Platos Logik des Seins [Reprint 2010 ed.] 9783110823868, 9783110001495


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German Pages 522 [528] Year 1965

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Table of contents :
Historische Einleitung
Erster Teil. Die Begriffe des Nichtseins und Seins, aus der Methode der Ideenlehre heraus charakterisiert
1. Einführung des Nichtseins und Seins am Problem der δόξα
2. Begriffsbestimmung des Nichtseins und Seins
Zweiter Teil. Das Prinzip der Ideenlehre, aus der Methode von Nichtsein und Sein heraus charakterisiert
1. Nichtsein und Sein in der „Einheit der Idee“
2. Nichtsein und Sein in der υͤπόϑεσις
3. Nichtsein und Sein im ἀνυπόϑετον
4. Nichtsein und Sein in der ψυχή
Dritter Teil. Die Anwendung der Ideenlehre, aus der Methode von Nichtsein und Sein heraus charakterisiert
1. Nichtsein und Sein im Problem der πέϑεξις
2. Nichtsein und Sein im Problem des Daseins
3. Nichtsein und Sein im Problem der Materie
4. Nichtsein und Sein in der dialektischen Methode
Terminologisches Register
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Platos Logik des Seins [Reprint 2010 ed.]
 9783110823868, 9783110001495

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PLΑΤΟS LOGIK DES SEINS VON

NICOLAI HARTMANN

ZWEITE AUFLAGE

WALTER DE GRUYTER & CO. VORMALS G. J. G S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G J. GUTTENTAG · V E R L A G S B U C H H A N D L U N G G E O R G R E I M E R · KARL J. TR B N E R · VEIT & COMP. BERLIN 1965

Unveränderter Nachdruck der 1909 als 3. Band der ,,Philosophischen Arbeiten", herausgegeben von Hermann Cohen und Paul Natorp im Verlag von Alfred Töpelmann (vormals J. Ricker) erschienenen i. Auflage.

© Archiv-Nr. 41) j 65 /1 Copyright 196; by Waltet de Gniyter & Co., vormals G. J. Goscbca'schc Vedagihandlung, J. Guttentag, Vet.lagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trüboer, Veit Comp. Printed in Germany — Alle Rechte des Nachdrucki, der photomechanhchen Wiedergd>e.der HenteUung von Mikrofilmen und Photokopien, auch auszugsweise vorbehalten, Druck: Walter de Gniyter Ac Co.

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Vorwort Was wir heute Logik nennen, die wissenschaftliche Zur ckf hrung der theoretischen Probleme auf Prinzipien, aus denen heraus ihr Inhalt formulierbar wird, das nannte Plato das „Geben des Logos", Rechenschaft-Geben. Die theoretischen Probleme aber waren f r das antike Denken zur Einheit einer Grundfrage vereinigt in dem Problem des Seins. Daher bezieht sich das Geben des Logos ausdr cklich auf „das Sein selbst": αυτή ή ουσία ης λόγον δίδομεν τον είναι (Ph d. 78 C). Diejenige Logik also, um die es sich bei Plato einzig handeln kann, ist Logik des Seins. So viel zur terminologischen Rechtfertigung unseres Titels. Die sachliche Rechtfertigung ist schwieriger beizubringen. Da es sich bei Plato, soweit seine Philosophie berhaupt theoretisch ist, um eine Theorie des Seins handeln mu , wird schwerlich jemand bestreiten. Da aber diese Theorie eine Logik, und nicht vielmehr eine Metaphysik des Seins vorstelle, dies ist eine These, die vielleicht nicht ohne weiteres auf Zustimmung rechnen kann. Sie l t sich nicht einfach durch den Hinweis auf ein Textwort st tzen. F r sie m ssen daher die Ausf hrungen des Buches selbst einstehen, welches keine wesentlichere Aufgabe hat als diese, den logischen Charakter des Platonischen Seinsbegriffs aus seiner methodischen Durchf hrung zu erweisen. Es w re demnach der sachlichen Untersuchung nichts weiter vorauszuschicken, wenn nicht gerade hier der Angelpunkt eines Mi verst ndnisses l ge, das, wenn es sich nicht gleich zu Anfang heben l t, unsere ganze historische Position zweifelhaft machen m te. Den Metaphysiker hat man in Plato von jeher gesehen. Seine Idee hat man seit Aristoteles f r ein bersinnliches Ding, seine Seele f r eine psychische Substanz, seine Seinslehre f r

IV

Vorwort

Ontologie angesehen. Diese Ansicht ist also so alt wie der Platonismus selbst und, wie man sich auch zu ihr stellen mag, sie ist genau so sehr historisches Faktum wie er. So muß sie wohl irgendworin ihren Grund haben, der nicht übersehen werden darf, so sehr auch der langsam reifende historische Blick zu tieferer Auffassung gelangt. Wenn nun dagegen hier der Standpunkt einer Logik des Seins im Gegensatz zur Metaphysik des Seins als Platonischer Gesichtspunkt geltend gemacht werden soll, so werden wir dem Verdacht kaum entgehen können, daß auf diese Weise der Metaphysiker Plato unrechtmäßigerweise verdunkelt und gleichsam unterschlagen werde. Gegen diesen Verdacht gilt es sich von vornherein' zu sichern, zumal die sachlichen Untersuchungen es hernach nicht mehr zulassen dürften, die abwehrende Haltung gegen ihn bei jedem Schritt neu zu betonen. Die Eintönigkeit solch einer sich immer in gleicher Weise wiederholenden Abwehr würde lähmend wirken auf den Gang einer Untersuchung, die ohnehin eine nicht leicht übersehbare Verflechtung sich kreuzender Fäden mitbringt. Es handelt sich für uns vielmehr nur um die einmalige klare Festlegung des Standpunktes, der solchem Mißverständnis gegenüber einzunehmen ist. Und in diesem Sinne ist zu sagen, daß es sich für die Durchführung der logischen Grundansicht vom Sein keineswegs um Ausschließung jedes anderen Gesichtspunktes handelt. Plato ist ein viel zu vielgestaltiger Geist, viel zu sehr Kreuzungspunkt mannigfacher Kulturrichtungen, als daß man jemals hoffen dürfte, ihn in einer dieser Richtungen ganz aufgeherf zu lassen. Er ist viel zu sehr Dichter und religiöser Mensch, um nicht bei allem Streben zu strenger Wissenschaftlichkeit die Fühlung mit dem mythischen Urgründe des hellenischen Geistes in sich lebendig zu erhalten. Daß der strenge Dialektiker in ihm mit diesem dichterischen Zuge nicht immer im Frieden leben kann, und daß dieser Gegensatz wenigstens äußerlich zu Widersprüchen in seinen Worten führen muß, ist derart selbstverständlich, daß der gewaltsame Anspruch, den ganzen Plato auf einen Leisten zu schlagen, nicht mehr sollte laut werden dürfen. Ihm das als Inkonsequenz zur Last legen und in kleinlicher Kritik bloßstellen, hieße ganz und

Vorwort

V

gar das Eigentümliche des um seine Einheit noch ringenden Kulturgeistes in ihm verkennen. So steht es auch mit demjenigen Zug in ihm, den man gewohnt ist als metaphysisch zu bezeichnen. Seine Vorliebe für die Orphische und Pythagoreische Theologie, sein persönlicher Glaube an Unsterblichkeit und jenseitiges Leben, seine ästhetisch-teleologische Ansicht von der Güte und Schönheit des Naturganzen sind unbestreitbare und kulturgeschichtlich schwerwiegende Züge seines Schaffens, sowie seiner Einwirkung auf Mit- und Nachwelt. Aber deswegen brauchen sie nicht auch das philosophisch Maßgebende zu sein. Und wenn die frühen Darstellungen der Ideenlehre noch eine entschiedene Anlehnung an die populäre, mythische und also durchaus metaphysische Denkweise zeigen — die selbst im „Timäus" noch nachwirkt —, so ist gewiß auch das ein Moment, das für die biographische Rekonstruktion seines philosophischen Werdeganges ins Gewicht fällt. Aber zum Ausgangspunkt für eine problemgeschichtliche Würdigung seiner Philosophie kann es schwerlich gemacht werden. Aus diesem Grunde braucht sich die seinslogische Auffassung keineswegs in ein streng ausschließendes Verhältnis zu jener Metaphysik des Ideenseins zu stellen, die man meist bei Plato gesucht und in fast allen Darstellungen an die Spitze gestellt hat. Es ist jedenfalls nicht das metaphysische Interesse, das beanstandet werden darf; denn der metaphysisch interessierte Historiker muß naturgemäß zu allererst das Metaphysische an seinem Stoff hervorkehren und betonen. Und schließlich ist eine jede Auffassung, die einem Denker zuteil wird, auf die eine oder die andere Weise von ihm selbst mit veranlaßt. Aber deswegen braucht nicht jeder Anlaß, den er gibt, ein richtiges Kriterium für das Wesentliche seiner Philosophie zu sein. So wird man denn wenigstens das gleiche Recht auch dem logisch interessierten Forscher einräumen müssen, in erster Linie den Spuren logischer Züge nachzugehen und ihnen, wo sie sich finden lassen, die wegweisende Rolle beizumessen. Und so gewiß es feststeht, daß im allgemeinen Gange der philosophischen Probleme das metaphysische Interesse überwunden und entsetzt worden ist durch das logisch-wissenschaftliche, so

VI

Vorwort

gewiß muß es sein, daß der logische Gesichtspunkt, sofern er sich bei einem Denker der Vorzeit nachweisen läßt, ein tieferes und maßgeblicheres Kriterium für die historische Beurteilung seiner Philosophie abgeben muß als der metaphysische, — wie sehr auch immer dieser sich neben ihm als unaufgelöst erweisen mag. In diesem Sinne läßt die Logik des Seins, als welche wir die Ideenlehre zu verstehen suchen, genügend Spielraum für dichterische, mythische und also metaphysische Züge in Plato. Sie beansprucht nicht, einzig möglicher Gesichtspunkt zu sein, wohl aber der für die philosophische Würdigung maßgebende. — Wenn die Platoforschung, wie sie gegenwärtig steht, dem metaphysisch-mythologischen Interesse nicht bereits in ausgiebiger Weise Genüge geleistet hätte, so wäre es gewiß unsere Aufgabe, auch dieses Interesse neben dem seinslogischen zu berücksichtigen. Dieser Aufgabe darf man sich heute füglich als enthoben erachten, da die vielseitige Bemühung der besten Forscher, die ihr zugute gekommen ist, es schwerlich erwarten läßt, daß Plato nach dieser Seite hin noch unterschätzt werde. So können wir uns auf Grund dieser dankenswerten Vorarbeit darauf beschränken, mit ganzem Schwergewicht die andere, eigentlich philosophische Seite zu betonen, indem wir dem Problem einer Logik des Seins in der Platonischen Philosophie nachgehen, unbekümmert um den wenigstens stellenweise nicht ganz zu umgehenden äußeren Anschein standpunktlicher Einseitigkeit. Hierin liegt auch der Grund, warum in der gegenwärtigen Darstellung die reichhaltige und für jeden Interpreten belehrende Platoliteratur keine ins einzelne gehende Berücksichtigung hat finden können!1 Sie geht im wesentlichen in jener anderen Richtung, die für unseren Gesichtspunkt zwar ein berechtigtes Interesse, aber keine problemgeschichtliche Grundlage abgibt. Ein näheres Eingehen auf Einzelheiten würde daher eine fortwährende Wiederholung des hier in allgemeiner Form Ausgesprochenen zur Folge haben, was seinerseits durch eine Menge von Anmerkungen die Lesbarkeit des Textes herabsetzen würde, ohne die sachlichen Untersuchungen wesentlich zu fördern. Bei dem gegenwärtigen Stande unseres Problems

Vorwort

VII

gilt es in erster Linie, Plato selbst im Sinne seiner besten Formulierungen zu Worte kommen zu lassen. Für standpunktliche Auseinandersetzungen findet sich hernach die Gelegenheit immer noch am ehesten. Aus einem ähnlichen Grunde geschieht es, daß die schwierige Frage nach der Reihenfolge der Dialoge hier unberücksichtigt bleiben konnte. Für den kulturhistorischen Darsteller Platos ist sie unerläßlich. Für den philosophischen wird sie zurückstellbar, sobald die Grundfrage, welche die Forschungsrichtung bestimmt, einen natürlich aus ihr fließenden Dispositionsgrund enthält. Einen solchen wird man dem Seinsproblem schwerlich absprechen wollen, zumal in der eigenartigen Ausprägung, die ihm Plato gibt, als Doppelprobleni des Nichtseins und Seins. Daß sich aus dieser fundamentalen Korrelation eine Gruppierung der Probleme ergibt, die um so mehr historisch ist, als Platos eigene Formulierungen speziellerer Fragen wiederholt auf sie zurückgehen, bedarf keiner vorgreifenden Begründung. Wenn dagegen unsere Darstellung dennoch stellenweise auch eine gewisse Chronologie der Dialoge in Anspruch nimmt, so geschieht das nur, um durch gelegentliche Zuhilfenahme des Entwicklungsmoments der an sich logischen Entfaltung eines Problems eine leichter zugängliche und gleichsam anschauliche Einkleidung zu geben. Für das Problem selbst aber ist das genau so wenig bestimmend, als es die umgekehrte Chronologie sein würde. Denn diese würde höchstens die versuchte Veranschaulichung als unhaltbar erweisen. An dieser aber als solcher ist für die Sache nichts gelegen. Marburg, März 1909.

N. Hartmann.

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Inhaltsverzeichnis. Seite

Historische Einleitung

i—81

Das Seinsproblem der Vorsokratiker und die Methode seiner Erforschung i. Thaies 10. Anaximander 14. Die Pythagoreer 20. Heraklit o. Xenophanes 38. Parmenides 40. Zenon 48. Anaxagoras 52. Demokrit 55. Die Sophisten 72. Sokrates 75. Ausblick auf Plato So. Erster Teil.

Die Begriffe des Nichtseins und Seins, aus der Methode der Ideenlehre heraus charakterisiert. . . 82—172 1. Einf hrung des Nichtseins und Seins am Problem der δόξα Die Aufgaben des Seinsproblems 82. Das Problem der ψευδής δόξα &g. Aporien des Nichtseins 100. Aporien des Seins 106. 2. B e g r i f f s b e s t i m m u n g des Nichtseins und Seins . . Das Sein im Urteil 112. Das Problem der Begriffsgemeinschaft ii 8. Die συμπλοκή und das έτερον 127. Das Prinzip des Nichtseins 130. Nichtsein und Sein 138. μη Sy und ουκ Sv 146. Systematische Bedeutung des Platonischen „seienden Nichtseins" 152. L sung des Problems der ψευδής δόξα ι68.

82

112

Zweiter Teil.

Das Prinzip der Ideenlehre, aus der Methode von Nichtsein und Sein heraus charakterisiert 173—313 1. Nichtsein und Sein in der „ E i n h e i t der Idee" . . . 173 Einheit und Begriff 173. Das Selbst und die άνάμνησις 177. μία τις Ιδέα ι86. Bestimmungen des Ideenseins 192. Problemgrenze im Motiv des „Schauens" 200. 2. N i c h t s e i n und Sein in der νπό&εοις 204 Das Problem der επιστήμη 204. Umgekehrte Begr ndung der Idee aus der Leistung 212. προειδέναι und λόγον διδόναι 2ΐ6. Die νπό&εοις der fr hen Dialoge 227. Die methodologische νπό&εσις im Menon 230. Die rein logische ΰπό&εαις im Ph don 238. Die Sicherheit der νπό&εαις und das ίχανόν 249.

X

Inhaltsverzeichnis Seite

3. Nichtsein und Sein im άννπόφβτον Das ethische Problem 258. Die Idee des Guten „jenseits des Seins" 262. Die αρχή άνυπό&πος 270. 4. Nichtsein und Sein in der ψυχή . .· Das psychologische Problem in der Idee 278. αυτή ή ψυχή 282. Die Unsterblichkeitsbeweise (Ph don, Ph dr., Republ.) 286. Systematischer Sinn der Beweise 297. Unsterblichkeitsbegriff des Symposion 303.

258 27$

Dritter Teil.

Die Anwendung der Ideenlehre, aus der Methode von Nichtsein und Sein heraus charakterisiert . . . . 314—479 1. Nichtsein und Sein im Problem der μέ&εξις . . . . 314 Das Problem der Anwendung 314. Aporien der μέ&βξις 317. Das Ideenproblem im Parmenides 324. Vorgeschichte des μηαξύ 332. Das μβταξν im Euthydem, Gorgias, Ph don, Lysis und Symposion 336. Theorie der Kontinuit t im Parmenides 351. 2. Nichtsein und Sein im Problem des Daseins . . . 360 Die absteigende μέ&βξις 360. Die Μρα φύσις του dSove 365. Bestimmungen des μη Sv Sv 372. Das „Mannigfaltige" 378. άπειρον vmd πέρας des Philebus 383. Die γένεαις efe ονσ/αν 391. Das Werden und die Kontinuit t der Probleme 396. νπβρβοίή und £Ueiytff des Politikus 404. δντως Sv und γβγενημένη ovala 412. alria und νους 415. 3. Nichtsein und Sein im Problem der Materie . . . 423 Die υποδοχή des Werdens 423. Raum und Materie 428. Idee und Raum 437. Ungel ster Rest des Problems 442. 4. Nichtsein und Sein in der dialektischen Methode . 447 Induktion und Begriffsverfahren 447. Sinn des Dialogs 452. Maieutik 455. Nichtsein und Sein — Problem und L sung 458. Begriffsgemeinschaft als dialektisches Prinzip 464. Einheit der Methode 475. Terminologisches Register

.

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479

Das Platonische Seinsproblem

Historische Einleitung. In der Platonischen Philosophie treten uns zwei Begriffe entgegen, deren fundamentale Bedeutung wiederholt nachdrücklich hervorgehoben wird, und die gleichsam eine zentrale Stellung gegenüber den anderen Grundbegriffen einnehmen. Das sind die Begriffe des Seins und des Nichtseins. Man hat die Bedeutung dieser Begriffe nicht zu allen Zeiten richtig einzuschätzen gewußt; denn sie steht und fällt mit dem Verständnis der Platonischen Idee. Diese Begriffe sind als Ideen und für die Ideen erdacht. Daher muß man zuvor die methodische Bedeutung der Idee erfaßt haben, um sich in die methodische Bedeutung dieser Begriffe hineinleben zu können. Plato verstand diese methodische Bedeutung dahin, daß die Grundbegriffe zugrunde gelegt werden müßten, um aus ihnen heraus die Möglichkeit gesicherten Wissens einsehen zu können. Aus diesem Gesichtspunkt allein läßt sich auch die Grundkorrelation von Sein und Nichtsein verstehen. Weil Plato in der Idee das Mittel besaß, den Begriffen ihre methodische Seite abzugewinnen, deswegen konnte für ihn diese Grundkorrelation sich in ihrem fundamentalen logischen Werte zeigen. Diesen Wert verlor sie schon bei Aristoteles wieder. Und zwar mußte auch dieses mit Notwendigkeit geschehen, weil das logische Mittel der Idee verloren ging. Denn ohne dieses gibt es kein Seinsproblem im Platonischen Sinne, d. h. als logische Grundkorrelation. Für Aristoteles sinkt alles das, was bei Plato eine Leistung des Denkens ist, zum Gegebenen herab. Daher wird ihm die Idee zum Dinge — und als solches natürlich verworfen. Das Sein aber, das nicht verworfen werden konnte, wird absolut — im Sinne des Absolut-Gegebenen. Alle vier Seinsprinzipien, die er aufstellt, versteht er in dieser absoluten Gegebenheit. Daher bleibt kein Raum für das Nichtsein. Es muß seinen ursprünglichen Sinn verlieren. Denn es sollte reine Methode sein; dieses rein Methodische aber wird nun verkannt Cohen und N a t o r p , Philosophische Arbeiten m

l

2

Das Seinsproblem Platos und seiner Vorgänger

in ihm. Das Seinsproblem hört auf sich in der unlösbaren Korrelation zu bewegen. Das absolut gegebene Sein bedarf eben nicht des Korrelats. Wie aber Aristoteles im Ideenproblem bestimmend geworden ist für die Folgezeit, so wurde er es auch im Seinsproblem. Die Versuche der Neuplatoniker, zur Idealität des Seins zurückzukehren, konnten hiergegen nicht dauernden Einfluß gewinnen. Erst die neuere Zeit, die von selten mathematisch-naturwissenschaftlicher Studien darauf hingewiesen wurde, den Gedanken der Idee aus seiner Vergessenheit wieder auszugraben, konnte auch den alten Seinsgedanken wieder in methodischem Sinne verstehen lernen. Seitdem hat die Geschichte der philosophischen Probleme von Schritt zu Schritt deutlicher und deutlicher auf Plato zurückgewiesen. Und je mehr sich das wissenschaftliche Denken zum Idealismus reinigte, je höher hinauf der methodische Blickpunkt verlegt wurde, desto mehr näherte man sich dem alten Platonischen Grundgedanken. Daher kommt es denn, daß für uns heute im historischen Rückblick kein Denker der Vorzeit dem Kantischen Idealismus so nahe kommt, als der methodisch verstandene Plato. Dieses Interesse, das wir heute billigerweise wieder an Plato nehmen, zwingt uns aber zugleich, über ihn hinaus zurückzublicken und die historischen Fäden aufzuweisen, an denen sich seine Fragestellung herausarbeitet. Denn Plato ist nicht einer von den Denkern, die den Zusammenhang lösend nach beabsichtigter Originalität suchen, sondern durchaus einer von denen, die ihre Größe der glücklichen Vereinigung aller wertvollsten Errungenschaften verdanken, die das Denken der miteinander streitenden Vorgänger zutage gefördert hat. Jene Begriffe des Seins und des Nichtseins, in deren Korrelation die ganze Reihe der theoretischen Probleme als in der Einheit e i n e r Problemstellung — des Seinsproblems — zusammengeht, sind freilich für ihn wieder etwas ganz Eigenartiges, was sie bei keinem der Früheren gewesen sind. Aber sie sind eben das doch nur dank dem, worin sie geschichtlich wurzeln. Daher lassen sie sich schwerlich auf anderem Wege verstehen, als aus dem heraus, was ihnen bei den Vorgängern als Analogen sowohl des Begriffs als der Fragestellung entspricht. Und hier wiederum ist es nicht möglich an einem bestimmten Punkte haltzumachen, — etwa bei Demokrit, der Plato im Seinsproblem schon sehr nahe kommt, oder auch nur bei Parmenides, der zuerst das Problem definiert und ihm die Be-

Das Problem vor dem Begriff

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griffe prägt. Denn ein jeder dieser Denker weist wieder über sich hinaus und zurück auf frühere Stufen, aus denen allein heraus er zu verstehen ist. So müssen wir in unserem Rückgange weiter hinaufgehen, als selbst der Ursprung der Begriffe des Seins und Nichtseins liegt. Es gilt, bis zu den wirklich ersten Anfängen der theoretischen Forschung zurückzugehen und an ihnen die ursprüngliche Problemstellung zu gewinnen, aus der die späteren, entwickelteren Formulierungen letzterdings alle hervorgehen. Damit aber gewinnt die Forschung nach dem Seinsproblem auf dieser frühen, vorplatonischen Stufe ein besonderes, selbständiges Interesse, aus dem allein heraus sich der Versuch rechtfertigen läßt, diese Ursprungsstadien zum Gegenstande einer gesonderten Untersuchung zu machen. Es ist die Aufgabe des Nachweises, wie jene Begriffe des Seins und des Nichtseins, die für den ausgereiften Idealismus bei Plato so durchschlagende Bedeutung gewinnen, zuallererst Begriffe werden konnten, d. h. wie sich die Problemstellung im Laufe ihrer Entwicklung ihre Begriffe selbst erzeugt und formuliert und sie dann weiter hinaus durchführt und reinigt, bis sie schließlich die methodische Spannkraft erzielen, in der das ursprüngliche Problem sich allseitig definieren und erschöpfen läßt. Denn erst von diesem Nachweise aus dürfte sich auch die ganze innere, logische Notwendigkeit dessen verstehen lassen, was Plato diesem ursprünglichen Problem abgewinnt, ja daß überhaupt seine ganze Fragestellung in der Idee keine andere als die dieses ursprünglichen Seinsproblems ist — nur in seiner Ausreifung und Vollendung zur logischen Rechenschaft über sich selbst. Daß die ältesten Denker nicht gleich vom Sein oder Nichtsein reden, darf uns gegen diesen Gesichtspunkt nicht voreinnehmen. Sie haben nicht die Begriffe, wohl aber ihr vorbegriffliches Analogen, das Problem. Denn das „Seinsproblem" ist bei den Vorsokratikern von vornherein ein Hauptgegenstand des philosophischen Interesses, man möchte fast sagen, „der" Hauptgegenstand. Schon in den ersten Schritten des wissenschaftlichen Denkens ist es deutlich enthalten, so unzureichend und nebelhaft sie sich in der Überlieferung darstellen. Man sieht es gerade hier am deutlichsten, wie das menschliche Denken von Hause aus seiner eigenen Natur gemäß auf die Fragestellung des Seins gerichtet ist, und wie das Erwachen des theoretischen Interesses, sowie die Anfänge der Abstraktion und des Bedürfnisses nach Rechenschaft und Begründung nicht

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Der Ursprung im Mythos

anders als in engster Verknüpfung mit der Fragestellung nach dem Sein auftreten, sich an ihr gleichsam herausschälen und -entwickein. Freilich beginnt ja das menschliche Denken weder mit der Philosophie noch überhaupt mit einem theoretischen Interesse. Sondern schon weit hinter diesem zurück liegt das Denken der Mythologie und Dichtung. Auch dieses bekundet ein Suchen. Es hat Probleme und bildet sich Mittel und Wege zu ihrer Lösung. Aber das Typische ist hier gerade, daß das eigentlich theoretische Interesse noch fehlt. Es ist das vorwissenschaftliche Denken. Diesem liegt das Aktuelle, das Praktische näher. Es überwiegt in allen Richtungen und erdrückt durch dieses sein Übergewicht alle von ihm sich lösende Fragestellung. So entwickeln die mythologischen Dichter und Denker ein ganzes System praktischer Lebensweisheit, dem schon unverkennbar hoher sittlicher Gehalt innewohnt; und zur Begründung und Sicherung wird die Götterwelt herangezogen. Aber das Theoretische bleibt in diesem Interessenkreise immer an zweiter Stelle. Wohl wird die Frage nach der Entstehung der Welt aufgeworfen und etwas wie Theorien zu ihrer Beantwortung aufgestellt. Aber diese Kosmogonien stehen nicht um ihrer selbst willen da, sie sind nicht für den Kosmos unternommen, wenigstens nicht nur für ihn. Sondern dahinter stecken dunkle Mächte, die Götter, die der Mensch nicht vernachlässigen darf, wenn er ihrer Rache entgehen will. So ist die Kosmogonie nicht zu trennen von der Deisidaimonie, an der sie mit entspringt. Das Freiwerden des Interesses an der Weltentstehung von dieser Deisidaimonie bezeichnet den Schritt von der Mythologie zur Naturphilosophie. Dieser Schritt vollzieht sich zuerst in der alten Milesischen Schule, die mit Thaies beginnt. Das mythologische Denken freilich löst sich mit dieser Freiwerdung des theoretischen Interesses noch keineswegs auf. Es wird hier noch lange nicht alles, was es an Fragestellung enthält, frei von seinem Banne. Fürs erste ist es nur das Interesse am Sein der Welt und der Dinge; das sich ablöst und gesondert zum Problem wird gemäß der Eigentümlichkeit der Betrachtungsweise, die es fordert. Gerade dieses aber ist es, das den geringeren Teil im Bestände des mythologischen Denkens ausmachte. Der größere, das praktische Interesse, verbleibt dem Mythos noch eine Weile. Erst Demokrit und Sokrates beginnen hier Hand anzulegen — anderthalb Jahrhunderte später.

Entstehung des Begriffs

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Aber gerade in der Beschränkung, in der Aussonderung einer bestimmten Gruppe von Problemen, lag die Kraft der ersten Abstraktion. Nur so wurde die Problem-Stellung als solche zuallererst möglich. Die Frage wurde auf den Kosmos eingestellt. Und bis auf die Sophisten blieb alles philosophische Denken in dieser einen Fragestellung. Es war und blieb Forschung nach dem Kosmos, Naturphilosophie, mit Aristotelischem Terminus „Physiologie". So fruchtbar erwies sich gleich dieser erste Fußbreit festen Bodens, den der philosophische Geist der Rechenschaft dem Mythos abgewann. Diese Zeit der „Physiologen" ist die erste Entwicklungsperiode des Seinsproblems und zugleich der Philosophie überhaupt. Denn der Kosmos ist das Sein, das sie suchen, und damit zugleich das erste Problem der Philosophie. Daß aber so das Sein das erste Problem ist, das als solches aufgeworfen und behandelt wird, ist bezeichnend geworden für die gesamte Entwicklungsgeschichte des philosophischen Denkens. Denn nachdem diese Richtung auf das Grundproblem des theoretischen Denkens einmal gewonnen war, mußte sie sich dank ihrer zentralen Stellung gegenüber allen angrenzenden Richtungen auf verwandte Probleme als fruchtbar und leitend erweisen; wie sie denn von Hause aus ihnen methodisch und sachlich übergeordnet war und blieb. Aber das bedeutet natürlich noch nicht, daß der Seinsgedanke bei diesem seinem frühesten Auftreten auch schon rein und genau fixiert gewesen wäre. Das ist nicht der Entwicklungsgang der Probleme, daß etwa auch gleich der geeignete Begriff zur Hand wäre, in dem das Problem festgelegt werden könnte. Der Begriff will erst erarbeitet sein. Er will gesucht, entdeckt sein. Das Suchen aber braucht ein Leitprinzip, eine Richtung, in der gesucht wird. Diese Richtung wird zuerst festgelegt. Sie ist nichts anderes als das Problem selbst. Und ihre Festlegung ist die Festlegung des Problems. In dieser Arbeit kann der Begriff erst entstehen. Das aber ist ein langer Weg, ein mühevolles Vorwärtsdringen von Schritt zu Schritt. Und die Geschichte der Philosophie lehrt es, wie namentlich in jenen Urantangen des wissenschaftlichen Denkens der einzelne Philosoph fast ausnahmslos nicht im Stande ist, allein den ganzen Weg vom Problem zum Begriff zu durchmessen. Sondern er leistet sein Bestes, und leistet viel, indem er nur ein Glied in der Kette ist, die vom einen zum anderen hinleitet. Einer wirft die Frage auf — noch unvollkommen und dunkel — und

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Womit ist zu beginnen?

macht zugleich den ersten Versuch, zu einem Begriff zu gelangen. Aber der Sprung ist zu kurz. Der Versuch kann nicht zureichen, weil das Problem größer, umfassender ist als die versuchte Begriffsbildung. Der nächste sieht diesen Mangel an Korrespondenz ein und macht einen neuen Versuch. Und so geht die Reihe fort, bis es zuletzt einem gelingt, die ganze Weite des ursprünglichen Problems in die Einheit eines Begriffs zu bringen. Dieser Gang der Fortentwicklung läßt sich besonders an jenen Anfängen der Philosophie studieren, in denen noch die Stufen nicht übersprungen werden können, weil es noch an sämtlichen methodischen Mitteln fehlt, und diese selbst erst im Fortgang der Probleme mit entdeckt werden müssen, zum Teil sogar die Probleme selbst sind, um die es sich handelt. Und je tiefer die Probleme liegen, desto lehrreicher wird dieser Prozeß an ihnen, desto mehr verknüpft sich in ihnen Inhalt und Methode, desto mehr muß sich das Problem für seinen eigentümlichen Inhalt auch die eigentümliche Methode herausbilden. Von keinem jener ältesten Probleme dürfte das mehr gelten als von dem des Seins. Das liegt in der Natur der Sache. Denn das Tiefste und Schwierigste, was die vorsokratischen Denker an Fragestellung aufgeworfen haben, drängt sich in ihm zusammen. Wenn also bei irgendeinem, so muß es bei diesem Problem angezeigt sein, den Begriff vom Problem zu unterscheiden. Deswegen auch wird man sich schwerlich daran stoßen können, wenn wir den Seinsgedanken auch schon auf solchen Stufen suchen, wo von einer begrifflichen Festlegung desselben auch noch nicht entfernt die Rede ist. Der fixierte Seinsbegriff taucht in der Tat erst verhältnismäßig spät auf. Und selbst wo er auftaucht, ist er doch deswegen noch lange nicht rein, d. h. noch lange nicht ausgeschöpft, nicht in seinem Wesentlichsten erfaßt. Sondern der Prozeß geht weiter fort. Er wird zum Prozeß der Verinnerlichung, und der einmal entdeckte Begriff bahnt in sich selbst wieder und wieder neue Entdeckungen an. So darf man wohl schwerlich behaupten, daß vor Plato jemand das Eigentümliche des Seins in seiner ganzen Tiefe erfaßt habe. Und doch hatte schon Parmenides den Seinsbegriff aufgestellt und ihn für alle Folgezeit in klassischer Weise als den zentralen Grundbegriff alles theoretischen Denkens aufgezeigt, ja ihn sogar als Methode bezeichnet ( ). Wo also hat der Geschichtsforscher der Philosophie den springenden Punkt zu erkennen? Bei Plato gewiß nicht. Er ist ohne Par-

Die Methode des Rückganges

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menides nicht zu verstehen, geschweige denn zu erklären; er steht ganz auf ihm. Aber Parmenides ist nicht zu verstehen ohne seine Vorgänger. Trotzdem er den Seinsbegriff erst bringt, hat doch das Problem, in dem dieser Begriff entsteht, seine Geschichte schon vor ihm. Und er selbst entsteht in dieser Geschichte. Konnte doch Heraklit schon gegen das Sein polemisieren, man möchte fast sagen, gegen den Seinsbegriff. Hatte er ihn etwa antezipiert, ohne ihn doch Begriff zu nennen ? In Wahrheit war der Prozeß der umgekehrte. Erst durch die Polemik gegen jenes Etwas, das Begriff werden sollte, konnte dieses zur prägnanteren Umgrenztheit des Begriffs gelangen. Aber wogegen focht wiederum Heraklit? Mußte er nicht schon etwas Festes, Bestimmtes im Auge haben, wogegen er sich wenden konnte? Etwas, was andere vor ihm schon aufgestellt hatten? Und mußte nicht in diesem Gegenstande seiner Polemik in der einen oder anderen Weise auch schon der Seinsgedanke stecken, da doch diese Polemik eine Seinspolemik war (als welche sie von den Späteren einstimmig bezeichnet wird)? So ist dem weiteren Rückgange nicht zu entgehen.* So sehr man sich bedenklich dagegen verhalten mag, einen philoV Gleichwohl muß ein solcher Rückgang Bedenken erregen, denn seine Methode ist — wenigstens auf den ersten Blick — nicht einwandfrei. Wie sich nämlich aus dem bereits Gesagten ergibt, und wie es sich im Laufe der Untersuchung mehr und mehr zeigen wird, kommt es dabei vielfach auf ein Tappen im Dunklen, bestenfalls ein Raten heraus. Denn da die Denker vor Farmenides einen Seinsbegriff ja noch nicht kennen, so ist alles Beziehen ihrer Operationsbegriffe auf den Seinsgedanken eine Frage bloßer Interpretation und als solche freilich stark der Willkürlichkeit ausgesetzt. Denn daß man über dem Ausdeuten nicht in ein unkontrollierbares Hineindeuten verfalle, ist eine ebenso unbedingte als im gegebenen Fall heikle Anforderung. Und sie wäre nicht zu erfüllen, wenn es sich um die isolierte Heraushebung einer einzelnen Stufe aus der Entwicklung der Probleme, eines einzelnen Denkers aus der Reihe der am gleichen Problem arbeitenden Köpfe handelte. Solange wir die einzelnen kümmerlich überlieferten Zitate vor Augen haben, sind der Interpretation gewissermaßen die Hände gebunden. Erst ihr Zusammenhang und das unbestreitbar in ihnen sich dokumentierende Fortschreiten ergibt etwas wie eine Methode. Denn so wirft jede folgende, entwickeltere Stufe Licht zurück auf die vorhergehende, und was der spätere Denker aus dem früheren schöpfte, das muß so oder so bei diesem vorhanden gewesen sein, muß sich also — wenigstens durch die Brille des späteren gesehen, in gewissen Grenzen rekonstruieren lassen. So werden wir uns im Verlauf der Untersuchung, besonders bei den frühesten Stadien, in einem steten Rückschlüsse be-

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Methodische Vorgänger

sophischen Gedanken dort zu suchen, wo noch kein Begriff von ihm vorliegt, — man kann sich doch vor der zwingenden Notwendigkeit einer historischen Kontinuität nicht verschließen. Diese müßte man aber mit jenem Rückgange zugleich preisgeben. So zweifelhaft daher dem exakten Forscher das Bemühen erscheinen mag, in der Milesischen Schule nach Spuren des Seinsproblems zu suchen, so unumgänglich ist doch gerade diese Vorarbeit für ein volles Verständnis des Seinsbegriflfs bei Plato in seiner Entfaltung. Ja in gewissem Sinne dürfte gerade dieses Heraufverfolgen des Seinsgedankens aus den unscheinbarsten Anfängen mit das deutlichste Licht auf seine Tragweite werfen. Denn wo wir nicht das Korrektiv am stetigen Gange eines Problems durch die Stadien seiner Geschichte in Händen haben, bleibt ein Mißverständnis oder eine Unterschätzung systematischer Art immerhin möglich. Und so können und dürfen wir uns denn der Aufgabe nicht entziehen, schon bei den ältesten Denkern nach dem Seinsproblem auszuschauen. Wenn dieses Verfahren als die Erfindung eines Modernen dastände, so wäre es vielleicht trotz aller seiner Unentbehrlichkeit schwer zu rechtfertigen. Daher ist es wichtig sich gleich hier dessen zu vergewissern, daß schon die frühesten Versuche einer geschichtlichen Würdigung der alten Naturphilosophen sich diese selbe Aufgabe stellten, ja von ihr geradezu ausgingen. Der klassische Ort hierfür ist bei Aristoteles zu suchen. Denn im ersten Buch der Metaphysik führt er eben jene Naturphilosophen als Vorläufer im Problem der vor. Diese aber definiert er als die Wissenschaft vom „Sein als solchem" ( fi ov). Er bezeichnet sie also klar als Vorläufer auf dem Gebiet des Seinsproblems. finden. Diesen Rückschluß im einzelnen vorzuführen und als solchen zu kennzeichnen, schien mir gleichwohl nicht nötig zu sein, da es den ohnehin verwickelten und beständig rückläufigen Gedankengang nur noch gewundener und unübersichtlicher gemacht hätte. Wer mit der Lage der Dinge vertraut ist, dem wird sich die Doppelseitigkeit des Verfahrens sowieso nicht entziehen. Daß es trotz seiner schweren Handlichkeit das einzig mögliche Verfahren ist, bedarf dann keiner Erklärung mehr. Zudem liegt es in der Eigenart aller historischen Untersuchung schon mit eingeschlossen, daß jede vorhergehende Stufe sich durch die nachfolgende kontrolliert und nötigenfalls korrigiert, so daß eine Darlegung jedes einzelnen Rückschlusses nur eine Verdoppelung des Darzustellenden bedeutete, ohne notwendig auch eine Vertiefung zu sein. So viel zur Rechtfertigung der Methode, die im nachstehenden zur Anwendung gekommen ist.

Aristoteles, Plato

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In diesem Sinne bezeichnet er Thaies als της τοιαύτης αρχηγός φιλοσοφίας. Denn unter der τοιαύτη φιλοσοφία versteht er offenbar die Denkweise aller derer, die von der αρχή ausgingen und noch einen bestimmteren Inhalt f r sie suchten (Metaph. Q83b). In der αρχή aber sah er nicht etwa den Anfang, sondern ganz deutlich das Seinsprinzip. Damit kennzeichnet er sowohl Thaies als Anaximander als Repr sentanten des Seinsproblems. So sehr er dann auch gegen ihre Versuche, einen Inhalt der αρχή zu finden, Protest einlegt, es bleibt doch die Fragestellung nach dem Sein, oder vielmehr nach dem Seinsprinzip, die er ihnen als gelungen zugesteht. Und das ist viel. Denn es ist das h chste, was wir von ihnen erwarten d rfen — vielleicht sogar mehr, als man dem Aristoteles ohne weiteres glauben darf. Und Plato urteilt ganz hnlich, und das gleichfalls in der Polemik gegen jene Denker, n mlich in einer Polemik, die sich direkt auf das Seinsproblem bezieht (Soph. 242 C f.). Aufs trefflichste charakterisiert er das Verfahren der Naturphilosophen dahin, sie h tten die verschiedensten Prinzipien des Seins aufgestellt, jeder ein anderes, oder auch zwei und mehr, aber dar ber, was das Sein selbst sei, rein als solches, dar ber g ben sie keine Rechenschaft. Hier vollzieht Plato somit deutlich die Trennung zwischen Seinsproblem und Seinsbegriff. Das erstere erkennt er jenen Philosophen zu, ja er unterstreicht es deutlich als den positiven Gehalt ihres Denkens; sogar Prinzipien f hren sie daf r ein, d. h. sie arbeiten an seiner Fortf hrung. Was er ihnen dagegen abspricht, ist gerade der Begriff, die Rechenschaft ber das Sein als solches. Denn eine solche kann freilich nur im Seinsbegriff selbst angestrebt werden.1 So urteilen Plato und Aristoteles ber die Anf nge des Seinsproblems. Und die Sp teren treten in ihre Fu tapfen, d. h. sie f gen kaum etwas Wesentliches hinzu. Dieses Urteil ist denn auch in das historische Bewu tsein sp terer Zeiten, ja unserer Zeit ganz bergegangen. Namentlich Aristoteles mit seiner Autorit t und durch den Nachdruck der Bestimmtheit, den er hier geltend macht, ist bestimmend geworden .auch f r manche neuere Darstellung. So viel Richtiges nun aber auch dieses schwerwiegende ') Allerdings bezieht sich dieses Urteil Platos besonders auf die sp teren Vorsokratiker — ganz deutlich etwa von den Eleaten an. Doch f gt er dort, wo er die Letzteren nennt, hinzu: xai έτι πρόσϋεν άρξάμενον, was wohl nur auf Anaximander bezogen werden kann — vorausgesetzt da berhaupt ein Philosoph gemeint ist.

ΙΟ

Thaies

Zeugnis enthalten mag, es ist doch nicht dazu angetan,· sich ihm blindliilgs hinzugeben und nun etwa zu meinen, da alles, was sich bei Anaximander auf die αρχή beziehe, schon eben deswegen ein Ausdruck des Seinsproblems sei. Manche Bemerkung des Aristoteles selbst d rfte solch einer Auffassung gerade am ehesten widersprechen. Man denke nur daran, wie eng gerade er andererseits das Problem des Thaies und Anaximander sich mit seinem ύποκείμενον, oder der νλη ber hren l t. Und doch ist er weit entfernt, ihnen volle Einsicht in das Problem der Materie zuzuschreiben. Jene Denker aber waren dem Problem des Seins (in seiner Reinheit) gewi nicht n her als dem der Materie. Man hat sie denn auch genugsam f r Materialisten gehalten. — Hier liegt also gleich bei Thaies eine bedeutende Schwierigkeit vor. Wenn uns berichtet wird, er mache das Wasser zum Prinzip, wie weit darf man da annehmen, da er schon im Problem des Seins stehe? Die Berichte sagen ausdr cklich, das Wasser sei ihm dasjenige gewesen, „woraus" die Dinge entst nden; „εξ οδ" hei t es bei Aristoteles (Metaph. 983b) und Simplicius (phys. 23, 21) und anderen, „εξ ον" aber ist der stehende Terminus f r die Materie.1 Aristoteles spricht sich aber noch deutlicher aus: von den vier Prinzipien des Seins, die er selbst annimmt, schreibt er den alten Joniern nur eines zu, das εν ύλης εΐδει. Was nun Thaies betrifft, so ist es klar, da das auf ihn durchaus zutrifft. Denn wenn er die αρχή im Wasser suchte, so suchte er sie eben in einem Urstoff und dachte sich die Entstehung der Dinge als Modifikationen dieses Urstoffes. So weit steckt also Thaies zweifelsohne in einem entschiedenen Materialismus. Aber dieser Materialismus ist ein naiver. Thaies erarbeitet sich ihn nicht erst, er gelangt nicht zu ihm; sondern er ist es vielmehr, von dem er ausgeht, von dem er sich schon zu trennen beginnt, indem er die Vielheit der Stoffe, die der Augenschein darbietet, vertauscht gegen die Einheit eines Grundstoffes. Man darf nicht vergessen, aus welcher Richtung her die Denkweise des Thaies stammt. Das philosophische Denken ist ja nicht isoliert auf sich selbst gestellt, zumal nicht in seinen ersten Anf ngen. Es kommt vom Mythos her. Und so sehr *) Als fester Terminus scheint es sich von Plato her zu datieren, der im „Tim us" (51 A) das εξ ων dem von ihm vertretenen h φ gegenberstellt, um es in dieser Gegen berstellung abzulehnen.

Chaos und Urstoff

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es auch gerade bei Thaies den großen Schritt der Loslösung vom Mythos zustande bringt, es kann sich doch von den Problemen, die dieser herausgearbeitet hat, nicht lossagen. Es muß seine Probleme vielmehr zunächst noch von ihm beziehen und nur in seiner Betrachtungsweise, seinen Methoden, frei werden. Nach der Entstehung der Dinge hatte ja aber auch der Mythos gefragt. Und die Antwort war nicht ausgeblieben, sie konnte nur den denkenden Geist auf die Dauer nicht befriedigen. So kannte schon die Mythologie ein Analogen des Urstoffes, das Chaos. Aus diesem ließ sich auch manches herleiten, und die Kosmogonien hatten Jahrhunderte lang einen bildsamen Stoff an ihm. Aber eins ließ sich aus ihm nicht verstehen, die eigentlich philosophische Frage: nämlich wie es ein Ursprüngliches sein sollte. Mußte es doch vielmehr die ganze Mannigfaltigkeit der Stoffe schon enthalten, also aus ihnen entstanden sein. Das Bewußtwerden dieser Frage dürfte man mit Recht als den springenden Punkt bezeichnen, an dem das erste nicht mehr mythologische, sondern philosophische Problem entsteht. Denn es ist der Ursprungspunkt eines ersten, echt wissenschaftlichen Grundbegriffs, des Begriffs der Einheit. Zwar ist er noch undeutlich und weit entfernt von dem Bewußtsein seiner Begriffsnatur; es ist vielmehr nur das echt philosophische Bedürfnis nach Einheit, das sich hier zuerst als wirksam erweist. Ja es zeigt sich zunächst sogar mehr von seiner negativen Seite: es ist die Ablehnung einer Vielheit, der wissenschaftliche Protest gegen die Vielheit als etwas Ursprüngliches. Da sich nun aber diese Vielheit, die Thaies ablehnt, und diese Einheit unbekannter Art, die er fordert, auf das Stoffliche, das „!£ " der Dinge bezieht, so muß es allerdings von ihm gelten bleiben, daß er von allen jenen späteren Problemen, die man auf seinen Gedanken beziehen kann, dem Problem der Materie am nächsten gewesen ist. Dafür kommt er eben vom Mythos her und wurzelt in der Antithese gegen das Chaos. Dieses muß erst einmal zum Wasser werden, um die erste strenge Einheit zu ergeben. So wurde es natürlich die Einheit des Stoffes. Aber auch das Problem der Materie ist nicht rein bei ihm.l Er geht nur aus von ihm. Er strebt aber offenkundig schon *) Diesen Stand der Dinge hat von anderer Seite C. Bäumker beleuchtet und klargelegt (Das Problem der Materie etc., S. ioff.). Nach ihm wird die Fragestellung nach der Materie weder bei Thaies noch bei Anaximander erreicht, weil sie vermischt bleibt mit anderen Fragen, die einer weiteren Problemstellung angehören.

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Materie und Sein

dar ber hinaus; wie denn schon bei seinem n chsten Nachfolger die Enge des rein materiellen Standpunktes endg ltig verlassen ist. Darum stellt Aristoteles das Wasser des Thaies auch nirgends mit seinem νποκεΐμενον zusammen. Es ist eben noch nicht das, was er mit der ϋλη meinte. Sondern bezeichnenderweise charakterisiert er das Prinzip des Thaies blo als „εν νλης εΐδει", d. i. „in Form der Materie", oder „unter dem Bilde der Materie". Offenbar soll das etwas anderes besagen als die νλη selbst. Es ist ein weniger fester Begriff mit noch loseren, verschiebbaren Grenzen, das hei t Thaies verstand unter seinem Prinzip mehr als blo en Stoff. Es hatte einen allgemeineren Sinn. Dieser aber d rfte einzig in der Tendenz auf das Sein zu suchen sein. Es ist das gr ere Problem, das in ihm durchblickt, aber noch verschwommen dasteht — „im Bilde" des kleineren — εν νλης εΐδει. Zwei Dinge sind es vornehmlich, die hierf r Zeugnis ablegen. Vor allem ist es einleuchtend, da Thaies in der Abstraktion seines Prinzips nicht weit genug vorgeschritten sein konnte, um es als ein rein stoffliches von der bewegenden Kraft als einem zweiten Prinzip zu scheiden. Vielmehr wu te er Stoff und Kraft berhaupt noch nicht zu scheiden, sondern dachte sie beide vereinigt in einem Prinzip.1 Der Schwierigkeit, die solche Vereinigung in sich schlie t, steht er ganz harmlos gegen ber. Er kennt sie nicht. Daher, wenn Aristoteles ihm wie den anderen Joniern vorwirft, sie h tten das bewegende Prinzip ganz au er acht gelassen, so hat er nur halb recht: n mlich sie geben kein eigenes Prinzip daf r. Aber ganz au er acht gelassen haben sie es deswegen eben nicht. Sie haben es noch gar nicht getrennt von dem materiellen Prinzip, konnten es also noch weder hervorheben noch fortlassen. Da es aber so steht, geht aus den vielen Zeugnissen hervor, da Thaies jenen einheitlichen Stoff, den er als Wasser dachte, zugleich f r beseelt gehalten habe, d. h. n chterner gesagt, er schrieb dem Stoff ausdr cklich Triebkraft, Aktion zu. Hierin zeigt sich bei ihm noch ein starker Rest mythischen Denkens, in welchem ja alle Wirkungen, die sich an materiellen K rpern beobachten lassen, einer Beseeltheit, oder gar G ttlichkeit zugeschrieben werden. Wie dem auch sei, Thaies nahm solch eine Aktionsf higkeit, solch eine bewegende Kraft mit in sein *) cf. Brandis, Gesch. d. Griech.-R m. Philos. I, n j f . und Kinkel, Gesch. d. Philos. I, 53.

Tendenz auf das Sein

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Prinzip auf. Und eben damit ging er aus den Grenzen des Problems der Materie, von dem er ausgegangen war, wieder hinaus und bewegte sich so auf das allgemeinere, ihm noch ganz undeutlich vorschwebende Problem des Seins zu. Denn ein Prinzip, das die Materie und die Bewegungsursache zugleich umfassen sollte, steht dem Seinsbegriff, wie er sp ter aufgestellt wurde, schon um ein gutes St ck n her, als ein reiner Begriff der Materie zu ihm stehen m te. Gerade die Verschwommenheit und Unumgrenztheit dieses ersten Prinzips kam somit dem Seinsproblem zugute. Noch einleuchtender wird dieses, wenn man als zweites Argument mit Teichm ller 1 eine Stelle bei Hippolyt (ref. haer. I, I, i) heranziehen will, von der es freilich fraglich bleibt, ob sie aus sicheren Quellen sch pft: ούτος εφη αρχήν τον παντός είναι και τέλος το νδωρ. Wichtig ist, da das Wasser hier nicht nur αρχή, sondern auch τέλος genannt wird. Es ist also nach dieser Vorstellung Anfang und Ende — offenbar eines Prozesses. hnlich hei t es dann auch bei Aetius (de plac. phil. I, 3, i, Doxogr. 276, 5) : εξ ύδατος φησι πάντα είναι και εις νδωρ πάντα άναλνεα&αι. Hiernach dachte sich Thaies also schon ein Entstehen und Vergehen der Dinge — aus dem Urstoff hervor und wieder in den Urstoff zur ck, — ein Gedanke, der dem sp teren vom Kreislauf der Dinge (wie er mit Anaximander beginnt) schon sehr nahe kommt. Wenn nun aber der Urstoff so die Dinge aus sich hervorgehen l t und sie wieder verschlingt, zugleich ihr Bewegendes und ihr Gehalt seiend, so ist er, der ewig Eine, das Beharrende gegen ber dem Wechsel der Dinge. Das aber w rde in der Sprache der Eleaten gerade ein Sein bedeuten. Denn Sein nennen jene Denker eben das, was ein „Eines" seiner Natur nach ist und als solches notwendig beharren mu . So weit nun Thaies von jenem Sein entfernt ist, sein Prinzip ist doch etwas, was sich unter dem Begriff desselben fassen l t. Er bewegt sich also schon auf dieses Sein zu und tut somit den ersten Schritt auf dem Boden des Seinsproblems. Ja hier sind in nuce schon die Ans tze zu jenem gro en Streit zwischen dem Flie en und der Beharrung, in welchem hernach der Seinsgedanke zum Seinsbegriff werden sollte. So d rfte der Anteil des Thaies an der Entwickelung des Seinsproblems in der Tat ein h chst bedeutender sein. *) Studien zur Gesch. d. Begriffe, 566 ff.

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Anaximander

Jedenfalls war er, wenn anders die letztgenannten Gedanken ihm mit Recht zugeschrieben werden d rfen, nicht mehr weit von jener gro en Errungenschaft entfernt, die sich f r alle Zeiten mit dem Namen Anaximanders verkn pft hat und die in den zwei Schlagworten Άπειρον und αρχή zusammenzufassen ist. Denn diese Errungenschaft entsteht aufs deutlichste in der gradlinigen Fortf hrung eben jener Gedanken. Sie hat schon ihre innersten Motive an ihnen. Das Entstehen und Vergehen der Dinge mu seinen Urgrund haben. Es kann nicht gedacht werden ohne diesen. Da es nun aber gedacht werden mu , so mu der Urgrund mitgedacht werden. Dieser Gedankengang, da f r ein Verstehen des Kosmos ein einheitliches Prinzip, d. h. recht eigentlich ein Seinsprinzip, gefunden, erschlossen werden mu , d rfte die gemeinsame Triebfeder und also der bindende Punkt zwischen Thaies und Anaximander gewesen sein; wie er denn auch das Leitmotiv bleibt f r fast alle Naturphilosophen. Der gro e Unterschied ist nur vor allem, da Thaies sich noch nicht dar ber klar ist, was er an diesem Urgrund, den er fordert, eigentlich hat; er wei noch nicht, da es ein Prinzip ist, was er in H nden h lt. Wenigstens als Terminus eingef hrt wird die αρχή erst bei Anaximander.1 Es bedurfte noch einer neuen, gr eren Abstraktion, um den Charakter des Prinzips als solchen zu erkennen, den Begriff des Prinzips aufzustellen. Das bringt Anaximander zuwege. Aber er braucht dazu einen bedeutsamen Umweg, der zugleich die wichtigste Korrektur am Urstoff des Thaies enth lt, den Umweg ber das άπειρον. Dieser neue Begriff, das „Unendliche" (denn als solches und nicht blo als „Unbestimmtes" ist das άπειρον bei Anaximander aufs beste bezeugt), bedeutet schon f r sich genommen einen Markstein in der Geschichte des Seinsproblems. Er w re ma gebend daf r geworden, auch wenn sich an ihm nicht der Begriff des Prinzips herausgebildet h tte. Wie Anaximander zum Unendlichen kam, ist nicht genau berliefert. Doch kann man sich, von Thaies herkommend, wohl den Gedankengang rekonstruieren. Der Urstoff, der das Entstehen der Dinge denkbar machen soll, darf nicht so gedacht werden, da dieser Proze der Entstehung dabei jemals *) So die naheliegendste Deutung der Stelle „ . . . πρώτος τούτο τοννομα κομίσας της Αρχής", Simpl. phys. 24, 13. Diels p. 13,4 (zitiert — wie auch im folgenden berall — nach der 2. Ausgabe der „Fragmente der Vorjsokratiker", Berlin 1906).

Das SatsiQov als αρχή

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zu kurz kommen und aufh ren k nnte. Das Entstehen und Vergehen, das ja selbst den Wechsel bedeutet, kann nicht sejnerseits wiederum einem Wechsel unterliegen, denn das erg be den Stillstand; d. h. es kann nicht aufh ren, es kann nur als „ewige Bewegung" gedacht werden. Wenn aber der Urgrund dieser Anforderung des Werdens gen gen soll, so mu er als ein der Quantit t nach unbegrenzter gedacht werden. In dieser Weise wird uns das Motiv des Unendlichkeitsgedankens von Aetius (de plac. I, 3, 3) berliefert: λέγει γοϋν διότι άπέραντόν εστίν, ίνα μηδέν έλλείπβ ή γένεσις ή υφισταμένη. Hier ist zugleich die Unendlichkeit der Ausdehnung wie der Zeit nach in Anspruch genommen. Denn was dem ewigen Werden Stoff und Nahrung bieten soll, das mu selbst ewig sein. Es ist der im R ume unendlich ausgebreitete, ewige Stoff, dem so in jeder Beziehung die Grenze abgesprochen wird. Und diese Negation der Grenze macht ihn zugleich zu dem, was Anaximander an ihm als „Ursprung" (αρχή) bezeichnete. Denn das Unendliche kann nicht wieder einen Ursprung an einem anderen haben. Damit w rde es sofort wieder endlich. So liegt es in seinem Begriff. Das Endliche kann wohl aus dem Unendlichen entstehen, aber nicht umgekehrt dieses aus jenem, noch aus einem zweiten Unendlichen. In diesem Sinne stellt Aristoteles mit Bezug auf Anaximander die Disjunktion auf: πάντα γαρ ή αρχή ή ίξ αρχής (phys. Γ, 2Ο3 b), und zieht daraus den Schlu : του k απείρου ουκ £στιν αρχή, ειη γαρ αν αΰτοϋ πέρας. Es bleibt also nur brig, da das Unendliche selbst der Ursprung ist.1 Und dieser „Ursprung" bedeutet etwas anderes als „Anfang", auch etwas anderes und mehr als der Urstoff. Denn er ist (wie dieselbe Stelle bei Aristoteles lehrt) das bleibende unver nderliche Prinzip, welches „das All umspannt und regiert". Also h lt Anaximander jene Weite der Problemstellung fest, die schon Thaies zeigt, da er weder nur nach einem Anfang des Werdens, noch auch nur nach der Einheit des Stoffes sucht. Sondern er sucht nach beidem zugleich in einer Fragestellung. Und das Prinzip, das er bringt und nunmehr klar als solches erkennt, ist ein Prinzip des Kosmos im weiten Sinne des Wortes. Es umfa t alles das, was sich dem Gesichtskreise der Naturphilosophen als seiend darstellen konnte (selbst die Eleaten verstanden unter dem Sein nur das kosmische Sein). Es ist ') N heres ber die Stelle bei Teichm ller, Studien ... usw. 569 ff.

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Das άπειρον als „Unendliches"

also recht eigentlich als Seinsprinzip zu nehmen. In diesem Sinne d rften auch manche mehr poetische Wendungen zu verstehen sein, die von jenem Zug ins Gro e zeugen, der dem Anaximander eigen ist, sowie der Umstand, da er das Prinzip auch als „das G ttliche" bezeichnete. Das ist mehr als blo er Stoff. Ihm haftet die Notwendigkeit an, gem der alle Dinge, die aus ihm hervorgehen, wieder zur ckkehren m ssen in dasselbe, daraus sie entstanden sind. Und sie zahlen Bu e mit ihrer R ckkehr aus der Endlichkeit ins Unendliche. Eine ferne Vorahnung der Naturgesetzlichkeit ist nicht zu verkennen in diesem dunklen Begriff einer Notwendigkeit, die noch halb und halb wie ein g ttliches Machtgebot aussieht. Aber sie haftet dem Seinsprinzip an. Dieses ist das Leitende, das die Wege Vorschreibende in ihr. So stellt sich denn das Prinzip selbst als das des ewigen, notwendigen Naturprozesses dar, wie das wiederum aufs beste dem Anaximandrischen Begriff der „ewigen Bewegung" entspricht. (Denn da unter der letzteren nur die Drehung des Sternenhimmels um die Erde zu verstehen sei, d rfte trotz der geistreichen Ausf hrungen Teichm llers nicht zu halten sein.) Es ist aber noch eine andere Seite an dem Prinzip des Anaximander f r unser Problem von Wichtigkeit. Das ist die Kehrseite des Άπειρον, seine qualitative Seite, d. h. vielmehr das g nzliche Fehlen einer Qualit tsbestimmung an ihm. Dieses ist ein alter Streitpunkt. Denn was uns dar ber bekannt ist, betrifft eigentlich nur das Negative des Prinzips, das, was es nicht sein soll, n mlich nicht einer der sinnlich wahrnehmbaren Stoffe. Das ist eben das Neue und der Gegensatz zu Thaies, der seinen Urstoff noch sehen und greifen wollte. Die Frage bleibt nur, worin das Positive bestehen soll; denn ein solches mu die fundamentale Negation doch schlechterdings bedeuten. Sie involviert es. Die Zeugnisse des Aristoteles ber diesen Punkt sind nicht eindeutig, widersprechen einander sogar zum Teil. Die Lehre Anaximanders war die, da aus dem einheitlichen Urgrund durch Ausscheidung die Gegens tze entstehen (z. B. Arist. phys. A, 187 a 2O: Ικ τον ενός ένούαας τάς έναντιότητας Ιχκρίνεοΰαι. .). Aus diesen gingen dann weiter die Einzeldinge hervor. Denn alles Dasein bewegt sich nach ihm in Gegens tzen. Der einheitliche Urgrund soll sich also nicht ver ndern (etwa ttoiovo&ai); dann brauchten die Gegens tze freilich nicht in ihm „enthalten" zu sein. Sondern „ausscheiden" sollen sie sich, „indem sie

Das άπειρον als „Unbestimmtes"

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schon darin sind" (ένούσας). Da nun ber die Art dieser Ausscheidung Anaximander sich offenbar nicht mit voller Genauigkeit ausgesprochen hat, so macht Aristoteles den Versuch, sein Urprinzip als eine Mischung (μίγμα) aufzufassen, in der Art, wie ja auch Empedokles und namentlich Anaxagoras eine solche angenommen hatten. Aber die Willk rlichkeit dieser Interpretation verr t sich am Begriff der δνναμις, den er n tig hat, um nun wiederum das μίγμα und seinen bergang in die ενέργεια zu erkl ren; diese spezifisch Aristotelischen Begriffe kann Anaximander nat rlich nicht kennen.l Nicht besser steht es mit einem anderen Versuch, das άπειρον als ein μεταξύ zwischen Wasser und Luft aufzufassen (Alex. Metaph. 60, 8). Diese Auffassung w rde nicht einmal der εκκρισις entsprechen. Es bleibt wohl nur brig, sich an das Anaximandrische Prinzip als an ein schlechthin qualit tsloses zu halten, wie es denn von Theophrast D. 13, 24 auch als αόριστον και κατ' είδος καΐ κατά μέγε&ος bezeichnet wird. Die Aussonderung der Qualit ten w re dann so zu verstehen, da sie das Eintreten des Begrenzungsprozesses w re. Diese Auffassung der ϋκκριοις, die freilich auf den ersten Blick etwas gewagt erscheint, gewinnt doch gro e. Wahrscheinlichkeit, wenn man sie aus dem Ganzen des Anaximandrischen Gedankenbaues heraus versteht, und namentlich, wenn man im Auge hat, was die Pythagoreer gerade aus diesem Gedanken durch weitere Fortbildung seines innersten Motivs gemacht haben. Anaximander verlangt das Entstehen und Vergehen der Dinge; dieses aber ist durchweg Begrenzung. Denn es ist durchweg Gegensatz. Was sich aber in Gegens tzen bewegt, ist nicht mehr Άπειρον. In ihnen geht der Charakter der Unendlichkeit verloren. Der Gegensatz ist das Endliche. So ist bei Anaximander der Begriff des περάς der Sache nach schon vorhanden, ist aber noch nicht als Begriff erkannt. Denn er verlangt das Eintreten dessen, was dem Unbegrenzten entgegengesetzt ist. Nur will Anaximander diesem Anderen, sich Ausscheidenden, keine Selbst ndigkeit zugestehen; daher entzieht ') brigens ist-es von Natorp, ber das Prinzip u. d. Kosmologie An.'s (Philos. Monatsh. XX, 371 f.) sehr wahrscheinlich gemacht worden, da diese Stelle (Metaph. XII, io6gb 20 ff.) auf einem berlieferungsfehler beruht, indem die Namen Anaximander und Anaxagoras vertauscht sind. Setzt man sie zurecht, so bezieht sich das μίγμα auf Anaxagoras, auf Anaximander aber das vielfach f r ihn bezeugte und auch sachlich charakteristische «/. Cohen und N a t o r p , Philosophische Arbeiten QI

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Die βκχριοις der Qualit ten

er ihm die Geltung des Prinzips. Er fa t es vielmehr als eine Vers ndigung am Άπειρον, f r das es seine gerechte Strafe zahlt „nach der Ordnung der Zeit", indem es sich selbst (d. h. die Begrenzung) wieder preisgeben und ins απειρον zur ckkehren mu . Er nimmt also das Problem der Entstehung der Dinge, d. h. der Anwendung des Prinzips, noch nicht in seinem ganzen Ernst; es steht noch ganz an zweiter Stelle. Die Hauptfrage ist ihm nur die nach dem Prinzip selbst. Mit diesem meint er alles zu haben. Deswegen mu der so naheliegende Begriff des πέρας noch unentdeckt bleiben, obgleich Anaximander selbst schon offenbar mit ihm operiert. Denn aus dem απειρον l t er ja eben die begrenzten Dinge werden , denen , dann die bestimmten Qualit ten zukommen; diese wiederum bewegen sich von vornherein in den Gegens tzen. So w rden in der Tat aus dem unqualifizierbaren Unendlichen Qualit ten endlicher Dinge entstehen. „Enthalten" aber sind sie in dem Unendlichen nur in dem Sinne, da sie durch dasselbe m glich werden; was aber noch keineswegs eine Aristotelische δύναμις zu bedeuten braucht, sondern einfach jenem περιέχειν und κυβερνάν entspricht, welches nach Anaximander das απειρον ber die Entstehung aller Dinge aus bt.1 Die Qualit tslosigkeit des Anaximandrischen Prinzips steht somit ganz auf einer Stufe mit seiner r umlichen und zeitlichen Unbegrenztheit. Denn auch sie ist die Abwehr einer Begrenztheit. Auch Qualit t ist ja ebenso Begrenzung wie jede bestimmte Quantit t. Auch sie w rde an dem Handgreiflichen, Gegebenen, Entstehenden und Vergehenden haften bleiben. Das aber vertr gt sich weder mit der αρχή noch mit dem απειρον, sofern diese beiden Begriffe konsequent durchgedacht werden. Daher auch hier die entschiedene Zur ckweisung des Gegebenen. Diese Negation der sinnlichen Gegebenheit im Prinzip enth lt den eigentlichen Schwerpunkt der Anaximandrischen Philosophie. Denn sie enth lt den entscheidenden Schritt aus dem naiven Materialismus des Thaies zur Anerkennung des ideellen Seins, so sehr auch in dem Prinzip selbst noch die alten Attribute der Materie berwiegen. Es ist eben ein Fortschreiten auf der Linie, die im Problem der Materie beginnt und im rein gefa ten Problem des Seins bei Plato endigt. Es mu sich erst langsam ') Dieses ist im wesentlichen die Ansicht von Natorp in der zitierten Schrift. Unter Fr heren findet sich hnliches schon bei Schleiermacher, w hrend Brandts, Zeller u. a. mehr den Deutungsversuchen des Aristoteles folgen.

