Petrus Berchorius und der antike Mythos im 14. Jahrhundert: Bd. 1 Die Metamorphosen Ovids in der Deutung des Petrus Berchorius und in den italienischen Bildzyklen des 14. Jahrhunderts. Bd. 2 Der ,Ovidius moralizatus': Ausgabe, Übersetzung, Kommentar 9783110764918, 9783110735062

Written 1340 in Avignon and widely distributed Ovidius moralizatus by Petrus Berchorius undertakes a systematic allegori

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Table of contents :
INHALT
Vorwort
I. Petrus Berchorius: Autor und Werk
II. Petrus Berchorius: Moralisierung – Allegorese
III. Der Bologneser Kodex in Gotha
IV. Der Kodex in Bergamo und die Götterbilder
V. Ovid-Lektüren – Der antike Mythos in der Laienkultur des 14. Jahrhunderts
VI. Anhang
VII. Abbildungen
9783110735062_vol_2_opt.pdf
Inhalt
Vorwort
I. Der ›Ovidius moralizatus‹: Probleme einer Edition
1. Zu Überlieferungssituation und Editionsstand
2. Zu Textausgabe, Übersetzung und Kommentar
II. Beschreibung der Handschriften und Anlage der Ausgabe
1. Die illuminierten Handschriften
2. Weitere Textzeugen der ersten Redaktion als Vergleichshandschriften
3. Editionsprinzipien
III. ›Ovidius moralizatus‹: Textedition/Übersetzung
Prologus
De formis figurisque deorum
Metamorphoses moralizate
Liber I
Liber II
Liber III
Liber IV
Liber V
Liber VI
Liber VII
Liber VIII
Liber IX
Liber X
Liber XI
Liber XII
Liber XIII
Liber XIV
Liber XV
IV. Kommentar zum ›Ovidius moralizatus‹
V. Anhänge
1. Bibelstellenregister
2. Namen- und Ortsregister
3. Konkordanz der vorliegenden Edition mit der Hs. Gotha und dem Druck Paris 1509
4. Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen und Literatur
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 9783110764918, 9783110735062

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Petrus Berchorius und der antike Mythos im 14. Jahrhundert

Petrus Berchorius und der antike Mythos im 14. Jahrhundert Herausgegeben von Dieter Blume und Christel Meier

Band 1

Die Metamorphosen Ovids in der Deutung des Petrus Berchorius und in den italienischen Bildzyklen des 14. Jahrhunderts von Dieter Blume, Christel Meier, Caroline Smout



Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)

ISBN 978-3-11-073506-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-076491-8 Library of Congress Control Number: 2021938025 Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Covergestaltung: hawemannundmosch, berlin Umschlagabbildungen: Gotha, Forschungsbibliothek, Cod. Membr. I 98, Fol. 11r (Bd. 1 Vorderseite) und 17r (Bd. 2 Vorderseite); Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 12v (Bd. 1 Rückseite); Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, Fol. 6v (Bd. 2 Rückseite) Layout und Herstellung: Kerstin Protz, Berlin Satz Band 1: LVD Gesellschaft für Datenverarbeitung mbH, Berlin Druck und Bindung: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Altenburg www.degruyter.com

INHALT

Vorwort

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I. Petrus Berchorius: Autor und Werk 1. Der Autor 2. Werke im Überblick 3. Das ›Reductorium morale‹ 4. Der ›Ovidius moralizatus‹

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II. Petrus Berchorius: Moralisierung – Allegorese 1. Legitimierung des Projekts 2. Ein theologischer Kritiker: der Anonymus Scholasticus 3. Zu Terminologie und Theorie der Allegorese 4. Verfahren und Inhalte der Allegorese 5. Der Mythos für die Predigt 6. Die Bibelzitate 7. Ovid-Fabeln und die mittelalterliche Exempelliteratur 8. Zu den Quellen des ›Ovidius moralizatus‹ 9. Fazit

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III. Der Bologneser Kodex in Gotha 1. Die stilkritische Einordnung der Miniaturen 2. Der Auftraggeber Bruzio Visconti und seine Bücher 3. Die Bilder und ihr narratives Konzept 4. Katalog der Miniaturen

61 61 75 84 101

IV. Der Kodex in Bergamo und die Götterbilder 1. Der Ovidius moralizatus in Bergamo und seine stilkritische Einordnung in die Lombardei 2. Die Zeichnungen in Bergamo und die Vorlagenfrage 3. Die Götterbilder 4. Katalog der Götterbilder im Kodex aus Treviso und Übersicht der Götterdarstellungen

147 147 153 157 171

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6

V. Ovid-Lektüren – Der antike Mythos in der Laienkultur des 14. Jahrhunderts 1. Metamorphosen bei Dante 2. Petrarca und der Übermut Ovids 3. Paolo da Perugia und die Ordnung des Mythos 4. Giovanni del Virgilio’s Nacherzählung 5. Petrus Berchorius, die christliche Ethik und der antike Mythos 6. Bilder der antiken Götter – Vorstellung und Realisation 7. Zeichnende Leser im Sturm der Gefühle 8. Giovanni Boccaccio oder der Mythos und poetische Theorie 9. Lesarten des Mythos

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VI. Anhang Literaturverzeichnis Personen- und Ortsregister

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VII. Abbildungen Abbildungsnachweise

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Chi comanda al racconto non è la voce: è l’orecchio. ›Wer der Erzählung gebietet, ist nicht die Stimme: Es ist das Ohr.‹ ITALO CALVINO, Le città invisibili, 1972, Cap. IX.

VORWORT Iamque opus exegi, quod nec Iovis ira nec ignis / nec poterit ferrum nec edax abolere vetustas.  / […] ore legar populi, perque omnia saecula fama,  / siquid habent veri vatum praesagia, vivam. ›Nun habe ich ein Werk vollendet, das nicht Jupiters Zorn, nicht Feuer, / nicht Eisen, nicht das nagende Alter wird vernichten können. / […] ich werde vom Mund des Volkes gelesen werden / und, sofern an den Vorahnungen der Dichter auch nur etwas Wahres ist, / durch alle Jahrhunderte im Ruhm fortleben.‹1 Mit diesen Versen beschließt Ovid das umfangreiche Epos der ›Metamorphosen‹, und nur selten hat sich eine selbst gestellte Prognose in einem solchen Umfang bewahrheitet. Die ›Metamorphosen‹ spielen eine zentrale, kaum zu überschätzende Rolle in der europäischen Kultur, und sie sind durch all die Jahrhunderte hindurch neben der Bibel das vermutlich am meisten gelesene Buch. Ovid unternimmt eine literarische Aufarbeitung des Mythos, in der er die überlieferten Erzählungen in eine neue Ordnung überführt und mit der Idee der Verwandlung zugleich auf den Ursprung der Dinge und Wesen abhebt. In großem Maße geht es dabei um Gefühle und Emotionen sowie die damit verbundenen Konflikte. In der Verzweiflung und Ausweglosigkeit menschlicher Schicksale sind nach seiner Schilderung eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen entstanden. Dies vermag auch die Naturerfahrung zu verändern, die jetzt eng mit dem Gefühlshaushalt der Menschen verbunden ist. Äußere und innere Wirklichkeit sind in diesen mythischen Erzählungen kunstvoll miteinander verwoben. Seit über 2000 Jahren hat man dieses Epos wieder und wieder gelesen, doch es wurde jeweils auf sehr verschiedene Weise wahrgenommen. Die Motive der Leser und das, was sie von ihren Lektüren bewahrten, unterscheiden sich in hohem Maße. Es ist eben, wie Italo Calvino pointiert ausdrückt, nicht die Stimme, sondern das Ohr, das der Erzählung gebietet. Eine völlig neue Phase der ›Metamorphosen‹-Rezeption setzt um 1300 ein. In den Geschichten Ovids entdeckt man zunehmend die Spiegelung eigener Erfahrungen und schlägt Brücken in die zeitgenössische Wirklichkeit. Dies hat nicht nur in den Texten von Dante, Petrarca und Boccaccio deutlich sichtbare Spuren hinterlassen, auch in Predigt und Wis1

OVID, Metamorphosen, XV, 871–872, 878–879, Übersetzung Michael VON ALBRECHT, München 1981, S. 369; eine Anspielung auf Horaz, Carmen III,30.

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VORWORT

senschaft, in volkssprachlicher Belehrung und Unterhaltung gewinnt der Mythos Raum. Damit erhält der antike Mythos eine Relevanz, die ihm im intellektuellen Austausch der europäischen Neuzeit eine gewichtige Rolle zuweist, die bis zur Moderne und letztlich bis heute andauert. Von den Anfängen dieses Diskurses handelt dieses Buch. Im Mittelpunkt steht eine heute in Gotha verwahrte Handschrift, die 1348 in Bologna entstand und mit einem exzeptionellen Bilderzyklus zum ›Ovidius moralizatus‹ des Petrus Berchorius ausgestattet ist. Unabhängig voneinander sind in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach dem Wegfall des eisernen Vorhangs die beiden Herausgeber sowie Gude Suckale-Redlefsen auf dieses ungewöhnliche Manuskript aufmerksam geworden. Doch erst Jahre später konnten die Unterzeichnenden dann eine systematische Bearbeitung samt einer Edition des Textes in Angriff nehmen, die 2013–2017 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurde. Dafür wurden Caroline Smout und Anna Stenmans zur Mitarbeit gewonnen. Bei mehreren Gelegenheiten haben wir Aspekte dieser Forschungen vorgetragen und zur Diskussion gestellt. Wir erinnern uns dankbar an die zahlreichen Anregungen und die große Resonanz, die wir dabei erfahren durften. Besonders fruchtbar erwies sich ein Kolloquium über ›Ovid im Spätmittelalter‹, das wir 2017 in Münster veranstalten konnten. Dem Projekt ist vielfältige Unterstützung entgegengebracht worden. Unser besonderer Dank geht an die Forschungsbibliothek Gotha und ihre Direktorin Kathrin Paasch sowie an die Leiterin der Sammlungen Monika Müller, an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) für die großzügige Publikationsbeihilfe, an Katja Richter vom Verlag De Gruyter, die sich dem Buchprojekt von Anfang an mit großem Engagement gewidmet hat, an Imke Wartenberg für die Koordination im Verlag, Kerstin Protz für das Layout sowie an Tim Doherty für den anspruchsvollen Satz des Editionsteils. Weimar / Münster, im Dezember 2020 Dieter Blume

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Christel Meier

CHRISTEL MEIER

I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK In den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts setzt sich ein neues Interesse an einem eigenständigen, zeitgemäßen Umgang mit Ovids ›Metamorphosen‹ durch. Der antike Dichter erfährt gerade an dem Werk, das im Mittelalter wegen der Pluralität seiner Götter und wegen ihres ›amoralischen‹ Verhaltens besonders kritisch betrachtet wurde, einen Rezeptionsschub. Mit Dantes ›Commedia‹ und Giovanni del Virgilios ›Metamorphosen‹-Vorlesungen an der Universität Bologna1 ebenso wie mit dem Auftrag vom französischen Königshof zu einer Übersetzung, Erklärung und Auslegung des gesamten Werks im französischen ›Ovide moralisé‹2 wird ein neues Kapitel in der europäischen Geschichte der Ovid-Adaptationen aufgeschlagen3. Die ersten Stationen dieser neuen Bewegung wurden seit Beginn des 14. Jahrhunderts an mehreren Bildungszentren Europas erreicht. Dass aber nicht nur der Protohumanismus in Italien, sondern auch der französische Hof und sogar der Papsthof in Avignon mit einem enorm wirksamen ›Metamorphosen‹-Projekt gleichfalls in diese Arbeit am Mythos eintritt, ist bemerkenswert. Mit Boccaccios ›Genealogia deorum gentilium‹4 und den englischen Dominikanern in Oxford5 sind dann neue Höhepunkte erreicht. Das Buch ›Ovidius moralizatus‹ des Benediktiners Petrus Berchorius (Pierre Bersuire), eine Paraphrase und Allegorese der gesamten ›Metamorphosen‹6, hat die Rezeption des 1

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5 6

Zu Ovid in Dantes ›Commedia‹ zusammenfassend mit Hinweisen auf die umfangreiche Forschungsliteratur MEIER, Ovidio, 2015, S. 75–100, bes. S. 76 f.; zu Giovanni del Virgilio HUBER-REBENICH, MetamorphosenKommentar, 1997, S. 20–33; DIES., Metamorphosen-Paraphrase, 1998, S. 215–229; DIES., A Lecture, 2009, S. 177–198. Ovide moralisé, hg. von DE BOER, 1915–1938, ND 1966–1986; s. jetzt zu dem neuen umfangreichen Editionsprojekt: Ovide Moralisé, Livre I, hg. von BAKER, TRACHSLER u. a., Bd. 1–2, 2018. Zum Bimillennium des Todes Ovids fand 2017 in Münster ein Kolloquium mit dem Titel ›Anverwandlungen Ovids im Spätmittelalter‹ statt (veranstaltet von Dieter Blume und Christel Meier-Staubach im Exzellenzcluster ›Religion und Politik‹), das sich genau dieser Epoche widmete und die gerade laufenden Forschungsprojekte zusammenführte; dazu MEIER, Projekte und Perspektiven, 2019, S. 247–259; s. weitere acht Beiträge dieses Kolloquiums zu einzelnen Werken ebd. (FMSt 53, 2019), S. 261–401, Abb. 1–47. Boccaccio, Genealogie, hg. von ZACCARIA, 1998; GUTHMÜLLER, Boccacios Konzept der Mythographie, 2016, S. 21–36, mit weiterführender Lit.; Petrus Berchorius, Reductorium morale. Liber XV, Ovidius Moralizatus, Cap. I, hg. von ENGELS, 1966 (nach der Brüsseler Hs. 863-9); Ders., Reductorium morale. Liber XV, Ovidius Moralizatus, Cap.II, hg. von VAN DER BIJL, 1971. Zur Mythographie im England des 14./15. Jh.s HOLLICK, Ovidianische Selbstbehauptung, 2019, und unten Kap. II. 9 mit Anm. 135. Eine kritische Edition gibt es noch nicht. Gedruckt ist ein humanistisch überarbeiteter Text: Thomas Waleys (= Petrus Berchorius), Metamorphosis Ovidiana Moraliter […] Explanata, 1509, ND 1979; abgedruckt von ENGELS, 1962; Petrus Berchorius, Reductorium morale. Liber XV, Ovidius Moralizatus, Cap. I, hg. von ENGELS, 1966 (nach der Brüsseler Hs. 863-9); Ders., Reductorium morale. Liber XV, Ovidius Moralizatus, Cap. II, hg. von VAN DER BIJL, 1971.

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

antiken Werks im Trecento und Quattrocento (und den Umgang mit ihm) stark mitgeprägt, wie die noch überlieferten über 80 Handschriften7 und ihr breiter Einfluss bezeugen8. Dass dieses Unternehmen nicht ohne Risiko gewesen war, wird durch zeitgenössische Kritik9 und die Indizierung dieses und ähnlicher späterer Werke auf dem Trienter Konzil 1559 evident10. Wer ist der Autor, der am Papsthof in Avignon dieses Werk schrieb, was war sein Ausbildungsweg, welcher Auftrag, welche Intentionen veranlassten ihn zur Abfassung dieses Werks, welche Leser und Benutzer sprach er an, für welche sozialen Kontexte und Situationen schuf er das Buch?

1. Der Autor Über Leben und Wirken des Petrus Berchorius haben wir außer den Selbstzeugnissen in seinen Schriften nur wenige Kenntnisse11. Die Jahrzehnte am Papsthof in Avignon  – 1320/25 bis 1348/50 – waren die wichtigste Zeit seines Lebens und seiner wissenschaftlichen Arbeit. Geboren ist er wenige Jahre vor 1300 in Saint-Pierre-du-Chemin (Vendée), nahe Fontenay-le-Comte im Poitou. Er stammte aus einer adligen oder geadelten Familie. Über die Stationen seiner Ausbildung in den frühen Jahren im Poitou ist nichts bekannt. Er trat in den Franziskanerorden ein und wechselte dann mit bischöflicher Lizenz zu den Benediktinern – Zeitpunkt und Gründe dafür sind unbekannt, ebenso die Umstände seiner Berufung an den Papsthof12. Wie er selbst im Prolog seines Hauptwerks betont, hatte er das Glück, einen mächtigen Förderer zu finden: den Kardinal Pierre des Prés (†1361), in dessen Haus in Avignon er als familiaris domesticus und Sekretär lebte und wissenschaftlich arbeitete13. Als Jurist und Vicecancellarius des Papstes, Erzbischof von Aix-en-Provence,

7 Dazu SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 437–440; Ergänzungen bei COULSON, Newly Discovered

Manuscripts, 1997. 8 Z. B. der aus Berchorius gezogene, sehr verbreitete ›De deorum imaginibus libellus‹ (Cod. Reg. Lat. 1290)

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bei LIEBESCHÜTZ, Fulgentius Metaforalis, 1926, S. 117 ff.; Thomas Walsingham, Archana deorum, 1968, englische Predigtliteratur sowie die Übersetzungen von Colard Mansion in zwei Drucken, Brügge 1494 und Paris 1493, beide unter dem Namen von Thomas Waleys; auch die späteren Bilderzyklen des ›Ovide Moralisé‹ (z. B. die Hs. Fr 373 der B. N. Paris u. a.) waren vom Berchorius-Text beeinflusst. Dazu unten Kap. I. 2 und 8. Vgl. Index auctorum et librorum qui ab Officio Sanctae Romanae et universalis Inquisitionis caveri ab omnibus et singulis in universa Christiana Republica mandantur […], Rom 1559, unter dem Buchstaben ›O‹ (unpaginiert): In Ovidii Metamorphoseos libros Commentaria sive Enarrationes allegoricae vel tropologicae. Vgl. MEIER, Ovidius christianus, S. 492 f. Immer noch maßgeblich dazu der Artikel von SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962; Ergänzungen dazu im komm. Literaturbericht bei ENGELS, Berchoriana I, 1964, S. 114–123; überholt ist FASSBINDER, Leben und Werke, 1917. SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 259–264. Petrus Berchorius, Reductorium, 1731, S. 2a zum Autor und seinem Förderer: Sum igitur quidam peccator Ordinis sancti Benedicti monachus, de terris Francorum genitus, natione Gallus, patria Pictavinus, nomine Petrus, cognomine Berchorius, et Reverendissimi in Christo Patris, Domini D. Petri de Pratis [statt: Patris] divina Dei providentia Episcopi Praestini et sacrosanctae Romanae Ecclesiae Cardinalis et Vicecancellarii familiaris domesticus; ferner Ders., Morale Repertorium, 1731, S. 3b, Prolog: Petro de Pratis […], cujus sum ego familiaris domesticus apud ipsum duodecim annis nutritus, praesens Opus ingenii mei manuumque mearum offero laborem et praesento […]. Zu Kardinal Pierre des Prés SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 265 f.; vgl. ferner GUILLEMAIN, La Cour Pontificale d’Avignon (1309–1376), 1962, Reg. s. v. Pierre des Prés; BEATTIE, John XXII and his Lawyer-Cardinals, 2014, S. 149 u. ö.; DERS., Law and Sanctity, 1996;

1. DER AUTOR

Kardinalbischof von Palestrina mit der Titelkirche S. Pudenziana nahm sein Gönner über vierzig Jahre wichtige Funktionen am Papsthof wahr, erlebte nach Johannes  XXII. drei Konklaven und initiierte 1358 den Bau der Stiftskirche Saint-Pierre in Avignon. Seine reiche Bibliothek stand Berchorius zur Verfügung, wie er schreibt: [Ego] etiam per ipsum, [Dominum Petrum] libris et necessariis mihi communicatis et traditis ad istos labores meos sum inductus et in istis etiam directus multipliciter et adjutus.14 Zu diesen notwendigen Dingen gehörten neben Verpflegung und Wohnung sicher alle Materialien, z. B. die enorme Menge an Pergament für seine Riesenwerke und eventuell auch Hilfskräfte für die Arbeit. Der Papsthof in Avignon ist darüber hinaus in dieser Zeit ein Zentrum wissenschaftlicher und intellektueller Kultur15. Nach den Jahrzehnten am Papsthof geriet Berchorius in eine Krise: Kardinal Pierre des Prés hatte ihm über den Papst eine Pfründe in Chartres als Klosterkämmerer zusprechen lassen – eine Aktion, die heftigen Widerstand hervorrief und schließlich wohl zur Anklage gegen Berchorius wegen Häresie und zu Gefängnis führte. Erst unter dem mächtigen Einfluss des Königs, Johanns II. des Guten, entlastete ihn ein neues Urteil. Berchorius erhielt sogar die aus seinem Besitz entwendeten Gegenstände zurück oder ersetzt16. Über die Gründe und den genauen Verlauf des Konflikts und Prozesses gibt es mangels direkter Zeugnisse keine Klarheit. Nicht nur sein beständiges Zitieren der antiken Autoren und suspekter Kirchenlehrer wie Origenes, sondern auch seine harte Abrechnung mit der Kirche seiner Zeit, deren Missstände er durchgängig in seinen Schriften gnadenlos anprangerte, mag den Ketzervorwurf befördert haben. Ein Pfründentausch befriedete die Parteien. Sein neuer Gönner war nun König Johann17, der ihn nicht nur mit der Übersetzung des Geschichtswerks des Livius ins Französische betraute18, sondern ihm auch Zugang gewährte zu dem engeren Kreis von Künstlern und Gelehrten am Hof, was sich umso leichter ergab, als ihm 1354 auch das Priorat von Saint-Eloi nahe am Königspalast auf der Île übertragen wurde19. Wie der König selbst und der Kronprinz (der spätere berühmte König Karl V.) Freunde der Bildung, der antiken Literatur und der Kunst waren, umgaben sie auch Intellektuelle mit denselben Interessen, unter denen Berchorius Gleichgesinnte fand. Einen Freund gewann er offenbar in Philippe de Vitry, dem Komponisten geistlicher und weltlicher Lieder, Musiktheoretiker und Dichter, Freund Guillaumes de Machaut20; er machte ihm

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DERS., Coram Papa Preaching and Rhetorical Community at Papal Avignon, 2002; DERS., Die Kardinäle und das kulturelle Leben im päpstlichen Avignon, 2011; BRILLI – FENELLI – WOLF (Hgg.), Images and Words in Exile. Avignon and Italy during the first Half of the 14th Century, 2015; PRYDS, Monarchs, Lawyers, and Saints: Juridical Preaching on Holiness, 1996; KAEPPELI, Predigten am päpstlichen Hof in Avignon, 1949. Berchorius, Reductorium, 1731, S. 2a. Dazu s. den Studienband von HAMESSE (Hg.), La vie culturelle, intellectuelle et scientifique à la cour des papes d’Avignon, 2006, mit mehreren hier einschlägigen Beiträgen, z. B. HEULLANT-DONAT, L’encyclopédisme, S. 255–276 (zu Paolino da Venezia; zu Berchorius S. 270); DUBA, Moral edification, S. 303–318; GOTTSCHALL, Conrad of Megenberg, S. 319–332 (zu enzyklopädischen Studien). SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 280–283. Ebd., S. 283–286. In einigen Handschriften des ›Reductorium‹ findet sich ein Widmungsbrief des Autors an seinen Gönner, der das Verhältnis beleuchtet: Berchorius, Epistola dedicatoria, hg. von ENGELS – VAN DER BIJL, 1969. Dazu unten I. 2. SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 292–296. Ebd., S. 289–292; zu Philipp de Vitry ist die Forschung noch spärlich: TARBÉ, Œuvres, 1850, S. V–XXXIV zu Leben und Werk (fälschlich Zuschreibung des ›Ovide moralisé‹ an ihn); COVILLE, Philipp de Vitri, 1933, mit

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

auch ein Exemplar des ›Ovide moralisé‹ zugänglich: Quia tamen, postquam Avinione redissem Parisius, contigit quod magister Philippus de Vitriaco […] dictum gallicum volumen mihi tradidit.21 Philippe, der bereits Sekretär bei Karl IV. und bei dessen Nachfolger gewesen war, sich am Papsthof aufgehalten hatte sowie von Papst Clemens VII. 1351 in der Diözese Meaux als Bischof eingesetzt wurde22, war auch Freund und Briefpartner Petrarcas, und dieser hatte ihn als den einzigen Dichter Frankreichs bezeichnet, sicher auch, weil er seine lateinischen Verse schätzte: Tu poeta nunc unicus Galliarum […]23. Berchorius lobt seine Fähigkeiten entsprechend hoch: Vir utique excellentis ingenii, moralis philosophie historiarumque et antiquitatum zelator precipuus et in cunctis mathematicis scientiis eruditus.24 Philippe steht am Beginn der humanistischen Bewegung in Frankreich, in seinen Dichtungen hat er immer wieder Motive aus der antiken Mythologie verwendet – sein persönliches Siegel stellte Hercules mit dem Löwen dar25. Auch zwischen Berchorius und Petrarca gibt es Kontakte über Jahrzehnte, die von großer gegenseitiger Schätzung zeugen; mehrere Briefe Petrarcas geben darüber Auskunft. Während seiner Jahre in Avignon – Petrarca hielt sich je nach Jahreszeit in Avignon oder Vaucluse auf – gab es in einem Kreis von Gelehrten Besuche bei Petrarca, die dieser in den ›Epistolae seniles‹ für 1338 erwähnt: adlige begabte junge Männer hätten ihn besucht, um Gespräche mit ihm zu führen: quorum unus fuit, honorifice nominandus, Petrus Pictaviensis religione et litteris vir insignis.26 Von einer späten intensiven Begegnung beider 1361 in Paris berichten die ›Epistolae familiares‹. Nach der Freilassung des französischen Königs Johanns des Guten aus der Haft der Engländer mit dem Frieden von Brétigny 1360, als erhebliches Lösegeld gezahlt war, schickte Galeazzo Visconti eine Gratulationsgesandtschaft nach Paris, die Petrarca anführte. Über seinen Aufenthalt in Paris und intensive Begegnungen und Gespräche mit Berchorius und anderen Gelehrten am Hof sowie über die Rückkehr nach Italien informieren Petrarcas Briefe an Berchorius aus Padua27; beide Briefe haben Berchorius nicht mehr erreicht. Die Vertrautheit zwischen beiden Gelehrten mag aus der kleinen Schlussbemerkung des ersten Briefs erhellen: […] tibique qui nugellas meas diligis, forsitan placitura [epistula].28 Berchorius hatte Petrarca im Prolog seines ›Ovidius moralizatus‹ seine Schätzung deutlich ausgedrückt, als er sich für seine Götterbeschreibung auf die Götterekphrasis in der ›Africa‹ als eine Quelle beruft: Habui consulere venerabilem virum magistrum Franciscum de Petraco poetam utique profundum in scientia et facundum in

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einigen ›Notes biographiques‹; POGNON, Ballades Mythologiques, 1938, hier S. 397–402; DERS., Philippe de Vitri et ses Amis, 1939; die Musikgeschichte hat die Leistungen Philipps durchaus gewürdigt, z. B. KÜGLE, Vitry, Philippe de, 2007, Sp. 58–67; seine Dichtungen, besonders die lateinischen, harren noch der angemessenen Behandlung, dazu WATHEY, The Motets of Philippe de Vitry, 1993, S. 119–150, bes. 124 ff. (mit Lit.). Berchorius, Ov. mor., Prolog. SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 289. Petrarca, Le familiari IX 13,28, hg. von ROSSI, Bd. 2, S. 253; vgl. SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 289, Anm. 2; WATHEY, The Motets, 1993, S. 120. Berchorius, Ov. mor., Prolog. WATHEY, The Motets, 1993, S. 145. Petrarca, Res Seniles, hg. von RIZZO, 2017, XVI 7, S. 386. Petrarca, Le familiari XXII 13 und 14, hg. von ROSSI, Bd. 4, S. 136–152. Vgl. SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 297–299. Ebd., S. 138.

2. WERKE IM ÜBERBLICK

eloquentia et expertum in omni poetica et historica disciplina.29 Mit verschiedenen Protohumanisten war Berchorius also sowohl in Avignon als auch in Paris in regem Austausch. Berchorius starb vor Ende 1362 in Paris. Im Priorat von Saint-Eloi folgte ihm sein Neffe Pierre Bersuire (Petrus Berchorius) (1362–1406), der Sohn seiner Schwester Lorence30.

2. Werke im Überblick Das außerordentlich umfangreiche Gesamtwerk des Petrus Berchorius ist kaum bekannt und nur in frühen Drucken zugänglich31. Kritische Editionen gibt es bislang nur für die ›Collatio pro fine operis‹, die kurze abschließende Werkbetrachtung am Lebensende des Autors32, sowie für einen Widmungsbrief an den Gönner Pierre des Prés33. Die schriftstellerische Produktion umfasst zwei Werkkomplexe, deren Entstehung den beiden Hauptstationen seines Lebens und Wirkens zuzuordnen ist: dem Papsthof in Avignon und dem Priorat Saint-Eloi in Königsnähe in Paris. In seiner ›Collatio‹ fasst Berchorius zuerst die drei Avignoneser Werke, theologische Hilfsmittel enormen Ausmaßes für die Predigt, Exegese und verwandte Zwecke zusammen: Labores meos in tres partes solum divido et disting[u] o, scilicet in Morale Reductorium, Repertorium et Breuiarium34; in ihrer Dreizahl sollen die Werke als eine trinitarische Figuration auf die Trinität verweisen, denn diese durchdringe die Welt von den Engeln bis in alle Geschöpfe, bis in den antiken Mythos. Berchorius führt das im Eingangsprolog zu dieser Werkgruppe länger aus35. Er beschreibt dann in der ›Collatio‹ die Erweiterung der Werkzahl auf fünf, um die säkularen Schriften hinzuzufügen: Et tamen constat quod ipsos labores meos iam in quinque partibus compilaui et inueniuntur distincti; denn später habe er ja im Auftrag König Johanns des Guten und auf sein Drängen hin den Titus Livius ins Französische übersetzt und zudem eine ›Cosmographia‹ geschrieben und gemalt36. Dabei formuliert er eine Würdigung des antiken Historiographen Livius als besonders sprachgewandten, aber auch besonders dunklen Autors, den er aus seinem schwer verständlichen Latein – ohne Vorgänger, wie er sagt – in das Französische übertragen habe37. Dem übersetzten Text gibt er eine Liste von etwa 70 besonders ungewöhnlichen schwierigen Wörtern bei38. Er übersetzt das gesamte zu seiner Zeit vorliegende Werk, d. h. die erste, dritte und vierte Dekade, unter Nutzung des Kommentars von Nicholas

Berchorius, Ovidius, Prolog. SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 260, 299–301. Ebd., S. 301–433 die Behandlung der Werke. Berchorius, Collatio, hg. von VAN DER BIJL, 1965, S. 151–161. Berchorius, Epistola dedicatoria, hg. von ENGELS – VAN DER BIJL, 1969, S. 70–72. Berchorius, Collatio, S. 158. Berchorius, Reductorium, 1731, S. 1b. Berchorius, Collatio, S. 159: […] et [eciam] quandam orbis terrarum [cosmographiam] seu mundi mappam […] composui et depinxi. 37 Ebd., S. 158 f.: Postea, ad mandatum et instanciam domini Iohannis incliti Francorum regis, Titum Liuium, summum et eloquentissimum et obscurissimum omnium hystoriographorum, de illa sua profundissima latinitate in linguam Galli[c]am transtuli. 38 Dazu SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 359 ff. Abdruck des Widmungsbriefs an Philipp den Guten mit Erläuterung der Schwierigkeiten und zu dem Wörterverzeichnis; STEIN, Liviusübersetzungen, 1997, S. 50 f. – Eine kritische Edition der Übersetzung steht noch aus. 29 30 31 32 33 34 35 36

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

Trevet, den dieser für Papst Johannes  XXII. erarbeitet hatte39. In diesen Jahrzehnten ist auch Petrarca intensiv mit Livius beschäftigt, so dass auch ein Austausch mit Berchorius naheliegt. Dass dieser mit der Übersetzungsaufgabe betraut wurde, spricht dafür, dass seine Kompetenz in der antiken Literatur, deren noch kaum bekannte und unkommentierte Werke allenthalben im 14. Jahrhundert als schwierig galten – man denke etwa an die Seneca-Tragödien und Trevets hochgeschätzte Erschließungsarbeit40 –, am französischen Königshof große Anerkennung fand41. Der Erfolg der Livius-Übersetzung ist in der handschriftlichen Überlieferung mit mehr als sechzig Textzeugen, darunter auch illustrierten Prachthandschriften, bezeugt42. In die Pariser Jahre fallen auch abschließende Überarbeitungen der Werke seiner Avignoneser Schaffensperiode, z. B. Erweiterungen und Ergänzungen seines exegetischen Bibellexikons, des ›Repertorium morale‹43, wie auch der letzten Version der allegorischen Enzyklopädie, des ›Reductorium morale‹. Von den fünf Werken, die Berchorius nennt, sind nur drei überliefert. Das ›Breviarium‹, das in den Prologen meist als noch abzuschließendes genannt wird, ist wohl nicht fertig geworden44 oder ebenso wie die ›Cosmographia‹ bislang in der Manuskriptüberlieferung nicht aufgefunden worden oder verloren. Die beiden Hauptwerke, Enzyklopädie und Bibelkonkordanz, folgen zwar seit Jahrhunderten eingeführten Gattungstypen, übertreffen aber die meisten dieser Werke in Umfang und gebotener Materialfülle bei weitem, selbst noch direkte Vorgängerwerke, die schon Mammutunternehmen sind45. Allegorische Enzyklopädien entstehen zuerst in ganz bescheidenem Format – wie die ›Formulae spiritalis intelligentiae‹ des Eucherius von Lyon (um 500) –, wachsen dann über die ›Clavis‹ des Ps.-Melito (um 800) und Hrabans ›De rerum naturis‹ (›De universo‹) schon zu umfangreichen Werken auf der Sachgrundlage von Isidors

39 Dazu SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 372; STEIN, Liviusübersetzungen, 1997, S. 50, mit dem

Jahr 1318. 40 Dazu s. den Auftragsbrief des Kardinals Nicolaus von Prato an Nicholas Trevet zur Kommentierung der 41

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schwierigen Dramen Senecas bei JUNGE, Nicholas Trevet, 1999, S. 131. Das Interesse humanistisch gebildeter Fürsten am Livianischen Geschichtswerk beleuchtet eine Episode aus dem Gelehrtenstreit Lorenzo Vallas mit Antonius Panormita, der im Lektürezirkel des Königs Alfons von Aragon und Neapel regelmäßig aus dem lateinischen Livius-Text vorzulesen hatte (um 1445). Als der König sich einmal nach der Bedeutung der Formel: ire in sententiam pedibus (›abstimmen‹) erkundigte, konnte Valla die falsche Auskunft Panormitas korrigieren, was zum Anlaß einer erbitterten Feindschaft wurde (Valla, Antidotum in Facium IV,1, S. 305 ff.). Vgl. die Liste der Handschriften und frühen Drucke bei SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 447– 450, mit hochrangigen Provenienzen: z. B. Philipp der Gute, Karl V. (er besaß die Prachths. Bibl. Sainte-Geneviève, Ms. 777, von ca.  1370): TESNIÈRE, Marie-Hélène, Les Décades de Tite-Live traduite par Pierre Bersuire et la politiqe éditoriale de Charles V, 2007; ferner Jean de Berry sowie weitere Mitglieder des Hochadels und Bischöfe; GAGNEBIN, Bernard, Le Tite-Live du duc de Berry, 1959; zu einer weiteren reich illustrierten Prachths. SINCLAIR, The Melbourne Livy, 1961, bes. S. 49–67. Neuere Lit. zu den Livius-Übersetzungen und so auch zu der ersten erhaltenen von Berchorius STEIN, Liviusübersetzungen, 1997, hier S. 47–53; vgl. auch MEUNIER, L’humaniste Pierre Bersuire, 1948, bes. S. 525–532. Berchorius, Collatio, 1965, S. 157 f. schildert die letzten Arbeiten am ›Repertorium‹ bis hin zur Anlage eines Registers; Ders., Reductorium, 1731, S. 3a: Laboro vero nunc omnia corrigendo et semper aliquid utile in diversis locis et materiis aggregando. Berchorius, Reductorium, 1731, S. 3a: Laborabo vero postea Opusculum Breviarii moralis […] compilando et illos labores meos sub isto triplici ordine consummando. Vgl. unten Anm. 53.

2. WERKE IM ÜBERBLICK

›Etymologiae‹ an46. Seit etwa 1200 setzt die große Phase der mittelalterlichen Enzyklopädie ein, und es entstehen im 13. Jahrhundert die Spitzenwerke der Gattung: Alexander Neckam, Thomas von Cantimpré, Bartholomäus Anglicus, Vinzenz von Beauvais47. Mit einigem Recht wurde daher in einem ›esprit encyclopédiste‹ die Signatur des Jahrhunderts gesehen48. Berchorius kennt und nutzt alle diese Werke, wählt aber als Hauptquelle für sein ›Reductorium‹ den enzyklopädischen ›Bestseller‹ aus49: ›De proprietatibus rerum‹ von Bartholomäus Anglicus, ein schnell außerordentlich verbreitetes Werk mit einer handschriftlichen Überlieferung von mehr als 200 Textzeugen, mit Bearbeitungen, Übersetzungen in mehrere europäische Sprachen, reicher Illustrierung und einer dichten Druckgeschichte bis 160150. Um 1300 beginnt dann die große Zeit der allegorisierten Enzyklopädien, in der das ›Reductorium‹ des Berchorius einen Höhepunkt bildet51. Die allegorischen Bibellexika auf der anderen Seite, die den Wortschatz der Bibel in alphabetischer Anordnung nach Kriterien der leichteren Benutzbarkeit präsentieren, entstehen im 12. Jahrhundert (Alan von Lille, Petrus Cantor, Ps.-Hraban) und haben seit etwa 1230/40 (seit Hugo von St. Cher) gleichfalls einige Nachfolgewerke. Beide Werke des Berchorius verhalten sich also komplementär, insofern das erste, das ›Reductorium morale‹, eine systematisch-enzyklopädische Ordnung der Welt zugrunde legt, während das ›Repertorium morale‹ den Wortschatz der Bibel alphabetisch behandelt und zu vielen Wörtern umfangreiche Artikel bringt, die das einzelne Wort – und zwar alle Wortarten – jeweils in seinen Bedeutungsnuancen und in den möglichen Auslegungen darstellt. Die Artikel eignen sich zur Erklärung in der Bibelexegese wie auch als Ganze oder in Teilen zur Predigt, sodass auch hin und wieder schon im Artikel die Predigtanrede Charissimi steht oder – wie in dem einen Fall von Videre – Berchorius selbst sagt, dass er hier eine einmal von ihm gehaltene Predigt eingefügt habe, eine Predigt übrigens, die auch Beispiele aus dem antiken Mythos enthält52. Dem entspricht auch die Erklärung seiner Intention im Prolog: tractare propono de quolibet vocabulo praedicabili secundum ordinem alphabeti, scilicet verbum quodlibet exponendo, dilatando, distinguendo, auctoritates dividendo, exempla naturalia, figuras et enigmata applicando […]. In der ›Collatio‹ geht Berchorius 1359 noch einmal genauer ein auf die Entstehungsbedingungen und -intentionen, die Autorschaft, die Form, das beigegebene Register, eine erst in der Überarbeitung ausgewertete neue Quelle, die ›Magne Con-

46 OHLY, Vom geistigen Sinn, 21977, S. 21–24 und 30; MEYER, Enzyklopädik und Allegorese, 1990, S. 290–313,

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hier 294–299, 306–313, zu Berchorius 298 und 312 f.; MEIER, Qualitätenallegorese, 1974, S. 385–435, hier 415–429. MEIER, Grundzüge der mittelalterlichen Enzyklopädik, 1981; DIES. (Hg.), Die Enzyklopädie im Wandel, 2002, mit Beiträgen zu den verschiedenen enzyklopädischen Texten. LE GOFF, Siècle d’encyclopédisme, 1992, S. 23–40. Berchorius, Reductorium, S. 2a erklärt zur ordinatio operis die Übernahme von ›De proprietatibus rerum‹ und gibt an, dass er im Bereich der Medizin und der Krankheiten sowie der Bäume gekürzt, bei dem kurzen Fischkapitel erweitert habe. Zu dem großen Überlieferungskomplex s. die Darstellung von MEYER, Die Enzyklopädie des Bartholomäus Anglicus, 2000. MEYER, Die Enzyklopädie, 2000, S. 296–324 ›Die Moralisation der Enzyklopädie‹; VAN DEN ABEELE, Moralisierte Enzyklopädie, 2002, S. 279–304. Vgl. VAN DER BIJL, Petrus Berchorius Redivivus, 1984; dazu unten Kap. II. 5.

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

cordancie‹ des Giraldus Valete53, und auf die frühzeitige Verbreitung des Werks vor seiner endgültigen Form, die er bedauert54  – eine Konstellation, die auch andere seiner Werke kennen. Eine noch ausführlichere Beschreibung und Begründung seiner Arbeiten findet sich vor allem im langen Prolog seines ›Reductorium morale‹. Dort gibt er auch Einblick in seinen Bildungsweg, der die Ausbildung seines Gelehrtenprofils erklärt. Er kommt als noch junger Mönch von wenig mehr als zwanzig Jahren an den Papsthof in die Hausgemeinschaft des Kardinals Pierre des Prés und eignet sich dort gründliche theologische und naturkundliche Kenntnisse an. Er beschreibt die äußerst harte Arbeit und Mühsal: viermal habe er die ganze Bibel durchgearbeitet, um ohne Hilfsmittel (sine concordantiis) zu jeder Stelle ihre Deutungen, die entsprechenden Autoritäten und Kontexte (Geschichten) im Kopf zu behalten und sie dann aufs Genaueste anführen zu können. Dann folgte ein gründliches Studium der Enzyklopädien, nicht nur des Bartholomäus Anglicus, sondern auch des Mammutwerks ›Speculum maius‹ des Vinzenz von Beauvais und anderer Naturgelehrter. Danach erst begibt er sich in das Wagnis der Auslegung dieser Stoffe aus der Natur und bemüht sich, sie in eine Form zu bringen, also das ›Reductorium‹ zu schaffen. Die anschließende Arbeitsphase gilt dem ›Repertorium morale‹, einem für ihn noch schwierigeren Unternehmen, an dem er fünfzehn Jahre arbeitet. Schließlich erfolgen die Ergänzungen und Korrekturen des Ganzen mit wiederum großen Anstrengungen. Die Last dieser Arbeit hat ihn, wie er andeutet, besonders in jungen Jahren niedergedrückt, er habe sein Bett nicht selten mit Tränen ›gewaschen‹. Laboravi igitur primo ante omnia Bibliae textum quater studendo, ut sic sine concordantiis allegare scirem, figuras, auctoritates et historias diligentissime consignando. Laboravi postea librum illum de proprietatibus cum aliis, qui de naturis rerum tractabant, diligenter videndo et quidquid potui retinendo. Laboravi post haec audaciam moralizandi sumendo et in hoc annis plurimis attendendo, dictas rerum naturas ad mores (sicut dictum est) applicando, formam quoque et ordinem eis dando. Laboravi insuper, opus magis arduum et difficile, quod Repertorium Morale vocavi aggrediendo et ibi quasi per quinquennium insudando. Laboro vero nunc haec omnia corrigendo et semper aliquid utile in diversis locis et materiis aggregando. […] Laboravi enim in gemitu meo, lavi quandoque lachrymis lectum meum […].55

53 Berchorius, Collatio, 1965, S. 156 f. zur Einarbeitung der ›Magne Concordantie‹ in sein Repertorium: […]

opus per ordinem visitavi et omissa vocabula in ordine suo tractavi. […] Et sic certe plus quam ad terciam partem istud opus adiunxi; von GIEBEN, Giraldus Valete, 1968, S. 62–64 wurde ein Vorschlag zur Identifikation des Autors dieser Quelle gemacht, die auch in zwei Katalogen der päpstlichen Bibliothek in Avignon geführt wird (eine existierende Hs. ist MS Toulouse 61). ›Magne Concordantie‹ (oder Concordantiae Anglicanae bzw. maximae) heißt auch eine umfangreiche, von englischen Gelehrten 1250/2 in St. Jacques in Paris erarbeitete Bibelkonkordanz; nur diese ist in der Forschung allgmein bekannt; dazu s. SHEEHAN, Religious Orders, 1984, S. 211; KAULEN, Bibelconcordanzen, 1883, S. 636–647. Sie bauen auf dem direkten Vorgängerwerk einer neuen Konkordanzengeneration auf, der Bibelkonkordanz des Hugo von St. Cher, ebenfalls aus dem Kloster St. Jacques. Vgl. auch ROUSE – ROUSE, Verbal Concordance to the Scriptures, 1974. 54 Berchorius, Collatio, S. 157: Certe doleo unde primum opus iam multis personis fuerat communicatum et ad diversas mundi partes portatum, quia quamuis idem ordo sit in utroque, non sunt tamen eadem vocabula vel eedem materie in ipsorum voluminum unoquoque. 55 Berchorius, Reductorium, S. 3a.

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3. DAS ›REDUCTORIUM MORALE‹

Die beiden von Berchorius extensiv bearbeiteten und zu Großformen entwickelten Werktypen oder -gattungen – ›Reductorium‹ und ›Repertorium‹ – sowie vergleichbare Kompendien des 14. Jahrhunderts werden gedruckt bis ins 18. Jahrhundert; sie haben Nachfolger bis in die Barockzeit und prägen so die Gelehrsamkeit über Jahrhunderte: etwa die ›Silva Allegoriarum‹ des Hieronymus Lauretus von 1570 und vergleichbare Werke der Frühen Neuzeit56.

