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German Pages 248 [249] Year 2011
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Symposion
Klassiker Auslegen Auslegen Klassiker Herausgegeben von von Herausgegeben Otfried Höffe Höffe Otfried Band 39 36 Band
Otfried Höffe ist o. Professor für Philosophie Otfried Höffe ist o.Tübingen Professor für Philosophie an der Universität an der Universität Tübingen.
Karl Marx / Friedrich Engels Platon
Die deutsche Symposion Ideologie Herausgegeben von Christoph Horn Herausgegeben von
Harald Bluhm
Akademie Verlag Akademie Verlag
Abbildung auf dem Einband: Platon, Skulptur, o.J., Musée Granet, Aix-en-Provence, in: Robert Boehringer: Platon. Bildnisse und Nachweise, Verlag Ferdinand Hirt, Breslau 1935. (Tafel 34).
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-05-004345-6 E-Book ISBN 978-3-05-005717-0 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2012 Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe www.akademie-verlag.de Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtgestaltung: K. Groß, J. Metze, Chamäleon Design Agentur Berlin Satz: Frank Hermenau, Kassel Druck: MB Medienhaus Berlin Printed in the Federal Republic of Germany
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Inhalt
Zitierweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Enthält das Symposion Platons Theorie der Liebe? Christoph Horn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2. Die komplexe Anlage von Vorgespräch und Rahmenhandlung und andere literarisch-formale Aspekte des Symposion (172a1–178a5) Jula Wildberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
3. Die Rede des Phaidros (178a6–180b8) Christian Pietsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
4. Die Rede des Pausanias (180c1–185c3) Kurt Sier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
5. Der ganze Eros? Die Rede des Eryximachos (185c1–188e4) Simon Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
6. Die Rede des Aristophanes (189a1–193e2) Bernd Manuwald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
7. Der Wettstreit über die Weisheit zwischen Poesie und Philosophie: Agathons Rede und ihre Prüfung durch Sokrates (193e–201c) Jörn Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 8. Symposium 201d1–204c6 Frisbee Sheffield . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 9. Die Rede des Sokrates:Eros als Verlangen nach Unsterblichkeit (204c7–209e4) Dorothea Frede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
VI
I
10. Plato on Begetting in Beauty (209e5–212c3) C. D. C. Reeve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 11. The Speech of Alcibiades (212c4–222b7) Pierre Destrée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 12. Das Problem der gegenseitigen Liebe im Lysis, Symposion und Phaidros Nora Kreft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Hinweise zu den Autoren
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
VII
Zitierweise Belegstellen bei Platon werden unter Angabe des abgekürzten Werktitels aufgeführt, evtl. der Buchnummer, der Stephanus-Seite, des Abschnitts sowie der Zeilenzahl, also z. B. Rep. VII, 517b1-7 (= Politeia, Buch VII, Seite 517, Abschnitt b, Zeilen 1-7). Für die Werke Platons werden folgende Abkürzungen benutzt: Ap. Chrm. Cra. Cri. Criti. Euthd. Euthphr. Grg. Hp. ma. Hp. mi. Lg. Ly. Men. Phd. Phdr. Phlb. Plt. Prm. Prt. Rep. Symp. Sph. Tht. Ti.
Apologie Charmides Kratylos Kriton Kritias Euthydemos Euthyphron Gorgias Hippias maior Hippias minor Gesetze/Nomoi Lysis Menon Phaidon Phaidros Philebos Politikos Parmenides Protagoras Staat/Politeia Symposion Sophistes Theaitetos Timaios
Für weitere antike Autoren und Werktitel gelten die üblichen Kürzel von Liddell-ScottJones oder des Thesaurus Linguae Graecae.
IX
Vorwort Das Symposion ist einer der brillantesten Dialoge Platons. In meisterhafter literarischer Form wird hier ein Trinkgelage dargestellt, bei welchem der Tragödiendichter Agathon und seine Gäste Lobreden zu Ehren des göttlichen Eros halten. Die Reden des Phaidros, des Pausanias, des Eryximachos, des Aristophanes und des Agathon heben unterschiedliche begriff liche und phänomenale Aspekte der erotischen Liebe hervor, ehe Sokrates eine die konkurrierenden Beiträge deutlich überbietende philosophische Darstellung des Eros liefert, die der Priesterin Diotima in den Mund gelegt wird. Sokrates charakterisiert den Eros als ein Zwischenwesen zwischen Göttern und Menschen, als einen Daimon, welcher durch ein Streben mit dem Ziel gekennzeichnet ist, das Schöne zu erreichen und die Liebenden „zur Zeugung im Schönen“ zu motivieren. Die philosophische Einstellung des Sokrates und seine eigene Haltung zum Eros werden abschließend in einer Rede beschrieben, die sein Schüler Alkibiades auf ihn hält. Diese kurze Zusammenfassung verdeutlicht bereits, in welcher inhaltlichen Breite das Symposion angelegt ist. Es verbindet konventionelle Liebesauffassungen mit ref lektierten Liebestheorien und enthält zudem zentrale Überlegungen Platons zur Ethik, Naturphilosophie, Epistemologie, Religionsphilosophie und Metaphysik, einschließlich der Ideentheorie. Hinzu kommen diverse literarische Aspekte, die den Text interessant machen, z. B. die kunstvoll-indirekte Erzählform der Einleitungspartie, die einzelnen Redestrategien mitsamt den dazu gebrauchten Stilmitteln, die eingestreuten Dialogelemente oder die im Text verwendeten Mythen. Die philosophischen, philologischen sowie historischen (z. B. auch medizinhistorischen) Kenntnisse, die für eine adäquate Erschließung dieses Textes erforderlich sind, legen gerade für das Symposion das Modell eines kooperativen Kommentars nahe, wie er hier versucht wird. Den Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes, die sich dieser schwierigen Aufgabe unterzogen haben, bin ich sehr zu Dank verpf lichtet. Danken möchte ich auch der Fritz-ThyssenStiftung, die ein vorbereitendes Kolloquium zum Symposion im Januar 2011 finanziell großzügig unterstützt hat. Besonderen Dank schulde ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, besonders Dr. Anna Schrief l und Philipp Ritzen, Malte Kuhfuß, Jeannine Kunz, Freya Möbus und Martina Richtberg. Bonn, im Juli 2011 Christoph Horn
1 Christoph Horn
Enthält das Symposion Platons Theorie der Liebe?
In Platons Symposion werden sechs Reden auf die Liebe (erōs) gehalten, nämlich von den Dialogfiguren Phaidros, Pausanias, Eryximachos, Aristophanes, Agathon und Sokrates; hinzu kommt noch die Lobrede auf Sokrates als einen Liebenden, die der spontan auftretende, betrunkene Alkibiades gegen Ende des Dialogs beisteuert. Heißt das nun, dass wir im Symposion Platons Theorie der Liebe finden – zumindest seine Theorie der erotischen Liebe? Es wirkt zunächst naheliegend zu antworten: Ja, Platons Theorie und daneben noch fünf oder sechs weitere. Doch dieses Bild vom Symposion ist bei näherem Hinsehen alles andere als selbstverständlich. Prinzipiell scheinen vielmehr drei miteinander konkurrierende Interpretationen möglich: Erstens kann man annehmen, dass für Platon ausschließlich (oder doch sehr vorrangig) diejenige Theorie zählt, die uns in der Sokrates-Diotima-Passage vorgeführt wird. Nach dieser Lesart müsste man die anderen Darlegungen entweder als für Platon irrelevant ansehen, da sie als allzu vorläufig und oberf lächlich geschildert werden, oder sogar glauben, Platon halte sie für grundlegend verfehlt. Man könnte diese Deutung des Dialogs als die ‚klassische Interpretation‘ bezeichnen. Beginnend mit den Neuplatonikern sowie den Renaissance-Platonikern war die Rezeption des Symposion weitgehend fokussiert auf die Sokrates-Diotima-Konzeption erotischer Liebe.1 Zweitens ließe sich die Ansicht vertreten, dass es sich bei allen Theorieelementen, die in den einzelnen Reden auftauchen, insgesamt um Teilmomente der einen von Platon vertretenen Wahrheit handelt. Da wir es jedoch mit Behauptungen zu tun haben, die einander ausschließen – besonders die Standpunkte des Aristophanes und des Alkibiades lassen sich kaum mit der Sichtweise von Sokrates und Diotima vereinbaren – müsste man dann weiter behaupten, Platons Bild des erōs sei letztlich 1 Vgl. C. Tornau 2006 und S. Ebbersmeyer 2002. – Nach dieser Lesart würden die anderen Textpassagen eine primär kontrastive Funktion erfüllen. Sie würden den mangelhaften Hintergrund bilden, vor dem sich Sokrates umso glänzender abheben würde.
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aporetisch, indem er zwischen der Sokrates-Diotima-Theorie und der AristophanesTheorie (mitsamt der Alkibiades-Rede) hin und her schwankt. Eine Deutung dieser Art scheint Martha Nussbaum in The Fragility of Goodness (1986) vertreten zu haben. Und drittens kann man zu der Auffassung gelangen, dass uns Platon in keiner der Reden seine eigene Theorie der Liebe mitteilt, zumindest nicht in vollem Umfang. Denn die Sokrates-Diotima-Passage entwickelt keineswegs eine generelle Theorie der Liebe, sondern behandelt nur einen bestimmten Teilaspekt des Liebesphänomens, nämlich den philosophischen erōs. Diese dritte Lesart soll im Folgenden erläutert und verteidigt werden. Sie besitzt, wie mir scheint, erhebliche Vorzüge: Einerseits wird sie dem Phänomen gerecht, dass Platon nicht nur im Symposion, sondern auch im Lysis und im Phaidros über Liebe handelt und dabei augenscheinlich nicht die Theorie der Sokrates-Diotima-Passage wiederholt (siehe dazu auch N. Kreft in diesem Band). Sowohl der Lysis als auch der Phaidros behaupten etwas deutlich anderes als unser Dialog. Andererseits erlaubt diese Lesart eine recht liberale Umgangsweise mit den übrigen im Symposion erscheinenden Konzeptionen von Liebe: Denn wenn Platon mit der dialogdramaturgisch sicherlich ausgezeichneten Passage, in der Sokrates uns mit großer Emphase die Wahrheit über den erōs erzählt, lediglich ein Teilphänomen von Liebe ansprechen will, bleibt es problemlos möglich, das von den anderen Teilnehmern Gesagte mit einem gewissen Wert (der mehr ist als nur der Wert interessanter Irrtümer) auszustatten. So könnte auch Aristophanes wieder ins Spiel kommen. Ich plädiere also für eine partikulare Interpretation der SokratesDiotima-Passage; die von Platon im Symposion favorisierte Liebeskonzeption, die von Sokrates-Diotima, hat es m. E. nicht mit dem Gesamtphänomen der Liebe zu tun.
1.1 Zweifel an der Sonderstellung der Sokrates-Diotima-Passage Sicherlich besteht ein starkes prima facie-Indiz zugunsten der klassischen Lesart darin, dass die Rede des Sokrates nachdrücklich den Anspruch erhebt, die anderen Sprecher zu korrigieren und nunmehr das Wesentliche zu liefern: Sokrates kündigt an, statt der bisherigen schönen Worte endlich die Wahrheit zu sagen (199a–b). Er benutzt dazu den Kunstgriff, seine Rede als Dialog mit der (wohl erfundenen) Priesterin Diotima zu inszenieren, um seinen Standpunkt als die höherrangige Perspektive göttlicher Inspiration auszuzeichnen. Die Diotima-Passage erscheint somit als eine mystagogische Einweihung, in der die Wahrheit eher offenbart als mit Argumenten untermauert wird. Nimmt man dies ernst, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass Platon uns mit dem Inhalt dieser Passage zumindest einen relevanten Teil seiner eigenen Überzeugungen präsentiert. Aber das heißt nicht, dass er uns hier eine allgemeine, umfassende Liebestheorie liefern will.
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Dass Platon der Sokrates-Diotima-Passage (201d–212c) keinen Monopolanspruch auf Wahrheit einräumt, erkennt man daran, dass er unmöglich alles andere, was sonst im Symposion steht, für falsch gehalten haben kann. Mit Recht wiesen neuere Interpreten darauf hin, dass in den Reden der anderen Dialogfiguren entweder Aspekte erscheinen, die direkt mit der Liebeskonzeption von Sokrates-Diotima konvergieren, oder doch zumindest solche, die zum Grundbestand platonischer Überzeugungen gehören. Um nur einige Punkte aufzuzählen: In der Rede des Phaidros wird der Eros als „Urheber der größten Güter für uns“ bezeichnet (megistōn agathōn hēmin aitios: 178c); er sei der Wegweiser zu einem guten Leben (178c). Diese beiden Überzeugungen decken sich eindeutig mit der Doktrin von Sokrates-Diotima. Zwei weitere Punkte wirken wenigstens prinzipiell platonisch: Zum einen, dass Liebe herausragende sozialverträgliche Emotionen befördert, nämlich Scham (aischynē) und Ehrliebe (philotimia: 178d); und zum anderen, dass Liebe beim Liebenden einen existenziellen (oder moralischen) Heroismus auslöst, d. h. die Bereitschaft, für den Geliebten in den Tod zu gehen – ein Charakterzug, den insbesondere die Götter an Menschen zu schätzen wissen. An der Rede des Pausanias ist zweifellos die Unterscheidung der zwei Eroten platonisch, also die Differenzierung zwischen einem himmlischen und einem gewöhnlichen Eros (180d f.). Platonisch wirkt auch das Theorem, dass allererst die schön ausgeführte Handlung schön ist (181a und 183d), und zudem, dass die bessere Art von Liebe zum Vernünftigeren strebt (zum noun mallon echōn: 181c6). Nahe bei Platons Überzeugungen liegt schließlich die Erwähnung der (sozial nicht ganz unprovokativen) Einheit aus Philosophie, Sport und Knabenliebe (182b und 184d). Die Rede des Eryximachos enthält sicherlich die Platon-affinen Momente einer Unterscheidung gesunder (guter) und krankhafter (schlechter) natürlicher Strebenstendenzen, sodann eine Theorie der Medizin, die sich auf die Begriffe ‚Anfüllung‘ (plēsmonē) und ‚Entleerung‘ (kenōsis) stützt (186c), ferner eine Theorie der Gesundheit als ‚Harmonie‘ (187b) sowie schließlich eine darauf gestützte Konzeption der Bildung (paideia: 187d3). Auch die Erwähnung einer kosmischen Ordnung, beschrieben als „Gemeinschaft der Götter und Menschen“ (188b–c) und die Kombination des Eros mit den Tugenden Besonnenheit und Gerechtigkeit (188d–e) und schließlich die Heraklit-Kritik (187a) lassen sich hierfür anführen.2 Wesentlich weniger affirmativ scheint sich Platon zu den Positionen des Aristophanes, des Agathon sowie des Alkibiades zu verhalten. Aristophanes’ Modell der Liebe als einer (Wieder-)Herstellung der Einheit individueller Liebender wird – zum Verdruss vieler moderner Rezipienten – als einzige Theorie explizit abgelehnt (205d–e). Doch sogar Aristophanes bestimmt die Liebe in einer platonisch klingenden Wendung als ein Streben, das geeignet ist, die menschliche Natur zu heilen (iasasthai tēn physin tēn anthrōpinēn: 191d3 f.). Die Rede Agathons erfährt zwar den Tadel, bloß inhaltsleere Rhetorik zu bieten; immerhin übernimmt Sokrates aber die methodische Strategie des 2 Weitere vermutlich von Platon geteilte Punkte aus den ersten drei Reden benennt F. Sheffield 2006, 34.
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Agathon, zuerst eine Beschreibung der Beschaffenheit des Eros zu bieten (hopoios tis estin ho erōs), und dann seine Werke (ta erga autou) zu erläutern (199c; vgl. 195a). Zudem findet sich bei Agathon die genuin platonisch klingende Formulierung, erōs sei ein Gott mit den Tugenden Gerechtigkeit, Besonnenheit, Tapferkeit und Weisheit (196c ff.). Alkibiades schließlich wird als betrunkener Verteidiger einer sinnlich-sexuellen Liebesauffassung dargestellt. Da sich Platons Leserschaft über die weitere Biographie des Alkibiades zweifellos im Klaren war, d. h. sein späteres moralisches Versagen und politisches Scheitern vor Augen hatte, dürfte es klar sein, dass eine dieser Figur in den Mund gelegte Liebeskonzeption von Platon ungünstig beurteilt wird. Doch immerhin liefert Alkibiades wenigstens ex negativo ein wertvolles Bild der Persönlichkeit des Sokrates, der ihn nach eigenem Bekunden faszinierte, ohne dass er freilich dessen philosophischen Impulsen persönlich zu folgen vermochte. Bisher habe ich dafür argumentiert, dass die im Symposion vorgetragenen Reden weniger diskontinuierlich sind, als dies gemäß der klassischen Interpretation zu vermuten wäre (dazu auch S. Weber in diesem Band). Nur Aristophanes wird regelrecht als Gegner inszeniert. Wenn es also überhaupt eine Theoriekonkurrenz im Symposion gibt, dann allein zwischen Sokrates-Diotima und ihm. Alle anderen Äußerungen konvergieren mit Sokrates-Diotima oder aber mit Aristophanes (Letzteres gilt tendenziell für Agathon und deutlich für Alkibiades). Es besteht somit keineswegs ein Wettkampf um die beste generelle Theorie von Liebe und folglich auch kein Theorienpluralismus. Eher handelt es sich um eine Sammlung unterschiedlicher Akzentsetzungen, die zueinander in einem komplementären Verhältnis stehen. Aristophanes spricht über personale Liebe und kommt dabei dem, was wir für zentrale begriff liche Merkmale der Liebe halten, noch am nächsten. Die Sokrates-Diotima-Passage ist spezieller und spielt daher auch nicht die Rolle, die anderen Reden auf ihrem thematischen Feld zu überbieten. Stattdessen wird in ihr die höchste Form des Erotischen beschrieben: die Liebe verstanden als philosophischer Aufstieg. Sokrates spricht nicht grundlegender, allgemeiner und integrativer über Liebe als alle anderen, sondern thematisiert nur einfach die wertvollste Liebesform. Ich möchte nun einige zusätzliche Beobachtungen dafür anführen, weshalb man nicht behaupten sollte, dass uns im Symposion mehrere ernsthaft konkurrierende philosophische Liebetheorien des generellen Typs vorgeführt werden: Einmal werden die Reden als religiöse Lobpreisungen (vgl. die Ausdrücke enkomion und epainos) zu Ehren des als Gott (als Daimon) verstandenen Eros gehalten; ihr Wahrheitsanspruch dürfte wegen des kultisch-mythischen Kontexts, in dem sie erscheinen, spürbar reduziert sein. Weiterhin handelt es sich beim Inhalt des Symposion um Gespräche bei einem Festmahl und Trinkgelage, so dass auch die entspannte Atmosphäre und der (wenn auch reduzierte) Alkoholkonsum darauf hindeuten mögen, dass den Reden bewusst ein geringerer philosophischer Wert beigemessen wird. Hinzu kommt, dass mehrere der Anwesenden zueinander in einem Liebesverhältnis stehen, so dass die Reden sicher immer auch
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Elemente konkreter Liebeserklärungen einschließen.3 Tatsächlich fällt ins Auge, dass die argumentative Qualität der Reden, einschließlich der von Sokrates-Diotima-Passage, eher angreifbar wirkt. Dazu passt auch, dass Sokrates merkwürdigerweise eine mythologische und personifizierende Darstellung des Eros bietet: Man fragt sich, weshalb Platon seinen Sokrates ankündigen lässt, er werde nach den fünf vorangegangenen Reden, besonders nach der Rhetorik des Agathon, nun endlich wahrheitsorientiert über Liebe sprechen, wenn er dann ein erfundenes Gespräch und einen Mythos erzählt. Und schließlich sieht es ganz so aus, als benutze Sokrates in seiner Rede das Thema Liebe nur als Brücke mit der eigentlichen Absicht, seine Konzeption einer Unsterblichkeit durch Zeugung und zudem seine metaphysische Konzeption des Aufstiegs zum Schönen einschließlich der Ideentheorie entwickeln zu können. Schwer bestreitbar ist ferner, dass es Platon erkennbar um die Figur des Philosophen geht, auf die hin das Porträt des erōs als einer Mittlerfigur geradezu komponiert zu sein scheint. Aus allen diesen Indizien zusammen genommen ergibt sich meiner Meinung nach, dass wir es im Symposion weder mit sechs noch auch nur mit einer einzigen philosophischen Theorie der Liebe zu tun haben.4 Dies gilt jedenfalls solange, wie man unter einer ‚Theorie der Liebe‘ den Versuch versteht, engste Formen zwischenmenschlicher Verbundenheit mit philosophischbegriff lichen Mitteln zu klären (ich komme darauf in 1.3 zurück). Ob der Dialog eine generelle philosophische Theorie der Liebe enthält oder nicht, entscheidet sich näherhin, wie mir scheint, an der Rede des Sokrates. Nur wenn es hier um eine ernsthafte Theoriebildung geht, mit der Platon tatsächlich versucht, dem Phänomen der Liebe gerecht zu werden, hat die klassische Interpretation eine Chance auf Glaubwürdigkeit. Im Folgenden werde ich zunächst inhaltliche Zweifel daran benennen, dass wir es in der Sokrates-Diotima-Passage mit einer solchen Theorie zu tun haben. Diese Zweifel, so wird sich zeigen, lassen sich nur entkräften, wenn man entgegen der klassischen Interpretation die Ansicht preisgibt, Platon behandle das Thema Liebe ganz allgemein. Was Platon m. E. im Sinn hat, ist eine Charakterisierung der Philosophie als eines in manchen Individuen angelegten Strebens nach vollkommener intellektueller Einsicht.
3 Es bestehen Beziehungen zwischen Phaidros und Eryximachos, Pausanias und Agathon sowie zwischen Sokrates und Alkibiades. 4 Doch auch einige Gegenindizien seien erwähnt: Die Reden des Symposion werden kompetitiv gehalten, und der jeweils nächste Sprecher versucht, seine Sache besser zu machen als sein Vorgänger. Besser heißt hier: dem Thema angemessener – außer vielleicht im Fall des Agathon, dem es primär um eine kunstgerechte Rede geht. Und die Wahrheitsorientierung des Sokrates bestätigt sich zudem daran, dass er weitgehend die Dialogform statt der Redeform nutzt, nämlich zum einen im Dialog mit Agathon (199c–201c) und zum anderen im fiktiven Gespräch mit Diotima (201d–212a). Dennoch lassen sich diese Gegenindizien entkräften: vgl. unten 1.3.
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1.2 Einwände gegen die Theorie der Sokrates-Diotima-Passage Wenn ich richtig sehe, lassen sich zumindest die folgenden neun Einwände gegen die von Sokrates in der Diotima-Passage geäußerten Überlegungen vorbringen. Sollten die Bedenken zutreffen, so könnte man zwei unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen. Einerseits ließe sich behaupten, sie offenbarten fatale Schwächen der platonischen Theorie. Andererseits kann man die Einwände so verstehen, dass sie die These belegen, Sokrates solle in seiner Rede keine generelle philosophische Theorie der Liebe vertreten. Ich plädiere für den zweiten Flügel dieser Alternative. [1] Einwand gegen die mythische Personifikation des Eros: Läge Platons Intention in der Formulierung einer allgemeinen Liebestheorie, so wäre es irritierend, dass er uns den (offenbar nicht einmal traditionellen, sondern ad hoc erfundenen) Mythos von dem Dämon Eros erzählt, welcher eine Mischung aus den Eigenschaften seiner Eltern, Penia und Poros, bilden soll. Meint Platon diesen Punkt wörtlich? Nein; mit Sicherheit ist der vorliegende Mythos, der die Eigenschaften des Eros als Merkmalskombination der beiden Eltern rekonstruiert, keine Geschichte, an die Platon selbst glaubte.5 Anders steht es um die Dämonologie. Wir haben relativ viele Belege für Platons Glauben an dämonische Zwischenwesen, von denen es nicht plausibel wäre anzunehmen, sie seien bloß literarisch-narrative Konstrukte.6 Man muss sich klarmachen, dass der Dämonenglaube sowohl volkstümlich verbreitet war als auch zur vor- und nachplatonischen Philosophie gehörte.7 Nimmt Platon also an, dass Eros tatsächlich als ein dämonisches Zwischenwesen existiert? Nicht zwingendermaßen, da er auch lediglich die Nähe zu einer traditionellen religiösen Auffassung suchen könnte. Dennoch würde es natür5 Möglich ist aber immerhin, dass es sich bei der Darstellung von erōs als Dämon um einen eikōs mythos im Sinn von Timaios 29c–d handelt, d. h. um eine plausible Darstellung, zu der es keine leicht verfügbare theoretische Alternative gibt. Noch weitergehend wäre die Annahme, dass die mythologische Aussage nichts als eine narrative Verpackung darstellt und der Sache nach in eine philosophische Konzeption begriff licher Art übersetzbar ist. Doch wir erfahren darüber im Text nichts. Zudem wirkt es unbefriedigend, dass die ontologische Bestimmung von Liebe auf diese Weise völlig im Unklaren bleibt. Betrachten wir die typischen Kandidaten aus zeitgenössischen Theorien der Liebe: Liebe ist dort ein mentaler Zustand, der entweder [a] als Emotion (und damit teilweise als Kognition und Perzeption) oder [b] als Volition oder [c] als feste Einstellung bzw. Haltung zu verstehen ist. Ferner ist für zeitgenössische Theorien von Belang, ob Liebe ausschließlich eine individuelle, subjektive Erfahrung bildet oder auch ein Phänomen der Intersubjektivität und der Anerkennung darstellt. Ob nun durch einen Dämon bewirkt oder nicht: In jedem Fall bedarf der mentale und interpersonale Zustand des Liebenden einer genaueren Beschreibung, die uns Platon schuldig bleibt. Als eine Theorie der Liebe wirkt die Sokrates-Passage deutlich unterbestimmt. Zu aktuellen Theorien der Liebe vgl. etwa H. G. Frankfurt 2004, A. Soble 1989 und 1990 sowie D. Thomä 2000. 6 Zum Thema der Dämonen vgl. etwa Ap. 27b–e, Rep. X, 617e und 620d; Lg. V, 732c.; zudem spielt hier das daimonion des Sokrates aus der Apologie eine Rolle (40a-b). Vgl. auch die pseudo-platonische Epinomis 981c–d; 984 c ff. 7 Zur kulturellen Bedeutung des Dämonenglaubens vgl. W. Burkert 2 2011. Zur philosophischen Bedeutung der Dämonologie von Speusipp bis zur Spätantike s. F. E. Brenk 1986 und J. M. Dillon 2004.
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lich seltsam anmuten, läge Platons Absicht hier in einer allgemeinen Liebestheorie. Der Mythos von Eros als einem grob aussehenden, verwahrlosten, unbeschuhten, wohnungslosen, rastlosen Sucher (203c f.), dürfte deutlich auf Sokrates hin erzählt sein. Schließlich heißt es, er sei ein „gewaltiger Jäger, der sich auf Tricks versteht, der sein Leben lang philosophiert, ein gewaltiger Zauberer und Giftmischer und Sophist“ (203d), der überdies als ein ‚Helfer‘ auftritt (synergos: 212b3 f.): Es ist der als daimonisch charakterisierte Philosoph Sokrates, der im Symposion explizit von sich behauptet, er verstehe sich auf nichts anderes als auf Erotik (177d7 f.). [2] Einwand aus der Uneindeutigkeit der Eros-Theorie: Glaubt Platon, dass ein für Liebesangelegenheiten zuständiger Dämon immer dann präsent ist, wenn Tristan Isolde liebt und wenn sich Julia nach Romeo verzehrt? Wie genau soll eine solche Figur zwischen Subjekt und Objekt der Liebe überhaupt ins Spiel kommen? Bedenklich scheint hierbei, dass die psychische Autonomie des Akteurs nicht gewahrt würde, wenn man die Dämonentheorie ernst nähme. Weiter, wie verhält es sich mit Eigenschaften des Dämons: Ist er selbst es, der aus eigenem Mangel an Schönem das Schöne begehrt (200e), oder begehrt eher derjenige, auf den er kausal einwirkt? Wer von beiden empfindet den Mangel, und wer bekommt das Schöne, das den Mangel aufhebt? Ein merkwürdiges Detail der Passage besteht darin, dass Diotima dem Dämon zwar selbst ein Verlangen wie einem menschlichen Akteur zuspricht, zugleich aber einen ständigen Verlust des einmal Erlangten als sein Merkmal benennt (203e). Offenbar wird dieser Punkt benutzt, um das Phänomen der erotischen Liebe gleichsam mittels einer Idee, die als ‚Eine über Vielem‘ steht, erklären zu können: Während der Akteur A sein Liebesverlangen zu einem bestimmten Zeitpunkt durchaus erfüllt sieht, entsteht es erst im Akteur B usw. Einzelne Menschen können durch das Erreichen des geliebten Objekts ihr Begehren erfüllen, der Dämon erōs dagegen niemals. Er gleicht einer platonischen Idee darin, dass er auf reine Weise dasjenige ist, was das an ihm Teilhabende nur partiell besitzt, nämlich die Rastlosigkeit des erotischen Verlangens. Wohl die größte Schwierigkeit dieser Konzeption liegt aber anderswo: Die Beschreibung des Eros ist uneindeutig, weil Eros einerseits, wie wir explizit hören, mit dem Liebenden, dem aktiven Teil der Liebesbeziehung, identifiziert werden muss, nicht mit dem passiven (204c; dazu Sier 1997, 35). Andererseits ist der Eros jedoch ein Wesen des Zwischenbereichs (metaxy); er ist ein Mittler und synergos. Das wirkt wie eine unzulässige Verdoppelung seiner Funktionen: Entweder, so die Kritik, ist der Eros der Sokrates-Diotima-Passage dazu da, das Liebesverlangen zu beschreiben. Oder aber er dient dazu, den seelischen Aufstieg zum Göttlichen, den man mittels Erotik erreichen kann, zu unterstützen. Dass Eros beides zugleich leisten soll, scheint schwer akzeptabel. [3] Einwand gegen die Meinung, der Zustand der Liebe sei defizitär: Es wirkt nicht überzeugend, mit Sokrates und Diotima zu behaupten, dass erotische Liebe auf einen Mangel oder ein Defizit beim Liebenden zurückgeht – gleichgültig worin dieser Mangel gesehen wird. Man kann folgende Bedenken dagegen geltend machen: [a] Eine liebende Person
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kann sich, muss sich aber nicht in einem defizitären Zustand befinden. Die Haltung eines Liebenden gilt gemeinhin auch, und vielleicht ja gerade, als Ausdruck einer persönlichen Stärke. Vielleicht würde sogar die Mehrzahl der Liebenden ihre Verfassung als eine der Bereicherung oder Vitalisierung beschreiben, selbst wenn es sich gleichzeitig um einen Zustand des Verlangens handelt. Man könnte noch weitergehen und behaupten, dass eine aus einem Defizit hervorgehende Liebe nur eine problematische Art von Liebe darstellt. [b] Würde Liebe auf einem Mangel beruhen, dann müsste sie vorüber sein, sobald sie sich durch Erlangen des geliebten Objekts erfüllt hat. Aber das wirkt unplausibel. Unsere Liebe zu einer Person kommt nicht dann an ein Ende, wenn unser Verlangen (welches genau: das nach Nähe? Oder das nach Sexualität?) zu einer Erfüllung gelangt. Wir sprechen vielmehr im Gegenteil davon, dass sich die Liebe dann erfüllt. Typischerweise gerät Liebe eher im Verlauf der Jahre des Zusammenlebens in die Krise, und sie findet dann ein Ende, wenn die Meinungsverschiedenheiten zwischen Liebenden unüberbrückbar werden oder wenn eine dritte Person ins Spiel kommt. Die im Symposion entwickelte Defizittheorie scheint wie eine Bezugnahme auf die (bzw. eine Antizipation der) Lustkonzeption der Politeia und des Philebos zu sein: Platon beschreibt Lust dort als Auffüllung eines Mangels (Rep. IX, 585a–b; Phlb. 31b–55c). Das generelle Phänomen der Liebe dürfte jedoch auf der Basis einer solchen kinetischen Lustkonzeption nur schlecht beschreibbar sein: Sie gleicht nicht so sehr dem Durstgefühl, d. h. dem Wunsch nach Auffüllung eines Mangels an Körperf lüssigkeit, sondern besitzt gerade im Zustand ihrer Erfüllung einer gewisse interpersonale Stabilität. [4] Bedenken gegen eine Transfer- oder Auffüllungstheorie der Liebe: Wäre Liebe ein Verlangen nach Schönheit, dann müssten wir annehmen, es gebe für Platon den Transfer irgendeines ‚Materials‘, und sei dieses auch unkörperlich. Das fragliche Material würde in irgendeinem Sinn vom Geliebten ausgehen und auf den Liebenden übertragen werden. Eine solche Vorstellung ergibt sich zweifellos aus der platonischen Metaphorik des Mangels und der Anfüllung. Bezeichnet man dieses als S-Material (‚S‘ für Schönheit), dann entstehen folgende Merkwürdigkeiten: [i] In jedem Fall eines solchen Transfers könnte das S-Material stets nur in eine Richtung übertragen werden; die Person mit dem Mangel an Schönheit erhielte es stets von der Person mit einem Übermaß.8 Wäre Liebe so zu beschreiben, dann könnte sie niemals wechselseitig sein; denn dann bestünde Liebe stets in einer asymmetrischen Relation zwischen einem hässlicheren Liebenden und einem schöneren Geliebten. Das wirkt allerdings bizarr, da es natürlich Fälle gibt, in 8 Dass die Vorstellung eines solchen Transfers nicht ganz abwegig ist, zeigt Rep. IX, 585a–b, wo von zwei verschiedenen Arten der ‚Füllung‘ (plērōsis) eines Mangels die Rede ist. Auch der Philebos kennt äußerst unterschiedliche Varianten der Auffüllung. Andererseits mag man Platon mit Blick auf Symp. 175d–e in Schutz nehmen, wo ausdrücklich gesagt wird, dass sophia kein Material sei, das „vom volleren in den Leereren von uns f lösse“ (ek tou plēresterou eis ton kenōteron rhein hēmōn). Aber was hier abgewehrt wird, ist nur die allzu platte materielle Vorstellung von einer solchen Übertragung. Streben nach Auffüllung eines Mangels bleibt Platons fundamentale Interpretation des Begehrens.
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denen objektiv schönere Menschen (wenn man denn so reden kann) objektiv hässlichere Personen lieben, ohne wiederum von diesen geliebt zu werden. [ii] Wenn die Theorie zuträfe, dann müsste der Transfer von S-Material dafür sorgen, dass der Liebende durch die Liebesbeziehung graduell an Schönheit gewinnt – und vielleicht auch dafür, dass der Geliebte schrittweise hässlicher wird. Denn wenn der Liebende durch das Lieben bestrebt wäre, sein Schönheitsdefizit auszugleichen, müsste sich eine einschlägige Übertragungswirkung feststellen lassen. Diese Vorstellung ist aber sicherlich absurd. [iii] Wäre die Defizittheorie richtig, dann würde man zudem erwarten, dass alle Liebenden ihr Begehren auf eine einzige oder doch auf eigene wenige idealerweise schöne Personen richten würden, um von diesen den ersehnten Schönheitstransfer zu erhalten. Geliebt würden folglich nur Frauen auf dem Schönheitsniveau von Helena und Männer auf dem von Ganymed. Während also die gesamte Menschheit in ihrer Liebe auf Ausnahmeschönheiten wie diese konzentriert wäre, müssten alle anderen Personen in einem Zustand der Nichtbeachtung und des Ungeliebtseins dahinleben. Doch das ist natürlich unsinnig: Zahlreiche unauffällige oder hässliche Personen lieben zahlreiche andere unauffällige oder hässliche Personen in ziemlich stabilen Partnerschaften. [5] Einwände gegen die Meinung, Liebe sei ein Streben nach Schönheit: Zu beachten ist zunächst, dass die Bestimmung von Liebe als ein Begehren große Teile dessen aus dem Blick lässt, was wir in den modernen Sprachen als Liebe bezeichnen: nämlich etwa die Eltern-Kind-Liebe, die Freundesliebe, die Liebe zum eigenen Beruf oder die Liebe zu klassischer Musik etc. Gemeint ist ausschließlich die erotische Liebe. Schon das zeigt, dass Liebe in der Sokrates-Diotima-Passage als partikulares Phänomen behandelt wird. Aber ist es wenigstens bezogen auf erotische Liebe überzeugend zu sagen, sie richte sich auf Schönheit? (Ich denke, diese Feststellung bleibt auch dann in Kraft, wenn Diotima erklärt, das Ziel des Liebesverlangens liege nicht in der Schönheit, sondern im „Hervorbringen und Gebären im Schönen“: 206e). Ein naheliegendes Bedenken ist hier, dass sich interpersonale Liebe keineswegs nur auf Schönheit richtet, sondern ebenso auf viele andere Attribute der geliebten Person: besonders auf Charakter und Intellekt, Humor, ungewöhnliche Fähigkeiten, Erfolge oder eine bemerkenswerte Lebenseinstellung. Die Fokussierung auf Schönheit wird in der Sokrates-Diotima-Rede zwar später intellektualisiert (und ebenso in der Alkibiades-Rede mit Blick auf die innere Schönheit des äußerlich hässlichen Sokrates); aber zumindest auf den ersten Blick wirkt die Beschreibung erstaunlich oberf lächlich. Man mag Platon damit verteidigen, dass man die besagten Merkmale unter einem weiten Konzept von Schönheit zusammenfasst, das mehr im Sinn von personaler Perfektion als im Sinn von äußerer Attraktivität zu verstehen wäre. Auf diese Weise interpretiert, könnte man behaupten, dass ‚Schönheit ‘ das ist, was jemand anstrebt – was auch immer es sein mag. Aber abgesehen davon, dass so zumindest alles Lächerliche oder Defizitäre, was wir an uns haben, nicht liebenswert wäre, würde Liebe dann problematischerweise als ein wertkonstitutives Phänomen verstanden, nicht als ein wertperzeptives. Man kann Platon jedoch unmöglich eine anti-realistische
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Theorie der Wertkonstitution unterstellen; nur eine Liebestheorie der Wertwahrnehmung lässt sich mit der Ideenkonzeption in Verbindung bringen. Außerdem würden wir aus der Alltagsperspektive einwenden, dass man vielfach eher die leichten Schwächen an jemandem liebt als die Stärken; zumindest ist Liebe kaum auf vorzügliche Eigenschaften beschränkt, sondern schließt auch durchschnittliche und sogar mangelhafte Merkmale ein. Hinzu kommt, dass die These, Liebe richte sich auf Schönes, einen ziemlich trivialen und konventionellen Schönheitsbegriff implizieren dürfte. Ferner scheint es so, als würden in dieser Beschreibung von Liebe die Phänomene der Perspektivität und der Beobachterrelativität von Schönheit außer Acht gelassen werden.9 [6] Einwand gegen den Egoismus und den Unilateralismus von Sokrates’ Konzeption der Liebe: Das Bedenken, Platon entwickle seine Liebeskonzeption fälschlich vom isolierten Individuum aus, kann man mit zwei verschiedenen Akzentsetzungen vertreten. (a) Indem der platonische Sokrates Liebe in Begriffen von Begehren und Erfüllung beschreibt, scheint er über Liebe einzig aus der Perspektive des Nutzens und der Perfektionierung des liebenden Individuums nachzudenken (so bereits Vlastos2 1981). Diese Sichtweise wirkt instrumentalisierend mit Blick auf die geliebte Person: Sie erhält nämlich keinen intrinsischen Wert zugesprochen, sondern bildet lediglich ein Mittel zur Realisierung des Begehrens des Liebenden. Man mag dies für eine pessimistische, wenn auch deskriptiv nicht ganz unrealistische Sicht von Liebe halten; aber wir würden dies zumindest normativ für unangemessen halten und behaupten, dass eine Liebestheorie falsch und ungenügend ist, die den Geliebten als Objekt der Wunscherfüllung beschreibt. Mehr noch, wir würden eine Liebestheorie favorisieren, die erst eine unkonditionale, unbedingte Liebe als Vollform der Liebe interpretiert. (b) Nach Platon müsste man bereits von Liebe sprechen, wenn nur Daphnis Chloe lieben würde, ohne dass umgekehrt auch Chloe etwas für Daphnis übrig hätte. Das ist aber sicher fragwürdig: Wenn eine Liebesbeziehung einseitig und asymmetrisch ist, würden wir nicht wirklich von Liebe sprechen, sondern eher von unglücklicher oder unerfüllter Liebe. Das Phänomen Liebe ist zentral mit der Herausbildung einer Gemeinschaft von Wechselseitigkeit und mit geteilten Perspektiven verbunden; dies zu 9 Ist Liebe tatsächlich überzeugend beschrieben, wenn man sie als eine Variante des Begehrens interpretiert? Wird damit Liebe nicht trivialisiert wie in dem expressiven Satz ‚Ich liebe Erdbeereis‘? Und müsste Platon nicht gemäß seiner Begehrenstheorie akzeptieren, dass man Eis lieben kann – wenn man auch in Wahrheit vielleicht selbst hinter dem Verlangen nach Eis die ‚Idee des Schönen‘ stehen würde? Für Platon ist das sicherlich ausgeschlossen. Sicherlich ist nicht jedes Begehren für Platon Liebe, und noch weniger gilt, dass jedes Begehren auf ewige intelligible Formen gerichtet ist. Die doppelte sachliche Herausforderung besteht für Platon also darin zu klären, welche Teilmenge aller Begehrungen den Titel ‚Liebe ‘ verdient und wo die Demarkationslinie verläuft zwischen einem Begehren, das so wie Liebe letztlich auf ewige Formen gerichtet ist, und einem solchen, für das dies nicht gilt. Hinzu kommt das umgekehrte Problem, dass wir Schönheitsempfinden keineswegs immer mit Liebe und noch weniger mit Begehren gleichsetzen würden. Die Fälle, in denen die Schönheit einer Landschaft oder eines Gemäldes Liebe und Begehren auslösen, sind zweifellos selten. Auf Schönheit richtet sich mindestens eher, um mit Kant zu sprechen, unser ‚interesseloses Wohlgefallen‘ als unser Begehren.
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ignorieren, scheint auf eine Verkennung des Phänomens hinauszulaufen. Platon lässt die für Liebe charakteristische Intersubjektivität in der Diotima-Passage ganz aus dem Blick und entwickelt einen unplausiblen Unilateralismus.10 [7] Einwand gegen den Impersonalismus von Sokrates’ Konzeption der Liebe: Nimmt man die Rede des Sokrates aus dem Symposion ernst, so liebt der Liebende die Schönheit des Geliebten (und er strebt aufgrund dieser Schönheit danach, im Schönen zu zeugen). Mit der Beschreibung, Liebe richte sich auf das Merkmal Schönheit, haben wir neben den schon genannten Problemen noch folgende weiteren Schwierigkeiten: [a] Die geliebte Person kommt hier gar nicht selbst in Betracht, sondern allein als Trägerin von Eigenschaften. Platon ignoriert hier also nicht nur, dass für Liebende in Bezug auf ihren Geliebten auch andere Merkmale zählen als nur Schönheit; er lässt auch außer Betracht, dass der Geliebte selbst und nicht nur in seinen Attributen Gegenstand der Liebe ist. [b] Konsequentermaßen besitzt für die Position der Sokrates-Diotima-Rede der Geliebte (neben seinem bloß intermediären und instrumentellen Wert) auch immer nur einen relativen und transitorischen Wertcharakter. Relativ ist der Wert, insofern die Schönheit einer Person durch größere Schönheit an anderen Personen oder nichtpersonalen Liebesobjekten überboten werden kann. Transitorisch ist der Wert, weil der Liebe auf seinem Aufstieg zur Idee des Schönen den Geliebten nur vorübergehend liebt. [c] Für Platon scheint nicht der Wert der Person zu zählen, sondern ein unpersönlicher Wert namens Schönheit-an-sich. Wenn die Rede des Sokrates ernst zu nehmen wäre, würde Platon behaupten, dass sich unsere Liebe in letzter Konsequenz nicht auf Personen, sondern auf begriff liche Entitäten richtet, die selbständig in einer intelligiblen Welt existieren. [8] Einwand gegen den Anti-Individualismus von Sokrates’ Konzeption der Liebe: Viele Leser des Symposion sind enttäuscht darüber, dass die Sokrates-Passage einen zentralen Aspekt der Rede des Aristophanes nicht positiv aufgreift: den der Einzigkeit und Unersetzbarkeit der Beziehung zwischen den Liebenden. Diotima nimmt nur kurz und ablehnend Bezug auf Aristophanes (205d–e). Während dieser in seinem Mythos von den zusammengehörenden Kugelhälften das Empfinden vieler Liebespartner treffend zum Ausdruck bringt, sie gehörten gleichsam immer schon zusammen und wünschten sich nichts so sehr, wie ständig zusammen zu bleiben (192c–d), favorisiert Sokrates eine Sichtweise, die ein Individuum als nur token eines bestimmten type versteht. Aris10 Hierzu lässt sich ein Punkt ergänzen, der sich aus dem Vergleich unseres Textes mit Politeia IX ergibt: dort wird der erōs – oder doch eine bestimmte Variante von ihm – als schrecklicher Tyrann in der Seele beschrieben, der aus einem Menschen auch äußerlich einen Tyrannen macht (Rep. IX, 572e–573b; 574e). Die tyrannische Lebensform gilt dabei als die schlechtestmögliche und zudem als die, die am wenigstens Lust einbringt. Wenn es nun so sein sollte, dass erōs sie hervorruft, dann müsste auch dieser negativ bewertet werden. Es ist deshalb überraschend zu sehen, wie positiv seine Behandlung im Symposion ausfällt. Trifft es aber zu, dass die erōsKonzeptionen von Politeia IX und Symposion schlecht zusammenpassen, so muss man entweder an einen Wandel von Platons Position denken oder annehmen, dass die Überlegungen der Sokrates-Diotima-Rede keine generell zu verstehende Theorie formulieren.
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tophanes’ Mythos bringt damit das Wahrheitsmoment gut zum Ausdruck, das, modern gesprochen, in Intersubjektivitätstheorien der Liebe enthalten ist. Diotima dagegen betont in ihrer Zurückweisung des Aristophanes, dass kein Mensch einfach nur das sucht, was ihm eigen ist (oikeion), sondern in Wahrheit immer das Gute liebt (hōs ouden ge allo estin hou erōsin anthrōpoi ē tou agathou: 205e–206a). Auch in dieser Hinsicht scheint uns durch Platon etwas von dem weggenommen zu werden, was unserem ref lektierten Liebesverständnis besonders wichtig ist. [9] Einwand gegen den eudämonistischen Theorierahmen der Sokrates-Diotima-Konzeption der Liebe: Diotima kennzeichnet den Eros zwar zunächst spezifisch, nämlich als ein „Verlangen nach dem Schönen“ (204d). Platons Interesse gilt jedoch der darin zum Ausdruck kommenden Strebensrelation: Nach etwas verlangen (eran), so erfahren wir, bedeute, dieses erreichen zu wollen. Diotimas Untersuchung geht also in einem generalisierten und formalen Sinn weiter, indem sie die Frage aufwirft, was es für den, der nach etwas verlangt, bedeutet, das Erstrebte zu erreichen; sie stellt gerade keine Frage nach den besonderen Objekten der Liebe, sondern nach dem Objekt des Strebens überhaupt. Liebe bildet jedoch nur einen Fall von Streben. Die Vereinseitigung des Themas wird noch dadurch verstärkt, dass sie den Begriff des Schönen durch den Ausdruck ‚das Gute ‘ oder ‚die Güter‘ (tagatha) ersetzt (204e2). Unter einem agathon ist allgemein etwas Vorteilhaftes oder Wertvolles zu verstehen, nicht nur das Objekt einer Liebesbeziehung. Nach etwas verlangen oder es begehren bedeutet also grundsätzlich, etwas Vorteilhaftes anzustreben; der Inbegriff des Vorteilhaften ist insofern ‚das Gute ‘. Würde jemand den Inbegriff dessen, was wünschenswert ist, erreichen: Wie wäre er dann zu charakterisieren? Sokrates antwortet, der Betreffende werde glücklich (eudaimōn) sein; denn es sei der Besitz des Guten, der die Glücklichen glücklich mache (205a). Die Strebensrelation kommt in dem, was schlechthin erstrebenswert ist, zu einem Abschluss. Denn, so lässt Platon Diotima sagen, man kann nicht weiterfragen, weshalb jemand glücklich sein wolle. Offenbar haben wir es an dieser Stelle mit einer allgemeinen philosophischen Glückskonzeption, einem eudämonistischen Ansatz, zu tun; das Thema der Liebe scheint eher einen Anlass für diese Theorie abzugeben als selbständig behandelt zu werden. Soweit meine neun Einwände. Wir müssen nun sehen, ob sie zutreffen und was aus ihnen gegebenenfalls für die Interpretation des Symposion folgt.
1.3 Für eine partikulare Interpretation der Sokrates-DiotimaPassage Angenommen, die neun aufgezählten Einwände wären ganz oder zumindest teilweise korrekt. Dann wäre das Gesamtbild, das sich aus ihnen ergibt, immer noch ambivalent: Entweder könnte man daraus folgern, Platon habe es zwar intendiert, im Symposion eine
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philosophische Theorie der Liebe anzubieten, dann aber sein Thema merkwürdigerweise verfehlt. Oder man meint, wie ich dies tue, dass er gar keine generelle Theorie der Liebe zu liefern beabsichtigte. Doch sehen wir zunächst, was sich zur Relativierung der Bedenken geltend machen lässt. Beginnen wir mit dem Aspekt der Mythologie. Es ist zwar richtig, dass Platon in der Sokrates-Diotima-Passage sowohl Elemente der Mythologie verwendet als auch göttliche Inspiration für sich reklamiert. Aber Mythen sind nur der Einsichtsform nach ungenügend, da sie einen Inhalt bloß narrativ präsentieren. Sie können nach Platon durchaus zur ‚richtigen Meinung ‘ über etwas verhelfen, was immerhin ein guter Anfang ist. Dasselbe gilt für göttlich inspirierte Aussagen: Im Phaidros wird explizit zwischen einer verfehlten Form von Wahnsinn und einer von göttlichen Kräften bewirkten mania unterschieden, nämlich im Kontext der Mantik, der Mysterien, in der Dichtung und in der Liebe (Phdr. 244a–245a). Man darf die narrativ-religiöse Darstellungsform des Symposion also einfach in die nüchterne Sprache von psychischen Funktionen, Vermögen und Fähigkeiten, Kräften und Dispositionen übersetzen, um die von Platon intendierte Theorie zu erhalten. Ähnliches gilt für die Dämonologie: Man braucht auch sie nicht wörtlich zu verstehen. Hier denke ich allerdings nicht, dass es sich um eine bloß narrative Strategie handelt. Vielmehr erlangen Dämonen in Platons Weltbild durchaus eine metaphysische Bedeutung – ebenso wie beispielsweise die Vorstellung vom Totengerichts, die von der Unterwelt oder die der Reinkarnation. Doch trotz ihrer metaphysischen Bedeutung für Platon und den gesamten späteren Platonismus muss man nicht behaupten, Platon beziehe in seine Liebestheorie die Figur eines Dämons oder von Dämonen in einem unmittelbaren Sinn ein. Ebenso wie beim Mythos von Eros als Sohn von Penia und Poros handelt es sich bei der Heranziehung der Dämonologie um eine ad hoc-Konstruktion mit dem Ziel, eine partikulare Liebesform zu charakterisieren: nämlich die des Philosophen, der in seiner Seele das Potential zu einem Aufstieg zur intelligiblen Realität entdeckt. Der philosophische Liebende wird in seiner Ähnlichkeit mit Dämonen geschildert, ohne dass Platon glauben müsste, es seien reale Dämonen am Werk (die es für ihn gleichwohl gibt), wenn sich ein philosophischer Liebhaber um einen ‚schönen‘ jungen Menschen bemüht. Dass Sokrates für sich in Anspruch nimmt, statt der bloßen Rhetorik seiner Vorredner wahrheitsorientiert zu sprechen, scheint so gesehen zwar zutreffend; zugleich partikularisiert er aber das Thema Liebe, indem er es auf die Sehnsucht der philosophischen Seele nach einem Aufstieg zum Göttlichen verengt.11 11 Zwei weitere ad hoc-Themen der Sokrates-Diotima-Passage, die allerdings weniger ins Auge fallen, weil wir mit ihnen keine metaphysischen Schwierigkeiten wie mit Göttern und Dämonen haben, sind: (1) Die Darstellung der erotischen Liebe im Tierreich: Wenn Liebe bei Tieren thematisiert wird, dann um zu beweisen, dass auch diese auf sexuelle Reproduktion, also auf eine über-individuelle Form der Unsterblichkeit ausgerichtet sind (207a–c). Da Platon sonst eher an die individuelle Variante der Unsterblichkeit denkt, scheint mir diese Theorie hier spontan herangezogen zu werden. (2) Der merkwürdige ‚Heraklitismus‘, wonach Körperliches
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Soweit einige Relativierungen der im vorigen Abschnitt genannten Bedenken. Im Gegensatz dazu scheinen mir die Einwände [2]–[9] grundsätzlich richtig zu sein. So liegt es etwa auf der Hand, dass die Rolle des Eros ambig und uneindeutig geschildert wird, indem dieser sowohl den subjektiv-aktiven Teil der Liebesbeziehung als auch den helfendintermediären Teil bilden soll. Auch ist sicherlich zuzugeben, dass die hier vorgestellte Defizittheorie der Liebe fragwürdig ist, und dasselbe gilt für eine Transfer- oder Auffüllungstheorie – auch wenn ich natürlich einräumen würde, dass die oben geschilderten Absurditäten etwas parodistisch wirken mögen. Überdies finden wir bei Platon keine Intersubjektivitätstheorie der Liebe, sondern einen Unilateralismus, keinen Personalismus und keine echte Individuenrelativität der Liebesbeziehung. Ferner trifft es zweifellos zu, dass sich Platon im Symposion eher für Ansätze zu einer eudämonistischen Konzeption des Strebens und des Glücks interessiert, die man gleichwohl nicht als egoistisch bezeichnen muss, sowie für eine Theorie des Philosophen als des wahren Erotikers. Aber genau hierin liegt nun der relevante Punkt. Im Symposion haben wir es einerseits mit Versuchen zu einer allgemeinen Liebestheorie zu tun, wofür Eryximachos und Aristophanes Beispiele liefern, und andererseits mit speziell oder partikular motivierten Reden, wie dies auf die Ansprache des Agathon zutrifft. Sokrates verfolgt ebenfalls ein sehr besonderes Interesse, allerdings ein anderes als der oberf lächlich-selbstzentrierte Agathon. Sokrates berichtet von der wahren Variante der Liebe, dem philosophischen Aufstieg zum Schönen selbst. Sein Interesse gilt allein dem philosophischen Leben und der Art und Weise, wie Liebe in ihm vorkommt; andere Teilphänomene der Liebe blendet er aus. Aus dieser Vorentscheidung erklärt sich seine Redeform, die eher narrativ und mystagogisch als dialogisch und argumentativ ausfällt. Sokrates erhebt nicht den Anspruch, umfassend und inklusiv zu sprechen und dabei offen und zugänglich zu sein. Die emphatische Wahrheit seiner Ausführungen liegt nicht in ihrer überlegenen theoretischen Fundierung; sie liegt darin, dass nur Sokrates die Variante von Liebe schildert, der der eigentliche Wert zukommt. Insofern ist auch der Vorwurf des Egoismus auch nicht wirklich gerechtfertigt. Die Theorie von Sokrates-Diotima impliziert ja gerade ein Element von Selbsttranszendenz, das ausschließt, dass der Aufsteigende bei seinen begehrlichen Wünschen der unteren Stufe stehen bleibt.12 und Seelisches in beständigem Fluss begriffen ist und nur durch Fortpf lanzung dauerhaft gemacht werden kann, scheint sonst ebenfalls weniger Platons Überzeugungen zu entsprechen und hier nur als Hilfstheorie benutzt zu werden. 12 Die Sokrates-Diotima-Theorie scheint auf diese Weise gut zu beschreiben, was als eines der wichtigsten Teilphänomene des Empfindens von Liebe gelten kann: das Gefühl der Selbsttranszendenz. Als Verliebter oder Liebender kann man, auch wenn die Liebe aspektweise enttäuschend, leidvoll oder quälend sein mag, dennoch durchgehend das Gefühl haben, enge persönliche Grenzen überwunden und einen neuen Horizont erworben zu haben. Liebe gibt unserem Leben in einem gewissen Sinn Tiefe und Hintergründigkeit. Nicht umsonst waren es in der Geschichte der Philosophie die religiösen Denker, die der Liebe eine Interpretation gegeben haben, die derjenigen Platons gleicht. Man denke besonders an die auf das biblische Hohelied bezogene philosophische Kommentartradition aus der christlichen Spätantike und dem lateinischen Mittelalter. Bekanntlich
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Die Rechtfertigung des philosophischen Eros als einer nicht mehr interpersonalen, sondern intellektuellen Liebe ergibt sich immerhin vor dem Hintergrund der generellen Strebens- und Glückstheorie: In dieser partikularen Liebesform erfüllt sich das gesamte Verlangen und Begehren des Menschen, da dieser eine umfassende Erfüllung erreicht. Bei der Charakterisierung der erotischen Liebe als eines Mangels und Strebens nach Schönheit hat Platon eben nicht jedes Individuum im Sinn, sondern lediglich die philosophisch veranlagte Natur. Der Philosoph steht ebenso wie der Dämon erōs in der Mitte zwischen Weisheit und Unvernunft (204a–b) und bewegt sich zwischen der Welt der wandelbaren und der der invarianten Gegenstände. Er tendiert zur Unsterblichkeit und folgt diesem Verlangen auf einem Weg, der körperliche Schönheit, psychisch-moralische und intellektuelle Schönheit einschließt (211c). Was zunächst wie eine Theorie der Liebe auftritt, erweist sich bei näherem Hinsehen als Theorie der Selbstvervollkommnung bestimmter vorzüglich disponierter Individuen. Zugleich ergeben sich aber relevante Konsequenzen für eine Theorie der Liebe: insbesondere die Pointe, dass Liebe eng mit dem Prozess der persönlichen Selbstentfaltung verknüpft ist. Auf der anderen Seite lässt genau dies Raum für Aristophanes’ Liebestheorie, die sich auf den individuenrelativen Begriff des ‚jeweils Eigenen‘ (oikeion) stützt. Bemerkenswert ist, dass Platon von diesem im Lysis selbst einen affirmativen Gebrauch macht (221d). Sucht man also nach einer Theorie der Liebe in reziproken, intersubjektiven persönlichen Konstellationen – und eben das ist das Explanandum einer nicht-revisionären Theorie – dann kann Aristophanes aus Platons Perspektive keineswegs als widerlegt gelten.
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2 Jula Wildberger
Die komplexe Anlage von Vorgespräch und Rahmenhandlung und andere literarisch-formale Aspekte des Symposion (172a1–178a5)
Am Ende des Symposion, nachdem alle anderen Gäste schon entweder gef lüchtet oder unter den Tisch getrunken sind, schauen wir mit dem benebelten Blick des Erzählers Aristodemos hinüber zu Sokrates, der gerade den Gastgeber Agathon, einen Tragödiendichter, und Aristophanes, dessen Kollegen vom Fach Komödie, dazu zwingt zuzugeben, dass es Sache ein und desselben Mannes sei, sowohl Tragödien als auch Komödien zu dichten.1 Und was ist der Grund dafür? Nicht etwa Talent, Phantasie oder gute Einfälle, nein technē hat der wahre Dramatiker, ein sorgfältig ausgearbeitetes fachwissenschaftliches System mit ordentlichen Definitionen und Lehrsätzen, wo nichts dem Zufall oder der Eingebung überlassen bleibt. Einem Leser, der noch ganz geblendet ist von dem vorausgegangenen Feuerwerk wilder Einfälle und ausgesuchter Anstößigkeiten, wird ein solcher Gedanke an dieser Stelle deplatziert, ein wenig absurd, ja nachgerade komisch vorkommen. Dies ist einer von vielen Fingerzeigen, dass das Symposion nicht nur große Philosophie ist, sondern auch ein großer Spaß. Der Philosophie, auch der Philosophie im Spaß,2 werden andere Beiträge in diesem Band die gebührende Aufmerksamkeit zollen. Im Folgenden möchte ich mich daher mehr auf den Spaß konzentrieren und sein Wesen etwas genauer herausarbeiten: Zum einen möchte ich das Symposion als Gründungstext einer neuen komisch-ernsten literarischen Gattung diskutieren, zweitens ist zu fragen, wie die Rahmenhandlung den Leser auf diesen neuartigen sympotischen Dialogtyp einstimmt, und drittens muss man überlegen, welche Funktion die dabei zu beobachtende Selbstparodie Platons haben könnte.
1 Siehe zu dieser Passage Clay (1975), Mader (1977, 58–79, 81 f.) und mit ausführlicher Doxographie Segoloni (1994, 197–227) und Erler (2007, 198 f.). 2 Siehe. z. B. Mader (1977); Picht (1990); Halperin (1992); Sier (1997, 12). Besonders ähnlich der hier vorgeschlagenen Lesart ist die von Halperin (1992) identifizierte „,inofficial‘ doctrine“; allerdings berücksichtigt Halperin weder die Platon- noch die Sokrates-Parodie im Symposion.
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2.1 Das Symposion als Symposion Als Gegenstand literarischer Darstellung erschien das aristokratische Festgelage (symposion) schon früh in verschiedenen poetischen Kleinformen, die für diesen Anlass verfasst wurden, so etwa in der archaischen monodischen Lyrik, der Elegie, später dem Trinklied (skolion) und schließlich, vor allem in hellenistischer Zeit, im Epigramm. Auch in der Alten Komödie und vermutlich im Satyrspiel wurden solche Feste des Weins und der Liebe auf die Bühne gebracht.3 Dass aber jemand die Geschehnisse beim Gastmahl einem Leser in Prosa vor Augen stellte, war zu Platons Zeiten ein Novum. Zwar veröffentlichte auch Platons Zeitgenosse und Sokratiker-Kollege Xenophon ein Symposion mit Sokrates als Hauptfigur, und wir können nicht vollkommen ausschließen, dass dieses oder ähnliche Prosatexte schon vor Platons Symposion erschienen; in jedem Fall aber war es Platon, der das maßgebliche Referenzwerk dieser neuen Gattung vorlegte, in der Herren der Oberschicht beim Wein mit zum Anlass passenden Vorträgen und Gesprächen ihre Zugehörigkeit zu einer gebildeten Elite demonstrierten und diese Elite dabei zugleich definierten.4 Es ist zu bezweifeln, dass schon Platon selbst sein Symposion als einen solchen Gründungstext konzipierte. Er signalisiert aber auf vielfältige Weise, dass wir es nicht mit einem normalen Dialog zu tun haben. Andere Dialoge Platons kreisen um eine Frage oder eine Person; das Symposion dagegen ist die Beschreibung eines gesellschaftlichen Anlasses, bei der sich sowohl das Thema als auch die Form der Reden aus einer bestimmten sozialen Situation ergeben (Strauss 2001, 12 f.). Während sonst Sokrates die Kenntnisse eines Experten oder das Talent eines jungen Gesprächspartners auslotet oder im Dialog eine wichtige Frage zu klären versucht, ist er hier nur ein Redner unter vielen, und die Reden selbst werden motiviert durch den Wunsch nicht nach Erkenntnis, sondern nach entspannter Abendunterhaltung: Am Vorabend hatte man Agathons Sieg bei den Tragödienaufführungen zu den Lenaien im Februar 4165 offiziell gefeiert und dabei eine Menge Wein konsumiert. Die verkaterten Gäste wünschen sich daher „erleichterte“ (176b) Trinkvorschriften, und passend dazu schlägt der Gesundheitsexperte Eryximachos vor, das Aulos-Mädchen, also das übliche sowohl musikalische als auch erotische Begleitprogramm zum Trinkgelage, wegzuschicken und sich stattdessen „durch Reden miteinander zu vergnügen“ (176e).6 3 Wilamowitz (1920, 278). Segoloni (1994, 109–194) vertritt die doch sehr spekulative These, Platon habe sein Symposion als Gegendarstellung zu Aristophanes’ verlorenem Stück Daitalēs gestaltet. 4 Hunter (2004, 14 f.); Martin (1931); Picht (1990, 332–336); Relihan (1992). 5 Athenaios 217a; Nails (2002, 314 f.). 6 Im Protagoras führt Sokrates als ein Zeichen von Bildung an, dass Gäste sich mit eigenen Reden unterhalten können und keine Aulos-Spielerinnen oder andere Musiker benötigen, „selbst wenn sie sehr viel Wein dabei trinken“ (347c–d).
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Eryximachos hat auch ein Thema vorzuschlagen, das in mehrfacher Hinsicht dem Anlass angemessen ist. Eros ist ein Gott, dem die Gäste dieses Gelages nicht nur in Worten huldigen, und selbst ihre Reden dienen dem impliziten Liebeswerben. Allein Aristophanes ist Single und nur von Berufs wegen ständig mit Aphrodite und Dionysos befasst (177e). Alle anderen Teilnehmer sind miteinander in irgendeiner Weise erotisch verbunden: Eryximachos erweist mit seinem Vorschlag seinem Freund und vielleicht auch Ex-Geliebten Phaidros einen Liebesdienst (177c).7 Agathon und Pausanias werden ausdrücklich als Liebespaar angesprochen (177d; vgl. auch Prt. 315d–e), wobei Pausanias, der ältere Liebhaber (erastēs), später das Modell eines den „himmlischen Eros“ praktizierenden Liebhabers entwickelt, dem der jüngere Geliebte (erōmenos) ohne Ehrverlust zu Willen sein könne, während Agathon, der Geliebte bei diesem Paar, Eros als einen göttlich-idealen erōmenos beschreibt. Sokrates, der sich selbst als Experten in nichts anderem als in Eros-Fragen (erōtika) bezeichnet (177d), wird von Aristodemos (173b) und Alkibiades umschwärmt, und Alkibiades unterstellt ihm ein erotisches Interesse an Agathon (213c); umgekehrt interpretiert Sokrates Alkibiades’ Rede als einen versteckten Versuch ihn, Sokrates, bei Agathon anzuschwärzen, um sich so selbst freie Bahn bei Agathon zu verschaffen und sich zugleich eines vermeintlichen Konkurrenten um Sokrates’ Zuneigung als erastês zu entledigen (222c). Wie sehr all dies ein Rollenspiel ist, wird allerdings deutlich, wenn man sich klar macht, dass selbst der jüngste Redner, Agathon, im Jahre 416 schon um die 30 Jahre alt gewesen sein dürfte,8 wobei allerdings nicht leicht zu unterscheiden ist, ob dieses Rollenspiel auf der Ebene des Dargestellten zu denken ist, dass also gestandene Männer wie Agathon und Alkibiades beim Anblick von Sokrates so tun, als würden sie plötzlich zu sexuell erblühenden Teenagern regredieren, oder vielleicht doch eher auf der Ebene der Darstellung, dass also Platon nicht die historischen Personen so auftreten lässt, wie sie zu dem Zeitpunkt waren, an dem das Symposion stattgefunden haben soll, sondern Typen (Rowe 1998, 8 f.), wie etwa „Agathon, das junge Talent“ (175e, 198a, 223a) oder den ewig schönen, verführerischen und verführten, jugendlichen „Alkibiades“, der in der bildenden Kunst fortlebt (Lesher 2006). Dass ferner „ein jeder […] eine Lobrede auf Eros hält, so schön er es vermag“ (177d, Übersetzung von Paulsen und Rehn 2006, leicht verändert), gibt den Gästen die Gelegenheit, sich im Wettstreit zu messen, wie es der kompetitiven Adelskultur der Griechen 7 Beide werden von Platon auch sonst in Verbindung gebracht (Phdr. 268a: dort wird Eryximachos als hetairos von Phaidros bezeichnet; Prt. 315c). Nails (2002) schätzt Phaidros als vier Jahre jünger ein (geb. ca. 444, gegenüber ca. 448 für Eryximachos). Wie Ariston stellt auch Phaidros die Verdienste derjenigen Liebespartner heraus, die die Rolle des oder der Geliebten und nicht die des Liebhabers haben (vgl. auch Detel 2006, 141). Im Phaidros sind die Reden, die Phaidros liest und hört, an einen Geliebten gerichtet, nicht an einen Liebhaber. Ohne eine Begründung zu geben, nehmen auch von Blanckenhagen (1992, 58) und Zehnpfennig (2000, X) ein solches ehemaliges Liebesverhältnis an. 8 Nails (2002, 9); zur Bedeutung dieses Alters für die Interpretation siehe von Blanckenhagen (1992).
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entsprach und gerade beim Gelage übliche Praxis war (Rowe 1998, 8). Auch Eryximachos’ Beispiele für Lobreden, darunter sogar eine auf das Salz (177b), sind ein Hinweis, dass es in erster Linie um eine Demonstration von Einfallsreichtum und rhetorischer Kunst geht. Die Wahl des Genres „Lobrede“ setzt die Anforderungen an sachliche Richtigkeit des Gesagten herunter und steigert gleichzeitig die Erwartung, dass der Redner seinen Vortrag mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln festlich ausschmücken wird. Dabei gehörte es zum guten Ton, nicht nur größten Einsatz und Siegeswillen zu zeigen, sondern diesen Ehrgeiz gleichzeitig durch spielerische Elemente so zu ummanteln, dass er keinen Anlass zu echten Konf likten bot (Stehle 1997, 222). Oder umgekehrt gesehen: Siegen war wichtig, aber genauso wichtig war es, das Siegen nicht zu wichtig zu nehmen – oder wenigstens einen solchen Eindruck zu erwecken. Wie Richard Hunter bemerkt (2004, 10), geschieht dies in Platons Symposion auf eine besonders elegante Weise, die zugleich ein Höchstmaß an Selbstdarstellung erlaubt, nämlich durch selbstironische Überzeichnung des eigenen Charakters und der eigenen Rolle: Eryximachos zum Beispiel ist ganz der betuliche Arzt und Naturwissenschaftler, Agathon der ungestüme, eitle Jungdichter, dessen Worte im Mund nur so klingeln, und Alkibiades wirklich ein richtiger Alkibiades.9 Humor entsteht hier durch doppelte Umkehrung dessen, was im Philebos (48c–d) als Ursprung des Lächerlichen erscheint: die Unkenntnis seiner selbst. In weiser Selbsterkenntnis unterhalten die Akteure des Symposions ihr Publikum dadurch, dass sie ihre typischen Eigenschaften so extrem ausleben, als seien sie sich ihrer gar nicht bewusst. Doch nicht nur die Gäste präsentieren sich als Parodien ihrer selbst, auch der Autor Platon macht sich über sich selbst lustig, so etwa, wenn er Sokrates ganz unsportlich seine schon geschwächten, von Übermüdung und Rauschmittel dösenden Gesprächspartner zu einem Zugeständnis ihrer Unterlegenheit zu zwingen (wie die im Griechischen verwendeten Präsensformen anzeigen) nur versucht – aber die gewünschte Antwort gar nicht erhält, weil sie ihm vorher einnicken.10 Das ist eine komische Geste gescheiterten Eigenlobs, bei der „Platon“, der implizite Autor des Dialogs, sich aufplustert und zugleich über sich selbst lacht. Dass nämlich ein und derselbe Mann Komödien und Tragödien dichten können müsse, würde ja implizieren, dass die beiden Dramatiker, die jeweils nur ein Genre beherrschen, dem Verfasser des Dialoges, den wir gerade lesen, nicht das Wasser reichen können. Denn der hat doch mit der Schöpfung dieser sympotischen „tragi-comedy“ (Clay 1975, 249 und 252 f.) 9 Siehe auch von Blanckenhagen (1992, 63 f.), der allerdings bewusste Selbstironie nicht in Betracht zieht. 10 223d: prosanakazein; anankazomenous. In ähnlicher Weise lässt Platon auch schon vorher Ansätze zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit den beiden Dichtern durch Abbrechen eines aufkeimenden Dialogs ins Leere laufen (291d, 212c; siehe dazu unten). Dies muss man berücksichtigen, wenn man, wie es oft geschieht, das Symposion als Dichtungskritik lesen möchte.
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soeben bewiesen, dass er den beim Gastmahl angemessenen Stil des Komisch-Ernsten (spoudogelaion) und somit in seinem Metier, der dramatischen Prosa, beide Gattungen hervorragend beherrscht.11
2.2 Platon gibt den „Platon“: Das Spiel mit Formen und Motiven des platonischen Dialogs Auch über diese Schlussszene hinaus spielt Platon mit den formalen Eigenheiten des platonischen Dialogs. So bedient er sich etwa der Technik des erzählten (narrativen oder diegematischen) Dialogs12 so exzessiv, als wolle er dieses Mittel durch komische Übertreibung parodieren: Das Symposion beginnt als dramatischer Dialog, insofern darin der Erzähler Apollodoros im direkten Gespräch mit einem anonymen Freund gezeigt wird.13 Innerhalb dieses dramatischen Rahmens erzählt aber Apollodoros – allerdings nicht direkt die Reden, die bei Agathons Gastmahl geführt wurden, sondern wie er selbst ebendiese Reden von einem Dritten, nämlich dem Augenzeugen Aristodemos, erzählt bekommen hat. Eine solche zweistufige Erzählung ist sonst nur noch im Parmenides zu finden. Aber damit nicht genug: Platon türmt seine Lagen von Metadiegese sogar noch höher auf und gibt das philosophische Kernstück, Sokrates’ Rede, als einen weiteren in die Erzählung eingebetteten erzählten Dialog, der jetzt von Sokrates selbst erzählt wird, wie es bei den meisten diegematischen Dialogen der Fall ist. Die Einführung der Seherin Diotima und damit einer weiteren Lage von erzähltem Dialog wird bisweilen unter anderem damit erklärt, dass sie durch ihren größer Zugang zu den Göttern dem Gesagten größere Autorität verleihe.14 Interessanterweise gibt der Autor Platon aber ein Signal, dass diese literarische Technik, jedenfalls auf der Ebene des 11 Picht (1990, 355 und 378); Rowe (1998, 9 und 214 f.); vgl. auch Mader (1977, 69–71) mit weiterer Literatur. Zum spoudogelaion als Merkmal sowohl des gesellschaftlichen Anlasses Symposion als auch der Gattung Symposion siehe Martin (1931, 2–26) und Hunter (2004, 9 mit Anm. 9). Der Gedanke wird auch im Symposion selbst geäußert, in konventioneller Weise von Agathon (197e), in origineller Variierung von Alkibiades (213a und 215a: komisch-wahr statt komisch-ernst) und Aristophanes (189a–b komisch, aber nicht lächerlich; 193d seine Rede ist eine, die man nicht komödienhaft verspotten soll: kōmōidein). Eine Verbindung zwischen dem Symposion und mit den komischen Dramen der Tragiker stellt die Charakterisierung von Alkibiades’ Rede als Satyrspiel her (222d: satyrikon […] drama kai silēnikon; siehe dazu Usher 2002). In 194a bezeichnet Agathon sein Publikum beim Gastmahl als theatron. Vgl. auch die Zeugnisse antiker Leser wie Plutarch (Sympotische Fragen 7, mor. 710c) und Athenaios (5, 187c). 12 Da vorgeblich tatsächlich Geschehenes mitgeteilt wird, findet man auch den spezielleren Terminus „Bericht“. 13 Erler (2007, 71–75) spricht in solchen Fällen von einem „dramatischen Prolog“. Andere diegematische Dialoge, z. B. die Politeia, beginnen direkt mit der Erzählung, ohne dass ein bestimmter Gesprächspartner, der den Bericht hört, erkennbar wäre. 14 Horn, in diesem Band. Diotima wird oft als Priesterin bezeichnet. Ausdrücklich sagt Sokrates das aber ebenso wenig wie welcher Gottheit sie denn dient. Weitere Überlegungen zur Person Diotimas, ihrer Histori-
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Dargestellten, nicht wirklich funktioniert: Zumindest Aristophanes betrachtet Diotima als Fiktion, wenn er im Anschluss an Sokrates’ Vortrag etwas erwidern will, „weil er [d. h. Sokrates] auf ihn [Aristophanes] zurückverwiesen habe“ (212c). Ja, das Griechische, in dem direkte von indirekter Rede nicht zu unterscheiden ist, kann sogar so gelesen werden, als habe nicht nur Aristophanes, sondern auch der Erzähler Aristodemos (und ihm folgend Apollodoros) die betreffende Äußerung in Diotimas Rede (205d–206e) als eine Anspielung auf Aristophanes’ Mythos und damit Diotima als Sokrates’ Erfindung angesehen.15 Auch darüber hinaus gibt Platon uns Signale, die den Auftritt der Seherin zugleich überraschend und ein wenig schlüpfrig wirken lassen. Sokrates, der sich vorher so vollmundig als Erotikexperten bezeichnet hat (194d), hat nun auf einmal selbst gar nichts zu sagen, sondern muss sich auf eine für einen griechischen Mann doch zumindest sehr fragwürdige Quelle seines Fachwissens stützen, eine Frau,16 mit der er als junger Mann bei regelmäßigen Besuchen (206b; 207a; 207c) die Erotik in allen Einzelheiten studiert hat (201d) – wobei er am Ende sogar offen lässt, ob er den Lehrgang wirklich mit Erfolg abschließen konnte.17 Nicht nur hier, sondern bereits am Anfang wird die Form des erzählten Dialogs sowohl zum Thema gemacht als auch in Frage gestellt. Bevor er nämlich den eigentlichen erzählten Dialog, den er von Aristodemos gehört hat, seinen Zuhörern erzählt, berichtet Apollodoros zunächst einmal, dass er diesen Dialog gerade vor kurzem erst erzählt hat. Und dabei weist er nicht etwa einfach auf diesen Umstand hin, sondern gibt penibel das Gespräch mit „einem Bekannten“ (172a) in wörtlicher Rede wieder, so dass es aussieht wie der dramatische Prolog zu einem normalen diegematischen Dialog. Das Gespräch hier ist aber selbst in den dramatischen Prolog, also das Vorgespräch zum Symposion, eingelegt. Als Teil dieses Vorgespräches erzählt Apollodoros wortgetreu, was er und der andere damals zueinander gesagt haben. „Wen interessiert das?“, möchte und soll man, wie ich meine, fragen. Zwar enthält das Gespräch wichtige Informationen zum dramatischen Zeitpunkt des Symposion und dem Berichterstatter Aristodemos, dessen Erzählung im Folgenden wiedergegeben wird, aber Platon hätte diese Informationen genauso gut in das Gespräch zwischen Apollodoros und seinen aktuellen Zuhörern einweben oder als Teil der Erzählung selbst mitteilen können. So wie es jetzt ist, wirkt diese wörtliche Wiedergabe eines Vorgespräches zu einer überhaupt nicht erzählten Erzählung unnatürlich und umständlich. zität, ihrer Rolle im Dialog sowie auch mögliche Funktionen dieser weiteren Lage von erzähltem Dialog sind zu erschließen z. B. über Sier (1997, XII, 2 f. und 6–13), Picht (1990, 359 f.), Rowe (1998, 173) und Erler (2007, 192, 196). 15 Siehe auch in diesem Band Manuwald, Anm. 2, Sheffield, S. 126 mit Anm. 2, Destrée. 16 Sier (1997, 10 f.); Erler (2007, 196). 17 Diotima hat ihre Zweifel, ob Sokrates zur vollkommenen Schau gelangen wird (210a); Sokrates selbst erklärt nur, dass er von ihren Worten überzeugt wurde, auch andere davon zu überzeugen sucht und, so gut er kann, die Erotik praktiziert (212b).
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Hinzu kommt, dass eben dieses belanglose erzählte Vorgespräch innerhalb eines Vorgesprächs an den Anfang der Politeia erinnert und diesem wie eine Kontrafaktur widerspricht (Rosen 1987, 11 f.; Rowe 1998, 127 f.): In beiden Fällen ist der Ich-Erzähler gerade dabei, einen Hafen Athens in Richtung Stadt zu verlassen und wird von jemandem „von weitem“ gesehen und angehalten. Allerdings „geht“ Apollodoros weiter „hinauf“ in die Stadt, während Sokrates am Anfang der Politeia in den Piräus „hinabstieg“. In der Politeia ist Sokrates zusammen mit Platons Bruder Glaukon aus der Stadt gekommen; wie sich herausstellt, heißt der Bekannte, der Apollodoros einholt und mit ihm zur Stadt hinaufgeht, ebenfalls Glaukon (172c). Während der Anfang der Politeia zu Recht berühmt ist und wichtige Funktionen hat, indem er zum Beispiel die kämpferische Aggressivität der späteren Diskussion vorwegnimmt und Sokrates in eine ungewöhnliche Umgebung außerhalb Athens in den Kontext eines Festes für eine fremdartige thrakische Göttin stellt, sind der Ort und die Modalitäten der Begegnung von Apollodoros und Glaukon denkbar unerheblich, ebenso wie diese beiden Männer selbst. Die Dialogform wird so zum formelhaften stilistischen Gestus, mit dem sich Platon augenzwinkernd über sich selbst lustig macht. Diese Interpretation der Textparallele setzt natürlich voraus, dass die Politeia früher zu datieren ist als das Symposion. Hier ist Sicherheit nicht zu gewinnen. Der beste Hinweis auf einen terminus post quem für die Abfassung des Symposion ist eine mögliche Anspielung auf die Zerschlagung der arkadischen Stadt Mantineia durch die Spartaner im Jahr 385 in Aristophanes’ Rede (193a).18 Aus inhaltlichen und stylometrischen Gründen wird das Symposion teils den Frühdialogen, teils der mittleren Periode zugerechnet, die Politeia in ihrer Gesamtheit der mittleren Periode. Allerdings sind die gängigen stylometrischen Kriterien beim Symposion ganz unzuverlässig.19 Es ist somit noch nicht einmal ausgeschlossen, dass Sokrates’ Forderung nach einer dramatischen technē einen selbstironischen Rückverweis auf den ebenfalls meist den mittleren Dialogen zugerechneten, oft aber später als das Symposion angesetzten Phaidros darstellt, wo Sokrates im Gespräch mit Phaidros, dem „Vater“ des erotischen Wettbewerbs im Symposion (177d), nicht nur ebenfalls ganz ungewöhnliche Reden über Eros und die Ideen schwingt, sondern auch 18 Zweifel melden Wilamowitz (1920, II 176–178) und Mattingly (1958) an. Siehe dagegen und zu weiteren Datierungshinweisen Dover (1965) und Erler (2007, 193 f.). 19 Das Kriterium der Hiatvermeidung wird erst für die Gruppe der spätesten Dialoge wichtig. Das Fehlen bestimmter Frage- und Antwortformeln (insbesondere ti mēn) kann mangels ausreichenden Materials nicht ausschlaggebend sein, denn im Symposion gibt es nur sehr wenige Dialogpartien im üblichen Format des sokratischen Frage-Antwort-Gesprächs. Der Partikel-Gebrauch kann durch das Überwiegen der Textsorte „Rede“ beeinf lusst sein. Hinzu kommt, dass das Symposion eine Folge von Reden enthält, die bewusst in unterschiedlichem, die jeweiligen Sprecher charakterisierendem Stil gehalten sind. Ledger (1989), der eine auf bloßer Buchstaben-Häufigkeit basierende Methode anwendet, datiert die Politeia und das Symposion etwa gleichzeitig in die mittlere Periode. Hilfreiche Zusammenfassungen des Forschungsstandes sind z. B. Brandwood (1992), Young (1994) und Kahn (2002). In der Forschung wird auch die Möglichkeit diskutiert, dass das erste Buch der Politeia als separater Dialog bereits früher erschien.