Das Methodische im

reinigen zum Sein, „zum Sein werden", in welcher Formel Plato den Gang aller wissenschaftlichen Forschung gekennzeichnet hat. Und w ten wir von dem Prinzip des Anaximander nichts anderes, als da er es durch diese Ablehnung sinnlich gegebener Stofflichkeit charakterisiert habe, so w re doch schon allein damit ein unver u erlicher Gewinn f r das Seinsproblem errungen. Denn, wie sich Anaximander auch sein άπειρον gedacht haben mag, es mu , da .es ihm Prinzip war, doch auch ein Positives bedeutet haben. Er erzeugte also das neue, nicht gegebene Positive, indem er das Gegebene als unzureichend ablehnte. Hierin d rfen wir wohl jene typische Methode wiedererkennen, die bei den sp teren Denkern sich klar und pr gnant als die Grundmethode aller Forschung nach dem Sein herausstellt und die bei Demokrit und Plato sich in einem methodischen Grundbegriff, dem des Nichtseins pr zisiert. Hier bei Anaximander, wo wir die erste deutliche Spur dieser Methode zu sehen bekommen, kann dieser wichtige Punkt nat rlich noch nicht gen gend beleuchtet werden. Erst im R ckblick von jenen Denkern auf diesen ihren Vork mpfer kann sich die systematische Tragweite des Anaximandrischen Gedankens herausstellen. Hier sei nur in aller K rze festgestellt, wie sich diese negative Methode aufs unzweideutigste bis in die Terminologie hinein widerspiegelt, die ja f r diesen Punkt fast das einzige, aber daf r ein kraftvolles und unantastbares Zeugnis ablegt. Es ist das Wort άπειρον selbst, das bei der h chsten Positivitat, als die es gemeint ist, doch den Stempel seines negativen Ursprungs zeigt, α-πειρον besagt zun chst nur Ablehnung der Grenze, des Endlichen, Greifbaren, ja schlie lich aller Bestimmtheit. Denn Bestimmung ist Begrenzung. Wie denn das a-privativum in ihm genau jener Negation entspricht, die uns sp ter als das Abwehrende in dem μη δν des Demokrit entgegentritt. Keine Grenze gibt es am Ursprung der Dinge. Au erhalb des Eingeengten, jedesmal Gegebenen ist er zu suchen, — nicht als eines der Dinge, wie das Wasser oder sonst ein Stoff, sondern hinter allen Dingen und Stoffen, ein Anderes als sie. Die αρχή brauchte nur recht zu Ende gedacht zu werden, um selbst zum Unendlichen zu werden. So stark war schon in ihr das Motiv der Abwehr des Gegebenen, — selbst bei Thaies, der noch nicht einmal ihren Begriff hatte. Das Fortschreiten zum Gr eren, Tieferen, Umfassenderen vollzog sich an der αρχή mit voller innerer Notwendigkeit und Folgerichtigkeit. Aber es vollzog sich in der Richtung auf das Unbekannte, Unentdeckte, nicht durch

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Die Pythagoreer

blo e Abstraktion zu Findende, d. h. auf das zu, was sich, vom Standpunkte des dinglichen Bewu tseins aus gesehen, vielmehr als ein Nichtseiendes, denn als ein Seiendes darstellen mu te. Das ist es, was sich so sprechend in der Terminologie bewahrt hat: jenes Abwehrende, Negative, das aus dem „Un-endlichen" spricht. Und hnlich steht es mit vielen anderen Pr dikaten, die dem Άπειρον von den Berichterstattern beigelegt sind und von denen immerhin einige auch auf Anaximander zur ckgehen m gen. So wird es bei Aristoteles (phys. 203 b) als άγένητον καΐ αφ&αρτον und weiter als ά·&άνατον und άνώλε&ρον und bei Hippolyt (ref. 1,6) als άίδιον και άγήρως, endlich nach Theophrast (Simpl. phys. 154, 14) als αόριστον και κατ' είδος και κατά μέγε&ος bezeichnet, — lauter Negationen, die, f r sich genommen, nur zeigen, was das Prinzip nicht sein soll, n mlich nichts von dem, was den sinnlichen Dingen und Stoffen zukommt. Und doch ist gerade das als h chste Positivit t gemeint, als dasjenige was, selbst in ewiger Gleichartigkeit und Einheit, das Werdende und Vergehende erst m glich macht. Wenn wir so diese ltesten Spuren des Seinsgedankens bei den Jonischen Philosophen festhalten und mit ihnen an die Anf nge der Pythagoreischen Schule herantreten, so sto en wir sofort auf verbindende F den, ja zum Teil sogar auf eine gewisse Fortbildung der schon gewonnenen Prinzipien. Was f r diese Fortbildung bestimmend wird, ist die mathematische Denkweise. Auch die Milesier sind schon Mathematiker, sie mu ten es sein um ihrer Astronomie willen. Nach dem Zeugnis des Eudemos soll schon Thaies die Kongruenz der Dreiecke bewiesen haben (Procl. in Eucl. 352, 14). Bei den Pythagoreern aber wird der Ausgangspunkt von der Mathematik in viel zentralerer Weise geltend gemacht. Damit stellten sie sich auf den Boden der festesten, exaktesten Wissenschaft, der einzigen, die auf dieser Stufe imstande war, eine gewisse Exaktheit zu erreichen, d. h. der einzigen, die schon damals daran war, ein Sein zu ergreifen. Dieser Zug zur Wissenschaftlichkeit und Genauigkeit erstreckte sich dann aber naturgem auch auf die anderen Probleme, die sie aufgriffen. Und soweit sie nicht in symbolischen Schematismus der Zahlen verfielen, ist dieser Zug zur Mathematik allen jenen Problemen zugute gekommen. Das gilt auch insonderheit vom Semsproblem, soweit dieses in ihre

Die Zahl

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Schulbegriffe Einzug fand. Und es fand Einzug. Denn sie teilten mit den Milesiern das Interesse an der Natur und am Kosmos, sie sind selbst die eifrigsten Astronomen und Physiker; letzteres sogar schon in einem moderneren Sinn, z. B. in der Akustik, in der sie sehr früh begonnen haben müssen, aus Experimenten ihre Kenntnisse zu schöpfen, um sie in aller mathematischen Genauigkeit feststellen zu können, ja um bewußtermaßen das Gesetzmäßige aus ihnen herauslesen zu können. Denn das gerade ist eine ihrer größten Entdeckungen, und, wie es scheint, auch eine der ältesten, daß sich an den Naturerscheinungen Gesetzmäßigkeit feststellen läßt, und daß es für diese Gesetzmäßigkeit einen genauen Ausdruck gibt — die Zahl. Daher erkennen sie in der Zahl das Wesentliche der Dinge. Die Zahl ist das Sein. Es ist schwierig zu unterscheiden, wieweit schon jene älteren Pythagoreer, die zeitlich vor Parmenides lehrten, diesen Grundgedanken von der Zahl als dem Wesen der Dinge durchgeführt haben mögen. Denn die Fragmente des Philolaos, welche die frühesten sicheren Nachrichten enthalten, beziehen sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Entwicklungsstufe, die die Pythagoreischen Philosopheme erst in nacheleatischer Zeit erreicht haben können. So viel aber darf man wohl annehmen, daß sie den Anaximandrischen Gedanken der als des Prinzips aufgriffen und ihn auf die Zahl bezogen. Damit aber erwarben sie sich um den Begriff der selbst ein bleibendes Verdienst. Denn Anaximander hatte freilich die der Wahrnehmung entrückt und sie so in das verlegt, was durch das Denken erst erschlossen werden sollte. Aber dieses Erschlossene sollte bei ihm immer noch Stoff sein — wenn auch ganz abstrakt qualitätsloser Urstoff. Darin dokumentiert sich eben auch bei ihm noch, daß er vom Problem der Materie herkommt. Und wie stark bei ihm noch das materielle Moment war, kann man wohl daraus erschließen, daß Anaximenes wieder von ihm zum sinnlich gegebenen Stoff zurückkehren konnte, und doch dabei der Meinung blieb, er habe das in der „Luft" zu fassen bekommen. Mit diesem Rest von unmittelbarem Materialismus brechen die Pythagoreer endgültig. Die & wird zum & . Damit wird sie zu etwas ausgesprochen Geistigem, Gedachten. Das ist dej· Gedanke, der notwendig vor Parmenides aufgekommen .sein muß. Denn erst von ihm aus kann man es

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Die Zahl als Prinzip

verstehen, wie dieser darauf verfallen konnte, das Sein ins Denken zu verlegen. Erst mu te eben das Seinsprinzip ins Denken verlegt sein. Hinterher bedurfte es dann nur noch dessen, da das Denken als solches erkannt wurde; damit wurde zugleich das Sein im Denken erkannt. Jene alten Pythagoreer scheinen aber bei dem Begriff der Zahl als des Prinzips der Dinge stehen geblieben zu sein und nach dem Denken als dem Organ dieses Prinzips nicht weiter gefragt zu haben. Freilich wenn man sich an die Worte des Philolaos halten will, so k nnte man auch hier ber anderer Meinung werden: γνωμικά (so Diels, nach anderen νομικά) γαρ ά φύσις ά τω άρι&μώ και ηγεμονικά καΐ διδασκαλικά τω απορονμένω παντός καΐ αγνοούμενο) παντί. ου γαρ ης δήλον ονδενΐ ουδέν των πραγμάτων οντε αυτών πο&' αντά ούτε αλλω προς Άλλο, εΐ μη ης άρι&μός καΐ ά τούτω ουσία (Diels, Fr. 11, S. 243)· In diesen Worten scheint das Denken doch schon recht stark betont zu sein. Die φύσις der Zahl, die als γνωμικά bezeichnet wird, d rfte am ehesten durch „Erkenntnisprinzip" wiedergegeben werden; ebenso wie sie Leitprinzip (ηγεμονικά) und Lehrprinzip (διδασκαλικά) ist. So entspricht es dem Gedanken der αρχή in der Zahl und der Begr ndung, die der folgende Satz gibt. Das scheint demnach sp terer Zeit anzugeh ren. Denn die voreleatischen Pythagoreer sahen wohl den Erkenntniswert der Zahl ein und verlegten in ihn den ganzen Seinswert der Dinge; aber den Erkenntnischarakter selbst in diesem Erkenntniswert werden sie schwerlich mit solcher Deutlichkeit haben durchschauen k nnen, da sie ihn direkt γνωμικά . . . φύσις nennen konnten. Wenn dennoch diese Stelle auf Formulierungen unserer Periode zur ckgehen sollte, so w re wohl die andere Lesart νομικά f r γνωμικά vorzuziehen. Denn da die Pythagoreer so fr h schon das „Gesetzm ige" als Grundfaktor in der Zahl erkannt haben k nnten, ist immerhin weit wahrscheinlicher als die viel weiter greifende Abstraktion des Erkenntnisprinzips. So hing es ja auch mit den Experimenten und sonstigen Beobachtungen (z. B. an den Saitenl ngen) zusammen, von denen sie berhaupt ausgingen. Denn was sie veranla te, die Zahl zum Prinzip zu machen und nicht mehr zu einem stofflichen Prinzip zu greifen, das war eben der Umstand, da ihnen die Zahl eine bessere Einheit zu sein schien f r die Mannigfaltigkeit der beobachteten Erscheinungen, als irgendein noch so einheitlich gedachter Urstoff sie darbieten konnte. Welche Einheit aber konnte das wohl anders sein als die des Gesetzes? Da 'sie zu diesem

Die Zahl als Sein

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Begriff kamen, ist also weniger erstaunlich. Nur da sie auch gleich ihn als solchen hervorgehoben und seinen Terminus f r alle Zeiten festgelegt haben sollten, bliebe zu verwundern. Wie man aber auch ber die Philolaosstelle im einzelnen denken mag, so viel darf man wohl als sicher betrachten, da , was in ihr auf die lteren Pythagoreer zur ckgeht, deutlich von dem Erkenntniswert der Zahl redet; dieser Erkenntniswert aber wird wenigstens von Philolaos ausdr cklich als Seinswert gekennzeichnet, d. h. geradezu als das „Sein der Zahl" — άριΰμός καΐ ά τούτω ουσία. Auch Aristoteles nennt die „Zahl" der Pythagoreer ουσία, wobei es im Grunde einerlei ist, ob jene selbst diesen Terminus von der Zahl gebraucht haben, oder ob blo Aristoteles ihr Prinzip als dasjenige charakterisiert, was er in seiner Terminologie ουσία, d. i. „Substanz" nannte. Da er das aber von den fr hen Pythagoreern meint, und nicht etwa erst von Philolaos oder Timaios, davon zeugen mit ziemlicher Deutlichkeit solche Worte wie (Metaph. Γ ζ, ioo2a): διόπερ l μεν πολλοί καΐ l πρότερον την ούσίαν καΐ το δν φόντο το σώμα είναι, τα δε αλλά τούτου πά&η, ώστε καΐ τάς αρχάς τάς των σωμάτων των δντων είναι αρχάς, οΐ δε ύστερον και σοψωτεροι τούτων δόξαντες είναι άρι&μούς. Diese l πρότερον, welche die ουσία so ohne weiteres in das σώμα versetzen, sind offenbar die alten Jonier mit ihrem Urstoff. Dann aber w rden die σοφώτερο*, die den άριΰμός zur ουσία stempeln, niemand anderes sein k nnen, als eben die voreleatischen Pythagoreer. Ein Seinsbegriff ist diese ουσία freilich noch nicht. Sonst h tte neben ihr nicht jener andere Ausdruck f r das Seiende „τα οντά" bestehen bleiben k nnen (wie er in Pythagoreischen Fragmenten — auch sp teren noch — mehrfach vorkommt), der, vom Volksmund gepr gt, eigentlich „die Seienden", d. h. die Dinge bezeichnet und also dem Sein der Zahl strikt zuwiderl uft. Aber eins beweist er doch, n mlich, mit welchem Nachdruck die lteren Pythagoreer den Seinsgehalt im άριΰμός betonten, wie sehr es ihnen um das eigentlich Prinzipielle, das alles Sein der Naturerscheinungen mit Bedingende zu tun war. Sonst bliebe es unverst ndlich, wje Aristoteles seine „Substanz" auf diesen άρι&μός beziehen konnte. Dieses Prinzipielle kommt besonders lichtvoll in den Worten zum Ausdruck, in denen das angef hrte Philolaosfragment fortf hrt: νυν δε οντος (ό &ρι·&μός) καττάν ψνχάν αρμόζων αίσ&ήσει πάντα γνωστά και ποτάγορα άλλάλοις κατά γνώμονος φύσιν απ-

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bergang ins Geometrische

εργάζεται οωματών και οχίζων τους λόγους χωρίς έκάοτονς των πραγμάτων των τε απείρων καΐ των περαίνόντων. Die Bedeutung der Zahl kann kaum instruktiver veranschaulicht werden (denn anschaulich ist nun einmal die Sprache dieser Denker), als es in diesen Worten geschieht: sie bringt alle Dinge „in Einklang mit der Wahrnehmung", und zwar „innerhalb der Seele", indem sie „sie erkennbar und einander entsprechend macht". Das Mathematische ist hier deutlich als dasjenige selbst nicht Dingliche gedacht — in oder hinter allen Dingen, welches gleichwohl diese erst zu dem macht, was sie f r uns sind. Denn „erkennbar machen" durch den „Einklang mit der Wahrnehmung" in der Seele — das hei t eben, zu Dingen machen. Dasselbe wird dann noch verst rkt durch die Theorie der Gnomonen und das Verleihen der K rperlichkeit (σωμάτων). Denn die Gnomonen, d. h. die ungeraden Zahlen, wurden als Erzeugungsprinzip der Quadrate angesehen. Das Quadrat aber ist, mit der Linie verglichen, schon ein Schritt auf den K rper zu. Ob dieser Gedanke voreleatisch ist, bleibt nat rlich wieder eine offene Frage; doch widerspricht dem wenigstens nichts direkt.1 Stammt er aber aus sp terer Zeit, so beweist er *) Es spricht hier immerhin vieles f r das Alter des Gedankens. Der einzige Ansto w re an den Worten „οχίζων τους λόγους" zu nehmen. Denn λόγος als fester Terminus in diesem Sinne k nnte sich fr hestens seit Zenon eingeb rgert haben. Dagegen ist das „αωματων" engverwandt den ltesten Pythagoreischen Vorstellungen von der Eink rperung der Seele, die sich ihnen in der Seelenwanderung als Wiedereink rperung darstellte. Die Seele ist eben auch Zahl, vielmehr Zahlverh ltnis, αρμονία. Daher ist die nahe Analogie und geradezu Identit t des Grundgedankens zwischen der Inkorporierung der Seele und der der Zahl unmittelbar einleuchtend. Hiermit h ngt aber ebenso eng die Theorie der Gnomonen zusammen, welche ja nur ein Versuch ist, die Inkorporierung der Zahl in mathematisch anschaulicher Weise begreiflich zu machen. — F r das Alter dieser Theorie mu auch der Umstand sprechen, da hier noch kein scharfer Unterschied zwischen dem arithmetischen und dem geometrischen Gebilde gemacht wird. Denn γνωμών wird die ungerade Zahl genannt; weil sie sich in Form des Winkelma es (κατά γνώμονας φύσιν) um zwei Seiten des Quadrats legt (dieses „Herumlegen" bezeugt bei Stob. I, pr. 10. Diels Seite 276, Zeile 24f.: rfj μονάδι των εφεξής περισσών γνωμόνων πβρηιΰεμένων 6 γινόμενος ά,εΐ τετράγωνος εστί, wobei die μονάς als das urspr ngliche Quadrat gedacht ist, f r das die Dreizahl der gleichen Quadrate den ersten Gnomon bildet, das also Einheit bleibt auch f r alle folgenden Gnomonen). In Wirklichkeit kann sich ja aber nicht die ungerade Zahl, abstrakt, renY~ l5 solche, um das Quadrat legen, sondern nur wieder ein geometrisches Gebilde, also in diesem Fall eine ungerade Anzahl der Ursprungsquadrate, in deren Seitenl nge die Einheit eben schon r umlich gedacht ist. Da aber jene alten Denker diesen Unterschied nicht

bergang ins konkrete Sein

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immerhin, da das urspr ngliche Prinzip f hig war, ihn an die Hand zu geben, in ihm fruchtbar zu werden. Und das allein l t wohl. in jedem Falle einen tiefen R ckschlu auf den wissenschaftlichen Wert dieses urspr nglichen Prinzips selbst zu. Das ist eben der Gedanke der αρχή, des Seinsprinzips in ihm, der zur Erzeugung des k rperlichen Daseins f hrt. F r dieses ist sie da. So war sie, von Anfang an angelegt. In dieser Leistung der Zahl erh lt nun die alte αρχή, abgesehen von ihrer Vertiefung ins Geistige, noch eine bedeutende sachliche Erweiterung. Denn der άρι&μός ist nicht schlechthin ein Άπειρον. Er schlie t die απειρία wohl ein, ja er begr ndet sie erst in sich, — wie Aristoteles denn bezeugt, das st rkste (κνριώτατον) Motiv, ein Unendliches anzunehmen, habe f r die alten Denker darin bestanden, da die Zahl und berhaupt die mathematische Gr e „im Denken" sich als unbegrenzt erweise (phys. P 4, 203 b: δια γαρ το εν τη νοήσει μη νπολείπειν και 6 άρι&μος δοκέί άπειρος είναι καΐ τα μαθηματικά μεγέ&η καΐ το Ι£α> τον ουρανού. Das letztere geht mehr auf Anaximander, die ersteren beiden Argumente offenbar auf die Pythagoreer). machen, oder doch nicht hervorzuheben f r n tig halten, zeugt von der gro en Naivit t, mit der sie Zahl alles das nannten, was den Ausdruck seiner Gesetzm igkeit in Zahlen findet. Man m chte geradezu versucht sein zu sagen, sie h tten die rein arithmetische Zahl in ihrer ganzen Abstraktheit berhaupt noch nicht erkannt, sondern sie durchweg mehr oder weniger konkret gedacht, sei es nun als Raumgebilde oder als Tonh hen oder als Bewegungsverh ltnisse der Himmelsk rper untereinander. Der Gebrauch vieler Ausdr cke best tigt diesen Mangel begrifflicher Pr zisierung bei den Pythagoreern; es sei nur an die αρμονία erinnert, die in gleicher Weise f r geometrische Verh ltnisse, wie f r die „Oktave", wie schlie lich f r das Zusammenstimmen der Himmelsbewegungen gebraucht wird. Ahnlich ist es mit anderen Begriffen, z. B. dem διάστημα, dem xtrov usw., von denen noch die Rede sein wird. — Bei solcher Auffassung des urspr nglichen Pythagoreischen Zahlprinzips wird es auch verst ndlicher, wie sich die historische Kontinuit t im Gedanken der αρχή herstellt. Denn h tten die Pythagoreer gleich die Zahl in ihrer ganzen arithmetischen Abstraktheit zum Prinzip gemacht, so w re der Sprung vom Urstoff der Milesier auf den reinen Denkwert gar zu schroff, und wir m ten auf n heres Verstehen des Zusammenhanges verzichten. Haben sie dagegen zun chst nur das konkret-Mathematische, die Zahlverh ltnisse in Linien, T nen usw. im Auge, so ist dieses die nat rliche Mittelstufe zwischen dem noch halb materiellen άπειρον Anaximanders und der rein arithmetischen Zahl, als der abstrakt gefa ten Gesetzeseinheit, wie sie die sp teren Pythagoreer haben. Die εχκρισις Anaximanders, die ja auch so oder so als Begrenzung zu verstehen ist, w re dann von der fr hesten Pythagoreischen Auffassung der Zahl gar nicht mehr weit entfernt. —

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πέρας und άπειρον

Aber die Zahl ist nicht nur Unbegrenztheit. Wenn das unendliche Prinzip in ihr Anwendung finden soll auf die Welt der Sinne, in der doch alles begrenzt ist, so mu sie selbst der Begrenzung f hig sein. Schon bei Anaximander mu ten wir etwas hnliches erschlie en. Denn wenn er die Gegens tze sich „ausscheiden" lie aus dem Unendlichen, so mu te er einen Proze der Begrenzung annehmen; denn Gegens tze grenzen sich eben schon ab — und sei es auch nur gegeneinander. Nun bewegt sich auch bei den Pythagoreern alles in Gegens tzen. Nur sehen wir hier auch das Prinzip, nach welchem sie entstehen, d. h. sich gegeneinander „abgrenzen", klar als solches erkannt und dem άπειρον zur Seite gestellt; es ist das πέρας, das mit dem άπειρον zusammen das erste Begriffspaar und den Urtypus der Gegens tze zugleich bildet. So kann die Zahl in der Tat zur ovoia werden, zur innehaftenden „Wesenheit" aller Dinge. Denn sie ist ein Mittleres zwischen Endlichem und Unendlichem. Sie enth lt beides zugleich, Grenze und Unbegrenztes: sie, die ihrer fortschreitenden Natur nach unbegrenzt, ja der Urtypus des Unbegrenzten ist, begrenzt sich gleichwohl wiederum in sich selbst und wandelt sich so in das Bestimmtgro e, das Raumgebilde, die Tonh he, — sie verk rpert sich eben „nach der Natur des Gnomon"^ Der Begriff des περάς mu te mit Notwendigkeit dort entstehen, wo der Seinsgedanke in der unendlichen αρχή fruchtbar werden sollte, wo die Kraft des Prinzips, das Dasein zu erzeugen, erwiesen werden sollte. Daher blickt er schon bei Anaximander undeutlich durch; wenigstens mu man ihn hinzudenken, um sich sein Prinzip durchgef hrt zu denken. Daher mu ten die Pythagoreer, die sich ja gerade das Problem der Durchf hrung stellten, mit besonderem Nachdruck, und zwar gleich zu Anfang auf diesen Begriff sto en. Er hat sich denn bei ihnen auch mit gro er Klarheit herausgearbeitet und sich auf alle Gebiete der Naturerkl rung erstreckt, die sie in Angriff nahmen. Auch in andere, nachfolgende Systeme drang der Terminus ein, so in die eleatische Philosophie (z*. B. bei Parmenides πείρατα δεσμών, wo der Begriff schon wie etwas allgemein Bekanntes eingef hrt wird). In dieser Korrelation von πέρας und απειρον konnte sich der Seinsgedanke der αρχή erst zu dem entfalten, als was er urspr nglich gemeint, aber nicht durchgef hrt war. Das Prinzip war f r das sinnliche Dasein erdacht. In diesem „f r" hat es gerade seinen innersten Sinn. Hier nun sehen wir diesen Sinn

bersch tzung des πέρας

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sich schon erf llen. Das πέρας wird das Vermittelnde zwischen dem Unendlichen und den sinnlichen Dingen; die Bestimmtheit der letzteren wird eben verstanden als ihre „Begrenztheit". Das ist schon ein bedeutender Grad wissenschaftlicher Rechenschaft ber das Sein der Dinge, das ja eben vielmehr ein Entstehen und Vergehen ist. Sie sind insofern doch als bestimmt und in gewissen Zahlverh ltnissen fixiert zu fassen, als sie die Begrenzung eines Unbegrenzten sind. Auch den Proze charakter dieser Begrenzung haben die Pythagoreer nicht verkannt, wie man denn in vielen Wendungen den verbalen Charakter des περαίνειν mit Nachdruck betont findet als die begrenzende T tigkeit der Zahl. Ja schlie lich haben sie den ganzen Weltproze als eine Begrenzung des Unbegrenzten gefa t. So bereiteten sich bei ihnen jene wichtigen Korrelationsbegriffe vor, in denen sp ter bei Plato der alte Seinsgedanke seine h chste Formulierung finden sollte. Doch darf hier eins nicht bersehen werden. In diesem gro en Schritt, den die Pythagoreer ber Anaximander hinausgehen, birgt sich noch eine Eigent mlichkeit ihrer Denkweise, die nicht nur f r diese selbst, sondern auch f r alle weitere Entwickelung der mathematischen Naturprobleme tiefgreifende Bedeutung gewonnen hat: sie gehen so weit in diesem Hinausgehen ber Anaximander, da sie sich mit der Betonung des πέρας geradezu in Gegensatz zu ihm stellen. Hatte dieser alles Schwergewicht auf das άπειρον gelegt und dieses allein zur αρχή gemacht, so verlegen nun die Pythagoreer allen Nachdruck auf das πέρας. Zwar bleibt ihnen das άπειρον Voraussetzung, aber es ist eben „nur" Voraussetzung, — bei Anaximander war es „sogar" Voraussetzung gewesen, n mlich „das" Prinzip selbst, nicht eines von zweien. Daher kehrt sich nun auch die Wertung beider Begriffe um. Wie das πέρας alles Ma und alle Ordnung der Dinge herstellt, so ist es auch in sittlicher Hinsicht das Ma volle, das Gute. Dann aber mu das άπειρον notwendig das Schlechte bedeuten; das involviert die Gegensatznatur. Und in der Tat sehen wir es in der Pythagoreischen Tafel der Gegens tze mit dem Schlechten in einer Reihe stehen, w hrend das Gute unter den Begriff des π^ρας f llt. Bei Anaximander war im Gegenteil alle Begrenzung das Unrecht, das am Άπειρον begangen wurde und das nur ges hnt werden konnte, indem das Begrenzte wieder seine Grenzen durchbrach und ins Unbegrenzte zur ckflo . — Trotz dieser verschiedenen Wertung ist doch der Grundgedanke der gleiche. Nur die Betonung, der

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Anfänge des Nichtseins

Blickpunkt des Interesses hat sich geändert. Der Begriff der zieht daraus nur indirekt einen Vorteil, nämlich sofern er letzterdings doch nur aus der Anwendung zu begründen ist. Daneben aber steht ein schwerwiegender Nachteil: bei dieser Betonung des konnte sich die Zahl selbst, die doch Prinzip war, nur von ihrer einen Seite zeigen, nämlich als endliche Zahl, als Diskretion. Wenn die Zahl dennoch bei den Pythagoreern auch das Unendliche umfassen sollte, so war doch dieses Unendliche in ihr nur extensiv gedacht als die ins Unendliche fortgehende Zahlung (nach dem Zeugnis des Aristoteles cf. Seite 25), nicht aber intensiv als Rückgang ins Unendlichkleine. Die Zahl ist ihnen somit mehr Trennung als Zusammenhang, — freilich Trennung nur unter der Voraussetzung des Zusammenhanges; aber auf diesen selbst, als auf das tiefere Problem, kommen sie nicht; er wird noch naiv vorausgesetzt, als wäre er ein Gegebenes. Dartim muß ihnen das wieder unselbständig werden, die Zahl aber diskret bleiben. Und darum auch konnte ihre Mathematik nicht für das große Problem der Mechanik ausreichen, das bald genug aufgeworfen werden sollte. — Wir sahen, wie das Seinsproblem seine zwei Seiten hat, eine positive, die später zum Seinsbegriff wird, und eine negative, mehr methodisch wichtige, wie sie sich hernach im Nichtsein präzisiert. Und wir fanden auch schon, wie bei den Milesiern, namentlich bei Anaximander, diese beiden Seiten bereits im Keime vorhanden sind, die positive offenkundig, in vollem Zielbewußtsein, die negative versteckt, nur aus dem Gedankengange als Ganzem rekonstruierbar, am deutlichsten immer noch in der Terminologie festgehalten. Die Pythagoreer ihrerseits standen anders hierzu. Sie brauchten sich das Prinzip als solches nicht erst zu erarbeiten. Es war schon da; es handelte sich nur noch um seinen Inhalt und um seine Durchführung. Was wir daher bei ihnen an Neuschöpfungen finden, zeigt durchweg das Operieren in diesen zwei Richtungen. Beide betreffen aber wesentlich nur die positive Seite des Seinsproblems. Diese gelangt daher bei ihnen zu einer bedeutenden Höhe der Formulierung, nämlich in dem Gedanken von der Gesetzmäßigkeit als dem innersten Sinne jener Einheit, die das Prinzip der Zahl für die Natur der Dinge bedeutet. Und in der Lehre von der vollzieht sich diese Einheit auch gewissermaßen. Aber zu einer vollen Durchführung dieses Gesetzesmotivs konnte es noch nicht kommen. Dazu hätte das Sein erst als

Das

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solches schärfer erkannt werden müssen, d. h. es hätte sich seinem Begriff mehr nähern müssen. Das aber konnten die Pythagoreer nicht leisten, weil sie nicht weit genug zurückgriffen an das Prinzip selbst. Das lag nicht in ihrer Denkrichtung; auch die späteren Jünger der Schule haben es nicht geleistet, man müßte denn Plato zu ihnen rechnen. Denn um an das Prinzip zurückzugreifen, hätten sie wieder von unten anfangen und zunächst einmal negativ werden müssen, — wie denn das nach ihnen in fundamentaler Weise Parmenides tat. Der Rekurs ins Negative, aus dem die positive Seite aller Naturerklärung erst hervorgehen kann, ist in der Tat bei den Pythagoreern ins Stocken geraten. Sie standen mit dem „Prinzip" Anaximanders schon auf einer zu positiven Basis, als daß sie von dieser fort wieder den Sprung ins Leere hätten wagen sollen. Erst die alles vernichtende Kritik Heraklits konnte dazu den Anstoß geben — und hat ihn später gegeben. Aber die Neugründung auf dem Wege neuer Ablehnung fiel nicht mehr den Pythagoreern als Aufgabe zu. Soweit sie nun auch von einem selbständigen Rekurs ins Negative entfernt sind, so konnten sie die negative Kehrseite ihres großen Problemkomplexes doch nicht ganz übersehen. Wenn sich diese Kehrseite auch nicht in fundamentalen Neugestaltungen zeigt, so spürt man sie doch in manchen Formulierungen, die sie im Lauf ihrer Untersuchungen aufstellen. So fehlt es ihnen nicht an Kühnheit der Konsequenz, auch das als wesentlich in das Prinzip aufzunehmen, was allem eigentlichen Sein zu widersprechen scheint, woran sich fürs erste nur das Fehlen eines bestimmbaren Etwas fühlbar macht. Das zeigt sich in ihrer akustischen Theorie am Begriff der (Tonintervalle). Diese Lücken in der harmonierenden Tonreihe, die sich zwischen den bestimmbaren Tonhöhen nur als Fehlendes, d. h. Negatives geltend machen, die aber doch für die Herstellung der Tonreihe selbst unentbehrlich sind und also irgendwie fixiert werden müssen, machten sie folgerichtig zum Prinzip der Trennung, zum Leeren ( ). Diesen Begriff übertrugen sie dann als Prinzip auf alle Reihenbildung, in der es auf Festlegung bestimmter Abstände ankommt, also vor allem auf die Zahlenreihe, den Urtypus aller Reihenbildung. Da stellte sich denn der Gnomon als in bezug auf jedes nächstfolgende Quadrat dar. Hier nun zeigt sich die Doppelseitigkeit dieses Begriffs besonders scharf. Er ist ein Trennungsprinzip und als solches negativ. Aber die

3 sie reicht bis in den Übergang zum Praktischen hinein. Diese beiden Richtungen der Fragestellung in der Behandlung dea Seinsproblems betreffen nicht Plato allein. Auch die Betrachtung der Vorsokratiker zeigte schon· beide, nur weniger

Methodischer Ausgangspunkt

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prägnant. Freilich konnte dort die erstgenannte, die Charakteristik der Begriffe aus dem Ganzen der Denkweise eines Philosophen, erst von Parmenides an in Betracht kommen. Denn vor ihm gibt es die Begriffe noch gar nicht. Bei den ältesten Denkern konnte von Sein und Nichtsein daher nur insofern die Rede sein, als sie, auch ohne als Begriff verstanden zu sein, schon die analoge Leistung für das systematische Denken ausübten, welche sie hernach bewußtermaßen bezeichnen. Das widerspricht aber der Behauptung nicht, daß das Seinsproblem als solches beide Richtungen verlangt. Dort ist eben das Seinsproblem noch nicht reif; denn es ist noch nicht begrifflich. Etwas Ähnliches sehen wir in derjenigen Entwickelung, die das Problem innerhalb der Platonischen Philosophie selbst nimmt. Auch für Plato reift der fundamentalste Gedanke erst zuletzt aus: Sein und Nichtsein in ihrer methodischen Bedeutung werden erst dort gewürdigt und definiert, wo die Ideenlehre bereits erdacht und bis zur Anwendung herabgeführt ist. Deswegen aber ist die Leistung des Seins und Nichtseins, als der unumgänglichen systematischen Operationsmittel, nicht weniger auch in denjenigen Problemen enthalten, die er vor ihrer begrifflichen Ausreifung behandelt. Die ganze Einführung der Ideenlehre ist von vornherein voll von den Spuren ihrer Methode. Gleichwohl können wir mit diesen instruktiven Anfängen hier nicht be^ ginnen; denn da es uns mehr auf die systematische Bedeutung als auf die genetische Ausreifung des Seins und Nichtseins bei Plato ankommen muß, so ist uns derjenige Weg vorgezeichnet, der mit der Charakteristik dieser Begriffe aus der bereits gefundenen Methode der Idee beginnt und zu der umgekehrten Würdigung auch der Anfänge der Ideenlehre als Leistungen der Seinsmethode erst hinleitet. Wir sind daher darauf angewiesen, die frühen und mittleren Dialoge für unsere zweite Untersuchung zurückzustellen und einen von den späten, den „Sophisten", ins Zentrum der ersten Untersuchung zu stellen. Denn in ihm besitzen wir denjenigen Entwicklungspunkt in Platös Denken> an welchem ihm das Problem des Seins und Nichtseins erst voll bewußt wird. In ihm finden wir daher diejenigen Definitionen, von denen wir ausgehen müssen, wenn wir das eigentümlich Methodische dieser Begriffskorrelation in seinen früheren Schriften verstehen, ja es überhaupt erst entdecken wollen. Eine Einführung in das Problem haben wir freilich bereits an seiner Entstehungsgeschichte gewonnen. Die systematische Rücksicht ist ja von der historischen niemals zu trennen; sie

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Betonung der Methode im Nichtsein

ergibt sich an der letzteren mit Notwendigkeit, selbst wo man sie zu vermeiden trachtet. Demnach wäre ein direktes Anschließen an die frühen Platonischen Dialoge immerhin denkbar. Das langsame Ausreifen des Problems ergäbe sich dann von selbst, und damit wäre, was mehr ist, schon ein Einblick in seine systematische Zentralstellung gewonnen. Wenn wir dennoch hier diesen naheliegenden Weg nicht einschlagen, so liegt das an einer besonderen, eigenartigen Schwierigkeit, die ihm gerade im gegebenen Falle anhaften würde und die auf keine Weise zu umgehen ist, da sie in der Eigenart des Problems selbst ihren Grund hat. Es gibt eine Art von Begriffen, die man nicht sachlich behandeln, geschweige denn ihre Leistung für andere Probleme beleuchten kann, ohne zuvor in aller Genauigkeit bestimmt zu haben, was unter ihnen verstanden werden soll. Von dieser Art ist das Nichtsein. Vom Sein kann man — trotz seiner Vieldeutigkeit — noch allenfalls handeln, ohne eine Definition vorauszuschicken. Indem es in Funktion tritt, wird es klar. Nicht so das Nichtsein. Dieses ist so sehr des Inhalts beraubt, so sehr bloß Methode, bloß Übergang und Umweg zu etwas, daß es schwer wird, sich dabei auch nur etwas zu denken, ehe die Methode in ihm aufgezeigt ist. Nicht als könnte ein Begriff Methode ohne Inhalt sein; das würde gegen die notwendige Einheit verstoßen, in der diese beiden in jedem Begriff von Hause aus aneinander gebunden sind. Sie stehen in unlöslicher Korrelation. Aber deswegen kann sehr wohl das eine Mal der Nachdruck auf dem Inhalt, das andere Mal auf der Methode liegen. Am Sein und Nichtsein sehen wir diesen Unterschied aufs deutlichste zutage treten. Ihre Korrelation ist nicht weniger streng und nicht weniger fundamental als die des Inhalts und der Methode selbst. Sie sind gerade das Urbild der letzteren in ihrem Wechselverhältnis. Aber eben weil sie so eng verknüpft sind und in dieser Verknüpftheit der des Inhalts und der Methode so nah verwandt sind, kann das Sein vorwiegend als Inhalt, das Nichtsein vorwiegend als Methode verstanden werden — und zwar das gerade, weil das Sein so notwendig nach seiner Methode, als das Nichtsein nach seinem Inhalt verlangt. Wir haben es somit beim Nichtsein mit einem Begriff zu tun, zu dessen richtiger Einschätzung alles auf die methodische Seite ankommt. Das ist es, was an ihm die historische Einführung für das allseitige Verständnis unzureichend macht. Es muß noch die systematische Analyse des Problems hinzutreten,

Das Nichtsein als Idealität des Seins

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in dem bei Plato das Nichtsein zur Reife gelangt. Es würde uns auch wenig helfen, bloß zu konstatieren, daß im Nichtsein die fundamentalste aller Methoden, diejenige, an der sich alles Sein erst auffinden und darstellen läßt, gefunden werden soll. Denn wollen wir in den früheren Dialogen die Spuren dieser Methode aufsuchen, so müssen wir schon wissen, wie sie operiert, müssen in alle ihre Feinheiten schon vorgedrungen sein. Es ist nicht nur, daß hier noch vielfach der Terminus des Nichtseins fehlt, und wo er wirklich auftaucht, noch fortwährend schwankt und jedenfalls nicht prägnant zu nehmen ist, weil er zur Erkenntnis seines logischen Gehalts noch einen weiten Weg der Entwicklung hat. Denn er fetyt vielfach auch in den späten Schriften dort, wo man ihn wohl erwarten dürfte. Sondern das Ausschlaggebende ist vielmehr dieses, daß erst die genaue Kenntnis der Methode des Nichtseins dem in Platos Schriften Suchenden die Tragweite und — um es mit einem Wort zu sagen — den Seinswert seiner Philosopheme zum wirklichen logischen Bewußtsein, zur systematischen Würdigung bringt. Das gleiche ließe sich nun freilich auch von den Vorsokratikern behaupten, die wir doch ohne vorausgehende Problemanalyse behandelt haben. Dennoch ist daraus, daß sich dort die Aufgabe einfacher löste, kein Schluß auf das Platonische Seinsproblem zu ziehen. Dort liegen die Probleme überhaupt noch einfacher, sie sind vielfach noch auf dem Wege, Probleme zu werden. Die ganze Tragweite von Sein und Nichtsein umspannt kein einziger Denker vor Plato. Daher ist hier die systematische Antezipation weit leichter; sie tritt gewissermaßen von selbst ein, sobald man seinen Blick auf das methodisch Eigentümliche dieser Probleme eingestellt hat. Bei Plato ist das anders. Hier reift die Korrelation des Seins und Nichtseins aus zum Selbstbewußtsein ihrer ursprünglichen Problemeinheit. Und diese Problemeinheit bedeutet eine Vertiefung des ganzen philosophischen Standpunktes, mit welcher sich nichts Vorhergehendes messen kann: es ist die Vertiefung zum Idealismus. Wir haben schon bei Demokrit Gelegenheit gehabt zu sehen, wie selbst die noch auf das Naturproblem beschränkte Gleichstellung von Sein und Nichtsein den entscheidenden Schritt auf den Idealismus zu bedeutete. Bei Plato werden wir es auf allen Gebieten seiner Denkarbeit bestätigt finden, wie die Idealität des Seins ihren einzig adäquaten Ausdruck in der Methode des N i c h t s e i n s findet. Daher ist der Idealismus ebensosehr, wie an die Korrelation von Inhalt und Methode,

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„Sophist", „Parmenides", „Theätet"

auch an die von Sein und Nichtsein gebunden. Erst mit dem Siege des Idealismus wird das klar, was die Vorsokratiker ahnen und mit den Worten ringend nur teilweise zum Ausdruck bringen: das Seinsproblem hat es nicht einfach mit einem Sein zu tun, sondern mit Sein und Nichtsein, ja, wenn man genau sein will, in erster Linie mit dem Nichtsein. Auf das Verständnis dieses letzteren kommt daher alles an. Es ist nichts geringeres als der Schlüssel zum Platonischen Idealismus. Es dürfte hiernach wohl klar sein, daß wir bei Plato einem größeren Problem gegenüberstehen, und daß es, um ihm gerecht zu werden, eines weiteren Ausholens bedarf. Die Frage, die uns hier am intimsten angeht, wie die Idee von vornherein mit den Begriffen des Seins und des Nichtseins zusammenhängt, wie sie geradezu aus dem methodischen Geleise dieser fundamentalsten Korrelation herauswächst, diese Frage könnte gar nicht in das rechte Licht gestellt werden, wenn wir diejenigen Dialoge, in denen die Idee ihren Werdegang beschreibt, nicht schon an der Hand dessen interpretieren könnten, was der „Sophist" an Methode im Nichtsein entdeckt. Gleichwohl: diese Resultate/des „Sophisten" gesondert vorauszuschicken ohne die Entfaltung des Problems am Gedankengange des ganzen Dialogs (oder doch seiner Hauptuntersuchung) durchzugehen, hieße den planmäßigen Aufbau von Platos eigenen Gedanken über das Nichtsein zerstückeln, ohne doch eine wirkliche Analyse des Problems dabei zu gewinnen. Soll dieses vermieden werden, und doch zugleich eine Entwickelung der Methode des Nichtseins vorausgeschickt werden, so bleibt nur die Möglichkeit übrig, diesem eigentlich bloß einleitenden Abschnitt einen ganzen Hauptteil der Untersuchung zu widmen und zuerst eine eingehendere Besprechung des „Sophisten" vorzunehmen, die hieraus gewonnenen Einblicke in die Methode aber zugrunde zu legen für das Verständnis der Seinsfaktoren in der Ideenlehre, soweit diese in der ganzen Reihe der Hauptschriften sich werden auffinden und zusammenstellen lassen. Es wäre hierbei nur noch zu bemerken, daß von Rechts wegen nicht nur der „Sophist" allein für diesen Zweck in Betracht kommt, sondern neben ihm noch zwei andere Dialoge, der „Theätet" und „Parmenides". Wenn wir hier dennoch nicht von allen dreien, sondern nur vom „Sophisten" eine eingehendere Analyse geben, so geschieht es hauptsächlich deswegen, weil er der einzige ist, der die Untersuchung des Seins-

Das Problem der

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problems in umfassender und fast nach allen Richtungen erschöpfender Weise anstellt und daher auch das meiste von dem enthält, was die anderen Dialoge in mehr fragmentarischer Form enthalten. Der „Parmenides" freilich geht in gewisser Hinsicht über den „Sophisten" hinaus. Er bringt die reifsten Resultate, wenn man das dort halb rätselhaft Gesagte überhaupt als Resultat bezeichnen will. Aber er erzielt die größere Tiefe dadurch, daß er das Seinsproblem mit anderen Grundproblemen kombiniert. Das ist genug Grund, ihn fürs erste zurückzustellen. Denn für die Einführung in die Fragestellung müssen wir das Seinsproblem nach Möglichkeit zu sondern suchen. Erst dort, wo wir die Bedeutung des öv für die ganze Platonische Philosophie zu betrachten haben werden, kann diese Eingliederung in die logische Grundfrage uns beschäftigen. — Der „Theätet" dagegen, der unter den genannten Dreien der chronologisch frühste ist, enthält die am wenigsten ausgeführte und ergebnisreiche Behandlung. Er kann zum „Sophisten" nur wenig Neues hinzutragen. Deswegen legen wir nur die Hauptuntersuchung des „Sophisten" zugrunde, zu der wir aus dem „Theätet" nur gelegentliche Ergänzungen hinzufügen. Es wird nicht überflüssig sein, sich gleich zu Anfang, noch ehe wir das Nichtsein selbst kennen lernen, uns dessen zu vergewissern, aus welcher Denkrichtung Plato dieses Problem hernimmt. Denn dieser Problemursprung ist bezeichnender, als er auf den ersten Blick erscheinen möchte. Er zeigt die ursprüngliche, sachliche Verknüpftheit des Idealismus mit dem Nichtseinsbegriff. Das Problem des Nichtseins ist für Plato viel näher liegend, als wir uns es gemäß unserer Denkweise vorzustellen pflegen. Denn unter den häufigsten, immer wiederkehrenden Problemen seiner Schriften ist eines, das ein Nichtsein in sich enthält und notwendig auf ein solches hinausführen muß, sobald man es recht durchdenkt. Das ist die „falsche Vorstellung", oder „falsche Meinung" — . Diese war als Streitfrage damals in aller Munde. Die Sophisten waren es gewesen, die sie zur Tagesfrage der Philosophie gemacht hatten. Denn in ihrer einseitigen Bevorzugung der Subjektivität hatten sie die These aufgestellt, es gebe überhaupt keine falsche Meinung, sondern alles sei wahr — natürlich nur für den einen, der da meint; aber andere, allgemeinere Wahrheit gebe es auch gar nicht. Diese These sehen wir häufig in Platonischen Dialogen von

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Indifferenz der δόξα gegen wahr und falsch

sophistischen Wortf hrern verfochten. Jede ernstere Philosophie mu te sich mit diesem Sophismus so oder so auseinandersetzen. Denn ehe es zu irgendeiner sicheren Aufstellung kommen konnte, mu te dieser Satz von Grund aus widerlegt sein. Solange er bestehen bleibt, l t sich kein einziger mit sich identischer Begriff denken. Denn alle Objektivit t f llt hin, wo alles ohne Unterschied gleich wahr ist. Es haben sich denn in der Tat alle ernsthaften Denker mit dem Problem der ψευδής δόξα auseinandergesetzt, auch Aristoteles in seiner Weise und die Sp teren. Am wichtigsten mu te diese Aufgabe aber f r Plato erscheinen, der als erster mit einem ganzen System objektiver Begriffsphilosophie gegen den Subjektivismus zu Felde zog. Er stand noch mitten in diesem Kampf und richtete daher die ganze Wucht seiner philosophischen berzeugung auf dieses exemplum crucis. Aber bei der gro en Schwierigkeit des Problems war an eine pl tzliche L sung nicht zu denken. Es galt die Fragestellung selbst in ihm erst ausreifen zu lassen. Deswegen geht das Ringen nach einer genaueren Formulierung der ψευδής δόξα durch eine ganze Reihe wichtiger Schriften, die ber den ganzen Zeitraum seines'Schaffens verstreut liegen; es sind gerade mit die Hauptschriften. Die Grundtendenz, in der er das Problem. behandelt, zeigt sich vom ersten Versuch an und bleibt bis zur letzten, vollst ndigsten Formulierung im „Sophisten" durchaus sich selbst treu. Wir m ssen uns, ehe wir an das Nichtsein kommen, mit diesem Problem der ψευδής δόξα bekannt machen. Denn an allen den Stellen, wo Plato in fundamentaler Weise ber das μη ον spricht, wird es eingeleitet von der ψευδής δόξα; diese bildet gewisserma en den Rahmen, die Einkleidung, in der jenes sich zeigt. Die δόξα ist bei Plato berhaupt kein ganz feststehender Begriff. Was das Wort selbst besagt, ein „Scheinen", das pa t nur sehr selten in den Zusammenhang. Das „Scheinen" tr gt die Tendenz zur Unwahrheit, Unwirklichkeit in seinem Begriff; und das gerade trifft der Sache nach auf die Platonische δόξα nicht zu. Sie ist — rein f r sich genommen — weder falsch noch richtig. Ihr Begriff ist wesentlich I n d i f f e r e n z gegen ber Richtig und Unrichtig. Denn in ihm soll ja erst Raum werden f r den Gegensatz der falschen und richtigen δόξα. Am ehesten k nnte man vielleicht „Meinen" oder „Meinung" daf r setzen, in welchem Wort wenigstens keine Voreingenommenheit zugunsten des Wahren oder Unwahren mitspricht. Das ist nahe-

δόξα und Ιπιοτήμη

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gelegt auch in der nicht seltenen Gleichsetzung der δόξα mit οΐησις, οϊεσ&αι (so besonders The t. 171 A). „Vorstellung" ist weniger passend; in ihr ist die psychologische Definition des Bewu tseinsaktes oder -Inhalts schon zu stark betont. Die δόξα n mlich kann jede Art Bewu tseinsstufe am Inhalt bezeichnen; sie kann unter die Vorstellung, ja bis auf die Empfindung hinabgehen, sie kann aber auch f r wirklichen oder angestrebten Begriffsgehalt stehen und so die Bedeutung des „Urteils" annehmen (The t. 187 A, 190A). Das alles ist in ihr indifferent. Worauf es ankommt, ist nur der Gegensatz zum begr ndeten Wissen, zur Wissenschaft (επιστήμη), oder zum Denken (λόγος, διάνοια). Das letztere im pr gnanten Sinne kann kein ψευδός enthalten; es gibt nur die άλη&ης επιστήμη, den άλη&ής λόγος. Die δόξα aber mu ebensowohl ψευδής als άληΰής sein k nnen. Die αλή&εια im pr gnanten Sinne des „Unverborgenen"1, d. h. des wissenschaftlich Gesicherten, ist es gerade, die der δόξα entgegengesetzt wird, nicht als dem Falschen, sondern als dem Unsicheren, wissenschaftlich Unfertigen. Man sieht das an solchen Wendungen wie der im „Ph drus" (275A): σοφίας δε τοις μα&ηταΐς δόξαν, ουκ άλή&ειαν πορίζεις. Dort, wo die „Meinung" zum „Urteil" ausreift, da steigt die Falschheit oder Richtigkeit zur Qualit t desselben auf. F r den Urteils-„Akt" ist es zwar ebenso indifferent, wie f r die Meinung, ob er wahr oder falsch ausf llt, — -n mlich f r den psychologischen Akt. Erst als Urteils„Gehalt" scheidet sich Wert von Unwert. Wie denn berhaupt der Platonischen δόξα stark der psychologische Gesichtspunkt anhaftet, aus dem ihr Begriff bei den Sophisten herstammte. Erst in der Problemverschiebung vom psychologischen Akt zum logischen Erkenntnisgehalt kommt ein anderer Gesichtspunkt ihrer Wertsch tzung auf. Damit i.ber stehen wir schon in dem bergange der δόξα zum λόγος und zur επιστήμη. Auf diesen bergang kommt alles an. ber Wahr und Falsch kann eben nur das Denken entscheiden, n mlich als jenes genaue, wissenschaftliche Erkennen, das in seinem eigensten Gebiet ganz auf sich selbst gestellt ist und daher nicht fehlgehen kann. Alles ψευδός, wo es statthat, kann ihm gegen ber nur psychologisch einen Sinn haben, sei es als Vorstufe oder direkt als Gegensatz des Wissens. Aber damit haben wir der Problementwickelung schon vorgegriffen. Der Weg, auf dem Plato hierzu gelangt, ist ein viel ')

ber diese Ursprungsbedeutung von άλή&εια vgl. .II. Teil 2. Kap.

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Die ψενδης δόξα im „The tet"

weiterer, durch fast alle Grundprobleme hindurch sich vollziehender. Wir m ssen ihn einstweilen in Platos eigenen Worten betrachten. Dazu haben wir zun chst n her auf seinen Begriff des ψευδός einzugehen. — Eine umfassende Orientierung ber diesen Punkt bringt der „The tet". Es wird der Satz des Protagoras vom Menschen als dem Ma der Dinge bek mpft. Eine notwendige Konsequenz dieses Satzes ist es, da einem jeden dasjenige wahr sei, was ihm erscheine, was seine Meinung oder Vorstellung (δόξα) sei. Das hei t aber mit anderen Worten, da alles, was berhaupt gemeint wird, wahr sei. Es ist die ber hmte sophistische These der absoluten Subjektivit t. Diese schlie t das ψευδός aus. Es werden nun hiergegen eine Reihe von Gegenargumenten vorgef hrt, zun chst solche, die nicht auf das Wesen des Problems eingehen, sondern blo aus den unhaltbaren Konsequenzen des Satzes heraus ihn zu widerlegen suchen. — Erstens halten die Menschen auf allen Gebieten den einen f r mehr, den anderen f r weniger wissend. Die menschliche Meinung geht also selbst dahin, da sie 0099/0 und άμαΰία annimmt. Nun besteht aber alles Wissen in „wahrem Denken" (άλη&ής διάνοια), alle Amathie in falscher Meinung (ψενδης δόξα, The t. 170B). Soll diese Verschiedenheit der Beurteilung also stattfinden, so mu auch ψενδης δόξα stattfinden, sie mu Wirklichkeit haben. Gibt man diese preis, so ist man sofort gezwungen anzunehmen, da auch kein Mensch vom anderen denke, da er Falsches meine, und das ist unm glich. Zweitens, wenn einer etwas behauptet, die anderen alle es aber nicht glauben, so ist f r ihn das eine wahr, f r alle anderen aber das andere, das Gegenteil. Und gesetzt selbst, es lie e sich der Widerspruch l sen, es w re beides Widersprechende nebeneinander wahr, so bleibt doch die Frage brig: wie kann jener, der die δόξα hat, sie weitergeben, sie beweisen? Und liegt denn nicht am Beweisen alles ? Gerade f r Protagoras am meisten von allen l Sonst steht er ja allein da mit seiner Άλή&εια, w hrend sie f r alle anderen nur ein ψευδός ist. Nun f ngt er sich im eigenen Netz. Er sagt selbst, es ist alles wahr, was jene anderen meinen; also ist auch diejenige Meinung in ihnen wahr, mit der sie meinen, da er Falsches meine (171A und 179 B). Denn niemand gibt zwar zu, da er selbst Falsches meine — sonst w rde er es eben nicht meinen —, wohl aber der eine vom anderen. Die "Άλή&εια des Protagoras ist also nichts weniger als das, was sie sein will, n mlich Wahrheit im

Die. Άλή&εια, des Pro.tagoras

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Sinne des auf jeden Einzelfall des Meinens als wahr Zutreffenden. Ein derartig Wahres kann es dann berhaupt nicht geben, wie denn jede wirklich allgemeine Bestimmung unm glich wird. Die absolut gemachte Subjektivit t hebt ihren Begriff auf. Somit hebt zuguterletzt die „Wahrheit des Protagoras" sich selbst auf — auch f r ihn selbst; denn eben das, was er bezweckt, da alles wahr sei, kommt nicht heraus — auch f r ihn selbst nicht (ονόενι αν εΐη ή Πρωταγόρου άλή&εια άλη&ής, οντε τινί αλλφ οΰτ' αντψ Ικείνφ, ij IC). Das sind aber alles noch mehr grobe Angriffe, die an die Sch rfe der sophistischen These kaum heranreichen. Mit der blo en Forderung der Objektivit t l t sich ihre Wirklichkeit nicht erweisen. Sie mu aus ihrem Begriff heraus als notwendig nachgewiesen werden — oder, was der Sache nach dasselbe ist, die ψευδής δόξα mu aus ihrem Begriff heraus m glich werden. Wir sehen daher im zweiten Teil des „The tet" die Frage in diesem Sinne wieder aufgenommen und in tieferen Erw gungen fortgef hrt. Diese Untersuchungen verlaufen durchweg in aporetischer Form. Denn die Grundthese, als deren Beiwerk sie dastehen, ist falsch und erweist sich von Punkt zu Punkt mehr als unhaltbar; sie ist berhaupt nur als gegnerische These um der Polemik willen eingef hrt. Es ist der Satz, da Wissen nichts als άλη&ης δόξα sei. Die Unhaltbarkeit liegt im Begriff der δόξα. Bei Plato ist eben das „Meinen" immer der direkte Gegensatz vom Wissen. Sie k nnen sich inhaltlich decken — n mlich wenn das Meinen wahr ist. Ihrem Erkenntniswert n a c h b l e i b e n sie aber a u c h dann u n t e r s c h i e d e n , ja entgegengesetzt. 1 Der Gegensatz ist *) Diese Bedeutung der δόξα ist bei Plato die gew hnliche; best tigt wird sie namentlich auch durch die Ausf hrungen des „Sophisten", auf die wir noch kommen, desgleichen durch das „Symposion" (202A) und „Republik" (476D — 480 A u. a.). Ihr steht entgegen eine, andere Bedeutung: δόξα.=^ nQiais, δόξαζειν = κρίνει (urteilen) im mittleren Teil· des „The tet", von dem gleichfalls weiter unten bei der νπά&εοις zu handeln sejn: wird. Denn dort wird, die Leistung, des Djenkens, und geradezu der Idee, durch δόξαζειν charakterisiert (The t-.iS/A); unmittelbar vorher war sie abej* als χςίνειν bestimmt (i86B). Aber das ist jedenfalls nicht so gemeint, da das Denken der I'dee etwa als „Meinen" definiert werden sollte; umgekehrt soll gezeigt werden, in welcher Richtung die Μξα ausreifen mu , um. die Gewi heit des „Denkens" oder „Ujrteils" zu. erlangen. Abex sofern alles. „Denken" den Anschlu an das psychologische Problem, (das „Meinen"), in sich tr gt-, so l t es.sich; wohl'verstehen, wie* das pr gnant gewordene „Denken" immer noch, gleichsam einen Meinungswert besitzt (Subjektivit tswert); was dabei keineswegs zu bedeuten.

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άΐη&ης und ψευδής δόξα

ein tief innerlicher, methodischer; er liegt im Sicherheitsgrade oder im Rechenschaf t-Geben, wie das auch hier einmal sehr nahe gebracht wird (202 C). Weil nun aber solch eine unrichtige These zugrunde liegt, die Plato wenigstens anfangs zu verteidigen sich den Anschein gibt, so ist es begreiflich, da alles, was hier ber die δόξα ausgemacht wird, zu verkehrten Schlu folgerungen f hren mu . Das gilt namentlich auch von der ψευδής δόξα. Alle Argumente, die zu ihrer Begr ndung versucht werden, zeigen ein wunderliches Gemisch von echter, ernster Begriffsdialektik und sophistischer Wendung ins Subjektive. Daher ist es auf den ersten Blick nicht leicht, sich in ihnen zurechtzufinden. Es bedarf dazu des f r Platonische Hintergedanken schon gesch rften Auges. Den Ma stab f r falsch und richtig kann man hier nur von den sp teren Schriften hernehmen, in denen das Positive, von Plato im Ernst Verfochtene sich scharf von allem polemischen Beiwerk abhebt, so namentlich vom „Sophisten". Es mu daher dasjenige, worin wir auch hier schon Wesentliches erblicken, einstweilen noch unbegr ndet bleiben. Wie es gemeint ist, als Vorbereitung auf eine gr ere, ersch pfende Untersuchung, so kann es auch nur aus der Antecipation derselben verstanden werden. Zwei Erkenntniszust nde werden an „allem und jedem" Inhalte unterschieden, das Wissen und das Nichtwissen. Beide stehen ausschlie end zueinander. Freilich kommt noch ein Drittes „zwischen ihnen" in Betracht, „das Lernen und Vergessen". Aber das solle jetzt nicht betrachtet werden, es geh re nicht zur Sache (i88A). Die Unterredner merken nicht, da in dieser Disjunktion schon alle δόξα ausgeschlossen ist, nicht nur die falsche, auch die wahre. Wie man das Weitere auch wenden mag, es mu notwendig zur Aufhebung der δόξα braucht, da auch die „Meinung" einen Denkwert (Objektivit ts- oder Seinswert) bes e. Dasselbe ist ber die Stelle im Schlu teil des „Sophisten" (264A) zu sagen, wo δόξα gleichgesetzt wird der διανοίας άποτβίεντηαίς. Der ..Abschlu einer Urteilsleistung" (eigentlich eines „Hindurchdenkens" διά-νοια) ist auch hiermit keineswegs als zur „Meinung" herabgesetzt zu verstehen; sondern umgekehrt: die „Meinung" kann ihrerseits auch den Charakter sachlicher „Uberzeugtheit" (was auch in dem δοκεΐ μοι liegt) annehmen — freilich nur sofern sie sich auf den „Abschlu " einer Urteilsleistung st tzt. Die Vieldeutigkeit des Wortes „δόξα" l t solche Begriffsverschiebung in ihr zu. In allen diesen F llen (z. B. auch Parm. 165 A, i66B) ist sie aber nicht durch sich selbst (durch ihre Eigenart der Indifferenz), sondern durch etwas anderes, ihr eigentlich schon Heterogenes, definiert.