3. Das ›Reductorium morale‹ Das in Avignon geschriebene und in Paris überarbeitete ›Reductorium‹, die moralisierte oder allegorisierte Enzyklopädie, vertritt einen Werktyp, der im 14. Jahrhundert – lange nach Hraban – wieder modern und gefragt ist. Einerseits ist er auf die neue Natur- und Weltkenntnis gegründet, die das 13. Jahrhundert in der Enzyklopädie aufbereitet hatte, andererseits hat er in der spätmittelalterlichen Gesellschaft eine zentrale Funktion; er bietet umfassenden Stoff für die Predigt und damit für eine Gattung, die der breiten gesellschaftlichen Kommunikation dient. Anweisungen für die Prediger geben die parallel entstandenen großen Predigtlehren und Predigtsammlungen des 13. und 14. Jahrhunderts57. Das ›Reductorium‹ ist eingeteilt in sechzehn Bücher58. Die Bücher I bis XIII bilden einen ersten Block, in dem der Kosmos, der Mensch und die Natur in ihren verschiedenen Phänomenen behandelt werden; ihn ergänzen drei weitere Bücher: Buch XIV über die Wunder der Natur, ein geographisch angelegtes Wunderbuch (›De nature mirabilibus‹), Buch XV über die antiken Götter und den Mythos nach Ovids ›Metamorphosen‹ (›De poetarum fabulis et enigmatibus‹ bzw. ›Ovidius moralizatus‹) und Buch XVI, eine Auslegung der gesamten Bibel von der Genesis bis zur Apocalypse in Auswahl (›De figuris Biblie et earum expositionibus‹). Während die ersten dreizehn Bücher, wie gesagt, nach der Enzyklopädie des Bartholomäus Anglicus gearbeitet sind (mit Modifikationen z. B. bei der Medizin, den Fischen), aber auch die Hinweise auf Auslegungen aus dessen Randnotencorpus aufnehmen wie aus einer kleinen erst 2005 edierten moralisierten Enzyklopädie, dem ›Liber de moralitatibus‹ oder ›Liber septiformis‹ des Marcus von Orvieto59 (auf die Berchorius erst spät stößt60), sind

56 Hieronymus Lauretus, Silva allegoriarum totius Sacrae Scipturae, Köln 1744 (11570); dazu OHLY, Nach-

druck der Ausgabe von 1681, Einleitung, S. 1–12 über dieserart Werke. 57 Dazu vgl. BRISCOE, Artes Praedicandi, 1992; WENZEL, Medieval Artes Praedicandi, 2015; Rezension von

THAYER, 2016; s. Texte bei CHARLAND, Artes Praedicandi, 1936 und bes. die umfangreichen Predigten und Predigtexempel-Werke aus dem 13. Jh. von Jakob von Vitry und Stephan de Borbone: FRENKEN, Die Exempla des Jacob von Vitry, München 1914; CRANE, The Exempla or Illustrative Stories from the Sermones Vulgares of Jacques de Vitry, London 1890; Stephanus de Borbone, Tractatus de diversis materiis predicabilibus, hg. von BERLIOZ – EICHENLAUB, 2002. 58 Vgl. eine Werkanalyse bei TESNIÈRE, Le ›Reductorium morale‹, 1994. 59 Marcus von Orvieto, Liber de moralitatibus, hg. von ETZKORN, 2005. Vgl. auch MEYER, Bartholomäus Anglicus, 2000, S. 298–317. 60 Berchorius, Reductorium, S. 2b: Advertendum tamen, quod postquam hoc Opus Reductorii penitus complevissem, quoddam volumen, quod intitulabatur de moralisatione libri de proprietatibus rerum, meas venit ad manus […]. Berchorius schildert kurz die Machart jenes Werks, lobt auch seine Deutungen, verschiebt aber die Berücksichtigung des Traktats auf seine Arbeit am ›Breviloquium‹.

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

für Buch XIV Solin und die ›Otia imperialia‹ des Gervasius von Tilbury61 die wichtigsten Quellen; Buch XV über den antiken Mythos ist der selbständigste Teil des Werks, in Buch XVI greift Berchorius auf seine umfassenden exegetischen Kenntnisse zurück, die sich naturgemäß aus vielen Quellen seit der Patristik speisen, wie die Auslegung des ganzen Werks sich seiner bibelexegetischen Erfahrung und den Hilfsmitteln in der Bibliothek seines Gönners verdankt, die die Literatur der Antike, der Patristik, des Mittelalters bis zur eigenen Gegenwart bot. Über den Sinn des ›Reductorium‹ informiert der ausführliche Prolog hinreichend. Das ideelle Ziel des Werks, die causa finalis nach Berchorius, ist das Seelenheil (salus animarum)62: labores mei nihil aliud sunt, quam quaedam morales reductiones quaedamque proprietatum moralizationes et quaedam exemplares applicationes, quibus scilicet conditiones virtutum et vitiorum possint ostendi et quibus exemplis et figuris mediantibus possint illa, quae ad fidem et mores pertinent, manu duci63. Mit seiner Kombination der drei Materien, der Dinge der realen Welt, einschließlich der Naturwunder, dann der antiken Dichtung und der Bibel betritt Berchorius Neuland; denn bis dahin waren nur die beiden Bücher Gottes, das Buch der Schöpfung und das Buch der Offenbarung, in Korrespondenz miteinander interpretiert worden, jedoch nicht im Verbund mit dem pagan-antiken Mythencorpus, den fictiones hominum64. Mit dieser Innovation beginnt eine neue Periode der christlichen Allegorese mit Wirkungen bis weit in die Neuzeit: die Bibelauslegung als solche prägte Jahrhunderte, seit dem 12. Jahrhundert weitete sich der Zugriff auf Schöpfungs- und Naturdeutung in diversen Gattungen und Materien über die Bibel hinaus und im Verbund mit ihr. Erst im 14. Jahrhundert wird die Mythen-Allegorese in toto neu in diesen Horizont eingestellt, was z. B. Predigtlehren des 13. Jahrhunderts noch abgelehnt hatten, da nur ›Wahres‹ zu nutzen war65. Zweck und Funktionen dieses Werkensembles korrespondieren eng mit der Position des Autors am Papsthof. Die allegorischen Enzyklopädien waren zwar wissenschaftliche Handbücher, aber vor allem dienten sie dem Prediger bei seinem Geschäft und heißen daher auch ›Prediger-Enzyklopädien‹. Am Papsthof wurde viel und lang gepredigt, auch von Berchorius. Doch galt sein Materialrepertoire letztlich Predigern kirchenweit zur Vorbereitung ihrer Predigten: insbesondere für die Materialfindung und die entsprechende Ausformulierung der Predigt, also – rhetorisch gedacht – für inventio und elocutio. Dieses Ziel der

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Gervase of Tilbury, Otia imperialia. Recreation for an Emperor, hg. von BANKS – BINNS, 2002; s. auch die Einleitung in Gervasius von Tilbury, Kaiserliche Mußestunden, eingeleitet, übers., mit Anmerkungen, von STIENE, 2009, S. IX–LIII und S. XL zu Berchorius als einem der zahlreichen Rezipienten im 14. Jh., neben Petrarca, Boccaccio u. a. Berchorius, Reductorium, S. 1b. Ebd., S. 1a. Auch in Hrabans Enzyklopädie gibt es eine Götterpassage (PL 111, Sp. 426–436 nach Isidor); aber diese Werke waren Hilfen zu Lektüre und Verständnis antiker Texte, nicht Weltdarstellung wie die Enzylopädien des 12. bis 14. Jahrhunderts. VON MOOS, Das Exemplum und die Exempla der Prediger, 2006, S. 115–117 und bes. Anm. 33: Humbert de Romanis, De dono timoris, S. 6 dringt auf verlässliche Autoritäten für die Exempla aus Natur und Geschichte; dann folgt: Numquam enim narranda sunt incredibilia uel que probabilem non continent ueritatem, et si forte introducatur fabula aliqua propter significationem aliquam, quod nunquam uel rarissime est faciendum, semper exponendum est, quod ista res non sit uera sed propter significationem inducatur. Zum Exemplum bei Humbert auch SCHÜRER, Das Exemplum, 2005, S. 117 ff.

3. DAS ›REDUCTORIUM MORALE‹

Predigerhilfe hat den Charakter des ›Reductorium‹ wie auch des ›Repertorium‹ insofern geprägt, als es eine stark der Rhetoriklehre verpflichtete Faktur hat. Für seine Praxis braucht der Prediger Materien, um zu argumentieren, zu illustrieren, zu tadeln und die Hörer aufzurütteln, zu überraschen oder auch zu erschrecken, immer aber zu überzeugen, indem er die Materien situativ geschickt einsetzt, so dass er evidentia bewirkt. Das ›Reductorium‹ des Berchorius ist daher als eine riesige Predigttopik zu begreifen, aus der in Fülle Naturexempel, biblische Beispiele und nun auch mythologische Geschichten (fabulae) zu schöpfen sind, um daraus wieder die verschiedenen Möglichkeiten der Verwendung für diverse Kontexte und Argumentationszusammenhänge abzuleiten. Auf den Charakter seines Werks als Toposreservoir für vielfältige Adaptationen weist Berchorius selbst hin, wenn er über den Predigtbereich hinausgehend sagt, dass hier zu jedem Thema etwas zu finden sei: […] quod ad omne propositum possit homo proprietates rerum adducere et moralizatas, expositas et applicatas ad omne, quod voluerit, invenire.66 Die Fülle und Fragmenthaftigkeit des gebotenen Materials legt für Berchorius den Vergleich seines Werks mit einem Steinbruch oder einem Brunnen nahe, aus dem Material zu schöpfen sei: Sic […] sit sicut lapicidina vel puteus ad materiam hauriendum.67 Erst in der praktischen Ausarbeitung der Predigt oder anderer Darstellungen wird dann die scheinbare Wahllosigkeit und Beliebigkeit des Materials in konkreten Argumentations- oder Illustrationszusammenhängen aufgehoben. Aus dieser Spannung von Potentialität oder Virtualität und Aktualisierung im jeweiligen besonderen Fall erklären sich auch die scheinbaren Widersprüche der Auslegungen, wenn demselben Gegenstand positive und negative Deutungen zugesprochen sind, für eine Deutung diese Merkmale des Gegenstands, für die andere jene genutzt werden, wie es in der Allegorese normal ist68. Der Text der Topossammlung wirkt dadurch unbefriedigend-rudimentär und weitschweifig-geschwätzig zugleich. Durch ihre Multifunktionalität tendiert die Predigertopik zu einer generellen Topik – und so wurde sie später auch gebraucht. Das Quellencorpus für dieses Großwerk war immens – Berchorius selbst nennt im Prolog nur wenige ihm besonders wichtige Quellen: Legi enim illud notabile et egregium volumen, scilicet Plinium secundum de naturali mundi historia; legi Senecam de naturalibus quaestionibus; legi Solinum de mundi mirabilibus, legi Gervasium de otiis imperalibus necnon plura alia opera vel tractatus, in quibus multa recitatione digna reperi, quae in suis locis huic primo operi secundum suas materias et titulos aggregavi.69 Das Quellencorpus, das Samaran für das ›Reductorium‹ in einer langen Liste verzeich70 net , ist hier nicht näher zu beschreiben oder zu kommentieren; Untersuchungen dazu gibt

66 Berchorius, Reductorium, S. 1b. 67 Ebd. 68 Zu dieser Art der Vielfältigkeit der Deutungen sagt Berchorius, ebd., S. 2b: Adhuc autem circa ordinem

hujus Operis est notandum, quod proprietates cujuslibet animalis vel etiam alterius cujuslibet rei in plures §. [paragraphos] distinguuntur secundum quod diversae illius conditiones ad unum vel ad alium propositum applicabiles videbantur. Plerumque enim fit, quod idem textus vel idem §. [paragraphus] pluribus et diversis modis exponitur, secundum quod per diversos modos accipiendi, nunc in bono, nunc in malo, nunc allegorice, nunc mystice exponibilis putabatur. 69 Ebd., S. 2b. 70 SAMARAN – MONFRIN, Petrus Berchorius, 1962, S. 320–322.

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

es nicht. Trotz der Nennungen durch den Autor dürften sie nicht einfach sein, da Berchorius in der Regel nicht wörtlich zitiert, sondern selbst neu formuliert71.

4. Der ›Ovidius moralizatus‹ Zur Autorschaftsfrage des ›Ovidius moralizatus‹ Anders als das übrige Werk des Berchorius birgt sein Mythen-Buch ein Autorschaftsproblem. Als einer der drei dem Hauptcorpus hinzugefügten Traktate steht das Mythen-Buch  XV einerseits unter denselben Bedingungen wie das übrige Werk, hat es andererseits aber seinen ganz eigenen Charakter und eine besondere Geschichte. Der Autor weist im Hauptprolog darauf hin, dass er diesen drei Büchern am entsprechenden Ort noch eigene Prologe zu ihrer Erklärung hinzugefügt habe: Istorum vero trium Tractatum ordinem, qui plenius scire voluerit, videat prologos, qui istorum Tractatuum praeponuntur, in quibus de istorum librorum ordine magis plene tractatur.72 Berchorius weiß auch, dass das Naturwunder-Buch und insbesondere das Mythos-Buch Anstoß erregen könnten und fügt deshalb hinzu: Nec moveat quemcumque, si in dictis libris de mirabilibus et de fabulis multa extranea, quae forte falsitatis habent effigiem, multaque paganorum figmenta apposuerim et ad mores duxerim, ut est dictum […].73 Kritiker solcher ungewöhnlichen Materien eines Predigthandbuchs, die noch im 13. Jahrhundert ausdrücklich aus der Predigt als Unwahres ausgeschlossen waren74, sucht er zu beruhigen mit zwei im Zusammenhang der Nutzung paganer Stoffe gern angeführten Bibelstellen: über die Schätze der Ägypter, die die Israeliten nach Gottes Befehl für den Bau und die Ausstattung des Tabernaculum und der Kultgeräte nutzten, und über die im Krieg gefangene Frau, mulier pagana, die nach einem Reinigungsprozess einen Juden heiraten und in das Volk der Israeliten eingegliedert werden konnte (Deut. 21,11 ff.): Quapropter male non credo facere, si […] poetarum et philosophorum nec non gentilium et paganorum doctrinam accipio et si […] errores et superfluitates aufero et si per reductiones, moralizationes et applicationes ipsam in Israeliticam transfero vel converto.75 Obwohl schon durch diese Hinweise des Autors das Mythenbuch dem ›Reductorium‹ als gesicherter Bestandteil integriert ist, hat es in der Überlieferung Schwierigkeiten mit der Autorschaftsfrage gegeben; denn dieses Buch wurde bald nach dem Entstehen in einer Fülle von Handschriften (über 80 Mss.) auch separat überliefert, und zwar in vielen Fällen anonym oder mit falschen Autornamen; dadurch war auch in der Forschung sein ursprünglicher Autor und Ort nicht immer bewusst. Eine größere Zahl von Handschriften spricht das

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Für seine Zurückhaltung bei der Zitation der auctoritates gibt Berchorius, Collatio, S. 159 f. die Begründung, er habe nicht zu lang sein wollen: Et quia multi querunt quare in hoc opere sanctorum auctoritatibus non magis utor, respondeo certe quod est, quia sanctorum auctoritates, ut communiter, sunt prolixe et multarum materiarum simul, ut communiter, contentiue. […] et sic sanctorum originalia pauca hic inserere volui, ne scilicet ultra debitum prolixus essem […]. Außerdem sollten die simplices Raum erhalten für eigene Überlegungen. Berchorius, Reductorium, S. 2b. Ebd. Vgl. oben Anm. 65. Berchorius, Reductorium, S. 2b.

4. DER ›OVIDIUS MORALIZATUS‹

Werk dem englischen Protohumanisten Thomas Waleys zu, der sich zur selben Zeit wie Berchorius am Papsthof in Avignon in der familia des Kardinals Matteo Orsini aufhielt – so auch die Zuschreibung unseres Hauptcodex Gotha, Membr. I 9876. Ein paar Handschriften nennen weitere englische Dominikaner aus demselben Oxforder Konvent als Autoren, die sich gleichfalls durch Antikenkenntnisse und -interessen einen Namen gemacht hatten, Nicholas Trevet77 vor allem und Robert Holcot78. Nach jetziger Kenntnis nennen nur wenige Handschriften des separat tradierten ›Ovidius moralizatus‹ den richtigen Autor, z. B. Mailand, Bibl. Ambros. D 66 Inf.: Explicit Ouidius Methamorphoseos moralizatus a fratre Petro Berchorii priore Sancti Eligij. Quem scripsit frater Johannes de Maneyo [Avignon, 14. Jh.]; oder Venedig, Bibl. Marc. I. 40: Expliciunt fabulae […] per magistrum Petrum et dominum priorem Salutiensis [sc. Salmuriensis] monasterii de ordine Sancti Benedicti in Francia [14. Jh.]79. Die Zuordnung des Mythenbuchs zu Berchorius’ Gesamtwerk wurde dadurch erschwert, dass das riesige Werk, das durch den Prolog eröffnet wurde, nur selten zusammen vorhanden war und heute nur einmal in einer Pariser Handschrift (Bibl. nat., Lat. 16785 – Lat. 16790, 14./15. Jh.) in sechs umfangreichen Bänden überliefert ist80. Drucke des Gesamtwerks hatten nach der Indizierung allegorischer Mythenwerke 1559 diesen Werkteil ausgeschieden. Die Einzeldrucke des ›Ovidius moralizatus‹ und der französischen Übersetzung um Colard Mansion verzeichnen als Autor alle Thomas Waleys81. Die Frage, auf welche Weise bereits am Papsthof die Falschzuschreibung geschehen sein und wie sie sich von dort verbreitet haben könnte, lässt sich ohne weitere Forschungen nicht, vielleicht nie beantworten. Dass jedoch Berchorius selbst nicht verborgen geblieben ist, dass Teile seines Werks unter fremden Namen umliefen, zeigt eine harsche Äußerung zum Plagiat gegen jene, die sich fremdes Geistesgut aneignen, sich gleichsam mit fremden Federn schmücken; diese Kritik platziert er an gut sichtbarem Ort, dem Prolog von Buch XVI des ›Reductorium‹: ›Nicht alles, was ich hier schreibe, rechne ich mir selbst zu; vielmehr gestehe ich, dass ich die Aussagen vieler Autoren vorbringe, und ich erkenne demütig an, dass ich an vielen Stellen ihre Worte und Gedanken nutze. Denn nie fand ich daran Gefallen, mir fremden Ruhm anzueignen und auch nicht die intellektuellen Talente anderer herabzusetzen. Denn ich weiß, dass – gemäß dem Apostel – jeder in seiner eigenen Begabung die Fülle hat82. Und deshalb weiß ich sehr wohl, dass es dem Menschen von Natur aus missfällt, wenn ein anderer sich seine mühevoll erbrachten Leistungen und Werke aneignet und zuschreibt und sich mit fremdem Mantel bedeckt (sich mit fremden Federn schmückt).‹

76 Zu Thomas Waleys TUGWELL, Waleys, Thomas, 2004; KÄPPELI, Le procès contre Thomas Waleys, 1936;

SMALLEY, English Friars, 1960, S. 75–108. 77 Zu Nicholas Trevet JUNGE, Nicholas Trevet, 1999, S. 125–163; SMALLEY, English Friars, 1960, S. 58–65, 88–

92. 78 Zu Robert Holcot SLOTEMAKER – WITT, Robert Holcot, 2016, zu Leben und Werken, bes. zu Predigt und

›Moralitates‹ S. 215 ff., mit Lit.; SMALLEY, English Friars, 1960, S. 133–202. 79 SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 341 f.; s. ferner GHISALBERTI, L’›Ovidius moralizatus‹, 1933,

S. 63 f. und S. 132; Weiteres zur Autorfrage nach den Hss. ebd., S. 52–65. 80 SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire, 1962, S. 435. 81 Ebd., S. 444 f. 82 Vgl. Rom 14,5.

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

Nec omnia, quae ponam hic, mihi attribuo, quinimo multorum dicta me proferre confiteor et in multis passibus eorum me verbis vel sententiis uti humiliter recognosco. Nunquam enim mihi placuit alienam gloriam mihi attribuere nec aliorum ingeniis derogare. Scio enim quod unusquisque in suo sensu abundat secundum Apostolum. Et ideo non ignoro, quod homini naturaliter displicet, si alius ejus labores et opera sibi attribuat et adscribat et alieno pallio sese tegat.83 Berchorius lag daran, dass seine Werke auch seinen Namen trugen, wie er verschiedentlich ausführt. Nennung von Autornamen sei notwendig; denn: quamquam enim vana sunt opera et risu digna, confusum tamen negotium videretur, si quandoque volumina carentia nomine invenirentur et si auctor horum voluminum nesciretur.84 Widmungen seiner Werke an die Gönner in den Prologen mit Namensnennung, Herkunft, Stand der eigenen Person dienen dem Zweck der Sicherung des Autors für das Werk. Da der Prolog zum ›Ovidius moralizatus‹ ein Binnenprolog war, fehlte ihm bei seiner separaten Überlieferung der richtige Autorname – ein Unfall der Überlieferung, dass gerade der originellste Teil seines ›Reductorium‹ damit für fünf Jahrhunderte für seinen Autor verloren war85.

Aufbau und Inhalt Sein Mythenbuch teilt Berchorius in drei Teile: den bereits im Eingang des Gesamtwerks angekündigten Prolog, der eine Einführung nach verschiedenen Aspekten und wichtige Informationen für den Leser enthält, dann ein Buch über die antiken Götter und ihre Darstellung und Auslegung sowie als großen Hauptteil die Behandlung der 15 Bücher von Ovids ›Metamorphosen‹ in ebenfalls 15 Büchern oder Capitula mit allegorischer Deutung. Um diese Grundstruktur der Komposition in der Nachfolge Ovids zu markieren, beginnt Berchorius jedes seiner 15 Bücher mit dem Incipit des entsprechenden Buchs von Ovids ›Metamorphosen‹. Diese Incipits wirken wie Motti, die eine Einstimmung auf den folgenden Text bewirken. Technisch betrachtet sind sie wie Scholieneinsätze, auf die dann die zugehörigen Kommentartexte folgen. Und diese beginnen in vielen Fällen mit einem Satz, der ganz kurz formuliert, was Ovid in dem jeweiligen Buch erzählt86. Der Prolog: Der Prolog beginnt mit einer ausführlichen Legitimation des Unternehmens. Zuerst wird die Angemessenheit des allegorischen Verfahrens verteidigt: auch die Bibel habe Fabulae 83 Berchorius, Reductorium, 1730, S. 1 (im Druck von 1730/31 geht Buch XVI dem übrigen Reductorium vo-

raus). 84 Berchorius, Reductorium, 1731, S. 2a; weitere Aussagen dieser Art finden sich in der ›Collatio‹. 85 Erst B. Haureau 1883 teilte die richtige Autorschaft in der Forschung mit: SAMARAN – MONFRIN, Pierre Ber-

suire, S. 337 und 341. Zu Formen und Gründen von ›Nichtüberlieferung‹ HAYE, Verlorenes Mittelalter, 2016, hier bes. S. 151–88 zum Kampf der Autoren gegen den Verlust, S. 464 zu den gefährdeten Gattungen Handbücher und Florilegien. 86 Diese Kennzeichnung der Zäsuren an den Bucheingängen ist sowohl in den Hss. als auch im Druck von 1509 durchgeführt, geht also auf den Autor zurück, auch wenn sie bei einzelnen Büchern einmal fehlt. Im Druck sind die Verse oft länger zitiert. Ovid selbst hatte dagegen – wie in der antiken Werkkomposition nicht ungewöhnlich – gerade vermieden, scharfe Zäsuren zwischen den Büchern zu machen, indem er die Texte der Bücher jeweils sprachlich verbindet durch kopulative Konjunktionen (Iamque, Dumque) oder Inde, auch adversativ mit At und ähnlichem, wenn er nicht überhaupt die ganze Erzählung unmittelbar verknüpft, so dass das neue Buch den zweiten Teil der Geschichte bringt.

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4. DER ›OVIDIUS MORALIZATUS‹

gebraucht und Exegeten hätten sie allegorisch interpretiert. Die Antike habe die Allegorese in den Formen der Deutung auf Naturphänomene (Naturphilosophie), auf die frühe Geschichte (Euhemerismus) und auf die Moral (Moralphilosophie) praktiziert. Diese Arten der Verhüllung seien die eigentliche Aufgabe (officium) der Dichtung87. Wie er selbst das an sich Fremde, den antiken Mythos, aneigne, hätten auf Gottes Befehl auch die Juden die Schätze der Ägypter für ihre Kultgeräte gebraucht, und Ovid selbst habe gesagt: ›Recht ist es, vom Feind zu lernen‹ (Met. IV, 428)88. Berchorius begründet dann, dass er nur selten literale Erklärungen bringen wolle, denn zum einen seien diese schon von anderen geleistet – namentlich von Servius, Fulgentius, Albricus von London (Mythographus Vaticanus III), der hier als ›Alexander‹ erscheint89. Unter den ›etlichen anderen‹ mag sich auch der erfolgreiche sog. Vulgat-Kommentar aus dem 13. Jahrhundert finden, der auch dem ›Ovide moralisé‹ als wichtige Quelle für den Literalsinn diente90. Zum anderen hätten schon bedeutende Autoren – Berchorius nennt mit Cicero und Augustin eine pagane und eine christliche Autorität – betont, dass es höchst schwierig, unnötig, ja unmöglich sei, den Literalsinn genau zu ermitteln91. Deshalb verfolge er selbst – das ist sein Métier – die moralische und allegorische Auslegung: non intendo nisi rarissime litteralem sensum fabularum tangere, sed solum circa moralem sensum et expositionem allegoricam laborare.92 Im nächsten Schritt konstatiert Berchorius, dass ihm eine wichtige Quelle nicht erreichbar gewesen sei, der ›Ovide Moralisé‹, von dessen Existenz er zwar Kenntnis habe, aber zu seinem Bedauern keine Handschrift habe finden können. Erst in der Pariser Version des Werks berichtet er, Philipp von Vitry habe ihm ein Exemplar zugänglich gemacht, das er an einigen Stellen noch auswerten konnte – eine wichtige Bemerkung für die Unterscheidung der Handschriften der Avignoneser und der späteren Pariser Fassung93. Schließlich kündigt Berchorius an, vor die Behandlung der ›Metamorphosen‹, sein eigentliches Ziel, eine Abhandlung über die paganen Götter ›De formis figurisque deorum‹ stellen zu wollen; denn ohne eine Vorstellung von ihnen sind die Mythen kaum verständlich. Die Schwierigkeit, überhaupt bildliche Vorstellungen von den antiken Göttern zu finden, bewältigt Berchorius mit vier Quellen, die er nennt: Fulgentius’ ›Mythologiae‹, Hraban (›De rerum naturis‹ XV 6 nach Isidor, Etym. VIII 11), wiederum Albricus von London (und

87 Vgl. Kap. II Anm. 7–9. 88 Zu den hier und im Folgenden angeführten Aussagen des Autors im Prolog s. Bd. 2 unserer Ausgabe mit

Text und Übersetzung. 89 Mythographus Vaticanus III (= Albricus/Albericus von London), De diis gentium et eorum allegoriis, 1834,

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92 93

ND 21996, S. 152–256; Francesco Petrarca, Africa, hg., übers. und mit einem Nachwort von HUSS – REGN, 2007, S. 136–149, III 136–262 die Götterbeschreibungen. Dazu COULSON, The ›Vulgate‹ Commentary, 1987; DERS., The Creation Myth, 1991; s. auch GATTI, Ovid in Antike und Mittelalter, 2014, S. 27 ff. zu den Ovid-Kommentaren in den Schulen; MAILLET – TRACHSLER, Phaetons Himmelfahrt, 2019, S. 294–299. Zuletzt BÖCKERMAN, Bavarian Commentary, 2020. Cicero, De natura deorum, III 63: Magnam molestiam suscepit et minimam necessariam primus Zeno post Cleanthes deinde Chrysippus commenticiarum fabularum reddere rationem, vocabulorum cur quidquid ita appellatum sit causas explicare. Dazu ebd. I 36 (Zeno) und I 40 (Chrysippus). Vgl. zu Augustinus, De civitate dei, II auch IV 8,10 und 24,27 sowie XVIII 12 und 13. Berchorius, Ov. mor., Prolog. S. oben Anm. 21 und die Gruppierung der Hss. bei ENGELS – VAN DER BIJL, L’Edition critique, 1971, S. 19–48. hier 25.

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

die Mythographi Vaticani  I und  II) sowie die Götterekphrasis aus Petrarcas ›Africa‹ (III,136 ff.)94. Mit einer an das Proömium des Albricus angelehnten naturphilosophischen Deutung der Götter schließt der Prolog und leitet mit der Ankündigung des Saturn-Kapitels über zum Götter-Buch. Die Götter: Das Götter-Buch des Berchorius trifft in eine Situation der ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts, in der sich ein starkes Interesse an den paganen Göttern entwickelt. Besondere Wirkung ging von dem Mythenwerk des Albricus von London aus ›De diis gentium et eorum allegoriis‹ (um 1200), einer Götterdarstellung, die aus einer Reihe antiker, vor allem spätantiker philosophischer und mythologischer Quellen erarbeitet wurde und stark an neo-stoischer Kosmologie und Naturphilosophie orientiert war sowie bereits genealogische Ansätze vertrat95. Der Einfluss all dieser Texte wird im 14. Jahrhundert virulent, er entfaltet sich an verschiedenen europäischen Bildungszentren. Die Schrift des Albricus war jedoch eine von mehreren Abhandlungen über die Götter aus dem 12./13. Jahrhundert, auch der anonyme ›Liber de Natura Deorum‹ des sog. Digby-Mythographen stammt aus diesem Zeithorizont (um 1150)96, und er spielt eine Rolle in der Vorgeschichte von Boccaccios ›Genealogia deorum gentilium‹. Bei den Wissenschaftlern Paolo da Perugia und Paolino da Venezia, von denen Boccaccio am Hof Roberts von Anjou in Neapel lernte97, bei den Mythographen in Oxford wie John Ridewall um 1330 mit seinem ›Fulgentius metaforalis‹ und Berchorius am Papsthof in Avignon mit dem ›Ovidius moralizatus‹, dem Buch XV des ca.  1340 abgeschlossenen ›Reductorium morale‹, wurde das neue Interesse an Zentren europaweit manifest. Jeweilige Abhängigkeiten der Arbeit an den Göttern sind dadurch nicht eindeutig zu benennen, dass von Albricus als Hauptquelle die Ekphrasis in Petrarcas ›Africa‹ (aus den dreißiger Jahren), Ridewall 1330 und Berchorius (bis 1340) direkt abhängig waren und Abhängigkeiten auch wiederum unter diesen Autoren bestanden. Albricus seinerseits hatte Quellen benutzt, z. B. Isidor und Fulgentius, die auch seinen Nachfolgern zur Verfügung standen98. Es mag sein, dass Berchorius 1338 bei seiner Begegnung mit Petrarca in Vaucluse oder auch am Papsthof in der Zeit seiner Fertigstellung des ›Ovidius moralizatus‹ die Frage der Götter mit diesem erörtert hat. Das Götter-Buch des Berchorius – eine für das 14. Jahrhundert notwendige Hinführung zu den ›Metamorphosen‹-Geschichten – ist in seinen Beschreibungen eine auswählend-vereinfachende, systematisierende Version der inzwischen schon verzweigten, komplexen 94 Zum letzten besonders VISSER, Petrarcas Umgang mit den antiken Göttern, 2005, S. 55–67 und DIES., Antike

95

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und Christentum, 2005, S. 351–373. – Vgl. auch unten SMOUT, Kap. IV. 3 und BLUME, Kap. V; REHM, Klassische Mythologie, 2019, S. 239–254, 258 f. Grundsätzlich zum Mythos ASSMANN, Aleida und Jan, Mythos, 1998. Albricus von London = Mythographus Vaticanus  III, hg. von BODE, Scriptores rerum mythicarum, ND 2 1996, 152–256; dazu CHANCE, Medieval Mythography, 2000, S. 138–184; eine gute Chrakterisierung Alberichs bei KORTE, Die antike Unterwelt, 2012, S. 264–276; ein abschließendes Urteil über Alberich wird jedoch erst mit einer kritischen Edition, die dringendes Desiderat ist, möglich sein. Mythographus Digby, De Natura Deorum, hg. von. BROWN, 1972; dazu CHANCE, Medieval Mythography, 2000, S. 115–123. SCHWERTSIK, Die Erschaffung des heidnischen Götterhimmels, 2014; BLUME, Kap. V unten. Zu dieser Verflechtung des Quellenfeldes für Petrarca auch VISSER, Antike und Christentum, 2005, S. 335 ff.; 351–373 ›Die Götter aus Stein‹.

4. DER ›OVIDIUS MORALIZATUS‹

Traktatüberlieferung zu Gestalt und Individualität der Götter, die, von Fulgentius und Isidor über Hraban und Remigius von Auxerre eingeführt in die christliche Tradition, im antikefreundlichen 12. Jahrhundert neuen Schwung erhält mit Albricus und dem Digby-Mythographen und im 14. Jahrhundert einen Höhepunkt erreicht in Neapel, Florenz, Padua, Oxford, Avignon und Paris. Gerade die moderat systematisierende Extraktion der Götter-Kapitel aus dem von mythologisch-genealogischen, astrologischen, physikalischen, psychologisch-moralischen und bildlichen Wissenselementen kompilierten Quellencorpus hat der Götterbeschreibung des Berchorius wohl den großen Rezeptionserfolg gebracht. Sie hat danach nicht nur um die Mitte des Jahrhunderts die Illustration des ›Ovide moralisé‹ beeinflusst, sondern hat – der Allegorese entkleidet – auch in Form des anonymen Traktats ›Libellus de imaginibus deorum‹99, der im späten 14. Jahrhundert entstand, eine lange Druckgeschichte bis in die mythographischen Werke des 18. Jahrhunderts gehabt, meist unter dem Autornamen ›Albricus philosophus‹. Unter diesem Namen wurde er auch dem ersten Druck des ›Ovidius moralizatus‹ (Paris 1509) beigefügt. In der Ordnung der Götter stimmt das Götter-Buch des Berchorius mit keiner seiner Quellen überein, nicht mit Fulgentius, nicht mit Hraban, Albricus oder Petrarca, so dass zu fragen ist, welches Ordnungsprinzip seine Reihenfolge bestimmt hat. Die Beschreibungstexte heben immer wieder die Position in der Planetenreihe hervor, was die ersten sieben Götter betrifft; so wird Saturn als ›erster der Götter und als erster der Planeten‹ bezeichnet, Mars als dritter, da er dritter in ordine planetarum sei, Apollo hält den vierten, Venus den fünften Platz, Diana/Luna ist septima planetarum. Da die übrigen der 17 Götter und Halbgötter der ersten Fassung und wenige mehr der zweiten Version in dieses System nicht passen, treten vor allem physikalische Interpretationen der Götter sowie genealogische Merkmale, die schon Albricus stark macht, für die Einordnung der Figuren hinzu100. Die einzelnen Götterkapitel haben folgende Grundstruktur: Sie beginnen mit der Nennung des Herrschaftsbereichs des Gottes oder der Göttin und deren Beschreibung samt ihrer Attribute sowie der Assistenzwesen (Menschen, Tiere usf.), zeichnen also ein Bild (pingere, depingere); und hierfür ist Petrarca die wesentliche Quelle. Es folgen dann Informationen zur Stellung in der Planetenreihe, zur physikalischen Natur, zu den Taten der Gottheit und weiteren Funktionen in einer Art Aretalogie und schließlich auch moralische Deutungen, wie sie auch Albricus aus der Fulgentius-Tradition kennt. In diesen beschreibenden und aus der mythographischen Überlieferung gespeisten Teilen zitiert Berchorius seine Quellen genauer (oft wörtlich) als dort, wo er die Materien souverän beherrscht oder selbst neu formulieren muss wie in den ›Metamorphosen‹-Paraphrasen. Abgesetzt von diesen Informationen folgt dann regelmäßig der Deutungsteil mit christlicher allegorisch-moralischer Auslegung, oft mit einleitenden Wendungen wie dimissis istis expositionibus dicamus allegorice […] bei Saturn oder sed istis omissis allegorice est dicendum […] bei Jupiter oder omissa igitur litterali expositione bei Venus. Die Markierung dieser Zäsuren war Berchorius wichtig, um seinen neuen Beitrag mit den eigenen Zwecken zu markieren.

99 Vgl. LIEBESCHÜTZ, Fulgentius Metaforalis, 1926, S. 117 ff.; dazu im weiteren Kontext der Götterbeschrei100

bung auch WILKINS, Description of Pagan Divinities, 1957. Dazu KORTE, Die antike Unterwelt, 2012, S. 265.

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

Mit diesem Auslegungsteil, der, wie in der Allegorese üblich, für die Götter und ihre Attribute meist mehrere verschiedene Bedeutungen aufführt, und zwar sowohl positive als auch negative nach dem exegetischen Prinzip des ad utramque partem, ad bonam et malam partem bzw. auch: ›wieviele Proprietäten, soviele Signifikanzen‹, steht das Götter-Buch in Tenor, Verfahren und Aussageintentionen ganz im Kontext des gesamten übrigen Werks und seiner Funktionen. Berchorius ist sozusagen in seinem Element von Predigt und Theologie. Was er grundsätzlich über die paganen Götter gedacht hat, lässt sich erst aus verstreuten Aussagen der ganzen Schrift erschließen101. Die ›Metamorphosen‹: Der Hauptteil des ›Ovidius moralizatus‹ stellt nach dem Riesenwerk des französischen ›Ovide moralisé‹ die zweite Gesamtparaphrase und allegorische Auslegung von Ovids 15 Büchern der ›Metamorphosen‹ dar, nicht aber in der Volkssprache und für Laien, sondern lateinisch und zuerst für gelehrte Kleriker. Indirekt zielt das Predigthandbuch jedoch zugleich auf Laienrezipienten. So spiegelt auch seine umfangreiche separate Überlieferung die große Akzeptanz für die Vermittlung eines solchen schwierigen Stoffs und seinen Gebrauch in verschiedenen, auch laikalen sozialen Räumen. Wie das ›Reductorium‹ in seinen anderen Teilen die Fülle der Naturexempel und biblischen Beispiele präsentiert, begreift Berchorius im Rahmen seiner Predigttopik auch die ›Metamorphosen‹ als Vorlage für zahlreiche Mythenexempel, ein Mythenkompendium, um daraus das Predigtmaterial zu schöpfen: ubi recte videntur quasi per modum tabule universe fabule congregate.102 Praktisch heißt das jedoch, dass Berchorius den kunstvollen ovidischen Erzählduktus mit seinen geschickten Verknüpfungen für seine Zwecke in Einzelfabeln aufteilen, ja zuschneiden muss, um jede Erzählung für sich dann als eigenes mögliches Predigtexempel zu deuten. Die Fragmentierung des Erzählflusses ermöglicht auch die Wiedergabe des Inhalts in vereinfachender Form (Paraphrase)103, auf der dann die oft weit ausholende, differenzierte allegorische Auslegung (Moralisierung) fußt. Durch diese Fragmentierung der Narration entstehen aus dem eher mit Verknüpfungen als mit Einzelerzählungen arbeitenden OvidText 224 einzelne Fabeln. Die Paraphrase: Wie schon Giovanni del Virgilio in seiner ›Metamorphosen‹-Vorlesung vor Studenten in Bologna von einer Art scholastischer Texterklärung im ersten Buch schnell zu einer lebendigen Paraphrase des Ovid-Textes übergegangen war104, erwies sich auch die Paraphrasenarbeit bei Berchorius als gute Hilfe zum Verständnis von Ovids mythologischer Dichtung, auch wenn sie kürzer und nüchterner war; denn der Mythos war im Trecento noch keineswegs selbstverständliches Bildungsgut, sondern in der Vollständigkeit weithin eine ›terra incognita‹ – auch der Gönner Nicholas Trevets, der Kardinalbischof von Ostia Nicolaus von Dazu unten Kap. II. 4 bei Anm. 56 f. Berchorius, Ov. mor., Prolog. Zur notwendigen Kürze der Predigtexempel Humbertus de Romanis, De dono timoris, hg. von BOYER, 2008, S. 6: Eligenda enim sunt de multis exemplis magis efficacia et utilitatem continentia euidentem et breuia, et si sit longa narratio, rescidenda sunt inutilia uel minus utilia et solum quod facit ad rem est enarrandum. 104 Dazu HUBER-REBENICH: s. oben Anm. 1. 101 102 103

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4. DER ›OVIDIUS MORALIZATUS‹

Prato, konstatiert für Senecas Tragödien, sie seien ein erschreckend dunkles Buch, das erst erschlossen werden müsse: liber tantis est obscuritatibus plenus […], ut statim temptantem se legere obscuritate sua deterreat; man müsse es erst ›heimisch‹ (domesticum) und das schwarze Meer (teterrimum pelagus) durchschwimmbar machen (natabilem perviumque reddere), was er von Trevet erbittet105. Der Mehrzahl der ›Metamorphosen‹-Erzählungen widmet Berchorius nur eine Fabula, doch können die Mythen auch über zwei oder mehrere Fabulae gehen, wie etwa die Io-Geschichte, die sogar über sieben Fabulae reicht. Die Fabelparaphrasen erfüllen eine Doppelfunktion: Sie erschließen in ungebundener Rede erstmals das gesamte Mythencorpus mit kurzen informativen Artikeln, die mit den vielen Namen, Orten und Handlungskonstellationen bekannt machen, und sie bilden jeweils den Ausgangstext für die allegorische Deutung – wie die Texte der Bibel und der enzyklopädischen Naturbeschreibung auch. Beide Funktionen haben auch die Formulierungen des Autors beeinflusst. Den Bestand von Mythen und die Reihenfolge der Erzählungen ändert Berchorius gegenüber seiner Quelle in der Regel wenig; es gibt jedoch Hinzufügungen von Mythen, auf die Ovid nur anspielt oder die Berchorius vermisst, und es gibt gelegentlich Weglassungen, wie Berchorius selbst sagt: Aliquas tamen in aliquibus [sc. libris] adiungam fabulas, quas in aliis locis repperi, alias etiam detraham et omittam, quas necessarias non iudicavi.106 Und es gibt besonders auch in den späteren Büchern moderate Umstellungen. An drei Stellen des Werks jedoch nimmt Berchorius bemerkenswerte Änderungen vor, die ihren Grund in seinem Gattungsverständnis haben: am Anfang, in den Büchern XII und XIII zum Trojanischen Krieg und am Werkende. Alle drei Passagen gehen – nach dem Urteil des Berchorius – über den Mythos hinaus in die Geschichte: sie eignen sich nicht für allegorisierte Predigtmythen, denn sie bringen nicht Fiktionales, sondern Historisches. Während Ovid mit der Weltschöpfung, den Weltaltern, dem Gigantenangriff und Lycaons versuchtem Frevel an Zeus sowie der Götterversammlung mit dem Beschluss zur Sintflut beginnt, setzt Berchorius mit der Sintflut sowie Deucalion und Pyrrha und der Erschaffung neuer Menschen ein und holt die Giganten- und Lycaon-Erzählung nach – so auch die handschriftliche Überlieferung. Anders verfährt der humanistische Redaktor des ersten Drucks von 1509, der versucht, Ovids Ordnung bewusst zu machen und zum Teil wiederherzustellen: Ovidius […] praemisso prologo primo tractat mundi creationem secundum opinionem anaxagore. Postea quomodo prometheus de limo terre fecit unum hominem in similitudinem et effigiem ›moderantum cuncta deorum‹ […]. Hinc de quattuor etatibus seculi et quattuor temporibus anni, et de vitiis subintrantibus. His ita premissis tractat quomodo gigantes affectaverunt regnum coeleste. Es folgen nach Ovid die Giganten, die Götterversammlung, Lycaon und eine Überleitung zur Sintflut. Sein zwölftes Buch beginnt Berchorius mit der Feststellung: In hoc libro duodecimo paucas fabulas tangit [sc. Ovidius], quia de bello Trojano pro maiori parte procedit historice.107 Entsprechend kürzt er die ovidischen Erzählungen und fügt noch zwei außerovidische Fabeln ergänzend hinzu, während der Redaktor des ersten Drucks diese Fabeln anderwärts einfügt und mit dem Hinweis auf Ovids Bericht vom Tod Achills schließt. Bei 105 106 107

Zitiert bei JUNGE, Nicholas Trevet, 1999, S. 131. Berchorius, Ov. mor., Prolog. Berchorius, Ov. mor., XII,1.

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I. PETRUS BERCHORIUS: AUTOR UND WERK

einzelnen Fabeln äußert er die Meinung, dass es sich eher um Historisches handle als um dichterische Erfindung, so in den Erzählungen von Pyramus und Thisbe, oder von der Tötung des Odysseus durch seinen Sohn Telemachus, der ihn nicht erkennt: Ponitur historia prima, que magis videtur certa narratio quam fabule compositio – Ista tamen non videntur fabulariter scripta […] sed historialiter.108 Am Schluss des Werks verzichtet Berchorius auf Dichterpreis und Apotheose von Cäsar und Augustus und fügt der Erzählung von Aesculap in Rom noch zwei Mythen aus anderen Quellen an: Zeus und Thetis sowie Admet und Alcestis109.