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zeitgenössischen Rhetorik-Lehrern vorwirft, dass sie unfähig seien, eine solide technē vorzulegen.20 Wie immer man sich zur Frage der parodierenden Anspielung auf andere Dialoge stellen mag, erkennbar erlaubt sich Platon so manchen Spaß mit seiner Rolle als Verfasser sokratischer Dialoge. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Art, wie er die von ihm auch selbst praktizierte „Sokrates-Berichterstattung“ in mehrfacher Hinsicht in ein komisches Licht rückt. So legt uns Platon ein besonders elaboriertes Beispiel von „Beglaubigungsapparat“ vor,21 das bezeichnenderweise in dem Gespräch zwischen Apollodoros und Glaukon, also in einer Passage steht, die ohnehin schon selbstironisch mit der platonischen Darstellungsform „erzählter Dialog“ spielt und somit mit der distanzierenden, indirekten Berichterstattung ein Phänomen in das Leserbewusstsein rückt, das den Wahrheitsanspruch des Berichtes ja gerade in Frage stellt (Giavatto, im Erscheinen). Schon manch ein Leser mag sich gewundert haben, warum Platon bei den erzählten unter seinen Dialogen so viele Angaben darüber einf licht, wie glaubwürdig und kompetent der jeweilige Erzähler den berichteten Wortlaut wiedergeben kann, wo doch dieser Wortlaut von Platon selbst erfunden war.22 Das gilt auch für das Symposion mit seinen deutlichen Fiktionaliätssignalen (Rowe 1998, 3 f.), wie etwa dass ausgerechnet Diotima, also noch nicht einmal Sokrates, einen Vortrag über platonische Ideen hält und dass angeblich ohne vorherige Planung von Individuen gehaltene Reden kompositorisch kunstvoll aufeinander abgestimmt sind.23 Hier nun wird uns der Beglaubigungsapparat durch Häufung der Motive regelrecht unter die Nase gerieben: Apollodoros hat die Erzählung geübt (172a) und so im Gedächtnis behalten, wobei das aber auch bedeutet, dass er sich eher an seine eigene Nacherzählung erinnert als an die originale Erzählung von Aristodemos, so dass auch in dieser Hinsicht eine Spannung zwischen Wahrheitsanspruch und der Mittelbarkeit der Berichtsform besteht (Johnson 1998, 581 f.). Ferner gibt Apollodoros uns nachgerade ein Stemma seines Berichtes,24 und dabei wird unter anderem, wie am Anfang des Phaidon (57a–b), zwischen unzuverlässigen 20 Etwas anderes ist es, wenn Dichtern Wissen (epistēmē, sophia) fehlt, wie etwa im Ion (533d–535e) und in der Apologie (22a–c). Als Komplementärtexte lesen Symposion und Phaidros z. B. Halperin (1992) und Ebbersmeyer (2009, 300). Siehe auch den Beitrag von Kreft in diesem Band. 21 Der Ausdruck stammt von Erler (2007, 70); siehe z. B. noch Picht (1990, 345–348) und Giavatto (im Erscheinen): Beide betonen das Wechselspiel von Wahrheitsbehauptung und Distanzierung. 22 Picht (1990, 346) meint, dass der Leser die Beglaubigung ernst nehmen soll: „Denn wenn wir den Eindruck gewinnen würden, der ganze Bericht sei nur eine willkürliche Erfindung, so müßte das ‚Symposion‘ seine Wirkung verfehlen.“ 23 Clay (1975, 240 f.) zeigt, wie geschickt diese Komposition in ein legeres Gewand von „Zufällen“ gehüllt ist. Vgl. z. B. noch Mader (1977, 61–65); Picht (1990, passim); Zehnpfenning (2002, XXII–XXIX); Detel (2006); Sheffield (2006); Sier (2007). 24 Picht (1990, 347); Halperin (1992, 98); Zehnpfennig (2000, 140); Giavatto (im Erscheinen).
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Berichterstattern, die nichts Genaues (saphes), also keine Einzelheiten, zu sagen wissen, und der Kenntnis eines Augenzeugen unterschieden (172b–c), nur dass sich hier herausstellt, dass der vermeintliche Augenzeuge gar keiner ist. Allerdings hat Apollodoros – und das ist ein drittes Beglaubigungsmotiv – die Informationen, die er von dem wahren Augenzeugen Aristodemos bekam, mit Sokrates selbst abgeglichen (173b). Damit spielt Platon auf sogar noch eine weitere Beglaubigungsform an, nämlich die, dass der Dialog direkt von seinem Hauptdarsteller Sokrates erzählt wird. Nur wird hier ausdrücklich klar gemacht, dass Sokrates eben nicht den Erzähler geben wollte,25 sondern lediglich das Berichtete auf selektive Rückfrage hin bestätigt oder vielmehr abgenickt hat, da er offenbar keinerlei Änderungen oder Ergänzungen vornahm.26 Im Theaitetos (143a) dagegen führen Rückfragen bei Sokrates zu Korrekturen, die vernünftigerweise auch in einer Schriftversion festgehalten werden.
2.3 Sokrates-Kult und Sokrates-Parodie Nun könnte man allerdings meinen, dass all dies, zusammen mit dem umständlichen wörtlichen Referat des Gespräches von Apollodoros und Glaukon, die Bedeutung des Symposion unterstreichen soll: Es ist ein so wichtiges Ereignis, dass man sich noch viele Jahre später daran erinnert und quasi täglich davon hören möchte. Ähnlich haben im Parmenides mehrere Lagen von Erzählung den Effekt, die schon lang zurück liegende Begegnung von Sokrates und Parmenides auch narrativ in eine gewisse Distanz zu rücken. Indes liegen im Symposion gerade einmal fünfzehn Jahre zwischen der erzählten und der Erzählzeit, und der elaborierte Prolog unterstreicht nicht nur das anhaltende Interesse an Sokrates’ Philosophie, sondern auch ein gewisses Missverhältnis zwischen dem missionarischen Eifer des Sokrates-Berichterstatters und den Erwartungen seines Publikums. Apollodoros ist nichts wichtiger als die Philosophie (172c, 173c), und er hat es sich „zur Aufgabe gemacht […], an jedem Tag zu wissen, was [Sokrates] sagt und tut“ (172c, Übersetzung Paulsen und Rehm 2006), seine Zuhörer scheinen aber andere Interessen zu haben: Die Männer in der Gruppe, der er den uns vorliegenden Bericht vorträgt, reden, sofern Apollodoros hier in seinem Angriffseifer nicht übertreibt, sonst nur über Geschäfte (173c), und auch der frühere Zuhörer Glaukon (ob nun mit Platons gleichnamigem Bruder zu identifizieren oder nicht) fragt nicht primär nach philosophischen Gesprächen, sondern nach einem Ereignis, Agathons Fest, und gezielt nach 25 173b; Corrigan und Glazov-Corrigan (2004, 9). Bury (1909, XVI) erklärt dies mit dem Umstand, dass Sokrates andernfalls hätte berichten müssen, wie er von anderen gepriesen wurde. 26 Das wird betont durch das Adverb kathaper (173b): Sokrates hat bestätigt, dass es „genauso“ war, wie Apollodoros es sagte. Vgl. Strauss (2001, 21). Halperin (1992, 111) versteht den Ausdruck so, dass Apollodoros jede Einzelheit mit Sokrates abgeglichen hat.
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den dort geäußerten „Eros-Reden“ (172a: erōtikoi logoi).27 Unter diesem vieldeutigen Ausdruck konnte und kann ein Leser, der noch nicht weiß, was genau im Symposion dargestellt wird, vieles und auch allerlei Anzügliches, wie z. B. Liebeserklärungen oder Sexgef lüster, in jedem Fall aber Unterhaltsames verstehen.28 Eine ähnliche Erwartung wird durch selektive Nennung von nur drei Teilnehmern geweckt (Rowe 1998, 128): Sokrates, ein stadtbekannter Freund junger Männer, trifft auf zwei stadtbekannte Schönheiten, die beide den großen Auftritt nicht scheuen. Glaukon beklagt, dass seine andere Quelle Phoinix nichts Genaues zu berichten wusste (172a), und kann so als Identifikationsfigur für den Erstleser dienen, den diese Beschreibung in ungeduldige Erwartung einer pikanten Skandalgeschichte versetzt.29 Auch darüber hinaus kann man das Missverhältnis zwischen Apollodoros’ Darstellungsinteresse und dem, was seine Zuhörer wissen möchten, als eine Anspielung auf einen bestimmten Typ von Platonrezipienten ansehen, der von Platon zwar angelockt und bedient wird, aber doch wohl nicht den idealen Rezipienten seiner Dialoge darstellt. Leser dieses Typs genießen Platons Werke als Unterhaltungslektüre, z. B. wegen der berühmten historischen Figuren, die er so plastisch für sie zeichnet, oder wegen seines ästhetischen Schreibstils. In gewissem Sinn kann man daher sogar sagen, dass das Symposion selbst als eine dritte stadtbekannte Schönheit auftritt und dabei gleichzeitig als eine „erotische Rede“ genau die Art von Text ist, die Apollodoros’ Publikum, auch die Geschäftsleute mit denen er es jetzt zu tun hat (173e), zu hören begehren. Wie sich in Diotimas Rede herausstellen wird, könnten die Leser damit schon auf einem guten Weg hin zur Philosophie sein. Hier, im dramatischen Prolog allerdings, erzeugt Platon eine komische Wirkung, indem er Apollodoros’ Anläufe zum philosophischen Gespräch mehrfach an dem handfesten Verlangen der anderen kalt abtropfen lässt. Auf sein leidenschaftliches Bekenntnis, wie elend er doch war, bevor er sich Sokrates anschloss, „nicht weniger als du jetzt, da du glaubst, alles andere eher tun zu müssen, als zu philosophieren“, antwortet Glaukon trocken: „Mach keine Witze!“ – und fährt ungerührt fort, die Fakten abzufragen (173a; Übersetzung Paulsen und Rehm 2006). Als Apollodoros dann in ähnlicher Weise seine eigene Unvollkommenheit beklagt und seine Gesprächspartner dafür bemitleidet, dass sie nicht weniger elende Geschöpfe seien als er selbst, bemerkt deren Sprecher, dass es mit Apollodoros doch immer dasselbe sei
27 So bezeichnet das Symposion auch Aristoteles in dem frühesten uns erhaltenen Leserzeugnis (Pol. 2, 1262b11). 28 Rowe (1998, 128). Lasserre (1944) gibt eine Übersicht über Inhalte, die ein zeitgenössischer Leser in einem literarischen Text aufgrund seiner Erfahrung mit sophistischen Rhetorik-Übungen und sympotischer Dichtung erwarten konnte. Der Witz, der bei Apollodoros’ Begrüßung am Anfang des Symposion gemacht wird, könnte vielleicht ein Wortspiel mit einem Wort für „Penis“ sein (Stokes 1993). 29 Vgl. Halperin (1992, 107): „vulgar curiosity“.
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(173d), und lehnt es ab, dessen Einleitungsfrage zu einem elenktischen Gespräch zu beantworten mit dem Hinweis, dass solche Eristik (erizein) „nicht lohne“ (173e).30 Auch dies ist ein selbstironisches Spiel mit platonischen Darstellungsformen: Zu den ungewöhnlich vielen Lagen berichteter Dialoge gesellt sich nämlich das umgekehrte Phänomen, dass Dialog im engeren Sinne, also das sokratische, elenktische oder dialektische Gespräch, einerseits wiederholt verhindert und, wie hier, geradezu abgewürgt wird (Giavatto, im Erscheinen), andererseits aber doch immer wieder auftaucht und in den Vordergrund drängt: Der Dialog lässt sich einfach nicht unterkriegen. So ist schon bemerkenswert, dass Apollodoros, obwohl er nur nach den Reden gefragt wurde, einen Dialog erzählt, scheinbar als Nachgedanken, obwohl er bereits dazu angesetzt hatte, nur die Reden zu referieren (173e–174a). Nur wenig später schlägt Sokrates vor, dass er und Aristodemos sich beraten (bouleuesthai), wie sie Aristodemos’ ungebetenes Kommen erklären wollen. Doch wird das Gespräch (dialegesthai; siehe Rowe 1998, 131 f.) abgebrochen, weil Sokrates plötzlich stehen bleibt und verstummt (174d). Nach Eryximachos’ Vortrag bahnt sich ein elenktischer Dialog zwischen Sokrates und Agathon an (194c–d), der von Phaidros unterbunden wird mit dem Hinweis, dass Sokrates’ monomaner Wunsch nach solchen Gesprächen jede andere Aktivität unmöglich machen würde, wenn man ihn denn ließe: „Mein lieber Agathon, wenn du Sokrates antwortest, wird es für ihn überhaupt keine Rolle mehr spielen, wie auch immer was auch immer hier geschieht, wenn er nur jemanden hat, mit dem er sich unterhalten kann, noch dazu, wenn er schön ist“ (194d, Übersetzung Paulsen und Rehm 2006, leicht verändert). Im Anschluss an Sokrates’ Vortrag möchte Aristophanes etwas erwidern; ein Dialog kann sich daraus aber nicht entwickeln, weil in diesem Moment Alkibiades mit seinem Gefolge eintrifft (212c). Der bereits mehrfach erwähnte Dialog zwischen Sokrates, Agathon und Aristophanes, wird durch die physiologischen Grenzen der Dialogpartner beendet (223d). Hier am Ende des Symposion fallen schließlich auch einmal die beiden Motive – unterbrochener Dialog und Dialogerzählung – zusammen, und zwar dadurch, dass der Bericht den berichteten, in der Fiktion ja „tatsächlich“ stattfindenden Dialog gewissermaßen unterbricht, weil der Berichterstatter Aristodemos selbst zu diesem Zeitpunkt eingeschlafen ist (223b–c). Die Dramatisierung eines fehlgerichteten Leserinteresses am Anfang des Dialoges ist verbunden mit einer komischen Verkehrung eines weiteren Leitmotivs platonischen Diskurses: dem Gegensatz zwischen törichter Masse (hoi polloi) und den wenigen Einsichtsvollen, den Philosophen (vgl. z. B. 174a; 194b). Die nach Skandalen und Unterhaltung gierenden Rezipienten am Anfang des Dialoges, die ja durchaus als Beispiele vulgärer Unwissenheit aufgefasst werden können, erscheinen nämlich mit Abstand vernünftiger als der fanatische Jungsokratiker Apollodoros (Rosen 1987, 10 f.). Er macht 30 Halperin (1992, 106 f.) interpretiert diese Passagen als Ausdruck dafür, dass die Zuhörer an Apollodoros selbst nicht interessiert sind.
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sich dadurch lächerlich, dass er seine Zuhörer zur falschen Zeit (nämlich ausgerechnet dann, wenn sie bereit sind, etwas über Philosophie zu hören) vor den Kopf stößt, indem er ihnen ihre Unwissenheit über ihre Mangelhaftigkeit vorhält. Ohne Sinn und Verstand bringt er so zur Unzeit eben jenen Gegensatz von Menge und Philosoph zum Ausdruck und verbindet dies mit einer äffischen Simplifizierung von Sokrates’ Selbstdarstellung in der Apologie (Halperin 1992, 113 f.). Apollodoros ist auch deswegen lächerlich, weil er nicht merkt, dass er nur ein Nachahmer, nicht aber ein Schüler von Sokrates ist. Während Sokrates es sich in der Apologie zur Aufgabe macht, aus Einsicht in sein Nichtwissen alles und jeden einer Prüfung zu unterziehen, macht es Apollodoros zu seiner Aufgabe, jedes Wort und jede Geste von Sokrates genau zu vermerken (173a), um dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Stil des Meisters zu reden. Sokrates’ Projekt nahm seinen Anfang damit, dass er nicht glauben konnte, was ein Gott über ihn gesagt hatte, und daher den Götterspruch einer Prüfung unterzog. Apollodoros dagegen erscheint geradezu Sokrates-gläubig. Jedenfalls ist er immer mit allen und sich selbst böse, niemals aber mit Sokrates (173d). Während Apollodoros so zu einer verbalen Karikatur seines verehrten Meisters wird, ist Aristodemos – „klein und immer barfuß“ (173b) – optisch eine Miniaturversion von Sokrates, dem er wie ein Schatten oder stummes Spiegelbild überall hin folgt.31 Es gibt in diesem Dialog aber noch eine weitere komische Variation der geläufigen Antithese von Menge und Philosoph, nämlich Platons Darstellung von Sokrates selbst: Im Gegensatz zu den normalen Menschen mit anständigen Manieren ist Sokrates ein schrulliger Sonderling. Sobald Alkibiades Sokrates entdeckt, beschwert er sich, dass dieser es wieder geschafft habe, neben dem Schönsten zu liegen, statt da, wo er hingehöre, nämlich neben Aristophanes und solchen Komiker (213c: geloios). Alkibiades’ Rede ist Gegenstand eines anderen Kapitels in diesem Buch. Ich möchte daher hier nur Beispiele dafür aufzeigen, dass Sokrates in diesem Dialog auch über den offenkundig burlesken Schluss des Symposion hinaus und nicht nur aus Alkibiades’ Perspektive komisch erscheint. Ein Merkmal, das Sokrates zur komischen Figur macht und das auch in Alkibiades’ Rede eine zentrale Rolle spielt, ist Sokrates’ Körperlichkeit oder, genauer gesagt, die Art, wie er durch seinen Körper beschrieben und definiert, wie sein Körper in das Zentrum der Darstellung gerückt wird. Dies ist schon bei seinem ersten Auftritt der Fall, wo wir sofort eine Beschreibung von äußeren Eigenschaften erhalten: Er ist frisch gebadet und hat Festtagsschuhe angezogen, „was er selten zu tun pf legte“.32 Diese Beschrei31 Diese Charakterisierung von Apollodoros und Aristodemos wird vor allem von Picht (1990, 346–349) herausgearbeitet. Siehe aber z. B. schon Bury (1909, XVI–XVII). Corrigan und Glazov-Corrigan (2004, 7–42) sehen in diesem Phänomen sowie den mehreren metadiegetischen Lagen eine Auseinandersetzung mit dem mimēsis-Begriff der Politeia. 32 174a, bestätigt durch Alkibiades in 220a–b. Zur Parallele zu Diotimas Eros in 203c siehe z. B. Picht (1990, 349 f.).
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bung sticht dem Leser dadurch in die Augen, dass sie ganz am Anfang der Erzählung steht; ferner wird ausdrücklich betont, dass diese Aufmachung ungewöhnlich ist – und dann lang und breit darüber geredet, dass Sokrates sich für einen Schönen hübsch gemacht habe (174a–b). Dabei kontrastiert der verschönerte Sokrates auch in komischer Weise mit seinem nunmehr dysfunktionalen „Spiegelbild“ Aristodemos, der ja nach wie vor barfuß und unverschönert ist. Auf diesen Umstand weist Platon seine Leser später noch einmal hin, wenn er in die Erzählung einf licht, dass ein Sklave Aristodemos’ Füße gewaschen habe, bevor er sich zu Tisch legte (175a). Alkibiades ziehen die Sklaven dagegen nur die Schuhe aus; offenbar waren seine Füße sauber genug (213b). Schließlich wird das Motiv des Fußes und der Fußbekleidung auch durch die Wortwahl ins Bewusstsein der Leser gerückt, trägt doch Sokrates nicht einfach nur Schuhe, sondern die im Griechischen schon lautlich auffälligen blautai. In Platons Werk kommt dieses Wort nur hier an dieser Stelle vor. Eine weitere körperliche Eigenheit von Sokrates ist der Umstand, dass er niemals betrunken wird, so wie er später in Alkibiades’ Bericht und am Schluss des Dialogs keine Erschöpfung kennt. Mehrfach beobachtet man, dass Sokrates völlig unverändert und unbeeinf lusst von seiner Umgebung „sein Ding“ macht und dabei große Wirkung auf andere hat, ohne sich selbst von anderen beeinf lussen zu lassen. Diese an sich beeindruckende Stärke und Selbstsicherheit nimmt allerdings im Symposion Formen an, die recht skurril wirken, so etwa wenn Sokrates am Schluss des Dialogs ungerührt und offenbar nüchtern mit Betrunkenen und Übermüdeten diskutiert, die doch ganz offensichtlich keine brauchbaren Gesprächspartner mehr sind. In ähnlicher Weise skurril ist Sokrates’ Selbstvergessenheit, wenn er einfach irgendwo stehen bleibt und seinen Gedanken nachhängt. Diese Konzentrationsfähigkeit mag zunächst beeindrucken, wird aber dann doch zu einer absurden Verkörperlichung des Denkvorgangs, wenn Platon Aristodemos ausführlich die Reaktion der anderen beschreiben lässt, ähnlich wie es später Alkibiades tut. Zwar wird Sokrates hier im Einleitungsteil noch nicht zur Sehenswürdigkeit, die sogar Camper anzieht (220c–d), aber sein Stehenbleiben führt doch zu einer ausdrücklich als komisch (geloion) charakterisierten Situation (174e): Aristodemos wird von Agathons Sklaven direkt ins Haus geführt – vielleicht weil sie angewiesen wurden, einen barfüßigen Philosophen sofort einzulassen? – und stellt plötzlich verwundert fest, dass er ja allein angekommen und Sokrates gar nicht mehr weiter gegangen ist (174e, 175a); daraufhin sendet Agathon einen Sklaven aus, der Sokrates vergeblich hereinruft, und will auch danach ungeduldig immer wieder nach ihm schicken, so dass er von Aristodemos mehrfach zurückgehalten werden muss (175a, c). Diese Folge von verblüffenden Wendungen sowie das wiederholte Ansetzen und dann Unterlassen einer Aktion könnte man ohne große Mühe als Slapstick-Nummer visualisieren. In jedem Fall ist es außerordentlich seltsam (175a: atopon), wenn jemand gewohnheitsmäßig „weggetreten da[steht], wo es sich gerade ergibt“ (175b, Übersetzung Paulsen und Rehm 2006).
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Ein skurriles Missachten von Konventionen zeigt Sokrates auch während des Gesprächs, wenn er Agathons Kompliment, dass ihm die anwesende Runde von verständigen Männern weitaus mehr Lampenfieber einf löße als ein Theater voll mit Toren (194b), zum Ausgangspunkt eines Elenchos zu nehmen versucht. Ebenso skurril missachtet er die Konvention, als er schließlich mit seiner Rede an der Reihe ist: Er verhält sich so, als hätte er die zuvor vereinbarten Spielregeln, denen er doch zugestimmt hatte (177e), gar nicht begriffen und angenommen, dass man bei einem Lobpreis die Wahrheit sagen müsse (198d), weswegen er sich, gewissermaßen wegen eines Versagens von sokratischer Erkenntnis seines eigenen Nichtwissens (199a), nun Sonderkonditionen heraus bedingen muss, um sich nicht lächerlich zu machen (199b). Einerseits beweist Sokrates „einen Blick für Situationen und das jeweils Angebrachte“ (Sier 2007, 28) und analysiert die Unzulänglichkeiten des, wie Sier es nennt, „parataktischen“ Agons der anderen Redner. Andererseits erscheint er blind für die Regeln dieses Agons, in dem die Erwartung, Wahres zu hören, in ähnlicher Weise aufgegeben wird, wie man heute von „willing suspension of disbelief“ beim Lesen fiktionaler Texte spricht. Wenn Sokrates auf die Antithese von Verständigen und Menge zurückgreift und behauptet, solche Lobreden funktionierten nur bei denen, die Eros nicht kennen, nicht aber bei den Wissenden (199a), dann ist daher der vorgeblich wissende Sokrates in Wahrheit der einzig Unverständige, die Menge der anderen Gäste dagegen die Wissenden, die es verstehen, das sympotische Spiel richtig zu spielen. Dieser Befund impliziert natürlich nicht, dass Sokrates’ Kritik an dem Verfahren unberechtigt wäre und dass Eros nicht wirklich auf eine bessere Weise gelobt werden könnte. Die Frage ist jedoch, ob Sokrates seinem eigenen Anspruch gerecht wird. Denn – und hier fassen wir, meine ich, einen möglichen Grund für die verschiedenen Formen sympotischen Humors, der platonischen Selbstparodie und der Gestaltung komischer Sokrates-Berichterstatter und eines passend skurrilen Sokrates selbst – merkwürdigerweise macht Sokrates scheinbar gar keinen Gebrauch von der ihm erteilten Lizenz, Eros auf genau die Weise zu loben, die ihm richtig erscheint (199b).33 Zwar setzt er dazu an, wenn er Agathon einem Elenchos unterzieht. Doch anstatt dass nun ausgehend von dem Eingeständnis des Nichtwissens im lebendigen dialektischen Gespräch der Versuch unternommen würde, sich der Wahrheit zu nähern, wird schon wieder ein Dialog abgebrochen: Sokrates will Agathon „jetzt in Ruhe lassen“ (201d),34 als ob ein solches 33 Es stimmt also nicht, dass Sokrates keine Gelegenheit erhält, sich im Gespräch mit den anderen Gästen auseinanderzusetzen, wie Sier (2007, 35) meint. Er macht von seiner Gestaltungsfreiheit einfach keinen Gebrauch. 34 Übersetzung von Paulsen und Rehn (2006). Bezeichnend ist auch Rowes Paraphrase (1998, 2): „Now Socrates drops Agathon.“ Eine Erklärung, die für das Abbrechen des Dialoges vorgebracht werden könnte, besteht darin, dass Agathon als Dialogpartner ungeeignet ist (so etwa Müller in diesem Band). Allerdings erscheint Agathon als hochbegabt und zumindest seinem eigenen Bekunden nach höchst gewillt, von Sokrates zu lernen, so dass man sich als Leser fragt, wer denn überhaupt ein geeigneter Gesprächspartner wäre, wenn selbst Agathon
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Gespräch nur lästig und störend wäre, und beginnt genau das zu tun, was wir oben an seinen Jüngern Apollodoros und Aristodemos beobachteten: er wird zum Berichterstatter, der die Worte einer anderen referiert.35 Genauso wie diese beiden an den Lippen ihres Gurus Sokrates hängen und glauben, dass die bloße Aufnahme und Wiedergabe der Worte des Meisters schon Philosophie sei, erscheint hier Sokrates selbst als „Bewunderer fremder Weisheit“ (Szlezák 2007, 259) und seine Expertise in Eros-Fragen reduziert auf die Erinnerung und fortgesetzte Praxis (212b) dessen, was ihm sein weiblicher Guru, Diotima, vor dreißig Jahren dargelegt hat.36
2.4 Fazit: Platonische Selbstparodie und die Rolle des Lesers Doch es gibt ja noch einen weiteren solchen Anbeter fremder Weisheit: „Platon“, den impliziten Autor des Symposion, den der Textverfasser Platon für uns gestaltet. Nicht anders als Apollodoros und Aristodemos ist dieser implizite „Platon“ auch ein SokratesBerichterstatter, der wie Aristodemos keine eigene Rede hält,37 sondern immer nur berichtet, was der Meister gesagt hat. Für „Platon“ – natürlich nicht als Textverfasser und Schöpfer der Dialoge, sondern als derjenige, der vorgeblich nur dokumentiert – gilt ja genauso, was David Halperin (1992, 114) über Apollodoros und Aristodemos sagt, dass ihre „Philosophie“ nur ein Personenkult ist und ohne jeden Erkenntnisfortschritt, es nicht ist. Und in jedem Fall bleibt es dabei, dass Platon als Verfasser des Symposion einen Sokrates vorführt, der dem lebendigen Dialog mit den anderen Gästen eine Dialogerzählung vorzieht. 35 Rehn (1996, 82 f.) betont dagegen die Gesprächsnatur des Diotima-Teils. 36 Schon in seiner berühmten früheren Arbeit (1985) bemerkt Szlezák die Motive der Wiederholung, des Verhältnisses von Meister und Jünger (257 f.) sowie das Fehlen „der gemeinsamen Suche“ (254), ein Fehlen, das auch seinen Ausdruck in der einsamen Kontemplation des stumm dastehenden Sokrates finde. Anders als hier vorgeschlagen, deutet er diese Phänomene als einen Hinweis auf Platons ungeschriebene Lehre. – Sier (2007, 32) hebt hervor, dass Sokrates das Gesagte ausdrücklich Diotima zuschreibt. Gewissheit komme somit durch sie zustande, insofern sie es sei, die sich ihrer Sache gewiss zu sein scheint, während Sokrates lediglich „als der legitime Anwalt ihres logos auftritt“. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die „überraschend respektlose Art, wie Diotima mit dem immerhin dreißigjährigen Sokrates umspringt“ (Sier 1997, 12), weil dieses der Geschlechterhierarchie entgegenlaufende Verhalten das übertrieben hierarchische Verhältnis von aktiv lehrender Meisterin und passiv aufnehmendem Schüler noch weiter unterstreicht. 37 Platon achtet sorgfältig darauf, dass wir Leser dies bemerken können und nicht etwa glauben, seine Rede sei einfach nur eine von denen, die Apollodoros nicht wiedergibt (178a): Aristodemos liegt neben Eryximachos (175a), und zwar zwischen Eryximachos und der Liege mit Sokrates und Agathon, während der Platz auf Eryximachos’ anderer Seite von Aristophanes eingenommen wurde. Dies wird daraus ersichtlich, dass Aristophanes eigentlich direkt vor Eryximachos sprechen sollte, Eryximachos aber außer der Reihe für ihn einspringt, da Aristophanes einen Niesanfall bekommt. Unmittelbar danach holt Aristophanes seine Rede nach und erklärt, als er fertig ist, dass nunmehr noch Sokrates und Agathon übrig seien (193e). Aristodemos hat sich gewissermaßen in Luft aufgelöst.
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da sie nicht prüfen oder erweitern, sondern nur unkritisch die Behauptungen anderer rekapitulieren.38 Formen des platonischen Dialogs werden z. B. durch Übertreibung (etwa bei der Rahmenerzählung, dem Beglaubigungsapparat oder Sokrates’ Nonkonformismus) oder durch Wiederholung (etwa der Figur des Sokrates-Berichterstatters und des dialogus interruptus) ins Absurde gewendet und so übersteigert, dass der Textcharakter des Werkes stärker in das Bewusstsein der Leser rückt.39 Die Form drängt sich auf, nicht zuletzt auch durch die virtuose Nachahmung so vieler verschiedener Stile in den Reden der Dialogfiguren. So wird man ständig daran erinnert, dass das Symposion einen Autor hat und eine Inszenierung ist, nicht einfach eine Dokumentation, ein bloßer Spiegel irgendeiner Realität. Es ist eine „performance“, ebenso wie die Gäste beim erzählten Symposion sich selbst inszenieren. In dieser performativen Selbstinszenierung erscheint der implizite Autor „Platon“ als noch ein weiterer Sokrates-Berichterstatter, mit dem der Textverfasser Platon uns Leser anregt, über unsere eigene Sokrates-Rezeption nachzudenken. In einer komischen Geste aus dem Text heraus, lässt der Verfasser des Symposion Alkibiades – noch einen weiteren Sokrates-Berichterstatter! – erklären, was mit Rezipienten von Sokrates’ Worten geschieht (215d–e): Erschüttert und gebannt sind sie; wild klopft das Herz; die Tränen f ließen in Strömen, schlimmer als wenn man ein Korybant, ein selbst-kastrierter, ekstatischer Kybele-Priester wäre. Und so ist es nicht nur, wenn jemand Sokrates selbst sprechen hört, sondern sogar auch dann, wenn ein anderer Sokrates’ Worte nur berichtet, „und mag der Sprecher auch noch so schlecht sein“ (215d). Sollen wir uns als Leser wirklich mit Alkibiades identifizieren und von Sokrates’ Worten, wie sie „Platon“, gewiss kein schlechter Autor, wiedergibt, in selbstvergessene Ekstase versetzen lassen? Dagegen spricht schon die abschreckende Komik der von Alkibiades beschriebenen Effekte, wie auch das wiederholte Abreißen des sokratischen Dialogs und speziell Sokrates’ Scheitern bei Alkibiades (oder umgekehrt Alkibiades’ Scheitern bei Sokrates). Vor allem aber ist es merkwürdig, dass Sokrates selbst im Symposion kaum zu Wort kommt und wir hauptsächlich Worte von anderen lesen. All dies sind Signale, dass die von Alkibiades beschriebene Sokrates-Rezeption neben der Rezeptionsweise der Geschäftsleute, die sich nur amüsieren wollen, und dem hingebungsvollen Berichterstatten und Nachahmen der äußeren Form, wie es bei Apollodoros und Aristodemos zu beobachten ist, ein weiteres Beispiel dafür ist, wie man Sokrates und somit auch Platon nicht lesen soll. Wie aber macht man es richtig? Ich möchte vorschlagen, die Antwort auf diese Frage in der Ambivalenz der Autorfigur zu suchen. Dadurch, dass Platon andere sprechen lässt, 38 Vgl. auch Johnson (1998, 590); mit Halperin (1992, 115) kann man die Reihe solcher passiver Rezipienten auf Alkibiades ausdehnen (215d). 39 Zu Dialogform und platonischer Ironie als Leseanweisung siehe z. B. Rosen (1987, xlv–ix); Heitsch (1988); Gill (2002, 148). Eine besonders wichtige Diskussion der Dialogform generell ist Blundell (2002).
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spielt er die Rolle eines Stenographen, der scheinbar nur stilvolle Behältnisse für fremde Weisheit formt. Hier im Symposion aber ist er weniger zurückhaltend. Autorschaft tritt in den Vordergrund und erinnert uns Leser daran, dass der Textverfasser Platon gerade kein bloßer Berichterstatter und Nachahmer ist. Er verfällt auch nicht heulend in Ekstase, sondern schafft etwas Neues und Schönes. Als Sokrates-Hörer, aber zugleich auch Schöpfer von platonischen Dialogen ist er ein exemplarischer Sokrates-Rezipient, der genau das in die Tat umsetzt, was Diotima als Objekt des erotischen Begehrens definiert. Wer erotisch liebt, begehrt nicht etwa das Schöne selbst, sondern das ständige Hervorbringen im Schönen (206b). Ebenso, möchte ich vorschlagen,40 zielt wahre SokratesRezeption nicht auf Sokrates selbst, sondern auf das Gebären in Sokrates. Das gleiche gilt natürlich auch für Platon-Rezeption. Wer immer nur Leser bleibt, hat verloren.
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3 Christian Pietsch
Die Rede des Phaidros (178a6–180b8)
Dass die Rede des Phaidros nicht nur in der Reihenfolge der Reden über Eros am Anfang steht, sondern auch inhaltlich, darüber bestand und besteht in der Forschung Konsens. Doch bei der Beantwortung der Frage, ob Phaidros überhaupt einen sachlichen Beitrag im Sinne Platons zu diesem Thema leistet und wenn ja, in welchem Umfang, sind die Ansichten geteilt. Den meisten Interpreten gilt die Phaidros-Rede inhaltlich als substanzlos und eher von konventionell rhetorischen Gesichtspunkten bestimmt, ja geradezu als eine sophistische Karikatur (vgl. Rosen 1968, 40 f.; weiter Houghton 1942; Dover 1980, 90; Piras 1996, 45–50; Gotshalk 1996, 146; Rowe 1998a, 10, 137; Rowe 1998b, 24). Sie scheint das Phänomen „Eros“ nur von akzidentellen Aspekten her zu bestimmen und zudem einer einseitig positiven Sicht körperlicher Erotik verpf lichtet zu sein (Nola 1990; Thiel 2002, 9). Ein sachlicher Beitrag, der auch noch für die platonische Darstellung des Eros in der Sokrates-Diotima-Rede von Bedeutung sein könnte, scheint nicht in ihr enthalten. Ihr Wert bestehe daher nicht in dem, was sie selbst sachlich aussagt, sondern im Kontrast zu den folgenden Reden bzw. letztlich zur Rede des Sokrates.1 Dagegen wird vor allem in einigen neueren Beiträgen, ohne dass der beschränkte Horizont dieser Rede grundsätzlich bestritten würde, doch auch ein sachlicher Beitrag zur Eros-Diskussion Platons im Symposion gesehen (Moore 1973, 67 f.; Nola 1990, 56–66; Reale 2001, XXXIV; Hunter 2004, 41 f.; Fussi 2008).2 Bevor im Folgenden auf die Phaidros-Rede im Einzelnen eingegangen werden kann (III), sollen zunächst zwei Aspekte betrachtet werden, die das Verständnis der Rede im
1 Eine Zusammenstellung entsprechender Positionen aus der älteren Forschung findet sich bei Nola 1990, 54–56; weiter Salman 1993 mit Bezug auf Phaidros’ kosmologische Aussagen; Rowe 1998a, 8 f. 2 Nicht in die Diskussion einbezogen werden kann die eher frei inspirierte als interpretierende Arbeit von Berg 2010, 15–23.
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Ganzen betreffen: die Person des Phaidros bei Platon (3.1) und das Verhältnis der Phaidros-Rede zu den nachfolgenden Reden (3.2).
3.1 Phaidros als Person Zunächst zur Person des Phaidros. Der Platonleser begegnet dem vermutlich um 450 v. Chr. im attischen Demos Myrrhinus geborenen, zum fiktiven Zeitpunkt des Symposions im Jahre 416 v. Chr. also etwa 35 Jahre alten Phaidros auch anderweitig. Er wird in Prt. 315c als einer der Gesprächsteilnehmer genannt, ohne allerdings weiter in Erscheinung zu treten. In dem nach ihm benannten Dialog Phaidros dagegen ist er der einzige Gesprächspartner des Sokrates. Er erweist sich dort als junger Mann, der sich nicht nur gern mit ästhetisch anspruchsvoller Literatur befasst (Phdr. 258e), sondern gerade am Thema „Eros“ besonderes Interesse hat. Die von ihm mit Bewunderung vorgetragene Rede des Lysias behandelt die Frage, wie der optimale Liebhaber beschaffen sein sollte (Phdr. 230e234c).3 Zu dieser Interessenlage passt die auf Phaidros zurückgehende thematische Wahl eines Lobpreises (enkōmion) auf Eros im Symposion. Phaidros habe, wie Eryximachos den Versammelten berichtet, immer wieder seinen Ärger darüber geäußert, dass Eros, „ein Gott von solcher Größe und Bedeutung“, noch kein würdiges, d. h. professionelles, ästhetisch hochwertiges Lob erhalten habe „bis auf den heutigen Tag“. Das gilt nach Phaidros für den Bereich der Dichtung, denn traditionell vollzieht sich Lob auf Götter in den poetischen Formen von Hymnus oder Paian. Es gilt aber auch für den Bereich der Prosaliteratur, in deren Rahmen Sophisten Lobreden auf andere göttliche Personen durchaus schon verfasst hätten, wie etwa Prodikos auf Herakles,4 nicht aber auf Eros (177a–c). Da sein Wunsch allgemeine Zustimmung findet, darf Phaidros hinsichtlich der Wahl des Themas als „Vater der Erörterung“ gelten (177d) und den Reigen der Redner eröffnen. Interessant ist diese Äußerung des Phaidros über ein seiner Ansicht nach vorhandenes thematisches Desiderat der bisherigen griechischen Literatur vor allem deshalb, weil sie erkennen lässt, wie Phaidros’ Redebeitrag zu bewerten ist. Denn wenn Phaidros die literarische Vernachlässigung des Eros beklagt und Abhilfe schaffen will, dann qualifiziert er seine Rede damit als Teil dieser literarischen Tradition, die er ergänzen möchte. Tatsächlich argumentiert Phaidros inhaltlich und methodisch ganz innerhalb der Grenzen und Vorgaben der ihm zugänglichen literarischen und mythologischen Tradition, 3 Die Entstehung des Phaidros nach dem Symposion ist heute nicht umstritten; vgl. Erler 2007a, 24. Die Personencharakteristik des Phaidros entspricht sich in beiden Dialogen. Zum Verhältnis beider Dialoge s. in diesem Band Kreft. 4 Bekannt unter dem Namen „Herakles am Scheideweg“, überliefert durch Xenophon in den Memorabilien 2,1,21–34.
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die er in ihrer vollen Breite von der religiösen Enkomiastik bis hin zur Prosarede „der tüchtigen Sophisten“ als kulturelles Erbe sieht. Wie sich zeigen wird, besteht sein Verfahren darin, die in Literatur und Mythologie verstreut durchaus vorhandenen, aber offenbar noch nicht in der wünschenswerten Intensität und Konzentration vorgebrachten positiven Äußerungen über Eros zu einer neuen Aussage zusammenzuführen.5 Die literarische Tradition wird nicht, wie später in der Sokrates-Diotima-Rede, durch neue Gedanken bereichert, differenziert oder gar in dem Sinne überwunden, dass eine neue Ebene gedanklicher Ref lexion erreicht würde, sondern das Vorhandene wird neu kombiniert und zur Füllung einer Leerstelle verwendet.
3.2 Der Kontext der Phaidros-Rede Ein weiterer für die Deutung wichtiger Aspekt ergibt sich aus dem inhaltlichen Verhältnis der insgesamt sieben Reden des Symposion zueinander. Während etwa im Phaidros konträre Beiträge aufeinander folgen, ist das Verfahren im Symposion anders. Über das gemeinsame Thema hinaus bauen die Reden dort im gedanklichen Duktus zumindest teilweise aufeinander auf. In den jeweils nachfolgenden Reden wird ein Teil der Aussagen bewahrt, differenziert, ergänzt und in eine umfassendere Perspektive integriert (Nola 1990, 58; Thiel 2002; Eucken 2006, 19). Vermutlich auf diese inhaltliche Abfolge der Reden soll der Umstand hinweisen, dass nicht alle während dieses Symposions gehaltenen Reden referiert werden. Aristodemos habe sich, so heißt es (180c), an etliche Redner, die nach Phaidros gesprochen hätten, überhaupt nicht mehr erinnern können, sie daher ausgelassen und über die Rede des Pausanias berichtet. Platon lässt durch diesen Hinweis die referierten Reden als eine gezielte Auswahl erscheinen. Dass gerade sie im Gedächtnis des Referenten haften geblieben sind, verweist auf inhaltliche Zusammengehörigkeit. Was Phaidros zu sagen hat, mag eine noch rudimentäre Art der Beschreibung des Phänomens „Eros“ sein. Dennoch werden auch dort bereits Aussagen getroffen, die in den folgenden Beiträgen ihre Gültigkeit behalten.6 Dies wird sichtbar, wenn man die Kernaussagen der sechs Reden bis zur Sokrates-Diotima-Rede nachvollzieht: 5 Eros wurde durchaus von etlichen Dichtern erwähnt, außer den von Phaidros selbst erwähnten Passagen aus Hesiod, Akusilaos, Parmenides, Homer und dem Alkestis-Mythos etwa von Alkaios (fg. 327 LP) oder Simonides (fg. 70 Page); s. weitere Stellen bei Reale 2001, 171. Unwahrscheinlich ist, dass Phaidros seine literarischen Vorgänger verschweigt, um seine eigene Leistung als erster wahrer Eros-Enkomiast hervorzuheben (so Rowe 1998a, 135), da Phaidros zumindest einen Teil seiner Prätexte offen benennt und sich argumentativ auf sie stützt. Eher wird ein Teil der Eros-Tradition deswegen nicht erwähnt, weil er den Kriterien eines Enkomions nicht gerecht wird, aber auch das autoritative Gewicht genealogischer „Fachleute“ wie Hesiod nicht besitzt. Vgl. Dover 1980, 90. 6 Zum Fortschritt der Reden und zu dem, was an ihnen in den folgenden Reden festgehalten und was überwunden wird, am besten Thiel 2002, v. a. 16.
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– Rede des Phaidros (178a6–180b8): • • • • • • • • •
Eros ist ein alter Gott (nach Hesiod, Akusilaos und Parmenides); Eros wird nur für den Bereich der Menschen thematisiert; Eros wird nicht definiert, nur seine Wirkungen werden beschrieben; Ort von Erotik ist vor allem die homoerotische männliche Beziehung (trotz des Alkestis-Beispiels in 179b–d); Eros richtet sich vom Liebhaber auf den Geliebten, die Beziehung zwischen Liebendem und Geliebtem ist insofern nicht reziprok; reziprok ist jedoch das Gefühl der Verbundenheit (philia, agapē); Eros verschafft beiden Partnern bei beidseitiger Würdigkeit größte Vorteile; der Liebende besitzt einen höheren Wert als der Geliebte; die aus erotisch-körperlicher Beziehung erwachsenden Folgen sind ausschließlich positiv. Durch Erzeugung von Scham und moralischem Ehrgeiz haben sie einen hohen sozialen Wert.
– Rede des Pausanias (180c3–185c3): • • • •
Der Eros wird weiterhin nur als menschliches Phänomen besprochen; erneut werden nur Wirkungen, aber keine Definition genannt; die Zielsetzungen des Eros werden nach Seele und Körper differenziert; der Unterscheidung von Seele und Körper entspricht die Unterscheidung einer himmlischen und einer allgemeinen Aphrodite sowie eines guten und eines schlechten Eros; • durch die primäre Ausrichtung der Erotik auf die Seele kann auch die körperliche Erotik veredelt werden. – Rede des Eryximachos (185e6–188e4): • Pausanias’ Unterscheidung zweier gegensätzlicher Arten von Eros wird fortgeführt; • Eros wird zum universalen Prinzip, erläutert an Arztkunst und Musik; die Zielsetzungen des guten Eros müssen gefördert, die des schlechten verhindert werden; • erstmals wird eine Art von Wesensbestimmung des Eros versucht: Herstellung von Vereinigung, allerdings nur abstrakt und ohne Orientierung an der spezifischen Eigenart der unterschiedlichen Verbindungen.
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– Rede des Aristophanes (189c2–193d5): • Die Rede grenzt sich zwar ab von den Reden des Pausanias und Eryximachos, hebt deren Gültigkeit aber nicht auf; • die Rede ist beschränkt auf den noch nicht berücksichtigten Gesichtspunkt der Unvollkommenheit des Liebenden; • Liebe äußert sich als Sehnsucht nach der verlorenen ursprünglichen Einheit. – Rede des Agathon (194e4–197e8): • Sie hebt Aristophanes’ Verständnis erotischen Strebens als Ausdruck eines Mangels wieder auf; • sie führt explizit als methodischen Grundsatz ein, dass vor der Wirkung des Eros erst sein Wesen zu behandeln sei; • Eros wird wie bei Phaidros ausschließlich positiv (schön, gerecht, weise usw.) bewertet, gilt gegen Phaidros aber als jüngster unter den Göttern; • Eros ist seinem Wesen nach auf Schönes gerichtet (mit Phaidros, gegen Pausanias und Eryximachos). – Rede des Sokrates (199c1–212c3): • Liebe kann sich nur auf Schönes richten (gegen Pausanias und Eryximachos, mit Phaidros und Agathon); • Pausanias’ und Eryximachos’ Behauptung von zwei Arten von Eros wird differenziert: Es gibt nur einen Eros, der sich aber auf Güter unterschiedlicher Wertigkeit richten kann; • Eros ist nicht vollkommen, erotisches Streben beruht auf Mangel (gegen Phaidros und Agathon, mit Aristophanes); • erst muss Eros’ Wesen, dann erst die Wirkung beschrieben werden (mit Agathon); • Erotik wird stufenhaft (Körper – Seele – Intellekt) auf das Schöne selbst als transzendentes Prinzip zurückgeführt.
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3.3 Die Phaidros-Rede Nach dem Umfeld von Person und Kontext nun die Rede des Phaidros selbst (178a– 180b): 1. Abschnitt (178a–c): Eros ist eine der ältesten Gottheiten. 2. Abschnitt (178c–e): Eros ist Ursache größter Güter für die Menschen: Scham und Tugendstreben. 3. Abschnitt (178e–179b): Eros steigert besonders die militärische Leistungsfähigkeit bis zum Opfertod. 4. Abschnitt (179b–180b): Mythische Beispiele für den Opfertod Liebender. 1. Abschnitt (178a–c): Phaidros konzentriert sich in diesem Abschnitt ausschließlich auf Eros selbst. Erst im zweiten Abschnitt wird er über die Wirkungen sprechen, die Eros in den Menschen entfaltet. Das ist bemerkenswert, da Phaidros dadurch unausgesprochen einer Forderung gerecht wird, die im Symposion explizit erst von Agathon erhoben und von Sokrates bestätigt und vollendet wird, die aber vor allem in den platonischen Frühdialogen als methodisches Grundprinzip gilt: Jeder Gesprächsgegenstand muss zuerst definiert werden, danach erst kann über die von ihm ausgehenden Wirkungen gesprochen werden. Phaidros’ Bestimmung des Eros als große, bedeutende und alte Gottheit – sie gibt nicht eigentlich Wesensmerkmale an – nimmt dies in einer noch rudimentären Form vorweg. Phaidros preist die bewunderungswürdige Größe des Eros in hymnischem Ton (178a). Eros ist nicht nur ein Gott, sondern sogar ein besonders altehrwürdiger. Als Beleg wird seine Elternlosigkeit angeführt. Denn als Prinzip geschlechtlicher Zeugung muss Eros selbst ungeschlechtlich entstanden sein und verweist seine Entstehung ohne Zeugungsakt auf einen früheren Zustand. Phaidros belegt dies autoritativ mit einem Zitat aus Hesiods Theogonie (116 f., 120): Hesiod sagt, zunächst sei Chaos entstanden, „... aber dann die breitbrüstige Erde, aller Dinge sicherer Sitz immer, … und Eros.“
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Nach Chaos seien also Erde und Eros entstanden.7 Eros steht somit in der Reihe der ersten, ohne Zeugung entstandenen Gottheiten.8 Wenn Phaidros auch nur bis zu dieser Stelle zitiert, so ist doch für jeden zeitgenössischen Hesiod-Kenner selbstverständlich, dass von da an das weitere Entstehen auf geschlechtlicher Interaktion beruht. In allen Zeugungsakten bei Göttern und Menschen ist Eros immer mitzudenken. Er wird zu der Triebkraft für den kontinuierlichen Fortgang der Naturprozesse schlechthin. Der Zeitgenosse weiß aber auch um den hymnischen Ton, mit dem Hesiod fortfährt: ‹Eros ist› der schönste unter den unsterblichen Göttern, gliederlösend, von allen Göttern und allen Menschen bezwingt er in der Brust das Planen und besonnenen Rat. (120–122) Es ist dieser hymnische Ton, den Phaidros übernimmt. Was er zu sagen hat, soll nicht nur als seine persönliche Meinung verstanden werden. Phaidros kann sich, wie auch die Nennung weiterer Gewährsleute aus der literarischen Tradition wie Akusileōs9 und Parmenides10 zeigt, auf einen Konsens der Überlieferung berufen. Gerade dies ist – hier und im Folgenden – charakteristisch für Inhalt und Methode von Phaidros’ Argumentation. Sie stützt sich auf die zu ihrer Zeit allgemein anerkannte literarische und mythologische Tradition und wäre von jedem Athener mit gehobenem Bildungsstand ähnlich vorgetragen worden. Entsprechend entwickelt Phaidros seine Ansichten über Eros nicht aus der Sache heraus, sondern im Rahmen der etablierten Konventionen mit Hilfe von Zitaten und Verweisen. Er verfährt nicht philosophisch-argumentativ, sondern autoritativ (Reale 2001, XXXV f.). Diese Verankerung im kulturellen Umfeld des zeitgenössischen Athen bildet den Hintergrund für die Deutung der Phaidros-Rede. 2. Abschnitt (178c–e): Wenn Phaidros im Folgenden – nach der „Definition“ im 1. Abschnitt – sein Verständnis von den Wirkungen des Eros bzw. von erotischer Aktivität unter Menschen entwickelt, so tut er dies erneut aus seiner Bindung an literarische Tradition und gesellschaftliche Konvention. So sieht er Erotik primär in einer gleichge7 Phaidros erwähnt nicht den ranggleichen, ebenfalls ungezeugt entstandenen Tartaros (119). Das Verständnis des von Phaidros gewünschten Belegs wird durch diese Verkürzung aber nicht beeinträchtigt; ein gezieltes Verschweigen des Tartaros, um das Dunkle, Unbeherrschbare aus dem positiven Bild des Kosmos auszuschließen, vermutet dagegen Salman 1993, 109–111. 8 Wenn Phaidros behauptet, niemand habe je Eltern des Eros genannt, so tut er dies entweder aus Unkenntnis der durchaus vorhandenen Erwähnungen (s. Reale 2001, 171) oder um der Stärkung der eigenen Argumentation willen. In jedem Falle folgt er der allgemein akzeptierten Standard-Genealogie. 9 Ein früher Historiker des frühen 5. Jh.s v. Chr., der u. a. theogonische Genealogien verfasst haben soll, in denen offenbar auch von Eros die Rede war; Zeugnisse bei Diels-Kranz, Vorsokratiker 9. 10 Parmenides, ein Philosoph des 5. Jh.s v. Chr. aus dem süditalischen Elea, in dessen Gedicht Über die Natur Eros in der Göttergenealogie offenbar gleich nach dem ersten zeugenden Prinzip verortet war, ohne dass der genaue Kontext des von Phaidros angeführten Zitates („ersann den Eros als ersten aller Götter“) deutlich wäre; s. die Zeugnisse bei Diels-Kranz, Vorsokratiker 28, B 13.
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schlechtlichen Beziehung verwirklicht, wie sie in Griechenland anerkannt war: zwischen einem älteren Liebhaber (erastēs) und einem jüngeren, an der Grenze zum Erwachsenenalter stehenden Geliebten (erōmenos). Zumindest dem Anspruch nach wurde einer solchen Beziehung über das Sexuelle hinaus eine wichtige erzieherische Wirkung auf den Jüngeren, aber auch ein Leistungsanreiz für den als Vorbild fungierenden Liebhaber zugeschrieben (Dover 1983, 176 f.). Entsprechend sieht auch Phaidros Bedeutung und Berechtigung solcher Erotik. Sie ist kein Selbstzweck, sondern soll zu einer besonders intensiven Aneignung von Verhaltensweisen führen, die für eine Polis von zentraler Bedeutung sind. Die eröffnende Aussage dieses Abschnitts, der Eros sei Ursache größter Güter für uns Menschen, spezifiziert er dahingehend, dass er kein größeres Gut benennen könne für einen jungen Mann als einen redlichen Liebhaber und für einen Liebhaber kein größeres Gut als einen (redlichen) Geliebten. Diese Aussage wird anschließend noch weiter spezifiziert durch die konkrete Benennung dieses Nutzens: Scham (aischynē) und Ehrgeiz (philotimia) sind es, die durch den so praktizierten Eros wirkungsvoller hervorgebracht werden als durch Verwandtschaft, gesellschaftliche Ehren, Reichtum oder andere derartige Ziele, die Menschen motivieren können. Scham und Ehrgeiz bilden zentrale Werte einer Polis-Gesellschaft. Aischynē – häufiger mit dem Begriff der aidōs bezeichnet – ist keine Tugend im aktiven Sinne. Sie wirkt vielmehr als eine individuell unterschiedlich ausgeprägte Korrekturinstanz bei drohendem negativen Verhalten, wobei die gesellschaftlich anerkannten, aber auch die vom Individuum für sich selbst gesetzten Normen den Maßstab bilden (Cairns 1993, 370– 392; speziell zur Phaidros-Rede 378). Dieses für die Sozialverträglichkeit des Einzelnen und für die Kohärenz einer Gesellschaft wesentliche Regulativ ist fester Bestandteil griechischer Normen. Die Scham findet sich entsprechend auch in der Literatur breit vertreten, wo sie als Merkmal charakterlich hoch stehender Menschen gilt, während ihr Fehlen zu massiver Beeinträchtigung der sozialen Harmonie führt. So verlassen Aidōs und Nemesis bei Hesiod als letzte Götter die Menschen des Eisernen Zeitalters.11 Bei Sophokles hat sie ihren Platz neben Zeus als Aufseherin allen Handelns.12 Verschwindet sie aus der Gesellschaft, bleibt Unrecht wie Mord ungesühnt.13 In dem bei Platon von Protagoras vorgetragenen Mythos wird Aidōs zusammen mit Dikē zu den Menschen gesandt, um ein Zusammenleben zu ermöglichen, d. h. sie ist eine conditio sine qua non menschlicher Gemeinschaft.14 Der literarischen Prominenz der aischynē bzw. aidōs entspricht im Bereich des Religiös-Rituellen ein Kult, den aidōs in Athen hatte.15 11 Hes., Op. 200; dieser und die folgenden Belege aus Graf 1996, 312. 12 Soph., OC 1267 f. 13 Soph., El. 247 ff. 14 Prt. 322c; vgl. Th. 1,83–86, 289–292, 646 f., 634 f. 15 Hesychios, s. v. Aidous bōmos; Paus. 1, 17, 1.
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Es bestand also ein breiter Konsens über ihre Rolle als wesentliche Voraussetzung und Ermöglichungsbedingung für gutes, d. h. normgerechtes Verhalten. Mit der zweiten der von Phaidros benannten Wirkungen des Eros, dem „Ehrgeiz im Bereich des sittlich Schönen“ wird nur die andere Seite derselben Sache benannt. Die Verhinderung negativer, „schämenswerter“ Aktivitäten lenkt die Handlungsmotivation in eine gesellschaftlich sinnvolle Richtung. Mit der Formulierung vom „Ehrgeiz im Bereich des sittlich Schönen – statt „schön“ (kalon) hätte auch der Begriff der „Tugend“ oder „charakterlichen Vollendung“ (aretē) verwendet werden können – ist generalisierend das Streben um Vervollkommnung in allen moralisch relevanten Bereichen gemeint. Die öffentliche Anerkennung eines solchen „Ehrgeizes“ als wünschenswerte Grundausrichtung eines in gesellschaftlichem Kontext Handelnden muss kaum eigens belegt werden.16 Der Bezug von Phaidros’ Tugendkonzeption auf einen gesellschaftlichen Kontext wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass Scham und Ehrgeiz geweckt werden, wenn man sich unter Beobachtung weiß. Diesen Punkt lässt Platon in der Politeia durch Sokrates bekanntlich dahingehend modifizieren, dass tugendhaftes Verhalten auch unabhängig von Beobachtung, d. h. um seiner selbst bzw. um des Wohles der eigenen Seele willen, zu üben sei. Für Phaidros dagegen vollzieht sich tugendhaftes Verhalten in der Interaktion der Individuen einer Gesellschaft. Das Ergebnis wird dabei umso besser sein, je stärker der Wunsch entwickelt ist, vor den Augen des Beobachters bestehen zu können. Die Motivation, einen solchen Wunsch zu entwickeln, ist in einer Beziehung von Liebhaber und Geliebtem am größten. 3. Abschnitt (178e–179b): Die Fixierung der Phaidros-Rede auf den zeitgenössischen gesellschaftlichen Kontext zeigt sich aber auch noch in einem weiteren Punkt. Die Bedeutung von „Scham“ und „sittlichem Ehrgeiz“ gilt für den gesamten Bereich menschlichen Handelns und wird von Phaidros zunächst auch entsprechend allgemein formuliert. Er greift dann aber einen spezifischen Bereich heraus: militärisches Handeln. Scham und sittlicher Ehrgeiz bewirken dort die Vermeidung unmännlichen Verhaltens im Kampf, und zwar sowohl in dem, was man aus eigenem Entschluss tut, als auch in dem, was man sich vom Feind gefallen lässt. Und nun macht Phaidros ein Gedankenexperiment: Wenn es zur Entstehung einer Stadt oder eines Heerlagers aus Paaren von Liebhabern und Geliebten käme, dann wäre dies die optimale politische Basis, da auf diese Weise sowohl Wetteifer um den höchsten Tugendgrad als auch Leistungsfähigkeit im Kampf bis hin zum freiwilligen Opfertod für den anderen freigesetzt würden – eine Auffassung, die in der Sokrates-Diotima-Rede ebenfalls als Leistung des Eros hervorgehoben (208c1–e5), wenn auch noch nicht als die höchste 16 So stellt etwa Platons Zeitgenosse Isokrates (pac. 90) seinen Mitbürgern den – seiner Meinung nach allerdings nur bei den Athenern der Perserkriege verwirklichten – „Ehrgeiz um die Gerechtigkeit der Stadt und um die persönlichen Tugenden“ als Vorbild hin.
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Vollendung erotischen Strebens beurteilt wird. Der platonische Aufstieg zum Schönen wird letztlich über diese Form erotisch bedingter Leistungen hinausführen, aber nicht ihren relativen Wert bestreiten. Die Verbindung der Begriffe „Stadt“ (polis) und „Heerlager“ (stratopedon) im Sinne äquivalenter Begriffe – das „oder“ ist nicht exklusiv, sondern koordinativ im Sinne gleichwertiger Möglichkeiten – ist aufschlussreich. Denn sie kommt nicht nur der Konzeption Platons zumindest nahe, nach der bei der Gründung einer Stadt gerade der Stand der Wächter eine zentrale Stellung im Rahmen der Polisgemeinschaft einnimmt, wenn Platon die Wächter auch nicht als erotische Paare miteinander verbunden sein lässt. Auch sonst scheint die Idee einer aus Liebespaaren gebildeten Kämpfergemeinschaft unter den Zeitgenossen Platons diskutiert worden zu sein. Das bekannteste und im Zusammenhang mit dieser Stelle immer wieder erwähnte Beispiel ist die aus 150 solcher Paare bestehende „Heilige Schar“, die um 378 v. Chr. als Thebanische Elitetruppe gegründet worden sein soll.17 Es ist nicht sicher, ob Phaidros auf diese „Heilige Schar“ anspielt,18 ja noch nicht einmal die Existenz der Heiligen Schar ist sicher. In jedem Falle aber – und nur das ist für den Gedankengang entscheidend – verweist diese Stelle darauf, dass politische Konzepte einer auf erotischer Basis gründenden Stärkung des gesellschaftlichen und militärischen Zusammenhaltes und der Elitebildung offenbar populär waren.19 Phaidros, der vor dem Hintergrund allgemein akzeptierter Vorstellungen spricht, sieht sie als geeignetes Mittel, um seinem Lob auf Eros Überzeugungskraft zu verleihen. 4. Abschnitt (179b–180b): Im zweiten und dritten Abschnitt hatte Phaidros die Wirkungen des Eros in allgemeiner Form besprochen. Er war dabei nicht philosophischargumentativ vorgegangen, sondern autoritativ auf dem Boden gesellschaftlicher Konventionen und Normen. Der letzte, längste Abschnitt seiner Rede liefert nun „empirisches“ Beweismaterial (martyria). Die vorgelegten Einzelfälle stammen freilich in der für Phaidros typischen Art nicht etwa aus freier, eigener Beobachtung, sondern erneut aus einem Reservoir von hoher Konventionalität und gesellschaftlicher Verbindlichkeit: aus dem Mythos. 17 Antike Zeugnisse: Plut., mor. 639F; Vit. Pelop. 18; Polyaen. II 5,1; Athen. XIII 561F. 602A; vgl. Dover 1983, 167 f.; De Voto 1992. Leitao 2002, 143 dagegen hält die „Heilige Schar“ für Fiktion. 18 Diese Stelle kann daher nicht als Datierungshinweis für das Symposion genutzt werden, wie etwa Dover 1980, 10 das Symposion auf vor 378 v. Chr. datiert, da die in diesem Jahr gegründete Heilige Schar von Phaidros nicht namentlich genannt werde. Dies ist kein zwingender Schluss. Auch bei einer Abfassungszeit nach 378 v. Chr. wäre es denkbar, dass Platon auf die Thebanische Schar nicht anspielen wollte, etwa zur Wahrung der fiktiven Situation des Jahres 416 v. Chr.; so Leitao 2002, 152. 19 So spricht auch Diotima in Symp. 208c6 ff., aber auch Aristoteles, EE III 1, 1229a21–25 dem Eros eine ursächliche Wirkung für Tapferkeit zu. Wichtig auch Xen. Smp. 8, 31–35. Zur Vorstellung männlicher Homoerotik als politischer und militärischer Grundlage im Rahmen der zeitgenössischen politischen Theorie s. Ludwig 2002, 28–39; Leitao 2002, 151–162.
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Dabei wird nicht die gesamte bisherige Entwicklung des Gedankens mythisch belegt, sondern nur der Gipfelpunkt, der am Ende des 3. Abschnitts erreicht war. Dort kulminiert der durch Erotik freigesetzte Leistungswille in der Bereitschaft zum freiwilligen Opfertod für den Partner. Die Realität dieser höchsten Form erotischer Wirkung zu belegen, ist Aufgabe der mythischen Beispiele. Implizit sind dann auch die geringeren Wirkungen bewiesen. Um zu verstehen, worin genau der „Beweis“ der mythischen Beispiele eigentlich besteht, muss man die Intention des zweiten und dritten Abschnitts genau im Blick behalten. Dort ging es um die positiven Wirkungen des Eros auf das Sozialverhalten und um die Behauptung, dass Eros diese Wirkungen intensiver als jede andere denkbare Motivation zustande bringe. Hält man dies fest, klärt sich manches Missverständnis bisheriger Interpreten auf. Als erstes Beispiel dient Alkestis (179b–d), die für ihren Mann Admetos starb. Admets Weiterleben hing davon ab, so der Mythos, dass ein anderer für ihn zu sterben bereit war. Da selbst seine alten Eltern sich weigerten, opferte sich schließlich Alkestis für ihn. Für diese Tat schenkten ihr die Götter die Rückkehr aus dem Hades in die Oberwelt.20 Wenn auch Phaidros Erotik hauptsächlich in der homoerotischen Beziehung zwischen Männern verwirklicht sieht, so ist sie prinzipiell auch in anderen Konstellationen möglich, auch zwischen Mann und Frau. Im Alkestis-Mythos erscheint Alkestis als Liebende, ihr Mann Admetos als Geliebter. Die Wahl des Alkestis-Mythos wurde nicht immer als passend empfunden. So moniert etwa Hunter (2004, 40), Alkestis’ Verhalten widerspreche dem Eros, da der Opfertod zu einer Trennung, statt zu einer Vereinigung des Paares führe. Alkestis werde wohl der philia, nicht aber dem Eros gerecht. Damit werden jedoch Wirkungen, die Eros erst in späteren Reden (Eryximachos, Aristophanes) zugewiesen werden, bereits hier zum Maßstab für die Stimmigkeit der Phaidros-Rede gemacht. Vereinigung als eigentümliche Leistung des Eros wird von Phaidros selbst gar nicht erwähnt. Es geht ihm vielmehr um die sozialen Wirkungen des Eros, der Menschen in besonderem Maße dazu motivieren kann, um anderer willen zentrale eigene Interessen zurückzustellen. Mit dem Opfertod als der größten möglichen Gabe für andere erreicht diese erotische Selbstüberwindung ihren Höhepunkt. Ein solches Gefühl der Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft21 – griechisch als philia („Freundschaft“) bezeichnet und prinzipiell in einer Beziehung reziprok – kann in dieser Intensität offenbar nur durch den von einem der Partner ausgehenden Eros bewirkt werden. Daher sind die nicht durch Eros bef lügelten Eltern 20 Phaidros weicht am Ende des Mythos von der Fassung der 438 v. Chr. aufgeführten Euripideischen Tragödie Alkestis ab, indem er die Befreiung der Alkestis aus den Händen des Todes nicht Herakles, sondern nur unbestimmt „den Göttern“ zuschreibt. Diese Vereinfachung mag durch die Konzentration auf den Aspekt des Opfertodes begründet sein. 21 Schon bei Homer hat philos daher oft die Bedeutung eines intensiven Possessivpronomens. philia schließt eine gleichzeitige nicht-reziproke erotische Beziehung des einen Partners zum anderen nicht aus; vgl. Dover 1983, 51–55.
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Admets nicht zum Opfertod bereit. Sie sind vergleichsweise „Fremde“ (allotrioi). Der Alkestis-Mythos erfüllt die ihm von Phaidros zugedachte Beweisfunktion durchaus.22 Der anschließende Orpheus-Mythos (179d) bildet das passende Gegenbeispiel. Die Relation der Personen zueinander entspricht zwar der im Alkestis-Mythos. Um Eurydike aus dem Hades zu erretten, wagt Orpheus den Gang in die Unterwelt, eine Handlung, die gemessen an normalem menschlichen Verhalten noch immer beachtlich ist.23 Doch im Unterschied zu Alkestis verfügt Orpheus nicht über einen hinreichend großen Eros.24 Er „schwächelt“ (malthakizesthai). Letztlich will er sein Leben nicht für Eurydike hingeben. Er steigt als Lebender – und nur unter dieser Voraussetzung – in die Unterwelt hinunter. Dieses mindere Ausmaß seiner Leistung beruht auf einem geringeren Eros. Allein Eros wäre, voll entfaltet, in der Lage gewesen, Orpheus zum Verzicht auf das Leben zu bewegen. Und allein dies hätten die Götter aus Bewunderung mit der Rückgabe Eurydikes belohnt. Stattdessen zeigten sie ihm nur ein Trugbild und beschlossen, er solle einst den Tod durch Frauen erleiden. Schließlich als letztes mythologisches Beispiel Achill (179e–180b): Er erreicht den höchsten Grad an erotisch bedingter Leistung. Denn er gibt nicht nur sein Leben hin wie Alkestis und über Orpheus hinaus, sondern er gibt sein Leben, obwohl er keine Aussicht mehr hat, das Leben des Patroklos dadurch zu bewahren oder zurückgewinnen. Der Opfertod des Achill verzichtet auf überhaupt jede positive Perspektive. Der Lohn der Götter entspricht der Leistung: Achill wird auf die Inseln der Seligen versetzt. Auch die Verwendung des Achill-Mythos im Rahmen von Phaidros’ Beweisabsicht fand Kritiker. In der Tat scheint aufgrund eines inneren Widerspruchs kaum eine stimmige Interpretation möglich. Problematisch ist, dass Achill ausdrücklich als Geliebter, nicht als Liebender dargestellt wird. Dies aber scheint Phaidros’ Beweisabsicht direkt 22 Ebenfall kritisch sieht Rowe 1998b, 25 die Wahl des Alkestis-Mythos, weil mit Alkestis im Gegensatz zur sonstigen Konstellation bei Phaidros eine Frau zur Liebenden gemacht werde. Phaidros macht aber ausdrücklich das Vermögen zu lieben zumindest prinzipiell nicht vom Geschlecht abhängig (179b4 f.). 23 Wenn Phaidros das Verhalten des Orpheus recht einseitig als schwach darstellt, liegt dies an dem gewünschten Kontrast zu Alkestis. Entsprechend lässt er Orpheus, abweichend von der gängigen Mythenversion, seinen Tod wegen persönlicher Weichlichkeit erleiden, die durch seinen Beruf („denn er war Sänger“) zum Ausdruck kommt. Dass in anderem Zusammenhang Orpheus’ Leistung auch positiv gewertet werden konnte, zeigt Phd. 68a. 24 Rowe 1998a, 139 sieht im Orpheus-Beispiel einen Widerspruch zu Phaidros’ Beweisabsicht, da Orpheus trotz seines Eros zu Eurydike die erforderliche Leistung nicht habe erbringen können, obwohl doch nach 179a7 f. („niemand ist so feige, dass Eros ihn in Hinsicht auf die Tapferkeit (aretē) nicht gottbegeistert machen würde“) jeder von Eros zu höchster Tapferkeit gebracht werde. Hier muss jedoch, abgesehen von der rhetorischen Überspitzung dieser Formulierung, der Unterschied der jeweiligen Personen berücksichtigt werden: In 179a7 f. handelt es sich um Paare von Elitekämpfern, bei denen ein gewisses Mindestmaß an Tapferkeit immer vorauszusetzen ist, das von Eros bis zum Optimum gesteigert werden kann. Orpheus dagegen wird, in pointierter Entgegensetzung, ausdrücklich als ein außergewöhnlich weichlicher Mensch gezeichnet; s. Anm. 23. Hier findet Eros offenkundig nicht die Voraussetzungen zur Erzeugung des erforderlichen übermenschlichen Mutes.
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zu widersprechen. Denn die ganze Absicht der Phaidros-Rede zielt doch auf einen Lobpreis des Eros bzw. auf eine Darstellung der leistungssteigernden Wirkungen, die er in Menschen hervorzurufen vermag, und entsprechend hatte Phaidros selbst zuvor ja auch mit Hilfe des Alkestis-Mythos zu belegen versucht, dass allein Liebende dazu befähigt seien, um des Geliebten willen zu sterben. Dagegen opfert sich Achill nach Auskunft des Textes (180a7–b3) gerade nicht aus erotischer Neigung, sondern aus „Wertschätzung“. Der an dieser Stelle verwendete Begriff der agapē entspricht der philia, von der bei Alkestis die Rede war, meint also ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Sie ist dasjenige persönliche Band, das beiden Partnern gemeinsam und im Gegensatz zum Eros reziproker Natur ist. Achill benötigt also für seine Großtat den Eros offensichtlich nicht (Rowe 1998a, 140; Eucken 2006, 20; Ungefehr-Kortus 2006, 244 f.). Als Erklärung für diesen offenkundigen Widersinn scheint den Interpreten nur eine negative Ethopoiie des Phaidros durch Platon25 oder gar nachplatonische Textmanipulation möglich (Ungefehr-Kortus 2006, 247). Doch auch hier liegt, behält man die Grundaussage der Rede im Blick, kein Widerspruch vor. Einen deutlichen Hinweis gibt bereits der Umstand, dass es Phaidros selbst ist, der im Gegensatz zu der offenbar vorherrschenden Sicht von Achill als Liebhaber des Patroklos Achill gezielt zum Geliebten des Patroklos macht. Während bei Homer das Verhältnis beider als Freundschaft unter Führung Achills, aber ohne Erotik gestaltet ist, deutet Aischylos nach dem Zeugnis der Phaidros-Rede das Verhältnis beider als erotisch und weist dabei Achill die Rolle des Liebhabers zu.26 Phaidros streitet dies jedoch ausdrücklich ab. Die Hinweise auf Achills Bartlosigkeit sprechen seiner Ansicht nach für besondere Jugend und also für die Rolle des Geliebten. Wenn also Phaidros diese Umkehrung des Verhältnisses von Achill und Patroklos gezielt herbeiführt, ist es schwer vorstellbar, dass er den gerade dadurch sich ergebenden Widerspruch nicht bemerkt haben sollte.27 Wahrscheinlicher ist, dass gerade diese Fassung des Mythos Phaidros’ Beweisabsicht besonders gut erfüllen soll. Tatsächlich bildet der Achill-Mythos nicht einfach nur eine weitere Parallele zum Alkestis-Mythos. Die positiven Auswirkungen erotischer Beziehungen finden sich nach Auskunft des 2. Abschnitts bei beiden Partnern (178c3 f.). Während der erotische Affekt einseitig auf den Liebenden beschränkt ist, betrifft die durch ihn bewirkte charakterliche Veredelung beide Seiten. Liebender und Geliebter halten sich im Angesicht des jeweils anderen gleichermaßen von Verfehlungen zurück (178d4–e3). Zwischen beiden besteht 25 So Rosen 1968, 57–59, der als Motiv Achills „calculation of his political advantages (represented by fame)“ vermutet; Rowe 1998a, 140: „Phaedrus is meant to be taken as being deliberately perverse“; Ungefehr-Kortus 2006, 247 erwägt zumindest als eine Möglichkeit, dass Phaidros in jugendlichem Übereifer „nicht auf die Stringenz seiner Ausführungen achtet“. 26 Vermutlich in der nur fragmentarisch überlieferten Tragödie Die Myrmidonen. 27 Rowe 1998b, 25 f. konzediert Phaidros zwar, dass er den Widerspruch wohl kaum übersehen konnte, erklärt die Bereitschaft, ihn zu akzeptieren, jedoch mit der Freude am freien Umgang mit dem Mythos.
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ein reziprokes Band der philia bzw. der agapē. Nun sagt Phaidros in der Tat ausdrücklich, dass der Liebende um des Geliebten willen „häufig“ den Tod wähle (pollakis, 179a5), ja dass allein die Liebenden für den Geliebten sterben wollen (179b4). Ein erotisch Liebender entwickelt diesen Impetus, weil er „gottbegeistert“ ist (éntheos; 179a7, 180b4). Er wächst über sein normales Maß hinaus und kommt dem Besten gleich (179a8). Er ist, mehr noch als der Geliebte, „göttlich“ (theiōteros, 180b3). Da liegt der freiwillige Opfertod, auch wenn er nicht immer vollzogen werden muss, gewissermaßen in dem für einen solchen Zustand üblichen Leistungsbereich. Anders ist es beim Geliebten. Er befindet sich nicht im Zustand göttlicher Begeisterung. Er ist mit dem Liebhaber „nur“ durch philia bzw. agapē verbunden und befindet sich emotional auf einer normalen menschlichen Ebene. Der Geliebte hat zwar dem Liebhaber gegenüber durchaus ein Gefühl der Verpf lichtung oder Zuneigung, aber dies umfasst in der Regel nicht die Bereitschaft zum Opfertod. Kann sich der Geliebte dennoch dazu entschließen, ist seine Leistung ungleich größer, da er sie von geringeren Voraussetzungen aus erbringt als der Liebende. Entsprechend größer fallen auch Bewunderung und Belohnung durch die Götter aus (180b1–3; vgl. Ludwig 2002, 30). Eine solche Leistung lässt sich nicht mehr steigern. Dabei ist der Umstand, dass sie nicht vom Liebenden, sondern vom Geliebten und somit nur indirekt durch erotische Wirkung erbracht wird, kein Widerspruch zur Beweisabsicht des Phaidros, sondern soll sogar gezielt als besonders wirkungsvoller Beleg für die positiven Wirkungen des Eros stehen. Eine solche Leistung, so will Phaidros sagen, ist nur im Rahmen einer Beziehung möglich, in der einer der Partner ein Liebender ist. Denn offenbar regt die Göttlichkeit erotischer Liebe auch den Geliebten so an, dass dessen nicht erotisch bestimmte Zuneigung ebenfalls über das normale Maß hinauswachsen kann. Die Göttlichkeit des Liebenden strahlt gleichsam auf ihre Umgebung aus. Die positiven Wirkungen des Eros finden sich letztlich bei beiden Partnern der Beziehung, beim Liebenden direkt, regelmäßig und leichter erreichbar, beim Geliebten indirekt und mit größerer persönlicher Leistung verbunden. Achill, der Geliebte, vereint daher alle nur denkbaren positiven Wirkungen in sich: Er stirbt für den Partner, er stirbt, ohne dessen Leben dadurch noch retten zu können, und er leistet dies, obwohl er sich nicht in einem Zustand erotisch bedingter Göttlichkeit befindet. Die mythologischen „Beweise“ werden Phaidros’ Absicht also durchaus gerecht. Denn wenn in einer erotischen Beziehung beide Partner zur charakterlichen Vollendung (aretē) des Selbstopfers fähig sind, dann versteht sich die Vollendung in den anderen, weniger anspruchsvollen sozialen Leistungen von selbst. Die Plausibilität, dass Menschen dieser Art generell „um des sittlich Schönen willen ehrgeizig“ sind (178d2) und dass von ihnen die denkbar positivsten sozialen Verhaltensweisen geübt werden, ist groß. Letztlich zielt der Beweisgang auf die gesellschaftliche Funktion erotischer Beziehungen und auf die Förderung, die die Gesellschaft als ganze von ihnen erfährt. Erotik ist vom Blickwinkel des Phaidros aus gesehen nicht nur und
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nicht einmal vorrangig als subjektives Erleben oder um der persönlichen Vervollkommnung willen interessant. Sie ist interessant wegen der Wirkungen, die Eros auf Menschen hervorruft, sofern sie Elemente einer Gesellschaft sind. Je mehr sich das gesellschaftliche Leben auf solche Beziehungen gründen ließe, umso mehr wäre es von der Vermeidung negativen und von der Stärkung sozial förderlichen Verhaltens bestimmt (178e–179a2). Die Rede des Phaidros weist im Vergleich mit den folgenden Reden sicher Schwächen auf. Ihr fehlt die Berücksichtigung der negativen Seiten erotischen Strebens wie in der Pausanias-Rede. Ihr fehlt der naturphilosophische Hintergrund der Eryximachos-Rede, die Originalität der Aristophanes-Rede und die strahlende Rhetorik der Rede Agathons sowie das explizite Bemühen um eine Definition des Eros. Und ihr fehlt erst recht die metaphysische Tiefendimension der Sokrates-Diotima-Rede. Sie ist unphilosophisch in dem Sinne, dass sie nicht aus der Sache selbst heraus argumentiert, sondern vom Boden etablierter Normen und literarisch-mythologischer Traditionen aus. Was in den Ohren eines modernen, dem Originalitätsideal verpf lichteten Rezipienten eher negativ klingen mag, kann aus der Sicht Platons jedoch durchaus auch positive Aspekte haben. Denn trotz ihrer Schwächen bleiben Phaidros’ Aussagen in einer sublimierten Form gültig (Reale 2001, XXXV f., 173). Dass Eros eine positive Grundkraft ist, durch die allein eine Motivation zu sinnvollem Handeln entsteht, und dass er dadurch in seinen Wirkungen zur „Ursache der größten Güter für uns“ werden kann (178c2 f.), das gilt im Grundsatz auch noch in der Sokrates-Diotima-Rede. Auch dass Erotik ihre positiven Effekte für Charakterbildung (aretē) und für die politische Situation einer Polis ausschließlich in einer homoerotischen Beziehung entfalten kann – wenn auch seiner Ansicht nach nur unter Verzicht auf die sexuelle Komponente – hierin geht Platon sehr weitgehend konform mit Phaidros (Nicolai 1998, 81–89). Platon geht es nicht um eine Überwindung, sondern um Läuterung der Tradition. Phaidros’ Rede thematisiert die unmittelbaren Wirkungen erotischer Aktivität für Staat und Gesellschaft, die in höchster Leistungsbereitschaft im Bereich sozial relevanten Verhaltens bestehen. Auch für Platon ist der Bereich des Politischen bekanntlich zentral. Wenn auch das letzte Ziel des Menschen in der Lösung der Seele vom Leib und in der Schau einer transzendenten Wirklichkeit liegt,28 gibt es doch auch eine sekundäre, irdische Form von Glückseligkeit, die der Mensch als Glied einer optimal verfassten menschlichen Gesellschaft erreichen kann und soll.29 Genau dies ist Thema der Politeia. Wenngleich dort die ausschließlich auf den irdisch-gesellschaftlichen Bereich beschränkte Perspektive der Phaidros-Rede vom Philosophen durch den Aufstieg zum Guten überwunden wird, so wird das Anliegen einer menschlichen Gesellschaft dadurch allenfalls relativiert, aber nicht entwertet. Denn der zur Schau des Guten aufgestiegene Philosoph verharrt dort 28 Phd. 81, 114c; Phdr. 248e–249a. 29 Phd. 82a–b; Rep. 472c–d; vgl. Erler 2007b, 67–71.
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ja nicht, sondern steigt wieder hinab in die „Höhle“ des irdischen Daseins, um vom Prinzip alles Guten her das menschliche Zusammenleben nunmehr begründet und gerecht zu regeln. Platon erkennt dem Bereich, auf den erotisches Verhalten in der PhaidrosRede zielt, also durchaus einen Wert zu.30 Dies ist im Symposion, wenngleich mit unterschiedlicher Akzentsetzung, analog. Auch dort kommt es in der Sokrates-Diotima-Rede zu einem Aufstieg aus dem Bereich des irdischen Lebens zum Schönen selbst. Und wenn auch die Schau dieses intellegiblen Prinzips das Schönste und Beglückendste ist, so sind die Formen körperlicher oder seelischer Schönheit doch nicht völlig wertlos. Wenn sie auch als vergleichsweise geringere Güter letztlich überwunden werden sollen, so bilden sie doch im Rahmen der gestuften platonischen Güterordnung den für den Aufstieg notwendigen Ansatzpunkt, ohne den ein Mensch gar nicht erst in Kontakt mit dem Schönen kommen könnte. Menschliche Erkenntnis fängt – auch bei Platon – im Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit an. Ist der Aufstieg zum Prinzip geschafft, ergeben sich auch im Symposion Rückwirkungen auf das Leben der menschlichen Gesellschaft. Wenn auch der Abstieg nicht ausdrücklich erwähnt wird, so ist doch an Sokrates, wie er in der Rede des Alkibiades beschrieben wird, ersichtlich, welches Sozialverhalten ein von philosophischer Erotik bestimmter Mensch an den Tag legt. Er vermeidet unbeherrschte Sexualität, er erträgt körperliche Strapazen und ist in schwieriger militärischer Situation ein Vorbild an Tapferkeit. Sokrates’ Verhalten kommt durchaus dem sehr nahe, was Phaidros als Vermeiden von Schändlichem (aischynē) und Eifer um das sittlich Schöne (epi tois kalois philotimia) beschreibt, nur dass Sokrates zur Gewinnung der Motivation nicht auf körperliche Erotik angewiesen ist. Wenn schließlich Phaidros die gefährliche, negative Seite nicht erwähnt, die Erotik auch haben kann, dann ist das nicht nur ein Mangel. Denn auch dies liegt – abermals in einem sublimierten und differenzierten Sinn – gar nicht weit ab von Platons eigener Sicht. Denn wie Platon keine Zwei-Prinzipien-Lehre vertritt, so erkennt er auch keinen unabhängig agierenden, bösen Eros an. Die Unterscheidung eines positiven und eines negativen Eros, die Pausanias und Eryximachos vertreten, wird von Sokrates nicht fortgeführt. Negative Erotik entsteht vielmehr dadurch, dass an sich Gutem der falsche Stellenwert zuerkannt wird, d. h. dass ein geringeres Gut höher und ein höheres Gut ge30 Hierzu gut Fussi 2008, 237–253. 260 f., wonach das in der Phaidros-Rede beschriebene erotische Streben primär auf Anerkennung – durch den Geliebten und die Öffentlichkeit – zielt. Dieses auf den Erwerb von Ehre bezogene Streben wird in Rep. 548c, 550b (philonikia). 475a, 548c, 549a (philotimia) als wesentliche Eigenschaft des thymos, d. h. des mittleren der drei Seelenteile, beschrieben. Geleitet durch die Vernunft ist dieser emotionale Seelenteil unabdingbare Voraussetzung für die Durchsetzung einer gerechten Gesellschaftsordnung. Diese Möglichkeit der positiven und sinnvollen Wirkung des thymos wird nach Fussi in der Phaidros-Rede vorgeführt. Wenn Phaidros selbst auch die Einordnung seines thymetischen Eros in den philosophischen Gesamtkontext Platons nicht bietet, kann seine Konzeption doch als – noch der Begründung bedürftiger und insofern noch auf der Ebene der Meinung (doxa) befindlicher – Teilaspekt der platonischen Sicht gewertet werden.
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ringer eingeschätzt wird, als es ihm jeweils zukommt. Eros, der auf Schönes bzw. Gutes zielt, kann sein Streben sehr wohl in der falschen Intensität auf mögliche Ziele richten, an sich ist er jedoch eine positive Grundkraft, ohne die ein Mensch überhaupt keine sinnvolle Motivation entwickeln könnte. Was Phaidros als politisch-gesellschaftliche Perspektive erotischen Strebens entwikkelt, ist also durchaus nicht unplatonisch. Platon will Phaidros’ Rede nicht lächerlich erscheinen und durch andere Aussagen späterer Reden ersetzen lassen. Es fehlt ihr freilich die philosophische Begründung, die jenseits der empirischen Welt verankert ist, und die Methodik des dialektischen Aufstiegs, wie er in der Sokrates-Diotima-Rede und in der Politeia beschrieben wird. So ist es nicht verkehrt, von der Phaidros-Rede einen großen Bogen zur Sokrates-Diotima-Rede sich erstrecken zu sehen. Die Rede des Phaidros bietet, was die Gestaltung der gesellschaftlichen Existenz des Menschen vor dem Hintergrund des Eros betrifft, einen ersten Schattenriss der platonischen Sicht.