Die δόξα als Vorstufe zum Wissen

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f hren. Das zeigt sich gleich beim ersten Versuch, sie in dieser Alternative unterzubringen. Der Meinende mu entweder das, was er wei , oder was er nicht wei , meinen. Dabei ergibt sich der ungeheuerliche Widersinn: derjenige, der Falsches meint, h lt das, was er wei , nicht daf r, sondern f r anderes, als was er wei . Indem er somit beides wissen mu , wei er gleichwohl beides nicht. Das ist unm glich, denn es widerspricht der obigen Disjunktion, da einer das, was er wei , zugleich nicht wisse, oder das, was er nicht wei , wisse. So ist der Begriff der ψευδής δόξα aufgehoben. Eben jenes „Zwischenglied" von Wissen und Nichtwissen, das vorhin verworfen wurde, h tte die Vermittlung machen k nnen. Denn gerade im Lernen ist ein Erkenntniszustand gesetzt, der weder Wissen noch Nichtwissen allein bedeutet, sondern das Wissen eines Nichtwissens. In seiner positiven Kehrseite aber bedeutet ein solches die Vorwegn hme von etwas, was man in der Tat noch nicht wei , — was mit Leichtigkeit den Begriff der άληΰής δόξα ergeben w rde, mit ihr nat rlich aber auch den der ψευδής δόξα; denn inwieweit derartige Vorwegnahme, die dem Wissen gleichsam vorauseilt, sich als richtig erweisen wird, kann immer erst der Entscheidung des ausgereiften Wissens anheimgestellt werden. So w re die ψευδής δόξα zwar nicht logisch begr ndet, wohl aber neben Wissen und Nichtwissen m glich gemacht. · Die Aporie f hrt in ein neues Stadium durch den R ckgang auf Sein und Nichtsein. In dieser Vertiefung ist das Problem typisch f r Plato geworden. Da bejahende und verneinende Aussage nichts als Sein und Nichtsein bedeute, ist der Ausgangspunkt. Von hier ist der Schlu unvermeidlich, da auch die δόξα, sofern sie ein zu Bejahendes und zu Verneinendes in sich enth lt, Sein und Nichtsein in sich ausdr cke. Es wird nur das vom Urteil Unterscheidende hier ganz bersehen, da es selbst das Kriterium beider ist und also die Entscheidung zwischen beiden schafft. Das kann der δόξα nicht zufallen, das Entscheidungsmoment fehlt. Dies ist eben gerade ihr Gegensatz, das Wissensmoment. Da die άλη&ης δόξα ein Sein, die ψευδής δόξα ein Nichtsein enthalte, ist zwar ein richtiger Schlu . Denn bei der bersetzung der δόξα ins Urteil kommt es in der Tat so heraus; es wird aber nicht beachtet, da gerade die δόξα selbst, sofern sie dem Urteil noch entgegengesetzt ist und also der Seinsentscheidung entbehrt, noch keineswegs ein Sein oder Nichtsein in sich geltend machen

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Sein und Nichtsein in der δόξα

kann. Das Wahre und Falsche in ihr liegt also keineswegs in ihrer eigenen Kompetenz, es kann sich immer erst herausstellen, wo sie in Denken bergeht, zum Wissen wird. Erst das Rechenschaft-Geben kann feststellen, was in ihr war; sie selbst ist weder wahr noch falsch. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn das Problem auch in dieser Vertiefung noch die alte Unklarheit und den Schein der Unl sbarkeit in sich tr gt. Es soll sich nun also so verhalten, da derjenige Falsches meint, der in betreff einer Sache Nichtseiendes meint, „einerlei wie es sonst um das Denken dabei steht" (i88D). Der Zusatz ist sehr bezeichnend: gerade in der Nichtbeziehung auf das Denken (διάνοια), d.h. in der Ununterschiedenheit des inhaltlichen Zusammenhanges wird es der Meinung m glich, Nichtseiendes f r Seiendes zu nehmen. Die Querfrage aber verwischt sofort wieder den feinen Unterschied: ist es denn berhaupt m glich, das Nichtsein zu meinen — sei es nun von einem der Seienden oder von sich selbst? Die δόξα kann nat rlich nicht „eines der Seienden" erbringen, und erst recht kein „An sich"; beides geht erst im Denken vor. Die unmittelbar folgende Widerlegung zeigt durchweg diesen Fehler, da der δόξα Denkbestimmungen beigelegt werden, ja sogar der Wahrnehmung. Wer „eines" wahrnimmt, der nimmt ein Sein wahr, und wer „eines" meint, der meint ein Sein; wie also kann er ein Nichtsein meinen, da er doch berhaupt etwas meint! Freilich, wenn berhaupt „etwas" gleich „eines" gesetzt ist, so meint der Falschmeinende auf diese Weise „garnichts" (ουδέν); er m e i n t also berhaupt gar nicht. Denn in den Formen der Denkbestimmtheit ist es freilich unm glich, ein μη ov zu meinen (189 A B). Als ein n chster Versuch wird an Stelle des μη δν dasjenige gesetzt, was sich hernach im „Sophisten" als sein eigentlicher Sinn entpuppt, ein άλλο oder ίτερον. Der Falsches Meinende vertauscht ein. Seiendes mit einem a n d e r e n . „So ist es immer ein Sein, das er meint." Aber weil es ein anderes ist, als was er zu meinen meint, so meint er Falsches. Dieser Erkl rungsversuch ist sachlich vom vorhergehenden nicht unterschieden. Denn logisch genommen ist eben έτερον nichts anderes als das μη Sv; dieser Zusammenhang, ist nur hier noch nicht erkannt. Daher der Anschein einer ganz neuen These. Die ψευδής, δόξα w re hiernach ein άλλοδοξεΐν oder έτεροδοξεΐν (i8gD, 190E). Begreiflicherweise mu . sich nun hieran die gleiche Schwierigkeit zeigen. Es wird sofort wieder der Fehler

Das ετεροδοξεΐν

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gemacht, da dasjenige, was von der Meinung gelten sollte, aufs Denken bertragen wird (άνταλλαξάμενος τη διάνοια . . oder έτερον n ως έτερον κάί μη ως εκείνο τη διάνοια τί&εσ&αι; gleich darauf hei t es zweimal διανοεϊσ&αι). Nun wird die διάνοια beschrieben als Gespr ch der Seele mit sich selbst. Ihre Leistungen sind Bejahung und Verneinung. Wenn man also Falsches meint, so sagt man zu sich selbst, da etwas ein „anderes" sei. Das ist es aber gerade, was im „Denken" nicht vorkommt. Das Denken operiert nur mit identischen Begriffen, ihm kann nicht das eine zum anderen werden. So hei t es (190 C): ονκονν ει το λέγειν προς εαυτόν δοξάζειν εστίν, ουδείς αμφότερα γε λέγων και δοξάζων και εφαπτόμενος άμφοΐν τη ψυχή εΐποι αν και δοξάσειεν, ως το έτερον έτερον εστίν. Das ist es eben: wenn das „Sprechen zu sich selbst", also das διανοεΐσοακ, und das δοξάζειν ein und dasselbe sind, so kommt es freilich so heraus, da der Vertausch des Inhalts in der δόξα unm glich wird. Es kann eben die ernste Meinung nicht sein, da sie dasselbe sind. Sie m ssen Grundverschiedenes bedeuten. Die gro e Vieldeutigkeit der δόξα l t es auf einen Augenblick vergessen, da man sich aus ihrem eigenen Problemgebiet hinwegbegeben hat in das des Denkens. Gegen Ende dieser Untersuchung (190 D E) gehen die Bedeutungen der δόξα derartig durcheinander, da es ganz verwirrend wirkt: im άλλοδοξεΐν, wie es in der These stand, bedeutete es „Meinen", in der Widerlegung wird es zum „Urteil". So stimmt der έλεγχος nat rlich nicht. Aber der Fehler ist durchsichtig genug; so wird bei aller Resultatlosigkeit die angestrebte L sung der Frage vorbereitet. — Eine direkte Erg nzung hierzu gibt der „Euthydem". Es ist zum Teil dasselbe, was wir hier sehen, zum Teil zeigt sich das Problem in anderer Fassung. Die Argumentation wird hier direkt von sophistischer Seite gef hrt und zeigt daher die sonderbarsten Gedankenspr nge und Absurdit ten. Wir heben nur einige wesentliche Punkte hervor. Interessant ist es, wie der Ausgangspunkt gegen den „The tet" verschoben ist. Es handelt sich hier anfangs nicht nur um die ψευδής δόξα, sondern um die „falsche Aussage", oder das ψευδός berhaupt. Der erste Teil des έλεγχος hat daher hier eine gewisse Berechtigung, n mlich sofern das λέγειν pr gnant als λόγος verstanden wird. Das freilich ahnt der argumentierende Sophist nicht entfernt. Deswegen gibt er seinen Vorteil alsbald wieder preis, indem er vom λέγειν auf das δοξάζειν berspringt und nun an diesem genau dasselbe wie an jenem durchf hren will. C o h e n und N at or p, Philosophische Arbeiten III

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Die „falsche Aussage" im Euthydem

Die Streitfrage wird ganz unvermittelt aufgeworfen: „Ist das ψεύδεσ&αι berhaupt m glich?" (283E) „Ja beim Zeus", antwortet der Gefragte, „wenn anders ich nicht von Sinnen bin!" So sicher erscheint ihm das Faktum des Irrtums. Aber die Konsequenzen lassen ihn bald bedenklich werden. Denn in dem ψενδεσ&αι mu notwendig ein Gegenstand enthalten sein, ber den die Aussage stattfindet. Alle Aussage mu ja „ ber etwas" stattfinden. Dieses Etwas aber kann nichts bedeuten als ein Sein. Wer so etwas sagt, der sagt also das Sein (ο εκείνο λέγων το δν λέγει). Wenn er aber ein Sein sagt, so sagt er Wahres und nicht Falsches. Wie also kann es da zum ψεύδεσΰαι kommen? Der Falsches Sagende m te ja doch notwendig ein Nichtsein sagen! Worin anders sollte wohl die Falschheit bestehen? Ein Nichtsein zu sagen aber ist unm glich, denn alles Sagen -sagt ein Sein und nicht ein Nichtsein. Das Nichtsein ist in jeder Hinsicht Nichtsein, und nicht Sein (ονδαμοΰ τα γε μη οντά δντα εστίν, 2846^; d. h. es ist eben gar nicht. Derjenige aber, der da behauptete, Falsches sagen zu k nnen, w rde ebendamit behaupten, „Nichtseiendes sei" (ώστε καΐ είναι ποιήσειεν αν ... τα μηδαμοΰ δντα). — Besonders klaffend wird der Widerspruch, wenn man die T tigkeit im Aussagen noch mehr betont. Wie kann man t tig sein (πράττειν) und doch zugleich „nichts tun" (ουδέν πράττειν) ? Wie also kann man Falsches sagen? Denn das Sagen ist ein πράττειν, das Falsche aber ein Nichts (ουδέν). Es m te denn eine Bet tigung im Nichtstun m glich sein. Es spricht somit niemand Falsches; d. h. alles ist wahr - - und wenn es noch so sehr widersprechend ist. Das ist es, was so ungereimt dasteht, da man „von Sinnen zu sein" meint, wenn man es sich blo vorstellt. Vom λέγειν wird die Frage nun auf das δοξάζειν bertragen. Aber man entgeht der Schwierigkeit auch so nicht, solange man den eigent mlichen, logischen Unterschied dieser beiden Bewu tseinsstufen nicht erfa t hat. Das δοξάζειν ist schlie lich auch eine Bet tigung, die ebenso wie das λέγειν ihren Gegenstand, ihr Seiendes fordert. Es m te denn m glich sein, da dasselbe zugleich „ist und nicht ist". Das geht wider den Satz des Widerspruchs, der einige Seiten weiter klar formuliert dasteht: . . τούτο αδύνατον έατι το αύτδ είναι τε και μη (293 D). Der „Euthydem" ist eben noch sehr weit von einer L sung des Problems entfernt. Es stehen nur die beiden Alternativen als einzige M glichkeiten da: entweder alles — auch das Falsche — ist wahr, oder das Widersprechende mu sich vereinigen

Aufnahme des Problems im „Sophisten"

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lassen, das Nichtsein mu zugleich „sein". Und gerade diese beiden M glichkeiten erweisen sich hier als Unm glichkeiten. — Da die zweite von ihnen einen Eunkt enth lt, an den sich sehr wohl ankn pfen lie e, bemerkt die sehr sophistische Beweisf hrung hier noch gar nicht, obgleich terminologisch die Fassung so ist, da er leicht zu entdecken w re. In dem ψενδεσ&αι wurde ja zun chst nur ein μη δν gefunden. Unmerklich wird gleich darauf dieses μη δν mit einem ονδέν vertauscht (2846). Das scheint freilich nahe genug zu liegen. Indessen h ngt die Unsinnigkeit des Resultats nur an dem ουδέν und keineswegs an dem μη δν — oder vielmehr an dem letzteren nur, sofern es mit dem ουδέν identisch gesetzt wird. An dieser Gleichsetzung sollte man also doch ganz zuerst irre werden! Vielleicht ist das μη δν gar kein ονδένϊ Aber das ist eben die Eigent mlichkeit der sophistischen Argumentation, da sie die Feinheit der Begriffsunterschiede zu verwischen trachtet, daher mu te die Platonische Dialektik sich, um das Problem rein zu erfassen, erst noch tiefer auf sich selbst besinnen. Nur so konnte sie ihre eigene Methodik der eristischen entgegenstellen. Darum auch wird der „Sophist" gleichzeitig dem Problem des μη δν und dem der dialektischen Methode gewidmet. Wir werden an seiner Hand sogleich sehen, wie tief diese beiden Probleme zusammengeh ren. Dieselbe Aporie, die hier berall zugrunde liegt, finden wir auch im „Sophisten" an der Stelle wieder, wo sich das einleitende Gespr ch zur eigentlichen Fragestellung zuspitzt: όπως γαρ είπόντα χρη ψευδή λέγειν Γ] δοξάζειν όντως είναι και τοντο φΰεγξάμενον εναντιολογία μη σννέχεσϋαι, τοντο παντάπασιν.. . χαλεπόν (23 E). Mit diesen Worten wird das alte Problem der 'ψευδής δόξα aufgenommen. Es tritt in die Untersuchung pl tzlich und fast unvorbereitet ein, ohne da wir gesehen h tten, wie es sich heraussch lte, w hrend der ganze erste Teil des Dialogs in lang ausgesponnener, erm dender Begriffsspaltung — einem mehr schematischen als eindringenden Verfahren — den Sophisten zu definieren sucht. Der Ernst, die eigentliche Forschung, soll erst jetzt beginnen. Schon aus dieser unerwarteten Vertiefung des Gespr ches darf man schlie en, da Plato hier auf Gedanken zur ckgreift, die er fr her entwickelt hat. Offenbar hat er in erster Linie das im „The tet" Gesagte im Sinne, zumal das Problem dort doch zu keiner abschlie enden L sung kommt. Er sagt es auch deutlich genug in der unmittelbar 7*

ΙΟΟ

Verh ltnis zum „The tet"

vorhergehenden Bemerkung, da die Frage, wie etwas scheinen k nne und gleichwohl nicht sein, „sowohl schon fr her als auch jetzt" voller Unklarheit gewesen sei. Das Problem ist durch mehrere Dialoge gegangen, ohne wesentlich gef rdert zu werden. Nun soll es endlich an der Wurzel gefa t werden. Worin steckt eigentlich die Gr e der Schwierigkeit an der ψευδής δόξα} Offenbar in nichts anderem als jenem unvermeidlichen R ckgang von Wahr und Falsch auf Sein und Nichtsein. Der „Sophist" vollzieht diesen R ckgang ohne weiteres, wie etwas Selbstverst ndliches. Damit erst kommt es zur eigentlichen Fragestellung. Hinter der aufgeworfenen Frage steckt eben eine andere, tiefere: soll es eine ψευδής δόξα geben, so mu es auch ein Nichtsein geben. Denn das ist eben das Wunderbare, die ψευδής δόξα bedeutet das Sein eines Nichtseins: τετόλμηκεν δ λόγος ύπο&έο&αι το μη δ ν είναι, ψευδός γαρ ουκ άλλως εγίγνετο αν (237 A). Dieser Zusammenhang ist jetzt klar und etwas l ngst Bekanntes: Die δόξα bedeutet ein Sein, das ψευδός aber ein Nichtsein. Das ist der innere Widerspruch in der ψευδής δόξα. Dabei ist sie nicht eine Illusion. Es gibt doch falsche Aussage, falsche Vorstellung, sie ist etwas Wirkliches, ber das man sich keiner T uschung hingeben kann. Sie ist ein Problem; so viel kann ihr nicht abgestritten werden. Das hei t aber nichts anderes, als da es wirklich ein Sein des Nichtseins geben m sse. Der Sache nach waren wir beim „The tet" dieser Formulierung schon ganz nah. Dort war der Gedanke nahegelegt, die δόξα m sse sich bestimmen lassen, wenn sich Wissen und Nichtwissen vereinigen lie en. Diese Vereinigung aber k nnte nicht so gedacht werden, da sich gleichzeitig beide auf den gleichen Gegenstand bez gen, sondern nur als die Beziehung des Wissens auf das Nichtwissen. Das w rde das Wissen eines Nichtwissens bedeuten. So entspr che es dem, wie die δόξα h ufig (im „Symposion", „Republik" u. a.) als μεταξύ von Wissen und Nichtwissen bezeichnet wird, ihr Gegenstand aber, das Werdende, als μεταξύ von Sein und Nichtsein. Der bergang von Wissen und Nichtwissen auf Sein und Nichtsein ist nur die endg ltige Verlegung des Nachdrucks vom Bewu tseinszustande auf den logischen Gehalt. Es ist die Vereinigung des Problems zur logischen Grundfrage. So involviert mit Recht das Wissen des Nichtwissens das Sein des Nichtseins. Das letztere finden wir aber erst hier im „Sophisten" wirklich deutlich formuliert: το μη ov είναι, das ist die logische Grundfrage. — In jenen

Aporien des Nichtseins

ιοί

fr heren Dialogen tauchte eine derartige Frage immer nur zuletzt, gleichsam als u erste Absurdit t auf, an der alle weitere Durchf hrung scheitern mu te. Hier sehen wir sie zum erstenmal zur Hauptfrage, zur Ausgangsfrage gemacht. Der „Sophist" beginnt erst dort, wo der The tet aufh rt. Was hei t nun das: Sein des Nichtseins? Sp ren wir der Frage nach, so ergibt sich eine ganze Reihe von Aporien. Es scheint einfach unm glich, das Nichtsein als Sein zu fassen. Wie kann man Widersprechendes voneinander aussagen? Sein und Nichtsein sind aber doch der Urtypus des Widerspruchs! Das hatte Parmenides „der Gro e" gelehrt: Nichtseiendes ist unter allen Umst nden nicht. Es gibt keine Vermittlung zwischen ihm und dem Sein, keine Aussage des einen vom anderen. Denn Denken ist Sein. Was gedacht wird, ist. Also kann das Nichtsein nicht gedacht werden. Das ist es, was in den zwei von Plato hier zitierten Versen des Eleaten gesagt werden soll, und warum der letztere es nicht scheut, eindringlich vor diesem Irrwege der Forschung zu warnen: ov γαρ μη ποτέ τούτο δαμ{] είναι μη έόντα, αλλά ου τήσδ' αφ' δδον διζήσιος είργε νόημα.

Wie ernst seine Worte zu nehmen sind, soll aus der Untersuchung selbst noch einleuchtend gemacht werden. Aber nur um so mehr dr ngt sich die Frage auf: wohin ist das Nichtsein als Begriff einzugliedern (ποΐ χρή τοννομ έπιφέρειν τούτο το μη δν; 237 Q? Was bedeutet es eigentlich? Hiermit wird die Reihe der Aporien er ffnet, die dem μη δν anhaften. Es ist klar, ^venn man das Nichtsein nicht auf das Sein „beziehen", d. h. von ihm aussagen kann, so kann man es auch nicht von dem rt/einem „Etwas" aussagen. Denn als ein Etwas wird immer nur ein Sein gedacht. Da das Nichtsein also ganz getrennt von allem Sein dasteht (γνμνόν και απηρημωμένον από των όντων απάντων, 237D), wie ist es da m glich, da es berhaupt ausgesprochen wurde? Dieses wird noch deutlicher durch die berlegung, da in einem gewissen „Etwas" (τι, τινέ, τινές) schon immer ein in einer gewissen Zahl Bestimmtes gedacht wird. Damit ist es aber schon ausgeschlossen, da das μη δν einem oder vielem zukomme; die Zahl ist ein Seiendes und kommt nur dem Seienden zu. Wer aber ein μη τι, ein „Nicht-etwas" aussagen wollte, der kann, da er ihm gar keine Bestimmung beilegen kann, nicht einmal das Nichts aussagen, sondern er sagt berhaupt nicht aus (οϊ>δε λέγειν φατέον, 237E).

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Das μη 5» als άδιανόητον

berhaupt kann weder die Zahl noch sonst etwas, was dem Sein angeh rt, dem Nichtsein zukommen. Wie aber sollte man es berhaupt fassen au erhalb der Zahl (χωρίς άρι&μον)ϊ Damit scheint die Aporie vollkommen zu sein. Allein es zeigt sich, sie ist noch weiter zu f hren; sie soll sich erst zur eigentlichen „Prinzipienfrage" (περί αυτήν ... την αρχήν) vertiefen. Das wird so versucht: dem Seienden l t sich ein „anderes Seiendes" hinzuf gen, d. h. als Pr dikat beilegen (τφ μεν δντι που προσγένοιτ' αν τι των όντων έτερον, 2$8Α). Aber l t es sich etwa dem Nichtseienden ebenso hinzuf gen? Offenbar nicht. Es kann ja ihm gegen ber nicht als „anderes Seiendes" gefa t werden. Das m te es aber, um von ihm ausgesagt zu werden. Gerade „sein" kann das Nichtseiende eben nicht. Sollte von ihm etwas ausgesagt werden, so m te es eben damit schon „sein". Denn Aussagen ist Denken, und Denken ist Sein. Ein Nichtsein kann weder gedacht noch gesagt werden. Es ist logisch in keiner Weise bestimmbar; die Bestimmungen, die das Denken ergeben kann, sind an ihm nur zu verneinen. Es ist interessant, wie buchst blich dieses an den Pr dikaten demonstriert wird, die nun dem Nichtsein beigelegt werden: άδιανόητον καΐ άρρητον καΐ αφ&εγκτον καΐ αλογον (238C). Von Rechts wegen darf man diese Negationen auch nicht einmal als Pr dikate auffassen. Denn dann w rden sie als Begrenzendes f r ein zu findendes Positives dastehen. Aber davon ist noch nicht die Rede. Sie bedeuten vielmehr die Unm glichkeit aller Pr dikation. Denn es handelt sich hier noch durchaus um das absolute Nichtsein des Parmenides, und dieses ist nur das Nichts der Vernichtung. In der Tat erweisen sich denn die angef hrten Negationen in der Folge als unzutreffend f r das richtig verstandene μη δν. Nun wird der ganzen Aporie die Krone aufgesetzt, indem der Widerleger des μη δν sie gegen sich selbst gerichtet sieht. Auch er selbst „spricht" ja von dem Nichtsein und nennt es dabei als „eines". Es scheint also doch, da er es auch irgendwie denkt. Nach dem Vorhergehenden ist aber beides gleich unm glich. Also trifft denjenigen, der das μη δν widerlegen will, genau derselbe Vorwurf wie den, der es verteidigen wollte. Man kann es ebensowenig widerlegen als beweisen. Es kann berhaupt nicht genannt werden: δεΐν μηδέ το παράπαν αυτό καλεΐν (239 A). Es ist so sehr ein Nichts, da sich die Pr dikate von ihm nicht einmal negieren lassen. — Man erwartet nun vielleicht schon hier eine Wendung ins Positive. Diese l ge jetzt freilich nah: was man nicht widerlegen kann,

Aporie des εϊδωλον

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m te doch wohl unwiderleglich sein; d. h. da es einmal als bek mpfte These dasteht, so mu sich in ihm so oder so ein Sinn finden lassen. Widrigenfalls mu die Widerlegung m glich sein. Aber Plato enth lt sich hier noch aller positiven Andeutungen. Er fa t die Aporie in streng prop deutischem Sinne. Sie hat nur vorzuarbeiten, nur negativ zu sein. Wenn die Fassung trotzdem so ist, da dem Leser eine Ahnung des Positiven aufsteigen mu , so ist das nat rlich etwas anderes und gewi nicht unbeabsichtigt. Eine andere Aporie f hrt hier einen Schritt weiter. Der Sophist wurde als ειδωλοποιός bezeichnet. Das bringt die Frage mit sich: was ist ein ειδαίλον? An den Schein der Spiegelbilder kann nicht gedacht werden, es handelt sich um den Schein im Denken, um das gedachte Abbild, το εκ των λόγων (εϊδωλον). Und auch nicht das einzelne Abbild kann in Frage stehen; es ist der Begriff des Bildes, der gesucht wird: το δια πάντων τούτων . . . εϊδωλον επί πάσιν ως $ν δν (240 A). Der Definitionsversuch wird nun auf folgende Weise angestellt: das εϊδωλον sei ein „dem Wahren hnlich gebildetes anderes Derartiges" (το προς τάλη&ινόν άφωμοιωμένον ϋτερον τοιούτον). Aber ist dieses ,,Andere" denn selbst ein Wahres, ein Wirkliches? Offenbar nicht, sonst w re es ja identisch mit dem Urbilde und also kein „Abbild". Es „ hnelt" ihm vielmehr nur (ουδαμώς άλη&ινόν γε αλλ" έοικός μεν, 240 Bj. Sofern es aber nicht wahr ist, mu es wohl dem Wahren entgegengesetzt sein, es mu eine derartige Beziehung einschlie en, in der es Gegensatz zum Wahren ist. Und diese Beziehung mu den Seinswert betreffen. Nun geht das Wahre immer auf ein δντως v zur ck. Soll also das έοικός kein όντως δν enthalten? Sollte es nicht selbst auch etwas in Wahrheit sein? — Auf irgendeine Weise berhaupt „sein" mu es schlie lich doch, sonst k nnte es auch kein έοικός sein (εστί γε μην πως). Und dieses, was es ist, mu es notwendig „wahrhaft" sein. Kann es- also selbst kein δντως δν sein, so kann es doch in Wahrheit ein Abbild (δντως εΐκών) eines solchen sein. Hiermit ist das Problem des Nichtseins schon bedeutend sch rfer fixiert. Es scheint n mlich in der Tat — was auf den ersten Blick so „ganz ungereimt" aussah — eine Verflechtung zwischen Sein und Nichtsein stattzufinden (κινδυνεύει τοιάύτην τινά πεπλέχ&αι συμπλοκών το μη δν τω δντι, και μόλα δ,τοπον). Denn in dem „Bilde" war eben das μη δν gedacht als das „keineswegs Wahre", sondern blo „ hnliche". Das hei t aber nichts

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Forderung der συμπλοκή

anderes als zugeben, das Nichtsein „sei" doch gewisserma en (το μη δν . . . δμολογέΐν είναι πως, 240 C). Es mu ihm in irgendeinem Sinne das Sein zukommen. Das ist dasselbe, was auch die „falsche Aussage" notwendig macht. In dieser wird entweder gesagt, da ein Seiendes nicht sei, oder da ein Nichtseiendes sei (241 A). Soll es also berhaupt falsche Aussage geben und nicht alles wahr sein, so scheint das zu bedeuten, da man dem Nichtsein das Sein „ankn pfen" oder „beilegen" mu , wie der neue Ausdruck daf r hei t (τω μη δντι το δν προσάπτειν, 241 B). D. h. es mu die Urteilsverkn pfung beider, die Aussage des Seins vom Nichtsein selbst m glich gemacht werden. Damit schlie en die Aporien des Nichtseins. An eine L sung der Frage ist von hier aus noch nicht zu denken. Aber f r das Problem ist doch gewisserma en ein positiver Dienst geleistet: es ist die erste Andeutung zu einem Wege erbracht, auf dem sich das Problem weiter verfolgen l t. Dadurch ist dieses selbst klarer geworden. Der Fortschritt liegt nur in einigen wenigen Formulierungen, die gleichsam zuf llig im Gespr ch auftauchen. Es soll eine συμπλοκή zwischen Sein und Nichtsein gedacht werden, eine Verflechtung, ein Ineinandergreifen. Ein weiterer Ausdruck sagt auch, wie dieses geschehen soll: das Sein soll dem Nichtsein „angekn pft" oder „beigelegt" werden. Das lag in dem προσάπτειν. Eigent mlich ist es, da in diesen Formulierungen schon fast ganz abgesehen wird von der Undenkbarkeit des Nichtseins; wie es ja auch wiederholt gesagt wird, da alle Versuche, es zu begreifen, zu einem Widerspruch mit dem Vorhergesagten f hren. Das Nichtsein beginnt schon sich seiner sp teren Fassung als einer dem Sein koordinierten Leistung des Denkens zu n hern, wiewohl die bisher erbrachten Resultate hierzu noch keineswegs Berechtigung geben. Man sp rt es, wie eine solche Fassung sich vorbereitet, wie das konsequente Denken, der Spur des Problems folgend, ihr auf die Dauer nicht entrinnen kann. Die positive Wendung erh lt diese Anbahnung des neuen Gedankens in dem Ausdruck, der uns schon zweimal begegnete, dem έτερον. Das „andere Seiende" wurde (238 A) als etwas gedacht, was sich an ein Seiendes „anschlie t"1. Der „An*) Denn das ist die direkte Bedeutung von προσγίγνεσ&αι, in der es freilich zuletzt auf ein „Zukommen" oder „Ausgesagtwerden" herauskommt; wir wollen den Ausdruck nicht sogleich nivellieren, die urspr ngliche Bedeutung ist plastischer, pa t auch durchaus auf den „Anschlu " des Pr dikats an das Subjekt im Urteil.

Resultat der Nichtseinsaporien

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schlu " aber ist nur m glich zwischen zwei Verschiedenen. Eines in seiner Sichselbstgleichheit kann sich an sich selbst nicht anschlie en; es w rde mit sich selbst zusammenfallen. Die logische Form dieses Anschlie ens ist das Urteil. Gerade dieses verlangt die Unterschiedenheit zweier. Das έτερον 6ν ist n tig um des ov selbst willen. Wenn nun weiter von einer συμπλοκή zwischen Sein und Nichtsein die Rede war, so ist diese wohl nur m glich, sofern das μη δν als ein έτερον Sv zu dem ov tritt, und so mit ihm die Gemeinschaft des Urteils eingeht. Dieses wird nicht ausgesprochen, und es w re falsch, diesen Gedanken schon hier in diese Stelle hineininterpretieren zu wollen; das hie e die L sung des Problems antezipieren. Es kann sich hier nur um Andeutungen handeln, in welcher Richtung die L sung zu suchen ist. Und da sich das έτερον wirklich als Andeutung betrachten l t, wird am deutlichsten daraus, da auch die zweite Form der Aporie, die Plato in der Unbegreiflichkeit des εΐδωλον zeichnet, auf ein έτερον hinausgef hrt wird. Und zwar geschieht das hier in noch positiverer Weise als bei der ersten Aporie, indem Plato nicht einfach έτερον sagt, sondern έτερον τοιούτον. Hier sieht man schon ziemlich deutlich, es mu seine Richtigkeit damit haben, da das Nichtsein auch irgendwie „ist" (240 E). Denn das εΐδωλον bedeutete ein μη δν. , Soll nun dieses ein έτερον τοιούτον sein, so mu das έτερον, als das Ablehnende, dem μη, das τοιούτον aber, als das Hinweisende, dem ov entsprechen; wie denn in dem τοιούτον deutlich das τι steckt, und wir sahen schon, wie dieses nichts anderes als ein ov zu bedeuten hat (2370). Es mu also wohl — wenn anders sich die Aporie l sen soll — darauf herauskommen, da das μη ov ein έτερον δν bedeutet. So viel kann der aufmerksame Leser diesen Aporien entnehmen. Aber wie das herauskommt, liegt noch im Dunkel. So liegt in dieser scheinbar erfolglosen Entwickelung der im Nichtsein steckenden Schwierigkeiten in der Tat die Andeutung einer M glichkeit, das Nichtsein als Sein zu verstehen. Und so wird denn mit dem Satz des Parmenides gebrochen, welcher sagte, das Nichtseiende k nne auf keine Weise sein (241 D). Die Undenkbarkeit des Nichtseins, obgleich sie noch nicht gehoben ist, wird preisgegeben. Damit tritt das Problem in ein neues Stadium ein. Es ist auf dem Punkt, sich ins Positive zu kehren. Die Untersuchung geht aber nicht gradlinig vorw rts, sondern macht einen Umweg ber das Sein, der die falsche Einseitigkeit abwehren soll, als w re das Sein selbst

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Aporien des Seins

schon bestimmt und klar, als brauchte man nur von ihm auszugehen, um das Nichtsein zu fassen. — In der Tat liegt hier nun eine neue gro e Schwierigkeit: das Sein f r sich genommen ist durchaus nicht klarer als das Nichtsein. Es ist noch gar nicht recht zum Problem geworden. Bei keinem der Vorsokratiker ist der Seinsbegriff klar geworden, so sehr auch ein jeder von ihnen von einem Sein spricht, oder es doch zum Ausgangspunkt seiner Lehre macht. Sie erz hlen davon harmlos, keine Schwierigkeit ahnend, „wie man Kindern Mythen erz hlt" (242 C). Das gilt nicht nur von den alten loniern und Empedokles (Σικελικαί τίνες Μονααι), von denen die ersteren das Sein in getrennten Prinzipien dastehen lassen, der letztere es aber durch εχ&ρα und φιλία sich mischen und wieder entmischen l t; es gilt auch von den Eleaten, die doch die Einheit des Seins aufrichteten. Freilich darf man die „ber hmten Altvordern" der Philosophie daf r nicht tadeln, da sie sich so wenig darum sorgten, ob wir ihnen auch w rden zustimmen k nnen. Denn es ist die Eigenart solcher Probleme wie Sein und Nichtsein, sowie schlie lich aller letzten Grundfragen — da sie ganz klar und durchsichtig erscheinen, solange man sich die Konsequenzen aus ihnen nicht vergegenw rtigt; wenn diese dagegen erst einmal aufgedeckt sind, so geht einem an ihnen das Ungeheuerliche der Schwierigkeiten auf, die darin liegen. Das ist es etwa, was in dem Gest ndnis des den Dialog f hrenden Gastes aus Elea sich ausspricht: in seiner Jugend habe er das Nichtsein ganz klar zu verstehen gemeint, nun aber sei die Aporie, in die es ihn gebracht, gro (243 B). So kann man sich auch nicht wundern, da die Naturphilosophen uns ber vieles belehrt haben, ber das Gr te und Wichtigste aber nicht, was das Sein selbst sei. Plato richtet nun — zum erstenmal in der Geschichte des philosophischen Denkens — die Frage auf den Begriff des Seins selbst. Dazu geht er von den Versuchen der lteren Philosophie aus; ihre Fehler sollen vermieden werden, dazu m ssen sie zuerst erkannt sein. Einige Philosophen haben zwei Prinzipien nebeneinander, z. B. das Warme und Kalte, als das Seiende bezeichnet. Was hie nun aber dieses Sein, das sie beiden, dem Warmen wie dem Kalten, anh ngten? τι τούτο εη αμφοίν φ&έγγεσ&ε λέγοντες αμφότερα καΐ Ικάτερον είναι; τί το είναι τοϋτο νπολάβωμεν νμών; (243Ε). Ιη der Tat, was soll man von diesem Sein denken? Ist es ein drittes Prinzip, das zu den genannten zweien noch hinzutritt? Dann w ren es ja aber ihrer nicht mehr zwei, sondern

Das Sein im «v der Eleaten

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drei. Ferner, sollten nicht beide, das Warme wie das Kalte, gleicherweise „sein"? Sagen wir aber von beiden, sei es einzeln oder zusammen, das Sein aus, m ssen sie da nicht auch ein Sein und also „Eins" sein? In beiden F llen w ren es nicht mehr zwei. Das gilt f r alle Versuche, das Sein in zwei oder mehr Prinzipien zu fassen, bevor es definiert ist, was „Sein" selbst bedeutet. Die Eleaten dagegen setzten das Weltganze als das „Eine". Dieses Eine, sagten sie, „ist" — und zwar „allein". Au er ihm „ist" nichts. Wie aber, ist das Sein nicht auch etwas? Wie steht aber dann das εν zum ov ? Sind es etwa nur zwei Namen f r ein und dasselbe, oder sind aus dem Einen — Zwei geworden (2440)? Das erstere ist unm glich. Zwei Namen darf der nicht zugeben, der behauptet, es „sei" berhaupt nur Eins. Der Begriff des Einen mu als Begriff identisch sein, also auch sein Terminus. Dagegen zu sagen, da ein Name f r sich etwas sei, hat keinen Sinn. Denn setzt man den Namen als ein von der Sache Verschiedenes, so hat man es gleich wieder mit Zweien zu tun. „Setzt man aber den Namen als identisch mit ihr, so wird man entweder gen tigt zu sagen, er sei der Name von nichts; oder wenn er Name von etwas sein soll, so kommt es heraus, da er der Name eines Namens ist, und sonst von nichts" — was beides gleich sinnlos ist. — Aber noch Schlimmeres begegnet dem εν der Eleaten. Parmenides sagt ausdr cklich, es solle ein „Ganzes" (δλον) sein. Damit mu es ja Mitte und Ende haben. Das wahre Eine darf aber keine Teile haben; sonst ist es Vieles und nicht Eines (245 A B). Soll man also deswegen sagen, das δν sei kein δλονί Dann aber sinkt es selbst zum Teil herab, denn was kein Ganzes ist, ist Teil. Zudem, wenn das δν kein δλον ist, dieses aber gleichwohl „ist", so kommt es heraus, da das δν seiner selbst verlustig geht und zum ονκ δν wird (245 C). Das ist aber ein offener Widersinn. — Diese Zerst ckelung des „Einen" r hrt nun daher, da das δν und das δλον getrennt voneinander gesetzt werden (τον τε δντος καΐ τον δλον χωρίς Ιδίαν έκατέρον φύοιν είληφότος, 245 Q. Das von vornherein in ihnen mitgedachte χωρίς ist es, was diese beiden f reinander so unentbehrlichen Begriffe miteinander in Konflikt geraten l t. Und schl gt man nun den Ausweg ein, das δλον ganz zu streichen, so steht es mit dem ov deswegen um nichts besser: es kann dann nicht nur nicht sein sondern nicht einmal entstehen. Denn alles Entstehende entsteht als δλον. — So steht es mit dem Sein der Eleaten.

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Zeitgen ssische Schulen

Gleichwohl ist die vorgef hrte Aporie nur ein Beispiel; andere unz hlige k nnten noch hervorgehoben werden. Die Seinsbestimmung, das ο τι ποτ εστίν des Seins ist also keineswegs leichter zu geben als die des Nichtseins (246 A). Aber auch die Zeitgenossen Platos kommen vor dem Richterstuhl der Seinskritik nicht besser weg. Es werden zwei entgegengesetzte Richtungen vorgef hrt, die miteinander im Streit liegen. Die einen ziehen das Sein aus dem Himmel seiner Unsichtbarkeit herab auf die Erde und verlegen es in die Einzeldinge, indem sie „K rper" und „Sein" als ein und dasselbe definieren (ταντόν σώμα και ονσίαν οριζόμενοι, 246A). Diese Schule, die also einen platten Materialismus vertritt, wird als besonders unduldsam und einseitig geschildert: „sie verachten die anderen alle, die dem K rperlosen das Sein zusprechen" — ουδέν άλλο ε&έλοντες άκούειν. Mit rohen Mitteln — gleich Giganten — ringen sie um das Sein. Ihnen entgegen aber stehen andere, die das Sein gerade im Entgegengesetzten suchen, n mlich in den Gattungsbegriffen (εϊδη), und nun diese „unk rperlichen Denkdinge" (νοητά αττα καΐ ασώματα) ins Feld f hren, um mit ihrer Hilfe ein k rperloses Sein zu verteidigen. Der Terminus des εΐόος bei den letzteren sowie ihre ganze Begr ndung des Seins im Denken erinnern stark an die eigene Lehre Platos — nicht freilich in jener gereinigten, streng logischen Deutung, die er selbst ihr zu geben strebte und in den sp teren Dialogen in der Tat gegeben hat, wohl aber an jene Auffassung, die ihr von Seiten seiner Zeitgenossen zuteil wurde. Es liegt daher wohl am n chsten, hier an solche Vertreter der Ideenlehre zu denken, die durch ihr prinzipielles Mi verstehen den Protest Platos herausgefordert hatten. Vielleicht sind es sogar die eigenen J nger Platos, Sch ler der Akademie, die hier als Gegner der materialistischen Sokratiker hingestellt werden, in Wirklichkeit aber nicht weniger Platos eigene Gegner sind, weil sie etwas ebenso Falsches und Angreifbares verfechten wie jene selbst. Jedenfalls auch sind es dieselben, gegen die sich Plato in hnlicher Weise im „Parmenides" verwahrt, gegen die zu k mpfen er in seinen sp teren Jahren nicht m de wurde, mit denen verwechselt zu werden er ber alles f rchtet, weil es ja die mi verstandene Ideenlehre ist, die jene so hartn ckig festhalten.1 Nun soll „Rechenschaft gefordert werden" (λόγον J

) Einige Platoforscher (so Bonitz) haben in den είδων φίλοι die megarische Schule sehen wollen. Gegen diese Ansicht ist einzuwenden, da nach den wenigen uns erhaltenen Zeugnissen Platos Schil-

Die Materialisten

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λάβωμεν) von beiden Parteilagern (2460). Bei beiden wird sich die gleiche Unhaltbarkeit herausstellen. Zun chst kommen die Materialisten daran. Das K rperliche gilt ihnen als Sein. Sofern es aber lebendige K rper gibt, m ssen diese als beseelt gedacht sein. Die Seele mu doch aber ein Seiendes sein. Denn die Seele kann gerecht, ungerecht, klug, unklug usw. sein. Gerecht aber wird sie durch das Hinzutreten der Gerechtigkeit. Aber dasjenige, was zu etwas hinzutreten oder von ihm weggenommen werden kann, „ist" doch schon etwas (το γε δυνατόν τφ παραγίγνεσ'&αι και άπογίγνεο'&αι πάντως είναι τι φήσομεν). Somit „ist" die Gerechtigkeit schon kraft der „M glichkeit", von der Seele ausgesagt zu werden oder ihr abgesprochen zu werden. „Ist" aber die Gerechtigkeit, wieviel mehr mu da erst die Seele „sein", der sie als Pr dikat zukommen soll. Also gibt es doch noch eine zweite Art Sein — au er dem des K rpers! Und hilft man sich etwa so, da man die Seele auch als stofflich denkt, so versagt doch dieser Notbehelf bei den Pr dikaten der Seele, Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit usw. Man m te sich ja „sch men" zu behaupten, auch diese w re stofflich. — Der Einwand ist einleuchtend genug: wie kann das K rperliche auch nur einen einzigen „Begriff' enstehen lassen? Und doch sind die Begriffe das Unabweisbarste, das der Philosophie zun chst Liegende. Denn diese ist durch und durch Begriff. Die ethischen Pr dikationen sind nur ein Beispiel; an jedem beliebigen „Begriff" erg be sich das gleiche: er ist aus dem Sinnlich-Dingderung jedenfalls nicht auf die Lehre Euklids zutrifft; denn diese war durchaus eleatisch und kannte nur ein Seiendes, also keine είδη. Im brigen sind uns die Lehren der Megariker so gut wie gar nicht bekannt. Freilich, wenn man der Ideenlehre Platos diejenige Auffassung zugrunde legt, die Aristoteles von ihr hatte und die er so eifrig bek mpfte, so ist es nicht gut m glich anzunehmen, Plato habe hier das Mi verstehen seiner eigenen Seinslehre blo stellen wollen; denn dann h tte er sich mit dieser Kritik ins eigene Fleisch geschnitten, indem gerade seine eigene Lehre sich am meisten das zuschulden kommen lie e, was hier so energisch abgewehrt wird. Und dann freilich d rfte es schwer halten, den είδων φίλοι ihren Platz anzuweisen. Gibt man aber die Aristotelische Autorit t preis und beurteilt die Ideenlehre nur aus Platos eigenen Worten, so erscheint die andere Ansicht als die bei weitem n her liegende. Denn da Plato mit Mi verst ndnissen der vorliegenden Art fortw hrend zu k mpfen hatte, wissen wir genugsam. Da an unserer Stelle zugleich ein Hieb gegen eine zeitgen ssische Schule gef hlt sein k nne, mag dabei immerhin m glich bleiben. Nur d rfte es schwer sein, diese irgendwie n her anzugeben.

Ι ΙΟ

Die είδ&ν φίλοι

lichen nicht zu verstehen — und doch hat er den Anspruch auf Sein. Gibt nun def Materialist nur „ein wenig" unk rperliches Sein zu, so ger t er sogleich in ein unentwirrbares Netz von Widerspr chen, sobald man ihm die alte Frage vorlegt, die auch an die Vorsokratiker gerichtet wurde: „im Hinblick" worauf darf man behaupten, da beides „sei"? Was ist das Sein im K rperlichen wie im Unk rperlichen? Ebensowenig wie jene haben auch diese hierauf etwas zu antworten. Plato mu ihnen seinerseits mit einem Begriffe „aushelfen" (προτείνειν), den sie zwar selbst nicht kennen, der aber von ihrem eigenen Standpunkte aus noch am ehesten das Sein definieren k nnte. Diese Aushilfe ist der Begriff der δνναμις (Kraft, F higkeit); „Sein" w re hiernach die F higkeit etwas zu bewirken oder zu erleiden (247 D E). Damit w re also wenigstens eine Definition des Seins gegeben. Ob diese richtig ist, bleibt eine andere Frage. Auch geht aus der Stelle nicht hervor, ob Plato selbst ihr zustimmt oder nicht. Allerdings ist es aus dem Zusammenhange nicht schwer zu entnehmen, da er diese Definition nicht f r eine endg ltige Bestimmung des Seins ansieht. So macht er (2460) den Materialisten zum Vorwurf, sie gingen mehr auf das Werden als auf das Sein aus, wodurch bei ihnen eine Vertauschung und Verblassung des Problems stattfinde. In der Tat entspricht nun aber auch die Definition des "Seins, die Plato mit Hilfe der δνναμις aus der Denkweise jener Philosophen zieht, weit mehr dem Werden als dem Sein. Denn die „F higkeit zu bewirken und zu erleiden", zumal wenn sie im Sinnlich-K rperlichen gedacht wird, ist eben Prinzip des Werdens. Und wir werden weiterhin sehen, wie ganz anders Platos eigene Seinsbestimmung ausf llt. — Die folgende Betrachtung zeigt nun freilich, da gerade die Begriffe des Wirkens und Leidens, sowie berhaupt Bewegung und Ver nderung ihre logische Berechtigung und also ihren bestimmten Seinswert haben. Aber sie sind nicht „das Sein" selbst. Vielmehr mu das Sein an ihnen noch etwas Eigent mliches, Gemeinsames bedeuten, welchem gegen ber sie selbst zu etwas Sekund rem herabsinken. Sonst ist der Zweiheit wiederum nicht zu entrinnen. Das Sein als solches aber will als das in sich Eine verstanden sein. Noch ernster geht er nun mit den εΙδών φίλοι ins Gericht. Hier steht seine eigene Sache auf dem Spiel; darum ist es begreiflich, wenn unter allen Richtungen des philosophischen Denkens ber das Sein keine so hart mitgenommen wird, wie diese inneren Feinde seiner Lehre, von denen er wohl ahnt,

στάαις und χΐνηαις im Sein

m

da sie imstande sind, das schlichte, gerade Verstehen der Ideenlehre bei der Mitwelt und Nachwelt zu entstellen. — Diese είδων φίλοι setzen Sein und Werden getrennt (χωρίς). Der K rper vermittle das Werden durch Sinneswahrnehmung, die Seele — das Sein durch Vernunftdenken (λογισμός). Das Sein sei unver nderlich, immer sich selbst gleich, das Werden — bald so, bald so. Was hei t es nun aber, da uns beides „vermittelt" werde, da wir „teilhaben" an beiden (το κοινωνεϊν ... έπ' άμφοΐν, 248 B) ? Da das Sein doch Gegenstand der Erkenntnis sein soll, so liegt hierin eine un berwindliche Schwierigkeit — wenigstens f r den, der das Sein χωρίς setzt. Denn hat er es einmal so gesetzt, so darf er nicht mehr annehmen, da das Sein etwas erleide oder bewirke. Wie aber sollte man dieses κοινωνέΐν wohl verstehen, es sei denn als Leiden oder Wirken? Dagegen, was isoliert dasteht (χωρίς, ηρεμούν), wie k nnte das etwas erleiden f Weder Ver nderung, noch Leben, noch Denken kann diesem Sein zukommen. Es lebt nicht, es denkt nicht, es hat „keinen Sinn"; es verharrt unbeweglich in unnahbarer Heiligkeit. Krasser kann man diesen starren Mi begriff wohl nicht blo stellen, als es die Platonische Ironie hier tut. Und es ist klar, was der Spott besagen will: nicht nur, da auf diese Weise das Sein nicht zur Definition gelangen kann, es bedeutet vielmehr das systematische Abschneiden aller Definition und damit alles Verst ndnisses des Seins, wenn man es von dem, demgegen ber es das Beharrende, Prinzipielle sein soll, zuvor nachdr cklich losl st und isoliert. Da auch Bewegung ein Sein ist, mu gegen diese falschen Verteidiger des Seins im Denken festgehalten werden, sonst k nnte „niemand in betreff eines Etwas νους (d. i. Erkenntnis) haben". Die „Bewegung" (κίνησις) ist in jenem ganz weiten Sinne gedacht, in welchem sie den Gegensatz zu der starren Unbeweglichkeit und Unnahbarkeit der είδη bildet. In bezug auf die Dinge ist es „Ver nderung" berhaupt1), in bezug auf das Logische — das ja nun mehr und mehr hervortritt — ist es jene Lebendigkeit der Begriffe, die wir hernach in der „Mischung" oder „Gemeinschaft" begr ndet finden werden. Das Sein kann bei aller notwendigen Sichselbstgleichheit nicht Unbeweglichkeit (στάσις) sein. Das l uft nicht weniger dem logischen als dem physikalischen Problem zuwider. Aber wiederum in *) In diesem Sinne wird sie auch im „Parmenides" als der gemeinsame Oberbegriff zu φορά und άλλοίωσις hingestellt (1386ff.).

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Folgen f r den Seinsbegriff

der κίνησις allein kann das Sein gleichfalls nicht liegen; auch so w ren ja die τα πάντα keine δντα mehr. „Getrennt" von der στάσις (Beharrung) sind sie genau so wenig denkbar als getrennt von der κίνησις. Ohne diese beiden gibt es keinen νους. Wer στάσις und κίνησις leugnet und dennoch ohne sie ein Sein zu „verfechten" unternimmt, der gibt Wissenschaft und Denken berhaupt preis, und daher mu er auf jede Weise bek mpft werden (2490). Der Philosoph darf hier nicht den Weg des Einseitigen gehen: weder darf ihm das Sein zur alleinigen Beharrung werden, noch das All zur alleinigen Bewegung — zum Werden. Das Sein mu ihm beides sein, beides vereinigen. Wie das durchzuf hren ist, kann nat rlich nicht so leicht gezeigt werden. Es ist vielmehr die fernere Aufgabe des Dialogs. Aber das Problem des Seins ist hier schon in seiner ganzen Weite angedeutet. Wir werden das sogleich n her zu verfolgen Gelegenheit haben.

2. B e g r i f f s b e s t i m m u n g des N i c h t s e i n s und Seins. Das Sein mu umfassend gedacht werden — allumfassend. Auch die Gegens tze m ssen noch Platz haben in ihm — nebeneinander. Das Sein darf nicht dieses oder jenes sein. Es darf nicht in einzelnen Bestimmungen definiert werden. Diese sind ihm gegen ber immer nur Beispiele, deren keines sein Wesen ersch pfen kann. Das war der Fehler aller Fr heren, die eine Definition des Seins in diesem oder jenem Seienden versucht haben. Sie haben alle nur gezeigt, wie man nicht definieren kann. Denn es gibt nichts au er dem Sein, wodurch es definiert werden k nnte; es kann nur in der Gesamtheit, in der Gegenseitigkeit dessen liegen, was es in sich umfa t. Dadurch mu alles in ihm vereinigt gedacht werden. Dieser Gedankengang ist es, der sich langsam vorbereitet. Er liegt als Andeutung fast auf jeder Seite der aporetischen Er rterung zugrunde. Gestalt gewinnen kann er aber nat rlich erst durch eine positive Bestimmung. Es ist hier nicht anders als in den fr hen Dialogen — dieselbe u erst vorsichtige Platonische Denkweise, die in erster Linie nur auf Problementwicklung bedacht ist und mit den Resultaten hinterm Berge h lt, oft genug auch sie gar nicht

Platos früherer Seinsbegriff

gibt, sondern sie bloß dem Leser zu finden überläßt. Wir stehen an dem Punkte des „Sophisten", an dem sich die Aporien, als zu Ende geführt, von selbst beschließen und in konstruktive Erörterung übergehen. Die weitere Untersuchung faßt die Begriffe, die sich herausgeschält haben, schon in reinerer. Form. Es beginnt jener Aufstieg zum Idealismus des Seins sich anzubahnen, der nur in der Klärung zum Gesichtspunkt des logisch Reinen möglich wird. An diesem Wendepunkte der Untersuchung ist es wohl angezeigt, für einen Augenblick haltzumachen und Umschau zu halten. Denn es kommt für das Weitere keineswegs nur darauf an, die vorausgegangenen positiven Andeutungen zu überblicken, sondern nicht weniger auch dasjenige heranzuziehen, was in früheren Schriften für das Sein klar geworden ist. Der Gedankenbau des „Sophisten" steht eben schon auf dem Boden früherer Untersuchungen und ist von ihnen folglich nicht zu trennen. Wenn wir im Vorhergehenden diese früheren Stadien des Problems außer acht lassen konnten, so geschah es auf Grund dessen, daß die aporetische Erörterung des „Sophisten" ausdrücklich von allem irgendwie schon positiv Vorliegenden absieht und wieder ganz von unten beginnt. Die Absicht Platos, den Anschein alles Vorgefaßten zu vermeiden, ist darin so deutlich enthalten, daß die Vorausnahme irgendeiner Seinsbestimmung demgegenüber nur störend wirken könnte. Gleichwohl ist das, was an Formulierungen dem „Sophisten" vorausliegt, in mehr als einer Hinsicht für ihn leitend und muß daher an dem Punkt in Betracht gezogen werden, wo sich die neuen, tieferen Bestimmungen anzubahnen beginnen. Die Bedeutung von , , öv steht bei Plato keineswegs fest. Die frühen Dialoge gebrauchen es meist für das Wesen des Begriffs, wie das der Sokratischen Lehre vom Begriff entsprach. Diese Schriften sind meist Definitionsversuche, die Definition aber geht dem nach. Mit der Entdeckung der Idee wird dann das für das Ideensein prägnant gemacht — im . Hier stellt sich das echte, „seiende" Sein, dem gleichsam unechten, dem Werden entgegen. Das Wahrhafte dieses Ideenseins läßt das Sein der Bedeutung „Wahrheit" überhaupt sich nähern, ja schließlich mit ihr nahezu zusammenfallen. Aber auch dem Werdenden wird das Sein nicht ganz entzogen: die & setzt das mit ihr Übereinstimmende als in Wahrheit seiend (cf. II. Teil 2. Kap.) In den späten Schriften wird dann dieser Seinsanspruch des Werdenden C o h e n und N a t o r p , Philosophische Arbeiten III

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Das Sein im Urteil

tiefer begr ndet. Neben dieser philosophisch pr gnanten Terminologie steht dann auch nicht selten die popul re Bedeutung von τα δντα und ουσία. Aber so charakteristisch diese Bedeutungen — und namentlich das Ideensein — f r Plato sind, sie ersch pfen nicht das Eigent mliche seiner Seinslehre. Sie k nnen vielmehr selbst erst ganz verstanden werden, wenn man sie aus demjenigen Gedanken heraus betrachtet, der das eigent mlich Platonische, das Neue in ihnen ist. Dieses Neue betrifft die weitere Passung des Problems, n mlich nicht nur den Seinsbegriff, sondern die ganze Korrelation von Sein und Nichtsein, also denjenigen Zug im antiken Seinsproblem, der recht eigentlich der idealistische ist. Der „The tet" mit seiner Bek mpfung des Protagoras zeigt uns diesen Gedanken in feinster Weise entwickelt — und zwar nicht nur sachlich entwickelt, auch sein historischer Ursprung ist nahegelegt. Denn auch Protagoras hatte von Sein und Nichtsein gesprochen und nicht vom Sein allein. Vielleicht war er berhaupt dem Idealismus nicht so fern, und nur der Subjektivismus hinderte ihn, das Wesentliche desselben zu erkennen. Denn das Befinden ber Sein und Nichtsein schrieb er dem Bewu tsein zu. Das bedeutet der „Mensch" als das „Ma der Dinge". Diese Seite an Protagoras ist es, die Plato in seiner Kritik nicht angreift. Was er r gt, ist immer nur das Ausgehen von der αισ&ηοις. Und dieses freilich betrifft auch das „Ma der Dinge". Denn als den Messenden nimmt Protagoras gerade den wahrnehmenden „Menschen". Wir werden es weiter unten (bei der νπόΰεσις) n her zu betrachten haben, wie und aus welchen entscheidenden Motiven Plato der Wahrnehmung diese Kompetenz entzieht und sie ins Denken verlegt. Hier kommt f r uns nur in Betracht, was sich als Konsequenz dieser fundamentalen Neuerung f r Sein und Nichtsein ergibt. Und das liegt nun nahe genug. Das „Ma " nicht als αΐσ&ησις, sondern διάνοια verstanden, mu te notwendig den Begriff des „ U r t e i l s " als des Entscheidenden, Befindenden, ergeben; wie denn Plato und die Sp teren f r μέιρον direkt κριτήριον oder κριτής setzen, was der typische Ausdruck f r das Urteil als Entscheidungsinstanz ist (so bei Plato im The t. 178 B—179 A). Der Gedanke des Sokrates, da das Sein Begriff sei, kommt damit auch zu seiner tieferen Gr ndung. Dank der Allgemeinheit des Begriffs hatte er sich freigemacht von dem subjektiven μέτρον der αΐσ&ησις, indem er ihm den Ewigkeitswert des definierten Denkgehaltes entgegenhielt. Aber bis zu

Synthese von „Maß" und „Begriff"

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einem wirklichen im Denken hatte er es nicht gebracht. Dazu mußte der D e n k g e h a l t auch als Denkleistung verstanden werden. Dieser Unterschied «aber ist eben der zwischen Begriff und Urteil. Indem Plato Sein und Nichtsein ins Urteil verlegt, verwirft er somit keineswegs den Begriff des „Maßes", genau so wenig wie den des „Begriffs". Das „Maß" ist vielmehr dasjenige, was seinem eigenen Gedanken schon am nächsten kommt. Er muß es nur aus dem subjektiven zum objektiven Maß machen. Dazu muß es des Sokratischen Moments, des Begriffs, fähig werden; denn dieser bedeutet das Objektive. Der Begriff des Urteils, der auf diese Weise entsteht, hat den Vorzug, daß er zugleich nach zwei Richtungen prägnant wird: es ist die Denkleistung und zugleich das Objektive, es ist objektive Denkleistung. Es ist leicht einzusehen, daß Plato es nur auf diesem Wege zum Idealismus des Seins bringen konnte. Diesem Gedankengange verdankt auch die Idee in erster Linie ihre tiefere Durchführung. Denn nur auf diese Weise konnte das Selbsttätige, Spontane des Denkens als etwas nicht Willkürliches verstanden werden, sondern gerade als in sich den Keim einer inneren Notwendigkeit tragend. Das aber war erforderlich, um das Sein ins Denken verlegen zu können und so den alten Identitätsgedanken des Parmenides, der durch seinen Mangel an Durchführung wieder verloren gegangen war, wiederherzustellen. So wenigstens beginnt der idealistische Grundgedanke bei Plato; denn natürlich ist dies nur ein Anfang für denjenigen, der den Idealismus zum philosophischen System erheben will. Der Systemgedanke selbst muß schließlich die tiefere Formulierung hergeben. Denn was das Urteil im kleinen Stil ist — eine Gemeinschaft oder Verknüpfung — das ist das System im großen Stil. Damit sind wir auf den Kern des Urteilsgedankens gekommen. Das Urteil ist Verknüpfung. Es geht nicht auf in einem Begriff, weder im Subjekt noch im Prädikat. Es umfaßt ihrer notwendig zwei. Und doch ist diese Zweiheit nicht das Wesentliche in ihm; das Urteil bildet vielmehr selbst eine Einheit, die der des Begriffs gegenüber keineswegs sekundär ist, in der diese vielmehr erst zustande kommt. Der Begriff entsteht in der Prädikation. So ist die Urteilsverknüpfung die ursprüngliche Einheit, welche die des Begriffs erst rechtfertigt. — Aber was ist nun wiederum im Urteil dieses Einheitliche, die Zweiheit der Begriffe Umfassende? Sollte es sich nicht in seinem 8*

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Das ίση und ουκ εστί der Aussage

Einheitscharakter n her bestimmen lassen? Das Urteil tr gt die Form der Aussage, und diese bedeutet, da ein Begriff vom anderen pr diziert wird. Das Urteil also ist Einheit dadurch, da es das Eine v o m Anderen „urteilt". Die Einheit, und folglich das Wesen des Urteils mu also in der Leistung des Urteilens selbst liegen. Damit stehen wir nun schon dicht bei dem Seinscharakter des Urteils. Wir m ssen uns dazu an der Form des Urteils orientieren. Das Urteil hat in seinem Wortausdruck ein Glied, welches der spezielle Ausdruck des Urteilens selbst ist: das zwischen beiden Begriffen stehende „ist" oder „ist nicht", εστί und ουκ εστί. Wenn man dieses Glied der Aussage sogleich zur „Kopula" abschw cht, so liegt in ihm freilich nichts Wesentliches. Nimmt man es aber pr gnant, versteht man es nicht als zuf lligen Wortausdruck, sondern als ein sich im Urteilen selbst erzeugendes ίστιν und ουκ εστί, so sind gerade diese W rtchen der genaue Ausdruck derjenigen Leistung, welche das Urteilen selbst bildet, n mlich die Verkn pfung, die dem begrifflichen Sein logisch vorausliegt. Aus ihnen ergibt sich denn auch diejenige Bedeutung des Seins und Nichtseins, die f r Plato der Ausgangspunkt tieferer Formulierungen wurde, n mlich Sein und Nichtsein als das Urteilen oder die Urteilsl e i s t u n g selbst, wobei ihr Unterschied die Qualit ten, das affirmative und das negative Urteil bezeichnet. Da dieses in der Tat Platos urspr nglicher Seinsgedanke gewesen ist, daf r finden wir viele Belege in seinen Schriften; besonders charakteristisch ist in dieser Hinsicht wiederum der „The tet", der uns ja auch schon den Anhalt f r den historischen Ursprung desselben gab. Hier finden wir das Sein im Urteil mit einer Deutlichkeit ausgesprochen, die es geradezu erstaunlich macht, wie die tiefe, systematische Bedeutung dieses Gedankens f r die Ideenlehre so lange bersehen werden konnte. Es wird (The t. i86B) vom Harten und Weichen gezeigt, wie ihre sinnliche Qualit t zwar Sache der Wahrnehmung sei, anders aber ihr Sein und ihre Gegensatznatur: την δε γ' οϋσίαν και on εστδν και την έναντιότητα προς άλληλα) καΐ την ονσίαν αν της εναντιότητος αύτη ή ψνχη ίπανιονσα και σνμβάλλουσα προς άλληλα κρίνειν πειράται ήμΐν. Und da sich dieses „ U r t e i l e n " in gleicher Weise auch auf das Nichtsein bezieht, sieht man an der Stelle kurz vorher (iSsC), wo an der Spitze der Grundpr dikationen το εστίν . . . και το ονκ εστίν genannt werden. Das ist nicht einfach das pr dikative Sein und Nichtsein, sondern

Verh ltnis des „Sophisten" zum Sein im Urteil

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ausdr cklich das pr dizierende — wie die indikativischen Formen zeigen. In gleicher Bedeutung mit den letzteren werden unmittelbar darauf ουσία und το μη είναι gebraucht, was offenbar nur den Sinn haben kann, da „Sein" und „Nichtsein" berhaupt keine andere urspr ngliche Bedeutung haben, als Begriff jener Denkleistung zu sein, die das Pr dizieren oder Urteilen ausmacht. Wom glich noch deutlicher wird das im „Kratylos" (3858), wo der wahre und falsche λόγος (Aussage) daran unterschieden werden, ob ein Seiendes als seiend oder als nichtseiend ausgesagt wird: οντος (ό λόγος), δς αν τα δντα λέγ·η ως ϊοτιν, άληΰής, δς δ' αν ως ουκ ϊοτι, -ψευδής. Hier kann Plato offenbar nur Sein und Nichtsein als Aussageinhalt meinen (εστίν αρά τοντο, λόγω λέγειν τα δντα τε και μη). hnliches findet sich im „Ph don", nur in speziellerer Beziehung auf das Sein der Idee. Mehr beil ufige Belege, die oft nur in einer kleinen Wendung liegen, sind in allen Dialogen, verstreut. Die sp ten Schriften geben Formulierungen, die sachlich dasselbe besagen, nur in neuer, vielfach vertiefter Form. Wir werden diese Formulierungen bei Gelegenheit derjenigen Probleme zu betrachten haben, in deren Zusammenhang sie dastehen. Eine umfassende Darstellung des Platonischen Seins als Sinn der Aussage hat in genetischer Folge durch alle Dialoge hindurch N a t o r p gegeben (Platos Ideenlehre, bes. Kap. 4 u. 8). Am reichsten an Hinweisen dieser Art ist der „Sophist". Wir sind einer derartigen Stelle bereits begegnet in der Widerlegung der Materialisten. Es hie dort, dasjenige, was zu etwas hinzutreten oder von ihm weggenommen werden k nne, „sei" schon etwas. D. h. was einem Begriff das Sein sichert, ist die Aussage, die positive wie die negative. So etwas kann nur einer sagen, der den Sinn des „Seins" und „Nichtseins" vom ftmr und ουκ &m des Urteils hernimmt. Es ist eben hier wie berhaupt im ganzen „Sophisten" offenkundig das im „The tet" vom Sein und Nichtsein Gesagte schon vorausgesetzt. Der Dialog steht ganz auf diesen Voruntersuchungen, und was er sucht, ist die tiefere Formulierung. Denn noch ist das Sein und Nichtsein im Urteil nicht reif; das ist besonders f hlbar am Nichtsein, welches in dieser Form ja noch nicht imstande st, die falsche Aussage zu erkl ren. Denn soll diese nur legative Aussage sein, so ist sie ja vielmehr richtig und nicht alsch; soll sie aber ein Nichtsein in anderem Sinne enthalten, ίο wird eben dieser andere Sinn zu jener Undenkbarkeit, die n den Aporien blo gestellt wurde. - Ist aber die Fassung des

Π8

Das Problem der Verkn pfung

Nichtseins noch nicht zureichend, so wird es wohl auch schwerlich die des Seins sein. Darum steht nun wieder beides gleicherweise in Frage, das Sein wie das Nichtsein. Der ankn pfende Punkt zwischen der fr heren Seinsbestimmung im Urteil und dem aporetischen Teil des „Sophisten" ist der Begriff der Verkn pfung. Das Urteil selbst ist Verkn pfung, n mlich die setzende Einheit zweier Begriffe. Soll also dieser Seinsbegriff weiter entwickelt werden, so mu vielmehr der Begriff der Verkn pfung entwickelt werden. Denn bisher ist ber diesen selbst noch wenig ausgemacht. Nun legten sowohl die Aporien des Nichtseins als die des Seins einen ganz hnlichen Gedanken nah, wiewohl sie von ganz anderer Seite an das Problem herantreten. Die ειδών φίλοι isolieren κίνησις und ατάσις — so k nnen sie weder die eine noch die andere als Sein fassen; sondern diese stehen ausschlie end zueinander und zu jedem anderen Begriff. Es ist klar, da die L sung hierzu nur von selten der Verkn pfung erbracht werden kann. Soll es aber einmal Verkn pfung geben, so liegt die gro e Schwierigkeit in der Verkn pfung der Gegens tze, des scheinbar Unvereinbaren: wie kann das Sein στάσις und κίνησις umfassen? Wie kann das παραγίγνεσΰαι και άπογίγνεσΰαι beider in ihm festgehalten und vollzogen werden? Und das Resultat, das die Aporien des Nichtseins ergeben haben, zeigt hiermit auffallende hnlichkeit. Auch dort wurden wir auf die Forderung einer Verkn pfung gef hrt, und zwar ganz fundamental auf die des Seins mit dem Nichtsein; n mlich wenn anders es falsche Aussage geben sollte, so mu te diese Verkn pfung stattfinden. Sollte darin nicht eine noch tiefere Andeutung liegen, welche Bedeutung der Verkn pfung berhaupt zukommt f r die Bestimmung des Seins wie des Nichtseins? Sollte vielleicht in dieser συμπλοκή ein Urgrund f r Sein und Nichtsein zu suchen sein? Das ist es, was sich als Frage aufdr ngt und was den folgenden Untersuchungen, die wesentlich Verkn pfungs- und Trennungsversuche enthalten, ihr Gewicht und ihre Tiefe gibt. Der Gedanke wird gleichwohl hier nicht weiter entwickelt. Erst der Schlu der Untersuchung soll die Karten aufdecken. Aber unausgesprochen liegt der Verkn pfungsgedanke in jeder neuen Fragestellung; er wartet gleichsam nur auf seine Durchf hrung, seine Formulierung. In diesem Sinne wird nun gleich die Frage nach dem Sein noch einmal gestellt. Und die Vertiefung ist schon u erlich