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Ebd., IV,1 (Pyramus und Thisbe), XIII,4 (Telemachus). Ebd., XV,7 und 8; vgl. Albricus, De diis gentium, 11,21 und 13,3.

CHRISTEL MEIER

II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE 1. Die Legitimierung des Projekts Mit seinem Vorhaben, die gesamten ›Metamorphosen‹ Ovids moralisch und allegorisch zu deuten, um sie damit ›anzueignen‹ für die eigene Epoche, steht Berchorius im 14. Jahrhundert nicht allein. Offenbar gab es in dieser Zeit neue gute Gründe für eine solche ›Anverwandlung‹1 des antiken Mythos in den eigenen kulturellen christlichen Kontext; denn schon vor Berchorius war mit dem ›Ovide moralisé‹ ein umfangreiches Werk entstanden, das, im Auftrag des französischen Königshauses, wahrscheinlich für Jeanne II. von Burgund (†1330), die Frau König Philipps V., von einem bislang unbekannten Kleriker geschaffen wurde und diesem Bedürfnis entsprach. Vom Mythenbuch des Berchorius unterscheidet sich jenes Projekt grundlegend durch die paraphrasierende Übersetzung Ovids ins Französische, durch die Gattung, eine gleichermaßen narrative wie didaktische Dichtung (72.000 Verse), durch ihre Situierung in einem laikalen Kommunikationsraum und durch die zahlreichen Erläuterungen des Literalsinns, die in der Regel aus der lateinischen Kommentarliteratur schöpfen2. Berchorius wurde dieses Werk, wie beschrieben, erst durch Philippe de Vitry in Paris für seine Spätfassung des ›Ovidius moralizatus‹ zugänglich gemacht  – und er konnte seinen Ansatz einer Adaptation der ›Metamorphosen‹ an den christlichen Kontext bestätigt finden, wenn im Eingang der französischen Dichtung die Wendung zum allegorisch-heilsgeschichtlichen Sinn betont wird, der in den ›lügenhaften‹ Fabeln verborgen sei: Des le premier comencement Du mont jusqu’a l’avenement Jhesu Christ, qui por nous requerre Vault descendre du ciel en terre, Font ci mencion cestes fables, Qui toutes samblent mençoignables, Mes n’i a riens qui ne soit voir: Qui le sens en porroit savoir, La veritez seroit aperte, Qui souz les fables gist couverte.3

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Dazu MEIER, Anverwandlungen, 2019. Vor allem aus dem sog. Vulgat-Kommentar des 13. Jh.s; vgl. MAILLET –TRACHSLER, Phaeton, 2019, S. 294 ff. Ovide Moralisé, I 37 ff.; Ovide Moralisé. Livre I, Tome II, 2018, S. 8 f.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

Für sein Projekt, den antiken Mythos allegorisch zu deuten und wie die Bibel auszulegen, um ihn damit predigtaffin und -brauchbar sowie im exponierten klerikalen Kontext, dem Papsthof, akzeptabel zu machen, bedarf es für Berchorius einer schlüssigen Legitimation. Er beginnt sein Plädoyer für den Mythos im Prolog mit einem Pauluszitat (2. Tim. 4, 4): ›Manche werden ihr Ohr von der Wahrheit abwenden, wenden sich aber den Fabeln zu‹ (A veritate quidam auditum avertent, ad fabulas autem convertuntur). Der hier aufgespannte Gegensatz von Wahrheit und Fabel gewinnt im 14. Jahrhundert, in den Diskussionen um den antiken Mythos eine besondere Relevanz und Färbung, um die es Berchorius geht. Paulus, der hier auftritt als ›Prediger und Förderer des christlichen Glaubens‹, meint Zeiten, in denen die gute Lehre (sana doctrina) kein Gehör findet, vielmehr Lehrer gesucht sind, die den aufgestauten Wünschen der Hörer entgegenkommen, ihre geilen Ohren (prurientes aures) zufriedenstellen mit fabulae4. In solcher Lage – so hält Berchorius dagegen – brauche man gerade Fabeln, Rätsel, Dichtungen, um aus ihnen ethische Lehren zu ziehen und so die Falschheit (falsitas) zu zwingen, der Wahrheit (veritas) zu dienen. Die Predigtlehren (Artes praedicandi) des 13. Jahrhunderts, wie die des großen Predigtlehrers Humbertus de Romanis, hatten einen solchen Gebrauch von ›Unwahrem‹, Fiktivem verboten oder sehr restriktiv begrenzt: ›Was die Wahrheit angeht, so darf niemals Unglaubwürdiges oder etwas, das nicht eine wahrscheinliche Wahrheit (probabilem veritatem) enthält, erzählt werden, und wenn eine Fabel, die sehr erbaulich ist, wegen ihrer Bedeutung (significatio) eingeführt wird, was nie oder höchst selten geschehen soll, muss immer erklärt werden, dass jene Sache nicht wahr ist, sondern nur wegen ihrer Bedeutung einbezogen wird.‹5 Diese verbreitete Mahnung der Predigtlehrer richtete sich gegen die Zunahme von sog. ›Predigtmärlein‹ in der Praxis. Gegen diese strenge Beschränkung wendet sich Berchorius mit einem sehr starken Argument, dem Verfahren der Bibel selbst: Sic etenim sacra scriptura in pluribus passibus videtur fecisse – und er bringt Fabelbeispiele aus dem Alten Testament: sacra enim scriptura hiis et similibus fabulis solet uti, ut exinde possit aliqua veritas extrahi vel concludi. Der weitere entscheidende Argumentationsschritt lenkt zur Dichtung, auf die es ihm ankommt: Simili modo fecerunt poete; sie hätten schon in der Frühzeit Fabeln (Fiktives) erdichtet, um in dieserart Gedichten oder Erfindungen (figmenta) immer eine Wahrheit zu vermitteln. Im Rückverweis auf antike (stoische und neuplatonische) Dichterdeutung6 konkretisiert Berchorius nun: ›Es steht ja für den, der die Bücher der Dichter durchsieht, fest, dass kaum einmal oder wohl niemals eine Fabel erzählt wird, ohne dass sie eine physikalische oder historische Wahrheit enthält.‹ Damit hat er sein Problem auf die grundsätzliche Position und Faktur von Dichtung (fabulae) ausgeweitet und zitiert nach Hraban zur Aufgabe des Dichters einen berühmten Satz des Laktanz, der über Isidor

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2. Tim. 4, 2 f.: Praedica verbum, instar opportune, importune: argue, obsecra, increpa in omni patientia et doctrina. Erit enim tempus, cum sanam doctrinam non sustinebunt, sed ad sua desideria coacerbunt sibi magistros prurientes auribus. Vgl oben Kap. I Anm. 65. Vgl. DÖRRIE, Zur Methodik antiker Exegese, 1974; PÉPIN, Mythe et allégorie. Les origines grèques, 1958; HORN – KREWITT, Allegorese außerchristlicher Texte, 1978; FUHRMANN, Die antiken Mythen, 1990, zum heidnisch-christlichen Weltanschauungskampf in der Spätantike; RAHNER, Griechische Mythen in christlicher Deutung, 1957; HAEHLING (Hg.), Griechische Mythologie und frühes Christentum, 2005; STAUBACH Zwischen Mythenallegorese und Idolatriekritik, 2009; LEPPIN (Hg.), Antike Mythologie in christlichen Kontexten der Spätantike, 2015.

1. DIE LEGITIMIERUNG DES PROJEKTS

in die Dichtungsdiskussion und -verteidigung gekommen und im Mittelalter verbreitet ist: ›Aufgabe des Dichters (officium poete) ist es, (wahres) Geschehen durch zum Schönen hin abgewandelte Figurationen irgendwie in andere Gestalten zu transformieren‹; oblique figurationes, poetische Mittel der Wirklichkeitsverfremdung (und -vermittlung) geben dem Dichter also besondere Lizenzen für seine verhüllende Sprache und Gestaltung bei der Fabula-Verwendung. Daher, heißt es weiter, sei Lucan kein Dichter gewesen, da er eher historische Berichte als wirkliche Dichtungen geschaffen habe7– eine Unterscheidung, die Berchorius für sein Fabula-Verständnis ernst genommen hat, indem er z. B. das Troja-Buch Ovids und seinen Schluss mit Caesar und Augustus stark gekürzt oder weggelassen hat. Mit der Theorie der verhüllenden Rede der Dichter – dem im 12. Jahrhundert neu entwickelten integumentum-Konzept8 – verteidigt Berchorius wie auch Boccaccio die Dichtung. Beide gehen von Allegorie als dem genuinen Wesen der Dichtung aus, beide verteidigen diesen Ansatz mit der entsprechenden Redeweise der Bibel, nur verteidigt Boccaccio als Dichter und Literat die Dichtung gegen die sie Schmähenden (Juristen und Mediziner vor allem)9, Berchorius als Prediger gegen die Vorbehalte seiner Theologenkollegen. Beide Autoren bringen der antiken Mythologie damit einen kräftigen Durchsetzungsschub und öffnen neue Wirkungsräume, wenn auch ihre praktische Durchführung, ihre Methoden, ihre literarischen Gattungen, ihr Ziel sich entsprechend ihrer gesellschaftlichen Position und dem anvisierten Kommunikationsraum wesentlich unterscheiden. Beider Werke haben für die Rehabilitierung des antiken Mythos mit ihrer Wirkung in einer großen Handschriftenzahl und einiger Drucke bis weit ins 16. Jahrhundert viel geleistet, bis der eine durch den Index 1559, der andere, überholt von neuen Mythenwerken mit weit größerer, zunehmend auch griechischer Quellenbasis, seine Hochschätzung einbüßte. Bei der Entwicklung seines neuen besonderen Allegorese-Ansatzes zeigt Berchorius ein Bewusstsein von den geschichtlichen Stufen der Mytheninterpretation. Er verweist zurück auf die allegorische Mythendeutung der Spätantike, die natürliche oder naturphilosophische Wahrheit, historisch-euhemeristische Deutungen und moralische Anwendungen kannte: poete fabulas finxerunt ad veritatis tam naturalis quam historice designationem – Vulcans, des irdischen Feuers, Geburt aus Juno, der oberen Luft, und Perseus’ Besiegung von Atlas, einem König Afrikas, der in die Berge flieht und nach Erzählung der Dichter zum

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Lactantius, Divinarum Institutionum libri septem, 2005, Lib. I 11, 24 und 30, S. 45–47. Vgl. auch Isidor von Sevilla, Etymologiae, VII 7,10; Hrabanus Maurus, De naturis rerum (De universo), XV 2; Berchorius, Ov. mor., Prol.: Unde Rabanus […] dicit quod officium poete est: que gesta sunt in alias species obliquis figurationibus cum decore aliquo convertere. Dazu VON MOOS, Poeta und historicus, 1976, S. 93–130, hier S. 108. Zum integumentum-Konzept Bernardus Silvestris, Commentum super sex libros Eneidos Virgilii, hg. von JONES – JONES, 1977, S. 3: Integumentum est genus demonstrationis sub fabulosa narratione veritatis involvens intellectum, unde etiam dicitur involucrum. Vgl. JEAUNEAU, L’usage de la notion integumentum à travers les gloses de Guillaume de Conches, 1957; WETHERBEE, Platonism and Poetry, 1972, S. 36–48. In Definitionen des 12. Jh.s bildet figura auch den Oberbegriff von integumentum (Dichterallegorese) und allegoria (Bibelallegorese), vgl. aus der umfangreichen Literatur z. B. BRINKMANN, Mittelalterliche Hermeneutik, S. 169–214 (mit Quellen und Lit.); der hermeneutische Begriff fabula wird vielfach gleichbedeutend mit integumentum verwendet. Zum nicht unumstrittenen Neuanfang der Dichterallegorese im 11./12. Jh. RÄDLE, Begründung der literarischen Allegorese, 1997. Boccaccio, Genealogia, XIV 9 f., 12 f. u. ö. – Zur Dichtungstheorie und poetischen Theologie bei Petrarca, Boccaccio und Salutati im Rahmen ihres Sprach- und Philosophie-Konzepts sowie zu deren Wirkung LEINKAUF, Grundriss, 2017, Bd. 1, S. 310, 436–443, 453.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

Berg wird, sind hier seine Beispiele10. Darüber hinaus will Berchorius in die christliche Ära führen, um durch die Dichtungen der Menschen ›die Geheimnisse der Moral und des Glaubens zu bekräftigen‹, so dass seine Quintessenz ist: congruum mihi visum est […] ad moralizandum fabulas poetarum manum apponere, ut sic per ipsas fictiones hominum possint morum et fidei mysteria confirmari.11 Für dieses neue Unterfangen – jedenfalls in seiner Programmatik und seiner Vollständigkeit – findet Berchorius passende biblische Bilder zum Nutzen seines Vorgehens und nennt dann als seine Autorität sogar Ovid selbst: Drei paradoxe Bilder der Bibel, nämlich Trauben von Dornen sammeln (Mt. 7, 16), Honig aus dem Felsen und Öl aus dem härtesten Stein saugen (Deut. 32, 13), vermöchten die Rezeption paganer Stoffe für geistliche Zwecke zu legitimieren, ebenso wie es auf Gottes Befehl hin richtig war, aus den Schätzen der Ägypter Kultgegenstände der Israeliten zu fertigen12; denn auch Ovid habe gesagt: ›Recht ist es, vom Feind zu lernen.‹13 Zwar bleibt damit die Bewertung der paganen Texte ambivalent – wohl ein besänftigendes Signal an die Skeptiker und Gegner –, doch das Vorhaben ist klar begründet.

2. Ein theologischer Kritiker: der Anonymus Scholasticus Wie notwendig die Legitimation seines Projekts für Berchorius war, zeigt der dezidierte Versuch einer Widerlegung durch den sog. Anonymus Scholasticus aus dem 14. Jahrhundert14. Im Prolog einer Handschrift des allegorischen Bibellexikons aus dem 12. Jahrhundert, der ps.-hrabanischen ›Allegoriae‹15, nimmt dieser Autor, dessen Namen wir nicht kennen, kritisch Stellung zu den Argumenten des Berchorius mit z. T. wörtlichen Anspielungen auf den Prolog des ›Ovidius moralizatus‹, um dann eine klare Grenze zwischen einem Zweitsinn säkularer Texte und dem allegorischen Sinn der Bibel zu postulieren gegen die missbräuchliche Gleichsetzung von Bibel-, Natur- und Dichterallegorese, aber auch gegen den Verdacht, auch die Bibeldeutung sei letztlich arbiträr, menschliche Willkür; er sagt: Videtur quod praedictae mystificationes sunt quodam modo voluntariae, modo humano introductae, et per consequens pro testimonio fidei minus efficaces. Nam et consimiliter historiae humanae, fabulae poeticae et opera naturae possunt mystificari, videlicet tropologizari in apparentem confirmationem fidei, quemadmodum de facto fabulae Ovidii allegorizatae et moralizatae sunt pro factis Christi. Videtur ergo quod fides christiana per huiusmodi dictas mystificationes potius decollaretur quam confirmaretur.16 Mit dem schar10 Berchorius, Ov. mor., Prolog. 11 Ebd. 12 Dies ist die wohl verbreitetste Bibelstelle zur Legitimation des christlichen Gebrauchs paganer Überliefe-

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rung. Exod. 3,22; 11,2; 12,35: die vasa aurea et argentea der Ägypter wurden in der exegetischen Tradition verstanden als das, was von den wissenschaftlichen, poetischen und moralischen Schätzen der Heiden für den usus der Christen brauchbar sei; dazu z. B. Augustinus, De doctrina Christiana, hg. von MARTIN, 1962, S. 73 f.; vgl. Berchorius, Ov. mor., Prolog: Licitum est enim quod homo si possit […] quasi de thesauris Egyptiorum tabernaculum federis edificet et componat, sicut etiam et Ouidius dicit: Fas est et ab hoste doceri. Ovid, Met. 4, 428. Anon. Scholasticus, Apparatus ad Hrabanum Maurum, hg. von PITRA, 1855, ND 1963, S. 436–445. Auf diese Replik auf das Unternehmen des Berchorius habe ich bereits hingewiesen: MEIER, Überlegungen, 1976, S. 17 f., und dazu S. 12–16. Ps.-Hraban, Allegoriae in universam sacram scripturam, PL 112, Sp. 849–1088. Anon. Scholasticus, Apparatus, S. 440b.

2. EIN THEOLOGISCHER KRITIKER: DER ANONYMUS SCHOLASTICUS

fen Gegensatz von ›enthaupten‹ und ›stärken‹ repliziert der Anonymus Scholasticus genau auf die Quintessenz der Argumentation des Berchorius, nämlich: ut sic per ipsas fictiones hominum possint morum et fidei mysteria confirmari. Das Fundament der Bibelauslegung – so der Anonymus Scholasticus weiter – sei der von Gott von Beginn an grundgelegte Bezug zwischen Altem und Neuem Testament, so dass die Taten und Personen der Alten Zeit Typologien des Geschehens in der Neuen Zeit seien, dort ihre Erfüllung fänden, was für die antiken Mythen der Dichter nicht gelten könne; denn diese verfolgten andere Zwecke: Nec simile de moralizationibus et allegorizationibus fabularum poeticarum, quia constat quod poetae suas fictiones et fabulas ad alium finem quam ad fundandum fidem christianam ordinaverunt, quoniam ad utilitatem rei publicae aut ad delectandum populum hujusmodi fabulas adinvenerunt.17 Allerdings hat Berchorius auch nirgends behauptet, seine Deutungen seien die von den antiken Autoren bereits intendierten; für ihn sind sie neue Anwendungen eines antiken Erzähl- und Exempelschatzes. Die grundsätzliche Kritik an dem Legitimationsansatz des Berchorius konkretisiert der Anonymus dann in der Widerlegung der beiden eingangs aus der Bibel selbst gezogenen Legitimierungsgründe des Berchorius: der Interpretation des Pauluszitats in den ersten beiden Sätzen zum Gegensatz von fabula und veritas und der Berufung auf den Fabel-Gebrauch der Bibel selbst. Er beginnt mit der Feststellung, das Moralisieren und Allegorisieren solcher Dichtungen sei gezwungen, unwürdig und unpassend für die Heilige Schrift und die Taten Christi; solche Prediger (wie Berchorius oder die englischen Dominikaner), die sich mehr auf derartige Dichterauslegung (allegoriis poeticalibus) als auf den Reichtum des Alten Testaments stützten, solle man verurteilen18. Die Feinde des christlichen Bekenntnisses würden sie verspotten, wenn sie aus solchen Erfindungen das Zeugnis über Christus gleichsam ›zusammenbettelten‹, um Gläubige zu erbauen und Ungläubige zu bekehren. Solche Prediger, die um ihrer Geltung bei den Menschen, ihrer Reputation willen – so unterstellt der Scholasticus – die geilen Ohren ihrer Hörer (aures prurientes audientium) mit Altweibergeschichten, die eitel und lächerlich sind, kitzeln, tadelt Paulus als schlechte Prediger, die beliebt sein würden in Zeiten, da die rechte Lehre (sana doctrina) unattraktiv werde und die Hörer sich von der Wahrheit abwendeten, um sich den Fabeln zuzuwenden19. In der Tat hatte Berchorius diese Zeiten kommen sehen und seinen Schluss für einen pädagogisch positiven Ansatz gezogen, durch den er die Hörer mit den Fabeln locken wollte, um sie durch die Deutung zur Wahrheit zu führen: ut falsitas veritati famulari cogatur. Wenn der Anonymus dann die biblischen Fabeln, die Berchorius nennt, als bloße rhetorische Mittel, als parabolae, Erzählungen bewertet, die humano modo ganz gewöhnlich zur Veranschaulichung genutzt würden, nicht wegen der Aufdeckung einer tieferen Wahr-

17 Ebd. 18 Nach dem Satz des Horaz zu den Funktionen der Dichtung, prodesse und delectare, folgt ebd., S. 440 f.:

Quin immo talium fictionum tropologizatio et allegorizatio est extorta, indigna et impertinens Scripturis sacris et factis Christi. Et idcirco praedicatores, qui hujusmodi allegoriis poeticalibus plus innituntur quam plenitudini allegoriarum de veteri testamento, quales habendi sint, judicate. 19 Ebd., S. 441a.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

heit20, hat Berchorius hier jedoch die Geschichte der Bibelexegese auf seiner Seite. So gibt etwa Isidor von Sevilla (†636) der Fabula, dem Gleichnis von den Bäumen des Waldes, die sich einen König wählen wollten (Iud. 9,8 ff.), eine allegorisch-heilsgeschichtliche Deutung: Die Bäume des Waldes stehen für die zur Verdammnis bestimmten Menschen; Ölbaum, Feige und Weinstock, die die Annahme des Königtums über sie ablehnen, für die Gnade des Heiligen Geistes, das gottgegebene Gesetz und den Erlöser Christus – jeweils gemäß ihrer Proprietäten und der exegetischen Tradition. Der Dornstrauch, der dann ihr König wird und sie alle verbrennt, bedeutet den Antichrist21. Andere Exegeten, z. B. Hugo von St. Cher, gelangen zu einer moralischen Deutung22. Ebenso verfahren die Bibelausleger mit der Fabula von der Artischocke (Reg. 14, 9) und weiteren biblischen Parabeln23. Die Vergleichbarkeit solcher Deutungen mit der Dichterallegorese ist durchaus gegeben; die Stichhaltigkeit von Berchorius’ Ähnlichkeitsargument zwischen Bibeltext und Dichterfabel ist damit nicht mehr nur in einem schwachen Ad-hoc-Argument begründet, sondern hat ihre Plausibilität aus der Exegesetradition bezogen.

3. Zur Terminologie und Theorie der Allegorese Die großen allegorischen Werke des Berchorius gehören einer Spätzeit der mittelalterlichen Allegorese an. Die Bibelauslegung hatte über mehr als 900 Jahre ihre abendländischen Formen entwickelt24 und mit einer stärker rhetorischen Richtung seit Augustin und mit einer klassischen Formulierung des vierfachen Schriftsinns bei Cassian bereits ihre maßgebliche Ausprägung erfahren25, die dann in vielen Hunderten von Kommentaren praktisch ausgeführt wurde. Wie Berchorius die patristischen Autoren kannte und zitierte, so ist ihm die in seiner Zeit verbreitete große Gesamtauslegung der Bibel in mehreren umfangreichen Bänden aus dem 13. Jahrhundert von Hugo von St. Cher (†1263), Lehrer in Paris, Provinzial

20 Ebd., S. 441b: In hujusmodi autem parabolis est veritas quantum ad illud propter quod dicuntur, videlicet

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significationes alicujus facti seu rei secundum veritatem. Et istae parabolae non assumuntur quantum ad significationem primariam vocum, sed magis ad significationem secundariam sive transumtivam ipsarum, humano modo consuetam. Isidor von Sevilla, Quaestiones in Vetus Testamentum, PL 83, Sp. 387 f., hier 388BC zum Dornstrauch: Rhamnus enim genus rubi est, quem vulgo senticem ursinam appellant, asperum nimis et spinosum, per quod merito typus Antichristi significatur, qui omni asperitate et feritate humanum genus est vastaturus; so auch Hrabanus Maurus, Commentarium in librum Judicum, PL 108, Sp. 1171 ff. Hugo von St. Cher, Liber Judicum, 1645, fol. 203v–204r (daneben auch allegorisch-heilsgeschichtlich). Z. B. Ders., Liber IV. Regum, 1645, fol. 297r (carduus Libani = homo gloriosus; so werden über die Proprietäten auch weitere Bedeutungen erschlossen). So bestimmt auch Petrus von Poitiers, Allegoriae super tabernaculum Moysi, 1938, S. 101 f. als echte Allegorie, was andere nur metaphorischen bzw. figürlichen Sinn der Literalebene nennen würden: Allegoria est cum verbis [sive rebus] misticis occulta Christi sive ecclesie sacramenta significantur: verbis ita (Is. 11,1): ›Egredietur de radice Iesse, et flos de radice eius ascendet‹, quod est, nascetur virgo Maria de stirpe David et Christus de ea – quidam tamen dicunt hoc esse historiam per metaphorice transsumpta verba narratam. Genau dies beschreibt auch den Konflikt des 14. Jh.s anhand eines gut gewählten Beispiels. OHLY, Vom geistigen Sinn, 21977; für das 12. bis 14. Jh. DAHAN, L’exégèse chrétienne de la Bible, 1999; DERS., Lire la Bible, 2003; MEIER, Wendepunkte, 1995; SUNTRUP, Allegorese, 1997 mit Lit. DE LUBAC, Exégèse Médiévale, 1959–1964; W. FREYTAG, Allegorie, Allegorese, 1992 (mit umfassendem Literaturverzeichnis); SPITZ, Allegorese, Allegorie, Typologie, 2002; OHLY, Typologische Figuren aus Natur und Mythus, 1979, bes. S. 130–166; SUNTRUP, Typologie1, 2003; STAUBACH, Quattuor modis intelligi, 2002.

3. ZUR TERMINOLOGIE UND THEORIE DER ALLEGORESE

der französischen Ordensprovinz der Dominikaner und Kardinal, sicher bekannt gewesen und hat sein Bibelstudium mitbestimmt26. Es ist bezeichnend, dass sich das gängige Vier-Sinne-Schema der Allegorese bei Berchorius jedoch nicht oder nur in Abwandlung findet27. Auch die einzelnen Begriffe der Exegesetraditionen sind bei ihm nicht fest, oft mehrdeutig. Der Begriff anagogia/anagoge für den vierten Schriftsinn kommt im Ovid-Buch nicht vor, obwohl eschatologische und anagogische Bedeutungen gar nicht selten sind. Im Prolog stellt Berchorius mehrfach fest, dass er den Literalsinn nicht oder nur äußerst selten behandeln will: litteralis intellectus non est presentis propositi, ubi scilicet non agitur nisi de reductione morali, und mit Blick auf die Mythen, die er in diesem Teil seines ›Reductorium‹ erklären will: non intendo nisi rarissime litteralem sensum fabularum tangere, sed solum circa moralem sensum et expositionem allegoricam laborare. Das meint hier offenbar, er will keine Ad-litteram-Kommentierung geben wie etliche seiner Vorgänger, sondern moralisch und allegorisch auslegen, Texte auf etwas anwenden, nicht erläutern. Das Wort litteraliter kommt im ›Ovidius moralizatus‹ durchaus vor, hat aber meist einen anderen Sinn (s. unten). Den Unterschied zwischen paganer und christlicher Allegorese macht Berchorius gleich im Prolog und in den ersten Götterdeutungen deutlich. Drei Auslegungsarten kennt er aus den paganen Quellen: die naturkundliche oder -philosophische, die euhemeristische und die moralische; sie heißen naturalis, historica und moralis expositio. Von diesen sieht er die christliche Allegorese seiner Zeit abgesetzt, die er insgesamt mit drei Begriffen benennt: spiritualiter, allegorice, mystice. Während spiritualiter und mystice den Gesamtkomplex christlicher Deutung bezeichnen, wird allegorice, wie schon seit der patristischen Exegese, im engeren Sinn heilsgeschichtlicher (und hier auch eschatologisch-anagogischer) Auslegung und im weiten Sinn von Deutung verwendet, die Heilsgeschichtliches, Anagogisches und Moralisches umschließt, also alles, was den Literalsinn transzendiert. An drei Punkten sind interessante Mehrfachbedeutungen in der Terminologie zu verzeichnen. Litteralis ist zum einen der Buchstabensinn, zum anderen aber eine nicht-christliche Deutung, d. h. auch etwa eine Deutung, die im landläufigen Sinn moralisch ist und Lebensweisheiten nennt28. Es folgt, dass auch moralis – eigentlich das thematische Stichwort des Gesamtwerks und dieses XV. Buchs – beiden Bereichen, dem literalen und dem spirituellen, angehört und für ›christlich moralisch‹ oder ›einfach moralisch‹ gebraucht wird. Darin ist die volle Absicht des Autors zu erkennen, die strenge Grenze zwischen den Bereichen zu vermeiden oder zu überschreiten; denn der antike Mythos soll ja mit seinen Aussagen in der ganz anderen, neuen Gesellschaft heimisch werden. ›Moralisches‹ wird gelegentlich nicht nur mit litteraliter/ad litteram, sondern auch mit exemplariter bezeich26 Die ›Postilla‹ Hugos ist eine Fortsetzung und zeitgemäße Erneuerung der ›Glossa ordinaria‹. Grundlegend

für die erst spät einsetzende Erforschung Hugos von St. Cher ist der aspektereiche Band von BATAILLON – DAHAN – GY (Hgg.), Hugues de Saint-Cher († 1263), bibliste et théologien, 2004; darin hier relevant DAHAN, L’exégèse de Hugues. Methode et herméneutique, S. 65–99; ALBARIC, Hugues de Saint-Cher et les concordances bibliques latines, S. 467–479; BATAILLON, L’influence d’Hugues de Saint-Cher, S. 497–502. 27 Hugo von St. Cher, Postilla, Bd. 1, Prolog zum Genesis-Comm.: führt mit der Deutung der vier Farben der Stiftshütte ganz traditionell die vier Schriftsinne vor; DAHAN, L’exégèse de Hugues, 2004, S. 77 f., in weiteren Prologen der Bibelbücher differenziert er dann diese hermeneutische Grundlehre zeitgemäß. 28 Berchorius, Ov. mor., IV,13.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

net, da die ovidischen Geschichten schon für sich gleichsam Exempel sind, wenn sie Lebenslehren enthalten29, und solche Lehren werden dann nicht selten in den Deutungsteil (die ›Moraliter‹-Abschnitte) integriert. Für die Zusammenfassung einer einfachen und christlichen Moral wird auch generaliter verwendet30. Historialiter hat entweder dieselbe Bedeutung wie litteraliter sonst in der Exegese auch (= Buchstabensinn), oder es meint präzise den euhemeristischen Sinn31. Wenn Berchorius die Unterscheidung von paganer und christlicher Allegorese ausdrückt, werden litteraliter und naturaliter ebenso wie litteraliter und historialiter gleichbedeutend mit Literalsinn32. Auch bei dem Begriff figuratio/figurative/figurari gibt es insofern eine offenbar bewusste Unschärfe, als er zum einen eindeutig typologische Konstellationen bezeichnet, also alttestamentliche Vor-bilder zu Personen und Geschehen der Neuen Zeit in Bezug setzt33; zum andern meint der Begriff auch im rhetorischen Sinn vergleichbare Situationen, z. B. solche des Neuen Testaments und der eigenen Zeit des Autors34. Dieses Verhältnis kann auch mit exemplum benannt sein, so wenn Josephs Brüder ihn aus Neid verkaufen, er aber in Ägypten zum Regenten erhoben wird, wie Gott von Neidern Geschädigte auch sonst erhöht – es ist die Deutung, die auf Callistos Degradierung in der Verwandlung zur hässlichen Bärin durch Junos Neid und ihre Verstirnung am Ende bezogen ist35. Es ist bezeichnend, dass Berchorius für den Schritt zur Allegorese der Fabeln das Wort ›anwenden‹ besonders häufig gebraucht. Neben den üblichen Wörtern significat, dicitur, est, dic allegorice de usf. sagt er vielfach allegare/allegari de/quod/contra, z. B.: Ista historia [sc. de Pyramo et Thisbe] potest allegari de incarnatione et passione Christi […].36 Das terminologisch eher neutrale Wort kann wie hier auf Allegorisch-Heilsgeschichtliches ebenso wie auf einfache Moralanwendungen zielen. So heißt es zur Erichthonius-Geschichte und der Aufdeckung des Geheimnisses seiner Doppelgestalt durch die drei Cecropstöchter: Ista fabula potest historialiter allegari, quia nihil opertum, quod non reveletur […].37 – Vel potest allegari hec fabula, quod homo naturaliter nititur in vetitum […].38

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Ebd., VIII,10. Ebd., V,1. Ebd., II,18; VI,17 und euhemeristisch IX,11. Auch variieren die Handschriften gelegentlich die Begriffe: s. ebd., App. zu XV,7. Z. B. Berchorius, Ov. mor., III,3: Deutung des Mars geweihten Drachens mit drei Zungen und drei Zahnreihen auf die Verleumder: Sed iuxta istas tres linguas dicuntur tres ordines dentium habere, quia post adulationem solent detractores homines quantum ad ista tria diffamare, ledere et mordere, obloquendo de vita, conscientia et fama, figurati in illa bestia Dan. 7: que tres ordines dentium in ore habebat et ideo tales milites dicuntur multos occidisse, quia per varios modos detractionis multas bonas personas diffamant. Ferner ebd., XV,5 (figuratus in virga Moysi). Z. B. ebd., V,1: zu Frauen, die von zudringlichen Liebhabern bedrängt werden: debent continuo volare a societate talium se elongantes, figurative in muliere, quam draco devorare volebat. Apoc. 12: Date sunt ei ale due et volavit ad solitudinem. Quia illud est summum remedium, quando mulier a dracone, id est a luxurioso, appetitur, ut a societate eius avolet et occasiones fugiat et evitet. Vgl. ebd., II,14. Ebd., IV,1. Ebd., II,18. Ebd. – HEXTER, The Allegari of Pierre Bersuire, 1989, S. 51–84, hier 67 f. sucht die Bedeutugsnähe von allegari und allegory zu insinuieren; MICHEL, Vel dic quod Phebus significat dyabolum, 2000, S. 337 hält allegare/allegari für ein erst in der Pariser Fassung viel gebrauchtes Wort, was nicht zutrifft.

4. VERFAHREN UND INHALTE DER ALLEGORESE

Aufgrund des fließenden Übergangs zwischen Literalsinn und einfacher Moralisierung einerseits, zwischen einfachem und christlichem Moralsinn andererseits, deren letzter auch durch den weiten Sinn von Allegorie selbst erfasst wird, hat Berchorius offenbar den Titel ›Reductorium morale‹ gewählt und die Auslegungspassagen durchweg mit moraliter/moralis expositio markiert39, auch wenn die Handschriften die Trennung nicht konsequent durchführen. Dass das Wort allegare im Eingang des Deutungsteils so gern gewählt ist, ein relativ neutraler Begriff für die verschiedenen Arten von Anwendung, zeigt, wie Berchorius das beobachtete Unschärfeprinzip in der Terminologie für sein Ziel nutzt, die Grenze zwischen christlicher Allegorese und einfacher Moralisierung im Exemplarischen transzendieren zu können. Da die Arbeit des Predigers geradezu die Hinwendung auf das Zeitgenössisch-Alltägliche bedingt, wäre solcherart Begriffsgebrauch auch bei andern Predigtlehrern und Predigern zu untersuchen.

4. Verfahren und Inhalte der Allegorese Die Begründung des Werktitels im Hauptprolog des ›Reductorium‹ erläutert in scholastischer Terminologie das Vorhaben der Moralisierung: ›Was die Benennung (die Titel) der genannten Werke betrifft, so ist dazu zu bemerken, dass, weil in diesem ersten Werk die natürlichen Eigenschaften [der Dinge] rückbezogen werden (deducuntur) auf moralische Gegebenheiten, ich dieses Werk ›Reductorium morale‹ nenne […].‹40 Und in der Tat ist der größte Anteil der Mythen-Deutungen moralischer Art. Doch sind daneben auch die anderen Auslegungsweisen nicht selten: heilsgeschichtlich-christologische oder eschatologisch-anagogische. Dafür seien einige konkrete Beispiele gegeben, um die exegetischen Verfahren zu beschreiben; denn es war für den Ausleger der Mythen eine große Herausforderung, möglichst treffende, überzeugende Analogien zwischen den Zügen der alten Fabulae und der christlichen Heilsgeschichte und Ethik auszumachen. Unermüdlich fahndet Berchorius nach Korrespondenzen, nach Vergleichbarem zwischen den weit auseinanderliegenden gesellschaftlichen Milieus von Antike und Spätmittelalter  – mit wechselndem Erfolg –, und er bewältigt in dieser Weise doch die gesamten ›Metamorphosen‹. Die Deutungsmethoden sind die der durch Jahrhunderte geübten Exegese. Es ist daher bemerkenswert, dass Berchorius sein Geschäft der Mythendeutung mit einem Beispiel aus dem antiken Mythos erläutert. Die Töchter des Königs Anius von Delphi haben die Wundergabe, nach Belieben Dinge durch Berührung in Brot, Wein und Öl zu verwandeln. Dies – so der Schluss des Berchorius – ist die Aufgabe der Kirchenlehrer und beschreibt auch sein eigenes Tun: nämlich dass sie die Kraft haben, alles was sie berühren, d. h. die Autoritäten, die Exempel und die Dinge der Schriften durch Auslegung in Speisen der Lehre zu verwandeln, so dass sie Brot, Wein und Öl, d. h. verschiedene Formen der Lehre, festere, süßere 39 Berchorius, Reductorium 1731, S. 1, Prol.: Circa conditionem operis notandum est, quod labores mei nihil

aliud sunt, quam quaedam morales reductiones quaedamque proprietatum moralizationes et quaedam exemplares applicationes, quibus scilicet conditiones virtutum et vitiorum possint ostendi, et quibus exemplis et figuris mediantibus possint illa, quae ad fidem et mores pertinent, manu duci. […] Circa denominationem operum praedictorum notandum est, quod quia in isto primo opere proprietates naturales deducuntur ad mores, ideo ipsum opus morale Reductorium nomino. 40 Berchorius, Reductorium, S. 1b: […] quia in isto primo Opere proprietates naturales deducuntur ad mores, ideo ipsum Opus morale Reductorium nomino; das gilt auch für die Mythen-Deutung.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

und leichtere daraus machen. In dieser Stufung der Speisemetaphorik für die Textdeutung steckt eine Anspielung auf die nach dem Rezipientenvermögen gestufte christliche Allegorese nach biblischen Quellen, wie sie durch Jahrhunderte geübt worden war41. Berchorius behält für seine Allegoresen die 15-Bücher-Struktur bei, mit Vorausstellung des Götterbuchs. Auch in der Reihenfolge der Binnenerzählungen der einzelnen Bücher stimmt er mit Ovid weitgehend überein. Doch muss er die Paraphrase von Ovids Erzählduktus mit den zahlreichen raffinierten Verknüpfungen und Übergängen zwischen den Geschichten für seinen Zweck in Einzelfabeln mit jeweils einem Mythenkern zerteilen; diese neuen Einheiten sind leichter allegorisierbar als die kunstvolle Narration der antiken Dichtung. Er transferiert sie also in eine ganz andere Präsentationsform, um so den Literalsinn seiner Auslegung zu konstituieren. Er formt ein Mythenkompendium in Prosaform – ubi recte videntur quasi per modum tabule universe fabule congregate – und erschließt dann dessen einzelne ›Lemmata‹, die so entstandenen 224 Fabeln, mit einem mehrfachen Zweitsinn. Anspielungen Ovids auf Mythen, die dieser nicht ausführlich behandelt, werden von Berchorius oft auserzählt. Dies ist die Form, in der die Geschichten für die Predigt oder andere Anwendungszwecke leicht verfügbar werden. Im Sinn seiner Anwendungslogik geht Berchorius noch einen Schritt weiter, um aus den Fabeln Bedeutungen zu gewinnen: Aus verschiedenen Zügen oder Aspekten seiner Mythenparaphrasen generiert er Signifikate und stellt sie mit vel – vel – vel für den Gebrauch zur Wahl42. Dies bewirkt noch eine zusätzliche Fragmentierung der Geschichten des Quellentextes, vervielfältigt aber die Adaptationsansätze und passt sie so dem üblichen Zitatengebrauch in neuen Kontexten an. Derart präsentiert er in seinem Toposrepertoire eine große Zahl von Möglichkeiten der Anwendung der Fabeln. Es werden zudem verschiedene sprachliche Lizenzen im Auslegungsgang wahrgenommen. Die Wortwahl der Paraphrasen wie ihre ganze Darbietung kann bereits auf die Exegese hin konzipiert und formuliert sein, z. B. durch Synonyme, die an die exegetischen Traditionen leichter anschließen. Verfahren der Metonymie und Synekdoche, der Numerusund Genusänderungen (Singular für Plural und umgekehrt, die Frau für den Mann und umgekehrt) eröffnen weitere Auslegungsspielräume (wie in der Exegese nicht unüblich)43. Trotz solcher ›Manipulationen‹ vermittelt Berchorius mit seiner Arbeit ein umfangreiches Tableau des antiken Mythos und liefert zugleich eine Anleitung für den multiplen Umgang

Vgl. Berchorius, Ov. mor., XIV,3, bes.: [iste filie, id est] isti doctores ecclesie talis virtutis exsistant, quod quidquid tangunt, id est auctoritates et exempla scripturarum et rerum, que accipiunt, in cibos doctrine per expositiones convertant, ita quod panem, vinum et oleum, id est doctrinam solidiorem, dulciorem et leviorem inde faciant. Vgl. Bd. 2 zur Stelle. Zur Stufung von Speisemetaphorik in der Exegese-Tradition SPITZ, Die Metaphorik des geistigen Schriftsinns, 1972, S. 158–188. 42 So kann z. B. der Schluss einer Fabel, der zur Deutung nicht passt, fehlen: vgl. schon HEITMANN, Typen der Deformierung antiker Mythen im Mittelalter, 1963, S. 63 f. zur Orpheus-Erzählung in christologischer Deutung. 43 Beispiele dazu schon bei MICHEL, Vel dic quod Phoebus, 2000; DERS., Naturauslegung zuhanden von Predigern, 2007; MEIER, Ovid-Rezeption in Text und Bild, 2006, S. 138–140 zum Erichthonius-Mythos; hier liegt ein recht krasser Fall bedeutungsgelenkter Modifikation vor: Bei Ovid wird Erichthonius durch den Samen des vergebens um Athene werbenden Vulcan in der Erde gezeugt, also ohne Frau, während Berchorius das Verhältnis umkehrt: In der Deutung des Zwitterwesens auf den zweinaturigen Gottessohn lässt er das Kind gemäß der Bibel aus der Frau ohne männlichen Samen geboren werden (Ov. mor., II,18); spezifisch christliche Auslegungen auch bei THUE KRETSCHMER, L’›Ovidius moralizatus‹, 2016, S. 221–244, bes. 226–242. 41

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4. VERFAHREN UND INHALTE DER ALLEGORESE

mit ihm, d. h. zu verschiedenen Lektüren und Verwendungen der Fabulae. Dies mag den Erfolg seines Werks erklären.

Die Götter Für die Auslegung des Götter-Buchs bietet der Literalsinn Personen mit ihren Eigenschaften und Attributen im weiten Sinn sowie mit ihren Begleitfiguren; für Pluto etwa heißt das, dass die Geographie und das Personal der Unterwelt auch dazugehören. Zuerst sei als Beispiel aus dem Götter-Buch die Deutung Saturns gegeben44; sie ist systematischer angelegt als die weiteren Götterdeutungen. Die Auslegung vollzieht sich in mehreren Sinnebenen: litteraliter, naturaliter, historialiter und in Zusammenfassung der christlichen Sinndeutungen spiritualiter45. Nach dem Literalsinn ist er der erste der Planeten, in natürlich-physikalischer Deutung steht er für die Zeit (tempus), in historisch-euhemeristischer für einen frühen König Kretas – soweit die schon antiken Deutungsarten. Es folgt der genau markierte Übergang zum Spirituellen, Allegorischen (dimissis istis expositionibus) mit Auslegungen ad bonam und ad malam partem. Die Saturnattribute und -merkmale werden entweder auf einen schlechten Prälaten gedeutet, der seine Untergebenen drangsaliert, oder auf einen frommen und gerechten Prälaten, der für die Untergebenen sorgt, wie ein Geistlicher mit moralischer Führung und Rechtsbewusstsein es tun sollte, selbst wenn er dafür von den ihm Unterstellten angefeindet wird. Ferner bedeutet Saturn tyrannische Herrscher, die ihre Untertanen durch Grausamkeit und Besitzgier unterdrücken und ausplündern, die jedoch zu Recht ihre Herrschaft verlieren wie Saturn. Diese Deutungen wenden den sensus moralis an46. Dazu führt Berchorius einen aktuellen Fall aus der Stadt Lodi von 1335 an, wo ein Untergebener, ehemals Müller, Pietro Tremacoldo, durch treue Dienste für das herrschende Geschlecht der Vestarini zu hohen Ämtern aufstieg. Als Mitglieder dieses Geschlechts sich jedoch durch Vergewaltigung seiner Nichte und Pfründenprellung gegenüber seinem Cousin vergingen, nahm er sie alle gefangen und tötete sie ebenso grausam, wie sie selbst ihre Feinde getötet hatten. Er ließ sich danach zum Vicarius Ecclesiae Romanae ausrufen, wurde aber von den Mailänder Visconti 1335 abgesetzt – so eines von etlichen aktuellen Exempeln im Mythenbuch, die die Fülle der Auslegungen markant unterbrechen47. Die Reihe der acht Saturn-Deutungen schließt mit zwei weiteren Auslegungsweisen, einer etymologischen (nach Fulgentius)48 – gule satietas a saturando – und einer exemplarisch-allgemeinen, die darauf hinweist, dass dem gott-bestimmten Schicksal niemand entgehen kann: eine generelle Anwendung oder Moraldeutung, die ebenso profan wie christlich verstanden werden kann49. Die überwiegend negativ interpretierten Eigenschaften Saturns, wie Kälte und Alter, das Verschlingen seiner Kinder, das Attribut der Sichel, bedingen seine Gesamtdeutung ad malam partem, nur über die freundliche Wirkung seiner Gattin Ops wird eine Deutung ad bonam partem generiert. Einen christologischen oder 44 Teile von Kap. II. 4 und 5 enthält in anderer Zusammensetzung schon der Aufsatz MEIER, Ovid für die 45 46 47 48 49

Kanzel, 2019. Berchorius, De formis figurisque deorum, Cap. 1 (Bd. 2). Ebd. Ebd. Fulgentius, Mitologiarum libri tres, hg. von HELM, 21970, I 2, S. 17. Berchorius, De formis figurisque deorum, Cap. 1 (Bd. 2).