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Die Rede des Pausanias (180c1–185c3)
In der hippokratischen Schrift Über die alte Medizin wendet sich der Autor gegen eine allzu simple Diätetik, die einem jeden, unabhängig von der individuellen Physis und Verfassung, eine leichte Kost empfiehlt: „Ja, wenn es so einfach wäre (ei men ēn haploun), dass beim Gesunden wie beim Kranken zu starke oder zu reichliche Nahrung schadete und schwächere oder knappere nützte, dann hätte man es leicht, aber in Wirklichkeit schadet Zuwenig ebenso wie Zuviel“.1 Natürlich ist die Unterscheidung von krank und gesund die elementarste aller ärztlichen Diagnosen, doch wie es innerhalb dieser Polarität mancherlei Übergänge und individuelle Abstufungen gibt, die eine adäquate Ernährungslehre zu berücksichtigen hat, so gilt nach Ansicht des Verfassers auch für die Diät selbst, dass die jeweilige Kost medizinisch betrachtet neutral und in ihrem Nutzen oder Schaden erst mit Blick auf den Einzelfall zu beurteilen ist. Das vermeintlich Einfache (haploun) erweist sich also nicht nur als ein Doppeltes, differenziert nach Krankheit und Gesundheit, sondern zugleich als ein poikilon, als etwas Schillernd-Komplexes, das eine „gesteigerte Akribie“ erfordert, insofern das diätetisch Gebotene variiert und sich nicht pauschal bestimmen lässt: entscheidend ist die jeweilige Anwendung. Denn, so meint der Verfasser in diesem vieldiskutierten 9. Kapitel, die Medizin braucht zwar (als technē) ein allgemeines Kriterium und muss „ein Maß anzielen“, aber dieses metron besteht, wie er in sinnfälligem Anschluss an die homo mensura-Konzeption und den Sensualismus des Protagoras erklärt, in der Wahrnehmung oder Empfindung (aisthēsis) des Körpers, d. h. in der physiologisch feststellbaren Reaktion des Individuums auf die diätetischen Maßnahmen. Es ist umstritten, wie De vetere medicina zu datieren ist – ob der Traktat noch ins fünfte Jahrhundert v. Chr., in den Anfang des vierten oder aber, was wissenschaftsgeschicht1 Hippokrates, VM 9, I 588 Littré. Ich bediene mich der abkürzenden Paraphrase von Herter 1963, 260 = 1975, 186.
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lich einen wesentlichen Unterschied bedeuten würde, in die Jahrhundertmitte gehört und vielleicht auch auf Platon Bezug nimmt.2 Letzteres ist jedoch, wenn man sich die sprachlich-stilistische Form des Werks ansieht, eher unwahrscheinlich, und die übliche Auffassung, dass es sich bei ihm um ein vorplatonisches Zeugnis handelt, verdient gewiss den Vorzug. Das ist auch für die Einschätzung der Rede des Pausanias im Symposion von Interesse. Die oben angeführte Stelle exemplifiziert eine Redefigur, die sich verschiedentlich bei Platon findet, aber vor ihm kaum belegt ist. Dass es mit einem Sachverhalt „so einfach“ denn doch nicht stehe, dass etwas kein haploun ist oder nicht haplōs gilt, sondern differenzierter beurteilt werden will, lässt Platon seine Dialogfiguren nicht ganz selten äußern,3 und es ist offenbar hier, wo der seit Aristoteles terminologische Gebrauch von haplōs (simpliciter, „ohne qualifizierenden Zusatz“) seinen Ursprung hat. In De vetere medicina begegnet der Ausdruck auch sonst (Kap. 20, vgl. 17), doch hat es mit dem 9. Kapitel eine eigene Bewandtnis: Als Antithese zum Einfachen (haploun) erscheint hier sowohl das Doppelte als auch das Individuell-Vielgestaltige, und es ist nicht ohne weiteres klar, wie das diploun zum poikilon sich genau verhält. Eine vergleichbare Ambivalenz kennzeichnet die Rede des Pausanias. Auch er fasst das scheinbar Einfache – den Eros – als etwas Doppeltes, entdeckt in ihm aber zugleich ein poikilon und meint, dass das diploun sich doch wieder als ein haploun insofern darstellt, als der Eros in seinem Wert an sich neutral und erst nach Maßgabe seiner „Ausführung“ so oder so zu beurteilen sei. Bei Platon wird deutlicher als in der hippokratischen Schrift, dass hier zwei Aspekte zusammenfallen: Beide Texte plädieren zwar auf der Gegenstandsebene (die Diät bzw. den Eros betreffend) für eine trennscharfe Dichotomie, problematisieren diese schlichte Zweiteilung aber auf der Erkenntnisebene, indem sie hervorheben, dass es auf die praktische Umsetzung ankomme und im Einzelfall das Richtige vom Falschen gar nicht so leicht zu unterscheiden sei. Es steht dahin, wie die Konvergenz zwischen der Partie in De vetere medicina und der Pausanias-Rede zu interpretieren ist. Eine literarische Beziehung käme kaum in Betracht, wenn nicht auf Pausanias gleich der Arzt Eryximachos folgte, der an die Methodologie des Vorredners ausdrücklich anknüpft. Von daher erscheint es gut möglich, dass Platon den hippokratischen Text in der Tat herangezogen hat – primär vielleicht für den logos des Eryximachos, der dann werkgenetisch als der frühere der beiden anzusehen wäre. Wie dem auch sei, das Leitmotiv von Pausanias’ Rede ist die Behauptung, dass beim Eros keine einfache, sondern eine differenzierte Sicht geboten sei. Was er genau meint und ob seine Rede ihrem eigenen Anspruch auch wirklich gerecht wird, ist die Frage, die Platons Dialoggestaltung dem Leser aufgibt. Denn was für die übrigen logoi im Symposion gilt, gilt natürlich auch für jenen des Pausanias: er will nicht als unmittel2 Vgl. den Forschungsüberblick bei Maucolin 2009, 8–12; auch Herter 1963, 261 ff. = 1975, 187 ff. 3 Die platonischen Belege sind von Bonitz 1867 gesammelt und mustergültig erläutert worden.
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bare Stellungnahme des Autors gelesen werden, sondern formuliert Überlegungen und Thesen, deren Validität vom Rezipienten geprüft werden soll. In seine Argumentation hat Platon manches Unklare oder Unplausible eingebaut, und die Personenkonstellation des Dialogs gibt zu verstehen, dass aus den Generalisierungen des Redenden ein persönliches Interesse spricht, das sich seinem Liebesverhältnis zum Gastgeber Agathon verdankt. Solche Beteiligung muss bei einem Thema wie dem Eros gewiss nicht von Nachteil sein, sondern mag vielmehr zum Eindruck der Authentizität des Gesagten beitragen. Aber der Text lässt doch deutlich werden, dass in diesem Loblied auf die Homosexualität eine apologetische Strategie am Werk ist, die auch etwas TendenziösVerfälschendes hat. Das soll im Folgenden genauer diskutiert werden. Andererseits ist beachtenswert, dass die Pausanias-Rede schon der Quantität nach eine durchaus prominente Rolle im Symposion spielt. Nächst den Reden des Sokrates und des Alkibiades hat sie den größten Umfang – auch gegenüber dem logos des Aristophanes, der modernen Befindlichkeiten so entgegen kommt, ist sie leicht im Vorteil. Bei näherem Zusehen erkennt man, dass die drei Reden des Pausanias, des Sokrates und des Alkibiades darin zusammengehen, dass sie am entschiedensten das Asymmetrische der Eros-Relation hervortreten lassen. Sie interpretieren den Eros nicht (oder doch nur akzidentiell) als ein reziprokes Verhältnis, wie er in den logoi des Phaidros, Eryximachos und Aristophanes mehr oder weniger erscheint, sondern machen aus unterschiedlichen Blickwinkeln ernst mit der Struktur des Begehrens, das auf ein Objekt und durch das Objekt hindurch auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist. Freilich ist Pausanias bemüht, diesen (in der Semantik des Wortes erōs mitgegebenen) Sachverhalt zu überspielen und die Wechselseitigkeit der Partnerbeziehung dadurch zu retten, dass er auch beim „Objekt“ ein (anders orientiertes) Begehren entdeckt und auf die Dauer ihrer „Liebe“ abhebt. Seine These nimmt sich wie die spiegelbildliche Umkehrung der Ansicht des jungen Alkibiades aus, der meinte, an der „Weisheit“ des Sokrates partizipieren zu können, wenn er ihm seinen schönen Körper zur Verfügung stelle. Entsprechend meint Pausanias, der Begehrende habe Anspruch auf die „Gefälligkeit“ seines Lieblings, wenn er diesem zu Tüchtigkeit und Bildung verhelfe. Indes hat Alkibiades mittlerweile immerhin erkannt, dass sein schlichtes Kalkül – Sex für sophia – jedenfalls bei Sokrates nicht aufgehen konnte (Symp. 216de, 218c ff., 222b), und auch Pausanias wird im Dialogverlauf indirekt eines besseren belehrt. Mit seiner Rede wirbt er nicht zuletzt um den Beifall des Agathon, doch wird er durch eben seinen Liebling gewissermaßen widerlegt. Der Vortrag des selbstbewussten jungen Mannes4 gerät zur Selbstbespiegelung des Schönen und Erfolgreichen und macht klar, dass der so Umworbene durchaus nicht gesonnen ist, den ihm von seinem Liebhaber zugedachten Part des bildungsbef lissenen Adepten zu übernehmen.
4 Immerhin ist er aber auch schon 30 Jahre alt: Sier 1997, 16 Anm. 31. Nails 2002, 8–10.
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Ungeachtet der Relativierungen, die Pausanias’ Argumentation sowohl durch ihre eigene Rhetorik als auch durch den Kontext erfährt, figuriert seine Rede in heutigen kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Untersuchungen doch zu Recht als einer der Basistexte für das historische Phänomen der griechischen Homosexualität (in ihrer „klassisch“-athenischen Spielart). Zusammen mit der Rahmenhandlung des Dialogs verweist sie, so scheint es, am unmittelbarsten und explizitesten auf dessen Sitz im Leben und den soziokulturellen Horizont, in dem die erotikoi logoi des Symposion verstanden werden wollen. Aber natürlich ist es hier wie überall, wo Texte zur Rekonstruktion einer historischen Wirklichkeit herangezogen werden: Vor (oder neben) dem Was bedarf das Wie seiner Vermittlung der Analyse, und es wäre verfehlt, den Text für eine Art transparentes Medium zu halten, das die Sachverhalte, auf die er sich bezieht, ungefiltert repräsentierte. Das mag zwar als hermeneutische Binsenweisheit anmuten und sollte sich zumal bei Platon eigentlich von selbst verstehen, wird jedoch im Umgang mit der Pausanias-Rede nicht selten ignoriert. Ein neueres Beispiel ist etwa das Buch von James Davidson (2007) – samt der Kontroverse um seinen Versuch eines „radical reappraisal of homosexuality in ancient Greece“. Es ist schon erstaunlich, welch enorme Resonanz diese unhandliche und mit allerhand abenteuerlichen Ideen aufwartende Darstellung in der angelsächsischen und amerikanischen Öffentlichkeit gefunden hat (und, wie ein Blick ins Internet lehren kann, nach wie vor findet), doch für den logos des Pausanias bedeutet das mediale Interesse, dass er mit einem Mal von der Peripherie ins Zentrum des platonischen Dialogs zu rücken scheint und sich so „aktuell“ wie kein anderer Teil des Werkes ausnimmt. Von den ideologischen Motiven, die bei Davidson im Spiel sein mögen und in der Rezeption seiner Thesen (ob zustimmend oder ablehnend) teilweise stark hervortreten, sei hier abgesehen – ich kenne mich weder in den gay studies noch in der gegenwärtigen Pädophilie-Diskussion hinreichend aus. Aber es erscheint mir hilfreich, auf seinen methodischen Ansatz mit ein paar Worten einzugehen. Dieser richtet sich zwar besonders gegen das Standardwerk von Kenneth Dover (1978/1989) und von ihm beeinf lusste Positionen wie jene Michel Foucaults (1989), sucht aber überhaupt die Annahme in Zweifel zu ziehen, dass es bei der griechischen Knabenliebe – denn auf sie konzentriert sich die Frage der Homoerotik bei den Griechen – um die Liebe zu Knaben gegangen sei. Nun lässt sich dieses schillernde Phänomen gewiss aus mehr als nur einem Blickwinkel betrachten. Meine Interpretation folgt der üblichen Ansicht, dass es sich bei der paiderastia um eine Art ritualisiertes Rollenspiel handelte, das gesellschaftlich insoweit akzeptiert war, als es die männliche Jugend in die Gemeinschaft und das Wertesystem der Polis hineinzuführen beanspruchte, das gleichzeitig aber mit dem Makel der sexuellen Unterwerfung des künftigen, auf Kinderzeugung verpf lichteten Polisbürgers behaftet war und jedenfalls über die Geschlechtsreife des Jüngeren nicht allzu weit hinausreichen sollte. Wie der Altersabstand zwischen dem Liebhaber, erastēs, und seinem Partner, dem erōmenos oder, mit einem eigenartigen pluralischen Neutrum, seinen paidika, idealerweise auszusehen
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hatte, ist m. W. nicht verbindlich überliefert,5 und es scheint auch nicht ausgemacht, wie der Aspekt der sexuellen Dominanz genau zu gewichten ist – Dover etwa hebt die Hierarchie der Rollen beim Geschlechtsverkehr stark hervor, und durch die Diskussion geistert die „anale Penetration“ als Schlagwort für eine ausbeutende Machtausübung, der der „Samenerguss zwischen den Schenkeln“ als eine weniger vereinnahmende, den Augenkontakt der Partner ermöglichende Praxis gegenübersteht.6 Aber solche Fragen erscheinen eher marginal im Vergleich zu den in der Tat radikalen Thesen Davidsons, wonach sexuelle Beziehungen zu Jugendlichen unter 18 Jahren etwa in Athen per Gesetz verboten und mit schweren Strafen belegt gewesen seien, während ein eheähnlich-monogames Verhältnis von (oft) annähernd gleichaltrigen homosexuellen Partnern in der Polis und im Heer gang und gäbe gewesen sei und als vollkommen legitim gegolten habe. Es wäre verwunderlich, wenn der Ausdruck paiderastia (oder paidikos erōs) derlei bedeuten könnte, doch gibt Davidsons Interpretation der Zeugnisse wenig Veranlassung, seiner Semantik zu folgen. Seine Methode erscheint handwerklich so unzulänglich, dass auf ihre revolutionären Erkenntnisse nichts zu geben ist.7 Gleichwohl ist das Buch für die Platon-Deutung von Interesse. Davidson sagt es wohl nicht ausdrücklich, aber im Grunde vertritt er die Position des platonischen Pausanias – freilich mit dem Unterschied, dass er das, was bei Platon als Wunschvorstellung und als eine gelegentlich realisierte Möglichkeit erscheint, als historische Realität und als den Regelfall hinstellt.8 „Es müsste ein Gesetz geben“, erklärt Pausanias (181d7), „welches das eran paidōn, den sexuellen Kontakt zu Knaben, verbietet“, aber wie er hinzufügt, sind es nur die „Guten“ (agathoi), die sich an eine derartige Norm gebunden fühlen, und von einer vorhandenen gesetzlichen Bestimmung kann keine Rede sein. Andererseits scheint die von Pausanias (181d1) angepriesene, mit der Pubertät des erōmenos beginnende und auf Dauer angelegte homosexuelle Lebensgemeinschaft der Idee und sozialen Funktion der paiderastia eigentlich zu widersprechen, und wenn es solche Partnerschaften auch offenkundig gegeben hat,9 dürfte ihre gesellschaftliche Akzeptanz sich doch in Grenzen gehalten haben. Davidsons Darstellung scheint zwar irreführend, aber sie hat jedenfalls das Verdienst, auf eine bisher noch kaum
5 Man hat aber den Eindruck, dass er nicht allzu groß sein sollte (vgl. Dover 1978/1989, 86 f.). – Wie Brisson (2006, 237) dazu kommt, Pausanias für 15 bis 20 Jahre älter als Agathon zu halten, ist mir unerfindlich. 6 Dover hat seine Position im Nachwort zur Neuauf lage (1989) in manchen Punkten relativiert, so auch in der Frage, ob (das Zeigen von) Lustempfindung sich für den erōmenos verboten habe. 7 Unter den zahlreichen Rezensionen des Werks (soweit ich sie kenne) scheint mir die vernichtende Kritik von Thomas Hubbard 2009 ebenso durch ihre Maßlosigkeit im Tonfall wie durch die Berechtigung in der Sache ausgezeichnet zu sein. 8 Davidson diskutiert die Pausanias-Rede (S. 418–423), kommt aber auch sonst immer wieder auf sie zurück. 9 Das setzt z. B. auch die Rede des Aischines gegen Timarchos (Dover 1978/1989, 39–49) voraus. Auf sie kann hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. Görgemanns 2000, 181, 186 Anm. 23.
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bewusst wahrgenommene Facette der platonischen Eros-Konzeption den Blick zu lenken. Letzteres zeigt sich z. B. an der Diskussion, die Christopher Rowe (1998, 140 f.) in seinem nützlichen Kommentar zum Symposion der Pausanias-Rede vorausschickt. Er zitiert Hamiltons (1951/1999, 15) Ansicht, wonach „it is possible to see in Pausanias a clever pleader for homosexual licence, who employs high-sounding but sophistical reasoning to justify the satisfaction of physical desire“. Ob das eine adäquate Charakterisierung ist, mag hier dahingestellt bleiben. Rowe hält sie jedenfalls für „unhelpful“: We have to take into account that everyone present at the party, with the exception of S(ocrates) […], is likely to accept something like Pausanias’ position, and that Athenian law and custom is on balance not against it. Thus the idea that he is ,pleading for homosexual licence‘ is to get the matter precisely upside down: it is S. (and P(lato)) who must plead, if he disagrees, to an audience which will not be easily persuaded. Nor, I believe, is Pausanias’ reasoning – which is considerably tighter than Phaedrus’, and as a rule quite careful – particularly ,sophistical‘. […] Hamilton’s ,sophistry‘, I propose, should rather be interpreted as wit. In general, what Pausanias presents is roughly the best case for the kind of love […] that the symposiasts would recognize and approve of. Diese Diagnose scheint in doppelter Hinsicht fragwürdig. Zunächst ist es eine etwas verquere und unscharfe Ausdrucksweise, wenn Rowe den Hörerkreis des Sokrates und das Publikum, das Platon intendiert haben mag, so ohne weiteres überblendet. Dass die Dinge ein wenig komplizierter liegen, kann die Aristophanes-Rede zeigen. Der platonische Aristophanes äußert sich im Prinzip ähnlich wie Pausanias – manche sagen, Knaben oder junge Männer mit homoerotischer Orientierung seien „schamlos“ (anaischyntoi), aber das trifft keineswegs zu: ihr Faible fürs Männliche zeugt vielmehr von ihrem starken Charakter, gehen aus dieser Gruppe doch die Leute hervor, die in der Politik allein etwas bewegen; nur von der Konvention, dem nomos, werden sie zu Ehe und Kinderzeugung genötigt und sind eigentlich zufrieden, wenn sie weiterhin in einer homosexuellen Beziehung leben können, wie es einige, die im Partner ihr Alter Ego gefunden haben, denn auch ein Leben lang tun (192a2–b3, c2–3). Nun kann es angesichts der karikierenden Verhöhnung, die dem „effeminierten“ Agathon und seinesgleichen in den aristophanischen Komödien begegnet, keinen Zweifel daran geben, dass Platon mit der Spannung zwischen der literarischen Figur des Komödiendichters und ihrem historischen Pendant sein Spiel treibt.10 Die treuherzige Berufung auf die „Politiker“ und die anerkennende Frage, ob vielleicht auch Pausanias und Agathon zu den wenigen Auserwählten gehören, denen eine wahrhaft männliche Lebensgemein10 Sier 1997, 215 Anm. 204.
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schaft vergönnt ist (193b7–c2), lassen sich kaum anders denn als ironische Kontrafaktur zum wirklichen Aristophanes verstehen. Das bedeutet aber, dass weder der platonische noch der historische Aristophanes als Beleg dafür taugt, dass Pausanias, wie Rowe meint, nur eben die opinio communis der Dialogteilnehmer oder die Präferenzen des (so oder so zu definierenden) zeitgenössischen Rezipienten wiedergibt. Ebenso wenig vermitteln die übrigen logoi im Symposion den Eindruck, dass das spezifische, „biographisch“ motivierte Anliegen des Pausanias – der Aspekt der Zeit, das Fortdauern der homosexuellen Beziehung über die Pubertät des jüngeren Partners hinaus in einer lebenslangen Partnerschaft (181d, 183e) – von allen Anwesenden wie selbstverständlich geteilt würde, und ein solch vorgängiges Einverständnis würde auch der agonalen Kompositionsidee des Dialogs zuwiderlaufen, die darauf beruht, dass jeder Redner seine eigene profilierte und vom allgemeinen Konsens sich abhebende These vertritt. Eine gewisse Ausnahme bildet nur die Rede des Sokrates, die die Argumentationen der anderen vernetzend in sich aufnimmt.11 In ihr Gewebe ist auch der Ansatz des Pausanias integriert, und es scheint, dass es sich mit diesem anders als von Rowe behauptet und vielmehr genau umgekehrt verhält: sein philosophisches Interesse bezieht der logos des Pausanias nicht aus der Übereinstimmung mit einer vermeintlichen opinio communis, sondern aus seiner scheinbaren Affinität zur sokratisch-platonischen Erotik. Auch Sokrates entwirft in seiner (der weisen Diotima in den Mund gelegten) Rede das Bild einer paiderastia, die in eine dauerhafte individuelle Bindung mündet, und wie Pausanias sieht er das Band, das diese Gemeinschaft stiftet, in der paideutischen Anleitung des Geliebten zur aretē, in einer Ref lexion auf die Werte, die den guten Menschen und Bürger auszeichnen (209a8–c7). Sein Tableau ist, wohlgemerkt, vor der „Scala amoris“ und dem Aufstieg zum idealen Schönen angesiedelt, in dem die Diotima-Rede gipfelt. Wie es dort mit dem Aspekt der Dauer aussieht – ob im Nacheinander der Stufen, die zur Gewinnung des Prinzipienwissens führen, die anfängliche Beziehung des erastēs zu einem anderen Individuum weiter besteht oder nur als eine der Stationen zu betrachten ist, die er auf seinem Weg zur Idee hinter sich lässt –, wird von der Forschung kontrovers diskutiert; doch spricht der Wortlaut des Texts eher gegen als für die Annahme, dass der skizzierte Prozess an die Liebe zu einem einzelnen Partner gebunden wäre.12 Diese „höheren Weihen“ (210a1) übersteigen freilich den Horizont nicht nur des Pausanias, sondern auch aller anderen Mitunterredner des Sokrates. Doch auch in der Partie, in der Diotima sich mit Pausanias zu berühren scheint, gestaltet sich ihre Argumentation in Wahrheit wesentlich anders. Im Rahmen ihres dichotomischen Modells einer seelischgeistigen und leiblich-körperlichen „Schwangerschaft“, die dem Eros motivierend zugrunde liegt, gehört die paiderastia ins Feld der psychē, was bedeutet, dass das Motiv des Begehrens nicht in der Sexualität zu suchen ist (ähnlich sieht es Aristophanes, 192c). 11 Vgl. Sier 2007. 12 Sier 1997, 150, 287. Zur Figur des „Führenden“ ebd. 149.
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Das Verlangen des Liebenden richtet sich auf den Partner wie auf ein Medium, durch das er von dem „Guten“, das in ihm (wie in jedem Menschen) angelegt ist, entbunden wird, und das so ermöglichte Gute wirkt prägend und befruchtend zurück auf den Geliebten, der dadurch auch für sich selbst die aretē, seinen wahren Charakter und Wert entdeckt; was ihrer Gemeinschaft und Freundschaft (philia, 209c6) Dauer verleiht, ist der gemeinsame Bezug auf ein Drittes, das Gute, das sie „zusammen aufziehen“ (209c4). Zu vergleichen ist auch die typologische Abstufung am Ende der großen Eros-Rede des Sokrates im Phaidros (256a–d): Jene, die mit der paideutisch-entbindenden Kraft des Eros ernst machen, widerstehen, so sehr sie sich auch sexuell zueinander hingezogen fühlen mögen, der Versuchung, körperlich zu werden, während es die Zweitbesten in ihrem Zusammenleben doch dann und wann zum Sex kommen lassen. Was Pausanias sagt, klingt dem, was Platon Sokrates sagen lässt, teilweise ähnlich, aber es unterscheidet sich davon durch eine kaum verhohlene Fokussierung auf die Sexualität, die seine Argumentation am Ende ruiniert. Ob man bei ihm von „Sophistik“ reden will, hängt davon ab, was man mit diesem Terminus verbindet. Jedenfalls versucht die ihm von Platon in den Mund gelegte Rhetorik die Dinge so zu wenden, dass die konventionelle Homoerotik – deren soziale Funktion es mit sich brachte, dass die sexuelle Befriedigung des älteren Partners temporär als eine Art Belohnung dafür in Kauf genommen wurde, dass er den jüngeren in die bürgerliche aretē und die Normen der Polis einführte – sich mit einer Konzeption wie der sokratischen zu decken scheint, die auf eine für beide Partner fruchtbare und dauerhafte intellektuelle Beziehung abzielt, das Sexuelle aber ganz oder doch so weit wie möglich ausschließt. Nach Pausanias figuriert der erastēs zwar als Lehrer oder Erzieher des erōmenos, doch erwartet er von diesem nicht mehr, als dass er ihm „gefällig“ ist, und es bleibt unklar, wie eine beständige Partnerschaft von hier aus sinnvoll zu begründen wäre: Was bindet den Liebhaber auf Dauer an den Geliebten (und umgekehrt), wenn beider Interessen so sinnfällig divergieren, wenn der eine durch ihre Gemeinschaft nicht auch über sich selbst belehrt wird und der andere sich von ihm intellektuell und sexuell entmündigt fühlen muss? Allerdings scheint ein solches Arrangement bei Pausanias und Agathon ja in der Tat zu funktionieren, und der erōmenos erweist sich in diesem Fall auch keineswegs als so unselbständig, wie das Modell seines erastēs es an sich vorsieht. Es ist, als wolle Platon zu verstehen geben, dass Pausanias sich in den Zwängen der Rhetorik und des konventionellen Rollendenkens ein wenig verheddert und über das Bild, das er vom Eros zeichnet, ohne es zu wissen, durch seine persönliche Erfahrung eigentlich hinaus ist. Im Folgenden soll sein logos genauer in den Blick genommen werden. Zum Zeitpunkt der Dialoghandlung, Januar/Februar 416 v. Chr., ist Pausanias vielleicht Mitte dreißig (vgl. Anm. 5), und wenn wir einerseits dem platonischen Protagoras folgen, dessen fiktionale Handlung tendenziell ins Ende der dreißiger Jahre des 5. Jahrhunderts zu datieren ist und Pausanias als den erastēs des noch sehr jungen Agathon einführt (315d–e), und andererseits dem Zeugnis Aelians (VH 2, 21, vgl. 13, 4) trauen,
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wonach er später (408 v. Chr.?) mit dem Geliebten an den Hof des makedonischen Königs Archelaos gegangen sei, so zeichnet sich wirklich eine jahrzehntelange Beziehung ab, wie er sie in seiner Rede charakterisiert. Die Überlieferung kennt ihn nur als den ständigen Begleiter des Tragödiendichters (Nails 2002, 222). Keine Ausnahme bildet Xenophon, auch wenn er in seinem Symposion – das aller Wahrscheinlichkeit nach für jünger als das platonische Pendant zu halten ist und in mancher Hinsicht eine Art Gegenentwurf zu ihm darstellt – etwas anderes zu suggerieren scheint. In Kapitel VIII, wo er den seelisch-geistigen Eros preist und dem körperlichen gegenüberstellt, bemerkt Sokrates (§ 32–35), Pausanias, „der Liebhaber des Dichters Agathon“, habe bei seiner Verteidigung derer, die sich sexuell nicht beherrschen könnten (apologoumenos hyper tōn akrasiai synkylindoumenōn), die Ansicht vertreten, dass ein Heer dann am schlagkräftigsten sein würde, wenn es sich aus homosexuellen Paaren zusammensetzte. Dies, so der xenophontische Sokrates, sei eine kuriose Behauptung – dass die im bürgerlichen Leben „Schamlosen“ beim militärischen Einsatz durch ihre Scham voreinander davon abgehalten würden, etwas Unehrenhaftes zu tun –, und die „Belege“, die Pausanias für seine These angeführt habe, seien untauglich: die einschlägige paiderastische Praxis der Thebaner und Eleer besage nichts für Athen, denn was dort nomimon, von der Konvention sanktioniert sei, gelte hier als anstößig (eponeidiston), und derlei könne ja auch kaum als Vorbild dienen – wenn der Liebhaber in der Schlacht die Nähe zum Geliebten suche, so doch wohl, weil er an dessen Tapferkeit seine Zweifel habe; wirklich vorbildhaft seien dagegen die Spartaner, die die körperliche Homoerotik ablehnten und ihre erōmenoi zu tüchtigen Männern und treuen Kameraden erzögen. Offenkundig handelt es sich bei diesen Ausführungen um eine tendenziöse, um nicht zu sagen dreist-verfälschende Collage von Versatzstücken der platonischen Reden des Phaidros und des Pausanias (Symp. 178d1–179a3 und 182a7–d5). Zwar wurde in der Forschung auch die Hypothese einer gemeinsamen Quelle beider Autoren vertreten, die man teils in einem schriftlich oder mündlich verbreiteten logos des historischen Pausanias, teils in einer verloren gegangenen sokratischen Schrift vermutet hat, aber wie Huss in seiner materialreichen Diskussion erklärt (1999, 415 ff.), spricht mehr und eigentlich alles für die Annahme, dass Xenophon direkt von Platon abhängt. Wie ist diese seltsame Form der Intertextualität genau zu lesen? Wenn man bei Xenophon auch nicht sicher sein kann und seiner Unachtsamkeit allerhand zuzutrauen ist, dürfte es hier doch anders stehen und die Überblendung der platonischen Argumentationen mit Plan und Absicht erfolgt sein. Die Partie seines Symposion ist das frühste literarische Zeugnis für eine kritische Lektüre der Pausanias-Rede und ihres Beweisziels, dass ein sexuelles Interesse mit der Anleitung zur „Tugend“ durchaus vereinbar sei. Ob die Kritik nur die Dialogfigur Pausanias oder auch den Autor Platon trifft, lässt Xenophon nicht klar werden. Jedenfalls klammert sein Sokrates den aretē-Aspekt von seinem Referat aus und bezieht sich statt dessen auf den vom platonischen Phaidros behaupteten militärischen Nutzen homosexueller Beziehungen, den er jedoch sofort wieder auslöscht, indem er ihn
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an den ethnographischen Belegen des Pausanias misst und den irreführenden Eindruck erweckt, als orientiere dieser sich an den (von ihm genau so charakterisierten) kulturell rückständigen Böotern und Eleern. Das Ganze mutet wie der etwas übereifrige, ebenso naive wie scheinheilige Versuch einer Klarstellung an: der platonische Pausanias „sagt nicht die Wahrheit“. Aber Platon hat schon hinreichend dafür gesorgt, dass der Leser erkennt, was von der Argumentation seiner Dialogfigur zu halten ist. Wie eingangs bemerkt, ist der Aspekt des „Nicht-Einfachen“ ein Leitmotiv der Rede, und das sowohl in deskriptiver wie in normativer Hinsicht. Da der Eros selbst kein haploun ist, darf sich auch der Umgang mit ihm nicht haplōs gestalten, sondern muss je nach Modus differenzieren und in der erotischen „Praxis“ eine evaluierende Entscheidung treffen. Es gibt bessere und schlechtere Realisierungen des Begehrens und adäquate und weniger angemessene Einstellungen zur paiderastia. Wie leicht zu sehen, erhebt sich hier das Problem der Normenbegründung, die Frage, nach welchen Kriterien das Bessere vom Schlechteren zu unterscheiden ist. Auf den ersten Blick scheint Pausanias einer schlicht konventionalistischen Auffassung zu huldigen und sich auf Präferenzen zu berufen, die in Athen bzw. der athenischen Oberschicht seinerzeit in Geltung waren; doch ist das nur bedingt der Fall. Er redet zwar permanent vom nomos, aber die Bedeutungen dieses mehrsinnigen Ausdrucks changieren unter der Hand und verbinden gesellschaftlich-politische und individualethische Gesichtspunkte: nomos meint bei ihm ebenso „Gesetz“ (181d7) wie „Handlungsregulativ“ (181e3), den faktischen „Brauch“ (182a7) wie die normierende „Konvention“ (182d4). Die Pointe seiner Rede, wenn man so sagen darf, besteht in der Anregung, dass es einen nomos geben müsse, der den Geliebten darauf verpf lichte, dem rechten Liebhaber, der ihn zur aretē führt (oder es zumindest behauptet), „gefällig zu sein“ (183c ff.). Das ist jedenfalls originell – wenn es die Dinge auch expliziter macht, als den Verfechtern der Knabenliebe lieb sein mochte. Der Weg, auf dem Pausanias zu diesem Ziel gelangt, und die Struktur seiner Rede weisen einige Schwierigkeiten auf.13 Platon lässt ihn – im Gegensatz zur überscharfen Disposition seines erōmenos (vgl. nur 195a, 196b, 197c) – eine Art rhetorische Überlappungstechnik anwenden, welche die Grenzen zwischen den Argumentationsteilen verwischt und gleitende Übergänge schafft, die ein prüfendes „Nachhaken“ des Hörers oder Lesers erschweren. So heben sich Proömium, Argumentatio und ein kurzer Epilog zwar sinnfällig ab, doch wo genau das Proöm aufhört und die Argumentation anfängt oder ob letztere in zwei oder drei Abschnitte zu gliedern ist, wird von den Interpreten teils so und teils so gesehen. Die im Anschluss vorgelegte paraphrasierende Analyse
13 Die förderlichsten Interpretationen scheinen mir die Beiträge Dovers (1964; 1978/1989, 81–84 u. ö.) und besonders die wertvolle Analyse von Görgemanns 2000 zu sein, der die folgende Behandlung in einigen Punkten verpf lichtet ist. Vgl. z. B. auch Brisson 2006. – Auf die beträchtliche formal-rhetorische Kunst, die Platon dem logos des Pausanias hat zuteil werden lassen, kann hier nicht eingegangen werden.
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kann hier nur immanent begründet werden. Sie setzt folgenden Aufbau voraus: Proömium (I) 180c4–181a6. – Argumentatio (II) 181a7–185b5, gegliedert in drei Teile: (II a) 181a7–182a6; (II b) 182a7–184b5; (II c) 184b5–185b5. – Epilog (III) 185b5–c3. I (180c–181a6) Pausanias beginnt mit einer Kritik an der vorangehenden Rede des Phaidros, dessen „Programm“, den Eros „einfach so“ (180c5) zu preisen, offenbar nicht beachtet habe, dass es (mindestens) zwei Arten des Eros gebe und also zunächst einmal zu klären sei, welcher von beiden den Lobpreis denn auch wirklich verdiene. Als Begründung folgt ein Rekurs auf mythologisch-kultische Sachverhalte (180d3–e2): „Wir wissen alle, dass der Eros die notwendige Bedingung der Aphrodite ist, und von der Liebesgöttin finden sich zwei Erscheinungsformen, die himmlische (Urania) und die vulgäre (Pandemos).14 Also muss es auch zwei Formen des Eros geben, einen himmlischen und einen vulgären“. Das ist ein etwas merkwürdiges Räsonnement und mag wie eine unnötige Komplizierung erscheinen. Dass es „ohne den Eros keine Aphrodite“ gibt, trifft auf Aphrodite Urania und ihren „mutterlosen“ Ursprung (d7) allenfalls in einem verqueren Sinn zu, und falls Pausanias meint, dass der Geschlechtsverkehr an ein entsprechendes Verlangen gebunden sei (Rowe 1998, 141), wäre zu fragen, ob die Beschränkung auch des „himmlischen“ Paars auf die Sexualität seiner Argumentationsstrategie nicht gerade zuwiderläuft. Müsste er nicht umgekehrt sagen: da es ohne Aphrodite, d. h. ohne das in der einen oder anderen Weise Attraktive und Begehrenswerte, keinen Eros gibt (vgl. 203c), folgt aus der Verdoppelung der Göttin der Schönheit auch eine solche des Begehrens? Indes will Pausanias auf etwas anderes hinaus. Platon lässt ihn zwei Typen der „Begriffsverdoppelung“ kombinieren, die in der älteren Literatur begegnen und sich wie Analyse und Synthese zueinander verhalten. Das eine ist die Opposition verschiedener Ausformungen eines Phänomens, so etwa in Versen aus dem Theseus des Euripides, die bei Pausanias nachwirken mögen (Fragment 388 K.): „Doch ist noch ein anderer Eros unter den Menschen – der zu einer gerechten, besonnenen und edlen Seele, und für die Menschen sollte dies als nomos gelten: die Reinen und Besonnenen zu lieben, der Kypris (Aphrodite) aber, der Tochter des Zeus, den Laufpass zu geben“.15 Tendenziell trifft sich dies mit der Unterscheidung eines himmlischen und eines vulgären Eros, nur 14 Pausanias manipuliert den Sinn der beiden Kultepitheta, von denen das eine eigentlich auf die Abkunft der Aphrodite von Uranos (ihre Entstehung aus seinen abgetrennten Genitalien) und das andere darauf hinweist, dass sie das „ganze Volk“ betrifft. Neuere Literatur bei Brisson 2006, 241 Anm. 59. 15 Das bezieht sich wohl nicht auf die homoerotische Liebe (siehe Kannicht 2004, 436). Wenn Euripides dagegen an anderen Stellen (F 897, 1–2; Medea 840–845; vgl. F 661, 22–25) vom Eros als einem Helfer zu „Tugend und Weisheit“ spricht, so meint er sicher vorrangig die Paiderastie (vgl. F 897, 9). Ernst Heitsch hat zu erwägen gegeben, ob in den Berührungen des Tragikers mit Platon vielleicht ein Ref lex des historischen Sokrates zu sehen ist (1993/2001, 178–182/284–288; 1997, 115), doch scheint eben die Pausanias-Rede anzudeuten, dass
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möchte Pausanias der Sexualität keineswegs den Abschied geben, sondern betrachtet sie als Komplement der seelischen Liebe. Der andere Redetypus gehört in den Umkreis der Frage nach dem Verhältnis von „Namen“ und Sache. Das Wort eris wird üblicherweise für den „Streit“ gebraucht, aber wie Hesiod meint (Erga 11–13), ist es so einfach nicht: es gibt zwei Arten von eris, neben dem verderblichen Streit auch den förderlichen Wettstreit, und die usuelle Bedeutungsverengung verdeckt die Ambivalenz des so bezeichneten Phänomens. Im euripideischen Hippolytos (385–387) sagt Phaidra von der „Scham“ (aidōs): „Es gibt ihrer zwei, die eine nicht von Übel, die andere schwer lastend auf den Häusern; wäre der kairos, das jeweils Angemessene, klar zu erkennen, so wären es nicht zwei, die auf dieselbe Weise buchstabiert würden“ (sondern jede hätte ihren eigenen Namen). Es hängt vom Aspekt ab, ob man in solchen Fällen die gemeinte Sache als ambivalent und „doppelt“ oder als neutral evaluieren will. Eris und aidōs erscheinen entweder, mit Blick auf ihre Spezies, sowohl lobens- wie tadelnswert oder aber, als Genus, weder gut noch schlecht, sondern in ihrem Wert neutral. Letzteres – die Annahme, dass Handlungen oder Sachverhalte an sich weder positiv noch negativ, sondern in Relation zu ihrem Kontext und der Art ihrer Umsetzung zu bewerten seien – war seit dem 5. Jahrhundert ein gängiges Thema (Diels-Kranz 1951, II 318 zu Prodikos B 8) und spielt auch bei Platon, u. a. in der Auseinandersetzung mit dem „sophistischen Relativismus“, eine wichtige Rolle (Görgemanns 2000, 181 f.). Wenn Pausanias den einfachen Eros des Phaidros durch einen doppelten ersetzt, so folgt er zwar der erstgenannten Redeweise und meint, man müsse auch beim Götterpreis ein kritisches Bewusstsein walten lassen (180e3–4), d. h. das Richtige vom Falschen unterscheiden, aber die Aufspaltung des Eros wird von ihm argumentativ erst dadurch gerechtfertigt, dass er die beiden Hälften wieder zusammenführt (180e4–181a6). Eine jede Handlung (praxis), so Pausanias, sei für sich genommen weder schön noch hässlich, sondern über ihre Qualität entscheide allein die Art und Weise ihres Vollzugs: wenn auf schöne und richtige Weise vollzogen, stellt sie sich als schön dar, wenn auf nicht-richtige Weise, als hässlich. Das gelte ebenso für das erotische Begehren und den Eros – nicht jede Art sei schön und preisenswert, sondern nur jene, die zu einer schönen Ausführung des eran anleite (ho kalōs protrepōn eran). Nun ist „schön“ ein unvollständiges Prädikat, das neben dem Schönsein eine vorgängige, dieses begründende Relation impliziert; z. B. „Trinken, Singen, Sich-Unterhalten“ (181a1) sind schöne Handlungen dann, wenn die Art ihrer Ausführung eine geltende Norm erfüllt – was es heißt, „richtig“ zu singen usw. Worin aber besteht eine solche Norm beim Eros? Was ist hier das Richtige? Wie Pausanias im Folgenden ausführt, ist es die Gesinnung des Liebhabers, die Intention, mit der er eine erotische Beziehung einzugehen sucht, was über deren Qualität entscheidet. Das spezifische Merkmal des himmlischen Eros ist nicht etwa ein Verzicht die Idee des seelisch-paideutischen Eros im Gegensatz zu einem (nur) körperlichen als eher konventionelles Thema der allgemeinen Homosexualitätsdiskussion des 5./4. Jahrhunderts zu betrachten ist.
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auf Sexualität und auch nicht einfach der Anspruch, den Geliebten zur aretē zu führen, sondern sein Regulativ, das die Wahl des Partners und alles weitere Verhalten des erastēs bestimmt, ist die Absicht, eine dauerhafte homosexuelle Verbindung zu begründen, während der vulgäre Liebhaber sozusagen planlos und ohne Zukunftsperspektive handelt (vgl. auch Phdr. 234a–241a). Man versteht von hier aus, worauf Pausanias zuvor mit der Bemerkung abzielte, ohne den Eros gebe es keine Aphrodite (180d4). An der Qualität der sexuellen praxis (ob himmlisch oder vulgär) zeigt sich die Gesinnung des erastēs, aber es gilt auch umgekehrt, dass diese praxis durch die Intention des Begehrenden bedingt und qualifiziert wird und also Aphrodite, so wie sie ist (bzw. wie die beiden Aphroditen sind), ohne Eros nicht möglich ist. II (181a7–185b5) (II a: 181a7–182a6) In einer Art phänomenologischen Beschreibung stellt Pausanias zunächst die beiden Eros-Arten einander gegenüber (181a7–c2/181c2–d7). Für den „pandemischen“, den die minder wertvollen Menschen (hoi phauloi tōn anthrōpōn b2) praktizieren, ist das Fehlen einer längerfristigen Strategie bezeichnend: solche erastai wollen nur schnell zum Ziel kommen, und ihr Prinzip ist eine Promiskuität, die sich auf beide Geschlechter richtet und mehr am Körper als am Charakter interessiert ist; wenn sich bei ihnen überhaupt ein Kalkül zeigt, so allein darin, dass sie auf möglichst naive (d. h. junge) und unvernünftige Partner aus sind. Der himmlische Eros – die Knabenliebe (paidōn erōs c4) – dagegen ist nicht nur dadurch ausgezeichnet, dass er ausschließlich dem Männlichen gilt, sondern auch dadurch, dass er eigentlich eine Liebe zu „Knaben“ (paides) gar nicht meint (d1): wählen die von diesem Eros „Inspirierten“ (c5) doch Partner, die schon an der Schwelle zum Vernünftig-Sein stehen (d2), so um die Zeit, da der erste Bartf laum sprießt; denn das Prinzip ihres Begehrens (d4) ist, dass sie mit dem Geliebten ein Leben lang zusammen bleiben und ihn nicht bald für einen anderen wieder verlassen wollen. – Es folgt ein Abschnitt, der für die Sinnrichtung des Ganzen wichtig ist (181d7–182a6). Es müsste, meint Pausanias, einen nomos geben, der verbietet, paides zu lieben – nicht, wie man erwarten könnte, um einer Ausbeutung der „Unvernünftigen“ vorzubeugen, sondern um zu verhindern, dass der erastēs viel Mühe auf jemanden verschwendet, bei dem noch nicht recht abzusehen ist, wie er sich geistig und körperlich entwickeln wird. Das klingt in der Tat sehr kalkuliert. Die „Guten“, so heißt es weiter, geben sich diesen nomos selbst und handeln freiwillig danach, aber man müsste auch die vulgären erastai zu einer entsprechenden Enthaltsamkeit zwingen, wie das ja in ihrem Verhalten gegenüber den Bürgerinnen von Athen, soweit möglich, schon realisiert ist; denn diese Leute sind es, welche die paiderastia in Verruf bringen und es zu verantworten haben, dass manche sogar zu behaupten wagen, es sei schändlich, dem Liebhaber gefällig zu sein. – So perfekt ist der athenische Nomos also nicht. An sich könnte und sollte es, analog
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zur Frauen-Gesetzgebung, eine klare und einfache gesetzliche Regelung geben, die es überf lüssig machte, dass homosexuelle Paare wie Pausanias und Agathon ihren eigenen Gesetzen folgen müssen. Doch der Redner hat sich hier, was die Konsensfähigkeit seiner Position angeht, in eine etwas heikle Lage gebracht, und so gestaltet sich die folgende „kulturvergleichende“ Betrachtung als eine tour de force, die eben das „NichtEinfache“ – will sagen: Unklare – des athenischen Nomos für gewollt erklärt und zum Privileg erhebt.16 Sein ursprüngliches Projekt, den Eros zu loben (180d3), scheint Pausanias bei all dem etwas aus den Augen zu verlieren, und auch die Unterscheidung zwischen himmlischer und vulgärer Liebe rückt in den Hintergrund. An die Stelle der Ambivalenz des Eros tritt jene des Nomos. (II b: 182a7–184b5) Über diese inhaltlich reiche, stellenweise auf einen humorvollen Ton gestimmte Partie und ihr Verhältnis zur älteren Literatur wäre sehr viel mehr zu sagen, als im vorliegenden Beitrag möglich ist. Ich begnüge mich mit einigen wenigen Strichen. In den meisten Staaten, so der Tenor, ist die Haltung zur paiderastia einigermaßen klar: Die einen gestatten sie ohne weiteres, weil man dort zu beschränkt ist, um sich auf Diskussionen mit den Jugendlichen einzulassen, die anderen verbieten sie (ebenso wie „Philosophie“ und Sport), weil man das politische Risiko „starker Freundschaften und Bünde“ fürchtet, die sich vor allem dem Eros verdanken; in beiden Fällen spricht aus der Antwort auf die Frage, ob der erōmenos dem Liebhaber sexuell entgegenkommen darf – denn sein charizesthai ist das eigentliche Problem –, nur das Unzulängliche der betreffenden Gesellschaft (182a7–d4). Mit dem Nomos in Athen (und, falls der Text von 182b1 zu halten ist, in Sparta) sieht es anders und sehr viel schöner aus, wenn er auch schillernd (poikilos b1) und nicht leicht zu durchschauen ist (d5). Auf den ersten Blick mutet es widersprüchlich an, dass hier einerseits der Liebhaber offen von allen Seiten ermuntert und ob eines Erfolgs belobigt wird und dass ihm auch die schlimmsten Formen der Selbsterniedrigung bei seinen Eroberungsversuchen verziehen werden (182d5–183c4), während andererseits der Geliebte sich Vorkehrungen gegenüber sieht, die den Kontakt zum erastēs verhindern sollen, und von seinen Freunden für einen Fehltritt getadelt wird (183c4–d3). Der athenische Nomos scheint also die paiderastia gleichzeitig als „schön“ zu billigen und als „hässlich“ zu verwerfen. Pausanias hat bei seiner Beschreibung keinen Unterschied zwischen einem edlen und einem vulgären Eros gemacht – 183b5 lässt er, wenn auch spielerisch-unverbindlich, sogar den Eidbruch gegenüber dem Geliebten als legitim erscheinen –, doch kommt er jetzt auf das methodologische Prinzip des Proömiums zurück und wendet es auch auf das Verhalten des erōmenos an (183d3–184b5). Der Nomos hat sozusagen erkannt, dass die Paiderastie keine einfache Sache, kein haploun ist, und er versucht daher, das Wie 16 Aristoteles erwähnt im Staat der Athener (9, 2), dass einige Interpreten die notorische Unklarheit der Gesetze Solons für beabsichtigt hielten und in ihr eine quasi demokratische Intention entdecken wollten; Aristoteles lehnt das ab. Vgl. Sier 2008.
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ihrer Ausführung indirekt (nicht, wie eigentlich wünschenswert, durch Gesetze, sondern durch die konventionelle Praxis) zu steuern. Was der Nomos intendiert, ist eine Art Gesinnungstest, dessen Kriterium darin besteht, ob die beiden Partner „warten“ können; das Rollenspiel, bei dem der eine zu verfolgen und der andere zu f liehen hat (184a3), gerät zu einer Prüfung (basanizein 184a1, 7), die klären soll, ob es ihnen ernst und ihre Beziehung wirklich auf Dauer angelegt ist (183e2, 6; 184b3–4). Bevor die Zeit der Prüfung nicht vergangen ist, darf der erōmenos nicht nachgeben und sich weder einschüchtern noch von äußeren Dingen beeindrucken lassen – aber, und das ist offenbar das Ziel der ganzen Argumentation, nach dieser Zeit darf er es nicht nur, sondern ist geradezu verpf lichtet, es zu tun. (II c: 184b5–185b5) Der Abschnitt verhält sich komplementär zu II a, in dem doppelten Sinn, dass sowohl die Charakterisierung des edlen Liebhabers um einen Aspekt ergänzt wird als auch, zumindest andeutungsweise, ein Licht auf die Motivlage des ihm entsprechenden Geliebten fällt. Dieser ist um aretē, um Wissen und Treff lichkeit, bemüht und sollte dafür bereit sein, sich dem Partner in „freiwilligem Sklavendienst“ zu unterwerfen (184c2–7), wie ja auch der Liebhaber vorher, auf etwas andere Weise (!), dazu bereit war (183a6–7). Die aretē kommt hier ziemlich unvermittelt ins Spiel. Pausanias erklärt nicht wirklich, was den erastēs genau bestimmt und ihn befähigt, den erōmenos „besser zu machen“. Gewiss, er liebt mehr die Seele und den Charakter als den Körper, aber ist es die Annahme, dass eine dauerhafte Partnerschaft nur gelingen kann, wenn beide mehr oder weniger auf Augenhöhe sind, ist es liebende Fürsorge und Anteilnahme an der persönlichen Entwicklung des Geliebten oder ist es am Ende doch nur ein „Deal“ und Interessenausgleich, was die paiderastia definiert? Beide Partner haben, so Pausanias, ihren je eigenen nomos (184c7, d4), und der des Liebhabers geht dahin, dass er einem Liebling, der ihm gefällig ist, „gerechterweise“ in allem zu Diensten sein soll (d4–5). Er schließt dann überraschenderweise noch eine längere Erörterung des Falles an, dass der Geliebte vom Liebenden getäuscht wird, wenn dieser sich in Sachen aretē als Hochstapler herausstellt (184e4–185b5). Das, meint Pausanias, mindere in keiner Weise den Wert seines Strebens, und es bedeute für ihn keine Schande, dass er sich einem solchen Mann hingegeben hat: worauf es ankommt, ist allein die Gesinnung und die Intention des Handelns, nicht dessen faktischer Erfolg. So interessant diese Bemerkungen philosophiegeschichtlich (etwa im Hinblick auf stoische Positionen) sind, erscheint es doch paradox und irritierend, dass Pausanias seine Argumentation gerade mit einer solchen Dissonanz beschließt. Was will uns Platon damit sagen? III (185b5–c3) Der knappe Epilog bringt schließlich doch noch so etwas wie eine formelle Lobrede auf den (himmlischen) Eros. Wie zuvor im Falle der aretē wird auch hier ein Aspekt eingeführt, der ohne echte Fundierung in der vorangehenden Rede bleibt und doch von
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entscheidender Bedeutung wäre: dass der Eros nicht nur den erōmenos, sondern eben auch den erastēs dazu „zwingt, mit Blick auf die aretē sich um sich selbst zu kümmern“. Aufs Ganze gesehen, erscheint der logos des Pausanias, wie sein Eros, eher als ein diploun denn als haploun; als ein Teil von Platons Dialog hat er in der Tat etwas Zwiespältiges. Liest man seinen Ansatz im unmittelbaren Kontext, zwischen den logoi des Phaidros und des Eryximachos, der die Kritik an Phaidros gelten lässt und ebenfalls von einem doppelten Eros ausgeht (186a), so ist nicht zu verkennen, dass er im Vergleich sowohl zum Vor- wie zum Nachredner „einseitig“ bleibt und in der Perspektive durch seine eigene Rolle als erastēs bestimmt wird. Doch wie gesehen, verbindet ihn gerade die (weitgehende) Konzentration auf das begehrende Subjekt und die Modalitäten des Begehrens in gewisser Weise mit den Lehren der Diotima, denen die Rede des Pausanias, da scheinbar analog, als Widerstand dient. Und mehr kann man von einem der vor-sokratischen Redner im Symposion füglich kaum erwarten.
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5 Simon Weber
Der ganze Eros? Die Rede des Eryximachos (185c1–188e4)
5.1 Philosophische Kontinuität oder Diskontinuität? Eine zentrale und zugleich heftig umstrittene Interpretationsfrage hinsichtlich des Symposion ist die nach dem Verhältnis der ersten fünf Reden zur platonischen erōs-Lehre. In der Literatur lassen sich diesbezüglich zwei Positionen idealtypisch auseinanderhalten. Eine erste Gruppe von Autoren vertritt die Auffassung, dass sich, grosso modo, Platons Philosophie des erōs im Symposion auf die Sokrates/Diotima-Rede beschränkt, während die ersten fünf Reden lediglich den szenischen Rahmen für sie bereiten. D. h., den fünf ‚vor-sokratischen‘ Reden komme durchaus eine gewisse dramaturgische Funktion zu, auch sei ihnen ein gewisser literarisch-künstlerischer Wert nicht abzusprechen, jedoch blieben sie für Platons philosophische Theorie des menschlichen Strebens und Begehrens letztlich ohne Bedeutung. Die Reden auf den Eros, die der von Sokrates vorausgehen, haben kaum philosophische Relevanz. Wenn Aristodemos und Apollodor sich schon nicht mehr an alles erinnert haben, was gesprochen wurde (178a), können wir hier auch das meiste von dem übergehen, was ihnen im Gedächtnis blieb. Die Reden haben eher literarische als philosophische Relevanz. (von Kutschera 2002, II 48) Da durch diesen Interpretationsansatz innerhalb des Symposion ein philosophischer Bruch unterstellt wird, sei diese Auffassung als ‚Diskontinuitätsthese‘ bezeichnet. Die Diskontinuitätsthese findet im Text vor allem darin einen Rückhalt, dass Sokrates sämtliche seiner Vorredner dafür kritisiert, mit ihren Lobreden nicht auf die Wahrheit (alētheia) gezielt zu haben, sondern es ihnen allein darauf angekommen sei, Eros die besten und schönsten Eigenschaften zuzuschreiben (198d–e). Sokrates selbst will stattdessen eine Rede halten, die primär auf Wahrheit und nicht auf Wirkung zielt. Zudem können
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Vertreter der These von der philosophischen Diskontinuität des Symposion darauf verweisen, dass Sokrates die anderen Symposiasten wiederholt bezichtigt, kein Wissen vom Eros zu besitzen (vgl. 198e; 201a, 209a), was von Agathon nach dem Elenchos durch Sokrates auch exemplarisch eingeräumt wird (201b). Andererseits bedeutet Sokrates’ Kritik an seinen Vorrednern nicht, dass sie in ihren Reden überhaupt nichts Wahres über Wesen und Wirkung des Eros getroffen haben. Wie es Diotima formuliert: Nicht zu wissen, bedeutet nicht Unwissenheit (amathia: 202a3, a9). Den Diskontinuitätstheoretikern steht ein Lager von Autoren gegenüber, die bereit sind, die Frage nach der philosophischen Relevanz der ersten fünf Reden in einem positiveren Sinn zu beantworten. Frisbee Sheffield betont den philosophische Wert der fünf vor-sokratischen Reden, indem sie davon spricht, dass sie zusammen ein „intertextual web“ (2006a, 27) bilden, das – trotz der Unvollständigkeit, Unstimmigkeiten und Irrtümer jeder einzelnen Rede – einen Überblick über die Rolle des erōs im guten Leben gewährt und zugleich jene Ideen und konzeptionellen Schwierigkeiten formuliert, die es von einer umfassenden philosophischen Theorie des erōs zu klären gilt. Sheffield sieht daher in den ersten fünf Reden ein methodisches Vorgehen Platons, das durchaus Ähnlichkeiten mit der aristotelischen Endoxa-Methode besitzt, weshalb sie von der endoxastischen Einheit bzw. Kontinuität des Symposion spricht (Sheffield 2006a; 2006, 16 u. Kap. 7). In ähnlicher Weise macht Kurt Sier eine hypotaktische Einheit der Reden im Symposion aus, „die besagt, dass die Diotima-Partie in ihrer Alterität unter anderem die Funktion erfüllt, die vorangehenden Beiträge unter eine übergreifende Struktur zu bringen und damit ‚aus vielen eines zu machen‘. Die früheren Reden sind, in dieser Perspektive, als Vorstufen und als eine Art Material kompositorisch notwendig, und kein Teil ist zu entbehren ohne Schaden für das Ganze“ (2007, 38). Nach diesem Interpretationsansatz trägt also jede Rede zu Platons philosophischer Theorie des erōs bei, d. h. das gesamte Symposion ist als philosophisches Werk zu lesen und nicht nur das mittlere Drittel. Die exklusive Gleichsetzung von Platons Philosophie des erōs im Symposion mit der – zweifelsohne zentralen – Sokrates/Diotima-Rede stellt laut diesen Autoren daher eine unzulässige Verkürzung dar. Ich bezeichne diese Lesart im Folgenden als ‚Kontinuitätsthese‘.1 Die Frage nach der philosophischen Kontinuität bzw. Diskontinuität des Symposion spitzt sich in der Beurteilung der Eryximachos-Rede insofern zu, als von den sieben Rednern kein anderer mit einer nur annähernd vergleichbar harschen Kritik an seiner Person seitens der Literatur zu kämpfen hat wie der Arzt Eryximachos. Scharfe Attacken gegen Figur und Rede des Eryximachos werden seit Beginn der modernen Platon-Forschung gefahren: Platon zeichne das Porträt eines selbstverliebten, 1 Weitere Vertreter der Diskontinuitätsthese sind auf die eine oder andere Weise u. a. Wilamowitz-Moellendorff 1948, 298 u. 307; Taylor 1949, 209; Rosen 1968, xxxvi; Guthrie 1975, IV 380 f.; Dover 1980, 5 Anm. 1; Vertreter der Kontinuitätsthese Nussbaum 1986, bes. 167, und bereits Jaeger 1944, II 249.
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medizinischen Pedanten; das Porträt eines unehrlichen, sophistisch geschulten Mediziners und Systemfanatikers, der vom Rest der brillanten Gesellschaft nur toleriert werde und der von Platon bewusst der Lächerlichkeit preisgegeben werde.2 Die Geringschätzung dieser Interpreten für die Figur des Eryximachos schlägt sich sodann, kaum überraschend, im Urteil über den philosophischen Wert seiner Rede nieder. Glaubt man diesen Autoren, so handelt es sich bei der Eryximachos-Rede um eine bloße Satire Platons auf den naturphilosophisch geschulten antiken Ärztestand (vgl. etwa Dover 1980, 105; Cobb 1993, 67). Aufgrund dieser vernichtenden Kritik kann man die Eryximachos-Rede mit einigem Recht zum Testfall für die Auseinandersetzung zwischen Kontinuitäts- und Diskontinuitätstheoretikern erheben. Mit der vorliegenden Interpretation möchte ich dafür argumentieren, dass die Rede des Eryximachos trotz der ihr eigentümlichen argumentativen Unzulänglichkeiten und Inkohärenzen sowie deren überzogenen Geltungsanspruchs (vgl. hierzu Levin 2009) im Bereich der Medizin (= Fürsorge für den erōs im menschlichen Körper) Konzepte und Ideen entwickelt, die Platon sodann auf sein Projekt der Philosophie (= Fürsorge für den erōs in der menschlichen Seele) überträgt, so dass mit Blick auf die Eryximachos-Rede von der philosophischen Kontinuität des Symposion zu sprechen ist.3 Den interpretatorischen Rahmen der EryximachosRede bildet also die technē-Analogie von Medizin und Philosophie bzw. die Analogie von körperlicher und seelischer Gesundheit (vgl. bes. Grg. 464b ff.; Rep. IV 444c–d). Die Rede des Eryximachos gliedert sich in vier Teile: Nach dem kurzen Proömium (i), in dem er sich hinsichtlich seiner Vorredner positioniert und die universalistische Stoßrichtung der von ihm zu haltenden Lobpreisung des Eros skizziert (185e–186b), wendet er sich der Heilkunst zu (ii), um am Beispiel der physis des menschlichen Körpers das Wirken des doppelten Eros als die grundlegende Vitalkraft im Kosmos aufzuzeigen (186b–187a). Dass der Eros, der im Körper über Gesundheit und Krankheit entscheidet, nicht nur das Reich der sublunaren Lebewesen beherrscht, sondern „alles, was ist“ lenkt, versucht Eryximachos sodann zu zeigen, indem er das anhand der Medizin gewonnene technē-Paradigma exemplarisch auf die anderen menschlichen Fertigkeiten bzw. die ihnen zugrundeliegenden Wirklichkeitsbereiche überträgt (iii). Abschließend wird von ihm (iv) die Allmacht des Eros als grundlegende Vitalkraft des Kosmos herausgestellt und zur Rede des Aristophanes übergeleitet (188d–e).
2 Zu dem in der älteren Forschungsliteratur vorherrschend negativen Bild des Eryximachos s. Edelstein 1945, der in seinem Aufsatz Eryximachos gegen die Vorwürfe der Pedanterie, Humorlosigkeit und Wichtigtuerei verteidigt. 3 Damit folge ich einer Reihe jüngerer Arbeiten, die Eryximachos’ Rede als ein philosophisches Lehrstück ernst nehmen und sich um den Nachweis bemühen, dass einige der Ideen und Konzepte, die in ihr entwickelt werden, von Platon affirmativ vertreten werden. Vgl. Konstan/Young-Bruehl 1982; Rowe 1999; Hunter 2004; McPherran 2006; zur Musiktheorie s. Sier 2010, 151–160.
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5.2 „Der ganze Eros“ Eryximachos knüpft, wie es die Regeln eines symposialen Redewettstreits verlangen, mit seiner Lobpreisung zunächst an seine beiden Vorredner an. Von Phaidros übernimmt er die Vorstellung von Eros als Ursache des Seienden (178a–c), von Pausanias die Unterscheidung eines doppelten Eros (180d–e). Dennoch glaubt er, dass Pausanias einiges ausgelassen und aus ihr die falschen Folgerungen gezogen habe. Was Eryximachos an der doppelten Eros-Lehre seines Vorredners bemängelt, sind die in ihr vorgenommenen Engführungen. So kritisiert er, (i) dass das, was der Eros begehre, das geliebte und begehrte Objekt, nicht auf die schönen Knaben (186a4) beschränkt sei. Eros könne in den Seelen der Menschen auch die Liebe zu vielen anderen Objekten (186a8 f.) wecken. Neben der Zurückweisung dieser objektbezogenen Engführung seelischen Begehrens kritisiert Eryximachos an der doppelten Eros-Lehre des Pausanias zudem, (ii) dass sie nicht dessen gesamtem Wirkbereich gerecht werde, denn Eros wirke nicht nur in den Seelen der Menschen (186a3 f.), sondern auch in den übrigen Dingen (186a5), nämlich in der gesamten organischen Natur: in den Körpern aller Lebewesen (186a5) und auch in den Pf lanzen (186a6). Dem engen Wirkbereich des Eros bei Pausanias setzt Eryximachos somit dessen größtmögliche Verallgemeinerung entgegen: Der Eros wirke als universale Vital- und Strebekraft „in allem, was ist“ (en pasi tois ousi: 186a6 f.). Dass es Eryximachos in seiner Rede wesentlich um die Erweiterung des Wirk- und Objektbereichs des Eros geht, wird deutlich, wenn er resümiert: „So viele und große, ja alle Macht besitzt, um es zusammenfassen, der ganze Eros (ho pas Erōs)“ (188d4 f.).4 Überraschenderweise wird, entgegen der Ankündigung, der erste Kritikpunkt – die Pluralität erotisch attraktiver Objekte – von Eryximachos nicht weiter verfolgt (eine Nicht-Einlösung, die sich für die Argumentation seines Enkomions als fatal erweisen wird). Dieser Punkt wird vielmehr erst wieder von Diotima in ihrer ‚Stufenleiter der Liebe‘ (209e ff.) aufgegriffen. Stattdessen beschränkt sich Eryximachos auf den zweiten Kritikpunkt. Nach Eryximachos besteht die Größe von Eros vor allem darin, dass es sich bei Liebe und Verlangen um allgemeine Konstitutionsprinzipien des Seienden handelt. Er verlässt also mit seiner Rede auf Eros das Phänomenfeld der seelischen Affekte und wendet sich der kosmisch-naturphilosophischen Dimension der Liebe zu. Nicht nur das Handeln des Menschen, das seine Ursache in den Strebe- und Vitalkräften der Liebe, des Begehrens und Verlangens in der Seele findet, sondern bereits seine bloße körperliche Existenz – wie auch die des Kosmos insgesamt – stehen unter Eros’ Regentschaft. Was das Ziel des Symposion betrifft, eine möglichst umfassende Lobpreisung des Eros zu leisten, so erweist sich Eryximachos’ Rede mithin als kompositorisch notwendig, weil in der vorsokratischen Philosophie und in Teilen der zeitgenössischen Medizin die 4 Nach Dover dehnt Eryximachos in seiner Rede die Bedeutung von erōs so weit aus, dass es ihm als Begriff an jeglicher Präzision fehlt und somit der erōs seinen Nutzen als begriff liches Instrumentarium zur Analyse der Wirklichkeit weitgehend einbüßt (Dover 1980, 105).
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Phänomene der Liebe und des Begehrens auch immer als kosmische Kräfte betrachtet wurden (vgl. Arist., EN VIII.2, 1155b1–8). In der Metaphysik (I.4, 984b23 ff.) schreibt Aristoteles den frühen Denkern wie Hesiod, Parmenides und Empedokles einen solch kosmischen Begriff der Liebe und des Begehrens (erōta ē epithymian: 984b24) zu, weil sie in ihnen jene universalen Kräfte sehen, die für die Mischung der Materie und somit für das Entstehen der Dinge verantwortlich sind. Ohne die Rede des Eryximachos würde die im Symposion präsentierte philosophische Theorie des erōs somit um einen für die antike Debatte zentralen Aspekt beraubt (vgl. Guthrie IV, 383). Als instruktiv erweist sich für unseren Zusammenhang die aristotelische Wiedergabe der Lehrmeinung des Empedokles, die sich wie eine Zusammenfassung der von Eryximachos zu haltenden erōs-Lehre liest. Nach Empedokles seien in der Natur nicht nur Ordnung, das Schöne und das Gute, sondern auch deren Gegensätze, Unordnung, das Hässliche und das Schlechte, präsent, wobei von Empedokles die Freundschaft (philia) als Ursache der Ordnung, des Guten und des Schönen, der Streit (neikos) als Ursache der Unordnung und des Schlechten identifiziert werden (Met. I.4, 984b32–985a10). Eryximachos’ Lehre vom doppelten Eros kann mithin als Platons Versuch gelesen werden, unter Rückgriff auf zeitgenössische medizinphilosophische Quellen die empedokleische Lehre von den beiden kosmischen Grundkräften philia/philotēs und neikos auf den Mikrokosmos des menschlichen Körpers zu übertragen (vgl. Sier 2010, 154). Dass Eryximachos in seinem medizinischen Denken stark von naturphilosophischen Theoremen beeinf lusst ist, findet auch ein Indiz im Protagoras: Hier begegnet uns Eryximachos im Gefolge des Sophisten Hippias, mit dem er Fragen über die Natur und Himmelserscheinungen diskutiert (Prt. 315c). Die von Eryximachos betriebene Grundlegung der Medizin in der Naturphilosophie war zu seinen Lebzeiten jedoch nicht unumstritten. Einige von Eryximachos’ Fachkollegen wandten sich strikt gegen den Einf luss naturphilosophischer Prinzipien auf die ärztliche Heilkunst. So argumentiert der Autor der hippokratischen Schrift De vetere medicina (bes. Kap. 20) für eine eigenständige Methodologie der Medizin, die insbesondere auf dem Wissen um die Kochkunst und Diätetik fußt, und wehrt sich damit gegen den Einf luss der Naturphilosophie auf die Heilkunst, wie er in der ‚neuen‘ Medizin und auch der Rede des Eryximachos zu verzeichnen ist (wobei er insbesondere gegen den Einf luss des Empedokles polemisiert) (vgl. McPherran 2006, 79).5 Was die Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der ‚alten‘ und ‚neuen‘ Medizin betrifft, so steht Platon auf der Seite der Neuerer (und damit auf der Seite Eryximachos’). Im Phaidros (270b–c) unterscheidet er zwischen einem ärztlichen Tätigsein, das lediglich auf Erfahrung (empeiria) beruht, und der wahren Arztkunst (technē iatrikē), die ein Wissen von der Natur des Körpers zur Grundlage ihres Tätigseins hat, wobei das Wissen von der 5 Nach Jones 1962, II xxxix, entspricht diese anti-philosophische, nicht-spekulative Grundlegung der Medizin vor allem dem Standpunkt der kosischen und knidischen Ärzteschulen.
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physis des menschlichen Körpers selbst wiederum ein Wissen von der Natur des Ganzen voraussetzt (vgl. auch Lg. IX 857b–d). Diese Form von epistemischem Holismus, wie er das naturphilosophische Medizinverständnis der ‚neuen‘ Ärzte prägt, ist darin begründet, dass die Natur und Konstitution des menschlichen Körpers durch eine Vielzahl von kosmischen Faktoren und Umwelteinf lüssen (Jahreszeiten, Klima, Winde) beeinf lusst ist. Ein Wissen von der Natur und Konstitution des menschlichen Körpers sei daher nicht ohne ein Wissen von der Natur des Kosmos möglich. Diese doppelte Wissensanforderung an die ärztliche Heilkunst wird von Platon affirmativ aufgegriffen, indem er sie per Analogieschluss zur Bedingung der kunstgerechten Seelenführung macht: Der wahrhaft kompetente Seelenführer bedarf sowohl des Wissens um die Natur der Seele als auch des Wissens um die Natur des Ganzen, weil auch die Natur und der gute Zustand der Seele durch eine Vielzahl von kosmischen Faktoren (pränatale Ideenschau, jenseitiges Seelengericht) bedingt ist. Der Rückgriff auf das ‚neue‘ Medizinverständnis der hippokratischen Ärzteschaft führt im Phaidros schließlich dazu, dass der Anspruch der populären Form von Rhetorik, jene Kunst der Seelenführung zu sein, wie er eingangs am Beispiel der Rede des Lysias entwickelt worden ist, verworfen wird. Als wahre Kunst der Seelenführung zeigt sich stattdessen die Philosophie, da nur sie im Besitz des erforderlichen Wissens von der Natur der Seele und des Weltganzen ist.
5.3 Der erōs in der Heilkunst Inwiefern ist nun die Konstitution des menschlichen Körpers, für die Fürsorge zu treffen Aufgabe des Arztes ist, durch das Wirken erotischer Kräfte bestimmt, so dass Eryximachos zu der Schlussfolgerung gelangt, die gesamte Heilkunst werde vom Gott Eros gelenkt (186e4–187a1)? Gegenstand oder Gattung der Heilkunst sind das Gesunde (to hygies) und Kranke (to nosoun) im Körper (186b5). Da Gesundheit und Krankheit etwas voneinander Verschiedenes und Ungleiches sind (186b6), ist – unter Präsupposition des empedokleischen Grundsatzes, dass Gleiches Gleiches und Ungleiches Ungleiches begehrt (epithymein) und liebt (eran) (186b6 f.) – der erōs im gesunden und kranken Körper folgerichtig ein anderer. Die Begehren und Strebungen im Körper, mit denen sich die Wissenschaft der Medizin beschäftigt (epistēmē tōn tou sōmatos erōtikōn: 186c6 f.), so lässt es uns Eryximachos wissen, sind dabei auf die Auffüllung (plēsmonē) und Entleerung (kenōsis) der die körperliche physis konstituierenden Stoffe bezogen. D. h., der Körper ist gesund, wenn er begehrt, die Grundstoffe in ausgewogener und zuträglicher Weise aufzunehmen und abzugeben (= gesunder Stoffwechsel), krank, wenn in unausgewogener und unzuträglicher Weise (= kranker Stoffwechsel). Insofern der Stoffwechsel, der über Gesundheit und Krankheit bestimmt, als erotische Vorgänge im Körper beschrieben werden kann, zeigt sich die Heilkunst also tatsächlich von einem doppelten Eros regiert. In Anlehnung an Pausanias’ Unterscheidung von der schönen und schänd-
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lichen Form der Päderastie (183d), macht es Eryximachos deshalb zum Imperativ der ärztlichen Heilkunst, dem Guten und Gesunden in jedem Körper wohlzugefallen sowie dem Schlechten und Krankhaften gegenüber sich als undankbar zu erweisen (186c1–4).6 Der größte Arzt sei mithin derjenige, der den schönen und schändlichen erōs im Körper zu unterscheiden wisse (186c7–d1), d. h., ein Wissen vom doppelten erōs besitzt, und sich zugleich darauf verstehe, den guten erōs im Körper des Patienten herbeizuführen. Da neben der ärztlichen Heilkunst auch die Gymnastik (187a1) sowie die Agrikultur (187a1) die Sorge um die gute körperliche Konstitution der Lebewesen – sei es Mensch, Tier oder Pf lanze – zur Aufgabe haben, indem sie für deren Wachstum und Gedeihen sorgen, werden auch sie vom doppelten Eros gelenkt (187a1). Um den gewünschten Wechsel in der erotischen Natur des Körpers seines Patienten zu bewerkstelligen, hat der Arzt die Elementarqualitäten des Körpers zueinander in Freundschaft (phila: 186d6; 188d1; d9), gegenseitige Liebe (eran allēlōn: 186d6; vgl. 187c3 f.) und Eintracht (homonoia: 186e2; 187c4) zu bringen. Eryximachos’ Medizinverständnis basiert also auf der hippokratischen Lehre von den Elementarqualitäten (dynameis), die ihre klassische Ausformulierung in der Vier-Säfte-Lehre findet, darüber hinaus jedoch noch in einer Vielzahl weiterer Varianten vertreten wurde (vgl. Schumacher 1963, 194). Eryximachos nennt selbst drei Gegensatzpaare von körperlichen Elementarqualitäten – das Kalte/Warme, das Bittere/Süße sowie das Trockene/Feuchte –, verweist jedoch darauf, dass es noch weitere Elementarqualitäten gebe (186d6–e1). Mit seiner Bestimmung der Gesundheit als einer ausgewogenen und harmonischen Mischung der Elementarqualitäten befindet sich Eryximachos in Gemeinschaft mit einer Vielzahl weiterer Autoren der uns überkommenen antiken medizinphilosophischen Quellen: Bereits von Alkmaion aus Kroton (um 600 v. Chr.) wurde die Gesundheit als Zustand der „gleichen Teilhabe“ (isonomia) der Elementarqualitäten im Körper beschrieben, Krankheit hingegen als „Alleinherrschaft“ (monarchia), d. h. übermäßige Dominanz, eines der Gegensatzglieder (DK 24B4). Was die Rede des Eryximachos betrifft, ist ferner die hippokratischen Schrift De natura hominis, bei deren Autor es sich vermutlich um Polybos handelt und die um 410–400 v. Chr. zu datieren ist, von Bedeutung. Die in ihr entwickelte Krankheitslehre (Kapitel 4) dürfte dabei einen Transfer von Empedokles’ kosmologischer Lehre von den vier Grundelementen auf den Bereich der Lebewesen darstellen (vgl. Oser-Grote 1998, 468), so wie ihn Platon in der Rede des Eryximachos hinsichtlich der empedokleischen Grundkräftelehre vornimmt.7
6 Nach Levin ist die Berufung auf den logos des Pausanias Ausdruck von Eryximachos’ Hedonismus (Levin 2009, 284), der zu Platons Tugendlehre im Widerspruch stehe, weshalb Platon die medizinische Theorie des Eryximachos nicht affirmativ habe vertreten können. Dass Eryximachos durch die positive Bezugnahme auf Pausanias auf eine hedonistische Position verpf lichtet ist, in der die Befriedigung sexueller Begehren eine zentrale Rolle spielt, scheint mir jedoch übertrieben. 7 Zum Einf luss der hippokratischen Schriften auf die Rede des Eryximachos vgl. etwa McPherran 2006, 76 f.
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Da die Grundstoffe und Elementarqualitäten des Körpers in Form von Gegensatzpaaren vorliegen (186d7), d. h., ohne Fürsorge durch den Arzt Gefahr laufen, sich feindlich gegenüberzustehen, sind ihre gegenseitige Liebe und Freundschaft immer schon latent bedroht. Die Gesundheit ist mithin ein äußerst fragiles Gut, das der Fürsorge durch einen tüchtigen Fachmann (agathos […] dēmiourgos: 186d4 f.) und Techniten (technikos: 186c5), den Arzt, bedarf. Heilende Eingriffe in die körperliche physis seines Patienten, d. h. nach Eryximachos das Stiften des schönen erōs in Form von wechselseitiger Freundschaft und Liebe zwischen den Elementarqualitäten, sind dem Arzt nach hippokratischer Lehre möglich, weil jeder körperlicher Zustand durch Induzieren des ihm entgegengesetzten Zustands korrigiert werden kann.8 Hierzu bedient sich der Mediziner verschiedener Hilfskünste, zu denen nach antiker Vorstellung vor allem die Gymnastik und die Diätetik gehören. Letztere umfasst grundlegende Ernährungsvorschriften, kann darüber hinaus aber auch allgemeine Lebensregeln beinhalten, die mehr oder weniger sämtliche Bereiche des menschlichen Daseins umfassen (so etwa schon bei den Pythagoreern und Empedokles). Das hier skizzierte Verständnis der Prinzipien der Heilkunst steht bereits im Hintergrund der Schluckaufepisode (185c–e), die die Rede des Eryximachos einleitet. Aristophanes wird durch einen Schluckauf vom Reden abgehalten. Als Ursache des Schluckaufs und der Unordnung im Körper wird die Übersättigung (plēsmonē: 185c7) genannt. Eryximachos rät daher Aristophanes dazu, die Luft anzuhalten, so dass ein Zuviel an Luft durch den Entzug weiter Zufuhr kompensiert wird, um das Verhältnis der elementaren Stoffe im Körper wieder zur Harmonie zu bringen. Die Überfüllung bringt jedoch nicht nur Aristophanes’ Körper aus seiner Ordnung, sondern durchbricht zudem auf dramaturgischer Ebene die Ordnung der Gesprächsabfolge. Der Schluckauf des Aristophanes ist mithin ein doppelter. Auch Eryximachos’ ärztlicher Ratschlag, nach dem Zechen des vorangegangenen Tages vom exzessiven Trinken zu lassen und stattdessen nur mäßig, d. h. nach Lust (176e3), zu trinken und den Abend stattdessen mit Reden über den Eros zu füllen (176b–177d), greift auf die hier geleistete Bestimmung der Gesundheit vor: Man würde einen ohnehin schon überfeuchten Körper mit zusätzlicher Flüssigkeit anfüllen. Irritierend an Eryximachos’ Analyse der erotischen Grundkräfte in der organischen Natur ist, dass er nicht nur, wie angekündigt, zwischen einem doppelten erōs unterscheidet, sondern den doppelten erōs zudem stillschweigend auf zwei Ebenen ansetzt, deren Strukturen sich nicht unerheblich voneinander unterscheiden (vgl. Konstan/ Young-Bruehl 1982): Den Ausgangspunkt seiner Bestimmung der Heilkunst bildet
8 Vgl. hierzu auch Hipp., De flatibus 1: Das Mittel des Leerens heilt vom Überfülltsein und das Mittel des Füllens heilt vom Entleertsein. Die herausgehobene Rolle von plērōsis und kenōsis in der Heilkunst wird von Eryximachos ironisch aufgegriffen, wenn er Aristophanes auffordert, in seiner Rede von ihm versehentlich Übergangenes aufzufüllen (anaplērōsai: 188e3).
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der erōs des Gesamtorganismus, der die Vitalkraft zur Aufnahme und Absonderung der Elementarqualitäten bildet (Stoffwechsel). Der erōs des Gesamtorganismus genügt dabei der Struktur „X (Organismus) begehrt Y (gute oder schlechte Nahrung)“. Hierbei handelt es sich also um ein einseitiges, asymmetrisches Begehren, wie es tendenziell auch der doppelten erōs-Lehre des Pausanias zugrundeliegt und sich bei Sokrates und Alkibiades wieder findet. Ohne es durchsichtig zu machen, wird jedoch sodann in einem zweiten Schritt, der Elementaranalyse, die Beschaffenheit des erōs des Gesamtorganismus, das Begehren nach guter oder schlechter Nahrung, auf den erōs zwischen den Elementarqualitäten im Körper zurückgeführt. Herrscht zwischen den Elementarqualitäten gegenseitige Liebe, Freundschaft und Eintracht – Eryximachos spricht später zudem von Zusammenklang (symphōnia: 187b4), Einverständnis (homologia: 187b4; 187c2), Harmonie (harmonia: 187a6; b3; b4; 188a4) und ausgewogener Mischung (krasis […] sōphrona: 188a) –, die das Werk des schönen (kalos: 186d1, 187d7), gesitteten (kosmios: 188a3; c4) und himmlischen (ouranios: 187d7) Eros sind, der der himmlischen Muse Urania zugehörig ist (187d7 f.), ist auch der erōs des Gesamtorganismus schön und begehrt das für ihn Gute. Herrscht zwischen den Elementarqualitäten hingegen der mutwillige (188a7) oder auch schändliche (186d1) und allgemeine (pandēmos: 187e1) Eros, der zur Muse Polyhymnia gehört (187e1), droht die einseitige Vereinnahmung und Vernichtung eines der beiden Glieder durch die ihm entgegengesetzte Elementarqualität, denn der allgemeine Eros führt, wie es später heißt, in den Zustand des Mehrhabenwollens (pleonexia: 188b3 f.), der Ordnungslosigkeit (akosmia: 188b4) und Zuchtlosigkeit (akolasia: 187e3) zwischen den Relata, so dass sie gegen die gebotene und gesunde Proportion zwischen ihnen verstoßen.9 Ist dies der Fall, wird auch der erōs des Gesamtorganismus in Mitleidenschaft gezogen, der Mensch wird krank, weil er das für ihn Schlechte begehrt. In seiner Analyse macht der Arzt somit stillschweigend den erōs des Gesamtorganismus zum Epiphänomen des erōs zwischen den körperlichen Elementarqualitäten (ähnlich Rowe 1999, 57 ff.). Der erōs zwischen den Elementarqualitäten ähnelt dabei dem erōs-Begriff von Phaidros und Aristophanes, die Liebe und Begehren primär als ein reziprokes Verhältnis zwischen Liebenden und nicht so sehr als einseitiges Begehren des Liebenden nach dem Geliebten konzipieren. Unartikuliert bleibt ferner auch, inwiefern ein solch destruktives, maßloses und aufzehrendes Begehren, wie es der schändliche erōs darstellt, der das Pendant zur empedokleischen Grundkraft des Streites (neikos) bildet, überhaupt noch als Liebe bezeichnet werden kann. Diotima will in ihrer Rede jedenfalls nicht Formen eines solch destruktiven Begehrens als erōs 9 Mit seiner Unterscheidung vom himmlischen und allgemeinen Eros knüpft Eryximachos auch begriff lich an die Unterscheidung der zwei Eroten durch Pausanias an, der selbst – in Anlehnung an die in der griechischen Mythologie gängigen Unterscheidung der doppelten Aphrodite – von einem himmlischen (ouranios) und einem allgemeinen (pandēmos) Eros spricht (180d–e). Zu Eryximachos’ Namensgebung vgl. die Liste der Musen in Hesiod Th. 75–79, die auch die Musen Urania und Polyhymnia umfasst.