Die Grundbegriffe

I ig

darin zu erkennen, da dasselbe Bedenken, das bisher nur gegen andere Denker gerichtet wurde, nunmehr gegen die eigenen, von Plato selbst aufgestellten Begriffe in Kraft tritt. Es sind zun chst Beharrung und Ver nderung, die der vorhergehenden Untersuchung als oberste G r u n d b e g r i f f e entnommen werden. Diese beiden sind einander entgegengesetzt. Dennoch soll beiden gleicherweise das είναι zukommen. Wie kann das geschehen? Wird es uns dabei nicht ebenso ergehen, wie jenen Naturphilosophen, die zwei Prinzipien setzten und dann in Verlegenheit gerieten, sobald man ihnen die Frage vorlegte, worin denn bei beiden das Sein bestehen sollte (το είναι hi άμφόϊν) ? Es bleibt nur der eine Weg brig, da man das Sein als „dritten Grundbegriff au er diesen" setzt (τρίτον παρά ταντα). Das kann nur so gedacht werden, da Beharrung und Ver nderung von dem Sein gleichsam berragt und „umfa t" werden (ως Μ Ικείνου την τε στάσιν teal την κίνησιν περιεχομένην, 25oBj. Denn nur indem man beide „zusammenfa t" und in dieser Zusammenfassung das „Absehen" auf die unerl liche Verkn pfung richtet — n mlich die Verkn pfung mit dem Sein und miteinander —, l t sich von beiden aussagen, da sie „sind" (συλλαβών καΐ άπιδων αυτών προς την της ουσίας κοινωνίαν όντως είναι προσεϊπες αμφότερα). Das Sein ist also selbst nicht Beharrung, auch nicht Ver nderung, sondern ein von beiden Verschiedenes (έτερον τι τούτων, 2$oCj. Diese Fassung des Seins als eines έτερον f hrt nun zu einer neuen Formulierung des Problems, die freilich f rs erste einer neuen Aporie hnlich sieht. Es scheint n mlich, als fiele das Sein nun ganz „au erhalb" (εκτός) der Beharrung und Ver nderung (2500). Denn στάσις und κίνησις verhalten sich als kontradiktorische Gegens tze so zueinander, da was nicht στάσις ist, notwendig κίνησις sein mu , und umgekehrt was στάσις ist, auf keine Weise κίνησις sein kann. Das Sein soll selbst aber weder κίνησις noch στάσις sein. Wie ist das berhaupt m glich? Und wenn es m glich ist, wie sollten στάσις und κίνησις dann teilhaben an dem, was in bezug auf sie beide Ικτός liegt? So scheint die Bestimmung des Seinsbegriffs erst jetzt ganz aussichtslos geworden zu sein. Indessen liegt diese Aussichtslosigkeit in der Art, wie hier das έτερον verstanden wurde, n mlich blo als etwas Ausschlie endes, was das Sein Ικτός setzte. Wenn man dem inneren Charakter dieses Begriffs n her auf den Grund geht, wie es in der folgenden Untersuchung getan wird, so erweist sich das „Verschiedene" vielmehr als das

I2O

Das ταντόν im Urteil

Unterschiedene und nicht als Ausschlie endes. Unterscheidung aber schlie t die Gemeinschaft keineswegs aus. Sie enth lt sie in gewissem Sinne sogar schon in sich — als Voraussetzung. So mu das Sein in der Tat „au erhalb" des Gegensatzes von κίνησις und ατάσις gedacht werden, n mlich sofern es in diesem nicht aufgeht. Es ist der weitere, fundamentalere Begriff, dem gegenber jeder andere eine Beschr nkung, Spezialisierung bedeutet. Aber deswegen ist es von ihnen nicht getrennt. Es ist so eng mit ihnen verbunden, da das Denken, das Setzen dieser Begriffe schon ein Sein bedeutet. Das ist es, „im Hinblick" worauf beide seiend genannt werden: die „Gemeinschaft des Seins". — Es wird nun weiter zur ckgegriffen auf die allgemeine Theorie des Urteils. Von einem Begriff, z. B. dem des Menschen, werden unz hlige verschiedene Aussagen gemacht: ber seine Farbe, Gr e, sittliche Beschaffenheit usw.; lauter Pr dikate, die keineswegs blo wiederholen, da er ein Mensch sei, die aber trotz ihrer Verkn pfung mit dem Begriff des Menschen in einem Urteil niemals bewirken, da dieser ein anderer werde. Das Subjekt bleibt dasselbe in aller Verschiedenheit der Pr dikate. Es wahrt seine I d e n t i t t (rainov, 251 A). Denn das ist eben das Wesen alles Urte ens, und damit steht und f llt die M glichkeit der Aussage berhaupt: zu einem Begriff, den wir zugrunde legen, gibt es jedesmal eine Vielheit vcn Pr dikaten (εν εκαστον νποΰέμενοι πάλιν αυτό πολλά και πολλοίς όνόμασιν λέγομεν, 2$ιΒ). Die Sophisten haben sich vielfach damit befa t, an diesem Grundsatz alles Logischen, der uns als Denkgesetz der Identit t gel ufig ist, herumzukritteln: es sei unm glich, da zu einem Subjekt verschiedene Pr dikate tr ten; sofern es eines sei, gebe es auch nur eine Aussage von ihm — es selbst. Man d rfe daher nicht sagen, „der Mensch ist gut", sondern nur „Mensch ist Mensch" und „gut ist gut". Auf diese Weise l sten sie den Satz der Identit t auf in einen Satz der Tautologie; was sich von selbst widerlegt: dann k nnte es eben berhaupt kein Denken geben. „Armut an geistigem Gehalt" nennt Plato das Suchen nach solchen Spitzfindigkeiten (2510). Hiermit ist der erste Schritt zur positiven Bestimmung des Seins schon getan. Es soll sich gleich zeigen, was alles auf der Basis des ταΰτόν sich erbauen l t. Nun tritt die Frage nach der Verkn pfung erst ganz offenkundig ins Zentrum der Untersuchung. G be es keine Gemeinschaft bewirkende Kraft zwischen den Begriffen (μηδενι μηδέν μηδεμίαν δνναμιν εχειν κοινωνίας εις μηδέν), so w re „alles aufgehoben" (πάντα ανάστατα γέγονεν,

Verkn pfung und Trennung

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252 Aj. Dann h tten κίνησις und στάσις kein Sein. Dann g be es berhaupt kein Sein, denn nichts k nnte an ihm teilhaben. Wer noch vom Sein spr che — einerlei \vie er es fa te — w rde damit berhaupt nichts behaupten (λέγοιεν αν ουδέν). Das „eine" mu immer in bezug auf das „andere" ein anderes sein und so als das „andere vom anderen" bezeichnet werden (έτερον &ατερον προοαγορεύειν). Das eben soll die κοινωνία bewirken: dieses Zusammenkommen der ετέρα. Ohne dieses g be man ja den λόγος einer gar l cherlichen Methode preis! (καταγελαστότατα . .. αν μετίοιεν τον λόγον, 252BJ. Denn ebenso wie das Sein w ren dann auch alle anderen Grundbegriffe aufgehoben, wie Trennung, Beziehung, F rsichsein und andere, ohne die man keinen Schritt weit kommen kann. Wie aber, sollten wir nun ins andere Extrem verfallen? Sollen alle Begriffe ausnahmslos miteinander in Beziehung treten k nnen? Da auch dieses unm glich sei, dazu bedarf es keiner langen Er rterungen. Sonst m te man ja aussagen k nnen, Bewegung sei Stillstand, und Stillstand sei Bewegung. Denn das hei t es doch, da sie zueinander hinzutreten. Und eben dieses ist es, was der „h chsten Notwendigkeit gem unm glich" bleiben mu (τοντό γέ που ταΐς μεγίσταις άνάγκαις αδύνατον, 2$2Ό). Weder also darf die Verkn pfung aufgehoben, noch auch f r jedes beliebige Verh ltnis von Begriffen gefordert werden; im ersteren Falle g be es berhaupt kein Denken, im letzteren f hrte das Denken zu den ungereimtesten Konsequenzen. Es bleibt also nur ein dritter Fall brig, da es wohl Verkn pfung gibt, aber nicht f r alle beliebigen Kombinationen von Begriffen. Sondern f r bestimmte F lle mu es ein Hemmnis geben, das die Verkn pfung nicht zustande kommen l t — jedenfalls so direkt nicht. Neben der Forderung der κοινωνία selbst mu also noch eine zweite Forderung bestehen bleiben, die sich als Verbot zwischen gewisse Begriffspaare einschiebt und ihre Gemeinschaft in einem Urteil nicht zustande kommen l t. Das wird nun am Beispiel der Sprachlaute n her entwickelt. Die Laute k nnen auch nicht alle beliebig miteinander verbunden werden; gleichwohl mu Verbindung unter ihnen sein. Erst in ihr gelangen sie zu ihrer Bedeutung, da sie Symbol und Ausdruck eines Gedachten werden. Hinsichtlich ihrer Zusammenstimmung miteinander sind aber durchaus nicht alle gleich. Die Vokale k nnen beliebig mit allen Lauten zusammengestellt werden, Konsonanten dagegen untereinander nur mit Auswahl und in beschr nkter Zahl. Zudem ist der Konsonant immer auf

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Der δεπμός und die αντέχοντα

den Vokal angewiesen. Er wird erst sprachlich m glich durch diesen. Der Vokal ist „gleichsam ein durchgehendes Bindep r i n z i p f r alle Laute" (οίον δεσμός δια πάντων κεχώρηκεν, 253 A). Ohne seine Vermittlung k nnen unm glich zwei Laute miteinander „harmonieren" (αδύνατον άρμόττειν teal των Άλλων έτερον έτέρω). Diese „Harmonie" nun ist es, die auch zwischen den Begriffen stattfinden mu , ohne die ein Begriff einzeln, f r sich genommen, nicht einmal zustande kommt. Urteil oder berhaupt Denken nennen wir diese Harmonie, dieses Zusammenklingen der Begriffe, was beides in dem Platonischen Terminus des λόγος liegt. Um nun zu erforschen, welche Begriffe miteinander diese „Mischung" (μΐξις) eingehen, bedarf es einer besonderen Wissenschaft, ebenso wie es f r die Bestimmung m glicher Lautkombinationen die „Grammatik" gibt. Die Wissenschaft von der Mischung der Begriffe hat die Urteile durchzugehen (δια των λόγων πορενεσΰαι) und in ihnen zu zeigen, wie die Begriffe beschaffen sein m ssen in bezug aufeinander, um zusammenzustimmen, und umgekehrt, welche gegenseitige Beschaffenheit sie einander absto en l t (δείξειν ποία ποίοις συμφωνεί των γενών και ποια αλληλα ου δέχεται, 2ζ$Β), d. h. sie hat die Gesetze festzustellen, nach welchen sich das Denken regelt. Und als h chste Aufgabe hat sie zu ermitteln, ob es gewisse Begriffe gebe, die f r alle brigen durchweg Bindeglieder bilden, so da erst durch diese Denkelemente die Verkn pfung der anderen miteinander „m glich wird" (και δη καΐ δια πάντων εΐ οννέχοντα οττ' αυτά εστίν, ώστε σνμμΙγνυσ&αι δυνατά είναι). Und da es ja auch, wie wir sahen, solche Begriffe gibt, die nicht zusammenstimmen, so mu die geforderte Wissenschaft auch f r diese die durchgehenden Denkelemente nachweisen, die die „Ursache der T r e n n u n g " bilden (εΐ δι δλων ετέρα της διαιρέσεως αίτια). Diese Wissenschaft, die Plato hier την των Ιλεν&έρων ίπιστήμην nennt, ist ebendieselbe, die er so oft als die einzig wahre Philosophie bezeichnet: die Dialektik. Mit besonderer Sch rfe wird ihre Aufgabe hier klargestellt. Sie hat das Denken auf seine Gesetzm igkeit hin zu untersuchen. Dazu eben hat sie die Denkelemente und ihre Beziehung untereinander zu untersuchen, wie sie sich mischen und trennen. Denn ein solches Doppeltes ist eben das Gesetzm ige im Denken: es wird einerseits (durch ein Denkgesetz) Verkn pfung geschaffen und notwendig gemacht — wie das der δεσμός oder die συνέχοντα zum Ausdruck brachten, — andererseits aber

Das F reinandersein der Begriffe

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ein Trennungsprinzip dem Gesetz der Verkn pfung entgegengesetzt (als ein zweites Denkgesetz), welches ihr die Grenzen bestimmt und so innerhalb ihrer die Ursache der διαίρεσις ist. Der „Parmenides" f hrt diese Dialektik im gro en Stil vor; und gerade dort wird es in der einleuchtendsten Weise durchsichtig, wie der Sinn dieser Art Forschung in dem Nachweis der Verkn pfung und ihrer Grenzen als der wahren Denkgesetzlichkeit besteht. So hat das Problem des Seins auf das des Urteils hinausgef hrt. Sein ist eben das Sein der Denkelemente f reinander; das Urteil aber ist der Ausdruck dieses F r e i n a n d e r s e i n s der Begriffe. Nun wird es klar, warum Plato wieder und wieder darauf dringt, die συμπλοκή herzustellen und zur Grundlage zu machen, und gewisserma en schon von vornherein die ganze Untersuchung auf dieses Ziel zuspitzt. Und so ist es zu verstehen, wenn er an dieser Stelle, wo er geradezu eine Definition des Philosophen gibt, ihn als denjenigen charakterisiert, der da „immer der Idee des Seins" nachgeht (zum Unterschied vom Sophisten, der f r seine Trugschl sse darauf angewiesen ist, das leicht mi verst ndliche Nichtsein in den Vordergrund zu r cken und sich dahinter gleichsam zu verkriechen); dieses „dem Sein Nachgehen" kann aber nur durch Vernunftdenken geschehen (ifj τον δντος αεί δια λογισμών προσκείμενος ιδέα, 2$4·ΑΛ Die Gr e seiner Aufgabe macht es, da es schwer ist, ihn in seinem Wesen zu erfassen. Denn „das G ttliche zu erschauen ist das Auge der gemeinen Seele nicht imstande". Die Aufgabe der Dialektik wird nun mehr gegliedert. Sie soll die Ideen in ihrem Zusammenhange aufzeigen als „Zus a m m e n h a l t e n d e " (οννέχοντα). Dazu mu ausgegangen werden von den niedrigen Stufen der Idee, wo ihre Leistung einfach darin besteht, da sie ein gro es Mannigfaltiges in ihrer Einheit — und kraft dieser Einheit — zusammenfa t (μίαν Ιδέαν δια πολλών, ενός εκάστου κειμένου χωρίς, .πάντβ διατεταμένην, 2$3D^, — wie das im „Ph don" am αυτό το ίσον und auch sonst an vielen Beispielen gezeigt wird. Damit aber ist die Leistung der Idee nicht ausgesch pft; es gilt zu zeigen, wie die so gewonnenen Ideen nebeneinander bestehen, wie sie sich zueinander verhalten, wie unter ihnen selbst wiederum Zusammenhang und Einheit entsteht. Nun kann aber nur die Idee selbst Einheit schaffen — sie ist ja Prinzip der Einheit; also mu es Ideen h herer Ordnung geben, die die Einheit unter den Einheiten vollziehen und gew hrleisten. Darum m ssen die vielen verschiedenen Ideen auf eine h here Einheit zur ckgef hrt werden,

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Die Ursache der Trennung

die letzterdings nicht in ihnen als in „vielen" liegen kann, durch die sie vielmehr erst m glich werden, die also gleichsam -„von au en her" sie alle umfa t (πολλάς ετέρας υπό μιας ε'ξω&εν περιεχόμενος). Dieses Aufsteigen zu h heren Einheiten kann aber seinerseits nat rlich nicht ins Unendliche fortgehen. Sofern das Denken selbst Einheit sein soll, mu es gewisse h chste Typen dieser Einheit geben, in denen sich alle andere Einheit erst vollzieht, und die deswegen als Grundlegungen alles Denkens den eigent mlichen Charakter des „ H i n d u r c h g e h e n s durch alle Begriffe" zeigen, indem sie das „ Z u s a m m e n h a l t e n " (οννάπτεσΟαι) „in ihrer Einheit" zustande bringen (και μίαν αν δι όλων πολλών εν ένι ξυνημμένην). Diesen drei Stufen der Idee ist nun noch eine vierte beigef gt, die aber nicht weiter aufsteigt, sondern einen Gesichtspunkt geltend macht, der sich offenbar auf alle drei genannten Stufen erstreckt und hier als ihnen immanent besonders hervorgehoben werden soll: das Prinzip der Trennung unter den Ideen. Es gibt ihrer auf allen Stufen derartige, die sich miteinander nicht verkn pfen lassen und also einander ausschlie en (καΐ πολλάς χωρίς πάντγι διωρισμένας). Es soll also gleich hier darauf hingewiesen werden, da es nicht nur auf Verkn pfung ankommt, da nicht nur das περιέχεσΰαι und σννάπτεσΰαι ins Gewicht f llt, sondern auch ein χωρίς, das jenen die Grenze vorzieht, das nicht aufgehoben werden darf, sofern die Ideenwerte, die es trennt, nicht ineinander nivelliert und also gleichfalls aufgehoben werden sollen. Auch dieses wartet seiner genaueren Formulierung durch die Dialektik. Auf diesen Sinn des vierten Punktes (der vielleicht strittig erscheinen k nnte) l t wohl auch der Schlu satz der ganzen Periode schlie en, welcher (25$E) rekapitulierend sagt, dieser ganze Aufbau der Dialektik komme auf die Kunst heraus, „am Begriff unterscheiden" zu k nnen, inwieweit er mit anderen Gemeinschaft eingehen k nne und inwieweit nicht. Man k nnte nun vielleicht meinen, es handle sich blo um die συναγωγή und όιαίρεοις, von denen im „Ph drus" (266 B u. a.) die Rede ist. Aber dort ist die διαίρεοις (wie auch sonst oft) blo als Verschiedenheit der Gattungen verstanden. Im „Sophisten" aber ist Plato dabei, das Gesetzm ige in den Begriffsverh ltnissen zu finden. Daher begn gt er sich nicht mit der blo en συναγωγή, sondern sucht ihre logische Ursache in den σννέχοντα, und genau ebenso begn gt er sich nicht mit der nackten διαίρεσις, sondern sucht nach den της διαιρέσεως αίτια.

Ansatz zum System der Grundbegriffe

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Es soll auch f r das Ausschlie ende in den Begriffen der Grund, das Denkgesetz gefunden werden. Zun chst nun ist die Dialektik den*h chsten Grundbegriffen und ihrer Ermittlung zugewandt. Es gibt keine Aufgabe des theoretischen Denkens ber diese hinaus. In ihrer Behandlung und ihrer L sung m ssen alle h chsten Probleme der Wissenschaft ihre Methode finden. So wendet sich denn auch die Untersuchung des Seins und Nichtseins der Erforschung dieser Grundbegriffe zu als der h chsten logischen Instanz und dem Brennpunkt alles wissenschaftlichen Interesses. Wird sich das Sein, das doch in allem Denken mitgedacht wird, im System der Grundbegriffe bew hren als einer von ihnen oder gar als der wichtigste? Kann es das nicht, so geht damit nicht nur das Sein, sondern auch das Denken verloren. Denn Denken ist Sein. Wird die Methode der Dialektik Kraft besitzen, alle jene Widerspr che aufzul sen, die sich gem den besprochenen Aporien im „Sein" zusammendr ngen? Und wird das Nichtsein, das doch kraft jener unumg nglichen κοινωνία auch „irgendwie sein" sollte, hier auch zu diesem seinem Recht, seinem Anspruch auf Sein gelangen, ohne doch mit diesem in Kollision zu geraten ? In der Fassung des Nichtseins wird die Schwierigkeit hier keineswegs abgeschw cht. Sie wird vielmehr versch rft, indem hier zum erstenmal vom Nichtsein als von einem „wahrhaft seienden Nichtsein" gesprochen wird (το μη δν ως limv δντως μη δν, 254DJ. Die ganze Reihe der Aporien liegt in dem einen Ausdruck zusammengefa t. — Das sind die Probleme, die den Fortgang des Dialogs bestimmen und an die Plato nun heranschreitet, indem er den Versuch macht, einige der geforderten Grundbegriffe in ihrem Zusammenhang miteinander zu entwickeln. Da in diesem Versuch keine vollst ndige Aufz hlung aller Grundelemente des Denkens gegeben werden soll, leuchtet schon aus dem Zweck der Untersuchung ein. Nicht eine Tafel der Kategorien soll aufgestellt werden, und deswegen braucht Plato hier, wie er ausdr cklich sagt, „nicht ber alle Begriffe" Rede zu stehen. Es sollen vielmehr „von den wichtigsten einige" herausgegriffen werden (προελόμενοι των μεγίστων λεγομένων αττα); und an ihrem Beispiel soll gezeigt werden, wie ihr Verh ltnis zueinander methodisch zu behandeln ist. Denn da sie ja die Tendenz haben sollen, die G e m e i n s c h a f t m i t e i n ander e i n z u g e h e n (καινωνεΐν ε&έλειν άλλήλοις, 2$4~Β), so ist die Hauptfrage nicht in dem ποια έκαστα εοτιν, sondern darin,

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Stellung der Identit t und Verschiedenheit

wie es mit der K r a f t steht, die in ihnen die gegenseitige Beziehung hervorbringt (κοινωνίας αλλήλων πως Εχει δυνάμεως, 254Q. Diese „Kraft" ist das κοινωνεϊν ί&έλειν, jene Spontaneit t der Begriffe, die das spezifische Kennzeichen des logischen Idealismus ist. Es ist begreiflich, da f r Plato die Frage nach der „Gemeinschaft" die Grundfrage ist. So darf es uns denn nicht wundern, wenn die Zusammenstellung der f nf Grundbegriffe, die hier direkt dem Entwicklungsgange des Gespr chs entnommen werden, beinahe den Eindruck der Zuf lligkeit macht. Denn die Grundfrage in ihnen ist eben die der Gemeinschaft, und dieser gegen ber haben alle einzelnen Begriffe nur die Bedeutung des Beispiels. Da es aber in Wahrheit nichts weniger als Zuf lligkeit ist, die hier obwaltet, sondern volles Zielbewu tsein die Auswahl leitet, daf r d rfte gerade der bisherige Gang des Dialoges sprechen, der ja eben zeigte, wie die fraglichen f nf Begriffe in der Entwicklung eines Problems, des Seinsproblems auftauchen und daher von vornherein nicht anders als in ihrer intimen gegenseitigen Beziehung und Bedingtheit gedacht wurden. An die Spitze der Grundbegriffe wird das Sein selbst gestellt, wie es ja schon 2506 als dasjenige hingestellt wurde, welches die anderen „umspannte". Ebenso wie dort treten ihm auch jetzt B e h a r r u n g und Ver n d e r u n g zur Seite. Die beiden letzteren sind unvereinbar miteinander. Zwischen ihnen ist keine Gemeinschaft direkter Aussage m glich. Das Sein aber kommt beiden zu. Jeder dieser drei Begriffe ist von den beiden anderen verschieden, mit sich selbst aber identisch. Also treten zu den dreien noch zwei andere Grundbegriffe, "Verschiedenheit und I d e n t i t t (έτερον und ravtov).^ Auch diese beiden sind uns schon fr her begegnet: das ταύτόν als Beharrung des Begriffs in aller Verschiedenheit der Pr dikate, das έτερον dagegen nur andeutungsweise, ohne da es wirklich gezeigt wurde, N worin seine Bedeutung liege. Man ahnte dort nur, da ihm eine nicht geringe Rolle als Denkleistung zukommen m sse; denn das Nichtsein und der Schein schienen beide in ihrer Zur ckf hrung auf diesen Begriff einen positiven Sinn zu bekommen. Jetzt in der Zusammenstellung mit dem ταντον erblickt man einen Teil der prinzipiellen Leistung, die das έτερον ausmacht. Es ist das Widerspiel der Identit t, das gleich dieser allen Begriffen innewohnt und ihr Verh ltnis zueinander charakterisiert, indem jeder Begriff mit sich selbst identisch und zugleich von jedem anderen vejschieden ist.

Das Beziehungsetzende im ίτερον

Dabei fallen ταντόν und έτερον nicht etwa mit στάσις und κίνησις zusammen; im Gegenteil, das Verh ltnis von στάσις und κίνησις zueinander kann erst durch das έτερον seine Bestimmung erfahren. Denn Bewegung und Ruhe k nnen niemals eine die andere sein, niemals in einem Urteil voneinander ausgesagt werden; denn „die Bewegung wird dann ruhen und die Ruhe hingegen sich bewegen". Das Wesen der Bewegung und der Ruhe kann nicht gleichzeitig in demselben Begriff gesucht werden, also weder im ταντόν noch im έτερον. Sonst w rden beide gezwungen sein, ihr Wesen an dieses Gemeinschaftliche preiszugeben und also ihr wahres Wesen, die Gegensatznatur verlieren. Das ist es, was Plato im Auge hat, wenn er sagt, sie m ten alsdann „umschlagen in das Gegenteil ihrer Natur" (255A). Das Problem der συμπλοκή, das hier wieder deutlich ins Zentrum der Untersuchung tritt, wird nun mehr und mehr mit dem Begriff des έτερον verflochten. Schon u erlich ist das daran zu erkennen, da nun des l ngeren bewiesen wird, wie die genannten f nf Grundbegriffe alle in bezug aufeinander ετέρα sind, d. h. da keiner mit dem anderen zusammenf llt. Man k nnte nun meinen, da dieses eine mehr trennende als vereinigende Arbeit sei, also der συμπλοκή eher entgegenarbeite als sie f rdere. Es ist aber nicht zu bersehen, wie gerade in diesen Untersuchungen neben der Trennung, und gerade aus ihr, die Zusammengeh rigkeit der Begriffe sich mehr und mehr herausstellt. Das liegt in der Natur des έτερον selbst: indem n mlich bewiesen wird, da sie alle ετέρα in bezug aufeinander sind, wird notwendig ebendieser Bezug aufeinander schon mit bewiesen, der also schon urspr nglich in den Begriffen mitgedacht sein mu ; und was w re das anders als συμπλοκή? Gerade das έτερον mu somit auf die Verkn pfung f hren. Da κίνησις und στάσις ετέρα sind in bezug auf τούτον und έτερον, haben wir bereits gesehen. Ebenso unm glich aber kann das ov mit einem von ihnen zusammenfallen. Denn w re das ov eins mit dem ταντόν, so w re alles Seiende identisch — auch κίνησις und στάσις — und berhaupt aller Unterschied des Seienden w re aufgehoben. Das ov kann gleichwohl auch nicht mit dem έτερον zusammenfallen; denn das Sein kann sowohl an sich gesetzt werden als auch in Beziehung. Das έτερον aber bezieht sich immer auf ein έτερον. Es besteht geradezu in dieser Korrelation. An der Unterscheidung des An-sich und des Beziehungsweisen (χα#* αυτό und προς Άλληλα)

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Das Άερον und die συμπλοκή

scheidet sich deutlich die Tragweite des v von der des έτερον. Das 8v kommt beiden zu, sein Begriff vertr gt sich mit beiden. Das έτερον dagegen kommt nur dem προς άλληλα zu. Denn es stellt sich heraus, gerade dieses letztere, die Beziehung, ist das innerste Wesen des έτερον: es ist immer das έτερον nur προς έτερον. Sollte es ein έτερον an sich geben, so w rde dieses ein „beziehungsloses Anderes" (έτερον ov προς έτερον) sein m ssen, was doch ein Widerspruch in sich selbst ist (255 D). . Wir haben hier diejenige Wesensbestimmung des Έτερον, die der Grundgedanke nicht nur in ihm, sondern in der ganzen Sophistesuntersuchung ist: νυν δε άτεχνως ήμίν δτιπερ αν έτερον fj, σνμβέβηκεν εξ ανάγκης έτερον τούτο δπερ Ιστιν είναι. Es ist innere Denknotwendigkeit, da das έτερον sein Korrelat fordert, an welchem es erst seine Verschiedenheit geltend machen kann. Es ist also keineswegs blo Prinzip der Trennung (selbst im Sinne der Unterscheidung), sondern das Urspr nglichere in ihm ist die Beziehung. Beziehung ist aber schon vielmehr Verkn pfung als Trennung. In dieser Funktion geht das έτερον durch alle Begriffe hindurch, gleichzeitig Beziehung und Unterscheidung in ihnen herstellend. Da ein beliebiger Begriff als „anderer" auf „andere" bezogen werden kann, da er also "auf diese Weise berhaupt in Gemeinschaft mit „anderen" Begriffen tritt, ist nicht die Leistung seiner besonderen Eigenart, sondern die des sch pferischen Ideenwertes, der in dem Grundbegriff des έτερον liegt, εν ε'καστον γαρ έτερον είναι των άλλων ου δια την αντον φνσιν, αλλά δια το μετέχειν της Ιδέας της ποτέρου (255 E). Hier sehen wir es klar ausgesprochen, wie das έτερον als Grundbegriff schon zugrunde liegt, wo berhaupt Begriffe in die Gemeinschaft gegenseitiger Verschiedenheitsbestimmung treten. Da aber diese Gegenseitigkeit schon der Sache nach Verkn pfung ist, so mu es hieran klar werden, wie berhaupt die συμπλοκή mit dem έτερον zusammenh ngt: da ein Begriff berhaupt sich beziehen oder Stellung nehmen kann zu einem anderen, ist schon Leistung des έτερον. In dieser Leistung aber bahnt sich die durchgehende Beziehung aller Begriffe aufeinander an. So entsteht die „M glichkeit" der D e n k v e r k n p f u n g , das ανμμίγννσ&αι δυνατά είναι der Begriffe (2530). Aber das έτερον soll noch tiefer gegr ndet werden, κίνηοις sollte ein έτερον der οτάαις sein. Aber die στάσις „ist", sie hat teil an dem ov. Desgleichen ist κίνησις ein έτερον vom ταντόν; andererseits mu sie wiederum selbst ein ταντόν sein, da allen

Zwiefache Leistung des έτερον.

Begriffen als solchen Identit t zukommt. So mu es bestehen nebeneinander: κίνησις ist ταντόν und ist nicht ταύτόν. Daran darf man nicht irre werden (256A). Denn indem wir beides von ihr aussagen, sagen wir es doch nicht in gleichem Sinne aus (οϋχ ομοίως). An der Identit t hat sie sich selbst gegenber teil (προς αντήν). Zu dem μη ταντόν aber gelangt sie durch Gemeinschaft mit dem έτερον, durch welches sie von dem ταύτόν getrennt, nicht jenes, sondern ein έτερον wird, so da sie auch wiederum richtig ου ταντόν genannt wird. Dank dieser Kraft des έτερον k nnte es somit wohl dazu kommen, da auch κίνησις und στάσις gleichsam doch noch Teil aneinander gewinnen, so da man wohl die κίνηοις als στάοιμον bezeichnen d rfte, d. h. als etwas, das „zum Stehen kommen kann." Dadurch wird das noch nicht verletzt, da στάσις und κίνησις zu denjenigen Begriffen geh ren sollten, die keine Tendenz zur Mischung miteinander zeigen. Das έτερον setzt die strenge Trennung beider Begriffe, wie es ja von Hause aus die Verschiedenheit besagt; aber eben m glich ist die letztere nur, wo schon ein Zusammenhang ist. Daher mu es das Verbindende f r κίνησις und στάσις in irgendeinem Sinne auch geben. Es k nnte vielleicht auf den ersten Blick willk rlich erscheinen, das ganze Problem der κοινωνία in dieser Weise auf das έτερον zur ckzuf hren. Dieser Schein beruht aber nur darauf, da man das έτερον zu eng fa t. Man darf in ihm nicht nur Verschiedenheit sehen wollen; das ist nur seine eine Seite. Plato selbst unterstreicht am έτερον, wie wir gesehen haben, neben seiner direkten Bedeutung auch das Moment der „notwendigen" Gegenseitigkeit der ετέρα f reinander. Das Eigent mliche, das gerade diesen Begriff so fruchtbar macht f r die logische Grundfrage, besteht darin, da in ihm zwei Leistungen ihre Vereinigung finden. Die eine ist jene Trennung, die es setzt, indem es dem „einen" das „andere", dem Verschiedenen das Verschiedene gegen bersetzt. Die andere Leistung ist die, da in dieser Trennung schon immer eine Verkn pfung liegt, ein „F reinander" der Begriffe, welches nicht erst hinterher in sie hineingetragen zu werden braucht, sondern mit der Verschiedenheit zugleich schon da ist. Denn die Verschiedenheit selbst ist das, was sie ist, immer nur in bezug auf etwas, „wovon" sie verschieden ist. Was also im έτερον schon mitgedacht ist, ist eine Zusammengeh rigkeit, oder wie Plato sagt, „Gemeinschaft" der Begriffe untereinander. Denn da die Zusammengeh rigkeit der Ιτερα sachlich identisch ist mit der κοινωνία, wird man der Cohen und N a t o r p , Philosophische Arbeiten III

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bergang zum Nichtsein

inneren Verkettung der Probleme schwerlich streitig machen k nnen. Darum ist es keine Willk rlichkeit, sondern volle logische Notwendigkeit, die κοινωνία im έτερον zu gr nden; genau so wenig als es blo e Zuf lligkeit sein kann, da Plato in ein und derselben Untersuchung gleichzeitig das Problem des &ιερον und das der κοινωνία l st. Das Durchgehende, Kontinuierliche, das die Elemente des Denkens zu solchen macht, indem es sie als aufeinander angewiesen darstellt, n mlich als Glieder eines umfassenden Denksystems, — das ist es, was das έτερον als zweite Richtung, Leistung, in sich enth lt — neben dem Prinzip der Trennung. Darum darf man das έτερον nicht als Verschiedenheit allein auffassen wollen. Man mu den Platonischen Gedanken vielmehr aus seiner eigenen systematischen Anlage heraus folgerichtig zu Ende zu denken suchen. Denn Platos direkte Formulierungen konnten nat rlich nicht so weit reichen, wie die systematische Antezipation, aus der heraus sie ihm wuchsen. Wir m ssen, um das innere Motiv der Sophistesuntersuchung zu erfassen, die Doppelheit der Motive im έτερον im Auge haben, als die Verkn pfung in der Trennung oder die durchgehende D e n k k o n t i n u i t t in der durchgehenden Verschiedenheit — und gerade f r sie und durch sie. Durch die nun folgende Einf hrung des μη δν soll dieses noch klarer werden. Ebenso wie die κίνησις ein ταντόν und auch nicht ταύτόν war, mu sie auch zugleich έτερον und nicht Ζτερον sein. Aber am merkw rdigsten wird diese Konsequenz erst am Sein. κίνησις ist zugleich δν und nicht δν. Denn sie hat teil am Sein, ist aber doch ein von ihm Verschiedenes. Sofern sie verschieden von ihm ist, ist sie δντως ουκ δν, n mlich in Wahrheit nicht das Sein; und doch ist sie ein Sein, denn sie wird geurteilt1; darin beh lt sie teil am Sein, wie sie auch als Begriff zum Begriff des Seins stehen mag. Und so steht es nicht mit der κίνησις allein. Alle Begriffe gelangen auf gewisse Weise dahin, da ihnen das Sein abgesprochen wird, obgleich sie andererseits selbst teilhaben am Sein und „sind". Hier ist es nun, wo das N i c h t s e i n wieder auftritt, das ja eigentlich der Ausgangspunkt der Untersuchung war. Und zwar zeigt es sich zun chst von der Seite, da es die Begriffe von dem δν scheidet, indem es ihre begriffliche Verschiedenheit von ihm bewirkt und sie so zu nichtseienden macht; denn Verschiedenheit vom Sein ') N heres ber den Sinn dieser Paradoxie vgl. unten S. 151.

Das μη or als έτερον

als solchem bedeutet schon in gewissem Sinne ein Nichtsein, so sehr immer dieses Nichtsein andererseits sein ganz bestimmtes Anrecht auf Sein beh lt. Das μη δν bernimmt somit die Leistung, die wir vorhin schon am έτερον kennen gelernt haben. So k nnen wir die Worte (256 D E) verstehen: εΌτιν αρά Ιξ ανάγκης το μη δν επί τε κινήσεως είναι και κατά πάντα τα γένη. κατά πάντα γαρ ή ΰάτέρον φύσις έτερον άπεργαζομένη τον δντος ίκαστον ουκ δν ποιεί... In der Gestalt des έτερον also tritt das μη δν zu allen Begriffen hinzu, entzieht ihnen das Sein, indem es ihre Andersheit gegen dieses herauskehrt, und wandelt sie so in Nichtseiendes. An einem jeden Begriff ist folglich vieles seiend und vieles nichtseiend; denn die Gemeinschaft des Nichtseins wie des Seins geht durch alle Begriffe hindurch. Ja das Sein selbst unterliegt derselben Mischung mit dem Nichtsein, wie alle anderen Begriffe: es wird durch die Leistung des έτερον an ihm ihnen gegen ber zum „anderen". Sofern die anderen „sind", ist das Sein nicht. Denn indem es nicht jenes andere ist, „ist" es zwar selbst in seiner Begriffseinheit, aber unz hliges andere wiederum ist es nicht. Man darf sich durch den Schein, der dawider spricht, nicht irremachen lassen. Denn die Forderung einer durchgehenden Gemeinschaft der Begriffe f hrte zu dieser Konsequenz. K nnen wir uns mit der Konsequenz nicht befreunden, so geht die Verkn pfung der Begriffe v6rloren — und damit alles Denken (257 A). —Wie aber, sind denn damit alle die alten Bedenken aufgehoben? Das μη δν konnte ja nicht ausgesprochen, nicht einmal gedacht werden. Das lag aber daran, da es dort als ein dem Sein Widersprechendes gefa t wurde, dessen absolute Isolierung vom Sein ihm berhaupt keinerlei Bestimmung beilegen lie . Diese Auffassung ist nun vollst ndig fallen gelassen. Es hei t ausdr cklich: wir meinen mit dem μη δν nicht einen Gegensatz zum Sein, d. h. nicht etwas ihm gleichsam „Feindliches" (εναντίον), sondern nur das a n d e r e , von ihm Verschiedene. * Das ist der Sinn der Fassung des μη δν als έτερον *) Wir haben (S. 96f.) gesehen, da auch schon im „The tet" (i88Dff.) die Zusammenstellung des ίτερον und μη 8» vorgenommen wird. Ihre Durchf hrung scheitert aber gerade daran, da die Wesenseinheit beider Begriffe unerkannt bleibt. Der Gedankengang ist dort bezeichnenderweise der umgekehrte. Das μη Sv wird auf das ftsgov hinausgef hrt, w hrend im „Sophisten" umgekehrt der Gedankengang mit dem ftsQor beginnt und von dort aus auf das μη Sv als auf das tiefere Problem zur ckgeht. So war das Nichtsein tiefer zu fassen als in der umgekehrten 9*

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Das Sein der negierten Begriffe

(οπόταν το μη δν λέγωμεν . ., ονκ εναντίον τι λέγομεν τον οντος, αλλ' έτερον μόνον, 2ζ?Β). Das zeigt sich denn sofort an allen Begriffen, die ein μη δν bedeuten und durch dasselbe zustande kommen. Das μη μέγα soll nicht nur das μικρόν bedeuten, sondern ebensogut das ίσον und anderes Verschiedenstes, was „nicht gro " ist. berhaupt bezeichnen die Negationspartikeln nicht ein Ιναντίον, sondern nur das Verschiedene von dem Begriffe, bei dem sie stehen. Damit ist die positive Fassung des μη δν angebahnt, der positive Seinswert in ihm gewonnen. Und diese Gleichsetzung mit dem έτερον l t uns sofort weiter vorausblicken. Das μη δν kann seine positive Fassung nur rechtfertigen, wenn ihm eine ganz bestimmte fundamentale Leistung im System der Grundbegriffe zuf llt. Eine solche aber ist ihm sicher, sofern es nun als mit dem έτερον zusammenfallend erkannt ist. Denn was dieses f r eine zentrale Rolle in der κοινωνία auszuf llen hat, haben wir bereits andeutungsweise zu sehen bekommen. Es ist die Verkn pfung selbst, die wesentlich durch dasselbe bedingt ist, wodurch letztlich der Zusammenhalt aller Begriffe und also das Denken selbst an ihm h ngen. Aber diese Konsequenzen m ssen wir noch eine Weile hinausschieben. Es kommt nun alles darauf an, die Leistung des neu gefundenen μη δν in der Gemeinschaft der Begriffe n her zu bestimmen. Es mu seine Kraft an einem jeden Begriff bew hren. So mu das έτερον sich allen Begriffen mitteilen und sich gleichsam in eine Menge von Einzelleistungen zerst ckeln (κατακερματίζεσ&αι, 2$jC). Es erzeugt dabei immer zu einem jeden Begriff das „Verschiedene", das μη καλόν zum καλόν, das μη μέγα zum μέγα. Und diese neuen, negativen Begriffe entstehen dadurch, da an dem positiven Begriff die Trennung von dem entsprechenden γένος des Seienden und folglich eine Gegen berstellung vollzogen wird, die nun den anderen Begriff bedeutet. Daher sind diese anderen, neuen Begriffe nicht weniger οντά als die alten. Denn nicht nur Negation ist in ihnen, es wird auch etwas Positives in ihnen mitgedacht. Darin besteht der Seinswert des μη δν, da das durch dasselbe Richtung des „The tet". Vielleicht hat der ganze Entwicklungsgang der Sophistesuntersuchung nur diesen Zweck, das Problem von der anderen Seite zu fassen zu bekommen. Denn sie bewegt sich in einem Kreise, indem sie auf einem Umwege ber drei Hauptstadien das Nichtsein in positiver Fassung wiedergewinnt, von dessen Aporien sie ausging: μη δν — ov — κοινωνία — έτερον — μη όν.

Das Nichtsein als Scinsprinzip

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Erzeugte nicht w e n i g e r etwas Seiendes ist als das, was in ihm negiert wurde. Das hei t es, wenn Plato die im μη δν erzeugten Begriffe als δντος προς δν άντί&εσις bezeichnet (2 57 Ε). Der Gegensatz * zu einem Seienden mu auch ein Seiendes sein, sonst ist er garnichts. Denn alles, was gesetzt wird, „ist" kraft dieser Setzung; Entgegensetzung aber ist auch Setzung, ist auch Sein. Das eine „ist" nicht mehr als das „andere" (μηδέν τι μάλλον είναι ϋατερον ΰάτέρου 2$&Α). Das Sein ist ja selbst eines der συνέχοντα, wie k nnte da ein Begriff mehr „sein" als der andere! Haben doch alle gleich teil an ihm. Und so mu es notwendig mit allen Begriffen stehen, eben „weil sich die Natur des έτερον als ein Seiendes erwiesen hat"; denn wenn diese „ist", so m ssen notwendig ihre Einzelleistungen jede nicht weniger ein Sein bedeuten. Aber Plato geht hierin noch einen Schritt weiter. Es bleibt nicht dabei, da an einem jeden Begriff das ihm entsprechende Nichtsein, also die φύσις des έτερον μόριον als ebensosehr seiend gesetzt wird; sondern die άντί&εσις beider soll ein Sein bedeuten, und zwar nicht weniger als das Sein selbst, ή της πάτερου μορίου φύσεως καΐ της του δντος προς άλληλα αντικειμένων άντί&εσις ουδέν ήττον, ει ·&έμις ειπείν, αυτόν του δντος ουσία εστίν. Wenn die άντί&εσις selbst hier als ουσία bezeichnet wird, so kann es nur den Sinn haben, da sie ein Sein hervorbringt, erzeugt, wie denn die besprochenen negativen Begriffe in der Tat darin ihren Sinn haben, da sie durch ihren Zusammenhang mit den anderen Begriffen den positiven Wert des Seienden erhalten. Die Antithesis ist offenbar als dasjenige gedacht, was ihnen diesen Zusammenhang gibt, n mlich sie sogleich bei ihrer Erzeugung in ihn hineinsetzt, hineinerzeugt. Nur auf diese Weise ist eben das μη καλόν mehr als die Aufhebung des καλόν. Das „Sein" der Antithesis, in diesem Sinne der Erzeugung verstanden, hat also vielmehr den S i n n des Seinsprinzips. Das spricht sich denn auch sehr deutlich in Platos Worten aus; „nicht weniger ουσία als das δν selbst". Das „δν selbst" kann nur *) „Gegensatz" im Sinne der άντίΰεαις ist hier offenbar auch terminologisch unterschieden von jenem εναντίον, das kurz vorher f r das μη ov abgelehnt wurde (2578), und welches hier beinah die Bedeutung des „Widerspruchs" hat. An unserer Stelle hei t es ausdr cklich von der άντί&εσις, sie bedeute kein εναντίον (2588). Das scheint aber keine feststehende Bedeutung des εναντίον zu sein; denn im „The tet" (i86B) wird der έναντιότης die ουσία beigemessen.

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Leistung des Nichtseins

die Idee oder das Prinzip des Seins berhaupt bezeichnen. Als Seinsprinzip mu folglich auch das gedacht sein, was nicht weniger als es selbst ουσία sein soll. Die K hnheit dieses Wurfes ist ihm aber wohl bewu t, darauf deutet das eingeschobene εί ΰέμις ειπείν (2586). Und dieses Seinsprinzip ist das μη δν. Denn gleich darauf wird die „Antithesis" selbst als jenes Nichtsein bezeichnet, welches die ganze Zeit um des Sophisten willen gesucht wurde. Die Konsequenz, die hieraus mit Notwendigkeit hervorgeht, liegt nun auf der Hand: das N i c h t s e i n ist S e i n s p r i n z i p — nicht weniger als das Sein selbst. So hoch sch tzt Plato die Leistung des μη δν ein.1 Da es aber mit dieser Einsch tzung wirklich auf die Leistung, d.h. den rein logischen Wert abgesehen ist, wird uns einige Zeilen weiter gesagt: das Nichtsein „ist" sicher, indem es seine ihm eigene „Natur" hat (ότι το μη δν βεβαίως ra την αυτόν φνσιν έχον). Im Hinblick auf die ihm eigene φνοις ist es der logischen Sicherheit teilhaftig. Mit dieser φύαις aber ist offenbar nichts anderes als die Leistung gemeint. Von ihr gerade hie es auch (2570 und ebenso 258 D), sie verteile sich an alle Begriffe. Diese Verteilung bedeutete aber ihrerseits die Anwendung im einzelnen Urteil, die Leistung im einzelnen Fall. Die φύαις als solche mu offenbar demgegen') Diesem im „Sophisten" bewiesenen Sein des Nichtseins steht eine Tim usstelle gegen ber, die ihm direkt zu widersprechen scheint: το τε γεγονός είναι γεγονός και το γιγνόμενον είναι γιγνόμενον, έτι δε το γενησόμενον είναι γενηοόμενον xal το μη όν μη ον είναι, &ν ονδεν ακριβές λέγομεν (38 A B). Es soll, also „ungenau" sein zu sagen, das μη Λ· „sei" das, was es ist, — d. h. es ist falsch. Man mu aber wohl im Auge behalten, in welchem Sinne dieses gesagt isti Das Geschehene und das Zuk nftige „sind" nicht, und das Werdende „ist" auch nicht, noch nicht, sondern „wird". In diesem Sinne also sind diese drei μη οντά und man d rfte von ihnen nicht είναι sagen, sondern nur μη είναι; sie sind eben jetzt (im zeitlichen Sinne) nicht seiend, wie denn das Sein hier offenbar ganz eng als zeitliches Gegenw rtigsein verstanden ist. Das brauchte aber dann den Aufstellungen des „Sophisten" nicht zu widersprechen, wo ov und μη Sv im weiten Sinne, in h chster Allgemeinheit verstanden sind. — Au erdem, sollte das μη Sv hier jedes Seinswertes beraubt sein, so m te es ja mit dem Parmenideischen Nichtsein zusammenfallen und zur Aufhebung werden. Dann aber w re es nicht einzusehen, wie es mit dem γιγνόμενον und γεγονός und γενηοόμενον zusammenstehen k nnte, in denen doch das Hinzielen auf ein Sein nicht bestritten werden kann. Es kann sich eben nur um die Ausdrucksweise handeln: statt είναι sollte es μη είναι hei en; aber das μη m te in positivem Sinne verstanden werden, als das, woraus ein Sein entstehen mu .

Logischer Grund des Nichtseins

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ber die Leistung berhaupt bezeichnen; in ihr also mu letzterdings die Sicherheit des Seins liegen. Hier ist es uns einmal gestattet, einen tieferen Einblick in die logische Werkstatt Platos zu tun. An seiner Leistung f r das Urteil und f r den Aufbau des Denkens wird das Denkelement in seinem Seinswert abgesch tzt, wird ihm sein Platz im System angewiesen. Das hei t aber, wenn man dieser Einsch tzung ihre methodische Seite abgewinnt, nichts anderes als: in der A n w e n d b a r k e i t liegt die Begr ndung und Sicherheit, das βεβαίως £στι der Grundlagen des Denkens, — wenn man sich moderner ausdr cken will, ihre Deduktion. Deduktion aus diesen Pr missen ist genau ^das-,-was-wir im Sinne Kants transzendentale Deduktion nennen. Denn die Sicherheit, die diese gibt, ist die der Reinheit, deren tiefste methodische Bedeutung eben die der. Anwendung oder der Leistung ist. So eng ber hren sich in den letzten Grundfragen, den Fragen der Methode, Plato und Kant. Wie weit nun diese Leistung des μη δν reicht, und worauf also letzterdings der hohe Wert beruht, den Plato ihm als einem Seinsprinzip beimi t, kommt trotz aller tiefsinnigen Andeutungen in den Worten des „Sophisten" nicht zum Ausdruck. Mit wirklicher Klarheit sehen wir es berall nur f r die Gemeinschaft der Begriffe untereinander geltend gemacht. Wohin aber diese Gemeinschaft schlie lich zielt, ist nicht gesagt. Wir k nnen es aber wohl antezipierend kurz andeuten, was wir sp ter bei Gelegenheit des „Parmenides" und „Philebus" n her zu betrachten haben werden. Das logische Problem kann nicht verharren in der Betrachtung der reinen Grundbegriffe, der Ideen. Es hat seinen Zweck und Sinn in der Begr ndung des konkreten Daseins, der Welt der Dinge. Die Idee ist als Prinzip erdacht — „f r" die Dinge. Und ist es erforderlich, das Verh ltnis der Ideen untereinander zum Problem zu machen, so kann doch hierin nicht das endg ltige Problem liegen. Dieses betrifft vielmehr das Verh ltnis der Ideen zu den Dingen, welches unter dem Terminus der μέ&εξις schon fr h in Platos Schriften auftaucht. Diese Frage, die wohl die am meisten mi verstandene in der ganzen Platonischen Philosophie ist, findet ihre einfache, nat rliche L sung gleichfalls durch das im „Sophisten" entwickelte Prinzip der κοινωνία των γενών, also letztlich durch das μί] δν. Denn indem die reinen Grundbestimmungen zueinandertreten, sich „mischen", erzeugen sie den konkreten Gegenstand. Dieser ist nicht als etwas au er ihnen zu denken; er besteht

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Tragweite des Nichtseins

in nichts anderem als dem Zusammenklang der Grundbestimmungen, die in ihm gedacht werden. Das w rde freilich nicht stimmen, wenn das System der Begriffe mit den genannten f nf Grundbegriffen oder berhaupt mit einer bestimmten Anzahl derselben abgeschlossen w re. Dann w re f r die unendliche Mannigfaltigkeit des Daseins kein Spielraum unter den Grundbestimmungen. Es bedarf aber hier nur dessen, da wir den Platonischen Gedanken ein wenig weiter zu Ende denken, als er hier entwickelt ist, so bekommen wir jene Mannigfaltigkeit sehr wohl heraus. Eben gerade weil das System nicht abgeschlossen ist, sondern der Anreihung benachbarter Begriffe geradezu harrt (wie denn im „Parmenides" die Erweiterung ein gutes St ck fortgef hrt ist), so mu die Reihe der Gemeinschaft habenden Begriffe abw rts fortgesetzt gedacht werden — so weit, als es das Problem der daseienden Mannigfaltigkeit f r die Erzeugung der letzteren bedarf. Die h chsten Grundbegriffe aber sind vorbildlich in ihrer „Mischung" f r alle spezielleren, denn diese sind von ihnen als den σννέχοντα in ihren gegenseitigen Verh ltnissen bestimmt. Indem also Plato zeigt, wie die ουνέχοντα sich untereinander „mischen", zeigt er der Sache nach auch schon, wie sie mit dem Begriff des Daseins zusammenh ngen, wie sie diesen hervorbringen. -Die κοινωνία erstreckt ihre Kraft der Erzeugung ber die Idee hinaus auf das Einzelding. Die κοινωνία der Ideen untereinander wird zur κοινωνία der Ideen mit den Dingen, also zum Sinn der μέ&εξις. Wie die Vielheit der Erscheinungen in der Einheit der Idee ihre Zusammenfassung und Bestimmung, und eben dadurch ja erst ihre Erzeugung findet, wird somit letztlich an dem μη δν klar. Denn dieses ist es schlie lich, an dem sich die verkn pfende Kraft der Begriffe verstehen l t, ihr innerer Zusammenhalt, das σννέχειν selbst, die Kontinuit t. Daher ist dieses wirklich eine ουσία, ein Seinsprinzip, n mlich ein Prinzip auch des Daseins, d. h. des konkreten Seins der Dinge. — Einen starken Hinweis hierauf mu man wohl in den Worten (259E) sehen, da ,,der λόγος uns durch die συμπλοκή erzeugt" werde. Denn der λόγος als das Denken berhaupt mu auch das Denken des empirischen Daseins einschlie en. Da die συμπλοκή ihrerseits aber im μη δν zustande kommt, so w re damit freilich der Gedanke schon eingeschlossen, da durch das μη δν die μέ&εξις und das Einzeldasein zustande kommen. — Aber ein wirkliches Ziehen dieser Konsequenzen darf man hier wohl noch nicht suchen.

berwindung des eleatischen Nichtseins

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Mit der Entdeckung der ουσία im μη δν ist Plato nun endg ltig ber den eleatischen Satz „das Sein ist, das Nichtsein ist nicht" hinausgegangen. Nicht nur da das Nichtsein nun einen Seinswert gewonnen hat, sondern es ist auch aufgezeigt worden, durch welche Operationen im Denken es dieses Sein in sich legitimiert, mit welchem Grundbegriff es gleichzusetzen ist; es ist wirklich zu dem geworden, was vorhin so unglaublich schien und doch so notwendig war, zum „seienderweise N i c h t s e i e n d e n " : την γαρ ΰάτέρου φύσιν άποδείξαντες ουσαν ,.., το προς το δν Ικαστον μόριον αυτής άντιτιΰέμενον ετολμήσαμεν ειπείν ως αυτό τοϋτό εστίν δντως το μη ο ν (258 DE). Hiermit ist eine tiefgreifende Korrektur an der Lehre des Parmenides vollzogen. Dieser kannte noch nicht das Problem der συμπλοκή ; ihm standen Sein und Nichtsein isoliert da, unvereinbar getrennt. Da aber das Sein zugleich Denken war, so mu te das Nichtsein Nichtdenken sein. Was er μη δν nannte, war also recht eigentlich die Undenkbarkeit, die zu nennen nur insofern einen Sinn hat, als sie die Aufhebung dessen ist, was dem Sein widerspricht. Dieser Sinn des Widerspruchs vertr gt sich sachlich sehr wohl mit dem, wie Plato die Begriffsgemeinschaft fa t. Bei Parmenides hatte ja der Satz „das Nichtsein ist nicht" schon das Gewicht des Denkgesetzes. In der „Ursache der Trennung", die ja a,uch δια πάντων gehen soll, nimmt Plato dasjenige auf, was an dem eleatischen Nichtsein Positives, Gesetzartiges war.1 Aber nur war das Nichtsein in dieser einen Richtung nicht auszusch pfen. Es mu te ein Tieferes, Urspr nglicheres in ihm stecken, an dem der Widerspruch selbst nur eine Kehrseite ist. Um das Sein des Nichtseins zu verstehen, mu te eben erst das Denken f r seine Identit t mit dem Sein tiefer verstanden werden: als Begriff, als Urteil, und schlie lich als Gemeinschaft der Begriffe. Parmenides, der noch weit von solchen Bestimmungen des Denkens entfernt war, konnte eben deswegen auch das Sein des Nichtseins als des μη δν nicht ergriffen haben. Daran war seine Lehre gescheitert. Nicht nur das μη δν lie sich in dieser Isolierung nicht verstehen — oder eben h chstens von seiner negativen Seite, als Widerspruch; auch das δν, der Seinsbegriff, verwickelte sich in Widerspr che (wie das 245 gezeigt wurde). Daher konnten die Sophisten mit dem Nichtsein spielen und ') Wie sich die Spuren des eleatischen Nichtseins sogar noch positiver bei Plato wiederfinden lassen, soll weiter unten gesondert gezeigt werden (S. 146 ff.)·

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Das „Hindurchgehen" der Begriffe durch einander

Scheinbeweise aufstellen, da alles gleich wahr und falsch sei. Gegen diese — und nicht gegen die Eleaten — richtet sich Platos Spott (258E): es sei nun eine ganz sinnlose Frage geworden, ob jenes mi verstandene absolute Nichtsein noch irgendwie „sei" oder nicht, ob es noch einen Sinn habe oder ein ausgemachter Unsinn (παντάπααιν αλογον) sei. Und nicht der M he wert sei es, die Begriffe hin und her zu zerren und sich ein Vergn gen daraus zu machen, scheinbare Widerspr che in ihnen zu entdecken. Das zeuge von totalem Mangel an dialektischer Bildung und philosophischem Ernst (2590—E). Dieser Unfug geschieht gleichwohl berall, wo man es unternimmt, die Denkelemente voneinander zu isolieren (παν από παντός έπιχειρέϊν άποχωρίζειν). Es ist das vollkommene Verschwinden - Machen der Denkelemente (τελεωτάτη πάντων λόγων άφάνιοις) und damit des Denkens selbst. Das Denken entsteht in der συμπλοκή, Es h ngt alles an dem Nachweise des Zusammenhaltes zwischen Sein und Nichtsein. Denn dieser ist vorbildlich f r allen spezielleren Zusammenhang. Wir sehen ihn jetzt in neuer Fassung: sie e r s t r e c k e n sich d u r c h e i n a n d e r h i n d u r c h (6t αλλήλων διεληλν&ότα, 2$gA). Dieses „Sich-hindurch-Erstrecken" beschreibt Plato in folgender Weise: indem das δν und das ίτερον sowohl durch alle Begriffe als auch durcheinander hindurchgehen, gewinnt das έτερον teil am ov und „ist" durch diese seine Teilhabe; gleichwohl ist es nicht das, woran es teilhat, sondern eben ein έτερον; indem es aber ein έτερον des ov ist, ist es aufs deutlichste und notwendig das μη δν. Und umgekehrt mu es vom Sein gelten: indem es am έτερον teilhat, wird es als verschieden von allen anderen Denkelementen gesetzt; indem es aber so ihr έτερον wird, ist es ein jedes von ihnen nicht, noch auch alle anderen insgesamt, sondern nur es selbst. So da das Seiende wiederum ganz unbestritten tausend und zehntausenderlei nicht ist, von den anderen aber ein jedes auf diese Weise in vieler Beziehung ist, in vieler aber auch nicht ist (2596). Die Grundlegung einer so verstandenen Verflechtung bringt es als Konsequenz mit sich, da jene Grundforderungen der Dialektik an-allen Begriffen tats chlich erf llt werden. Denn wenn ein jeder Begriff durch die Durchdringung von Sein und Nichtsein an ihm zugleich in vieler Hinsicht als seiend, in vieler aber auch als nichtseiend gesetzt wird, so haben wir hieran eben die gemeinschaftliche Begr ndung der συναγωγή und διαίρεσις, in der dialektisch das Wesen und das gegenseitige

Ursprung des Seins

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Verh ltnis der Begriffe bestehen sollte. Nur ist es eben hier nicht mit der blo en Forderung solcher Prinzipien abgetan, gleich als w ren es blo Regeln f r den philosophischen Bedarf. Sondern das Problem ist hier in einer Tiefe gel st, die eben jene Prinzipien als die innere, mit der Begriffsnatur als solcher verkn pfte Gesetzm igkeit verstehen l t, als die Gesetzm igkeit des Denkens selbst und damit auch des Seins. Das entspricht vollkommen dem, was wir vorhin an der Stelle sahen, wo Plato die Aufgabe der dialektischen Untersuchung disponierte. Es sollte nicht abgetan sein mit der συναγωγή, sondern ihr Grund sollte in den συνέχοντα aufgezeigt werden, die die Zusammenf hrung erst durch den inneren Zusammenhalt verst ndlich machen sollten. Und ebenso sollte die διαίρεσις auf die της διαιρέσεως αίτια zur ckf hren. In dem Grundverh ltnis von Sein und Nichtsein bestimmen sich letztlich die Begriffsverh ltnisse alle; so mu sich denn auch in ihrem „Hindurchgehen durch sie alle und durcheinander" die Gesetzlichkeit des Denkens selbst heraussch len, die eben als die rein methodische Seite des Problems immer nur an der vertieften Fassung des Inhalts zu erbringen ist. Wenn wir so die F den des logischen Gef ges der ganzen Untersuchung zu vereinigen und auf ihren Grundgedanken zur ckzuf hren suchen, so baut sich nach den Worten des „Sophisten" in der Tat die Gesetzlichkeit des Denkens auf und in ihr zeigt sich der tiefste und letzte Sinn des Seins. Nicht kann die Idee als solche ihr Sein erst von der Idee des Seins herhaben; diese bedeutet vielmehr nur die vollzogene Aussage, den λόγος berhaupt. Sondern der Nachdruck liegt gerade auf dem Nichtsein. In diesem wird die Idee lebendig, aktiv, wird zur Gemeinschaft der Ideen, denn es bewirkt das „Hindurchgehen durcheinander". Nicht mehr und nicht weniger als der U r s p r u n g des Seins l i e g t somit im N i c h t s e i n , in der neuen Bedeutung, die Plato ihm im μη δν gibt, gegenber dem starren Undenkbaren der Eleaten, — einer Bedeutung, die wir in seinem Sinne mit Recht bis in den Ursprung der κοινωνία hindurch zu Ende denken m ssen. Und dieselbe Bedeutungsver nderung, die sich am Nichtsein vollzog, hat nun auch das Sein an sich erfahren. Statt des starren Einsseins, dessen Identit t Unbeweglichkeit war, ist es vielmehr zum λόγος der συμπλοκή, zum Prinzip und Sinn des Denkens geworden. Dadurch „sind" die Ideen, da sie Verkn pfung eingehen. Anders k nnen wir ihr Sein nach den Worten des „Sophisten" nicht verstehen. Diese Verkn pfung — das Werk des Nicht-

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Erzeugung des Denkens

seins — bedeutet logisch das Sein. So kommt es heraus, da erst das Nichtsein zum Sein f hrt. Das Sein ist also nicht etwas noch au erhalb des Nichtseins, ebensowenig, als das Nichtsein au erhalb des Seins gedacht werden konnte. Das Nichtsein ist Prinzip f r das Sein; folglich wird mit der „Idee des Seins" nicht etwas Neues dem Nichtsein gegen ber eingef hrt, nicht ein anderes Prinzip f r ein anderes Problem, sondern nur die Vollziehung dessen gekennzeichnet, was das Nichtsein anbahnt und m glich macht. Das Nichtsein ist die Bed i n g u n g der M glichkeit, das Sein die V o l l z i e h u n g der συμπλοκή. Und diese Korrektur am Sein des Parmenides kommt diesem selbst am meisten zugute. Denn so erst ist der Gedanke der Identit t von Denken und Sein wirklich durchgef hrt: die Gemeinschaft der Begriffe ist das Denken, und gleichzeitig ist sie das Sein. Das ist nur m glich, wenn Denken und Sein tats chlich zusammenfallen, identisch sind. — Es ist auf Grund des Vorhergehenden nun nicht mehr schwer, sich einen genaueren Begriff derjenigen Denkgesetzlichkeit zu bilden, die der „Sophist" in seiner Verkn pfungstheorie entwickelt. Zum Teil liegt sie, klar zutage, zum Teil will sie erst sorgf ltig herausgefunden sein. Wir sahen, wie das Denken Identit t setzt als Bedingung aller Aussage. Denn das Subjekt mu te beharren, wo sich ein Pr dikat auf dasselbe beziehen sollte. Aber die Aussage selbst lag in der Gemeinschaft der Begriffe, die ihrerseits das Denken erst m glich macht. Die Identit t ist mit eine Grundbedingung f r das Denken, aber sie ist nicht das Schaffende, Erzeugende, nicht das Aktive in ihm. Dieses liegt in jenem tieferen Grunde, der eben nur als Grundsatz der Gemeinschaft, oder der gegenseitigen Beziehung, zu verstehen ist; auf diesen mu letztlich alles ankommen. In ihm gipfelt das logische Grundproblem. Daher ist es so widersinnig, die Gemeinschaft aufl sen und die Begriffe voneinander rei en zu wollen; darum auch nennt Plato die συμπλοκή die „Erzeugung des Denkens": δια γαρ την αλλήλων των εΙδών συμπλοκών δ λόγος γέγονεν ήμϊν (259 Ε). — Auf dieses γέγονεν ist Gewicht zu legen; das Spontane des Denkens ist darin in einer Weise gekennzeichnet, wie wir es hnlich selbst in den tiefsten Platonischen Formulierungen nur selten wiederfinden. Es ist das Hervorwachsen des Denkens aus seinen eigenen Grundbegriffen, die eben vielmehr Grundlegungen sind. Nun wird der λόγος selbst zu „einem der Grundbegriffe", und zwar — so d rfen wir wohl erg nzen — zum obersten unter ihnen;

Die Kontinuit t der ανμπλοχή

denn er ist das Umfassende f r alle Begriffe, nicht anders als es auch in anderer Hinsicht das Sein ist. Es best tigt sich eben sachlich in jeder Hinsicht, da der λόγος als der erzeugte mit dem Sein als dem gleichfalls erzeugten identisch ist. In diesem λόγος, der als κοινωνία in der Methode des Nichtseins entsteht, reift das Problem des Seins bewu t zum Problem der Logik aus. Die Dialektik der Begriffsgemeinschaft ist die L o g i k des Seins. Am λόγος in dieser seiner neuen Bedeutung h ngt nun das ganze Grundproblem der Philosophie. Und „wenn wir seiner beraubt w rden, so gingen wir dadurch der Philosophie in ihrer gr ten (fundamentalsten) Bedeutung verlustig", dann g be es keine Aussage, kein Urteil mehr, also auch kein Sein (260 A). Das ist es, was Plato hier nicht m de wird einzusch rfen. Deswegen stand die ganze Untersuchung hindurch die συμπλοκή im Zentrum des Interesses. Wird nun der λόγος zur h chsten Grundlage gemacht — wie das dem αυτός ό λόγος im „Staat" entspricht — so ist damit auch die συμπλοκή zur Grundlegung erhoben. Fa t man nun aber die letztere in ihrem Gesetzescharakter, so ist ihr letzter und eigentlicher Sinn das Kontinuum, das sie in den Setzungen des Denkens hervorbrachte und dadurch die Grundbegriffe zu ουνέχοντα machte. Man sieht, wie hier letzterdings auch die Kontinuit t als Denkgesetz in der συμπλοκή steckt, wiewohl sie als solches nicht ausdr cklich proklamiert wurde. Schon die Basierung der Begriffsverkn pfung auf dem μη δν mu te diesen Gedanken nahelegen, auch wenn Plato das συνέχειν nicht als oberste Leistung der Idee hingestellt h tte, als den δεσμός des Denkens als eines Ganzen. Der blo e Begriff der συμπλοκή involviert den Kontinuit tsgedanken. Das „Binden" und „Verflechten" sind verwandte Begriffe, wie denn ξυμπλέκειν und ξυνόεϊν im „Politikus" (3098) im gleichen Sinne zusammen stehen. Beide sind, pr gnant verstanden, schon fast eins mit dem συνέχειν. Vollends klar wird aber sachlich das Kontinuum des Denkens an den vertieften Fassungen der συμπλοκή. Es ist der Begriff des „Hindurchgehens durcheinander", der uns den Blick in das innere Wesen der Verflechtung ffnet. Der „Zusammenhalt" wird so zur gegenseitigen Durchdringung, das Kontinuum der Begriffe wird zur urspr nglichen inneren Verbundenheit, die ihrerseits erst imstande ist, eine wirkliche im strengen Sinne verstandene „Verflechtung" zu ergeben. In diesem Sinne l t sich denn die „Gemeinschaft" wohl mit Recht als Kontinuit t verstehen. Und zwar ist sie der Identit t

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Der Widerspruch

gegen ber das Urspr ngliche, genau so wie sie auch der Verschiedenheit gegen ber das Urspr ngliche ist. Der Grundsatz der logischen Beharrung der Begriffe und der ihres Zusammenhalts ersch pfen aber noch nicht die ganze Denkgesetzlichkeit. Es mu ihnen das trennende Prinzip gegenberstehen, der Grund der διαίρεοις. Zun chst k nnte dieser wohl in der ersten Bedeutung des έτερον, der Verschiedenheit zu liegen scheinen. Denn diese trennt in der Tat — durch Unterscheidung. Aber Plato meint mit der „Ursache der Trennung" offenbar noch etwas anderes, n mlich die Unvereinbarkeit gewisser Begriffe, der kontradiktorischen, die wie Bewegung und Ruhe sich als άμίκτω erweisen. Diese sind in der Tat in anderem Sinne getrennt als die blo durch Verschiedenheit gekennzeichneten. Sie neigen nicht zur Mischung, hei t es von ihnen. Das ist der Punkt, an welchem wir wohl den logischen Ort f r das Gesetz des W i d e r s p r u c h s im System der Grundbegriffe ansetzen m ssen. Doch will dieser logische Ort mit Vorsicht umgrenzt sein. Man k nnte n mlich meinen, in dem so gro angelegten Denkzusammenhang, wie ihn die ονμηλοκή zustande bringt, sei kein Raum f r wirklich Widersprechendes. Denn alle Trennung besteht ja nur f r einen h heren Zusammenhang. Wie also kann es berhaupt zum Widerspruch kommen? Das System der „Gemeinschaft" k nnen wir uns doch nirgends aufgehoben denken. Das hie e das Denken wieder preisgeben. So ist es denn auch gewi nicht zu verstehen. Eine Frage bleibt es aber, warum es im Denken solche Kombinationen von Begriffen gibt, die unmittelbar als Urteil nicht zu vollziehen sind? κίνησις und στάσις sind nicht in demselben Sinne voneinander auszusagen, wie etwa κίνησις und δν, oder στάσις und έτερον voneinander ausgesagt werden k nnen. Vergegenw rtigen wir uns aber den Systemgedanken, so wird es klar, was damit einzig nur gesagt sein kann. Im System mu es solche Punkte geben, die unmittelbar nicht zu vereinigen sind, sondern voneinander nur erreicht werden k nnen, indem der gemeinsame h here Gesichtspunkt f r sie geltend gemacht wird, dem gegen ber sie beide nur Momente sind. Das Kontinuum des Denkens ist auch f r sie das Umfassende, schl gt auch zwischen ihnen die Br cke. Aber f r sich genommen bleiben sie unvereinbar: sieht man von jenem gemeinsamen Ganzen, in dem sie beide nur Glieder sind, ab, so ist die Verkn pfung nicht herzustellen, so tritt der Widerspruch, die gegenseitige Aufhebung in Kraft. Das Nichtsein, das sie

Innere Einheit der Denkgesetze

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verbinden sollte, zeigt dann an ihnen nur seine negative Seite, es bleibt bei der Aufhebung. * Sofern die naturgem e Denkeinheit des h heren Problems bersehen und die κίνησις unmittelbar zur στάσις gemacht werden soll, widersetzt sich dem gerade der Kontinuit tsgedanke selbst, indem dieses berspringen ein Zerrei en des gesetzm igen Systemzusammenhanges bedeutete. Das wiederum w rde die Identit t verletzen, auf dieser aber kann sich der Zusammenhang nur erbauen. So fordert die κοινωνία zu ihrer eigenen Sicherstellung das Gesetz des Widerspruches als die „Ursache der Trennung" unter den Begriffen. Die genannten drei Gesetzlichkeiten des Denkens h ngen aufs engste miteinander zusammen, n mlich in dem Begriff des Nichtseins. Von der Kontinuit t haben wir das schon vorausnehmend gesehen. Und vom Widerspruch, soweit er im „Sophisten" durchblickt, ist das unmittelbar einleuchtend. Schon bei den Eleaten bedeutete das Nichtsein den Widerspruch, freilich das absolut verstandene. Aber eben dieser Sinn eines absoluten Nichtseins stellt sich in gewissem Sinne berall da wieder her, wo von der Vereinigung unter weiteren Gesichtspunkten abgesehen und nur die Unm glichkeit einer direkten „Mischung" zweier Begriffe betont wird. Solche m ssen sich dann gegenseitig aufheben, weil das Nichtsein, das zwischen ihnen spielt, seinen h heren positiven Wert nicht geltend machen kann. — Demgegen ber k nnte es nun von der Identit t am ehesten scheinen, als habe sie mit dem μη δν nichts zu tun. Aber das ist ein Vorurteil, das wenigstens dem sachlichen Zusammenhang der Probleme nicht entspricht. Das hie e die Identit t isolieren, denn ohne das μη δν steht alles isoliert da. Identit t als logische Grundforderung entsteht gerade daran, da es eine Sicherung des Begriffsinhalts gegen das έτερον geben mu . Durch dieses m te es zum anderen dessen, was es ist, werden. Das έτερον aber ist ein μη δν. Also ist das ταύτόν gewisserma en ein έτερον zum Begriff des ίτκρον selbst, das μη δν des μη δν. Es ist eine Selbstbegrenzung des μη δν. Nur da diese Begrenzung nicht nach der Seite des Nichtseins und der Aufhebung, sondern nach der Seite des Seins und der Setzung hin zielt. Diese Selbstbegrenzung setzt sich das μη δν, um das in der συμπλοκή erzeugte Sein nicht durch ferneres l

) Inwiefern sich bei Plato auch Spuren eines derartigen aufhebenden Nichtseins finden lassen, dar ber vgl. unten S.