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

heilsgeschichtlichen Sinn gibt es für Saturn nicht. Erst in der Pariser Spätfassung des Werks, die die Götterdeutung wiederholt aus Fulgentius und Remigius von Auxerre50 ergänzt, fügt Berchorius die Bedeutung Klugheit (prudentia) hinzu und führt das auch für seine Kinder Jupiter, Juno, Neptun und Pluto mit verschiedenen Aspekten von Klugheit aus51. Die im übrigen negative Deutungsbilanz ist jedoch kein generelles Merkmal der Götter-Interpretation der Avignoneser Fassungen. So ist Jupiter, physikalisch verstanden, die obere Luft, allegorisch ist er Gott, der Herrscher des Himmels, ferner steht er – nun irdisch-moralisch – für den guten Prälaten, der mit Autorität, Gerechtigkeit und Strenge sein Amt ausübt. Doch auch auf den schlechten Herrscher, der seine Gewalt missbraucht, kann Jupiter verweisen52. Diana und Juno bedeuten unter anderem mariologisch die virgo gloriosa, Minerva die Weisheit und das Leben des weisen Menschen. Aber wie diese ist auch der fast durchweg positiv allegorisierte Pan mit der Hauptbedeutung ›Christus‹ daneben mit negativen Signifikaten belegt53. Die lange Auslegung Plutos und seines Herrschaftsbereichs ist ganz überwiegend negativ: der Teufel, böse geistliche und weltliche Herren, schwere Laster, Strafen, Dämonen54. Schon die wenigen Proben aus dem Götter-Buch illustrieren die schwierigen Punkte des Unternehmens trotz der erweiterten Deutungsdimensionen: Es wird einerseits eine gewisse Analogie in der Wertigkeit zwischen Sinnträger und Bedeutung – hier dem Gott oder der Göttin und ihrer Signifikanz – angestrebt, andererseits ist die jeweilige Figur oder Geschichte offen für alle möglichen, und so auch gegensätzliche Signifikate – eben nach dem exegetischen Grundsatz des ad-utramque-partem55. Wie Berchorius grundsätzlich die paganen Götter bewertet, ist nicht einfach zu beantworten; denn seine generellen Aussagen über sie sind spärlich und ambivalent. Eine strenge Verurteilung, die Isidor und Hraban in einem Idolatrie- und Dämonendiskurs vertreten, mit dem sie ihre Beschreibungen am Anfang und Ende sozusagen eingehegt haben56, tritt bei ihm zurück. Hraban, der seine Enzyklopädie aus Isidors ›Etymologien‹ zu einer Allegorisierung der Welt entwickelt, nimmt die Götter von der Allegorese aus, vermittelt sie als bloßen Wissensgegenstand weiter. Auf der anderen Seite vollzieht sich seit Fulgentius mit der Anknüpfung an die aufgeklärte Antike eine moralische und naturphilosophische Interpretation. In seiner Nachfolge beurteilen Albricus57 wie nach ihm Ridewall die Götter milder: Sie sehen zwar den inveteratus error humanus, sie, die eigentlich Menschen waren, in

50 Remigius, Autissiodorensis, Commentum in Martianum Capellam III–IX, hg. von LUTZ, 1965, S. 369. 51 Berchorius, De formis figurisque deorum, hg. von ENGELS, 1966, S. 9 f.: Iste ergo allegans Remigium expo-

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sitorem Marciani, De nupciis Mercurii, dicit quod Saturnus pingebatur: Opi maritatus, senio gravatus etc.; es folgen mehrere Eigenschaften Saturns, dann die Deutung prudencia (wie im ›Fulgentius Metaforalis‹): Sic vere, ut ait, virtus prudencie Opem habet uxorem etc. Berchorius, De formis figurisque deorum, Cap. 2: […] dic allegorice, quod Iupiter potest significare deum celi principem et magistrum, […]. Vel dic quod Iupiter est bonus prelatus […]. Vel dic quod Iupiter est malus princeps, qui virgam spiritualis iurisdictionis habet, in throno temporalis dignitatis sedet etc. Vgl. ebd., Cap. 7 Diana; Cap. 9 Juno; Cap. 8 Minerva; Cap. 12 Pan. Vgl. ebd., Cap. 14. MICHEL, Vel dic quod Phebus, 2000 untersucht am Beispiel von Apoll und Daphne bisher am gründlichsten, auch kritisch, die Auslegungsverfahren des Berchorius (wenn auch auf schmaler Grundlage). Isidor, Etym. VIII 11,5 ff.; Hrabanus, De nat. rer., XV 6, Sp. 426–428 und Sp. 434–436. Albricus, De diis gentium, hg. von BODE, S. 152 mit Berufung auf die philosophi: […] unum dicunt deum esse, caeli et terrae rerumque omnium procul dubio creatorem; seine verschiedenen Weisen, die Welt zu regieren, haben die verschiedenen Götternamen provoziert.

4. VERFAHREN UND INHALTE DER ALLEGORESE

Bildnissen zu verehren, verstehen die Götter aber durchaus als Vertreter verschiedener Tugenden oder weltgestaltender Vermögen58. Ridewall stellt seinen Göttern die Idolatrie-Gestalt und -erklärung vorweg, lagert diese sozusagen aus, um dann aber jeden Gott als Tugend zu interpretieren: Saturn als Prudentia, Jupiter als Benevolentia, Juno als Memoria, Neptun als Intelligentia, Pluto als Providentia59. In den Auslegungen ihrer Gestalten werden sie bei Berchorius zu Vertetern von Menschen seiner eigenen Gesellschaft, deren Handeln gut ist, wenn sie tugendhaft, schlecht, wenn sie lasterhaft sind, die jedoch, je nach dem einzelnen Aspekt der Beschreibung, ad bonam oder ad malam partem verstanden werden und sowohl das eine wie das andere sein können. Zum Beispiel ist Minerva, auf das Leben des Weisen gedeutet, ganz positiv konnotiert in der Verbindung mit zwei einschlägigen Bibelstellen zur Weisheit und göttlichen Erleuchtung, Eccli. 1,1 und Jac. 1,1760, während Arachne in ihrem Gewebe die Götter Jupiter, Neptun und Bacchus kritisiert, wenn sie immer wieder trügerisch ihre Gestalten wechseln, um junge Frauen zu vergewaltigen: Sie verderben in der Deutung auf den Teufel die Seele durch malitia, superbia, lascivia, voluptas, ebrietas, falsa amicitia, cervicositas, je nach ihrer Gestalt – unter Hinweis des Autors auf Ps. 95,5: Omnes dii gentium demonia, deus autem celum fecit.61 Derselbe Gedanke klingt am Ende des Prologs der späten Fassung freundlicher, nachdem Berchorius, auf Ridewall verweisend, seine Absicht zur moralischen und allegorischen Deutung bekräftigt hat: […] ad laudem scilicet et gloriam veri Dei, qui sedens in sinagoga deorum, cum ipse sit Deus noster, pre omnibus diis vivit et regnat super omnes deos in secula seculorum, amen.62 Die Götter bleiben janusköpfig, werden aber in der durchgehenden Allegorese poetisch-fiktiver Bildlichkeit zu figurae, die aufgewertet und in das eigene Wertesystem des 14. Jahr-

58 So auch an einer Stelle mit einem altbekannten Seitenhieb auf die Dichter, wie er sonst bei diesem Autor

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nicht üblich ist: Berchorius, Ov. mor., De formis, Cap. 13 zu Bacchus: Posteriorum enim genus hominum, ruricole et pastores, res potentes ad usum mundi hominibus datas a divina gratia pro diis colebant, ut agriculturam et vindemiationem et huius. Deinde poete lucri causa et favoris easdem gratias in membrana effigiaverunt, propriis eas nominibus signaverunt, ut scientiam colendi agros et vineas Bacchum, turpes actus hominum ut luxuriam et venerem inter deos venerantes vocaverunt, sicque loco religionis superstitio est exorta. Ridewall, Fulgentius Metaforalis, hg. von LIEBESCHÜTZ, S. 65–71. Berchorius, Ov. mor., De formis, Cap. 8: Dico igitur, quod Minerva, dea sapientie, significat sapientis hominis vitam; que a cerebro Iovis, id est ab ipsa mente divina, nascitur et desursum a patre luminum derivatur, Eccli. 1: ›Omnis sapientia a domino deo est.’ Berchorius, Ov. mor., VI,10: Sub diversis speciebus latitant et cum eis spiritualiter fornicantur. Tunc enim sub specie equi diabolus corrumpit animam, quando alicuius equi vel fastus sibi concupiscentiam immittit, tunc in specie auri, quando aurum et divitias concupiscere facit, et breviter sub diversis speciebus ad temptandum se ponunt, ut animas decipiant et corrumpant: sub specie serpentis, quando temptant de malitia, sub specie equi, quando de carnis lascivia, sub specie tauri, quando de superbia, sub specie uve, quando de ebrietate, sub specie delphini, quando temptant de piscium sapida voluptate, sub specie patris vel mariti, quando falsam amicitiam dissimulant, sub specie arietis, quando temptant de cervicositate. Ebd. De formis, Cap.4: Vel dic tamen quod Apollo, qui erat quoddam idolum, in quo scilicet apud Delphos in monte Parnaso, in totius mundi medio secundum Ovidium, diabolus dabat responsa, potest significare malum principem vel prelatum, quia diaboli est imago et idolum sibi per imitationem conformatum. Berchorius, De formis, hg. von ENGELS, S. 4. – Kritisch äußert Berchorius sich gegen Ovid zur Überlieferung der Vergöttlichung von Menschen, wenn es um Geschichtliches, nicht um Fabeln geht: Ov. mor., XIV,11: In isto libro decimo quarto fit mentio de deificatione Enee et Romuli: Eneas enim submersit se et, quia non fuit inventus, dicitur fuisse deificatus et in celo stellificatus. Romulum etiam inimici sui occiderunt et ideo ceci populi, cum inveniri non posset, deificatum crediderunt

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

hunderts integriert werden. Eine vergleichbare Aufwertung wird ihnen im Bild zuteil, sowohl in den Bilderserien der Bergamo- und Treviso-Handschrift wie auch in den 15 kunstvollen Bucheingangs-Miniaturen der ›Ovide Moralisé‹-Codices, die nach der Beschreibung des Berchorius gestaltet sind63.

Die ›Metamorphosen‹ Berchorius hat mit seinen Paraphrasen der gesamten ›Metamorphosen‹ eine große Adaptationsleistung erbracht, die als willkommene Information über einen noch wenig bekannten Gegenstand auch geschätzt wurde, und er hat in seinem Fahnden nach Analogien und Korrespondenzen der antiken Erzählungen zur eigenen Lebens- und Wissenswelt manche sinnvolle Deutungsperspektive entdeckt, die die allegorischen Transformationen der paganen Geschichten in christliche Moral- und Glaubensinhalte erlaubten. Die ›Metamorphosen‹-Bücher haben für die Allegorese etwas andere Voraussetzungen als das Götter-Buch. In den Paraphrasen treten einerseits gleichfalls Personen, Götter und Menschen auf, die zu ›Sinnträgern‹ werden, andererseits dominieren deren Handlungen und vor allem die spezifischen Prozesse der Verwandlungen, die auch ein Vorher und ein Nachher (und manchmal wieder das Vorher) haben; und es gibt Doppelnaturen des Männlich-Weiblichen, der Mensch-Tier-Wesen usf. Die Erzählungen schildern komplexe Konstellationen, die viele verschiedene ›Sinnträger‹ und damit diverse Ansätze zur Deutung enthalten: Tiere, Pflanzen, Steine, vom Menschen hergestellte Dinge, Landschaft(en), mit denen und in denen die Mythen situiert sind, und vieles andere mehr. Für charakteristische Allegorese-Konstellationen einige Beispiele: Signifikant sind etwa in der Umsetzung in den Zweitsinn die Jungfrauengeburt oder die zwei Naturen Christi. In der Jungfrau Danae-Maria, die von Jupiter, d. h. dem Heiligen Geist, im Turm des Glaubens durch goldenen Regen schwanger wird und Perseus-Christus gebiert64, oder auf die Doppelnaturen von Tiresias, Hermaphrodit und Erichthonius, die christologisch oder heilsgeschichtlich verstanden werden65. Eine Doppelnatur wird in der zweifachen Geburt des Bacchus-Christus gezeigt: aus der menschlichen Mutter Semele-Maria, bei der ein Blitz Jupiters die erste Entbindung bewirkt, und mit der Vollendung im göttlichen Vater, wie in Jupiters Schenkel eingenäht66. Verwandlungen von Göttern (wie Jupiter in Diana bei Callisto, in den Stier bei Europa) sind Hinweis auf die Inkarnation Christi, d. h. sein Herabsteigen aus Liebe zum Menschen67. In zahlreichen Mythen über das Geschehen zwischen Göttern und Menschen legt der Exeget ihr Handeln auf Vorgänge zwischen Gott oder Christus und der menschlichen Seele aus. Verwandlungen des Menschen in niedere Wesen, z. B. Tiere – wie bei Io und Callisto –,

63 Dazu s. unten SMOUT, Kap. IV. 3 und BLUME, Kap. V sowie REHM, Klassische Mythologie, 2019, S. 242–253.

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Die zwar durch freie Felder auf den Seiten geplanten, aber nicht mehr ausgeführten Götterbilder der Gothaer Hs. bezeugen ebenfalls eine neue Schätzung der Götter. Berchorius, Ov. mor., IV,9: Ista puella potest significare virginem gloriosam, que in turri fidei custodita ibi a Iove, id est Spiritu Sancto, extitit impregnata et descendente pluvia aurea, id est dei filio, in gremium uteri virginalis Perseum, id est Christum, deum et hominem, est enixa. Ebd., III,10 f. Tiresias; IV,8 Hermaphrodit; dazu auch MEIER, Ovidius Moralizatus, S. 476–478. Ebd., III,6 f. Ebd., II,10 Callisto; II,23 Europa.

4. VERFAHREN UND INHALTE DER ALLEGORESE

Pflanzen oder Steine, bedeuten meist einen Abstieg, eine Verstrickung in Sünde68; die gelegentlich erfolgende Rückverwandlung in Menschen bedeutet die (gnadenhafte) Rückkehr daraus, wie etwa bei Io69. Das Tierhafte hatte schon seit Platon, für das Mittelalter seit Boethius die Neigung der Seele zum bloß Sinnenhaften und zum Laster bedeutet70. Gerade die von den Kritikern Ovids vor allem beanstandeten Verwandlungen71 werden so zur bevorzugten Vorlage für die Deutung auf Gottes Wundertaten und die Wandlungen des Menschen im geistigen Sinn. Entsprechend angemessen im neuen Kontext sind die Mythen von Pyramus und Thisbe sowie Perseus und Andromeda interpretiert. Pyramus-Christus und Thisbe-die menschliche Seele kommunizieren durch die Spalten der Wand, wie durch die Propheten, da für sie die Sünde Adams, die ›Trennwand‹ zu Gott hin, durch diese durchlässig wird. Am verabredeten Treffpunkt, dem Maulbeerbaum als Zeichen des Kreuzesbaums, bei der Quelle der Taufe und Gnade hindert der Teufel in Gestalt der Löwin jedoch die Seele, zur Gnade zu gelangen72. Glücklicher endet die Perseus-Geschichte. Die zentrale Episode schildert die Ankunft des Perseus in Äthiopien, wo er die Königstochter Andromeda an einen Felsen am Meer gekettet und einem gewaltigen Meeresungeheuer zum Fraß ausgesetzt findet – dies ist die Strafe für das Vergehen ihrer Mutter Cassiopeia, sich in der Schönheit mit den Göttinnen gemessen zu haben. Perseus empfindet Mitleid, besiegt das Meeresungeheuer, befreit Andromeda und gewinnt sie zur Frau. Perseus-Christus – so Berchorius – sieht vom Himmel Andromeda, d. h. die menschliche Seele, die die Erbin des himmlischen Königs war und dennoch dem Meeresungeheuer, dem Teufel, zum Fraß überlassen zu werden verdammt war wegen der Sünde ihrer Mutter Eva. Daher war Andromeda-die Seele am Gestade dieser Welt gefesselt und erwartete die Verschlingung durch das Ungeheuer. Aber Perseus-Christus erbarmte sich, stieg in der Inkarnation zu ihr herab, um sie zu retten73. In einer solchen Deutung erhält die antike Erzählung Präfigurationsstatus wie sonst alttestamentliche Figurationen im Rahmen der Typologie. Die erste von mehreren Auslegungen der Erzählung von Orpheus und Eurydike deutet gleichfalls auf Christus und die Seele. Durch die Inkarnation und Jesu Katabasis in die Hölle wird die Seele befreit74; der tragische Schluss der Orpheusgeschichte bleibt in dieser Deutungsversion unerwähnt; der Exeget wählt also einen Teil der Erzählung aus und setzt so einen Antitypus gegen die Katastrophe des antiken ›Typus‹. Eine aktualisierende Transformation des Mythos wird auch der Pygmalion-Geschichte zugeschrieben. Pygmalion75, ein geistlicher Lehrer und Beichtvater von Nonnen und Beginen, der sie religiös erzieht und ausbildet, findet eine besonders fromme und begabte 68 Ebd., I, 11 Io; II,10–12 Callisto. 69 Ebd., I,15 Ios Rückverwandlung. 70 Vgl. Boethius, Philosophiae Consolatio, hg. von BIELER, 1957, IV pr. 3–pr. 4, S. 73: Tum ego: Fateor, inquam,

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nec iniuria dici uideo uitiosos, tametsi humani corporis speciem seruent, in beluas tamen animorum qualitate mutari. Dazu MEIER, Ovidius christianus, 2015, S. 466 f. Berchorius, Ov. mor., IV,1; zu dieser moralischen tritt dann noch eine mariologische Auslegung hinzu. Berchorius hält diese Geschichte offenbar für historisch: Ponitur historia prima, que magis videtur certa narratio quam fabule compositio. Ebd., IV,17. Ebd., X,1. Ebd., X,9; zur entgegengestzten Verwandlung der Frau in Stein wegen verweigerter Liebe und später Reue vgl. XIV,10: Iphis und Anaxarete (= Seele und Christus).

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

Nonne, die er wie eine Tochter mehr fördert als die übrigen: eburnea dicitur pro eo, quod anima casta, alba, frigida, ponderosa et honesta […]. Seine besondere Zuwendung verwandelt sich – unter dem Einfluss von Venus, wie Berchorius sagt – in Liebe und Begehren auf beiden Seiten. In ihren Begegnungen und Gesprächen tritt eine Verwandlung ein: ita quod illa, que fuerat eburnea, fit carnea, ille, qui mulieres solebat horrere, incipit carnis spurcitiam appetere. Dann kommt es zur körperlichen Vereinigung, es werden eventuell Kinder gezeugt – ein in der mittelalterlichen Realität nicht seltenes Geschehen, vor dessen Gefahr für Geistliche der Prediger warnt. Eine wunderbare antike Künstler-Geschichte wandelt sich im neuen Werte-Kontext in eine Katastrophe, wie sie auch durch Abaelard und Heliosa Berühmtheit erlangte, während andere vergleichbare ›Paare‹ Venus nicht nachgaben und große literarische Leistungen erbrachten: Hildegard von Bingen und ihr Lehrer Volmar, Mechthild von Magdeburg und Heinrich von Halle u. a. mehr. Ein einfaches Beispiel noch für die Mehrfachdeutungen der Fabulae, wie sie die ganze Predigttopik prägen: Der schönen Cornix, Gefährtin der Göttin Athene, stellt Neptun nach, um sie zu rauben und zu vergewaltigen. Athene, um Hilfe angerufen, verwandelt sie in eine Krähe und gibt ihr ein schwarzes ›Gewand‹76. Drei Signifikate schreibt Berchorius ihr zu, jeweils mit Bezug auf die schwarze Farbe, die zur dominanten Deutungseigenschaft wird: erstens, bedeutet Cornix junge Mädchen, denen der Teufel nachstellt, die aber Maria, die sie um Schutz anrufen, rettet und sie ad litteram mit dem schwarzen Ordensgewand bekleidet; zweitens, Menschen, die in weltlichen Beschäftigungen vom Teufel versucht und gefährdet werden, aber zu schwarzen Vögeln werden, d. h. zu solchen, die in der Kontemplation fliegen und in schwarzem Gewand, d. h. in demütigem Lebenswandel, den Versuchungen widerstehen; drittens, ad malam partem solche, die in weltlichen Geschäften schwarz werden: propter inhonestam conversationem77. Berchorius bietet in der Fülle seiner Allegoresen interessante, ja gelungene Auslegungen, aber auch schräge, krasse und – für den heutigen geduldigen Leser – völlig verstörende: doch alle stehen im methodischen Rahmen der mittelalterlichen Exegese. Es fällt auf, dass die Mythen mit anrührendem tragischen Verlauf von Berchorius oft besonders ›unpassend‹ interpretiert werden. Nur wenige Beispiele dazu: die Zerreißung des Actaeon 78, die Baumwerdung der trauernden Schwestern Phaetons79, die Jungfrau Syrinx, der Pan nachstellte, die aber, von Jupiter in ein Schilfrohr verwandelt, gerettet wurde80; ferner Dryope, die schuldlos zum Baum mutierte und damit für immer vom Umgang mit ihrem kleinen Sohn getrennt wurde81. Die menschliche Tragik solcher Geschichten ist offenbar der vom Autor angestrebten Anwendungslogik fremd82. Das Verhältnis von Fabel und Deutung sieht Berchorius entsprechend seiner Legitimation des Projekts im Prolog als Relation von fictio/falsitas und veritas wie andere Mythen-

Ebd., II,17. Ebd. Ebd., III,4 f. Ebd., II,7 f. Ebd., I,17. Ebd., IX,15; vgl. Ovid, Met., 9, 371 ff.: Siqua fides miseris, hoc me per numina iuro/non meruisse nefas: patior sine crimine poenam. 82 Dies stellt auch LEVINE, Exploiting Ovid. Medieval Allegorization, 1989, S. 211 f. für die Philomela-Fabel fest. 76 77 78 79 80 81

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5. DER MYTHOS FÜR DIE PREDIGT

ausleger seines Jahrhunderts, z. B. auch Boccaccio83. Deshalb eröffnet er häufig die Deutung mit revera oder auch mit secundum rei veritatem: so etwa bei Lycaons nur scheinbarer Menschennatur, die in Wirklichkeit wolfshaft ist84, oder bei Atlas, dem Himmelsträger nach den Dichtern, der in Wahrheit ein Philosoph und Astronom war85. Eine längere Version der Atlas-Geschichte spricht vom ›Grund der Erfindung der Fabel‹, um auf den Wahrheitskern von Mythen und die Prozesse der Fabelschöpfung hinzuweisen. Hier ist Atlas der Besitzer der goldenen Äpfel, der goldenen Weisheit der Astrologie, die er Hercules weitergibt. Er bedeutet den guten Lehrer, bei dem der gute Schüler lernt, um sein Nachfolger auf dem Katheder zu werden: Causa fictionis fabule videtur esse moralis, leitet der Exeget die Auslegung ein, um dann diese Amtsübergabe zu beschreiben86. Auch die Fabel von den Sirenen, den Dienerinnen Proserpinas, wurde nicht von ungefähr erfunden: Ista fabula videtur inventa ad ostendendam naturam Sirenarum. Als Proserpina, durch Pluto geraubt, verschwunden ist, suchten sie sie aufs Eifrigste auf der ganzen Erde: Sie sind die Seelenkräfte (potentie anime) Vernunft, Gedächtnis und Willen, die die Seele aus der Unterwelt, dem Bereich des Teufels zu retten versuchen87.

5. Der Mythos für die Predigt Die Faktur von Paraphrase und Auslegung der ›Metamorphosen‹ Ovids entspricht den intendierten Funktionen des Werks. Die Vielfalt der Bedeutungen dieser üppigen Ars combinatoria impliziert jedoch die Gefahr einer bedenklichen Beliebigkeit, da die Adaptation an die neuen Kommunikationsräume der Gesellschaft des 14. Jahrhunderts, die neuen aktuellen Argumentationskontexte der Predigt in der Topossammlung nur anvisiert, nicht vollzogen sein kann. Das Rudimentäre der Signifikate und ihre Beliebigkeit werden aufgehoben im Zielbereich des Handbuchs, der Predigt (oder anderer Argumentations- oder Überzeugungszusammenhänge), indem die Anwendung die Fülle jeweils reduziert auf den einzelnen Fall. Die Frage, wie die Kontextualisierung in der Predigt funktioniert, lässt sich zum Glück paradigmatisch beantworten an der einzigen von Berchorius selbst überlieferten Predigt88 – das Predigtwerk selbst ist verloren, hat vielleicht gar nicht existiert. Berchorius fügt sie ein ins ›Repertorium morale‹ mit dem Hinweis: ›Nimm zur Kenntnis, dass ich, weil

83 Z. B. Boccaccio, Genealogia deorum gentilium, hg, von ZACCARIA, I Cap. 3 an seinen Auftraggeber: Habes,

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rex inclite, ridiculam fabulam, verum eo ventum est, ubi oportunum sit a veritate amovere fictionis corticem. Vgl. auch ebd., XIV, Cap. 7 und 9. Dazu GUTHMÜLLER, Boccaccios Konzept der Mythographie, 2016. Berchorius, Ov. mor., I,9. Ebd., II,6. Ebd., IX,7: […] quia scilicet Atlas fuit summus astrologus et ideo celum sustinere dicitur pro eo, quod de celo et celestibus tractare fertur. Poma etiam aurea, id est auream sapientiam, dicitur habuisse, quam custodierunt tres filie, id est tres cerebri celule, et draco vigil, id est vigilans diligentia, dicitur custodisse etc.; vgl. auch IX,9 zu Diomedes, IX,13 zu Galantis und XI,1 zu Midas. Ebd., V,4. Den Hinweis auf diese Predigt gab VAN DER BIJL, Petrus Berchorius Redivivus – Les Sermons de Bersuire, 1984, S. 113–120, besonders S. 118–120. – Die Forschung ist sich nicht einig, ob das Predigtwerk existiert hat.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

ich jetzt die folgende Predigt einmal gehalten und darin das Material zum Stichwort ›Videre‹ ziemlich angehäuft habe, sie hier […] einzufügen für angemessen hielt.‹89 Diese lange Predigt verbindet allegorische Deutungen aus alttestamentlichen und mythologischen Geschichten mit dem Begriff per figuram und greift drei Mythen auf, die auch im ›Ovidius moralizatus‹ entsprechend begegnen: Polyphem, Narziss und Callisto. Mit ihnen will er argumentieren (probare) wie mit den Naturexempeln und den Bibelbeispielen auch. Die potentielle Form der enzyklopädischen Materialpräsentation wird in den konkreten Text der aktuellen Predigt überführt und eingepasst. Seinem Aufruf zur Barmherzigkeit: videnda est egeni paupertas, verleiht hier auch die durch die Verwandlung ins Elend geratene Callisto Nachdruck, und Berchorius konstatiert: Probat etiam hoc per Poeticam fabulam vel ficturam90, um wie für die alttestamentliche Parallelgeschichte des Nebukadnezar den Gegenwartsbezug auszudrücken: Sic videtur hodie accidere. Die Adaptationsmöglichkeit der Mythosgeschichten auf die eigene Gegenwart, den hodiernus modus, betont Berchorius im ›Ovidius moralizatus‹ nicht selten eigens mit Aktualitätssignalen91. Einen frühen Beleg für die Predigttauglichkeit des antiken Mythos hatte schon der geschickte Prediger des 12. Jahrhunderts Honorius Augustodunensis geliefert. In einem bei ihm allerdings singulären Beispiel seiner Predigtsammlung empfiehlt er die Nutzung der antiken Mythen zur Erbauung mit der aus Erfahrung kommenden Begründung: ›Untermische deinen Predigten solcher Art Mythen, denn durch derartige Geschichten vermeidest du den Überdruss der Zuhörer.‹92 Erst bei Berchorius wird daraus ein umfangreiches veritables Nachschlagewerk: die Topossammlung aus Ovids ›Metamorphosen‹. Allerdings hat Berchorius den Anwendungsbereich dieses Werks wohl nicht auf die Predigt begrenzt gesehen, denn er weist im ersten Prolog auf seine Intention (finis) hin, dass hier zu jedem Thema etwas zu finden sei: […] quod ad omne propositum possit proprietates rerum adducere et moralizatas, expositas et applicatas ad omne, quod voluerit, invenire.93 Die Predigertopik kann damit zu einer generellen Topik tendieren– und sie wurde später auch so gebraucht. Schon im Überblick über die Signifikate wird die Zielrichtung des Werks erkennbar; denn aus der Summe der Bedeutungen entsteht ein Panorama der spätmittelalterlichen 89 Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. lat. 16790, fol. 384rb: Et nota quod quia istum sermonem sequentem

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semel predicaui et materiam de VIDERE ibi satis accumulaui, ideo ipsum hic ponere et inserere dignum duxi (zit. nach VAN DER BIJL, Petrus Berchorius redivivus, 1984, S. 118). Berchorius, Repertorium morale, 1731, S. 207b. Zu den Formen der Aktualitätssignale s. unten. Honorius Augustodunensis, Speculum ecclesiae, PL 172, Sp. 855 f.: Haec saepius intermisce sermonibus tuis; nam hujusmodi verbis eis fastidium tollis; gemeint ist z. B. die Erzählung von Odysseus und den Sirenen, die schon in der patristischen Literatur allegorisch gedeutet wurde: s. dazu HUGO RAHNER, Griechische Mythen in christlicher Deutung, 31966, hier S. 314. Zu dieser Frage entwickelt die im 13. Jh. besonders bei den Dominikanern verbreitete Predigtlehre verwandte Positionen, z. B. bei Humbertus de Romanis, De dono timoris, S. 3 (Prologbeginn): Quoniam plus exempla quam uerba mouent, secundum Gregorium, et facilius intellectu capiuntur et altius memorie infiguntur necnon et libentius a multis audiuntur suique delectatione quadam plures attrahunt ad sermones, expedit uiros predicationis officio deditos in huiusmodi habundare exemplis, quibus utantur modo in sermonibus communibus, modo in collationibus ad personas Deum timentes, modo in familiaribus colloqutionibus ad omne genus hominum ad edificationem omnium et salutem. Gleichwohl gibt es auch Kritik an den fabulae; s. oben Kap. I Anm. 65. Berchorius, Reductorium, 1731, S. 1b.

5. DER MYTHOS FÜR DIE PREDIGT

Gesellschaft, ihrer Werteordnungen und Denkhorizonte – aus der Sicht des Predigers, der all ihre Mitglieder im Blick hat. Soziale Stände und Schichten wie Klerus und Laien, weltliche Regierende verschiedener Stufen, Männer und Frauen, Ehe und Familie sowie die aus dem spirituellen Corpus Christi ausgegrenzten Juden, Häretiker und Heiden werden spezifisch adressiert. Das quantitative Hauptgewicht der Auslegung liegt nicht bei den Glaubenswahrheiten (mysteria fidei) und der Heilsgeschichte im engeren Sinn, obwohl auch sie immer wieder thematisiert werden, sondern im Zentrum stehen Verdienste und Defizite, Lob und Kritik der Lebensführung. Die moralische Dominanz der Textintention, die Berücksichtigung der Diversität der Lebensformen und sozialen Gruppen bedingen schließlich auch die Öffnung des Werks in einen allgemein-humanen Erfahrungs- und Aktionsraum. Die narrative Ausdifferenzierung der Lebenswelt mündet in einer Vielfalt auch alltäglicher Situationen. Psychologische Deutungen zeigen Lebensklugheit und geben Handlungsanweisungen nach einem epochenadäquaten Sensus communis. Tugenden, Werte und soziale Pflichten dieser Gesellschaft werden an positiven Beispielen vor Augen geführt: etwa der Wert der Freundschaft, die man aber nicht ausnutzen und durch immer neue Ansprüche strapazieren darf, selbstlose Gastfreundschaft, wie sie besonders von Philemon und Baucis praktiziert wurde94, Hilfsbereitschaft gegenüber Armen, Schwachen und Unterdrückten, Einsicht bei eigenen Fehlern. Weitaus deutlicher treten die Werte in ihrer Kehrseite heraus, in den Lastern, die der Prediger mit den verschiedenen Formen von Fehlverhalten in den Blick rücken kann. Ganze Listen von eindrucksvollen Negativbeispielen extrahiert Berchorius aus dem Mythos, ganz oben stehen Neid, Gewinnsucht und sexuelles Begehren, dann folgen Trunksucht, Diebstahl, Raub und Wucher, Verleumdung und Verrat, Heuchelei und Misstrauen, Anmaßung und Ungehorsam, um nur die wichtigsten zu nennen. Gruppenspezifische Anwendungen (allegare ad) des vorgegebenen Mythentextes richten sich zuerst an den Klerus, dann an die Mächtigen und endlich an alle Mitglieder der Gesellschaft, im öffentlichen wie im privaten Raum. Scharfe Kritik am eigenen Stand des Autors, dem Klerus, betrifft Pfründenjagd und Pfründenhäufung, Reichtum, Vernachlässigung der pastoralen Pflichten aus Bequemlichkeit, Hochmut und Stolz auf die eigene intellektuelle Subtilität sowie Häresiegefährdung, Apostasie im unerlaubten Übergang in einen anderen Orden (VI,5), schließlich sexueller Missbrauch von Untergebenen, speziell auch Verführung im Kontakt von Prälaten mit Nonnen. Es wird die Frage erörtert, ob die Sakramente von schlechten Priestern unwirksam sind (VII,1) oder dass Gott selbstgerechte Geistliche im Sündigen gewähren lässt, damit sie schließlich bereuen (VII,21)95. Die Webkünstlerin Arachne, die Athene hochmütig zum Wettstreit herausfordert und dann in ihrem Gewebe Untaten (crimina) der Götter darstellt, wird von Athene zur Strafe in eine Spinne verwandelt. Berchorius erkennt darin eine Mahnung an junge überhebliche Kleriker, die sich den Weisen überlegen glauben und sich danach drängen, gegen diese zu disputieren; ihre Ignoranz und ihr Neid wie ihre nicht soliden Argumente sind zur Strafe

94 Berchorius, Ov. mor., VIII,10: Istud exemplum expone, quomodo hospitalitas placet deo et inhospitalitas

displicet et quomodo hospites a deo premiantur et avari subvertuntur. 95 Ebd., VII,1: in einer Deutung des blinden Königs Phineus von Colchis (neben verschiedenen weiteren

Auslegungen); vgl. ebd., VII,21: Jupiter verwandelt drei zu gerechte Athener, die zu seinem Unwillen wie Götter verehrt werden, in Vögel, und zwar in Geier.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

schnell entlarvt96. Die unangemessene Arroganz einer anderen Kollegengruppe, der subtiles theologi et philosophi, die ständig den Himmel zu berühren scheinen (wie Atlas), weil sie nur über himmlische Dinge disputieren, brandmarkt Berchorius wegen ihrer Verweigerung, Perseus-Christus in ihrem Herzen aufzunehmen aus Angst um die goldenen Äpfel, d. h. um ihren angesammelten Reichtum. Durch das Gorgohaupt des Perseus, den Teufel, werden sie in ihrer Überheblichkeit zu gefühllosem Stein und fallen der Verdammnis anheim97. Ganz grundsätzliche Kritik am Zustand der Kirchenoberen seiner Zeit (hodie) und ihrer Pervertierung übt Berchorius, wenn er das Schiff der thyrrenischen Seeleute deutet, die Bacchus entführen wollten: Das Takelwerk des Kirchenschiffs, d. h. die superiores et prelati, erklärt er für zerstört, so dass die Mannschaft, die Laien, mit Schrecken das Schiff verlassen98. – Mit Kritik werden auf der anderen Seite auch die Ungläubigen, die Juden, Muslime und Heiden, bedacht. Die Herrschenden, Könige und andere Principes werden vor allem zur Gerechtigkeit im Regieren angehalten. Niedriger Gestellte dürfen nicht willkürlich unterdrückt werden, was an Marsyas und Apoll gezeigt wird99. Aufsteiger am Hof können, je nach ihren Absichten, positiv oder negativ bewertet werden; schlechte Ratgeber sind gefährlich. Herrschsucht, Tyrannis, die vor Gewalttaten und Mord nicht zurückschreckt, ist aufs schärfste verurteilt. Andererseits wird auch die Bestrafung einfacher, doch böswilliger Leute (rustici et viles) prognostiziert und gebilligt – so die Verwandlung der missgünstigen Bauern in quakende Frösche in der Latona-Geschichte100. Von Gruppen aus verschiedenen Berufen trifft vor allem die Advokaten immer wieder harte Kritik: Sie werden als unersättlich habgierig beschrieben, zeichnen sich aus durch Schlauheit in der Verteidigung der ungerechten Sache, Täuschung, Heuchelei und Arroganz sowie Untreue gegenüber ihren Mandanten. Auch die Richter werden für ungerechte Urteile, Habgier und Ehrgeiz kritisiert, kommen aber insgesamt besser weg101. Ähnlich urteilen

96 Ebd., VI,1. 97 Ebd., IV,16: Dic quod Atlas significat altos et subtiles theologos et philosophos qui celum videntur attingere

inquantum de celestibus consueverunt scientiis disputare. Sed pro certo fit quod Perseum, id est Christum, in hospitio cordis sui non recipiunt et ad virtutum moralium acquisitionem non attendunt, sed magis poma aurea, id est diuitias acquirere et custodire satagunt. Et ideo ipsos per Gorgonem, id est diabolum in lapidem, id est duritiam et obstinationem mutari permittit, etc. Moderater klingt die Kritik und Ermahnung an Prälaten, die aus eigener Geltungssucht das Werk ihrer Amtsvorgänger zerstören, anstatt es mit Verbesserungen fortzuführen: XIV,12. 98 Ebd., III,14. 99 Ebd., VI,15: Sic vere accidit hodie, quod quando Marsyas deus ruricola, id est simplex homo, non bene cantat ad voluntatem Apollinis, id est non bene scit adulari divitibus vel eorum implere voluntatem, sed potius cum eis vult contendere, solent plerique tales Apollines, id est mali superiores pellem substantie temporalis eis auferre et tam ipsis quam amicis flendi materiam dare. – Zu weiterer scharfer Kritik an den Regierenden s. auch XIII,5. 100 Ebd., VI,13 f.: Et sic factum est, quia Iupiter rusticos mutavit in ranas, ut in stagno illo perpetuo coaxarent […]. Istud potest dici contra rusticos et viles personas, qui ceteris consueverunt esse inurbani et amari et incompatientes, etc. 101 Zu den Advokaten: Götter, Cap. 6 (Mercur); II,21; IX,12 (Cacus) und 13 (Galanthis – advocatus bonus!); XI,2 (Midas); zu den Richtern: I,5 (Giganten); II,5 (Phaeton, dazu s. unten Anm. 114); IV,2; IX,18. Zur Juristenkritik der Zeit jetzt DOERING, Praktiken des Rechts in Boccaccios ›Decameron‹, 2020, S. 14–17, S. 29–88; DOERING, Künstler und Rechtsgelehrte im Wettstreit: ›Genealogia deorum gentilium‹ XIV,4 und ›Decameron‹ VI,5, 2015, S. 3–24 (mit Lit.); DIES., Praktiken des Rechts, 2020.

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5. DER MYTHOS FÜR DIE PREDIGT

auch Petrarca und Boccaccio über die Angehörigen dieser Berufsgruppen; doch begreifen sie meist auch die Ärzte ein, was bei Berchorius nicht geschieht. In der Familie bedenkt Berchorius die Ehepartner, die Kinder wie auch die Stiefmütter mit Kritik und Ermahnungen. Eifersucht der Ehemänner und Misstrauen der Ehefrauen provozieren Unglück, Treue statt Misstrauen und Verrat wird gefordert (XV,9). Eine eheliche Verbindung älterer Frauen mit jungen Männern z. B. berge von vornherein die Gefahr zur Untreue in sich102. Frauen der Obhut fremder Männer anzuvertrauen, während ihre Männer z. B. geschäftlich abwesend sind, sei in der Regel ein leichtfertiger verhängnisvoller Entschluss. Auch in anderen Situationen versuchten Männer, Frauen mit List zu verführen103, und diese vermöchten oft nicht auf lange Zeit zu widerstehen – sie sind nach Eva von Natur aus das schwächere Geschlecht. Prominente Gegenbeispiele zu leicht verführten Frauen zeigen nicht nur die antike Daphne104, sondern auch die Nonne, die sich die Augen ausreißt und sie ihrem königlichen Verehrer und Verfolger schickt, da er diese als das Schönste an ihr gepriesen hatte – eine Geschichte, die schon die spätantiken ›Vitas Patrum‹ berichten und die auch in Jacobs von Vitry Exempelsammlung steht, von Berchorius aber aktualisierend auf einen englischen König bezogen wird105. Ungehorsamen und anmaßenden Söhnen soll eine strenge Erziehung zuteilwerden. Doch dürfen Jugendliche auch nicht zu hart angefasst werden, da sie in sich noch nicht gefestigt sind. Vor dreisten Liebhabern sind gefährdete Töchter, junge Mädchen, von den Eltern oder durch eigene Einsicht zu schützen, ihr Umgang muss beobachtet werden. Kinder für ein geistliches Leben an Gott zu übergeben, ist zu loben; sie aber, wenn sie einmal Gott versprochen sind, in der Welt zu lassen und das Gelübde zu brechen, wird harte Strafen bringen106. Stiefmütter, die mit Listen gegen die Söhne des Mannes agieren, ja ihnen nach dem Leben trachten, müssen rechtzeitig entlarvt, des Hauses verwiesen und bestraft werden107.