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verstanden wissen, sondern nur Strebungen, die auf das Gute und Schöne bezogen sind (204d ff.; vgl. Phdr. 242d–e). In diesen Punkten bleibt Eryximachos’ Argumentation unterbestimmt. Trotz ihrer argumentativen Unzulänglichkeiten gibt Eryximachos’ erōs-Lehre bzw. die auf ihr fußende Bestimmung der ärztlichen Heilkunst und körperlichen Gesundheit ein Modell an die Hand, das es erlaubt, Platons Aussagen in der Sokrates/DiotimaRede wie auch in weiteren Dialogen über die Philosophie als seelische Fürsorgekunst und die Tugend als Zustand der seelischen Gesundheit besser zu verstehen. So wird die seelische Gesundheit von Platon analog zu Eryximachos’ Bestimmung der körperlichen Gesundheit als ein äußerst fragiles Gut gedacht. Wie der erōs im Körper des Menschen bedarf daher auch der erōs in der Seele der Fürsorge durch einen wissenden Fachmann, weil auch die die seelische physis des Menschen konstituierenden Teile sich feindlich gegenüberstehen und durch das Wissen eines tüchtigen Fachmanns zur Eintracht und Harmonie geführt werden müssen. Besonders eindringlich wird diese Einsicht durch Platons Bild vom Seelenwagen formuliert, in der sich das weiße, besonnene und das schwarze, zügellose Ross widerstrebend gegenüberstehen (Phdr. 246a–248b; 253c–254e). Als eine solche seelische erōs-Expertin wird Diotima durch Sokrates eingeführt (201d), die der junge Sokrates als Nicht-Wissender und Hilfesuchender in Fragen der gelingenden Lebensführung aufsucht (202c); und als einen solchen Wissenden in Fragen der Fürsorge für den seelischen erōs bezeichnet sich Sokrates eingangs des Symposion nach seiner Unterweisung durch Diotima (177d8). Ganz im Sinn des Transfers von Eryximachos’ medizinischer erōs-Lehre auf den Bereich des Seelischen wird in der Politeia derjenige als gerecht bezeichnet, dem es gelingt, die drei Seelenteile durch die Stiftung von Ordnung und wechselseitiger Freundschaft zur Harmonie zu bringen und so „aus vielem einer“ wird (Rep. IV 443c–e), als ungerecht, dessen Seelenteile sich in Zwist und Aufstand gegeneinander befinden, so dass sie sich in Unordnung zueinander befinden (Rep. IV 444b). Analog gilt für den gerechten Staat, dass die an sich befeindeten Stände durch das Wissen der Philosophenherrscher zur Eintracht und Einheit geführt werden, wozu sich die Staatslenker ebenso der Lüge bedienen dürfen wie die Ärzte der Heilmittel (Rep. II 382c; III 389b). Der Gedanke, dass die Beschaffenheit des Strebens der Gesamtperson, das Gute oder Schlechte zu begehren, durch die Freundschaft und Harmonie zwischen den Seelenteilen bedingt ist, wird von Platon wieder zum Ende des neunten Buchs der Politeia (591d ff.) aufgegriffen. Sokrates bedient sich mithin in seiner Theorie des menschlichen Strebens des gleichen zweistufigen erōs-Modells, das auch der Rede des Eryximachos zugrundeliegt, wenn er die Beschaffenheit des erōs der Gesamtperson qua Elementaranalyse auf das ‚erotische‘ Verhältnis zwischen den die seelische physis konstituierenden Teilen zurückführt. Kurz: Gerechtigkeit ist für Platon die ins Seelische gewendete Gesundheit; Philosophie die ins Seelische gewendete ärztliche Heilkunst (Rep. IV 444c–d).
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Schließlich weist Eryximachos’ Beschreibung des körperlichen Stoffwechsels mittels der Ausdrücke plēsmonē/plērōsis und kenōsis auf die Konzeption von Platons Lusttheorie voraus, wie er sie vor allem in seinem Spätdialog Philebos entwickeln wird (vgl. hierzu Frede 1997). Lust (hedonē) wird hier als Gefühl beschrieben, das die Füllung eines Mangels im Menschen begleitet, sei es im Körper durch Füllung mit Speise und Trank, sei es in der Seele durch Füllung mit Wissen. Schon in Rep. IX (584e ff.) beschreibt Platon die Auffüllung der körperlichen Leere durch Nahrung, d. h. die Aufnahme der dem Körper von Natur aus verwandten Stoffe, als das Empfinden körperlicher Lust. Analog zu ihr wird die seelische Lust als Auffüllung der seelischen Leere durch Wissen, d. h. die Aufnahme der ihr verwandten ‚Stoffe‘, konzipiert. Aufgrund des ontologischen Primats des Intelligiblen und Seelischen gegenüber dem Sinnlich-Wahrnehmbaren und Körperlichen erweist sich dabei die seelische Lust als höher und wertvoller als ihr körperliches Gegenstück. Körperlicher und seelischer Schmerz (lypē) werden entsprechend als das negative Empfinden der Leere (kenōsis) des Körpers bzw. der Seele beschrieben. Das Wechselspiel von plēsmonē und kenōsis, wie es die Natur des menschlichen Körpers bestimmt, greift zudem auf die Beschreibung der Natur des Eros als Mittelwesen durch Diotima vor (202b ff.): So wie der Körper aufgrund seiner Natur von Speise und Trank fortwährend entleert wird und dadurch ein Bedürfnis nach Auffüllung durch Nahrung erzeugt, so entleert sich die menschliche Seele aufgrund ihrer Natur als Mittelwesen zwischen Menschlichem und Göttlichem fortwährend des Wissens und produziert so ein anhaltendes Bedürfnis nach ihm, die Liebe zur Weisheit (philosophia) (bes. 204b–c).
5.4 Das universale Wirken des erōs Nach Eryximachos’ naturphilosophischem Medizinverständnis untersteht der Mensch denselben Gesetzmäßigkeiten, die auch im Makrokosmos herrschen. Da der Kosmos auf das Gedeihen und den Niedergang der Lebewesen Einf luss nimmt, ist davon auszugehen, dass auch in ihm der doppelte Eros regiert. Im zweiten Hauptteil seiner Rede versucht Eryximachos deshalb zu zeigen, dass auch die anderen Wissenschaften, die mit dem Makrokosmos befasst sind, das Wirken des doppelten Eros im menschlichen Körper zu ihrer Essenz haben. Durch den Transfer des Wissenschaftsparadigmas der Medizin10 auf die anderen Künste und Wissenschaften bzw. deren Wirklichkeitsbereiche – Eryximachos nennt Musik (musikē: 187a–e), Astronomie (astronomia: 188a–b) und Seherkunst (mantikē: 188b–d) – soll so das universale Wirken des Eros dargelegt werden. 10 Zum Status der Medizin als paradigmatischer Wissenschaft vgl. bes. Grg. 500e–501b. Dabei liegt Eryximachos’ Ausführungen ein weiter technē-Begriff zugrunde, der nicht derjenige Platons ist. Anders als der Philosoph scheint der Mediziner selbst nicht über einen allgemeinen Begriff der Kunst und Wissenschaft zu verfügen. Auch hierin besteht ein Wissensdefizit des Eryximachos. Zum weiten technē-Begriff des Eryximachos vgl. Levin 2009, 299–302.
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Die Elemente der Musik bilden das Tiefe und Hohe sowie das Langsame und Schnelle.11 Aufgabe des Musikers ist es, diese an sich entgegengesetzten Elementarqualitäten, d. h. hohe und tiefe Töne als Harmonie sowie schnelle und langsame Töne als Rhythmus, durch das Stiften wechselseitiger Liebe und Freundschaft in Einklang zu bringen und dadurch Einverständnis von an sich Auseinanderstrebendem zu schaffen: „Und so ist die Musik die Wissenschaft vom Wirken des Eros in Harmonie und Rhythmus“ (187c4 f.). Auch der Wirklichkeitsbereich der Musik ist somit durch die Macht des Eros konstituiert. Überraschend ist nun, wie Eryximachos das Wirken des doppelten Eros im Kontext der Musik konzipiert. Es läge nahe zu vermuten, dass der gute und wohlgeordnete Eros durch sein Wirken Harmonie und Rhythmus herbeiführt, während das Wirken des schlechten bzw. mutwilligen Eros zu disharmonischen und unrhythmischen Klängen führt. Dieser naheliegende Schluss wird jedoch nicht vollzogen. Stattdessen weist Eryximachos darauf hin, dass das Wirken des Eros in der Musik qua Harmonie und Rhythmus zunächst selbst noch nicht ambivalent, sondern immer schon wohlgeordnet ist (187c). Gemeint ist wohl jene Form von wissenschaftlicher (und nicht rezeptionsästhetischer) Harmonielehre, wie sie von Sokrates ins Curriculum des siebten Buchs der Politeia aufgenommen wird (Rep. VII 530d ff.) und deren unwandelbaren Prinzipien und Proportionen den musischen Schöpfungen zugrundeliegen. Ambivalent wird das Wirken des Eros in der Musik erst dann, wenn man sie durch Komposition (melopoiia) und Erziehung (paideia) auf den Menschen anwendet, denn die Musik kann im Menschen Ordnung und Maß oder aber Übermaß und Unordnung bewirken. Daher gilt es – gemäß dem medizinischen Imperativ –, sich dem schönen erōs im Menschen dienstbar zu machen und ihn zu schützen (187d4–e1), indem man sich der ordnungsstiftenden Musik bedient, während die nicht auf Ordnung und Harmonie, sondern auf Lust (hēdonē) zielende Musik nur sehr vorsichtig verwendet werden darf. Nämlich nur dann, wenn sich der Hörer in seiner physis hinreichend stabil zeigt, um die aus ihr resultierende Lust zu genießen, ohne der Zuchtlosigkeit zu verfallen (187e1–3).12 Dass diese lustorientierte Form von Musik den Zusammenklang im Menschen gefährdet, macht die Zuordnung zur Muse Polyhymnia („Vielklang“) deutlich. Die richtige Verwendung (chrōmenon orthōs: 187d2) der Musik als Fürsorge für den guten erōs im Menschen bedarf daher – wie die Ausübung der medizinischen Kunst – eines tüchtigen Fachmanns (agathos dēmiourgos: 187d3 f.). Unklar bleibt zunächst, wer dieser tüchtige Erzieher ist. Die Bezeichnung als agathos dēmiourgos, die mit der des Arztes in 186d4 f. identisch ist, legt dabei nahe, dass Eryximachos an den Mediziner denkt, 11 Zur Musiktheorie Platons s. Sier 2010. 12 Durch 187e1–3 erhält ein hedonistisches Moment in die Rede des Eryximachos Einzug, das von vielen Autoren in anti-platonischer Stoßrichtung stark gemacht wird (vgl. Rosen 1968, 115 f.; Levin 2009, 284 f.; Nichols 2009, 47).
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denn schließlich ist dieser im Besitz um das Wissen vom Wirken des doppelten Eros im menschlichen Körper. Diese Vermutung findet auf der Handlungsebene des Symposion ein Indiz darin, dass es Eryximachos ist, der das Wegschicken der Flötenspielerinnen – die Flöte gilt den Griechen als ein lustorientiertes, orgiastisches Instrument – zu Beginn des Symposion veranlasst (176e). Nicht nur durch seine Ratschläge zum Trinkverhalten, sondern auch durch seine Verfügung über die Flötenspieler scheint Eryximachos somit den Titel des wahren Erziehers stillschweigend für sich zu beanspruchen.13 Schließlich spricht für die Gleichsetzung von Arzt und Erzieher auf sachlicher Ebene die Verwendung der Musik in der antiken Heilkunst: Mit der Musik spielt Eryximachos auf die älteren Heilungsmethoden der rituellen Heilungsgesänge und Heilungssprüche an (epōdē: vgl. etwa Homer, Od. XIX 457; Tht. 149c–d). Andererseits kann Eryximachos mit dem agathos dēmiourgos nicht den Mediziner meinen, weil er in unmittelbarem Anschluss an diese Stelle, die Verwendung der lustorientierten Musik durch die Erziehung in Vergleich zum Gebrauch der Kochkunst durch „unsere Kunst“, der Medizin, setzt (187e4): So wie sich der Mediziner durch sein Wissen um die Gesundheit der Kochkunst bedienen kann, um den Menschen Genuss zu verschaffen, ohne ihnen zu schaden, kann der für die Erziehung zuständige Fachmann von der lustorientierten Musik einen moderaten Gebrauch machen, wenn er durch sie nicht die Ordnung im Menschen gefährdet. Durch die Analogie werden Arzt und Erzieher also einander gegenübergestellt, so dass es zunächst offen bleibt, wer der wahre Erzieher ist. Im Zuge seiner Musiktheorie kritisiert Eryximachos auch Heraklit (vgl. DK 22B51) (187a2 ff.). In der Heraklit-Kritik wird oft ein Indiz dafür gesehen, dass Platon die Rede des Eryximachos als philosophisches Theoriestück nicht ernst gemeint haben könne (vgl. etwa Levin 2009, 280 f. u. 290–298; Paulsen/Rehn 2006, 169). Doch gegen diese Lesart gibt es gewichtige Bedenken (vgl. hierzu Sier 2010, 156–160): Die herakliteische Einheitslehre wird von Platon und auch Eryximachos so verstanden, dass sie die simultane Ko-Präsenz des Gegensätzlichen behauptet (vgl. hierzu auch die Gegenüberstellung des herakliteischen und empedokleischen Einheitsdenkens in Sph. 242d–243a), eine Heraklit-Interpretation, die der Sache nach wohl nicht korrekt ist. Eryximachos’ Anstoß an der Metapher des Heraklits läuft somit darauf hinaus, dass die hinter ihr stehende ontologische und musiktheoretische Aussage gegen das logische Prinzip des Satzes vom Widerspruch verstoßen – Heraklit sage etwas „Widersinniges“ (alogia: 187a7) (zu diesem Vorwurf vgl. auch Met. IV.3, 1005b23–26): Die Harmonie könne nicht in der Gleichzeitigkeit von Gegensätzlichem (Hohes/Tiefes, Schnelles/ Langsames) bestehen. Eryximachos versucht Heraklit nun dadurch zu retten, dass er die gegensätzliche Elemente der Musik, deren simultane Ko-Präsenz Heraklit in seinen 13 Die dramaturgische Bedeutung der Figur des Eryximachos wird betont von Edelstein 1945, 94–97, der ihn zusammen mit Phaidros zu einem der beiden Symposiarchen macht (dagegen argumentiert Levin 2009, 281–284).
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Augen behauptet, temporalisiert, ihn dadurch aber zum ‚Empedokleer‘ macht. Nach Sier richtet sich Platon mit Eryximachos’ Heraklit-Kritik gegen die zeitgenössische dissonante Populärmusik (‚Neuer Dithyrambos‘), womit sie dem musiktheoretischen und rezeptionsästhetischen Standpunkt des Atheners in Lg. VII, 812d–e, entspreche (Sier 2010, 160). Die Astronomie ist das Wissen von den Kreisbewegungen der Sterne und den von ihnen abhängigen Jahreszeiten. Auch in den Jahreszeiten wirkt der doppelte Eros, insofern sie über Gesundheit und Krankheit der sublunaren Lebewesen mitentscheiden (gedacht ist an jahreszeitlich bedingte epidemische Krankheiten). Auch in der Gestirnbewegung und den von ihnen abhängigen Jahreszeiten kann daher vom Wirken des doppelten Eros gesprochen werden. Wohlgeordnet und gut ist der Eros in den Jahreszeiten, wenn sie zur Gesundheit der Lebewesen (= Herrschaft des guten Eros im Körper) beitragen, schlecht, wenn zur Krankheit (= Herrschaft des übermütigen Eros im Körper) (vgl. Hipp, De natura hominis (Kap. 7–9); De aëre, locis et acquis (Kap. 1–2); Rep. VII 527d; Lg. V 747d). Die Seherkunst hat es schließlich mit der Freundschaft und Liebe zwischen Menschen und Göttern zu tun. Ihre Aufgabe ist es, die an sich gegensätzlichen Elementarqualitäten ‚Menschen‘/‚Götter‘ durch gegenseitige Liebe und Freundschaft miteinander zu verbinden. Nun werden die Götter den Menschen genau dann in Freundschaft verbunden sein, wenn diese das göttliche Recht achten und Frömmigkeit üben. Sind die Götter mit den Menschen in gegenseitiger Freundschaft verbunden, droht den Menschen nicht Krankheit als göttliche Sanktion für sittlich-religiöses Fehlverhalten (vgl. Homer, Il. I.9–12). Den göttlichen Einf luss auf die Gesundheit kann die Mantik steuern, indem sie durch Sanktions- und Belohnungsmechanismen zur Frömmigkeit anhält und bei menschlichem Fehlverhalten die Götter durch die Darbringung von Opfern besänftigt, so dass diese dem Menschen nicht den schändlichen Eros schicken. Diese Vorstellung eines sakralen oder auch magischen Arztums findet sich noch bei Empedokles (DK 31B146 u. 112). Und auch Diotima wird von Sokrates als Seherin eingeführt, die den Athenern durch ein Opfer zehn Jahre Aufschub von der Pest gewährte (201d).14 Dass die Wissenschaften und Künste eine wichtige Rolle bei der Fürsorge für den erōs im Menschen spielen, wird auch von Diotima in ihrer scala amoris anerkannt (210c– d). Allerdings liegt deren wahre Leistung nicht, wie es der Arzt lehrt, in der Fürsorge für den erōs im Körper des Menschen, sondern in der Fürsorge für den erōs in der menschlichen Seele. Wie diese erzieherische Leistung der Wissenschaften und Künste in Hinblick auf die Seele zu denken ist, wird von Platon in der Politeia dargelegt. Was die seelischen Dispositionen betrifft, so kommt vor allem der Musik aufgrund ihrer intuitiven, suggestiven Kraft ein wichtige Funktion zu (Rep. III 398c ff.; 401d–e). Der Musik ist es möglich, durch ihre mimetische Wirkung in der Seele des Menschen für 14 Zum Übersinnlichen als Grundfaktor in der antiken Medizin s. Kudlien 1967, 10; McPherran 2006, 81 ff.
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Harmonie und Ordnung zu sorgen, dadurch das logistikon zu ‚nähren‘ und so dessen Herrschaft in der Seele bereits in Kindheit und Jugend vorzubereiten. Ebenso aber kann sie bei schlechter Verwendung den größten seelischen Schaden anrichten, indem sie zu Maßlosigkeit und Verweichlichung und somit zur charakterlichen Verkommenheit führt (vgl. Lg. II 669b–c). Die musische Erziehung hat mithin die Einheit des Charakters unter Leitung der Vernunft zu ihrem höchsten Ziel. Die musischen Künste dienen damit der unbewussten Ausrichtung des Individuums auf das Schöne und Wohlgestaltete, nämlich „die Liebe zum Schönen“ (Rep. III 403c). Während die Musik für die gute Entwicklung der charakterlichen Dispositionen von Bedeutung ist, sind es die Wissenschaften für die Entwicklung des Verstandes. Im siebten Buch der Politeia (518b ff.) skizziert Platon bekanntlich ein Curriculum, das die Seele zum Aufstieg aus der Welt des Werdens zu der des wahren Seienden, zur Erkenntnis der Ideen führen soll. Die in ihm angeführten Wissenschaften, darunter die Astronomie (527b–528a; 528e–530c), besitzen dabei eine für die Dialektik propädeutische Funktion, indem sie die Seele mit Proportion und Maß bekannt machen. In ganz ähnlicher Weise wird auch im Timaios der Wert der Musik und Astronomie für eine einsichtsgeleitete Lebensführung herausgestellt. Demnach schulen diese beiden Disziplinen den Sinn für Harmonie, Proportion und Regularität (Ti. 47b–d), in denen auch nach Diotima das Wesen des Schönen besteht (206c8–d2). Gesichts- und Gehörsinn gelten Platon als Geschenke der Götter, weil sie den Lernenden durch Astronomie und Musik ermöglichen, die ideale kosmische Ordnung und Proportionen wahrzunehmen und – durch die mimetische Wirkung dieser Sinneseindrücke auf die Seele – sich ihr weitestmöglich anzugleichen. Nach antiker Vorstellung scheint auch die Mantik in enger Verbindung mit einer vernunftgeleiteten Lebensführung zu stehen. So soll Pythagoras durch eine Mantikerin in die Geheimnisse der Philosophie eingewiesen worden sein (Diog. Laert. VIII.8), eine Anekdote, die der Diotima-Passage vermutlich zugrundeliegt, und auch Sokrates führt sein philosophisches Wirken auf die Prüfung des Orakelspruchs der Priesterin Pythia zurück (Ap. 21a ff.). Schließlich ist nach dem Athener das Wohl des Staates von den göttlichen und dämonischen Kräften abhängig, die das Staatsterritorium beherrschen (Lg. V 747e). Die kompositorische finesse des zweiten Hauptteils der Eryximachos-Rede besteht somit darin, dass Platon mit Musik, Astronomie und Mantik Künste bzw. Wissenschaften aufführt, die sowohl der Mediziner als auch der Philosoph in ihrer Sorge um den menschlichen erōs für sich reklamieren, wodurch er diesem Redeteil eine verwirrende Ambiguität verleiht.
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5.5 Der ganze Eros? Eryximachos ist ausgezogenen, um den Eros in seiner Gesamtheit zu loben. Die Prüfung seiner Rede hat gezeigt, dass er diesem Ziel nicht gerecht wird. Die Grenzen von Eryximachos’ erōs-Theorie sind von Platon in dessen Lobrede deutlich eingezeichnet: (1) Bereits zu Beginn seiner Rede betont Eryximachos, dass es neben dem erōs in der Seele auch noch einen erōs im Körper der Lebewesen gibt (186a). Dann aber kann der doppelte erōs in der organischen Natur nicht mit dem Eros in seiner Gesamtheit gleichgesetzt werden. (2) Der musiktheoretische Diskurs des Eryximachos zeigt, dass er selbst von einem Bereich des Seienden ausgeht, der nicht von einem doppelten Eros regiert wird, sondern immer schon durch den schönen und gesitteten Eros konstituiert ist, dessen Werk Ordnung, Proportion und Maß ist. Nach Platon gehören zu ihm die Sphäre der Fixsterne und das Reich der Ideen (vgl. Rep. VI 500c). Insofern die Seele ihrer Natur nach dem Intelligiblen, Unveränderlichen und Ewigen verwandt ist (Phd. 72e–80b), erweist sich daher das ihr naturgemäße Streben, anders als das des veränderlichen und vergänglichen Körpers, nicht als ambig, sondern als ausschließlich mit dem schönen erōs identisch (was die begriff liche Engführung durch Diotima zur Folge hat). (3) Das von Eryximachos im zweiten Hauptteil seiner Rede verwendete Vokabular ist derart ethisch aufgeladen (pleonexia, akolasia etc.), dass der durch es beschriebene erōs selbst nicht mehr adäquat durch Eryximachos’ medizinisch-somatische erōs-Lehre abgebildet werden kann. Spätestens wenn Eryximachos seine Rede mit den Worten zusammenfasst, dass „der Eros, der sich um des Guten willen mit Besonnenheit und Gerechtigkeit auswirkt (meta sōphrosynēs kai dikaiosynēs) […] die größte Macht besitzt (tēn megistēn dynamin) “, weil er uns „jegliche Glückseligkeit (pasan […] eudaimonian) bereitet“ (188d5–8), hat er die von ihm dargelegte erōs-Lehre auf die seelische erōs-Lehre der Diotima hin transzendiert; der Mediziner – wenn auch nicht wissentlich – den Vorrang des Seelenarztes eingestanden. Trotz der Irritationen und Unzulänglichkeiten, die Platon in die Eryximachos-Rede einf ließen lässt, ist sie als medizinphilosophisches Lehrstück durchaus ernst zu nehmen (so auch Poschenrieder 1882, 10; Edelstein 1945; Sier 2010, 152 Anm. 59). Darüber hinaus bietet sie uns ein Modell, das dabei hilft, eine Vielzahl von zentralen Theoriestücken des platonischen Projekts der Philosophie als Fürsorge für den seelischen erōs besser zu verstehen. Insofern scheint es mir richtig, mit Blick auf die EryximachosRede von der philosophischen Kontinuität des Symposion zu sprechen. Indem Eryximachos seine erōs-Lehre, die für den Bereich des Körperlich-Materiellen Gültigkeit besitzt, jedoch als Lehre vom Eros in seiner Gesamtheit ausgibt, und damit, wie es im Schlussteil seiner Rede deutlich wird, Anspruch auf ein Wissen von der gesamten Natur des Menschen sowie vom Glück und nicht nur der Gesundheit erhebt, begeht er jedoch den sokratisch-platonischen Sündenfall par excellence: Die Kompetenzüberschreitung
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des Techniten (bes. Ap. 22d–e) und somit die Fehldeklaration von Unwissenheit (amathia) als größter Weisheit (megistē phronēsis) (Lg. X 886b).
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6 Bernd Manuwald
Die Rede des Aristophanes (189a1–193e2)
6.1 Platonische Dramaturgie Nach der Redenfolge, wie sie sich entsprechend der endgültigen Platzierung der Teilnehmer auf den Klinen ergeben hatte, hätte Aristophanes schon vorher reden sollen, nämlich nach Pausanias (180c1–185c3), doch war er durch einen plötzlichen Schluckauf daran gehindert. Er wandte sich an den Arzt Eryximachos, der nach ihm an die Reihe kommen sollte, mit der Bitte, seinem Schluckauf ein Ende zu machen oder statt seiner zu reden, bis er selbst wieder einsatzfähig sei. Eryximachos will beides tun, er springt als Redner ein, und er nennt Aristophanes auch verschiedene Methoden, wie er den Schluckauf beenden könne (185c4–e5). Tatsächlich wird Aristophanes schließlich das für einen besonders schweren Fall vorgesehene Mittel, einen Kitzel in der Nase hervorzurufen und zu niesen, anwenden müssen, um von seinem Schluckauf loszukommen (189a1–3) und seine Rede halten zu können. Platon erzielt mit dieser Szene zunächst eine dem Komödiendichter Aristophanes würdige kongeniale komische Auf lockerung der zu erwartenden Redenfolge. Außerdem darf man sich als Leser vorstellen, wie Aristophanes während der ernsten Rede des Eryximachos mit seinem Schluckauf kämpft und nacheinander die von ihm als Arzt empfohlenen Verfahren – Atem-Anhalten, Gurgeln mit Wasser, künstlich erzeugtes Niesen – durchprobiert.1 Gleichzeitig lenkt dieses Intermezzo die Aufmerksamkeit der Zuhörer und des Lesers auf die Rede des Aristophanes; denn wenn etwas zuerst erwartet, dann verschoben wird, ist es schon dadurch herausgehoben. Zudem rückt durch die Veränderung der ursprünglich „vorgesehenen“ Abfolge die Rede des Aristophanes mit denen des Agathon und des Sokrates (und dessen Referat der Ausführungen der Diotima) zusammen, während sie nach der alten Reihenfolge durch die Rede des Eryximachos von 1 Vgl. im Einzelnen Avlonitis 1999, 16–23.
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ihnen getrennt gewesen wäre. Die Reden der beiden Dichter folgen jetzt aufeinander und bilden die Grundlage für die Rede von Sokrates/Diotima, die nicht nur mit einem Agathons Vorstellungen präzisierenden Dialog zwischen Sokrates und Agathon eingeleitet wird (199c3 ff.), sondern in der Diotima auch ausdrücklich auf Aristophanes’ Eros-Konzeption eingeht (205d10–206a1; 212c4–6),2 also diese beiden Reden als Gegenentwürfe ernst nimmt. Die Dreiergruppe der Reden von Aristophanes, Agathon und Sokrates/Diotima schließt sich auch dadurch zusammen, dass die jeweiligen Reden im Unterschied zu denen des Phaidros, des Pausanias und des Eryximachos von vorbereitenden bzw. kommentierenden Bemerkungen umgeben sind, die auf die Qualität der Argumente eingehen.3 Szenisch wird der Blick auf die spezielle Beziehung untereinander noch dadurch verstärkt, dass Sokrates, Agathon und Aristophanes am Ende des Gelages die einzigen Teilnehmer sein werden, die noch zu einer Unterhaltung fähig sind, wobei sich herausstellt, dass die beiden Dichter jeweils die Hälfte der dramatischen Dichtkunst verkörpern, die nach Sokrates eigentlich von ein und demselben beherrscht werden müsste (223c–d). Platon hätte diese Dreiergruppe natürlich von vornherein durch eine entsprechende Platzierung der Teilnehmer erreichen können – ohne einen Kunstgriff wie den Schluckauf des Aristophanes und ohne Verschiebung seiner Rede.4 Aber wie in der Anlage des Symposion Sokrates nicht nur durch sein Späterkommen charakterisiert, sondern auch dadurch hierarchisiert wird, dass er den ursprünglich von Agathon eingenommenen letzten Platz erhält (175c4–8) – und damit die letzte und schwierigste, aber auch nachhaltigste Redeposition (177e3 f.) –, so wird durch den Tausch mit Eryximachos die Rede des Komödiendichters Aristophanes besonders akzentuiert.5 Diese Funktionalisierung der Rede muss als ein wichtiges Kriterium für ihre Interpretation gewertet werden. Weshalb gehört Aristophanes aber überhaupt zu den Teilnehmern des Gelages am Tag nach der Siegesfeier für Agathons Sieg beim tragischen Agon 416 v. Chr.? Der historische Aristophanes hatte den historischen Sokrates in seinen Wolken (423 v. Chr.) 2 Die inhaltliche Bezugnahme fällt allerdings aus dem Rahmen, da Diotima bei Agathons Feier nicht zugegen war und die Rede des Aristophanes nicht gehört haben kann. 3 Vgl. 189a1–c1; 193d6–194e3; 198a1–199c2; 212c4–6. – Die Szene vor der Rede des Eryximachos (185c4–e5) bezieht sich nicht auf den Inhalt dieser Rede, sondern es wird nur die Verschiebung der Rede des Aristophanes begründet, und in der Szene danach (189a1 ff.) geht es ebenfalls nicht um die vorhergehenden Ausführungen, vielmehr um eine personenbezogene Neckerei zwischen Aristophanes und Eryximachos, die auf eine weitere Fokussierung auf die folgende Rede des Aristophanes hinausläuft (s. u. S. 91). 4 Platon vermittelt ohnehin den Eindruck, dass der Erzähler sich gar nicht mehr an alle Reden genau erinnern könne, und gibt ausdrücklich zu erkennen, dass es sich bei den wiedergegebenen um eine „Auswahl“ handelt (180c1–3). 5 Vgl. zu dieser Dramaturgie im Symposion auch die subtilen Ausführungen von Lowenstam 1986, 43–56. Ob jedoch, wie Lowenstam meint, der Leser auch aufgefordert sein soll, die Gedankenfolge der Sokrates/DiotimaRede mit der ursprünglich zu erwartenden Redenfolge zu vergleichen, scheint fraglich. Die Leserlenkung geht eher auf das Ergebnis der Umstellung als auf das, was hätte sein können.
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als Intellektuellen, besonders als Sophisten, scharf attackiert, und noch beim Prozess des Sokrates 399 v. Chr. lässt Platon Sokrates das Bild, das schon lange in der Öffentlichkeit – und besonders in der Komödie – von ihm gezeichnet worden sei, mehr fürchten als seine jetzigen offiziellen Ankläger.6 Wenn Platon, als er viel später das Symposion verfasste, Sokrates dennoch in entspanntem Verhältnis zu Aristophanes auftreten lässt, muss er gute Gründe gehabt haben, über das belastete Verhältnis hinwegzusehen. Er lässt jedenfalls Sokrates ausdrücklich feststellen, dass Aristophanes (genau wie er selbst) prädestiniert sei, eine Rede über den Eros zu halten, da sich sein ganzes Tun um Dionysos und Aphrodite drehe (177d7–e2). Vielleicht erschien Platon Aristophanes als einziger geeignet, einen so plastischen Mythos, wie er ihn dem Komödiendichter in den Mund legt, vorzutragen. Daraus ergibt sich die weitere Frage, wozu es im Symposion eines solchen Mythos bedurfte, auf den dann noch ein intensiviertes Augenmerk gelenkt wird.
6.2 Analyse von Aristophanes’ Rede Der Rede des Aristophanes geht ein neckendes Geplänkel zwischen ihm und Eryximachos voraus (189a1–c1), das wiederum geeignet ist, die Erwartungshaltung des Lesers zu steigern: Weil Eryximachos sich von Aristophanes nicht ernst genommen fühlt, will er dessen Rede kritisch daraufhin prüfen, ob Aristophanes etwas Komisches (geloion) sage (189a7–b2). Aristophanes hat jedoch nur die Befürchtung, dass er etwas Lächerliches (katagelaston) sagen könnte; dagegen etwas, worüber man lachen kann (geloion), das sieht er als einen Gewinn und zu seiner (komischen) Muse gehörig an; offenbar hat er vor, etwas im Kern Ernsthaftes zu sagen (189b3–7).7 Tatsächlich wird seine Rede dann vor Eryximachos’ Augen Gnade finden (193e3 f.), womit indirekt bestätigt wird, dass es sich bei der darin vorgetragenen Konzeption nicht um eine bloß witzige Idee handeln soll. Aristophanes’ Rede beginnt mit einer überleitenden Einführung (189c2–d4): Darin betont er den Unterschied seiner Auffassung zu denjenigen des Pausanias und des Eryximachos und beklagt ganz allgemein, dass die Menschen die Macht des Eros verkennten, sonst würden sie ihn, wie es sich für ihn gehörte, ganz anders mit Altären und Opfern verehren. Denn – das ist Aristophanes’ gleich zu Anfang genannte These – Eros sei der menschenfreundlichste Gott, Helfer der Menschen und Arzt der Leiden, durch deren Heilung das Menschengeschlecht wohl das größte Glück habe. Aristophanes kehrt also im Unterschied zu dem universalistischen Ansatz des Eryximachos wieder zu Eros als zwischenmenschlichem Phänomen zurück. Diese Macht des Gottes will Aristophanes 6 Ap. 18b; d1; 19b4–c3, wo die Komödie des Aristophanes (gemeint sind Die Wolken) ausdrücklich genannt wird. Die Wolken sind auch im Symposion präsent: In 221b3 f. liegt eine Adaption von v. 362 vor. 7 Diese Auffassung auch bei Rowe 1998, 153 zu 189b7.
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darzulegen versuchen, und seine Zuhörer würden dann die Lehrer der anderen sein. Aristophanes versteht sich also selbst als Lehrer, ganz entsprechend, wie Diotima Lehrerin des Sokrates ist (207a5; c6), der ihre Lehren weitergibt. Damit wird ein spezifischer Konkurrenzanspruch zur Position des Sokrates formuliert. Der Hauptteil der Rede (189d5–193c8) beginnt mit einem systematischen Ansatz: Aristophanes will „erstens“ (189d5) über die (ursprüngliche) Natur von uns Menschen (A 1: 189d6–190c1) belehren und darüber, was ihnen widerfahren sei (A 2: 190c1– 191d3).8 Ohne ein „zweitens“ legt Aristophanes danach die Konsequenzen für das Leben von uns heutigen Menschen dar (B: 191d3–193c8), woran sich noch eine kurze Schlussbemerkung anschließt (193c8–d5), die sich in der Form der Ringkomposition auf die Einleitung zurückbezieht. Danach nimmt Aristophanes den Dialog mit Eryximachos wieder auf (193d6 f.). Der erste Hauptteil hat im Ganzen die Gestalt eines aitiologischen Mythos und ist insofern dem Mythos im Protagoras vergleichbar (Prt. 320c8–322d5), der dort ausdrücklich mit der Bezeichnung „Mythos“ eingeführt wird (Prt. 320c2–7). Aristophanes trägt seinen Mythos jedoch zum Teil mit einer für einen Mythos uncharakteristischen Erzählweise vor: Das märchenhafte „Es war einmal …“ im Protagoras (320c8) fehlt im Symposion,9 vielmehr gleicht der Stil z. T., wie oben angedeutet, einer systematischen Abhandlung, was einen merkwürdigen Kontrast zu dem stellenweise komischen Inhalt ergibt. Neben dem von Protagoras erzählten Mythos ist derjenige des Aristophanes bei Platon der einzige, der nicht von Sokrates oder einem anderen „Platon-nahen“ Gesprächsführer vorgetragen wird; in dieser „Autor“-Situation ist begründet, dass beide Mythen im weiteren Verlauf des jeweiligen Dialogs einer impliziten oder expliziten Kritik unterzogen werden. Im ersten Teilabschnitt des Hauptteils (A 1) legt Aristophanes die ursprüngliche Natur des Menschen in Kontrastierung zur heutigen dar.10 Die damaligen Menschen unterschieden sich in zwei wesentlichen Punkten: (1) Es gab nicht nur zwei Geschlechter (männlich, weiblich), sondern noch ein drittes, gemischt aus beiden, das nicht mehr existiert, sondern nur noch in der unehrenhaften Bezeichnung „androgyn“ weiterlebt (189d6–e5). (2) Die Gestalt der Menschen war kugelrund,11 mit vier 8 Die Dispositionshinweise setzen sich innerhalb des Abschnittes 189d6–190c1 mit einem weiteren „erstens“ (189d7) und einem „zweitens“ (189e5) noch fort. Danach wird die systematische Darlegung aufgegeben zugunsten einer Erzählung, bei der die einzelnen Punkte nicht mehr ausdrücklich markiert sind. 9 Dover 1980, 112, verweist daher zu Unrecht auf die Stelle im Protagoras. 10 Wenn die frühere Natur (hē palai physis, 189d6) des Menschen schließlich als dessen „alte Natur“ (archaia physis, 191d1 f.) bezeichnet wird, so liegt darin ein Hinweis, dass dies die „richtige“ Natur, der eigentliche Normalzustand, sein soll. Vgl. Carvalho 2009, 29 ff. 11 Hug/Schöne 1909, 75, waren der Ansicht, diese Menschen seien nicht kugelförmig, sondern zylindrisch gewesen. Denselben Standpunkt vertritt Morrison 1964, 46 ff. (gefolgt von Craik 2001, 112). Ebenso offenbar auch Hunter 2004, 62. Carvalho 2009, 52 Anm. 23, tendiert zur Annahme der Kugelform, lässt die Frage aber
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Armen, vier Beinen, zwei voneinander abgekehrten Gesichtern auf kreisrundem Hals, aber nur einer Schädeldecke darüber, vier Ohren und zwei Geschlechtsteilen.12 Sie hätten sich aufrecht wie heutige Menschen bewegen können, sei es in die eine oder die andere Richtung, oder, wenn es schnell gehen sollte, nach Radschlägermanier unter Benutzung aller acht Gliedmaßen (189e5–190a8). Die Erklärung für beide Phänomene wird nachgetragen: Das männliche Geschlecht stamme ursprünglich von der Sonne ab, das weibliche von der Erde, das androgyne vom Mond, der an beiden Geschlechtern Anteil habe. Auf die Ähnlichkeit zu den jeweiligen „Eltern“ werden dann die kugelförmige Gestalt der Menschen und die spezifische Art der Fortbewegung zurückgeführt. Schließlich geht Aristophanes noch auf das Wesen dieser Menschen ein: Sie seien von gewaltiger Kraft und Stärke und verwegener Gesinnung gewesen und hätten den Himmel erklimmen wollen, um die Götter anzugreifen.13 Eine wirkliche Erklärung, wie und warum die Menschen zustande kamen, gibt Aristophanes, wenn man von dem Hinweis auf die ursprüngliche Abstammung einmal absieht, nicht. Und eigentlich dürfte es sich bei diesen Wesen, die, wie es scheint, reine Götterabkömmlinge sind, gar nicht um Menschen handeln; sie sind jedoch im Mythos als im Gegensatz zu den Göttern stehend konzipiert. Dass ihre Abstammung von Sonne, Erde letztlich offen. Tatsächlich ist die Wendung to eidos strongylon, nōton kai pleuras kykloi echon (189e5f.) als solche nicht eindeutig, es können mit dem Wort strongylos auch zylindrische Gegenstände bezeichnet werden (z. B. Baumstämme; vgl. Theophr. HP 5,5,6). Aber Platon wählt zur Charakterisierung der Form der Menschen ein Wort, das er in Opposition zu plateios auch auf die Erde anwendet (Phd. 97e1), wo es nur ‚kugelförmig‘ bedeuten kann (vgl. 108e5 u. 110b6 f. sowie Anm. 14 mit der dort genannten Literatur). Wenn es von den Menschen heißt „Insgesamt, zur Gänze (holon in prädikativer Stellung; vgl. Bury 1932 z. St.) war […] die Gestalt rund“ (189e5 f.), passt das besser zur Bedeutung ‚kugelförmig‘. Morrison (a. O. 46) interpungiert nach eidos und bezieht holon darauf: “the shape of each man is complete”. Aber dass die neu geschaffenen Menschen vollständig sind, müsste nicht eigens gesagt werden. Vielmehr wird betont, dass die Menschen nicht nur in Teilen rund (wie ein Zylinder) waren. Ein weiteres Kriterium ergibt sich aus Folgendem: Jene Wesen selbst und ihre Bewegung werden peripherē genannt, was damit begründet wird, dass sie ihren Eltern ähnlich seien (190b3–5). peripherēs (als solches ebenso wenig eindeutig wie strongylos) wird im Phaidon (108e5) in Bezug auf die kugelförmig aufgefasste Erde gebraucht, und man wird annehmen dürfen, dass die Kugelgestalt der Erde (d. h. einer der Elternteile) auch hier gilt. Morrison (a. O. 48, unter Berufung auf einen früheren Aufsatz [1959, 103– 109] bestreitet, dass die Erde nach dem Phaidon kugelförmig sei; vgl. dazu aber Anm. 14. Bei seinem Argument, dass sich aus den bei der Teilung der Kugeln entstehenden Halbkugeln nicht die Gestalt der späteren Menschen erklären lasse (Morrison 1964, 47), ist nicht die gründliche „Bearbeitung“ der geteilten Ur-Menschen durch Apollon bedacht (190e2–191a5). 12 Für Anderson 1993, 41, stehen im Hintergrund die empedokleischen Vorstellungen des Ur-Sphairos (fr. 31 B 28 u. 29 DK) und der doppelgesichtigen und doppelbrüstigen Wesen (fr. 31 B 61,1 DK). 13 Wenn Aristophanes’ Angabe, „was Homer (Od. 11,305 ff.) von Otos und Ephialtes sagt, das wird von jenen gesagt“ (190b7 f.), so zu verstehen ist, dass die homerische Geschichte in Wirklichkeit eine Geschichte von den ursprünglichen Kugelmenschen sei (Dover 1966, 46), dann zeigt sich eine doppeldeutige Beziehung des „aristophanischen“ zum traditionellen Mythos: Einerseits ist das Motiv der Himmelsstürmer der Tradition (Homer) entnommen, andererseits wird es gewissermaßen entmythologisiert, indem die auf bestimmte Individuen bezogene Geschichte bei Homer als ein „historisches“ Phänomen der Urzeit der Menschheit gedeutet wird.
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und Mond als „ursprünglich“ bezeichnet wird, könnte eine spätere eigenständige Fortpf lanzung nahelegen, über die man aber nichts erfährt; ein Streben zueinander können die (noch ungeteilten) Menschen, wie man aus dem Fortgang der Erzählung schließen muss, nicht gehabt haben. Die Kugelmenschen sind zwar mit doppelten Geschlechtsorganen ausgestattet, aber die Genitalien haben bei der „alten Natur“ des Menschen keine im Text benannte Funktion; erst nach der Teilung wird ihnen ein Sinn gegeben, und da ist es „praktisch“, dass sie vor der Teilung schon da sind. Einen Teil der Menschen von der Erde abstammen zu lassen, lag bei der traditionellen Rolle der Erde als „Urmutter“, die auch Wesen allein aus sich selbst hervorbringen konnte (Hesiod, Th. 117 ff.), nahe. Möglicherweise nicht traditionell, sondern eher noch nicht allgemein verbreitet ist die Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde, von der Platon allerdings überzeugt war.14 Es handelt sich jedenfalls kaum um eine Auffassung, die der historische Aristophanes so ohne Weiteres hätte verwenden können. Sicher hätte Platon nicht nur die weiblichen Kugelmenschen durch die Erde hervorbringen lassen können, aber offensichtlich sollten zur klaren Trennung der drei späteren sexuellen Orientierungen (weibliche Homosexualität; männliche Homosexualität; Heterosexualität) entsprechend deutlich verschiedene „Eltern“ gefunden werden. Nachdem die weiblichen Kugelmenschen aus einem kosmischen Körper hervorgegangen waren, boten sich die im Griechischen maskuline Sonne als Pendant zur Erde für das männliche Geschlecht an15 und für das noch übrige androgyne Geschlecht der im Griechischen an sich sonst feminine Mond,16 der hier – wie wohl auch die Sonne – anscheinend zum ersten Mal als kugelförmig vorausgesetzt ist.17
14 Sokrates führt die Konzeption im Phaidon als etwas der üblichen Auffassung Widersprechendes ein (108c6– 9), von der er sich von jemandem hat überzeugen lassen, nennt aber den Urheber nicht. Zur Kugelgestalt vgl. 108e5 u. 110b6 f.; dazu Rowe 1993, 271 zu 108e4–109a6 u. 275 zu 110b6–7; Ebert 2004, 435. Zur Diskussion über Alter und Herkunft der Vorstellung vgl. Ebert 2004, 445–454. 15 Für das Geschlecht von Erde und Sonne verweist Bury 1932, 58 zu 190b auf Aristoteles, GA 716a13–17. 16 So erscheint Selene auch im Mythos bei ihrer Liebe zu dem Jüngling Endymion. Vgl. Heraclitus Paradox., De incredibilibus 38 (Mythographi Graeci III 2 p. 87, 1–5 Festa). Tatsächlich ist Selene aber an zwei Stellen, die später sind als das Symposion, als ein androgynes Mischwesen belegt: Philochoros FGrHist 328 F 184: Philochorus quoque in Atthide eandem adfirmat esse Lunam et ei sacrificium facere viros cum veste muliebri, mulieres cum virili, quod eadem et mas aestimatur et femina; h. Orph. 9,4. Hier könnte man Ref lexe einer älteren Tradition erkennen. Aber vermutlich hat Rowe (1998, 154 zu 190 b2–3) recht, wenn er eine Erfindung des Aristophanes (was wohl eigentlich heißen müsste: des Platon) für ebenso wahrscheinlich hält. 17 Was die im Symposion angenommene Kugelgestalt von Sonne und Mond angeht, so ist für vorsokratische Naturphilosophen die Vorstellung überliefert, diese Himmelskörper seien kreisförmig und f lach (vgl. Anaximander fr. 12 A 10 [I p. 83,36 f.]; 22 [p. 87,18 f.] DK; Alkmaion fr. 24 A 4 [I p. 211,31 DK]). Für Aristoteles sind dann alle Gestirne kugelförmig, was aber offenbar keine selbstverständliche Anschauung war, da er sich zu einem argumentativen Nachweis genötigt sieht (Cael. 291b11–23; speziell zum Mond b18 ff.; vgl. zur Sonne als Gestirn 290a15). In den ps.-aristotelischen Problemata ist dann die Kugelgestalt so selbstverständlich, dass gefragt werden kann: „Warum erscheinen Sonne und Mond f lach, obwohl sie kugelförmig sind?“ (912a28).
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Der vom platonischen Aristophanes propagierte Urzustand der Menschen erscheint also letztlich als eine vom Ergebnis (dem „heutigen“ Zustand) her gedachte Konstruktion.18 Das gilt sehr wahrscheinlich auch für die Kugelform der Urmenschen, insofern die Kugel für eine vollkommene Ganzheit steht;19 die Suche nach kugelförmigen „Eltern“ ist dann sekundär. Der Konstruktionscharakter wird vor allem deutlich beim Fortgang der Erzählung; gerade da, wo Aristophanes den Kunstmythos durch das Einfügen einer Götterversammlung und wörtlicher Rede des Zeus dem traditionellen Mythos äußerlich besonders nahekommen lässt (A 2). Gegenüber dem Machtgebaren der Urmenschen seien die Götter ratlos gewesen. Sie wollten die Menschen nicht einfach mit dem Blitz wie die Giganten vernichten, weil sie sich dann der Verehrung und der Opfergaben von Seiten der Menschen beraubt hätten, sie hätten es aber auch so nicht weitergehen lassen wollen. Die Inkonsistenz in Aristophanes’ Erzählung ist evident: Von Giganten bzw. Himmelsstürmern wie Otos und Ephialtes, nach deren Muster die Aufmüpfigkeit der Urmenschen gestaltet ist, waren Verehrung der Götter und Opfer nicht zu erwarten, und die göttliche Reaktion war konsequenterweise die Vernichtung der Gegner. Götterverehrung bei den Urmenschen und Aufstand gegen die Götter passen eigentlich nicht zusammen, aber offenbar wird so ein „mythenkonformer“ Grund geschaffen, der zwar eine Strafaktion der Götter auslösen, aber nicht zur Vernichtung der Menschen führen sollte. Denn der (scheinbar) geniale Plan, den Zeus schließlich findet, besteht darin, die Kugelmenschen durch Halbierung zu schwächen, d. h. ihrem Frevelmut ein Ende zu machen, und zugleich ihre Zahl zu verdoppeln mit dem Nutzeffekt von mehr Verehrung und Opfern für die Götter. Entstehen sollen zweibeinige, aufrecht gehende Menschen, die bei mangelndem Wohlverhalten ein weiteres Mal geteilt würden, so dass sie nur noch auf einem Bein hüpfen könnten (190c1–d6). Also habe Zeus die Menschen in zwei Hälften geteilt, wie man Maulbeeren zum Einmachen oder Eier mit einem Haar teilt,20 und habe Apollon mit der weiteren Ausgestaltung der jeweils Zerschnittenen beauftragt (190d6–e2). Sie erfolgt in zwei Phasen, wie Aristophanes ausführt: Zuerst werden Gesicht und Halshälfte zur Schnittf läche hin gedreht, damit die Menschen mit der Schnittf läche vor Augen ihren Übermut verlören. Die Wunde selbst wird jedoch geheilt, indem die Haut zusammengezogen, am „Nabel“ zusammengebunden und an den meisten Partien geglättet wird, aber so, dass gerade um den Nabel noch Falten zur Erinnerung an die Teilung übrig bleiben (190e2–191a5). Daraufhin hatten die halbierten Menschen nichts anderes im Sinn, als jeweils mit der von ihnen getrennten Hälfte wieder eins zu werden; sie konnten nicht voneinander ablassen und starben, 18 Carvalho 2009, 71, spricht von einer „aitiologischen Rückprojektion“. 19 Vgl. Tim. 33ab; Carvalho 2009, 61. 20 Im Griechischen liegt ein Spiel mit ähnlich klingenden Wörtern vor: óa (Maulbeeren), ōá (Eier).
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weil sie alle anderen Lebensbedürfnisse vernachlässigten. Das gleiche sei geschehen, wenn eine der Hälften gestorben sei und die andere eine zu ihr passende Ergänzung suchte, gleichgültig ob (nach späterer Benennung) männlich oder weiblich (191a5–b5). Implizit ergibt sich aus dieser Erzählung des Aristophanes, dass Zeus, wenn er durch die Halbierung der Kugelmenschen eine Verdoppelung der Opfernden erwartet hatte, sich getäuscht sehen musste; denn das Ergebnis der Maßnahme ist katastrophal. Dementsprechend benennt Aristophanes auch diesen Zustand als Anlass für die zweite Phase. Das Motiv der Opferverdoppelung scheint dabei vergessen, und Zeus’ Handeln wird auf Mitleid zurückgeführt:21 Bisher sei es so gewesen, dass die Menschen nicht ineinander zeugten und empfingen, sondern in die Erde wie die Zikaden.22 Diese Einzelheit trägt Aristophanes nach – unbekümmert um den Widerspruch zu seiner früheren Angabe, dass die Hälften, weil sie gar nicht voneinander ablassen konnten, sich um sonst nichts gekümmert hätten. Abgesehen von dem komischen Effekt der Vorstellung wird jedoch damit erstmals die Frage in die Betrachtung mit einbezogen, wie die früheren Menschen, die ja bereits geschlechtsdifferenziert gewesen waren, sich fortgepf lanzt haben. Diese Frage wird dann für die Zweckbestimmung von Zeus’ Rettungsmaßnahme relevant: Zeus habe nämlich, was bei der ersten Umgestaltung versäumt wurde, die Genitalien nach vorne verlegen lassen. Bei der Vereinigung könnten die Menschen nun, wenn ein Mann auf eine Frau trifft, zeugen und das Geschlecht fortpf lanzen, wenn zwei Männer zusammenkommen, sollten sie jedenfalls Erfüllung in ihrem Zusammensein finden und wieder voneinander ablassen, um dann zurück an ihre Arbeit gehen und sich darum kümmern zu können, was sonst zum Leben gehört (191b5–c8). Aristophanes zieht daraus folgendes Resümee, das zugleich bereits im Kern die Deutung des Mythos gibt: „Es ist also seit uralter Zeit der Eros zueinander den Menschen eingepf lanzt; zu ihrem ursprünglichen Wesen führt er sie wieder zurück und sucht aus zweien eins zu machen und die menschliche Natur zu heilen“ (191c8–d3).23 Eros ist also für Aristophanes ein wechselseitiges Phänomen,
21 Ähnlich verhält sich Zeus im Protagoras-Mythos: Er fürchtet, dass das Menschengeschlecht gänzlich zugrunde geht (Prt. 322c1). 22 Sier 2009, 200, bezieht diese Angabe irrtümlich auf die noch ungeteilten Menschen. 23 Übers. Schmidt-Berger. – Angesichts der deutlichen Zurückweisung, die die im Mythos des Aristophanes angelegte Position durch Diotima später erfährt (205d10–206a1), wird man, wenn im Mythos mehrfach von Zweiteilung und von der Herstellung von einem aus zweien die Rede ist, kaum, wie Reale 1995, 989–1015, an eine Anspielung auf die ungeschriebene Lehre Platons denken, die sich hinter der „masquera emblematica“ des Aristophanes verstecke. Da diese Einheit gerade nicht notwendig auf das Gute weist, wie Diotima feststellt, schon gar nicht auf ein transzendentes Gutes abzielt (insbesondere ist ein „salire a quel primum assoluto“ [Reale 1995, 1010] den Bemerkungen des Aristophanes nicht zu entnehmen), wird allenfalls vorgeführt, dass man diese Begriffe auch völlig unprinzipiell und innerweltlich gebrauchen kann. Im Übrigen fungieren Eins und Zwei in der Rede des Aristophanes nicht wie Prinzipien, sondern bezeichnen Zustände, die verlorengegangen sind oder wiederhergestellt werden sollen. – Wegen dieses rein innerweltlichen Bezugs wird man in dem Streben
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wie schon für Eryximachos (186d6; 187c3 f.), im Unterschied zu dem einseitig vom Liebenden auf den Geliebten gerichteten Eros wie bei Phaidros und Pausanias. Indem der Mythos die Gestaltwerdung des heutigen Menschen in zwei Schritten vonstatten gehen lässt, wird der Blick darauf gelenkt, was beim ersten Schritt fehlte, und die Maßnahme des zweiten Schrittes im Sinne dieses Resümees besonders akzentuiert: Eros – als im Menschen wirkende Kraft verstanden – ist in der Lage, die Defizienz der geteilten Menschen auszugleichen und wenigstens zeitweise die verlorene Ganzheit wiederherzustellen. Die eigentliche Mythos-Erzählung endet, wenn man das Resümee noch hinzunimmt, in 191d3. Es folgt der zweite Hauptteil der Rede des Aristophanes, der sich wie der erste inhaltlich in zwei Abschnitte gliedern lässt (B 1: 191d3–193a1; B 2: 193a1–c8). Im ersten Abschnitt (B 1) werden Funktion und Wesen des Eros, wie sie im Resümee bereits formuliert waren, im Einzelnen für „unser“ Leben entfaltet und präzisiert (wobei dann allerdings noch ein „mythisches“ Gedankenexperiment eingefügt wird, 192d2–e9), ohne dass gegenüber den früheren Ausführungen etwas prinzipiell Neues gesagt wird. Platon nutzt jedoch die Gelegenheit, den Komödiendichter Seitenhiebe austeilen zu lassen, wenn er auf die jeweiligen sexuellen Orientierungen zu sprechen kommt. Zunächst wird die Situation des heutigen Menschen mit Hilfe des Bildes des symbolon verdeutlicht, d. h. einer Erkennungsmarke, deren beide Hälften genau zusammenpassen müssen.24 Jeder Mensch sei ein solches symbolon (genauer: die Hälfte davon) und suche ständig das passende Gegenstück (191d3–5).25 Dies wird durchgespielt für den ursprünglich androgynen Kugelmenschen, aus dem die frauenliebenden Männer bzw. die männerliebenden Frauen hervorgegangen sind (und woraus sich auch die meisten Ehebrecher und die Ehebrecherinnen rekrutierten), für die weiblichen Kugelmenschen, deren Hälften sich nicht für Männer interessieren (daraus stammten die Lesbierinnen) und für die männlichen Kugelmenschen, deren Hälften jeweils auf das Männliche aus seien (191d6–e6). Auf die männliche Homosexualität geht Aristophanes besonders ausführlich und mit apologetischer Tendenz ein; nur an ihr erläutert er im Einzelnen, was er unter Eros versteht. Er verteidigt Knaben, die sich Männern hingeben;26 sie seien nicht schamlos, der Menschen zur „alten Natur“ auch nicht so etwas wie Anamnesis (jedenfalls nicht in platonischem Sinne) sehen dürfen; anders Carvalho 2009, 181 Anm. 113. 24 Vgl. z. B. Schol. Eur. Med. 613 (Carvalho 2009, 120 Anm. 71). 25 Das Bild vom symbolon ist vielleicht durch Empedokles fr. 31 B 63 DK angeregt (vgl. Bury 1932, 63 zu 191d, mit Verweis auf Stallbaum), wenn der Ausdruck dort wirklich auf Empedokles zurückgeht und nicht ein dem zitierenden Autor (Aristoteles, GA 722b11: hoion symbolon) zuzuschreibender Vergleich ist; vgl. auch Sier 2009, 199 Anm. 18. Auf jeden Fall ist bei Aristoteles/Empedokles nicht ein individuelles Gegenstück gemeint, sondern generell der notwendige gemeinsame Beitrag von Mann und Frau zur Zeugung. 26 Die Knaben „lieben“ Männer im Sinne einer freundschaftlichen Beziehung (philein, 191e7), von Eros ist hier nicht die Rede. Das ist den erwachsenen Männern in Bezug auf die Knaben vorbehalten (paiderastein, 192b1).
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sondern besonders männlich und tapfer, was er durch Folgendes als erwiesen ansieht: Sie allein würden, wenn sie groß sind, in der Politik tätige Männer!27 Zum Mann geworden liebten sie Knaben und ließen sich auf Ehe und Kinderzeugung nur unter dem Zwang des Gesetzes ein; es wäre ihnen genug, ehelos miteinander zu leben. Unausweichlich sei ein solcher Mann, sei es als Liebender, sei es als Geliebter, immer auf jemanden von der gleichen Art aus (191e6–192b5). Dies ist nun der Punkt, an dem Aristophanes – von der Knabenliebe ausgehend – Erscheinungsweise und Wesen des Eros näher darlegt: Er beschreibt die Erschütterung, die einen Liebenden erfasst, wenn er auf die ihm entsprechende Hälfte trifft; beide wollten sich auch nicht einen Augenblick trennen. Solche Liebenden seien es, die das ganze Leben zusammen blieben und die nicht einmal zu sagen wüssten, was sie voneinander erwarten. Niemand werde glauben, dass das (Wesentliche) die sexuelle Befriedigung sei, um derentwillen sich der eine mit so großer Leidenschaft über das Zusammensein mit dem anderen freue, vielmehr sei es etwas anderes, was ihre Seelen nur erahnten (192b5–d2). Um das Ziel des erahnten Begehrens der Liebenden näher zu definieren, lässt Platon Aristophanes mit der Vorstellung argumentieren, dass Hephaistos mit seinen Werkzeugen erschiene und die Liebenden nach ihrem eigentlichen Verlangen befragte. Und heraus käme, dass sie im Leben und im Tode in eins „zusammengeschweißt“ sein wollten. Der Grund dafür ist, wie Aristophanes erläutert, dass unsere ursprüngliche Natur so war und wir ein Ganzes waren. Daher habe das Streben nach Ganzheit den Namen „Eros“ (192d2–193a1).28 Weil es um ein so großes Gut geht, müssen wir Menschen alles tun, es zu bewahren und seiner Segnungen teilhaftig zu werden: Mit dieser Quintessenz kann man Thema und Intention des zweiten Abschnittes zusammenfassen (B 2). Ist nämlich die jetzige Situation der geteilten Menschen die Folge früherer Untat, so müsse man fürchten, falls wir Menschen uns nicht, wie es sich gehört, gegenüber den Göttern verhalten, dass es zu einer weiteren Teilung in dann reliefartige Gestalten komme. Darum müsse jeder Mann Diese traditionell „asymmetrische“ Auffassung männlicher Homosexualität passt eigentlich nicht zu dem beim Zusammenstreben der beiden getrennten Hälften gegebenen wechselseitigen Eros (191d1). Das Problem wird überspielt, indem die Beziehung als gleichsam wechselseitig und der homoerotische Typus als sowohl paiderastēs als auch philerastēs erscheint (192b3–5). 27 Vgl. dazu im Einzelnen Rowe 1998, 156 zu 192a7–8. Hunter 2004, 65, verweist auf Aristoph., Eq. 878–880 als Parallele. 28 Mit Recht erkennt Rowe 1998, 159 zu 192e10–193a1 hier einen Kernsatz: „It is – I suggest – on this finesounding generalization, to which his whole story has in a way been leading, that any pretensions to seriousness on Aristophanes’ part are likely to depend.“ Die Bedeutung dieses Satzes wird auch von Carvalho 2009, 234ff., stark betont, jedoch interpretiert er das „Erahnen“ (192d1 f.) anders, wenn er es doppelt bezieht und als ein Phänomen (1) vor dem Auftauchen des passenden Ergänzungsstückes und (2) auf dieses als ein Herbeigesehntes gerichtet versteht (bes. 340; vgl. auch 433 ff.). (1) ist jedoch nicht mit 192b5 f. vereinbar, (2) nicht mit 192d2– 193a1.
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einen jeden zu ehrfürchtigem Verhalten gegenüber den Göttern auffordern, damit wir unter Führung des Eros den Zustand, den wir erstreben, erlangen. Denn in Einigkeit und Freundschaft mit diesem Gott – wozu Eros jetzt hypostasiert wird –, mache man sich den Göttern nicht verhasst und werde auf die geliebten Knaben (paidika) treffen, die das passende Gegenstück bildeten, was jetzt nur wenigen gelinge (193a1–b6). Hier unterbricht Aristophanes seine Darlegung und verwahrt sich gegen den möglichen Spott des Eryximachos, er, Aristophanes, spiele mit seinen Bemerkungen auf das Verhältnis von Pausanias und Agathon an,29 die sich vielleicht wirklich als Gegenstücke getroffen hätten und von Natur aus „männlich“30 seien. Vielmehr beziehe er sich auf alle Männer und Frauen, weil nur so unser Geschlecht glücklich werde, wenn wir zur Erfüllung im Eros kämen und ein jeder – unter Rückkehr zu seiner alten Natur – auf seinen geliebten Knaben träfe oder – unter den jetzt herrschenden Umständen – als der besten ganz nahe kommenden Lösung auf einen Knaben, der der eigenen Sinnesart entspräche (193b6–c8).31 Da das, was Aristophanes über den Eros sagt, ausdrücklich für alle Männer und Frauen gelten soll (193c2f.), könnte man nach dieser Verallgemeinerung die zweimalige Erwähnung der paidika (193c4; c7) „harmlos“ interpretieren und den geliebten Knaben als stellvertretend für einen Geliebten oder eine Geliebte überhaupt verstehen. Doch ist auffällig, dass Aristophanes nicht nur in 193b5, sondern auch jetzt noch (c4; c7) kein anderes „Beispiel“ einfällt. So liegt denn vielleicht eher eine indirekte Charakterisierung des Sprechers vor, wobei Platon auf die eigenen Darstellungsmittel des Aristophanes zurückgreift. Man vergleiche die Schilderung des Kreittōn logos in den Wolken, wie sich die Jungen beim Sportlehrer gesittet benehmen sollen: Dabei kommt unverkennbar die homoerotische Obsession des Kreittōn logos zum Vorschein (vv. 972– 978).32 Die Gültigkeit der aristophanischen Aussage ist aber durch diese Akzentuierung nicht beeinträchtigt. Platon lässt Aristophanes mit einem Schlusswort enden, das den Bogen zum Anfang (189c2–d4) und der dort gebrandmarkten Vernachlässigung der Eros-Verehrung schlägt: „Preisen wir den Gott, der dieses bewirkt, so preisen wir zu Recht wohl Eros, der uns in der Gegenwart wohl die größte Wohltat spendet, führt er uns doch zum Urei29 Vgl. Prt. 315e1–3: Agathon als paidika des Pausanias. 30 In dem Sinne, dass sie beide Hälften eines männlichen Kugelmenschen wären. 31 Dass jemand auf seine Hälfte trifft (vgl. auch 192b5 ff.), kann streng genommen nur in der ersten Generation der geteilten Wesen geschehen, so dass in der Gegenwart ein solches Zusammentreffen im Allgemeinen nur als Idealvorstellung existieren kann (193d3–5; Gedankenexperiment im Potentialis) und „wir“ uns unter den jetzt obwaltenden Bedingungen mit einer geringeren Übereinstimmung (193c6f.) zufrieden geben müssen. Doch schließt Aristophanes – nicht ganz konsequent – Sonderfälle nicht aus (193b5 f.: „was jetzt nur wenigen gelingt“ [Übers. Schmidt-Berger]) und hält es anscheinend für möglich, dass es sich bei Pausanias und Agathon um einen derartigen handelt (193b7 f.). Vgl. auch Carvalho 2009, 152 ff., der aber an anderer Stelle (193) von „einer prinzipiellen unüberwindlichen Ausweglosigkeit“ spricht. 32 Vgl. Dover 1968 zu Nu. 973 u. 977–978; ferner pp. lxiv–lxvi, bes. lxv.
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genen heim, und für die Zukunft zeigt er uns die größten Hoffnungen, wenn wir uns nur den Göttern gegenüber fromm erweisen; denn dann versetzt er uns in unsere Urnatur zurück, und Heilung bringend macht er uns glücklich, ja glückselig“ (193c8–d5).33 Damit liegt die Eros-Konzeption der Aristophanes-Rede klar zutage: Eros ist mehr als sexuelles Verlangen und sexuelle Erfüllung.34 Er ist ein seelisches Phänomen, transzendiert die einzelne Person und stellt so weit wie gegenwärtig möglich die verlorengegangene Ganzheit und Vollkommenheit als das „Eigene“ wieder her, worauf das eigentliche Streben des Eros gerichtet ist.35 Die bei entsprechender Verehrung der Götter in Aussicht gestellte Wiedergewinnung des eigenen, ursprünglichen Wesens verheißt schließlich Glückseligkeit (193d4 f.).36 Mit dieser Konzeption wird für den
33 Übers. Schmidt-Berger. – O’Brien (2007, bes. 59–75) ist der Ansicht, die Aristophanes-Rede sei „intended as a deliberate parody of Empedocles’ strange zoogonical theories“ (Zitat: 60). So führt er den Gedanken der ursprünglichen Ganzheit der Menschen und die Erklärung des „heutigen“ Zustandes durch die Teilung auf Empedokles zurück. Er verweist neben fr. 31 B 20 DK besonders auf fr. 31 B 62 DK, wo von „ganzartigen Gestalten“ (oulophyeis typoi) die Rede ist, die der Erde entsprossen seien (v. 4). Dass sich Platon für den Aristophanes-Mythos durch Empedokles hat anregen lassen, ist durchaus möglich, doch sollte man auch die Unterschiede nicht übersehen: Die ganzheitlichen Wesen bei Platon sind kugelförmig und bereits äußerlich geschlechtlich ausdifferenziert, was bei Empedokles gerade nicht der Fall ist. Nur die Doppelfrau stammt bei Platon von der Erde ab, aber nicht, wie bei Empedokles, das Wesen, aus dem Mann und Frau werden. Während Liebe und Streit bei Empedokles zyklische Prozesse verursachen, liegt dieser Gedanke bei Platon ganz fern. Bei ihm ist die bei entsprechender Erosverehrung erhoffte Wiedervereinigung der getrennten Hälften (193d2–5) als Rückkehr zu einem Urzustand zu verstehen. Die Aristophanes-Rede ist also nicht so gut wie ausschließlich von ihrem Verhältnis zu Empedokles her zu erfassen oder auf eine Parodie der Vorstellungen des Empedokles zu reduzieren. Nicht nachvollziehbar ist es, wenn O’Brien aus Aristophanes’ Reaktion auf Sokrates’ DiotimaRede – er war offenbar unwillig, weil Sokrates auf seine Rede angespielt habe (212c4–6; vgl. 205d10–206a1) – herausliest, „that Diotima has pinched one of his ideas“ (76). Zu O’Brien vgl. auch Sier 2009, 198–201. 34 Dies betont zu Recht Allen 1991, 33. Ob man deswegen von “romantic love” (34) sprechen sollte, ist eine andere Frage. – Vgl. auch Carvalho 2009, 234. 35 In der Nachfolge von Buchner (1965, 95; 113 f.) versteht Carvalho (2009, 410) jede erotische Beziehung in der Aristophanes-Rede als „Selbsterstrebnis“. Zwar ist ihm bewusst, dass das „Selbst“ von Aristophanes nicht thematisiert wird, aber er erkennt das Selbst im Eigenen (192c1; 193d2), worauf auch Diotima (205e–206a) anspiele (412–424, bes. 415 Anm. 259). Diese Gleichsetzung ist aber äußerst zweifelhaft, da in der AristophanesRede und in der Polemik Diotimas jeder Gedanke eines selbstbezüglichen, ref lexiven Strebens fehlt. Es wird an keiner Stelle ausgedrückt, dass das strebende „Subjekt“ sich selbst erstrebe. Vielmehr dürfte das Eigene als etwas Zugehöriges zu verstehen sein, das zur Wiederherstellung der „alten Natur“ im Sinne einer physischen Vollkommenheit notwendig ist. Der Akzent liegt nicht darauf, sich mit Hilfe eines anderen „selbst“ zu finden, sondern dass auf der Basis der physischen Vereinigung etwas Ganzes aus zwei Teilen gebildet wird. 36 Carvalho (2009, 290–323) will aus der Aristophanes-Rede eine Stufenfolge von Liebesbeziehungen entnehmen, die (1) von nichtverliebten Arten erotischer Anziehung (gemeint sind die oben erwähnten Ehebrecher usw., 191d6 ff.) über (2) das nicht vollständig passende Gegenstück (193c6–8) bis (3) zur passenden Ergänzungshälfte (193b3–5) führt. Es handelt sich jedoch bei den Seitenhieben auf Ehebrecher usw. (1) in der Rede nur um (komische) Effekte, das nicht passende Gegenstück (2) ist das gegenwärtig eigentlich Erreichbare und das passende (3) das für die Zukunft Erhoffte, allenfalls ganz ausnahmsweise in der Gegenwart zu Verwirklichende (vgl. auch o. S. 99 [Agathon/Pausanias]). Daher ist es auch fraglich, ob man gemäß der Aristophanes-
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Menschen ein Ziel bestimmt, das potenziell erreichbar und über das hinaus kein weiteres angegeben ist, das anzustreben wäre.
6.3 Folgerungen In der Aristophanes-Rede steckt also trotz ihrer bisweilen komischen Einkleidung ein tieferer Sinngehalt;37 und wenn man in der Rede Diotimas jene Eros-Konzeption angedeutet sehen darf, der Platon zuneigt, dann hat er mit der Aristophanes-Rede – noch mehr als mit der Agathons – eine für die Zuhörer attraktive und in sich schlüssige Gegenposition dazu geschaffen; die Artikulierung dieser ernsthaft konkurrierenden Position, das ist im Symposion die Funktion der Aristophanes-Rede und ihres Mythos – wohl nur mit einem aitiologischen Mythos war es möglich, die ursprüngliche (und wahre) Natur des Menschen zu entwerfen. Diese Gegenposition bildet für die Konzeption der Diotima insofern eine ernsthafte Konkurrenz, als sich – jedenfalls formal – nicht unerhebliche Gemeinsamkeiten zwischen den Vorstellungen des Aristophanes und der Diotima feststellen lassen: Beide bedienen sich eines Mythos, Aristophanes für die Erklärung der Natur des Menschen, Diotima für diejenige des Wesens des Eros.38 Nach Aussage beider Reden sind die Menschen defizient (bei Diotima auch Eros selbst) und streben daher nach einer Erfüllung;39 die sinnliche Erotik bzw. Sexualität ist jeweils der Ausgangspunkt, aber nicht das Ziel;40 in beiden Reden geht es um ein Streben der Rede alle Arten erotischer Beziehung letztlich als auf dasselbe „transzendente“ Ziel gerichtet verstehen darf, wie Carvalho 2009, 399 ff., will. 37 Rowe 1998, 157 zu 192b5–c1 und 158 zu 193e6–9 scheint (in Auseinandersetzung mit Dover 1980, 113, der in der Aristophanes-Rede eine Konzeption erkennt, “which strikes a modern reader as founded in observable realities”) dazu zu tendieren, in dieser Rede eher eine Erzählung zu sehen, in der der Akzent auf der Geschichte als solcher liegt und der Erzähler seinen Geist spielen lässt, denn eine empirisch und psychologisch einleuchtende Liebeskonzeption. Dabei orientiert er sich – wie Dover – daran, was er für moderne Befindlichkeiten hält: Aus zwei eins zu werden sei es, was Aristophanes behaupte, “but it is not at all clear that anyone would want what has been described, insofar as it seems to involve the complete loss of separate identity. […] This is hardly likely to be what the modern reader will want from ‘union’ with someone else” (158). Zu welch unterschiedlichen Einschätzungen man kommen kann, wenn man eigene Beurteilungskriterien an die Liebeskonzeption in der Aristophanes-Rede anlegt, zeigt schon die Tatsache, dass daraus etwa für Carvalho eine „Selbsterstrebnis“ und gerade nicht eine Selbstaufgabe abzuleiten ist (s. o. Anm. 35). Platon hat offenbar die „aristophanische“ ErosKonzeption ernst genommen, sonst hätte er Diotima nicht so heftig gegen sie polemisieren lassen. 38 Vgl. 203b1–204a7. Auch Diotima bestimmt zuerst das Wesen durch die Herkunft des Eros (203b1–c6) und erläutert dann, was sich daraus ergibt (203c6–204a7). 39 Vgl. 203b1–204a7 (Wesen des Eros); Diotima-Rede passim. 40 Vgl. 210a4–212a7 (Aufstieg zum Schönen beginnt beim sinnlich Schönen). – Das sich im sexuellen „Zeugen im Schönen“ (206c4f.) manifestierende Streben nach Unsterblichkeit (206e7–207a4) ist zwar auch etwas „Göttliches“ (206c6, vielleicht Anspielung auf Archilochos fr. 196a, 15 West), doch steht die Zeugung von „geistigen
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Menschen nach Vollkommenheit und glücklicher Erfüllung.41 In beiden Fällen ist der optimale Zustand, wenn überhaupt, nur schwer zu erreichen.42 Beide Redner eröffnen eine Art eschatologischen Ausblicks.43 Der Schluss der Rede des Sokrates entspricht demjenigen der Rede des Aristophanes, insofern auch Sokrates ausführt, wie förderlich der Eros für die menschliche Natur ist, und zu seiner Verehrung auffordert.44 Es gibt jedoch einen wesentlichen und unüberbrückbaren Unterschied: Die in der Rede des Aristophanes gemeinte „Transzendenz“ bleibt innerweltlich, bedeutet nur ein Überschreiten der Begrenztheit des einzelnen Menschen und ist an dessen körperliche Existenz gebunden, die Transzendenz in der Konzeption Diotimas führt dagegen über die sinnlich wahrnehmbare Welt hinaus in das Reich des (nach den Vorstellungen Platons) reinen Seins und lässt das körperliche Sein hinter sich. Dass es auf diesen Gegensatz ankommt, ist den Worten zu entnehmen, mit denen Platon Diotima ausdrücklich gegen Aristophanes polemisieren lässt: „Es geht nun zwar die Rede, sprach sie weiter, daß diejenigen lieben, die ihre eigene Hälfte suchen. Meine Lehre aber lautet, daß Eros weder auf ein Halbes aus ist noch auf ein Ganzes, es sei denn gerade ein Gutes, mein Freund. Lassen sich doch die Menschen sogar ihre eigenen Füße und Hände abhauen, wenn ihre eigenen Gliedmaßen ihnen von Übel zu sein scheinen. Nicht am Eigenen, meine ich, hängt ein jeder, er nenne denn das Gute sich zugehörig und sein Eigen und das Schlechte sich fremd. Nichts anderes nämlich lieben die Menschen als das Gute“ (205d10–206a1).45 Und als Polemik – auch – gegen Aristophanes ist es sicher ebenfalls zu verstehen, wenn Diotima den langen Erkenntnisweg vom sinnlich Schönen zum absolut Schönen als die wahrhafte Knabenliebe (paiderastein) bezeichnet (211b5 f.). Der „aristophanische“ Weg führt nicht zu solcher Erkenntnis.46 Diotimas Lehre kann allerdings nur den überzeugen, der Diotimas/Platons Vorstellung vom Guten akzeptiert, die nicht näher erläutert wird. D. h., Aristophanes’ Vorstellung wird zwar zurückgewiesen, aber innerhalb des Symposion nicht eigentlich widerlegt – dazu müsste eine Diskussion geführt werden, was das Gute ist bzw. dass das Gute sich nicht in der Wiedergewinnung der alten Natur erschöpfen könne –, sondern es wird eine Konzeption, die ihre Vertreterin für überlegen hält, dagegengesetzt. Und diese Haltung der Überlegenheit hat Platon auf raffinierte Weise und nur für den mit den
Kindern“ darüber (209a1 ff.) und wird noch übertroffen durch die vollkommenen Weihen, von denen Diotima bezweifelt, dass Sokrates sie erreichen kann (209e5–210a4). 41 Vgl. 204d8–205a3 (Glück durch Besitz des Schönen bzw. Guten) mit 211b7–212a7 (Erreichen des Ziels). 42 Vgl. 211b6 f. (fast am Ziel); 212a6 f. (wenn überhaupt einem Menschen). 43 Vgl. 193d2–5 mit 212a. 44 Vgl. 212b1–8 mit 193c8–d5. 45 Übers. Schmidt-Berger. 46 Ähnlich argumentiert Hunter 2004, 69.
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platonischen Schriften vertrauten Leser erkennbar schon in die Rede des Aristophanes eingefügt. In der Hephaistos-Szene lässt (der platonische) Aristophanes nämlich Hephaistos zu den sich liebenden Männern sagen, wenn ihr Begehren die möglichst größte und dauernde Einheit sei, werde er sie zusammenschmelzen. Und er lässt ihn fragen, ob sie das wollten und ihnen das genügen würde (exarkei). Der Erzähler Aristophanes nimmt selbstverständlich eine rückhaltlose Zustimmung an (192d2–e9), weil die Befragten mit dieser Maßnahme alles bekämen, wonach es sie verlangt.47 Eine damit vergleichbare Situation ist gegeben in dem Abschnitt des ebenfalls fiktiven Gesprächs, das Sokrates und Protagoras im Dialog Protagoras mit der Menge führen (Prt. 354e8 ff.). Dort wird die Menge gefragt, ob es ihr genüge (arkei), ein angenehmes Leben ohne Unlust zu führen, und auch dort haben die Befragten nichts entgegenzusetzen, weil sie kein höheres Ziel (telos) kennen. Man kann daraus schließen, dass auf der Autorebene jeweils ein Sichzufrieden-Geben mit einem Sachverhalt bezeichnet wird, der nach den Vorstellungen Platons als Zielsetzung nicht ausreichen kann.48 Aber ebenso wie das ‚Ideal‘ der Menge im Protagoras bietet auch die Eros-Konzeption des Aristophanes im Symposion einen aus der Perspektive des nach einem erfüllten Leben Suchenden zunächst einen überzeugenden Gegenentwurf, den Platon durch die aitiologische Ableitung im Mythos und die Positionierung der Rede vor denen des Agathon und des Sokrates auch entsprechend würdigt. Um so gewichtiger kann allerdings danach die (als letzte Rede vorgetragene) Lehre der Diotima wirken, wenn der Mangel dieser Konzeption offengelegt wird, wobei beim Leser die komödiantischen Elemente der Rede des Aristophanes im Nachhinein den Eindruck von deren geringerer Bedeutsamkeit noch verstärken mögen.
Literatur Allen, R. E., 1991: The Dialogues of Plato. Volume II. The Symposium. Translated with Comment, New Haven/London. Anderson, D. E., 1993: The Masks of Dionysos. A Commentary on Plato’s Symposium, Albany. 47 Vgl. auch exarkei 192b2, wo das Wort ebenfalls ein „Nichts-darüber-hinaus-Wünschen“ bedeutet. 48 Nach Carvalho (2009) ist zwar der paläontologische Bericht (d. h. die Konstruktion der Kugelmenschen) nicht ernst zu nehmen (425 ff.), wohl aber die phänomenologische Beschreibung des Strebens der (heutigen) Menschen, das dann nicht speziell auf die Wiederherstellung des „alten“ Zustandes gerichtet sei, sondern ganz allgemein auf etwas Vollkommenes, Superlativisches (429; 442). „Mit dem Selbst steht es vielmehr so, dass der ihm innewohnende, sich aus der Setzung des Selbst ergebende Entwurf einer Erhöhung oder Verklärung seines Seins immer schon auf etwas Höchstes, Superlatives gerichtet ist“ (470). Offenbar vermutet Carvalho hinter dem von Aristophanes genannten Streben, sich mit einem anderen, der einem entspricht, zur Vollkommenheit zu ergänzen, eine weitergehende Konzeption. Damit würde jedoch, zumindest teilweise, was Sokrates als Lehre Diotimas berichtet, vorweggenommen, und ihre Polemik würde gegenstandslos.