144 *^e Denkgesetze als Untergrund der Sophistenuntersuchung

Spiel des wieder verloren gehen zu lassen, sondern es festzuhalten. Das eben besorgt das . Es ist bemerkenswert, daß der „Sophist" auf dem Höhepunkt der Untersuchung, wo „uns der erzeugt" wird, auf die Erzeugungsprinzipien hinweist, die wir heute die Denkgesetze nennen: Kontinuität, Identität und Widerspruch. Nicht als hätte Plato sie so in geordneter Folge vorführen wollen; er hatte der Sache nach das System der Philosophie im Auge, aber er war noch weit entfernt von der entsprechend systematischen Darstellung desselben. Aber in einer tiefgreifenden dialektischen Untersuchung, wie der „Sophist" sie darstellt, muß ein jedes Motiv des Denkens naturgemäß an dem Platz auftauchen, der ihm gemäß der inneren Struktur des Denkens zukommt. Eine Analyse der Grundlegungen — und sei es auch nur weniger — mußte mit Notwendigkeit auf die Denkgesetze hinausführen. Aber eben daher dürfen wir auch nicht mehr als ihre Andeutung erwarten. Die Logik ist ja erst im Entstehen bei Plato, s\» sucht noch nach ihren eigenen tiefsten Voraussetzungen. Als solche aber blicken deutlich die Denkgesetze durch.1 In diesen Denkgesetzen ist das angebahnt und gewährleistet, worauf sich die großen Untersuchungen des „Parmenides" ganz und gar gründen, was sie zu ihrem Verständnis voraussetzen. Wie man die beiden Dialoge auch chronologisch zueinander stellen mag, so viel kann nicht bestritten werden, daß ihr Inhalt aufs engste zusammenhängt, und zwar in der Weise, daß sie einander ergänzen. Im „Parmenides" ist die Verknüpfung gefordert, jedenfalls ist diese Forderung in der ganzen Anlage des Werkes vorausgesetzt. Positiv wie negativ wird ihre Unentbehrlichkeit gezeigt. Aber direkt nachgewiesen und in ihren Triebfedern und Gesetzen begründet wird sie nicht. Das ist die Aufgabe des „Sophisten": Ursprung und Bewegung des Denkens ist in der Verknüpfung nachgewiesen und für diese ') Wie man angesichts solcher Tief blicke Platos im „Sophisten" mit Bonitz (Pl. Studien 196ff.) der Ansicht sein könnte, daß der „Sophist" keine „Begründung der Ideenlehre" enthalte, müßte unbegreiflich erscheinen, wenn es sich nicht durch den Begriff dessen erklärte, was B. unter einer solchen Begründung versteht. Nach seiner Ansicht müßte sie in dem Nachweis einer außerhalb des Denkens und der Begriffe liegenden „Realität" bestehen. Einen solchen hat Plato im „Sophisten" freilich nicht geliefert — und wohl auch kaum in irgendeinem anderen Dialog. Was unter „Idee" und folglich auch unter einer „Begründung" derselben zu verstehen sei, wäre wohl zuallererst an den „größten Grundbegriffen" des „Sophisten" zu lernen gewesen.

Das Nichtsein als Weg zum Sein

selbst das denkgesetzliche Geleise aufgezeigt, in dem sie verl uft. Freilich liegt in dieser Antwort eine fernere neue Frage. Aber diese geht ber die blo e Charakteristik des Seins und Nichtseins hinaus. Wir werden sie hernach erst auf Grund der im „Sophisten" entwickelten Methode des Nichtseins der logischen Beantwortung berhaupt zug nglich finden. Es ist in diesen Resultaten des „Sophisten" aber noch eiij zweites Bemerkenswertes. Die Denkgesetze, auf die er uns hinf hrte, stehen auch ihrerseits nicht isoliert da. Sie zeigen vielmehr auch untereinander den intimsten Zusammenhang. Wir haben gesehen, wie sehr sie nur f reinander und durcheinander sind. Und das hatte seinen Grund: sie entsprangen alle an einer Quelle, deren Tiefe wir wohl ahnen mochten, aber nicht entfernt ausgesch pft haben. Diese Quelle war das μη δν. Diese erstaunliche Begriffsbildung, die das Aussehen eines Negativen, aber den Sinn eines Positiven hat, war zugleich das Bindende und das Bewegende, das Treibende und das Festhaltende unter den Setzungen des Denkens. Es liegt eine Vielseitigkeit — fast m chte man sagen Allseitigkeit — der Leistungen in ihm, die es zum innersten Hebel des Urteils zu machen schien. Wenn nun Plato das Wesen dieses Begriffs im έτερον zu charakterisieren unternimmt, so dr ngt sich unwillk rlich der Gedanke auf, da in dieser Charakteristik nicht das ganze Wesen des μη δν ersch pft sein k nne. Es mu etwas Urspr nglicheres, Gr eres sein, das in ihm liegt. Schon aus dem, was Plato selbst alles aus ihm sch pft, d rfte das einleuchten. Als $τερον n mlich steht es mitten unter den anderen Grundbegriffen als „einer von ihnen". Wie vertr gt sich aber damit jener Gedanke, der sich uns in systematischer Hinsicht als zu Ende gedachte Konsequenz des Platonischen Grundgedankens aufdr ngte: da auf eben diesem μη δν die ganze συμπλοκή ja erst beruhen kann? Die Antwort auf diese Frage wird uns erst in der weiteren Verfolgung der Seinsfrage durch das ganze System der Ideenphilosophie genauer zu fassen m glich sein. Hier k nnen wir nur allgemein die Umrisse der logischen Grundleistung kennzeichnen, deren begrifflicher Ausdruck das μη δν als Methode ist: indem es das jedesmal Gesetzte ablehnt, f hrt es zu der Setzung eines neuen Seins. Der bergang zu diesem ist der Sinn des μη δν; das neue hervorgebrachte aber ist ein δν. Der Weg zum δν f hrt also ber das μη δν. Und darin darf man denn vielleicht die letzte Tiefe der ganzen Untersuchung ber Sein und Nichtsein sehen: das Nichtsein ist entdeckt als der Cohen und N a t o r p , Philosophische Arbeiten ΙΠ

ΙΟ

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Das aufhebende Nichtsein

Weg z u m Sein. Oder, wenn man das Bild fallen l t, so ist das Nichtsein nicht nur Korrelat des Seins, sondern es ist sein V o r b e g r i f f , sein b e r g a n g s b e g r i f f , aus dem die letzten Denkelemente, die Grundbegriffe — die Vehikel des Seins — erst zur Bestimmung gelangen k nnen. Denn in ihnen gelangt ihr System, die συμπλοκή und in dieser das Sein zur Bestimmung. Pa aber das Sein nur in der συμπλοκή bestehen kann, haben wir ja genugsam sehen k nnen. Welche tiefgreifende Bedeutung dieses bergehen des Nichtseins in das Sein f r die ganze Platonische Philosophie — und wohl auch berhaupt f r die Logik hat, das ist es, was im Rahmen des „Sophisten" nicht gezeigt werden kann. Es bedarf hierzu eines weiteren Ausholens. Nur die Aufgabe k nnen wir hier schon feststellen. Diese d rfte sein zu zeigen, ob die Grundbegriffe, auf die Plato seine Lehre erbaut, wirklich dieses Hervorgehen aus dem Nichtsein rechtfertigen, ob sie selbst -aus ihm hervorgegangen sind. Erst daran wird der methodische Wert des μη δν seine Best tigung und seine volle logische W rdigung erfahren k nnen. Denn liegt in ihm wirklich eine so grundlegende Leistung, wie die Resultate des „Sophisten" sie voraussehen lassen, so mu es der gesamten Ideenlehre von vornherein i m m a n e n t sein (auch in den zeitlich fr heren Schriften) und mu an der. Idee selbst und ihren verschiedenen Fassungen nachgewiesen werden k nnen. Das ist es, was nicht mehr in den Bereich der Charakteristik des Seins und Nichtseins aus der Methode der Ideenlehre heraus geh rt, sondern in die Umkehrung der Frage, die Charakteristik der Ideenlehre und ihrer Teilprobleme aus der Methodik von Sein und Nichtsein. Es ist hier wohl der Ort, auf einen das Nichtsein betreffenden Gedanken einzugehen, den Cohen in der Logik der reinen Erkenntnis bei Gelegenheit des Ursprungsurteils mit Beziehung auf Platos „Sophisten" ausspricht. Es ist die U n t e r s c h e i d u n g von μί) δν und ουκ δ ν. Die Bedeutung, die diesem Gedanken beizumessen ist, beruht keineswegs auf einer Voreingenommenheit der Interpretation, sondern auf einer durchaus systematischen R cksicht, die ihrerseits die Frage nach der Durchf hrbarkeit einer solchen Unterscheidung nahelegt und es der Interpretation berl t, f r sie in den Worten Platos den Anhalt erst zu entdecken. Die systematische R cksicht aber ist diese. Das μη δν ist in seinem Begriffe so verschoben, da es ganz den Sinn

μη Sv und ovx Sf

des Setzenden und nicht des Aufhebenden erhalten hat. So fundamental nun dieses Neue an ihm ist, so sehr es die aufhebende Negation berfl gelt, es kann doch hierbei nicht ganz sein Bewenden haben, n mlich insofern die Aufhebung doch auch fundamentale Denkleistung ist und als Satz des Widerspruches seine anerkannte (auch f r Plato erwiesene) Rolle in allem Denken spielt. Wie es systematisch mit der Selbst ndigkeit dieser Leistung seine Richtigkeit hat, soll weiter unten am inneren Zusammenhang der Probleme gezeigt werden. Hier handelt.es sich um eine andere Seite der Frage. N mlich da doch die Aufhebung n tig ist, und andererseits das Nichtsein der rechtm ige Ausdruck der Aufhebung ist, so fragt es sich, wie es m glich wurde, da nun alles Nichtsein in einem anderen, dem setzenden Sinne verstanden werden, der aufhebende Sinn in ihm aber ganz verloren gegangen sein sollte. Gleichwohl ist es unm glich, wenn man das μη δν einmal streng in dem einen Sinne pr gnant gemacht hat, es gleichzeitig auch wiederum im anderen Sinne zu verstehen. Es dr ngt sich also unwillk rlich die Frage auf, ob sich nicht neben dem μη δν noch ein zweiter, und zwar ein strikterer Ausdruck des Nichtseins finden lie e, welchen wir als das Nichtsein der Aufhebung verstehen k nnten. Nun besitzt die griechische Sprache gerade das, was zu solch einer zweiten terminologischen Bildung erforderlich ist: die zweite Negation, μη und ov unterscheiden sich ihrem Gebrauch nach in der Weise, da ov die einfach aussagende, k o n s t a t i e r e n d e N e g a t i o n , μη dagegen die versagende, bedingende, verallgemeinernde, kurz die b e z i e h e n d e Negation ist. Es l t sich daher wohl erwarten, da in solchen Begriffsbildungen, wie dem μη δν und dem o#x ov dieser Bedeutungsunterschied sich in irgendeiner Weise bemerkbar machen mu . Vorausgesetzt nun, da sich derartiges aus den syntaktischen Bedingungen heraus verstehen l t, so ist es nicht schwer vorauszusehen, da die einfach konstatierende Negation auch nur die einfache, direkte Aufhebung desjenigen Begriffs bedeuten kann, den sie negiert, die beziehende dagegen — wie das ja auch der tats chlichen Bedeutung des μη δν bei Plato entspricht — die positive Setzung des „anderen". Denn dieses ist selbst ein P r o d u k t d e r B e z i e h u n g , w hrend die Aufhebung vielmehr die A u f l sung der B e z i e h u n g , oder doch mindestens das Absehen von ihr bedeutet. Bei Plato kommen beide Formen des Nichtseins fortw hrend vor; wir sehen μη δν und ουκ δν fast auf jeder Seite der Nichtseinsuntersuchung des „Sophisten" 10*

148

Grammatischer und philosophischer Unterschied

beieinanderstehen. Das hat nun zwar u erlich seinen sehr einfachen Grund in der streng geregelten Bedingtheit beider Formen durch die Satzanlage, oder spezieller durch diejenige Satzbildung, deren Verk rzung die negierten Partizipien ausdr cken. Das w rde aber dem noch nicht widersprechen, da sich hinter ihrem formal bedingten Unterschiede auch ein philosophisch bedingter verberge. Denn da die formale Bedingtheit ja dem Sinn der Satzbildung keineswegs u erlich ist, sondern gerade einen inhaltlichen Unterschied zum Ausdruck bringen soll, so mu man zum mindesten die Berechtigung der Aufgabe zugestehen, f r diese formale B e d i n g t h e i t auch die innere Kehrseite, die philosophische Bedingtheit ausfindig zu machen. Ob etwas Derartiges Plato zum Bewu tsein gekommen sei und ob der Bau seiner S tze, der die formale Bedingung enth lt, etwa durch eine solche Bedeutungsunterscheidung schon mitbestimmt sei, ist nat rlich eine ganz andere Frage, um die es sich f r uns gar nicht handeln kann. Denn es liegt in unserer Aufgabe, nicht die pers nlichen Ansichten des Philosophen als das Wesentliche in seinen Schriften zu betrachten, sondern einzig den objektiven Problemgehalt, der f r ihn wie f r jeden Denker das innerlich Bestimmende ist, auch wo er ihn nicht in ganzer Klarheit durchschaut. Sehen wir einmal n her zu, wie die vollen S tze beschaffen sein m ssen, aus denen sich die fraglichen Partizipialbildungen als Verk r z u n g e n ergeben. Wenn n mlich beide durch die Satzstruktur bestimmt sind, so ist es klar, da eben diese schon eine wesentliche Inhaltsmodifikation bedeutet. Denn es ist inhaltlich durchaus nicht einerlei, ob ich auszudr cken habe „dieses Bestimmte, welches nicht ist" oder „ein Allgemeines, sofern es nicht ist". Das eine ist griechisch δ ουκ εστί, das andere δ αν μη fj, oder κα&' δσον αν μη fj. In partizipialer Form ergibt das eine ουκ δν, das andere μη δν. Hieraus allein d rfte schon erhellen, da beide Formen des Nichtseins nicht b e g r i f f l i c h i d e n t i s c h sein k nnen. Der innere Sinn der Verallgemeinerung unterscheidet sie. Dieser aber ist letztlich Beziehung. Hinter einem formalen Unterschied steckt eben immer schon ein innerer, begrifflicher; anders k nnte sich in der Geschichte der Formen der Unterschied ja auch gar nicht herausbilden. Er mu veranla t sein. Hinter dem ουκ δν steckt also letztlich das ουκ sau, das einfache Negiertsein eines bestimmten Inhalts; es ist aber klar, da Negation, die auf ein Bestimmtes — und nur auf dieses

Beschr nkende und verallgemeinernde Negation

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— bezogen ist, ohne seinen Zusammenhang mit anderen logisch benachbarten Inhalten mitzudenken, blo A u f h e b u n g bedeutet; denn das, was mehr als Aufhebung w re, die Setzung des anderen, wird ja in der Isolierung der Bestimmtheit schon ausgeschlossen. Die Beschr n k u n g des I n h a l t s macht die Aufhebung absolut.1 Es wird hier nur an den begrenzten Begriffsumfang gedacht; und da eben genau auf diesen sich die Negation bezieht, so ist sie vollst ndig oder absolut. Anders ist es im μη δν. Hinter ihm steckt syntaktisch ein δ &v μη fi (oder δπβ, oder xa& δσον &v μη fi). In diesen verallgemeinernden Satzbildungen ist ganz offenkundig nicht ein beschr nkter Einzelfall gemeint, sondern ein Allgemeines, eine T o t a l i t t m glicher F lle. Dasjenige, was die Negation zur einfachen Aufhebung beschr nkte, die Inhaltsbeschr nkung, findet also hier nicht statt. Hier ist der Begriff nicht isoliert, sondern in seiner Begriffsgemeinschaft gedacht; der Zusammenhang ist gewahrt. Dieser ist aber Z u s a m m e n h a n g mit dem N i c h t n e g i e r t e n . Das zeigt namentlich die Aufl sung durch δπγι, κα#' δσον etc. („sofern"); das „sofern" schlie t immer schon das „sofern nicht" ein, es steht mit ihm nicht in Disjunktion, sondern in Konjunktion. Folglich ist neben und im Negierten das Nichtnegierte, oder das Hinausgehen auf ein Positives miteinbegriffen. Das μη δν bedeutet somit gerade dank seiner syntaktischen strengen Bestimmtheit die Unterschiedenheit vom ουκ v, die ber sich selbst hinausgehende Negation, w hrend dieses die in sich stehen bleib e n d e bezeichnet. Daher kommt es, da ein wirklicher Begriff der Negation, im Sinne der strengen Allgemeinheit des Begriffs, nur in Form des μη v gebildet werden kann. Denn nur diese kann eben die Verallgemeinerung und Beziehungsmannigfaltigkeit zum Ausdruck bringen, die den Begriffscharakter auszeichnet: το μη δν. Ein dementsprechendes το ουκ δν kann es nicht geben. Darin haben wir denn wohl auch den Grund zu sehen, warum die strikte Negation der Aufhebung, die der Sache nach auch als Begriff erhalten bleiben mu te, sich nicht gleich dem μη δν zum Begriff pr zisieren konnte. Wir sehen es daher immer nur gleichsam zuf llig auftauchen, wo die Negation sich auf *) ber die M glichkeit sowie die logische Bedeutung eines solchen absolut Negativen durch Beschr nkung vgl. unten S. 152 ff.; dazu N heres ber den Begriff der Aufhebung als der Vernichtung bei Cohen, Logik S. 87 ff.

Vom ουκ αν kein ausgepr gter Begriff

ein bestimmtes Einzelsein bezieht — denn nur dort kann diese aufheben —, nicht aber auf einen festen Begriffsterminus der Aufhebung fixiert. Es liegt berhaupt immer das ganze Schwergewicht auf dem neugefundenen Begriff des seienden oder setzenden Nichtseins. Es ist begreiflich, da das aufhebende Nichtsein dabei weniger beachtet wird. Es zeigt sich infolgedessen nur indirekt, so in der „Unvermischtheit" der kontradiktorischen Begriffe, einem Gedanken, der, wie wir sahen, auch mit Vorsicht aufzunehmen ist, jedenfalls nicht als absolute Trennung. Die Aufhebung, die doch systematisch nicht zu umgehen war, mu te derartige Spuren in der Untersuchung hinterlassen. Daher ist es nicht verwunderlich, da sich ein derartiger Anhalt finden l t. Es w re im Gegenteil zu verwundern, wenn er sich nicht finden lie e. Im Unterschiede der Negationspartikeln mu te sich wohl etwas davon aussprechen1, selbst wenn Plato die selbst ndige Leistung des Widerspruchs ganz verkannt h tte. Sie w re dann gegen seinen Willen hervorgebrochen, wo er es am wenigsten erwartet h tte. Denn solche Problemwerte, die fundamental genug sind, um sachlich nicht umgangen werden zu k nnen, lassen sich eben auf keine Weise aus dem Zusammenhang der Probleme eliminieren. Sie kehren unabweisbar wieder, ob man es will oder nicht. Die einzelnen Stellen, an denen das ονκ dv steht, zu untersuchen, ist hiernach kaum erforderlich. Der Einwand, dem zu begegnen w re, ist ja auch nicht der, da der Bedeutungsunterschied von μη und ου sich nicht durchf hren lasse — denn die innere Sprachlogik gibt ihn selbst an die Hand; es k nnte vielmehr h chstens scheinen, da damit wenig gesagt sei. Doch ergibt sich, wenn man dabei das Auge auf das Ganze der Problemverkettung gerichtet h lt, wohl ein gen gend einleuchtender Sinn. So z. B. die Stelle 2560 zeigt den Satz:.. ή κίνηοις όντως ουκ δν εστί και δν . . „Bewegung ist wirklich nicht Sein und doch Sein." N mlich sie ist beides in verschiedenem Verstande. „Sein" ist sie laut Erkl rung, sofern sie teilhat am Sein, also durch Begriffsverkn pfung. „Nicht Sein" dagegen ist sie in der Tat, sofern blo ihre Unterscheidung *) Freilich scheint eine Stelle (25760) hiergegen zu sprechen, wo es hei t, beide Negationspartikeln bewirkten nicht das εναντίον der Begriffe, vor denen sie st nden, sondern nur ein von ihnen verschiedenes. Es ist aber wohl anzunehmen, da hier nur der Charakter der Verneinung berhaupt (όταν απόφαοις λέγηται) gekennzeichnet werden soll, in der als solcher der Widerspruch eben noch nicht zu liegen braucht.

Die Begriffe als ovx Λτα

vom Sein, also das Trennende zwischen beiden Begriffen betont wird. In dieser einseitigen Betonung kommt der Zusammenhang nicht zu seinem Recht; so kann die Negation als ein ουκ Am, als einfache Aufhebung verstanden werden. Das hat an dieser Stelle gerade seinen treffenden Sinn um der Paradoxie willen: „δντως ουκ bv . . καί δν", die doch gewi nicht unbeabsichtigt ist. Es soll eben wohl erst auf den anderen, beziehenden Begriff des Nichtseins hingeleitet werden. Dieser tritt denn auch gleich darauf f r ihn ein als το μη δν, allgemein, als Begriff sich der κίνησις und allen Begriffen mitteilend. Dagegen steht es 256E wiederum vom έτερον gesagt da: Ικαστον ουκ δν ποιεί. Nat rlich, an einem „jeden einzelnen" wird die Negation zum ουκ lim, n mlich sofern es gerade als einzelnes genommen und nicht auf Nichtnegiertes bezogen werden kann. In diesem Sinne werden „alle Begriffe zu ουκ δντα", worin hier gleichfalls offenbar das Paradoxe des Gegensatzes hervorgekehrt werden soll; wie der Schlu des Satzes zeigt, in dem sie gleichzeitig als δντα dastehen. — Einige Zeilen weiter ist eine hnliche Zusammenstellung, nur noch deutlicher gemacht durch die Aufl sung in das volle ουκ εστίν. N mlich das Sein selbst „ist nicht", sofern das andere ist; in dieser Hinsicht ist es aufgehoben. Dementsprechend hei t es nun: Ικέϊνα γαρ ουκ δν ξν μεν αυτό £στιν . . N mlich seiend ist es an sich selbst, nicht seiend — nur in der Beschr nkung der Beziehung auf das, was es in der Tat nicht ist. Wo diese Beschr nkung in Kraft tritt, hat es an jenem sein Widersprechendes — was sich in der Herstellung der allseitigen Beziehung nat rlich leicht aufl sen l t. In hnlicher Weise lassen sich die meisten Stellen deuten, an denen das ουκ δν steht. Nicht nur vom „Sophisten" gilt das, sondern ebenso von den anderen Dialogen; so z. B. Parm. 132 C, 1366, 162A; Politikus 284A, Phil. 42B u. a. Auf diese und hnliche Stellen n her einzugehen, w rde uns zu weit f hren, zumal der Kern der Frage durchaus ein systematischer ist und also davon auch kaum abh ngig zu machen ist, wie viele Stellen sich im Sinne der fraglichen Unterscheidung verstehen lassen und wie viele nicht. Das kann immer erst in zweiter Linie in Frage kommen. Denn wo es das Problem eines Begriffs gibt, da mu dieser selbst angesetzt werden, einerlei in welcher Form sich f r ihn hinterher der Beleg ergibt. So ist denn der Gedanke vom ονκ δν als dem aufhebenden Nichtsein von unserer Interpretation im einzelnen letzterdings ganz unabh ngig. Diese ist an ihm nur ein Versuch der Rechtfertigung, der vielleicht

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Systematische Zusammenfassung

auch anders angestellt werden könnte. würde das nichts ändern. 1

In der Sache selbst

Es erübrigt nun noch abschließend das ganze Problem des Nichtseins und Seins auch in systematischer Einheitlichkeit zusammenzufassen. Wir müssen uns dazu für eine Weile vom Platonischen Text entfernen und auf die weiteren historischen Zusammenhänge hinblicken, die das Problem des Nichtseins, so wie es im „Sophisten" zuerst aufgeworfen wurde, im Gange der Probleme veranlaßt hat. So kann sich uns der Ausblick auf Konsequenzen und Vertiefungen eröffnen, die Plato, der als erster den noch ungebahnten Weg der Nichtseinsforschung bewußtermaßen beschritt, natürlich nicht voraussehen konnte. Als Frage der Negation ist das Problem des Nichtseins niemals ganz aus dem Bereich des philosophischen Interesses verschwunden, selbst im Mittelalter nicht, das sonst an logischer Grundfragestellung so arm war. Wir müssen, um das Gesamtbild des Nichtseinsproblems zu erhalten, noch einmal auf diese seine Form, die elementare Frage der Negationstypen zurückgreifen. — Die formale Logik unterscheidet zwei Arten von Negationen. Die eine geht vom zu negierenden A nur bis zum non A, d. h. zur einfachen Aufhebung. Was über diese hinausliegen mag, bleibt einfach unberücksichtigt, es gehört nicht mehr in dieses Stadium der Denkleistung. Das Stehenbleiben bei dem einzelnen Negierten ist eben das Charakteristikum *) Es ist bemerkenswert, daß das Verneinungsproblem, das in der Doppelheit der griechischen Negationspartikeln steckt, auch schon von Schelli n g in seiner „Philosophie der Mythologie" bemerkt und in der fundamentalsten Weise geltend gemacht worden ist. So unterscheidet er (W. W. 2. Abt. I S. 288): „nicht Sein ( ) ist nicht Nichtsein ( ), denn die griechische Sprache hat den Vorteil, die kontradiktorische und die bloß konträre Verneinung jede durch eine eigene Partikel ausdrücken zu können". Deutlicher noch heißt es weiter (307), „daß auch im allgemeinen Sprachgebrauch die beiden Verneinungspartikeln, welche die griechische Sprache wahrscheinlich vor allen anderen voraus hat, auf verschiedene Weise verneinen, und zwar . . . ganz a n a l o g der p h i l o s o p h i s c h e n U n t e r s c h e i d u n g , daß durch das eine nur die Wirklichkeit geleugnet, durch das andere auch die Möglichkeit aufgehoben wird". Dieses Hineinziehen der Modalität läßt freilich leicht wieder den einfachen Sinn der Unterscheidung dunkel werden; doch ist Schellings Gedanke genau nach seiner Terminologie zu verstehen, in welcher aufgehoben nur das ist, was auch nicht möglich ist, das bloß der Wirklichkeit nach Negierte aber identisch ist mit dem „ersten denkbaren" (primum cogitabile, S. 289); das letztere ist also ganz offenbar das Nichtsein des Ursprungs.

Von A und B

je?

dieser Art Negation. Ob solch ein Stehenbleiben psychologisch, im Denkprozeß, möglich sei, ist eine andere Frage. Die geht uns hier nichts an. Logisch, in der Denkleistung, muß es möglich sein; denn im logischen Verstande muß jede Stufe sich in sich selbst als eigene Leistung betrachten lassen. Die andere Art der Negation geht über das non A hinüber zum B. Dieses B ist keineswegs ein dem non A fremder, hinzugefügter Inhalt. Es ist das non A selbst, nur in anderer Hinsicht, in seiner Umprägung zu etwas Neuem. In dieser Umprägung erhält sich die Bestimmung des non A, aber sie wird zur U m g r e n z u n g eines anderen, das in A nicht enthalten war — weder positiv noch negativ. Aber weil es andererseits als Kehrseite des non A dasteht, so ist es immer noch in der Leistung der Negation mit enthalten. Das B selbst ist diese zweite Art der Negation des A. In dieser Negation wird also mehr geleistet als in der anderen. Es wird nicht nur aufgehoben, sondern auch gesetzt. Auf dem Setzen liegt der ganze Nachdruck. Und es ist leicht einzusehen, daß in der Anwendung auch der ganze Wert und Zweck dieser Negation in dem Setzen liegt und nicht im Negieren selbst. Das letztere sinkt ihm gegenüber zum bloßen Mittel, oder — im besten Sinne — zur Übergangsstufe herab. Dieses Herabsinken der Negation zum Vermittlungsglied „für" etwas anderes ist aber keineswegs eine Herabsetzung ihres logischen Wertes. Im Gegenteil, sie soll diesen erst hierin finden. Gerade die einfache Negation, das non A hat für sich genommen keinen Wert. Denn die Denkwerte sind ja keine Aufhebungen, sondern Setzungen. Nicht das Nichts, sondern das Etwas, das Sein, ist Denkinhalt. Und das Wahre muß immer, in jedem Probleme, ein Positives sein. Denn alle Problemstellung geht nur auf Positives und nicht auf nichts. Das non A allein leistet solchen positiven Denkwert nicht. Wohl aber das B. In ihm gewinnt daher die Negation erst ihre positive Bedeutung, nämlich als Methode zur Position. Sie wird hier zur schaffenden Denkleistung, zum Prinzip logischer Neuschöpfung. Diese Umprägung der aufhebenden Negation zur setzenden geschieht freilich nicht anders als durch Vertauschung, oder vielmehr V e r t i e f u n g des ganzen logischen Gesichtspunktes. Die einfache Aufhebung bewegt sich ausschließlich im Begriff des A. Sie geht aus ihm nicht hinaus. Denn auch seine Negation zum non A ist noch kein Hinausgehen; sie be-

I 54

Analytische und synthetische Negation

sagt nur Aufhebung, also gewissermaßen die logische Leere des Begriffsumkreises von A, nichts weiter. Dabei wird dieser noch nicht überschritten. Ganz anders die andere Art der Negation. Hier findet in dem B ein wirkliches Hinausgehen statt, und zwar ein doppeltes: erstens über das Negieren selbst zum Setzen, zweitens über das A als Begriffsinhalt zum B als neuem, anderem Begriffsinhalt. Damit aber ist der ganze Gesichtspunkt verschoben: Die Negation ist zum Denkmittel in anderem, tieferem Sinne geworden, den sie als bloße Aufhebung nicht hat. Das ist in der Sprache Kants das „Synthetische". Dieses besteht eben in nichts anderem als im „Hinausgehen". Das ist ein Hinausgehen freilich nicht vom Gesichtspunkte des Denkens überhaupt, wohl aber von dem des „Analytischen" aus. Für die analytische Natur des Denkens ist die synthetische ein Hinausgehen aus dem Begriff. Das Analytische bleibt im Bereich des Begriffs, es geht nicht hinaus aus dem, was ihm gegebenerweise zum Inhalt geworden ist. Wie freilich es zum Inhalt geworden ist, kann es nicht angeben. Denn es konnte zum Inhalt nur durch Hinausgehen über ein anderes werden, das analytische Denken kann aber eben das Hinausgehen nicht begreifen. Das Analytische ist nicht selbständig; es ist immer erst etwas an einem Synthetischen. Dieses ist das alles Schaffende, Zugrundelegende; jenes ist nur eine spezielle Seite an ihm, einer seiner Charakterzüge. Dieses Verhältnis ist es gerade, das wir an den zwei Arten der Negation sehen. Im Denkprozeß ist nie die eine ohne die andere, sie stecken i n e i n a n d e r ; jede Negation ist zugleich Aufhebung und Überschreitung; genau so wie überhaupt jede Denkleistung immer ihre analytische und synthetische Seite hat — mit dem Bemerk, daß die Leistung selbst immer auf seiten des Synthetischen ist. Das eben zeigt auch die Denkleistung der Negation: das Denken bleibt in der Tat niemals bei der leeren Aufhebung stehen. Es geht immer zugleich hinaus aus dem A über das non A zum B. Denn die synthetische und die analytische Natur des Denkens sind eben durchaus nur die ineinandersteckenden Charaktere eines Identischen, des Denkens selbst. Darum ist an der Doppeldeutigkeit keineswegs Anstoß zu nehmen. Sie muß bestehen bleiben, sie ist Charakteristikum alles Denkens. Aber gerade weil diese beiden Seiten untrennbar sind und niemals die eine ohne die andere möglich wird, müssen sie nur um so mehr — nicht geschieden — sondern unterschieden werden.

Analytischer Grundsatz des Widerspruchs

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Und ebenso wie es nun Sinn hat und notwendig ist, die analytische Natur des Denkens von der synthetischen im allgemeinen zu unterscheiden, obgleich sie immer nur eine u erliche (gleichsam formale) Seite an dieser ist, so ist es auch notwendig, die formale, im Inhalt als gegebenem befangene Negation zu unterscheiden von der ihr selbst zugrunde liegenden Innenseite, der hinausgehenden Negation, die allen Inhalt als durch sich selbst erzeugten auch wieder berwindet und so zu neuem Inhalt hinausgeht. Die letztere ist das Nichtsein im pr gnanten Platonischen Sinne, το μη δν — im Gegensatz zu dem auf gegebenen Einzelinhalt beschr nkten und deswegen diesen blo aufhebenden ονκ δν. Es ist daher wohl dem Problem entsprechend, den genannten Unterschied als den der s y n t h e t i s c h e n und analytischen Negation zu bestimmen. An dem Begriff το μη δν entfaltet sich deutlich der synthetische Grundcharakter des Denkens. Denn es ist diejenige Grundleistung, die allen Begriffszusammenhang erst m glich macht, indem sie zu einem jeden έτερον sein έτερον notwendig macht — und somit in der Tat das Prinzip der hinausgehenden Natur des Denkens ist. Es ist wohl wert, an diesem fundamentalsten Punkte der logischen Problemkette noch einen Augenblick zu verweilen, um ihn von einem allgemeineren Standpunkte zu beleuchten, als er f r Plato zug nglich war. Wir, die wir heute auf den Fr chten der Platonischen Problemstellung fu en, k nnen eben, was er nicht konnte, — aus der historischen Bew hrtheit dieser Problemstellung heraus sprechen. — Die ganze Problemweite der Erkenntnisfrage, wie sie bei Plato offen dasteht, ist in der Folgezeit keineswegs uneingeschr nkt stehen geblieben. Die Aristotelische Denklehre verfolgte schon durchaus ein einseitigeres Problem. Diese neigt schon stark zur Bevorzugung der formalen, also analytischen Seite des Denkens. Und aus ihr ging die sogenannte „formale Logik" der Scholastiker hervor, die sich ganz offenkundig auf den analytischen Gesichtspunkt zur ckzog; man denke der Syllogistik, die alle Denksicherheit zu einer Frage des Umfangs herabw rdigte. Diese ganze Seite des Denkens hat zu ihrem obersten Prinzip den Satz des Widerspruchs. Das hat bei Kant seinen Ausdruck darin gefunden, da er den Satz des Widerspruchs zum „ o b e r s t e n G r u n d s a t z aller a n a l y t i s c h e n Urteile" machte. In der Tat ist die formale Seite des Urteils und Schlusses hinreichend durch dieses Denkgesetz bestimmt. Gleichwohl ist nicht davon

15 6

Synthetisches Analogen zum Widerspruch

abzusehen, daß eben dieses Denkgesetz ein negatives ist, wie es denn die Ausschließung des non A besagt. Es ist daher natürlich, daß auch diejenige Denksicherheit, die es gewährleistet, nicht mehr bedeuten kann als es selbst: etwas Negatives. Und wirklich ist alles, was diese ganze Seite der Logik im Auge hat, nichts als Ausschluß des Widersprechenden, Widerspruchslosigkeit. Der analytische Charakter ist eben dem wahren Grundcharakter des Denkens gegenüber nur ein negativer Charakterzug. Es ist also nicht verwunderlich, daß das Prinzip negativ ist, wo doch auch die Leistung des Prinzips negativ ist. Wie aber steht es mit dem Positiven, dem wahrhaften, synthetischen Charakter des Denkens ? In ihm ruht der Schwerpunkt der logischen Frage. Die positive Wissenschaft hängt mit ihrer Möglichkeitsfrage ganz und gar an ihm. Oder um es Platonisch zu sagen, das „Sein" hängt an ihm. Es ist leicht einzusehen, daß der analytisch negative Denkcharakter kein Sein verbürgen kann. Jene I d e n t i t ä t von Denken und Sein, wie sie Parmenides forderte, ist nur im synthetischen Vers t a n d e des Denkens durchführbar. Darum hängt an der synthetischen Natur, oder vielmehr an dem Prinzip derselben, aufs neue die ganze logische Grundfrage. — Wie steht es nun aber mit diesem Prinzip? Haben wir es etwa schon — ähnlich wie wir das der analytischen Natur am Satz des Widerspruchs haben ? Die neuere Philosophie setzt damit ein, daß sie auf den synthetischen Charakter des Denkens wieder aufmerksam wird; das Aufblühen der Physik ist durchweg an die Frage nach Prinzipien geknüpft. Bei Newton liegt schon der Begriff des Prinzips allem zugrunde. Und Kant führt diesen Gesichtspunkt in die Logik selbst ein. Dadurch erst kam es zur Entdeckung des allgemein synthetischen Charakters des Denkens. Auf diesen ist fortan die Grundfrage gerichtet. Aber so sehr Kant die synthetischen Prinzipien würdigt und klarstellt, es f e h l t auch bei ihm noch eins: das P r i n z i p des Synthetischen selbst, d.h. die Charakteristik der synthetischen Natur in der Einheit eines Grundprinzips. Für ein solches kann uns der „oberste Grundsatz aller synthetischen Urteile" nicht gelten, denn dieser besagt nur die Identität der Möglichkeitsbedingungen für die Erkenntnis und den Erkenntnisgegenstand. Man darf wohl sagen, das ist bloß eine tiefere Fassung der alten Identität von Denken und Sein. Aber das Gesetz, das innere Agens der Synthesis ist es nicht. Wir können an ihm noch nicht verstehen,

Das „Hinausgehen" über den Widerspruch

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wie das Denken fähig w i r d , über den Begriff hinauszugehen auf das, was nicht in ihm gedacht wird; dazu ist es erforderlich, ein alles umfassendes inneres Band, eine ursprüngliche Verknüpftheit alles möglichen Denkinhalts oder Denkgegenstandes nachzuweisen, — wie Kant sie ja auch in der „synthetischen Einheit" tatsächlich voraussetzt, ohne jedoch das Bindende, das Verknüpfende selbst in ihr aufzuzeigen. Es kann gleichwohl kein Zweifel sein, daß wir in dieser Frage vor einer letzten Kernfrage der Logik stehen. Das Umgehen eines derartigen Prinzips der ursprünglichen Verbindung ist vielmehr eine Umgehung der logischen Grundfrage. Wir können uns an dieser Stelle der Aufgabe nicht entziehen, eine Orientierung in dieser Grundfrage vorzunehmen; so verlangt es das uns vorliegende historische Problem. Denn da der synthetische Charakter des Denkens mit seinem Seinscharakter zusammenfällt, so muß auch das Prinzip des Synthetischen selbst mit dem Seinsprinzip als solchem zusammenfallen. Die Orientierung muß notwendig von dem ausgehen, was seine Problemreife bereits erlangt hat. Das ist in unserem Falle die analytische Natur des Denkens. In dieser besitzen wir ein umfassendes Prinzip und seine genaue Formulierung: den Satz des Widerspruchs. Was wir für den Grundsatz des Synthetischen brauchen, ist ein Analogon zu ihm. Es muß die gleiche Kraft der Allgemeinverbindlichkeit haben, aber nicht die gleiche Leere der Negativität. Es muß also, während es die Tragweite des W i d e r s p r u c h s b e w a h r t , i n h a l t l i c h ü b e r ihn hinausgehen. Und zwar muß dieses Hinausgehen zu einem Positiven führen. Denn nur so kann diejenige inhaltliche Neuschöpfung durch das Prinzip zustande kommen, in welcher die Ursprungsverknüpfung > sich zeigt. Mit der Forderung eines solchen A n a l o g o u s zum W i d e r s p r u c h stehen wir genau vor jener zweiten Art der Negation, welche wir vorhin als die über das Negieren selbst hinausgehende bezeichnet haben. Es ist diejenige Negation, die vom A über das non A zum B durchdringt. Sie hat mit dem Widerspruch die gleiche Tragweite, denn das B wird tatsächlich in allem non A mitgedacht. Es sind eben beide nur verschiedene Seiten oder Stufen der Negation. Und doch geht das B über das non A weit hinaus, denn es ist inhaltliche Neuschöpfung dem A gegenüber und in diesem nicht enthalten. Und das ist keineswegs bloß äußerliche, formale Übereinstimmung; an dem B in seinem Hervorgehen aus der Negation des A ist in der Tat das gesuchte

Ij8

Das

als Prinzip des Hinausgehens

Prinzip zu gewinnen. Als G r u n d s a t z würde es heißen: ,,das Nichtsein ist", während der Widerspruch besagte: „das Nichtsein ist nicht". Damit sind wir genau bei dem des „Sophisten" angelangt, welches eben das „seiende Nichtsein" im Unterschiede vom „nichtseienden Nichtsein" des Parmenides bedeutete. Es erübrigt nur noch zu zeigen, wie im allgemein systematischen Sinne dieses seiende Nichtsein in der Tat das P r i n z i p der s y n t h e t i s c h e n D e n k n a t u r abgibt. Das ist nun naheliegend genug. Das synthetische Denken vollzieht sich in Urteilen, die in doppeltem Sinne hinausgehen. Erstens geht das Prädikat über das Subjekt hinaus und zweitens das ganze Urteil über den Begriffscharakter überhaupt — ins Sein (Gegenstand). Das erstere Hinausgehen ist die Außenseite des letzteren. Nun ist ein Urteil nur dann notwendig, wenn das Prädikat vom Subjekt auf irgendeine Weise notwendig gefordert ist. Wenn aber diese Förderung nicht, wie im Analytischen, im direkten Inhalt des Subjekts liegen darf, sondern aus diesem vielmehr ausgeschlossen sein soll, so muß sie in einem tieferen gemeinsamen Grunde beider Begriffe liegen. Als ein solcher kann aber nur die u r s p r ü n g l i c h e V e r k n ü p f t h e i t aller B e g r i f f e miteinander zu einer systematischen Einheit gedacht werden. Jede andere Gründung fällt wieder ins Analytische zurück. Darum muß es für den Erweis dieser Verknüpftheit darauf ankommen, dasjenige Band, oder diejenige t r e i b e n d e K r a f t nachzuweisen, die, den Begriffen von Hause aus innewohnend, sie zwingt, sich miteinander in Urteilen zu vereinigen. Das Prinzip des Synthetischen muß also die T e n d e n z der Begriffe zueinander bedeuten. Zugleich aber muß es diese Tendenz auch zur Durchführung bringen. Es muß den Weg, den Ü b e r g a n g von Begriff zu Begriff möglich machen. Beides leistet der Begriff des seienden Nichtseins. Denn er ist es, der jeden Begriff zum Nichtsein für jeden anderen macht, aber zum seienden Nichtsein. In diesem Sinne bedeutet er das „andere des anderen". Das ist volle inhaltliche Ausgeschlossenheit und dennoch voller inhaltlicher Zusammenhang. Denn das andere ist zwar anders als das andere, insofern also negiert, aber doch zugleich ein anderes nur für sein anderes, also ebenso ursprünglich auf dieses bezogen und durch es mit gesetzt. Das andere tendiert zum anderen. Das Ursprüngliche in den Begriffen ist also die Richtung aufeinander, sie koexistiert schon in ihrer Trennung voneinander, genau so wie das Sein für-

Methode des Nichtseins im Prinzip des Synthetischen

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e i n a n d e r im N i c h t s e i n f ü r e i n a n d e r . In dem beiderseitigen „für" liegt eben schon die ursprüngliche Tendenz zueinander. Aber es handelt sich auch um die Bahnung des Weges, auf dem sich die Tendenz vollziehen kann. Auch das leistet das seiende Nichtsein. Es handelt sich dabei wesentlich um die Definition des Überganges. Dieser muß von Begriff zu Begriff, also von Sein zu Sein bewerkstelligt werden. Denn jeder Begriff bedeutet ein Sein. Da nun der Übergang nicht in die Begriffe, sondern zwischen sie fallen muß1, so muß er notwendig auch nicht in das Sein, sondern in gewissem Sinne außerhalb des Seins fallen — richtiger zwischen Sein und Sein. So muß er schon notwendig ein Nichtsein sein. Da er aber gleichwohl nicht gar nichts, sondern eine sehr bestimmte, fundamentale Leistung für das Sein bildet, so kann es nur das seiende Nichtsein sein, um das es sich handelt, indem sich der Seinswert der Leistung auf das leistende Prinzip überträgt. Der systematische Begriffszusammenhang, der die synthetische Natur des Denkens ausmacht, stellt sich somit als das Kontinuum einer ungeheuren Ü b e r g a n g s v e r k e t t u n g dar. Diese Kontinuität, der synthetische Urgrund des Denkens, ist jene E i n h e i t der Synthesis, in der nach Kant die Bedingungen der Erkenntnis wirklich zusammenfallen mit den Bedingungen der Gegenstände der Erkenntnis. Gegenstand und Erkenntnis sind hier noch in u n u n t e r s c h i e d e n e r Identität. Daher läßt das synthetische Denken in der Tat nicht nur das Hinausgehen über den Einzelbegriff, sondern auch über den Begriff als solchen zustande kommen — nämlich das Hinausgehen zum Sein. Es ist die ursprüngliche Identität von Denken und Sein, die in dieser Rückführung auch ihre Gründung in der Methode des N i c h t s e i n s finden muß. So weit reicht die Tragkraft jenes allerinnerlichsten, spontan schaffenden Prinzips, das so unscheinbar dem Satz des Widerspruchs sich anschließt, des seienden Nichtseins. Aber freilich schließt es sich ihm nicht an wie etwas Gleichgestelltes, sondern ihn überbietend, überflügelnd, weit hinter ihn zurückgreifend. Denn in ihm und nicht in jenem hat alle eigentliche Denkleistung ihren Ursprung. ') Wie der Begriff des „Zwischen" wirklich nahezu ebenso fundamental ist wie der des Nichtseins, werden wir beim Problem der & ( . Teil, i. Kap.) näher zu verfolgen haben. Eine volle Würdigung dieses merkwürdigen Begriffs läßt sich nur an seiner Geschichte erbringen.

l6o

Cohens „Ursprung"

Mit dieser Auffassung des seienden Nichtseins als des Prinzips des Synthetischen sind wir auf den genauen Sinn von Cohens „Urteil des Ursprungs" (im gleichnamigen Kapitel der Logik d. r. Erk.) hinausgelangt. Als unendliches Urteil kommt der Nichtseinsgedanke dazu, Ursprung zu werden — wie er denn auch in der Kantischen „Limitation" latent ist. Das am Nichtsein Entspringende ist das „Etwas" oder der Inhalt überhaupt. Dieses Entspringen bezieht sich auf jeden wissenschaftlichen Begriff, ja letztlich auf allen Denkgehalt überhaupt. Es ist die Urcharakteristik des Denkens als des erz e u g e n d e n . Was hiermit seiner Lösung entgegengeführt wird, ist jenes selbe Kantische Problem des Synthetischen; denn Neuschöpfung oder „Erzeugung" ist eben das innerste Wesen der synthetischen Natur des Denkens. „ U r s p r u n g " nun im Sinne der Erzeugung muß dasjenige sein, was allem Inhalt vorausliegt, ihn durch sich erst möglich macht. Er muß also in bezug auf den bestimmten Denkinhalt bloß das „Problem", in bezug auf das Sein ein Nichtsein bedeuten. Sofern dieses mit Notwendigkeit auf ein Sein, das Problem mit Notwendigkeit auf eine Lösung hinausführt, ist der Ursprung zugleich Prinzip des notwendigen Urzusammenhanges — also Kontinuität. Der Cohenische „Ursprung" aus dem „Nichts" ist die Z u r ü c k l e n k u n g d e r „synthetischen Einheit" Kants auf das P l a t o n i s c h e . Kant konnte diese Zurücklenkung systematisch nicht gewinnen, weil er sie historisch nicht gewinnen konnte. Das Problem der „reinen Vernunft" ist ihm zwar im wesentlichen das des Denkens — als des Denkens der Wissenschaft —, aber doch nebenbei auch das weniger präzisierte Problem des Bewußtseins1; was schon der Beginn mit der „transzendentalen ') Wenn man Kants „synthetische Einheit" bloß als Bewußtseinsproblem ansieht, so versagt freilich alle derartige Zurücklenkung derselben auf die antike Seinsfrage. Für die Durchführung dieses großen geschichtlichen Zusammenhanges gilt es, die Problemstellung auf beiden Seiten, bei Kant wie bei Plato, so rein wie möglich zu fassen. Der bloßen Bewußtseinsfrage gegenüber läßt sich der Anspruch des „Dinges an sich" im schlechten Sinne nicht zurückweisen; dieser aber würde von vornherein alle Beziehung auf das Platonische Seinsproblem abschneiden. Hält man sich dagegen eindeutig an die von Kant zum obersten Grundsatz gemachte Identität der Möglichkeitsbedingungen der Erkenntnis einerseits und ihres Gegenstandes andererseits, so entspricht diese aufs genauste dem Grundgedanken der Platonischen Logik des Seins, nach welchem in der Begriffsgemeinschaft Denken und Sein eins werden und in diesem ihrem Einssein auf dem Sv beruhen.