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Ebd., X,5: Der junge schöne Attis hat Cybele ewige Treue geschworen, die er aber wegen der Verbindung mit einer Nymphe bricht: Nec enim bonum est, quod puer vetule coniugatur, quia non vult ipsi fidem servare, sed cum iuvenculis et nymphis carnaliter habitare. Ebd., VI,8: mehrere Verwandlungen Jupiters in verschiedene Gestalten (Schwan, Satyr, Blitz, Ehemann usf.), um mit Frauen zu schlafen: Ita videntur facere luxuriosi: Variis enim modis decipiunt mulieres etc. So seien auch von jungen Frauen Schauspiele und öffentliche Plätze, an denen sich viele junge Männer aufhalten, zu meiden: II,23. Ebd., I,7–9. Ebd., I,8: Sic dicitur accidisse in Anglia de quadam moniali quam cum rex terre vellet habere et ipsam incessanter rogaret, petit illa, quid erat in ipsa, quod ipse tantum diligeret. Rex vero asseruit pulchritudinem oculorum; illa autem domum pergens oculos eruit et regi, ut sedaret eius concupiscentiam, transmisit. Vgl. auch: De vitis patrum, X 60, PL 74, Sp. 148 B–D; Jacques de Vitry (Jacob von Vitry), The exempla or illustrative stories from the Sermones vulgares of Jacques de Vitry, hg. von CRANE, 1890, S. 22, Nr. 57 (auch als Digitalisat); weitere Belegstellen des verbreiteten Motivs bei TUBACH, Index Exemplorum, 1981, S. 359, Nr. 4744. Vgl. VII,24 und II,23; zur Gefahr für junge Mädchen, von alten Frauen trügerisch einem Liebhaber zugeführt zu werden (Novellenmotiv) XIV,9. Z. B. Berchorius, Ov. mor., VII,22: Athens König Aegeus nimmt Medea auf ihrer Flucht vor den Pelias-Töchtern auf und heiratet sie; sie trachtet seinem Sohn Theseus nach dem Leben: Istud applica contra novercas, que filios virorum suorum, quando ipsos vident validos et prudentes, solent timere et eis a patribus suis mala omnia procreare. […] pro certo nullus est ita durus, quin suis consanguineis et maxime filiis debeat condolere et contra novercarum insidias cogatur adiuvare.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

Zwei Gruppen erfahren vom Predigtlehrer besonders viel Kritik: die Kleriker und die Geistlichen in leitenden Funktionen, die gegen ihre Gelübde und Ideale handeln und leben, und die Frauen, die als das schwächere Geschlecht, leichter in Sünde verfallen – wie schon Eva – und daher der Ermahnungen des Predigers besonders bedürfen. Damit sind die erfassten Lebenssituationen längst nicht erschöpft. Auch die Predigtlehren, die ›Artes praedicandi‹ bieten im Vergleich mit Berchorius’ Handbuch enge Parallelen sowohl, was die anvisierten Rezipientengruppen angeht, als auch, was den Nutzen von Exempel-Erzählungen betrifft108. Zum Beispiel bietet der große dominikanische Predigttheoretiker des 13. Jahrhunderts, Humbert de Romanis, in seinem Lehrbuch ›De eruditione praedicatorum‹ ganz konkrete, weit ausdifferenzierte Anweisungen zu Standespredigten an all die Gruppen der Gesellschaft, die auch in den Auslegungen des Berchorius angesprochen werden: zahlreiche Personengruppen des Klerus von der Kurie bis zum niedrigsten Klosterangehörigen, der Laien, von den Regierenden und Amtsträgern über die Geschlechter, Berufe, Arme, Kranke, Kinder bis zu den Prostituierten auf dem letzten Platz (Ad mulieres meretrices). In insgesamt einhundert verschiedenen Adressaten(gruppen)109 realisiert er seine Kurzformel diversa diversis110 der passgenauen Predigt mit seinen Predigtregeln. Seine auf das aktuelle Leben und die zeitgenössische Gesellschaft zielende Allegorese begleitet Berchorius in vielen Fällen mit dem deutlichen Hinweis, dass all diese Geschichten der Antike Erkenntnisse für die Gegenwart bereithalten: Sic videtur hodie accidere – sic vere accidit hodie.111 Signale dafür sind neben dem häufigen hodie auch hodiernum, hodiernus modus, cottidie, in hoc/isto mundo, moderni, moderno tempore, nunc in ecclesia u. ä.112. So wird der Versuch der Giganten, den Himmel zu stürmen, auf reiche und gierige Tyrannen und übermäßig ehrgeizige Leute der eigenen Gegenwart ausgelegt: Revera tales gigantes sunt hodie tyranni divites et avari, quibus non sufficit esse in statu suo […]. Immo ad celum et ad statum alte prelationis et dominationis nituntur ascendere, sicut patet in ambitiosis.113 VON MOOS, Das Exemplum und die Exempla der Prediger, 2006, S. 107–126, S. 110 f.: »In der Erforschung des Predigtexemplums [lässt sich heute] ein gewisser Konsens darüber feststellen, dass das Hauptkriterium zur Unterscheidung verschiedener Arten von exempla die jeweilige rhetorische Funktion für ein bestimmtes Persuasionsziel in einem bestimmten kommunikativen Kontext darstellt. […] unbestritten bleibt, dass das Predigtexemplum sich von jeder anderen Kurzgeschichte oder Erzähleinlage durch die ›heilsame Lehre‹ […] unterscheidet. Es […] bleibt stets dem erbaulichen Ziel untergeordnet, das Kürze, d. h. Konzentration auf das für das Verständnis notwendige Minimum an konkreten Einzelheiten erfordert. Es ist kurz, weil es gegenüber der seelsorgerlichen Absicht der Predigt nur ein zusätzliches stimulierendes Element enthält. Ebenso ist die Erzählform gegenüber dem lehrreichen Inhalt des Exemplums nebensächlich«; es dient – kurz – nur dem Persuasionsverfahren, ist keine literarische Gattung für sich; eine solche ist die es aufnehmende Predigt oder die Exempelsammlung; DERS., Das argumentative Exemplum, 2006, ebd., S. 45–67, hier S. 48–54; DERS., Geschichte als Topik, 21996, mit Diskussion der Literatur zum Predigtexempel S. 39–134. 109 Humbertus de Romanis (von Romans), De eruditione praedicatorum Libri duo, hg. von DE LA BIGNE, 1677, Inhaltsübersicht S. 424–426; Lib. II 1: S. 424 f. Inhaltsübersicht über die Predigten ad status, an 100 Gruppen der Gesellschaft, und Ausführung S. 456–506. 110 KAHN, Diversa diversis. Mittelalterliche Standespredigten, 2007, S. 100–120, 129–137; Humbert de Romanis, De eruditione praedicatorum, 1677, S. 439: Item notandum, quod illis quibus praedicandum est, non sunt omnibus eadem praedicanda: sed d i v e r s a d i v e r s i s, prout eis competunt; vgl. Gregor der Große, Regula Pastoralis, PL 77, Sp. 49. 111 Berchorius, Ov. mor., VI,15 zu Marsyas. 112 Weitere Belege z. B. ebd., I,5; II,7 und 13; III,13; VI,16 und 18; VII,15 und 20; IX,7 und 8; XV,3 und 6. 113 Ebd., I,5. 108

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6. DIE BIBELZITATE

Phaetons Scheitern bei der Lenkung des Himmelswagens und die verheerenden Wirkungen auf der Erde wendet Berchorius in längerer Deutung auf die schlechten Prälaten und Richter seiner Zeit an: Revera est in isto mundo: Phaeton significat malos et leves iudices et prelatos, quibus regimen currus, id est status ecclesie vel rei publice, committitur. Equi istorum significant eorum familiares, carnales et consiliarios, qui dicuntur flammigeri, quia flammas rapine et avaritie semper spirant etc.114. Solche Herrschaft (regimen) verheere das Land. Ein Gegenbild gegen den Mythos von Admet und seiner Frau Alcestis, die für ihn zu sterben bereit ist, findet der Exeget in seiner Gegenwart, in der die Frauen ihren Männern eher den Tod wünschen: Quod est hodie contra multas, que non solum pro viris mori nolunt, immo eorum mortem appetunt. Immo multe sunt, que dicunt se velle mori pro viris et in necessitate nolent pro eis aliquid sustinere […];115 dazu liefert Berchorius ein kurioses Exempel aus der Exempelliteratur seiner Zeit (s. unten Kap. II. 7). Die Antike ist hier das Vorbild gegenüber der moralischen Verderbnis der eigenen Zeit.

6. Die Bibelzitate Ein noch nicht genanntes Textelement der Fabeldeutungen sind die zahlreichen, zur Bestätigung fast jeder Deutung und Teildeutung angeführten Bibelzitate. Es ist nicht überraschend, dass Predigttexte mit Bibelzitaten durchsetzt sind, aber in der Auslegung des antiken Mythos sind sie schon eine Besonderheit. Berchorius schöpft aus umfassender und genauer Kenntnis und Beherrschung der Heiligen Schrift bis in den Wortlaut hinein und präsentiert in der ganz überwiegenden Zahl seiner Deutungen die passenden Bibelverse – vielfach ist es das sinnleitende Wort, das die ›Parallele‹ mit dem Mythos herstellt116. Für den in der spätmittelalterlichen Exegese Ungeübten – und das ist heute jeder – sind die exegetischen Kontexte, die die Verbindung sinnvoll stützen, nicht bewusst. Das ist der Grund, weshalb viele von Berchorius’ Anspielungen Rätsel aufgeben, unsinnig erscheinen. Bei Nachforschungen in der Bibelallegorese ist jedoch festzustellen, dass Berchorius einerseits die Exegesetraditionen sehr gut beherrschte – er hatte ja in seinem frühen Bibelstudium viermal die gesamte Heilige Schrift mit ihrer professionellen Auslegung durchgearbeitet, um die Details auch ohne Konkordanzen präsent zu haben –; andererseits formuliert er sehr eigenständig und bietet selbstbewusst aus seiner Kenntnis der Deutungsmethoden auch neue Kombinationen. Das heißt, dass der genaue Vergleich nach dem Wortlaut seiner Auslegung mit den Exegesetraditionen enorm arbeitsreich und oft doch nicht zielführend sein dürfte. Er wird hier daher nur exemplarisch geboten, wenn die Deutungen besonders schwer verständlich sind (s. Bd. 2). Es ist bezeichnend, dass Berchorius gerade im Eingang von Buch XVI seines ›Reductorium‹, also der Bibelauslegung, bekennt, dass er viel von andern profitiert habe: Nec omnia, quae ponam hic, mihi attribuo, quinimo multorum dicta me proferre confiteor, et in multis passibus ipsorum me verbis vel sententiis uti humiliter

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Ebd., II,5. Ebd., XV,8. Von diesen regelmäßig eingesetzten Bibelstellen bekräftigender Autorität sind solche auch nicht selten verwendeten Wendungen der Bibel zu unterscheiden, die vom Autor nicht mit Buch und Kapitel angezeigt sind, die also Predigersprache sind und eine andere Funktion haben; sie werden in den Anmerkungen nachgewiesen, soweit sie erkannt wurden.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

recognosco.117 Gleichwohl beruft er sich mit dem Hinweis auf Rom. 14,5 – unusquisque in suo sensu abundat – auch auf die eigene Deutungskompetenz. Für die Bekräftigung seiner Auslegung präferiert Berchorius mehrere Bibelbücher, die viel Material für seine Intentionen enthalten, allen voran der Ecclesiasticus, der ein Schatzbuch von Lebensweisheiten ist; diese lassen sich mit seinen moralisch-lebenspraktischen Deutungen besonders leicht verbinden. Vielfach werden auch die Proverbia, Job und natürlich der Psalter zitiert; aber insgesamt gesehen ist die ganze Bibel genutzt. Das Bibelstellenregister (Bd. 2) zeigt die Breite des Bibelgebrauchs und zugleich die von Berchorius besonders geschätzten Einzelstellen. Der humanistische Bearbeiter des Werks für den ersten Druck 1509 bringt etwas Neues in den Autortext: Er fügt den Fabelparaphrasen jeweils ein Ovid-Zitat an und schafft damit ein Pendant zu den bekräftigenden Bibelzitaten am Ende der Auslegungen. Damit wertet er den antiken Text auf – ähnlich den Illustrationen, die in der Regel die Paraphrasen, nicht die Bedeutungen visualisieren. Als einleitende Formeln für die Ovid-Zitate gebraucht der Humanist die Wendungen: unde textus, unde Ovidius oder nur Ovidius. Im ersten und zweiten Buch führt er diese Ergänzungen recht regelmäßig aus, danach werden sie seltener, reichen aber vereinzelt bis zum Buch XV. Berchorius zitiert den Original-Ovid nur selten und nicht in solch exponierter Position. Mit seinem Gebrauch des Wortes textus signalisiert der Bearbeiter, dass der ›Metamorphosen‹-Text hier der autoritative Text ist, der dann ausgelegt wird, wie sonst am häufigsten in der Bibelexegese vor allem die Bibel oder das Evangelium als Buch oder Teil davon (textus sacrae Scripturae, Evangelii) gemeint ist, vielfach als relationaler Begriff in der Kombination textus et glossa118.

7. Ovid-Fabeln und die mittelalterliche Exempelliteratur Unter die vielen moralischen Transformationen der ovidischen Fabulae, die sich auf den Klerus, die herrschende Schicht und die normalen Laien, gleichsam jedermann, beziehen, mischt Berchorius auch spektakuläre Geschichten. So führt er zu Medeas Brudermord ein gleiches aktuelles Verbrechen aus dem englischen Königshaus an: Isabella lässt 1327 ihren Mann Edward II. ermorden, um sich mit ihrem Liebhaber Roger Mortimer, Baron von Wigmore, zu verbinden; ihn ereilt aber schon 1330 die Strafe mit der Hinrichtung119. Ein Exempel, wie es aus Caesarius von Heisterbach stammen könnte, erzählt von einem Abt, der einen etwas beschränkten Mönch, seinen Neffen, mit Schlägen hart zu züchtigen 117 118 119

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Berchorius, Reductorium, 1730, S. 1a. Vgl. dazu KUCHENBUCH – KLEINE (Hgg.), ›Textus‹ im Mittelalter, 2006, S. 415–453, hier S. 419–421. In der humanistischen Fassung des Drucks von 1509 wie in mehreren Hss. wird nur die Geschichte von der Ehefrau des Frankenkönigs Chilperich erzählt, die ihren Mann töten ließ, um sich mit dem Hausmeier Landricus zu verbinden (Lib. Hist. Francorum, MGH. SRM 2, S. 302 f.); dazu wird der Fall der Athalia 4. Reg. 11,1 aufgerufen. Der aktuelle Fall der Isabella findet sich daneben oder als Ersatz in mehreren Hss. wie in der Gothaer Handschrift, die unter VII,4 von diesem aktuellen Verbrechen berichtet: […] sicut patet et moderno tempore de Isabella regina Anglie, que nobilissimum regem Anglie, dominum Edoardum propter sue libidinis horrorem veneno, ut liberius cum Rogerio de Mortuo mari milite et comite adulterari posset, crudelissime fecit interfici. Zu Eduard II. und Isabella PHILLIPS, Edward II, 2010, S. 526–613; Annales Pauli, hg. von STUBBS, 1882, Bd. 1, S. 253–370, hier S. 337 und 352; dieses Beispiel auch bei CHANCE, Medieval Mythography, 2000, S. 363. SAMARAN – MONFRIN, Petrus Berchorius, 1962, S. 323 und 353 f. weisen für andere Teile des ›Reductorium‹ und für das ›Repertorium‹ auf die Einfügung von Anekdoten hin.

7. OVID-FABELN UND DIE MITTELALTERLICHE EXEMPELLITERATUR

pflegte. Diesem gibt ein cleverer ehrgeiziger Mönchsbruder, der selbst Abt werden will, ein Pulver, das, ins Essen des Abts gemischt, diesen angeblich zu liebevollem Verhalten dem geschundenen Mönch gegenüber bringen sollte. Doch der Abt stirbt an dem Giftpulver. Als der Anstifter des Verbrechens der neue Abt wird und nun seinerseits den jungen Mönch über die Maßen demütigt, gibt dieser den Rest des Pulvers in dessen Essen, und er stirbt an seinem eigenen Gift. Entsprechend bewirkt auch das giftige, angeblich Liebe erzeugende Nessusgewand, durch Deianira überbracht, Hercules’ Tod120. Aus einer wieder anderen Erzähltradition stammt die Erzählung von einem ehelichen Treueversprechen und dessen Prüfung. Eine Ehefrau gelobt aus Liebe zu ihrem Mann, alles, auch den Tod, für ihn auf sich zu nehmen. Der Mann will sie prüfen und kündigt ihr an, innerhalb dreier Tage werde der Tod bei ihnen erscheinen. Daher wolle er sich verstecken und sie solle ihn nicht verraten. Zuvor hat er heimlich einen großen Truthahn lebend gerupft und versteckt, den er nach drei Tagen freilässt. Seine Frau hält das nackte Geschöpf für den Tod und verrät aus Furcht vor ihm das Versteck des Mannes. Der Mann kommt heraus, tötet den Truthahn und isst ihn allein auf – mit dem Tadel an seiner Frau wegen Verrats: Sie solle von dem Tod, den sie für ihn nicht auf sich nehmen wollte, nicht mitessen121. – Diese krude Geschichte zeigt das Gegenbild von Alcestis, die für ihren Mann gestorben und in die Unterwelt gegangen war, und erläutert deren Handeln per contrarium122. Zu fragen ist für derartige Erzählungen, die Berchorius zwar nicht durchgehend, aber immer wieder gezielt einsetzt, welche Funktion sie im Werk erfüllen, da sie deutlich sein eigentliches Vorhaben, die Allegorese der Mythen, überschreiten. Sie eröffnen einen neuen weiten Text-Raum. Denn prüft man ihre Herkunft, so finden sich pagane und christliche Narrative der Spätantike neben mittelalterlichen Exempeln und aktuellen Berichten: Valerius Maximus, ›Aesop‹, die ›Vitas Patrum‹, Jacob von Vitry, Jacobus von Voragine, Chroniken und vieles andere, eine Literatur, die eine eigene große Textgruppe jenseits des Alten Testaments und der mythologischen Schriften bildet. Die Absicht des Autors ist es offenbar, im Medium der Predigt erstmals die ovidischen Mythen, die Fiktionen der Dichter, den in seiner Zeit enorm aufblühenden Corpora der kleinen Erzählformen gleichzustellen. Dadurch dass Berchorius die ›Metamorphosen‹ zunächst in kleine Erzähleinheiten, die Fabulae, zerlegt und diese in knapper Paraphrase bietet, schafft er eine Art Handbuch (tabula) des Mythenarsenals, das über seine Deutungen ebenso anschlussfähig wird an die Lebenswelt wie an den großen Schatz von Erzählsammlungen, die rundherum geschaffen werden oder schon bestehen. Durch die Fabel-Paraphrasen und Deutungsverfahren liefert er bereits eine Anleitung zum situationsgerechten Gebrauch. Mit einführenden Wendungen ›wie er-

120 Berchorius, Ov. mor., IX,2; der frühe Druck (fol. 86r) kennzeichnet die Geschichte am Rand eigens mit

dem Stichwort Exemplum. Zur Quelle s. Bd. 2, Anm. 602 des Kommentars. Ebd., XV,9; dieses Exemplum (marginal im Druck von 1509 entsprechend gekennzeichnet) kann ich bislang nur in einer späteren Fassung nachweisen: Laurentius Abstemius (Lorenzo Bevilaqua), Hecatomythium, Nr. 60; vgl. Bd. 2, Anm. 854 des Kommentars. 122 Ebd.: Admetus rex Grecie Alcestam accepit uxorem; qui cum infirmaretur et mori deberet, rogavit Apollinem, ut ei parceret et quod ei vitam concederet. Apollo will einen Stellvertreter, der sich aber nicht findet – außer seiner Frau, die für ihn stirbt und in die Unterwelt gelangt (Hercules wird sie später daraus befreien). Die Deutung ist zuerst positiv für solche Frauen, die ihre Ehemänner entsprechend lieben; dann folgt das Gegenbild: Quod est hodie contra multas, que non solum pro viris mori nolunt, immo mortem eorum appetunt […], mit nachfolgendem Exempel. 121

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

zählt wird‹ oder ›wie ich gehört habe‹ weist er auf die funktionale Äquivalenz der in Mündlichkeit und Schriftlichkeit zugleich präsenten Erzählungen mit den Mythen hin. Wie jene dienen sie einer auf Anschaulichkeit und Evidenzstiftung zielenden Überzeugungsintention. Bis zu Berchorius war den Predigern wichtig, wahre Geschichten aus Natur und Historie, also reale Präzedenzfälle, zu gebrauchen; Berchorius holt nun bewusst und offensiv Mythos und Dichtung, die fictiones hominum, wie er formuliert, herein. Mögen solche Erzählungen auch für den Prediger, wie interfercula, ›Appetithäppchen‹, bei den Gastmählern der Reichen und Großen angelegt sein123, so erfüllen sie hier doch eine viel grundsätzlichere (literarische) Funktion; sie schaffen eine Intertextualitätsbrücke zwischen den verschiedenen kleinen Erzählformen und deren plurivalentem Gebrauch. Der Anteil solcher Geschichten im ›Ovidius moralizatus‹ wurde bisher nicht wahrgenommen und diskutiert, damit blieben auch seine Funktionen unbeachtet, ja, diese kurzen Erzählungen wirkten fast störend und unpassend. Eine Verbindung von der Predigt und Predigttheorie, die in diesen Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts einen Höhepunkt ihrer Entwicklung erfährt – z. B. bei Robert von Basevorn, Thomas Waleys, Robert Holcot124 – hin zur Predigt-, Exempel- und Novellistik-Forschung wird erst jetzt vollends möglich.

8. Zu den Quellen des ›Ovidius moralizatus‹ Ein Riesenwerk wie das ›Reductorium morale‹, das in die Gattung der moralischen Enzyklopädie gehört, schöpft aus einer großen Zahl von Quellen: antiken, patristischen, mittelalterlichen, aus verschiedenen Sachgebieten der Wissenschaften, aus der Geschichte, der Theologie, liturgischen Texten, der Dichtung. Viele dieser Quellen nennt Berchorius selbst, und aus diesen Angaben hat Samaran eine lange Liste von Autoren zusammengestellt125. Das Quellenproblem ist damit angesprochen, aber nicht gelöst; denn viele der genannten Autoren sind schon in den Hauptquellen der verschiedenen Teile des Werks selbst genannt und werden übernommen, bevor Berchorius dann den ohnehin großen Quellenfundus zusätzlich mit eigener Lektüre auffüllt. Zudem sind die Autorennennungen von Samaran weder mit Werken noch mit Textstellen präzisiert. Für die Bücher I bis XIII ist, wie gesagt, vor allem die Enzyklopädie des Bartholomäus Anglicus, für das Buch XIV über die Naturwunder der Welt sind neben Solins ›Collectanea‹ die ›Imago mundi‹ des Honorius Augustodunensis und die ›Otia imperialia‹ des Gervasius von Tilbury genutzt, für Buch XV natürlich Ovids ›Metamorphosen‹, für Buch XVI die Bibel von der Genesis bis zur Apoka123 Humbertus de Romanis, De dono timoris, S. 6 unter den Anweisungen zur Vorsicht beim Gebrauch von

Exempeln: Tertio circa temperamentum utendi; non enim texendus est sermo totus de huiusmodi exemplis, sed moderate utendum est illis, exemplo Gregorii qui in uno sermone I uel II exempla interserebat, sicut in conuiuiis magnatorum apportantur aliqua interfercula ad magis delectandum conuiuas; vgl. VON MOOS, Das Exemplum, 2006, S. 109 Anm. 9 und S. 114. 124 Von den ca. 300 Artes praedicandi von 1200 bis 1500 sind erst etwa 20 ediert. Zeitlich nahe bei Berchorius sind Thomas Waleys, De modo componendi sermones cum documentis, in: Artes praedicandi, hg. von CHARLAND, 1936, S. 325–403 und Robert von Basevorn, Forma praedicandi, in: ebd., S. 231–323 (zum Exemplum S. 269 f.). Der Metamorphosen-Kommentar des Berchorius ist in den Hss. oft unter falschem Namen überliefert, am häufigsten unter Thomas Waleys, mit dem Berchorius zur selben Zeit am Papsthof in Avignon arbeitete. 125 SAMARAN – MONFRIN, Petrus Berchorius, 1962, S. 313–322.

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8. ZU DEN QUELLEN DES ›OVIDIUS MORALIZATUS‹

lypse und ihre Exegese, in der vor allem die ›Historia scolastica‹ des Petrus Comestor und Stephan Langtons Kommentare sowie Vinzenz von Beauvais wiederholt angeführt werden. Genauere Untersuchungen gibt es dazu bisher nicht. Unbekannt sind vor allem seine Hauptquellen der durchgehenden reichlichen Allegorese; sie werden von Berchorius nur für punktuelle Aussagen genannt. Nicht von ungefähr hatte Berchorius gerade im Prolog von Buch XVI bekräftigt, dass er enorm viele Quellen gebraucht habe und auch deutlich sagen möchte, wieviel er ihnen verdanke126; denn genau diese bibelexegetischen Quellen immer anzugeben wäre ihm bei seiner großen Vertrautheit mit der Materie und den Traditionen wohl zu mühsam gewesen. Für den ›Ovidius moralizatus‹ lassen sich nun genauere Aussagen zum Quellengebrauch machen. Zum Götter-Traktat nennt er, wie dargestellt, die Hauptquellen selbst127; von ihnen werden Hygin, [Ps.-]Lactantius Placidus, Fulgentius, die vatikanischen Mythographen I und II und Albricus von London sowie Isidor/Hraban auch im ›Metamorphosen‹-Teil als Mythosquellen genutzt. Die Fabelparaphrasen des Hauptteils folgen Ovid, weitere Mythenquellen werden dort herangezogen, wo Ovid auf Mythen nur anspielt oder Berchorius bekannte Geschichten vermisst; das kommt in jedem Buch mehrmals vor. Für Sacherklärungen werden vereinzelt neben den Enzyklopädien antike Quellen für naturkundliche oder historische Informationen, z. B. Aristoteles, Plinius und Solin, sowie mittelalterliche Historiographen, z. B. Dares Phrygius, ›Excidium Troiae‹ und besonders das ›Speculum historiale‹ des Vinzenz von Beauvais, herangezogen. Die Allegorese der Fabeln stützt sich, wie gesagt, auf die Bibel als Hauptquelle und zieht weitere Quellen zur Bestätigung als Autoritäten hinzu. Aus der Antike sind es ethische Texte, wie ›Pythagoras‹, Cicero, Senecas Briefe, Dialogi und weitere Traktate, dann Valerius Maximus, ein Ps.-Seneca, hinter dem sich unter anderem der Seneca dem Tenor nach verwandte Erzbischof Martin von Braga (6. Jh.) mit seinem Moraltraktat ›Formula vitae honestae‹ verbirgt. Die christliche Spätantike ist ferner mit den ›Vitas Patrum‹, mit Chrysostomus, Ambrosius, Hieronymus, Augustin, Maximus von Turin, Boethius, Petrus Chrysologus und Gregor dem Großen vertreten, das Mittelalter mit Radbert von Corbie, Rupert von Deutz, Bernhard von Clairvaux und Ps.-Bernhard, Richard von St. Victor, Alan von Lille, Thomas von Aquin, Hymnen und anderen liturgischen Texten. Auch erzählende Quellen standen, zum Teil mittelbar, zur Verfügung, z. B. die Exempelliteratur128. Die weiteren Quellen seiner Auslegung, die es selbstverständlich gibt, sind kaum zu fassen, da Berchorius für seine Deutungen wie für das übrige Werk aus einem riesigen Fundus der Exegese schöpft, sie aber nicht wörtlich übernimmt, sondern frei formuliert, was bei seiner Beherrschung dieser Materie und Methode nicht verwundert. Was die umfangreiche Bibliothek angeht, die ihm in Avignon bei Kardinal Pierre des Prés zur Verfügung stand, was sie an Literatur zu den verschiedenen Wissenschaften, zur Theologie, aus der Dichtung genau enthielt, wird kaum befriedigend zu rekonstruieren sein. Manche Deutung wird auch nicht aus den Originalschriften, sondern mittelbar aus Quellen stammen, die ihrerseits bereits Materialsammlungen darstellten. Für die ›Metamorphosen‹-Auslegung ist festzustellen, dass Berchorius von seinen Vorgängern der Ovid-Deutung in den Schulen 126 Vgl. oben Anm. 117 dieses Kap. 127 Dazu oben Kap. I. 4 ›Die Götter‹. 128 Zu allen diesen Quellen s. den Kommentar im Bd. 2.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

kaum beeinflusst ist, wenngleich er von Arnulf von Orléans oder Johannes von Garlandia oder dem Vulgat-Kommentar durchaus Kenntnis gehabt haben kann129. Arnulf etwa wendet die allegorische Methode wie Berchorius an130, deutet aber nicht christlich, sondern euhemeristisch, physikalisch und moralisch-psychologisch. Auch ihn interessiert das Verwandlungsgeschehen, das er im Eingang der 15 Bücher jeweils mit den Deutungen kurz zusammenfasst. Doch seine physikalischen und psychologischen Auslegungen sind oft relativ banal-rationalistisch; immerhin ist für die generell-moralischen Deutungen auf allgemeine Lebensregeln und -erfahrungen eine gewisse Verwandtschaft beider Autoren zu konstatieren131. Die Ziele und anvisierten Rezipienten sind jedoch bei beiden für die Arbeit am Mythos denkbar verschieden: Arnulf schreibt für den Schulbereich und die dort geübte Dichterlektüre in den für diesen sozialen Raum typischen Formen des Trivium. Als Gelehrter des 14. Jahrhunderts entwickelt Berchorius in ganz anderen sozialen Handlungskontexten, am Papsthof, seine Interessen am Mythos aus drei Kompetenzen: des Enzyklopädisten, des Bibelexegeten und des Predigers und Predigtlehrers. Der Enzyklopädist sucht in den Verwandlungen einerseits die Verknüpfung mit den natürlichen Dingen: Tiere (Vögel, Fische, Landtiere), Pflanzen (Blumen, Kräuter, Bäume), (Edel-)Steine, Landschaftselemente (Flüsse, Seen, Felsen Berge) u. a. m., über die er Bescheid weiß; der Theologe eruiert andererseits zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten an den Bibeltext und seine Auslegung. Er transferiert beide Ansätze als Prediger auf den sozialen Raum und seine typischen Konstellationen und Handlungsmuster sowie individuelle Befindlichkeiten. Als Prähumanist erkennt er das Potential von Ovids Verwandlungsthema und appliziert es auf Konversionen und Verwandlungen in seiner eigenen Welt: Subjekte, Objekte der Verwandlung, Handlungen, soziale und psychologische, positive und negative Transformationsprozesse.

9. Fazit Mit seinem ›Ovidius moralizatus‹ steht Berchorius im 14. Jahrhundert an einem bedeutsamen Punkt der europäischen Mythenrezeption. Er führt das antike Mythen-Corpus Ovids – so versteht er die ›Metamorphosen‹ – mit dem anderen großen Corpus der gesamten Epoche, der Bibel, konsequent zusammen. Damit entsteht die engste Verbindung von Mythos und Schrifthermeneutik aus dem Versuch, im Medium der Allegorese beide zu versöhnen. Das hat Konsequenzen. Der Ort des Ovid-Buchs ist bei Berchorius die Enzyklopädie. Damit wird es eingestellt in eine große Gattung der Epoche, d. h. in weite Wissenshorizonte des Mittelalters, um den Mythos dann in eine weitere epochenspezifisch wichtige Gattung, die Predigt, zu überführen. Mithilfe der allegorischen Kommentarform gelangt er in einen Bereich, in dem zwischen der mittelalterlichen Gesellschaft und dem antiken Mythos Korrelationen gestiftet werden können, weil die Predigt zur Veranschaulichung und Plausibilisierung ihrer Beleh-

129 Auch hier gilt, dass er wörtliches Zitieren, besonders in den eigenen Kerngebieten von Auslegungsverfah-

ren vermeidet; nur in der Götterbeschreibung folgt er z. T. auch wörtlich den Quellen, vor allem Albricus. 130 GHISALBERTI, Arnolfo d’Orléans – un cultore di Ovidio nel seculo XII, 1932, S. 201–229; dazu NOACCO, Lire 131

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Ovide au XII siècle: Arnoul d’Orléans, 2006, S. 131–149. Eine vergleichende Untersuchung steht noch aus.

9. FAZIT

rung für die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft Beispiele, Exempla, narrative Elemente auch von außerhalb ihres eigenen Kontextes braucht und nutzt, um anhand von Präzedenzfällen zu argumentieren und zu überzeugen. Für den Mythos ist damit ein neuer weiter Kommunikationsraum im Zentrum von Gesellschaft und Kirche gewonnen. Zugleich enthält er seinen Ort im literarischen Haushalt des 14. Jahrhundert in Enzyklopädie, Predigt und Erzählliteratur. Genau hier zeichnen sich die Konfliktlinien des 14. Jahrhunderts ab: Berchorius wird konfrontiert mit einer doppelten Polemik. Seine Hinwendung zu den fictiones hominum, der Dichtung, und ihrer ›Gleichstellung‹ mit dem Bibeltext ruft die Theologen auf den Plan; denn sie nehmen die Konsequenz wahr: die Infragestellung der für das Mittelalter fraglos geltenden ontologischen Grundlage christlicher Allegorese, die nur den Schöpfer als Stifter von Bibel und Natur kennt und damit auch von deren verborgenem Sinn, den zu finden dem Menschen aufgegeben ist. Die hier vorbereitete De-Ontologisierung der Allegorese, die die Hinwendung zu einer vom Menschen verantworteten literarischen Technik vorbereitet132, ruft Irritationen der Theologen hervor; der oben vorgestellte Anonymus Scholasticus vertritt diese Kritiker. Der geistliche Autor des ›Antiovidianus‹, ebenfalls vom Ende des 14. Jahrhunderts, der vor zu großer Ovid-Begeisterung warnt, hält Ovid vor, er hätte statt der Göttergeschichten besser die Schöpfung besingen sollen133. Die Polemik gegen die wachsende Hochschätzung der antiken Dichtung und des Mythos wie auch die Verteidigung ihrer allegorischen Deutung setzt sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts vor allem in Florenz fort, in einer Zeit, in der auch der ›Ovidius moralizatus‹ weiter eifrig abgeschrieben wurde. Wirksamer Verteidiger auf Seiten der Liebhaber der antiken Literatur war vor allem Coluccio Salutati, der Kanzler von Florenz, der den Kritikern aus den Orden widersprach, besonders dem Dominikaner von Santa Maria Novella und Fiesole Giovanni Dominici. Dieser hat in seiner ›Lucula noctis‹ alle Vorbehalte gegen Salutatis Hercules-Buch 1405 noch einmal systematisch-scholastisch verzeichnet134. Ganz anders als in Italien verliefen die Konfliktlinien um die Antike- und Mythos-Rezeption auf den britischen Inseln135. Hier waren die Protagonisten der Verteidigung Gelehrte 132 Vgl. KABLITZ, Zwischen Rhetorik und Ontologie, 2016, S. 123 ff., bes. S. 168 f., 202–206 zu Petrarcas ›Can-

zoniere‹ mit verwandtem Ergebnis für die nicht mehr fraglos gültige Ordnung nach dem göttlichen Buch der Natur. 133 Antiovidianus, hg. von BURDACH – KIENAST, 1929, S. 77–111, hier S. 95 ff., V. 155 ff.: Non erat in celis, quo carmina fingere posses / Et quo tu celeber et tua musa foret? / Cur non scripsisti, celi quis conditor esset / Et que materia quodve sit eius opus […].; dazu HAYE, Ein spätmittelalterliches Antidot für Ovid-Liebhaber, 2005; GINDHART, Vom Umgang mit unbequemen Autoritäten, 2014, zum ›Antiovidianus‹ und zu Giovanni Dominici. 134 Salutati, De laboribus Herculis, hg. von ULLMAN, 1951, I, Cap. 1 f.; Johannes Dominicus (Giovanni Dominici), Lucula Noctis, hg. von HUNT, 1940. – Vgl. auch GUTHMÜLLER, Mythologie, 2001, Sp. 618–622, hier 621 f. 135 Hierzu jetzt HOLLICK, Ovidianische Selbstbehauptung. Mythographie und Krise im spätmittelalterlichen England, 2019, mit weiterführender Lit.; Bernhard Hollick leitet das DFG-Projekt ›Die mythographische Predigt im spätmittelalterlichen England: Klassizismus, Diskurs und klerikale Identität, 1330–1450‹ am DHI in London. Vgl. auch CHANCE, Medieval Mythography, 2000, S. 253–319 zu Trevet, Waleys, Ridewall, Holcot; ferner WENZEL, Ovid from the Pulpit, 2011; DERS., Academic Sermons at Oxford in the Early Fifteenth Century, 1995; DERS., The Classics in Late-Medieval Preachng, 1995; DERS., Latin Sermon Collections from Later Medieval England, 2005; CLARK, Ovid in the Monasteries, 2011; GERBER, Medieval Ovid, 2015, S. 11–50, bes. 29 f. zu Berchorius, und S. 78–101 zu Chaucer und der Wirkung der Kleriker.

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II. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: MORALISIERUNG – ALLEGORESE

der Universitäten aus dem Dominikaner- und Benediktiner-Orden, wie Robert Holcot, Thomas Waleys, Nicholas Trevet, Thomas Walsingham, mehrheitlich Altersgenossen des Berchorius, und ihre Namen fungierten als Pseudonyme für seinen ›Ovidius moralizatus‹136. Im elitär-klerikalen Milieu erschlossen sie die klassischen Autoren und verteidigten sie gegen John Wyclif und sein Lager, die orthodoxen Wycliffiten, für die allein der Bibeltext das Fundament der Bildung und Verkündigung war wie für Dominici in Florenz. Mit der mythographischen Predigt und den entsprechenden homiletischen Handbüchern positionieren sich die Apologeten der antiken Dichtung in den wissenschaftlichen und kirchenpolitischen Kontroversen Englands auch im öffentlichen Raum, stehen damit Berchorius nahe und nutzen ihn als Quelle; denn sie betrachteten vor allem die Predigt als geeignetes Mittel, große Teile der Gesellschaft geistlicher wie urban-laikaler Gruppen zu erreichen, wie z. B. der große Prediger Bischof Thomas Brinton137. Während die englischen Mythographen wie Berchorius aus dem klerikalen Raum mit der mythographischen Predigt in die laikale Welt dringen, entwickelt sich die neue Mythenrezeption in Italien in der städtisch-laikalen Gesellschaft138. Im 16. Jahrhundert hat die Kritik der Theologen zur Indizierung des ›Ovidius moralizatus‹ auf dem Trienter Konzil geführt139. Andererseits provozierte der Versuch, die Dichter christlich zu adaptieren, bei den Liebhabern der Antike heftige Polemik in entgegengesetzem Sinne, z. B. bei François Rabelais und in den ›Dunkelmännerbriefen‹; sie fürchteten nicht für die Bibel, sondern für Ovid140. Gleichwohl kam die moralische und allegorische Deutung der antiken Mythen durch solche Infragestellung nicht zum Erliegen, besonders nicht in den Volkssprachen und der Laienliteratur141. Mit seiner neuen Hochschätzung der Dichter und ihrer Werke, der fictiones hominum, die, allegorisch gedeutet, eine Konkurrenzsituation zum göttlich inspirierten Buch der Natur und der Bibel als Medium verborgener Weisheit und Erkenntnis eröffnen, stellt Berchorius sich durchaus auf die Seite der Prähumanisten, die die Ressourcen der Überlie136 Dazu oben Kap. I. 4. 137 Thomas Brinton, Sermons, hg. von DEVLIN, 1954 (s. das Vorwort S. IX–XXVIII); HARVEY, Preaching in the

Curia: Some Sermons by Thomas Brinton, 1995. 138 Dazu unten Kap. V (Blume). 139 Index auctorum et librorum qui ab Officio Sanctae Romanae et universalis Inquisitionis caveri […] man-

dantur, Rom 1559, unpaginiert unter ›O‹: In Ovidii Metamorphoseos libros Commentaria sive Enarrationes allegoricae vel tropologicae. 140 Epistolae obscurorum virorum, hg. von BÖMER, 1924, Bd. 2, S. 49–51, Nr. 28: eine Satire der Auslegung der ›Metamorphosen‹ nach dem vierfachen Schriftsinn; Rabelais, Gargantua, übers. von REGIS, Bd. 1, 21964, S. 11 und 440 (Verweis auf Thomas Waleys, d. h. auf Berchorius, und seinen Nachfolger in der ›Metamorphosen‹-Auslegung Petrus Lavinius,1510). 141 Es werden im 16./17. Jh. große Anstrengungen unternommen, den antiken Mythos, Ovids ›Metamorphosen‹ auch in neuen Kommunikationsräumen der Laienkultur nördlich der Alpen zu vermitteln. Übersetzungen, Bearbeitungen und Kommentare mit allegorischen Deutungen sowie neue Buchkonzepte und mediale typographische Strategien unterstützen den Aneignungsprozess; vgl. zu diesem Ansatz die Arbeiten des Bochumer DFG-Projekts ›Klassiker im Kontext. Zur Funktionsweise medialer Transferprozesse am Beispiel frühneuzeitlicher Klassikerverdeutschungen (ca. 1460/70 bis ca. 1580)‹: zum deutschen Ovid die Beiträge von Manfred Eikelmann, Daniel Pachurka und Arne Schumacher in Frühmittelalterliche Studien 53, 2019, S. 369–401, Taf. XXV–XXX; das umfangreiche Ovid-Kapitel von Daniel Pachurka und Arne Schumacher aus der in Vorbereitung befindlichen Projekt-Publikation durfte ich bereits einsehen. BASTERT – EIKELMANN (Hgg.), Klassiker im Kontext, Bd. 1, im Erscheinen. Vgl. auch KUGLER, P. Ovidius Naso, 1989, Sp. 250–254, 259 f.

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9. FAZIT

ferung innovativ nutzen und die antiken Zeugnisse neu bewerten und sie vor dem Horizont der Erfahrungen von Menschen mit der eigenen Lebenswelt verbinden, nicht mehr nur das Pagane, Fremde in ihnen sehen. Dieses Paradox von Abstand und intensiver Aneignung prägt die Position des Berchorius, ist seinem Werk inhärent, wenn er die Überwindung der Trennung von bibelexegetischer und dichtungsexegetischer Interpretation anstrebt, einer Trennung, die das 12. und 13. Jahrhundert noch praktiziert hatten. Als praktisches Mittel dieser Überwindung erweist sich die Vielzahl seiner Deutungen, der ›Steinbruch‹-Charakter seiner Artikel schon in den Naturbüchern seines ›Reductorium‹ und so besonders auch im Mythen-Buch, die Allegorisch-Heilsgeschichtliches neben zahlreiche, ja überwiegend moralische und allgemein-humane Auslegungen stellen, sodass notwendig eine Lösung von der Alleinverbindlichkeit eines religiösen Sinns eintritt, eine Offenheit der Deutung, die Berchorius anregt und die der jeweilige Leser oder Prediger verantwortet. Das im ›Mythen-Handbuch‹ der ›Metamorphosen‹ niedergelegte antike Erfahrungswissen – es handelt sich ja nicht um den Kult der Götter – wird als reiche Sammlung des Exemplarisch-Humanen ausgewertet. Die Entkopplung von den göttlichen Büchern der Natur und der Schrift ist folgenreich für die europäische Geschichte von Allegorese und Allegorie; denn mit der Eröffnung von neuen Lizenzen des Allegorisierens war der Anfang zu einer Entwicklung gemacht, die sich in der Frühen Neuzeit allenthalben durchsetzt, z. B. in der frei allegorisierenden Emblematik, in den zahlreichen allegorisch-profanen Traktaten, in der Dichtung, in der Bildkunst, in der Musik. Die theologisch-transzendent begründete Allegorie und die rhetorisch-literarische Technik des Allegorisierens gehen noch bis ins 18. Jahrhundert nebeneinander her oder verschmelzen in diversen Mischformen.