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Der Wettstreit über die Weisheit zwischen Poesie und Philosophie: Agathons Rede und ihre Prüfung durch Sokrates (193e–201c)
Die Passage des Symposion, in welcher der Gastgeber Agathon mit seinem Enkomion den Reigen der Reden auf Eros abschließt, woraufhin sich Sokrates kritisch zu Wort meldet, ist oft als eine Schlüsselpartie des Werks in toto identifiziert worden: Einer der Interpreten deutet den Abschnitt z. B. in einer (freilich etwas spekulativen) entwicklungsgenetischen Hypothese als eine Art „Urdialog“, um den herum die anderen Teile des Werks gruppiert seien und der deshalb die „Schaltpartie“ bzw. die „Drehscheibe des ganzen Symposions“ darstelle (Koller 1948, 50f.). Für eine zentrale Stellung der Partie spricht nicht nur ihre exakte textliche Mittelposition (vgl. Rosen 1968, 159), sondern auch der in ihr erfolgende formale Umschlag vom makrologischen Enkomion zum brachylogischen Elenchos durch Sokrates, mit dem zugleich die das Symposion krönende Diotima-Rede vorbereitet wird. Dieser Umschlag kann auch als eine Art Zäsur erscheinen, welche die Passage 193e–201c tendenziell spaltet: Die Rede des tragischen Dichters wird dann primär retrospektiv als Gegenstück zur Rede seines komischen Antipoden Aristophanes gelesen, während der sokratische Elenchos prospektiv als Präludium der Diotima-Rede verstanden wird. Diese diametral gegenläufigen Tendenzen drohen aber letztlich, die kompositorische Einheit dieses Abschnitts aus dem Blick zu verlieren. Die folgende Interpretation ist in Konterkarierung dieser „zentrifugalen“ Lesarten von der Hypothese geleitet, dass Agathons Rede und ihre Prüfung durch Sokrates eine dichte kompositorische Einheit darstellen, in welcher das Symposion einen ersten agonalen Kulminationspunkt findet: Agathon und Sokrates treten je mit ihren Mitteln bewaffnet in einen für das ganze Werk grundlegenden Wettstreit zwischen Poesie und Philosophie ein, der an das berühmte Wort aus der Politeia über den „alten Streit zwischen Philosophie und Dichtung“ (Rep. 607b) gemahnt. Das meiner Deutung zu Grunde liegende hermeneutische Leitmotiv wird bereits sehr früh im Symposion antizipatorisch formuliert. Noch vor dem Beginn der Enkomien auf Eros findet sich ein kleines Geplänkel: Der Gastgeber, Agathon, fordert den gerade eingetroffenen Sokrates auf, sich
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neben ihn zu legen, um durch die Berührung an dessen philosophischer Weisheit teilzuhaben, worauf dieser erwidert: Das wäre schön, Agathon, wenn die Weisheit so beschaffen wäre, dass sie aus dem Volleren von uns in den Leereren f lösse, wenn wir einander berühren, so wie bei den Bechern mittels eines Wollfadens das Wasser aus dem volleren in den leereren herüberf ließt. (175d)1 Sokrates dreht den Spieß in ironischer Manier um und erklärt, sich seinerseits einen Weisheitsgewinn von der Nähe zu Agathon zu versprechen – sofern dieses Bild überhaupt treffend sei; der Gastgeber vertagt die sich anbahnende Debatte „über die Weisheit“ (peri tēs sophias) aber auf später, wobei dann Dionysos als Schiedsrichter fungieren solle (175e). Damit ist dialogintern das hermeneutische Leitmotiv benannt, unter dem man die mit 193e anhebende Passage m. E. zu deuten hat: als Wettstreit zwischen Sokrates und Agathon über die Weisheit.2 Für diese Interpretation lassen sich zusätzlich folgende Überlegungen ins Feld führen: (1) Wie F. Sheffield gezeigt hat, offenbaren die nachfolgenden Reden insgesamt nicht bloß Auffassungen über das eigentlich annoncierte Thema, Eros bzw. die Liebe, sondern sie artikulieren zugleich Wissensansprüche im Blick auf dieses Sujet, die den jeweiligen Sprecher als den eigentlich Weisen erscheinen lassen.3 Dieser Weisheitsanspruch betrifft nicht bloß ein herausragendes „Fachwissen“ in Sachen Liebe, sondern auch und vor allem einen pädagogischen Anspruch, in dem die Gestaltung erotischer Beziehungen als Schlüssel für den Erwerb von Tugend und Glück gesehen wird. Insofern Eros und seine positiven Wirkungen innerhalb des Dialogs mehrfach explizit mit Weisheit in Verbindung gebracht werden (vgl. Sheffield 2006a, 29, mit Nachweisen), stellt sich naturgemäß die Frage nach dem kompetentesten Richter dieses Zusammenhangs. Schon das muss Sokrates, der ja seit seiner Deklarierung als weisester Mensch durch das delphische Orakel systematisch die Wissensansprüche von selbsternannten „Fachleuten“ geprüft und verworfen hat (vgl. Ap. 21b–22e), mindestens zu einer „exemplarischen“ Prüfung herausfordern: Agathon wird dabei gewissermaßen als „Typus“, nämlich als selbstbewusster Vertreter der Dichtung als technē, ins Visier genommen. 1 Hier und nachfolgend beziehen sich in Klammern gesetzte Stephanus-Seiten ohne weitere Angabe immer auf das Symposion; für andere Werke Platons werden gängige Werkkürzel verwendet. Die deutschen Übersetzungen sind – meist in modifizierter Form – Zehnpfennig 2000 entlehnt. Eine umfangreiche inhaltliche und rezeptionsgeschichtliche Darstellung zum Verständnis des hier verwendeten Wollfadenbilds bietet Summerell 2004; vgl. auch unten, Teil 4. 2 Vgl. in diesem Sinne schon Rettig 1875, 223. Bacon 1959, 427, unterstreicht die Zentralität dieses Wettstreits: „[The] contest between Agathon and Socrates is the framework of the whole dialogue.“ 3 Vgl. Sheffield 2006a, 15: „The speeches will be as much about presenting the speakers as the best candidates for the title of sophos […] as it [sic!] will be about erōs.“
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(2) Diese sokratische Prüfung der Wissensansprüche anderer erscheint im vorliegenden Fall umso gebotener, als Sokrates sich im Symposion im Gegensatz zu seiner sonstigen Betonung des eigenen Nichtwissens – in der Apologie und andernorts – ausnahmsweise selbst explizit eine besondere und sogar ausschließliche Kompetenz in Liebesdingen (ta erōtika) zuschreibt (vgl. 177d; 198d).4 Dies wird ihm von Eryximachos bestätigt, der allerdings zu Beginn der uns interessierenden Passage explizit auch Agathon bescheinigt, „gewaltig in Liebesdingen“ (deinos peri ta erōtika) zu sein (193e). In dem damit eingeleiteten kurzen Präludium vor dem Beginn seiner eigenen Rede (194a– e) macht Agathon seinerseits deutlich, dass er die anwesende Runde trotz ihrer kleinen Zahl als eine Art „Theaterpublikum“ (theatron: 194a–b) betrachtet, vor dem er ebenso um den Sieg kämpfen wird wie wenige Tage zuvor bei den Festspielen der Lenäen, bei denen er seinen ersten großen Preis als tragischer Dramatiker errungen hat (vgl. Bury 1932, 70). Den Unterschied der beiden Anlässe markiert er mit Blick auf das Publikum wie folgt: Hatte er es dort eher mit vielen Unvernünftigen bzw. Unverständigen (aphrones) zu tun, sieht er die gegenwärtige Runde als einen ausgewählten Kreis von Vernünftigen (emphrones) bzw. – wie Sokrates herausstreicht – als eine Ansammlung von Weisen (sophoi: 194c). Welches Publikum könnte geeigneter sein, dem von Agathon proklamierten Agon über die Weisheit zwischen ihm und Sokrates beizuwohnen, als eine Runde von Experten? Sokrates möchte Agathon schon vor dessen Rede in ein Gespräch über die Implikationen seiner Äußerungen über das jeweilige Publikum ziehen, wird aber von Phaidros gebremst: Der für Sokrates so typische Dialog solle erst nach der Rede Agathons geführt werden (194d). Damit ist die Gliederung des Agons zwischen den beiden Protagonisten vorgezeichnet: Auf das Enkomion Agathons wird eine von Sokrates mit ihm geführte Unterredung folgen. Nachfolgend sollen zuerst diese beiden Passagen in ihrer Kernstruktur analysiert werden (Teil 1–2), um daraus ein Tableau der konkurrierenden Kompetenzansprüche von Poesie und Philosophie sowie des Ausgangs ihrer Konfrontation zu entwickeln (Teil 3). Abschließend soll die Frage thematisiert werden, ob mit der sokratischen Kritik die poetische Weisheit restlos disqualifiziert ist oder ob in den Ausführungen Agathons nicht doch ein Körnchen Wahrheit zu finden sein könnte (Teil 4).
4 Reeve 1992 argumentiert, dass dieser sokratische Wissensanspruch im Symposion von Platon letztlich bewusst demontiert wird. Contra: Blundell 1992.
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7.1 Agathons Rede: Die Macht der poetischen Weisheit (194e–197e) Das Enkomion Agathons unterscheidet sich von den anderen Reden durch seine klare Struktur.5 Die Intention, seine Lobrede nach allen Regeln der rhetorischen Kunst aufzubauen, bringt Agathon gleich zu Beginn in einer Kritik an seinen Vorrednern zum Ausdruck, die es verabsäumt hätten, Eros erst einmal selbst in seinen grundlegenden Eigenschaften zu bestimmen, bevor sie seine Wirkungen auf die Menschen zur Darstellung bringen. Seine eigene grundlegende Bestimmung von Eros läuft nun darauf hinaus, „dass er der glückseligste von allen [scil. Göttern] ist, insofern er der Schönste und Beste ist“ (195a). Aus dieser Charakterisierung ergibt sich folgender Aufbau der Rede: (A) Zuerst wird Agathon die Eigenschaften erläutern, die Eros zum Schönsten machen (195a–196b), (B) sodann seine Tugenden, die ihn zum Besten machen (196b–197b). (C) Zum Abschluss werden die mit diesen Eigenschaften in Verbindung zu bringenden Wirkungen des Eros, die auch schon vorher angeklungen sind, noch einmal gepriesen (197c–e). (A) Warum ist Eros schön bzw. der Schönste? Agathon schreibt ihm drei bzw. vier Eigenschaften zu, aus denen dies folgt: Eros ist jung (neos) bzw. der Jüngste (195b–c), zart (hapalos) und „von geschmeidiger Gestalt“ (hyrgos to eidos) bzw. ebenmäßig (symmetros: 196a).6 Die Zuschreibung gerade dieser Eigenschaften wird oftmals als Ausdruck der eitlen Haltung interpretiert, die Agathon insgesamt an den Tag legt: Die explizit gegen Phaidros und seine These, dass Eros der älteste der Götter sei (178a–c), gewendete Betonung der Jugend von Eros steht jemandem, der gerade im Alter von ca. 30 Jahren (vgl. Nails 2002, 9) seinen ersten Karrierehöhepunkt erreicht hat, natürlich gut zu Gesicht. Zu beachten ist, dass neos bzw. neotatos hier durchaus auch mit „neu“ bzw. „innovativ“ konnotieren; so charakterisiert Aristoteles in seiner Poetik Agathon gleich zwei Mal (1451b 19–26; 1456a 25–30) als einen Neuerer, der eigene Fabeln erdichtet habe (anstatt auf traditionelles mythologisches Material zu rekurrieren) und den Einsatz des tragischen Chors grundlegend verändert habe. Auch die Zartheit des Eros scheint dem Sprecher nachgestaltet zu sein, insofern Agathon gerade in seiner langfristigen Liebesbeziehung zu dem älteren Pausanias in der athenischen Öffentlichkeit wohl als „verweichlichter“ Jüngling wahrgenommen wurde, was ihm z. B. in Aristophanes’ Thesmophoriazusen (bes. Vv. 130–167; vgl. Nails 2002, 9 f.) reichlich Spott eintrug. Gerade diese offensichtliche Selbstglorifikation Agathons hat der Rede oft den Vorwurf eingetragen, quasi inhaltsleer zu sein, eine bloß narzisstische Selbstbespiegelung des Dichters (vgl. z. B. Brisson 2006), die schließlich ihren Höhepunkt darin findet, dass Eros selbst als Poet charakterisiert wird. 5 Vgl. Bernardete 1994, 59: „the only conspicuously well-ordered speech in the Symposium“. Anregende Analysen der Rede, die von vielen Interpreten zu Unrecht nicht wirklich ernst genommen wird, finden sich bei Rosen 1968, 159–196; Allen 1991, 38–40; Reale 1997, 118–133; Stern-Gillet 2007. 6 Zur Frage, ob symmetros hier ein eigenständiges viertes Prädikat bildet, vgl. Bury 1932, 76.
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Dabei sollte jedoch zweierlei nicht übersehen werden: Zum einen wird in dieser anthropomorphen Darstellung des Göttlichen (oder umgekehrt: in der Vergöttlichung des Poeten) ein Problem angerissen, das für den weiteren Verlauf des Symposion von zentraler Bedeutung ist: die Doppeldeutigkeit von Eros als Gottheit und erōs als psychische Antriebskraft, die „in den Gemütern und Seelen von Göttern und Menschen wohnt“ (195e) und sich als „Liebe zum Schönen“ (eran tōn kalōn: 197b) äußert (vgl. Castagnoli 2001, 47 f.). Agathon deutet das Verhältnis zwischen beiden wesentlich im Sinne des naturphilosophischen Prinzips, dass Gleiches sich zu Gleichem gesellt (195b; e), womit impliziert ist, dass Eros nur den Schönen beiwohnt7 – das ist nicht bloß eine Anspielung auf die im Symposion mehrfach betonte Schönheit Agathons, sondern auch der Ansatzpunkt für den späteren sokratischen Elenchos (vgl. Teil 2). Darüber hinaus ist die Zuschreibung der verschiedenen Eigenschaften an Eros keine willkürliche Setzung, sondern Agathon bedient sich ganz im Sinne der antiken Rhetorik entsprechender Indizienbeweise bzw. Zeugen (tekmēria: 195b, 196b; martyria: 196e), um die Zuschreibung zu rechtfertigen. Es geht ihm also sichtbar um Begründung: Ebenso wie die Charakterisierung von Eros als glücklichstem Gott sich bestimmten Eigenschaften verdankt, lassen sich auch diese Eigenschaften selbst in ihrer Zuschreibung rechtfertigen. (B) Dieses argumentative Muster prägt auch die Charakterisierung von Eros als Bestem: Dieses Prädikat liegt in der Zuschreibung der vier klassischen Kardinaltugenden von Gerechtigkeit (196b–c), Besonnenheit (196c), Tapferkeit (196c–d) und Weisheit (196d–197b) an Eros begründet; Tugenden sind eben das, was ihren Träger gut macht. Die jeweilige Argumentation zu Gunsten der einzelnen Tugenden kann dabei (und ist natürlich de facto von verschiedenen Kommentatoren) im Einzelnen logisch und inhaltlich moniert werden;8 so erscheint etwa die Vorstellung, dass Eros als Inbegriff der Gerechtigkeit vollkommen „gewaltlos“ wirkt, nahezu haltlos vor dem Hintergrund der Schilderungen in der klassischen griechischen Tragödie, in der gerade erotische Leidenschaften oft als den Akteur gegen sein besseres Wissen in physischer und psychischer Hinsicht „zwingend“ beschrieben werden. Gerade der Tragiker Agathon sollte das wissen – aber hier zeigt sich eben sein Hang zur bereits oben thematisierten „Neuerung“: Das traditionelle Bild von Eros soll revolutioniert werden, insofern dieser nicht mehr als Quelle des eifersüchtigen Streits um die geliebten Objekte, sondern als Friedensbringer, eben als Gestalter und Garant einer „weichen“ und „harmonischen“ Ordnung beschrieben wird.9 Im Gegensatz zur Rede seines komischen Antipoden Aristophanes, der v. a.
7 Vgl. 197b: „denn bei dem Hässlichen ist Eros nicht.“ 8 Rosen 1968, 184 f., meint, dass die Charakterisierung der Tapferkeit auf einer Äquivokation von „stärker“ beruht; einen ähnlichen Fehlschluss macht Zehnpfennig 2000, 151, auch für die Besonnenheit aus. 9 Die Agathon-Rede zeigt sich hierin als ein Gegenentwurf zur Rede des Phaidros, in der v. a. Elemente des traditionellen Eros-Bildes rekombiniert werden; vgl. hierzu den Beitrag von C. Pietsch in diesem Band.
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den Mängelcharakter betont, der in erotischen Beziehungen sichtbar wird, porträtiert Agathon Eros als Inbegriff einer (selbst kreativen) Fülle. Die entscheidende Facette in diesem Bild liefert dabei die Behandlung der Weisheit als Tugend des Eros. Agathon geht hier von der traditionellen Vorstellung aus, dass Eros es mit sexueller Zeugungskraft zu tun hat, weitet diesen Gedanken aber massiv in Richtung geistiger Kreationen aus: Letztlich verdanken sich alle Künste (technai) und ihre Produkte der Schöpfungskraft des Eros! Angetrieben von Verlangen und Liebe (epithymia kai erōs: 197a) zum Schönen erfinden die Götter die verschiedenen Künste. Diese kreative Inspiration verdanken sie also dem Umstand, dass Eros ihnen innewohnt, denn „jeder wird zum Schöpfer (poiētēs), den Eros berührt“ (196e). Die Weisheit des Eros wird mit seiner universalen po[i]etischen Schaffenskraft identifiziert, die den gesamten Bereich der musischen Kreativität umfasst (pasan poiēsin tēn kata mousikēn: 196e)10 und die er als „weiser Dichter“ (poiētēs sophos: 196e) – ein Schelm, wer hier wieder an Agathon denkt – an andere weitergibt. Eros ist ein Poet, und seine Weisheit ist eine produktive und erzeugende, die ihren Niederschlag im „kunstfertigen“ Umgang des Menschen mit der Welt findet: Wissen ist ein Können, das auf technē beruht. Die Transmission an andere setzt dabei voraus, dass Eros selbst im vollen Besitz der schöpferischen Weisheit ist: Denn was einer nicht hat oder nicht weiß, das kann er auch weder einem anderen geben noch einen anderen lehren. (196e) Dieses plausibel klingende Prinzip: Nemo dat quod non habet bzw. (in pädagogischer Wendung): „Man kann nur lehren, was man selbst weiß“ setzt aber zugleich den „traditionellen“ Zusammenhang von Weisheit und Wissen voraus, was im Umkehrschluss in Anwendung auf die poetische Zeugungskraft bedeutet, dass der Unwissende gewissermaßen infertil zur Produktion des Schönen in anderen ist – eine für Agathon und seine Selbststilisierung als weiser Lehrer später fatal wirkende Prämisse (vgl. Teil 4). (C) Das Bild, das Agathon von Eros als poetischem Weisen zeichnet, lässt diesen jedenfalls als Inbegriff einer schöpferischen Fülle erscheinen, die sich an anderes überträgt, und zwar mittels der durch ihn erregten Liebe zum Schönen: Eros erscheint hier primär als Geliebter (erōmenos) und nicht als Liebhaber (erastēs).11 Aus ihrem Streben zu diesem Schönen erwachsen dann für Götter und Menschen die verschiedenen Güter, als deren erste Quelle und damit als universaler Wohltäter Eros erscheint. Die diese positiven Wirkungen noch einmal artikulierende Eulogie, mit der Agathon sein Enkomion beschließt (197d–e), zeigt ihn als einen rhetorischen Künstler auf der Höhe seines Könnens: Gemäß der von ihm selbst zuvor formulierten Maxime, im Lobpreis auf den Gott 10 Zur Ambiguität von poiēsis bzw. poiein vgl. die späteren Ausführungen von Diotima in 205b–c sowie SternGillet 2007, 86–92. 11 Zum Verständnis und Verhältnis von erōmenos und erastēs im klassischen Griechenland vgl. Dover 1980, 3–5.
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auch die eigene Dichtkunst ehren zu wollen (196d), entzündet er ein wahres Feuerwerk an Alliterationen und Assonanzen, wobei die sprachliche Rhythmik das Ganze immer mehr zu einem hymnischen „Gesang“ (ōdē: 197e) werden lässt.12 Hier wird nicht einmal mehr im Ansatz sachlich argumentiert, sondern mit allen zur Verfügung stehenden sprachlichen Mitteln webt Agathon einen regelrechten „Klangteppich“, eine pyrotechnische „musica della parola“ (Reale 1997, 131 f.), deren von ihm selbst abschließend beschworene „bezaubernde“ Wirkung auf das Publikum auch nicht ausbleibt: Dieses bricht in stürmischen Beifall aus, und zwar weil Agathon „sowohl in Bezug auf sich selbst als auch in Bezug auf den Gott“ so angemessen gesprochen hat (198a). Damit wird die von Agathon intendierte Identifikation von Eros mit dem Dichter (bzw. mit ihm selbst) und das von ihm vertretene und praktizierte Konzept poetischer Weisheit zumindest auf der Ebene des Publikums sanktioniert. Offen bleibt allerdings die Frage, warum sich ein selbst so in jeder Hinsicht „erfülltes“ und damit von allen Mängeln freies Wesen wie Eros überhaupt an andere mitteilt (vgl. Sheffield 2006a, 26 f.): Wieso ist Eros überhaupt im Sinne der poetischen Weisheit schöpferisch tätig?
7.2 Der sokratische Elenchos (199c–201c) Auch Sokrates hat – wie üblich – „noch eine Kleinigkeit zu fragen“ (199b), was in einen klassischen Elenchos, wie er v. a. aus den platonischen Frühdialogen bekannt ist, einmündet: Sokrates prüft die interne Kohärenz der von Agathon aufgestellten Behauptungen und ihrer Prämissen, indem er einige Klarstellungen vornimmt und weitere Schlussfolgerungen aus dem in der Rede Vorgetragenen bzw. dem im weiteren Gespräch von Agathon Zugestandenen zieht (199b–201c). Das Resultat dieser Befragung ist dabei letztlich eine Widerlegung der von Agathon aufgestellten Behauptungen, dass Eros die Eigenschaften der Schönheit und Gutheit in höchstem Maße besitzt: Folgt man der im Elenchos entwickelten Argumentation, ist Eros weder schön noch gut. Die Logik der sokratischen Gesprächsführung in diesem Abschnitt ist in der Forschung vielfach und kontrovers diskutiert worden,13 wobei auf die wesentlichen Probleme später noch einzugehen sein wird. Abseits der strittigen Frage, ob Sokrates selbst schlüssig argumentiert oder (bewusst oder unbewusst) mit Fehlschlüssen operiert, ist aber zuerst einmal festzuhalten, dass die Passage 199b–201c wesentlich aus Prämissen gespeist ist, die in der Rede Agathons eine zentrale Rolle spielen. Obwohl das an der Textoberf läche nicht immer deutlich sichtbar ist,14 bildet der Elenchos, wie v. a. die 12 Eine zusammenfassende Analyse der Versmaße und Metrik des Abschnitts bietet Dover 1980, 124. Zur rhythmischen Gestaltung vgl. auch Rettig 1875, 246 f., zum poetischen Stil insgesamt Reale 1997, 120–125. 13 Mehr oder minder formal ambitionierte Argumentrekonstruktionen bieten z. B. Stokes 1986, 114–146; Nussbaum 1986, 177–179; Price 1989, 15–20; Payne 1985; Castagnoli 2001; Soble 2001. 14 So zitiert Sokrates Agathon erstmalig explizit erst zum Ende des Elenchos hin, in 201a.
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detaillierten Analysen von M. Stokes (1986) zeigen, eine äußerst enge kompositorische Einheit mit dem unmittelbar Vorangegangenen: Die sokratische Dialektik baut somit durchgehend auf dem Enkomion auf.15 Der Fokus der sokratischen Gesprächsführung mit Agathon liegt dabei auf der Frage, ob Eros wirklich schön ist. Wie so oft in den platonischen Dialogen arbeitet Sokrates zuerst etwas kleinschrittiger die vorbereitende Argumentation heraus (199c–200e), um dann in einer kurzen Wiederholung das Gerüst des Gedankengangs klar zu konturieren und zur abschließenden Schlussfolgerung zu bringen (200e–201b). Die wesentlichen Schritte sind die folgenden: [1] Eros ist immer Eros von etwas (199d1–e8), und zwar im Sinne des genitivus obiectivus: Liebe ist intentional, d. h. sie ist auf ein Objekt (eine Person oder auch einen Gegenstand) gerichtet. Diesen relationalen Charakter hat Agathon selbst eingeräumt, als er von Eros als Liebe zum Schönen gesprochen hat (197b: erōs kallous). [2] Man liebt das, was man nicht hat (200a1–e6), also woran man Mangel leidet bzw. dessen man bedürftig ist. Hier spielt die bereits von Agathon vollzogene (197a) und von Sokrates aufgegriffene Verknüpfung von „Begehren“ und „Lieben“ (epithymein/eran: 200a) eine zentrale Rolle, insofern man etwas begehrt, woran man in irgendeiner Weise Mangel leidet: Körperliche Begierden wie Hunger oder Durst sind nach Platon durch Mangelzustände bedingt, auf deren Ausgleich bzw. Behebung sie zielen. Wie der Fortgang der Unterredung zeigt, muss man das Konzept des Mangels bzw. der Bedürftigkeit hier jedoch weiter fassen, denn schließlich kann man auch das lieben, was man bereits hat, z. B. seinen Lebenspartner oder seine Briefmarkensammlung. Hier richtet sich die Liebe dann nicht auf den Erwerb eines noch nicht Vorhandenen, sondern auf den Erhalt bzw. die Kontinuierung des Besitzes: Wer liebt/begehrt, will das, was jetzt vorhanden ist, auch noch in Zukunft haben (200d); sein „Mangel“ bzw. seine Bedürftigkeit bezieht sich also nicht auf den jetzigen Zeitpunkt, sondern auf die Zukunft. Sokrates fühlt sich auf der Grundlage dieser Klärungen jedenfalls berechtigt zu der verallgemeinernden Feststellung: Was man nicht hat und was man selbst nicht ist und was einem mangelt, dergleichen also sind die Dinge, worauf die Begierde und die Liebe (epithymia kai erōs) sich richten. (200e) [3] Eros ist auf das Schöne (und nicht auf das Hässliche) als intentionales Objekt hin ausgerichtet (201a2–10). Das bedeutet aber, dass Eros selbst nach dem Schönen begehrt bzw. es liebt (pace [1]). Was man liebt bzw. begehrt, dessen ermangelt man aber gerade (pace [2]): [4] Also ermangelt Eros des Schönen (201b4). 15 Vgl. Stokes 1986, 130: „Every question Socrates has asked has been explanatory of Agathon’s original encomium. In each question Socrates either extracts from Agathon a relatively clear inference, or he asks for the resolution of a difficulty or ambiguity.“
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[5] Was des Schönen ermangelt, kann aber selbst nicht schön sein (201b6–7): [6] Also kann Eros nicht schön sein (201b9–10), was natürlich die zentrale These Agathons konterkariert. Obwohl Agathon nicht mehr zu widersprechen vermag, wird die Schlüssigkeit dieser Argumentation von vielen Interpreten hinterfragt. Die meisten machen ihre Kritik dabei an zwei Punkten fest: (1) Die sokratische Argumentation lebt letztlich von der Doppeldeutigkeit des Terminus Eros, der in äquivok anmutender Manier mal als eine (göttliche) Person und mal als ihr intentionales Streben begriffen wird. Hier greift Sokrates gewissermaßen auf die bereits oben (in Teil 1) für Agathons Rede charakteristische Ambiguität von Erōs und erōs zurück, die letztlich auf einer Art Personifikation beruht (vgl. Payne 1999, 237–239). Dadurch findet eine Identifikation von Liebe und Liebendem statt, die einige Übergänge im Argument überhaupt erst möglich macht. Dies betrifft v. a. den in Anspruch genommen relationalen Mangelcharakter der Liebe, für den R. E. Allen auf folgendes Problem hinweist: Love is a relation. As such, it lacks nothing and desires nothing. It implies, however, privation or lack in the lover. But when one distinguishes love and the lover, this argument to show that Eros is neither good nor beautiful nor divine is inconclusive. The lover, who lacks and is by so much imperfect, cannot be divine. But it does not follow from this that love itself is not divine or good. (Allen 1966, 460) Die Schönheit der Liebe ist somit formal nicht durch das einen Mangel anzeigende Bedürfnis nach Schönheit im Liebenden ausgeschlossen, wenn man die stillschweigend vollzogene Identifikation von Erōs und erōs verweigert. Die sokratische Argumentation beruht nach Auffassung einiger Interpreten letztlich auf einer impliziten „paulinischen Prädikation“, bei der ein Satz wie: „Die Liebe ist langmütig“ (1. Kor. 13, 4) zu verstehen ist als: „Wer die Liebe besitzt, ist langmütig“, wodurch Eigenschaften vom Träger (dem Liebenden) auf eine von ihm instantiierte Eigenschaft (Liebe) übertragen werden. Umstritten ist allerdings, ob durch diese metonymische Substitution des Trägers durch seine Eigenschaft das Argument in toto letztlich invalidiert wird (Castagnoli 2001, 53–60) oder nicht (Price 1989, 18–20). (2) Als zweites Problem wird folgende Ambiguität gekennzeichnet: Was heißt es genau, dass Eros als Verlangen nach bzw. Liebe zum Schönen charakterisiert wird? Damit kann gemeint sein, dass (a) der Liebende sich nach dem Besitz bzw. Erhalt von schönen Dingen sehnt, also nach Objekten, die diese Eigenschaft besitzen, oder (b) dass er selbst diese Eigenschaft besitzen, also schön sein möchte (vgl. Stokes 1986, 132–134). Das Schöne (als Objekt) nicht zu besitzen ist allerdings etwas anderes, als selbst nicht schön zu sein. Dies beträfe dann auch die von Sokrates konstruierte Logik des Begeh-
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rens: Denn kann man durchaus noch schöne Dinge haben wollen (a), auch wenn man selbst schon die Eigenschaft besitzt, schön zu sein (b).16 Dann erscheint allerdings der Übergang von [4] zu [6] im sokratischen Argument höchst verdächtig, denn dort schließt Sokrates ja gerade aus dem Verlangen des Liebenden nach bzw. seinem Mangel an Schönem (a) auf das Fehlen dieser Eigenschaft in ihm selbst (b).17 Nachdem Sokrates auf diese nicht über jeden Zweifel erhabene Weise etabliert hat, dass Eros im Widerspruch zur Behauptung Agathons gar nicht schön ist, weist er regelrecht handstreichartig auch gleich nach, dass er nicht gut ist. Vorausgesetzt ist dabei die von Agathon explizit zugestandene Prämisse, dass das Gute zugleich schön ist: Dann ermangelt es allerdings Eros qua Verlangen nach dem Schönen auch zugleich am Guten (201c). Die Frage, ob Sokrates hier einfach das Gute mit dem Schönen „kurzschließt“ bzw. ob hier von einer intensionalen oder extensionalen Identität der Termini kalon und agathon auszugehen ist, wird von den Kommentatoren höchst unterschiedlich bewertet.18 Auch wenn Platon in anderen Werken des Öfteren eine solche Gleichsetzung des Guten und des Schönen (bzw. von Schönheit und Gutheit) vollzieht (vgl. z. B. Grg. 474d–e, Men. 77b), muss man die Einführung dieser Prämisse allerdings im vorliegenden Fall nicht unbedingt als einen stillschweigenden doktrinalen Import aus dem Standardrepertoire platonischen Philosophierens auffassen: Schließlich hat Agathon selbst die Gutheit von Eros inklusive ihrer wohltätigen Effekte wesentlich durch seine Schönheit begründet: Seitdem aber dieser Gott erschienen war, erwuchs aus der Liebe zum Schönen alles Gute für Götter und Menschen. (197b) Das zum expliziten Abschluss des Elenchos in 201c erreichte Resultat, nämlich dass Eros weder schön noch gut, sondern vielmehr beider Eigenschaften bedürftig ist, invalidiert zugleich die Annahme, mit der Agathon sein ganzes Enkomion strukturiert hat, nämlich dass Eros der Glückseligste unter den Göttern ist, insofern er der Schönste und Beste ist (195a). Nicht zuletzt wegen der geschilderten Ambiguitäten ist der sokratische Elenchos der Rede Agathons von manchen Kommentatoren als selbst fehlschlüssiges Beispiel einer rein persuasiven Logik abqualifiziert worden (vgl. etwa, in gewohnt Platon-kri16 Etwas anders, aber mit ähnlicher Stoßrichtung veranschaulicht Nussbaum 1986, 178, das grundsätzliche Problem der sokratischen Argumentation: „Alcibiades loves the beauty of Agathon. From this it follows only that Alcibiades lacks that beauty not that he lacks all beauty. He might have some other type of beauty.“ 17 Man beachte auch, wie in der oben im Text unter [2] zitierten Reformulierung der Prämisse des Zusammenhangs von Liebe und Mangel die beiden Prädikationen, „etwas nicht haben“ und „etwas nicht sein“ in einem Atemzug genannt werden. Nussbaum 1986, 179, meint, dass Sokrates hier mit einer äußerst starken versteckten Zusatzprämisse agiert, nach der alles Schöne als qualitativ uniform verstanden werden müsse: „All manifestations of the kalon must be sufficiently like one another that if you lack one kind it is natural to conclude that you lack them all.“ Zur Kritik an Nussbaum vgl. Reeve 1992, 94–99; Payne 1999, 246–249. 18 Platon tendenziell „exkulpierende“ Lesarten präsentieren z. B. Stokes 1986, 145 f.; Sheffield 2006a, 98 f.
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tischer Diktion, Dover 1980, 133; contra: Stokes 1986, 145 f.). Andere Interpreten monieren, dass Sokrates letztlich gerade dadurch, dass er in seinem Elenchos von Eros als Liebhaber (erastēs) spricht, eigentlich an der Charakterisierung von Eros als Geliebtem (erōmenos) durch Agathon vorbeiredet, anstatt diese zu widerlegen, und damit letztlich eine ignoratio elenchi begeht (vgl. Reeve 1992, 99 f.). Entgegen einer häufig wiederholten Behauptung in der Forschung muss man jedoch festhalten, dass Eros schon in Agathons Rede nicht eindeutig nur als Geliebter bzw. Objekt der Liebe erscheint (so etwa Cornford 1950, 71; Reale 1997, 145), sondern selbst erheblich zwischen Liebe und Liebendem ebenso wie zwischen Geliebtem und Liebhaber changiert (vgl. Stokes 1986, 134 ff.; Castagnoli 2001, 46–49). Man kann den Elenchos dann eher als Versuch von Sokrates deuten, Agathon die Inkonsistenzen und Inkohärenzen aufzuzeigen, die in seiner Rede stecken bzw. die sich aus seiner Charakterisierung des Eros ergeben, um ihn von seinem Scheinwissen zu „reinigen“.19 Doch m.E. geht es hier nicht bloß um die Widerlegung Agathons als individuellem Sprecher, sondern um den Nachweis einer prinzipiellen epistemischen Insuffizienz der poetischen Weisheit, die er repräsentiert und vertritt. Dies soll im Folgenden gezeigt werden.
7.3 Die philosophische Kritik an der poetischen Weisheit Noch bevor Sokrates in seinem Elenchos Agathon zu Leibe rückt, äußert er in einem Intermezzo (198a–199b) eine grundlegende Kritik an dem bisher von allen anderen Rednern Präsentierten: Der Tenor lautet, dass diese zwar alles mögliche Schöne über Eros vorgetragen hätten, um ihn nur in höchsten Tönen preisen zu können, sich aber gar nicht darum gekümmert hätten, ob diese Eigenschaften ihm nun wirklich zukommen oder nicht. Dies ist nicht mehr und nicht weniger als eine platonische Generalkritik am oratorischen Genus des Enkomions, das v. a. dessen Mangel an Wahrheitsorientierung betrifft (vgl. Nightingale 1993); Sokrates will deshalb den Agon auch nicht in diesem Stile fortsetzen, sondern statt dessen prononciert auf seine Weise „die Wahrheit über Eros“ sagen (199b). Diese Kritik ist allgemein formuliert, macht sich aber konkret an der Rede von Agathon fest. Wie er dessen Rede einordnet, macht Sokrates durch einen scherzhaft verkleideten Hinweis auf Gorgias deutlich, an den ihn diese Rede erinnert habe (198c). Agathon wird damit in die Nähe der sophistischen Rhetorik gerückt, die Sokrates ja nicht zuletzt in Platons Gorgias einer grundlegenden Kritik unterzieht. Diese Affinität von Agathon zu den Sophisten wird auch außerhalb des Symposion z. B. dadurch insinuiert, dass er erstmals namentlich im Protagoras (315d–e) erwähnt wird, und zwar 19 Vgl. Reale 1997, 156; Castagnoli 2001, 68 f. u. 78. Ferrari 1992, 271, nimmt hingegen etwas idiosynkratisch an, dass die Ambiguität von Liebe und Liebhaber zwar Agathons Rede durchziehe, aber nicht ernst gemeint sei, weshalb Platons Ausbeutung dieser Ambiguität im Elenchos einen „schamlosen Trick“ darstelle.
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als jemand, der zur Entourage des Sophisten Prodikos von Keos gehört. Auch die Gestaltung seiner eigenen Rede ist weitgehend an den Zügen der gorgianischen Rhetorik orientiert, vom formalen Aufbau über die Verwendung von tekmēria (siehe Teil 1) bis hin zu den rhetorischen Stilfiguren und der Metrik (vgl. Dover 1980, 123 f.). Auch die Tendenz, durch die subkutane Identifikation mit Eros als dem „jüngsten“ Gott (vgl. Teil 1) an das Selbstbild der Sophisten als rationalistische „Neuerer“ anzuknüpfen, ist hier zu nennen (vgl. Reale 1997, 126–129). Die Schlussformel der Rede schließlich, in der diese als „teils Scherz, teils in Maßen auch Ernst enthaltend“ (197e) charakterisiert wird, ist ein Echo des Endes der Verteidigungsrede von Gorgias (B 11.21) für Helena. Was Sokrates nun an dieser sophistischen Rhetorik in Agathons Rede auszusetzen hat, wird im Abgleich mit dem platonischen Gorgias deutlich (vgl. Allen 1991, 40 f.). Folgende Punkte stechen hervor: (1) Es wird eine verfehlte Zielsetzung verfolgt: Die sophistische Rhetorik beabsichtigt nicht eine wirkliche Belehrung des Hörers in Sachen Wahrheit, sondern allein eine mit den Mitteln der lusterregenden Schmeichelei operierende Persuasion. Das Ziel ist nicht, das Wohl des Hörers zu fördern (ihn also besser zu machen), sondern ihn psychagogisch für die Erreichung bzw. Durchsetzung der Zwecke des Redners zu manipulieren (vgl. Grg. 454e–456c). Im Falle Agathons ist die von ihm verfolgte Intention überdeutlich: Es geht ihm, wie bereits das kurze Vorgespräch mit Sokrates in 194a–e zeigt, im Wesentlichen um den Beifall des jeweils anwesenden Publikums, also um öffentlichen Ruhm bzw. Ehre. Er möchte das Publikum so „bezaubern“, dass es in seinen abschließenden Hymnus auf Eros mit einstimmt. Dies gelingt ihm im Symposion, wie der rauschende Applaus nach seiner Rede zeigt, v. a. durch die von Sokrates eigens hervorgehobene „Schönheit der Worte und Redewendungen“ (198b) im rhetorischen Feuerwerk zum Schluss des Enkomions. Damit gehört er zu einer Gruppe von Techniten, die sich in der Ausübung ihrer eigenen Kunst (technē) auf das Erlangen von dieser Tätigkeit äußerlichen Güter (wie Ehre, Ruhm, Geld u.ä.) als Ziele ausrichten (vgl. Sheffield 2006a, 138–144) und sie damit „instrumentalisieren“. Dies wirft aber zugleich ein bezeichnendes Licht auf die poetische Weisheit, die ja gerade in der kunstfertigen Produktion besteht: Diese ist nicht selbstgenügsam, sondern bedarf gewissermaßen einer externen Sättigung; die po[i]etische technē ist – wie es später Aristoteles in seiner Differenzierung von poiēsis und praxis klar herausgearbeitet hat – auf ein Ziel jenseits ihrer selbst hin finalisiert. Sie ist also bloß Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck. Das sokratische Verdikt in Sachen Rhetorik wird dabei im Gorgias bezeichnenderweise auch direkt auf die tragische Dichtkunst, als deren Vertreter Agathon im Symposion ja auftritt, übertragen: Auch diese ist bloße „Schmeichelei“ (kolakeia), die nur „auf die Lust ausgeht und darauf, den Zuschauern gefällig zu sein“ (Grg. 502c); die Poetik ist als eine besondere Sparte der Rhetorik letztlich nichts anders als „Volksbearbeitung“ (dēmēgoria: 502d). Die Weisheit ist im Kontext der Poesie ein rein demagogisches Gebrauchswissen, das mit Wahrheit nichts mehr zu tun hat, son-
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dern nur auf die psychischen Effekte der eigenen Darbietung beim Publikum setzt – das demonstriert Agathons Rede eindrücklich. (2) Die sophistische Rhetorik zielt also nicht auf die Vermittlung von Wahrheit ab. Das könnte sie nach Platon aber auch selbst dann nicht, wenn sie es wollte, weil ihre Behandlung der Gegenstände auf einer epistemisch unzureichenden Basis fußt, nämlich nicht auf Wissen (epistēmē), sondern bloß auf Meinung (doxa). Dies wird im Gorgias durch die Entlarvung der Wissensansprüche der anwesenden Sophisten im sokratischen Elenchos geleistet, und genau derselbe Beweis wird auch im Symposion erbracht: Letztlich streckt Agathon mit den Worten die Waffen, dass er wohl nichts von dem wisse (eidenai), worüber er vorher gesprochen hat (201b). Dass die Basis seiner Rede keine sichere Erkenntnis gewesen sein kann, wird durch die von Sokrates im Elenchos herausgestellten Inkonsistenzen und Inkohärenzen deutlich: Wahres Wissen würde hingegen die Prüfung unbeschadet überstehen. Vielmehr wird das sophistische Scheinwissen in seiner pseudo-philosophischen Prätention entlarvt: Obwohl Agathon einen prinzipiell richtigen Ausgangspunkt für seine Rede wählt, nämlich zuerst nach einer wesenhaften inhaltlichen Bestimmung bzw. Definition des diskutierten Gegenstands zu suchen (wie Sokrates ausdrücklich lobend hervorhebt: 198c), verfängt er sich schnell im Dickicht seiner auf bloßen Amphibolien beruhenden „Beweise“ (tekmēria), die keine wirklichen Begründungen, sondern nur irreführende Indizien liefern. Die poetische Weisheit beruht nicht auf einem gesicherten Wissen bzw. auf der Wahrheit, sondern besteht in einer letztlich trügerischen Produktion, nämlich der rhetorischen Persuasion der Zuhörer (vgl. Rosen 1968, 175 u. 193). Die auffallende Passivität Agathons im Elenchos (im Vergleich etwa zu anderen sophistischen Gegenspielern von Sokrates) zeigt indirekt, dass er logisch-argumentativ nicht mehr wirklich „nachlegen“ kann: Sein Kunst- bzw. Gebrauchswissen ist der sokratischen Dialektik überhaupt nicht gewachsen. Sokrates ist es wie in den Elenchoi der frühen platonischen Dialoge gelungen, seine eigene Aporie auf seinen Gesprächspartner zu übertragen.20 Dass ihm nicht mehr widersprochen wird, liegt nach Sokrates nicht in seiner überlegenen Argumentationskunst begründet, sondern einfach daran, dass er die Wahrheit vertritt (201c). Es geht nicht um Personen, sondern um die Sache. Damit verdeutlicht Sokrates, woran ihm eigentlich gelegen ist: Im Gegensatz zu den anderen Symposiasten zielt er nicht beifallsheischend auf einen persönlichen Redetriumph (in der Tat erhalten seine Ausführungen im Gegensatz zu denen Agathons nur spärlichen Beifall: 212c), sondern auf den Sieg der Wahrheit ab: Das ist der Agon, an dem er eigentlich mitwirken möchte. Dieser Sieg der Wahrheit ist freilich innerhalb des oratorischen Genus des Enkomions mit seiner Schulung an einer auf bloßem Glauben des Redners beruhenden und seinerseits das Publikum nur Glauben machenden Rhetorik nicht zu erwarten, wie 20 Zur Aporie des Sokrates im Anschluss an die Rede von Agathon vgl. 198a6 (aporēsoimi) u. b2 (aporein). Zum Elenchos als Mittel zur „Übertragung“ der Aporie an den Gesprächspartner vgl. z. B. Men. 79e–80a.
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die Rede des sophistischen Poeten Agathon demonstriert hat. Gerade deshalb wechselt Sokrates danach erst einmal die Methode: Den Weg zur Wahrheit über Eros weist nicht eine bloß sophistisch-kunstfertige und effekthascherische poetische Weisheit, sondern das philosophische Gespräch.21 Der „alte Streit zwischen Philosophie und Dichtung“ ist mit Blick auf die Weisheit und die beiderseitig beanspruchte Kompetenz in Liebesdingen (erōtika) damit schon durch den Ausgang des Elenchos zu Ungunsten Agathons und der Poesie entschieden. Dies ist aber erst einmal nur ein „negativer Triumph“, insofern die elenktische Unterminierung der poetischen Wissensansprüche im Symposion noch nicht das letzte Wort ist: Während ein genuin sokratischer Dialog letztlich genau hier, also in der Aporie, enden würde, zeigt sich das Symposion doktrinär auskunftsfreudiger, insofern in der DiotimaRede das geliefert wird, was in den Frühwerken fehlt: eine positive Lehre über den untersuchten Gegenstand, Eros, die auf der Bestimmung seiner Wesensnatur (ti pot’ estin) beruht. Insofern Diotima von vielen Interpreten als Sprachrohr Platons gelesen wird, könnte man hier auch eine Art „Aufstieg“ vom rein elenktischen Sokrates der Frühwerke zum Sokrates der mittleren Dialoge sehen (vgl. Blundell 1992, 125–132): Letzterer triumphiert nicht bloß „negativ“ durch die Widerlegung der poetischen Scheinweisheit, sondern „positiv“ durch die Entfaltung einer Lehre und komplettiert somit den Sieg der Philosophie in Sachen erotischer Weisheit. Der Triumph des Sokrates wird auch dialogintern auf verschiedenen Ebenen vom Autor Platon inszeniert, und zwar prima facie schon durch den von Agathon selbst angekündigten Schiedsrichter, Dionysos, der in Gestalt von Alkibiades die Szenerie betritt.22 Dieser kommt, um das „Haupt des Weisesten und Schönsten“ (sophotatos kai kallistos: 212e) mit den ihn selbst schmückenden dionysischen Insignien zu umwinden. Alkibiades kränzt zuerst allein den Gastgeber (213b), fordert aber, nachdem er des Sokrates ansichtig geworden ist, einige seiner Bänder von Agathon zurück: Denn Sokrates ist derjenige, der alle Menschen im Reden besiegt, und zwar nicht bloß einmal – wie Agathon bei seinem kürzlich errungenen Sieg bei den Lenäen – sondern immer (213e). Auch die Tatsache, dass er anschließend eine Art Enkomion auf Sokrates als den wahren Erotiker hält, spricht dafür, dass im Wettstreit mit Agathon (und auch mit den anderen Symposiasten) letztlich doch Sokrates „gekrönt“ wird (vgl. Bacon 1959). Man könnte allerdings einwenden, dass ein betrunkener Alkibiades, der zudem noch die Reden gar nicht gehört hat, kaum ein geeigneter Richter in dieser Sache ist.23 Anders 21 Aus diesem Grund ist es m.E. eher unplausibel anzunehmen, dass Sokrates die von vielen Interpreten diagnostizierten Fehlschlüsse im Elenchos (vgl. Teil 2) bewusst verwendet: Dies würde ja gerade die Grenzen zwischen der wahrheitsorientierten Philosophie und der wirkungsorientierten sophistischen Rhetorik verschwimmen lassen oder gar ganz einreißen; vgl. Rowe 1998, 172. Contra: Castagnoli 2001, 69 f. 22 Zu Alkibiades als Verkörperung des Dionysos vgl. Bacon 1959 und Nussbaum 1986, 194 f. 23 Alkibiades nährt selbst Zweifel an seiner Kompetenz, wenn er feststellt, dass man die Worte eines Berauschten eigentlich nicht neben die eines Nüchternen stellen dürfe (214c). Andererseits verweist er auf das bekannte
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gefragt: Kann ein Wettstreit über die Weisheit denn überhaupt von Dionysos entschieden werden? Gerade der Schluss des Werks nährt Zweifel daran: Sokrates siegt nämlich ein weiteres Mal im Redestreit mit den beiden poetischen Jüngern des Dionysos, Agathon und Aristophanes,24 indem er ihnen nachweist, dass der wahre Poet sowohl Tragödien als auch Komödien zu dichten verstehen müsse (223c–d). Nachdem die beiden, ebenso wie der Großteil der anderen Teilnehmer, dem vorherigen Alkoholgenuss Tribut zollen, indem sie einschlafen, geht Sokrates ins Lykeion, wohl um dort weitere philosophische Unterredungen zu führen. Er bestätigt damit das, was ihm auch Alkibiades zuvor schon bescheinigt hat: Er lässt sich in seinen philosophischen Unterredungen auch vom massiven Alkoholkonsum nicht unterkriegen, sondern bleibt gewissermaßen stets nüchtern (214a; 220a) und wach. Der Schluss des Symposion markiert somit – in Anlehnung an Nietzsche gesprochen – letztlich den Sieg des apollinischen Sokrates über die berauschten Jünger des Dionysos.25
7.4 Bruch oder Kontinuität? Das Verhältnis von Philosophie und Poesie Die Passage 193e–201c markiert somit das Scheitern der sophistisch vorgetragenen Wissensansprüche des Dichters Agathon an einem Sokrates, der im Stil der Apologie sowie der Frühdialoge agiert. Ist die poetische Weisheit Agathons (sowie die seiner Vorredner) damit vollends desavouiert (so Reeve 1992, 92 f.)? Findet mit dem Einsetzen des sokratischen Elenchos eine „radikale Umwertung aller Werte“ (Koller 1948, 51) statt, so dass man als an der „Wahrheit über Eros“ interessierter Leser letztlich alles vergessen kann, was Agathon zu diesem Thema gesagt hat? Viele Interpreten sehen in der Tat einen radikalen Bruch der Untersuchung zwischen Agathons sophistisch-rhetorischer und Sokrates philosophisch-dialektischer Behandlung des Themas, der sich auf der Ebene der Methode (Gespräch statt Makrologie) und der Intention (Wahrheit statt Wirkung) niederschlage (vgl. exemplarisch Rehn 1996, 82 f. u. 85). Gegen eine solche komplette Dissoziierung der Philosophie von der Poesie sprechen allerdings mehrere dialoginterne Indizien: Sokrates geht trotz der Versuche von Alkibiades, die beiden zu entzweien, nicht auf Distanz zu Agathon (222c–d), sondern holt ihn näher an sich heran, um ihn später selbst loben zu können (223a). Noch wichtiger ist, dass Sokrates zu Beginn seiner eigenen Ausführungen (ab 201d) im Gespräch mit Diotima selbst explizit Motto „in vino veritas“ (217e), dem er gewissermaßen die Ehre geben möchte: Wie Sokrates angetreten ist, die Wahrheit über Eros zu sagen (198d), so will Alkibiades nun die Wahrheit über Sokrates sagen (215a). 24 Dionysos ist der Schirmherr sowohl der tragischen als auch der komischen Dichtkunst. 25 Bacon 1959, 424–426, meint hingegen, dass Sokrates damit selbst als größter Poet gekrönt werde, insofern er durchgängig die simultane Rolle des tragischen und komischen Dichters spiele und auch „bezaubernde“ Wirkungen auf die Anwesenden ausübe.
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die Rolle Agathons einnimmt (201e) und die Unterredung quasi an der Stelle fortführt, an welcher der Elenchos geendet hatte: Dieser höchst signifikante „Maskenwechsel“ von Agathon zu Sokrates (vgl. Reale 1997, 136–158) und die damit markierte unmittelbare Anknüpfung des Diotima-Teils an den Wettstreit über die Weisheit in 193e–201c deuten in der Dialoginszenierung eher auf eine Kontinuität hin. Dies bestätigt sich auch auf inhaltlicher Ebene: Schon Agathons Rede antizipiert verschiedene zentrale Aspekte des späteren Diotima-Teils.26 Am wichtigsten mit Blick auf das von Agathon vertretene Konzept poetischer Weisheit, die sich in der künstlerischen Produktion äußert, ist deren Spiegelung in Diotimas Bestimmung der Liebe als kreativschöpferischer Kraft, die auf die „Erzeugung und Hervorbringung im Schönen“ (gennēsis kai tokos en tō kalō: 206e) zielt. Diotima bestätigt dementsprechend den Poeten auch uneingeschränkt ihre seelische Zeugungskraft (209a). Auf einer bestimmten Ebene des Aufstiegs zur Idee des Schönen hat die poetische Weisheit also ihr Recht, wenn auch nicht das letzte Wort. Das zeigt sich v. a. durch die im Elenchos systematisch vorbereitete zentrale Korrektur der Agathon-Rede und ihrer Behauptung, Eros sei qua seiner herausragenden Schönheit und Tugend der glückseligste Gott: Eros ist gerade kein sich selbst genügender Gott, der bereits im Besitz der Weisheit ist, sondern vielmehr ein bedürftiger Dämon, der noch nach Weisheit strebt: ein Philosoph eben, wie ihn in der Alkibiades-Rede der „wahrhaft dämonische“ Sokrates (219b–c) verkörpert. Mit dieser Charakterisierung des Eros als „Zwischenwesen“ (metaxy) verbindet sich eine epistemische Differenzierung, die auch eine Hintertür für den Wert der poetischen Weisheit und damit für den sachlichen Gehalt der Rede Agathons öffnet. Die Aporie bzw. der Mangel an fundiertem Wissen, den Agathon zum Abschluss des sokratischen Elenchos konzedieren muss, präjudiziert keineswegs die komplette Falschheit seiner Position, sondern nur die Inkonsistenz seiner Überzeugungen (vgl. Vlastos 1983). Zwischen Wissen und Unwissen rangiert aber die „richtige Meinung“ (orthē doxa), die das Wahre irgendwie trifft, „ohne davon Rechenschaft geben zu können“ (202a). Dies ist zwar v. a. auf den Status von Eros als Philosoph gemünzt (vgl. 204a–b), kann aber durchaus auch auf die vorherigen Reden im Allgemeinen und die Agathons im Besonderen angewandt werden. Der anschließende sokratische Elenchos zielt dann auf die korrigierende Herausarbeitung des darin enthaltenen Wahren bei gleichzeitiger Zurückweisung der zuvor reklamierten (universalen) Weisheits- und Fachkompetenz des Poeten. Letzteres erinnert grundsätzlich an den Ion, in dem Sokrates den sophistisch anmutenden umfassenden Wissensanspruch des gleichnamigen Rhapsoden zwar unterminiert, ihm aber die Option offen lässt, dass sein Können auf einer göttlichen Inspiration 26 Vgl. Allen 1991, 39: „[T]he speech of Agathon anticipates in important respects the speech of Socrates and Diotima that is to follow.“ Zu den Antizipationen und Parallelen im Einzelnen vgl. ebd., 39 f.; Sheffield 2006a, 208–210; Stokes 1986, 146–182.
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(in Anknüpfung an das berühmte Bild der Magnetsteine) beruht (vgl. Ion 541e–542b).27 Spricht auch Agathon vielleicht als „Enthusiasmierter“? Dies würde sich zumindest gut in Einklang bringen lassen mit seinem eigenen Konzept von Eros als „in den Gemütern und Seelen von Göttern und Menschen“ (195e) wohnenden Entität, die jeden, den sie berührt, zum poi[e]tischen Künstler macht (196e–197a). Bezeichnenderweise lobt Sokrates ja auch gerade den (komplett argumentationsfreien) Schlussteil der Rede Agathons (197c–e), der in seiner hymnischen Diktion einen besonders „inspirierten“ bzw. „enthusiasmierten“ Eindruck macht, während er die vorherigen Partien – wohl aufgrund ihrer sophistisch prozedierenden Argumentation – nicht für wirklich bewundernswert hält (198b). Das mag alles ironisch eingefärbt sein, kann aber auch eine Anerkennung der zur „richtigen Meinung“ befähigenden göttlichen Inspiration des Poeten insinuieren. Insofern damit jedoch wie im Fall Agathons explizite Wissens- und Wahrheitsansprüche verbunden sind, müssen diese erst einmal explizit in die Schranken gewiesen werden, denn Sokrates hält poetische Inspiration für keine hinreichende kognitive Basis des Erwerbs und v. a. der Weitergabe von Weisheit: Agathons pädagogische Prämisse, dass nur derjenige, der selbst weiß, andere wirklich etwas lehren kann (196e), fällt durch sein finales Eingeständnis am Ende des Elenchos, selbst nicht gewusst zu haben, wovon er redet (201b), natürlich disqualifizierend auf ihn als potenziellen Lehrer zurück. Hier kommt auch das oben schon erwähnte Bild vom Wollfaden zur Übermittlung der Weisheit aus 175d–e wieder ins Spiel: Dabei ist sicher subkutan auch eine Kritik an der sophistischen Pädagogik im Spiel, die Lehren und Lernen – im Gegensatz zur sokratischen Maieutik – im Sinne des „Trichtermodells“, also als eine einseitige Einf lößung des Wissens von außen in den Schüler, begreift.28 Aber Sokrates verwirft das Bild nicht vollends, sondern arbeitet – wie Summerell (2004) überzeugend nachgewiesen hat – eine entscheidende Komponente in seinen Bedeutungsgehalt heraus: nämlich den Wollfaden als notwendigen „Mittler“ zwischen den beiden Bechern, also zwischen Leere und Fülle. Diese Vermittlung zwischen der göttlichen Weisheit und dem menschlichen Unwissen kann der Poet als bloßes „Sprachrohr“ der Götter aufgrund seiner epistemischen Inkompetenz nicht vollends leisten; der wahre Vermittler zwischen den beiden Sphären ist, wie Diotima verkündet (202e–203a), Eros: der dämonische Mensch bzw. der Philosoph Sokrates, der genau diese Vermittlungsrolle im Diotima-Teil einnimmt. Das Wollfadenbeispiel antizipiert somit die in der Diotima-Rede entfaltete erotische Bestimmung der Philosophie; es verdeutlicht aber auch in nuce, dass die poetische Weisheit Agathons 27 Vgl. auch das Ergebnis der Prüfung der Dichter in der Apologie (22b–c): Ebenso wie die Wahrsager und Orakelsänger dichten die Poeten das Schöne nicht aufgrund von Weisheit (sophia), „sondern durch eine Naturgabe und in der Begeisterung (enthousiazontes)“, ohne wirklich zu wissen, was sie sagen. Zur positiv bewerteten mania der Poeten vgl. auch den Phaidros, bes. 245a; zum Vergleich der Dichterdarstellung im Symposion mit Ion und Phaidros vgl. Stern-Gillet 2007. 28 Zur Kritik von Sokrates an dem von Agathon und Pausanias repräsentierten und vertretenen erotischen Erziehungsmodell vgl. auch Brisson 2006.
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(Eros als sich kreativ übertragende Fülle) inhaltlich keiner kompletten Widerlegung anheimfällt, sondern wesentlich einer klärenden Korrektur (Eros als Mittler zwischen Fülle und Leere) bedarf. In Anbetracht der dargestellten Kontinuitäten kann man die Rede Agathons (wie auch die der anderen Symposiasten) somit durchaus als eine Art „anerkannte Meinung“ (endoxon) über Eros betrachten, von der Sokrates trotz seiner methodischen Zurückweisung des epistemischen Wissensanspruchs der poetischen Weisheit inhaltlich das, was wahre Meinung ist, mit korrigierenden Strichen herausarbeitet (vgl. Sheffield 2006a, Kap. 2 u. 7; 2006b): Letztlich sind sich Agathon und Sokrates durchaus einig darüber, dass Eros zu Tugend und Glück befähigt, auch wenn ihr Verständnis dieser Konzepte divergiert. Deshalb produziert Agathon wie die Redner vor ihm auch kein bloßes Trug-, wohl aber ein Schattenbild von Eros: The previous speakers are ultimately exposed as shadow lovers, who produce accounts that ref lect, but do not fully instantiate, the beauty of the philosophical account. (Sheffield 2006a, 218) Gerade durch die Kontrastierung mit anderen Formen des Sprechens gewinnt die Philosophie hierbei im Symposion ihre distinkte Kontur als dialogisch orientierte Form des Lebens und Liebens (vgl. Kreft 2010). Doch bei aller professionell bedingten Inklination, Sokrates’ philosophischer Darstellung des Eros gegenüber seinem rhetorischen „Schattenbild“ den Vorzug zu geben, gilt für Agathons Enkomion auf die Liebe in seiner poetischen Qualität auch das Dichterwort: Ah me! How sweet is love itself possessed, When but love’s shadows are so rich in joy. (W. Shakespeare, Romeo and Juliet, Act V, Scene 1)
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Symposium 201d1–204c6
Socrates risked behaving inappropriately when he began his speech with the claim that his fellow banqueters had not made the truth their priority (Symp. 198d7–e6). They were more concerned with appearing to offer an encomium to Eros, he claimed, than with actually offering him one. This concern with appearances rather than truth motivated the attribution of all sorts of characteristics to Eros without any clarity about the proper nature of the subject. Such is generated, it soon becomes clear, by the observation of certain methodological rules and distinctions: one should first display the character of erōs and then go on to explore what it does (199c with 195a). The distinction implied here reoccurs in the stretch of text that forms the subject of this paper (201e), and it is this section of Socrates’ account – from 201d1–204c6 – that takes up this methodological challenge of clarifying the nature of the subject matter; or so I aim to show in the following. The start of this procedure goes back to the elenchus of Agathon, whose speech may well have been picked out for special attention because it at least attempts to clarify the nature of the subject before making inferences about its beneficial effects (199c). But there was much confusion about the precise nature of Eros here. Agathon had claimed that Eros’ nature is beautiful, and that he pursues beauty (197b). On ref lection he is also shown to believe that Eros lacks what he desires (200e1–5). These beliefs are inconsistent. Both Agathon and Socrates preserve the claim that Eros pursues beauty, which is a dominant view in all the speeches. This leads to the preliminary conclusion that Eros’ nature is such that it lacks the beauty it desires (201c). This conclusion is reinstated at the end of the story of Eros’ birth (204c6), in a way that strongly suggests that it is the clarification of erōs’ nature, in particular, that occupies the account from 201d1–204c6. In so doing, this section makes good the promise to begin by identifying the nature of
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the subject, before exploring what it is like, a procedure essential to Socrates’ conception of „speaking the truth“ about Eros; or so I propose to show in the following.1 There are numerous puzzles about this aspect of the account, however. Socrates does not continue with the elenctic format, nor does he choose to present a speech in the manner of his peers. He introduces the mysterious figure of Diotima from whom he apparently learnt certain truths about erōs, when she subjected Socrates to an elenchus. His narrative about this conversation takes the form of didactic dialectic, where Socrates presents in question and answer format lessons learnt from this exchange. Moreover, some of it takes the form of a „rather long story“ (makrologia) about Eros’ origins and birth. It is not immediately clear why the narrative takes this turn, nor what status should be ascribed to it given that it is presented as the logos of someone who is not present or accountable, and some of it takes the form of muthos, or story (makrologia, 203b1), which is a format Socrates resists elsewhere and associates with the continuous exposition of the Sophists (Prt. 334c–335c).2 This section, then, raises questions not just about its immediate role in Socrates’ account, but also larger issues about the role and status of myth and stories in Plato’s dialogues. Immediately after Agathon agrees that he does not know about Eros after all, Socrates claims that he too, used to be in a similar state, until he met Diotima. There is little evidence that Diotima is a real historical figure, and support for the view that she is a Platonic fiction comes from the ample references to the preceding speeches in Socrates’ speech. If we are to believe that Socrates learnt his speech from this woman then she must be mantic indeed to know the contents of the speeches at Agathon’s symposium.3 But if she is a fiction, why is she introduced, and at this point, with the particular characteristics that she has? She is a woman, a priestess, a helper of Athens during the plague, and someone wise (201d3; cf. 208c1). More puzzling still is the fact that though Socrates presents his account as issuing from lessons he learnt from Diotima (201d2), he also claims to continue the discussion with Agathon on the basis of things agreed between them, on the grounds that he used to say the very things which Agathon was just now saying, namely that Eros is a great god, and that Eros pursues beauty (201e5); Socrates, too, was refuted. This is puzzling because if Socrates, prior to his meeting with Diotima, and Agathon share so much in common then why does Socrates not continue with the elenchus, or present straightforward arguments for the following claims. The fact that he does not take this route suggests that he may be trying to distance himself from the status of these truths, that his wisdom – in the form of robust arguments for the follo1 This manner of investigating a subject is familiar Socratic procedure; see, for example, La. 190b7–c2, Men. 71a5–b7 and Rep. 354c1–3. 2 Makrologia is associated with Gorgias by Aristotle, Rh. 1418a36. 3 See below for the ample references to Agathon’s speech, and Aristophanes’ remark at 212c5–6 which shows that he is not fooled by her introduction, i. e. he takes the speech to be very much Socrates’ own.
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wing claims – runs out, so to speak, and so he introduces the deus ex machina of a wise priestess. But this cannot be right. As I hope to show, Socrates provides much argument in the following, and returns to Agathon’s elenchus at 204c (with 197b) in a way that shows that he is still very much concerned with continuing the argument with Agathon. Why then is an alternative figure introduced, and why does Socrates divide himself up into two roles: that of the youthful Socrates prior to instruction from Diotima, and a post-Diotima Socrates who is more resourceful in the pursuit of truth? Exploring the substance of the text itself, and the nature of Socrates’ interaction with Diotima therein, will provide an answer to such questions.
8.1 Socrates adopts the role of Agathon who is still muddled about Eros’ status, and the role of the resourceful Diotima. If Eros is not in possession of the beauty he seeks, does that mean that he is shameful and bad (201e8–9), asks pre-Diotima Socrates? Post-Diotima Socrates explains that there is something in between such opposites – the realm of the intermediate, which is clarified with the example of true belief (202a5). Just as true belief is different from ignorance because it hits upon the truth, and from knowledge because it lacks a logos, so Eros holds a similar intermediate status in relation to beauty and goodness (202b1–2). Such does not yet get us to clarifying Eros’ nature as intermediate. All the exposition shows so far is that it is not necessary that whatever is not good is bad, because there is another option, though it remains unclear why we should take that option, rather than assume with pre-Diotima Socrates and Agathon that Eros is ugly and bad. Reasons are given for this later, which are hinted at in the significantly chosen example of true belief as the intermediate state. Those who desire wisdom are those who are in between wisdom and ignorance because nobody who already has wisdom philosophizes (204a1–2); the wise do not desire what they do not lack (204a6–7 which repeats a point made earlier at 202d1–3). Nor do the ignorant philosophize for they are unaware of a lack of wisdom and so do not strive to remedy their lack (204a4–6). Eros philosophizes; so, Eros must be in between wisdom and ignorance. If we can generalize this argument to all the good and beautiful things Eros desires (202c5 f.), then this gives us a further premise to explain why Eros cannot be the opposite of whatever it is that he seeks: „one does not desire what one does not think one needs“ (204a6–7). If Eros were in the opposite state of complete deficiency in relation to the desired object, then Eros would have no sense of a lack of that object, nor of any goal that could be conceptualized as the object of a striving. So, Eros, insofar as he desires beautiful and good things, must lack these things, but not (like the ignorant) in such a way that he has no sense of what it is that he lacks; he must hold an intermediate status in relation to such objects.
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This intermediate nature is now given more precision, and with a def lationary turn uncharacteristic of the encomiastic genre. Since the gods possess all good and beautiful things, Eros, who holds an intermediate status in relation to such, cannot be a god; he is, in fact, an intermediate daimōn.4 Its power is: That of interpreting and conveying things from men to gods and from gods to men – men’s petitions and sacrifices, the gods’ commands and returns for sacrifices; being in the middle between both, it fills the space between them, so that the whole is bound close together. It is through this that the whole expertise of the seer works its effects, and that of priests, and of those concerned with sacrifices, rites, spells, and the whole realm of the seer and of magic. God does not mix with man, through this it is that all intercourse and conversation of gods with men takes place, whether awake or asleep; and the person who is wise about such things is a demonic man, while the one who is wise in anything else, in relation to one or other sort of expertise or manual craft, is vulgar. These spirits, then, are many and of all sorts, and one of them is Eros (202e3–203a8).5 There are many questions that arise here. First, this passage raises issues about whether Plato, like the Pythagoreans, had a „demonology“ and, if so, what are the metaphysical implications of this idea.6 It is stated clearly in the passage that „god does not mix with man“, which suggests that it is the postulation of two separate realms here that requires the mediating presence of daimōns. This raises the question of how one links the two separated realms. The principle of like-to-like, a common axiom in Greek philosophy, was typically employed to provide a partial answer to this problem: man can mix with god to the extent that he shares a portion of the divine nature; he is like god in some respect. In other Platonic dialogues it is the soul that shares some portion of the divine nature, and which is capable of mediating between the mortal world, which it inhabits whilst embodied, and the divine, which it aspires to successfully in virtue of its cultivation of a divine aspect, nous. In the Timaeus, this noetic aspect of soul is called a daimōn (Ti. 90c). Since the problem of connecting the divine and mortal realms can be seen elsewhere in the dialogues, one might wonder how the specific answer given in the Symposium – its 4 Such demotion of status was not typical in an encomium, on which see Isocrates Busiris with Nightingale 1995, 103; Aristotle Rhetoric 1368a22–23, 26–9; Rhetorica ad Alexandrum 1425b36–40 on the procedure known as „amplification“ more characteristic of this genre. This shows that Socrates, unlike his peers, is concerned to privilege the truth over rhetorical effect. 5 All translations are from Rowe 1998. 6 On the relationship between Pythagorean and Platonic demonology, see Jensen 1966. Jensen writes on this passage that: „This succinct statement contains the essence of all later demonological theories, and is, furthermore, a direct rendering of the role imputed to the demons in the earlier Pythagorean school“.
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demonology – relates to this broader concern, and the answers Plato provides elsewhere to this question (e. g. in the Timaeus). The postulation of intermediate daimōnes clearly answers to the need for mediation. But how does the notion of Eros as a daimōn relate to the more widespread notion in both Pythagorean and Platonic thought, of the soul as the mediator? Further, if Eros, qua mediator, is to connect man with the divine, it seems that he must share some portion of the divine nature in order to do so. We shall see shortly in the story of Eros’ birth that he does: from his father Poros (himself a god), Eros inherits qualities associated with the divine. But if we are to understand the story of Eros and his parentage as illuminating the nature of a mortal lover, something we are strongly encouraged to do (204c2–6, esp. 204c5–6), then how is this to be conceived for mortal desiring agents? What aspect, or aspects, of a human agent is divine? It is notable in the Symposium that the soul, as such, is not said to be an immortal aspect. This perhaps explains why it is not given the role of mediating between the divine and human here. We are told later in the account that pregnancy and giving birth „is an immortal thing for a mortal animal“ (206d), and we also know that this is the characteristic work (ergon) of erōs, or mortal beings as desiring agents (206b1). All human beings are pregnant both in body and soul, and when we reach a certain age naturally desire to give birth (206c). All human beings, by this means, have a share of something divine. The focus of the account is the way in which this characteristic activity of erōs – pregnancy and giving birth – allows human beings to achieve a share of immortality. So, erōs is what allows the human being to mediate between the human and the divine in a variety of ways, depending on the type of pregnancy one carries, and the manner in which one chooses to deliver it (on which, see the paper by Reeve), and pregnancies, potentialities of various kinds (e. g. for children, or „wisdom and the rest of virtue“ in the case of the soul), are the divine aspect of the human being. But caution is required before one drives a wedge between the more common notion of the soul as mediator, and the idea that erōs is a mediator here. For erōs is a phenomenon of the soul. As we shall see in more detail shortly, it is the motive force of the soul for the good (206a1). Furthermore, it is suggested that it is contemplative activity, of precisely the sort that elsewhere characterizes nous, which allows the soul qua erotic to perform its role of mediator best. For the characteristic activity of erōs – pregnancy and giving birth – allows erōs to achieve a share of immortality and it is, specifically, those pregnant in soul with „wisdom and virtue“, who develop that wisdom in the contemplation of the Form of beauty, that are said to be immortal above all, and to become „dear to the gods“ (212a6). This suggests that it is noetic activity of a certain kind here too, as it is in the Timaeus, that enables the soul to mediate between the mortal and the divine realms. There is, then, no incompatibility between the more familiar notion of the soul as a mediator with the divine, and the notion of erōs as a mediator with the divine in the Symposium. When interpreted in light of what follows, and applied to the account of a mortal desiring agent, erōs is not separate from soul. The notion of erōs can be seen as
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specifying that in virtue of which the soul is a mediator, and providing an account of how it performs that mediating function (by creative activity of a certain, intellectual, kind). Since this (contemplative) intellectual activity is elsewhere associated with nous, it also seems implied that nous is that which allows us to assimilate to the divine and become „dear to the gods“; in other words, the postulation of nous here, as elsewhere, is the homoion axiom. When read in this way, the soul is a mediator in virtue of erōs, and the best expression of this mediating activity is engaging in the contemplation characteristic of the divine. This is not far from the thought that the soul is a daimōn, which enables contact with the divine when its noetic aspect is properly developed (Ti. 90a).7 Much of this can only be substantiated when we have answered more specific questions about Eros’ demonic work. What is the interpretative work for which Eros, and hence human agents insofar as they desire, is particularly responsible? What are the rites referred to in this passage? How does the „binding of the whole together“ take effect, and what exactly is Eros binding? The language of this passage points to the ascent, which provides an account of the rites proper to erōs (teletas, 202e3–8 with ta telea kai epoptoka at 210a1). This leads to contact with the divine Form of beauty (211d1–3). One who completes the ascent successfully communicates with the divine and becomes dear to the gods (212a5–6). Since such rites lead away from the mortal particulars to the divine Form, it is suggested that the binding activity referred to at 202e6–7 (sundedesthai) is manifest in the activity of the philosopher who approaches the divine Form, sees the world of mortal particulars in its light, and understands that the whole (of beauty) is akin to itself (210c4–5). When we connect these two passages, as the language seems to invite us to do, of further interest is the notion that the proper function of erōs is to return back again and communicate from gods back to men. This is crucial evidence, repeatedly ignored in the literature, for those who want to argue for an inclusive reading of the ascent, one which requires the philosopher to re-engage with the world of men after contact with the Forms.8 This re-engagement is strongly suggested by the notion that erōs interprets and conveys things from men to gods and back again. If, as we are led to believe, the ascent shows us one who fulfils erōs, then such an agent must also interpret and convey things from gods to men. Since this will not be possible until after contact with the divine form, when the philosopher becomes „dear to the gods“, i. e. at 7 This develops a Pythagorean idea. The aim of their practices was to realize one’s inner daimōn, or to become a daimōn by purification and contemplation. On the Pythagorean notion, see Detienne 1963. Jensen 1966, 78, n.4 suggests that Diotima appears to be an „Orphic“ priestess and this may be related to her espousal of Pythagorean doctrines here: „Plato is very careful never to espouse openly the doctrines he seems to owe to the Pythagoreans“; he cites the notion of the soul as harmony in the Phaedo, Republic 524 ff., and the Timaeus as evidence. 8 I am referring, of course, to what has come to be known as the Vlastos problem, generated by his seminal article The Individual as an Object of Love, in Vlastos 1981 and various responses to that paper, e. g. Nussbaum 1986, 165–95; Kosman 1976, 53–69; Price 1989, 15–54.
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the apex of the ascent, it is strongly suggested that such a person must go back down and interpret the mortal world of particulars in light of the divine form. The whole will be bound together – the realm of mortal particulars and the divine Form – in a state of understanding, which may be communicated back to mortals. That communication will be the way in which this is expressed is suggested by the characterization of Eros as an interpreter, who communicates between gods and men. Moreover, we can now begin to see why Diotima has some of the particular characteristics that she does. As a seer, with a special relationship to the divine, who knows the proper „rites“ which erōs should engage in, she embodies the qualities outlined above and is uniquely placed to reveal the highest mysteries of the daimōn Eros. Perhaps her work manifests the communicative activity of erōs returning from gods to men. If so, then that work at least partly consists in persuading others, as she has persuaded Socrates (212b5) of proper erotic practice. In other words, erōs’ work will include returning from the divine to the mortal world and educating others to appreciate how the „whole is bound together with itself“. If one is concerned that this account of an erōs whose fulfillment lies in contemplation of the Form does not enrich the lives of others, then one needs to take account of this passage which outlines erōs’ proper functioning. Given the resemblance between these daimonic practices and the figure of Diotima, it is suggested that the care and devotion of the guide may well manifest erōs working back from gods to men.9 Though this passage may be crucial to such interpretative debates, it is not yet clear how erōs best manifests itself in an aspiration to the divine, nor why the rites of the ascent, here only hinted at, should be the best expression of such activity. Arguments for these claims will come later, once we have a better sense of erōs’ aims (205d f.) and proper activity (206b1 f.). But why erōs is uniquely placed to „bind the whole together with itself“ – that is, I take it, the divine and mortal realms – is clarified first in the aetiological story that follows this description (203b1–204c6). According to this account Eros was conceived as a result of the lack experience and personified by his mother Penia, who was not invited to a feast of the gods, and the resourceful Poros, implicitly described as a god (203b2–3). In virtue of his mother Eros is needy, but because of his father Eros is a resourceful schemer after what he lacks (203d4–7). As a result his nature is neither that of a mortal or an immortal, but he lives and f lourishes whenever he finds resources, but such are always slipping away from him – though he has the ability to come back to life again because of his father’s nature (203e3). This mixed heritage describes the sense in which Eros is in between the mortal and the immortal realms and so clarifies his intermediate status. The lack of good and beautiful things is characteristic of the mortal, but the resourcefulness exhibited in their pursuit, and which 9 Cf, the Euthyphro, which considers the proposal that piety is service to the gods (13d7), an activity, which some have linked to Socrates’ description of his philosophical mission in the Apology as a service to the gods (30a).
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enable us to scheme after the beautiful and the good (203d4), and replenish such lacks, is characteristic of something divine in us (see 206d for the notion of a divine element in us). Eros’ f luctuation between such characteristics suggests that desiring agents manifest one quality and then another: the thing provided (to porizomenon) does not remain long enough for it to be said that desiring agents are rich (ploutei), but neither does a state of deprivation last long enough for it to be said that one is poor (aporei, 203ef.). The intermediacy is not, then, an intermediate state between two extremes, so that the thing is neither one state nor the other; nor is it the case that the thing partakes of both extremes simultaneously. Eros, and by implication all desiring agents, is intermediate in a dynamic sense, which is to say that he f luctuates between the characteristics of his parents so that at one time he is poor, at another rich, and so on.10 As such, then, erōs is a needy and yet productive state of aspiration towards the good and beautiful things we lack and desire. The story makes good the promise to explain what erōs is and what he is like (201e1): Eros is an intermediate daimōn and, as such, a mixture of the needy and resourceful. This clarifies some of the issues that arose from the elenchus of Agathon. If desiring agents desire what they lack, they cannot be in the abundant state Agathon described (203c7 with 195c6–196a1, esp. 197d7); if they were, they would be like the slumbering and inactive Poros in the story. But though erōs lacks what it desires, it has some sense of where a remedy can be found (like Penia initiating intercourse with Poros) and so strives towards the possession of the good and beautiful things it lacks in a productive way. The fact that Socrates claims that this story illustrates the nature of a lover (204c2–6, esp. 5–6), and corrects the mistakes of Agathon’s account (204c2–3), invites us to integrate it into the account. This is confirmed later by the numerous parallels between Socrates and Eros highlighted in Alcibiades’ encomium of Socrates in place of erōs.11 Furthermore, we can see how it illuminates the ti esti question (Eros is a daimōn) and then the poios tis (he is a mixture of the needy and the resourceful). Mortal desiring agents have an intermediate nature between the mortal and the immortal, which is to say that we are needy and yet resourceful beings, human in our deficiencies and yet capable of aspiring to the divine in our abundant resourcefulness.
8.2 The significance of the story runs deep. The fact that erōs has two elements, derived from Penia and Poros in the story, suggests that erōs has two aspects. First, there is the 10 For further elaboration of the notion of the intermediate one can compare Ly. 216c, Prt. 351d, Grg. 467d– 468c. See also Frede 1993, 397–402. 11 For examples of this, see Sheffield 2006, 187–188.
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experience of need, embodied by Penia: „one does not desire what one does not think one needs“ (204a6–7). The experience of lack of the origin of erōs, and this is illustrated by the fact that it is Penia who initiates the interaction with the slumbering Poros (cf. the point made during the elenchus of Agathon at 200e2–5). Penia sees Poros as something, or someone in this case, able to satisfy her lack. It is later brought out clearly that what makes something appear such is that it is characterized as kalon or agathon in some respect and desired under that description (201a8–10, b6–7, c4–5, 202d1–3). So, the aspect of erōs derived from Penia in the story is the aspect responsible for identifying a lack, and for specifying some determinate thing, which appears such as to remedy that lack. This is evidently what we might call an informed sense of lack, something borne out by the description of Penia „scheming“ because of her lack, to have a child from Poros in the story (203b7). It is a state, in other words, of awareness of a lack, and an awareness of a lack of a specific or determinate something, which is perceived as kalon or agathon in some way. Second, there is the Poros factor. Poros is centrally described as a „deliberator“: „he is a schemer after the beautiful and the good, courageous, impetuous and intense, a clever hunter, always weaving new devices, both passionate for wisdom and resourceful in looking for it, philosophizing throughout his life, a clever magician, sorcerer and sophist“ (203d4–8). Poros is able to find the means to attain Penia’s goal and provide something (to porizomenon, 203e2–3). So, the aspect of desire for which Poros is responsible is a deliberative aspect. The experience of informed need motivates a deliberation, which attempts to find the means to remedy the lack of the desired end, and generates a provision designed to meet it. This is borne out later in the account when Socrates uses the verb euporein and cognates to describe various actions and productions of desiring agents as they attempt to procure a chosen good end (208e4–5; 209b8). Such details reveal that the experience of erōs is not just an experience of lack; it is a complex state which consists of the two aspects outlined above, one of which appears to be a deliberative component (203d4: „erōs is a schemer“) which attempts to find the means to satisfy the initial stirrings of desire. Elements of this account will prove central to Socrates’ idea that erōs can be guided towards certain valuable ends. If there were no evaluative judgments involved in erōs – no perception of a thing, or state of affairs, as kalon or agathon in some way, then philosophical practice would have nothing to work with in its attempt to direct and inform this experience. All erōs involves some kind of judging activity; or, put differently, no one experiences erōs for anything unless it is perceived by the agent to be good or beautiful in some way. Since animals are included in the account later (207b7), it is suggested that this can be quite low-grade cognitive material (in the Timaeus animals are said to have doxa: 77a–c). The salient point for the developing account is that this cognitive component in erōs raises the possibility of misjudgment, which will be central to Socrates’ account of a hierarchy of beautiful objects, some of which are more valuable than others. If an agent desires × because it is perceived to be beautiful in some way, and it
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is not just the desiring of the object that makes it so, then the agent has some investment in discovering what sorts of things really are valuable and worthy of desire and pursuit. Such is a driving assumption of the ascent.12
8.3 A hint of such thoughts, which will become explicit later, features in the striking claim that ends the aetiological story of Eros. It is claimed that Eros is a philosopher (204b2–4; cf. 203d4–7), on the grounds that Eros is concerned with beauty (204b3), and wisdom is one of the most beautiful things (204b2–3), so Eros must be a philosopher. The claim that Eros pursues wisdom requires us to say that wisdom is one important activity of erōs, but not necessarily that it is the only one. For just as there may be other beautiful objects besides wisdom – it is said only that wisdom is amongst the most beautiful things – so there may be other forms of erōs besides philosophical erōs.13 But the argument does rely on a particularly strong connection between beauty and erōs. The claim is also needed that if something is perceived to be beautiful, then it is desired (where the perception of beauty is sufficient and not just necessary for erōs). With this in place the argument runs as follows: If × is perceived to be beautiful, then Eros desires it; wisdom is perceived to be amongst the most beautiful things; therefore Eros desires wisdom. If wisdom is desired because it is one of the most beautiful things, or amongst the most beautiful things, then this suggests a correlation between the degree of perceived beauty in an object and the erōs experienced for that object. So, Eros is concerned with the beautiful (204b3); the more beautiful the object the more Eros desires that object (implicit in the superlative); wisdom is one of the most beautiful things (204b2–3); so, Eros is, in the highest degree, a lover of wisdom. This gestures towards the central idea of the ascent passage where we learn that all erōs properly speaking culminates in erōs for the Form of beauty, which is the only truly, unqualifiedly, beautiful object. Socrates has now made a connection between erōs and wisdom, via its attraction to beauty, and he goes on to clarify how the aspects of erōs’ nature outlined in the story make themselves manifest in that pursuit. Since Eros is both deficient and resourceful in relation to the beautiful things he lacks and desires (see argument above, p. 4), and wisdom is amongst the beautiful things he desires, Eros must hold an intermediate position in relation to wisdom and ignorance in particular (203e3–5). There is an argument for this 12 On a Humean view, where things appear beautiful or good because we desire them, and not the other way round, no rational choice between desiderata as such would be possible. Reasoning is involved only in realizing one’s preferences and not in choosing between them, which is the possibility open here. 13 I am taking ton kalliston to be a partitive genitive, rather than an objective genitive at 204b2–3, so that wisdom is „amongst the most beautiful things“, rather than „of the most beautiful things“. The argument requires the partitive genitive since this connects a generalized erōs for beauty with wisdom.
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claim. Those who philosophize are those who are in between wisdom and ignorance, unlike either the gods who are wise (204a1–2), or the ignorant who are unaware that they lack wisdom (204a3–7). Nobody who already has wisdom philosophizes for they do not desire what they do not lack (204a6–7 with 202d1–3). Nor do the ignorant philosophize because they are unaware of a lack of wisdom and so do not strive to remedy a lack they fail to perceive (204a4–6). Eros „philosophizes throughout his life“ (203d7). So, Eros is in between wisdom and ignorance. This state of intermediacy is now elaborated in light of the characteristics inherited from his parents in the story: As a philosopher he is necessarily between wisdom and ignorance. What makes him like this is again his birth: he has a father who is wise and resourceful, a mother who is not wise and resourceless (204b4–6). Poros is linked to euporia linguistically and conceptually (204b6, 203d7); Penia is likewise connected to aporia (203b9, 204b7). From the description of the f luctuation between these states outlined earlier, we surmise that Eros at least temporarily manifests the characteristics of his mother – aporia – but then that of his divine father – euporia, and then again that of his mother and so on. To a reader familiar with Plato’s so-called Socratic dialogues, this sounds deeply Socratic. The strong association of aporia, at least, with the Platonic Socrates is clear to any reader of the Socratic dialogues, where the philosophical activity is typically one in which aporia is a precondition of progress. But caution is required here. If Socrates is offering a general account of Eros as a philosopher, fitting to this stage of the exposition, then it should be an account that applies to everyone who values sophia as one of the kallista. The audience to whom Socrates is delivering his speech represents the intellectual elite of the day; they would all lay claim to valuing wisdom as one of the most beautiful things. Indeed many of them mention wisdom and philosophy in their speeches (see, for example, Pausanias 182b7–c2, 184d1; Eryximachus 187c4–5; Agathon 196d5–6). In order to exclude such types from the ranks of the philosopher we need an account of what wisdom is, how a deficiency in this area is perceived, and how one remedies that deficiency. Once such is provided in the ascent, the expertise of Eryximachus, or the rhetorical brilliance of Agathon will be excluded. Since the account will lead to this stricter philosophical sense, however, and since the language of aporia and euporia is so suggestive in its Socratic overtones, it will be worth our while to consider how these phenomena may operate in Socratic philosophical activity. For the Socrates of many of Plato’s dialogues philosophical activity typically begins with an experience of aporia.14 There is no need to take aporia as exclusively concerned with the elenchus, but in many dialogues it is this procedure, 14 See Ap. 21c7–8, 23b7, d8–9; La. 200a; Chrm. 166c–d. Cf. Alcibiades’ description of Socrates’ procedure in this dialogue, 216a5, and Socrates’ self-deprecating stance at the start of the dialogue (175e2–4).