Kant, Fichte, Schelling

Ästhetik" beweist. Sein geschichtlicher Zusammenhang mit dem „Cogito" Descartes' und der Leibnizischen Apperzeption ließ ihn im Denkproblem das Bewußtseinsproblem festhalten — auch dort, wo er der Sache nach schon darüber hinaus war. Dagegen fehlte ihm die direkte Beziehung zu Plato, sowie überhaupt die Fühlung mit dem antiken Doppelproblem des Seins und Nichtseins. So konnte er freilich die fruchtbare Begründung seines eigenen Grundgedankens im Begriff des Nichtseins nicht finden, so sehr gerade er andererseits die gleiche Grundrichtung seines Denkens darin bekundete, daß er im Gegensatz zur englischen Terminologie das Ansehen der Idee wiederherstellte. Darum mußte bei ihm in der Grundlegung des synthetischen Denkcharakters gerade die zentrale Frage, die nach der Begründung des Synthetischen in der Leistung eines Grundprinzips, ungelöst bleiben. Sie ist seit Kant die fernere Aufgabe der systematischen Philosophie. Zu lösen war sie nur durch die Wiederentdeckung des Platonischen Nichtseins. Deswegen mußte der „Ursprung" am „Nichts" gewonnen werden. Es ist nichts instruktiver für diesen historischen Sachverhalt als das lebhafte Bedürfnis nach einer Ergänzung Kants, wie es bereits die frühe nachkantische Philosophie empfand. F i c h t e und Schelling haben, jeder in seiner Art, versucht, für das neuentdeckte Problem des Synthetischen das Prinzip zu finden, Fichte noch unrein, weil nicht frei von psychologischer Beimischung (im Ich und Nicht-Ich), Schelling ungleich reiner, weil durchaus objektiv, aber vielleicht nicht in voller systematischer Tragweite (wie denn der Begriff der „Potenz" bei ihm wesentlich Aristotelisch gedacht ist). Immerhin behandeln beide die systematische Grundfrage mit dem logischen Werkzeug des seienden Nichtseins; darin liegt der Sache nach ihre Annäherung an die Platonische Logik des Seins. Den umfassendsten Versuch dieser Art haben wir dann bei Hegel, einen Versuch, der für uns durch seine bewußte Anlehnung an Platonische Formulierungen von Interesse ist. Der Zug zur absoluten Geschlossenheit des Systems nötigt ihn dazu, die Kategorien in ursprünglicher Verknüpftheit vorzuführen, sie auseinander „dialektisch" hervorgehen zu lassen. Dazu bedarf es des methodischen Prinzips, denn so ohne weiteres, im undialektischen Sinn, gehen eben die Kategorien nicht ineinander über. Was sie scheidet gegeneinander und sie als unzusammenhängend erscheinen läßt, ist der Satz des Widerspruchs, oder richtiger, diejenige Natur des Denkens, die den Widerspruch C o h e n und N a t o r p , Philosophische Arbeiten

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Hegels absoluter „Anfang"

zum Prinzip hat, die analytische Natur. Sollen sie sich nun dennoch berühren und einander notwendig nach sich ziehen, so kann es jedenfalls beim Widerspruch allein nicht bleiben, es muß irgendwie über ihn hinausgegangen werden. Hierin dürfte für Hegel der Grund gelegen haben, den Widerspruch „aufzuheben". Ob das ein glücklicher Ausdruck ist, diese Frage soll uns nicht voreinnehmen. Man muß ihn nehmen, wie er selbst ihn erklärt. „Aufheben" ist nach ihm nicht vernichtende, sondern „erhaltende" Negation: „das Aufgehobene hat die Bestimmtheit, aus der es herkommt, noch an sich" (Logik I, S. 110, Ausg. von 1833). Das würde in unserer Sprache genau ein derartiges Hinausgehen über den Satz des Widerspruchs bedeuten, welches das Negierte gerade nicht aufhebt, sondern es zum anderen für ein anderes macht, also die verknüpfende, synthetische Negation. Diesen Begriff des „Aufhebens" legt er seiner „Dialektik" und damit dem System selbst zugrunde. Er ist gewissermaßen Grundbegriff des ganzen Systems. Denn er ist das Prinzip des Übergangs von einer Kategorie zur anderen, Prinzip der Gegenseitigkeit der Grundbegriffe. Damit ist der Begriff eines Prinzips der synthetischen Denknatur im Gegensatz zum Widerspruch als dem der analytischen, der Sache nach so gut wie erreicht. — Scheinbar unzusammenhängend hiermit, in Wahrheit aber geradezu identisch mit diesem „Aufheben" ist jener Begriff des „Nichtseins" oder „Nichts", den Hegel in Synthese mit dem Sein an die Spitze des Systems stellt und als den absoluten „Anfang" bezeichnet. Es soll damit die logische Ursprungsform des Seins charakterisiert seinv die volle Ununterschiedenheit der noch zu erzeugenden Bestimmtheiten. Es ist der noch über die Qualität hinausliegende Anfang, der als Antezipation alles, als Durchführung nichts ist. Den Einzelbestimmungen des Denkens gegenüber ist es das Umfassende, oder, wie es einmal heißt, „Reinheit der Kontinuität" (S. 97). Diese kann nur das in seinen Leistungen noch ununterschiedene Kontinuum des Denkens überhaupt bedeuten. Dann aber ist sie die ursprüngliche Form eben jenes Systemzusammenhanges, welcher ja auch nichts anderes als Kontinuum ist, nämlich das allen einzelnen Kategorien schon zugrunde liegende Prinzip des Überganges durch „Aufhebung" d. h. durch erhaltendes Hinausgehen. Der absolute „Anfang" fällt so mit dem Übergangsbegriff sachlich in eins zusammen. Auch die Berufung auf das des Plato fehlt nicht, wiewohl freilich Hegel die systematische Tiefe des Platonischen Gedankens nicht erfaßt, sondern ihn

Platos Anteil am Problem des Synthetischen

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schon auf speziellere Stufen des Denksystems bezieht. — Wenn Hegel den von ihm selbst festgelegten Sinn der „Aufhebung" überall rein festgehalten und andererseits der wirklichen, nicht erhaltenden Aufhebung den ihr zukommenden Platz angewiesen hätte, so wäre er wahrscheinlich auch zur Durchführung dessen gelangt, was er im ersten Buch der Logik so bewunderungs^ würdig begann. An der Nichterfüllung dieser beiden Bedingungen krankt aber gerade seine Dialektik; und je weiter er im Ausbau des Systems fortschritt, um so fühlbarer machte sich der Fehler. Schon mit der Einführung des Reflexionsbegriffs beginnt die Abweichung von seinem eigenen dialektischen Grundprinzip — ganz zu geschweigen von den Willkürlichkeiten seiner Naturphilosophie. Und da ihm die Kontroiinstanz des Widerspruchs als aufgehoben gilt, und jeder einmal eingeführte Begriff — auch der nicht stichhaltige — ungehindert weiter und weiter übergehen kann, so entbehrt bei ihm das System der Selbstkorrektur. Daher ist bei Hegel durchaus von der Durchführung die ursprüngliche Absicht zu unterscheiden. Nur auf die letztere kann es uns als auf eine Wiederaufnahme des Platonischen Problems ankommen. Denn in ihr dürfte das seiende Nichtsein als das Prinzip des synthetischen Denkens wohl unverkennbar sein. Aber es rein herauszuschälen, wäre freilich für den Interpreten eine Aufgabe von höchster Schwierigkeit. — Aber damit haben wir uns von Plato entfernt. Denn es kann natürlich niemals behauptet werden, daß er die synthetische Natur des Denkens von der analytischen unterschieden und in dieser Unterscheidung zum Problem gemacht habe. Das konnte erst viel später geschehen, dort wo die Philosophie auf das feste Leitgebiet einer mathematischen Physik hinblicken konnte. Bei aller Annäherung Platos an dieses Problem muß man daher wohl auf der Hut sein, seinen Worten einen derartigen Sinn unterzulegen; die Fragen, die er behandelt, schauen eben ungleich weiter aus, als er selbst es ahnen konnte. Dennoch war eine solche systematische Durchführung für unseren Zweck erforderlich; erst an ihr können wir die Größe dessen ermessen, was Plato wirklich leistet, wieviel er — sei es an Fragestellung, sei es an positiver Formulierung — für das synthetische Grundproblem der Nachwelt erarbeitet hat. Plato steht im geschichtlichen Gang der Probleme noch vor jenem Wendepunkte, an welchem dje Bevorzugung des formalen, analytischen Moments im Denken begann. Aber er steht unmittelbar vor ihm. Denn

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Denkproblem und Seinsproblem

dieser Wendepunkt ist Aristoteles in seinen logischen Schriften. So ist es nicht zu verwundern, daß Plato noch dem Denken als einem einheitlichen Denkcharakter gegenüberstand, nicht anders als Parmenides und Demokrit. Das Denken ist ihm noch vollkommene Ununterschiedenheit der Charaktere. Aber eben das ist sein Vorzug vor Aristoteles und den späteren Logikern. Diese mußten dank ihrer übertriebenen Richtung auf das Formale, die negative Übereinstimmung, in falsche Überschätzung der analytischen, d. h. der sekundären, wertloseren Seite des Denkens verfallen. Plato dagegen, dem solche Einseitigkeit noch fremd ist, mußte in seiner vollen Unbefangenheit naturgemäß auf diejenige Seite den Nachdruck legen, die für alles schaffende wissenschaftliche Bewußtsein die Hauptsache und der eigentliche Grundwert ist. Und das ist eben — ob erkannt oder unerkannt — die synthetische Natur des Denkens. Plato brauchte sich nicht einmal erst auf diesen Standpunkt zu stellen; er wuchs historisch in ihn hinein. Denn die ganze vorplatonische Philosophie, soweit sie überhaupt das Denkproblem behandelt, bewegt sich in der Methodik dieses Gesichtspunktes; er ist die unerkannte Einheit aller jener ältesten Probleme, denn er ist im Grunde identisch mit jener Einheit, die, wie wir gesehen haben, das Seinsproblem bildet. Mit der Erbschaft dieser Probleme wächst Plato in die Einheit ihres Gesichtspunktes hinein. Das Denken als inhaltliches, ja als identisch mit seinem Inhalt — nämlich dem Sein —, das ist ja gerade die erste Formulierung, die das Denkproblem erhält. Und bis auf Plato inklusive bleibt sie unbedingt leitend. Die Seinsnatur des Denkens ist letzterdings nichts anderes als seine synthetische Natur, so unvollkommen ihre Formulierung immer sein mag. Jenes älteste aller Probleme, das Seinsproblem, enthält somit schon im Keim die Richtung auf die synthetische Natur des Denkens. Das Denkproblem ist jünger; es wurde durch jenes bestimmt, entsprang an ihm — als Denken des Seins; wie es denn auch nicht von ungefähr ist, daß das Seinsproblem von seinen ersten Anfängen ab mit demjenigen, gleichfalls noch unerkannten methodischen Begriff arbeitet, den Plato im „Sophisten" als Grundhebel aller Denkleistung erkennen läßt. Wie das Nichtsein von Hause aus in der steckte und so wirklich ein Ursprung war, diese historische Tatsache haben wir daher von hier aus nicht mehr als „bloße" Tatsache, sondern als innere, dem Problem selbst entspringende Notwendigkeit anzusehen. Wir dürfen es wohl sagen, schon die alte

Bewußtes und Latentes in Platos Denken

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war in diesem Sinne synthetisches Grundprinzip. Darum ist ihre Geschichte die Geschichte des synthetischen Denkens, oder was dasselbe ist, des Seins. Die Urgeschichte des Seins ist die Urgeschichte der Logik des Seins. Bei Demokrit haben wir die erste deutlich ausgesprochne Problemeinheit dieser Art, denn bei ihm zuerst ging die mit dem „wahrhaften Sein" in die Einheit eines Problems, ja eines Begriffs, zusammen, als Prinzip „für" das Seiende. So wurde die Naturwissenschaft auf Seinsprinzipien gestellt. Das ist es eben, was wir synthetische Prinzipien nennen. Das gilt in noch erhöhtem Sinne von der Platonischen Idee. Sie soll das Seinsproblem nicht nur für die Naturwissenschaft, sondern für alles wissenschaftliche Denken abgeben. Somit ist das Ideenproblem von vornherein recht eigentlich das Problem der synthetischen Prinzipien und der synthetischen Denknatur überhaupt. Wir werden diese Auffassung noch am Begriff der Idee und der & und schließlich am Begriff der dialektischen Methode eingehender zu betrachten haben. Es wird sich dabei zeigen, wie sehr in der Tat die Idee nichts anderes zu bedeuten hat als „Prinzip" im synthetischen Verstande. Einstweilen müssen wir den Nachweis hierfür noch offen lassen. Worauf es uns hier ankommen muß, ist nur, festzustellen, wie weit Plato in der prinzipiellen Begründung dieses synthetischen oder Seins - Charakters vorgedrungen ist. Es ist sehr wunderbar zu sehen, wie Plato das Synthetische der Sache nach in Händen hält, ganz in ihm wurzelt, ja sogar das Grundprinzip findet, in dem es seine Begründung hat, — und doch nicht zum Bewußtsein dessen gelangt, was er an ihm hat. Der „Sophist" und der „Parmenides" zeigen die größten Tief blicke dieser Art. Und doch ist in ihnen die Schlußfolgerung, die das Ganze als klares Resultat zusammenfassen sollte, nirgends gezogen, so sehr es an vielen Stellen auf der Hand liegt. Wir können daher nirgends mit Genauigkeit sagen, wie weit er sich das Problem des schaffenden Denkens klargemacht habe. Wir können nur die tiefsten jener Andeutungen zusammenstellen, in System bringen und das Resultat für uns und für unser Bedürfnis nach Verständnis der großen historischen Zusammenhänge ziehen. Die Frage nach dem Selbstbewußtsein dieses Resultats in ihm als Menschen, als Persönlichkeit, muß uns unlösbar bleiben. So viel ist gewiß, daß er von der Gründung einzelner Probleme in einzelnen Grundbegriffen bewußtermaßen aufgestiegen ist zu

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Platos Annäherung an den Systembegriff

der weiteren Gründung dieser Grundbegriffe in der Einheit eines Prinzips. Wie er diese zur absoluten Denkeinheit strebende Gründung in „Phädon" und „Republik" im Rückschluß über die einzelne Grundlegung notwendig macht (vgl. II. Teil, 2. und 3. Kap.), so ist er im „Sophisten" bemüht, die innere Triebkraft dieser Gründung aus dem Urcharakter der Begriffe, also dem Urcharakter des Denkens heraus verständlich zu machen. Die seitenlangen Deduktionen darüber, wie jeder Grundbegriff in gewissem Sinne jedem zukommen muß, dienen einzig diesem Zweck. Denn dieses gleichsam naturgemäße Zukommen führt ihn eben auf die gemeinsame Natur des Begriffs als solchen. Der Begriff ist außerhalb solchen Zukommens garnichts, gar nicht denkbar. Und der Philosophierende fängt sich selbst im eigenen Netz, sobald er das in Abrede stellen oder auch nur umgehen will; denn eben indem er philosophiert, d. h. denkt, über den Grundbegriff etwas feststellt, setzt oder sagt, hat er schon dieses Zukommen anerkannt. Das Einander-Zukommen der Begriffe ist denknotwendig. Also ist die „Gemeinschaft" oder „Verknüpfung" der Begriffe notwendig — wenn anders es einen Sinn haben soll, daß Wissen, Philosophieren oder Denken überhaupt etwas sei; denn „Gemeinschaft" und „Verknüpftheit" sind nur andere Ausdrücke für das „Einander-Zukommen". So weit also erkennt er die synthetische Natur des Denkens; denn daß in dieser Gemeinschaft kein anderer Sinn als der des Synthetischen steckt, darf uns wohl jetzt als ausgemacht gelten. Anders steht es mit der weiteren Begründung dieser Gemeinschaft durch das Prinzip des seienden Nichtseins. Es darf uns gewiß nicht zufällig erscheinen, daß die große Hauptuntersuchung des „Sophisten" zugleich eine Deduktion der Gemeinschaft und des seienden Nichtseins ist. Dennoch aber hat Plato die Gründung der ersteren auf das letztere nirgends direkt ausgesprochen. Das steht vielmehr als einer der Grundbegriffe da und nicht als gemeinsames Ursprungsprinzip ihrer aller. Dies ist der Punkt, an dem wir nicht sagen können, wie weit er sich selbst die Konsequenz jener großen Doppeldeduktion klarmacht. Und es wäre müßig, darum streiten zu wollen. In diesem Punkt müssen wir also über die direkten Worte des „Sophisten" hinausgehen und den Gedanken des großen Begriffsdialektikers in ihm zu Ende denken, wie er sich zur Einheit des geschlossenen Systems abrundet. Ü b r i g e n s ist es kein Zweifel, daß das in eben jener Deduktion der vor allen b e v o r z u g t e Begriff ist. Von hier ist es denn freilich

System der xotvcovla

nur noch ein Schritt zu dem Schlu , da es auch der allen zugrunde liegende Einheitsbegriff des Systems ist. Diesen Schlu k nnen wir uns in engster Anlehnung an Platos eigene Ausf hrungen etwa so vollziehbar denken. Jeder echte Grundbegriff liegt nicht einem bestimmten Denkinhalt, sondern dem Ganzen des Denkens zugrunde, d. h. er ist Grundbegriff auch f r jeden anderen Grundbegriff. Das zeigt Plato aufs treffendste am Beispiel der Identit t, Verschiedenheit, Ruhe, Bewegung. Jeder eine bedingt den anderen, jeder andere den einen. In dieser Weise ist keiner der Bevorzugte, keiner dem anderen bergeordnet an Leistung. Jeder ist nur in den anderen und durch die anderen. Sie bedingen einander. Dieses „Einander" ist es, was die κοινωνία ausmacht. Sofern wir also das logische Bed rfnis haben, die κοινωνία in einem einzigen Prinzip zu gr nden, so kann dieses Prinzip nur das „Einander" selbst sein. Ein solches „Einander" ist nun aber aufs genauste das μη Sv, als das έτερον des έτερον, dessen Sinn der h chsten Positivit t wir ja zur Gen ge haben betrachten k nnen. Mit einem uns gel ufigeren, freilich auch abgeschw chteren, Terminus k nnte man es das Prinzip der Gegenseitigkeit nennen. Und Gegenseitigkeit wiederum, sofern sie sich auf das Ganze des Denkens bezieht, ist genau das, was wir „System" zu nennen gewohnt sind. Der philosophische Begriff des Systems ist der der gegenseitigen Wechselbedingung der systematischen Grundlegungen; denn diese sind letzterdings nur die in Begriffseinheiten zusammengegangenen systematischen Grundprobleme. Die Grundlegung des μη ον bedeutet also in seiner tiefsten, von Plato freilich nicht voll erkannten Fassung die Grundlegung des Systems selbst. Und aus diesem Gesichtspunkt heraus d rfte das μη Sv in der Tat mehr bedeuten als „einer der" Grundbegriffe: es ist d i e Grundlegung des Ganzen oder der Gesamtheit der Grundbegriffe; denn es bedeutet die gegenseitige Wechselbedingtheit, oder — was dasselbe ist — die systematische Einheit der Grundbegriffe. So bew hrt sich das Nichtsein in denkbar tiefster Weise als Weg zum Sein. Denn das Sein in seiner Totalit t kann nichts anderes sein als das System; das Nichtsein aber ist so f r dieses die innere Triebfeder oder der Ursprungsbegriff. Es ist seine Antezipation, seine Methode, seine Rechenschaft ber sich selbst. Einstweilen kehren wir noch einmal zum Text des „Sophisten" zur ck. Nach dem Abschlu der Hauptuntersuchung nimmt

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L sung des Problems der ψευδής δόξα

Plato wieder die Frage auf, von der diese ausging, das Problem der ψευδής δόξα. Es war (236E) festgestellt worden, was f r eine Schwierigkeit darin liegt, wenn man die M glichkeit falscher Vorstellung oder Aussage logisch rechtfertigen wolle. Denn derjenige der etwas Falsches vorstellt, denkt ein Nichtseiendes als seiend. Das aber mu te als ganz unhaltbar erscheinen, solange das Nichtsein nur als jener Unbegriff dastand, den man weder denken noch nennen konnte. Nun aber hat es sich erwiesen, da das Nichtsein keineswegs in jeder Hinsicht undenkbar ist, da es vielmehr, als Ablehnung eines Seienden verstanden, die Setzung eines neuen Seins bedeutet. Folglich l t sich jetzt die Frage ganz leicht dahin formulieren, ob das μη dv mit dem λόγος und der δόξα Verkn pfung eingeht. Denn diese Verkn pfung mu eben den ψευδής λόγος und die ψευδής δόξα ergeben (260 B C). Gibt es diese Verkn pfung nicht, so mu „notwendig alles wahr sein". Die Untersuchung nimmt nun eine Wendung ins Formal-Logische, indem gezeigt wird, aus was f r Elementen sich die Aussage zusammensetzt. Darauf kann hier nicht eingegangen werden. Interessant ist es nur, wie Plato hier auch im Sprachlichen die Resultate festh lt, die der Dialog f r das Logische erbracht hat. Auch hier wird der Gedanke der συμπλοκή festgehalten, ihr entspricht das πλέγμα oder die σύν&εσις. Der logische Gesichtspunkt wird bestimmend f r die Sprache. Das Wort mu die Richtung auf den Satz enthalten, von diesem her seinen Sinn gewinnen, genau so wie der Begriff nur durch die Gemeinschaft der Begriffe im Urteil m glich wurde. Die L sung der Frage liegt nun, wie es scheint, nahe gen g. Indem das Denken ein μη δν setzt, kommt die falsche Aussage zustande — in welcher ja auch die Definition des Sophisten liegen soll. Aber gegen diese L sung mu sachlicherweise ein Einwand erhoben werden. Es sieht geradezu aus, als sollte der Begriff des Falschen hiermit verschoben und wir zu guter Letzt ber jene vorhin so genau bestimmte Schwierigkeit doch noch hinwegget uscht werden. Das μη Sv sollte ja auch in gewissem Sinne „sein". Nur „ist" es eben ein anderes; das war der Sinn der Verschiedenheit in ihm. Da aber etwas „anderes" ausgesagt werde, besagt noch nicht, da die Aussage falsch sei. Also w rde die ganze Untersuchung noch keineswegs bewiesen haben, da auch das wirklich Falsche ausgesagt werden k nne. Hierzu m te man vielmehr erwarten, da die falsche Aussage ein absolutes Nichtsein enthalte. Und das

R ckf hrung auf die Beziehungsfrage

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w re doch wiederum unm glich, weil ein solches ja eben nicht ausgesagt werden kann. Doch ist es wohl in diesem Punkte, wie in so manchen anderen, lehrreicher, sich an den inneren Zusammenhang der Probleme zu halten und nicht bei dem stehenzubleiben, was Plato direkt sagt. Denn aus diesem Zusammenhange heraus l t sich eine derartige L sung des Problems, die den Grundgedanken des Dialogs entspricht, sehr wohl finden. Hierzu gilt es vor allem zwei Dinge im Auge zu behalten. Erstlich ist das μη δν als Prinzip der Verschiedenheit zugleich Prinzip der Beziehung. Was es setzt, wird immer nur in bestimmter Beziehung gesetzt. Au erhalb dieser Beziehung verliert es seinen Sinn, seine logische Berechtigung. Halten wir das fest, so wird es klar, wie durch Setzung eines μη δν das Falsche zustande kommt. Das vt welches in einem gegebenen Fall gesetzt werden mu , h ngt aufs engste mit der Beziehung zusammen, in der es zu anderen δντα steht. Setze ich nun statt des δν etwas, was in bezug auf dieses ein μη δν ist, so versagt die Beziehung, der Zusammenhang l st sich auf. Denn Plato hat wiederholt eingesch rft, da nicht alle Begriffe mit—allen beliebig in gleicher Weise Gemeinschaft eingehen k nnen — und namentlich nicht in jeder Beziehung. Immer wieder wiesen Wendungen wie εκείνη, κατ εκείνο (259 D), κατά τοσαϋτα (257 Α) darauf hin, da diese Beziehung die Grundvoraussetzung aller Setzung des Seins oder Aufhebung des Seins ist. Indem also das μη δν an Stelle des δν tritt, l st sich die urspr ngliche Beziehung auf und es entsteht eine ganz andere Beziehung, von der es sich noch fragt, ob das betreffende μη δν durch sie gesetzt oder aufgehoben wird. In der M glichkeit des letzteren Falles liegt die M glichkeit der falschen Aussage. Und hieran kn pft sich denn auch das zweite, das f r die Rechtm igkeit dieser L sung der Frage spricht. Im μη δν liegen beide Richtungen, sowohl die auf das Sein als auch die auf das absolute Nichtsein, die Aufhebung. Es mu immer das eine oder das andere aus ihm entstehen, es selbst ist nur ein Zwischenglied, ein bergangsbegriff. Sofern das Ablehnen, welches das μη in ihm besagt, nicht in einen neuen positiven Wert bergehen kann, das andere, Neue sich nicht aus ihm erzeugen l t, insofern tritt der negative Sinn in ihm in -den Vordergrund: aus der Ablehnung wird die Aufhebung. Die falsche Aussage ist also nur insofern m glich, als es durch das

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Anteil der itavota

Ineinandergreifen der Begriffe noch nicht zu durchschauen ist, ob sich das μη 8ν in ihr in ein Sein oder in ein Nichtsein aufl sen wird. Dadurch wird denn auch der Schein des W a h r e n m glich und logisch begr ndet, der dem Unwahren in der δόξα anhaftet. N mlich nur in der als solcher e r k a n n t e n falschen Aussage vollzieht sich die Aufhebung; erst dort tritt das wirkliche Nichtsein ein, von dem Parmenides sagte, es k nne nicht gedacht werden. Denn dort erst wird die Aussage wirklich zur Unm glichkeit, sie hebt sich selbst auf. In dieser ganzen Art, die ψευδής δόξα zu behandeln, ist nun eins bemerkenswert, n mlich die Art, wie ihr Problem auf das des Denkens, des λόγος, zur ckgreift. Es k nnte hierin so ohne weitere Erkl rung vielleicht eine Willk rlichkeit zu liegen scheinen: wozu mu der Umweg ber das Denken gemacht werden? Der „The tet" gibt hierzu die Erg nzung. Dort n mlich wurde der Versuch gemacht, in der δόξα direkt das ψευδός nachzuweisen. Dabei wird das έτερον oder άλλο mit der δόξα zu einem neuen Terminus zusammengef gt: άλλοδοξία, έτεροδοξεΐν. Dieser Versuch nun mi lingt aber, denn es stellt sich heraus, da in der δόξα die Verwechslung des έτερον mit seinem έτερον nicht stattfinden k nne. Dennoch ist das Resultat dort nicht so negativ, als es nach dem Wortlaut scheinen k nnte. Denn als das Verbindende zwischen έτερον und δόξα wird das Denken gekennzeichnet — hier διάνοια genannt (The t. 1890—E). Die δόξα stellt zwar immer ein jedes als seiend vor, aber freilich ein anderes statt des anderen. Aber diese Vertauschung geht nicht in ihr selbst vor sich, sondern in der διάνοια: δταν τις τι των όντων άλλο ον των δντων ανταλλαξάμενος τ# διάνοια sxa φίλον εστίν (ζζο Β). F r die R ckf hrung mu es das Letzte, und ebendeswegen f r die Bewertung alles einzelnen, dinglichen φίλον das „Erste" (πο&τον φίλον), oder der „Ursprung" (&ρχή) sein, ber den hinaus es nichts Fundamentaleres mehr geben kann. Deswegen mu der im R ckw rtsschlie en Forschende sich hier mit Notwendigkeit den weiteren R ckgang „versagen"; so verlangt es die Eigenart des Problems selbst. OQ' ovv ovx άνάγχη aasuielv ημάς οΰτως Ιόντος xai άψιχέσοαι ίαΐ τίνα Αρχήν, f) ονχέτ' tnavoiost ίπ' &λλο φίλον, αλί' ήξίΐ at' Ιχεΐνο, S ίστι πρώτον φίλον, of Svexa xai τα αλλά φαμίν αάντα φίλα elvat (219 C). Diese τα άλλα φίλα sind dagegen nur eSJovla itra αντοϋ, ein άληθωί tpliov ist nur die αρχή selbst. Dieser Gedanke der άβχή als des Λ^ωταν ist es, auf d n es uns hier f r die logische Formulierung des Problems ankommen mu . Andere Dialoge zeigen ahnliche Gedankeng nge in verschiedenen Wendungen. Es ist bezeichnend, da auch im „Ph don" auf dem H hepunkt der Untersuchung, wo die Theorie des Grundlegens entwickelt wird, das gleiche Problem des B ckschlusses auftritt — nur in ausgereifter, streng allgemeiner Form, nicht mehr am Beispiel Die endg ltige L sung bleibt schlie lich auch der „Ph don" schuldig; und diese bringt erst die „Republik"; denn erst dort finden wir den Begriff der αρχή wieder — in einer Fassung, die es erkl rt, wie und warum das Hinausgeheft ber sie unm glich ist, und warum diese Unm glichkeit keineswegs ein Stehenbleiben an einer Grenze bedeutet, sondern vielmehr die Umkehrung der Begr ndungsmethode.

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Umkehrung der Begründungsmethode

der Tat, wenn unter Definition nichts anderes verstanden, werden könnte als jenes Aufzeigen eines weiteren zugrundeliegenden Prinzips, so gäbe es nichts, woran man sich über sie auch nur orientieren könnte. Auf diesem direkten Wege gibt es keine Bestimmung für das, was letzte Grundlage der Wissenschaft sein soll. Es könnte scheinen, als läge doch im Terminus der „Idee" eine solche Bestimmung Aber das „Schauen" so charakteristisch es für die Aktivität der Idee sein mag, ist doch gegenüber dem Problem des Inhalts nur eine Metapher für das Ungreifbare, Unnennbare, in keiner vorhandenen Abstraktion Wiederzugebende. — Aber einen wichtigen Fingerzeig gibt uns die „Idee" doch, freilich einen solchen, der vom Gesichtspunkt des Schauens aus nicht zu verwerten wan. Die Idee schaffte, tat, leistete etwas, oder sie sollte doch etwas leisten. Worin dieses Etwas bestand, ist wieder eine andere Frage, ist eben das, was über den Charakter der Tätigkeit hinausliegt. Wir erfahren im „Phädrus" nur, daß es die Einheit des Begriffs sein sollte. Aber wie diese dazu gelangt, ein Sein zu bedeuten, konnte uns das nicht erklären. Einstweilen ist es genug, daß ihr eine Leistung zukommt, genug, daß sie in dieser Leistung bestehen und ihr Wesen haben soll. Denn hat sie eine Leistung, so muß sich wenigstens diese aufzeigen lassen. Und läßt sie sich aufzeigen, so hat die Idee, durch eben diese Leistung kenntlich gemacht, schon an ihr eine Bestimmung gewonnen. Darin liegt in der Tat die Lösung des Problems. Die letzten Grundlagen, die nicnt wieder durch andere Grundlagen bestimmt und begründet werden können, die nur in allseitigen Negationen gegen das empirische Sein der Gegenstände abgegrenzt werden können, die also das reine % Sv im Hinblick auf alle direkte Bestimmungsmöglichkeit sind, sie sind, deswegen doch nicht schlechthin undefinierbar, nicht unbegründet in der Luft schwebend. Gerade dadurch, daß die Idee so ganz Nichtsein wird, kann sie auch wiederum ganz zum Sein werden. Gerade ihr Nichtseinscharakter muß sich in seiner Ausreifung zum Sein umkehren. Das Rückschließen auf den tieferen Grund hat hier denjenigen Punkt erreicht, der auch methodisch ein Nichtsein, nämlich Selbstaufhebung des Rückschlusses, zu sein scheint, Denn dieser Punkt ist dadurch charakterisiert, daß die beiden einzigen Möglichkeiten — sowohl das weitere Rückschließen auf ein noch zugrunde Liegendes als auch das Stehenbleiben bei ihm als einem Grundlosen — in gleichem Maße zu Unmöglichkeiten geworden sind. Soll

Einführung der Idee im „Phädon"

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diesen beiden gegenüber noch ein Drittes möglich werden, so kann dieses nur in einer Umwälzung des ganzen Schlußverfahrens bestehen. Das ist es denn, was in der Seinsbestimmung der Idee tatsächlich stattfindet. Es gibt eine Umkehrung des Weges der B e g r ü n d u n g , eine indirekte Definition aus demjenigen heraus, wofür etwas gefordert und gesetzt wird. Es ist der Weg, den wir heute als transzendentale Methode bezeichnen, eine Schlußweise, die alles natürliche Denken auf den Kopf zu stellen scheint, indem sie die Wissenschaft auf Prinzipien gründet, die ihrerseits lediglich in ihrer Leistung für die Wissenschaft ihre Rechtfertigung, ihre Beglaubigung finden. Der Rückschluß auf den Grund, sofern er auf das Unbegründbare, das Grundlose stößt und also sich selbst aufhebt, gelangt darin über sich selbst hinaus, daß er sich wieder umkehren und vorwärts schließen muß auf das Begründete. Und es erweist sich, daß er damit nicht sich selbst untreu wird, sondern im Gegenteil: indem er das letztere begründet, begründet er vielmehr jenes letzte Zugrundeliegende, scheinbar Grundlose. Denn so ist es umgekehrt begründet als Begründendes. Das ist der Weg der Begründung des Grundes aus seiner Leistung. Diesen Weg ging Plato in der Seinsbestimmung der Idee — den einzigen, den er gehen konnte. Und dieser Weg führte ihn zur Entdeckung der & .— Die Untersuchungen des „Phädon" führen in einer langen Gedankenkette auf diese Entdeckung hin. Diese Hinführung ist nicht ohne Umwege, denn sie ist — direkt wenigstens — einem anderen Zweck gewidmet, dem Beweise der Unsterblichkeit. Da aber die Idee in diesem Beweise' das Beweisende sein soll, so muß natürlich in erster Linie sie gesichert und wohlgegründet dastehen. Diese Seite allein ist es, die uns hier an diesen Untersuchungen interessieren kann, wiewohl die andere, mehr populäre Seite vielfach in sie hineinspielt und die Logik des Seins zu beeinträchtigen scheint. So sehr daher auch manches Platonische Wort vieldeutig erscheinen mag, was nicht nur die stellenweise mythische Einkleidung, sondern wohl auch die große Neuheit der Grundfragestellung verschuldet haben mag, so ist doch der eigenartige Grundcharakter der Argumentation nicht zu verkennen, die eben dahin zielt, die Idee in ifirer Leistung zu fixieren. Hiermit aber hängt gerade die umwälzende Kraft der Idee und folglich — wie bereits angedeutet — das Motiv der Methode des Nichtseins in ihr aufs engste zusammen.

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«fa ta

Wir sagen doch, da es eine Gleichheit „gibt" — so argumentiert der „Ph don" (74 A) — nicht wie Holz dem Holz oder Stein dem Steine gleicht, noch berhaupt ein Ding dem anderen, sondern „au er diesen allen, ein Anderes, das Gleiche selbst" (όΑλά. παρά ταύτα πάντα ετβρόν τι,, αντά το ΐαον). Das ist die Idee des Gleichen, wie das αυτό zeigt. Da es ein derartiges Gleiches „gibt" (richtiger^ da es „ist" — είναι), wird also als Voraussetzung genommen t als das Problem, von dem auszugehen ist. Es ist schwer anzunehmen, da Plato eine derartige Voraussetzung in Anspruch nimmt, ohne f r sie die Gew hr an irgendeinem Gebiet zu haben, in dem sie tats chlich vorkommt. Als ein solches Gebiet aber, auf welchem die Gleichheit in pr gnanterem Sinne kiist", als sie von H lzern und Steinen gelten kann, kommt wohl nur die Mathematik in Betracht; wie denn die Berufung auf sie in der an den Pythagoreer Simmias gerichteten, Frage einzig naheliegend ist. Zudem steht die Beziehung auf den mathematischen Begriff der Gleichheit nicht hier allein; schon im „Gorgias" (508 A) haben wir sie ganz deutlich ausgesprochen als ή ίσάτης ή γεωμετρική — und das in einem viel weniger sachlichen Zusammenhange, als an unserer Ph donstelle.1 Wir d rfen daher wohl sagen, da die Idee gleich bei ihren ersten Einf hrung im „Ph don" in jener Beziehung auf die Mathematik dasteht, die wir vom „Menon" her kennen. Sie wird ihr gewisserma en als das Problem entnommen. Diesem Begriff des taov nun werden die charakteristischen Bestimmungen der Idee beigelegt. Sie ist παρά ζάντα πάντα, also nicht in H lzern und Steinen zu ersch pfen, sondern etwas ber sie hinaus. Dasselbe Hinausgehen ber das Dingliche ist noch gesteigert im έτερον. Dieses letztere ist besonders typisch f r das Platonische Denken. Wir treffen es oft an auch schon f r die Begriffseinheit noch vor Entdeckung der Idee.2 Diese ist von vornherein als „Anderes" den Dingen gegen ber gekennzeichnet, Wenn es bei diesen Bestimmungen allein bliebe, so w re damit freilich wenig gewonnen. Denn das κιερον und das παρά ταύτα sind leicht mi verst ndliche Ausdr cke und sie sind ') γεωμετρίας γαρ αμελής, wirft Sokrates dem Kallikles vor, weil er den χά?μος, also das Ma volle, in der δ&αιοσύνη nicht einsehen will. Das Geometrische in jener unwandelbaren Gleichheit seiner Ma e ist vorbildlich gedacht f r die Sittlichkeit —> daher die Geometrie der „Gotter". *) So schon im Lysis das cWgof φίλον (220 A—E), das im Gegensatz zu den είδωλα als das τφ ww φ&ον, oder πρώτον, der αρχή (219 C) gleichgesetzt ist So ist auch das έτερον im l'aov der Sache nach als αρχή zu verstehen.

Das ετ€ρον 8ν

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genugsam mi verstanden worden von denjenigen, die die Beziehung auf die Wissenschaft in der Idee nicht zu fassen vermochten. Das vernichtende Urteil des Aristoteles h tte niemals so vollst ndig das systematische Verst ndnis des Platonischen Grundgedankens untergraben k nnen, wenn es nicht so nahe gelegen h tte, das „Andere" und das „au er den Dingen" auf ein mystisches Dasein bersinnlicher Dinge hin zu deuten. Indessen darf uns angesichts der sp teren Formulierungen Platos das Aristotelische Urteil wohl als Vorurteil gelten; Plato selbst redet deutlich genug, damit wir uns an seine eigenen Worte halten k nnen, ohne des polemischen Interpreten zu bed rfen. Denn wenn man es fertig bringt, ohne metaphysischen Argwohn an diese ersten, vorsichtigen, noch ganz negativen Bestimmungen der Idee heranzutreten, so liegt gerade in ihnen ein Hinweis auf ihre rein logische Natur. Einen pr ziseren Ausdruck als das έτερον h tte Plato f r den Ausgangspunkt des Problems in der Tat schwerlich finden k nnen. Das Erzeugende der Wissenschaft mu notwendig zuerst unterschieden werden von ihrem einzelnen Inhalt, vom Gegenstand. Zwar liegt es selbst in diesem Gegenstand enthalten, aber die einzelne Leistung ersch pft es nicht. Sie wird erst m glich in ihm. Freilich die Kenntnis des Prinzips erhalten wir nicht anders, als indem wir auf seine einzelnen Leistungen hinblicken, und Plato selbst sagt es deutlich genug, da wir „aus diesen" uns auf das Einheitliche, Erzeugende des Denkens, das ihnen zugrunde liegt, „besinnen", obgleich es jenes von ihnen Grundverschiedene ist (ex τούτων εκείνο Ινενοήσαμεν, έτερον όν τούτων, 74 Β/. Das ist der Sinn, in dem auch Kant im a priori jenes andere „von der Erfahrung Unabh ngige" suchte, welches eben doch damit in vollem Einklang steht, da die Erkenntnis mit der Erfahrung beginnt. Es ist das durchgehende Motiv des kritischen Denkens, da das neue, logisch tiefere Grundelement, das entdeckt werden soll, zum έτερον werden mu . Denn gerade in dem έτερον ov spricht sich die B e z i e h u n g auf die Dinge, und keineswegs die Losl sung von ihnen aus. Ein ετβρον ist nur m glich f r ein έτερον, also das „ a n d e r e Sein" der Idee auch nur f r das von ihrem Gesichtspunkt aus „Andere", d. h. f r die Dinge. Es ist wichtig, dieses Wechselverh ltnis von vornherein festzustellen; und Plato scheint sich dessen bewu t zu sein, wenn er nicht nur die Idee einseitig als das „andere Sein" bezeichnet, sondern gleichzeitig umgekehrt die „gleichen Dinge" als die „Anderen" der Idee der Gleichheit bezeichnet (ξ* τούτων . . τ&ν 'ώων ετέρων δντων

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εκείνον τον ϊαον, 74 Ολ Man denkt bei dieser Charakteristik der Idee als des „Anderen" f r das „Andere" unwillk rlich an die Formulierung des „Sophisten", nach welcher das ίτερον zum μη ov wird. Es ist zwar schwer anzunehmen, da Plato hier an diese Zusammengeh rigkeit gedacht haben sollte. Aber um so sprechender f r die Methode des Nichtseins ist es, da das έτερρχ durch die Eigenart seines ablehnenden und doch Beziehung setzenden Sinnes auch hier schon zum ad quaten Ausdruck f r das Grundverhaltnis im Ideenproblem gemacht wird. Das έτερον ov ist der erste genaue Ausdruck f r den Seinswert der Idee — gerade weil sein innerer Sinn μη ov hei t. Denn da dieser Seinswert nirgends als in der Leistung gesucht werden kann, so mu seine Formulierung notwendig mit der Bestimmung der Gegenseitigkeit beginnen, die zwischen der Idee und ihrem Anwendungsgebiet bestehen soll. Daf r aber konnte es keinen passenderen Ausdruck geben als den des „anderen Seins", das έτερον ov f r die ?τερα οντά. Denn in dieser Formulierung wurzelt schon der Hauptsache nach der Grundgedanke der νπό&εσιζ. Einen Schritt weiter bringt der Mythos der άνάμνηαις das „andere Sein". Wenn die Idee ein Anderes ist als die Dinge, wenn sie also dem Dasein nicht zu entnehmen ist, woher haben wir dann ihre Kenntnis? Etwa daher, da sie den Dingen „ hnlich" ist? Das mag sein. Aber wie k nnen wir von der hnlichkeit auf etwas „Anderes" schlie en? Darin kann es also nicht liegen. Denn freilich ist sie in den Dingen, daher k nnen diese uns auf sie hinf hren; aber geben k nnen sie sie nicht, denn sie werden von der Idee gegeben. Das Verh ltnis der Idee zum Dinge ist schon durch Andersheit charakterisiert; so kann es nicht mehr in hnlichkeit aufgehen. Hier tritt nun der Mythos ein und pr gt diesem Verh ltnis einen Terminus, der sich als weit ber seinen Bereich hinaus fruchtbar erweist. Der Gedanke der άνάμνηαις wird mit dem Begriff des Wissens in eins gegossen zum „Vor he r wissen". Dieses ist die eigent mliche Art des Wissens der Idee im Unterschiede vom gew hnlichen Wissen der Dinge. Wir m ssen die Idee des Gleichen „vorherwissen", ehe wir infolge der Wahrnehmung gleicher Dinge uns „bewu t werden", da „diese alle dahin tendieren, zu werden wie das Gleiche", ohne es doch jemals zu erreichen (άναγχαϊον αρά ημάς προειδέναι το ίσον προ εκείνον του χρόνου, δτε το Λράηον ιδόντες τα Γσα ένενοήσαμεν, 8τι ορέγεται μεν πάντα ταύτα είναι οίον το ίσον, £χει δε ενδεεστέρως, 75Αλ

Nichtsein und seiendes Sein im logischen Prius

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Das προειόέναι ist, wenn wir alles Mythische abstreifen, der reine Ausdruck f r das apriorische Element der Erkenntnis. Und damit kommt wieder in ihm das Ετερον zum Ausdruck; denn wenn wir aus dem „προ-" die 2eitliche Bedeutung streichen, die ja dem Mythos angeh rt, und es als logisches Prius fassen, so bleib! eben nur jener andere, echt wissenschaftliche Sinn nach, da die Idee „anderswoher" gewu t wird als aus dem, was das Dasein der Dinge geben kann. Es geschieht zusehends, wie die Idee hierbei ihrer rein logischen, und zwar der inhaltlich positiven Fassung einen Schritt n her gef hrt wird. Das logische Prius des προειόέχαι besagt schon betr chtlich mehr als das blo e έτερον: es stellt die Idee als Voraussetzung hin, welche „notwendig" ist, damit es zur Erkenntnis der Dinge kommen kann. Diese Voraussetzung ist die unumg ngliche Bedingung, unter der allein die Erkenntnis der ιαα m glich wird. Das ist der Sinn des άναγχαίον. Das anfangs nur in Negationen Begrenzte, das μη ον des dinglichen Denkens, zeigt mehr und mehr seine Kehrseite als δντοις ον der neuen Denkweise. Zwar bleibt die Bestimmtheit, die es hier erf hrt, wenigstens u erlich noch negativer Natur. Denn auch das πρβ- im ηροειδέναι ist wesentlich Ablehnung; sofern in diesem das έτερον steckte, ist es in erster Linie selbst als ein Nichtsein zu verstehen; n mlich als die Abwehr jener Art von Wissen, das seinen Gegenstand als gegebenen ansieht. Aber hier zeigt sich die Abwehr selbst eben von einer ganz positiven Seite: sie ist vielmehr das Hinausgehen zu einer anderen Art von Wissen, einem Wissen, in welchem der Gegenstand selbst erst als Erzeugnis mit entsteht. Das ist schon durchaus ein Seinswert. Denn, wenn die τα ίσα etwas „sein" sollen, so mu um so mehr dasjenige „sein", dessen „Vorherwissen" die „notwendige" Bedingung f r sie ist. Das Bedingung-Sein ist auch ein Sein, und zwar das tiefere, urspr nglichere Sein Der R ckschlu auf dieses Urspr ngliche aus seiner Leistung f r das, was es begr ndet, beginnt schon zur positiven Seinsbestimmung auszureifen. So durchdringen sich im logischen Prius das Nichtsein und das „seiende Sein" Auch das Verh ltnis zum empirischen Sein der Dinge erh lt hier schon eine gewisse Bestimmung. Einfache Empfindung mag m glich sein ohne Idee; sofern sie das in sich Bestimmungslose ist, wird in ihr weder die Gleichheit noch sonst etwas Bestimmendes gedacht. Darum k nnen wir die gleichen Dinge zwar zuerst „gesehen haben" (το πρώτον ίδόντες). Aber um uns

22O

Der Seinsstempel des o' «m

ihrer als solcher „bewu t zu werden", die zur Gleichheit „tendieren", dazu m ssen wir die Idee des Gleichen schon in ihnen gedacht haben. Wo das „Denken" — das hier im έννβεΐν zum Ausdruck kommt — beginnt, da beginnt es mit der Idee. Da das Hintendieren der gleichen Dinge auf die Idee des Gleichen der Gegenstand des εννοεϊν ist, so kann dieses letztere in der Tat von dem Nichtwissen der dinglichen Gleichheit auf das „Vorherwissen" der Idee zur ckgehen, um von dieser das Wissen der dinglichen Gleichheit zu gewinnen. Darin hat das evvoelv seinen logischen Doppelsinn. Was von der Gleichheit galt, wird dann verallgemeinert auf die Idee berhaupt. In allen angef hrten Beispielen ist sie gezeichnet durch das αυτά. Schon vorhin stand das αυτά neben dem έτερον; die gleichen Dinge sind eben dadurch etwas „anderes" als die Idee der Gleichheit, da sie nicht „selbst" sind, sondern kraft der Idee. Das objektive „Selbst", das den Ideengedanken von den ersten Schritten an leitete, ist hier in seiner Bedeutung wieder um eine Nuance sch rfer geworden. Es steht da als Zeichen f r die Idee in ihrer Vollkommenheit, im Gegensatz zu allem Teilhabenden, das wohl „zu sein strebt wie die Idee", aber sie nicht erreicht, sondern „schlechter" (φαυλότερα, 75 B), oder „armseliger" (ενοεεστέρύος, 74 Ej als sie dasteht. Das, was die Dinge ann hernd „sein" sollen, mu die Idee „ v o l l k o m m e n sein"; wie denn Plato einen derartigen Ausdruck von der Idee tats chlich gebraucht: τελέως εΙνοΛ ov (Rep. 597 A). Denn auf das Sein mu es f r die Dinge doch letztlich ankommen. Darum bezieht sich das afao nunmehr auf alles, was wir mit dem „was es ist" stempeln (αίς έπισφραγιζόμε&α τοντο 8 Ibn, 75 O). Das eon, welches der Seinsstempel der Idee sein soll, ist im Grunde noch jene selbe Seinsfrage, das τί εοτι des Sokrates. Nur ist der FrageCharakter selbst nicht mehr pr gnant in ihm, d. h. es ist nicht mehr blo e Frage, sondern enth lt durchaus schon etwas vom Charakter der Antwort in sich. Aber es ist auch keineswegs volle Antwort; denn das δ εοτι ist eben noch kein definiertes Sv, sondern sichtlich noch eine Umschreibung f r dieses. Das Problem des Ideenseins ist hier auf einer Stufe, an welcher Frage und Antwort gleichsam in eins zusammengegangen sind. Es ist das bergangsglied zwischen beiden, oder vielmehr nicht zwischen, sondern sie beide umfassend. So zeigt sich denn auch diese Seinsbestimmung der Idee als von jener eigent mlichen indirekten Art der Bestimmtheit, die auch das έτερον οχ

Frage und Antwort im 5 εστί

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zu erkennen gab; sie ist selbst nicht ohne weiteres ein Sein zu nennen, weder im Sinne der Dinge — denn diese sind Ιτβρα δντα — noch auch im Sinne des Seinsprinzips — denn dieses ist eben trotz allem noch nicht als fertiges Sein zu betrachten und kann auch im Fortgange der Forschung nie fertig wie ein Gegebenes werden. Es bleibt immer etwas vom Fragecharakter in ihm. Indem das fragliche Ideensein aber auf das nicht weniger fragliche Sein der Dinge gerichtet ist, gewinnt es aus dieser seiner Richtung den Wert der Seinsbegr ndung. So ist die Idee in der Tat selbst zwar nicht ein Sein, wohl aber die Methode oder der Grund zu einem Sein, nicht δν, sondern όντως ον („Sein eines Seins", was nat rlich nicht bersetzung des Worts, sondern des Gedankens sein soll). Das ist das Eigenartige ihres Seinswertes. Die Frage als solche ist niemals zu trennen von der Antwort; sie enth lt nicht nur die M glichkeit der letzteren, sondern auch ihre Notwendigkeit Trifft das nicht zu, so ist sie falsch gestellt, ist nicht einmal Frage. So mu die Idee notwendig immer — auf jeder Stufe — zugleich Frage und Antwort sein. Das „was es ist" mu gefunden werden, als was es vorausgesetzt, mu beantwortet werden, als was es gefragt ist. Das betrifft sowohl die „T tigkeit" als auch das „Selbst" als auch das „andere Sein" in ihr. Jedes dieser logischen Motive in der Idee enth lt den Charakter des Nichtseins wie den des Seins in unl sbarer Zusammengeh rigkeit in sich. Vom Standpunkt der Forschung aus bleibt alles Frage, N i c h t s e i n ; vom Standpunkt der Begr ndung aus ist eben dieses Fragliche, Nichtseiende, schon von vornherein mit Antwort, seiendes Sein. Denn es liegt als Seinsgrund schon dem zugrunde, von dessen Problem der Ausgang genommen wurde; Diese Durchdringung des Negativen und des Positiven ist charakteristisch f r die tiefere Fassung der Idee. Daher ist es tief bezeichnend, wenn Plato ausdr cklich sagt, der Seinsstempel des δ εστί beziehe sich sowohl auf die Problemstellung selbst als auch auf die angestrebte L sung. Gerade das ist die genaue Bestimmung, wie wir den Problemen rechtm igerweise den Stempel des Seins aufdr cken: κάί Ιν ταΐς έρωτήσεσιν ερωτώντες καί εν τάϊς άποχρίαεσιν άποκρινόμενοι (?$ D). Darin spricht sich ein wirkliches, wenn auch von Plato nur dunkel geahntes Selbstbewu tsein des logischen Prozesses aus, das Bewu tsein seines ewigen Fortschreitens vom Nichtsein zum Sein. Wir sahen Plato bestrebt, der Idee von verschiedenen

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Die οικεία έπιοτήμη

Seiten die Objektivit t zu sichern. War im Vorhergehenden mehr die Seite der Forschung betont, so sucht er im Folgenden dem Sein der άνάμνησις einen anderen, objektiveren Zug abzugewinnen. Da der Sinn alles „Lernens" ein „Hervorholen" aus sich selbst ist, zeigte schon der „Menon". Hier nun wird der Gegenstand dieses Hervorholens als ein „ureigenes Wissen" bezeichnet: 8 καλόν μεν μανΰάνειν οικείαν 'έπιατήμην αναλαμβάνει» αν eaj (75 Ε). Dieses Eigenste ist nicht als Bewu tseinstatsache zu verstehen, wie etwa die δόξα. Denn sein Gehalt ist nicht willk rlich» nicht von der Subjektivit t des Einzelnen bedingt. Sondern, so wenig das lernende Bewu tsein ber seinen Ursprung etwas aussagen kann, so hat es doch die Eigent mlichkeit, da es Allen gemeinsam ist. „Wir" (ημείς) haben es „alle" (πάντες). Darin dokumentiert sich die objektive G ltigkeit. Das „Selbst" des „Menon'* ist zum „wir" geworden. Diese Allgemeing ltigkeit ist zwar noch eine Au enseite der wissenschaftlichen Objektivit t, und nicht sie selbst; aber sie f hrt mit Notwendigkeit auf sie hin, sie ist ihr sicheres Anzeichen. Die Idee wird nun direkt ουσία genannt. Es ist dieselbe ουσία, die wir schon im „Euthyphron" dem πάόος entgegengestellt fanden, und die im „Protagoras" allen Begriffen „zugrunde liegen" sollte als ihr Eigenstes. Der „Ph don" stellt diese ουσία als dasjenige hin, zu dem wir „das aus den Sinnen alles hinauff hren" als zu dem a priori, indem wir sie darin „als die unsrige wiederfinden" (και Ιπϊ ταύτην rd IM των αισθήσεων πανί άναφέρομεν, ύπάρχονσαν πρότερον άνευρίσχοντες ημετέρα ν οΰσαν, γόΌ,Ε). Das, was das logische Prius im προειδέναι war, ist hier mit dem Begriff des ημείς zusammengebracht; denn dieser steckt in dem „ήμετέραν", das προειόέναι aber ist sichtlich identisch mit der ουσία ύπάρχοναα πρότεροκ. Da wir aber diese letztere „als die unsrige wiederfinden" sollen, ist nicht ein Ausdruck f r das subjektive In-uns-Sein, sondern f r das Anzeichen der Objektivit t, das In-Allen-Sein. So allein konnten die zwei scheinbar miteinander streitenden Momente im Ideensein vereinigt werden, n mlich da sie sich einerseits im Selbst des Menschen offenbart, ohne des Zutuns von anderer Seite zu bed rfen, und andererseits doch Allgemeing ltigkeit f r Alle beansprucht, ein sachlicher Seinswert sein will Diese Vereinigung ist m glich, weil das „Selbst" seinerseits schon zur Bedeutung eines objektiven Seinsgrundes ausgereift ist; es ist nicht das Selbst des Einzelnen, sondern das Selbst Aller, das Selbst der Vernunft als solcher. So k nnen wir

Das λάγον £&Wvcu

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freilich die Idee gerade in ihrer strengen Objektivit t als „die unsrige" wiederfinden. Wie das Selbst zu diesem Grade von Allgemeinwert kommen, wie es dem Sinne der identischen, berindividuellen Vernunft so nahe r cken konnte, ist hiernach freilich noch nicht zu durchschauen. Man begreift aber, wie nahe dieser Gedanke schon mit fr heren Formulierungen sich ber hrt, ja wie er latent vom „Menon" her im Selbst enthalten ist, wenn man auf die weiteren Konsequenzen hinblickt, die Flato unmittelbar aus ihm zieht, in erster Linie auf das Moment der „Rechenschaft". Da wir das Sein der Idee in uns finden, sollte nach fr heren Aus* dr cken eine Art Besinnung (frvosiv) des Denkens sein. Aber diese Besinnung mu geleitet sein von dem logischen Interesse an dem Seinsgehalt unseres Wissens; das Denken richtet sich dabei auf sich selbst und gibt sich „Rechenschaft" von sich selbst. In dieser Rechenschaft besteht recht eigentlich erst das Wissen. Sie ist zugleich das Wissen selbst und Kriterium des Wissens. Denn den Begriff des Wissens versteht Plato schon in jenem pr gnanten Sinne, da es zugleich Kriterium seiner selbst ist. So ist Wissen ^Rechenschaft-Geben", und ein jeder Wissende mu notwendig Rechenschaft ablegen k nnen von dem, was er wei (άνήρ επισταμένος περί ων Ιπίσταται ίχοι Αν δουν α ι ίόγον, ?6 Β). Und dieses nach-innenGehen des Wissens auf sich selbst zur ck ist zugleich das Hinausgehen des Denkens ber den eng verstandenen Denkcharakter auf den sachlichen Gehalt seiner Probleme, das Sein. Denn „das Sein selbst" ist es, auf welches die Rechenschaft des Denkens geht, indem sie von ihm das „was es ist" fordert: αυτή ή ουσία, ης λόγον όίόομεν τον ebai xal ερωτώντες κοί άποκρο'όμενοι (78 D). Es ist das δ fort, das in dem τον είναι zum Ausdruck kommt; dieses aber hat streng objektiven Sinn. Die Rechenschaft des logischen Bewu tseins erstreckt sich auf alles, was Problem eines Seienden ist; wie denn Plato gerade hier wiederum auf den logischen Problemcharakter hin·» weist, indem er dieses Sein in dem ewig lebendigen Widerspiel von Fragestellung und Beantwortung festh lt. Eine derartige Verschmelzung des objektiven Gehalts der Probleme mit dem Proze charakter der Forschung ist nur m glich auf Grund der tief wurzelnden und daher in jeder neuen Formulierung sich dokumentierenden Identit t von Denken und Sein. Auf diese haben wir letzterdings das so entschieden verfochtene Objektive in der Idee zur ckzuf hren; in ihr hat auch der Doppel-

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Das Objektive

sinn des λόγον όιδόναι seine Rechtfertigung. Das Hineingehen des Denkens in sich als eines Kriteriums „seiner selbst" kann deswegen wirklich zugleich ein Hinausgehen ber sich auf das „Sein selbst" sein, weil Denken und Sein nur in ihrer ungenauen Fassung als zwei verschiedene Momente dastehen, aber pr gnant verstanden — jedes als „es selbst" — notwendig zusammenfallen m ssen. Der Begriff des Wissens als der Wissenschaft (έπίοτασΰαι,έπιοτήμη) definiert sich in diesem Doppelsinn des λάγόν οιδάναι; denn er geht ber das einfache „Denken" hinaus, indem er dank seiner Tendenz auf das Objektive des Inhalts in gleicher Weise auch die Kehrseite der Rechenschaft, das δ ίσιι, betont. Die logische Rechenschaft des wissenschaftlichen Denkens ist die Durchf hrung jenes Gedankens, der im „Charmides" als Ιτασιήμη εαυτόν beginnt Das „Selbstbewu tsein" im Sinne der Selbsterkenntnis ist jetzt durch den Seinswert des α&τό ausgereift zum Selbstbewu tsein im Sinne des logischen Problembewu tseins. Es kann bei der gro en Tragweite derjenigen Objektivit t, zu der die Idee in ihrer Rechenschaft ber sich selbst gelangt, nicht berfl ssig sein, wenn wir uns ihrer gleich hier noch eingehender vergewissern. Sie ist nichts geringeres als das entscheidende Moment in dem Durchdringen der Idee zur νπό&εσις. Ihr Vortreten in den Vordergrund des Problems begann mit dem Begriff des „wir". Indem dieses „wir" das Ideensein als das seinige in sich „wiederfindet", ist es der Ausdruck der Allgemeing ltigkeit Aber wir sahen auch schon, da Allgemeing ltigkeit ihrerseits nur das Anzeichen von etwas Tieferem ist, das ihre Innenseite ausmachen mu t Eine solche kann nur die innere Notwendigkeit sein; nur was eine sachliche Notwendigkeit in sich hat, kann wirklich streng allgemein sein. Jede anders verstandene Allgemeinheit ist unvollkommen, ist blo e Vielheit und nicht Allheit. Damit bertragen wir keineswegs erst modern logische Gesichtspunkte auf die Platanische Denkweise, sondern sprechen nur in allgemeinerer Farm aus, was er selbst wiederholt an Beispielen zeigt. Es sei hier zum Belege nur auf einen Gedankengang im „Kratylos" hingewiesen, der die Schlu kette des „Ph don" zugleich erg nzt. Es wird dort gegen den Satz des Protagoras bewiesen, wie nicht der Einzelmensch entscheiden kann ber Sein und Nichtsein, sondern wie es eine f r alle verbindliche „Gewi heit des Seins" (βεβαιότητα nva της ούοΐας, 386 A) geben m sse. Um die Un»umg nglichkeit einer solchen darzutun, beruft sich Plato auf die.

Allgemeinheit und Notwendigkeit

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unbestreitbare Faktizit t der sittlichen Beurteilung. W re ein jeder Mensch zugleich gut und schlecht, dann freilich m chte es richtig sein, da einem jeden das, was ihm scheint, auch wahr w re, denn freilich mag ein jeder das, was er tut, f r das Rechte halten, aber nicht jedes Daf rhalten ist deswegen wahr. Denn wenn es nicht so steht» da Allen alles auf gleiche Weise zugleich und immer zukommt, noch auch ein jedes f r jeden auf besondere Weise da ist, so ist es offenbar, da die Dinge selbst ein ihnen eigent mliches, gewisses Sein in sich tragen, das nicht in Bezug auf uns (n mlich sofern wir subjektiv zuf llig sind in unseren Meinungen), noch auch von uns hin und her gezogen in unserer Vorstellung ist, sondern an sich (objektiv), indem sie sich zu ihrem eigenen Sein so verhalten, „wie es in ihrer Natur liegt" (ονκονν εϊ μήτε πασι πάντ Ιστιν ομοίως . ., μήϋ·' έκάστφ ιδία εκαοτον των όντων εσΐίν, όήλον δη ότι αντά αντών ούσιαν έχοντα τίνα βέβαιον Ιατι τα πράγματα, όύ προς -ημάς δντα ούδ' ΰφ1 ημών έλκόμενα ανω ΧΟΛ χάτω τφ ήμετέρφ φαντάσματι, αλλά ΜΧ&" αντά προς την αυτών ούσίαν έχοντα βπερ πέφνκε, 386 D Έ.)> Diese oioia Ist eben das Ideensein; ihr allein kommt die Objektivit t zu, ber der Einzelmeinung zu stehen. Denn sie wurzelt in der Natur eines sachlichen Zusammenhanges, der verbindlich ist f r alles Denken. Es ist ein h ufig wiederkehrender Gedanke, da dieses Sein in der Natur der Dinge (πράγματα) selbst seinen Sitz habe. Das ist keine Abweichung vom Idealismus, es beweist nur, wie von Grund aus objektiv und streng Platos Idealismus zu verstehen ist. Er bedeutet nicht nur Idealitat des Prinzips der Dinge, sondern auch der Dinge selbst. In diesem Sinne kann das Sein der Idee in der Tat mit dem gleichen Recht in der Natur der Dinge wie in der des eigenen Selbst wiedergefunden werden. Denn diese Natur bedeutet ja nicht die der Einzeldinge, die doch nur ann herungsweise an das Ideensein herankommen, sondern ganz offenbar den sachlichen Zusammenhang dessen, was ihr Wesen und ihre Notwendigkeit ausmacht. Das ist aber vielmehr die Natur des Problems in ihnen, dasjenige, worauf gerichtet die Idee den Begriff zu leisten hat Das ist es auch, was den Weber, der sein Webeschifflein zerbrochen hat, bestimmt, nicht auf das zerbrochene, sondern auf das Wesen und die Bestimmung des Webeschiffleins berhaupt (amo δ εστί κερκίζ) hinblickend das neue anzufertigen. Denn er mu es machen, nicht wie es ihm pers nlich beliebt, sondern wie es in der Natur desselben liegt, n mlich wie es das Wesen der Webekunst verC o h e n und N a t o r p , Philosophische Arbeiten III

IS

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Reinheit and Methode

langt (οΐχ οίον αν αυτός βσυλη&β, αλλ' οίον πέφνχε, 389 C). Die „Natur" des Problems ist es, die da aufkommen mu f r die Objektivit t der Idee. Und sie kann es, denn sie besitzt jene Notwendigkeit, die sich nicht umgehen l t. Das Allgemein· verbindliche, der zwingende Seinswert der Idee, beruht ganz auf dieser inneren Notwendigkeit, ist logisch auf sie zur ckzuf hren. Aus der Notwendigkeit des Problerncharakters heraus betrachtet, erscheint das individuell Subjektive nur als ein Zuf lliges. Die Seinsfrage aber geht immer nur auf die erstere, nicht auf das letztere. Denn sie ist Frage der Rechenschaft ber das Denknotwendige. Wo aber das Individuelle auch seinerseits zum Problem werden soll, da mu es zuerst den objektiven Zusammenhang in sich aufweisen, aus dem heraus es ein „was es ist" ergeben kann. Diese Konsequenz zieht Plato tats chlich in den sp teren Schriften. Die logische „Rechenschaft" in ihrem Zur ckgehen auf die innere Notwendigkeit des Problems ist somit letzterdings Rechenschaft von dem, da und warum die Idee das objektive Eigentum Aller ist. Wie aber die Allgemeing ltigkeit in diesem Sinne aufs engste mit dem Seinsgehalt der Idee zusammenh ngt, so gilt es hier doppelt, diesen letzteren in seinem genauen prinzipiellen Wert, in seiner Reinheit zu erhalten. Von hier aus k nnen wir denn auch die Identit t der Idee in einem positiveren Sinn verstehen, als bisher m glich war. Identit t lag freilich schon mit in der μία τις Ιδέα, und auch im αυτό war sie der Grundton. Aber es ist Plato damit nicht genug, das Unveru erliche ihres Seins kommt in immer neuen, geh uften Wendungen zum Ausdruck. Das Selbst ist gesteigert zum „Selbst an sich selbst" (αυτό xa&' afno)t die Einheit — zur Eingestaltigkeit, Eindeutigkeit (μονοειδές, auch ωσαύτως ίχον), das δν zum del δν. Diese Bestimmungen fanden wir schon im „Symposion" der Idee beigelegt. Aber jene Negationen, die auf sie hinausf hrten, konnten nur ihr Desiderat, nicht ihren positiven Gehalt erbringen. Im „Ph don" dagegen sind diese Bestimmungen als Sicherung dessen eingef hrt, was sich schon als innere Seinsnotwendigkeit, und folglich als Allgemeing ltiges, erwiesen hat, Die Identit t ist ausdr cklich die des Seins, des Objektiven, Sachlichen. Um so bezeichnender ist es, wenn wir gerade hier auch wiederum die Seite des Denkens betont finden: ουκ ϊοτιν δτφ ποτ' αν δλλφ Ιηιλάβοιο ή τφ της διανοίας λονιαμφ (79 Α). Das Logische der διάνοια wird zum wissenschaftlichen Tr ger der Idee. Damit zeigt diese den Charakter der „Reinheit",

Die Anf nge der vxo&uHt

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den das Sein in ihr erlangt hat, auch von der Seite des Denkens. Denn von der Idee gilt es in erster Linie, was der Mythos von der Seele des Philosophierenden sagt: οϊχεται βίς το κα&αρότ. Diese neue Einheit des Denkens und Seins spricht sich besonders deutlich darin aus, da die Idee nunmehr zur „Methode" wird (μέ&οδος 79 E). Dieser Terminus, der wohl auch fr her bei Plato vorkommt, aber erst vom „Ph don" her seine pr gnante Bedeutung hat, n mlich als Terminus f r den Seinsgehalt der Idee — in seiner Charakteristik von der Seite des Denkens — , ist in der Tat aufs engste mit dem Motiv der Reinheit verkn pft. Denn das Denken als reines ist eben Methode. Gerade sofern das „andere Sein" ganz rein gedacht wird, wird es zur Methode : das hei t, es bleibt an diesem Denken nichts wesentlich als die Leistung. In der Leistung haben wir sowohl „Methode" als „Reinheit". In dieser Auffassung zeigt die Idee nunmehr ihren Seinswert als den des Gesetzgebenden. Darin kann sie Einheit und unver u erlicher Inhalt sein, ohne doch den Zusammenhang mit den Dingen zu verlieren: sie ist gesetzgebend f r das Mannigfaltige, sie bedeutet die Einheit der Methode, in welcher dieses erzeugt wird. Und dadurch ist sie zugleich auch gew hrleistet als unver nderliches Sein gegen ber dem Wechsel, den die Dinge bieten, ohne doch den letzteren entr ckt zu sein. Denn darin besteht die Methode, da sie eine und die gleiche ist f r alle unendliche Mannigfaltigkeit der F lle. — Wie aber das zugeht, wie also letztlich die Idee zum Wechsel der Dinge steht, das zu formulieren war f r Plato auch das Objektive der „Methode" nicht ausreichend. Darum pr gte er das ganze Ideenproblem um in eine neue allem Bildlichen entsagende Form, die die Motive der Rechenschaft, der Reinheit und der Methode in sich vereinigte, indem er die Ιδέα zur VJto&ecug machte. Das Motiv der ύπό&εσις taucht im Platonischen Denken keineswegs erst nach der Ιδέα auf. Im Gegenteil gerade einige zweifellos fr he Dialoge („Protagoras", „Lysis", „Charmides"), in denen der Terminus der „Idee" noch unbekannt ist, zeigen deutlich Spuren der ύτιό&εσις, enthalten zum Teil sogar schon ihren Terminus. Geichwohl ist es die Ιδέα, die zuerst zur Reife kommt und im systematischen Sinne verwandt wird. Die faoΦίοις hat gleichsam einen weiteren Weg bis zu ihrer eigenen Ausreifung zu beschreiben. Sie ist tiefer angelegt und eben daher schwerer zu durchdenken. So m ssen wir denn erwarten, IS"

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νποκεΐσΰαι und νηοτί&εα&α*

an ihr eine gr ere Mannigfaltigkeit der Entwicklungsstufen f finden als an der Ιδία. Diese kommt gleichsam aus einem Gu , aus einer genialen Konzeption Platos, die ihn am Bilde dfefr Schauens auf einen Schlag tiefer in das gro e Problem Sein und Denken hineinblicken lie , als es vielleicht die same Forschung von Jahren gekonnt h tte. Daher die pl tzliche und wahrhaft erstaunliche Begeisterung des Philosophen f r dtfr Ιδέα im „Ph drus". Nicht so die ΰπό&εσις. Hier liegt das ganae Schwergewicht auf der sorgsamen Durchf hrung und Formulierung ; in ihr steckt mehr kritische Arbeit, daher denn ihre gr ere methodische Tragweite. Sie ist die bertragung der Idee auf rein logischen Boden. Diese konnte dem Denker nur in jahrelanger unerm dlicher Selbstvertiefung entstehen. Was die Ιδέα prophetisch weissagt, das geht in der νπό&εσις in Erf llung. Es ist hiernach nicht schwer vorauszusehen, da diejenigen Entwicklungsstadien der νπά&εσις, die zeitlich vor der Konzeption der Idee liegen (speziell vor dem „Ph drus"), sich wesentlich von denjenigen unterscheiden werden, die nach ihr auftreten und die sich also schon in der Arbeit dieser Umdeutung befinden. Irt der Tat hat die ύπό&εσις der fr hen Schriften noch so Wehig logischen Gehalt, da man sie schwerlich als irgendwie wesentlich bemerken w rde, wenn man sie nicht als Vorstufe jener sp teren Stadien ansehen m te. Wir heben deswegen nur das Wichtigste an ihnen hervor. Schon im „Protagoras" erinnert die oben (bei Gelegenheit der Ιδέα) zitierte Stelle (349 B) fast mehr an die νπό&εσις als ail die Idee selbst. Den Begriffen soll ein ihnen eigenes Sein „zugrunde liegen": νπόκειταί τις Ιδιος οΰοία και πράγμα ίγον ανιόν δύναμιν ίκαοτον . , In diesen Worten geh rt die ουσία und die δύναμις αύτοΰ mehr dem Gedanken der Ιδέα an, das υπό-· κείσ&αι aber entschieden der νπόΰεσις. Es ist mit ihr fast das-· selbe Wort. Die Unreife des Gedankens zeigt sich gleichwohl schon in der passiven Fertigkeit — gleichsam Gegebenheit — des Μεΐσΰαι, wof r Plato sp ter immer die spontane Aktivit t des τν&έναι setzt. Sonst aber weist gerade die Zusammenstellung des „Zugrundeliegens" mit der Ιόιος ουσία, also der Idee, auf die urspr ngliche Verkn pftheit beider Probleme hin, als zweier verschiedener Kehrseiten eines Grundproblems. Das vnoMwdat ist hier schon ganz streng und ohne Nebenr cksichten' auf das Ideen sein bezogen. Auch das negative Moment fehlt nicht in ihm. Denn das Wie dieses „Zugrundeliegens" wird keineswegs stillschweigend bergangen, aber auch nicht positiv erkl rt. Es