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

CAROLINE SMOUT

1. Die stilkritische Einordnung der Miniaturen Im Rahmen der Erforschung der ›Metamorphosen‹-Rezeption im Trecento kommt der stilkritischen Analyse der Miniaturen des Gothaer Kodex (Gotha, Forschungsbibliothek, Ms. Membr. I 98) eine grundlegende Bedeutung zu: Sie ermöglicht eine Neubewertung der Handschrift, da ihre Entstehungszeit nicht mehr grob in das ausgehende 14. Jahrhundert datiert wird1, sondern bereits in die Zeit um 1350. Obschon in jüngerer Zeit eine Datierung »um 1350« vorgeschlagen wurde2, sind die Miniaturen bislang stilkritisch nicht eingehend untersucht worden. Diesem Desiderat werde ich im Folgenden begegnen, indem ich die Illuminationen in Bezug auf (Figuren-)Stil, Erzählstil, einen konkreten künstlerischen Kontext und die heraldische Form untersuche. Dabei lautet die These, dass sie stilistisch in die Bologneser Buchmalerei der Zeit um 1348/1350 einzuordnen sind. Mit dieser Datierung fallen sie genau in jene Zeit, die Alessandro Conti als Zäsur der Bologneser Buchmalerei bezeichnet hat, insofern zum einen Arbeiten des Meisters von 1346 nicht mehr fassbar sind und zum anderen Niccolò di Giacomo beginnt, eigenständig hervorzutreten3. Es stellt sich demnach die Frage, inwiefern der Gothaer Kodex in dieser Übergangszeit als Scharnier der Werkstattproduktion des Meisters von 1346 und Niccolò di Giacomos zu betrachten ist4. 1

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3

4

Zu einer solchen Datierung s. PANOFSKY, Renaissance and Renascences 1960, S. 80, Anm. 2; KOBLER, Art. ›Europa‹ 1973, Sp. 379; BIERSCHENK, Die Europa-Fabel 1988, S. 68. Vgl. zur Unbestimmtheit der Datierung ROOB, Unvollendete Miniaturen 1964, S. 175 mit der Angabe: »Nach Schrift und Malstil ist diese Gothaer Handschrift M I 98 im 14. Jh. in Italien entstanden«; LORD, Illustrated Manuscripts 1995, S. 4, die bloß erwähnt, dass die zeitliche Einordnung der Handschrift schwierig sei. SUCKALE-REDLEFSEN, Der Gothaer Ovid 2011, S. 42 und insb. S. 44–46; s. dazu MIZIOŁEK, Europa and the Winged Mercury 1993, S. 67 Anm. 16 mit dem Hinweis auf die Einschätzung von Miklós Boskovits, die Gothaer Handschrift um 1350 zu datieren. CONTI, Rezension von Elly Cassee 1981, S. 80: »[…] un arco di tempo interessato dalla peste del 1348, una data dopo la quale non si incontrano più codici miniati nell’ambito di questa bottega [sc. Werkstatt des Meisters von 1346]. A cavallo di questa cesura resta poi da tentare un bilancio dei rapporti tra il miniatore del ’46, il calligrafo Bartolomeo de’ Bartoli ed il fratello miniatore, Andrea; poi con Niccolò di Giacomo che è legato loro così strettamente nell’ uffiziolo di Kremsmünster«. Vgl. DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992, S. 134: »The style of the Master 1346 […] influenced the young Niccolò di Giacomo, who actually began to distinguish himself during the late 1340 s with his contributions to the Kremsmünster Book of Hours (Ms. Cim. 4)«. Der stilistische Zusammenhang des Meisters von 1346 und Niccolò di Giacomos ist vielfach angesprochen worden. S. CONTI, La miniatura bolognese 1981, S. 94–96, bes. S. 95: »[…] resta aperto il problema della sua partecipazione [sc. Niccolò di Giacomos] ai lavori della bottega del Maestro del ’46«; AVRIL, Dix siècles

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

Der Stil des Meisters von 1346

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Wie ich im Folgenden aufzeige, sind die Miniaturen in die Werkstatt des Meisters von 1346 einzuordnen5. Die Namensgebung dieses anonymen Buchmalers resultiert aus seinem Werk in den Statuten der Bologneser Tuchmacher von 1346 (Bologna, Archivio di Stato, cod. min. 13)6. Er gilt als Mitarbeiter und Nachfolger des sogenannten Illustratore7 in dessen Werkstatt und avancierte im Verlauf der vierziger Jahre des Trecento zum führenden Buchmaler Bolognas8. Zur Beleuchtung der stilistischen Merkmale sei zum einen die bas de page-Miniatur auf fol. 1r der genannten Statuten von 13469 angeführt, die den in ein Doktorengewand gekleideten Giovanni di Antonio de’ Presbiteris bei der Auslegung des Statutentextes gegenüber Mitgliedern der Zunft zeigt; zum anderen die Miniatur auf fol. 203r aus einer Handschrift Iustinians ›Digesta cum glossa Accursii‹ (Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 1411)10 mit einer Marktszene, die dem Meister von 1346 zugeschrieben und um 1343 datiert ist11. So sind die markanten Gesichter der jeweils rechts im Bild erscheinenden Figuren durch ein eckiges Kinn charakterisiert, von dem aus eine deutlich konturierte Falte ausgeht. Diese umfängt die breiten Münder mit akzentuiertem Mundwinkel und führt zur Nase, um schließlich durch einen kurzen, in Schwarz gezogenen Bogen die Nasenflügel zu modellieren. Die Nasen sind lang und gerade oder leicht gewölbt. Die Figuren sind stämmig und strahlen eine ruhige Bewegtheit aus; sie resultiert aus dem ruhigen Faltenwurf und der ausdrucksstarken Mimik und Gestik. Ein weiteres Merkmal sind die großen Hände. Diese Merkmale lassen sich mit der Darstellung der historisierten A-Initiale auf fol. 1r der bekannten Apuleius-Handschrift in der Bibliotheca Apostolica Vaticana (Vat. lat. 2194)12

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d’enluminure 1984, S. 83 f.; DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992; MEDICA, I miniatori dei corali agostiniani 2002, S. 64–71; DERS., Art. ›Maestro del 1346‹ 2004, S. 475 f.; PASUT, Art. ›Nicolò di Giacomo di Nascimbene‹ 2004, S. 828; AVRIL – MAURICE-CHABARD – MEDICA (Hgg.), Bologne et le pontifical 2012, S. 114. Vgl. den Katalogeintrag von Gaudenz Freuler zu einer ›Historia Destructionis Troiae‹-Handschrift des Guido delle Colonne (Tenschert, Antiquariat Bibermühle), die auf 1347 datiert ist und deren Miniaturen als Werk des Meisters 1346 und seiner Werkstatt angesehen werden. Ohne nähere Erläuterungen konstatiert er: »Aus der gleichen Buchmalerwerkstatt des Meisters von 1346 sind auch Manuskripte klassischer Themen hervorgegangen, so beispielsweise der Ovidius moralizatus von Petrus Berchorius in der Göttinger [sic!] Forschungsbibliothek (Ms. Membr. I, 98) oder die Metamorphosen des Apuleius in der Biblioteca Vaticana (Vat.lat. 2194)«, FREULER, Das früheste illustrierte Exemplar 1998, S. 156. CONTI, La miniatura bolognese 1981, S. 94; MEDICA, Art. ›Maestro del 1346‹ 2004, S. 475: »Convenzionalmente è stato dato questo nome ad un anonimo miniatore, responsabile della decorazione degli Statuti della Società dei Drappieri del 1346 conservati presso l’Archivio di Stato di Bologna (cod. min. 13)«. S. auch DERS., Statuti della Società 1999, S. 126. LONGHI, Mostra della pittura bolognese 1950, S. 15 hat diesen Notnamen für einen anonymen Miniator eingeführt, der die Bologneser Buchmalerei in den 1330er und beginnenden 1340er Jahren bestimmt hat. Die Namengebung resultiert aus den lebendigen und expressiven, reich kolorierten Darstellungen mit einem ausgeprägten narrativen Sinn. Demgemäß formuliert beispielsweise Gaudenz Freuler, dass »dieser Künstler […] den Alltag mittelalterlichen Lebens geradezu novellenartig in seine Bilder projizierte«, FREULER, Das früheste illustrierte Exemplar 1998, S. 158; vgl. DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992. CONTI, Rezension von Elly Cassee 1981; DERS., La miniatura bolognese 1981, S. 94; DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992, S. 130–135; MEDICA, Art. ›Maestro del 1346‹ 2004. Pergament, 16 Blatt, 40 cm × 26,5 cm. S. zu der Handschrift MEDICA, Statuti della Società 1999. Pergament, I + 374 Blatt, 48 cm × 28,8 cm. S. zu dem Kodex KUTTNER (Hg.), Catalogue 1986, S. 206 f. DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992, S. 132; ferner CONTI, Rezension von Elly Cassee 1981, S. 79; CIACCIO, Appunti 1907, S. 113; ERBACH-FÜRSTENAU, La miniatura bolognese 1911, S. 10. Pergament, II + 72 Blatt, 33,8 cm × 22,8 cm. S. zu der Handschrift den Katalogeintrag von STOK, Apuleio, Metamorphoses 1996, S. 267 f.; s. auch HAIG GAISSER, The Fortunes of Apuleius 2008.

1. DIE STILKRITISCHE EINORDNUNG DER MINIATUREN

als Charakteristika begreifen. Der signierte und auf 1345 datierte Kodex wurde von Bartolomeo de’ Bartoli für Bruzio Visconti geschrieben13. Die Eingangsinitiale auf fol. 1r zeigt die Übergabe des Werkes durch den Schreiber: Während er vor dem thronenden Visconti niederkniet, wendet dieser sich drei Frauengestalten zu, welche die drei Theologaltugenden personifizieren und in isokephaler Anordnung zu ihm auftreten. In dieser Weise empfehlen sie dem Herrscher nicht nur das Werk des Schreibers an, den sie begleiten. Sie erscheinen vielmehr auch als Verkörperung des Herrschers, insofern die Blicke auf einer Achse liegen und dergestalt die eindringliche Verbundenheit erfahrbar wird. Bei vergleichender Betrachtung mit den Figuren der Bologneser Miniatur sei auf die langen, geraden Nasen mit den gewölbten Nasenflügeln verwiesen; zudem auf die breiten Münder mit ausgeprägten Lippen und den akzentuierten Mundwinkeln. Auffällig ist, dass die männlichen Figuren diese stilistischen Eigenschaften des Meisters von 1346 zeigen, während die weiblichen Figuren von diesen abweichen. Demgemäß erscheint die bestehende Auffassung plausibel, die Hand Niccolò di Giacomos in der Darstellung mit am Werk zu sehen14. Die Gegenüberstellung der Eingangsinitiale des Apuleius-Kodex und einer großformatigen Allegorie der Gerechtigkeit in einer ›Digestum vetus‹-Handschrift (Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 14339, fol. 3r)15 kann den Einfluss und die stilistischen Eigenheiten Niccolòs verdeutlichen. Die Handschrift wird »nach 1345« datiert, und ihre Miniaturen werden als Zusammenarbeit vom Illustratore, Meister von 1346 und Niccolò di Giacomo bewertet16. In der Allegorie der Gerechtigkeit flankieren die Tugendpersonifikationen den zentral thronenden Kaiser Iustinian, der die Iustitia verkörpert. Unterhalb davon treten die männlichen Lasterfiguren antipodisch zu den Tugenden auf. Während sich insbesondere in den beiden Lasterfiguren am rechten unteren Bildrand die stilistischen Charakteristika der männlichen Figuren der Dedikationsszene spiegeln, ist in beiden Miniaturen meines Erachtens Niccolòs Hand bei den Tugendpersonifikationen sichtbar. Denn diese zeichnen sich durch rundere

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13 Die Miniaturen wurden dem Meister von 1346 zugeschrieben unter Bezugnahme auf die Illuminationen

des Missale des Kardinal Bertrand de Deux (Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Archivio del Capitolo di S. Pietro, B 63), das zwischen 1338 und 1348 entstanden ist. CONTI, La miniatura bolognese 1981, S. 92 Anm. 40; MEDICA, Art. ›Maestro del 1346‹ 2004, S. 475; vgl. DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992j, S. 134. Zum Missale s. CASSEE, Pseudo-Niccolò and Cod. Cap. 63B 1977, S. 129 f.; DIES., The Missal of Cardinal Bertrand de Deux 1980; AVRIL – MAURICE-CHABARD – MEDICA (Hgg.), Bologne et le pontifical 2012, S. 94–98 (Massimo Medica, mit Bibliographie). 14 CONTI, Rezension von Elly Cassee 1981, S. 80; MEDICA, Art. ›Maestro del 1346‹ 2004, S. 475 f.; DERS., I miniatori dei corali 2002, S. 64–71. 15 Pergament, I + 328 Blatt, 47,5 cm × 29,5 cm. 16 François Avril hat die Miniaturen mit dem Illustratore und dem Meister von 1346 in Verbindung gebracht: AVRIL, Dix siècles d’enluminure 1984, S. 81: »ces peintures portent clairement la marque du style de l’Illustratore, mais ont pourtant été exécutées par un artiste distinct qu’il possible d’identifier avec […] maitre de 1346«. Insbesondere die Miniatur des fol. 183r zeige in seinem Entwurf den Esprit des Illustratore und auch in der zugrundeliegenden Zeichnung dessen Strenge; in der malerischen Ausführung erscheine sie aber von der Hand des Meisters von 1346, was gut erkennbar sei an den frischen und leuchtenden Farben. In Bezug auf die Miniatur des fol. 3r verweist Avril jedoch auch auf Niccolò di Giacomo: »Les acteurs de cette scène n’ont plus grandchose en commun avec la tension fébrile des figures de l’Illustratore, et font déjà penser à l’art de Niccoló di Giacomo«. Eine Zuschreibung der Miniaturen an Niccolò di Giacomo erfolgte dann durch DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992, S. 134 f.; vgl. MEDICA, I miniatori dei corali 2002, S. 68. Vgl. zuletzt die Katalogeinträge samt Zuschreibungsfragen in AVRIL – GOUSSET (Hgg.), Manuscrits enluminés 2012, S. 91–96; AVRIL – MAURICE-CHABARD – MEDICA (Hgg.), Bologne et le pontifical 2012, S. 294–296 (Marianne Besseyre, mit Bibliographie).

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

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Köpfe mit zartrosafarbenem Inkarnat und kleinere Münder aus. Die Köpfe ruhen auf längeren Hälsen, ebenso sind die Figuren gelängter. Markant ist nicht zuletzt der deutlich modellierte Faltenwurf. Zudem deutet sich in der Bewegtheit des körperlichen Ausdrucks bereits jene körperliche Exaltiertheit an, die Niccolòs Figuren in der bas de page-Miniatur auf fol. 7r des 1349 entstandenen Stundenbuchs aus Kremsmünster (Bibliothek des Benediktinerstifts, Cim. 4) zeigen. In gespannter und leicht gedrehter Haltung richten sich die Knienden in ihrer Anbetung in die Höhe, auf die Geburt Mariens in der oben befindlichen historisierten Initiale. Ungeachtet der Thematik, die den figürlichen Ausdruck bestimmt, fehlt eben diese Exaltiertheit in der stilistischen Umsetzung der Figuren in der historisierten M-Initiale auf fol. 1r des ›Compendium moralis philosophie‹ des Luca Manelli (Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 6467)17. Als Dedikationsdarstellung zeigt sie die Präsentation des Werkes durch den im Dominikanerhabit gekleideten Autor, der dem Adressaten, Bruzio Visconti, von rechts entgegentritt  – das Incipit lautet dementsprechend Magnifico et generoso domino Brucio Vicecomiti. Dieser trägt über seinem grünen Gewand des Signore einen mit Pelz gefütterten roten Mantel in der Art des Philosophen- oder Universitätsgelehrtenmantels. Die Semantik des arma et litterae zeigt sich zudem dadurch, dass an seinem Gürtel ein Dolch und eine Geldbörse befestigt sind, während er in seiner Rechten eine Schreibfeder hält und mit seinem linken Zeigefinger auf eine aufgeschlagene Seite des dedizierten Kodex weist. Er wird auf die Zeit zwischen 1346 und 1350 datiert18. Dieser Darstellung, die dem Meister von 1346 zugeschrieben wird, kommt insofern Bedeutung zu, als insbesondere die Autor-Figur mit jener im Autorbild des fol. 1r im Gothaer Kodex stilistische Ähnlichkeiten aufweist. Sie betreffen zum einen die Gestaltung der Gesichter mit der langen, geraden Nase und dem spitz modellierten Kinn, der Mundpartie und der Ausformung der Wangen durch Weißhöhungen. Zum anderen weisen die Gewänder einen ruhigen, nur durch leicht angedeutete Röhrenfalten gebildeten Faltenwurf und ein sachtes Aufliegen des Saums am Boden auf. Die sich hier andeutenden stilistischen Anklänge der Gothaer Miniaturen an die Illuminationen des Meisters von 1346 lassen sich anhand der bas de page-Darstellung auf fol. 1r der Statuten der Bologneser Tuchmacher von 1346 und einer Miniatur des fol. 16r19 bekräftigen. Denn mit Ausnahme der in der Gothaer Miniatur rechts am Bildrand auftretenden Figuren, die von schwächerer Hand ausgeführt scheinen, sind die Ähnlichkeit der Physiognomien mit Nase sowie akzentuiertem Mund- und Augenlidwinkel und die Auffassung der stämmigen und ruhigen Figuren augenscheinlich.

17 Pergament, I + 52 Blatt, 28,5 cm × 18,5 cm. 18 S. zuletzt die Katalogeinträge samt Zuschreibungsfragen in AVRIL – GOUSSET (Hgg.), Manuscrits enluminés

2012, S. 96–98; AVRIL – MAURICE-CHABARD – MEDICA (Hgg.), Bologne et le pontifical 2012, S. 113 f. (Marianne Besseyre). Vgl. AVRIL, Dix siècles d’enluminure 1984, S. 83 f.: »Le type des personnages, aux visages caractérisés et finement modelés, est celui bien reconnaissable du collaborateur de l’Illustratore qu’ Alessandro Conti appelle le maître de 1346. Ici l’artiste apparaît presque entierement dégagé de l’influence de son maître, et affirme son autonomie et son style propre, très proche de celui qu’ allait bientôt développer Niccoló di Giacomo, personnalité dominante de l’enluminure bolonaise de la seconde moitié du siècle«. Vgl. MEDICA, I miniatori dei corali 2002, S. 66 f.; DERS., Tra Università e Corti 2012, S. 113. 19 Die Miniatur zeigt, wie der Sohn des Phoebus und der Coronis Chiron anvertraut wird und die Prophezeiung der Ocyrrhoe.

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1. DIE STILKRITISCHE EINORDNUNG DER MINIATUREN

Noch deutlicher zeigt sich die Verwandtschaft in der Frauengestalt der historisierten P-Initiale auf fol. 24r der Apuleius-Handschrift aus der Bibliotheca Apostolica Vaticana (Vat. lat. 2194) einmal und einer Darstellung der Io auf fol. 12r des Gothaer Kodex andermal. So gleicht die Figur der Psyche, die auf der Wiese vor Amors Haus lagert, der blaugewandeten Io, die soeben rückverwandelt wurde: von der leichten Neigung des Kopfes über die Darstellung der Frisur wie der Nase bis hin zur Halspartie mit dem Halsring und der Gewandmodellierung über der Brust mit der Konturlinie. Unterstrichen sei die Gleichartigkeit der Figurendarstellung durch die Gegenüberstellung mit zwei weiteren historisierten Initialen aus der Apuleius-Handschrift: In der O-Initiale auf fol. 12r gleicht die Physiognomie wie Körper- und Gewanddarstellung des bärtigen Wächters mit der blauen Kapuze, der im Begriff ist, auf Befehl eines Magistrats Lucius gefangen zu nehmen, jener Mercurs auf fol. 11v – zu sehen ist, wie Mercur Argus in Schlaf versetzt, ihn blendet und daraufhin Io fortführt, nachdem Juno Argus beauftragt hatte, Io zu bewachen. Gleiches gilt für den mit Pfauenaugen versehenen Argus und den grüngewandeten Wächter in der Gefangennahme des Lucius. Ins Auge sticht zudem die übereinstimmende Farbigkeit in den Tönen Rosa, Zinnoberrot und Hellblau. Neben den Analogien in den Figurendarstellungen ist auf die Ähnlichkeit der Bewegungen der Figuren und ihre Darstellung im Raum zu verweisen. Im Nebeneinander der Jagd bewaffneter Männer auf den Esel in der D-Initiale auf fol. 17r der Apuleius-Handschrift und der Gewalttätigkeit der Nachkommenschaft der Giganten auf fol. 10r des Gothaer Ovid ist vor allem auffällig, dass in beiden Miniaturen die Schwierigkeit des Malers erscheint, menschliche Figuren diagonal ins Bild zu setzen. Denn Körper wie Gesichter wirken massiger und weniger geformt. In den diagonal dargestellten Tieren zeigt sich diese Schwierigkeit hingegen nicht. Weitere stilistische Analogien der Gothaer Miniaturen mit Illuminationen aus verschiedenen Handschriften, die dem Meister von 1346 zugeschrieben werden, ließen sich aufführen  – wie die um 1343 entstandene ›Decretum Gratiani‹-Handschrift (Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Urb. lat. 161)20, der ›Hieronymianus‹ des Johannes Andreae (Bologna, Collegio di Spagna, ms. 273) von 134621 oder eine ›Historia Destructionis Troiae’-Handschrift des Guido delle Colonne (Tenschert, Antiquariat Bibermühle) von 134722. So sei in der Gegenüberstellung der Gothaer Miniatur, in der die Übergabe des Sohnes des Phoebus und der Coronis an Chiron (fol. 16r) dargestellt ist, und der historisierten Initiale auf fol. 62r der ›Historia Destructionis Troiae’-Handschrift, die den Kriegsrat des Priamos mit Aeneas und Troilus zeigt, auf die Ähnlichkeit der Physiognomien von Chiron und Priamos verwiesen. Gleiches gilt für den die Welt auf Schultern tragenden Atlas auf fol. 13v des Gothaer Kodex und Priamos in der historisierten Initiale auf fol. 59r, in der er einen Waffenstillstand

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20 Pergament, II + 366 Blatt, 47,4 cm × 29,2 cm. S. zu dem Kodex STORNAJOLO (Hg.), Codices Urbinates Latini

1902, S. 167. Zur Zuschreibung an den Meister von 1346 s. CONTI, La miniatura bolognese 1981, S. 95; DERS., Rezension von Elly Cassee 1981, S. 74: »Nel codice inoltre non è presente l’›Illustratore‹ ma, con una serie di aiuti che lavorano nel suo ambiente più stretto (in pittura si direbbe nella sua bottega), il ›Maestro del 1346‹«; DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992, S. 132, 134. 21 Pergament, I–II + 78 + III Blatt, 42,5 cm × 26,5 cm. S. zu dem Kodex MAFFEI (Hg.), I Codici del Collegio di Spagna 1992, S. 732 f., 807 f. Zur Zuschreibung s. ERBACH-FÜRSTENAU, La miniatura bolognese 1911, S. 11; DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992, S. 134; ferner CONTI, Rezension von Elly Cassee 1981, S. 80. 22 Pergament, 112 Blatt, 29,8 cm × 22,1 cm. S. zu dem Kodex FREULER, Das früheste illustrierte Exemplar 1998.

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

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gewährt. Schließlich weisen Phaetons Fahrt im Sonnenwagen (fol. 13r) einmal und die zehnte Schlacht um Troja in der Initiale auf fol. 76r andermal23 eine verwandte Tierdarstellung sowie eine ähnlich aufgefasste Körperhaltung der in Bedrängnis befindlichen Figuren auf. Wenn ich damit vorschlage, die Gothaer Miniaturen als Werkstattarbeit des Meisters von 1346 zu bewerten, heißt dies zunächst, dass sie in die Zeit um 1348 einzuordnen sind. Denn zum einen werden alle überlieferten Werke dieses Meisters vor das Jahr 1348 datiert – woraus geschlossen wurde, dass er im Zuge der Pest 1348 verstorben sein muss24. Zum anderen nenne ich diesen Zeitraum, weil sich der Stil einiger der Gothaer Figuren auch in dem 1349 vollendeten Stundenbuch aus Kremsmünster (Bibliothek des Benediktinerstifts, Cim. 4)25 findet.

Der Maler Andreas und das Jahr 1349

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Durch zwei Signaturen des Schreibers Bartolomeo de’ Bartoli ist dieses Stundenbuch auf das Jahr 1349 datiert. Sie befinden sich auf den Folia 82v und 184v26 und füllen diese gänzlich aus27 – fol. 1r–82v umfasst das Officium Mariae virginis, fol. 83r–184v das Officium in peragendo mortuorum. Die bildliche Ausstattung wird einmütig Niccolò di Giacomo zugeschrieben28. Entscheidend ist hier das illuminierte fol. 11r. Denn während die historisierte D-Initiale mit der Geburt Christi der Hand Niccolòs zuzuordnen ist, ist die dazugehörige Malerei mit der Verkündigung an die Hirten, die links in den Zierleistenrahmen integriert ist, deutlich erkennbar von anderer Hand gemacht. In Bezug auf diese ist bedeutsam, dass sie formaliter in Zusammenhang steht mit der viel diskutierten Signatur Andreas me 23 In ihr tötet Sarpedon den rotgewandeten Deiphobus, um im darauf folgenden Rachezug selbst umzukom-

men. 24 S. CONTI, Rezension von Elly Cassee 1981, S. 80 und MEDICA, I miniatori dei corali 2002, S. 69 f. 25 Pergament, 185 Blatt, 15,2 cm × 11 cm. Zu der Handschrift s. FILL, Katalog der Handschriften 2000, S. 25–

29; NEUWIRTH, Italienische Bilderhandschriften 1886, S. 386–391; PASUT, Qualche considerazione 1998, S. 431 f. mit Forschungsstand; MANZARI, Nicolò di Giacomo 2009, S. 295 f. 26 Auf fol. 82v, am Ende des Marien-Offiziums, steht geschrieben: Ego Bartholomeus Bartholi de Bartholis de Bononia scripsi hoc officium sancte Marie virginis. Anno nativitatis Domini millesimo trecentesimo quadragessimo et nono indictione secunda die Martis. XXIIIIo. In vigillia beate virginis explevi. De mense Martii. Auf fol. 184v findet sich das Kolophon mit der Namensnennung des Schreibers, aber ohne Angabe der Jahreszahl: Finito libro referramus gratiam Christo. Qui scripsit, scribat. Semper cum domino vivat. Vivat in celis Bartholomeus in nomine felix. Amen. Zur Transkription s. FILL, Katalog der Handschriften 2000, S. 27–29. S. dazu ORLANDELLI, Art. ›Bartoli, Bartolomeo de‹ 1964, S. 559 f.; SCHMIDT, Andreas me pinsit 1973, S. 60 Anm. 18: »Der 24. März 1349 entspricht sehr wahrscheinlich demselben Datum unserer Zeitrechnung, unabhängig davon, welchem der in Oberitalien gebräuchlichen Jahresanfänge Bartolomeo gefolgt ist. Nur für den Fall, daß er den calculus Florentinus angewandt haben sollte, der das Jahr erst mit dem 25. März beginnen ließ, wäre nach unserer Zählung 1350 zu lesen; hingegen kann 1348 als mögliche Lesung ausgeschlossen werden«. 27 Francesca Manzari verweist in diesem Zusammenhang auf die Initiale des Empfängers des Stundenbuchs, die an der Stelle des Beters in der Litanei auf fol. 181r eingefügt ist: Omnipotens sempiterne deus miserere B famulo tuo. Sie zieht daraus den Schluss, dass Bartolomeo de’ Bartoli das Stundenbuch für sich selbst geschrieben haben könnte. MANZARI, Nicolò di Giacomo 2009 S. 295 und DIES., Italian Books of Hours 2013, S. 163–167, die auch die Neuartigkeit des Bildprogramms herausstellt. 28 Erstmals erfolgte die Zuschreibung der Miniaturen an Niccolò di Giacomo durch NEUWIRTH, Italienische Bilderhandschriften 1886, S. 386–391; dazu ERBACH-FÜRSTENAU, La miniatura bolognese 1911, bes. S. 107; SCHMIDT, Andreas me pinsit 1973, S. 60; CASSEE, The Missal of Cardinal Bertrand de Deux 1980; GIBBS, Niccolò di Giacomo da Bologna 2001.

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1. DIE STILKRITISCHE EINORDNUNG DER MINIATUREN

pinsit, insofern sie am unteren Seitenrand in goldenen Lettern auf dem Purpur-Rahmen geschrieben ist29. Da das Stundenbuch entgegen Niccolòs späteren Werken keine Signatur von ihm aufweist, stellt sich hinsichtlich der Signatur Andreas me pinsit die Frage, ob sich darin eine noch bestehende Unterordnung unter einen anderen Meister spiegelt30. Für diese Annahme spricht, dass sich die Hand des Malers, der diese Seitenrahmen-Malerei geschaffen hat, auch in dem Gothaer Kodex findet. Insofern dieser eine prominente Auftragsarbeit darstellt, folgert daraus die Hypothese: Andreas wurde Ende der vierziger Jahre zu einer führenden Figur in der Werkstatt des Meister von 1346 nach dessen Tod. Wie die eingangs angesprochenen stilistischen Ähnlichkeiten zum Meister von 1346 gezeigt haben, dürfte Niccolò di Giacomo ebenfalls in diesem Werkstattzusammenhang tätig gewesen sein, bevor er zu Beginn der 1350er Jahre im eigenen Werkstattbetrieb zu Autonomie gelangte und in der zweiten Jahrhunderthälfte die Bologneser Buchmalerei bestimmte. Für die Datierung des Gothaer Kodex heißt dies: Er dürfte um 1348/1350 entstanden sein. Im Kontext aktueller Forschungsfragen zur bolognesischen Buchmalerei kommt dem Kodex somit in zweierlei Hinsicht Bedeutung zu. Zum einen kann er Aufschluss geben zum Problemzusammenhang der Werkstatttätigkeit des Meisters von 1346 und Niccolò di Giacomos, insofern er als Produkt dieser Übergangsphase erscheint. Zum anderen bietet er Klärung in Bezug auf die vieldiskutierte Andreas-Signatur. Denn er verdeutlicht, dass mit Andreas nicht der bekannte Maler Andrea de’ Bartoli, der Bruder des Schreibers Bartolomeo de’ Bartoli, bezeichnet ist, wie Gerhard Schmidt 1973 annahm. Diese Einschätzung wurde in der Folgezeit vielfach zurückgewiesen, jedoch ohne konkretisierendes respektive überzeugendes Material31. Vor diesem Hintergrund seien die stilistischen Analogien des Gothaer Kodex und der Arbeit des anonymen Miniators Andreas betrachtet. In der Gegenüberstellung der Seiten29 Den Anstoß der Diskussion gab SCHMIDT, Andreas me pinsit 1973, S. 60, indem er nicht nur äußert, dass

»sämtliche Bildinitialen und alle Bordüren […] von der Hand des Nicolò di Giacomo [stammen]», sondern darüber hinaus bezüglich der Signatur Andreas me pinsit in den Illuminationen der Folia 10v und 11r die Hand Andrea de’ Bartolis sieht. Diese Auffassung wurde zurückgewiesen durch VOLPE, Andrea de’ Bartoli 1981, S. 15 f. Anm. 14 und 17. Zur Diskussion um die Signatur Andreas me pinsit und der vermeintlichen Identifikation Andrea de’ Bartolis s. CASTELNUOVO, Art. ›Andrea de Bologna‹ 1961, S. 81–83; PASUT, Nicolò di Giacomo 2004, S. 828; MEDICA: Art. ›Andrea de Bartoli‹ 2004, S. 19 f. und nicht zuletzt MANZARI, Nicolò di Giacomo 2009, S. 295 f. 30 Vgl. PASUT, Qualche considerazione 1998, S. 431 f.; VOLPE, Andrea de’ Bartoli 1981, S. 9 f. 31 S. die in Anm. 26 und 27 angeführten Studien. Kaum nachvollziehbar ist Carlo Volpes Gleichsetzung des anonymen Miniators eines einzelnen überlieferten Blattes aus der ›Matricola dei Cordovanieri‹ von 1349 (Paris, Musèe Marmottan, Collection Wildenstein, M 6100) (Pergament, 33,6 cm × 23,5 cm; Datierung auf 1349 in den letzten beiden Zeilen) mit dem Miniator »Andreas« des Kremsmünsterer Stundenbuchs. VOLPE, Andrea de’ Bartoli 1981, S. 15 f. Anm. 14 und 17: »[…] due foglie dell’Offiziolo bolognese della Benediktiner Stiftsbibliothek di Kremsmünster, firmati da un Andrea (che mi sembrano oggi da identificare con l’autore della ›Matricola dei Cordovani‹, già a Firenze nella collezione Murray«; in Bezug auf die Maler Andreas und Niccolò di Giacomo im Stundenbuch aus Kremsmünster heißt es zudem: »[…] quanto posso precisare soltanto ora in merito alla assegnazione delle miniature, che pertanto, se dell’autore della ›Matricola dei Cordovani‹, del 1349, ricuperano l’identità stilistica di un non altrimenti noto ›Andrea‹, personalità che occorrerà distinguere da Niccolò di Giacomo, al quale è peraltro assai prossimo.« Zum stilistischen Zusammenhang der Pariser Miniatur mit den Wandmalereien des Vitale da Bologna und seines Umkreises s., in Rekurs auf LONGHI, La pittura del Trecento 1973, S. 28; MEDICA, Matricola della Società 1999, S. 128; DERS., Art. ›Maestro della Matricola dei Cordovanieri‹ 2004, S. 540; Enluminures. Collection Wildenstein 2010, S. 14.

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

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rahmen-Malerei, die die Verkündigung an die Hirten zeigt, und der Miniatur auf fol. 12r mit der Geschichte von Pan und der Nymphe Syrinx ist die Physiognomie der rosagewandeten Figuren zentral: Die gelängten Augen des Engels und von Pan mit den akzentuierten schwarzen Pupillen bringen jeweils einen konzentriert-entschiedenen Blick zum Ausdruck, der zur schmalen, geraden Nase orientiert ist; die Münder sind mit gespitzten Lippen geformt, die über spitzen Kinnen liegen, wodurch die Bestimmtheit des Blicks unterstrichen wird. In einem weiteren Vergleich mit der Darstellung der Übergabe des Sohnes des Phoebus und der Coronis an Chiron auf fol. 16r sind es wieder die Augen mit ihrer Pupillenausrichtung, die gemeinsame Charakteristika aufweisen: Hier vermitteln sie bei den bärtigen männlichen Figuren – Chiron einmal und der über dem Engel in das Vierblatt inserierten Figur andermal – einen sanften Blick. Ebenso sind die Nasen gleich geformt und durch den Auftrag eines weißen Farbstrichs kenntlich herausgestellt; gleiches gilt für die Plastizität der Wangen. Vergleichbare Physiognomien weisen auch die ein blaues Kleid tragende Ocyrhoe und der Hirte im braunen Gewand auf: Obschon die Gesichter runder sind, fallen in ihnen die gleichen Merkmale wie in der zuvor genannten Personenkonstellation auf. Und auch in einer dritten Gegenüberstellung mit der Miniatur auf fol. 10v, die den Rat der Götter im Haus des Jupiter zeigt, sind es die Gestalt der Augen und ihre Ausdrucksästhetik sowie die Modellierung der Nasen und Wangen, die gleich erscheinen: zum einen bei Saturn, der die Götterschar beim Empfang in Jupiters Palast anführt, sowie bei Jupiter, der der Tafel der Götter vorsitzt, und jenem Bärtigen im Vierblatt des Zierleistenrahmens zum anderen; außerdem bei Jupiter, der im unteren Bildregister die Götter willkommen heißt, und dem in ein blaues Gewand gekleideten Hirten. Hinzu tritt die in beiden Illuminationen insbesondere mimisch zum Ausdruck kommende Bewegtheit der stämmigen und ruhig wirkenden Figuren. Indem die Figuren im Gothaer Kodex durch eine »eindringliche Zeichnung ihrer Gebärde und Mimik« und »durch ein lebhaftes Kolorit« charakterisiert sind, zeigen sie sich verwandt mit den Figuren des Meisters von 134632. Ebenso sind sie plastisch gut modelliert und weisen eine akzentuierte Expressivität auf. In der ruhigen Bewegtheit liegt auch, wie oben angesprochen, ein entscheidender Unterschied zum Stil Niccolò di Giacomos. Solchermaßen kann Niccolòs Malerei in der historisierten P-Initiale auf fol. 138r des Kremsmünsterer Stundenbuchs aufgrund ihrer deutlich sichtbaren stilistischen Unterschiede meinen Datierungsvorschlag des Gothaer ›Ovidius moralizatus‹ plausibilisieren: Offensichtlich sind die bewegteren Figuren- und Gewanddarstellungen im Vergleich zu jenen in der Miniatur auf fol. 10v, in der Lycaon einen Menschen töten und ihn anschließend Jupiter zum Mahl vorsetzen lässt. So sind die Gewänder nicht nur durch Röhren-, sondern auch durch Schüsselfalten modelliert, und die Interaktion zwischen den schlanker und gelängter wirkenden Figuren ist expressiver. Insgesamt wirken Niccolòs Figuren im Zusammenspiel von bewegter Gewandmodellierung, gelängter Figurendarstellung und expressiver Mimik nervöser. Anhand der unter dem Buchstabenkörper und vor Goldgrund aufgebrachten Szene, in der Petrus dem Knecht des Hohepriesters das Ohr abschlägt, lässt sich zudem veranschaulichen, dass das Kolorit bei Niccolò klarer und die Linienführung stärker sichtbar ist.

32 So formuliert Gaudenz Freuler in Bezug auf den Meister von 1346. FREULER, Das früheste illustrierte Ex-

emplar 1998, S. 160.

68

1. DIE STILKRITISCHE EINORDNUNG DER MINIATUREN

Der Erzählstil in der Tradition des Illustratore Gerade auch im Erzählstil scheinen Unterschiede zwischen Niccolò di Giacomo und den Miniatoren des Gothaer Kodex beziehungsweise der Werkstatt des Meisters von 1346 zu liegen. Denn Niccolòs Szenen sind bestimmt durch eine Fülle von Figuren, wobei der Eindruck des horror vacui entsteht. Besonders anschaulich wird dies in der Eingangsminiatur auf fol. 1r einer ›Novella in Decretales‹-Handschrift (Libri III–V) des Johannes Andreae (Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 2534)33, die eine Gregorsmesse darstellt und in unmittelbarer Nähe zum Kremsmünsterer Stundenbuch34 entstanden sein dürfte35. Der Meister von 1346 und die Gothaer Miniaturen hingegen zeigen eine reduzierte Figurendarstellung, in der eine Menschengruppe durch zwei bis drei Figuren bezeichnet ist: Die Erzählung wird dramatisiert durch die Expressivität der Mimik und Gestik der emotional bewegten Figuren, die in ihrer Monumentalität plastisch gut modelliert sind. Damit stehen sie in der Tradition der Buchmalerei des Illustratore, wie beispielsweise in einer vergleichenden Betrachtung mit einer Miniatur aus einer ›Glossa ordinaria ad Codicem‹ des Accursius (Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 1436, fol. 233r)36 deutlich wird. Die Miniatur, die die Breite der Textkolumne überschreitet, markiert den Beginn von Buch XI des ›Codex Iustinianus‹: Sie ist unter der Rubrizierung platziert, welche die Inhalte von XI, 1 und XI, 2 bezeichnet: De tollenda lustralis auri collatione und De naviculariis seu naucleris publicas species transportantibus. Sie ist mithin als visuelle Auslegung vom Gesetz zu den Schiffsführern und Schiffsherren, die für die öffentliche Versorgung fahren, zu verstehen. Die Miniatur auf fol. 19r des Gothaer Ovid zeigt hingegen die Geschichte um Bacchus und die etruskischen Seeräuber, so dass hier im Zusammenhang des Erzählstils deutlich herauszustellen ist: Die Bildaufgabe in beiden Miniaturen ist ähnlich gelöst, die Inhalte sind indes verschieden. Solchermaßen wird der formalästhetische Traditionszusammenhang der Gothaer Buchmalerei ersichtlich. Die verwandte Bildkomposition ist augenscheinlich: Im Zentrum der Darstellung steht jeweils ein Boot mit vier Personen, das von bewegtem Wellengang umspült wird. Die Dramatik, die durch die Bewegung des Wassers angedeutet ist, entfaltet sich durch die gespannte Körperhaltung der kraftvoll agierenden Figuren, die sich dem Mast zuwenden und die Segel hissen. In dieser Rahmenhandlung vollzieht sich dann jeweils die zentrale Kommunikation zwischen einer rotgewandeten und einer in Blau gekleideten Figur, die formal-kompositorisch wie farblich hervorgehoben ist. Neben den bewegten Figuren mit einer lebendigen und kontrastreichen Farbgebung wird die Spannung der Erzählung durch klar strukturierte und räumlich gut konzipierte Naturdarstellungen erzeugt, in die die Narration eingebettet ist. So erstreckt sich das felsige Ufer, gegen welches das bewegte Wasser prallt, zum einen diagonal in die Tiefe, und zum anderen türmt sich sein zerfurchtes und mit Bäumen bewachsenes Gestein treppenartig auf, wodurch der Fortgang der Erzählung an dieses gebunden ist: Während in der Gothaer Miniatur ein zeitlicher Verlauf durch das felsige Gefilde erfahrbar wird, das in Form zwei sich zueinander verjüngender Diagonalen

127

128

23

33 Pergament, III + 312 + I Blatt, 44,3 cm × 26,6 cm. Zu dem Kodex s. KUTTNER (Hg.), Catalogue 1987, S. 106 f. 34 Vgl. in diesem Sinne die Folia 83r und 128v mit der Darstellung der Seligen, die durch Maria gesegnet

werden, und der Erweckung des Lazarus sowie Christi Einzug in Jerusalem im bas de page (Abb. 124 und 125). 35 S. MEDICA, I miniatori dei corali 2002, S. 71. 36 Pergament, I + 313 Blatt, 46,9 cm × 29,4 cm. S. zu dem Kodex KUTTNER (Hg.), Catalogue 1986, S. 241 f. Die Handschrift wird auf das Jahr 1343 datiert, s. hier auch CONTI, Rezension von Elly Cassee 1981, S. 79.

69

III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

120

17

konzipiert ist, dient es in der Miniatur des ›Apparatus in Codicem‹ formal als Kontrastfolie der beiden das Schiff ziehenden Figuren, die sich bildparallel auf dem flachen Uferpfad vorwärts bewegen und dadurch der Fortgang der Handlung angedeutet ist. So sind beide Miniaturen durch einen großzügig angelegten Bildaufbau und eine monumentale Darstellungsweise charakterisiert, in denen sich das Geschehen entfaltet37. Die Analogie des Erzählstils des Illustratore und der Gothaer Miniaturen lässt sich anhand eines weiteren Fallbeispiels aus einer Handschrift mit Iustinians ›Infortiatum cum apparatu Accursii‹ (Bücher XXIV–XXXVIII) (Cesena, Biblioteca Malatestiana, Ms. s.IV.2)38 veranschaulichen; ihre Miniaturen werden auf die Zeit um 1335 datiert39. Wie das Nebeneinander der Cesenaer Miniatur auf fol. 260r, in der die Entscheidung eines Richters über den Besitz der Güter eines Mannes dargestellt ist, und der Miniatur auf fol. 16r des ›Ovidius moralizatus‹ mit der Übergabe des Sohnes des Phoebus und der Coronis an Chiron zeigt, gleicht sich der Aufbau der Figurenkomposition formal, bei divergierendem Inhalt. So vollzieht sich in beiden Bildern die Handlung von rechts nach links, wobei das Objekt der Handlung im Zentrum des Bildes dargestellt ist: Begleitet von einer Figurengruppe rechts im Bild tritt der zentriert dargestellte, in ein grünes Gewand und einen gelben Überwurf gekleidete Mann von rechts an Chiron heran, um ihm das Kind zu übergeben, das er in seinen Armen hält. Chiron seinerseits wendet sich diesen zu und streckt ihnen seine Arme zum Empfang des Kindes entgegen. Dabei verweist die rechts von Chiron stehende Ocyrrhoe durch die Geste ihrer rechten Hand auf diesen Akt und seine Bedeutung. Eine formalkompositorische Analogie zeigt die Miniatur des Illustratore: Im Bildzentrum kniet ein Mann vor dem links sitzenden Richter nieder, um den Besitz seiner Güter festsetzen zu lassen, die auf dem Pergament aufgeführt sind, das er dem Richter vorzeigt. Dementsprechend bezieht sich der Richter mit seiner Rechten auf das Schriftstück, und auch hier wird auf die Bedeutung der sich vollziehenden Handlung durch die beiden beiwohnenden Figuren verwiesen, denen formal wie semantisch eine vermittelnde Funktion zukommt. Zudem erscheinen rechts ebenfalls Begleitfiguren, die sich dem Geschehen nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar zuwenden, indem sie untereinander über dieses kommunizieren.

Der Randleistenschmuck und die Tierdarstellung

129

Die Betrachtung des Randleistenschmucks der Initialzierseiten führt wieder unmittelbar zurück zu der These, dass der Gothaer Kodex als Werk der Übergangszeit der Werkstattproduktion des Meisters von 1346 und Niccolò di Giacomos zu bewerten ist. So werden in einer exemplarischen Gegenüberstellung der Eingangsseite des Kodex ›Galvani Ianuensis de Levanto Umbrae medici opera‹ (Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 2463), dessen bildliche Ausstattung dem Meister von 1346 zugeschrieben wird40, und der Initial37 Vgl. zur Fähigkeit der narrativen Darstellung des Illustratore und des Meisters von 1346 FREULER, Mani-

festatori delle cose miracolose 1991, S. 136; DE VEER-LANGEZAAL, A Cutting Illuminated 1992, S. 132. Zur Unterscheidung zwischen den Arbeiten des Illustratore und des Meisters von 1346 CONTI, La miniatura bolognese 1981, S. 84–96. 38 Pergament, III + 308 + III Blatt, 46,8 cm × 26,9 cm. 39 D’ARCAIS, Le miniature 1995, S. 259 f. 40 S. zu diesem Kodex in kunsthistorischer Hinsicht CIACCIO, Appunti 1907, S. 105; ERBACH-FÜRSTENAU, La miniatura bolognese 1911, S. 11; CASSEE, The Missal of Cardinal Bertrand de Deux 1980, S. 27, 117; CONTI, Rezension von Elly Cassee 1981, S. 79 f. und Anm. 35.

70

1. DIE STILKRITISCHE EINORDNUNG DER MINIATUREN

zierseite auf fol. 9r des Gothaer Ovid Unterschiede in der Ähnlichkeit augenscheinlich: Die Blattranken, die sich an der schmalen Randleiste zum Buchfalz hin um einen Stab winden, sind spiralig gerollt und teilweise zu muschelförmigen Gebilden ausgeformt. Deutlich ist hierbei, dass die Akanthusblattranken mit eingesprengten Drolerien – ein Charakteristikum bolognesischen Buchschmucks – in der Gothaer Handschrift dichter und fleischiger sind gegenüber dem stark ausgedünnten Akanthus in dem Kodex aus Rom41. In diesem sind zudem die zu Medaillons eingerollten Akanthusblätter im bas de page42 und jene gestreckten in der rechten Randleiste wesentlich länger; letztere formen sich zu langgezogenen Spitzen, aus denen Fadenausläufer mit schwarzumränderten Goldplättchen mit Dornen an deren Enden hervorgehen. Ebendiese Verbindung von Akanthusblatt, Fadenausläufer und schwarzumränderten Goldplättchen mit Dornen findet sich auch im Gothaer Kodex, wobei dort sämtliche Goldplättchen mit Dornen versehen sind. Eine deutlich größere Nähe in der Ausgestaltung der Goldplättchen findet sich auf fol. 21r des Gothaer Kodex und fol. 1r der Apuleius-Handschrift in der Bibliotheca Apostolica Vaticana (Vat. lat. 2194). Auffällig sind hier die wiederholte Bündelung von drei Goldplättchen zu einer kleeblattartigen Form und das spitze Zulaufen einer Rundung, so dass sich der schwarze Kontur zu einem stumpfen Dorn formt43. Gerade aber die fleischigen, plastisch modellierten Akanthusblätter, die dreidimensional erscheinen, können als Indiz des Einflusses des Meisters von 1346 gewertet werden, folgt man der Einschätzung von Karl-Georg Pfändtner: »Erst mit dem Œuvre des Meisters von 1346 […] gelangt dieses Blattwerk auch nach Bologna, kann sich dort aber nicht wirklich durchsetzen. Es kommt neben bzw. nach dem Werk des Meisters von 1346 vor allem bei Nicolò di Giacomo da Bologna vor«44. Die Fülle und Dichte des Randleistenschmucks im Gothaer Kodex scheint auf jenen aus der Werkstatt des Niccolò di Giacomo hinzudeuten, der formal in der Tradition der Werkstattarbeit des Meisters von 1346 steht, aber eben reicher, ornamentaler und damit blattfüllender ist. Dies können die Folia 1r aus einem um 1370 entstanden Kodex mit Vegetius’ ›Epitoma de re militari‹ (Paris, Bibliothèque Nationale, Smith-Lesouëf 13)45 und 2v aus dem ›Compendium moralis philosophie‹ des Luca Manelli (Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 6467) veranschaulichen. Die Folge von miteinander verzahntem Akanthus, dessen Blätter in langen Spitzen auslaufen, ist einmal von zahlreichen schwarzgeränderten Goldplättchen (mit jeweils einem Dorn), andermal von wenigen (ohne Dorn) flankiert. Augenscheinlich ist die Analogie des jeweils mittig platzierten knospenartigen Blattes, das sich herzblattförmig überwölbt und von einem schwarzgeränderten Goldpunkt bekrönt ist. Gerade hier zeigt sich der Unterschied in der ornamentalen Fülle: Im Werk Niccolò di Giacomos wachsen aus der Knospe weitere Blätter, an anderer Stelle gehen aus den Blättern knospenartig kleine Blättchen sowie langstielige Knospen hervor; zudem sind die Blätter mit Flechtband41 42

43 44 45

3

100, 27

95, 130

Vgl. den Randleistenschmuck in Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Archivio del Capitolo di S. Pietro, B 63; Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 2194, fol. 1r; Bologna, Archivio di Stato, cod. min. 13, fol. 1r. Vgl. dazu PFÄNDTNER, Rezeption 2015, S. 89: »Akanthusblattformen, die im bas-de-page in Medaillons einrollen, die teils einen eigenen Rahmen haben und Figuren oder Tiere umschließen […], sind in Bologneser Handschriften seit den 1260/1270er Jahren üblich«. Vgl. Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 6467, fol. 1r. PFÄNDTNER, Rezeption 2015, S. 90, Anm. 7. Pergament, 70 Blatt, 28,5 cm × 20,2 cm. Zu der Handschrift s. AVRIL – GOUSSET (Hgg.), Manuscrits enluminés 2012, S. 104–109.

