……… ……… ……… ………
………
2. Flexible monatliche Kosten vor Summe nach Summe Trennung Trennung Ernährung Lebensmittel Mahlzeiten außer Haus Sonstiges Summe
……… ……… ………
Kleidung neue Kleidung Waschsalon/Reinig. Schuhreparaturen Sonstiges Summe
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Haushaltsmittel Reinigungsmittel kleinere Haushaltsgeräte Sonstiges Summe Haushaltshilfen Reinigung Gartenarbeiten Sonstiges Summe
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……… ……… ……… ………
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………
Muster von mediationstypischen Fragebögen
Instandhaltungskosten Wohnung Reparaturen Neuanschaffungen Sonstiges Summe Medizinische Sonderausgaben (durch Versicherung nicht gedeckt) Homöopathie Zahnarztkosten Medikamente Sonstiges Summe
……… ……… ………
……… ……… ……… ………
……… ……… ……… ………
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……… ……… ……… ……… ………
………
Urlaub
………
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Persönliche Ausgaben Restaurants Friseur und Kosmetik Theater, Kino Sport Hobbys Zeitschriften, Bücher Alkohol, Tabak Sonstiges Summe
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……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ………
Geschenke Geburtstage Namenstage Weihnachten Sonstiges Summe
……… ……… ……… ………
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……… ……… ……… ……… ………
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………
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Mediationstypische Formulare
Kinder Schulbedarf Schulfahrten Kleidung Essen Geschenke Sonstiges Summe
……… ……… ……… ……… ……… ………
Medien Fernsehen/Rundfunk Sonstiges Summe
……… ………
Telefon
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Flexible monatliche Kosten insgesamt:
……… ……… ……… ……… ……… ……… ………
……… ……… ………
………
……… ………
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………
3. Einnahmen a) Nichtselbständiger in den letzten 12 Monaten jährlich monatlich 1. Nettogehalt (abzgl. Steuern und Sozialversicherungsleistungen) 2. Urlaubsgeld 3. Weihnachtsgeld 4. Prämien 5. Provisionen/variable Gehaltsbestandteile 6. Sonderzuwendungen 7. Sachbezüge (Firmenwagen, Dienstwohnung, etc.) 8. Nebeneinkünfte 9. Mieteinnahmen 10. Mietfreies Wohnen 11. Zinseinnahmen 12. Dividenden 13. Steuerrückerstattung 14. Arbeitslosengeld 274
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Muster von mediationstypischen Fragebögen
15. Arbeitslosenhilfe 16. Wohngeld 17. Erziehungsgeld 18. Sozialhilfe 19. Unterhalt 20. Kindergeld 21. Sonstiges Summe
jährlich monatlich ……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ……… ………
Belege: Bitte legen Sie die letzte Lohnsteuerkarte, Gehaltsnachweise der letzten zwölf Monate und Nachweise über die sonstigen Einnahmen vor. b) Selbständiger und Freiberufler in den vergangenen drei Jahren insgesamt monatlich 1. Durchschnittsgewinn der letzten 3 Jahre vor Steuern 2. Steuererstattungen 3. Sachentnahmen (z.B. Privatnutzung PKW) 4. Mieteinnahmen 5. Mietfreies Wohnen 6. Zinseinnahmen 7. Dividenden 8. Öffentliche Gelder, Wohngeld, Sozialhilfe, andere öffentl. Gelder 9. Kindergeld 10. Unterhalt 11. Sonstiges Summe Privatentnahmen Summe
……… ………
……… ………
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……… ………
Belege: Bitte legen Sie die Steuererklärungen und -bescheide der letzten drei Jahre vor, sowie die entsprechenden Gewinn- und Ver-
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Mediationstypische Formulare
lustrechnungen einschließlich der Abschreibungslisten, sowie die Belege über die sonstigen Einnahmen.