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in particular, which ensures that those searching for knowledge become aware of their deficiencies, in the manner of Penia in the story here.15 It is surely no accident that both an actual elenchus with Agathon, and a reported elenchus with Diotima, start Socrates’ own philosophical investigation into the nature of erōs here. One who is aware of a lack, like Penia in the story, must have some sense of the thing they are lacking, and attempts to remedy that lack will be informed by that awareness. Such is typically provided by an elenctic experience. For example, it was Socrates’ elenctic experience with Diotima, which we are led to believe mirrors the experience of Agathon, that led to a sense not just of lack, but of precisely what was needed to remedy that lack: a clarification of erōs’ status in relation to the things he lacks, such as beauty. It was this informed sense that led to the euporetic conclusion that erōs has an intermediate status in relation to such things.16 This suggests that aporia is not just the postulation of puzzles, though that is clearly involved in generating aporia; it is rather an experience of an awareness of a lack, perhaps generated by a particular puzzle, that motivates the attempt to remedy that lack – in agents who are sensitive to the beauty of what they lack. If one becomes aware of a lack of such wisdom, that is, wisdom that will withstand elenctic scrutiny, but does not perceive such wisdom to be one of the kallista, then according to this account that will not be sufficient to motivate the agent to act, or Penia to move towards her Poros. Perhaps this is why Socrates had to relinquish Agathon at the particular point in his narrative that he did, and divide himself up into an aporetic Socrates and a euporetic alterego in the figure of Diotima. The wisdom Agathon values is the sort of thing that was on display in front of thousands of people in the theatre, and the rhetorical inventiveness on display at this symposium; there is nothing to suggest that he values wisdom in the way that Socrates conceives of it. This may explain both why Agathon is dropped from a continued elenchus, and why Socrates nonetheless chooses to continue his argument with him in a form more appealing to the sensibilities of his interlocutor. The resources inherited from Poros are associated with an ability to scheme and find the means to procure the knowledge one is now aware one lacks. So how does this manifest itself in philosophical activity, in particular? From his father Eros „is a schemer after the beautiful and the good, courageous, impetuous and intense, a clever hunter, always weaving new devices, both passionate for wisdom and resourceful, philosophizing throughout his life, a clever magician, sorcerer and sophist’ (203d4–8). In virtue of his father Eros has epiboulia, good deliberative skills, which make him resourceful at getting the knowledge he lacks. So, those who desire wisdom are intermediate in the sense that they lack wisdom and are aware of it (aporia), but they have resources to the extent that 15 See Prt. 361c, Ly. 222c, La. 200e, for example. 16 The fact that the experience inherited from Penia is a state of informed awareness which can guide further searching in this way is borne out by the positive description of her as „scheming because of her lack to conceive a child from Poros“. She seems to know quite clearly what needs to be done to make progress towards her goal.
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they are clever at getting it (euporia) – they can scheme after such knowledge. Eros, then, does not f luctuate between the opposing poles of wisdom and ignorance, in such a way that would imply that even if wisdom were provided, then that too would „f low away“; rather, Eros f luctuates between a state of awareness of deficiency, and a resourcefulness in responding to that deficiency, something which is generated – quite literally in the story – from the experience of deficiency. In other words, greater resourcefulness is grounded in clarity about the nature of what is lacking. It is not clear at this stage what knowing how to get wisdom consists in. But since the first example of an intermediate state was that between wisdom and ignorance, and this claimed that knowledge involved having a logos, it is suggested that being aware that one lacks wisdom involves an awareness that one lacks a logos of a certain kind, and the attempt to scheme after and provide appropriate logoi. Perhaps this is the „provision“ generated in philosophical activity (203e3–4). It will certainly be the case later that the pursuit of wisdom in the ascent involves the provision of numerous logoi.17 Since it is said that „the acquisition does not remain long enough for it to be said that he is wealthy, but neither does his state of deprivation last long enough for it to be said that he is poor“ (203e4–5), it is clear that whatever is provided „f lows away“. It is characteristic of the state of belief elsewhere that they are „not willing to remain long“ (cf. Men. 98a1–3). Perhaps it is the case, then, that whatever is provided „always f lows away“ because it lacks the right sort of logos which would render it stable and secure. The sort of logos achieved at the climax of the pursuit of wisdom in the ascent seems to be a definitional one because the provision of logoi does not cease until one comes to know „what beauty is“ (211c8). If so, then the resourcefulness manifested in knowing how to get wisdom will be shown in the search for definitional logoi, and aporia will be generated in realizing that one’s logos is not yet a definitional one, i. e. it is not sufficiently exhaustive or unifying to capture the nature of the class of things under consideration. We will need the details of the ascent to shed further light on the philosophical activity characteristic of the desire for wisdom.
8.4 Though we cannot clarify how erōs’ nature operates in the pursuit of wisdom until the ascent, it is exemplified in the behavior of Socrates at this symposium. He embodies the dynamic f luctuation between the aspects of erōs just described in the interaction with Diotima. Socrates divides himself up into two roles – that of the lacking Socrates who is in the same state as Agathon is now in – and that of the resourceful Diotima who 17 These involve specifying the unifying features of a given class of beautiful objects, and one does not cease providing them until one knows what beauty itself is. This suggests that the required logos is a definitional one.
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knows how to remedy the deficiencies in Socrates’ logoi. Socrates begins his account with an elenchus designed to bring about awareness of the deficiencies in the previous account. He reassures Agathon that he used to be in the same state and was puzzled by similar issues (201e5). The reason he visited Diotima, he explains, is because he was aware that he was in need (207c1, 5). This awareness of need motivated him to seek out the resourceful Diotima, just as the experience of need in the story motivated Penia to find her Poros. Diotima is „wise“ (201d3) and sophistes (208c1), like Poros who is „clever“, „able“, and sophistes (203d4). Diotima’s Mantinean origins, and her postponement of the plague, suggests a connection to the seer’s expertise; this was described as part of the erotic-cum-demonic art (202e3–203a7). Diotima embodies the euporetic aspect of erōs which transcends the limitations of a deficient, mortal, nature. In his role play with Diotima Socrates shows how new and better logoi can be provided after an experience of aporia. For example, the puzzle that generated an experience of aporia for Agathon was that if Eros lacks the beautiful and good things it desires, and is not, beautiful and good himself, is he ugly and bad (201e10)? This puzzle prompts Socrates to consider a realm of intermediates and to revise his logos accordingly (202a1–2). This, in turn, generates a further difficulty: if Eros does not possess good and beautiful things, then he cannot be divine. This, again, leads to a further revision: Eros is, in fact, an intermediate daimōn (202e1–2 with the argument for this claim above). Though we have not witnessed all the elenchi involved at every stage in the provision of these answers, we have been given a sample of this activity, and a demonstration in the interaction between Socrates and Diotima of how one proceeds to search for more productive answers. The interaction between Socrates and Diotima dramatically illustrates certain aspects of erōs’ nature as a philosopher. When compared to the presentation of Socrates as a predominantly aporetic figure in other works, this is significant. One might compare Socrates’ attempt to lead Meno out of his aporetic despair (Men. 80a1–3): „Now look what he goes on from this state of aporia to discover as he searches with me“ (84c9–d1), says Socrates. This is not something one sees in many of the so-called Socratic dialogues that end in the experience of aporia, and it suggests that the Symposium, too, functions with a more positive characterization of the philosopher. This is what we should expect from an account which has argued that erōs is a needy, yet productive, state of aspiration towards beauty, one whose object must include wisdom as one of the most beautiful things, and so a state that must ultimately function as a needy, yet productive, aspiration towards wisdom. How this is achieved will be the subject of the new method revealed in the ascent.
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8.5 The „rather long story“ of Poros and Penia is crucial to Socrates’ account. It answers the question what is erōs by means of arguments designed to show that Eros is an intermediate daimōn. We have explicit arguments for the claims that Eros lacks what it desires, that Eros’ nature is intermediate because desire is necessarily an intermediate state, and that Eros is a philosopher on the grounds that wisdom is one of the most beautiful things. The story then explores what erōs is like by showing it to be a mixture of need and resourcefulness. In this respect it is essential to the work begun during the elenchus of Agathon, which clarifies the nature of a lover. Socrates’ concluding remark, which refers back to the elenchus of Agathon (204c with 197b), indicates that he has been very much concerned with continuing that argument with Agathon. This, of course, raises the following question: if the story can be so integrated, why is it a story? Makrologia (203b1) was a rhetorical trope, and so perhaps Socrates is appealing to rhetorical sensibilities of his audience (cf. Prt. 334c–335c on makrologia, and Phdr. 266e1 for diēgēsis). But Socrates ignores such sensibilities elsewhere, for example, during the elenchus of Agathon, and if Socrates is performing out of character here, then the issue of the status of this part of the account becomes more pressing. Behind such concerns are assumptions we might wish to question. There is no reason to think that the distinction between a story and an argument implies a distinction between a narrative mode for which aesthetic appreciation or entertainment is the appropriate response, and one for which philosophical analysis is the appropriate response. The salient distinction for the Socrates of this text is between speeches that are first and foremost concerned with the truth, and those that show no such concern (198d7–e6). This distinction is perfectly compatible with a number of stylistic forms. Socrates may well be providing an engaging speech designed to appeal to the rhetorical sensibilities of his peers, but the format, since it carries out the distinctive philosophical agenda of elucidating the ti esti (a daimōn) and then the poios tis (a mixture of the needy and the resourceful) is one that privileges the truth in the very distinctive way in which Socrates conceives of that task. Story and argument cannot be clearly separated in this account. Moreover, Socrates provides arguments within the story, as we have seen. Even those details that are not argued for within the story, elaborate, or rely on, characteristics of Eros for which Socrates has already provided argument; for example, the characteristics inherited from Penia and Poros explain the way in which Eros is intermediate, a status which was given explicit argument prior to the story. There is no need, then, to treat it as having lesser value than those more explicitly argumentative stretches of texts (for example, the elenchus of Agathon). One could hardly conclude that the story presents non-falsifiable aspects of erōs; for there are arguments within the story. Nor does it seem accurate to claim that the story describes aspects of erōs that are beyond experience; for the story describes the
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experience of human desiring agents.18 But the story does exemplify the Phaedrus’ claim that speeches should be appropriate to the kinds of soul addressed (277b–c; cf. Rep. 377a ff. on the use of myth as an effective form of persuasion, and Lg. 903b on myths that can „charm“ one into agreement).19 Socrates refers to his desire to persuade others, as he has been persuaded, of certain truths about erōs (212b), and the rather long story is the perfect medium of persuasion for those in Agathon’s inner circle. These are men whose are limited in their ability to appreciate the truth (as Socrates’ critique at 198 f. indicates), and yet they are also those who aspire to wisdom (conceived in a certain way). In this respect they require a story that recognizes that we are mortal and deficient creatures, who need gentle persuasion in the form of stories, in our aspiration to the wisdom more fitting to the gods. The „rather long story“ ref lects this intermediate status beautifully.
Bibliography Detienne, M. 1963: De La Pensee religieuse a la Pensee philosophique. La Notion de Daimon dans le Pythagorisme ancient, Paris. Frede, D. 1993: Out of the Cave: What Socrates learnt from Diotima, in: R. Rosen/J. Farrell (Hg.): Nomodeiktes: Greek Studies in honor of Martin Ostwald, Ann Arbor, 397–422. Jensen, S. S. 1966: Dualism and Demonology: the Function of Demonology in Pythagorean and Platonic Thought, Munksgaard. Kosman, A. 1976: Platonic Love, in: W. H. Werkmeister (Hg.): Facets of Plato’s Philosophy, Assen, 53–69. Nightingale, A.W. 1995: Genres in Dialogue, Cambridge. Nussbaum, M. 1986: The Fragility of Goodness, Cambridge. Partenie, C. 2010: Plato’s Myths, Cambridge. Price, A. 1989: Love and Friendship in Plato and Aristotle, Oxford. Rowe, C. 1998: Plato’s Symposium, ed. with intr., translation and commentary, Warminster. –, 2007: Plato and the Art of Philosophical Writing, Cambridge. Sheffield, F. 2006: Plato’s Symposium: The Ethics of Desire, Oxford. Vlastos, G. 1981: The Individual as an Object of Love, in: G. Vlastos (Hg.): Platonic Studies, Princeton, 3–42.
18 These are two uses of myth explored by C. Partenie in the introduction to her recent edited volume, see Partenie 2010, 4. 19 On the use of this point in the Phaedrus as a strategy for interpreting a variety of stylistic modes in the Platonic dialogues, see Rowe 2007.
9 Dorothea Frede
Die Rede des Sokrates: Eros als Verlangen nach Unsterblichkeit (204c7–209e4)
9.1 Hintergrund Für das Verständnis der Art von Unsterblichkeit, um die es in Diotimas Lektion geht, sind zwei Festlegungen über die Natur des Eros von zentraler Bedeutung, die zuvor als Begründung für die Widerlegung des Agathon durch Sokrates gedient haben. Die erste Festlegung ergibt sich aus der Klärung, dass der Eros als ein Begehren nicht auf der Seite des geliebten Schönen, sondern auf der Liebenden zu suchen ist. Weil man nichts liebt, was man schon hat, setzt der Eros jeweils einen Mangel voraus (199d–201c). Ist der Eros daher weder ein Gott noch schön, so ist er doch weder sterblich noch hässlich, sondern ein „Zwischenwesen“ zwischen Schönheit und Hässlichkeit, Wissen und Unwissen, Sterblichem und Unsterblichem (metaxy, 202a–d), das sich in unablässigem Streben nach Erfüllung des Mangels an Schönem und Gutem manifestiert. Diese Dynamik spiegelt sich auch in der Kennzeichnung des Eros als eines mächtigen Dämons wider, der als Bindeglied zwischen Menschlichem und Göttlichen fungiert (201d–203a). Die weitere, mythisch verbrämte Erklärung der Natur des Eros als des Sohnes von Poros (Reichtum) und Penia (Armut), der das Schöne zwar unermüdlich verfolgt, seiner aber nie dauerhaft habhaft werden kann, hat zugleich eine Verschiebung vom DämonischHalbgöttlichen zum Menschlichen hin zur Folge (203b–204c). Denn die Eigenschaften des Eros erinnern nicht nur stark an Sokrates und seine unermüdliche Jagd nach Erkenntnis (Symp. 203d–e),1 sondern sie werden auch explizit sämtlichen Menschen zugesprochen, deren Eros der Philosophie gilt. Solche Menschen stehen daher zwischen den Göttern, die als Wissende keinen solchen Bedarf haben, und den Unwissenden, die sich für wissend und daher für unbedürftig halten (203e–204a). Dass Diotima somit den Menschen in seiner besten Verfassung als ein „dämonisches Zwischenwesen“ kenn1 Vgl. die Charakterisierung des Sokrates durch Alkibiades in Symp. 219e–220e.
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zeichnet, ist eine entscheidende Voraussetzung für ihre weiteren Ausführungen über die Natur des Eros, die natürliche Affinität zum Schönen und Vollkommenen gegeben. Zugleich schließt diese Beschränkung des Eros auf die Liebe zum Schönen die Möglichkeit eines Begehrens nach Schlechtem oder Hässlichem aus.2 Vielmehr stellt Diotima abschließend fest, dass wahrhaft Schönes, Anmutiges, Vollkommenes und Preiswürdiges Gegenstand des Eros ist (204c4 f.). Die zweite wichtige Festlegung ergibt sich aus der Aufklärung darüber, dass die vermeintliche Liebe zu dem, was man schon hat oder ist, in Wirklichkeit als das Begehren danach zu verstehen ist, die fraglichen Dinge oder Eigenschaften auch in Zukunft zu besitzen (200c9–d10). Was sich zunächst wie eine etwas pedantische Ergänzung zur Liebe zum Schönen ausnimmt, wird sich als wichtig für das Folgende erweisen. Denn daraus erklärt sich, dass jedes Begehren nicht nur auf einem Mangel beruht, sondern grundsätzlich dem Besitz des betreffenden Gutes für die Zukunft gilt. Der Eros besteht also nicht in Lust oder Freude am Schönen, schon gar nicht, kantisch gesprochen, in interesselosem Wohlgefallen, sondern in einem interessegeleiteten Begehren (200a5–b2: epithymein) nach Erfüllung eines Mangels. Auf diesen beiden Voraussetzungen fußt die weitere Bestimmung des Eros als eines Verlangens nach Unsterblichkeit.3
9.2 Die Frage nach dem Nutzen des Eros (204c6–206b13) Sokrates’ Frage nach dem Nutzen (chreia) des Eros für die Menschen leitet den zweiten, hier zur Diskussion stehenden Teil ein (204c7–8). Dazu dürfte ihn die Betonung der Vollkommenheit und Erhabenheit des Liebenswerten veranlasst haben, die es dem Bereich des Menschen als Zwischenwesen ganz zu entrücken scheint (204c4 f.). Daher weiß er auch mit dem Hinweis, dass es den Liebhabern des Schönen um dessen Besitz zu tun ist, nichts anzufangen, denn dieser Besitz trägt zur eigenen Schönheit ja nichts bei.4 Erst Diotimas weiterer Vorschlag, das Schöne durch das Gute zu ersetzen, hilft Sokrates weiter: der Besitz von Gutem mache einen glücklich (eudaimōn), und dies sei als letztes Ziel (telos) einer weiteren Begründung des Nutzens weder bedürftig noch fähig (204e–205a). Dass Sokrates anders als beim Schönen bei dem Besitz von Gütern (ta agatha) keine Schwierigkeiten hat, dürfte daraus beruhen, dass er unter Gütern all das versteht, was man an Leib und Seele für das gute Leben braucht. Dass Diotima ihm diese plakative Antwort einfach abnimmt, ohne dieser simplen Bestimmung des Glücks weiter nachzugehen, könnte zunächst verwundern. So fragt sich, ob die Ersetzung von 2 Vgl. das Ausschlussverfahren eines Strebens nach Schlechtem in Men. 77b–78b1. 3 Ähnlich Sier 1997, 3 f. 4 Sokrates wird hier in ähnlicher Weise als noch junger Schüler der Diotima vorgeführt wie im Parmenides, wo ihm als ganz jungem Mann der alte Parmenides die Problematik der Ideenannahme vor Augen führt (vgl. Sier 1997, 11 f.).
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„schön“ durch „gut“ nur der psychologischen Hilfestellung dient, oder ob eine sachliche Unterscheidung intendiert ist, wie die Beschränkung auf Nützliches anzuzeigen scheint. Da das Gute und das Schöne bisher aber zumeist paarweise aufgeführt wurden (vgl. 195e6 f.; 201c1–5; 201e5–7; 202b2–5; d1–5; 203d4 f; 204b2; c4 f) und auch die eudaimonia der Götter kennzeichnen (202c–d), wäre eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen dem Guten und dem Schönen ein Novum.5 Wie es um dieses Novum steht, wird erst später deutlich. Zunächst wendet sich Diotima der Frage zu, warum nicht alle Menschen als Liebende bezeichnet werden, wenn sie doch alle dasselbe lieben (205a9–b2). Dazu führt sie aus, dass „Eros“ im allgemeinen Sprachgebrauch eine vergleichbare Verengung erfahren hat wie das „Herstellen“ (poiēsis): Obwohl eigentlich jedes Herstellen von etwas, das es zuvor nicht gab, eine poiēsis ist, bezeichnet man nicht jede derartige Kunst, sondern nur die Dichtkunst als „Poetik“.6 Entsprechend stellt im Prinzip für jeden Menschen die ihm eigene Form des Begehrens die höchste Form von „Eros“ dar, gleich ob es dem Reichtum, sportlicher Betätigung oder auch der Philosophie gilt (205d). Dennoch hat sich eine Beschränkung von Liebe (erōs), lieben (eran) und Liebhaber (erastēs) auf das sexuelle Begehren durchgesetzt. Diesem verengten Begriff von Eros stellt Diotima nun ihren eigenen gegenüber (205e1: ho emos logos): Dem Eros geht es weder um Halbes noch um Ganzes,7 sondern um das für den Menschen Gute. Denn auch das Eigene lieben die Menschen nur dann, wenn es sich um Gutes handelt, wie sich daraus schließen lässt, dass sie selbst ihre eigenen Gliedmaßen abtrennen lassen, wenn diese schlecht sind. Von Liebe zum Eigenen (oikeion) kann folglich nur bei Gutem die Rede sein, während alles Schlechte „fremd“ (allotrion) ist. Somit ist nicht nur die Verengung des Eros auf sexuelles Begehren abgewiesen, sondern auch festgelegt, dass er dem jeweils eigenen Guten gilt.8 Mit dieser Klarstellung der angemessenen Bedeutung des Eros als Begehren nach dem eigenen Guten scheint nun aber der Sache nach zunächst noch nicht viel gewonnen. Denn eine Erklärung, was das „eigene“ Gute ist, und in welcher Weise man 5 Da sich bei Platon auf jeder „Liste“ von Ideen das Schöne und das Gute finden, ohne eine nähere Erklärung ihrer Beziehung zu einander, muss hier der Hinweis genügen, dass die Doppeldeutigkeit des kalon als des ästhetisch Schönen und des moralisch besonders Guten, Noblen immer mitschwingt. Dies gilt auch für das Symposion (vgl. 178d; 179c; 181a et pass., vgl. dazu Ferrari 1992, 252 f.). So kontrastiert Diotima 204a5 den sich seiner Unwissenheit Bewussten mit dem kalos k’agathos. Zur Frage des Unterschiedes zwischen Gut und Schön vgl. die Unterscheidung zwischen Ziel (das Gute) und Objekt (das Schöne) bei Sier 1997, 96–124; 200 f., sowie die Diskussionen bei Richardson Lear 2006, 97–105 und Sheffield 2002, 76–83. Für eine angemessene Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur, vor allem mit Siers enzyklopädischen Kommentar fehlt hier der Raum. 6 Das Verb poiein bezeichnet jede Art von Tun, Machen im Sinn von Herstellen. Die Beschränkung der Nomina poiēsis und poiētēs auf Dichtkunst und Dichter ist jedoch schon früh erfolgt. 7 Die Anspielung auf die Rede des Aristophanes muss sehr allgemein bleiben, weil Diotima diese ja nicht gehört hat. 8 Vgl. dazu Rowe 1998a, 244–246.
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es in Besitz nimmt, fehlt noch. Das einzig Neue liegt in der Betonung, dass dieser Besitz „für immer“ sein soll (206a9–12: aei einai). Um die Erklärung dieses „für immer“ geht es in den weiteren Ausführungen, die zugleich eine Aufklärung des intendierten Unterschiedes zwischen gut und schön enthalten.
9.3 Das Gebären im Schönen als Unsterblichkeit (206b1–207a4) Diotimas nächste Frage, in welcher Art von Tätigkeit sich die Liebe zum Guten manifestiert, kann nur dann überraschen, wenn man sich nicht an die Voraussetzung erinnert, dass der Eros als ein Begehren nicht dem gilt, was man schon hat, sondern stets auf den Ausgleich für einen Mangel abzielt, dem das unermüdliche Bemühen des dämonischen Zwischenwesens gilt (203b–e). Überraschend ist vielmehr die Antwort, diese Tätigkeit bestehe im „Gebären im Schönen (tokos en kalō)“, sowohl den Körper wie auch die Seele betreffend (206b7 f.).9 Jedem Leser dürfte diese unvermittelte Festlegung zunächst ebenso rätselhaft erscheinen wie Sokrates, der meint, zu ihrem Verständnis bedürfe es nachgerade der Sehergabe. Zur Lösung des Rätsels holt Diotima denn auch weit aus. Zur Geburt kommt es, weil alle Menschen an Leib und Seele schwanger sind, und zur Geburt gehört es, dass sie nur „im Schönen“ stattfinden kann. Mit der Entschlüsselung der Redeweise, in der sich Zeugung, Schwangerschaft und Geburt im Schönen vermischen, die zugleich die Unsterblichkeit des Sterblichen erklären soll, tut man sich freilich schwer, weil Platons verschlungene Metaphorik sich dagegen offensichtlich bewusst sperrt. Soviel lässt sich jedenfalls im Voraus behaupten: Mit Schwangerschaft und Geburt ist ein gewisser Schaffensdrang10 gemeint, welcher zugleich Schönheit voraussetzt und eine Art von Unsterblichkeit vermittelt. Dass eben dies der Sinn der Ausführungen über das Gebären im Schönen ist, wird freilich erst aus der Retrospektive deutlich. Die einzelnen Schritte in der weiteren Argumentation, wenn man sie angesichts ihres eher assoziativen als argumentativen Charakters so nennen kann, sind folgende (206c5–e2): (1) Zunächst geht es um das Gebären im wörtlichen Sinn durch die Vereinigung von Mann und Frau. Dafür ist Schönheit die wesentliche Voraussetzung. (2) Schwangerschaft (kyēsis) und Zeugung (gennēsis) sind etwas Göttliches, denn sie gewährleisten die Unsterblichkeit sterblicher Lebewesen. 9 Tokos bezeichnet sowohl die Tätigkeit des Gebärens wie auch das Geborene (vgl. Rep. VI 507a: der Abkömmling des Guten; Tht. 161a: der Abkömmling der sokratischen Hebammenkunst). 10 Da Sokrates allen Menschen eine Schwangerschaft zuspricht, ist an eine Übersetzung mit „Fruchtbarkeit“ zu denken. Wenn es um seelische Erzeugnisse geht, empfiehlt sich „Kreativität“. Deren Bestimmung als Ausgleich für einen Mangel ist zugleich eine Korrektur von Agathons Darstellung, wonach die Kreativität eine Art von Überschuss und Überf luss an Schönem und Gutem bedeutet (196e).
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(3) In Disharmonie kann nichts entstehen; für alles Göttliche ist Hässliches disharmonisch, Schönes harmonisch. (4) Die Schönheit (Kallonē) ist daher die über die Geburt waltende Schicksalsgöttin (Moira kai Eileithyia).11 Da Zeugung, Schwangerschaft und Geburt so eng ineinander verwoben sind, bereitet eine Präzisierung der Funktion des Schönen Schwierigkeiten. Bei der Vereinigung von Mann und Frau würde man erwarten, dass die Schönheit sich auf die Partner bezieht. Dagegen spricht aber die sehr plastische Schilderung, wie sich das ‚Trächtige‘ (to kyoun) beim Nahen von Schönem von Freude ergriffen hinschmilzt, gebiert und so etwas erzeugt. Auch das Hässliche scheint eher die Geburt als die Zeugung zu behindern. Zwar kann die Reaktion des traurigen Sichverschließens und Abwendens auf beide Vorgänge zutreffen, die Rede von einem „Schwertragen“ an der Leibesfrucht (kyēma) und der „Befreiung von schweren Wehen“ (206e1: ōdines) bezieht sich jedoch eher auf die Geburt als auf die Zeugung.12 Warum Platon an einer so engen Verbindung von Zeugung (gennēsis) und Geburt (tokos) gelegen ist, macht die Zusammenfassung deutlich, weil sie die allem Sterblichen mögliche Unsterblichkeit als ein „Erzeugen“ begründet: Das Erzeugen als solches ist als „fortwährendes Werden“ (aeigenes) und „Unsterbliches“ (athanaton) bei Sterblichem zu verstehen (206e7–207a4). Eine zeitliche Trennung von Zeugung und Geburt, ebenso wie auch die Unterscheidung der weiblichen und männlichen Funktion, ist nun nur bei dem physischen Akt des Hervorbringens von Nachkommen gegeben. Daher spricht Platon auch so, als gebe es eine männliche Form von Schwangerschaft13 und hält Zeugung, Schwangerschaft und Geburt als Ursachen des Werdens nah beieinander. Bei anderen Akten kreativen Schaffens bestehen keine derartigen Unterschiede; daher gilt das eigentliche Augenmerk der Geburt als „Erzeugung“. Damit ist aber die Rolle des Schönen noch nicht geklärt, zumal ausdrücklich betont wird, dass der Eros nicht dem Schönen gilt, sondern dem (eigenen) Guten, welches für den Menschen in der Erzeugung und in der dadurch vermittelten Unsterblichkeit besteht (206e2–207a4). Diotima behandelt die Mitwirkung des Schönen beim Zeugen/ 11 Die Moiren sind nicht nur Schicksalsmächte, wie die guten oder schlechten Feen in unseren Märchen, sondern auch Schutzgöttinnen der Geburt; zu Eileithyia und den Moiren vgl. Sier 1997, 227 f. Dass kallonē feminin ist, erklärt die Verwendung dieses seltenen Ausdruck zur Personifizierung der Schönheit. 12 Die Schwierigkeit wird zwar gemindert, wenn man wie Schleiermacher und Apelt kyoun mit „zeugungsbereit“ statt mit „schwanger“ übersetzt. Dafür findet sich jedoch sonst keine Parallele. Die Metaphorik erinnert an Sokrates’ Geburtshilfe bei geistig Schwangeren im Theaitet (149a–151d); dort findet sich jedoch keine Vermischung von Zeugung und Geburt; vielmehr ist die geistige Schwangerschaft die Voraussetzung für Sokrates’ Bemühungen als Geburtshelfer. 13 Während to kyoun = das Schwangere neutral abgefasst ist, ist die Bezeichnung ‚hoi enkymones‘ = die Trächtigen (208e2) eindeutig männlich. Zur „Kontaminierung“ von Zeugung, Schwangerschaft und Geburt vgl. Sier 1997, 109–112.
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Gebären so, als sei sie eine allen Menschen vertraute Erfahrungstatsache. Wenn gleichwohl unklar bleibt, in welcher Weise das Schöne zur Erzeugung beiträgt, so dürfte das wiederum darauf beruhen, dass hier ein Modell für kreative Akte aller Arten geliefert werden soll. Dass das Schöne jedoch mehr als nur eine notwendige Bedingung kreativer Tätigkeit ist, legt die genannte Funktion als „Geburtshelferin und Schicksalsgöttin der Geburt“ nah. Wenn das Schöne eine Art Inspirationsquelle für alles Erzeugen darstellt, ist es in einem höheren Sinn zugleich auch Ziel und Objekt des Eros. Da der „Besitz“ des Guten sich auf das durch Erzeugung Hervorgebrachte beschränkt, also auf das jeweils „Eigene“, liegt es nah, das Schöne als höhere Inspirationsquelle für jede Art von Erzeugung überhaupt und damit als die umfassenderen Kraft zu verstehen, die zur Erzeugung von einzelnem Gutem anregt. Es fehlt nun noch die Erklärung, in wiefern dieses Erzeugen ein Gut „für immer“ sein soll (206a9), denn darauf beruht die Folgerung, dass mit dem Erzeugen und Gebären zugleich eine Art Unsterblichkeit im Spiel ist. Der zunächst ganz unvermittelt eingeführte Gedanke, es gebe ein göttliches, unsterbliches Element bei sterblichen Lebewesen (206c8: theion pragma […] athanaton), wird damit begründet, dass die Zeugung ein „Immerwerden“ darstellt (206e8: aeigenes). Nun fragt sich, ob hier leichtfertig der Schritt vom Wunsch, immer etwas Gutes hervorzubringen, zu dem Wunsch getan wird, dieses Gute möge für immer sein. Dass es sich um die Ausnutzung einer bloßen Äquivokation handelt, bestreitet Diotima freilich ausdrücklich. Denn sie beruft sich für die Notwendigkeit des Begehrens nach Unsterblichkeit auf die früher getroffene Übereinstimmung, darüber, dass der Eros ‚immer’ dem eigenen Guten gilt (207a1–4). Der Wunsch nach Unsterblichkeit ergibt sich daher als Konsequenz aus diesem Begehren. In der Tat kann sich diese Argumentation auf das Zugeständnis stützen, dass man nicht nur das eigene Gut erstrebt, sondern es sich für immer wünscht (206a3–b12). Nur fehlte dabei die Erklärung, dass „für immer“ im Sinne von „für alle Zeiten auch über den eigenen Tod hinaus“ zu verstehen ist. Als Rechtfertigung dieses kühnen Schritts wäre zu ergänzen, dass alles wirklich Gute, soweit möglich, auch für alle Zeiten Bestand haben soll. Nun gehörte die Zukunftsgerichtetheit des Eros zu den anfangs genannten Bedingungen (S. 142), und daher ist die Gegenfrage angebracht, warum man für das an einem selbst Gute keine ewig fortwährende Existenz erstreben soll, wenn man es nicht nur für ein Augenblicksgut hält.14
14 Zur Frage eines möglichen Fehlschlusses von „für immer Begehren“ zum „Begehren nach Ewigkeit“ vgl. Sier 1997, 106–109. Kurz gefasst: Sieht man das eigene Leben als etwas Gutes an, so liegt kein Fehlschluss darin, dass dieses Begehren dem ewigen Fortleben gelten soll.
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9.4 Die natürliche Unbeständigkeit alles Sterblichen (207a4–208b6) Dieses Textstück wirkt zunächst wie ein Fremdkörper in Diotimas Erörterung des Eros; denn es enthält (1) eine Ausdehnung der durch Nachkommenschaft erzielte Verewigung auf die Tierwelt, ohne sie explizit als ein Begehren nach dem Guten auszuweisen, (2) eine Berufung auf eine Flusslehre, die bei Platon sonst keine Parallele hat, und in der weder vom Eros noch vom Guten oder Schönen die Rede ist. Die Erklärung für die Erneuerungsbedürftigkeit alles Sterblichen dient vielmehr dem Nachweis seiner natürlichen Unbeständigkeit.15 (1) (207a5–d2) Der erste Teil zeigt, dass alle Tiere zu Land und in der Luft von dem Begehren nach einem Fortleben erfasst sind.16 Ihr erotischer Zustand wird geradezu als krankhaft bezeichnet, was das Begehren nach Erzeugung von Nachwuchs und das Bemühen um die Aufzucht der Jungen angeht. Denn für sie nehmen auch die schwächsten unter den Tieren den Kampf mit den stärksten auf und sind bereit zu sterben und Hungers zu leiden, um sie zu ernähren. Dieses Argument soll offensichtlich die Naturgegebenheit dieser Art von Eros erweisen, denn wie Diotima anmerkt, kann sie bei den Tieren, anders als bei den Menschen, nicht auf Berechnung beruhen, d. h. Tiere nehmen solche Mühen nicht mit der Aussicht auf Unsterblichkeit auf sich.17 Dass dies ein besonders wichtiger Punkt ist, wird auch durch Diotimas Erklärung hervorgehoben, Sokrates werde es nie zur Meisterschaft in Sachen Eros bringen, wenn er diesen Grund nicht versteht (207c2–4). Das Neue, was er lernen muss, betrifft aber weniger den Eros als Begehren nach Unsterblichkeit,18 als vielmehr die Allgemeinheit des Naturprinzips, dass nicht nur die Menschen, sondern alle sterblichen Wesen danach streben, „immer“ d. h. unsterblich zu sein (207c8).19 Das „Gesetz der Erhaltung der Art“ beruht demnach auf dem „Gesetz der Erhaltung des Selbst“.20 (2) (207d2–208b6) Die Begründung dafür, dass es um die Beständigkeit von Lebewesen nicht gut bestellt ist, umfasst alle Aspekte des Lebens. Denn sie erklärt nicht allein, 15 Dass dieser Abschnitt eine Art Exkurs ist, wird schon rein äußerlich angezeigt. Denn während Diotima das Bisherige gelehrt hat, „wann immer“ (hopote) die Rede vom Eros war, soll sie das Folgende „einmal“ (pote) vorgetragen haben. Ein markanter Wendepunkt ist damit an dieser Stelle jedoch nicht gegeben (vgl. Sier 1997, 94); sondern ein Ausf lug in die Naturwissenschaft, der an die Rede des Eryximachos erinnert (187a–c). 16 Von Fischen und anderen Wassertieren will Diotima wohl zu Recht nicht sprechen. 17 Das Sterben für einen anderen hatte Phaidros in seiner Rede als ausgezeichnetes Merkmal des Eros angeführt und Alkestis als Beispiel angeführt (179b4–d2). Dass sich die Menschen durch solches Verhalten nicht gegenüber den Tieren auszeichnen, dürfte eine bewusste Korrektur dieser angeblich so raren Bereitschaft der Selbstaufopferung sein. 18 Damit erklärt sich die Abgrenzung des bisher Gelernten vom nun Folgenden in 207a5 f. 19 Vgl. Aristoteles über die Ewigkeit der Spezies De an. II 4, 415a26–b7; GA II 1, 731b24–34. 20 Vgl. Sedley 2009, bes. 156–161: „earned immortality by proxy“ im Unterschied zu „essential immortality“ (wie im Phaidon) und „conferred immortality“ (wie im Timaios).
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dass diese Beständigkeit lediglich auf dem „Werden“ (d3: genesei) beruht, indem an Stelle eines alten Lebewesens ein neues von derselben Art tritt, sondern sie schließt auch die Individuen mit ein. Diese bleiben nur durch ständige Ergänzung von der Jugend bis ins Alter dieselben (d4–6), da sie an Leib und Seele ständige Veränderungen erfahren, so dass man sie nur insofern dieselben nennt, als sie „immer neu“ werden und anderes verlieren.21 Mit dieser herakliteisch anmutenden Flusslehre scheint es Diotima jedoch ganz Ernst zu sein. Denn die Rechtfertigung dieser These fällt ungewöhnlich gründlich aus; sie umfasst (a) physiologische, (b) psychische, sowie (c) epistemische Gegebenheiten. (a) (207d6–e1) Die „ständige Runderneuerung“ beruht auf physiologischen Ersetzungsprozessen, denen Haare, Fleisch, Knochen, Blut und der ganze Körper unterliegen. Ob und welche Vorbilder Platon für diese, wie wir heute wissen, völlig zutreffende physiologische „Ersetzungstheorie“ hatte, ist nicht bekannt. Der ständige Ersatz von Haaren und Fleisch ist eine Erfahrungstatsache; dass dies auch für Knochen und Blut zutrifft, liegt aber nicht eben am Tag, sondern dürfte auf Beobachtungen von Krankheits- und Alterungsprozessen beruhen. Eine vergleichbare, wenn auch weniger radikale, Fluss-Theorie findet sich im physiologischen Teil des Timaios zur Erklärung von Gesundheit und Krankheit an Leib und Seele (Ti. 81e–89d). (b) (207e1–5) Die Behauptung, dass nicht nur sämtliche Affekte, sondern auch die psychischen Eigenschaften einer ständigen Erneuerung bedürfen, wird nicht näher gerechtfertigt. Während es bei Affekten wie Lust, Schmerz oder Furcht leicht einsehbar ist, dass einzelne Episoden nur der Art nach dieselben sind, ist ein ständiger Wechsel von Verhaltensweisen (tropoi), Charaktereigenschaften (ēthē) und Meinungen schwerer nachvollziehbar. Zwar würde man zugeben, dass auch sie einer Auffrischung bedürfen; dass sie aber „niemals dieselben“ bleiben, sondern teils werden, teils vergehen, leuchtet auf den ersten Blick weniger ein, wie wohl auch Diotima weiß, da sie die nachfolgende Ausdehnung der Flusslehre auf den Intellekt als „noch merkwürdiger“ (atopōteron) bezeichnet. (c) (207e5–208a7) Selbst das Wissen betreffend bleiben die Menschen angeblich nicht dieselben, sondern unterliegen Entstehen und Vergehen.22 Da dies nicht eben am Tag liegt, folgt eine – im Verhältnis zu den anderen Fällen ausführliche – Rechtfertigung. Danach beruht die Beständigkeit des Geistes auf Üben (meletan), welches durch Vergessen verlorene Kenntnisse durch neue ersetzt und so die Erinnerung bewahrt. Eben darauf beruhe auch der Eindruck, es handle sich um dieselbe Erkenntnis. Ob man ein durch Vergegenwärtigung restituiertes „Stück Wissen“ als neu bezeichnen soll, mag da21 Das Problem der Identität bei ständigem Austausch wird traditionell mit der Schilderung der Erhaltung von Theseus’ Schiff bei Plutarch Thes. 23, 1 verbunden. 22 Dies widerspricht nur scheinbar Platons Postulat von der Unveränderlichkeit des Wissens, da diese die Gegenstände betrifft, nicht aber den epistemischen Zustand. Ein abgeschwächter Sinn von Wissen liegt hier, pace Sier 1997, 244 f., nicht vor.
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hingestellt bleiben. In jedem Fall ist vorausgesetzt, dass selbst das Wissen ohne eine ständige Erneuerung dahinschwindet. Aus all diesen Fällen zieht Diotima die Schlussfolgerung, dass alles Sterbliche nur durch ständige Erneuerung bewahrt bleibt (208a8–b4). Von einer wirklichen Identität kann nur bei Göttlichem die Rede sein; bei Sterblichem besteht sie nur in der Ersetzung von Altem durch Neues von derselben Art. Dass es seltsam ist, in diesem Fall überhaupt von „Unsterblichkeit des Sterblichen“ zu sprechen, deutet der Text mit dem Verweis an, dass die wahre Unsterblichkeit von anderer Art ist (208b4: allē).23 Denn für das Individuum als solches findet die ständige Ersetzung mit dem Tod ihr Ende. Die Unsterblichkeit besteht daher nur im Weitergeben von etwas Eigenem. Dies betont auch die abschließende Feststellung, alles Sterbliche „ehre“ (208b5: timâ) von Natur aus seine Sprösslinge, weil der betreffende Eros in Wahrheit der eigenen Unsterblichkeit gilt (208b). Diese umfassende „Flusslehre“ ist nicht nur schon an sich erstaunlich, vor allem was die Einbeziehung des Geistes angeht, sondern auch, weil sie eigentlich zur Rechtfertigung des Begehrens nach Unsterblichkeit nichts beiträgt. Denn selbst wenn jedes Lebewesen darauf aus ist, nach dem eigenen Tod einen Nachkömmling seiner selbst als „Stellvertreter“ zu hinterlassen, besteht doch ein wesentlicher Unterschied zwischen dieser „Ersetzung“ und dem ständigen Austausch sämtlicher Bestandteile im Leben. Die meisten dieser Ersetzungen sind uns weder bewusst noch beeinf lussbar; daher sind sie auch nicht Gegenstand irgendeinen eines Begehrens. So fragt man sich, (i) ob es Platon mit dieser provokanten Theorie ernst ist und (ii) was er damit eigentlich beabsichtigt. (i) Dass es sich um eine Theorie Platons handelt, wird oft deswegen bezweifelt, weil er auf die herakliteischen Lehre meist in Verbindung mit der Ko-Präsenz von Gegensätzlichem rekurriert, während von Veränderung, Werden und Vergehen nur selten die Rede ist.24 Zum anderen pf legt man auf die reductio ad absurdum der herakliteischen Flusslehre im Theaitetos (179c–183c) zu verweisen, wonach ein ständiger Fluss der Dinge jedes Reden und Denken über sie unmöglich macht.25 Daher verwerfen Kritiker auch das Zeugnis des Aristoteles über Platons Werdegang: „Von Jugend an war Platon zuerst mit Kratylos und den Lehren der Herakliteer vertraut geworden, wonach alles Wahrnehmbare immer in einem Fluss ist und es kein Wissen von ihm gibt, und das nahm er auch später noch an“ (Metaph. A 6, 987a32–35). Auf eine grundsätzliche Aufarbeitung dieser Problematik ist hier zu verzichten. Es genüge der Hinweis darauf, dass Platon sehr wohl neben der Ko-Präsenz von Gegensätzlichem auch die Veränderlichkeit der Sinnenwelt als einen Grund für ihre 23 Dies ist der einzige Hinweis auf die transzendente Form der Unsterblichkeit in Diotimas Rede. Die überlieferte Lesart ist allerdings nicht unumstritten, vgl. Sier 1997, 247. 24 Vgl. Irwin 1975. 25 Zu dieser reductio vgl. Burnyeat 1990, 42–52.
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Unvollkommenheit ansieht und sie auch aus diesem Grund dem Ewigen, Göttlichen entgegensetzt. So spricht Diotima abschließend dem Schönen selbst sämtliche Beschränkungen von Werden und Vergehen, Zunahme und Abnahme sowie durch Aspektunterschiede ab (Symp. 211a1–5). Die Unterscheidung zwischen Sein und Werden bringt Platon zum ersten Mal in der Interpretation eines Gedichtes des Simonides im Protagoras zur Sprache (Prt. 340b–344e).26 Der grundsätzliche Unterschied zwischen Werden und Sein wird aber vor allem in den Spätschriften Timaios und Philebos hervorgehoben. So trennt Platon in Ti. 27e–28b „was immer ist und kein Werden hat“ von dem, „was wird, aber niemals ist“, und in Phlb. 53c–55a begründet die Zuordnung der Lust zur „Gattung des Werdens“, warum sie als solche nicht das Gute sein kann. In diesem Dialog wird auch deutlich, dass Wissenschaften, die sich mit der Welt von Werden und Vergehen befassen, von minderer Art als diejenigen sind, die das Sein zum Gegenstand haben (58e–59d). Die Widerlegung des Heraklitismus im Theaitet ist zudem kein Grund, Platon jede Art von Flusslehre abzusprechen, denn dort geht es lediglich um ihre Extremform, wonach sich alles ständig in jeder Hinsicht verändert, so dass es keine festen Bezugsgegenstände mehr gibt. Diotimas Theorie von einer ständigen Ersetzung garantiert hingegen die Konstanz von Lebewesen. Es wäre daher verfehlt, ihr nur eine „unorthodoxe Autorität“ von bloß lokaler Bedeutung zuzubilligen. Vielmehr wird hier in konzentrierter Form eine Lehre erläutert, auf die Platon sonst nur in Andeutungen verweist.27 (ii) Wie oben bereits angemerkt, muss die Flusslehre als Begründung dafür, dass der Eros in Wahrheit der Unsterblichkeit des Sterblichen gilt, deswegen als problematisch erscheinen, weil das ständige Werden und Vergehen an Leib und Seele einem gar nicht bewusst und daher auch nicht Gegenstand eines Begehrens sein kann. Das gilt selbst für das geistige Training, denn das Vergessen28 ist ein ebenso unmerklicher Schwund wie der von Blut, Haaren oder von Charaktereigenschaften. Entsprechende Bemühungen haben also nicht explizit den Ersatz für solche Verluste zum Ziel, selbst wann man manchmal von einem „Wiederauffrischen“ von Kenntnissen sprechen mag. Die meisten unserer geistigen Interessen verfolgen wir ohne die Vorstellung, damit den status quo erhalten zu wollen. Das dürfte auch Platon kaum übersehen haben. Daher ist anzunehmen, dass es ihm hier einerseits um die Natürlichkeit dieser bei Tier und Mensch meist unbemerkten Ersetzungs-Vorgänge, andererseits um die grundsätzliche Unbeständigkeit jeder sterblichen Existenz zu tun ist. Es wirft ein bedenkliches Licht auf die 26 Zur Interpretation des Gedichtes vgl. Frede, 1986. 27 Der Vergleich Diotimas mit einem „vollkommenen Sophisten“ in 207c1 dürfte keine Beurteilung ihres Arguments als sophistisch sein, sondern ist als Bezeichnung von Meisterschaft zu verstehen, die auch Platon manchmal verwendet (vgl. Symp. 203d8 für den Eros; Rep. IX 596d für den Erschaffer der Welt. Zur Möglichkeit einer ironisierenden Doppeldeutigkeit vgl. Rowe 1998a, 249–256. 28 Der „unwahrnehmbare Mangel“ in Phlb. 51c5 gilt auch für den Verlust von Wissen und dessen Ausgleich durch Lernen (51e7–b3).
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Bedeutung der Unsterblichkeit durch Ruhm und Gedächtnis, wenn letzteres schon in diesem Leben eine prekäre Angelegenheit ist.
9.5 Die Arten menschlichen Strebens nach Unsterblichkeit (208c2–209e4) Nach dem Exkurs über die natürlichen Grundbedingungen des Begehrens nach Unsterblichkeit wendet sich Diotima wieder den rein menschlichen Bestrebungen zu. Auf den ersten Blick wirkt dieser Abschnitt wie eine Ansammlung von nur lose verbundenen Überlegungen. (1) Zunächst wird das Streben nach Ehre (philotimia) durch tugendhaftes Handeln als Streben nach ewigem Ruhm gedeutet (208c2–e1). (2) Darauf folgt eine Rangordnung alles menschlichen Strebens nach Bewahrung durch Erinnerung, von dem leiblichen durch Kindererzeugung bis hin zu geistigen Produkten von Kunst und anderen hervorragenden Fähigkeiten (208e1–209a9). (3) Daran schließt eine Schilderung des Werdegangs eines jungen Menschen an, der diese verschiedenen Phasen des Erzeugens in Verein mit einem entsprechenden Partner durchmacht (209b9–c7). (4) Den Abschluss macht eine Würdigung der Produkte des Geistes, die vor allem den Werken von Gesetzgebern einen hohen Wert zusprechen (209c7–e4). Als ein roter Faden durch diese unterschiedlichen Überlegungen erweist sich die anfängliche Feststellung, dass das Streben nach Ehre (philotimia)29 als ganz unsinnig erscheinen muss, wenn man es nicht als das Begehren versteht, damit „unsterblichen Ruhm für alle Zeiten zu erwerben.“30 Was diesen Abschnitt zusammenhält ist folglich die Thematik der Selbstverewigung durch dauerhaften Nachruhm. (1) Nachhaltiger Ruhm der eigenen Tugend entpuppt sich hier als das eigentliche Motiv für das Ertragen von Mühen, Gefahren und Tod, und diese Behauptung schließt sogar die sprichwörtlichen Heroen der Selbstaufopferung mit ein, wie Alkestis, die statt Admetos in den Tod ging, Achilleus, der Patroklos in den Tod folgte, oder Kodros, der sagenhafte König Athens, der dies für die Herrschaft seiner Kinder tat. Sie alle, so versichert Diotima, handeln so um der Unsterblichkeit willen, die ihnen der Ruhm ihrer Tugend einträgt, und zwar umso mehr, je tugendhafter sie sind (208c2–e1). Trotz der Versicherung, es gehe hier um Tugend, dürfte es Platon um die Fragwürdigkeit dieses Begehrens gehen. Denn diese Taten werden nicht ihrer selbst bzw. der geliebten Personen willen, sondern des eigenen Ruhmes wegen getan, so dass diese „Tugend“ als bloßes 29 Die von manchen Interpreten angenommene Irrationalität dieser Einstellung beruht nur auf der Voraussetzung, dass man ihre wahre Absicht nicht berücksichtigt (vgl. Sier 1997, 136 f.). 30 Die Übersetzung mit „Ehrgeiz“, „Ehrliebe“, „Ehrsucht“ bringt jeweils irreführende Konnotationen mit sich, weil sie nicht das Streben nach dauerhafter Anerkennung durch hervorragende Leistungen kennzeichnen, wie etwa auch in der Rede des Phaidros (178d–e). Zu einer differenzierten Beurteilung der philotimia vgl. Aristoteles NE II 7, 1107b27–35.
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Mittel zu einem eigensüchtigen Zweck erscheint.31 Diese Konsequenz ergibt sich aus der Klausel „für immer“; denn die Taten selbst sind von kurzer Dauer. Was bleibt, ist daher nur der Nachruhm, dessen Dauerhaftigkeit und Wert wiederum zweifelhaft erscheinen müssen.32 Zwar gehört der ‚unsterbliche Ruhm’ von Homer an zu den Idealen der aristokratischen Lebenshaltung; in welchem Sinn Platon es teilt, muss sich noch zeigen. (2) Die Beurteilung der verschiedenen Weisen sich durch das „Gebären“ an Leib und Seele zu verewigen, ist ziemlich kurz gehalten. Dies gilt insbesondere für die unterste Form des Eros, sich durch die Erzeugung leiblicher Kinder Unsterblichkeit, Erinnerung und das Glück für alle Zeit zu verschaffen, „wie sie meinen“.33 Auch die Produkte der Erzeugung in der Seele, wie sie sich für die Vernunft (phronēsis) und die übrigen Tugenden gebühren, werden nur knapp gekennzeichnet. Dazu gehören die Werke der Dichter sowie von besonders erfinderischen (209a5: heuretikoi) Künstlern, deren Andenken deshalb der Nachwelt erhalten bleibt.34 Den Abschluss machen die besten Kreationen der phronēsis, das Ordnen und Verwalten (diakosmēsis) von Städten und Haushalten im Geist von Gerechtigkeit und Besonnenheit. Hier geht es also nicht um einen Aufstieg, sondern um eine Rangordnung von der Selbstverewigung dienenden „Erzeugnissen“, eine Rangordnung, die Platon als keiner weiteren Rechtfertigung bedürftig ansieht. (3) Eine Art Aufstieg ist dagegen die Schilderung des Werdegangs eines Individuums, welches verschiedene Stufen solchen Erzeugens durchläuft. Diese Vorgangsweise erlaubt es, die Metaphorik vom „Schwangerschaft und Gebären im Schönen“ wieder aufzunehmen und zu konkretisieren. Zugleich erlaubt sie durch eine Beschreibung der unterschiedlichen Bedingungen für solches Gebären die Rolle des Schönen näher zu spezifizieren. Die Suche nach dem Schönen wird hier als Suche nach einer anderen Person präzisiert, die außer durch die Schönheit des Körpers vor allem durch die der Seele anzieht. Das „Gebären“ manifestiert sich in Reden über die Tugend und über die Eigenschaften und Verhaltensweisen, durch die sich ein guter Mensch auszeichnet. Diese geistigen Kinder werden nun nicht nur gemeinsam hervorgebracht, sondern auch aufgezogen und erhalten; als solche sind sie die Grundlage einer beständigen Freundschaft, da sie schönere und unsterblichere Kinder als die leiblichen sind. (4) Aus diesen Ausführungen zieht Diotima den Schluss (209c7–e4), dass jeder, der dazu in der Lage ist, solchen „Kindern“ den Vorzug vor menschlichen Kindern geben 31 Von „wahrer Tugend“ ist erst auf der höchsten Stufe die Rede (212a). Vgl. die Umkehrung des Verhältnis bei Aristoteles: Ehre ist kein letztes Ziel, da man für etwas, nämlich die Tugend geehrt wird, EN I 3, 1095b26–31. 32 So wie die eigene Existenz in diesem Leben steter Ergänzung bedarf, so bedarf auch der Nachruhm steter Auffrischung und der Weitergabe von Generation zu Generation. 33 Vgl. dazu Lg. IV, 721b–d. 34 Obwohl Platon terminologische Festlegungen in der Regel vermeidet, scheint er hier die phronēsis bewusst auf praktische Tätigkeiten zu beschränken (209a3–6). Die scala amoris rekurriert für die höheren Stufen stattdessen auf epistēme (210c6; d7) und mathēma (211c6).
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wird, und verweist dazu auf die Vorbilder von Homer und Hesiod und anderer großer Dichter, denen man ihrer hervorragenden Produkte wegen nacheifert, da sie ihnen zu unsterblichem Ruhm und Angedenken verhelfen. Gleiches gilt für Gesetzgeber wie Lykurg, dessen Kinder, die Gesetze, der Bewahrung Spartas und damit gewissermaßen ganz Griechenlands dienten,35 für Solon in Athen wie auch für andere derartige Männer, sowohl unter den Griechen und den Barbaren, weil sie sich durch viele großartige Werke in jeder Art von Tugend ausgezeichnet haben. Mit dieser Feststellung endet die Rede der Diotima über die Erzeugnisse der phronēsis. Im Unterschied zu den in (1) erwähnten Taten, von denen nur der Nachruhm bleibt, sind es nun die Abkömmlinge selbst, also die hervorragenden Werke, die ihren Schöpfern die Unsterblichkeit sichern, da ihnen „unsterblicher Ruhm und Gedenken“ gelten (209d3–4). Nun ist auch in Hinblick auf die innere Kohärenz dieses ganzen Textabschnitts zu fragen, ob auch für die Werke großer Dichter wie Homer und Hesiod oder großer Gesetzgeber wie Lykurg und Solon36 anzunehmen ist, dass sie auf einem persönlichen Austausch „im Schönen“ beruhen. Diese Annahme wirkt auf den ersten Hinblick eher abwegig. Denn was wusste man über das Leben von Homer und Hesiod, von Lykurg oder Solon? Auch fragt sich, in welchem Sinn Platon, angesichts seiner sonst durchaus kritischen Haltung den Dichtern gegenüber, die er gelegentlich auch den Gesetzgebern gegenüber an den Tag legt, deren Erzeugnisse als Errungenschaften „für immer“ ansieht. Zur beiden Fragen ist zu sagen, dass Diotima hier sowohl etwas nachzuholen wie auch etwas vorzubereiten hat. Das Nachholen gilt der Tatsache, dass zwar von der inspirierenden Wirkung der Schönheit auf die Kreativität die Rede war, die Art der geistigen Zeugung aber nicht weiter spezifiziert worden ist (206b–e). Dies holen die Ausführungen über die Entstehung großer Werke nach und beziehen sie damit in die Erklärung der Unsterblichkeit des Sterblichen mit ein. Denn wenngleich hier die Werke und nicht mehr die Person ihrer Urheber im Zentrum stehen, so geht es doch auch hier um eine „erworbene Unsterblichkeit“. Zwar schätzt Platon andernorts die Gesetzgeber höher ein als die Dichter. Im Phaidros rechnet er aber auch Gesetzgeber wie Solon neben Homer zu den „Logographen“, d. h. zu den Verfassern von Schriften, die noch der (philosophischen) Rechtfertigung bedürfen (278b7–d1). Gesetzgeber stehen also in dieser Hinsicht mit den Dichtern auf derselben Stufe. Der Grund, warum dies auch hier gilt, ist freilich ein anderer als der im Phaidros genannte. Die Erzeugnisse von Dichtern und Gesetzgebern sind langlebige Werke, die ihren Schöpfern zu Recht „ewigen Ruhm“ versprechen. Auch ein ruhmreiches Werk hat freilich nur einen untergeordne35 Die Prominenz von Lykurg dürfte nicht nur seinem quasi-mythischen Status und seiner frühen Lebenszeit geschuldet sein, sondern auch von einem gewissen Lokalpatriotismus zeugen, denn Diotima stammt aus Mantinea, einer Stadt auf der Peloponnes. 36 Im Phaidros werden Lykurg und Solon, zusammen mit dem Perserkönig Dareios, zu denjenigen gerechnet, deren Schriften ihnen Unsterblichkeit zusichern (258c).
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ten Wert, solange man es unter dem Gesichtspunkt betrachtet, „als sei’s ein Stück von mir“. Ob dies für Lykurg, Solon und die großen Dichter gelten soll, lässt Diotima vermutlich bewusst im Ungewissen. Die Ewigkeit alles Vergänglichen ist aber nicht nur als solche eine prekäre Angelegenheit, wie Diotima für Leib und Seele nachgewiesen hat und wohl auch für die Beständigkeit großer Werke und ihrer Wirkung annimmt. Sie ist auch deswegen von zweifelhafter Natur, weil sie der Erhaltung des Selbst gilt, wenn auch in sublimierter Form. Wie ein Blick auf den wahren „Aufstieg zur Idee des Schönen“ zeigt, enthält dieser zwar zum Teil dieselben Stufen wie der Erwerb der sterblichen Unsterblichkeit: physische und geistige Schönheit, Körper und Seele, Persönliches wie Überpersönliches wie Recht und Gesetz. Ein fundamentaler Unterschied zwischen den beiden Arten des Aufstiegs besteht jedoch darin, dass es beim Aufstieg zur Idee des Schönen selbst nicht um die Erhaltung des eigenen Selbst geht, sondern um eine andere Art von Vollkommenheit. Zwar spielt auch hier die Inspiration durch das Schöne die zentrale Rolle. Sie gilt aber nicht der Erhaltung der eigenen Person, in welcher Form auch immer, sondern dem Weg zur höchsten Art menschlicher Erkenntnis. Falls auch sie als eine Art von „erworbener“ Unsterblichkeit zu verstehen ist, so ist sie doch von ganz anderer Art als selbst die durch das Erschaffen großer Werke. Dies für die einzelnen Stufen nachzuweisen und die Art dieser Unsterblichkeit näher zu bestimmen, ist jedoch Sache einer genauen Analyse des scala amoris der Diotima.37
9.6 Schlussbetrachtungen zur sterblichen Unsterblichkeit Die Tatsache, dass in der Rede der Diotima explizit nur von einer diesseitigen Unsterblichkeit die Rede ist, nicht aber von einem Weiterleben nach dem Tod, wird oft als einer der Gründe für eine frühe Datierung des Symposions angeführt. Denn ein solches „Diesseitsevangelium“ scheint zwar zu der agnostischen Haltung zu passen, die Sokrates in der Apologie an den Tag legt (Ap. 40c–41b), nicht aber zur Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, wie sie bereits der Gorgias und der Menon voraussetzen und der Phaidon ausführlich rechtfertigt. Einer Frühdatierung widersprechen aber Dovers überzeugende Argumente für das Jahr 385/4 als terminus post quem.38 Zudem will gerade die Diesseitigkeit des Symposions schlecht zur asketischen Lebenshaltung passen, die im Gorgias und im Phaidon zum Ausdruck kommen, zwei Dialogen, die den Körper als das Gefängnis 37 Weil der scala eine fundamental andere Art von Unsterblichkeit zugrunde liegt, erscheint mir Siers Einteilung des Textes in einen „deskriptiven“ (207a5–209e4) und einen „normativen“ Teil (209e5–212a7) der Anwendung von Diotimas Theorie irreführend (1997, 95). Wie Sier selbst feststellt, geht es vielmehr um zwei verschiedene Arten des Eros zum Schönen: der eine gewährleistet nur eine vermeintliche Selbstverewigung, der andere dagegen die Selbstvervollkommnung durch wahre Erkenntnis. 38 Vgl. Dover 1965.
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oder als das Grab der Seele bezeichnen. Hingegen passt das Symposion weit besser zu dem viel späteren Phaidros. Denn nicht nur geht es in diesem Dialog gleichfalls um die Natur des Eros, und Phaidros selbst spielt bei dieser Themenstellung wiederum eine zentrale Rolle, sondern die Inspiration durch die Schönheit, und zwar auch durch die körperliche Schönheit, ist ein beiden Dialogen gemeinsames Element. Eine spätere Datierung kann sich auch auf den Aufstieg zur Idee des Schönen selbst stützen, eine Vorstellung, die zudem ihre Parallele im Aufstieg aus der Höhle in der Politeia hat, der mit der „Sicht der Idee des Guten“ seinen Abschluss findet.39 Die Rechtfertigung einer späteren Datierung des Symposions erklärt jedoch noch nicht Platons Interesse an einer „diesseitigen Unsterblichkeit“. Es wäre zwar sicher eine falsche Unterstellung, er führe hier nur einen neuen Namen für ein altes Phänomen ein, nämlich den der „Unsterblichkeit des Sterblichen“ für die Verbesserungsbedürftigkeit und -fähigkeit des Menschen. Es geht hier nämlich nicht allein um die Perfektionierung des Menschen, sondern um die Möglichkeit einer persönlichen Unsterblichkeit. Dieser Gesichtspunkt ist nicht Teil der Konzeption der transzendenten Unsterblichkeit der Seele, wie sie etwa der Phaidon vertritt. Denn mit Seelenwanderung und Wiedergeburt verbindet Platon keine Vorstellung von einer Bewahrung der Persönlichkeit des Individuums. Die Wiedererinnerung bezieht sich nicht auf früher Erlebtes, sondern auf unpersönliche Wissensinhalte. Wenn Platon im Timaios die Unsterblichkeit der Seele auf den Geist beschränkt und die anderen Teile sterblich sein lässt, so zieht er damit die Konsequenz aus zuvor Unausgesprochenem. Wie sich gezeigt hat, ist das „Diesseitsevangelium“ einer persönlichen Unsterblichkeit keine reine Freudenbotschaft, wenn die Unsterblichkeit in der Erhaltung des Selbst besteht. Denn im Leben erweist sie sich als eine prekäre Angelegenheit, da sie ständiger Fürsorge bedarf, und über das Leben hinaus hängt das Schicksal der eigenen Erzeugnisse von der Nachwelt ab. So dürfte Platon nicht nur der Bewahrung des eigenen Selbst durch Kinder, durch „immerwährenden Ruhm“, sondern auch durch die Nachwirkung großer Werke mit größerer Skepsis gegenüber stehen, als der Text verrät. Mit einer persönlichen Unsterblichkeit dieser Art, so lässt sich schließen, ist es nicht weit her. Denn anders als dem Eros, dem mächtigen Dämon, sind den Menschen enge Grenzen gesetzt, nicht nur das eigene Leben, sondern auch das persönliche Weiterleben in körperlicher und geistiger Nachkommenschaft betreffend. Daher ist es eines von Platons Anliegen, die persönliche Unsterblichkeit als etwas grundsätzlich Zweitrangiges zu charakterisieren, das er freilich für ein verständliches menschliches Anliegen ansieht. Denn auch in der Politeia gehören postume öffentliche Ehrungen zu den Belohnungen der Philosophenkönige. Zwar ist ihren Seelen selbst ein Weiterleben auf den Inseln der Seligen beschieden, aber auch die Spur ihrer Erdentage soll nicht ganz vergehen: „Die Stadt wird ihnen öffentliche Denkmäler und Opferungen 39 Die Nähe zur Politeia diskutiert ausführlicher Sier 1997, 149–153.
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errichten, falls die Pythia zustimmt, als Dämonen und andernfalls als glücklichen und göttlichen Menschen“ (VII 540b7–c2). Damit stellt sich nun als Letztes die Frage nach der Verträglichkeit der „verdienten“ Unsterblichkeit mit der „essentiellen“ Unsterblichkeit der Seele. Die Erklärung, dass Diotima die platonischen Unsterblichkeitsbeweise nicht kennt und es ihr frei steht, einer anderen Art von Unsterblichkeit das Wort zu reden, ist deswegen unbefriedigend, weil Platon der Autor des ganzen Werkes ist. Auf eine eingehende Betrachtung über das Verhältnis der beiden Arten von Unsterblichkeit ist hier zu verzichten; es sei jedoch festgehalten, dass der Nachweis der Unbeständigkeit seelischer Eigenschaften, einschließlich des Intellektes, und der Notwendigkeit der Auffrischung des Wissens in diesem Leben eine transzendente Unsterblichkeit der Seele nicht notwendigerweise ausschließt.40 Vielmehr spricht die Tatsache, dass die jeweils erworbene Qualität der Seele ihre Auswirkungen auf das Schicksal der Seele nach dem Tod hat, dafür dass Platon beide Gesichtspunkte für durchaus vereinbar hält, obwohl er die Selbstvervollkommnung der Seele in diesem Leben sonst nicht unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass sie den Menschen eine diesseitige Unsterblichkeit sichern kann.41 Die Frage, inwiefern sich der Aufstieg zur höchsten Stufe der Erkenntnis, zur Idee des Schönen selbst, in dieses Bild einfügen lässt, ob damit eine Stufe erreicht wird, die über die „sterbliche Unsterblichkeit“ hinausführt, oder ob sie die höchste Stufe dieser sterblichen Unsterblichkeit darstellt,42 kann an dieser Stelle jedoch ebenso wenig beantwortet werden, wie die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Guten und dem Schönen, jenseits des „Gebärens des Guten im Schönen“.
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– 1993: Out of the Cave: What Socrates Learned from Diotima, in R. Rosen/J. Farrell (Hg.): Nomodeitktes, Festschrift for Martin Ostwald. Ann Arbor, 397–422. Irwin, T. 1977: Plato’s Heracliteanism, in: Philosophical Quarterly 27, 1–13. Lesher, J./Nails, D./Sheffield, F. (Hg.) 2006: Plato’s Symposium. Issues in Interpretation and Reception, Cambridge, Mass. Ludwig, P. 2002: Eros and Polis, Cambridge. O’Brien, M. 1984: ‘Becoming Immortal’ in Plato’s Symposium, in D. G. Gerber (Hg.): Greek Poetry and Philosophy, Chico, Calif. Price, A. 1989: Love and Friedship in Plato and Aristotle, Oxford. Richardson Lear, G. 2006: Permanent Beauty and Becoming Happy in Plato’s Symposium, in J. Lesher/D. Nails/F. Sheffield (Hg.): Plato’s Symposium. Issues in Interpretation and Reception, Cambridge, Mass., 96–123. Robin, L. 1908: Théorie Platonicienne de l’amour, Paris. Rowe, C. 1998: Plato’s Symposium, ed. with intr., trsl. and commentary, Warminster. – 1998a: Socrates and Diotima: Eros, Immortality, and Creativity, in: Proceedings of the Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 14, 239–259. Sedley, D. 2009: Three kinds of Platonic immortality, in: D. Frede/B. Reis (Hg.): Body and Soul in Ancient Philosophy, Berlin, 145–161. Sheffield, F. 2006: Plato’s Symposium. The Ethics of Desire, Oxford. Sier, K. 1997: Die Rede der Diotima. Untersuchungen zum platonischen Symposion, Leipzig.
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Plato on Begetting in Beauty (209e5–212c3)
My aim in this paper in to understand a famous idea that Plato puts into the mouth of Diotima in the Symposium: the idea is that the work or function of love is begetting in beauty (Symp. 206b1–8). To understand it, however, I think we have to range quite widely, looking not just at other dialogues, such as the Republic and Phaedrus, but also at how beauty is related to goodness, and how politics enters into love.
10.1 The Distinctive Features of Goodness and Beauty Beauty possesses a feature, we learn in Republic VI, that serves at once to distinguish it from goodness and to group it together with certain other forms: Isn’t it also clear that many people would choose things that are reputed (ta dokounta) to be just or beautiful, even if they are not, and to act, acquire things, and form beliefs accordingly. Yet no one is satisfied to acquire things that are reputed to be good. On the contrary, everyone seeks the things that are good. In this area, everyone disdains mere reputation […] That, then, is what every soul pursues, and for its sake does everything. It has a hunch that the good is something, but it is puzzled and cannot adequately grasp just what it is or acquire the sort of stable belief about it that it has about other things, and so it misses the benefit, if any, that even those other things may give. Are we to accept that even the best people in the city, to whom we entrust everything, must remain thus in the dark about something of this kind and importance? […] Anyway, I imagine that just and beautiful things won’t have acquired much of a guardian in someone who does not even know why they are good. And I
C. D. C. R have a hunch that no one will have adequate knowledge of them until he knows this. (505d5–506a7)
People know that they want what is good, not what is merely believed or reputed to be so, but they cannot readily distinguish the advantages of being beautiful from those of seeming beautiful, or those of justice from those of having a just reputation. That, indeed, is the nub of the challenge Glaucon and Adeimatus pose in Republic II. Show us, they say to Socrates, that being just pays higher eudaimonistic benefits than does having a reputation for justice while really being unjust.1 Beauty and justice are, as I shall put it, reputation-reality indifferent in a way that goodness – and it alone, it seems – is not. In Diotima’s elenchus-like examination of Socrates in the Symposium, it is this contrast that lies behind the following exchange: If someone were to ask us, ,Why, Socrates and Diotima, is love of beautiful things?‘ – or to put it more clearly, the person who loves, loves beautiful things: why does he love them?“ I said, „To possess them for himself.“ „But,“ she said, „your answer still begs a question of the following sort: what will the person who possesses beautiful things gets by possessing them?“ I said that I didn’t find this question at all easy to answer. „Well,“ she said, „answer as if someone changed things round, and questioned you using the good instead of the beautiful: ,Come on, Socrates: the person who loves, loves good things: why does he love them?‘“ „To possess them for himself,“ I said. „,And what will the person who possesses good things get by possessing them?‘“ „That,“ I said, „I’m better placed to answer: he’ll be happy.“ „Yes,“ she said, „because those who are happy are happy by virtue of possessing good things, and one no longer needs to go on to ask ‘And what reason does the person who wishes to be happy have for wishing it?’ Your answer seems final.“ „True,“ I said. „This wish, then, this love – do you think it common to all human beings, and that everyone wishes always to possess good things, or what’s your view?“ „The same as yours,“ I replied, „that it’s common to everyone.“ (204d4–205a8)2 The reputation-reality indifference of beauty, but not of goodness explains why it is easier to answer Diotima’s question about why we love or desire good things than about why we love or desire beautiful ones. The specification of a desire is incomplete, however, when all we know is its object, x. We also need to know what it motivates us to do as regards x. What we desire, as contemporary philosophers put it, is not x, but to φ or verb x – not food, but to eat food; not a book, but to read a book; not a form, but to contemplate a form. Though they don’t single out this feature of desire for explicit 1 See Reeve 2008, 69–103. 2 Translations of the Symposium are based on Rowe 1998.
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mention, Socrates and Diotima are sensitive to it. What we desire are not good things, they agree, but to possess them. The question immediately arises, then, of why we desire to do that to them. Once we are reminded that possessing them will make us happy, we have what we need – a final, why-question-settling explanation. But when happiness enters the picture, there is important conceptual back-f low: „For a single swallow does not make a spring, nor does a single day; in the same way, neither does a single day, or a short time, make a man blessed and happy“ (Aristotle, EN I 7 1098a18–20). Happiness, in other words, brings in the notion of time. It isn’t clear, to be sure, that the time it brings in must be always; Aristotle’s „complete life“ might do. Nonetheless, always arguably has the greater intuitive appeal. That point aside, the general direction of Diotima’s thought is hard to gainsay. Conceptual relationships, especially when obvious to those with even a minimal grasp of the concepts involved, make for easy agreement; but that agreement can also conceal deep disagreement. „Pretty well most people are agreed,“ Aristotle tells us, „about what to call [the topmost of all achievable goods]: both ordinary people and people of quality say ,happiness,‘ and suppose that living well and doing well are the same thing as being happy. But they are in dispute about what happiness actually is“ (EN I 4 1095a17–21). Plato makes essentially the same point. „Whatever name a city applies to it [the good],“ he writes in the Theaetetus, „that surely is what it aims at when it legislates“ (177e4–6). That the good is the aim is a simple conceptual truth – that this (for instance, „what is advantageous to the governing group“) is a name for it (so that what it names is what happiness actually consists in) is not. In fact, as Socrates tells Adeimantus, our grip on what the good actually or substantively is, is notably insecure: „The soul has a hunch that the good is something, but is puzzled and cannot adequately grasp just what it is or acquire the sort of stable belief (pistei monimō(i)) about it that it has about the other things (ta alla), and so it misses the benefit, if any, that even those other things may give“ (Rep. VI 505e1–5). The source and nature of the soul’s puzzlement is revealed by a point made about stable beliefs in the Meno: True beliefs are a very fine thing as long as they stay in their place […] so that they are not worth very much, until someone ties them down by rationally calculating the explanation (aitias logismō(i)). This, my friend Meno, is recollection (anamnēsis), as we have agreed in what we said before. When they are tied down, they first of all become pieces of knowledge, and then stable (monimoi). (97e5–98a7; cf. Symp. 202a5–9) Our grasp of the substantive good is unstable, we may infer, because of the difficulty involved in calculating its explanation. This is what Socrates has just been saying to Adeimantus. The masses believe that pleasure is the good, he says, but admit that there
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are bad pleasures. The more refined believe the good is knowledge, but identify the knowledge in question as knowledge of the good. With one explanation ending in circularity, the other in contradiction, puzzlement reigns and security eludes us (Rep. VI 505b5–d3). Although goodness may not be reputation-reality indifferent, it does have a characteristic feature of its own: it is explanation-elusive. Moreover, we know why it has this feature. It is a first principle – indeed the first principle of everything (Rep. VII 532a5–533d1). Hence the question of its explanation – which is an intensified version of a problem infecting all first principles – is sure to be particularly vexed (Rep. VI 510b2– d3). The things contrasted with the good, as ones we do have secure beliefs about, are referred to simply as ta alla – the other things (Rep. VI 505e4). The immediate reference is to justice and beauty, which were under discussion a few lines before. Socrates seems to imply that we actually have secure beliefs about these. But secure beliefs – beliefs tied down – are items of knowledge and Socrates is explicit that we cannot have knowledge about justice or beauty until we first have it about the good itself (Rep. VI 506a4–7, VII 534b8–c6). Hence his original thought must be something closer to this: There is no problem about how to tie down our beliefs about beauty, justice, and other such subordinate good things. All we need do is relate them appropriately to the good. But there is such a problem about how to do the same for the good itself, since it is explanationelusive. Though beauty shares the feature of being reputation-reality indifferent with other forms, it has a special place both among forms in general and among the images of them in the world around us that our senses reveal: In the earthly likenesses of justice and moderation and other things that are valuable to souls, there is no light (phengos), but through dulled organs (amudrōn organōn) just a few approach their images and with difficulty observe (theōntai) the nature (genos) of what is imaged in them. Beauty, however, could be seen blazing out (lampron) at that time when our souls, along with a happy company, saw a blessed sight before them […] And now that we have come to earth we have, through the clearest of our senses, found it gleaming (stilbon) most clearly. For of all the sense perceptions coming to us through the body, sight is the sharpest (oxutatē). We do not see wisdom (phronēsis). The feelings of love it would cause in us would be terrible, if it allowed some clear image of it itself to reach our sight, and so too with the other lovable objects (talla hosa erasta). As it is, though, beauty alone has acquired this privilege, of being most clearly visible and most lovable (ekphanestaton kai erasmiōtaton). (Phdr. 250b1–e1) The class of things valuable to souls, which includes the forms of justice, moderation, wisdom, and also beauty, is the same, we shall see later, as the class of lovable or desirable
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things. The „earthly likenesses“ of some of these, namely, justice and moderation, contain no light, and so the organs that perceive them are dulled.3 At first, wisdom seems to differ from them in having no earthly likenesses, so that our eyes are literally blind to it („we do not see wisdom“). The next clause, however, suggests that its problem is in fact the same as the others – it lacks the inner light that would allow „some clear image of it itself to reach our sight.“ It is this that beauty alone has the privilege of allowing. Since the form of beauty has this feature at least in part, it seems, because it can be seen blazing out in a way that other forms cannot, I shall say that beauty’s preeminent visibility is due to its incandescence. The conceptual typology of values (or of the forms corresponding thereto) we have uncovered may be summarized as follows: EXPLANATIONELUSIVE
REPUTATIONREALITY INDIFFERENT
INCANDESCENT
GOODNESS
Yes
No
No
BEAUTY
No
Yes
Yes
JUSTICE, MODERATION, WISDOM
No
Yes
No
Our task now is to explore it and its further consequences more fully. It is already clear, however, that the form of beauty and that of goodness have features that distinguish them from one another and from all other forms.
10.2 Love as Begetting in Beauty That the class of things valuable to souls is identical, as I claimed we would see, to that of lovable or desirable ones is shown by the fact that in the Symposium Diotima relies on their identity to solve a problem. If, as Socrates has agreed, the wish or love of good things is common to all human beings, why don’t we say that everyone is in love, she asks, but rather „that some people are in love, others not?“ (205a5–b2). The answer she proposes is that just as poetry has usurped a name, poiēsis, that applies to the „productive 3 Hackforth 1952, 94, follows Hermeias in claiming that the „,dull organs‘ are in fact the inadequate reasoning powers of man.“ But this seems mistaken. The fact that these organs are dulled specifically by the absence of light suggests that they must be the eyes, which are „dimmed (ambluōttousi) and seem nearly blind“ when „the light of day (to hēmerinon phōs)“ gives way to the dimmer „lights of night (nukterina),“ i. e. the stars (Rep. VI 508c4–7). This is made certain by the generalizing claim made at d5–6: „if it [wisdom] allowed some clear image of itself to reach our sight, and so too with the other lovable objects.“
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activities that belong to all the different kinds of crafts“ (205b8–c9), so too a part of love has by synecdoche usurped a name that properly belongs to the whole: The whole of desire for good things and for happiness is ,the supreme and treacherous love (erōs)‘ to be found in everyone; but those who direct themselves to it in all sorts of other ways, in making money, or in their love of physical training, or in philosophy, are neither said to be ,in love‘ nor to be ,lovers,‘ while those who proceed by giving themselves to just one kind of love have the name of the whole, ,love‘ – and they’re the ones who are ,in love‘ and ,lovers.‘ (205d1–7) Properly or non-figuratively speaking, love is the desire for all the good things in the possession of which happiness consists. So they are the ones valuable to a soul. Only narrow interpersonal erotic love is the sort that is said to makes us lovers, or that we are said to be in, but it is the broader sort that is the real natural kind. Diotima’s own account, which we now begin to explore, thus deals with love of the broader sort: There is nothing else that people are in love with except what is good. Or do you think there is?“ „By Zeus, I certainly don’t,“ I replied. „Is it true then to say, without qualification, that people love what is good?“ „Yes,“ I said. „But,“ she said, „oughtn’t we to add that what they love includes their possessing what is good?“ „We ought.“ „And then,“ she said, „not only possessing it, but always possessing it?“ „We must add that too.“ „In that case,“ she said, „we can sum up by saying that love is of permanent possession of what is good.“ „What you say is very true.“ „Given, then, that love is always of this,4 „ she said, „in what way and through what activity would eagerness and effort in those pursuing it be called love? What really is this work (ergon)?“ „If I could, Diotima,“ I said, „I certainly wouldn’t be admiring you for your wisdom, and visiting you to learn just these very things.“ „In that case,“ she said, „I’ll tell you. It’s begetting in beauty (tokos en kalō(i)), in respect both to body and to soul. (Symp. 205e6– 206b1–8) The object of love is clear: it is the permanent possession of good things. What is it, though, that would constitute such possession? What does love actually motivate us to do? The answer specifies what Diotima calls the ergon of love – its work, function, or job in the soul (Rep. I 352e3–4, 353a10–11). That work, she claims, is to (motivate us to) beget in beauty either through our bodies or though our souls. It is what the permanent possession of good things actually consists in. That is why Diotima feels entitled to infer 4 Reading τούτου with Bast for mss τοῦτο.
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that love is „not […] of beauty (ou tou kalou),“ but „of procreation and begetting in beauty (tēs gennēseōs kai tou tokou en tō(i) kalō(i)“ (Symp. 206e3–5). The latter follows from the definition of love by simple substitution. That love is for the permanent possession of good things, we may accept. But why the permanent possession of good things generally should consist in begetting specifically in beauty is difficult to understand. The difficulty is deepened by a passage in the Republic discussing the love of learning: A real lover of learning (philomathēs) strives by nature for what is… He does not linger over each of the many things that are reputed to be, but keeps on going, without dulling (amblunoito) his erotic passion (erōtos) or desisting from it, until he grasps (hapsasthai) what the nature of each thing itself is with the part of his soul that is fitted to grasp a thing of that sort because of its kinship with it. Once he has drawn near to it, has intercourse with (migeis) what really is, and has begotten (gennēsas) understanding and truth, he knows, truly lives, is nourished, and – at that point, but not before – is relieved from his labor pains (ōdinos). (Rep. VI 490a9–b7) Knowledge is achieved when the form of the good, „the most important object of learning (megiston mathēma),“ is finally grasped (Rep. VI 505a2). So the love of it, too, consists in begetting. But begetting in what? The answer should be, in beauty. But why should the love of learning, and so of its object, the form of the good, consist in that? Why doesn’t it consist, as we might expect, in giving birth in goodness? One important feature of the conceptual typology we uncovered earlier is that it seems designed to answer this question. Some good things – namely, beautiful ones – are incandescent; we can just see that they are good or valuable. So they can provide a reliable starting point in valuing – a path, perhaps, to the explanation-elusive good itself.5 For beautiful things to motivate us to do anything to get them, however, once we do see their goodness, their incandescence is not enough – in addition, we must lack them: „Then see,“ said Socrates, „whether instead of your ,probably‘ it isn’t necessarily like this: that what desires desires what it lacks, or, if it doesn’t lack, it doesn’t desire it? To me this looks amazingly necessary, Agathon: how about you?“ „It looks so to me too,“ he said. (Symp. 200a9–b2) Generally speaking, indeed, desires are simply defined as painful states of emptiness or inanition either of the body or of the soul, the appropriate filling up of which is pleasure (Rep. IX 585a8–b4, 585d11, Phlb. 31e8). The question naturally arises, therefore, of what 5 See Phlb. 65a1–2: „If we cannot capture the good in one form, we will have to take hold of in a conjunction of three: beauty, proportion (summetria(i)), and truth.“
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painful lack makes us love or desire beauty. In the next part of her account, Diotima provides a complex answer: All human beings (pantes anthrōpoi), Socrates, are pregnant both in respect to body and to soul, and when we come to be of the right age, we naturally desire to beget. We cannot do it in ugliness, but in beauty we can. [a] The intercourse of man and woman is a begetting. And this affair is something divine: living creatures, despite their mortality, contain this immortal thing, pregnancy and procreation. But it is impossible for this to take place in what is discordant. Ugliness, however, is in discord (anarmoston) with everything divine, while beauty is concordant (harmotton). Thus beauty is both Moira and Eileithyia for birth. [b] For these reasons, if ever what is pregnant approaches beauty, it becomes gracious, melts with joy, and begets and procreates; but when it approaches ugliness, it contracts (skuthrōpon), frowning with pain (lupoumenon suspeiratai), turns away (apotrepetai), curls up (aneilletai), and fails to procreate (ou genna(i)), retaining what it has conceived (kuēma), and suffering because of it. That is why what is pregnant and already full to bursting feels the great excitement it does about beauty, because it frees it from great pain. For Socrates,“ she said, „love is not, as you think, of beauty, […] [but] of procreating and begetting in beauty. (Symp. 206c1–e5) Initially, Diotima seems to be attributing both sorts of pregnancy she recognizes to everyone. In developing her views, however, she attributes pregnancy in soul exclusively to males. What she probably means by pantes anthrōpoi, therefore, is not all human beings, but (as is also linguistically possible) all male ones. No wonder, then, that her description of pregnancy and its effects sounds so much like a description of male sexual response. In espousing a view of pregnancy as an exclusively male prerogative, moreover, and so of semen as embryophoric, Diotima is not being eccentric or original. Such views were a commonplace of Greek thinking on reproduction. We find them in Aeschylus’ Eumenides (658–661), for example, in Anaxagoras (Aristotle, Generation of Animals 763b21–23), and later in Diogenes of Apollonia (DK 64A27). Diotima’s version does have the additional peculiarity of correlating the desire for good things, which is a sort of emptiness, with the bursting fullness of pregnancy. But once we keep in mind that what a male is filled with isn’t what he desires, this oddness emerges as merely verbal. A human male, painfully pregnant with embryophoric semen, seeks a female in whom to discharge it. But why must he seek a beautiful one for this purpose? Why won’t an ugly one do? Diotima’s explanation seems to have two quite different strands. The first is a metaphysical or meta-biological theory specifying the condition in the world – harmony between beauty and the divine – that enables begetting to take place. Though this strand is not further discussed in the Symposium, when Diotima extends her account
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to all animals (207c9–d2, below), it becomes reasonably certain that what she has in mind is the reproductive cycle. As regulated by the seasons, this is controlled ultimately by the sun, which „not only gives visible things the power to be seen but also provides for their coming-into-being (genesin), growth, and nourishment“ (Rep. VI 509b1–3; also VIII 546a3–c8). A female must be ovulating, as we would put it, or a male must be pregnant, as Diotima would, if conception is to be possible. When a pregnant male responds with desire to a beautiful female, what he is responding to directly cannot be this underlying harmony, since it is inaccessible to him. This is where the second strand comes in. It is a psychological or epistemological theory specifying the condition in a female – clearly visible, because incandescent, beauty – which draws a pregnant male to her. In our own evolutionary theory of animal reproduction, a bridge between these two sorts of theory is provided by a reliable correlation between (visible) symmetry of face and body and (invisible) reproductive fitness. In Diotima’s theory, a bridge seems unnecessary. This is how her story might go. At the appropriate age, as regulated by the sun and the seasons, a male becomes pregnant with semen. The resulting discomfort makes him desire a female in whom to discharge it. If the female is ugly, he won’t love or desire her: love is of good things and he can just see that she is not something (in the relevant way) good. Failing to desire her, he also fails to get an erection. Witness Diotima’s description: skuthrōpon te kai lupoumenon suspeiratai kai apotrepetai kai aneilletai kai ou genna(i)). The picture is that of a face at once frowning, grimacing, and pulling back. A somewhat inf lammatory translation might be: „it [what is pregnant (to kuoun)] goes limp, wrinkles up as if in pain, pulls back, and shrivels.“6 Without an erection, however, the male can’t ejaculate, and so fails to beget or procreate. On the other hand, when a pregnant male finds a beautiful woman, he desires her as something incandescently good, so that what is pregnant, as Diotima puts it, „rises up in exultation and melts with joy (hileōn te gignetai kai euphrainomenon).“ In other words, ejaculation and begetting occur.