νπά&εαις und συμβαίνοντα

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wird nur gesagt, die δνναμις dieses Zugrundeliegenden sei ihm nicht in der Weise eigen, wie das έτερον dem έτερον, d. h. wie ein Ding dem anderen. Und bei diesem „Nicht" bleibt es. Die positive Bestimmung setzt erst viel sp ter ein. — Ebenso eng verwandt mit der sp teren νπά&εσις ist jener Gedanke der αρχή als des πρώτον im „Lysis". Ihr Terminus freilich fehlt hier. Daf r ist sie sachlich vielleicht schon positiver als im „Protagoras". Auch die Aktivit t in ihr blickt schon indirekt durch in dem Gedanken vom Aufsteigen oder Durchdringen bis zur αρχή (cf. S. 212 f. Anm.). Von einer anderen Seite zeigt sich die νπό&εσις im „Charmides". Die Eigenart der dialektischen Methode verlangt es, da in Betreff des gesuchten Begriffs eine Annahme gemacht werde, von der noch durchaus nicht notwendige Richtigkeit behauptet wird, sondern die nur aufgestellt wird, um an den Schlu folgerungen, die sich aus ihr ergeben* einen Fingerzeig f r weitere, richtigere Annahmen zu gewinnen. Auf dieser Methode sind fast alle Platonischen Dialoge aufgebaut, auch schon die fr hsten. Dieses Verfahren der Annahme ist es, f r welches zuerst der Terminus ύπό&εσις verwandt wird. Man kann daher wohl sagen, diese wachse aus der Praxis der dialektischen Methode hervor. Daher ist sie zun chst kaum mehr als technisches Mittel der begrifflichen Forschung in dem Suchen nach allseitig gen gender Definition. Die Annahme n mlich, um die es sich handelt, wird der Untersuchung vorausgeschickt und ihr so gleichsam „ z u g r u n d e gelegt" (ϋποτί&εαΰαι, Charm. looD, 163 A, 171 D; andere Beispiele des gleichen Gebrauchs, nur von weniger sicherer Echtheit: Euthyphr. II C, Hippias maj. 2 99 B» 3°2 E). Das ist der terminologische Ursprung der ύπό&εσις. ber diesen ziemlich primitiven Sinn des ύποτί&εσ&αι kommen die fr hen Dialoge nicht hinaus. Einen Eigenwert des Zugrundegelegten als solchen kennen sie noch gar nicht. Nur die dialektische Zweckdienlichkeit rechtfertigt es-f r den Fortgang der Untersuchung als vor bergehendes Mittel. Daher wird jede einzelne νπό&εσις alsbald wieder preisgegeben, sobald sie in irgendeinem Punkt nicht zureicht, und mu einer neuen, oft mit der fr heren nur lose zusammenh ngenden Platz machen. Der ganze Nachdruck liegt vielmehr auf den Schlu folgerungen (τα συμβαίνοντα), die sich aus ihr ergeben; denn in ihnen liegt die M glichkeit, hinter den Fehler der Annahme zu kommen. Der ganze methodische Wert eines solchen, gleichsam probe-

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Die νπό&εαις im „Menon"

weise Zugrundegelegten besteht somit einzig in dem festen Z u s a m m e n h a n g , der zwischen diesem und seinen Schlu folgerungen sich herausstellt. Auf diesem beruht die Sicherheit alles Beweisens — oder, wie es in jenen fr hen Dialogen viel h ufiger ist, der Widerlegung. Die einzelne ύπό&εσις selbst bleibt hier noch fast unbeachtet. Sie wechselt best ndig, je nachdem, was der oft recht ungeschulte Mitunterredner f r Vorschl ge zu machen wei (man denke an die καλή παρ&ένος in „Hippias maj." 287 E; hnliches „Laches" 190 E u. a.). Dennoch sind derartige primitive Versuche wohl nicht blo ironisch zu verstehen. Durch die unentrinnbare Konsequenz der συμβαίνοντα wird ber lang oder kurz jeder falsche Schritt entdeckt und wieder r ckg ngig gemacht, aber auch nicht wenig'er wird jedes noch so unscheinbare K rnchen Wahrheit mit. hin bergerettet in das Endresultat. — Andererseits ist der Gedanke des Grundlegens Plato selbst hier noch so wenig bewu t, da er den typischen Terminus des νποτί&εσ&αι nicht einmal rein bewahrt, sondern genau in demselben Sinne das einfache τί&εσ&αι gebraucht (Charm. 172 C). Darin ist er sp ter ganz anders streng; da werden τί&εσ&αι und ύποτί&εσΰαι geradezu als Gegens tze betrachtet. Der wesentliche Sinn des „Zugrunde" (ϋπο-) ist hier eben noch nicht zum logischen Bewu tsein gelangt. An dem Bewu twerden dieses Punktes h ngt aber gerade die gro e methodische Vertiefung der νπά&εσις im „Ph don". Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Nichtsein im positivsten Sinne, das hieran zur Durchf hrung kommen sollte. Bis tief in den „Parmenides" hinein werden wir die Verinnerlichung dieses Moments verfolgen k nnen. In logischer Sch rfe tritt die ύπό&εσις zum erstenmal im „Menon" hervor. Sie bedeutet hier auch zuerst noch kaum etwas anderes als die Voraussetzung, aus der heraus der Beweis gef hrt werden soll. Aber die Vertiefung des Einblicks in ihr Wesen l t sie immerhin schon als Methode von allgemein wissenschaftlicher Bedeutung erkennen. Hier steht auch die erste prinzipielle Formulierung derselben da — und zwar eine die Sache durchaus erfassende Formulierung. In der „Voraussetzung" f r den Beweis, wie wir sie im „Charmides" sahen, ist vor allem noch ein Punkt unaufgekl rt, der durchaus errtert sein will, ehe Wichtigeres zur Sprache kommt. Es ist der Punkt, wie etwas vorausgesetzt werden kann, von dem man doch noch nichts Sicheres wei . „Voraussetzen" n mlich schlie t Antezipation ein. Aber wie ist Antezipation m glich, wo es

Die

als fortschreitende

fao&eaig

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noch keinerlei Begriffsbestimmung gibt? Ist die Voraussetzung etwa volle Willkürlichkeit ? Oder ist sie an innere Gesetze gebunden? Wenn aber letzteres, wieso ist sie dann bloß „Voraussetzung" und nicht vielmehr vollgültige „Setzung"? Diese Frage führt weiter zurück auf die der F o r s c h u n g überhaupt. Das „Forschen" ( ) muß sich bewußt sein, worauf es ausgeht. Gleichwohl kann es dieses ihm Bewußte noch nicht erkannt haben, sonst wäre es eben kein „Forschen" mehr. Das Machen der Voraussetzung ist der logische Ausdruck für diesen Forschungscharakter. Plato nun orientiert sich im „Menon" hierüber am Gedankengange der mathematischen Ableitung, Um jeden Schein von Voreingenommenheit zu beseitigen, wird die Ableitung eines mathematischen Problems dem ungeschulten Denken eines Knaben entnommen: er soll aus der Seite eines gegebenen Quadrats die des doppelten finden. Es erweist sich — wie wir bereits gesehen haben (S. 180) —, daß es nur gilt, ihn richtig zu fragen, so findet er die Antworten selbst, ohne direkte Anleitung des Wissenden. Den einzigen Anhalt gibt ihm die der Frage selbst entnommene Figur. Über ihren Sinn, d. h. über die Notwendigkeit der Größenverhältnisse in ihr muß er die Rechenschaft in sich selbst finden. Dabei findet er keineswegs gleich beim ersten Versuch das Richtige. Er geht zunächst auf falsche Voraussetzungen ein. Aber diese läßt er alsbald wieder fallen, sobald er einsieht, daß ihre Konsequenzen mit dem Gesuchten nicht übereinstimmen. So entscheidet er sich am Schluß mit voller Sicherheit für das Richtige. Das Denken enthält die K o r r e k t u r seiner selbst schon in sich, an ihr schreitet die & fort. Darum ist es nicht Zufall, wenn der Knabe bei seinen ersten Annahmen nicht stehen bleibt. Es ist lehrreich, diesen Versuchen mehr ins einzelne zu folgen. Das gegebene Quadrat mißt zwei Fuß in der Seite. Nun geht die erste Annahme dahin, die Verdoppelung des Quadrats aus der doppelt so langen Linie (4 Fuß) zu versuchen. Sie hebt sich sogleich wieder an der Konsequenz auf, indem die Quadrierung nicht das Doppelte, sondern das Vierfache zeigt. Ebenso ergeht es ihm mit der zweiten Annahme. Er hat jetzt begriffen, daß die gesuchte Linie größer als 2 und kleiner als 4 Fuß sein muß. So schließt er auf 3 Fuß. Aber auch so kommen nicht die gesuchten 8 Quadratfuß, sondern 9 heraus. Hiernach gesteht der Knabe, nicht zu wissen, welches die gesuchte Linie sei. Damit ist er schon einen Schritt vor-

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Vorauswissen und Voraussetzen

w rts gekommen: vorhin glaubte er es zu wissen, wu te es aber nicht, jetzt wei er, da er es nicht wei . Zugleich aber begehrt er es zu wissen. So lernt er in seinem eigenen Denken das Falsche vom Richtigen unterscheiden. Denn es ist alles sein Eigenes, was er denkt; die Fragen sind f r dieses sein Denken nur die Veranlassung, sich zu entscheiden, Stellung zu nehmen. Das war es ja eben, was Plato άνάμνησις nannte. Und wir sehen es gerade hier, wie das άναμιμνήσκεσ&αι sich keineswegs auf blo e Annahmen beschr nkt, sondern auch ihre Durchf hrung und Berichtigung zuwege bringt. Es wird zum forts c h r e i t e n d e n Wiedererinnern (άναμιμνήσκεαΰαι εφεξής, 82 Έ). Das zeigt der letzte Teil des Gespr chs mit dem Knaben. Dieser f ngt nun erst wirklich an, sich in die Fl chenverh ltnisse der Figur hineinzusehen: da findet er denn leicht, da die Diagonalen der vier aneinander gelegten gegebenen Quadrate das gesuchte Quadrat bereits bilden, und da folglich auch die gesuchte Seite desselben in der Figur schon mit enthalten ist. Es ist die Diagonale („Menon" 826 — 856). Nachdem es so festgestellt ist, da es άνάμνησις gibt, und was ihr logischer Sinn ist, wird auch das allgemeine Problem des Forschens klar. Auch der Lernende ist ein Forschender, ein in sich selbst Suchender. Wenn nun aber das Forschen nur auf dem Wege der Antezipation, n mlich des VoraussetzungenMachens, vor sich geht, so ist das Denken des Lernenden in der Tat orientierend f r das Problem des Forschens berhaupt. Denn der Lernende lernt, indem er sich veranla t sieht, Voraussetzungen zu machen, diese aber nicht auf Treu und Glauben hinzunehmen, sondern an der Konsequenz zu pr fen. Er kann es aber, weil er den Grund des Wissens schon in sich tr gt — nur ohne sich seiner bewu t zu sein. Es ist jenes Wissen, das vielmehr noch nicht wirkliches Wissen geworden ist, das im „Ph don" so nachdr cklich als προειδέναι geltend gemacht wird. Dieses ist es, das den Grund alles Voraussetzungen-Machens und folglich aller Forschung enthalten mu . Vorauswissen und V o r a u s s e t z e n mu im Grunde eins sein. Somit geht die Schlu folgerung zun chst 'so weit, da geforscht werden kann und geforscht werden mu nach dem, was man nicht wei (δτι ζητητέον περί ου μη τις οϊδεν, 86 C). Das Weitere wird wiederum an einem spezielleren Problem gezeigt. Es ist die urspr ngliche Frage des Dialogs, die Frage der αρετή. Und zwar handelt es sich darum, ob Tugend lehrbar sei oder nicht. Das kann billigerweise nicht entschieden

εξ ΰποΰέοεως σχοπέϊο&αι

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•werden, ehe wir wissen, was sie „ist". Das ist es aber gerade, was wir noch nicht wissen. Das Wesen der αρετή wie ihre Lehrbarkeit sind beide noch gleich verborgen und unermittelt. Weder an dem einen noch an dem anderen ist daher ein fester Ausgangspunkt f r die Forschung zu gewinnen. Wenn das Denken nicht in irgendeiner Richtung der Antezipation f hig ist, so ist mit dem Problem der αρετή nichts anzufangen. Ist es dessen aber f hig, so mu es einen Weg der Untersuchung f r die Frage der Beschaffenheit geben, w hrend das Wesen des fraglichen Gegenstandes noch durchaus unerkannt ist (εοικεν οΰν σκεπτέον είναι, ποιόν τί εστίν δ μήπω ΐσ/ίΐεν 8 τι εστίν, 86Ό). Nur auf diesem Umwege kann sich in der Folge die Erkenntnis seines Wesens selbst anbahnen. Das ist die Paradoxie, die scheinbar in der Forderung liegt, da die ζήτησις mit dem zu beginnen habe, was man bewu terma en nicht wei , was selbst ein Gesuchtes ist. Eine derartige M e t h o d e der A n t e z i p a t i o n hat sich nun bereits im Verh r des Knaben aus der Anwendung ergeben: es ist die des f o r t s c h r e i t e n d e n Voraussetzung-Machens, in der jede einzelne Annahme das Korrektiv ihrer selbst an den Konsequenzen in sich enth lt, — der Weg des Lernenden. Diese Methode nun wird direkt als ein εξ νποΰέσεως σκοττεΐσΰοι bezeichnet. Es ist aber Plato nicht genug mit der allgemeinen Nutzanwendung des am speziellen Beispiel gefundenen Prinzips. Er sucht auch seine strengere Formulierung in Gesetzesform. Auch hierzu mu ihm das mathematische Denken den Anhalt geben. „Ich erkl re aber das εξ ύπο&έσεως so, wie die Geometer h ufig ihre Betrachtungen anstellen, wenn jemand ihnen eine Frage vorlegt, z. B. von einem Fl chenquantum, ob es m glich ist, in diesen bestimmten Kreis dieses bestimmte Fl chenquantum als Dreieck einzuspannen; da m chte einer darauf antworten: noch wei ich nicht, ob dieses ein solches ist, aber als eine Voraussetzung glaube ich f r die Sache folgendes bereit zu haben. Wenn dieses Fl chenquantum so beschaffen ist, da , wenn man es an die gegebene Linie des Kreises (d. i. den Durchmesser) anstreckt, man um eine' ebensogro e Fl che zur ckbleibt, als die angestreckte selbst ist, so mu die Konsequenz eine andere sein, und wieder eine andere, wenn dies unm glich ist. Auf G r u n d einer V o r a u s s e t z u n g also will ich dir die K o n s e q u e n z (το συμβαίνον) in betreff der Einspannung des Fl chenquantums 'in den Kreis sagen, ob sie m glich ist oder nicht" (Menon 86 E—87 B). So verf hrt das

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Das Methodologische in der

mathematische Denken. Von dem Gesuchten ist noch nichts bekannt. Eben darum mu es einstweilen wie ein Bekanntes behandelt werden. Der Mathematiker bleibt sich dabei bewu t, da er sich blo in Annahmen bewegt; aber das ist es gerade, was er braucht. Denn an den Konsequenzen ergibt sich dann die Alternative, aus der heraus man sich entscheiden wird. Das soll nun zur allgemeinen Methode gemacht werden. Die Anwendung wird sofort f r das Problem der αρετή in Anspruch genommen. Die Frage ist (86C) dahin formuliert, ob Tugend «hi διδακτόν ist oder φύσει Jem Menschen eingeboren. Sofern das eine Disjunktion sein sollte, so ist beides falsch. Denn gerade der eben entwickelte Gedanke vom „Lernen" als dem In-sich-bewu t-Machen dessen, was man schon besitzt, zeigt es aufs deutlichste, da diese beiden Begriffe vielmehr in Konjunktion stehen: lehrbar ist eben nur das, was erinnert werden kann, d. h. was in der Seele φύσει schon enthalten ist. Richtig dagegen ist die Disjunktion bald darauf folgend so formuliert: είτε διδακτόν είτε ου διδακτόν εστίν (87 B). Hieran schlie t sich dann die in Betreff der αρετή versuchte νπό&εσις. „Was f r eine von den der Seele zukommenden Beschaffenheiten mu die Tugend sein, um lehrbar oder um nicht lehrbar zu sein? Zun chst, wenn sie etwas anderes als ein Wissen ist, kann sie dann gelehrt werden oder nicht? Oder, wie wir vielmehr jetzt sagen, kann sie erinnert werden? Denn es soll uns keinen Unterschied machen, welchen Ausdruck wir gebrauchen. Ist sie also lehrbar ? Oder ist das wenigstens einem jeden klar, da der Mensch nichts anderes gelehrt wird als Wissenschaft?" (87 B, C). Dieses wird zugestanden. Daraus ergibt sich denn leicht die zweite Alternative: wenn Tugend ein Wissen ist, so ist es klar, da sie lehrbar ist. Damit ist die erste νπό&εσις bereits geleistet. Sie reicht freilich noch nicht sehr weit, aber sie ist ein Anfang f r weiteres Vordringen der Forschung. Es mu weiter bestimmt werden, ob sie ein Wissen ist oder nicht. Dazu wiederum hei t es untersuchen, ob und inwiefern sie ein Gut ist, ferner wie dieses Gut erreichbar wird, und so fort. Der „Menon" f hrt das Problem der αρετή gem diesem Programm nicht zu Ende. Um so wertvoller sind daf r die methodischen Errterungen, in denen er Rechenschaft ber den Problemcharakter selbst in ihm gibt. Die ύπό&εσις und ihr Korrelat, das συμβαίνον, auf diese beiden kommt alles an. Ohne einander sind sie nichts. Die Sicherheit des Ganzen liegt einzig im Zusammenhange. Das συμβαίνον hebt die ΰπό&εσις auf, sobald es

Das Logische in der νχό&εσις

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sich als der Fragestellung nicht entsprechend erweist. Aber die νπό&εαις begr ndet und rechtfertigt ihrerseits das συμβαίνον, sofern dieses der Problemanforderung gen gt. Dieses Gen gen wiederum ist aber die Gew hr f r die ύπόΰεσις selbst. Dabei ist das Eigent mliche, da uns das Wesen des Fraglichen in allem diesem noch ganz unbekannt sein kann. Ja es mu unbekannt sein, sonst bed rften wir der νπόΰεσις nicht. Sie tritt eben nur f r das Unbekannte, Gesuchte, noch nicht Seiende ein. Das ist ihr Wesen, ihre Leistung, wenigstens soweit diese im „Menon" durchgef hrt ist, — die methodologische Seite der νπό&εσις. Damit ist nun freilich ihr ganzes Wesen noch lange nicht ersch pft. Es sind Punkte an ihr, die in diesem Stadium der theoretischen Durchf hrung noch durchaus dunkel erscheinen m ssen. Diese ganze Methodik, da etwas zugrunde gelegt werden kann, was noch in keiner Weise feststeht, wor ber wir auch noch nichts Bestimmtes aussagen k nnen, hat ihr unmittelbar Einleuchtendes, solange man auf das Problem der „Forschung" allein hinblickt; denn methodologisch lie sich ihr Wert, als der eines brauchbaren Mittels f r das tiefere Eindringen in den Gehalt der Probleme, noch verh ltnism ig leicht verstehen. Aber das ndert sich, wenn wir in Betracht ziehen, da in diesem Verfahren das ganze Ideenproblem seine sachliche Begr ndung finden soll. Denn Plato macht in der Tat die Idee zur νπσ&εσις. Der Mathematiker mag sich bei der Brauchbarkeit seines Verfahrens beruhigen. Der Philosoph kann das nicht. Er mu erst hier recht anfangen zu fragen. Das logische Interesse ist eben nicht aufzul sen in methodologisches. Gerade die Brauchbarkeit einer Methode ist f r die Logik ein neues Problem: sie mu schon auf einem inneren, sachlichen Zusammenhang im urspr nglichen Problem begr ndet sein. Anders k nnte sie sich nicht als brauchbar erweisen. Die ganze Frage der ζήτησις sowie die der mathematischen Ableitung sind hier offenbar nur Stufen, ber die das Problem hinauszugehen hat, wertvoll durch das Orientierende in ihnen, aber, wie alles Orientierende, nicht abschlie end. Der Begriff des Verfahrens selbst reicht hier durchaus nicht zu, — es sei denn, da er in einem viel tieferen Sinne verstanden werde, nicht mehr als Mittel zu einem Zweck der Forschung, sondern als identisch mit diesem Zweck selbst, n mlich als Denkgrund alles Denkens im systematischen Verstande, also zugleich als Seinsg r u n d alles Seins. Nur so kann die Idee in der ϋπό&εσις auf-

άνάμνησις und νπόΰεαις

gehen; denn so weit reicht das Problem der Idee. Nur so also kann das, was in ihr noch Problem geblieben ist, d. i. gerade die Inhaltsseite, das Sein, in der νπό&εσις seine L sung finden. Das Zugrundelegen mu so gefa t werden, da das Zugrundegelegte tats chlich einen festen Seinsgrund abgibt, in welchem alles das wurzeln kann, was den Charakter unumst licher wissenschaftlicher Wahrheit tragen soll. Ja schlie lich will die ganze Welt der Wirklichkeit aus ihr heraus als aus einer Notwendigkeit verstanden werden und so selbst den Wert des Notwendigen erlangen. Diese V e r s c h i e b u n g des Grundproblems aus dem M e t h o d o l o g i s c h e n ins rein Logische geht in Platos Denken gleichsam hinter der Szene vor sich. Wir k nnen sie in seinen Schriften nicht verfolgen; denn in diesen ist die entsprechende Periode des bergangs ganz von der Ιδέα ausgef llt. So tritt uns denn im „Ph don" der reine/ logische Standpunkt fast fertig entgegen, wie wir das von anderer Seite bereits an jenem λόγον διδόναι sahen, das so eng mit dem pr gnanten Begriff der Reinheit zusammenhing und welches der wissenschaftlich objektiven ύπόΰεσις schon beraus nahe kam. Was zwischen dem „Menon" und diesem Motiv der „Rechenschaft" liegt, k nnen wir nicht rekonstruieren. Es l t sich nur in allgemeinsten Z gen das Motiv angeben, das als bewegendes Problem gedient haben mag. Es ist n mlich im „Menon" vor allem der Punkt noch nicht verst ndlich, wie die Gewi heit ber das, was „vorausgesetzt" wird, zustande kommen soll. Denn f r den Inhalt des Vorausgesetzten wird keine Regel, keine irgendwie bestimmte Norm geltend gemacht. Die Richtigkeit soll im Zusammenhange liegen; ja, aber ist denn die Richtigkeit des Zusammenhanges zwischen einer beliebig gew hlten Voraussetzung und dem, was sich aus ihr ergibt, auch B rgschaft f r die sachliche, inhaltliche Richtigkeit des einen wie des anderen ? Das kann, wenn es hier nicht noch anderes zu erw gen gibt, einen bedenklichen Einwand abgeben. Es mu so oder so seine Richtigkeit haben mit einem Begriff, der sich auf dem Grunde der Wissenschaft (hier der Mathematik) bereits bew hrt hat und unentbehrlich geworden ist. So viel l t sich aus der Unentbehrlichkeit schlie en. Aber das ist noch recht wenig. Es mu gezeigt werden, worauf die Unentbehrlichkeit beruht, wie sie berhaupt m glich wird. Wenn also auch von Willk rlichkeit in der Wahl der ύπό&εοις nicht die Rede sein kann, so ist doch andererseits auch noch keinerlei Gesetz aufgezeigt, an dem sie als von innen, etwa aus dem

Der αίτιας λογισμός

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Problem heraus, notwendig gemacht w re. — Man k nnte geneigt sein, die άνάμνησις des „Menon" auch f r diesen Punkt als Erkl rung anzusehen. Aber es ist offenbar, da das eher die Umgehung einer Erkl rung w re; wir k men damit in einen Zirkelschlu . Denn in Wirklichkeit soll gerade umgekehrt die άνάμνησις durch das Zugrundelegen erkl rt und bewiesen werden. Gleichwohl wird es an dieser engen Verkn pftheit mit dem Motiv der άνάμνησις klar, da es berhaupt eine derartige Norm, eine innere, wenn auch als solche unerkannte Gesetzm igkeit im Denken geben mu , nach welcher die ύπό&εοις gew hlt wird. Das „Vorherwissen" des Lernenden gibt schon eine Art B rgschaft daf r ab; es ist selbst jener Urgrund des Bewu tseins, aus dem heraus mit Notwendigkeit dasjenige zur νπό&εσις erhoben werden mu , was die geforderten Konsequenzen nach sich zieht. Im Gespr ch mit dem Knaben sieht man diesen Zusammenhang sehr wohl angelegt. Wie anders k nnte dieser sich schlie lich f r das Richtige entscheiden. Aber damit stehen wir wieder vor einem Bewu tseinsmoment, nicht vor dem rein sachlichen Gehalt der Frage. Denn wie es schlie lich vor sich geht, da jenes Vorherwissen zum Bande f r das wird, was selbst als Frage noch der Pr gnanz entbehrt, ist daraus keineswegs zu ersehen. Man kann eben aus einem Bewu tseinsmoment heraus nicht einen rein logischen Schlu ziehen. In einer kurzen Bemerkung gibt freilich auch der „Menon" schon eine Andeutung, in welcher Richtung die Methodik nach logischer Seite weiter fortzubilden ist. Es ist dort (98 A) die Rede von dem Unterschiede der άληΰεΐς δόξαι und der επιστήμη. Die ersteren sind nicht stichhaltig, denn sie dauern nicht, ver-, ndern sich und haben daher nur geringen objektiven Wert. Das ndert sich erst, wenn das Eigent mliche des Wissens hinzutritt, n mlich da sie „gebunden" werden durch das „Erschlie en der Ursache", (έως αν τις αντάς δήση αίτιας λογισμφ). Dieser αιτίας λογισμός ist das Eigent mliche der Wissenschaft und ihr Unterscheidendes der άλη&ης δόξα gegenber. Gleichgesetzt aber wird er unmittelbar darauf der άνάμνησις. Hier zeigt sich ein Teil des logischen Wesens der άνάμνησις: sie erh lt ihre sachliche Bestimmung aus ihrer Leistung als αίτιας λογισμός. Daher kann sie dasjenige sein, was die δόξαι zu ίπιστήμαι erhebt, n mlich, was sie „gebunden" und „bleibend" (μόνιμοι) macht. Die άνάμνησις ist ein δεσμός. Das ist es, warum sie Notwendigkeit bieten kann f r das Aufstellen der zu machenden νπό&εσις. Aber dieses logische Motiv in ihr

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Die faa&eov im „Ph don"

ist es gerade, das ber ihren eigenen Bereich hinausgeht und viel eher schon dem Gedanken der ύπό&εοις selbst angeh rt. — Im „Ph don" k ndigt sich die ύπό&εσις schon gleich dadurch ganz anders an, da es ausdr cklich das Ideensein ist, f r das sie einstehen soll. Es ist das ganze unendliche Gebiet des nat rlichen Daseins, um dessen Erkl rung und Begr ndung es sich handelt. Wenn das Entstehen und Vergehen der Dinge, der Wechsel des Lebendigen und alles, was in den Gesichtskreis menschlichen Bewu tseins tritt und wieder aus ihm verschwindet, aus sich selbst heraus klar und wohlgegr ndet w re, so da die Vernunft nicht erst n tig h tte, die Frage nach seinem Grunde aufzuwerfen, dann h tten wir an der ϋπό&εσις nicht etwas logisch Notwendiges, sondern h chst berfl ssiges und Willk rliches. Aber das ist es eben, da ein derartiges scheinbar Gegebenes aus sich selbst heraus nicht klar ist. Es ist, philosophisch verstanden, nicht das Dasein von so oder so bestimmten Dingen, sondern zun chst nur das Dasein eines gro en Problems. Das „Ver nderliche" des Werdens in seiner Mannigfaltigkeit kann nur in der logischen Beharrung des Prinzips verstanden werden. Aber dieses ist ja nicht mit gegeben. In der Tat, wie sollte man wohl das Werden verstehen, wenn man in ihm, wiewohl zugleich im Gegensatz zu ihm, nicht doch wieder ein Sein annehmen d rfte? Aber worin soll dieses Sein bestehen? Der „Ph don" bezeichnet es als „Grund" (αίτια) des Werdenden. Als solcher ist das Sein des Prinzips das G e s u c h t e . Das ist es, wonach der Platonische Sokrates sucht. Denn er kann zu den sittlichen Fragen, •denen er nachgeht, auch nicht gelangen, bevor er ber die theoretische Grundfrage Gewi heit hat. Der νονς des Anaxagoras konnte ihm als „Grund" nicht ausreichen; denn er war nicht durchgef hrt, nicht wirklich f r das Werden fruchtbar geworden. Er mu mit allem Hergebrachten brechen und, wieder von vorne anfangend, den δεύτερος πλους beginnen. An der Schwelle dieses neuen Versuches steht der Gedanke der υπόΦεσις — jetzt streng auf das Zentrum des theoretischen Problems gerichtet. Wenn die Dinge einen „Grund" (ahla) haben sollen, so mu dieser Grund „zugrunde gelegt" werden. Anders kommt es nicht zur Begr ndung. So wird man mit Notwendigkeit dazu gef hrt, die αίτια in etwas von Grund aus Anderem zu suchen. Das Denken mu sich dazu in ganz anderer Weise nach innen wenden, als es in dem „Erinnern" (άναμιμνήαχεα&αι, έννοεϊν) der Fall war. Es

Der λαγός als αίτια

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mu sich auf sich selbst richten, auf das Prinzipielle, „Logische" in ihm, auf den λόγος. Die gesuchte alrta mu zum λόγος werden, als solcher kann sie gefunden werden; denn als λόγος liegt sie unmittelbar im Denken selbst, n mlich im streng genommenen Denken der επιστήμη, welches eins ist mit seinem Objekt, dem Sein. Denn dieses besteht gerade im „Geben" (διδόναι) des λόγος. Im λόγος durchdringen sich die Motive des „Denkens" und der „Seinsrechenschaft". Diese Durchdringung ergibt im Problem der ahia den Begriff des „Seinsgrundes". Als ein solcher ist der λόγος zu verstehen, der das Objektive des Grundes mit seinem Problemcharakter, seiner Nichtgegebenheit vereinigt. Er ist der zu gebende Seinsgrund, der zugrunde zu legende λόγος. Von dem Moment der Selbstvertiefung geht Plato auf den Grundsatz der ύπό&εσις los. Die Wahrheit des Seins liegt in seinen „Gr nden". Sie ist gleich diesen verborgen; man mu sich zu diesen „Gr nden" als zu den Vehikeln des Seins wenden, um dieses in seiner „Unverborgenheit" zu erfassen. In diesem Sinne hei t es nun: „Es schien mir aber erforderlich, mich in die λόγοι zur c k z i e h e n d , in ihnen zu b e t r a c h t e n die U n v e r b o r g e n h e i t 1 der Seienden" — d. h. der Dinge (ίδοξε *) Bei Plato hat αλή&εια noch vielfach den urspr nglichen, w rtlichen Sinn, der einfache Negation des λανΰάνειν ist: ά-λη&ής — „unverborgen". Es ist einer von jenen bedeutsamen Begriffen, die gleichsam handgreifliche Beispiele der in der Begriffsbildung sich bet tigenden Methode des Nichtseins sind, indem ihr Gebrauch sie als durchaus positiv zeigt, w hrend ihre Etymologie noch den negativen Ursprung erkennen l t. Im weiteren Verlaufe der Sprachentwickelung verschwindet das Bewu tsein dieses Ursprungs fast ganz. Bei Plato und den lteren l t die Anwendung es noch zuweilen als lebendig erkennen. An Stellen, wo fundamentale Er rterungen im Gange sind, hat es Wert, auf solchen negativen Ursprung Gewicht zu legen, zumal es in solchen F llen sowieso der Sache nach auf ein seiendes Nichtsein herauskommt, — wie sich an der vno·&εαις sogleich zeigen wird. — F r diese Auffassung der αλή&εια spricht auch folgendes, λή&η bedeutet (nach Ph d. 75 D) επιστήμης αποβολή, das „Verlorengehen" eines Wissens. Folglich mu die επιστήμη in ihrer Nichtverlorenheit auch notwendig Unvergessenheit oder Unverborgenheit sein; das ist der genaue Sinn von ά-λή&εια — was der durchgehend enge Zusammenhang von επιστήμη und άλή&εια bei Plato best tigt. Man vergleiche hiermit auch das mythische Bild der Λή&η. Die Seelen der Gestorbenen m ssen, ehe sie zu neuem Leben wieder auf die Welt kommen, durch das „Feld der Vergessenheit" hindurchgehen (το της Λή&ης πεδίον, Rep. 621 A). Dort verlieren sie also die άλή&εια, die sie von Anbeginn geschaut haben. So kommen sie des Wissens beraubt zur Welt, um auf dem m hevollen Wege der „Wiedererinnerung" das von der Λή&η Verschlungene wiederzugewinnen: Die αλήΰεια. des Seienden.

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Der λόγος kein Bild

δη μοι χρήναι είς τον ς λόγους καταφνγόντα ίν έκείνοις ακοπειν των δντων την άλή&ειαν, Ph d. 99^)· Das Problem wird als das des dinglichen Daseins festgehalten, das zeigen die δντα, denen die Betrachtung letztlich gelten soll. F r sie geschieht die Selbstversenkung des Denkens in seine Gr nde. Es k nnte nun aber scheinen, da hiermit das Sein, das ihnen zukommen soll, ins Bildliche entr ckt-werde; denn das naive Denken sieht nur das £ργον als volle Wirklichkeit an, nicht aber den λόγος. Es ist das alte empiristische Vorurteil, das hier im Wege steht, gegen das die voraufgehenden Dialoge alle gerichtet sind. Hier nun pr gt Plato diese Seinsbewertung grunds tzlich um. Es kann nicht bei jener Sch tzung bleiben, nach welcher der λόγος weniger „ist" als das ε*ργον, — ebensowenig als es bestehen bleiben kann, da das Sein weniger „ist" als das Werden. Denn die £ργα sind das Werdende; vom λόγος aber wissen wir so viel sicher, da . er im Sinne der Dinge nicht „wird". Freilich dem Sein gegen ber ist er auch nur Vehikel, zun chst wenigstens. In diesem Sinne ist die Betrachtungsweise durch den λόγος eine indirekte; aber das liegt im Wesen der Grundbetrachtung, der „Grund" kann eben nicht auf der Hand liegen. Deswegen also ist der λόγος nicht „mehr" indirekt, nicht „mehr" auf das „Bild" angewiesen als das ίργον. Das kann der logische Gesichtspunkt eben „nicht zugeben": ου γαρ πάνυ ξνγχωρώ τον εν τοις λόγοις σκοπονμενον τα δντα εν είκοσι μάλλον σκοπεΐν ή τον εν τοις £ργοις (lOOA). Es mu sich vielmehr umgekehrt verhalten. Ein derartiger Begriff des λόγος, der dem Bildlichen wie dem Dinglichen gleich weit entr ckt ist, hat sich bei Plato durch mehrere Schriften hindurch herausgebildet. Er braucht das Wort „λόγος" zwar mit mannigfachem Bedeutungswechsel, und oft ist es nichts weiter als „Rede", „Gespr ch". Aber auch gerade wo er das Eigent mliche des Denkens hervorkehren will, greift er (neben επιστήμη) mit Vorliebe zum λόγος. Entscheiden kann ber den Sinn jedesmal nur der Zusammenhang. Die Vorsokratiker hatten f r „denken" im pr gnanten Sinne meist νοεϊν gesetzt, vor allen Parmenides, der damit bestimmend f r die Sp teren wurde. Plato geht hier durchaus neue Wege.1 Zwischen ihm und jenen liegt der Sokratische „Begriff', der selbst f r den innersten Charakter des Denkens dasteht. Dieser *) Vielleicht ist Plato in seiner Bevorzugung des λόγος auch durch Demokrit beeinflu t, von dessen Ann herung an die νπό&εσις weiter unten, die Rede sein wird (S. 246).

Der λόγος als δεσμός

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nun, als die Einheit des είδος, wird bei Plato auch gelegentlich der „Einheit des λόγος" gleichgesetzt. So im „The tet" (148 D): ώσπερ ταύτας πολλάς ονσας ένΐ εΐδει περιέλαβες, ούτω και πολλάς Ιπιστήμας ένΐ λόγφ προσειπεΐν. Diesen εις λόγος, der hier freilich noch die Nebenbedeutung „Wort" haben d rfte, bersetzt M. Ficinus mit „ratio", Schleiermacher mit „Erkl rung". Vorausgesetzt, da diese Auffassungen sich dem Sinn der Stelle n hern, so ist es die Einheit des Erkl rungsgrundes, um die es sich handelt, als des sachlichen, dem Problem selbst eigenen Grundes. Denn nur ein solcher kann die ratio abgeben; und nur ein solcher kann die Einheit des είδος begr nden. Denn er ist gleichwertig mit der „Idee". Folglich ist es letztlich die Idee, f r die der λόγος steht. Nur da in ihm das Schwergewicht auf einen anderen Punkt verlegt ist: in der „Idee" liegt er auf der Selbstt tigkeit, im λόγος auf dem sachlichen Gehalt, dem Seinswert. Der λόγος ist λόγος des Seins. Das hat Plato im Auge, wenn er den λόγος f r die neue, o b j e k t i v e Formul i e r u n g des I d e e n p r o b l e m s in Anspruch nimmt. Hier ist es ihm — nicht wie den Eleaten um den allgemeinen Denkcharakter — sondern um die Denkleistung und ihre Begr ndung zu tun. Dieser Anforderung kommt der Begriff des λόγος gleichsam entgegen; in ihm ist der Sinn des „Grundes" eben schon mit enthalten. Auch l t er sich leicht auf den Einzelfall, die Einzelleistung beziehen, wie der h ufige Plural „λόγοι" zeigt. Als Erkenntnisgrund pr gnant gemacht sehen wir den Terminus schon im „Gorgias". Dort hei t es (509 A) von dem Resultat einer Untersuchung, es sei durch „ e i s e r n e und st h l e r n e λόγοι" festgehalten und g e b u n d e n (ταύτα . . . κατέχεται και δίδεται... αιδηροΐς και άόαμαντίνοις λόγοις). Die „bindende" Kraft des λόγος kann aber nur in seiner Bedeutung der „Begr n d u n g " liegen. Man sieht das aus der parallelen Stelle des zeitlich dem „Gorgias" benachbarten „Menon" (98 A), wo in ganz hnlichem Sinne, nur in anderem Zusammenhang, von einer bindenden Kraft, einem „Bande" (δεσμός) die Rede ist, durch welches sich die επιστήμη von der δόξα unterscheiden soll. Dieser δεσμός aber ist bezeichnet als αιτίας λογισμός. Demnach d rfte dieses „Ergr n d e n der Ursache" wohl als der gleiche Grundgedanke mit jenen „eisernen und st hlernen λόγοι" wiedererkannt werden, — wenn anders man berhaupt sachlich eine derartige Parallele der beiden Schriften zugeben will. Halten wir aber den unverbr chlich bindenden λόγος des „Gorgias" mit dem αίτιας λογισμός des „Menon" zusammen, der selbst wiederum C o h e n und N a t o r p , Philosophische Arbeiten III

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Μγος der Rechenschaft und λόγος der Grundlegung

nichts anderes als „binden" soll, so resultiert daraus ein Begriff des λόγος, der dem des „Ph don" schon fast gleichwertig ist. Man versteht es im Hinblick auf diese bindende Leistung des λόγος, warum Plato ihm mehr Wert, mehr Seinsgehalt zutraut als dem iqyov. Denn das Ζργον kann ja der δόξα angeh ren, der λόγος aber ist das innerste Wesen der επιστήμη, des wissenschaftlichen Denkens. Eine andere Wertung kann er „nicht zugeben", denn auf die Kraft im λόγος kommt hier alles an. Er mu f hig sein, die ahfa abzugeben, aus der heraus die „Unverborgenheit der Seienden" verstanden werden soll. Das ίργον w re selbst eins der δντα, nicht mehr und nicht weniger. Die οντά aber k nnen sich selbst nicht gr nden, sie bed rfen gerade der Gr ndung. Es mu ber sie hinausgegriffen werden, es mu jenes „Andere", von ihnen Verschiedene gefunden werden, das f r sie das Bindende enth lt, die Kraft eines Bandes, — und wenn dieses auch noch so sehr dem ίργον gegen ber wie ein nicht Seiendes aussieht. Daher fl chtet sich der Philosophierende von den £ργα zu den λόγοι; darum mu ihm das, was zuerst „nur" als ein λόγος aussieht, sich verwandeln in das Allersicherste, das einzig Sichere. Es ist nun „sogar" ein λόγος. Das Bildliche, das ihm anfangs anzuhaften scheint, schwindet in der Gr e seiner Leistung. Ihm gegen ber wird nun vielmehr das Ιίργον zum blo en Spiegelbilde, zum zuf lligen Einzelfall des λόγος. Demnach steht einer Gr ndung im λόγος nun nichts Prinzipielles mehr im Wege. Es kommt nur darauf an, sie klar zu zeichnen in dem vollen Bewu tsein ihrer zun chst relativen, beziehenden Bedeutung, dank der sie gerade zur vollen Gewi heit und Objektivit t ausreifen kann. Es ist leicht einzusehen, da hiermit der objektiv logischen Fassung der „Grundlegung" ganz anders der Weg bereitet ist, als es noch im „Menon" der Fall war. Dort war dasjenige, was zugrunde gelegt wurde, δόξα genannt, — wenigstens wurden die Annahmen des Knaben als δόξαι bezeichnet, erst wo sich eine von ihnen bew hrte, wurde sie επιστήμη genannt. So konnte die einzelne Voraussetzung den Verdacht der Zuf lligkeit nicht ganz vermeiden. Hier dagegen, wo das, was zugrunde gelegt werden mu , als der zu „gebende" λόγος erkannt ist, sind wir auf einen anderen Boden versetzt, auf den des Urteils. Das „Rechenschaft-Geben" ist unbestreitbar Sache des Urteils. Der λόγος der „Rechenschaft" aber ist sachlich identisch mit dem λόγος der „Begr ndung"; Rechenschaft besteht eben im Aufzeigen

Grundsatz der „Grundlegung"

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des inneren Grundes. Am Grunde nun wird das „Geben" zum „Setzen", und zwar zum „zu,Grunde Setzen". Die Vereinigung dieser Motive zeigt der Grundsatz, in dem Plato nun das Prinzip der ύπό&εσις formuliert: „ i n d e m ich f r einen j e d e n Fall denjenigen λόγος z u g r u n d e lege, von dem ich urteile, da er der st rkste ist, setze ich dasjenige, was mir mit ihm b e r e i n z u s t i m m e n scheint, als in W a h r h e i t seiend, s o w o h l was die Ursachen b e t r i f f t als auch alles brige, was mir a b e r nicht bereinz u s t i m m e n scheint, als nicht wahr" (καΐ ύπο&έμενος εκάστοτε λόγον, bv αν κρίνω ίρρωμενέστατον είναι, & μεν αν μοι όοκ^ τούτω σνμφωνεϊν, τίΰημι ως άλη'&η δντα, καΐ περί αίτιας και περί των άλλων απάντων, α δ' αν μη, ως ουκ άλη&η, Ph d. lOoAj. Die so gefa te νπόϋεσις ist rein logisch und objektiv, nicht mehr blo methodologisch. Denn sie geht aus dem Gehalt des Problems selbst hervor, sie ist das Erschlie en des Grundes aus der Sache, weil „f r" die Sache. Die Wahl dessen, was zugrunde gelegt wird, liegt in dem κρίνειν. Das Kriterium in diesem κρίνειν ist aber das Moment der „St rke", n mlich jene „bindende" oder begr ndende Kraft, die wir schon im „Gorgias" und „Menon" als das Eigent mliche des λόγος (resp. λογισμός) fanden. Welcher λόγος der „st rkste" ist, d. h. welcher die h chste bindende Kraft besitzt, der ist die richtige νπόΰεσις. Der „st rkste" aber wiederum ist der, welcher imstande ist, das fragliche Dasein mit sich „ bereinstimmen" zu lassen. Das „Urteil" also, welches den λόγος setzt, ist von vornherein mit die Antezipation der Konsequenzen. An der Stichhaltigkeit dieser wird der λόγος auf seine St rke hin gewogen. So ist das Geforderte, das Problem, bestimmend f r das, was Inhalt, und also der Seinswert der Grundlegung ist. Darin hat nun die ύπόοεσις den Grund ihrer O b j e k t i v i t t, ihrer logischen Reinheit. Denn nur was von innen heraus aus dem Problemgehalt hervorw chst, ist objektiv. Das ist nun der Grundsatz, nach welchem die Ideen gesetzt, oder vielmehr zugrunde gelegt werden.1 Dem Inhalt nach ist es daher „nichts Neues", was dieser Grundsatz bietet, es sei *) Die zentrale Bedeutung dieses Grundsatzes f r die Wiedererweckung des urspr nglichen, von Plato in seinen bestep Formulierungen angestrebten Sinnes der Ideenlehre wurde zuerst erkannt von C o h e n an der Beziehung Platos auf die mathematische Methode; dargelegt und aus den Texten nachgewiesen in der Schrift „Platons Ideenlehre und die Mathematik" (Marburg 1878), bes. S. 26 ff. 16*

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^as l°S*sck Objektive in der ύπό&εσις

denn, da man den Inhalt selbst dahin versteht, da er erst durch die Art, wie er gesetzt ist, zu bestimmen ist. Das identische Selbst der Ideen (αυτό κα#' αυτό) kann erst von hier aus als streng definiert angesehen werden. Denn nunmehr ist es durch nichts anderes genauer bestimmt als durch seinen Charakter als „Zugrundegelegtes" — im Gegensatz zum „Gesetzten". Als solches ist es diejenige „Art der Ursache" (της αίτιας το είδος), aus der heraus alles Werdende und Dingliche als aus seinem Seinsgrunde heraus verstanden werden mu . Da die idee etwas „an sich" ist, bleibt zwar bestehen, denn das αυτό dieses „an sich" ist nun nichts anderes als der Seinsgrund, der λόγος der Dinge. Aber sie ist deswegen nicht etwas f r sich Seiendes, sondern gerade f r das Andere. In diesem „F r" hat sie ihr Sein: sie ist Seinsgrund nur genau insofern, als durch ihre Zugrundelegung etwas in der Welt des Werdens als seiend beurteilt werden darf und soll — insoweit es n mlich mit ihr bereinstimmt. Es handelt sich eben doch letzterdings einzig um dieses ·ιη der Wirklichkeit Daseiende. Die Idee aber ist die Voraussetzung, unter der dieses Daseiende zum wahrhaften, d. h. zum wissenschaftlich begr ndeten Sein werden kann. Es ist bezeichnend genug f r diesen Sachverhalt, da Plato an der zitierten Stelle, wo er seinen Grundsatz formuliert, das ως άλη die ihnen zugrunde liegt; es sei eben doch nicht die Unsterblichkeit irgendwelchen Bewußtseins, sondern nur die der Idee bewiesen. Denn die reine geht auf in der Idee. Das wäre aber doch zu weit gegangen. Freilich kann ein Beweis nicht mehr leisten als der Oberbegriff gewährleistet. Dieser aber ist die Idee. Es ist hierbei nur nicht zu vergessen, daß eben die Idee selbst das psychologische Problem keineswegs aus-, sondern einschließt. Die Gleichsetzung der Idee mit der ist keineswegs so zu verstehen, daß die einfach in das Logische der Idee aufgehoben würde. Als Gesichtspunkt, als Problem wahrt sie ihr gesondertes Interesse, das Interesse an der Subjektivität als solcher. Daß diese nun dutch und durch nur an ihrem Inhalt, der Objektivität der Idee erfaßt und bestimmt werden kann, bildet hierzu durchaus keinen Widerspruch. Im Gegenteil, es ist nur ein Ausdruck jenes Zusammenhanges, der die sachliche Einheit des logischen und psychologischen Problems ausmacht. Das letztere ist dem ersteren gegenüber freilich nicht unabhängig. Es bezieht von ihm nicht nur seinen gesamten Inhalt, sondern auch mit ihm sämtliche Mittel seiner Behandlung. Die Subjektivität ist in Platos idealistischem Denken durchaus sekundär der Objektivität *) Teichmüller (Studien 115ff.), der zuerst an den Beweisen des „Phädon" diesen Nachweis erbrachte, hat leider die Scheidung zwischen dem von Plato Beabsichtigten und dem tatsächlich Bewiesenen nicht vollzogen. So begeht er den Fehler, Plato die individuelle Unsterblichkeit überhaupt abzusprechen, was doch aus den angegebenen Gründen schwer zu halten sein dürfte. Von Zeller (II. 703, Anm. 2) und änderen sind seine Ausführungen daher wieder verworfen worden, wobei denn auch das sachlich Richtige in ihnen verkannt worden ist. Dagegen glaube ich, mich mit der durchgeführten Scheidung zu Zeller, Rohde (Psyche, 8.286 Anm. 4), Bonitz (Platonische Studien 312) u. a. nicht in Gegensatz zu setzen, indem Plato hiernach die individuelle Unsterblichkeit freilich im Auge gehabt haben kann, ohne sie doch bewiesen zu haben. Wie weit ihm dann diese Inkonsequenz bewußt gewesen sein mag, bleibt eine andere, mehr persönliche Frage.

Verhältnis des subjektiven und objektiven Problems

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gegenüber. Sein Idealismus ist eben kein subjektiver, etwa auf das Wahrnehmungs- und Gefühlsleben sich wie auf etwas Selbständiges stützender, sondern ein entschieden objektiver, ein Idealismus der Wissenschaft, oder des Seins. Darum muß die warten, bis das logische Problem mit sich im reinen ist. Das ist das Positive, Systematische, das wir aus den Beweisen des „Phädon" über den Seelenbegriff lernen müssen. Das aber ist nicht wenig. Nur muß man schon recht tief an die Wurzeln des Systems zurückgreifen, um es zu würdigen. Alle Wissenschaft ist zunächst eine Frage des Objektes. Das ist der Sinn des Seinsproblems von den Vorsokratikera her. Aber das Sein ist nicht gegeben, es ist erst zu schaffen, zu erzeugen. Es ist Sein des Denkens. Das Denken seinerseits, wenn es für das Sein fruchtbar erhalten werden soll, muß aber durchweg in Seinswerten definiert werden, es muß in den Werten der Objektivität aufgehen. Dennoch kann das nicht heißen, daß auf das Subjekt einfach Verzicht geleistet werde. Es ist das Korrelat des Objekts. Es muß also der Punkt im System sich zeigen, an dem es dieses sein Anrecht geltend macht. Dieser Punkt läßt sich am Denken aufzeigen. Das Denken ist freilich zunächst bloß objektiv — nur so konnte seine Identität mit dem Sein behauptet werden. Sofern aber am Denken das Objekt kenntlich gemacht wird, so geschieht dieses durch zielbewußte Beschränkung des Problems, nämlich durch die Verneinung des Subjekts, pie & der hatte keinen anderen logischen Sinn als den dieser Ablehnung. Dennoch, gerade durch diese Ablehnung wird das Problem des Subjekts ja nicht aufgehoben, sondern bloß zurückgestellt. Es wird ihm um so sicherer der ihm eigentümliche Problemwert erhalten. Denn nur so kann sich das Mittel zu seiner systematischen Behandlung einfinden. Und es findet sich ein. Dieses Mittel ist die ausgereifte Methodik des objektiven Problems. Für diesen systematischen Zusammenhang bürgt uns der „Phädon", nicht etwa weil er ihn methodisch analysierte — denn das kann Plato auf seiner Stufe der Methodenforschung noch nicht leisten —, sondern weil er diese Methode in aller Naivität anwendet, mit voller Sicherheit nach ihr verfährt, unbewußt, ohne sie selbst zu erkennen. Das ist es, warum überall der A u s g a n g — offen oder versteckt — vom logisch gesicherten Ideensein hergenommen, ja die letzte Rechenschaft über die auf Grund einer Theorie der & erbracht

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Seinswert der Subjektivität

wird. So kommt die ganze Orientierung von der Seite des Objekts her. Das Subjekt — denn ein solches wird man in der schwerlich leugnen können, einerlei was sich als sein innerer Sinn herausstellen sollte — das Subjekt bezieht seine Bestimmung vom Objekt her. Es ist in aller Eigentümlichkeit der Fragestellung doch ganz und gar auf dieses angewiesen, es kann keinen Schritt machen, ohne an ihm als an dem Sein Halt zu suchen. So viel ist für uns zunächst im „Phädon" bewiesen. Auch das ist schon mehr als eine bloße Wiederholung der Autarkie der Idee. Indessen ist es noch bedeutend mehr Positives, was bewiesen wird. Es wird vielleicht scheinen, daß von einem so abstrakten Seelenbegriff wie der kaum irgend etwas zu erweisen sein dürfte, was nicht wiederum bloß Operationsbegriff für den objektiven Inhalt wäre, als wäre mit dem allgemein-methodischen Verhältnis zum Logischen sein Wesen erschöpft. Doch ist es nicht zu übersehen, daß die auch ihr von der Idee unterschiedenes, eigenes Problem hat und daß dieses Problem das der Subjektivität ist. Freilich ist es nicht die individuelle im Flusse begriffene Subjektivität, wie sie etwa dem Protagoras vorschwebte, sondern das Prinzipielle in ihr, der Begriff, oder — man möchte sagen — die Idee der Subjektivität. Und was wird nun von dieser Subjektivität bewiesen? Plato nennt es „Unsterblichkeit"· Aber das ist nur ein Bild angesichts des systematischen Charakters der Frage. Was also ist der systematische Gehalt des Bildes? Plato nennt ihn uns wiederholt: es ist das Identische, die Ewigkeit, das in ihr. Was hier bewiesen wird, läßt sich also wohl kurz so sagen: die S u b j e k t i v i t ä t hat auch einen Ewigkeitswert, ein Ideensein. Das ist der schlichte Sinn aller Beweise. Ein Unsterblichkeitsbegriff, der durchweg aus dem Seinswert der Idee heraus deduziert wird, ist offenbar selbst nichts anderes als ein solcher Seinswert. Darum kann die Seele keine „Harmonie" im Sinne der Übereinstimmung körperlicher Momente sein. Diese entspricht dem Seinswert nicht, den sie in sich aufzunehmen hat. Das Subjekt muß ihn enthalten können, denn es muß das Objekt enthalten können; die«es aber ist nur aus dem Sinn der Idee heraus zu verstehen. So muß denn dieses Sein notwendig sich auch im Subjekt widerspiegeln. Die Einführung der im „Menon" durch die Beobachtung des Lernenden zeigt die Verflechtung der Subjektivität mit dem Ideensein aufs deutlichste am einfachen Beispiel.

Berechtigung des Bewu tseinsproblems

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Die επιστήμη, die der Lernende aus sich sch pfte, taucht mitten unter den δόξαι auf, die er anfangs vorbringt. Sie ist zun chst selbst eine δόξα] sie wird zur επιστήμη erst dort, wo der αίτιας λογισμός in Kraft tritt. Die δόξα als Vorstufe der επιστήμη ist ja ein h ufiger Gedanke bei Plato. Das blo Subjektive f hrt also auf das Objektive hin, es kann es sachlich enthalten, wiewohl unerkannt — in der δρ&η δόξα. Der Begriff des Subjekts mu weit genug sein, den bergang des einen in das andere in sich zu umspannen. Denn dieser bergang kann nur psychologisch gedacht werden. Also mu das Prinzip des Psychologischen, die Idee der Subjektivit t, den logischen Seinswert in ihrem Problem mit enthalten. Damit aber enth lt sie das, wovon sie ihre Orientierung hernehmen kann. Und soweit sie ihn enth lt — freilich auch nur gerade so weit — kommt ihr selbst der Charakter des systematischen Grundproblems zu, — wenn anders es systematisch zugestanden sein soll, da auch das Psychologische, sofern es reines Problem des Bewu tseins als solchen ist, seinen eigent mlichen Platz im System behauptet. Man mu freilich mit u erster Vorsicht verfahren, wenn man in Platos Schriften nach Spuren eines derartigen Gedankens sucht. Es mu hier mehr als irgendwo betont werden, da es sich dabei nicht im mindesten um seine pers nlichen Ansichten handeln kann; denn schwerlich ist ihm das Sonderinteresse des Psychologischen in seiner Eigent mlichkeit und Unterschiedenheit vom Theoretischen und Ethischen zum Bewu tsein gekommen. Es handelt sich einzig um systematische Schl sse, die wir unsererseits aus dem Problemgehalt seiner Deduktionen zu ziehen haben, wie sie als Ingrediens der Logik des Seins die Geschichte der Probleme bestimmt haben. Es sind notwendige Konsequenzen seiner Denkweise, von denen es ganz dahingestellt bleiben mu , wie weit er sie sich klar gemacht, wie weit sie bersehen habe. Unter dieser Voraussetzung l t sich denn aber wohl behaupten, der „Ph don" liefere den sachlichen Beweis f r das Ideensein der ψυχή, oder doch f r das rechtm ige Problem eines solchen, d. h. f r den systematischen Ewigkeitswert des Bewu tseins. Worauf wir Wert zu legen haben, ist hierbei vor allem die Eingliederung des Gedankens in das Ganze der Platonischen Philosophie. Und diese ergibt sich von selbst, da die Beweise, von denen wir ausgingen, ja s mtlich aus dem Grundbegriff dieses Ganzen heraus gef hrt sind, aus der Idee.