71

III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

132

133–134 130–131

10, 19, 135

136–137

knoten versehen. Die Eingangsseite zu Lukans ›De bello civili‹ (Paris, Bibliothèque National, lat. 8044, fol. 1r)46, die um 1370/1380 in der Werkstatt Niccolò di Giacomos entstanden ist, vermag schließlich durch die ganzseitige Anlage des Randleistenschmucks dessen größere Dichte zu verdeutlichen: Neben den beschriebenen Elementen formen sich aus den eingerollten Enden der Akanthusblätter Drolerien, die den entstandenen Binnenraum füllen; hinzu kommt, dass die Blätter mit breiten Streifen aus Gold unterlegt sind. Von besonderer Bedeutung für die stilistische Einordnung des Randleistenschmucks, aber auch des Gothaer Kodex allgemein ist ein hebräischer Kodex mit halachischen Gesetzentscheidungen des Jesaja da Trani (London, British Library, Oriental, Ms. 5024)47. Denn er dürfte durch einen Meister illuminiert worden sein, der im Umfeld des Meisters von 1346 ausgebildet wurde und anschließend vermutlich in der Werkstatt des Niccolò di Giacomo tätig war, wie Karl-Georg Pfändtner dargelegt hat48. Dem Kolophon auf fol. 298v zufolge wurde die Handschrift durch den Schreiber Yekutiel ben Solomon aus Bologna angefertigt und datiert auf den 28. Siwan [5]134, das heißt den 8. 6. 1374 christlicher Zeitrechnung. Sie enthält 14 Miniaturen in Deckfarben, die jeweils am Seitenrand platziert oder in Medaillons der Randleistenbordüre auf den Haupttitelseiten eingelassen sind. Zum einen werden bei einer Betrachtung des Randleistenschmucks auf den Initialzierseiten der Folia 9r und 56r die formalen wie stilistischen Analogien zu jenem des Meisters von 1346 und Niccolò di Giacomos in den Kodizes Paris, Bibliothèque Nationale, Smith-Lesouëf 13 und Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 6467 unmittelbar einsichtig: die geschwungenen und spitz auslaufenden Akanthusblätter, auf denen knospenartige Blättchen aufsitzen oder langstielige Knospen aus ihnen hervorgehen, ebenso wie die herzblattförmigen Blätter und die flankierenden schwarzgeränderten Goldplättchen mit einem Dorn. Zum anderen weisen die Haupttitelseiten (fol. 3v, 97v, 171r) mit ihren Randleistenbordüren aus Akanthusblattranken, die zu Medaillons verflochten sind und Tierdarstellungen auf Goldgrund in sich tragen, auch beziehungsweise gerade eine verwandtschaftliche Beziehung zu den Initialzierseiten des Gothaer Kodex (fol. 9r, 12v, 17r, 21r, 25v, 28v) auf. Besonders anschaulich wird dies in einer vergleichenden Betrachtung der Folia 97v der Londoner und 12v sowie 17r der Gothaer Handschrift: Die krautigen und fleischigen Akanthusblätter sind zwei- respektive dreifarbig gestaltet, die Farbpalette besteht jeweils aus einem intensiven Rot, Dunkel- und Hellblau, Rosa und Grün, wobei das Blau und Grün im Gothaer Kodex dunkler sind. Modelliert sind die Blätter mit zarten Deckweißlinien und Weißhöhungen. Die Tierdarstellungen – in Gotha verschiedene Vogelarten, in London eine Eule und ein Pferd – zeichnen sich durch Naturnähe aus, allerdings zeigen sich auch qualitative Unterschiede, wie bei den beiden Löwen auf fol. 17r und 97v: Während sich die jeweils verkürzte Brustpartie mit der wallenden Mähne und die sitzende Haltung mit dem angewinkelten Hinterlauf gleichen, trägt der Löwenkopf im Gothaer Medaillon menschliche Züge, wohingegen er im Londoner nach ausgeprägter Naturbeobachtung gestaltet ist.

46 Pergament, 149 Blatt, 34 cm × 24,5 cm. Zu der Handschrift s. AVRIL – GOUSSET (Hgg.), Manuscrits enlu-

minés 2012, S. 109 f.; s. auch PASUT, Qualche considerazione 1998, S. 433–435. 47 Pergament, II + 298 + II Blatt, 40 cm × 25 cm. Zu der Handschrift s. die kodikologische Beschreibung im

Katalog der British Library unter http://www.bl.uk/catalogues/illuminatedmanuscripts/record.asp?MSID=19292 [letzter Zugriff am 04. 06. 2017] und PFÄNDTNER, Oriental Ms. 5.024 2008. 48 Zu Stil und Einordnung s. PFÄNDTNER, Oriental Ms. 5.024 2008, S. 3–5.

72

1. DIE STILKRITISCHE EINORDNUNG DER MINIATUREN

Hier deutet sich an, dass die Tierdarstellungen in den beiden Kodizes verwandt sind, in der Jesaja da Trani-Handschrift jedoch eine höhere Entwicklungsstufe aufweisen. Dies plausibilisiert sich, betrachtet man insbesondere die Miniaturen im bas de page der Folia 171r und 177r und zahlreiche Tierdarstellungen aus dem Gothaer Ovid. So zeigen die Miniatur auf fol. 11r zur Io-Geschichte und die bas de page-Malerei auf fol. 177r des Londoner Kodex zwei Kühe beziehungsweise eine Kuh und einen Stier mit nahezu identischer Körperhaltung und Raumauffassung: Beide Male ist bei der rechten Kuh die Verkürzung des Körpers zentral, wobei in ihrer liegenden Stellung die abgeknickten Vorderbeine und der in den Nacken gelegte Kopf korrespondieren. Durch den nach oben gestreckten Kopf wird jeweils die weiche Partie am Vorderhals sichtbar, die noch fassbarer wird durch den Kontrast zu den knochig wirkenden Teilen des Rumpfes: die jeweils akzentuierte Wirbelsäule und die durch weiß gehöhte Schraffuren aufscheinenden Rippen. In erster Linie dienen die Weißhöhungen an der Flanke auch dazu, die Rundung des Körpers zu modellieren. Insgesamt wirken die Körper in der Gothaer Miniatur etwas massiger, was zum einen in den kürzeren Beinen der linken Kuh begründet ist, die bemerkenswerter Weise eine nahezu gleiche Körperhaltung hat wie der Stier, der die Kuh mit seinen Hörnern verletzt; zum anderen sind bei dem Stier die einzelnen Körperteile wesentlich markanter hervorgehoben, wie beim Beckenknochen am rechten Hinterlauf. Dass die Kuhdarstellungen in einem formalen Zusammenhang stehen, jene in der Londoner Handschrift indes nuancierter gestaltet sind, sei durch diese Gegenüberstellung unterstrichen: Die Kuh in dem Medaillon auf fol. 3v scheint sich vor allem aufgrund ihres nach vorne gestreckten Kopfes und ihres gewölbten Bauches an die Haltung jener Kuh anzulehnen, die in der hochrechteckigen Miniatur auf fol. 11v des Gothaer Ovid zu sehen ist. In der Ausarbeitung, die durch die beschriebenen Mittel erfolgt, spiegelt sich jedoch eine präzisere Naturbeobachtung. Zwischen der bas de page-Miniatur auf fol. 171r und den Miniaturen zur Actaeon-Geschichte auf fol. 18r des Gothaer Kodex kann man zunächst einen nennenswerten motivischen Zusammenhang sehen: Ein Hund schnappt nach einem Hirsch. Auffällig ist zunächst, dass in der Londoner Darstellung beim Hirschkörper eine perspektivische Verkürzung des Unterleibs besteht, obschon der Hirsch plan dargestellt ist. In den Gothaer Miniaturen hingegen ist der Hirsch vollkommen in perspektivischer Verkürzung gegeben. Er zeigt jeweils nach vorne gestreckte Vorderläufe und eine leicht zurück geworfene Hals- und Kopfpartie, die eine Erstarrung zum Ausdruck bringt. Die Körperhaltung des Hundes mit einem durchgedrückten, abbremsenden Hinterlauf, der am oberen Ende eine gezackte Form hat, mit einem gestreckten und nach vorne abgesenkten Leib und gestreckten Vorderläufen findet sich in anderen Miniaturen des Ovid-Kodex: mittig im Bildvordergrund auf fol. 14v und ebenfalls vorn im Bild auf fol. 25r. Dass die beiden Handschriften hier in Zusammenhang gebracht werden, ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen wird eine Genealogie des Gothaer Ovid und der Londoner Jesaja da Trani-Handschrift vorgestellt, wodurch sich die stilkritische Einordnung erhärten lässt; die Gothaer Miniaturen erscheinen aufgrund der weniger nuancierten und fortgeschrittenen Naturdarstellung als zeitlich früher. Zum anderen wird ein Beitrag zur aktuellen Forschungslage zur bolognesischen Malerei geleistet, insofern Karl-Georg Pfändtner in seinem Aufsatz zum Londoner Kodex konstatiert: »Diesem Bologneser Umfeld völlig fremd scheinen nach heutiger Forschungslage […] die Tierdarstellungen, die in vielen Fällen genaue Naturbeobachtung voraussetzen. […] Die naturnahen Tierdarstellungen hinge-

59–60, 138

61, 139

81, 140

35, 70

73

III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

gen weisen nach Padua in den Umkreis des Altichiero«49. Mit der Gothaer Handschrift ist eine Neubewertung möglich.

Die Heraldik

95, 100

94

95

Die stilkritische Einordnung der Miniaturen in die Zeit um 1348/1350 geht konform mit der These, dass der Gothaer Kodex für Bruzio Visconti (ca. 1320–1357) geschaffen wurde: Wie Gude Suckale-Redlefsen herausgestellt hat, gleichen die heraldischen Zeichen, die ursprünglich auf den Initialzierseiten angebracht waren, jenen in für Bruzio angefertigten Kodizes50. So weist jeweils das fol. 1r der Apuleius-Handschrift aus der Bibliotheca Apostolica Vaticana (Vat. lat. 2194) und des ›Compendium moralis philosophie‹ des Luca Manelli (Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 6467) das heraldische Zeichen der Visconti auf: ein gewundener blauer Schlangenkörper, dessen Haupt ein weit geöffnetes Maul zeigt, das eine kleine rote menschliche Figur fasst. Auf ersterem schmückt es primär mehrere silberne Schilde, die in die Randleistenbordüre aus ornamental stilisierten Akanthusranken in Blau, Rosa und Grün mit schwarzumränderten Goldplättchen integriert sind. Während das heraldische Zeichen in den goldgrundierten Medaillons in der oberen Randleiste in reiner wie kombinierter Form dreimal erscheint, ist es im bas de page in gedoppelter Form zu sehen. Wird es doch von den Kardinaltugenden, die in dem Vielpass auf Goldgrund figurieren, auf einem Schild vorgezeigt, auf den wiederum ein Helm gesetzt ist, dessen Zier in Form des heraldischen Zeichens modelliert ist. – Dieses Motiv, in dem die Visconti-Schlange als Helmzier erscheint, findet sich auch im Randleistenschmuck des bas de page auf fol. 1r einer ›De civitate Dei‹-Handschrift Bruzio Viscontis (Paris, Bibliothèque Nationale, ms. lat. 2066)51, die ins zweite Viertel des Trecento datiert wird52. Auf der Eingangsseite des ›Compendium moralis philosophie‹ ist das heraldische Zeichen ebenfalls in die Bordüre integriert. Sie ist außen und am Buchfalz aus ornamental stilisierten Akanthusranken in Medaillonform gebildet, die Darstellungen der Städte des Herrschaftsbereichs der Visconti auf Goldgrund einfassen. Dazu ist der Herrscher im bas de page repräsentiert: Frontal thronend, drückt Bruzio Visconti mit seinen Füßen die in Rüstung gekleidete Personifikation der Superbia nieder. Flankiert wird er dabei von jeweils drei Figuren, die das Herrschaftsgebilde mit erhobenem Arm stützen und durch Tituli bezeichnet sind: Während zu seiner Rechten drei antike Autoritäten stehen, Valerius Maximus, Seneca und Aristoteles, sind zu seiner Linken die drei Kirchenheiligen Thomas von Aquin, Ambrosius und Augustinus dargestellt. Korrespondierend zu dieser Repräsentation des Herrschers erscheint dessen heraldisches Zeichen in der oberen Randleiste. Hier ist der Schlangenkörper droleriegleich aus den Akanthusranken heraus geformt und erscheint gemäß deren Farbgebung in Rosa, Grün und Blau in Grün und Blau auf Goldgrund. Diese beiden Formen des heraldischen Zeichens – der gewundene blaue Schlangenkörper mit einem weit geöffneten Maul, aus dem eine kleine rote Figur kommt, sowie der Schlangenkörper als Helmzier – finden sich auch im Gothaer Kodex. Erstere war auf fol. 1r 49 PFÄNDTNER, Oriental Ms. 5.024 2008, S. 4 f. 50 SUCKALE-REDLEFSEN, Der Gothaer Ovid 2011, S. 46–48. Zu den heraldischen Zeichen im Gothaer Kodex s.

auch Kap. III. 2 und die kodikologische Beschreibung in Band 2. 51 Pergament, 211 Blatt, 38 cm × 25,5 cm. 52 Zu der Handschrift s. AVRIL  – GOUSSET (Hgg.), Manuscrits enluminés 2005, S. 28. Zur Einordnung der

Handschrift in den Besitz Bruzio Viscontis vgl. PELLEGRIN, La bibliothèque 1955, S. 108.

74

2. DER AUFTRAGGEBER BRUZIO VISCONTI UND SEINE BÜCHER

ursprünglich in die Vierpässe des Zierleistenrahmens eingelassen, was heute durch Abkratzungen nur noch schematisch zu erkennen ist. Deutlich sichtbar ist sie hingegen auf fol. 25v trotz späterer Übermalung: Während im Buchstabenkörper der keilförmigen I-Initiale aus Gold der gewundene Schlangenkörper aufscheint, ist die aus dessen Maul herausragende rotfarbige Menschengestalt in die ornamental stilisierte Akanthusranke der Randleistenbordüre eingeflochten53. Die Visconti-Schlange als Helmzier hingegen ist auf fol. 9r in der oberen Rankenleiste angebracht. Abschließend sei angesprochen, dass die spezifische Form der gewundenen Schlangenkörper ein Indiz für die Herstellung des Gothaer Kodex für Bruzio Visconti und damit für eine Datierung nahe der genannten, für ihn angefertigten Manuskripte sein dürfte. Denn während sie durch schmale Bögen charakterisiert ist und dadurch gelängt wirkt, sind die gewundenen Schlangenkörper in späteren Handschriften aus dem Besitz Gian Galeazzo Viscontis (1351–1402) in breiteren Bögen geformt und erscheinen dadurch gedrungener – wie beispielsweise auf fol. 1r des 1379 entstandenen Kodex lat. 6069 F der Pariser Bibliothèque Nationale54, der Petrarcas ›De viris illustribus‹ enthält.

90–92

93

DIETER BLUME

2. Der Auftraggeber Bruzio Visconti und seine Bücher Der Auftraggeber des Gothaer Kodex hat auf den Titelseiten, die dem Kapitel über die antiken Götter sowie den einzelnen Büchern der Metamorphosen vorangestellt sind, mehrfach sein Wappenzeichen anbringen lassen. Sowohl im rahmenden Rankenwerk der Seiten wie auch in den großformatigen Initialen wurde auf diese Weise unübersehbar sein Besitzanspruch bezeugt. Ein Kardinal aus der Genueser Familie der Fieschi di Lavagna, dem die Handschrift in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gehörte, hat die Wappen auskratzen und zum großen Teil in Gold übermalen lassen, um sein eigenes Zeichen dort anzubringen. Dennoch sind noch genügend Reste sichtbar geblieben, so dass sich eindeutig der Biscione, die aufsteigende Schlange der Visconti identifizieren läßt55. Jene blaue Schlange mit geringeltem Schwanz, die eine rote Menschenfigur im Maul hält, welche als Sarazene gedeutet wird, ist zuerst um 1288 von Bonvesin da la Riva als Zeichen des Otto Visconti beschrieben worden. Zur gleichen Zeit taucht sie auch an Gebäuden auf und bleibt über das 14. Jahrhundert hinaus das Herrschaftszeichen der Visconti56.

1, 3, 90–92

53 Vgl. fol. 9r. 54 Pergament, A + 197 + (I–II) Blatt, 32 cm × 23 cm. Zu dem Kodex s. AVRIL – GOUSSET (Hgg.), Manuscrits

enluminés 2012, S. 126 f., zur Übernahme der Handschrift aus dem Besitz der Carrara in jenen des Gian Galeazzo Visconti S. 127. Vgl. dazu die heraldischen Zeichen Gian Galeazzo Viscontis in folgenden Handschriften der Pariser Bibliothèque Nationale: lat. 3345, fol. 1r; lat. 5784, fol. 1r; lat. 6138, fol. 1r. S. AVRIL – GOUSSET (Hgg.), Manuscrits enluminés 2012, S. 122 f.; 124, 126. 55 Dies ist von GUDE SUCKALE-REDLEFSEN, Gothaer Ovid, 2011, S. 46–47 erkannt worden. Besonders deutlich ist dies bei den Auskratzungen auf Fol. 1r, in der oberen Rahmenleiste von Fol. 9r und bei der Initiale auf Fol. 25v; eine genaue Auflistung in der kodikologischen Beschreibung. Vgl. auch Kap. Stilkritische Einordnung, Heraldik S. 74–75 56 Dieses Wappen soll an einen Sieg erinnern, den ein Vorfahr des Otto Visconti während des ersten Kreuzzuges über einen Sarazenen errungen hat. Zur Geschichte des Biscione ZANINETTA, Potere raffigurato, 2013, S. 141–208.

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

Die stilistische Einordnung der Miniaturen auf 1348–1350 weist in die Jahre der gemeinsamen Signorie von Giovanni und Luchino Visconti. Diese beiden jüngsten Söhne von Matteo I. (1250–1322) kamen 1339 an die Macht, als ihr Neffe Azzone, der Sohn des erstgeborenen Bruders Galeazzo I. (1277–1328) ohne Nachkommen starb. Giovanni regierte als Erzbischof in Mailand, während Luchino als Heerführer den Machtbereich der Visconti kontinuierlich erweiterte57. Bruzio, ein illegitimer Sohn von Luchino, hat in den vierziger Jahren eine Reihe von Büchern in dem gleichen Bologneser Umfeld anfertigen lassen, in dem auch das Gothaer Manuskript entstand. Von daher ist er mit großer Wahrscheinlichkeit der ursprüngliche Auftraggeber des reich illustrierten ›Ovidius moralizatus‹, wie bereits Gude Suckale-Redlefsen vermutet hat58. Bruzio Visconti ist wie sein Vater als Militärführer tätig. 1336 kämpft er mit dem Herzögen Albrecht und Otto von Österreich gegen Johann von Böhmen und erhält dafür das Privileg, der Schlange in seinem Wappen eine goldene Krone hinzuzufügen59. Mit dem Regierungsantritt seines Vaters 1339 wird er Podestá in Lodi, wo er sich durch ein selbstherrliches Regime und die Aneignung fremden Besitzes verhasst macht. Nach der Eroberung von Tortona 1347 wird er dort als Signore eingesetzt. Der zeitgenössische Chronist Petrus Azarius vergleicht ihn mit Nero, dem Prototyp tyrannischer Herrschaft, und nennt ihn, da er unter dem Schutz seines Vaters auf großem Fuß Hof hält, den heimlichen zweiten Herrscher von Mailand. Viele schöne Dinge würde er zusammentragen. Er charakterisiert ihn als listig und schlau, aber auch kundig in den Wissenschaften. Er würde allenthalben Bücher über Ethik, libros morales, erwerben, hätte gute und vernünftige Prinzipien, aus denen er aber schlechte Schlussfolgerungen ableite60. Im Januar  1349 stirbt überraschend sein Vater Luchino, vermutlich durch Gift. Giovanni regiert jetzt allein und schaltet sofort die Nachkommen seines Bruders aus. Bruzio befindet sich gerade auf einer militärischen Unternehmung gegen Genua und kehrt nicht nach Mailand zurück. Er geht in die Verbannung ins Veneto und hat auf einen Schlag sämtlichen Einfluss sowie seine Macht verloren. Giovanni Visconti übernimmt 1350 auch die Herrschaft über Bologna gegen die Zahlung von 200.000 Fiorini. Dort setzt er seinen natürlichen Sohn Giovanni d’ Oleggio als Signore ein. Dieser wiederum sagt sich fünf Jahre später von Mailand los und im gleichen Jahr tritt Bruzio als Heerführer in den Dienst seines Cousins. Doch beteiligt er sich 1356 an einer

57 CHITTOLINI, Milano viscontea 2005, S. 13–25; COGNASSO, Visconti 1987, S. 180–202; COGNASSO, Unificazione

1955, S. 326–374. 58 SUCKALE-REDLEFSEN, Gothaer Ovid 2011, S. 47–48. 59 Dies erwähnt Galvano Fiamma, Opusculum, 1938, S. 21; ZANINETTA, Potere raffigurato, 2013, S. 165; Zu

Bruzio Visconti PICCINI 2007, S. 17–23. 60 Petrus Azarius, Liber Gestorum in Lombardia, S. 44: Nam prefatus dominus Bruzius qui, miles, vivente

patre, Laudam civitatem tenebat, magnam vitam et expensas ducens; … et similis Neronem ipsam civitatem pertractabat. Nam civis non audebat loqui nec vestiebatur secundum Evangelium veste nuptiali; rapiebat que volebat, iustitia cessabat et fiebat secundum decretum ipsius; et ratio erat quia dicebatur astutus et ingeniosus et scientias scientie, morales librosque undique aquirebat; bona et rationabilia principia habendo et male concludendo. Dicebatur enim dominus Bruzius multa pulcra suo studio compilasse; … sic quod secundus dominus Mediolani tacitus erat … Petrus Azarius war ein Notar im Dienste der Visconti und verfasste seine Chronik um 1362 in einem sachlichen, eher neutralen Ton.

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2. DER AUFTRAGGEBER BRUZIO VISCONTI UND SEINE BÜCHER

Verschwörung gegen Giovanni d’ Oleggio, die allerdings scheitert. Daraufhin wird er enteignet und verbannt. Nur ein Jahr später stirbt er verarmt im Veneto61. Bruzio Visconti ist nicht nur als Heerführer und Gewaltherrscher, sondern auch als Dichter hervorgetreten. In diesen Jahrzehnten ist er der einzige Poet in Mailand, von dem wir wissen und dessen Werke überliefert sind. Die literarische Produktion umfasst ansonsten nur Chroniken und Geschichtswerke62. Von Bruzio sind immerhin noch sieben Texte erhalten; es handelt sich dabei um eine Ballata, vier Canzone und zwei Sonette. Der Dichterkollege Fazio degli Uberti (1305–1367), der aus Florenz verbannt war, hielt sich ab 1346 in Mailand auf und widmet Bruzio ein Freundschaftssonett. In seinem Hauptwerk, dem Dittamondo, einer an Dante orientierten fiktiven Reise durch alle Teile der Welt, erwähnt er dann rühmend den Mailänder Herrscher Giovanni Visconti63. Die Poesie des Bruzio verbleibt im konventionellen Rahmen und steht in der Tradition höfischer Dichtung. Durchgängig ist eine ethisch-moralische Tendenz, es geht zumeist um Tugenden und eine heroische Haltung gegenüber dem Schicksal. Das demonstrative Vorzeigen von Bildung spielt eine große Rolle. Es gibt zahlreiche Verweise auf Autoritäten sowie bekannte literarische Gestalten. Die lange Canzone ›Mal d’Amor parla chi d’ amor non sente‹ besteht aus einer Beschreibung, in der mit allen Topoi anhand einzelner Körperteile die Schönheit der Frauen gerühmt wird. Jede Strophe endet mit dem Verweis auf berühmte Liebende, unter denen sich unter anderem Amor und Psyche nach Apuleius sowie Aristoteles, Vergil oder Polyklet finden. Der Autor selbst vergleicht sich mit Actaeon, der aber genau umgekehrt wie bei Ovid erst durch Amor von einem Tier wieder in einen Menschen verwandelt worden sei. Durchweg ist hier ein ironischer Ton zu spüren, der an eine polemische Übertreibung all jener traditionellen Motive der Liebeslyrik denken lässt64. Damit distanziert sich Bruzio von einer verbreiteten Form von Poesie, die durch Fazio degli Uberti auch am Hof seines Vaters vertreten war. 1344 schreibt Bruzio Visconti einen Brief an Francesco Petrarca, in dem er dessen Poesie einer vernichtenden Kritik unterzieht und die drei Jahre zuvor erfolgte Dichterkrönung in Rom als völlig unberechtigt hinstellt. Doch verschweigt Bruzio seine wahre Identität und unterzeichnet stattdessen mit dem Namen des Lancilotto Anguissola, einem Freund Petrarcas, der als Familiaris am Hof des Luchino verkehrt und vielleicht von ihm abhängig war. Dieser Brief ist verloren, nur die sinniger Weise in Versen abgefasste, ausführliche Antwort Petrarcas ist überliefert65. Die polemischen Erwiderungen lassen aber die Argumentation des Bruzio durchscheinen, so dass man sich wenigstens ein ungefähres Bild machen kann. Zunächst hat dieser den Sinn und die Berechtigung der Lorbeerbekränzung offenbar fun-

61 Petrus AzariuS, Liber Gestorum S. 45, Villani, Chronica VI, 62, S. 786–787; PICCINI 2007, S. 21–23 62 PICCINI 2007, S. 25–31, vgl. auch VITALE, Cultura 2005, S. 32–36. 63 Fazio degli Uberti, Rime 1952, S. 47 das Sonett für Bruzio; Il Dittamondo, Lib. III, Cap. IV, V. 70–72 das Lob

für Giovanni Visconti. 64 PICCINI 2007, Rime V, S. 88–108; zur Interpretation de LAUDE, Una canzone 1996, passim. Der Vergleich mit

Actaeon am Ende der ersten Strophe (Vers 12–13). In der zweiten Strophe dann die Erweckung durch Amor, die mit der Bekehrung des Paulus parallelisiert wird (Vers 25–26). 65 PICCINI 2005, passim; PICCINI 2007, S. 31–34; Der Brief von Petrarca, Epistulae Metricae  II, 10, Edition SCHÖNBERGER 2004, S. 162–175. Petrarca verschweigt den Namen des Empfängers dieses Briefes. Ob ein zweiter, kürzerer und ebenfalls anonymer Brief, ebd. II,17, S. 217, ebenfalls an Bruzio Visconti gerichtet war, ist fraglich.

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

damental in Frage gestellt. Er hätte von Petrarca zuvor nichts vernommen und würde dessen Lieder nicht kennen; auch läge kein größeres Werk vor, das zu dieser Ehre berechtige. Petrarca antwortet mit einer langen Polemik; er wirft seinem Gegner tiefe Provinzialität vor und unterstellt, daß man in seinem Dorf wohl nur an Geld, gutem Essen, Schlaf und Ruhe interessiert sei66. Als zweiten Streitpunkt benennt Petrarca den Vorwurf der Lächerlichkeit, der sich offenbar sowohl auf das Tragen des Lorbeers wie auf den Inhalt der Gedichte bezog67. Doch am schwersten wog eine Aussage, in der Bruzio, obwohl er selbst ein Poet und noch dazu der einzige in seiner Stadt ist, die Dichter als Lügner und Verrückte tituliert und ihr Streben kindisch nennt68. Die Erwiderung Petrarcas gerät zu einer grundsätzlichen Charakterisierung der Poesie und ihres Wertes. Den Dichtern sei eine göttliche Kraft des Geistes eigen und sie bedecken die schönsten Dinge mit einem mehrdeutigen Schleier, dessen Formen sowohl Knaben wie Greisen gefällt69. In der gesamten antiken Dichtkunst fände man keinen Vers ohne verborgenen Sinn70. Auch würde ohne die Werke der Poeten niemand die Heldentaten früherer Zeiten kennen, welche die Menschen doch auf dem Weg zur Tugend anspornen71. Dieser Schlagabtausch ist Teil einer weit ausholenden Debatte über den Wert der Poesie, die in vielen Schriften des 14. Jahrhunderts ihre Spuren hinterlassen hat. Interessant ist jedoch, dass die beiden Kontrahenten zwei unterschiedliche Ideale von Dichtung vertreten. Während Bruzio seine Poesie an einem klaren Tugendverständnis ausrichtet und im Grunde eine erzieherische Funktion anstrebt, entwickelt Petrarca bekanntlich eine neue Offenheit, bei der die emotionale Empfindung des lyrischen Ichs in vielen Facetten zum Ausdruck kommt. Damit kann Bruzio offensichtlich nichts anfangen; er denunziert es deswegen als lächerlich und Kinderkram. Dies wird ihn mehr noch als der bissige Neid, den Petrarca zuguterletzt noch anführt, zum Schreiben des Briefes bewogen haben72. Doch wurde die Einschätzung Bruzios am Hof seines Vaters wohl nicht geteilt, denn Luchino sandte 1348 einen Brief an Petrarca, um ihn nach Mailand einzuladen. Petrarca schreibt darauf zwei Antwortbriefe und schickt dem Fürsten Birnen aus seinem Garten in Parma. Erst 1353 folgt er dann einer erneuten Einladung durch Giovanni Visconti und bleibt bis 1361 in Mailand73.

66 Petrarca, Epistulae Metricae II, 10, Vers 65–67: Quid inepta colonia tantis / Una nocet titulis, fulvi cui gra-

tia nummi, / Ventris amor, studiumque gule somnusque quiesque / Esse solet potior sacre quam cura poesis? 67 Ebd., Vers 139–140: Risum moveo? Sic vita meretur / Nostra quidem, fateor; sed nunquid carmina risum?

Petrarca behandelt diesen Vorwurf nur in einer kurzen Pasage Vers 137–146. 68 Ebd., Vers 155–160: Mendaces vocitare quidem insanoque poetas / In primis furor est mendaxque insania.

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Vere / Vera canunt, aures quanquam fallentia surdas. / Has etenim sprevisse licet. Puerilia vatum / Hinc studia appellas? Puerilis ineptia quorsum / Impulit errantem calumum? Die Charakterisierung Bruzios als einzigen Dichter in Mailand Vers 79–82. Ebd. Vers 162–166: Quedam divina poetis / Vis animi est veloque tegunt pulcerrima rerum / Ambiguo, quod non acies nisi Lyncea rumpat,. / Mulceat exterius tamen alliciatque tuentes / Atque ideo puerisque placet senibusque verendis. Ebd. Vers 227: Quo feror? Hic nullum invenies sine tegmine versum. Ebd. Vers 195–206. Ebd. Vers 284–285: Quisquis erat, mordax (numquam tibi cognita pestis) / Invidia urebat. CHITTOLINI 2005, S. 25–27.

2. DER AUFTRAGGEBER BRUZIO VISCONTI UND SEINE BÜCHER

Zehn Jahre später kommt Petrarca auf diese Auseinandersetzung zurück. In seiner Invektive gegen den Kardinal Jean de Caraman, einen Großneffen von Papst Johannes XXII., die er 1355 verfasste, verweist er darauf, dass er auch damals nicht vor einem mächtigen Mann, der in ganz Italien gefürchtet war, zurückwich, als dieser aus Neid einen Streit über seinen Ruhm mit ihm begann. Auch jetzt noch verschweigt Petrarca konsequent den Namen seines Gegners. Hierbei mag Respekt vor dem Geschlecht der Visconti ebenso eine Rolle spielen wie Überlegungen zu einer damnatio memoriae. Doch liefert er an dieser Stelle eine ausführliche Charakterisierung der Persönlichkeit des Bruzio Visconti: »Dieser war, was niemand bestreitet, nicht auf jener Höhe der Wissenschaft, wie er sich einbildete und Schmeichler ihm einredeten. Er war aber dennoch mehr als mittelmäßig in der Literatur und über dem Üblichen in der Eloquenz. Hinzu kam die Macht des Mannes sowie die ungeheure Gunst des Schicksals, weiterhin ein gegenüber jedem Widerspruch intoleranter Geist und seine wohl bekannte Rachsucht, die von den benachbarten Fürsten gefürchtet war.«74 Diese Schilderung geht mit den Bemerkungen in der Chronik des Petrus Azarius gut zusammen, so dass sich ein recht klares Bild der Persönlichkeit des Bruzio ergibt. Immerhin, und das ist bemerkenswert, zollt Petrarca der Bildung und den literarischen Fähigkeiten seines Gegners einen gewissen Respekt. In seinen Auslassungen gegenüber dem Kardinal Jean de Caraman hingegen gibt es nicht die geringste Spur einer wie auch immer gearteten Anerkennung. Petrus Azarius spricht, wie erwähnt, auch von den Büchern über Ethik, die Bruzio allenthalben erwarb, deren Lehren er aber in seiner Herrschaft nicht beherzigte. Einige dieser Bücher lassen sich bis heute nachweisen. Sie sind zwischen 1345 und 1349 entstanden und alle mit aufwendigen Frontispizen versehen. Der Florentiner Dominikaner Luca Manelli (um 1294–1362), der ab 1344 in Avignon tätig war, widmet Bruzio Visconti ein Compendium moralis philosophiae, das sich vor allem auf Aristoteles, Cicero und Thomas von Aquin stützt, aber auch weitere antike Autoren heranzieht. Diese Abhandlung muss vor 1344 entstanden sein, da der Autor in diesem Jahr zum Bischof ernannt wird, er aber in der Vorrede nur als einfacher Mönch firmiert.75 Eine prächtig ausgestattete Abschrift für die Bibliothek des Bruzio entstand wohl 1346–48 in Bologna in der Werkstatt des sogenannten ›Maestro di 1346‹76.

74 Petrarca, Invectives VI, Ed. MARSCH 2003, S. 180–221 ›Invectiva contra quedam magni status hominem sed

nullus scientie aut virtutis‹; ebd. VI, 37, S. 216: An vero forte non auditum tibi est in illo quondam fame certamine, quod michi similis conflavit invidia, ubi, immeritis quoque convitiis lacessitus, non tantum iuste sed propemodum necessarie ultionis seu verius defensionis arma arripui, quam penitus illi viro tunc per Italiam formidato nichil detuli? Et erat is, quod nemo abigit, etsi non in eo aspice literarum, quem sibi ipse, vel vanitate insita vel flatibus adulantum, falsa de utique opinione confinxerat, attamen plusquam mediocri litteratura et eloquio supra comunem modum; accedebat viri potentia fortuneque illi ad nutum famulantis ingens favor, mens preterea omnis impatiens offense atque ulciscendi consuetudo notissima, finitimis tunc late suspecta principibus. 75 Clemens VI. machte ihn 1344 zu Bischof von Zituni in Griechenland. KAEPPELi, Luca Manelli 1948, S. 238– 243 zur Vita, S. 244–247 zum ›Compendium moralis philosophiae‹. 76 Paris, Bibl. Nat. Ms. Lat. 6467, AVRIL – GOUSSET, Manuscrits enluminés Vol. 3,2, 2012, Nr. 37, S. 96–98; vgl. Kap. Stilistische Einordnung S. 64. Neben dem aufwendigen Frontispiz auf Fol. 1r gibt es Initialen auf Gold zu Beginn der drei Teile des Werkes auf Fol. 2v, 13v, 45r.

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

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Eine voluminöse Ranke fasst im Frontispiz die Vorrede ein. In der M-Initiale findet vor blauem Grund die Übergabe des Buches statt. Luca Manelli im dominikanischen Habit überreicht sein Werk dem gleichfalls stehenden Bruzio. Dieser trägt einen mit Hermelin gefütterten Mantel nach Art der Gelehrten über einem grünen Gewand und hält ein kleines Zepter in der Rechten. In auffälliger Weise steckt in seinem Gürtel vorne hinter der Geldbörse ein Dolch. Sein hageres Gesicht mit schütterem Bartwuchs zeigt einen ausgesprochen ernsten Ausdruck. In den Medaillons der Ranke sehen wir oben vor Goldgrund ein Abbild Mailands, über dem eine goldene Krone schwebt und das von den Wappenzeichen der Visconti gerahmt wird. Auf den Seitenrändern folgen die Bildnisse von zwölf Städten, welche Mailand beherrscht. Einige dieser Orte wurden erst wenige Jahre zuvor von Luchino, dem Vater Bruzios, erobert77. Unten thront in der Mitte vor einem prächtigen blauen Stoffbehang Bruzio Visconti; er hält ein erhobenes Schwert und ein geöffnetes Buch in den Händen. Über seinem Kopf befindet sich sein persönliches Wappen, das die aufsteigende Schlange auf silbrigem Grund hinter einer diagonalen Leiste aus goldenen Rauten zeigt78. Unter seinen Füßen kauert Superbia als gerüstete und gehörnte Missgestalt. Der Fürstensohn lässt sich hier in forma di iustitia, als Verkörperung der Gerechtigkeit malen. Das Vorbild ist eine allegorische Darstellung der Republik Venedig, die zur gleichen Zeit in monumentalem Format von Filippo Calendario an der Fassade des Dogenpalastes angebracht wurde79. Bruzio hat demnach Kenntnis von aktuellen Tendenzen der politischen Bildersprache und übernimmt ihm passend erscheinende Elemente. Der thronende Herrscher wird zudem von sechs stehenden Gelehrten flankiert, zu seiner Rechten sind es die antiken Philosophen Aristoteles, Seneca und Valerius Maximus, zu seiner Linken die Theologen Thomas von Aquin, Ambrosius und Augustinus. Diese Gelehrten greifen nach oben und halten die Ranke, welche die Abbilder der Städte umgibt und die bezeichnender Weise an der Spitze des Wappens direkt oberhalb des Kopfes von Bruzio beginnt. Die Wurzeln jener oberitalienischen Herrschaft liegen folglich in der Person des Bruzio Visconti, der zugleich die Gerechtigkeit verkörpert. Zudem wird diese von den bedeutendsten Vertretern der antiken Philosophie und christlichen Theologie gestützt. Das ist die anmaßende Aussage dieses Frontispizes. Die von Francesco Petrarca sowie Petrus Azarius beschriebene Geltungssucht und Selbstüberschätzung tritt uns hier in aller Deutlichkeit entgegen. Bartolomeo di Bartoli (um 1310/20–1384), der in der Bologneser Buchproduktion eine wichtige Rolle spielte, erstellte für Bruzio Visconti 1345 eine Ausgabe der Metamorphosen des Apuleius, die auch unter dem Titel ›Der goldene Esel‹ bekannt sind80. Dieser antike 77 Sie sind bezeichnet als Placentia (Piacenza), Parma, Pergamum (Bergamo), Novaira (Novara), Ast (Asti),

Laude (Lodi), Brixia (Brescia), Cremona, Cum (Vomo), Vercelli, Bobium (Bobbio), Crema. Luchino eroberte Asti, Bobbio und Cremona 1341. Die restlose Einnahme von Parma gelang erst 1346; möglicher Weise ist dies als Terminus post quem zu werten. Vgl. AVRIL – GOUSSET, Manuscrits enluminés Vol. 3,2, 2012, Nr. 37, S. 98. 78 Die Rautenleiste ist hier aus Versehen (?) nicht vergoldet worden und die Schlange nur in der Vorzeichnung angelegt. 79 WOLTERS, Scultura veneziana 1976, Kat. 49, S. 178–179, zur umstrittenen Autorschaft Filippo Calendarios S. 40, 172–178; LERMER, Dogenpalast 2005, S. 229–234, zur Datierung 1342–1348 und zur Künstlerfrage S. 49–60; LERMER, Besiegelung 2009, passim. 80 Rom, Bibl. Vat. Lat. 2194, Vedere i Classici 1996, Nr. 51, S. 267–268. Vgl. Kap. Stilkritische Einordnung S. XXX. Zu Bartolomeo di Bartoli ORLANDELLI 1964, S. 559–560.

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2. DER AUFTRAGGEBER BRUZIO VISCONTI UND SEINE BÜCHER

Roman mit seiner ein wenig phantastischen Handlung, die mit zahlreichen ironisch-komischen Brechungen durchsetzt ist, wurde in den Jahren um 1300 erst wiederentdeckt, als die Kopie einer Handschrift aus Montecassino nach Norditalien gelangte. Dort lässt sich ab 1320 die Kenntnis dieses Textes bei einer Reihe von Autoren nachweisen. Giovanni Boccaccio hat ihn in den dreißiger Jahren in Neapel gelesen. Francesco Petrarca erwarb 1343 einen reich illustrierten Kodex mit den Schriften des Apuleius, die er ausführlich annotierte81. Es handelt sich also um einen ausgesprochen aktuellen Text, der in diesen Jahren von den führenden Intellektuellen Oberitaliens intensiv rezipiert wurde. Die Handlung wurde zumeist autobiographisch gelesen und als moralisch ethisches Lehrstück verstanden, was durch den religiösen Schluss, in welchem sich der Ich-Erzähler nach den zahlreichen Prüfungen dem Dienst der Göttin Isis weiht, zusätzlich nahegelegt wurde. Von daher passt dieser Text auch gut in das Interessensprofil des Bruzio Visconti. Die Handschrift ist prächtig ausgestattet und mit einem aufwendigen Frontispiz versehen, dem zudem ein Widmungsgedicht gegenübergestellt ist. Dieses Sonett des Bartolomeo di Bartoli füllt in einer großformatigen Zierschrift mit sorgfältigen Fleuronné Initialen zu Beginn der Strophen die gesamte Seite. Gleich zu Anfang werden hier die drei theologischen Tugenden aufgerufen, die auch in der Initiale der Titelseite agieren. Dort kniet Bartolomeo wie ein Autor mit dem geöffneten Buch in den Händen vor dem thronenden Bruzio. Die Tugenden Liebe, Glaube, Hoffnung treten als geflügelte Gestalten auf und protegieren den Buchhersteller. Die Liebe spielt dabei eindeutig die Hauptrolle, denn sie blickt dem Fürsten in die Augen und weist ihn auf den Knienden hin. Von ihrem Herz gehen in beide Richtungen Strahlen aus, welche die beiden Protagonisten treffen. Am vorderen Rand sitzt zudem als klassisches Symbol der Treue ein Hund, welcher in seiner Körperhaltung ganz dem Bartolomeo zugewandt ist, doch wendet er seinen Kopf zu Bruzio. Ganz offensichtlich wird hier eine enge und zuverlässige Beziehung zwischen den beiden beschworen, die dem Entwerfer dieser Miniatur, also vermutlich Bartolomeo di Bartoli besonders wichtig war. In der Widmung, die unmittelbar darüber zu lesen ist, bezeichnet er sich denn auch als Familiaris. In der Mitte der unteren Marginalie sieht man einen großen Vielpass, in dem die vier Kardinaltugenden das Wappen des Bruzio präsentieren. Die aufwendige Bekrönung wiederholt das Motiv der Visconti-Schlange. Von oben stößt ein Engel herab, der eine goldene Krone über das heraldische Emblem hält. Weitere Wappen sind am oberen Rand der Seite zu sehen. In der Mitte handelt es sich um das allgemeine Wappen der Visconti ohne weitere Spezifizierungen; in den Ecken sind es diejenigen der aktuellen Fürsten von Mailand, des Bischofs Giovanni und des Vaters Luchino82. Mit Hilfe der Heraldik wird hier für Bruzio eine herausragende Position innerhalb seiner Familie inszeniert. Darüber hinaus aber huldigen ihm beziehungsweise seinem Wappen sämtliche Tugenden in großer Ehrerbietung und führen ihn so als einen idealen Herrscher vor.