10.3 Love, Immortality, and Persistence Through Becoming We might think that with the account of love as being of the permanent possession of good things, and so of begetting in beauty, we have reached explanatory bedrock, since happiness, which stops all why-questions, simply consists in such possession. But Diotima thinks we must go further: 6 Skuthrōpon means (among other things) „sad looking,“ so, like sad looking vegetables, limp; lupoumenon suspeiratai means „to frown with pain.“
C. D. C. R What do you think, Socrates, is the cause (aition) of this love, and this desire? Don’t you see how terribly all animals are affected whenever they feel the desire to procreate, whether they go on foot or have wings – all of them stricken with the effects of love, first for intercourse with one another, and then also for nurturing their offspring, so that the weakest are prepared to do battle with the strongest on their offspring’s behalf and even to die for them, torturing themselves with hunger so as to rear them, and doing everything else necessary. Human beings,“ she said, „one might suppose, do this as a result of rational calculation (ek logismou); but what cause makes animals be so powerfully affected by love? (207a5–c1).
Though she doesn’t explicitly mention it, we can see the problem that lies behind her question. Love motivates animals – including human ones – to do things that seem positively inconsistent with their own happiness and wellbeing: the Republic refers to „the perplexities and sufferings involved in bringing up children“ (V 465c3). But how can love do that if it is related to happiness in the way Diotima claims? In our theory of reproduction, this problem is addressed, at least in the case of other animals, by appeal to genes and their so-called interests. In Diotima’s, it is answered by a surprisingly innovative re-appeal to the desire that, in her account, is most basic of all – the desire for the permanent possession of good things: Love is […] of procreation and begetting in beauty […] Why, then, is it of procreation? Because procreation is something everlasting and immortal, as far as anything can be for what is mortal; and it is immortality, together with what is good, that must necessarily be desired, according to what has been agreed before – if indeed love is of permanent possession of what is good. (206e2–207a2) This is the basis for the claim that begetting is „something divine“ (206c6), in that it partakes to a degree in the immortality (206c7) that is the mark of divinity. But it isn’t just human begetting that partakes of it: „The same account applies to animals as to human beings“ (207c9–d1). So animals, too, love or desire – at least in the sense of having a conatus toward – permanent possession of good things. Thus far we are squarely in the realm of what is recognizably sexual reproduction, in which two members of a species unite to produce offspring they then rear. Had Diotima known about the phenomenon of asexual reproduction, which requires only one progenitor, she could have stayed in that realm to produce an intermediate case. Instead, she is forced to leave it altogether – or better, to expand it out of all recognition: Mortal nature seeks (zētei) so far as it can to exist forever and to be immortal. And it can achieve it only in this way, through the process of coming-into-
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being (genesei), so that it always leaves behind something else that is new in place of the old, since even during the time in which each living creature is said to be alive and to be the same individual – as for example someone is said to be the same person from when he is a child until he comes to be an old man, and yet, if he’s called the same, that’s despite the fact that he’s never made up of the same things, but is always being renewed and losing what he had before, whether it’s hair, or f lesh, or bones, or blood, in fact the whole body. And don’t suppose that this is just true in the case of the body; in the case of the soul, too, its traits, habits, opinions, desires, pleasures, pains, fears – none of these is ever the same in any individual, but some are coming into existence, others passing away. (207d1–e5) Our traits, habits, opinions and so on, then, are of different sorts over time. But that isn’t the only kind of change to which we are subject: It’s much stranger even than this with the pieces of knowledge (hai epistēmai) we have: not only are some of them coming into existence and others passing away, so that we are never the same even in respect to pieces of knowledge (kata tas epistēmas), but in fact each single piece of knowledge (mia hekastē tōn epistēmōn) is subject to the same process. For what we call ,going over things (meletan)‘ exists because knowledge goes out of us; forgetting is the departure of knowledge, and going over something creates in us again a new memory in place of the one that is leaving us, and so preserves our knowledge in such a way as to make it seem the same. (207e6–208a6) So it isn’t just the sorts of things we know that change over time; even an apparently persistent particular piece of knowledge is in fact a series of different particular pieces of the same sort. And there is nothing peculiar to knowledge in this: In this way everything mortal is preserved, not by always being absolutely the same, as the divine is, but by virtue of the fact that what is departing and decaying with age leaves behind in us something else new, of the same sort that it was. It is by this means, Socrates,“ she said, „that the mortal partakes of immortality, both body and everything else; and what is immortal partakes of it in a different way. (208a6–b4) The account of animal reproduction has now been absorbed, as simply a special case, into a vastly more general theory, which we might call persistence through becoming (PTB). It is courtesy of it that Diotima draws her conclusion: „So don’t be surprised (thaumaze) that everything by nature values (tima(i)) what springs from itself; this eagerness, this love, that attends on every creature is for the sake of immortality“ (208b4–6). In the
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event, her admonition falls on deaf ears: „When I heard what she said,“ Socrates says, „I was surprised (ethaumasa) indeed.“ (208b7). Before turning to what Diotima does to diminish Socrates’ surprise, it is useful to diminish our own by spelling out PTB a little. Suppose that a human being, A, possesses, at time t1, a particular piece of knowledge, k1, of sort Kappa. If k1 is beautiful, x can just see it to be good. So he will want to possess it at t2 as well. To do so he must – perhaps by means of going over it – beget another particular piece, k2, that is also of sort Kappa. What goes for k1, however, goes for A as well. If he is to survive from t1 to t2, a t1-timeslice of the sort of being (namely, a human) he is must beget a t2-time-slice of a being of the same sort. Self-love, then, turns out to be itself a sort of begetting in beauty. (No real surprise there. Just look at the definition of love.) But if the self-love of A really is just love for (unconventional) offspring, for offspring of the same sort as A himself, then A’s love for his (conventional) offspring is much more like A’s love for himself than we thought – the value he places on their survival is much more like the value he places on his own. Diotima’s conclusion is now imaginatively, at least, within reach. We can see how her mind might be working. To diminish Socrates’ surprise, Diotima takes an entirely different tack from ours: If you look at human beings and their love of honor (philotimian), you’d also be surprised at their irrationality (alogias) in relation to what I’ve talked about, unless you keep in mind how terribly they are affected by love of acquiring a name for themselves, and of ‘laying up immortal glory for all time to come,‘ and how for the sake of that they’re ready to run all risks, even more than they are for their children – they’ll spend money, undergo any suffering you like, die for it. Do you think,“ she said, „that Alcestis would have died for Admetus, that Achilles would have added his death to Patroclus’s, or that your Codrus would have died before his time for the sake of his children’s succession to the kingship, unless they thought at the time that there would be an immortal memory of their own courage, the one we now have of them? Far from it,“ she said; „I imagine it’s for the sake of immortal virtue and this sort of glorious reputation that everyone does everything, the more so the better people they are, because they are in love with immortality. Those, then,“ she said, „who are pregnant in their bodies turn their attention more towards women, and their love is directed in this way, securing immortality, a memory of themselves, and happiness, as they suppose, for themselves for all time to come through having children. (208c1–209a1) What is perplexing is that this argument seems to make no use of PTB at all. Perhaps this is why Socrates introduces it with a nicely ambiguous editorial comment. She produced it, he says, „in the manner of an accomplished sophist (hōsper hoi teleoi sophistai)“ (208c1).
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What he has in mind, I think, is not that her response is sophistical, but that it is clever. Instead of using it explicitly, it embodies a set of puzzles that PTB helps resolve. In that respect, it is like Socrates’ own clever elenctic (and often aporetic) conversations, which Diotima is clearly imitating. Human beings who love honor, Diotima claims, beget conventional offspring, in the last analysis, because they want to possess good things permanently. But how could being posthumously remembered for possessing such things count as success in that endeavor? That’s the first puzzle. The second is that Diotima’s argument applies only to those particularly good human beings who love immortal virtue and honor. What, then, explains the behavior of the less good ones who, like other animals, also beget offspring and sacrifice for them? Non-offspring can preserve one’s memory, as we preserve that of Alcestis and Achilles; offspring who do not share one’s values will hardly continue to honor an ancestor they no longer think worth remembering. How, then, can begetting offspring be either necessary or sufficient for being remembered? This puzzle will turn out to be particularly seminal. Now let’s factor PTB into Diotima’s argument. Great courage, of the sort Achilles possessed is something kalon – beautiful in the sense of fine or noble. His aristeia is the canonical occasion for its exhibition. There, it shines forth incandescently. Anyone present who values it will preserve a memory of it. As something produced by Achilles, such a memory (together with the causal trace that sustains it) is one of his (unconventional) offspring. As he lives on in what we ordinarily call his life by begetting similar (unconventional) offspring, so he lives on in the memory of the (conventional) offspring in whom the memory exists, possessed of courage still. Just as his (conventional) offspring are forward continuers of him, however, he is a backward continuer of theirs. Hence the good things he possessed, they possess too. They have a special reason, therefore, provided by their desire for their own happiness, to keep the memory of their ancestor’s courage alive. Putting it the other way around, he has reason of the same sort to produce them. By comparison with the way a god possesses good things permanently, to be sure, Achilles’ way of permanently possessing them is but a pale imitation. Diotima is quite open about that. Her point is that prior to what we conventionally call his death it was no less so. The mention of honor, and those who love it, is bound to remind us of the Republic’s triadic division of human beings into wisdom-loving or philosophical ones, honor-loving ones, and appetitive (or money-loving) ones. Though this division is not explicitly mentioned in the Symposium, it seems foreshadowed or presupposed in Diotima’s triadic division of begetters in beauty – those pregnant in soul (and also in body, whom we shall soon meet) who love wisdom, those pregnant in body (and also in soul, as we shall see) who love honor, and those pregnant in body who love something else. The last are the subject, you will remember, of the second of the problems we raised for the part of her account currently under review. Suppose, as the Republic would lead us to think, that they
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are appetitive people. They will then love food, drink, and sex, and think that happiness consists in their permanent possession. To want to possess them permanently, however, is – if PTB is true – to want a continuer of oneself to possess them. At this point, the third puzzle already encountered in the case of honor-lovers, resurfaces. For what, as an appetitive person, one wants a continuer of oneself to do is to continue oneself as such a person. But for success in that project it isn’t enough to beget (conventional) offspring; one must also ensure somehow that they share one’s values. This problem about the sharing of values between ancestors and descendants, now twice encountered, dramatizes an aspect of begetting in beauty that is easily overlooked, namely, that it requires the successful transmission of values – that is, of a tradition of valuing – both intra-personally and across generations. If Diotima has omitted any explicit reference to this fact so far it isn’t because she is unaware of it. In her long account of that other sort of begetting – the one engaged in by those who are predominantly pregnant in their souls – it will be a prominent exhibit.
10.4 Two Types of Blindness to Beauty A modulating bridge, as music theorists call it, between that account and the one we have been exploring of pregnancy in body is provided by Socrates’ account in the Phaedrus of how to reconcile beauty’s incandescence with its being reputation-reality indifferent. The account begins with a description of the reactions of two different sorts of men to beauty’s earthly likenesses: As it is, though, beauty alone has acquired this privilege, of being most clearly visible and most lovable. All the same (men oun), the man [A] whose initiation [into „the most blessed of mysteries“ that culminate in seeing the forms (250b8–c1)] was not recent or who has been corrupted (mē neotelēs ē diephtharmenos) does not move sharply (oxeōs) from here to there, to beauty itself when he observes its namesake here, hence (hōst’) he does not revere (sebetai) it when he looks at it, but surrendering himself to pleasure does his best (epicheirei) to mount (bainein) like an animal and sow offspring (paidosporein), and keeping close company with excess (hubrei) has no fear or shame in pursuing pleasure contrary to nature (para phusin). Whereas (de) the man [B] who observed much of what was visible to him before [the forms], on seeing a godlike face or some bodily shape (tina sōmatos idean) that imitates beauty well, first shudders and experiences something of the fears he had before, and then reveres it as a god as he looks at it, and if he were not afraid of appearing thoroughly mad would sacrifice to his beloved as if to a statue of a god. (Phdr. 250d6–251a7)7 7 Translations of the Phaedrus are based on Rowe 1986.
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A doesn’t move sharply from earthly beauty to beauty itself. And the reason he doesn’t is that he is mē neotelēs ē diephtharmenos. A little later, the intent of the first disjunct is clarified: „each man lives after the pattern of the god in whose chorus he was, honoring him by imitating him as far as he can, so long as he is uncorrupted (adiaphthoros) and living out the first of the lives which he enters here“ (Phdr. 252d1–3). One of the causes of A’s problem, then, is the passing of time as measured not by years, but by number of reincarnations. But what exactly is the second cause – corruption? We learn in Republic X that the „badness natural to each thing – the deficiency peculiar to each – is what destroys (apollusin) it, but if that does not destroy (apolei) it, there is nothing else left to corrupt (diaphtheirein) it“ (609a8–b1). Thus ophthalmia, which is naturally bad for the eyes, corrupts them (608e7–609a1). Here we are talking about literal eye disease. But that, of course, can’t be A’s problem, since he sees the incandescent beauty of a potential sex partner all too clearly. When the philosopher descends from the bright sunlight into the cave, he also has eye problems: If he had to compete once again with the perpetual prisoners in recognizing the shadows, while his sight was still dim (ambluōttei) and before his eyes had recovered (katastēnai ta ommata), and of the time for readjustment was not short, wouldn’t he provoke ridicule? Wouldn’t it be said of him that he had returned from his upward journey with his eyes corrupted (diephtharmenos)? (Rep. VII 516e7–517a4) The philosopher’s difficulty lies in finding the likeness or shadow that matches the form of beauty he firmly grasps. The easy transference of the epithet oxus from sight (250d3, above) to a mental movement instigated by seeing a beautiful person suggests that A’s problem is the reverse – namely, of finding the form that matches the likeness he sees quite clearly. Because he doesn’t have a vivid recollection of beauty itself, the beauty he sees (however sharply) fails to remind him of it quickly enough – and so he fails to involve the right property in his perception. Hence he stops with the earthly likeness, remaining focused on it, when he should move up to its intelligible or heavenly original. The continuation of the discussion of the philosopher’s blindness explains why A’s vision is defective in this way: Eyes may be confused in two ways and from two causes: when they change from the light into the darkness or from the darkness into the light. If he kept in mind that the same applies to the soul, when he saw a soul disturbed and unable to see something, […] he would see whether it had come from a brighter life and was dimmed through not having yet become accustomed to the dark, or from greater ignorance into greater light and was dazzled by the increased
C. D. C. R brilliance… So here is how we must think about these matters, if that is true: Education is not what some people boastfully declare it to be. They pretty much say they can put knowledge into souls that lack it, as if they could put sight into blind eyes […] But here is what our present account shows about this power to learn that is present in everyone’s soul and the instrument with which each of us learns: just as an eye cannot be turned around from darkness to light except by turning the whole body, so this instrument must be turned around from what comes-to-be together with the whole soul until it is able to bear to look at what is (to on) and at the brightest thing that is – the one we call the good […] Of this very thing, then, there would be a craft, namely, of this turning around, concerned with how this can be most easily and effectively turned around, not of putting sight into it. On the contrary, it takes for granted that sight is there, though not turned in the right way or looking where it should look, and contrives to redirect it appropriately […] The other so-called virtues of the soul (hai allai aretai kaloumenai), then, do seem to be closely akin to those of the body: they really are not present in it initially, but are added later by habit and practice. The virtue of wisdom, on the other hand, belongs above all, so it seems, to something more divine, which never loses its power, but is either useful and beneficial or useless and harmful, depending on the way it is turned. Or haven’t you ever noticed in people who are said to be bad, but clever, how sharp (oxeōs) the vision of their little soul is and how sharply it distinguishes the things it is turned towards? This shows that its sight is not inferior, but is forced to serve vice, so that the sharper (oxuteron) it sees, the more evils it accomplishes. However, if this element of this sort of nature had been hammered at right from childhood, and struck free of the leaden weights, as it were, of kinship with becoming, which have been fastened to it by eating and other such pleasures and indulgences, which pull its soul’s vision downward8 – if, I say, it got rid of these and turned towards truly real things, then the same element of the same people would see them most sharply, just as it now does the things it is now turned towards. (Rep. VII 518a1–519b5)
A is upwardly-blind, as we may call it, because his appetitive desires – which include his sexual ones – pull his soul’s vision downward. The philosopher is downwardly-blind, as the remainder of the discussion goes on to point out, because his rational desires, his selfdefining love for the truth, pull his soul up toward the forms (Rep. VII 519a7–521b10). The blindness of A and that of the philosopher thus have cognate causes – causes that are not ophthalmic, but appetitive.
8 See Rep. X 611b9–612a6.
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The characterization of A’s eye-problems – or the behavior they cause – as „contrary to nature (para phusin)“ (Phdr. 251a1) suggests that the desires that give rise to them are pederastic: [Whether among human beings or beasts,] when what is by nature female enters into partnership with what are by nature males in procreation, you must bear in mind that the pleasure involved seems in accord with nature (kata phusin), but when males do so with males, or females with females, it seems against nature (para phusin), and the recklessness (tolmēm’)9 of those who first engaged in it seems to have been caused by a lack of self-control where pleasure is concerned. (Lg. 1 636c2–7) The fact that they cause A to „do his best (epicheirei) to sow offspring (paidosporein)“ (Phdr. 250e5), on the other hand, suggests that his desires are heterosexual appetites. Of course, the offspring A does his best to sow might simply be his (embryophoric) semen, and this he could try to sow as readily in a male as in a female. We might think here of Laws 8 where the Athenian speaks of „sowing […] sterile seed in males against nature (speirein […] agona harrenōn para phusin)“ (841d4–5). But the rare verb paidosporein, which occurs nowhere else in Plato, does seem a peculiarly inept choice to describe such an act, since its root paido – inevitably brings actual children (not seed or embryos) to mind. One might almost think, indeed, that it was selected, perhaps even coined, precisely to rule out the pederastic interpretation of what A attempts. When Plato says that something is against (or in accord with) nature, the nature in question is always the nature of something, never anything like a natural law. Consequently, it is always appropriate to ask which nature is the relevant one. Usually this is answered by specifying the type of thing the nature belongs to. But in the case of human beings we need more than that: We must not think […] that the [human] soul in its truest nature is full of complexity, dissimilarity, and conf lict with itself […] It is not easy, you see, for something to be immortal when it is composed of many elements and is not composed in the most beautiful way – which is how the soul now seemed to us […] Yet both our recent argument, and others as well, compel us to accept that the soul is immortal. But what it is like in truth, seen as it should be, not maimed by its partnership with the body and other bad things, which is how we see it now, what it is like when it has become pure – that we can adequately see only by means of rational calculation. And you will find it to be a much more beautiful thing than we thought and get a much clearer view of the cases of justice and injustice and of all the other things that we have so far discussed. 9 Cf. hubrei at Phdr. 250e5.
C. D. C. R So far what we have said about the soul is true of it as it appears at present. But the condition we have seen it in is like that of the sea god Glaucus, whose original nature cannot easily be made out by those who catch glimpses of him, because some of the original parts of his body have been broken off, others have been worn away and altogether mutilated by the waves, while other things – shells, seaweeds, and rocks – have been fastened to him, so that he looks more like any wild beast than what he naturally was. Such, too, is the condition of the soul when we see it beset by myriad bad things. But, Glaucon, we should be looking in another direction […] toward its love of wisdom. We must keep in mind what it grasps and the kinds of things it longs to associate with, because it is akin to what is divine and immortal and what always is (aei onti), and what it would become if it followed this longing with its whole being and if that impulse lifted it out of the sea in which it now is, and struck off the rocks and shells which, because it now feasts on earth, have grown around it in a wild, earthy, and stony profusion as a result of those so-called happy feastings. And then you would see its true nature, whether multiform (polueidēs) or uniform (monoeidēs),10 or somehow some other way. But we have given a pretty good account now, I think, of what its condition is and what elements it possesses in human life. (Rep. X 611b1–612a6)
When we speak of a human being’s nature, then, we may be speaking of his true nature or his embodied nature. In human life, the human soul is partnered with the body, but also with other bad things. These, as the reference to feasting makes clear, are (or include) appetites. As the shells, seaweed, and rocks that have become fastened to him obscure Glaucus’ true nature, so these appetites obscure the true nature of the soul. What gets struck free of the appetites and so on that get fastened to it by eating or feasting, Republic VII (518a1–519b5, quoted above) tells us, is the rational part of the soul, which is the exclusive locus of wisdom (IV 442c4–7). What we would see to be the soul’s true nature, were these encumbrances removed, therefore, is that of the rational part.11 Justice, 10 Here eidos means part, as it does elsewhere in the Republic, so that that the sense is „having many parts or just one.“ 11 One problem for this way of interpreting these texts is the sentence „it is not easy […] for something to be immortal when (τε) it is composed of many elements and (καὶ) is not composed in the most beautiful way.“ For it seems to allow that even a complex soul could be immortal provided it is beautifully put together. Τε […] καί, however, is „often used to unite complements,“ where „the second may be stronger than the first“ (Smyth 1980, 667). And that is how consistency requires it to be taken here. The sense is: „when it is composed of many elements and, moreover, not composed in the most beautiful way.“ Only one possibility, in other words, is in view – that of a soul, which cannot easily be immortal, because it is composed of many elements. To be sure, the complex soul does become „entirely one“ (443e1–2), when reason rules in it. But the unity it then achieves, since it is „out of many,“ is not of the natural or metaphysical sort that constitutes an absolute barrier to disintegration and belongs to reason alone. I discuss this more fully in „Soul-Parts in Plato“ (forthcoming).
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temperance, and courage are only so-called virtues of the soul (VII 518d9), we may infer, because, unlike wisdom, they are not intrinsic to the true soul, but are found only in the complex, tripartite embodied one. In the Laws passages we looked at, the human nature under discussion must be embodied nature: heterosexual intercourse cannot be in accord with the nature of something unless its nature is in part sexual – unless it includes appetitive sexual desires. In the Phaedrus, however, A and B are introduced following a description of the human soul’s disembodied life and subsequent reincarnations – reincarnations in which „a human soul may pass into the life of a wild animal“ (249b3–4). This human soul, we learn, has „by its nature observed the things that are (phusei tetheatai ta onta)“ (249e5). Since the things that are, are forms, the soul that observes them must be the simple rational soul that is akin to them, and its nature must be true human nature. The nature that A acts against, therefore, in doing his best to sow offspring, is almost certainly not his embodied nature, but his true human nature.12 Hence he will be acting contrary to that nature even if the intercourse he attempts is heterosexual. A is an exemplar, in other words, of the class of men Diotima characterizes as pregnant in body. The explanation of his behavior thus applies to them, too. Such men see sharply the beauty of bodies, but their sexual appetites, which cause upward-blindness, prevent them from moving on from there to any other beauty.
10.5 Different Types of Begetting in Beauty The beauty that attracts a male pregnant in body is that of a female. This suggests that the dative construction in the definition of love as tokos en kalō(i) is to be understood as locative. Begetting in beauty is begetting inside a beautiful female – inside a beautiful vessel or container. Once we see that the role of her beauty involves exciting or producing an erection, however, this interpretation is more difficult to sustain. It is just an accident, if you like, from the point of view of her beauty, that ejaculation takes place inside her. When we extend the formula to the begetting of unconventional offspring, the difficulties multiply. Consider Achilles. What excites him, as an honor-lover, is the beauty of his own acts of courage – good things he would like to possess permanently. The containers in which he deposits, as it were, the memory of these actions are his conventional offspring. The trouble is that their beauty seems to play no role at all in the account. In the context of PTB, however, these beautiful acts of courage get analyzed as an ancestral-descendant causal chain of beautiful act tokens of the same courageous type. 12 Rowe 1986, 184, comments that A’s pleasure is para phusin because „it is the pleasure of an animal, not a man.“
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In such a chain, each ancestral token plays two roles. First, it incites Achilles’ love or desire, and so causes him to beget a descendant token. Second, it provides a blueprint – a typic – for that descendant. It is by looking to it, if you like, and copying what he sees that Achilles must do his begetting if the beauty of the ancestor is to be inherited by the descendant offspring. Ref lecting on the place of beauty in this story suggests that the dative construction en kalō(i) is one not of location but of manner or conformity.13 To beget in beauty is to beget in conformity to beauty – that is, in conformity to a token of beauty that serves for the male progenitor as a typic for his offspring. What makes a token serve that role is not just its beauty, but the type of love characteristic of the male progenitor. If, like Achilles, he is an honor-lover, for whom happiness consists primarily in virtuous, honor-attracting states of character and actions, it is tokens of these that will arouse his desire to beget. He cannot succeed in begetting unconventional offspring of this sort in the long run, however, unless he also begets conventional ones who preserve them in memory. But to ensure that they will preserve his memory, he must also transmit his values to them. He must ensure that they will be beautiful – and beautiful, moreover, in the way that he himself is beautiful. We have only to recall the eugenics program of the Republic to imagine how the consequent love he will have for them might manifest itself. Turning back, now, to someone who, though pregnant in body, is not an honor-lover, but an appetitive man, we can see that a similar account applies to him. What attracts him is the beauty of his own appetitive unconventional offspring. It is in conformity with this beauty, therefore, that he wants to beget. The (bodily) beauty of a female is essential to this enterprise because it is the sort that he both recognizes and is attracted to – it is the sort that can excite his body to respond appropriately. In a sense, therefore, her beauty is of the sort that he wants to beget in. That such begetting occurs inside her body is neither here nor there. Men who are pregnant in soul – to come finally to them – “with things that it is fitting for the soul to conceive and beget,“ namely, „wisdom and the rest of virtue“ (209a2–3), turn not towards women and heterosexual intercourse, but towards boys and pederasty. Poets and „those craftsmen who are said to be inventive“ have souls of this sort (209a3– 5). „By far the greatest and most beautiful kind of wisdom,“ however, is the kind that statesmen, such as Solon and Lycurgus, possess, which is concerned with „the putting in order of the affairs of cities and households“ and is called temperance and justice (209a5–8). When someone is pregnant with such wisdom, through „a divine gift (theios ōn)“ (209b2),14 he „warms to beautiful bodies because he is pregnant,“ since he will never „beget […] in the ugly“ (209b4–5). Up to this point, then, the pregnant in soul 13 See Smyth 1980, 377, 1687 c. 14 Compare Meno 99c–d, where statesmen, like poets and soothsayers, are said to guide their cities correctly, not through wisdom, but though divine inspiration.
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behave just like the pregnant in body. And that should be no surprise, since such people are pregnant in their bodies too – it is just that they are „pregnant in their souls still more (eti mallon) than in their bodies“ (209a1–2). When they discover someone with a beautiful body who also has a beautiful soul, therefore, they „welcome the combination – beautiful body and soul – even more“ (209b7). The reason for the warm welcome is that such a boy has the prerequisites needed to inspire or instigate begetting of the relevant sort. As a woman must be beautiful to produce an erection and subsequent ejaculation in a male pregnant in body, so a boy must be beautiful in body and soul to produce their equivalents in a male pregnant in soul. For such a male, the equivalent of the first is being euthus euporei – „straightaway f luent,“ while the equivalent of the second is logōn peri arētes – “telling stories (or speaking about) virtue“ (209b8). As embryophoric semen once deposited in the body of a suitable female begins to grow, so these stories, once deposited in the soul of a suitable boy, begin to shape it towards virtue, since the purpose of telling them is „to try to educate“ (209c2).15 That is why giving birth to stories about virtue can constitute „begetting virtue of all sorts“ (209e2–3) – the very thing with which a man pregnant in soul is filled. Some of these stories are poems, like those of Homer and Hesiod, which are used in ethical education (works of art, in our sense); others are the sorts of laws and political constitutions that Lycurgus and Solon are „honored for having begotten“ (209d7–9).16 What is particularly important for our purposes about these stories, especially those of the legislative and constitutional variety, is that they transmit what their progenitor loves, values, and is pregnant with to the next generation in part by creating (or helping create) a community that inculcates and transmits them.
10.6 The Correct Kind of Boy-loving The aspects of „the art of love (ta erōtika)“ Diotima has discussed to this point are advertised as ones into which Socrates himself could be initiated (209e5–210a1). He can understand appetitive love (the desire for food, drink, sex, and the like), that is to say, and also the love of honor, and the love of virtue for the sake of honor. But will he be able to 15 A man who has „[seeds] of knowledge about what is just, and what is beautiful, and what is good“ (Phdr. 276c3–4) and is „in earnest (spoudē) about them […] makes use of the craft of dialectic, and taking a fitting soul plants and sows in it stories accompanied by knowledge (met’ epistēmēs logous), which are able to help themselves and the man who planted them, and are not without fruit but contain a seed, from which others grow in other soils, capable of rendering it forever immortal, and making the one who has it as happy as it is possible for a man to be“ (276e5–277a4). 16 „We ourselves are poets,“ the Athenian Stranger says in the Laws, „who have to the best of our ability created a tragedy that is the finest and the best; at any rate, our entire constitution is constructed as an imitation of the finest and best way of life – the very thing which we claim is the truest tragedy“ (817b1–5).
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take the next step? Diotima is not sure: „As for those aspects relating to the final revelation, the ones for the sake of which I have taught you the rest, if one approaches them correctly – I don’t know whether you would be capable of initiation into them“ (210a1– 2). Her uncertainty parallels an accusation made by Adeimantus, and stems from the same source: Amazing Socrates, of all of you who claim to praise justice, beginning from the earliest heroes of old whose accounts survive up to the men of the present day, not one has ever blamed injustice or praised justice except by mentioning the reputations, honors, and rewards that are their consequences. No one has ever adequately described what each does itself, through its own power, by its presence in the soul of the person who possesses it, even if it remains hidden from gods and humans. No one, whether in poetry or in private discussions, has adequately argued that injustice is the greatest evil a soul can have in it, and justice the greatest good. (Rep. II 366d7–367a1) As justice remains reputation-reality indifferent even after the heroes of old (Achilles), the poets (Homer, Hesiod), and those who deal with it in private discussions (Socrates) have done their best to defend it, so beauty, too, remains that way, given what has so far been said. As a result, love itself also remains in shadow. The account that follows is of „the correct kind of boy-loving (to orthōs paiderastein)“ (211b6) – the importance of correctness is emphasized (210a2, 4, 6, 8). Couched in the language of initiation into the cult of a mystery religion, it involves, A, a man who is still young (210a5), and – in the initial stages, at least – the boy or boys who, one way or another, are the objects of his love. At first, it also seems to involve „the one leading (ho hēgoumenos)“ A (210a6). As the equivalent of the mystagōgos, who was already initiated into the mysteries, he is a „teacher (paidagōgos) of the art of love“ (210e2–3), and so must already know it, and (presumably) its goal. Were he essential to the story, therefore, the transmission rather than the acquisition of knowledge would apparently have to be its topic. But in fact he seems inessential. „This is what it is to approach the art of love,“ Diotima says, „or be led by someone else in it (ē hup’ allou agesthai), in the correct way“ (211b8–c1). It is nonetheless true that, just as her earlier story appeals to divine inspiration to explain the wisdom possessed by craftsmen, poets, and statesman, so this second part partakes not just in the language of mystery cults, but in some of their mystery as well. Pregnant in soul and body, though less so in the latter, desiring to possess permanently the good things in which happiness consists, and attracted, therefore, by incandescent bodily beauty, A must first „love a single body and there beget beautiful accounts“ (210a7–8). Then, as the result of a cognitive process that is not described but is presumed to be correct or reliable, he must „realize for himself that the beauty that there
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is in any body whatever is the twin of that in any other, and that if one is to pursue beauty of outward form, it’s entirely unreasonable (pollē anoia) not to regard the beauty in all bodies as one and the same“ (210b3–4). Moreover, that cognitive change must be accompanied by a conative one: „having realized that, he must become a lover of all beautiful bodies, and slacken this intense love for one body, disdaining it (kataphronēsanta)17 and considering it a small matter“ (210b4–6). Nothing is said about how that conative change is to be brought about. The assumption is that A’s literally sexual desires are simply weak enough that they do not pose an obstacle – do not render him upwardly blind. Though the process which results in cognitive change is left largely in the dark, something of its nature can be inferred from its results. The beautiful accounts A produces, for example, are probably attempts to say what beauty is that cite his beloved’s body as a paradigm case, as Euthyphro cites his own action in order to define piety: I say that what is piety is precisely what I am doing now: prosecuting those who commit an injustice, such as murder or temple-robbery, or those who have done some other such wrong, regardless of whether they are one’s father or one’s mother or anyone else whatever. Not prosecuting them, on the other hand, is what is an impiety. (Euthphr. 5d8–e2) Once A realizes – or is made to realize – that other bodies, besides that of his beloved, are also beautiful, he will need to beget a new account that captures this larger class. But doing so should have the effect of posing him a puzzle: „Why, given that love is for giving birth in beauty, should I love only this body and not the larger class?“ If his love is compliant, if it is not „entirely unreasonable,“ but susceptible to reason’s intrinsic generality (or universalizability), he will love his beloved’s beautiful body less obsessively, because he now loves all other beautiful bodies too. Next, and again as the result of an undescribed but supposedly reliable cognitive process, A must consider „beauty in souls more valuable than beauty in the body“ (210b6–7). Again, this cognitive achievement must be coupled by conative change: „so that if someone who is decent in his soul has even a slight physical bloom, even then it’s enough for him“ (210b6–c2). His appetitive sexual desires, we infer, are weaker than those of the honor-lover – so weak that if the Phaedrus is our guide, he does not need to satisfy them through literal intercourse at all (255e4–c1). Loving and caring for his beloved, however slight his physical bloom, he „begets and seeks the sorts of accounts that will make young men into better men“ (255c2–3). He does this, we are told, „in order (hina) that he may be compelled in turn (au) to contemplate beauty as it exists in practices and 17 See Price 1989, 44: „taking no interest in physical beauty (216d8) and thinking it of no account (e3) go with ,disdaining‘ it ,to an almost incredible degree‘ (d8–e1); an unintensified ,disdaining‘ (more literally, ,looking down upon‘) need amount to no more than […] putting in its place.“
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laws, and to observe that all of this is mutually related (suggenes), in order that (hina) he should think beauty of body a small matter“ (255c4–7). As in the earlier stage, then, the undescribed process seems to be one of seeking an account of beauty that will apply to all beautiful bodies and to beautiful souls, practices, and laws as well. These are „mutually related,“ because beauty in souls – virtue – is a consequence of the sort of education mandated by beautiful laws and social practices. Compared to that beauty, the beauty of bodies in general no doubt should seem a relatively „small thing.“ The presupposition that laws and social practice will be available to the young man for study, however, and that he will have the cognitive resources necessary to study them is surely contentious. So much so, indeed, that we can all too readily appreciate the attraction of having a knowledgeable teacher lurk ambiguously in the narratival wings. At the next stage, the attraction proves so irresistible that Diotima herself makes explicit reference to him. „After activities,“ Diotima says, „he [the teacher or guide] must lead him [A] to the different kinds of knowledge (tas epistēmas), in order that (hina) he may in turn (au) see the beauty that belongs to kinds of knowledge“ (210c7–8). In Republic VII, we are given a (partial) list of these, comprising arithmetic, plane and solid geometry, astronomy, and harmonics. Moreover, it is recognized that their existence cannot simply be assumed, since their development is a social or political undertaking that remains incomplete (528b5–c7). In what city or social community, then, are we to imagine A finding these kinds of knowledge – these sciences – ready to hand, or finding himself sufficiently educated in them to be able to access and appreciate their beauty? He would need not just a teacher, we see, but one equipped with the sort of supernatural powers to which an adept of a mystery cult might lay claim. Indeed, he would need to share in such powers himself. The mysterious cognitive process of coming to grasp the beauty belonging to kinds of knowledge has, like its predecessors, a conjoint conative purpose. The guide leads A to it in order that (hina) […] looking now towards a beauty that is vast, and no longer slavishly attached to the beauty belonging to a single thing – a young boy, some individual human being, or one kind of practice – he may cease to be worthless and small minded (smikrologos), as his servitude made him, but instead, turned toward the great sea of beauty and contemplating that, may beget many beautiful, even magnificent, accounts and thoughts in a love of wisdom (philosophia(i)) that grudges nothing (210c8–d6). The threat of upward-blindness can only be neutralized, after all, by an attack on its appetitive causes. In that fecund state of philosophical begetting A remains, „until having grown and been strengthened there, he may catch sight of a certain single kind of
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knowledge, which has as its object a beauty of a sort I shall describe to you“ (210d6–7). This beauty, which is „what is beauty itself (ho esti kalon)“ (211d1), is the Platonic form of beauty, of which now properly trained in the art of love, A will „all of a sudden“ catch sight (210e4). When he has seen and come to know it, Diotima says, „he would practically (schedon) have the final goal within his reach“ (211b7–8). For although it is easy to forget while reading her rapturous description of beauty itself, and the joys of contemplating it, beauty – however perfect – is never as such the end of the journey. As before, when A reaches it, he has begetting to do: „Do you think it’s a worthless life,“ she said, „if a person turns his gaze in that direction and contemplates that beauty with the thing with which one must contemplate it [that is, the rational element in the soul] and is able to have intercourse with (sunontos) it? Or are you not convinced,“ she said, „that it is under these conditions alone, as he sees beauty with what has the power to see it, that he will succeed in begetting, not phantoms (eidōla) of virtue, because he is not grasping a phantom, but true virtue, because he is grasping the truth; and that when he has begotten and nurtured true virtue, it belongs to him to be loved by the gods, and to him, if to any human being, to be immortal?“ (212a1–7) At this point, Diotima stops. But in what sense exactly has she come to the end? Has happiness, the permanent possession of good things, been achieved by A? We are left to solve the mystery for ourselves.
10.7 Socrates’ Art of Love and Its Limits Part of the solution, to be sure, has already been carefully scripted. What A, who is, we may suppose, newly wise and virtuous at time t1, will initially have to beget is a t2time-slice of his wise and virtuous self. PTB assures us of that much. For such begetting to continue past A’s so-called death, too, he must also beget similar time-slices of other younger men, who will outlive him. Hence he must find a boy, with a beautiful soul and just enough of a physical bloom, and educate him, so that he becomes of the same wise and virtuous sort as himself. Again, the foundations for this have been laid. The love he feels for – what we call – his own future possession of good things, his own happiness, will then bind him in the same way to the boy. He is in love, but with what he does not know; and he neither knows what has happened to him, nor can he even say what it is, but like a man who has caught an eye-disease (ophthalmias) from someone he can give no account of it, and is unaware that he is seeing himself in his lover as if in a mirror. (Phdr. 255d3–6)
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A’s arrival at the end of his initiation is for that reason also a return to the beginning of his journey. Beautiful boys remain as important to his enterprise as his own later stages. At the beginning of his initiation, A is already pregnant in soul with wisdom and the rest of virtue. What Diotima purports to be describing, therefore, is a lengthy process of giving birth, even if – as in the case of Socrates’ examination of the slave-boy in the Meno – it may look more like one of embryo implantation. What justifies her description, if anything does, is the etiology and educative cure proposed in Republic VII (518a1– 519b5, above) for upward-blindness combined with the Phaedrus’s account of beauty’s incandescence. There in A’s soul is divine reason; there in the body of a particular boy is incandescent beauty. Start with his attachment to that. Then show him the right things in the right order (or ask him the right questions) – again, think of Socrates and the slave-boy – and, on the assumption that the appetites that tie him to the boy’s beauty are weak enough, he will simply see what he is supposed to see. The mystery of divine inspiration has been replaced, in other words, by the near mystery of an intellect or reason that works correctly because it is itself divine. When Socrates has finished the long report we have been exploring of what Diotima told him about love, he adds an editorial comment about himself: That’s what Diotima said, and I am persuaded by her; since I am persuaded, I try to persuade everyone else too that for acquiring this possession [true virtue] one couldn’t easily get a better co-worker with human nature than Love is. That’s why I declare that everyone must honor Love, and I myself honor what belongs to him and practice it more than anyone, and call on everyone else to do so, and both now and always I eulogize the power and courage of love to the best of my ability. (212b1–8) It is a comment, mysterious in itself (where else do we find Socrates practicing or honoring love or calling on others to do so?), that recalls another that is equally mysterious: „The only thing I say I know is the art of love (ta erōtika)“ (177d8–9). How, we wonder, could a man famous precisely for knowing that he is wise „in neither a great nor a small way“ (Ap. 21b4–5) make a confident knowledge claim like that. The answer lies, I think, in a piece of wordplay. The noun erōs (verb: eran) and the verb erōtan („to ask questions“) have cases or parts that are homophonic and homographic. „Allow me to ask Agathon a few little questions“ (199b8–c1), Socrates says to Phaedrus. „You have my permission,“ Phaedrus replies, „ask away (all’ erōta)“ (199c3). A few lines later Socrates says to Agathon: „Now try to tell me about love (peirō dē […] kai ton erōta eipein)“ (199e6). It is as if Phaedrus has told Socrates to love away and Socrates has told Agathon to ask him questions. In the Cratylus, a basis for the wordplay is provided by a mock etymology: „The name ,hero‘ (hērōs) is only a slightly altered form of the word ,love‘ (erōs) – the very thing from which the heroes sprang. And either this is the reason they were called
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,heroes‘ or else because they were sophists, clever speechmakers and dialecticians, skilled at questioning (erōtan)“ (398c5–e5). When Socrates says he knows about the art of love, then, what he really means is that he knows how to ask questions, how to examine or converse elenctically. Thus when he recalls his confident claim to know the art of love (198d1–2), he explains what he meant by drawing a contrast between the sort of encomia to love given by the other symposiasts and the one he knows how to give: It seems, you see, that what was proposed was that each of us should appear to be offering an encomium to Love, not that he should really offer him one. It’s for that reason, I imagine, that you rake up everything you can think of saying and attribute it to Love, declaring him of such a character and responsible for so many things that he will appear as beautiful and good as possible – evidently, to the ignorant sort of people (not, surely, to those with knowledge) […] I’m not prepared to give another encomium in that way; I wouldn’t have the capacity to give it. However, if you like, I am willing to say what is actually true, on my own terms, and not on those of your speeches, because by your standards I’d be a laughingstock. So, Phaedrus, see whether you want this kind of speech too – whether you want to the truth being told about Love, and in whatever words and arrangement of expressions happen to occur to me. (198e4–b5) The closing sentence itself recalls the opening of the (earlier in composition though dramatically later) Apology, where a similar contrast is drawn in similar terms (17a1– c5). There as here it heralds an elenctic examination – of Meletus, in the one case, of Agathon, in the other. Similarly, in the Lysis, when Socrates offers to give Hippothales a „demonstration“ of how the art of love should be practiced, the demonstration is elenctic in nature (205e2–206c6). And elenctic examination is something that Socrates practices „more than anyone“ and advises everyone else to honor and practice, too: „I say it’s the greatest good for a man to discuss virtue every day, and the other things you’ve heard me discussing and examining myself and others about, on the grounds that the unexamined life isn’t worth living for a human being“ (38a1–6). Having solved, in this way, the mystery of Socrates’ claim to know, honor, and advocate the art of love, we are in a position to make some headway with some of the other mysteries we encountered in exploring Diotima’s account of boy-love correctly practiced. The young man, pregnant in soul with wisdom and virtue, is ready to love. But love, however, stands reveled now as, so to speak, an elenctic passion – one that correctly proceeds by elenctic examination. Canonically undertaken with the help of Socrates, who is already knowledgeable in the erotic art of asking questions, this can also take the form of self-examination (Chrm. 166c7–d2, Hi. Ma. 298a9–c2). We can see in this a basis for Diotima’s apparent ambivalence about the need for a guide. When it proceeds correctly, or in the proper order, moreover, elenctic examination always
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begins by trying to answer the question „What is it?,“ before turning to other questions about the target phenomenon (199c5–8; also Rep. I 354a13–c3). It tries to produce an account (logos) or definition (horos). Herein might lie the basis for Diotima’s claim that what the young man produces at each stage are accounts of love. The identification of love with elenctic questioning suggests another identification or association, that of Love (Erōs) with the hero (hērōs) of the elenchus, Socrates. Though usually thought to be a god, Love, according to Diotima, is not a god, but a daimōn – a being „intermediate between god and mortal,“ whose function is that of „interpreting and conveying things from human beings to gods and from gods to human beings“ (202d11–e4). He is „always poor,“ she says, „hard, dirty, barefoot, and homeless“ with „lack always as his companion,“ „a schemer after the beautiful and good, courageous, impetuous, and intense, a clever hunter, always weaving new devices, both passionate for wisdom and resourceful in looking for it, philosophizing throughout all his life“ (203c6– d8). She could almost be describing Socrates, whose daimonion or daemonic sign is a perennial feature of his life (Ap. 31c8–d4, 40a4–b2), and whom Alcibiades later refers to as a „genuine daimōn“ (219b7–c1). „One couldn’t easily get a better co-worker with human nature than Love is,“ Socrates says. If elenctic questioning can lead human nature, through its literally sexual attraction to a beautiful body, to divine beauty itself, and genuine virtue, he is surely right, and his own daemonic status is ironically selfconfirmed. At the same time, working the association between Love and Socrates in the other direction, so to speak, we can see the young man’s own love of beauty as itself a daemonic guide that could, in the right circumstances, lead him unaided from his boyfriend’s beautiful body to a beauty that will not „appear to him the sort of thing a face is, or hands, or anything else in which a body shares […] but rather as being always itself by itself, in its own company, uniform“ (211a5–b2). When Diotima says that she doesn’t know whether Socrates would be capable of initiation into the mysteries of loving boys correctly (210a1–2), the grounds for her reservations might be found, I suggested, in this question: can Socrates show that beauty is valuable for its own sake? Can he show that it is good by or because of itself? I noted that Diotima stopped her account of these mysteries before explicitly reengaging with the issues of goodness and happiness. She refers, to be sure, to the fact that the young man has begotten true virtue, but the only connection between it and permanent happiness she so much as intimates requires that the gods notice his virtue and, approving of it, reward him for it. But this is the sort of connection on which a defense of a virtue as something valuable for its own sake cannot rely (Rep. II 366e6, above). Diotima’s reservations are thus echoed by her silence, bringing her account full circle.
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10.8 Erotic Love Re-conceived Reservations, though negative, also have a positive side: I don’t know whether you could, but maybe you could. In the present instance, the basis for the positive side lies, I think, mostly in the non-impossible. In the Republic this is what is appealed to whenever the issue arises of whether Kallipolis could ever be established in practice (VI 499b1–d6, 502a4– c7). The thought, in its relevant form, is that it is not impossible that A, pregnant in soul and with suitably compliant appetites, should find himself in a world where laws, constitutions, and kinds of knowledge are available for him to study, and in which he either finds a Socrates to help him study them in the right order and way, or is correctly guided in this by his own love of beauty. It is not impossible, therefore, that a love that begins with an incandescently beautiful body should lead (or be led) through Socratic or elenctic questioning to beauty itself, and to the begetting of genuine virtue. Suppose that this does happen, so that A, in the manner required by PTB, does beget wise and virtuous later stages of himself and others. The question then arises of whether the things he has thus begotten are genuinely good ones in the permanent possession of which his true happiness consists. It is not a question to be settled by a supposed fact of divine inspiration or divine approval or divine insight. What is wanted is some sort of justification. The mere assertion that the beautiful itself is true beauty does not provide it. And we know why. Beauty is reputation-reality indifferent. To show that true beauty is genuinely good, we need to relate it appropriately to the one thing that is not indifferent in that way – namely, the good itself. That we will then come face-to-face with the good’s own explanation elusiveness is, to be sure, a major problem, but it is a different major problem. One effect of PTB is already familiar to us: it forces us to reconfigure our concept of self-interest by redrawing or softening the boundary between ancestor and descendant, self and other. Another, also familiar, is that it softens the boundary between conventional and unconventional offspring – between animate children and inanimate good things such as honor. In effect, conventional offspring, like later stages of oneself, are valuable, lovable, or desirable only to the extent that they preserve – in the only way possible for a mortal creature – one’s possession of (other) good things, such as the pleasures of food, drink, and sex, or honor, or wisdom and virtue (if they are good). A third effect remains to be explored. For what PTB also does – at least in the context of the larger Platonic theory of which it is a part – is to force a radical re-conceptualization of the notions, crucial to any theory of erotic love, of the genital, and hence of the very notion of real or literal sex itself. In the case of an appetitive male pregnant in body, his genital is what produces embryophoric semen, that is to say, his testes. His erect penis is simply a delivery system for this – an erotogenic zone, a seat of sexual excitation. An honor-loving pregnant male, on the other hand, has two genitals. The first produces embryophoric semen, and so con-
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ventional offspring. The second produces unconventional offspring – things like honorattracting courageous actions and memory-traces thereof. Inspired by the knowledge that in the Republic honor-lovers have a soul ruled by its spirited-element or thumos, let us call this a thumogenital, which is simply thumos in its capacity as generator of unconventional offspring. Similarly, a philosopher has three genitals, the two he shares with the honor-lover, and a third unique to him, which, since his soul is ruled by its rational element or logistikon, we may call a logigenital, which is simply logos in its capacity as generator of unconventional offspring of a distinctive sort – wise and virtuous time-slices of self or of beloved boys. Because there are these three kinds of genitals, we can ask what kind of genital sex is literally or really sex? Most people would say it is the kind that involves the penis – the epithumigenital – since it is what begets conventional offspring, little animals of the sort that we really are. But this answer presupposes that we really are little animals. Suppose that what each of us really is, as Plato believed, is the rational element in our souls. Then real sex would involve not the penis, but the logigenital – reason. It would be the philosopher talking about virtue to a beautiful boy who would be having real sex, not the man who „does his best to go on four feet like an animal and father offspring“ (Phdr. 250e4–5). It is conventionally thought – indeed it is dictionaries – that Platonic sex is aim-inhibited or non-genital. That’s not entirely false, obviously, but there is a deeper truth that it conceals. Implicit in this way of thinking about sex is something that destabilizes or threatens the assumption – common to both Symposium and Phaedrus – that philosophy, beauty, and the complete repression of the epitumigenital somehow go together to ensure that a Platonic philosopher must be a beauty-focused, aim-inhibited pederast. But if the true genital is reason, not the testes, and upward-blindness has merely adventitious, non-gender-specific appetitive causes, why should women not be as capable of philosophically begetting in beauty as men? It is a question that intersects with the unsolved mysteries in Diotima’s account of loving boys correctly. Laws and social practices, kinds of knowledge, the educational institutions needed to make their study possible – all these must be available, we saw, if the perception of bodily beauty is to lead to a rational grasp of beauty itself. Imagine a city in which all of them are available, and where reason – by dint of knowing not just beauty, but the good – has adopted the truly best laws and practices as its own. Imagine it possessed of a eugenics program that breeds people whose weak or pliant appetites make them naturally resistant to upward-blindness, and an educational program accessible to all of them, regardless of their sex. Imagine that its social roles are open to all capable of filling them, again regardless of sex. In that city, if the Republic is to be our guide, we will find women philosophers, for whom the good, not the beautiful, is the greatest object of study, having all sorts of non aim-inhibited sex – including the sort that we used to think alone deserved to be call real.
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Bibliography Hackforth, R. 1952: Plato’s Phaedrus, Cambridge. Price, A. W. 1989: Plato and Aristotle on Love and Friendship, Oxford. Reeve, C. D. C. 2008: „Glaucon’s Challenge and Thrasymacheanism“, in: Oxford Studies in Ancient Philosophy XXIV, 69-103. Rowe, C. J. 1986: Plato: Phaedrus, Warminster. – 1998: Plato: Symposium, Warminster. Smyth, H. W. 1980: Greek Grammar, Cambridge.
11 Pierre Destrée
The Speech of Alcibiades (212c4–222b7)
11.1 Revisting Diotima’s speech through laughter In the beginning of the Symposium, both in the sense of the title of Plato’s Dialogue and of this social gathering, Eryximachos offers the medical advice of excluding the f lute girl, that is to say the musical-cum-sexual entertainment, to the advantage of a serious (even if playful) lyric contest – the literary way Plato presents a philosophical contest on the question of what love, or more generally human desire, consists in, and which object best suits this desire, which is our desire for happiness. And besides doing that, Plato also insists on the very unusual way that this special symposium is going to take place: belying its very name, it will be a symposium, – literally: a drinking party – where no, or almost no, wine will be consumed, – this in order to allow rational logoi to take place. To say the least, this last praise in honour of Eros is taking place in a completely different atmosphere. After the soberness, seriousness and high-mindedness that animated Diotima’s speech, especially in her revelation of the highest mysteries of love, the audience, and we readers, are abruptly confronted with the loud and raucous entry of an uninvited guest who is so inebriated that he needs to be physically supported by a f lutegirl and his servants (or, perhaps, comrades). So as to wine, sex and musical entertainment, this is in a way a symposium restored to its traditional style. With Diotima’s speech, the audience was attending a sort of tragedy, in the sense that its logos was of serious importance (spoudaios), and (at least in the last part) its style rather elevated (semnos is the word usually characterizing this), in perfect tone with its theme. Urged to produce in his turn an encomium in honour of the god Eros, Alcibiades, who is madly in love with Socrates, can’t help but pronounce an encomium in honour of the object of his love, Socrates. And contrary to the previous speeches, especially Diotima’s, Alcibiades’ speech, at least at its surface, is supposed to be quite funny and
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entertaining, as the audience will testify in laughing afterwards (222c). Here we have a very drunk and jealous lover of Socrates who is offering his fellows symposiasts a parodic encomium of Eros, where high praise of his object of love will be paradoxically mixed with a harsh and aggressive accusation of hybris against him. This is a parodic encomion which culminates as a parodic accusation against Socrates on the charge of refusing to initiate Alcibiades into the greater mysteries of love. Indeed, as Socrates explicitly says (222d), this audience is actually attending a sort of satyric play of the kind that were usually put on stage after the suite of three tragedies presented in a Dionysian festival. The origins and exact functions of these satyric plays are not well known, but as we can see from Euripides’ Cyclops (which is in fact the only complete example left of such a play, but without the three corresponding tragedies), these plays were a parody, or a burlesque-like play on a tragedy, or at least a tragic theme, as, in that case, the famous episode of Odysseus’ being trapped in Polyphemus’ cave. In a similar way, as one recent interpreter has aptly described it,1 Plato here too is putting a burlesque revisitation of the previous „tragic“ speech by Diotima into Alcibiades’ mouth. In addition to the satyric topoi, like the figure of the silenus, and the satyric tone of the speech, this may be clearly seen, I think, in the structure in at least the main part of Alcibiades’ speech which parodically ref lects the three stage division of Socrates’ speech, which in turn metaphorically readopts the three stage division of the Eleusinian mysteries into (in Clement of Alexandria’s terms) preparatory purification (catharsis), lesser mysteries and greater mysteries: Alcibiades begins his encomium by recalling how he has been ,shamed‘ by Socrates during his meetings with him, exactly as the practice of elenchos should make one ashamed of one’s false opinions, and, as Plato describes this in the Sophist (226a–231b), eventually provoking a catharsis of them; he continues by describing the nature of his ,divine‘ lover exactly as Diotima described the god Erōs, which recalls the recital of the muthoi about the goddess of Demeter and Persephone in the Eleusinian, lesser mysteries; and his speech culminates with his relating the so-called „seduction scene“, wherein he begged Socrates to obtain the final revelation, exactly as was the case in the contemplation of the Form of the Beautiful in Diotima’s speech, which corresponds to the contemplation of the statue of the goddesses.2 And yet, even if the tone of the speech is clearly designed to make the audience laugh (both the direct, fictional audience of Alcibiades, and Plato’s direct Athenian readership), Alcibiades’s speech is in fact of most serious importance. First of all, real history (or, at least, alleged facts) are constantly in the background. The dramatic date of this gathering is 416 BC, two days after Agathon’s victory at the Lenaian’s festival, and at that date the well known adopted son of Pericles, Alcibiades (who is in his early 30’s), is still very well 1 Sheffield 2001. On the intertextuality between Plato’s text and Euripides’ Cyclops, see Usher 2002. 2 Plato make Alcibiades explicitly tell this seduction scene as a parody of Diotima’s revelation of the highest mysteries of love at 218b: „But you, house-slaves, and any other crude uninitiates, put big doors on your ears“.
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considered in Athens. But every reader of Plato’s Symposium (which was probably written at some point in the 370’s) is well aware that Alcibiades was (allegedly) to desecrate the Hermai, and also profane the Eleusinian mysteries one year after this gathering, before finally betraying Athens, which was seen as one of the main causes of her defeat against Sparta. And, as each and every reader is also well aware, perhaps mainly because of the famous (yet lost for us) pamphlet against Socrates by the sophist Polycrates, Alcibiades was also among the „disciples“ of Socrates, and perhaps even among his most talented and preferred ones. Thus, the parody of Diotima’s revelation of the highest mysteries of love in the seduction scene can’t be just funny, at least for Plato’s readership, since it also unmistakably alludes to Alcibiades’ profanation of the Eleusinian mysteries. And the parodic accusation of hubris, where Alcibiades calls his audience to be judges of Socrates is not simply funny for Plato’s readership, since of course Socrates was convicted of hubris, which included both impiety, and the corruption of the youth. Thus both the fact that this last speech obviously „revisits“ Diotima’s speech and the multiple allusions to real facts, and above all, the accusation of corrupting the youth against Socrates, make this speech a crucial one. As has, in fact, already been announced at the very beginning of the Symposium when the unnamed character asks Apollodorus to tell him about „the meeting between Agathon, Socrates and Alcibiades“ (172a), Alcibiades’ speech must thus be read as a sort of dyptic or counterpart to Socrates’ on the occasion of Agathon’s party. Contrary to how it has been read traditionally, Alcibiades’ speech is thus anything but a sort of appendage wherein Plato would have intended to illustrate his figure of Eros with Socrates, and therefore take up the defence of his ,teacher‘ Socrates once again,3 but it is an essential part of this dialogue. Now, how did Plato intend us to „revisit“ Diotima’s speech? If most interpreters would readily agree today that Alcibiades’ speech must be read as a sort of diptyc to Diotima’s discourse, there are many quite divergent and sometimes completely opposed interpretations of it. There are, speaking very roughly, two main interpretative camps. One can understand this „revisitation“ either in a positive way as a complementary approach to Diotima’s speech, or, on the contrary, in a negative way, as a critical undermining of Diotima’s presentation of Eros. According to the first way of reading it, one may read Alcibiades’ speech as providing us with another way of looking at the philosophical ascent: insisting on the importance of Alcibiades’ description of his regular meetings with Socrates. Dominic Scott argues that Plato’s main point was to picture the point of view of the beloved instead of the point of view of the lover – as is the case in Diotima’s presentation (Scott 2000). Alternatively, focussing on Alcibiades’ description of Socrates, Frisbee Sheffield argues that Plato’s aim was to underline, through humour and parody, the „complex nature“ of the philosopher that was presented by Diotima’s speech (Sheffield 2001 & 2006). On the other side, not a few 3 See esp. Robin’s and Bury’s introduction to their respective editions.
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interpreters have tried to show how Plato in fact aimed at undermining Diotima’s approach. Following Gregory Vlastos’ famous study according to which Plato completely dismissed personal love (Vlastos 1973), Michael Gagarin argues that Plato meant to accuse Socrates of hybris, which is to be seen as a consequence of his philosophical ascent; Socrates would paradoxically be credited for having become the perfect philosopher, but as having been incapable of educating the youth properly (Gagarin 1997). Or, perhaps, mightn’t we read Alcibiades’ speech as a sort of answer to Vlastos’ challenge? According to Martha Nussbaum, through this last, very poignant speech, Plato would have been advocating another, more humane and down-to-earth view of eros (Nussbaum 1986). In this chapter, I would like to defend a multileveled reading of Alcibiades’ speech. It is the case, I will try to show, that Plato wants to illuminate some of the views he has put into Diotima’s mouth; in particular, his description of a failed guidance towards such knowledge offers some important clues in understanding how the ascent is supposed to work. But this is only one first level, so to speak. There is a detail which has not solicited much commentary from modern interpreters: „frankness“ (parrhesia) describes Alcibiades’ way of addressing his audience (222c). Since Alcibiades is presented as a rather tyrannical figure who elects himself to be the „the master of the drinking party (archonta […] poseōs)“, which obviously sounds like a pun on „the master of the city (archonta […] poleōs)“,4 this typical „democratic“ way of addressing audiences might be seen as purely ironic. But this might also describe, I want to suggest, the way Plato himself is addressing his audience, as if by way of the drunken Alcibiades Plato allowed himself to address some very tough critiques. And he does so from two different perspectives. On the one hand, it is difficult not to see this whole parodic trial against Socrates as a very serious critique of the traditional way of educating the youth. And, on the other hand, one might also see, even if this remains more implicit, a critique that Plato addresses to his former teacher, whose methods eventually proved incapable of educating people like Alcibiades.
11.2 Philosophy an sex: Interpretig the „seduction scene“ If one is to take seriously the idea that Plato wants us revisit Diotima’s speech, there is, to begin with, one crucial factor that should be taken fully into account. As has been sometimes been remarked by interpreters,5 it is quite striking that Diotima’s speech is not very heartily praised by its audience: if Agathon’s speech aroused a unanimous, thundering applause from „all the people present“ (198a), it is said, almost politely, that only „some praised“ Diotima’s speech, while Aristophanes „was trying to say something“, 4 Cf. Sider 1980, 55. 5 Cf. Bury, 134.
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obviously to say something in response when he heard Diotima critically alluding to his own speech, before being interrupted by the entrance of Alcibiades (212c). If it may sound odd for us modern readers, who would easily consider Diotima’s speech to be one of the most inspired presentations of a Platonic philosophical lesson, this is certainly very understandable from a Greek point of view. In many ways, Agathon’s speech represents how such a gathering of a Greek, male aristocracy considered love and sexual desire; their unanimous applause manifests their full agreement. So after Diotima says that in reaching the highest level of the „mysteries of love“ thanks to „paiderastic guidance in the ways of love“ (210e), the lover will finally see „the beautiful itself […] not cluttered up with human f lesh and colours and a great mass of mortal rubbish“ (211e), it comes as no surprise that such men don’t show much enthusiasm! And not only that: it is a woman who is Socrates’ teacher, – that is, in a certain way, his erastes, who „taught him the matters of love“, that is, taken literally, „who taught him how to make love“ (201d; to be compared with 210e)!6 Socrates’ direct audience, as well as Plato’s direct readership can’t possibly be very pleased or easily convinced by such statements, which in a way run so contrary to their own vision of love and paiderastic education. If therefore, Alcibiades’ speech is to be read as a revisitation of Diotima’s, that is Plato’s presentation of the right way to philosophically educate young people, it must be read, on one first level at least, as a serious defence of it through a burlesque-like presentation of a catastrophic failure of its purpose. As we will see, Plato uses laughter and derision as a means to try and make his readership understand something about themselves, and their own (mis)conceptions about love and paiderastic education, and the way one is to get eudaimonia. Like Agathon’s, and Diotima’s speeches, the speech of Alcibiades follows the traditional pattern of an encomium to a god: the exposition of the phusis of the praised god, followed by his activities (erga), – a second part, that can be more precisely split, as is the case in Agathon’s speech, into his „virtues“ (aretai), and his special „function“ (dunamis). To be sure, since Alcibiades is drunk, he cannot be expected to strictly follow this order, as is the case in the very well constructed speech of Agathon. He will be presenting his „special function“, that is his paiderastic/philosophical role and at the same time blaming and, paradoxically, praising his sophrosune, and as if he had forgotten to say something when presenting his nature at the beginning, he will return to it at the end in presenting his sophia. And yet, Plato makes Alcibiades follow a very logical path: it is because of his 6 Another, perhaps crucial, detail has been remarked by Nussbaum (1986, 177): the name Diotima, „Who honors Zeus“ (or, alternatively, „Who is honored by Zeus“), might well have been adopted by Plato as a pun on the name of Alcibiades’ last mistress, Timandra, „who honors the man“. If so, this reinforces the suggestion that Diotima plays the role of an older mistress here, that is of a female erastes, and also announces the fact that Alcibiades’ conception of love remained till the end of his life a purely „humane“, that is, sexual matter. Nussbaum notes, however, that in fact Plutarch may have invented this name (which he gives in Alk. 39.1, and 4) as a pun on Diotima, but even in this case, this would perfectly ref lect Plato’s intention, so to speak.
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very nature, being (as the images describe) a silenus, and a hybristic satyr, so that he ends up hybristically mocking Alcibiades. In other words, the seduction scene, which tells us how Socrates behaved towards Alcibiades on that particular night, is itself an image (or if one wishes, a satyric muthos) aimed at revealing to us, through parody, what sort of „activity“ Socrates did practice, and according to which „virtue“. That special activity, as is clear from the start of his speech, is Socrates’ erotikos activity, that is the education he is supposed to give through (a sort of philosophical) paiderasteia. So, Alcibiades begins his encomium of Socrates with images: he is to be compared to these sileni we can see in some ateliers of sculptors, which can be opened and contain certain statues of gods. And more precisely, since these sileni are usually represented as playing the f lute (the aulos, that is in fact a double pipe), he is very naturally compared to the famous Marsyas who was the best f lute player ever. Famous because, as everybody knows in that assembly, he won a context against Apollon, for which he was f layed alive because of his hybris in defying a god. To be sure, Socrates does not play the f lute, but only talks; yet his logoi are exercising the same effect on Alcibiades as a f lute does: „Whenever I listen to him, my frenzy is greater than that of the Corybantes. My heart pounds and tears f low out when he speaks, and I see that many other people are affected in the same way“ (215d–e). These images are usually interpreted in a straightforwardly positive way, with readers focussing on the importance of the „statues of the gods“ inside the silenus statue, which reminds us, in one way or another, of the greater mysteries; and these logoi that make Alcibiades feel like a corybant may be understood as another image for the cathartic refutation Alcibiades has just alluded to.7 Yet, even if there is certainly some positive value in these images, it should be noted that not only the tone of Alcibiades but also these themes should be seen as extremely hurtful for Socrates. It is true that the context is comedy, or more precisely satyric play, which explains his use of these images. But it is a comedy that, as in Aristophanes’ work, is very harsh, and where blame (explicitly mentioned by Alcibides himself) was actually a big part of the game. For repeatedly comparing Socrates to a Marsyas has nothing innocent about it. As Alcibiades directly says to Socrates as a sort of explanation of why he describes him this way: „you are an hybristes“. On a superficial level, it could simply mean that he, like the sileni and satyrs, is a man loving young boys, always trying to sexually assault them (Hybristes may mean rapist), – a meaning Plato will play with a little later on. But here it obviously also means something much less gently funny: hybris may also mean, as is the case with Marsyas, the very impious desire to brave, and to place oneself above, the gods – which is obviously a reminder of Socrates’ 399 accusation of impiety. And in fact, such a meaning was already at play in the very description of the statues of the sileni: those statues, Plato says literally, are like those which are in „a fabric of Hermes statues“ (Hermoglupheion). Whether or 7 Cf Belfiore 1980, 134.
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not this word (in fact a hapax in classical Greek) was invented by Plato, it certainly points to the statues of Hermes, which were to be desecrated by Alcibiades himself, as if the refusal of initiating Alcibiades to his love mysteries was to end up in such an impious act. And since Alcibiades warns Socrates that he „will take revenge on him in the future“ (213d), one is most probably being led to understand that Alcibiades is going to take his revenge against statues like Socrates himself, as if desecrating those statues was a sort of vengeance against Socrates, in the sense that he took revenge for the fact that he did not manage to be educated by him.8 The seduction scene that culminates Alcibiades’ satyric speech presents how Socrates’ activity on that night followed from his very phusis: He listened to what I said, and then he said this, in a highly ironic manner and one that is typical of him: ,My dear Alcibiades, it looks as though you’re really no fool, if what you say about me is true and I somehow do have the capacity (dunamis) to make you a better person. You must be seeing in me a beauty beyond comparison and one that’s far superior to your own good looks. If you’ve seen this and are trying to strike a deal with me in which we exchange one type of beauty for another, you’re planning to make a good profit from me. You’re trying to get true beauty in return for its appearance, and so to make an exchange that is really ,gold for bronze‘. But look more closely, my happy friend, and be aware that I’m worth nothing. The mind’s sight begins to see sharply when eyesight declines, and you’re a long way from that point. (218e– 219a) Alcibiades’ mind is obviously not yet sharp enough, indeed, since he does not want to let it be so, nor to open his eyes to the fact that Socrates – that is, Socrates’ physical appearance – actually is „worth nothing“, and gets as insistent as he possibly can and, getting into Socrates’ bed and taking him in his arms, spends the whole night with him, although without any further sexual consequence: You can’t tell this is a lie, Socrates! Despite all I tried, this man here despised, scorned and insulted (hubrizei) my young beauty which I thought was worth it, judges – for, you are the judges of Socrates’ arrogance! (219c) According to the satyric genre, the scene is supposed to be highly comical for this gathering at Agathon’s house: here we see a very strange satyr who instead of having sex with the most beautiful young man of Athens, practices abstinence; and, in a way similar to 8 Cf Nussbaum 1986, 171. Another allusion to the Hermai can be found at 217a where Plato makes Alcibiades say this, which is obviously meant to be taken in a deeply ironic way: „I thought Socrates was seriously interested in my looks and that this was a godsend (hermaion) and an amazing piece of good luck, because if I gratified him, I would be able to hear everything he knew“.
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what we witness in Euripides’ Cyclops, where the old satyr is almost raped by the young Polyphemus, we also have here an eromenos who is supposed to be courted by his erastes, doing all he can to have sex with the much older Socrates as if he were himself the erastes. And when Alcibiades emphatically says that Socrates totally despised him, one can imagine his audience laughing at such a parody of an „assault“ on his beauty. It is a „satyric“ parody of a love trial as it were, where the jealous (erastes-like) Alcibiades in fact tries, as Socrates will playfully notice afterwards, to separate him from his eromenos of the day, Agathon (cf. 222c–d). Yet, Plato’s direct, Athenian readership can’t be seen as laughing in that way, as if the scene were nothing but pleasant, harmless theatre. Since Alcibiades is due to eventually become the worst enemy of Athens, we must see in all of this a sharp accusation against Socrates’ way of educating his beloveds, or „disciples“, and especially against his hybris. Look at this man, Alcibiades seems to be saying before Socrate’s parodic judges, how he mis-educated me! I was the most talented man of Athens, and the most beautiful too, – that is, the best possible eromenos-, and – according to the audience’s way of understanding paiderastic education –, by refusing to have sex with me (more precisely, to penetrate me), he refused to transmit his knowledge to me! As David Reeve has suggested,9 the statues inside Socrates can be seen as embryo-like semen that correspond to the way Diotima describes the philosopher-erastes as full of semen, and seeking the suitable eromenos into whom he may discharge it. And since Alcibiades emphatically says that he has actually seen these, this accusation does sound very tough indeed: you let me see what your semen/knowledge looks like, but by eventually refusing to penetrate me, you refused to transmit it to me which would have made of me a kalokagathos man! Alcibiades then is trying the make the point that Socrates did not want to transmit his genuine moral knowledge; he turns around young boys, arouses their desire to get his knowledge, and finally deceives them all by giving nothing of what they are expecting. Socrates’ hybris, here, represents this way of deceiving people by proclaiming to be in love with young people, and pretending to have knowledge to transmit to them, but doing nothing of the kind in the end. And the charge can go even further. The seduction scene is also presented as a parody of the intercourse between Penia, and Poros, where we see Penia-eromenos who, like an erastes, actively gets into Poros-erastes’ bed, and ends up begetting a child, the god Eros. With such an eromenos and an erastes as the „craving for knowledge“ Alcibiades and the ,knowledgeable‘ Socrates, we might have expected an extraordinary ,child‘, or outcome for both of them, and for the whole city! Since this expectation is dramatically unfulfilled, how is the fact to be explained? Why didn’t Socrates accept such an intercourse, ie imparting such teaching to Alcibiades as would have produced a great outcome?
9 Reeve 2006, 128–132.
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Let’s examine the charge, and how Plato tried to respond to it. But first of all, one should answer Vlastos’ critique, according to which Socrates failed to love Alcibiades properly; trapped in the upper world of the pure realm of beauty, he would have been incapable of assuming his duty as a teacher. The natural world being now, from the summit of the ascent perspective, just „rubbish“, one might conclude that taking pains to help people lying in such a poor world would not be worth it. Yet, as many other interpreters have noticed, there is no sign of Socrates seriously disdaining Alcibiades, or Agathon, who he is in love with right now. On the contrary, as Alcibiades tells us emphatically, he can’t but feel ashamed in front of Socrates, which indicates that he has already – and probably often – undergone the first, preliminary step in the philosophical education described by Socrates, i. e. what corresponds to Agathon’s, and also the young Socrates’ refutation. But not only that: as I have just recalled, Socrates made him see the statues he contains, that is, as Alcibiades will add at the end, his beautiful speeches, which clearly indicates, therefore, that with Socrates he has already begun the ascent described by Diotima. Plato thus is not denying that Socrates actually did teach him, and was firmly committed to help him reach what he sees as the fulfilment of true education towards happiness. So why did Socrates eventually refuse to exchange his precious knowledge with Alcibiades in this famous scene? Here, quite obviously, the knowledge Socrates does not, and in fact cannot, transmit to Alcibiades is the one Socrates has gained from his access to the „highest mysteries“.10 But, this is hardly what Alcibiades understands, or more precisely, Alcibiades doesn’t understand that such a knowledge is not transmittable. When Socrates refuses to have sex with him, he says that he would make a bad exchange, receiving physical beauty (or sexual pleasure) in exchange for giving „real beauty“. „Real beauty“, Socrates is saying to Alcibiades is not on the same level or of the same value as sex, or physical beauty. But Alcibiades does not understand, and Socrates must explain: „I am worth nothing“. Which means: what you take to be the object of revelation, that is my body as the object of your love, is nothing worthwhile; what you are to desire, or to love, is, ultimately, the Form of the good, and not a particular body or person. Alcibiades, in other words, does see these „statues of the gods“ as if they were Socrates himself. As Deborah Steiner has vividly suggested, Alcibiades is in love with a statue, with Socrates as a statue, instead of contemplating the statues he’s seen inside Socrates, and with their help, or „through“ them, contemplating the „real“ object they
10 Some interpreters have claimed that Socrates did not reach this summit, but I don’t see any clear evidence for that. The fact that Socrates is repeatedly described as deeply engaged in meditation, should not mean that he is still trying to reach the summit of the ascent; rather it may simply, and more reasonably, indicate that he is repeating this exercise. For a forceful defence of this, see Blondell 2006.
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represent, that is the form of the beautiful.11 Obviously, Socrates is not to blame then, but Alcibiades’ blindness. Now, it is also sometimes suggested that one way of understanding the seduction scene is to point out the exchange of roles, between the eromenos and the erastes; the „judges“ of Socrates’ „arrogance“ may be seen here as accusing Socrates for another reason: in inverting these roles, he is simply playing with people, refusing to teach them his knowledge. And this is an accusation Alcibiades will emphatically repeat at the very end of his speech, with an additional, bitter warning towards Agathon: „I’m not the only one he has done this to; there is also Charmides the son of Glaucon, Euthydemus the son of Diocles and a great deal of other people. He deceives them into thinking he’s the lover and then turns out to be the beloved instead. I’m warning you, Agathon, not to be deceived by him, but to learn from what I suffered“ (222b). But as we know from Diotima’s discourse (which in turn Alcibiades’ report of this scene confirms), this is exactly what the right way of educating consists in,12 and so in laughing at that inversion of roles as a normal Athenian audience would do in reading Euripides’ Cyclops, Plato, in fact, tries to make them ref lect back to that possibility. In his speech, Socrates has implicitly presented himself as the eromenos of Diotima (exactly as Agathon is now his, at least potential, eromenos), but in their sunousia – a word often repeated, meaning both sexual intercourse and meeting, which, in a philosophical context, implies sustained discussion –, she makes him realize that in fact it is he who must assume the role of the erastes, of the lover who is due to express his desire, that is his semen, into a beautiful loved one; and that she herself is no longer his erastes, but both his eromenos, and his guide, or his midwife. It is through, or thanks to a beautiful object of love that the erastes, that is in fact, each and every desiring man, will be able to express his seeds, so as to „beget“ beautiful speeches, and actions. And of course, along with this initiation into the „mysteries“ of love, that is the revelation of the desire’s proper objects, Socrates is led by Diotima to realize that his love must now be redirected towards many bodies instead of only one, and then towards beautiful speeches and actions, to finally reach the summit of the ascent (as if he were climbing the steps of a temple) where he’ll first meet „the ocean of the beautiful“, and then, „suddenly“, the Form of the Beautiful: this is a sunousia with the form of the beautiful which enables the lover to truly fulfil his desire for happiness, i. e. to live a life truly worth living. Thus, by evoking Alcibiades’ desire and playing the eromenos, Socrates appropriately, – even if it is told as a parody – makes Alcibiades into an erastes, that is, so to speak, a person actively striving toward his happiness. But why doesn’t he get that? What Plato is doing, I am suggesting, is turning Alcibiades’ accusation against Socrates into an accusation against the traditional way of educating youth. Look at Alcibiades, Plato says to his 11 Steiner 1996. See also Carone 2006, 223. 12 On this, see esp. Edmonds 2000.
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readers: he in fact is the perfect example of a handsome man who craves to be educated, but because he so praises physical love (Plato insists on this with the word philerastia, „passion for love“, 213d), he catastrophically failed to understand what was going on in Socrates’ refusal to transmit his knowledge to him. In a certain sense, it is therefore Athens itself, in her way of educating young people, which explains Alcibiades’ destiny. Alcibiades was the „enfant terrible“ of Athens, but her own child, or product, – not Socrates’! For sure, Plato here elaborates on Alcibiades’ reputation for excessive sexual desires, which we also find in Thucydides (and later in Plutarch).13 But on this first level, this is not what is at stake here. What is at stake, I am proposing, is this gathering’s conception of love, which is centrally sexual and, most importantly, which considers, as Agathon alludes to at the very beginning (175c–d), that knowledge can and, in fact, must be transmitted by sexual penetration. It is, therefore, because of this misconception of the transmission of knowledge through sexual pederasteia, that Alcibiades failed to gain access to the knowledge that would have saved him from his fatal destiny – and Athens as well along with him. To be sure, Alcibiades will eventually end up being (allegedly) one of the main causes of Athens’ defeat in the Peloponnesian war, but at that time he is still a sort of representative of Athens, which Plato, perhaps, wants to signify in describing him entering the gathering with a crown of violets.14 By turning the 399’ charge of corrupting the youth against Socrates upside down, Plato not only offers an ultimate defence of his former teacher; through Alcibiades’ frankness, he also tries to make his readership revisit their own values and commitments. He urges them to realize that in fact their conception of love and paiderasteia prevent them from becoming real lovers – that is from fully realizing their desire for happiness.
11.3 Philosophy and Education: Akrasia as a test case Now there is a second level, I think, at which we may read Alcibiades’ charge against Socrates. There is obviously another, much more pressing question, that any attentive reader cannot help but ask himself (as other interpreters have eventually done): but why didn’t Socrates succeed in convincing Alcibiades to follow him, despite or „against“ Athens? To be sure Alcibiades was a mad lover, but he also had a strong desire to improve himself. So why couldn’t Socrates manage to help him during all those years (because Alcibiades insists that their relationship was not a brief one)? Why, more precisely, didn’t he manage to rechannel his desire for one body to many, and from there to beautiful logoi, and thence up to the form of the beautiful? As has been rightly stressed by some interpreters, the way Diotima presents us this ascent is very „Socratic“, that is very in13 On this, see Wohl 1999. 14 This is suggested by Nussbaum 1986, 193, on the basis of one text by Pindar.
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tellectualistic: in a nutshell, the philosophical education mainly consists in rechanneling the desire for bodies to the desire for the forms which alone can fulfil our desire for happiness, and this should happen through a cognitive process of enlightenment of the proper object of that desire.15 And as we have just seen, that is exactly what Socrates is doing with Alcibiades in trying to make him understand that he is simply wrong in his election of his desire’s object: just open the eyes of your intelligence, he says to him, and you’ll realize that I as a „beautiful“ physical body, I am worth nothing. So since Socrates couldn’t make Alcibiades understand that, aren’t we allowed to blame Socrates’ naiveté in taking such a purely intellectualistic method to be the genuine method of educating the youth? On the other hand, it seems that Plato also wanted to stress that Alcibiades did in fact learn something from Socrates. His encomium ends with this: His discussions (or arguments: logoi) are also very like those Sileni that you open up. If you are prepared to listen to Socrates’ logoi, they seem absolutely ridiculous at first […] But if you can open them up and see inside, you will find they are the only ones that make any sense. You will also find they are the most divine and contain the most images (agalmata) of virtues. They range over most – if not all – of the subjects that you must examine/contemplate (skopein) if you are going to become a good-and-beautiful person (kalokagathos). (221e–222a) Even if Alcibiades is talking about Socrates’ speeches, as we are used to them from the early dialogues, and not about Diotima’s teaching, he seems to have really seen the importance of their „inner“ message, and he seems to have understood them. Or, at the very least, in his saying that he has seen those logoi which are about „the subjects that you must examine if you are going to become a morally good person“, he seems to fully acknowledge that he has understood their importance, and probably also their meaning. And the very central expression in Greek culture, kalokagathos, should remind us of the arrival of Alcibiades at this gathering, where he is reported as „asking where Agathon was and demanding to be brought to Agathon“ (212d). As has been duly noticed by some interpreters, this repetition of the name Agathon must be seen as a pun on the adjective agathos, „good“, pointing to the fact that Alcibiades is entering this gathering with the desire for the good: from the satyric perspective this could mean, with the desire for goods like wine and sex; but from the philosophical perspective, with the desire for moral improvement, as if, perhaps, he also wanted to join Diotima’s programme for the acquisition of the Beautiful itself which, as Diotima has just said, constitutes the true good of human life.