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Stellung des Individuellen im System

Der Gedanke, auf den wir von Anfang an das Hauptgewicht legen mußten, daß das, was bewiesen wird, im Grunde nur das Prinzip des Bewußtseins und nicht das individuelle Ich betreffe, kann hierbei nicht ernst genug genommen werden. Gerade unsere systematischen Konsequenzen hängen ganz und gar an ihm. Denn wenn sie sich auf ein Individuelles beziehen sollten, so müßten sie nicht nur in der Platonischen Philosophie, sondern auch in jeder systematischen Denkweise ihren Sinn verlieren. Die Ideenlehre ist von Grund aus so angelegt, daß sie ausschließlich in Werten der Allgemeinheit ihre Prinzipien hat. „Idee" ist immer nur das Identische einer Mannigfaltigkeit — und für diese, niemals für eine Einzelheit oder Einzigkeit. Das Individuelle ist ihr gegenüber immer nur das „Teilhabende" oder „Übereinstimmende". Es kann daher nicht die Idee eines Individuellen geben. Der Ideenwert überträgt sich freilich auf das Einzelding, aber eben nur im Sinne der Teilhabe, wie das Gesetz sich dem speziellen Fall mitteilt, unrein, vermischt. Gewiß ist das Individuelle vom System nicht ausgeschlossen. Aber Platos Grundrichtung auf das Prinzip läßt es ihm sachlich als sekundäres, ja — wenn man von den späten Dialogen absieht — auch als ein seinem Werte nach nicht vollgültiges Problem erscheinen. Wie man ihm in seinem Sinne überhaupt den Platz im Systeme anzuweisen habe, ist aus seinen Andeutungen überall nur indirekt zu erschließen. Freilich gibt das Gesamtbild seines Denkens am Ende auch diesen Begriff recht scharf umrissen, aber eben mehr nur als eine Konsequenz seiner Gedanken, nicht als ein wirklich von ihm zu Ende Gedachtes. Es hängt hier alles an dem vielumstrittenen Begriff der Teilhabe. Wir werden diesen weiter unten näher zu betrachten haben. Er sei hier einstweilen so genommen, wie er sich uns im „Sophisten" darstellte, als Teilhabe der Ideen aneinander. Das Ewige ist durchweg die Idee. Aber auch das Teilhabende ist zunächst im Gebiet dieses Ewigen gedacht: als Gemeinschaft der Ideenwerte selbst, als ihre Gegenseitigkeit. Die reinen Grundbegriffe sind zugleich das Teilhabende und das, woran sie teilhaben. Und das Ewige bleibt ewig in dieser Teilhabe. Aber das Veränderliche entsteht gleichwohl in ihr. Es ist nicht das Teilhabende, wohl aber das Teilhaben selbst. Die Begriffe werden nicht gleichzeitig alle miteinander verknüpft — oder das doch nur als allgemeines Prinzip der Verknüpfung — sondern es gibt Verknüpfungen, die einander aus-

Nichtsein und Sein im Problem des Subjekts

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schließen. So geht die identische Idee durch eine Mannigfaltigkeit verschiedener Verknüpfungen, selbst in ihnen identisch bleibend, das Gesamtbild ihrer Mischungen aber aufs verschiedenste variierend. Diese Mischungen nun gehen bis ins Komplizierte, sie entstehen und vergehen unablässig, in ihrer Mannigfaltigkeit das Mannigfaltige der Dinge erzeugend. So muß in ihnen z u l e t z t auch das Individuelle entstehen. Dieses ist also das dem Prinzip entgegengesetzte Ende des Mischungsoder Teilhabeprozesses. Es ist daher auch notwenig das seinem Wesen nach dem P r i n z i p Entgegengesetzte. Es ist das in Mischung und Entmischung Entstehende und Vergehende, kurz das „Werdende". In dieser Überlegung, die wir uns freilich nach Platos Andeutungen konstruieren müssen, haben wir den sachlichen Erweis aus dem Zusammenhang der Probleme, daß eine individuelle Unsterblichkeit aus den systematischen Voraussetzungen des Ideensystems ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Das Individuelle ist allemal das Erzeugte, nicht das Erzeugende. Folglich kann ihm der Seinswert des Erzeugenden, der Ewigkeitscharakter nicht zukommen. Wenn aber im „Phädon" dennoch dieser Ewigkeitscharakter dem Bewußtsein beigelegt und förmlich an ihm deduziert wird, so kann diese Deduktion eben nur insofern philosophisch sachlich genommen werden, als sie sich auf das allgemeine Grundproblem oder den in ihr entstehenden Grundbegriff des Bewußtseins bezieht und nicht auf das persönliche Ich des Einzelmenschen. Wie dem der Problemgehalt der einzelnen Beweise in seiner Absonderung vom MythischReligiösen entspricht, haben wir verfolgt und dürfen es j^tzt wohl als eine Konsequenz der inneren, systematischen Notwendigkeit ansehen. Gleichwohl muß nun gesagt werden, daß hiermit immer noch nicht die Bedeutung klar geworden ist, die das Problem der im Zusammenhang der systematischen Grundprobleme Platos besitzt. Gerade das Seinsproblem in ihr hat noch keinen positiven Wert gefunden. Der Umstand, daß es nicht das Individualpsychologische ist, sagt uns zwar viel; aber es ist doch im Grunde nur eine 'Negation. Sofern es sich also um die Frage nach einem Sein handelt, wäre dieses bloß der erste Schritt zu dem, was es zu erweisen gälte, ein Nichtsein. Damit sind wir auf gutem Wege, aber doch erst auf halbem. Das Nichtsein muß zum Sein ausreifen. An seiner Leere zeigt sich

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Identität des Nichtobjektiven

deutlich das noch durchaus negative Stadium des Problems. Dazu kommt dann die rein methodische Erwägung, daß der Gehalt dessen, was dieses reine Bewußtsein ausmacht, durchweg von dem objektiven Seinsgehalt der wissenschaftlichen Probleme bestimmt ist. Darin ist, wie in jeder echten methodischen Überlegung, die Möglichkeit alles Inhalts erbracht. Aber wir sehen auch hier noch nicht, wie dieser reiche Inhalt für das Bewußtsein als solches zur Wirklichkeit wird, wie sich die objektiven Seinswerte tatsächlich als eben das, was sie sind, als Seinswerte, auf die Subjektivität übertragen. Denn in jeder Übertragung von Seinswerten von einem Gesichtspunkt auf den anderen muß sich an ihnen selbst der Übergang als Modifikation, als neue Auffassung ihres Geltungswertes erweisen. Man möchte die Frage am ehesten wohl so formulieren: was bedeuten die Identität und die Ewigkeit des Seins unter dem Gesichtspunkt der S u b j e k t i v i t ä t ? Was sie am objektiven Gesichtspunkt bedeutete, ist einleuchtend genug: die Gewährleistung und Sicherung der Objektivität selbst. Daß sie dieses selbe am Subjekt nicht wiederum bedeuten kann, bedarf wohl keiner Erklärung mehr. Das hieße, das Eigentümliche der Subjektivität total verkennen. Gewiß soll die Objektivität in der Subjektivität voll und ganz erhalten bleiben, sonst könnten die beiden keine Korrelation bilden. Nichts anderes als eine solche Erhaltung ist es denn auch, was die Beweise der Unsterblichkeit uns lehren: die Übertragung der Ewigkeit vom Ideensein auf die ' . Aber wie ist diese Erhaltung zu denken? Welchen n e u e n B e g r i f f ergibt die Identität des objektiv Prinzipiellen in ihrer Zurückbeziehung auf das andere Glied der Korrelation, auf das spezifisch Nichtobjektive? Und letzterdings heißt es dann immer noch fragen, was ist demnach dieses Nicht objektive? Denn es ist nicht zu leugnen, daß wir bisher nur diesen negativen Vorbegriff des Subjekts haben und nicht das Subjekt selbst. Wir bedürfen also, um auch hier vom Nichtsein zum Sein durchzudringen, noch einer wesentlichen Ergänzung. Diese Ergänzung können wir nur gewinnen, indem wir zu demjenigen Problem zurückkehren, das für Plato das wichtigste Interesse an der ausmacht. Das ist die Unsterblichkeit. Wir haben diesen Begriff am „Phädon", „Phädrus" und der „Republik" noch keineswegs allseitig kennen gelernt. Im Gegenteil, diese drei Dialoge zusammen genommen, geben nur die eine Seite des Platonischen Unsterblichkeitsbegriffs. Von einer

Die Unsterblichkeit im „Symposion"

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anderen Seite zeigt ihn dagegen das „Symposion". Hier werden zwar keine Beweise geliefert; aber auch kein religi ses Vorurteil, kein Orphischer Jenseitsglaube beeintr chtigt hier das Problem. Was wir daher hier h ren, klingt wesentlich anders als die Lehre des „Ph don". Ja es erscheint auf den ersten Blick so grundverschieden von dem letzteren, da man es geradezu f r Widersprechendes halten k nnte. Die Verwunderung dar ber, wie derselbe Plato, der den „Ph don" schrieb, hernach den Unsterblichkeitsgedanken des „Symposion" aufstellen konnte, ist denn auch genugsam laut geworden. Betrachten wir einstweilen den letzteren. Von der „Seele" ist zun chst gar nicht die Rede. Es handelt sich um den Ιρω?. Daher ist der Begriff der Unsterblichkeit, der sich am Wesen des letzteren ergibt, keineswegs ohne weiteres eine Unsterblichkeit der Seek. Der £ρως umfa t beides, Leib und Seele. Damit umfa t er alles — selbst die Philosophie. So weit wenigstens f hrt Plato hier seinen Begriff hinaus. Und das kommt unserem Problem zugute; denn so mu an der rechten Stelle das Eigent mliche des ά&άνατον auch f r die Seele abfallen. Wie der Begriff der Seele sich in dieser neuen Betrachtungsweise modifiziert, kann sich erst hinterher ergeben. In dem kurzen Gespr ch, das der Sokratesrede des „Symposion" vorausgeht, wird klargestellt, das Wesen des $ρως sei, da er jenes καλόν und άγαΰόν, welches mit seinem Wesen verkn pft ist, nicht besitzt, sondern blo a n s t r e b t ; wie denn sein Terminus auch „Sehnen" oder „Streben" nach etwas bedeutet. Darin liegt es denn bereits eingeschlossen, da auch das ά&άνατον, der Ewigkeitscharakter in ihm nicht enthalten oder gegeben sein kann, sondern blo erstrebt. Der ίρως selbst ist somit > kein ά&άνατον. Wie steht er also zur Unsterblichkeit? Offenbar genau so, wie er zu allem steht, was ein Wert ist, zur Weisheit, zur Sch nheit, zum Guten: er steht m i t t e n zwischen ihnen und ihrem Gegenteil. So liegt es in seinem Begriff.1) Er ist somit ein μεταξύ &νητον και ά&ανάτον (2Ο2 Ε). Wenn er nun aber selbst nicht unsterblich ist, worin liegt dann die Unsterblichkeit, die als Problem mit ihm verkn pft ist? Sie kann nur liegen in seinem Gegenstande, dem Erstrebten. Es ist die eigent mlich Platonische Auffassung des Ζρως, da dieser sein Gegenstand auch ein Prinzipielles, Reines in sich schlie t; das ist die unvollkommene Liebe, die an dem ') N heres ber diesen Begriff des ίρως unten III. Teil i. Kap. Cohen und Natorp, Philosophische Arbeiten III 20

Der έρως und sein Gegenstand

einzelnen Sch nen, etwa an einem Menschen als Individualit t, h ngen bleibt. Die wahre, philosophische Liebe geht ber solches Einzelne als ber Stufen hinweg, um zum Reinen zu gelangen. In diesem Sinne strebt der Ιρως letztlich immer nach dem άγα&όν. Zugleich aber geht alles Streben auf den Besitz dessen aus, was es erstrebt. Der Besitz seinerseits hat aber nur Wert als gesicherter, dauernder. Folglich schlie t der strebende Ιρωί als sein Ziel die Ewigkeit des Guten um der Ewigkeit des Besitzes willen ein. ϋστιν αρά ξνλλήβδην . . 6 £ρως τον τάγα&όν αντω είναι αεί (2θ6Α). Damit stehen wir nun bereits einem Ewigkeitswert gegenber. Aber was bedeutet er? Ist das άγα&όν pr gnant zu nehmen, als das Prinzip der Sittlichkeit? Dann enth lt es freilich kein Problem weiter, denn als Prinzip, als Idee, ist es nat rlich ein αεί δν, womit f r uns aber nichts gewonnen w re. Aber die Ewigkeit soll ja nicht einfach die des Guten sein, sondern die seines „Besitzes". Das kann der Idee gegen ber nur Teilhabe sein. Das Ewige, von dem die Rede ist, kann also nur so gedacht sein, da es sich in der Anwendung, im Dasein selbst irgendwie darstellte. Zudem soll ja der Ιρως keineswegs blo auf das Sittliche gehen, sondern in gleicher Weise auch auf das Wissen und auf das Sch ne. Wir begehen daher wohl keinen Fehler, wenn wir unter diesem άγα&όν hier etwas Allgemeineres verstehen, etwa alles, was Wert berhaupt ist. Das Unsterbliche, das der έρως erstrebt, w re demnach der ewige Besitz dessen, was Wert berhaupt ist. Wir werden das im folgenden noch tiefer begr ndet finden. Es fragt sich nur, wie wird denn der Ιρως dessen teilhaftig, was er so erstrebt? Denn das Gute, der Wert, ist ja nicht gegeben, ist im Dasein nicht vorhanden oder anzutreffen. Es mu also erst seine Mittel und Wege finden. Hier mu es uns geradezu modern anmuten, wenn wir Plato bis ins Biologische hinabsteigen sehen, um dort am handgreiflichen Beispiel das zu studieren, dessen Wesen er in Prinzipien bestimmen will. Denn auch das tierische Leben enth lt den έρως — wiewohl in niedrigster Form. So kann das Liebesleben des Tieres ihm zum Wegweiser daf r dienen, worin der Ewigkeitsanteil des Menschengeschlechts liege. Das Tier, das sonst nur den engen Egoismus der Selbsterhaltung zur Schau tr gt, zeigt sich in diesem einen Punkte anders: in seinem Fortpflanzungstriebe. Hier tritt das Individuelle zur ck. Alles Sorgen und Bestreben wird zur F rsorge f r die junge Generation. Selbst sterben

Das iv ΰνητψ a&ararov

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kann das Tier f r sein Junges. Das aber ist der $ρως in ihm, der die Unsterblichkeit ersehnt, nicht freilich die eigne, sondern die der Gattung, die ber es selbst hinaus in neuen und neuen Individuen fortlebt. Das gleiche gilt vom Menschen, der als solcher vom Naturgesetz alles Lebendigen nicht ausgenommen ist, wohl aber innerhalb desselben sich neue, unvergleichlich h here Aufgaben erschafft. Auch der Mensch mu sich seinen Anteil an der Ewigkeit erst erzeugen. So erst kann ihm das άγα&όν entstehen, dessen ewigen Besitz ihm der in ihm wohnende £ρως gleichsam weissagt. Darum aber mu eben dieser έρως nicht ohne weiteres das Endziel wollen, sondern zun chst auch das Mittel, durch welches allein er zur Teilhabe des Ewigen gelangt. Das Mittel nun ist dasselbe, das den Weg alles Schaffens kennzeichnet, die Erzeugung. Aber das Schaffen bedarf des edlen Materials, in dem es wirken soll. Und dieses ist das Sch ne. Nur im Sch nen, und niemals im Mi gestalteten, ist Erzeugung m glich. Darum ist das n chste Anliegen des £ρως dasjenige, was der Liebende in seiner Kurzsichtigkeit meist f r das ganze Wesen desselben ansieht, der τόκος l v καλφ (206Β). Es ist „unsere Natur", die nach dem τίκτειν verlangt und durch dieses Verlangen die κνησις und γέννησις hervorruft. Auf die γέννησις kommt es an. In ihr geschieht das Wunderbare, da die „sterbliche Natur" nicht nur „nach M glichkeit sucht unsterblich zu werden", sondern auch wirklich teilhat an der Unsterblichkeit. Sie ist das Unsterbliche im Sterblichen (εν ΰνητφ . . άΰάνατον ϋνεστιν, 2O6C). Denn so liegt es im Wesen des Sterblichen: es kann zur Unsterblichkeit nur auf diesem Wege gelangen, durch Erzeugung, indem es immer ein anderes, junges Leben an Stelle des alten hinterl t (αεί καταλείπει Ετερον νέον αντί τον παλαιού, 2Ο/ D). Es ist mit dem, was in der Gattung identisch fortlebt, nicht anders als mit dem Identischen im einzelnen Lebewesen. Der Stoff wechselt best ndig, nach geringer Zeit ist nichts mehr das Alte am tierischen Individuum. Dennoch erkennen wir in diesem immer dasselbe wieder, das es war. Ja dasselbe gilt sogar von der ψνχή (d. h. hier dem individuellen Bewu tseinsleben). Alles, was in ihm Inhalt wird, kommt und geht. Dennoch bleibt die ψνχή identisch. Dasselbe geschieht im gro en Stil mit dem Geschlecht der Sterblichen. Es ist ein Identisches, Ewiges in ihm. Das ist es, das sich erh lt in ihm, und durch dieses erh lt es sich selbst. Aber nicht mit seiner ganzen Natur bleibt 20*

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Die αθάνατος αρετή der Seele

es identisch, wie das „G ttliche" (die Idee), sondern nur dadurch, da das Alte dahingeht und allemal ein Junges hinterl t, das ebenso ist, wie es selbst war. Auf diese Weise hat das Sterbliche teil an der Unsterblichkeit (208 A B). Denn so geht das Wesen des Sterbenden ins Ewige ber, hinaus ber seinen eigenen Tod, und den Tod alles dessen, was noch sterben mu . Aufs Geistesleben bertragen, vertieft sich dieser Gesichtspunkt noch unendlich. Hier sind nicht Kinder Mas berlebende, die doch auch zu ihrer Zeit sterben m ssen. Sondern die Werke, die Leistungen, die der nach fernen Zielen ringende Mensch erschafft, sind das, worin dieser fortlebt. Das Beste, das Wertvollste im Menschen lebt hierin fort. Der „unsterbliche Ruhm" ist das Anzeichen dieses Fortlebens. Darum streben die Menschen so eifrig danach, sich Ruhm zu erwerben, und sind f r ihn noch mehr als f r ihre Kinder zu sterben bereit. F r unsterbliche Taten und den Ruhm, der sie verkl ren wird, sind alle Menschen alles zu tun bereit, und je edlerer Gesinnung sie sind, desto mehr. Denn es verlangt sie nach Unsterblichkeit (208 D). Wie der K rper, so hat auch die Seele ihre κνηαις und tr gt so den Keim der Unsterblichkeit durch γέννησις in sich. Ihr Gegenstand, das Erzeugte, ist die ά&άνατος αρετή. Diese ist das άγα&όν, welches den Anteil an der Unsterblichkeit gew hrt. Alle „schaffenden Geister" (ποιηταΐ) sind Erzeuger an ihr (γεννήτορες, 209 A) und haben teil an ihrer Ewigkeit. Auch hier ist das χαλάν das unentbehrliche Mittel, denn auch die geistige Zeugung ist allemal ein τόκος Ιν καλφ. Die zeugende Seele bedarf der „sch nen Seele", in ihr zu zeugen. Denn damit mu sie ihr Werk beginnen, da sie diese zur αρετή f hrt; wie denn Plato als ein solches Werk der Unsterblichkeit das Einpflanzen und Heranziehen der Staatstugend in jungen Seelen hinstellt. Denn diese Saat wird im Staatswesen einmal sich als lebendig erweisen. Das ist die geistige Unsterblichkeit, das ά&άνατον im ΰνητόν der Seele. Auch hier ist — hnlich wie im Biologischen — das Φνητόν keineswegs „ganz unsterblich", sondern nur im Hinblick auf seine Fortzeugung. Auch die individuelle Seele stirbt — das ist hier klar zu ersehen. Wie f r den Leib das νέον ein έτερον ist, so ist auch f r die Seele das Werk, das sie schafft, damit es berlebe, nicht sie selbst, wohl aber ihr Bestes, ihr Wesentliches; es ist das άγα&όν, der „Wert" in ihr. Das Ewige, das am Tiere die Gattung ist, ist hier das Ziel und der

Das „Ewige" als Kulturwert

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Wert selbst. Was dort das νέον ist, n mlich der Anteil des Individuums am Ewigen, ist hier der Beitrag des „Schaffenden" zur ewigen Aufgabe des Hinstrebens auf dieses Ziel. Nur so berlebt das Werk — und mit ihm der Schaffende. Es ist nicht schwer einzusehen, da der hier entwickelte Gedanke nicht etwa an ein bestimmtes Staatsideal Platos gebunden ist. Es ist ein allgemeines Kulturproblem, das er ber hrt. Denn was hier als Ewiges hingestellt wird, ist nichts anderes als die ewigen K u l t u r w e r t e . Und da diese im weiten Sinne genommen werden, zeigt uns die Ausdehnung des Problems auf die ποιηται πάντες. Alles „Schaffen" (ποίηοις) geht eben auf Kulturwerte. Da steht denn das Wissenschaftliche und sthetische nicht mehr hinter dem Sittlichen zur ck. Das άγα&όν ist hier in seiner Tendenz zur V e r w i r k l i c h u n g gedacht. So steht es nicht unnahbar in seiner wissenschaftlichen Abstraktheit da, sondern als das notwendige Ziel des im Schaffen und Hinterlassen sich fortarbeitenden Menschengeschlechts und seines Kulturprozesses. — Diese begriffliche Weite mu man im Auge behalten, wenn man es unternimmt, die Parallele zwischen dem Unsterblichkeitsbegriff des „Symposion" und dem des „Ph don" zu ziehen. Gerade an ihr h ngt das Verst ndnis der Sache. Was hier so leicht den Ansto der Unvereinbarkeit gibt, ist der Umstand, da im „Ph don" von individueller Unsterblichkeit die Rede ist, im „Symposion" dagegen eine solche nicht nur nicht vorkommt, sondern auch geradezu ganz unbekannt zu sein scheint; wird doch hier das wirkliche, volle Identischbleiben nach dem Tode nur dem &έίον, d. i. der Idee zugestanden. Dieser Widerspruch bleibt unl sbar, solange man im „Ph don" nicht die Trennung zwischen dem wirklich Bewiesenen und dem mehr poetisch oder mythisch, jedenfalls aber willk rlich Hinzugef gten vollzieht. H lt man sich dagegen streng an eine solche Unterscheidung, wie wir sie durchzuf hren versucht haben, so ist in beiden Schriften gleicherma en nur von nichtindividueller Unsterblichkeit die Rede. Damit freilich sind die beiden Theorien noch nicht vereinigt. Es fragt sich noch, ob sie f hig sind, systematisch genommen, ein Ganzes abzugeben. Das k nnte bei ihrer augenf lligen Verschiedenheit nur dann der Fall sein, wenn sie ein und denselben Grundgedanken enthalten, ihn aber von verschiedener Seite beleuchten. Die Verschiedenheit in ihnen ist nat rlich leichter aufzuzeigen als die Einheit. Beginnen wir daher mit ihr.

3IO

Vereinigung der beiden Unsterblichkeitstheorien

Der „Ph don" geht vom Begriff der ψυχή aus und l uft auf das Ewige, das er in diesem selbst entdeckt, hinaus. Das „Symposion" geht umgekehrt von einem Ewigkeitswert aus, n mlich vom Fortleben durch Zeugung, um von dort erst durch bertragung des Gesichtspunktes ins Geistige zum Identischen des psychischen Lebens zu gelangen. Abgesehen von der Verschiedenheit des ganzen Gedankenganges ist auch der Begriff des psychisch Unsterblichen selbst, der in beiden F llen erzielt wird, nicht derselbe. Im ersten Falle ist es ein reines Prinzip, das zun chst nur allgemein-systematisch seinen Ort und seine Richtigkeit hat, von dem es aber noch fraglich ist, wie es zur Anwendung gebracht werden soll. Im „Symposion" ist es umgekehrt: hier haben wir nur die Seite der Anwendung — n mlich die Notwendigkeit eines Unsterblichen im Leben der Gattung wie im Kulturleben. Die Frage bleibt also hier: wie ist das systematisch zu verstehen, wie ist diese Anwendung auf ein Prinzip zu bringen? So etwa stehen sich die beiden Gedankeng nge und ihre Resultate gegen ber. Wie sind sie nun zu vereinigen? Die Einheit mu sich erkennen lassen an gleichem oder nahverwandtem Begriffsgehalt. An diesem Punkte nun mu es sich freilich aufdr ngen, wie in beiden F llen die Idee zugrundeliegt, n mlich als dasjenige, was den Ewigkeitswert oder die Unsterblichkeit letztlich verb rgt. Im „Ph don" ist das auf der Hand liegend. Aber auch im „Symposion" ist es nicht schwer einzusehen. Das Ewige ist hier die ά&άνατος αρετή, die ihre Richtung und Bestimmtheit doch von nichts anderem als dem άγα&όν her beziehen kann. Wenn nun dieses άγα&όν auch nicht ohne weiteres der Idee des Guten gleichzusetzen ist, so l uft es doch unfehlbar auf diese hinaus; denn das, was ein Wert sein soll, kann letzterdings nur von ihr begr ndet werden. Das zeigt auch der Schlu der Sokratesrede, wo der Aufstieg zum Reinen vollzogen wird. So h ngt denn der Gedanke vom Menschengeschlecht des „Symposion" nicht weniger eng mit dem wahrhaften αεί δν zusammen, wie die ψυχή des „Ph don". Der Kulturwert ist auch ein Seinswert, weist also auf eine Idee zur ck. Das ist es gerade, worin seine Ewigkeit einzig beruhen kann. Das Psychische also, das hier als Kulturbewu tsein zu verstehen ist, hat seinen Seinswert in seinem Anteil an den Kulturwerte n. Das bedeutet hier letztlich die „Unsterblichkeit" des Psychischen. Jene Forderung also, die wir in den Deduktionen des „Ph don" zugrundegelegt fanden, da die Subjektivit t

Die ψυχή als Kulturbewu tsein

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durchweg ihre Bestimmung vom Objektiven her erhalten m sse, finden wir hier erf llt. Es ist hiernach nur noch eine Frage der genaueren systematischen Anordnung, wie die beiden einander scheinbar entgegengesetzten Gedankeng nge miteinander vereinigt zu denken sind. Die Grundgedanken decken sich bereits. Die αυτή ή ψυχή f llt gerade in ihrem Ewigkeitswert, als reines Bewu tsein, mit dem Psychischen des Menschengeschlechts, dem Kulturbewu tsein, zusammen. Denn das allgemeine Menschheitsbewu tsein besteht in lauter objektiven Werten (der Sittlichkeit, der Wissenschaft, dem sthetischen), die in der Idee allein ihren Grund haben. Gleichwohl aber sind sie als subjektive, n mlich als Bewu tseinswerte gedacht. Und damit haben wir zugleich den Leitfaden, nach dem sich beide Gedankeng nge nat rlich aneinanderschlie en. Was dem einen fehlt, erg nzt eben der andere. Wir haben es am „Ph don" gesehen, wie in der ψνχή ein Seinsproblem steckte. Aus den Begriffsuntersuchungen seiner Beweise ergab sich aber noch kein wirklich positiver Seinswert daf r. Das Nichtindividuelle der Psyche konnte nur ein Nichtsein bezeichnen; ja auch das Subjektive selbst steht noch negativ da, als das Nichtobjektive. Was ist nun f r dieses Negative einzusetzen? Wenn nun das objektive Sein in Ideen zur Bestimmung kommt, so mu das gleiche vom subjektiven gelten. Die Frage bleibt nur, was bedeutet das Identische des Seins unter dem Gesichtspunkt der Subjektivit t? Welchen neuen Begriff ergibt es? Diese Frage ist es gerade, die uns der Gedanke des „Symposion" vom Menschengeschlecht beantwortet. Hier haben wir den positiven Seinswert, wie er sich als Subjektives, als Bewu tseinswert darstellt: es ist die ά&άνατος αρετή oder das άγα&όν in jenem weiten Sinne des Kulturwertes. Dieser Begriff entspricht vollkommen der methodischen Forderung, er ist urspr nglich objektiv, reines Ideensein, und bleibt in dieser seiner Objektivit t auch unter dem Gesichtspunkt der Subjektivit t bestehen. Dazu mu eben der Begriff der Subjektivit t weit und rein genug sein, um das Objektive in sich rein zu erhalten, d. h. er mu sachlich mit der αντί) ή ψνχή zusammenfallen. Gerade einen solchen Bewu tseinsbegriff bahnt der Gedanke einer ψυχή des Menschengeschlechts an. Wir m ssen ihn — obwohl Plato ihn als solchen nicht zum Begriff machen konnte — als K u l t u r b e w u tsein bezeichnen. Das ist eben jene αύτη ή ψνχή, die in lauter reinen Ideenwerten

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Der objektive und der subjektive Seinswert

definierbar ist, — nur da sich diese Ideenwerte hier in ihrer Kehrseite als Kulturwerte zeigen, das reine Bewu tsein selbst aber sich in seinem Verh ltnis zum individuellen Einzelbewu tsein genauer bestimmt. In dieser Bestimmtheit liegt die eigentliche Leistung des Gedankens vom · Menschentum f r das Bewu tseinsproblem. Daher ergibt sich auch an ihr gerade am klarsten der Sinn der Unsterblichkeit. Die Einzelseele geht zugrunde. Aber sie hat den ίρως, das Streben, in sich, sie „geht schwanger" mit etwas gr e r e m , als sie selbst ist, einem Ewigen, Unendlichen; und sie erzeugt es zu ihrer Zeit, an ihrem Teil. So hat sie Teil an diesem Ewigen, denn mit ihrem Zeugen geht sie ber in das Allgemeine, Eine des Kulturbewu tseins. So viel in ihr von diesem Gr eren, Ewigen ist, so viel ist selbst in ihr ewig. Das ist die Erg nzung, deren der Ph don bedurfte. Er zeigte wohl die systematische Notwendigkeit eines Ewigkeitswertes im Subjektiven; aber er zeigte nicht, wie dieser sich durchf hrt, wie er bis aufs Einzelbewu tsein herab seine Geltung beibeh lt. Er bewies daher nur die Unsterblichkeit dessen, was sowieso unsterblich sein mu te, eines Reinen. Das „Symposion" dagegen zeigt uns die wirklich durchgef hrte Unsterblichkeit des Sterblichen, das ά&άνατον im ονητόν. Dieser Unsterblichkeitsbegriff — so sehr er dem unphilosophischen Denken unbefriedigend erscheinen mu — darf doch systematisch nicht untersch tzt werden. Denn er ist vorbildlich f r das Problem der Subjektivit t berhaupt. Er zeigt uns, wie es nicht eine unerf llbare Anforderung ist, die objektiven Seinswerte als das Bestimmende, Definierende auch f r das Subjekt beizubehalten, und zwar ohne etwas von ihrer Objektivit t preiszugeben. Auch sieht man daran deutlich, wie der psychologische Gesichtspunkt dadurch keineswegs unfrei wird. Er setzt sich ungehindert durch, ja gerade so wird die Herabf hrung bis ins Individuell-Subjektive erst m glich. Es w re hieran zu lernen, wie ein jeder psychische Inhalt zun chst als objektiver erkannt werden mu , um subjektiv das zu werden, was er sein soll — Inhalt. Der Seinscharakter als solcher mu bis ins letzte individual-psychologische Einzelproblem an jedem Inhalt lebendig bleiben. Denn letztlich ist doch jeder psychische Inhalt ein άΰάνατον im ΰνητόν. — Es w re eine dankenswerte Aufgabe, diesen Gesichtspunkt weiter die Platonischen Schriften hindurch zu verfolgen. Es w rde sich mehr oder weniger deutlich in allen jenen interessanten Ans tzen psychologischer Art (so ber die αϊσ&ησις,

Psychologische Ans tze Platos

ηδονή und λύπη, die έπι&νμία, die δόξα u. a.) die gleiche stillschweigend zugestandene Voraussetzung aufzeigen lassen, da die psychischen Vorg nge nur insofern ein sachliches Problem abgeben, als in ihnen ein objektives Sein, ein Ideenwert, enthalten ist, aus dem heraus sie bestimmbar werden k nnen, und da er Fragen, die auf ein solches nicht f hren, verwirft. Es geh rt das aber nicht mehr in unser Problem. Nur der Gesichtspunkt der Subjektivit t berhaupt geh rt ins Seinsproblem — durch seine innere Verkn pftheit mit dem Objekt, denn er allein ist die subjektive Kehrseite des Seinsproblems in der νπό&εσις — nicht aber die Einzelfragen, die er umfa t.

III. Teil.

Die Anwendung der Ideenlehre, aus der Methode von Nichtsein und Sein heraus charakterisiert. 1. Nichtsein und Sein im Problem der Das Prinzip der Idee hatte seinen Ausgangspunkt gleichzeitig am Problem des Sittlichen und an dem der Wissenschaft. Das erstere zeigen vorwiegend die frühen Dialoge, das letztere besonders der „Theätet". Die Wiedervereinigung beider Grundfragen in der ausgereiften Idee zeigte im großen Stile die „Republik". Aber diese Ausgangspunkte sind nicht als letzte Ursprungspunkte im systematischen Sinne anzusehen — wenigstens nicht in jeder Hinsicht. Es läßt sich jedenfalls an der theoretischen Seite der Idee über das Wissenschaftsproblem hinausgreifen, wie denn dieses letztere auch historisch keine ursprüngliche Fragestellung ist, sondern eine erst von Plato im strengen Sinne so formulierte. Und zwar bedeutet diese Formulierung schon eine Orientierung" für die Idee. Der Begriff der ist in Platos Denken von der Idee kaum zu trennen. Was dem vorausliegt, ist das theoretische Problem in seiner vorwissenschaftlichen Fassung, wie wir es von den Milesiern her bis auf Demokrit als Seinsproblem kennen gelernt haben. Und zwar ging dieses Seinsproblem ganz sichtlich vom dinglichen Dasein aus, wie denn als sein Gegenstand durchgehend der Kosmos behandelt wurde. Das Dasein ist das Urproblem der theoretischen Forschung — nicht nur in historischem, sondern auch in systematischem Sinne; darum kann auch die

Das Problem der Anwendung

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ausgereifte Formulierung, wie sie bei Plato als Frage nach der Wissenschaft als solcher dasteht, sich von diesem Ursprung nicht losmachen. So sehr die Forschung hier zur Prinzipienforschung wird, sie muß wieder zurückkehren zum Sein der Dinge, „für" das sie zum Prinzip aufstieg. Wenn wir dennoch bei Plato in den besprochenen Dialogen der mittleren Periode ein entschiedenes Hinneigen nach der Seite des Prinzips sehen, so hat das immerhin seinen guten Grund in der Eigenart des Ideenproblems selbst. Wir haben es an dem ganzen Aufstieg zur Idee, wie er sich vom „Phädrus" bis zur „Republik" vollzieht, sehen können, wie das methodische Mittel, das dem Ziel dieses Weges seinen positiven Gehalt gibt, die Definition aus der Leistung ist. Diese definiert das Prinzip, aber sie definiert es auf Grund dessen, was selbst erst auf Grund des Prinzips möglich ist. So ist denn die Leistung — wenigstens als zu Leistendes — in die Definition mit eingeschlossen. Da nun das Dasein zunächst nur der Ausgangspunkt und zugleich definitorisches Moment ist, so wird es begreiflich^jvie als das Gesuchte, Erstrebte, sich das Prinzip als solches in den Vordergrund schiebt, und wie das Dasein, für das es doch erdacht werden sollte, seinen Problemwert fast ganz an das Prinzip verlieren kann. Diese Vereinseitigung ist möglich, gerade weil das Dasein in die Definition des Prinzips eingeschlossen ist. Denn so ist es gleichsam wie etwas Selbstverständliches vorausgesetzt, um das man sich weiter nicht zu bemühen hat, weil es einem auf jeden Fall gewiß ist, sobald das Prinzip einmal richtig angelegt ist. In diesem Sinne hängt in der Tat in erster Linie alles am Prinzip. Daß auch die Herabführung desselben bis auf das zu Begründende noch eine Aufgabe ist, die über das bloße Finden des Prinzips hinausgeht, das kann in demjenigen Gedankengange, der das Prinzip erst zu entdecken hat, wohl übersehen werden. Erst das entdeckte und definierte Prinzip kann es fühlbar machen, daß zwischen dem definitorisch vorausgesetzten zu Leistenden und dem auf Grund der Definition Geleisteten noch ein Unterschied besteht, den zu überbrücken es aufs neue gilt, das bereits Erworbene zum Problem zu machen. Denn wie das Dasein zum Problem werden mußte, um zum Prinzip zu führen, so muß nun wiederum das Prinzip zum Problem werden, um zum Dasein zurückzuführen. Das Seinsproblem zeigt schon auf seiner frühesten Stufe etwas wie eine Unterscheidung dieser zwei Aufgaben oder Richtungen. So ist bei Anaximander das ganze Schwergewicht

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Stellung zu Demokrit in der Daseinsfrage

auf die neuentdeckte gelegt, während die Pythagoreer vorwiegend mit der Durchführung beschäftigt sind, das entwerten und das ganze Wesen der Seinsfrage in der mathematischen Begrenzung zur Dinglichkeit erblicken. Was hier in engem Rahmen vor sich geht, wiederholt sich dann mehrfach auf weiterem und weiterem Gebiet. Zenon und Melissos suchten das Eleatische „Eine" als Prinzip zur Anwendung zu bringen, obgleich es gar nicht als Prinzip erdacht war. Bei Empedokles und Anaxagoras sehen wir dann schon die gleichzeitige philosophische Arbeit nach beiden Richtungen; sie bestimmen das Prinzip in neuer und neuer Weise, aber sie denken es schon mehr in Eins mit seiner Anwendung; jede neue Formulierung eines Prinzips bedeutet ein neues Weltbild. In Demokrit dürfte diese Problemeinheit — wenigstens im Gebiete des Kosmos — ihren strengsten Ausdruck gefunden haben. Das Prinzip und seine Durchführung sind hier gleichsam wieder ein Gedanke geworden. Die Atome und das Leere sind ganz und gar reines Sein im Unterschiede vom Dasein, und dennoch gehen sie ganz und gar auf in dem, was sie f ü r dieses sind: ebendasselbe, was und für farbig, bitter, süß nehmen, ist für den Verstand, der auf das Sein hinblickt, Atom und Leeres. Es sieht demgegenüber wie ein Rückschritt aus, wenn wir bei Plato in den Schriften, welche die Idee entwickeln, wieder den ganzen Nachdruck auf das Prinzip verlegt sehen. Das Problem des Daseins scheint für eine Zeitlang nahezu vergessen zu sein. Der Ausgang wird nicht von ihm, sondern von ethischen und mathematischen, also wissenschaftlichen Fragen genommen; aber Wissenschaft und Dasein fallen nicht zusammen, wenigstens noch sind sie nicht in die Einheit eines Problems zusammengegangen. Dennoch ist dieses bei genauerer Betrachtung kein Rückschritt, sondern der Anlauf zu einem Fortschritt. Wie jede Vertiefung eines Problems zuerst ins Negative gehen und das Unverstandene, Problematische schärfer hervorkehren muß, so muß auch das Seinsproblem zu seiner Verinnerlichung, sich erst einmal noch weiter von seinem Ursprungspunkt, dem Dasein, entfernen, damit es um so sicherer zu ihm zurückgelange. Worin Plato über Demokrit hinausgeht, das ist die Weite der Problemstellung selbst. Der Kosmos konnte das alles nicht umspannen, was sich im historischen Gange der Probleme den Anspruch auf Lösung erworben hatte. Er mußte zum Teilproblem werden, für das die höhere Einheit der Grundfrage erst in Gemeinschaft mit anderen Problemen zu erdenken

Verschiedenes Verhalten Platos zur μέοεξις

war. Platos gleichzeitiges Ausgehen vom Ethischen und von der Wissenschaft gab dieser h heren Einheit die Definition im Prinzip der Idee. So mu te dieses Prinzip h her liegen als alle Naturprinzipien; und darum auch mu te der Weg von der Idee abw rts bis zum Dasein ein weiterer und schwierigerer sein, als derjenige war, den Demokrit vom Atom und Leeren zum Farbigen, S en und Bitteren zu beschreiben hatte. Seine Weite und Schwierigkeit aber sollte nicht sein Nachteil werden; denn von der gr eren H he des Gesichtspunktes aus lie sich auch die tiefere Ersch pfung des Teilproblems erzielen. Nur durfte hierzu der weitere Umweg und das l ngere Hinausschieben des Endproblems nicht gescheut werden. Darum kommen erst die sp ten Dialoge dazu, auszuf hren, was die fr hen versprachen. brigens hat Plato die Anwendung niemals ganz aus dem Auge verloren. Die Idee ist von ihren Anf ngen an im Zusammenhange mit dem gedacht, was an ihr „teilhat". Im „Ph don" ist dieses Teilhabende sogar direkt als das Dingliche (H lzer, Steine) bezeichnet. Nur ist es noch nicht die Teilhabe selbst als solche, die ihn hier interessiert. Er ist noch so sehr um die Idee selbst bem ht, da ihm eine jede nicht sie selbst betreffende Frage nebens chlich erscheint und zur ckgestellt wird. Darum erscheint ihm die μέ&εξις als nebens chlich; denn diese betrifft nicht das Prinzip selbst, sondern sein Korrelat, das Dasein, oder richtiger noch die Korrelation des Prinzips und des Daseins als solche. Plato behandelt es durchaus als ausgemacht, da ein solches Korrelat der Idee vorliege und da Anwendung auf dieses Korrelat stattfinde. Das ist ja die Grundbedingung, unter der die Idee berhaupt mir einen Sinn hat, — die Voraussetzung, oder methodologisch gesagt, der logische Notstand, zu dessen berwindung sie erdacht wurde. Wozu also davon viele Worte machen, was sowieso berall mitverstanden wird? Aus diesem Gesichtspunkte heraus verliert es f r ihn jegliche Bedeutung, ob man die μέ&εξις der Dinge an der Idee als παρουσία oder κοινωνία oder wie sonst noch etwa bezeichnen m ge (Ph d. lOoD). Ein blo er Wortstreit ist ihm das. .Nicht auf solche Spitzfindigkeiten will er „sich steifen"; sondern auf das Prinzip kommt alles an: da durch die ύπό&εσις die Dinge das werden, was sie sind. So urteilt er im „Ph don". Wie aber haben wir es hiernach zu verstehen, wenn er im „Parmenides" den ganzen ersten Hauptteil der Untersuchung einer h chst detaillierten und fast

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Das coo? im „Parmenides"

peinlich genauen Auseinandersetzung der verschiedenen Auffassungen der μέ&εξις widmet, wobei er jene getadelten Spitzfindigkeiten in eingehendster Weise darlegt? Sollte er hier doch Geschmack gefunden haben an den Sophistereien seiner Gegner? Das k nnen wir Plato schwerlich zutrauen. Wenn irgendwo, so ist es in seinen Schriften angebracht, berall da, wo er den Ton ernsthafter Untersuchung anschl gt, auch nach wirklichen Problemen zu suchen. So m ssen wir denn annehmen, da er in dem Proze der Vertiefung und Verinnerlichung seiner logischen Grundansicht doch dazu gekommen sein mu , in der μέ&ΐξις ein Problem zu entdecken. Es kommt nun f r das Fernere alles darauf an, von diesem neuen Problem ein richtiges Bild zu gewinnen. Denn f r den Fortgang des Seinsproblems in der Ideenlehre h ngt alles davon ab, wie das Interesse Platos an der μέ&εξις zu verstehen ist. Deswegen empfiehlt es sich, zun chst auf den einleitenden Teil des „Parmenides" einen Blick zu werfen. Die Ideenlehre wird hier in einer Weise vorgetragen, wie sie offenbar nicht verstanden werden soll. Die ιδέα im pr gnanten Sinne kommt zun chst gar nicht vor. Es hei t statt dessen — wie berhaupt in den sp ten Dialogen meist — είδος; das ist ein Terminus, der schon allein dadurch der Pr gnanz entbehrt, weil Plato ihn mit Sokrates und den Sokratikern gemeinsam hat. Kein Wunder, wenn seine Bedeutung auch bei Plato schwankt und bald identisch mit Ιδέα, bald geradezu im Gegensatz zu ihr gebraucht wird. In der Einleitung des „Parmenides" geschieht es zusehends, wie das είδος sich von der eigentlichen „Idee" mehr und mehr entfernt, so da zuletzt etwas herauskommt, was ihr in der Tat nahezu methodisch entgegengesetzt ist. F r eine jede Gattung der Dinge, hei t es, m sse ein είδος angenommen werden, und zwar so, da es von den Dingen getrennt selbst f r sich selbst (amb κα&' αυτό) dastehe. So entst nden die Begriffsbestimmungen des hnlichen, Un hnlichen, des Vielen usf.; die Dinge aber w rden hnlich, un hnlich usf., indem sie an diesen είδη „teiln hmen". Dazu wird diese Teilhabe in scheinbar sehr einfacher und einleuchtender Weise demonstriert: „Ich" habe teil an der Einheit — in Bezug auf uns sieben Personen hier, und habe gleichzeitig teil an der Vielheit, sofern es ein Rechts, Links, Hinten, Vorn an mir gibt. Es komme nur darauf an, ein jedes είδος nachdr cklich abzutrennen von den Dingen (δίαιρεΐο&αι χωρίς αντά κα& αυτά τα

Die Aporien der μέ&βξις

, 12Q D). — Diese Ansicht von den εϊδη, die offenbar derjenigen zuwiderl uft, die Plato im „The tet" und „Ph don" begr ndet hat, die also wohl vielmehr als ein Surrogat seiner Ideenlehre anzusehen ist, wie sie wahrscheinlich von gegnerischer Seite aufgefa t und blo gestellt wurde, — diese Ansicht wird nun einer eingehenden Kritik unterzogen. Daraus ergeben sich denn eine Reihe von Aporien, die den Begriff des είδος und letztlich die μέ&εξις betreffen. Denn zum Angriffspunkt wird gerade das, was sich am einfachsten zu ergeben schien, der Begriff der Teilhabe. Es fragt sich zun chst, ob die Dinge an dem ganzen είδος teilhaben oder nur an einem Teil desselben. Beide M glichkeiten werden untersucht, stellen sich aber jede in ihrer Art als unhaltbar heraus. Haben die Dinge an dem ganzen είδος teil, so ist das letztere gleichzeitig in Getrenntem, denn die Dinge sind das Getrennte; es wird also von sich selbst getrennt (1316). Haben sie aber an einem Teile teil — worauf der Begriff des Teilhabens gerade besonders zuzutreffen scheint —, so ist das είδος schon nicht mehr eins, sondern eine Vielheit von Teilen, was seinem Wesen direkt zuwiderl uft. Denn als Begriff hat es Einheit zu sein. Ein zweites Argument ist der bekannte τρίτος αν&ρωπος, den sp ter Aristoteles mit Vorliebe gegen die Ideenlehre ins Feld f hrte. Es schlie t so: wenn ich das είδος daraus sch pfe, da es die Einheit f r alle Einzeldinge der gleichen Gattung sein soll, so taucht f r die Vereinigung des εί — Und noch ein zweiter Schritt auf den positiven Wert des μεταξύ zu wird gemacht. Die Frage wird so gekehrt, da sie auf die Ursache abzielt (ahia, 221 D). Vorhin wurde diese ama nur in der έπι&νμία, und diese wiederum durch die ένδεια bestimmt. Nun soll aber diese Ursache noch weiter zur ckverlegt werden — gleichsam hinter die ένδεια. Das Bed rfnis ist nur gerechtfertigt, wenn es auf etwas geht, was dem Bed rftigen von Hause aus eigen und daher unentbehrlich ist. Das hei t in Platonischer Terminologie, es mu auf ein οίκεΐον ausgehen. Nach ihrem „Eigensten" verlangen φιλία und έρως (22l E). Da

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Das μ«β£ύ des „Symposion"

der Liebende dieses οίκεΐον habe, ist notwendige Bedingung zum Lieben, denn es mu ihn mit dem Geliebten verbinden. Es kann aber in nichts anderem als in der Eigenart oder „Form" seiner Seele liegen (κατά τι της ψυχής η&ος ή τρόπους η είδος, 222 Α). Denn es ist das „von Natur aus Eigene", darum ist es der notwendige Gegenstand der Liebe (το μεν δη φύσει οίκεΐον άναγκαΐον ήμΐν πέφανται φιλεΐν). Unmittelbar darauf wird das οίκεΐον dem άγαΰόν gleichgesetzt (222 D). bertr gt man das auf den vorhin entwickelten Gedanken von dem μήτε άγα&ον μήτε κακόν, so ergibt sich folgendes. Das μεταξύ sollte teilhaben am άγα&όν, dieses als das οίκεΐον ist der eigentliche Wert, das Ideenhafte, im Problem der φιλία. Gleichwohl ist es nicht durch sich selbst erreichbar, sondern nur im bergange aus dem „Fremdartigen" (άλλότριον). Das μεταξύ aber als der Zustand der φιλία ist das berleitende, also dasjenige, wodurch auch jenes οίκεϊον, das Gute selbst, erst erfa bar wird. Dieses erstreckt gewisserma en seinen Ideenwert herab auf das μεταξύ und gibt auch diesem den prinzipiellen Seinswert. Den letzten Schritt, der in dieser Richtung m glich ist, vollzieht erst das „Symposion". Die Bestimmungen des £ρως fangen hnlich an wie die der φιλία, ja sie greifen eher noch weiter zur ck; sie f hren aber daf r auch weiter hinaus, wie es denn im Begriff des $ρως schon als ein bedeutender Vorzug vor der φιλία begr ndet liegt, da dasjenige Moment, das f r das Problem des berganges das wichtigste ist, das Moment des Strebens und der Aktivit t berhaupt, in ihm weit st rker betpnt ist als in jener. Denn die logische Spontaneit t des μεταξύ als des Zusammenhang und Kontinuit t Schaffenden hat ihr Bild an dieser Aktivit t, und je mehr Kraft sich in ihr ausspricht , um so 'mehr n hert sich das Bild dem Charakter des selbstsch pferischen Prinzips. — Es wird nun zun chst' festgestellt, da es falsch ist, den £ρως nach dem zu beurteilen, worauf er hinstrebt; sein Gegenstand ist nicht er selbst, er tritt sogar in gewissem Sinne in Gegensatz zu ihm. Er strebt gerade deshalb auf ihn hin, weil er ihn nicht hat, damit er ihm „f r die Zukunft zuteil" werde. Damit ist der Begriff der ένδεια in der Ιπι&νμία wieder aufgenommen. Sofern nun der £ρως zum Sch nen strebt, ist er selbst durch die ένδεια als nicht sch n bestimmt. Und wie er der Sch nheit beraubt ist, so ist er auch des Guten im weiten Sinne, d. h. alles Positiven, Erstrebenswerten beraubt (201 A—C). Aber gesetzt nun, er sei also infolge der Bed rftigkeit, die sein Wesen ausmacht, nicht

Das μηδέτερον und das αμφοτέρων μετέχον

sch n, mu er deswegen etwa gleich h lich sein? Sokrates meint, das folge unbedingt daraus. Diotima aber weist ihn darauf hin, da es dann ja auch mit anderen derartigen Gegens tzen ebenso stehen m te; z. B. m te auch der Nichtweise dann schon notwendig ganz unwissend sein. In diesem Falle bliebe einem aber keine M glichkeit, jenen Zustand zu definieren, in welchem man sich das Richtige wohl vorstellt, aber doch nicht imstande ist, Rechenschaft zu geben, warum es richtig sei (202 A). Denn Wissen kann man diesen Zustand nicht nennen, das w re eine sich selbst widersprechende Wissenschaft (επιστήμη ist ja nach Ph d. 766 ein λόγον διδόναι). Es kann aber auch nicht v llige άμα&ία sein, denn man „trifft" ja ein Seiendes damit: το γαρ του δντος τνγχάνον πώς αν εΐη άμα&ΐα; Es handelt sich eben ganz offenkundig um ein Drittes, das weder das eine noch das andere ist, sondern das Vermittelnde zwischen beiden. Es mu dieses Zwischenglied geben, San τι μεταξύ σοφίας καΐ άμαΰίας. Denn es gibt diesen dritten Zustand, die δρ-ΰή δόξα. Diese ist das bergangsglied des Nichtwissens zum Wissen und als solches die Vorstufe zum Wissen; sie ist von beiden gleich geschieden, vom ersteren durch das δρ&όν, vom letzteren durch den Charakter der δόξα, der eben den λόγος nicht zu geben vermag. Insoweit steht es mit ihr genau so wie mit dem μήτε άγα&όν μήτε κακόν des ,,Lysis" und des „Gorgias"; die doppelte Negation charakterisiert dieses μεταξύ in der eigent mlichen Formel des beiderseitigen μη ov. Es ist ein μηδέτερον — ein Ausdruck, den die „Gesetze" (7336) einmal in streng analogem Sinne gebrauchen, n mlich f r das μεταξύ von ηδονή und λύπη.1 Das μηδέτερον l t sich aber genau mit dem gleichen Recht entsprechend positiv fassen, wie das die „Republik" (478 C—E) zeigt, wo das δοξαστόν als μεταξύ von γνώσις und αγνοία ein αμφοτέρων μετέχον genannt wird (vgl. auch oben S. 339 die Euthydemstelle). Beide Bestimmungen sind gleich richtig und gleich einseitig, darum erg nzen sie einander aufs genaueste. In der Tat entspricht diese doppelte Charakteristik aufs genaueste dem logischen Sinne dieses μεταξύ, und auch gerade dem Beispiel, an welchem das „Symposion" seinen Begriff erl utert. Denn wie *) Der Ausdruck kommt auch sonst, und meist in hnlichem Problemzusammenhang vor, so Phil. 43 D E, Lys. 221 B, Rep. 583 E. Die letztere Stelle ist besonders charakteristisch, da die Frage gestellt wird, ob es m glich sei, το μηδέτερα ον αμφότερα γίγτεσΰαι. Die Frage wird hier zwar verneint, denn es fehlt der richtige Begriff des μετέχει*: Aber die Frage selbst ist die kritische. Auch wird das μηδέτερα 6v als μεταξύ bezeichnet.

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Der Ιρως in jeder Hinsicht ein μηαξν

die δρ&ή δόξα von Weisheit und Amathie in gleicher Weise unterschieden ist, so hat sie auch an beiden in gleicher Weise teil, an der ersteren n mlich durch ihre Richtigkeit oder das ov, das sie „trifft", an der letzteren durch das Fehlen des λόγος; denn dieses hat sie mit der άμα&ία gemeinsam, das ist auch der Grund, warum sie mit ihr verwechselt wird. — In dieser Ausdehnung des μεταξύ als/einer Hinauff hrung der bestimmungslosen δόξα zum Denken der „Wissenschaft" ist eine neue Vertiefung des alten Gedankens angebahnt. Denn wenn der Zusammenhang von Wissen und Nichtwissen durch das Zwischenglied eine unumg ngliche logische Forderung ist, so l t es sich wohl voraussehen, da sich hierin der fortschreitende Charakter des Denkens und der Philosophie berhaupt wird bestimmen lassen. Und wirklich wird diese Konsequenz einige Seiten weiter gezogen. Es stellt sich n mlich heraus, das der £ρως in jeder Hinsicht ein μεταξύ ist. Er ist nicht sch n und nicht h lich, nicht gut und nicht schlecht, nicht arm und nicht reich, nicht sterblich und nicht unsterblich. In dieser Zwischenstellung aber liegt gerade das Positive, das er darstellt, das Streben zum Sch nen, zum Guten usf. So zeichnet ihn der Platonische Mythos. Von seiner Mutter Πενία hat er die Svdeia, von seinem Vater Πόρος die Rastlosigkeit und den Drang des Suchens und Ringens. Er ist επίβουλος τοις καλοΐς καΐ τοις άγα&οΐς, ανδρείος ων και ΐτης και σύντονος, 'ΰηρεντής δεινός, αεί τινας πλέκων μηχανάς . . . φιλοσόφων δια παντός τον βίου, δεινός γόης και φαρμακενς και σοφιστής (203 D). Gewaltiger l t sich das ewige Ringen und Streben wohl nicht zusammenfassen, als es Plato in diesen Worten tut. Es ist das Erbteil des Ιρως, sein Wesen, sein Begriff, da er ewig ein Suchender und ein Ringender sein mu ; denn dieser sein Begriff ist ein μεταξύ, d. h. ein μη v alles Gro en und Wertvollen. Es ist aber nicht nur sein Erbteil, sondern auch das des Menschen. Auch ihm ist alles das, was ihm ein Wert und Gut ist, nicht gegeben; er hat es sich zu erringen. Er selbst ist das gro e μεταξύ, das alles Positive nur als Nichtsein hat. Das ist es eben, was das μη ον im μεταξύ zu lehren hat: es vertauscht jenen falschen, dogmatischen Gesichtspunkt, der das Gute und Sch ne in der Wirklichkeit der Dinge zu besitzen meint, gegen den philosophischen, der nur die Idee dieser Werte kennen will. Es gibt nicht das Gute, das Sch ne, das Unsterbliche; wirklich ist nur das Streben nach dem Guten, die Liebe zum Sch nen, das E r z e u g e n des Ewigen, Unsterblichen. Wir haben zu

Der philosophierende, wollende und schaffende έρως.

allem nur das Streben; aber das ist nichts Geringes, es ist — eben weil es μεταξύ ist — gerade unser Anteil am G ttlichen, am έρως, der „ein gro er δαίμων" ist. Und so steht es denn auch mit unserer Weisheit; auch sie ist ein Zwischenstadium, ein ewiges bergangsglied. Die vollendete Weisheit, die gibt es f r uns nicht, wohl aber die „Weisheitsliebe", die Philosophie. Denn „von den G ttern philosophiert keiner, noch begehrt er weise zu werden; denn er ist's; und wenn sonst einer weise ist, so philosophiert er nicht. Aber auch nicht die Unwissenden philosophieren, noch verlangen sie weise zu werden; denn eben das ist das Grund bel der Unwissenheit, da man, indem man weder gut noch sch n noch weise ist, dennoch meint es zu sein." Und wer sind also die Philosophierenden? „Das ist nun schon jedem Kinde klar, da es die in der Mitte zwischen beiden sind; zu ihnen geh rt auch der έρως." Und also auch der Mensch, d. h. der Kulturmensch, der das μεταξύ ist zwischen dem allwissenden Gott und dem άμα&ής. Und deswegen legt Plato solches Gewicht darauf, am Ιρως die Philosophie zu unterstreichen, weil er ja das Sinnbild alles menschlichen Strebens ist, des sthetischen und ethischen sowohl, als auch des theoretischen. Die Philosophie aber ist das Rechenschaftgeben aller dieser Richtungen. Hieran findet denn auch die Aporie des „Euthydem" (275 D ff.), wo der Begriff des μαν&άνων gesucht wird, ihre L sung. Denn der μαν&άνων im weiten Sinne f llt mit dem φιλοσόφων zusammen. Dieser ist das Zwischenglied zwischen dem Wissenden und dem Unwissenden, er hat die Vorstufe des Wissens an der δόξα, aber er hat auch das Bewu tsein, da das noch nicht Wissen ist, d. h. er hat das Wissen seines Nichtwissens, das Bewu tsein seiner Probleme. Aus diesem als dem Nichthaben des λόγος geht das „Geben" des λόγος hervor, in welchem das Fortschreiten der Philosophie besteht. Und letztlich sind alle jene Kulturbestrebungen, deren Sinnbild der έρως ist (S. 309f.), definiert in seinem Charakter des μεταξύ', denn sie zielen alle auf die Idee hinaus, k nnen sie aber niemals erreichen, es ist ihr Wesen, da sie Stufen bleiben m ssen, da ber jede wieder hinausgestrebt werden mu , da jede neue immer nur ein neues μεταξύ ist. Das „Zwischen" in diesem Sinne ist ein stetiges Hinauff hren, eine Kontinuit t des Ganges der Kultur. Darum ist der έρως nicht etwa ein unverstandenes R tselhaftes im Einzelmenschen; er wird zum bewu ten Erfassen dieser idealen Aufgaben, er wird zur βούλησις, welche allen Menschen gemeinsam ist (205 A).

35O

Die aufsteigende Reihe der Zwischenglieder

Das ist mehr als die Ιπι&υμία des „Lysis". Es ist der seines Ewigkeitswertes bewu t gewordene Ιρως, der durch seine in die Idee einm ndende Kontinuit t teilhat an ihr. So ist er zugleich ein tiefsinniges Bild der μέ&εξις. Man versteht es, wie Plato diesem bewu t „wollenden" £ρως getrost die gro en sittlichen Aufgaben der Menschheit anvertrauen, ihn zum Tr ger, zum Vermittler alles Ewigen machen konnte. Denn nur er konnte der Anforderung einer solchen Vermittlung gen gen: weil er μεταξύ ist, weil er der genaue Ausdruck f r das Fortschreiten zur Unendlichkeit der Idee ist. Und dieses bewu te Streben ist nicht fruchtlos gedacht. Es geht Hand in Hand mit seiner Verwirklichung; es wird zum Schaffen (ποίησις). Im Schaffen bew hrt sich das Charakteristische des μεταξύ, indem es dasjenige ist, was etwas hervorgehen l t „aus dem Nichtsein zum Sein" (2056). Hiermit ist auf die logische Grundformel aller Kontinuit t zur ckgegriffen, die, wie der „Sophist" gezeigt hat, in der Durchf hrung des μη δν zum 8v liegt. — Halten wir uns nun diese Weite im Begriff des ε"ρως offen und werfen noch einen Blick auf den Schlu der Sokratesrede, so ergibt sich uns dort eine ungeheure Erweiterung f r den Begriff des μεταξύ. Es wird unter dem Bilde des Ιρως der Weg gezeichnet, den der Philosophierende einzuschlagen hat: dieser beginnt bei den K rpern, d. h. den Dingen und m ndet in der Idee. Was dazwischen liegt, sind alles bergangsstadien, „Zwischen"-Glieder, Stufen (Ιπαναβαΰμοί, 2liC) von der αμα&ία zur h chsten σοφία. Da ist kein Sprung, kein Ri in der Kette der Glieder. Das μεταξύ hat hier aufgeh rt ein einzelnes vermittelndes Glied zu sein, es hat sich aufgel st in eine aufsteigende Reihe von Zwischengliedern, die wirklich von einem Extrem zum ndern hin berleiten k nnen, weil sie ein zusammenh ngendes Ganzes bilden. Und das Ganze dieses Zusammenhanges erstreckt sich zuletzt auf die Extreme selbst. So entsteht hier am Motiv des μεταξύ wirklich ein Kontinuum, ein stetiger bergang. Und dieser Gedanke des kontinuierlichen Aufw rtsschreitens der Philosophie wird dann zu einem Grundmotiv der Ideenlehre. Auch die „Republik" bringt ja solch eine Stufenleiter, die zur Ideenerkenntnis aufsteigt. Nur da dort die Stufen die einzelnen Wissenschaften sind, ber die hinwegschreitend die Dialektik die Einheit ihres systematischen Endzieles verfolgt. Denn auch diese „Stufen" bilden gemeinsam einen Zusammenhang, einen „Weg der Seele nach oben" (ψυχής άνοδος, Rep. 5178; άνάβασις,

Hinausfuhrung vom Nichtsein zum Sein

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Die bis hierher entwickelten Formen des μεταξύ1 n hern sich sichtlich dem Kontinuit tsbegriff, wie ihn die Platonische Denkart in den meisten ihrer Grundfragen auf die eine oder andere Weise involviert. Am n chsten an dieses Ziel heran kamen der „Ph don" und das „Symposion". Das letztere zeigt vielleicht die entwickelteste Form des Problems; aber an fundamentaler Fragestellung steht es dem „Ph don" dennoch nach. Denn die δύο γενέσεις bezogen sich ganz allgemein auf die Gegensatznatur der Begriffe. Dennoch erreicht keine von diesen beiden Schriften eine eindeutige, klare und zugleich allumfassende Bestimmung des Kontinuierlichen. Am ehesten k me eine solche noch heraus, wenn man ihre Resultate vereinigte: etwa die Synthese des Hinausf hrens vom μη δν zum δν mit den γενέσεις δύο δνοΐν δντοιν. Aber Plato gibt keine derartige Vereinigung. Statt dessen widmet er einer genauen und eindeutigen, dazu streng allgemein auf die Gegens tze bezogenen Begriffsentwickelung der Kontinuit t in dialektischer Form den zentralen Gedanken des „Parmenides". Es ist zugleich die Entfaltung jener Methodik, in der all die aufgeh uften unaufgel sten Widerspr che des Dialogs ihre L sung finden sollen. Schon im Verlaufe der ersten Antinomie bereitet Plato hier den Kontinuit tsgedanken vor. Das geschieht am Begriff der r umlichen Ber hrung. Was sich mit einem Anderen ber hren soll, mu diesem zun chstliegen βφεξής κεΐσοαι, Parm. I4&E). Der dem Ber hrten zun chstliegende Raum mu dem Ber hrenden zukommen. Es sind also zwar notwendig zwei n tig zu einer Ber hrung. Ein εν, sofern es iv ist, kann keine Ber hrung Zustandekommen lassen. Aber auch mehr als zwei k nnen nicht in e i n e r Ber hrung aneinandergrenzen. Ein Drittes, das zwischen ihnen „in der Mitte" (εν μεσφ) w re, kann es nicht geben. Das εφεξής der Reihenbildung ist das alte Problem der Pythagoreer. Bei diesen waren die Reihenglieder noch durch ein Trennungsglied, den χωρισμός, geschieden. Die so verstandene Reihe w re also noch kein wirkliches Aneinanderschlie en im Sinne des PlatoJ

) Die Gebrauchsweise des μεταξύ bei Plato ist in den behandelten Stellen noch nicht ersch pft. Es fehlen vor allem noch einige besondere Richtungen seiner Anwendung, die aber hier bergangen werden mu ten, weil sie wesentlich als Einf hrung anderer, komplizierterer Probleme dastehen. Ihre Besprechung folgt im Anschlu an die Betrachtung dieser Probleme; cf. Republ. 479 CD, Phileb. 16 D (im 2. Kap. dieses Teils), Tim. 49 D (im 3. Kap.).

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Das εφεξής κεΐο&αι im „Parmenides"

nischen Ιφεξής κέΐσ&αι. Denn diese ist definiert dadurch, da alles „Dritte", Trennende, zwischen den zun chstliegenden Gliedern verschwindet, zu „nichts" wird. Es darf „nichts in der Mitte sein", wo sich Zwei in einer Ber hrung ber hren sollen (τρίτον dk αυτών εν μέσφ μηδ&ν είναι, 149 Α λ Das τρίτον μηδέν ist die Definition der &ψις. Man kann sich das begrifflich etwa so ausgef hrt denken: verschwinden mu in der 8ψις der Zwei das „Dritte", im Sinne des dritten r umlich Ausgedehnten, d. h. im Sinne eines jenen Zweien homogenen Dritten. Denn ein solches w rde ein Trennendes sein. Gleichwohl mu das Iv μέσφ doch irgendwie definiert werden; aber es mu als das unmittelbar Verbindende f r die Zwei gedacht sein. Deswegen die Ablehnung des homogenen „Dritten". Es kann nur die αψις selbst sein, die das εν μέσφ positiv bestimmt. Denn diese ist den beiden sich Ber hrenden gen gend heterogen ihrem Begriff nach, um ihnen gegen ber das bergeordnete Verbindende zu sein. Aber gerade diese ihre begriffliche Heterogeneit t ist dem r umlichen Etwas gegen ber nur als Ablehnung — als μηδέν — zu bestimmen. So gewinnt gerade die reine Negation in ihr den positiven Charakter einer notwendigen Bedingung der Ber hrung. Es l t sich leicht voraussehen, da dieses Verh ltnis keineswegs blo auf r umlich-dingliche, oder doch geometrische, Ber hrung zutrifft, sondern auf alle Ber hrung im weiten, allgemein logischen Sinne. Denn auch die Begriffe m ssen sich ber hren, wenn anders sie nicht isoliert dastehen sollen. Das zeigte der „Sophist" an den gr ten Beispielen; und der „Ph don" in seinen „zwei Entstehungsarten" zeigte es wom glich noch deutlicher. Eine Definition dessen, was diese Dialoge fordern, d rfte sich wohl am ehesten ergeben, wenn sich die hier im μηδέν bestimmte „Ber hrung" in weiterem Sinne fassen, auf alle Begriffsber hrung ausdehnen lie e. Das best tigt sich denn auch im XXI. Kapitel des „Parmenides", wo die Begriffskontinuit t in allgemeiner Form abgeleitet wird — nicht nur f r ein vorgestelltes Lageverh ltnis, sondern streng logisch, als der stetige bergang vom Sein zum Nichtsein und umgekehrt. Um dieses zu leisten, geht Plato nun von den Resultaten der ersten Thesis und Antithesis aus. Diese Resultate sind kontradiktorisch ausgefallen. „Das %v ist" und „das εν ist nicht", — darin lassen sie sich zusammenfassen. Zwischen diesen zwei unvereinbaren Konsequenzen soll das XXI. Kapitel die Vermittlung herstellen. Denn bleiben sie unvereinbart, so

Allgemeine Theorie der Kontinuit t im „Parmenides"

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f hrt die ganze Dialektik, deren Beispiel die beiden Deduktionen im gro en Stil vorf hren, zu einer vollst ndigen Skepsis. Dabei kann es aber sein Bewenden nicht haben. Warum sollte das, was von allen kontradiktorischen Begriffen galt, nicht auch von den kontradiktorischen Gesamtresultaten der ganzen Deduktionen gelten, n mlich da sie in verschiedener Beziehung nebeneinander bestehen k nnen? Denn eigentliche Kontradiktion findet nur da statt, wo das Widersprechende zugleich und in gleicher Beziehung gelten soll. Es kommt also darauf an, ein solches Moment im Denken zu finden, welches f r den Widerspruch des seienden und des nichtseienden Einen die Verschiedenheit der Beziehungen m glich macht. Dieses Moment nun bietet sich gleichsam von selbst dar in der Zeit. Es liegt von vornherein nah, hier an die Zeit zu denken. Denn das *?v sollte ja „das eine Mal" (ποτέ) teilhaben am Sein, „das andere Mal" nicht; diese Unterscheidung ist also schon unter dem Bilde der Zeit gedacht. Da es nicht gleichzeitig teilhaben und nicht teilhaben kann, so mu wohl beides in verschiedenen Zeitpunkten stattfinden (Iv αλλφ αρά χρόνφ μετέχει και εν αλλφ ου μετέχει, 155E). Nur auf diese Weise (ούτω . . μόνως) ist Teilhaben und Nichtteilhaben zu vereinigen. Hiermit ist nun aber noch wenig geholfen. Man sieht zun chst blo , da sowohl das eine wie das andere sich denken lassen mu , ohne da notwendig eine Kollision stattzufinden brauchte. Die Frage kompliziert sich aber bedeutend, wenn man die Forderung einer wirklich strengen Vereinigung durchf hren will. Erst die Erf llung dieser Forderung w rde dem Problem der Antithesen gen gen; sie k nnte aber nur darin bestehen, da man den bergang selbst nachwiese. Die M glichkeit beider Antithesen in getrennten Zeitpunkten bedeutet aber, f r sich genommen, noch mehr Trennung als Vereinigung. Denn lassen wir die jetzt getrennt gedachten Zeitpunkte ineinander bergehen, so kollidiert sofort wieder das in ihnen Gedachte miteinander. Es mu n mlich auch einen solchen Zeitpunkt geben, in dem das εν am Sein teil bekommt, und einen ndern, in dem es diesen Anteil verliert (εστί καΐ οντος χρόνος, δτε μεταλαμβάνει τον είναι καϊ δτε άπαλλάττεται αυτόν, Ι$6Α). Denn offenbar kann es doch nicht das eine Mal „teilhaben" am Sein und das andere Mal „nicht teilhaben", wenn es nicht diese bergangsstadien gibt, in denen es „teilgewinnt" und „teilverliert". Nun ist das „Teilgewinnen" am Sein nichts anderes als Entstehen (γίγνεσθαι), das „Teilverlieren" nichts anderes als VerCohen und Nat or p, Philosophische Arbeiten ΠΙ

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Das μεταβάλλειν μηδ' h b>i χρόνφ

gehen (άπόλλνα&αι). In diesen bergangsbegriffen ist schon ein μεταξύ entdeckt; denn genau diese waren die δύο γενέσεις des „Ph don". Das ev mu notwendig entstehen und vergehen: das erst kann die beiderseitige M glichkeit seines Seins und Nichtseins begr nden. Damit ist das Problem in aller Sch rfe auf den bergang fixiert. In diesem entsteht erst die eigentliche Schwierigkeit. Zugleich aber gewinnt das Problem hiermit universale Bedeutung f r das gesamte Gebiet des theoretischen Denkens. Denn nicht nur das Sein und Nichtsein des kv mu ineinander bergehen, um berhaupt zustande zu kommen; sondern auch hnlichkeit und Un hnlichkeit kommen erst durch das „ hnlichwerden" und „Un hnlichwerden" (όμοιοναΰαι, άνομοιονσ&αι) zustande, desgleichen das Gr ere, Kleinere und Gleiche erst durch das Wachsen, Abnehmen, Gleichwerden usf. Die Untersuchung bleibt schlie lich bei dem Beispiel der Bewegung und des Stillstandes stehen. Auch das Bewegte mu bergehen in den Stillstand, mu stehenbleiben, und das Stillstehende mu bergehen in Bewegung, bewegt werden. F r dieses „ bergehen" setzt nun Plato einen neuen Terminus ein, der das Problem genauer fixiert: das Umschlagen (μεταβάλλειν). „Umschlagen", vom Wechsel des Entgegengesetzten gesagt, bedeutet mehr als „ bergehen", mehr als „Entstehen", „Bewegtwerden" und dem Verwandtes. Wenn n mlich χίνησις in οτάοις bergehen soll, so mu es doch einen Punkt innerhalb dieses berganges geben, in welchem schlie lich beide aufeinandersto en. Und in diesem Punkte mu eben notgedrungen ein „Umschlag" des einen in das andere stattfinden. Die punktuelle Fixiertheit unterscheidet den Umschlag vom bergang. Aber hier ger t man nun in eine eigent mliche Kollision mit jenem Zeitbegriff, der vorhin imstande zu sein schien, die Unvereinbarkeit des Widersprechenden zu berbr cken. Das bergehen sollte doch zwischen zwei Zeitpunkten stattfinden, es mu also selbst irgendwie in der Zeit zu liegen kommen. Sofern nun der bergang aber den Umschlag enthalten soll, so mu wohl auch dieser wiederum in einen Zeitpunkt versetzt gedacht werden. Es fragt sich nun: ist das m glich? Kann das μεταβάλλειν berhaupt in einer Zeit gedacht werden? Offenbar nicht, denn in dem Zeitpunkte, in dem es stattf nde, m ten ja στάοις und κίνησις aufeinandersto en, d. h. sie m ten mindestens einen Augenblick lang zugleichsein. Das aber ist nach allem Vorhergehenden unm glich: Widersprechendes kann nicht zugleich gedacht werden, einerlei ob in einem

Das μεταξύ als ίξαίφνης

oder in vielen Zeitpunkten. So streng h lt Plato hier berall den Satz des Widerspruchs fest. Darum kann dieses μεταβάλλειν denn berhaupt in keinem Zeitpunkte stattfinden: δει δη που αυτό γε μηδ' Ιν ένΐ χρόνω είναι (i56C). Der Umschlag m te aber vielleicht umgekehrt so gedacht werden, da in ihm weder οτάαις noch κίνησις gesetzt w re. Aber das ndert die Sache nicht: auch so kann er in „keiner Zeit" gedacht werden, denn indem etwas aufh rt sich zu bewegen, steht es ja schon still, und indem es aufh rt stillzustehen, bewegt es sich schon. Es kann also auch keinen derartigen Zeitpunkt geben, in welchem etwas weder stillsteht noch sich bewegt (χρόνος δε γε ουδείς έΌτιν, εν