4. Vermögen und Schulden a) Gegenwärtiges Vermögen 1. Girokonto Bank Kontonummer Kontoinhaber Betrag Postgirokonto Kontonummer Kontoinhaber Betrag
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2. Sparkonto Bank Kontonummer Kontoinhaber Betrag
……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
3. Depots (Aktien, Rentenpapiere, Anleihen, Fonds, usw.) Bank Kontonummer Kurswert
……………………………… ……………………………… ………………………………
4. Lebensversicherungen Versicherungsnehmer Versicherungsnummer Bezugsberechtigter monatl. Einzahlungsbetrag Rückkaufswert/Bonusanteile ausgelegt auf
……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
5. Bausparverträge Vertragspartner Gesellschaft
……………………………… ………………………………
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Muster von mediationstypischen Fragebögen
Versicherungsnehmer Versicherungsnummer Guthaben zum 31.12. d. l. J. Monatl. Einzahlungsbetrag 6. Forderungen Gläubiger Schuldner Schuldgrund Höhe Fälligkeit
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7. Immobilien Lage Eigentums- oder Miteigentumsanteil Grundstücksfläche Wohnfläche Wert
……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
8. Investitionen in Steuerprojekte Art Investor Kapital Finanzierungen Wert Jährliche Abschreibung
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9. Unternehmen/Betrieb/Praxis Bezeichnung Rechtsform Beteiligungsform Jahresumsatz Gewinn Beschäftigte Substanzwert Ertragswert Gesamtwert
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Mediationstypische Formulare
10. Weitere Vermögensgegenstände Bilder sonstige Kunstwerke Teppiche Schmuck Boot Münzsammlungen Briefmarkensammlungen Antiquitäten Auto (privat) Sonstiges Gesamtwert
……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
b) Schulden 1. Girokonto Schuldner Bank Kontonummer Höhe des Minussaldo 2. Hypothekarisch bzw. grundschuldmäßig abgesicherte Darlehen Schuldner Bank Kontonummer für welches Objekt wann und in welcher Höhe aufgenommen Höhe des jetzigen Schuldenstandes mtl. Zins und mtl. Tilgungsrate 3. Durch Lebensversicherungen abgedeckte Darlehen Schuldner Bank 278
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Muster von mediationstypischen Fragebögen
Versicherungsnummer Höhe Datum der Aufnahme
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4. Anschaffungskredite Schuldner Bank Kontonummer Höhe wofür Höhe d. mtl. Rückzahlungsrate
……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
5. Bauspardarlehen Schuldner Gesellschaft Nummer Höhe Beteiligungsverhältnis für welches Objekt mtl. Rückzahlungsrate
……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
6. Private Darlehen Schuldner Darlehensgeber Darlehensgrund Höhe fällig am mtl. Rückzahlungsrate
……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
7. Offene Rechnungen
………………………………
8. Erwartete Steuernachzahlungsverpflichtungen
………………………………
9. Sonstiges
……………………………… Summe:
………………………………
279
Mediationstypische Formulare
c) Mit in die Ehe eingebrachtes oder später durch Schenkung oder Erbschaft erworbenes Vermögen 1. Geldbeträge mit in die Ehe gebracht geschenkt erhalten oder ererbt wann Wert bei Einbringung
……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
2. Wertpapiere mit in die Ehe gebracht geschenkt oder ererbt wann Wert bei Einbringung
……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
3. Bausparverträge mit in die Ehe gebracht geschenkt oder ererbt wann Wert bei Einbringung
……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
4. Immobilien mit in die Ehe gebracht geschenkt oder ererbt wann Wert bei Einbringung
……………………………… ……………………………… ……………………………… ………………………………
5. Weitere Vermögensgegenstände Bilder sonstige Kunstwerke Teppiche Schmuck Boot Münzsammlungen Briefmarkensammlungen Antiquitäten Auto (privat) Wohnwagen Sonstiges Gesamtwert
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280
Muster von mediationstypischen Fragebögen
6. Schulden zum Zeitpunkt der Eheschließung Schuldner Gläubiger Höhe
……………………………… ……………………………… ………………………………
Belege: Bitte weisen Sie die entsprechenden Guthaben und Schulden durch Bankbelege, Vertragsunterlagen und die Höhe des gegenwärtigen Vermögens- bzw. Schuldhöhe durch die entsprechenden Vertragsunterlagen und Kontoauszüge nach.