15 On this, see the important study of Charles Kahn (Kahn 1987).
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In sum, the character of Alcibiades also allows Plato to revisit Diotima’s speech in another way: as has been suggested by Richard Kraut (2008), – and as prefigured in a certain way in Pausanias’ speech –, with Alcibiades, we are facing the possibility, not present in Diotima’s speech, of a „bad“ eros (and also a „bad“ thumos, since Alcibiades is also craving for honour), which threatens this whole ascent. For, read from the Republic (which is generally agreed to have been composed by Plato just before, or after, the Symposium), it is difficult to deny, I think, that Alcibiades adumbrates what the Republic explicitly describes as the irrational parts of the soul, and thus that the way he is both attracted to being genuinely educated and his refusal to hear Socrates voice illustrates conf licting desires:
I have heard Pericles and other good orators […] but they haven’t disturbed me and made me dissatisfied with the slavish quality of my life. But this Marsyas here has often had this effect on me, and made me think that the life I am leading is not worth living. You can’t say this is not true, Socrates. Even now I am well aware that if I allowed myself to listen to him I could not resist but would have the same experience again. He makes me admit that […] I have no care of myself and instead get involved in Athenian politics. So I force myself to block my ears and go away, like someone escaping the Sirens, to prevent my sitting there and growing old beside him. He’s the only person in whose company I’ve had an experience you might think me incapable of – feeling shame with someone; I only feel shame in his company. I am well aware that I cannot argue against the fact that I ought to do the things he urges me to do. Yet when I leave him I am equally aware that I am defeated (hēttēmenos) by honour from the crowd. So I act like a runaway slave and escape from him. (215e–216b) It is difficult not to see here something similar to what Plato describes in the famous passage in Rep. IV (439e–440a), where Leontius is simultaneously experiencing a desire to gaze at (sexually attractive) corpses, and shame because he knows such gazing is morally repulsive. Here, the shame Alcibiades experiences in front of Socrates is the sign that he fully understands what it is going astray in his life: he prefers taking care of the Athenians, meaning in fact: being honoured by the Athenians, instead of taking care of his soul, i.e. pursuing the wisdom that is truly good for living a life truly worth living. And when his knowledge that he ought to pursue wisdom instead of honour is „defeated“ (the typical word for describing the phenomenon of akrasia), he is „fully aware“ of this, as he is also „fully aware“ (xunoida emautōi, an expression repeatedly used in this passage) that he can’t possibly stay and listen to Socrates’ advice or counsels. Like someone who would not like to hear the wisdom promised by the Sirenai (with, most probably, a
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pun on „Silenoi“ – esp. since it is reported that Alcibiades mispronounced r for l),16 he „forces himself“ to block his ears and f lee. We are witnessing then, I think (pace Sheffield 2006, appendix), a case of akratic conf lict, except that admittedly Alcibiades clearly confesses that it is a conf lict that he does not experience when he is in the presence of Socrates. In his presence, he might well have the same sort of desire to be honoured by the Athenian crowd, but that desire is apparently kept under control by his reason – because of the inf luence of Socrates. At one first level, this can be read as praise favouring Socrates: according to Alcibiades himself, Socrates managed to keep him under control as long as he was young, and under his good inf luence (which in fact is in line with Xenophon’s report too); it is only Alcibiades himself who „willingly decided“ to break this inf luence and keep away or distance himself from Socrates. But for a readership that has the Republic in mind, a pressing question imposes itself: why is it the case that in the absence of Socrates, Alcibiades’ motivation to pursue wisdom fades away so easily? How is it possible that without the presence of Socrates, his desire for honour can so easily and rapidly come back to the surface, and „win out over“ his best intentions? If one poses these questions in the context of the ascent, it seems unavoidable that we must recognize that, as ever sublime as it might appear, such a „Socratic“ description runs the risk of being a vain hope. Following David Reeve who rightly comments on a passage of the Republic (491b–495b) where Alcibiades is in all likelyhood refered to, that there „Plato represents Alcibiades as someone who had the potential to be a philosopher-king, but who failed to become one because he didn’t receive the right sort of (platonic) education“,17 I would like to suggest that this might also be alluded to in the Symposium. In order to make it possible for people like Alcibiades, i. e. potential tyrants who are first of all tyrannized by their strong irrational desires, to make the ascent, that is to get a philosophical education, a political order must first be put in place, with a first education of what the Republic calls the irrational part of the soul (which essentially consists in the poetic education of the thumoeides in order to make alliance with the reason against the appetites). The „revisitation“ of Diotima’s speech may then be much more profound here than one usually takes it to be: it consists in recognizing that this speech remains insufficient, and that a more basic education, that of the irrational part of our soul, is first needed if one really wants to profit from this philosophical education.
16 This is testified by Aristophanes, Wasps 44–8 (which is repeated by Plutarch, Alk. 1.6–7). 17 Reeve 1992, 114. Cf. also the excellent commentary on Reeve’s paper by M. Blundell who suggests that „Alcibiades defies Socratic intellectualism“ (Blundell 1992, 126).
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12 Nora Kreft
Das Problem der gegenseitigen Liebe im Lysis, Symposion und Phaidros
12.1 Einleitung Platon hat bekanntlich drei Dialoge geschrieben, in denen es zentral um das Wesen der Liebe geht, nämlich den Lysis, das Symposion und den Phaidros. Der Lysis wird gewöhnlich den Frühdialogen und das Symposion und der Phaidros der Mittelperiode zugeordnet, wobei die meisten Interpreten den Phaidros für ein späteres Werk als das Symposion halten. In allen drei Dialogen vertritt Sokrates die These, dass zwischenmenschliche Liebe im Verlangen nach Weisheit begründet ist. Sein Gedankengang ist, vereinfacht gesprochen, folgender: Die Liebe zu einem anderen Menschen ist Ausdruck eines Verlangens nach ihm; wir verlangen nur nach Dingen, die uns glücklich machen, die uns aber momentan noch fehlen; allein die Weisheit macht uns glücklich; jedwedes Verlangen – und also auch die zwischenmenschliche Liebe – ist demnach letztlich ein Bestreben, den eigenen Mangel an Weisheit zu beheben. Mit anderen Worten, einen Menschen zu lieben bedeutet, zu glauben, dass er einem zur Weisheit verhelfen kann. Wahre Liebe, die sich nicht im Geliebten täuscht, richtet sich dann auf Personen, die uns tatsächlich weise oder wenigstens weiser machen können. Allerdings formuliert Sokrates am Ende des Lysis ein Problem, dem sich diese Theorie der Liebe stellen muss. Sie scheint nämlich Schwierigkeiten zu haben, die Möglichkeit von gegenseitiger Liebe zu erklären. Wenn wir nur die lieben, die uns weise(r) machen können, und wenn wir mit Sokrates und seinen Gesprächspartnern im Lysis annehmen, dass das die Weisen, oder genauer: die im Vergleich zu uns Weiseren sind, dann scheinen die Geliebten unsere Liebe unmöglich erwidern zu können. Denn da wir ja weniger weise sind als sie, sind wir für ihre philosophische Weiterentwicklung scheinbar nutzlos. Sokrates erwägt in diesem Zusammenhang eine alternative Liebestheorie, nämlich, dass sich Liebe auf das von Natur aus Angehörige, das oikeion, richtet. Im Gegensatz zur obigen Theorie kann die oikeion-Theorie gegenseitige Liebe erklären.
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Im Lysis bleibt offen, für welche der beiden Theorien wir uns entscheiden sollten.1 Diese Entscheidung trifft aber Diotima im Symposion, als sie die oikeion-Theorie zugunsten der Obigen verwirft. Allerdings ignoriert Diotima das Problem der gegenseitigen Liebe, das doch der Preis für die Zurückweisung der oikeion-Theorie zu sein scheint. Sokrates nimmt sich dieses Problems erst im Phaidros an. Dort zeigt er, dass seine Theorie sehr wohl die Möglichkeit von gegenseitiger Liebe erklären kann. Warum thematisiert Sokrates das Problem erst im Phaidros und nicht schon im Symposion? Meine These ist, dass Sokrates der gegenseitigen Liebe im Phaidros einen ihr spezifischen Wert in Bezug auf das Erlangen von Weisheit beimisst: Während Diotima meint, dass es keiner von gegenseitiger Liebe getragener Beziehungen bedarf, um weise zu werden, dass sie sogar hinderlich sein können, hält Sokrates im Phaidros diese Art von Beziehungen für äußerst fruchtbar, wenn nicht gar notwendig für den Weg zur Weisheit. Das Problem aus dem Lysis wird also erst im Phaidros dringlich. Denn um erklären zu können, inwiefern gegenseitige Liebe wichtig für das Erlangen von Weisheit ist, muss Sokrates zunächst einmal zeigen, dass sie innerhalb seines theoretischen Rahmens überhaupt möglich ist. Da Gegenseitigkeit für Diotima unerheblich ist, besteht für sie dagegen kein besonderer Grund, sich um eine Lösung zu bemühen. Im Folgenden gehe ich dem Problem der gegenseitigen Liebe in den drei Dialogen nach. Zunächst erläutere ich, in welchem Zusammenhang das Problem im Lysis auftaucht; danach gehe ich zum Symposion über und versuche, Diotimas Haltung zu den Fragen im Lysis zu verstehen; schließlich zeige ich, wie und vor allem warum Sokrates das Problem dann im Phaidros löst. Damit wende ich mich gegen eine prominente Forschungsposition, der zufolge Platon gar keine Theorie der gegenseitigen Liebe entwickelt, weil ihn nur interessiert, was es für x bedeutet, y zu lieben, aber nicht, was es für x und y bedeutet, einander zu lieben.2 Meines Erachtens gilt das nur für das Symposion (und auch da nur für Diotimas Lehre); schon im Lysis, aber spätestens im Phaidros interessiert sich Platon sehr wohl für Gegenseitigkeit – nicht zuletzt auch deshalb, weil der Wert der gegenseitigen Liebe für die Erkenntnis gleichzeitig den Wert des zwischenmenschlichen Dialogs im Vergleich zum einsamen philosophischen Gespräch mit sich selbst erklären kann. Ich ende daher mit einer kurzen Überlegung zum philosophischen Dialog.
1 Penner und Rowe sehen das anders. Ihnen zufolge endet der Lysis nicht offen, sondern mit einem Plädoyer für die Theorie, dass sich Liebe auf Weisheit richtet, vgl. Penner und Rowe 2005, 183 f. 2 Siehe z. B. Kahn 1996, 260 f.; Nussbaum 2001, 498 f.; Penner und Rowe 2005, 56.
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12.2 Das Problem im Lysis Gegen Ende des Lysis schlägt Sokrates eine neue Theorie der Liebe vor. Der Grund der Liebe, sagt er, sei schlicht und ergreifend das Begehren (Ly. 221d2–4). Weiter: Aber […] das Begehren begehrt doch das, was ihm fehlt. Nicht wahr? – Ja. – Wem also etwas fehlt, das ist dem freund, was ihm fehlt? – Mich dünkt. – Jedem aber fehlt das, was ihm entzogen ist? – Wie anders? – Auf das Angehörige [das oikeion] also, wie es scheint, geht Liebe und Freundschaft und Verlangen, wie sich zeigt, o Menexenos und Lysis? – Sie stimmten ein. – Ihr beide also, wenn ihr gegenseitig Freunde seid, müsst irgendwie von Natur einander angehören. (Ly. 221d7–e7, Übers. Schleiermacher). Der erste Satz ist plausibel: Begehren richtet sich auf etwas, das fehlt. Denn warum sollten wir etwas begehren, das wir schon längst besitzen?3 Aber im zweiten Satz scheint Sokrates noch einen Schritt weiter zu gehen: Wenn uns etwas fehlt, scheint er hier zu sagen, dann sind wir ihm auch „freund“, das heißt, dann begehren wir es auch. Mit anderen Worten, nicht nur fehlt uns, was wir begehren, sondern wir begehren auch alles, was uns fehlt. Das mag zunächst seltsam anmuten. Könnte uns nicht etwas fehlen, das wir gar nicht wollen? Vielleicht besitze ich kein Paar blaue Schuhe, aber deshalb begehre ich noch lange keines. Die weitere Lektüre beantwortet unsere Frage: Sokrates will „fehlen“ hier in einem engeren Sinne verstanden wissen. Es fehlt nicht einfach all das, was man zufällig nicht besitzt; sondern wirklich fehlen kann nur, was eigentlich zu uns gehört, uns aber entzogen wurde. Dabei sollte man „entziehen“ hier wohl nicht unbedingt wörtlich nehmen. Sondern etwas ist uns entzogen, wenn seine Abwesenheit unnatürlich ist, weil es ein Teil von uns ist.4 Begehren richtet sich also dieser Theorie zufolge auf das von Natur aus Angehörige, das oikeion, ohne das wir unvollständig sind. Wenn Liebe allein im Begehren begründet ist, bezieht sich demnach auch Liebe auf das oikeion. Ich will die oikeion-Theorie hier nicht im Einzelnen diskutieren5 , sondern das Augenmerk darauf lenken, was nach Sokrates aus ihr folgt. Sokrates meint nämlich, dass Liebe, wenn ihr Objekt das oikeion ist, immer gegenseitig sein müsse (222a7–9). Seine Überlegung scheint zu sein, dass Angehörigkeit eine beidseitige Beziehung ist: wenn x dem y angehörig ist, dann ist y auch dem x angehörig. Wahre und nicht bloß eingebildete 3 Siehe auch Sokrates’ Diskussion mit Agathon in Symp. 200a1–e1. 4 Vgl. Penner und Rowe 2005, 158: „If we say ,humans lack feathers‘, that is irrelevant to Socrates’ point; for we have no need of feathers. In the context of Socrates’ overall argument here in the Lysis, the claim at issue (that everything we lack, we desire) has a more particular application, namely that everything we genuinely lack, we desire.“ [Hervorh. d. Verf.] 5 Siehe z. B. Bolotin 1979 oder Penner und Rowe 2005 für eine ausführliche Diskussion.
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Liebe, die sich wirklich auf das oikeion bezieht, soll und wird demnach erwidert werden. Daher ist die oikeion-Theorie im Grunde gut geeignet, die zwischenmenschliche Liebe zu erklären: Denn zwischenmenschliche Liebe zeichnet sich ja unter anderem dadurch aus, dass sie mit dem Wunsch nach Gegenseitigkeit einhergeht und idealerweise auch gegenseitig ist, (wie wir am Beispiel des Hippothales sehen können, der sich nach Lysis’ Gegenliebe sehnt, 204b4–206e2). Da es im Lysis insbesondere um zwischenmenschliche Liebe geht, spricht das eigentlich für die oikeion-Theorie.6 Aber Sokrates zögert trotzdem, ihr zu folgen, weil sich herausstellt, dass sie sich nicht leicht mit einer anderen These vereinbaren lässt, auf die sich Sokrates und Lysis schon zu Beginn der Diskussion geeinigt hatten. Es handelt sich um die These, dass sich Liebe ausschließlich auf das für uns Gute und Nützliche richtet (im Lysis ist noch nicht die Rede von der Idee des Guten, deshalb referiert „das Gute“ hier einfach auf die Menge aller guten Dinge); insofern sie anderen Menschen gilt, richtet sich Liebe danach nur auf die Guten (210c9–d5). Nennen wir diese Theorie Nutzen-Theorie. Wenn wir die Nutzen-Theorie beibehalten und außerdem die oikeion-Theorie vertreten wollen, dann müssen wir behaupten, dass die uns Angehörigen die Guten sind (222c3–d6). Allerdings hatten Sokrates, Lysis und Menexenos bereits erarbeitet, dass – wenn sich Liebe immer nur auf die Guten richtet – weder schlechte noch gute, sondern nur „weder-gut-noch-schlechte“ Menschen liebesfähig sind. Die Schlechten lieben die Guten nicht, denn sonst wären sie nicht schlecht. Die Schlechten lieben nichts und niemanden, noch nicht einmal sich selbst. Aber die Guten lieben die Guten auch nicht, denn sie sind ja schon gut und besitzen bereits alles erdenklich Begehrenswerte. Sie sind völlig selbstgenügsam (215b5–c2).7 Also lieben nur die die Guten, die zwar noch nicht gut und daher auch nicht selbstgenügsam, aber auch nicht ganz schlecht sind, denn anders als den Schlechten macht den weder-gut-noch-schlechten Menschen ihr Mangel an Gutem etwas aus (213d–217a, insbesondere 216c1–217a2). Aber dann können wir Liebe nicht als Sehnsucht nach dem verlorenen oikeion verstehen. Denn Angehörigkeit ist ja eine beidseitige Beziehung, und wer uns angehörig ist, muss in der Lage sein, unsere Liebe zu erwidern. Der Nutzen-Theorie zufolge kön6 Das zeigt sich z. B. am dramatischen Rahmen (Hippothales ist in Lysis verliebt und will seinen Liebling erobern) und am Untersuchungsgegenstand zu Beginn des Gesprächs (die Freundschaft zwischen Lysis und Menexenos). Die Konzentration auf Liebe zu anderen Menschen mag auch ein Grund sein, warum Sokrates im Lysis überwiegend von philia und seltener von erōs spricht: zwar scheint er keinen theoretisch relevanten Unterschied zwischen den beiden Begriffen zu sehen (weshalb er sie auch überwiegend gleichbedeutend verwendet, siehe Penner und Rowe 2005, 110 und 249); trotzdem bezieht sich philia im normalen Sprachgebrauch eher auf zwischenmenschliche Liebe (inklusive Freundschaft und Liebe in der Familie), während erōs auch einfach allgemein als Verlangen verstanden werden kann. Für weitere Überlegungen zu diesem Thema siehe Kahn 1996, 258–261 und Kraut 2008, 286–289. 7 Im Lysis behauptet Sokrates also, dass Gute einander nicht lieben können. Im Phaidros vertritt er interessanterweise das Gegenteil: Die Guten können sich sehr wohl lieben; sie sind sogar bestimmt, einander zu lieben, vgl. Phdr. 255b1–3 (darauf komme ich noch zurück). Siehe auch Kahn 1996, 284.
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nen die Guten aber keine Liebe erwidern, wie wir eben gehört haben: Die Schlechten oder Weder-gut-noch-schlechten können sie nicht lieben, weil die nicht gut sind, aber andere Gute können sie auch nicht lieben, weil sie ihrer nicht mehr bedürfen und sie daher nicht begehren. So erklärt sich der Schluss der Diskussion im Lysis: „Wie aber, wenn wir sagten, das Gute und das Angehörige sei einerlei, wird dann nicht der Gute dem Guten allein freund sei? [weil Liebe der oikeion-Theorie zufolge gegenseitig sein muss] – Gewiss. – Aber auch dieses glaubten wir uns selbst widerlegt zu haben. Oder erinnert ihr euch nicht? – Sehr gut erinnern wir uns.“ (222d5–8) Die beiden Theorien scheinen sich also gegenseitig auszuschließen. Eben der Aspekt der oikeion-Theorie, der sie zu einer guten Erklärung von zwischenmenschlicher Liebe macht, ist unvereinbar mit der These, dass sich Liebe auf die Guten richtet: Denn die Nutzen-Theorie lässt offenbar keine Reziprozität zu. Vielleicht könnte man die Nutzen-Theorie auf folgende Weise vor dem Vorwurf bewahren: Man könnte behaupten, dass die Weder-gut-noch-schlechten durchaus einander lieben können, wenn sie nicht allein die absolut Guten, sondern auch die nur in einigen Aspekten Guten lieben. Die absolut Guten sind zwar die in jeder Hinsicht liebenswerten. Aber das schließt nicht aus, dass nicht auch solche geliebt werden können, die noch nicht absolut, sondern erst in einigen Hinsichten gut sind. Wir könnten uns beispielsweise eine Situation vorstellen, in der x den y liebt, weil ihm y das Gut A voraushat; und dass y die Liebe erwidert, weil ihm x Gut B voraushat. Dann wären sich x und y gegenseitig nützlich. Das Problem ist, dass dieser Vorschlag nur hilft, wenn es in der Tat mehr als ein Gut, A und B, gibt. Im Lysis ist aber nur von einem Gut die Rede, nämlich der Weisheit: Wer weise ist, der ist nützlich und gut, wer nicht, der nicht (210d1–5). Ferner scheint Sokrates unter Weisheit etwas Einheitliches zu verstehen, und zwar die Art von Wissen, die man durch Philosophie erlangt (218a1–c3). In dem Fall ist es aber unmöglich, dass x und y einander in jeweils unterschiedlicher Hinsicht nützlich sind. Denn Nutzen besteht allein in einer bestimmten Form von Weisheit. In diesem Szenario scheint gegenseitige Liebe wirklich ausgeschlossen zu sein: Wenn wir nur die lieben, die uns der Weisheit näher bringen können, und wir nehmen (mit Sokrates und Lysis) an, dass das im Vergleich zu uns Weisere sein müssen (210a8–d11),8 dann kann Liebe nicht erwidert werden. Wir müssen also zwischen der oikeion- und der Nutzen-Theorie wählen, wobei letztere Gegenseitigkeit ausschließt. Der Lysis endet unentschieden und lässt uns mit dem Problem allein.9 Für welche sollen wir uns entscheiden? 8 Hier wird „nützlich sein“ mit „verständiger sein“ gleichgesetzt, so dass × dem y nützlich ist, wenn × dem y in Sachen „Weisheit“ voraus ist. 9 Obwohl Sokrates das Gespräch mit den Worten beendet, dass sie „noch nicht vermocht [haben,] auszufinden“, was ein Freund sei (223b9–10), meinen Penner und Rowe, die Nutzen-Theorie trage den Sieg davon, vgl. Penner und Rowe 2005, 183 f. Der zentrale Schritt ihres Arguments ist, dass der Geliebte nicht weise(r) sein müsse, sondern dass „concern for wisdom“ (164–65) ausreiche, um dem Liebenden nützlich zu sein. Aber es
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12.3 Die Entscheidung im Symposion Im Symposion beantwortet Diotima diese Frage, indem sie Aristophanes’ Liebestheorie zurückweist. Auf der Basis seines Mythos von den Kugelmenschen hatte Aristophanes vorgeschlagen, Liebe als Sehnsucht nach unserer verlorenen anderen Hälfte zu verstehen. Es ist nicht schwer, hierin die oikeion-Theorie aus dem Lysis wiederzuerkennen: Hier wie dort richtet sich Liebe auf das von Natur aus Angehörige, das uns entzogen wurde.10 Und ebenso wie die oikeion-Theorie kann Aristophanes Gegenseitigkeit erklären. Wenn x die andere Hälfte von y ist, dann ist y auch die andere Hälfte von x. Zumindest wahre Liebe ist demzufolge immer beidseitig. Aber Diotima schlägt uns diese Liebestheorie ohne Umschweife aus der Hand: „Und so geht zwar eine Rede, sagte sie, dass, die ihre Hälfte suchen, lieben. Meine Rede aber sagt, die Liebe gehe weder auf die Hälfte, Freund, noch auf das Ganze, wenn es nicht ein Gutes ist. Denn die Menschen lassen sich ja gern ihre eigenen Hände und Füße wegschneiden, wenn sie, obgleich ihr eigen, ihnen böse und gefährlich scheinen. Denn nicht an dem Seinigen hängt jeder, glaube ich, es müsste denn einer das Gute das Angehörige [oikeion] nennen und das Seinige, das Schlechte aber Fremdes. So dass es nichts gibt, was die Menschen lieben, als das Gute.“ (205d9–e7) Wenn Liebe ein Begehren ist, hatte Diotima zuvor schon argumentiert, dann ist sie auch Glücksstreben. Dass die Frage „Warum willst du glücklich sein?“ nicht sinnvoll ist, zeigt, dass es gar keine Alternative gibt: Wer überhaupt etwas begehrt, der begehrt Glück (205a2–5). Glück bedeutet ferner, das Gute für immer zu besitzen. Also verlangt die Liebe nach dem ewigen Besitz des Guten (204e4–205a5; wobei „das Gute“ hier wie im Lysis einfach die Menge aller Güter ist). Die obige Passage bestätigt dieses Argument. In der Tat begehren wir nur Dinge, insofern sie uns gut erscheinen. Denn wie das Beispiel mit den Gliedmaßen zeigen soll, trennen wir uns ja getrost von allem, was uns nicht gut dünkt, auch, wenn es uns angehörig ist. Aristophanes’ Theorie wäre nur haltbar, wenn alles uns Angehörige gut wäre. Aber dem scheint nicht so zu sein: Unsere Hand gehört ja selbst dann noch zu uns, wenn sie uns gefährlich geworden ist. Die Entscheidung ist also gefallen. Im Lysis wurden wir vor die Wahl gestellt zwischen der oikeion-Theorie und der Theorie, dass sich Liebe auf das Gute richtet, und im Symposion erklärt uns Diotima, warum die letztere der ersteren vorzuziehen ist. Aber was ist nun mit der Gegenseitigkeit der Liebe? Diotima mag ja recht haben, dass sich Liebe – wenn sie im Verlangen begründet ist, wie beide Theorien annehmen – auf das gibt keinen textlichen Beleg für diese Interpretation; ja, Sokrates scheint das Gegenteil zu behaupten (210a8– d11). Deshalb scheint der Hinweis auf „concern for wisdom“ aus anderen Dialogen (wie z. B. dem Phaidros, siehe Abschnitt 4) importiert zu sein. Im Kontext ihrer Rezension von Penner und Rowe macht Obdrzalek 2006, 3 einen ähnlichen Punkt. 10 Aristophanes spricht auch von der anderen Hälfte als oikeion, vgl. 193d1–3. Zu den Ähnlichkeiten zwischen Aristophanes’ Mythos und der oikeion-Theorie aus dem Lysis siehe auch Price 1989, 12 f. und Joosse 2010.
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Gute richten muss. Aber zahlt sie dafür den Preis, dass sie gegenseitige Liebe nicht erklären kann? Sie bleibt uns die Antwort auf diese Frage schuldig und geht gar nicht auf das Problem aus dem Lysis ein. Nachdem sich Sokrates und Diotima geeinigt haben, dass Liebe nach dem ewigen Besitz des Guten verlangt, erklärt Diotima weiter, dass die charakteristische Tätigkeit der Liebe im „Gebären im Schönen“ besteht. Was das genau bedeutet und wie man „im Schönen gebiert“, illustriert Diotima anhand einer Stufenleiter: Der Liebende gebiert zunächst Kinder in schönen Körpern, dann geistige „Kinder“ in schönen Seelen, bevor ihn die Schönheit der Wissenschaften einnimmt und ihn zu „vielen schönen und herrlichen Reden und Gedanken“ (210d7) inspiriert – bis er schließlich die Idee des Schönen selbst schaut und am höchsten Punkt der Leiter Erkenntnis erlangt. Erkenntnis versetzt den Liebenden in den immerwährenden Besitz des Guten und stillt somit sein Verlangen.11 Wie im Lysis besteht das Gute also im Besitz der Weisheit. In diesem Szenario scheint die Liebe zu anderen Menschen überhaupt nur auf den unteren Stufen der Leiter von Bedeutung zu sein; die Schönheit anderer Menschen, insbesondere ihre geistige Schönheit, motiviert und befördert anfangs die geistige Weiterentwicklung des Liebenden – aber schon dort ist es wohl unerheblich, ob die Schönen seine Liebe erwidern oder nicht, jedenfalls sagt Diotima nichts darüber.12 Einseitige Liebe reicht für die gewünschte Wirkung scheinbar völlig aus. Auf den höheren Stufen der Leiter soll sich der Liebende dann sowieso von allen Bindungen an einzelne Menschen trennen, um sich ganz auf die Wissenschaft konzentrieren zu können (210c7–d10). Ab diesem Zeitpunkt scheinen von gegenseitiger Liebe getragene zwischenmenschliche Beziehungen demnach nicht nur egal, sondern sogar hinderlich für den Weg zur Weisheit zu sein. Das würde erklären, warum Diotima das Problem aus dem Lysis ignoriert: Wenn Liebe Weisheitsstreben ist und die gegenseitige Liebe keinen (in manchen Situationen sogar einen negativen) Wert für das Erlangen von Weisheit hat, dann muss eine Theorie der Liebe die Möglichkeit von Gegenseitigkeit nicht unbedingt erklären können. Innerhalb von Diotimas theoretischem Rahmen ist es also verständlich, dass sie sich nicht zum Problem der Gegenseitigkeit äußert. Aber lässt uns dieses Ergebnis nicht an diesem Rahmen zweifeln? Wenn wir Diotima zustimmten, dass Glück allein in Erkenntnis besteht und gegenseitige Liebe unerheblich für Erkenntnis ist, dann müssten wir ja auch zugeben, dass gegenseitige Liebe unerheblich für das Glück ist – und das widerspricht unserer Intuition. Würden wir nicht jeden bedauern, der nie die besondere 11 Denn Erkenntnis bedeutet „wahre Tugend“, und wahre Tugend verdient die Liebe der Götter und sogar Unsterblichkeit, siehe Symp. 212a f. 12 Diotima erwähnt zwar, dass die Liebenden die Geliebten an ihrer geistigen Weiterentwicklung teilhaben lassen (vgl. 209b, 210c; für eine Diskussion dieser Passagen siehe Sheffield, 2006, 154 f.); aber an keiner Stelle sagt sie etwas über die mögliche Gegenliebe des Geliebten.
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Nähe zu einer anderen Person erfahren hat, die nur möglich ist, wenn sich beide lieben? Einem Leben ohne die Erfahrung von gegenseitiger Liebe scheint etwas Wichtiges zu fehlen; wir würden es daher nicht als wirklich glücklich betrachten.13 Sehen das die Symposiasten so anders? Aristophanes’ Rede zeugt davon, dass zumindest er Einspruch gegen Diotimas Vision von Liebe und Glück erheben würde – und das versucht er ja auch, als Sokrates seine Rede beendet hat. Er wird nur leider von Alkibiades unterbrochen (212c3–d7). Alkibiades ist nun aber selbst ein Beispiel für einen Liebenden, der darunter leidet, nicht zurückgeliebt zu werden.14 Auch nach all den Gesprächen mit Sokrates und den Belehrungen, hängt er noch an der Vision der Gemeinschaft mit seinem Geliebten. Obwohl er Sokrates scheinbar glaubt, dass das philosophische das beste Leben ist und er dafür keine Gegenliebe braucht, hat sich das in seinen Gefühlen und Handlungen nicht niedergeschlagen. Das mag natürlich ein Zeichen für seine Irrationalität sein. Aber es könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass etwas mit Sokrates’ und Diotimas Vision vom guten Leben nicht stimmt, wenn sie so gar keine Früchte trägt. Sokrates ist doch selbst ein Vertreter der These, dass sich ernsthafte Überzeugung in Handlungen zeigt und echte akrasia unmöglich ist.15 Ist Alkibiades vielleicht nicht im tiefsten Herzen überzeugt, dass gegenseitige Liebe unwichtig und das einsame Philosophieren das Glück auf Erden ist? Und nicht nur die Beziehung zwischen Sokrates und Alkibiades scheitert: Fast alle Diskussionen, die er beginnt, werden unterbrochen oder frühzeitig beendet, so dass ihm nichts anderes übrigbleibt, als sich mit einer imaginierten Gesprächspartnerin (Diotima) zu unterhalten.16 Vor dem Hintergrund seiner Rede wird das verständlich. Warum sollen wir uns auf tiefere Gespräche mit Sokrates einlassen, wenn ihm eine auf Gegenseitigkeit beruhende Freundschaft mit uns sowieso egal ist, mögen sich die Symposiasten fragen. Dass gegenseitige Liebe keine Rolle in einem glücklichen Leben spielt, wird also im Symposion selbst in Frage gestellt und problematisiert. Aber so, wie wir im Lysis mit der Entscheidung zwischen der Nutzen- und der oikeion-Theorie alleine gelassen
13 Wobei ich hier nicht nur Liebesbeziehungen im engeren Sinne, sondern auch tiefe Freundschaften etc. meine (wie ja auch Sokrates unter erotischen Beziehungen sowohl körperliche als auch rein geistige versteht). 14 Nussbaum meint deshalb, dass Aristophanes durch Alkibiades doch noch indirekt zu Wort kommt: Ihrer Interpretation zufolge präsentiert Alkibiades die aristophanische Liebestheorie erneut. Vgl. Nussbaum 1986, 165–199. 15 Jemand ist akratisch, wenn er gegen sein eigenes besseres Urteil handelt. In Dialogen wie dem Protagoras vertritt Sokrates die These, dass echte akrasia unmöglich ist. Im Symposion treffen wir auch auf diese These, vgl. 212a2–4: Erkenntnis macht automatisch tugendhaft. 16 Siehe Symp. 194d1 (Phaidros unterbricht ihn), 201c4–6 (Agathon entzieht sich), 212c4 f. (Alkibiades unterbricht Aristophanes und Sokrates), 223d6–9 (Aristophanes und Agathon schlafen ein). Zu den Unterbrechungen im Symposion siehe auch Jula Wildbergers Beitrag in diesem Buch.
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werden, fällt der Vorhang auch im Symposion, bevor diese Frage weiter erörtert werden kann.17
12.4 Die Lösung im Phaidros Im Phaidros nimmt Sokrates das Thema aber wieder auf. In seiner zweiten Rede über erōs malt uns Sokrates hier ein Bild vom Glück, in dem von gegenseitiger Liebe getragene Beziehungen sehr wohl eine wichtige Rolle spielen. Was hat sich seit dem Symposion geändert? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder hat Sokrates seine Vision vom Glück revidiert und glaubt jetzt, dass Glück nicht nur in Erkenntnis besteht; oder er hat seine Meinung über den Wert der gegenseitigen Liebe für die Erkenntnis geändert. Ersteres kann ausgeschlossen werden, denn wie wir gleich noch sehen werden, vertritt Sokrates auch im Phaidros die Position, dass für das Glück nicht mehr (und nicht weniger) als Erkenntnis von Nöten ist, genau wie im Lysis und im Symposion. Also muss gegenseitige Liebe jetzt eine andere Rolle im Erkenntnisprozess spielen. Aber bevor wir untersuchen können, welche Rolle das ist, muss erst das Problem aus dem Lysis gelöst werden: Wenn Sokrates argumentieren will, dass gegenseitige Liebe wertvoll ist, dann muss er zunächst einmal zeigen, dass Gegenseitigkeit innerhalb seiner Liebestheorie überhaupt möglich ist. Um seinen Lösungsvorschlag nachzuvollziehen, wollen wir uns kurz seinen Ausführungen über die Seele zuwenden. Sokrates beginnt seine Rede mit einem Beweis für die Unsterblichkeit der Seele. Die Seele sei unsterblich, sagt er, weil sie ein selbstbewegter Beweger sei. Dinge, die sich selbst, d. h. ohne äußere Krafteinwirkung bewegen können, hörten nämlich niemals auf, in Bewegung zu sein; außerdem seien sie genuine Anfänge und als solche für das Fortbestehen aller restlichen Bewegung verantwortlich. Aus beiden Gründen seien sie unsterblich (Phdr. 245c5–246a2). Von dort leitet Sokrates über zu einer bildhaften Darstellung ihrer Natur: Die Seele solle man sich vorstellen wie ein gef lügeltes Gespann, bestehend aus einem Wagen, einem Wagenlenker und zwei Pferden. Dieses Gespann (Wagenlenker wie Pferde) ernähre sich von der Wahrheit und müsse dazu in regelmäßigen Abständen zum Rand des Himmels fahren, um von dort aus „das Wahre“ zu schauen (246a3–247e9; „das Wahre“ ist hier ein Oberbegriff für sämtliche Ideen). Es ist eine ins Auge fallende Metapher, das Wahre die Nahrung der Seele zu nennen.18 Denn hatten wir nicht gerade gehört, dass sie ein selbstbewegter Beweger ist? Und selbstbewegte Beweger brauchen doch wohl keine Nahrung, jedenfalls nicht, wenn wir unter „Nahrung“ wie üblich eine externe Energiezufuhr verstehen. Das Wahre muss 17 Vgl. Nichols 2009, 86–89 über die Unvollständigkeit des Symposion. 18 In der entsprechenden Passage sind auffällig viele Worte für Ernährung, Essen, Trinken etc., siehe z. B. 246e2, 247a8, 247d2, 247d5, 247e8, 248b6, 248c2. Platon ist diese Metapher also unmöglich aus Versehen unterlaufen, sondern er betont sie bewusst immer wieder.
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also Nahrung in einem anderen Sinne als dem üblichen sein. Die Seele braucht sie, aber nicht, um sich überhaupt zu bewegen, sondern um Kriterien dafür zu haben, wie und wohin sie sich bewegt. Denn nur ein Wesen, dessen Bewegung nicht von außen determiniert wird, dem also alles zu tun frei steht, muss sich ganz grundsätzlich Gedanken darüber machen, wie es sich verhalten soll. Weiterhin gibt es einen Unterschied zwischen göttlichen und menschlichen Seelen, der darin besteht, dass göttliche Seelen zwei folgsame, menschliche Seelen aber ein folgsames und ein widerspenstiges Pferd haben (246a11–b4). Während es den göttlichen Seelen leicht fällt, die Ideen so oft wie nötig zu schauen, tun sich die menschlichen Seelen schwer: Ihr widerspenstiges Pferd wehrt sich des Öfteren gegen die Weisungen des Lenkers und hält sie auf diese Weise davon ab, bis zum Himmelsrand zu reisen, um sich am Ausblick zu laben. Wenn sie das Wahre aber länger nicht gesehen haben und dann schließlich vergessen, lichtet sich ihr Gefieder und sie fallen zur Erde (248a1–c9). Dort leben sie fortan von „scheinbarer Nahrung“ (248b6), also von Dingen, die nur wahr scheinen, aber nicht wahr sind, und die sie deshalb nie ganz sättigen können. Das ist das Unglück der menschlichen Seelen auf Erden: ein ständiges, nagendes Hungergefühl, ohne zu wissen, was denn sättigen könnte. Nur durch Erinnerung an das nicht nur scheinbar, sondern wirklich Wahre könnte der Hunger gestillt werden. Also besteht das Glück auch im Phaidros in Erkenntnis; der Unterschied zum Lysis und Symposion ist nur, dass Erkenntnis hier explizit als Erinnerung an bereits Bekanntes verstanden wird. Das wird im Folgenden noch wichtig. Auf der Basis dieser Seelenlehre kann Sokrates nun seine Liebestheorie entfalten. Sich in eine Person zu verlieben bedeutet, beim Anblick ihrer Schönheit an die Idee der Schönheit und somit an das Wahre als solches erinnert zu werden (249d4–e5). Wer sich verliebt, erinnert sich also daran, was ihn wirklich nährt, und damit auch, wer er selber eigentlich ist, nämlich ein selbstbewegter Beweger, dessen Verlangen nur vom Wahren gestillt werden.19 Allerdings ist die Erinnerung nicht schlagartig, sondern schrittweise. Ebenso, wie wenn man nach langer Zeit einen Bekannten wiedertrifft und erst noch überlegen muss, wer das ist und woher man sich kennt, kann auch der Liebende nicht sofort einordnen, woran genau er sich da erinnert. Er ist sich nur sicher, dass es über alle Maßen bedeutungsvoll für ihn ist (250a7–10). Er sucht deshalb immer wieder die Gesellschaft des Geliebten auf, um seiner Erinnerung auf die Spur zu kommen. Je mehr er sich erinnert, desto mehr sprießt sein verkümmertes Gefieder nach (251c6–252a7). Um in mir das Bild der Wahrheit wiederzuerwecken, muss mir der Geliebte an Wissen nichts voraushaben. Und das eröffnet die Möglichkeit von Gegenseitigkeit, denn nichts spricht dagegen, dass man sich gegenseitig an das Wahre erinnert. Die anamnēsis-Lehre, der zufolge Seelen bereits das Wahre in sich tragen, hilft Sokrates also, das Problem der gegenseitigen Liebe zu lösen. Diotima hat Recht: Liebe richtet sich auf 19 Vgl. Ferrari 1987, 147–149.
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das Gute und nicht auf das oikeion, und das Gute besteht in der Weisheit, bzw. der Erkenntnis. Aber das schließt gegenseitige Liebe nicht aus, wie im Lysis befürchtet, denn – anders als im Lysis gedacht – ist Weisheit nicht etwas, das man von den Weisen, bzw. den jeweils Weiseren erlernt. Sondern Lernen ist in Wahrheit Erinnerung, und Lehrer im Sinne von Wissensvermittlern gibt es nicht.20 Es gibt nur Menschen, die einen dazu bewegen können, den Prozess der Erinnerung an bereits Vertrautes in Gang zu setzen. Welche Rolle spielt die Gegenliebe nun aber für diesen Prozess? Man könnte ja meinen, dass Gegenliebe, wenn auch möglich, so doch für den Erinnerungsprozess unwichtig ist. Aber wie bereits erwähnt, entwirft Sokrates hier eine Vision vom Glück, in der der Liebende zurückgeliebt wird; in der man als Liebespaar „einträchtig“ (256a10) lebt und philosophiert (253c2–257a2). Um uns einer Antwort auf die Frage anzunähern, warum Sokrates hier so großen Wert auf Gegenseitigkeit legt, müssen wir erst noch folgende zwei Überlegungen anstellen: (1) Zum einen müssen wir darüber nachdenken, was eigentlich genau Erinnerung an das Wahre hervorruft. Sokrates spricht von der Schönheit des Geliebten als Auslöser für Erinnerung. Objekte, die an der Idee der Schönheit teilhaben, sind als solche für uns klar erkennbar, während das zum Beispiel bei Instanzen der Gerechtigkeit anders ist; deshalb können uns erstere an das Wahre erinnern, letztere aber nicht (250b2–d8). Aber es scheint noch eine weitere Bedingung dafür zu geben, dass uns etwas erinnert: Denn Sokrates spricht ausschließlich von menschlicher Schönheit, nirgendwo erwähnt er die Schönheit eines Sonnenuntergangs o. ä. Entweder sind überhaupt nur Menschen schön, oder allein die menschliche Schönheit ist im obigen Sinne klar als Instanz der Idee erkennbar.21 Was ist denn an Menschen so besonders, dass nur ihre Schönheit die Kraft besitzt, uns zu erinnern (bzw. dass nur sie als schön gelten können)? Sokrates charakterisiert Menschen folgendermaßen: Menschen sind Seelen mit einem widerspenstigen Pferd, die es aber trotzdem wenigstens einmal bis zum Himmelsrand geschafft und das Wahre erblickt haben; eine Seele, die das Wahre nie gesehen hat, kann auch niemals Mensch, sondern höchstens ein Tier werden (249b2–7, 249e5–8). Wenn das Alleinstellungsmerkmal von Menschen ist, dass sie das Wahre gesehen haben, dann muss spezifisch menschliche Schönheit etwas damit zu tun haben. Besteht sie vielleicht darin, dass man ihnen die „Nähe zum Wahren“ in irgendeiner Weise ansieht? Sokrates unterscheidet zwischen solchen, bei denen das Wahre noch „nahe der Oberf läche“ ist und solchen, bei denen es in tiefste Vergessenheit geraten ist (249e5–250b1). Erstere sind die, die sich leichter erinnern, die sich deshalb auch schneller verlieben – und ich schlage vor, eben diese auch als die Schönen zu interpretieren. Die Schönen, die 20 Vgl. Men. 80d7–81d8. 21 Das entspricht Richardson Lears Interpretation von menschlicher Schönheit in der Politeia: Auf Erden diene menschliche Schönheit als Standard für alle andere Arten von Schönheit und sei damit die eigentliche Schönheit, vgl. Richardson Lear 2006b, 115.
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die Kraft haben, andere an das Wahre zu erinnern, zeichnen sich dieser Interpretation zufolge eben dadurch aus, dass sie selbst rasch von Erinnerung überfallen werden. Mit anderen Worten: Die Schönen sind auch ihrerseits empfänglich für die Schönheit anderer.22 Dafür spricht auch Sokrates’ Schilderung, wie es dazu kommt, dass sich der Geliebte seinerseits in den Liebenden verliebt: Der Geliebte verliebt sich, weil der Liebende viel besonderer ist alle anderen (255b3 f.). Was ist denn so besonders an dem Liebenden? Er ist in der Gegenwart des Geliebten vom Verlangen nach Wahrheit durchdrungen und beginnt zu philosophieren. Der Anblick von jemandem, dem langsam die Wahrheit „dämmert“, muss also schön sein.23 (Das erklärt auch, in welchem Sinne der Liebende die Schönheit des Geliebten „spiegelt“, 255b8–d7: in seinen Zügen wird eben die „Nähe zur Wahrheit“ erkennbar, die den Geliebten schön macht.)24 (2) Zum anderen berichtet Sokrates, dass Liebende den Anblick ihrer Geliebten immer wieder aufsuchen müssen, damit ihre Flügel zurückwachsen. Wie schon erwähnt, reicht es nicht, dass der Geliebte den Liebenden einmal an das Wahre erinnert – denn beim ersten Mal ist die Erinnerung des Liebenden noch undeutlich, und wenn er seinen Geliebten danach nie wieder sieht, verkleben die Poren wieder, aus denen die neuen Federn sprießen (251d1 f.). Zum Erinnerungsprozess gehört es, immer wieder erinnert zu werden, so wie selbst die göttlichen Seelen in regelmäßigen Abständen zum Himmelsrand zurückkehren müssen, um das Wahre erneut zu sehen und es nicht zu vergessen (247d1–e9). Nun endlich zum Wert der Gegenliebe. Wenn der Geliebte wirklich zu den Schönen gehört, d. h., wenn er der Wahrheit tatsächlich in dem Sinne nahe ist, dass sie noch an der Oberf läche seines Gedächtnisses besteht, dann wird auch er beim Anblick des Liebenden an die Wahrheit erinnert werden. Denn das Verlangen nach Wahrheit, das die Liebe im Liebenden entfacht hat, macht ja auch diesen schön. Erwidert der Geliebte nun die Liebe des Liebenden, dann erinnert er den Liebenden nochmals und umso 22 Das mag zirkulär aussehen, ist es aber m. E. nicht. Denn ich behaupte ja nicht, dass Empfänglichkeit für die Schönheit anderer selbst die Definition von Schönheit ist. Sondern schön zu sein bedeutet, sich (vergleichsweise) rasch an das Wahre erinnern zu können. Erst in Kombination mit Sokrates’ Liebestheorie (bzw. der These, dass uns Schönheit an das Wahre erinnert), folgt daraus, dass Schöne ihrerseits für die Schönheit anderer empfänglich sind. 23 Wenn spezifisch menschliche Schönheit in der so verstandenen „Nähe zum Wahren“ besteht, dann scheint sie rein geistiger Art zu sein. Aber Sokrates spricht doch von der schönen Gestalt (sōma) des Geliebten (251a3), die wir mit den Augen sehen können. Ist das problematisch? M. E. nicht: Denn geistige Schönheit ist ja trotzdem oft sichtbar, z. B. in Gesichtsausdrücken, in der Tiefe oder Wärme der Augen, etc. Das scheint auch Sokrates’ Auffassung zu sein: Im Kontext ihrer Analyse von Sokrates’ Schönheitsverständnis zeigt Richardson Lear, dass wir andere, Sokrates zufolge, überhaupt nur dann als schön wahrnehmen, wenn sich in ihrer Gestalt etwas Transzendentes manifestiert, d. h., wenn eine geistige Qualität durch die körperliche Gestalt „scheint“. Vgl. Richardson Lear 2006a, 117–118 und 2006b, 114. 24 Es bleibt eine offene Frage, warum die Gegenliebe „minder heftig“ ist, 255e3.
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mehr an das Wahre, denn seine Nähe zur Wahrheit kommt durch seine Gegenliebe nur noch deutlicher zum Vorschein. Durch die gegenseitige Liebe wird also die Erinnerung ständig erneut und wachgehalten, wie ein Spielball vom einen zum anderen und wieder zurück geworfen – und wie wir gesehen haben, ist diese ständige Wiederholung nötig, um sich schrittweise vollständig zu erinnern. Erinnert die Liebe des Liebenden den Geliebten aber nicht an das Wahre und erwidert er die Liebe daher nicht, dann kann sich auch der Liebende in seiner Nähe nicht erneut an das Wahre erinnern. Denn wenn die (durch die Liebe klar zutage getretene) Schönheit des Liebenden bei ihm nicht ebenfalls Wiedererinnerung auslöst, ist das ein Zeichen dafür, dass sich der Liebende in ihm geirrt haben muss – dass er gar nicht so schön, d. h. der Wahrheit gar nicht so nahe ist, wie es zunächst schien.25 Dass er den Liebenden überhaupt erinnern konnte, muss Zufall gewesen sein,26 und Zufälle wiederholen sich bekanntermaßen nicht oft (wenigstens kann man nicht damit rechnen). Spätestens wenn dem Liebenden sein Fehler bewusst wird, z. B. weil er bei dem Geliebten immer wieder auf taube Ohren stößt und dieser keinerlei Interesse am gemeinsamen Philosophieren zeigt, wird er ihm nicht mehr schön erscheinen. Zumindest dieser Quell der Erinnerung muss dann versiegen. Gegenseitige Liebe garantiert also, dass die Liebenden auf dem Pfad der Wiedererinnerung bleiben und nicht noch einmal von Vergessenheit überkommen werden: Die Liebe des einen, die sich im Verlangen nach Wahrheit ausdrückt, inspiriert auch den jeweils anderen immer wieder zur Philosophie. Deshalb versichert Sokrates mit Nachdruck, dass alle Liebespaare wiederbef lügelt werden. Bei manchen Liebespaaren geht es schneller als bei anderen (256b7–e2) – aber trotzdem werden alle ihren Weg zurück zum Wahren finden: „Denn in die Finsternis und den unterirdischen Pfad zu geraten ist denen nicht bestimmt, die schon eingeschritten waren in den himmlischen Pfad [den Pfad der Erinnerung], sondern ein lichtes Leben führend miteinander wandelnd glücklich zu sein, und wenn sie wieder befiedert werden, es der Liebe wegen zu gleicher Zeit zu werden.“ (256d7–e2) Einseitige Liebe kann das dagegen nicht garantieren: Wenn seine Liebe nicht erwidert wird, ist der Liebende in Gefahr, das Wahre wieder zu vergessen. Vielleicht ist es nicht logisch ausgeschlossen, dass in manchen Fällen der erste Anf lug von Erinnerung ausreicht, um für den Rest des Lebens Philosophie zu betreiben, aber Sokrates’ Schilderungen zufolge ist es zumindest praktisch ausgeschlossen. Der Wert der gegenseitigen im Vergleich zur einseitigen Liebe ist demnach, dass sie, wenn nicht logisch, so doch 25 Etwas als schön zu erfahren, heißt noch nicht unbedingt, dass es auch schön ist. Vgl. Richardson Lear 2006b, 109: „Beautiful things shine forth […] in their perfection […]; they seem to be ideal, worthy of praise, where ,seem‘ has all its ambiguity. That is to say, the seeming may be veridical or not, but it is not part of the experience itself to take a stand on which it is.“ 26 Vgl. Phd. 74a1–3, wo Sokrates erwähnt, dass Erinnerung an × nicht immer unbedingt von Dingen hervorgerufen werden muss, die × tatsächlich ähnlich sind. Erinnerung kann also manchmal auch zufällig sein.
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praktisch notwendig und in jedem Fall hinreichend für das Erlangen von Erkenntnis ist. Glücklicherweise scheint es unerwiderte Liebe aber überhaupt nur in Fällen zu geben, in denen sich der Liebende im Geliebten täuscht. Jede Liebe, die sich auf wahre Schönheit bezieht, wird erwidert werden: Denn schön zu sein bedeutet ja (obiger Interpretation zufolge), sich leicht an die Wahrheit erinnern zu können; und da es eben die Erfahrung von Schönheit selbst ist, die Erinnerung hervorruft, entsinnt sich ein wahrhaft Schöner beim Anblick eines anderen Schönen zwangsläufig des Wahren.27 Die hier vorgeschlagene Antwort auf die Frage nach dem Wert von gegenseitiger Liebe kann gleichzeitig als Antwort auf die Frage nach dem Wert von zwischenmenschlichem Dialog im Vergleich zum einsamen Philosophieren verstanden werden. Der Sokratische Dialog kann zwar auch im Innern einer Person stattfinden: Unsere Fähigkeit, uns von unseren eigenen Überzeugungen zu distanzieren und sie zu hinterfragen, macht es möglich, dass wir mit uns selbst Diskussionen führen können. Dialogpartner braucht man daher nicht unbedingt, um Argumente für oder wider die eigene Position zu entwickeln, das kann man im Prinzip auch allein. Aber man braucht sie, um von ihrem Verlangen nach Wahrheit selbst immer wieder an die Wahrheit erinnert zu werden – mit anderen Worten: Um von ihnen daran erinnert zu werden, warum man überhaupt Philosophie betreibt. Darum ist es besser, zusammen mit anderen und nicht nur alleine zu philosophieren.
12.5 Conclusio Sokrates geht erst im Phaidros auf das Problem der Gegenseitigkeit ein, mit dem der Lysis endet. Diotima schweigt sich über die Möglichkeit von gegenseitiger Liebe aus – denn für sie scheinen von gegenseitiger Liebe getragene Beziehungen unerheblich (in manchen Situationen sogar hinderlich) für den Erkenntnisfortschritt zu sein. Aber im Phaidros geht es Sokrates darum, zu zeigen, dass gegenseitige Liebe eine wichtige Rolle auf dem Weg zur Erkenntnis spielt. Deshalb zeigt er zunächst mithilfe der anamnēsisTheorie, dass Gegenseitigkeit innerhalb seines theoretischen Rahmens sehr wohl möglich ist; um uns dann auf den Wert der Gegenseitigkeit aufmerksam zu machen, der darin besteht, dass sich zwei einander Liebende immer wieder erneut an die Wahrheit erinnern. Die Erinnerung muss immer erneuert und wachgehalten werden, damit die Seele nicht wieder von Vergessenheit beschwert wird. Gegenseitige Liebe garantiert auf diese Weise, dass sich die Liebenden schrittweise vollständig an das Wahre erinnern und ist somit eines der größten Güter, wenn nicht das größte Gut auf Erden (Phdr. 245b7–9, 256b4–7, 256e3–4). Dieser Interpretation zufolge ergänzt und qualifiziert der 27 Vgl. 255b1–3:„Denn niemals ist dies bestimmt, dass […] ein Guter einem Guten nicht Freund werde.“ Aus dem Kontext geht hervor, dass die Guten auch die Schönen sind.
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Phaidros das Symposion: Er ergänzt das Symposion um die Lösung des Problems aus dem Lysis; und er qualifiziert das Symposion, insofern er der gegenseitigen Liebe einen wesentlichen Platz im Erkenntnisprozess einräumt.28 Das gute Leben beinhaltet also doch tiefe zwischenmenschliche Beziehungen, und wenn unsere Intuitionen hinsichtlich der gegenseitigen Liebe im Symposion rebelliert haben29 , dann können sie im Phaidros mit Sokrates Frieden schließen.30
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28 Christian Pietsch hat mich darauf hingewiesen, dass das offen lässt, ob Platon zwischen dem Verfassen der beiden Dialoge seine Meinung über den Wert der gegenseitigen Liebe ändert, oder ob er einfach jeweils andere Akzente setzen will. Wenn Diotimas Einstellung zur Gegenseitigkeit im Symposion selbst in Frage gestellt wird, wie ich behauptet habe, dann würde das eher für die zweite Option sprechen. 29 Hinsichtlich anderer Aspekte von Platons Liebestheorie mögen unseren Intuitionen noch nicht befriedet sein: Insbesondere der Umstand, dass die Geliebten in allen drei Dialogen als Mittel zum Glück des Liebenden und daher scheinbar als austauschbar verstanden werden, mag uns skeptisch machen, vgl. Vlastos 1981. Siehe dazu Christoph Horns Beitrag in diesem Buch; siehe auch Sheffield 2011. 30 Ich danke den Teilnehmern des Symposions in Bonn im Januar 2011 sowie den Mitgliedern des Privatissimums für Geschichte der Philosophie in Graz für weiterführende Anregungen und Gespräche. Insbesondere danke ich Christoph Horn und Anna Schrief l für sehr hilfreiche Kommentare.
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Personenverzeichnis Achill 46–48, 151, 170f., 177f., 180 Adeimantos 160f., 180 Admetos 45, 151 Aelian 60 Agathon 1, 3–5, 14, 17–21, 25, 27, 29–31, 39f., 49, 55, 57f., 60f., 66, 72, 89f., 99–101, 103, 105– 122, 125–127, 132f., 135–141, 144, 165, 184f., 192–195, 197–202, 209, 214 Aidōs 42 Aischines 57 Aischylos 47, 166 Akusilaos 37f. Akusileōs 41, 75 Alkaios 37 Alkestis 37f., 45–47, 147, 151, 171 Alkibiades 1–5, 9, 19–21, 27–29, 32, 50, 55, 79, 118–120, 132, 141, 186, 191–204, 214 Alkmenion 192 Allen, R. E. 100, 108, 113, 116, 120 Anaxagoras 166 Apelt, O. 145 Aphrodite 19, 38, 63, 65, 79, 91 Apollodoros 21–28, 31f., 71, 193 Apollon 93, 95, 196 Archelaos 61 Archilochos 101 Aristodemos 17, 19, 21f., 24f., 27–29, 31f., 37, 71 Ariston 19 Aristophanes 1–4, 11f., 14f., 17–19, 21–23, 27f., 31, 39, 45, 49, 55, 58f., 73, 78f., 90–103, 105, 108f., 119, 194, 196, 212, 214 Aristoteles 26, 44, 54, 66, 75, 94, 97, 108, 116, 126, 128, 147, 149, 151f., 161, 166 Athenaios 21 Avlonitis, S. 89 Bacon, H. 106, 118f. Belfiore, E. 196 Berg, S. 35 Bernhard von Clairvaux 15 Blanckenhagen, P. H. von 19f. Blondell, R. 199 Bolotin, D. 209 Bonitz, H. 54 Brandwood, L. 23 Brenk, F. E. 6
Brisson, L. 57, 62f., 108, 121 Buchner, H. 100 Burkert, W. 6 Burnyeat, M. 149 Bury, R. G. 25, 28, 93f., 97, 107f., 193f. Carone, G. 200 Carvalho, M. 92, 95, 97–101, 103 Castagnoli, I. 109, 111, 113, 115 Charmides 200 Chloe 10 Clay, D. 17, 20, 24 Clemens von Alexandrien 192 Cornford, F. 115 Corrigan, K. 25, 28 Craik, E. 92 Daphnis 10 Dareios 153 Davidson, J. 56f. Demeter 192 Destrée, P. 22 Detel, W. 19, 24 Detienne, M. 130 Dikē 42 Dillon, J. M. 6 Diogenes von Apollonia 166 Diokles 200 Dionysos 19, 91, 106, 118f. Diotima 1–7, 9, 11–14, 21f., 24, 26, 28, 31, 33, 35, 37, 43f., 49–51, 59, 68, 71f., 74, 79–81, 84–86, 89f., 92, 96, 100–103, 105, 110, 118–121, 126f., 130f., 136–138, 141–154, 156, 159–161, 163f., 166–172, 177, 179f., 182–186, 188, 191–195, 198– 204, 208, 212–214, 216, 220f. Dover, K. 23, 35, 37, 42, 44f., 56f., 62, 72–74, 92f., 99, 101, 110f., 115f., 154 Ebbersmeyer, S. 1, 24 Ebert, Th. 94 Edelstein, L. 73, 83, 86 Edmonds, R. 33, 200 Empedokles 75, 77f., 84, 97, 100 Endymion 94 Ephialtes 93, 95 Erler, M. 17, 21–24, 36, 49
P
Eryximachos 1, 3, 5, 14, 18–20, 27, 31, 36, 38f., 45, 49f., 54f., 68, 71–86, 89–92, 97, 99, 107, 135, 147, 191 Euripides 63, 192, 198, 200 Eurydike 46 Euthydemus 200 Ferrari, G. 115, 143, 216 Foucault, M. 56 Frankfurt, H. 6 Frede, D. 81, 132, 150 Fussi, A. 35, 50 Gagarin, M. 194 Ganymed 9 Giavatto, A. 24, 27 Gill, C. 32 Glatzov-Corrigan, E. 25, 28 Glaukon 23–26, 176, 200 Glaukos 160, 176 Görgemanns, H. 57, 62, 64 Gorgias 115f., 126 Graf, F. 42 Gregor von Nyssa 15 Guthrie, W. 72, 75 Hackforth, R. 163 Halperin, D. 17, 24–28, 31f. Hamilton, W. 58 Heitsch, E. 32, 63 Helena 9, 116 Hephaistos 98, 103 Herakles 36, 45 Heraklit 3, 83f. Hermeias 163 Herter, H. 53f. Hesiod 37, 40–42, 64, 75, 79, 94, 153, 179f. Hesychios 42 Hippias 75 Hippokrates 53 Hippothales 185, 210 Homer 37, 45, 47, 83f., 93, 152f., 179f. Houghton, H. 35 Hubbard, Th. 57 Hunter, R. 18, 20f., 35, 45, 73, 92, 98, 102 Huss, B. 61 Isokrates
43, 128
Jaeger, W. 72 Jensen, S. 128, 130 Johnson, W. 24, 32 Jones, W. 75 Joosse, A. 212 Kahn, C. 23, 202 Kahn, Ch. 208, 210 Kannicht, R. 63 Kodros 151, 170 Koller, H. 105, 119 Kratylos 149 Kreft, N. 2, 24, 122 Kudlien, F. 84 Kypris 63 Lasserre, F. 26 Lears, R. 217 Ledger, G. R. 23 Leitao, D. 44 Leontius 203 Levin, S. 73, 77, 81–83 Lowenstam, S. 90 Lykurgos 153f., 178f. Lysias 36, 76 Lysis 209–211 Mader 17, 21, 24 Marsyas 196, 203 Martin, J. 18, 21 Mattingly, H. 23 Maucolin, B. 54 McPherran, M. 73, 75, 77, 84 Meletos 185 Menexenos 209f. Menon 138, 161 Morrison, J. S. 92f. Nails, D. 18f., 55, 61, 108 Nemesis 42 Nichols, M. 82, 215 Nicolai, W. 49 Nietzsche, F. 119 Nola, R. 35, 37 Nussbaum, M. 2, 72, 111, 114, 118, 130, 194f., 197, 201, 208, 214 Obdrzalek, S. 212 Odysseus 192
P Origenes 15 Orpheus 46 Otos 93, 95 O’Brien, M. 100 Pandemos 63 Parmenides 25, 37, 41, 142 Partenie, C. 140 Patroklos 46f., 151, 170 Pausanias 1, 3, 5, 19, 37–39, 49f., 53–68, 74, 76f., 79, 89–91, 97, 99f., 108, 121, 135, 203 Payne, A. 111, 113f. Penia 6, 13, 131–133, 135f., 138f., 198 Perikles 192, 203 Persephone 192 Phaidros 1, 3, 5, 19, 23, 27, 35–37, 39–51, 55, 61, 63f., 68, 74, 79, 83, 90, 97, 107–109, 147, 151, 155, 214 Phoinix 26 Picht, G. 17f., 21f., 24, 28 Pietsch, C. 109 Pindar 201 Plutarch 21, 148, 195, 201, 204 Polyhymnia 79, 82 Polykrates 193 Polyphem 192, 198 Poros 6, 13, 129, 131–133, 135f., 138f., 198 Poschenrieder, F. 86 Price, A. 111, 113, 130, 181, 212 Prodikos 36, 64 Prodikos von Keos 116 Protagoras 42, 53, 92, 103 Reale, G. 35, 37, 41, 49, 96, 108, 111, 115f., 120 Reeve, C. D. C. 129, 160, 198, 204 Reeve, D. 107, 114f., 119 Rettig, G. 106, 111 Robin, L. 193 Rosen, S. 23, 27, 32, 35, 47, 72, 82, 105, 108f., 117 Rowe, C. 19–24, 26f., 30, 35, 37, 46f., 58f., 63, 73, 79, 91, 94, 98, 101, 118, 128, 140, 143, 150, 160, 172, 177, 208–212 Salman, Ch. 35, 41 Schleiermacher, F. 145, 209
Scott, D. 193 Sedley, D. 147 Segoloni, M. 17f. Selene 94 Shakespeare, W. 122 Sheffield, F. 193, 204 Sier, K. 7, 17, 22, 24, 30f., 55, 58f., 66, 72f., 75, 82–84, 86, 96f., 100, 142f., 145–149, 151, 154–156 Simonides 37, 150 Smyth, H. 176, 178 Soble, A. 6, 111 Solon 66, 153f., 178f. Sophokles 42 Speusipp 6 Stehle, E. 20 Steiner, D. 199f. Stern-Gillet, S. 108, 110, 121 Stokes, M. 26, 111–115, 120 Strauss, L. 18, 25 Szlezák, T. 31 Thiel, R. 35, 37 Thomä, D. 6 Thomas von Aquin Thukydides 201 Timandra 195 Timarchos 57 Tornau, C. 1 Ungefehr-Kortus, C. Urania 63, 79 Uranos 63 Usher, M. 21, 192
15
47
Vlastos, G. 10, 120, 194, 199 Weber, S. 4 Wildberger, J. 214 Wohl, V. 201 Xenophon
18, 36, 61, 204
Zehnpfennig, B. 19, 24, 106, 109 Zeus 42, 63, 95f., 164, 195
Sachverzeichnis anamnēsis, anamnēsis-Lehre 97, 161, 216, 220 Astronomie 81, 84f. Auffüllung (plēsmonē)/Entleerung (kenōsis) 3, 8, 76, 81 Begehren 10, 33, 55, 59, 62–65, 68, 71, 74–77, 79, 98, 103, 112, 141–144, 146f., 149–151, 209, 212 Besonnenheit (sōphrosynē) 3f., 86, 109, 152 charizesthai (sexuell gefällig sein)
66
Daimon, Daimonologie, daimōn 4, 6, 15, 128–130, 132, 138f., 186 – Sitte als Daimon 6 Datierung 23, 44, 154f. – der Handlung 60 Dialektik 85, 112, 117, 126, 179 Dialog/Dialogform 1f., 5, 18, 20–33, 36, 40, 54–56, 59, 68, 80f., 90, 92, 103, 105–107, 111f., 117–119, 126, 128, 135, 138, 150, 154f., 159, 191, 193, 202, 207f., 212, 214, 220 Dichtung/Dichtkunst/Poetik/Poesie 13, 26, 36, 90, 105–107, 111, 116, 118f., 143, 163, 180 Diesseitsevangelium 155 Dramaturgie 2, 89–91 – kompositorische Einheit des Symp. 105, 112 – Reihenfolge der Reden 35, 89–91 – Schluckauf des Aristophanes 78, 89 Ehrgeiz/Ehrliebe (philotimia) 3, 20, 38, 42f., 50, 151, 170, 179 Einheit 3, 39, 72, 80, 85, 96, 99, 103 Eintracht 77, 79f. elenchos 30, 72, 105, 109, 111, 114f., 117–120, 126f. Eros/erōs 1–7, 11, 13–15, 19, 23, 26, 28, 30f., 35– 43, 45–47, 49–51, 54f., 57–68, 71–82, 84–86, 90, 96–103, 105f., 108–116, 118–122, 125–139, 141– 147, 149f., 152, 154, 164f., 184, 186, 191–194, 198, 203, 210, 215 – als Hersteller verlorengegangener Ganzheit 97, 100 – als sexuelles Verlangen/sexuelle Erfüllung 7f., 100, 143 – Bezug zur Weisheit 110f., 134, 208
– doppelte Eros-Lehre bei Eryximachos 74 – Eros als Mängelwesen/Bedürftigkeit des Eros 112, 125, 132, 138f., 141 – Eros als Philosoph 15, 120, 134f., 139 – Eros als Zwischen- oder Mittelwesen und Vermittler 5–7, 81, 120, 122, 129, 132, 135, 141 – erōs als seelisches Phänomen 12, 100, 129 – in der Politeia 11 – innerweltlich vs. transzendent 102 – Intentionalität/Objektbezogenheit des Eros 112 – Nutzen/Wirkung des Eros 38–45, 47–49, 72, 74, 81–85, 97, 106, 108, 110, 142–144, 210f., 214 – poietische Schaffenskraft des Eros 110f. – Schön-/Gutheit des Eros 39, 51, 111, 114 – Wesen/Natur des Eros 67f., 98, 101, 125, 127, 134, 136–139 – Ziel und Tätigkeit des Eros 144, 213f. Erotik 7, 22, 35, 38f., 41, 45, 47–50, 59, 101, 129 – negative Erotik 50 Erziehung (paideia) 3, 82f., 85 explanation-elusiveness 162, 165 first principle 162 Flusslehre 147–150 Freundschaft 45, 47, 60, 75, 77–80, 82, 84, 99, 209f., 214 Ganzheit/Vollkommenheit 95, 97f., 100, 102f. Gebären/Geburt 33, 129, 144–146, 152, 179, 184 Gerechtigkeit 3f., 43, 80, 86, 109, 152, 160, 162f., 175f., 178, 180, 217 Gesellschaft 42f., 48–50, 66 Glück/Glückseligkeit (eudaimonia) 14, 49, 86, 91, 100, 102, 106, 122, 142, 152, 161, 164, 167f., 170– 172, 178, 180, 183, 186f., 191, 199–202, 212–217, 221 Grundkräftelehre des Empedokles (philia und neikos) 77 Gut/Gutes (agathon) 12, 49f., 60, 75, 86, 96, 102, 114, 129, 132f., 136, 141, 143–147, 150, 156, 159–163, 165, 173, 185–188, 202, 210–213, 217 Gymnastik 77f. Hedonismus 77 Heilige Schar 44 Heraklitismus 13, 150
S
Homosexualität 55f., 94, 97f. – Dauer der homoerotischen Beziehung Humor 9, 20, 30 Hybris 95, 192, 194, 196, 198
65
Idee des Guten 155, 165, 199, 210 incandescence, Glühen 163, 165, 172, 184 intermediate 127–129, 132, 134, 136–139, 186 isonomia (gleiche Teilhabe) 77f. Kardinaltugenden 109 Knaben (paidika)/Knabenliebe (paiderastia) 3, 56– 59, 62f., 65–67, 74, 77, 97–99, 102, 178–186, 188, 196, 198, 201 Körper 28, 38f., 53, 55, 65, 67, 73–81, 83f., 86, 94, 129, 144, 148, 152, 154, 162, 164–169, 171–173, 175–182, 184, 186f., 199, 201f., 213 Kontinuität/Diskontinuität (philosophische) des Symp. 71–73, 86, 119f. Konvention 30, 41, 58, 61f. Kreativität 144, 153 Kugelgestalt von Erde, Sonne und Mond 93f. Kugelmenschen 93–97, 99, 103, 212 Kunst 19f., 62, 76, 81, 83, 108, 116, 143, 151, 179f., 183, 185 Lenäen 18, 107, 118 Lesen 30, 32, 61, 72 Liebe 1–15, 18, 39, 48, 55, 59, 64, 66, 74f., 78f., 81f., 84, 94, 100, 106, 110, 112–115, 120, 122, 142–144, 159f., 162–165, 167–170, 174f., 177– 187, 191–195, 197, 199–201, 207, 209–214, 216, 218–220 – ergon der Liebe 129, 164 – gegenseitige Liebe 78f., 84, 207–221 – kosmisch/naturphilosophische Dimension der Liebe (s. Teil 5.2) 74–76 – Kunst der Liebe und ihre Grenzen 183–186 – Liebe als Streben nach Schönheit 9, 15, 85, 110, 164 – Liebe zum Schönen 109, 112–114, 142, 160, 163, 166f., 186f. – Mängelcharakter der Liebe 110 – ontologische Bestimmung der Liebe 6 – Theorie der Liebe 1f., 4–7, 10f., 13–15, 195, 201, 207, 209, 212, 214–216, 218, 221 – Transfer- oder Auffüllungstheorie der Liebe 8f., 14
Liebhaber (erastēs)/Geliebter (erōmenos) 3, 8–11, 13, 19, 33, 36, 38, 42f., 45–48, 50, 55–57, 59–62, 64–68, 79, 97–99, 110, 115, 122, 129, 139, 142f., 164, 181, 183, 192, 195, 198, 200f., 207, 211, 213f., 216–221 Lust 8, 11, 78, 81f., 116, 142, 148, 150 – Lustkonzeption in der Politeia und im Philebos 8 Mangel 7f., 15, 39, 50, 103, 112–115, 120, 127, 131–133, 135f., 141f., 144, 150, 166, 175, 186, 207, 210 Mantik/Seherkunst 13, 81, 84f. Medizin/Heilkunst 3, 53, 73–84 Mehrhabenwollen (pleonexia) 79, 86 Meinung 50, 117 – anerkannte Meinung (endoxon) 122 – richtige Meinung (orthē doxa) 13, 120f. Musik 9, 38, 81–85 Mythos 5–7, 11, 13, 37, 42, 44–47, 91–97, 101, 103, 126, 212 – aitiologischer Mythos des Aristophanes (Entstehen/Wesen des Menschen) 12, 22, 92, 96, 100f. Natur 3, 15, 74–78, 81, 86, 92, 94, 96–100, 102, 125, 127–129, 131f., 137–139, 154, 162, 165, 168f., 172f., 175–177, 181, 184–186, 192f., 195f., 207, 209, 212, 215 – gegen die Natur 175 – Natur der Seele 76, 161 – Natur/Wesen des Eros (s. Eros/erōs) 141f., 155 – Natur/Wesen des Menschen 92, 101 Naturphilosophie 75 nomos 58, 62f., 65–67 Norm 42, 44, 49, 57, 60, 64 oikeion, oikeion-Theorie 12, 15, 143, 207–212, 214, 217 Opfertod 40, 43, 45f., 48 Ordnungslosigkeit (akosmia) 79 Parodie 17, 20, 25–33, 100 paulinische Prädikation 113 philia s. Freundschaft 38, 45, 47f., 60, 75, 77, 210 Philosoph 5, 7, 13–15, 27–29, 41, 49, 81, 85, 120f., 130, 135, 138, 160, 173f., 188, 193f. Philosophenherrscher 80, 155, 204
S Philosophie 3, 6, 14, 17, 25f., 28, 31, 66, 72–74, 76, 80, 85f., 105, 107, 118f., 121, 128, 135, 141, 143, 164, 188, 211 poiēsis/praxis 64f., 110, 116, 143, 163 PTB (persistence through becoming) 169–172, 177, 183, 187 reputation-reality indifference 160, 162, 172, 180, 187 Rhetorik 3, 5, 13, 24, 26, 49, 56, 60, 76, 109, 115– 118 – Rede 91 Rhythmus 82 Scham (aischynē, aidōs) 3, 38, 40, 42f., 50, 61, 64, 172 Schmerz (lypē) 81, 148, 168 Schönheit/Schönes 8–12, 15, 33, 43, 48, 50, 75, 85, 101f., 109f., 113f., 116, 120, 122, 125–127, 132, 134, 136–138, 141–145, 147, 150, 152–156, 159f., 162f., 165–167, 171–173, 177f., 180–184, 186–188, 197–199, 213, 216–220 – Aufstieg zum Schönen 4f., 11, 14, 44, 50, 59, 101, 120, 130, 154–156, 200, 203f. – Blindheit gegenüber dem Schönen 163, 172– 177, 182, 184, 188 – Hervorbringen im Schönen/Gebären im Schönen 9, 120, 144–146, 152, 156, 165, 181, 213 – Hierarchie/Stufenfolge der schönen Einzeldinge 133 – Idee des Schönen 10f., 120, 129f., 134, 154–156, 163, 173, 183, 201, 213, 216f. Schwanger/Schwangerschaft 59, 129, 144f., 152, 166f., 170–172, 177–180, 184f., 187 Seele 11, 13, 38f., 43, 49, 63, 67, 73f., 80f., 84–86, 98, 109, 121, 128–130, 142, 144, 148, 150, 152, 154–156, 159, 161–166, 168, 171–185, 187f., 203, 213, 215–218, 220 Selbstverewigung s. Unsterblichkeit 151f., 154 Sokrates-Rezeption 32f. Sophistik/Sophisten 36f., 60, 75, 91, 115–117, 150 Stadt (polis) 23, 42–44, 49, 56f., 60, 155 symbolon 97 Symposion (als Gattung und soziale Institution = Teil 1) 18–21
technē (Kunstfertigkeit, Fertigkeit) 17, 23f., 53, 73, 81, 106, 110, 116 Theorie der Liebe 1–15 Tradition 37, 41, 93f., 172 Transzendenz 102 Trunkenheit, betrunken 1, 4, 118 Tugend 3f., 42f., 61, 63, 80, 106, 108–110, 120, 122, 129, 151–153, 173, 177, 179, 182–187, 195, 202, 213 Unbeständigkeit 147, 156 – Unbeständigkeit des Sterblichen 147–151 Unsterblichkeit 13, 15, 101, 129, 141f., 144–147, 149, 151–156, 167–170, 213 – Arten des menschlichen Strebens nach Unsterblichkeit 151–154 – sterbliche Unsterblichkeit 144, 149f., 153–156 – Unsterblichkeit der Seele 154–156, 215 – Unsterblichkeit durch Zeugung 5 Unwissenheit (amathia) 27f., 72, 87, 143 Vernunft (nous) Vier-Säfte-Lehre Vlastos-Problem Vollkommenheit
50, 85, 128–130 77 130 142
Wahrheit 1–3, 10, 12, 14, 30, 59, 62, 71, 107, 115– 119, 125–128, 139, 149f., 161, 165, 174f., 183, 185, 188, 215–220 Weisheit 4, 15, 31, 33, 55, 63, 81, 87, 105–107, 109f., 116, 118–121, 126f., 129, 133–139, 162– 164, 171, 173, 175, 177f., 180, 182, 184–187, 203f., 207f., 211–213, 217 – philosophische Weisheit 106 – poetische Weisheit 107f., 111, 115, 117–122 Wissen/Wissenschaft 24, 67, 72, 75–77, 81–86, 110, 117, 120, 127, 136f., 141, 148–150, 156, 161f., 165, 169, 173, 179f., 182f., 185, 187, 194, 198f., 211, 213 Zeugung 40f., 97f., 101, 144–146, 153, 165–168, 171f., 177–179, 182f., 187, 198 – Zeugung im Schönen 11, 159–188
Hinweise zu den Autoren Pierre Destrée, Research Associate at the Fonds belge de la Recherche Scientifique and Associate Professor at the University of Louvain. Publications: Akrasia in Greek Philosophy (together with Ch. Bobonich, 2007); Plato and the Poets (F. G. Hermann, 2011). Articles on Greek ethics and aesthetics. Dorothea Frede, Adjunct Professor an der University of California Berkeley. Wichtigste Veröffentlichungen: Aristoteles und die Seeschlacht (1970); Platon, Philebos, Übers. mit Kommentar (1997); Platon Phaidon (1999); Heideggers Tragödie (1999). Zahlreiche Aufsätze und Buchbeiträge zu Platon, Aristoteles, der Hellenistischen Philosophie und zur Philosophie Martin Heideggers. Christoph Horn, Professor für Philosophie an der Universität Bonn. Publikationen: Plotin über Sein, Zahl und Einheit, (1995); Augustinus (1995); Antike Lebenskunst (1998); Politische Philosophie (2003); Herausgeber: Augustinus, De civitate die (1997); Wörterbuch der antiken Philosophie (zus. mit Ch. Rapp, 2002); Philosophie der Gerechtigkeit (zus. mit N. Scarano, 2002); Groundwork for the Metaphysics of Morals, (zus. mit D. Schönecker, 2006); Kant. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (zus. mit C. Mieth/N. Scarano, 2007); Politischer Aristotelismus (zus. mit A. Neschke, 2008); Platon-Handbuch (zus. mit J. Müller/J. Söder, 2009); Gründe und Zwecke (zus. mit G. Löhrer, 2010); (Mit-)Herausgeber: Archiv für Geschichte der Philosophie und Zeitschrift für philosophische Forschung. Arbeitsschwerpunkte: Philosophie der Antike, Kant und Praktische Philosophie der Gegenwart. Nora Kreft, Universitätsassistentin am Institut für Philosophie der Karl-Franzens-Universität Graz. Veröffentlichungen: Philosophy and Love in Plato’s Symposium – or: Why the first five speeches matter, in: M. Erler, J. E. Heßler (Hgg.), Argument und literarische Form in antiker Philosophie, Berlin (2011, im Ersch.). Bernd Manuwald, Professor a. D. für Klassische Philologie (Gräzistik) an der Universität zu Köln. Veröffentlichungen im Bereich der antiken Philosophie: Das Buch H der aristotelischen ‚Physik‘. Eine Untersuchung zur Einheit und Echtheit (1971); Der Aufbau der lukrezischen Kulturentstehungslehre (De rerum natura 5, 925–1457) (1980); Studien zum Unbewegten Beweger in der Naturphilosophie des Aristoteles (1989); Platon, Protagoras. Übersetzung und Kommentar (1999, Studienausgabe 2006). Zahlreiche Aufsätze zu Platon.
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Jörn Müller, Apl. Professor, Akademischer Rat am Institut für Philosophie der Universität Würzburg. Veröffentlichungen (in Auswahl): Physis und Ethos. Der Naturbegriff bei Aristoteles und seine Relevanz für die Ethik (2006); Mitherausgeber: Antike Philosophie verstehen/Understanding Ancient Philosophy (2006); Mitherausgeber: Platon-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung (2009); Willensschwäche in Antike und Mittelalter. Eine Problemgeschichte von Sokrates bis Johannes Duns Scotus (2009); Mitherausgeber: Wille und Handlung in der Philosophie der Kaiserzeit und Spätantike (2010); Herausgeber: Platon, Phaidon (2011). Aufsätze zur Philosophie der Antike, besonders Platon, Aristoteles und Augustinus, zur mittelalterlichen und zur Praktischen Philosophie. Christian Pietsch, Professor für Klassische Philologie mit dem Schwerpunkt Gräzistik an der Universität Münster. Wichtigste Veröffentlichungen im Bereich der antiken Philosophie: Prinzipienfindung bei Aristoteles. Methoden und erkenntnistheoretische Grundlagen (Beiträge zur Altertumskunde 22) (1992); Der Platonismus in der Antike, hg. von M. Baltes, fortgeführt von Ch. Pietsch, Bd. VII/1 (2008); Die Aristotelische Physik im Spiegel ihrer spätantiken Kommentierung, in: Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften in der Antike, Bd. 3: Physik/Mechanik, hg. von A. Schürmann (2005); „Im Blick auf den Gott erkennen wir uns selbst“. Zu Platons Verständnis von Personalität im Alcibiades maior, in: A. Arweiler (Hg.), ‚Vom Selbstverständnis: Notions of the self in antiquity and beyond‘; Beiträge der gleichnamigen internationalen Tagung an der Universität Münster, 7.–10. Juni 2006 (2007); Menschliche physis und menschliches Handeln in den ethischen Schriften des Aristoteles, in: S. Föllinger (Hg.), Was ist ‚Leben’? Aristoteles’ Anschauungen zur Entstehung und Funktionsweise von Leben. Akten der 10. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 23.–26. August 2006 in Bamberg (2010). C. D. C. Reeve, Delta Kappa Epsilon Distinguished Professor of Philosophy at the University of North Carolina at Chapel Hill. Publications: Philosopher-Kings (1988, reissued 2006); Socrates in the Apology (1989); Practices of Reason (1995); Aristotle: Politics (1998); Plato: Cratylus (1998); The Trials of Socrates (2002); Substantial Knowledge: Aristotle’s Metaphysics (2003); Plato: Republic (2005); Love’s Confusions (2005), and Plato on Love (2006); His Action, Contemplation, and Happiness: An Essay on Aristotle will be published by Harvard University Press in 2012. Frisbee C. C. Sheffield, Director of Studies in philosophy at the Christ’s College Cambridge. Publications: Co-editor: Plato’s Symposium: Issues in Interpretation and Reception, Harvard University Press (2006); Plato’s Symposium: The Ethics of Desire, Oxford University Press (2006); Plato’s Symposium, introduction and critical notes for an edition in the Cambridge Texts in the History of Philosophy Series (2008); co-editor: The
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Routledge Companion to Ancient Philosophy (forthcoming). Papers on ancient philosophy, especially on the concept of ‚eros‘. Kurt Sier, Professor für Klassische Philologie (Gräzistik) an der Universität Leipzig. Neuere Veröffentlichungen (u. a.): Das Philosophische im Symposion – oder: Worin besteht die Funktion der ‚vor-sokratischen‘ Reden?, in: A. Havlíçek/M. Cajthaml (Hgg.), Plato’s Symposium (Proceedings of the 5th Symposium Platonicum Pragense), Prag 2007 (2008); Der Staatsmann in Absenz. Überlegungen zu Platon, Politikos 291–303 und zu Solons politischer Dichtung, in: A. Eckl/C. Kauffmann (Hgg.): Politischer Platonismus (2008); Die ,nächtliche Versammlung‘ in Platons Nomoi. Überlegungen zu ihrer Funktion: Politisches Denken (2008); Dämonische Vermittlung. Plotin zwischen Platon und Ficino, in: M. C. Leitgeb/S. Toussaint/H. Bannert (Hg.), Platon, Plotin und Marsilio Ficino, Wiener Studien Beiheft 33 (2009); Weiblich und Männlich. Ihre Funktion bei der Zeugung nach Aristoteles und Platon, in: Christian Brockmann u. a. (Hgg.): Antike Medizin im Schnittpunkt von Geistes- und Naturwissenschaften (2009); Platon, in: M. Schramm/St. L. Sorgner (Hg.), Musik in der antiken Philosophie. Eine Einführung (2010). Simon Weber, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Universität Bonn. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der antiken politischen Philosophie, insbesondere Aristoteles. Jula Wildberger, Professor of Classics and Comparative Literature at The American University of Paris. Veröffentlichungen zur antiken Philosophie: Seneca und die Stoa: Der Platz des Menschen in der Welt (2006); Seneca, De ira (2007); Lukian, Symposion (2005). Zahlreiche Artikel zur Stoa und zum Epikureismus.