5. Hausratsteilung Inventarliste
Bedarf
KFZ Haushaltsgeräte Möbel: – aus dem Wohnzimmer – aus dem Schlafzimmer – aus der Küche – aus anderen Zimmern – Sonstiges Fernseher, Videogerät Radios, Stereogeräte CDs, Platten, Bänder, Videos Bücher, Bilder Werkzeug Pflanzen Haustiere Sonstiges
281
Stichwortverzeichnis
Abbruch der Mediation 25, 135, 204, 237 Abschiedsgespräch 130 Abschlussvereinbarung 196 ff. Allparteilichkeit 5, 23 ff., 43, 117, 248 Ängste 6, 66, 161, 203, 225 Anwaltliche Vertretung 70, 81, 88, 93 ff. Arbeitsbündnis 108, 129, 131 ff. Ausgaben 8, 71 ff., 129, 270 Außenanwälte 58, 93 ff., 105, 115 ff. Autonomie 5, 50 ff., 247 ff. Balance 23 ff., 68, 184, 203 Balkon 27, 68, 206, 220 Bestandsaufnahme 149 ff. Bestandsverzeichnis 61 ff., 71, 132, 149 Beweisvereitelung 261, 266 Bildersprache 220 ff. Blockaden 9, 64, 144, 153 Brainstorming 31, 173, 182 Co-Mediation 96, 257 Direkte und indirekte Kommunikation 101, 127, 151, 215 ff. Dissonanzen 189, 195, 237 Distanz 23, 27, 30 ff., 203 Doppeln 232 Druck 72, 75 ff., 203, 206
Ehewohnung 17, 40, 51, 63 ff., 75 ff., 105, 133, 145, 149, 152 ff., 178, 221, 240 Eigenverantwortung 5, 50 ff., 83, 248 ff. Eingangsvertrag 6, 37 ff., 106, 129, 253 ff., 260 ff., 265 ff. Einigung 172 ff. Einkünfte 260, 265, 270 ff. Entbindung von der Schweigepflicht 261, 266 Erstgespräch 39, 84, 92, 229 Familiengericht 2, 83, 85, 246 Flipchart 151 ff. Fragebögen über Einnahmen, Ausgaben und Vermögen 58, 106, 129, 149, 270 ff. Fragen 9, 73, 98, 154, 164, 199, 204, 234 ff. – Als-ob-Fragen 234 – Eröffnungsfragen 235 – fokussierende 235 – geschlossene 234 – miteinbeziehende 236 – offene 234 – reflexive 236 – Schlussfragen 237 – zirkuläre 237 Freiwilligkeit 5, 44, 83 ff., 131, 246 Fristablauf 167 Gefühlsregungen 26 Gelassenheit 36
283
Stichwortverzeichnis
Gerichtsverfahren 2 f., 37, 54, 83, 131, 198, 246 Gewalt 51 ff., 64, 78 ff., 239 ff. Gewaltfreie Kommunikation 239 ff. Grundregeln 21, 129, 131
Nähe 23, 30 ff. Neutralität 23 ff., 248 Normalisieren 150 Notarielle Beurkundung 196
Haftpflichtversicherung 40 Haftung 256 Handwerkszeug 207 ff. Hausrat 102, 105, 108, 158, 178, 270, 281 Honorar 254 Housekeeping 206
Pacing 211 Parteilichkeit 24 Prinzipien der Mediation 5 ff., 247 ff. Prioritäten 129, 151 Psychische Erkrankung 56, 69, 204
Informiertheit 6 ff. Interessen 5 ff., 160 ff.
Recht 93 ff. Rechtsberatung 93 ff., 120, 243 ff. Rechtsdienstleistungsgesetz 94, 243, 266 Reflecting Team 228 f. Reframing 169, 213 Regeln 21, 41, 131 Regressansprüche 40 Respekt 16, 35 Richtlinien 43, 72, 83, 93, 96, 108, 203, 255, 257
Kenntnis des Rechts 62, 93 ff. Kinder in der Mediation 175 Kommunikation 23, 101, 127, 132, 138, 149, 151, 207, 209, 211, 215 ff., 220, 239 ff. Konfliktdynamik 64, 142, 166 Konsequenzen 113 Körperliche Verletzungen 79 Leading 211 f. Lösung 50 ff., 57 ff., 83 ff., 93 ff., 130 ff., 172 ff., 196 ff. Manische Phase 70 ff. Mediationsgesetz 247 ff. Metapher 27, 60, 117 ff., 220 ff. Misstrauen 7 ff., 42 ff., 99 Miteinbeziehende Fragen 236 Motivation 92, 131, 235 Muster von mediationstypischen Formularen 259 ff. 284
Offenheit 6 ff.
Schuldgefühle 13, 53, 56 Schweigepflicht 5, 37 ff., 56, 75, 131, 261 ff. Selbstmordversuch 78 Sicherheit 161 ff. Spannung 11 Spiegeln 208, 230, 257 Sprachlosigkeit 53 Störungen 90, 147 Streiten 15, 33, 140 ff. Sucht 51, 55 f., 74 f.
Stichwortverzeichnis
Supervision 24, 43, 56, 68 ff., 72 ff., 203 ff. Therapie 63 ff., 89, 131, 179 Titelführung 255 Unterbrechung 206 Unterhalt 7 ff., 24 ff., 40, 57 f., 63 f., 66 f., 75 ff., 100 ff., 115 ff., 119 ff., 133 ff., 161 ff., 186, 196 ff. Unzulässige Rechtsberatung 94 ff. Vereinbarung 105 ff., 120 ff., 186, 196 ff., 260 ff. Vernetzung 96
Verschwiegenheit 5, 37 ff., 249 ff. Vertragsabfassung 130 Vertrauen 13 ff., 37 ff., 47 ff., 211 f., 222 ff. Vertraulichkeit 41, 131, 250 Verzicht 25 ff., 76 ff., 98 Vollstreckbarkeit 198 Werbung 255 Zeuge 5, 37, 228, 261 ff. Zeugnisverweigerungsrecht 5, 37 ff., 249 f., 267 Zugewinn 51 f., 73, 111 f., 149, 157 f. Zuhören 23, 132, 181, 209 f., 216, 233
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