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HAIG GAISSER, Fortunes of Apuleius, 2008, S. 76–82. Die Handschrift Petrarcas heute Rom, Bibl. Vat. lat. 2193, Vedere i Classici 1996, Nr. 53, S. 268–274. 82 Das Wappen des Giovanni zeigt zusätzlich Petrusschlüssel, Mitra und Bischofsstab, das des Luchino ist kombiniert mit den blauen Diagonalstreifen seiner dritten Frau aus der Genuesischen Familie de Fieschi. In der unteren Marginalie ist noch zweimal ein Wappen zu sehen, das einen blauen Bogen auf Goldgrund zeigt. Hierbei könnte es sich um ein zusätzliches Zeichen des Bruzio handeln.

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Der Bildschmuck dieses Prunk-Kodexes, der wieder dem Bologneser Werkstattkontext des »Meisters von 1346« entstammt, beschränkt sich nicht auf das Frontispiz. Jedes der elf Bücher der Metamorphosen wird durch eine figürliche Initiale eingeleitet. In verdichteter Form werden hier von den Malern zentrale Momente der Erzählung visualisiert83. Dies setzt eine Auseinandersetzung mit dem Text voraus und deutlich wird dabei eine moralische Lesart akzentuiert. Besonders eindrücklich ist die Miniatur zu Buch 11, welche die Rückverwandlung der Hauptperson in eine menschliche Gestalt vorführt. Gezeigt wird ein nächtliches Bad im Meer. Wir sehen eine nackte Gestalt, die von grün-grauem Wasser überströmt ist, worin sich die Mondsichel spiegelt und kleine Fische schwimmen84. Die besonderen Fähigkeiten dieser Werkstatt auch ungewöhnliche Illustrationsfolgen zu realisieren, die sich bei der Gothaer Berchorius-Handschrift so deutlich zeigen, sind bereits hier gut erkennbar. Bartolomeo di Bartoli verfasst in diesen Jahren, 1345–49, ein weiteres Buch für Bruzio Visconti. Es ist ein schmaler Band aus zehn Folia, der eine systematische Ordnung der Tugenden und Wissenschaften enthält. Das Ganze ist allegorisch eingekleidet und zeigt die jeweiligen Personifikationen in großen, aquarellierten Federzeichnungen85. Dahinter steht ein Wandbild, das den Kirchenvater Augustinus als Lehrer des angeblich von ihm gegründeten Ordens und als Inbegriff aller Tugenden und Wissenschaften zeigt. Diese monumentale Bildallegorie dürfte erst unmittelbar zuvor in der 1344 geweihten Kirche der Augustiner-Eremiten von Bologna angebracht worden sein. Sie ist seit langem verloren und kann nur durch Kopien und Reflexe erschlossen werden86. Bartolomeo transferiert dieses neuartige Fresko auf die Seiten seines Buches, in dem er jeder Personifikation eine eigene Seite einräumt. Es handelt sich um ein höchst aktuelles und zugleich anspruchsvolles Bild-Textgefüge, welches das gleiche thematische Feld bedient wie das Kompendium des Luca Manelli. Von Interesse ist hier insbesondere das Titelbild, welches die Begegnung von Autor und Fürst als ein höfisches Treffen inmitten zahlreicher Allegorien inszeniert. Bruzio, dem hier ein ausgesprochen jugendliches Aussehen verliehen wird, ist zu Pferde unterwegs und wird begleitet von Vigor, einem gerüsteten Krieger, und Sensus im Gelehrtengewand. Die weiblichen Personifikationen von Circumspectio und Intelligentia halten sein Pferd am Zügel. Discretio, die Mutter der Tugenden, und Docilitas, die Mutter der Wissenschaften, die als ältere, reife Frauen auftreten, protegieren den knienden Bartolomeo, der sich hier explizit als Autor, compositor operis, bezeichnet. Mit Hilfe der Allegorie wird ein höfisches Idealbild entworfen, das Bruzio als einem gleichermaßen gelehrten wie tatkräftigen Fürsten huldigt.

83 HAIG GAISSER, Fortunes of Apuleius, 2008, S. 82–91. 84 Rom, Vat. Lat. 2194, Fol. 56v; im Text findet die Rückverwandlung erst später unter Mitwirkung des

Isis-Priesters statt. Die Maler ziehen hier zwei zentrale Punkte zusammen. Vgl. HAIG GAISSER, Fortunes of Apuleius 2008, S. 90. 85 Chantilly, Musée Condé, Cod. 1426, ›Canzone delle virtù e delle scienze‹; HANSEN, Bild des Ordenslehrers 1995, S. 61–70, 157–160 (mit älterer Literatur). Der Text der ›Canzone‹ wurde publiziert von DOREZ, Canzone 1904, S. 22–45. Die Handschrift muss vor 1349 entstanden sein, da in der Widmung auch der Name des Luchino Visconti genannt wird, der dann später ausradiert wurde. 86 dazu Hansen, Bild des Ordenslehrers 1995, S. 70–73 und passim.

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2. DER AUFTRAGGEBER BRUZIO VISCONTI UND SEINE BÜCHER

Noch ein viertes Buch lässt sich mit Bruzio Visconti in Zusammenhang bringen. Es handelt sich um eine Abschrift von Augustinus ›De Civitate Dei‹87. Das Frontispiz zeigt in der Initiale den Kirchenvater als Autor. Im Rankenwerk ist viermal das Wappenzeichen des Bruzio zu sehen, die aufsteigende Schlange der Visconti mit dem roten Sarazenen im Maul und der diagonalen Rhombenleiste in Gold. Diese Handschrift ist eine Mailänder Produktion und dürfte vermutlich ein wenig früher, jedoch auch im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts entstanden sein. Dieses Hauptwerk des Augustinus fügt sich ebenfalls ohne weiteres den erschlossenen Interessengebieten des Bruzio ein und verbindet sich auf das Engste mit der ›Canzone delle virtù e delle scienze‹ des Bartolomeo di Bartoli, in welcher der Kirchenvater eine Zentralfigur ist. Die allegorische Auslegung der Metamorphosen des Ovid, die Petrus Berchorius um 1340 in Avignon verfasste, dürfte die Interessen und ethisch philosophischen Neigungen des Bruzio Visconti unmittelbar angesprochen haben. Insofern kann man sich gut vorstellen, dass er sich, sobald er davon hörte, um eine Abschrift bemühte. Die Verbindungen zwischen Avignon und Oberitalien waren so eng, dass die Kunde von dem neuen Werk des Berchorius sich zügig verbreiten konnte. Der Text, den man dann in Bologna kopierte, besaß einen falschen oder auch gar keinen Autorennamen. In die Abschrift trug man denjenigen des Dominikaners Thomas Waleys (gest. 1349) ein, der gleichfalls einige Jahr in Avignon tätig war und zuvor in Bologna gelehrt hatte. Zahlreiche Fehler lassen daran denken, dass man sich bei der Textredaktion nicht genügend Zeit genommen hatte, da der Geldgeber vielleicht auf eine zügige Fertigstellung drängte88. Jedenfalls geht der Auftrag für die reich illustrierte Prunkausgabe an die gleiche Gruppe von Malern und Schreiber in Bologna, die auch zuvor schon für Bruzio gearbeitet hatten. Insbesondere bei der Apuleius-Handschrift hatte ja diese Werkstatt ihre Fähigkeiten bei der Visualisierung komplexer Erzählungen bereits unter Beweis gestellt. Gearbeitet wurde an dem Ovid-Kodex wohl vor allem in den Jahren 1347–48, denn der Tod des Luchino im Januar 1349 und der darauf folgende Sturz des Bruzio samt seiner Flucht ins Veneto hat dann vermutlich zum Abbruch des ehrgeizigen Projektes geführt, als erst etwa ein Drittel der Miniaturen zur Ausführung gekommen war. Bemerkenswerter Weise war Bruzio Visconti offenbar immer auf der Suche nach aktuellen Texten, die Material für einen ethischen und philosophischen Diskurs bereitstellten, seien sie nun neu verfasst oder kürzlich wiederentdeckt. Auch allegorische Bildentwürfe wie die Venezia-Darstellung am Dogenpalast oder das Augustinus-Fresko aus Bologna gehörten dazu. Er war bestrebt, bei diesen Fragen auf der Höhe der Zeit zu sein, und sein spezielles Interesse richtet sich dabei auf antike Autoren. Sie spielen im Kompendium des Luca Manelli die Hauptrolle und deswegen geriet auch Apuleius sowie der ›Ovidius moralizatus‹ des Petrus Berchorius in seinen Blick. Seine Lektüren dürften generell unter moralisch-allegorischen Vorzeichen gestanden haben, was sich auch in seiner eigenen Poesie bemerkbar machte. So lässt sich ein interessantes Profil zeichnen, dass einerseits den

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87 Paris, Bibl. Nat. Cod. lat. 2066, AVRIL – GOUSSET, Manuscrits enluminés, 2005, Vol. 3,1, Nr. 3, S. 28.

Gelegentlich wird auch die Handschrift Rom, Bibl. Vat. Ms. Urb. Lat. 655, welche die Komödien des Plautus enthält, mit Bruzio in Verbindung gebracht, da im Frontispiz ebenfalls das Wappen der Visconti zu sehen ist. Doch handelt es sich nicht um jene Form, die Bruzio verwendet hat. 88 Gotha, Forschungsbibliothek, Cod.Membr. I 98; zur Textgestalt sowie zum Autor siehe Kap. I und II (Meier).

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

machtbesessenen und prunksüchtigen Fürstensohn mit seiner extremen Form der Selbststilisierung umfasst sowie andererseits den ambitionierten Intellektuellen, der sein ethisches Selbstverständnis an den Autoren der klassischen Antike schult, doch dabei den eigenen Ansprüchen nicht wirklich gerecht wird.

DIETER BLUME

3. Die Bilder und ihr narratives Konzept Das Autorenbild 1

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Die erste Seite, welche den Prolog des Petrus Berchorius enthält, wird von einer Zierleiste gerahmt, die aus einem Wechsel von Vierpässen mit rechteckigen Schmuckfeldern besteht. Diese Rahmenform unterscheidet sich grundlegend von dem offenen Rankenwerk, das weiter hinten die einzelnen Bücher der Metamorphosen einleitet. Hier wird offenbar bewusst eine Differenzierung vorgenommen, um die verschiedenen Teile, den Prolog und die Beschreibung der antiken Götter einerseits sowie die Interpretation der Metamorphosen andererseits, voneinander abzusetzen. In den Vierpässen befanden sich die heute ausgekratzten Wappenzeichen der Visconti. In den Ecken sind aber noch die Büsten von vier Dominikanern zu sehen, die auf die figürliche Eingangsinitiale hin orientiert sind. Diese Initiale ist als ein gerahmtes, quadratisches Bildfeld gestaltet, das über dreizehn Zeilen reicht und den Autor an seinem Schreibpult zeigt. Es handelt sich dabei um den Dominikaner Thomas Waleys aus Oxford, der im rubrizierten Incipit darüber fälschlicher Weise als Autor genannt wird89. Vor ihm liegt ein aufgeschlagenes Buch, in den Händen hält er Feder und Messer, die Instrumente seiner Tätigkeit. Zu Füßen seines Arbeitstisches sitzen zwei weitere Mönche in kleinerem Maßstab, die ihrerseits Bücher auf Pulten vor sich haben. Damit wird hier der Typus des Professorenbildnisses aufgerufen, das den Gelehrten an seinem Katheder umgeben von Schülern vorführt90. Die vier Dominikaner in den Ecken des Rahmens erweitern diesen Kreis von Zuhörern. Für ein Autorenbild macht diese Ergänzung im Grunde wenig Sinn, doch erhöht sie ohne Frage den Status des Dargestellten. Eine Reminiszenz an die Lehrtätigkeit des Thomas Waleys in Bologna mag hier mitschwingen. Seitlich des Autors befindet sich zudem eine Gruppe von Laien. Der Vorderste, der im Profil zu sehen ist, trägt ein vornehmes zeitgenössisches Gewand mit übergezogener Kapuze. Er hat eine Hand auf die Schulter des Thomas Waleys gelegt, der sich ihm mit leichter Kopfneigung zuwendet. So entsteht zwischen beiden eine intensive Kommunikation. 89 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 1r, Zeile 1–3: Incipiunt moralitates magistri Thome de Anglia super libros

Methamorphoseos. Thomas Waleys studierte in Oxford, lehrte von 1326/27 bis ca. 1331 bei den Dominikanern in Bologna. Danach war er in Avignon, wo er 1333/34 belegt ist. Er starb 1349 in Oxford. M. GERWING in: Lexikon des Mittelalters, Stuttgart 1999, Bd. VIII, Sp. 1967; SMALLEY, English Friars 1960, S. 75–108. Vgl. S. 20–22. 90 Ab etwa 1318 findet sich dieses Bildformular in Bologna auf den Gräbern von Gelehrten ebenso wie in Rechtshandschriften. GRANDi, Monumenti dei Dottori 1982, passim; HANSEN, Bild des Ordenslehrers 1995, S. 37.

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3. DIE BILDER UND IHR NARRATIVES KONZEPT

Bei der Gestalt im Profil kann es sich nur um den antiken Autor Ovid handeln, der den Dominikaner des 14. Jahrhunderts ermuntert und autorisiert, sein Werk zu kommentieren. In diesem Zusammenhang dürften die drei barhäuptigen Personen, die am linken Bildrand hinter Ovid stehen, gleichfalls antike oder jedenfalls ältere Schriftsteller bezeichnen, die sich mit den Metamorphosen befasst haben. Im Text des Prologes werden beispielsweise Fulgentius, Alexander und Servius genannt, welche den Literalsinn der Fabeln besprochen hätten91. Im Bild wird damit eine Legitimationskette vorgeführt, die von Ovid und seinen antiken Kommentatoren über den Autor des vorliegenden Traktates bis zu den Lesern reicht, die in Form der dominikanischen Schüler präsent sind. Doch enthält dieses Initialbild noch eine weitere Ebene, denn der Buchstabenkörper des ›A‹ wird allein von zwei Engeln in rosa Gewändern gebildet. Sie stehen leicht nach vorne gebeugt rechts und links des Schreibpultes. Ihre golddurchsetzten Flügel haben sie aufgespannt, so dass diese sich oberhalb der Köpfe der Hauptpersonen berühren. Ihre Hände sind durch eine goldene Ranke verbunden, welche den Querbalken des Buchstabens markiert. Auf diese Weise isolieren sie sehr subtil den Autor und Ovid in einer Art Kreisform; so betonen sie die Verbundenheit der beiden und stellen gleichsam einen christlichen Rahmen für die Auseinandersetzung mit der heidnischen Dichtung zur Verfügung. Zugleich halten die Engel aber auch die Platte des Tisches; sie stützen damit ganz direkt die Arbeit des Autors. Die allegorische Ausdeutung der Metamorphosen wird durch die Präsenz der Engel im Grunde kirchlich sanktioniert und es wird in aller Deutlichkeit die Übereinstimmung mit der christlichen Theologie unterstrichen. In vergleichbarer Weise wird auch im Prolog gleich zu Anfang ein Vergleich zur Heiligen Schrift gezogen. Wie bei den Gleichnissen der Bibel müsse aus den Fabeln und Erzählungen ein moralischer Sinn gezogen werden, damit dann am Ende die Unwahrheit gezwungen wird, der Wahrheit zu dienen92. Nicht umsonst beginnt der Text zudem mit einem Zitat des Apostel Paulus93. Die Spannung zwischen antiker, heidnischer Poesie und christlicher Interpretation, die im Prolog angesprochen wird, ist auf höchst intelligente Weise auch in das Initialbild eingegangen. Die Anwesenheit all der Dominikanermönche auf dieser ersten Seite erinnert darüber hinaus an die ursprüngliche Intention des Petrus Berchorius, ein Handbuch für Prediger zusammenzustellen, obwohl der prunkvolle Kodex aus Gotha für einen höfischen, dezidiert profanen Kontext konzipiert wurde.

Die Bilder der Metamorphosen Geplant waren 284 Miniaturen, die als eigens gerahmte Bilder mit Goldgrund in den zweispaltig geschriebenen Text eingeschoben sind. Ausgeführt wurde davon nur etwa ein Drittel.94. Auch die Darstellungen der heidnischen Götter, die zu dem eigenständigen Traktat ›De formis figurisque deorum‹ am Anfang der Abhandlung gehören, sind nicht in Angriff

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Berchorius, Ovidius moralizatus Prolog, fol. 1rb, Zeilen 12 f.: de litterali fabularum intellectu iam plurimi tractaverunt, scilicet Fulgentius, Alexander, Servius. 92 EBD. Prolog, fol. 1ra, Zeilen 18 f.: quod plerumque fabulis, enigmatibus et poematibus est uendum, ut exinde moralis sensus extrahatur et falsitas veritati famulari cogatur. 93 Paulus, 2 Timotheus 4,4: »Etliche werden ihre Ohren von der Wahrheit abwenden, sich aber den Fabeln zuwenden.« Zum Prolog vgl. auch Kap. II. 1. 94 Fertig gestellt wurden zwei Lagen mit 76  Miniaturen (9r–17v sowie 18r–25v); in der folgenden Lage (26r–33v) wurden noch 25 Bilder angelegt und zwei weitere grob vorskizziert. 91

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

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genommen worden. (Fol. 1v-8v) Auf einer neuen Lage beginnt anschließend die Kommentierung der Metamorphosen. Eine farbige Akanthusranke, die von Vögeln belebt ist, fasst diese Seite ein. Sowohl in der Ranke wie in einer langgezogenen Initiale in Dreiecksform war ursprünglich das Wappen der Visconti zu sehen, welches heute übermalt ist. Die gerahmten Bilder stehen jeweils vor den zugehörigen Textabschnitten. Petrus Berchorius untergliederte die Erzählungen Ovids gemäß der scholastischen Methode in kleinere Unterkapitel, die den Handlungsschritten entsprechen. Sie werden knapp paraphrasiert und dann zumeist mehreren allegorischen Deutungen unterzogen. Die Bologneser Buchwerkstatt plant für alle diese Abschnitte jeweils ein Bild, so dass in der Regel zwei bis drei Miniaturen auf einer Seite zu finden sind. Die Maler konzentrieren sich dabei auf den narrativen Gehalt, den Literalsinn und greifen dafür an vielen Stellen auch auf Einzelheiten zurück, die in der Zusammenfassung des Berchorius gar nicht vorkommen. So lässt sich anhand der Bilder die Erzählung gut verfolgen. Diese Bilder ergänzen den Text in entscheidender Weise, indem sie den knappen Paraphrasen eine anschauliche Darstellung hinzufügen und damit der von Ovid geschilderten Geschichte gegenüber der Ausdeutung mehr Gewicht verleihen. Insofern treffen wir hier ein intensives Wechselspiel von Bild und Text. Ein besonderes Interesse bringen die Maler zudem den Prozessen der Verwandlungen entgegen; mit viel Phantasie zeigen sie die Metamorphosen in ein Tier oder eine Pflanze. Dabei wird auch ein Naturinteresse spürbar, das in ganz Oberitalien für die intellektuelle Kultur dieser Jahrzehnte charakteristisch ist. Für ein genaueres Verständnis ist es notwendig, einen Teil der Miniaturen detailliert zu besprechen und ihr narratives Konzept zu untersuchen. Die durch den Text vorgegebene Reihenfolge wird dabei eingehalten, so dass sich eine Gliederung ergibt, die gewissermaßen einem imaginären Blättern in dem prunkvollen Kodex entspricht. Berchorius übergeht den Anfang der Metamorphosen, der von der Entstehung der Welt und der Abfolge der Zeitalter erzählt, und beginnt mit den Folgen der großen Flut, als Deucalion und Pyrrha auf Geheiß der Götter ein neues Menschengeschlecht aus Steinen erschaffen95. Die Maler entwerfen dafür ein polyszenisches Bild und fassen mehrere Phasen des Geschehens in einem Landschaftspanorama zusammen. Die Mitte der Miniatur füllen noch die Wassermassen der Flut, eine versunkene Stadt und ein gekentertes Schiff erinnern an die Katastrophe; zahlreiche Fische tummeln sich in diesem Meer. Im Hintergrund betet das überlebende Paar vor dem Tempel der Themis, der einer Kirche gleicht. Über dem Altar schwebt mit ausgestrecktem Weisegestus die Göttin. Auf dem vorderen Uferstreifen stehen einander zugewandt Deucalion und Phyrrha und werfen wie befohlen Steine, jene »Knochen der großen Mutter« hinter sich. Aus den Steinbrocken schälen sich nackte menschliche Gestalten hervor und zwar wie im Text beschrieben links hinter dem Rücken des Mannes männliche und rechts hinter dem Rücken der Frau weibliche. Deutlich lassen sich verschiedene Phasen der Verwandlung erkennen. Große Sorgfalt wurde zudem auf die Einbettung in eine natürliche Umgebung verwandt. So bedecken ganz unterschiedliche Pflanzen den Boden. Der Maler entwirft hier eine anschauliche, leicht aufsichtige Darstellung einer Meeresküste. Das Geschehen entwickelt sich aus dem Hintergrund heraus

95 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 9ra; Ovid, Met. I, 317–415; Berchorius I,1. Vergleiche jeweils auch den Katalog

der Miniaturen, Kap. III. 4 (Smout).

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3. DIE BILDER UND IHR NARRATIVES KONZEPT

nach vorne und die einzelnen Erzählschritte sind dabei durch Landschaftselemente getrennt. Diese Merkmale kennzeichnen die Mehrzahl der Miniaturen. In der zweiten Spalte dieser Seite folgt leicht versetzt die Erzählung von der Schlange Phyton sowie dem Zwist von Apoll und Amor96. Der Maler hat das Bildfeld wieder in zwei Zonen geteilt, um von hinten nach vorne die Etappen der Handlung zu entfalten. Der von der Flut noch feuchte und deshalb dunkle Grund der Erde, aus dem zahlreiche Schlangen und Kröten hervorkommen, ist mit Schilfartigen Pflanzen bewachsen. Links auf einem Felsen sitzt eine vornüber gebeugte Gestalt, welche den riesigen Python aus dem Erdreich hervorzieht. Sie ist nur in Grautönen gehalten und gehört deshalb einer anderen Realitätsebene an. Es handelt sich um die feuchte Erde, terra humida, welche den Python gebiert97. Rechts oben schwebt die Lichtgestalt des Sonnengottes in einem goldenen Strahlenkranz. Er schießt einen Pfeil auf Python ab, der zu Tode getroffen ein zweites Mal annährend in der Bildmitte zu sehen ist. In der unteren Bildebene rächt sich Amor für den Spott des Apolls und verwundet ihn mit einem Liebespfeil. Daphne aber trifft er mit einem dunklen, bleiernen Pfeil. Die Wirkung dieser Pfeile ist an den Gesten der beiden Protagonisten abzulesen. Apoll schaut zu Daphne und streckt begehrend seine Hand aus. Daphne aber wendet sich ab, hebt abwehrend die Rechte und verweist wie zur Erklärung mit der Linken auf den dunklen Pfeil in ihrer Brust. Das Blut aus der Wunde fließt über ihr Kleid und zeigt die Schwere ihrer Verwundung an. Apoll ist auch in dieser Szene eine rötlich-goldene Lichtgestalt im Strahlenkranz, die nur mit einem Tuch leicht bekleidet ist. Er kommt in einem antikischen Habitus daher und seine Göttlichkeit kann nicht übersehen werden. Das zeichnet ihn in diesen Miniaturen vor den anderen Göttern aus, die in zeitgenössischen Gewändern auftreten. Amor hingegen besitzt langes blondes Haar und trägt einen antikischen Brustpanzer, wie er in der Malerei dieser Zeit häufig verwendet wird. Auffälliger Weise hat der Maler nicht jene seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts etablierte Amor-Ikonographie gewählt, die den Liebesgott nackt, mit Flügeln, zuweilen auch mit Augenbinde und Vogelkrallen zeigt98. Es ist möglich, dass dies auf den Auftraggeber Bruzio Visconti zurückgeht, welcher ja der verbreiteten Liebespoesie, mit der diese Ikonographie verbunden ist, eher kritisch gegenüber stand99. Berchorius widmet der berühmten Fabel von Apoll und Daphne zwei weitere Abschnitte und so konzipiert der Maler auch zwei weitere Miniaturen, die auf der nächsten Seite am unteren Rand der Spalten nebeneinander stehen. So entsteht in den drei Bildfeldern ein regelrechter Zyklus, der dem Betrachter und Leser die dramatische Geschichte vor Augen führt. Im ersten der beiden Bilder kommen ebenfalls zwei zeitlich aufeinander folgende Handlungsschritte zur Darstellung, die durch die Landschaftsszenerie klar voneinander abgesetzt sind. Links verfolgt Apoll auf einem leicht abfallenden, mit Blumen bewachsenen Hang seine Geliebte, die sich ängstlich nach ihm umdreht. Nachwievor steckt der bleierne Pfeil in ihrer Brust. Rechts hat Daphne die Erdgöttin Tellus um Hilfe angerufen und die

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96 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 9rb; Ovid, Met. I, 416–473; Berchorius I,2. 97 Beim Nachziehen des Kontur und der Gesichtszüge mit schwarzer Farbe hat der betreffende Maler verse-

hentlich einen schütteren Bart angedeutet und damit die Identifizierung der Gestalt verunklärt. 98 Dazu siehe BLUME, Amor 2018. 99 Siehe Kap. III. 2.

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Verwandlung in den Lorbeerbaum hat bereits begonnen100. Erstaunt blickt Apoll, der hinter dem Felsvorsprung hervorkommt auf diese Szene. Tellus steht hinter Daphne und hat sie schützend an den Hüften umfasst. Mit geneigtem Kopf wendet sie sich dem Verfolger zu. Daphne widmet Apoll einen letzten, intensiven Blick. Sie hat die Arme über den Kopf erhoben, die sich bereits in Zweige verwandeln und schon eine veritable Baumkrone ausgebildet haben. Die Wunde in ihrer Brust, in der weiterhin der Pfeil steckt, blutet ununterbrochen. Die Erdgöttin in ihrem dunkelblauen Gewand, das mit goldenen Borten verziert ist, erinnert trotz fehlendem Schleier und fehlendem Nimbus an die Gottesmutter, mit der sie die schützende Rolle teilt. So lässt der Maler hier eine allegorische Interpretation anklingen, die im Text gar nicht zu finden ist101. Denn Berchorius vergleicht Apoll mit dem Teufel und den Erdgott, der in der Ausdeutung auf einmal männlich ist, mit Christus. Vielleicht ist dem Maler diese Inkonsistenz aufgefallen und er hat deshalb korrigierend einen Marienbezug andeuten wollen. Der Bedeutung des Lorbeers widmet Berchorius einen eigenen Abschnitt und so gibt es in dieser Handschrift noch eine Schlussszene. Liebend umarmt Apoll die in einen Baum verwandelte Daphne. Ihr Gesicht ist noch erkennbar, doch geht ihr Blick nun nach oben in eine unbestimmte Ferne. Weiterhin steckt der Pfeil in ihrer Brust, es tritt aber kein Blut mehr aus; die Wunde hat sich geschlossen. Der Sonnengott, der hinter dem genau in der Bildmitte aufragenden Baum steht, umarmt und küsst diesen zärtlich liebend, so formuliert es Berchorius. Bei Ovid fühlt er unter der frischen Rinde sogar noch das menschliche Herz schlagen102. Berchorius schiebt erst jetzt den Aufstand der Giganten und die Geschichte des grausamen Lykaon ein, die in den Metamorphosen noch der großen Flut vorausgeht. Den drei Abschnitten der Fabel des Lycaon entsprechen drei Bilder, die auf einer Seite Platz finden und auch kompositorisch in einem Zusammenhang stehen. (Fol. 10v) Zunächst geht es ganz oben in der ersten Spalte um den Rat der Götter, der in einer zwei geteilten Darstellung zu sehen ist103. Unten blickt man in den Arkadenhof eines Palastes, in dem Jupiter die ankommenden Gäste begrüßt. Oben im Saal, der sich üblicher Weise im ersten Stockes der fürstlichen Residenzen befindet, sitzen die Götter an einer langen Tafel zu beiden Seiten des zentral positionierten Göttervaters. Berchorius schreibt explizit, dass alle Götter geladen waren. Doch der Maler zeigt allein die sieben Planetengötter, die damals den Menschen aus astrologischen Zusammenhängen vertraut waren. So fehlen beispielswiese zentrale Figuren wie Neptun, Pluto und Demeter. Auch hält er sich genau an jene seinerzeit verbreitete Ikonographie der Planeten, die um 1300 in Oberitalien geprägt wurde104. Jupiter tritt im Habitus eines Richters oder Professors auf mit Pelzbesetzter Kappe und rotem, Pelz gefütterten Mantel. Saturn ist ein Bauer in einfacher Kleidung mit Sonnenhut, Sense und Sichel. Mars ist ein mit zahlreichen Waffen ausgestatteter Krieger in zeitgenössischer Rüstung, der zudem eine Armbrust geschultert hat, eine moderne und damals sehr gefürchtete Waffe, die als Attribut des Mars auch in dem einflussreichen Astrologie-Traktat des Michael Scotus Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 9va. Bei Ovid wendet sich Daphne an ihren Vater, den Flussgott Peneios Met. I, 544–546. Berchorius jedoch spricht von der Erdgöttin Tellus, I, 3. 101 Vgl. zu den Allegorie-Bezügen der Miniaturen auch SMOUT, Naturalisierte Allegorie 2019. 102 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 9vb; Ovid, Met. I, 553–555; Berchorius I, 4. 103 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 10va; Ovid, Met. I, 165–208; Berchorius I, 7. 104 Dazu ausführlich BLUME, Regenten 2000, S. 52–104. 100

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genannt wird105. Venus ist eine Frau, die ihre Schönheit im Spiegel betrachtet. Von Mercur können wir nur das Gesicht erkennen, doch oben an der Tafel sieht man, dass er als Mönch eine Tonsur besitzt. Auch dies entspricht den Ausführungen des Michael Scotus. Diana ist durch die Mondscheibe in ihren Händen und die Mondsichel auf ihrem Kopf als Göttin des erdnächsten Planeten ausgewiesen. Apoll tritt als jene Strahlen umkränzte Lichtgestalt auf, die wir schon kennengelernt haben, und ist von daher ohnehin mit dem Tagesgestirn zu identifizieren106. Auch die Reihenfolge, in der die Götter sich Jupiter nähern, entspricht weitgehend der kosmologischen Anordnung der Planeten, die von Saturn über Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Mercur zum Mond reicht. Nur die Sonne ist hier hinter die Venus gerückt, ist aber deutlich sichtbar im Vordergrund platziert. Es ist nun nicht verwunderlich, dass sich der Maler einer eingeführten Ikonographie bedient, doch ist bemerkenswert, dass ihm Darstellungen, die den von Berchorius zusammengetragenen Beschreibungen im vorderen Teil der Handschrift entsprechen, nicht zur Verfügung standen und er auch nicht den Versuch unternahm, Figuren zu entwickeln, die sich auf diese mythographischen Angaben beziehen. Es scheint so, als seien die Maler diesem Problem zunächst ausgewichen. Von daher ist es vielleicht nicht nur dem plötzlichen Abbruch der Arbeiten geschuldet, dass die Miniaturen in dem Göttertraktat nicht ausgeführt wurden, da ja in dieser Lage die Titelseite mit dem Autorenbild sorgsam vollendet wurde107. Direkt unter dem Rat der Götter in der Miniatur am Ende der gleichen Spalte wandelt Jupiter in Menschengestalt, wie Berchorius betont, auf der Erde und besucht den Tyrannen Lycaon108. Der Göttervater schreitet links einen bewachsenen Hang hinab; über ihm erscheint im Goldgrund ein kleines Stück blauer Himmel, das Strahlenartig nach unten ausfranst. Durch diese Öffnung ist er herabgekommen und die Bewegung seines Abstiegs ist in dieser Form noch präsent. Jupiter trägt jetzt ein goldenes Diadem und goldene Strahlen umgeben sein Haupt. Das rote Gewand hat jetzt statt des Pelzbesatzes einen goldenen Saum. Sein Vollbart ist deutlich voller und länger als im Bild darüber, zudem hält er seine Rechte mit zwei ausgestreckten Fingern wie bei einem Segensgestus vor der Brust. So gleicht er Christus und dies entspricht der Ausdeutung des Berchorius, der natürlich auf den Mensch gewordenen Gottessohn verweist. Doch gleichzeitig dürfte der Entwerfer sich auch an den Text des Ovid erinnert haben, wo es ausdrücklich heißt, daß Jupiter Zeichen eines Gottes gab, als er sich dem Palast näherte, und dass das Volk schon begann zu beten109. Immer wieder lässt sich bei der Analyse dieser Bilder feststellen, dass wichtige Einzelheiten, die bei Berchorius gar nicht vorkommen, aus den Versen des Ovid übernommen werden. Die Konzeption dieser Illustrationen muss also in einem Abgleich mit dem Orginaltext der Metamorphosen erfolgt sein oder zumindest durch eine Person, die dieses Hauptwerk Ovids sehr genau kannte. Jupiter geht auf den zweistöckigen Palast zu, der die rechte Bildhälfte einnimmt. Durch Arkaden blicken wir in das Untergeschoß. Dort steht Jupiter mit Strahlenkranz um das 105 106 107 108 109

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ACKERMANN, Sternstunden 2009, E 22, S. 262–263; BLUME, Regenten 2000, S. 55–63; BLUME – HAFFNER – METZGER, Sternbilder 2016, S. 38–40. Die gleiche Ikonographie findet auch auf Fol. 21va Verwendung, wo sich die Götterschar, über die im Bett gefesselten Ehebrecher Mars und Venus lustig machen (Abb. 83). Zu den Götterbildern siehe Kap. IV. 3 (Smout). Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 10vb; Ovid, Metamorphosen I, 209–239; Berchorius I, 8. Ovid, Metamorphosen I, 220–221.

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Haupt und erhobenen Zeigefinger vor dem Tyrannen. Dieser jedoch ist nur als breite Rückengestalt zu sehen und sein Kopf wird dazu noch von einem Pfeiler überdeckt. Er hat beide Arme in die Hüften gestemmt und signalisiert damit sein Misstrauen. Im Obergeschoß liegt Jupiter im Gastbett, während Lycaon versucht, ihn mit einem Schwert zu ermorden. Die Strafe folgt auf dem Fuß, denn sein Kopf ist bereits der eines Wolfes. Als Wolf verlässt er anschließend seinen Palast über eine Brücke. Der vordere Teil seines Körpers wird dabei von dem Berghang verdeckt. Doch am unteren Bildrand steht er als Wolf mit gefletschten Zähnen unter Bäumen. So sind auf der linken Seite der an Christus assimilierte Jupiter und der grausame Wolf als Gegensatzpaar mit unterschiedlicher Bewegungsrichtung übereinander positioniert und markieren Anfang und Ende der Handlung. Wir haben es mit einer extrem vielfältigen, polyszenischen Komposition zu tun, die fünf Phasen des Geschehens in einem Bild vereinigt. Der Betrachter wird in einer kreisförmigen, sich überkreuzenden Bewegung von oben links nach rechts unten in den Palast geführt, in diesem dann nach oben und von dort diagonal nach links unten. Trotz des kleinen Formates von bloß 9,1 × 8,2 cm gelingt dem Maler hier eine komplexe Bildanlage, in der sich die zeitliche Folge der Handlung auf nachvollziehbare Weise entfaltet. Berchorius schildert das Frevelhafte Gastmahl des Lycaon, bei dem dieser dem Göttervater das Fleisch eines Gefangenen als Essen zubereitet, in einem eigenen Abschnitt110. Die betreffende Miniatur steht in der Mitte der rechten Spalte und gibt Einblick in den Palast des Tyrannen. Insofern ist sie gleichsam eine Erweiterung der vorangehenden Miniatur, die auf der gleichen Seite links unterhalb zu sehen ist. Im Hof des Gebäudes befiehlt Lycaon die Ermordung des Gefangenen, der dann links in der Küche gekocht wird. Über eine Treppe bringt ein Diener diese kannibalische Speise an die Tafel im ersten Stock. Jupiter und Lycaon befinden sich daraufhin in einer Auseinandersetzung, denn sie blicken sich erbost an und deuten mit dem Zeigefinger aufeinander. Als Ergebnis besitzt Lycaon bereits den Kopf eines Wolfes. Das Geschehen entwickelt sich also in den einzelnen Teilräumen der perspektisisch wiedergegebenen Architektur von unten nach oben. Die Bilder dieser Seite sind zudem so konzipiert worden, dass der narrative Zusammenhang zwischen den Episoden ersichtlich wird und dafür nützt man auch die Position der Miniaturen auf dem Blatt. Der Betrachter wandert mit seinen Augen von der Versammlung der Götter zusammen mit Jupiter herab auf die Erde und begibt sich mit diesem in den Palast des Lycaon, wo er am Schluss Zeuge jenes ungeheuerlichen Frevels wird. Gleichsam in der Mitte dieses kleinen Zyklus begegnet ihm in markanter Position links unten die programmatische Konfrontation von Jupiter und dem Wolf, welche die Quintessenz der Erzählung herausstellt. Die Entwerfer dieser Miniaturen besaßen einen ausgeprägten Sinn für den übergreifenden erzählerischen Zusammenhang der von Berchorius einzeln referierten Begebenheiten und waren bemüht mit Hilfe der Bilder diesen Kontext herauszuarbeiten. Ohne eine Kenntnis des Originaltextes der Metamorphosen oder zumindest einer ausführlichen Nacherzählung wäre dies kaum möglich gewesen. Die Liebesgeschichte von Jupiter und Io ist mit sieben Einzelbildern, die sich über drei Seiten verteilen, einer der umfangreichsten Zyklen der Handschrift, denn dieser Mythos wird sowohl von Ovid wie auch von Berchorius ausführlich besprochen111. Das polyszeni110 111

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Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 10vc; Berchorius I, 9. Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 11r–12r; Ovid, Metamorphosen I, 567–749, Berchorius I, 10–16.

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sche Konzept kommt hier nur teilweise zur Anwendung; mehrfach beschränkt sich der Maler stattdessen auf die markante Konfrontation zweier Protagonisten. Im Eingangsbild formt sich die Gestalt der Io, der Tochter des Flußgottes Inachus, ganz anschaulich aus dem Wasser des väterlichen Flusses. Jupiter hingegen konkretisiert sich aus einem blauen Luftzug und stößt von oben herab, um die Geliebte im Kuss zu umarmen. Anders als in den vorhergehenden Bildern ist er hier von jugendlicher Gestalt. An der Seite seines roten Gewandes ist ein wenig vom Pelzbesatz des Gelehrtengewandes zu erkennen. Im Unterschied zu der äußerst knappen Paraphrase des Textes bringt der Maler in großer Anschaulichkeit die Ungleichheit dieser Liebe, die grundverschiedene Welten zu überbrücken sucht, zum Ausdruck. In der zweiten Miniatur setzen dann die folgenreichen Komplikationen ein. Iuno entdeckt den Ehebruch; wir sehen sie links oben in einem gesonderten Himmelssegment mit vor Zorn verzerrten Gesichtszügen, wie sie sich die Haare rauft. Jupiter, der nachwievor in einer Art Sturzflug begriffen ist, verwandelt Io durch seine Berührung in eine Kuh. Ausgesprochen Einfallsreich hat der Maler den Prozess der Verwandlung inszeniert. Ausgehend von den Händen Jupiters schreitet dieser von rechts nach links fort. Am Kopf ist er bereits vollendet, mit den Armen, aus denen die Vorderbeine werden, ist Io zu Boden gegangen. Ihr Oberkörper ist schon entblößt, doch am Unterleib trägt sie noch ihr menschliches Gewand. Während Ovid und Berchorius die Verwandlung nur knapp konstatieren, gelingt in der Illustration eine Veranschaulichung des zeitlichen Ablaufs, welche die ganze Tragik des Geschehens vor Augen führt112. Die dritte Darstellung ist wieder zwei geteilt. Vorne erkennt Io ihre Verwandlung im Spiegelbild des Wassers. Erstaunlich ist der große Naturalismus, mit dem der Maler das Phänomen der Spiegelung wiederzugeben weiß. Ebenso zeugt die Vielfalt der unterschiedlichen Pflanzen, die den Ort des Geschehens als liebliches Tal charakterisieren, von einem ausgeprägten Naturinteresse der Künstler. Weiter hinten erhebt Io verzweifelt ihr Haupt und wendet sich klagend, aber vergeblich an ihren Verführer, der über ihr am Himmel mit beschwichtigenden Gesten erscheint. Im vierten Bild offenbart sich Io ihrem Vater Inachus, der als monochromes Gesicht im Wasserlauf erscheint. Sein Bart geht übergangslos in die Wellen über; dies ist eine ausgesprochen kreative Interpretation seines Charakters als Flussgott. Allen vier Szenen dieser Seite ist die Szenerie eines Flusstales mit einer Vielfalt von Blumen gemeinsam. Dadurch entsteht ein kontinuierlicher Handlungsraum, der diese Miniaturen mit einander verbindet113. Dem folgenden längeren Abschnitt geht eine größere, hochformatige Miniatur voraus, die den Episoden um Argus gewidmet ist. Der Maler hat ein Simultanbild entworfen, in welchem in einem einheitlichen Landschaftspanorama das Geschehen in vier Handlungsschritten von hinten nach vorne entwickelt wird. Zunächst übergibt Iuno die Kuh an Argus, der in einem zeitgenössischen Hirtengewand zu sehen ist und dessen Kopf mit einer Vielzahl von Augen bedeckt ist. Im Mittelgrund betritt Merkur, der einen blauen Überwurf mit Kapuze trägt, die Bühne und schläfert Argus mit Hilfe des Flötenspieles und seines Zauberstabes ein. Im Vordergrund ermordet der Götterbote den Schlafenden und führt Io fort. Der narrativen Abfolge der Szenen wird zusätzlich dadurch Rechnung getragen, dass Iuno oben links in das Bild hereinschwebt und unten rechts Merkur und Io es verlassen. Beide, 112 113

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Ovid, Metamorphosen I, 611 sowie Berchorius I, 11. Allein auf dieser Seite (11r) sind die Protagonistin und ihr Vater mit goldenen Lettern namentlich bezeichnet. Es scheint sich um einen Versuch zu handeln, den man dann wieder verworfen hat.

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sowohl der Gott wie die Kuh, werden dabei vom Rahmen überschnitten und deuten so das fortlaufende Erzählkontinuum an. Die sechste Miniatur widmet sich der glücklichen Rückverwandlung in die menschliche Gestalt. Auch hier zeigt der Maler nicht nur das Ergebnis, sondern auch den schrittweisen Ablauf der Metamorphose. Das Geschehen entwickelt sich aus dem Hintergrund heraus nach vorne, wobei die Szenerie des Flusstales aus den ersten Bildern wieder aufgegriffen wird. Jenseits des Wasserlaufs sehen wir die sich in ein Mädchen verwandelnde Kuh. Ausgangspunkt ist die Berührung Jupiters, der sie zärtlich ans Kinn fasst. Daraufhin hat sich das Rind auf die Hinterbeine erhoben und der nackte Oberkörper gehört wieder einer jungen Frau. Die Hände sind ergeben vor der Brust gefaltet. Im Vordergrund am anderen Ufer steht dann erneut Io in ihrem blauen Kleid aus der ersten Szene auf dem mit Blumen bewachsenen Grund. Den Kopf hat sie schüchtern zur Seite geneigt und die rechte Hand zum Gruß erhoben. Eine abschließende Darstellung zeigt die goldene Büste der Io als strahlenden Stern über der vertrauten Flusslandschaft. Berchorius hat hier den Text des Ovid ergänzt und spricht davon, dass Io am Ende als Stern an den Himmel versetzt wurde. Vermutlich hatte er davon bei Hyginus gelesen, der diese ungewöhnliche Deutung des Tierkreiszeichens Stier beiläufig erwähnt114. Doch fügt sich das natürlich gut in die christliche Allegorisierung ein, die Petrus Berchorius im Sinn hatte. Am Beginn des zweiten Buches zeigt sich deutlich die selektive Vorgehensweise des Kommentators Berchorius. Ovids Schilderung von dem Palast des Sonnengottes mit seinem reichen Bildschmuck fasziniert ihn offenbar, deshalb notiert er eine knappe Zusammenfassung und deutet ihn als Palast der Kirche. Angetan hat es ihm aber vor allen die Figur des wandelbaren Proteus, den Ovid in seiner Aufzählung der dargestellten Meeresbewohner nur knapp erwähnt115. Dieser Deus ambiguus ohne feste Gestalt erinnert ihn an die Schmeichler und Heuchler, denen man innerhalb und außerhalb der Kirche so oft begegnet. Der Maler entwirft ein prunkvolles Gebäude, an dem oberhalb des geöffneten Portals ein Kosmos-Diagramm im Rund des Tierkreises angebracht ist. Eine zweite Miniatur wiederholt diese Architektur in etwas kleinerem Maßstab und zeigt statt des Portals und der Kosmos-Darstellung allein die Figur des Proteus wie eine vergrößerte Einzelheit. Doch wie malt man einen wandelbaren Gott ohne feste Gestalt? Der Bologneser Buchmaler entwirft ein hybrides Mischwesen, bei dem kein Glied dem anderen gleicht und das Merkmale von wenigstens zehn verschiedenen Wesen in sich vereint. Diese bemerkenswerte Bilderfindung geht nun keineswegs auf ausführlichere Beschreibungen des Proteus zurück, wie sie sich beispielsweise bei Vergil finden116. Dahinter steht vielmehr eine künstlerische Tradition. Bologneser Buchmaler haben seit dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts in das schmückende Rankenwerk der Prunkseiten ihrer Kodizes die kuriosesten Mischwesen eingefügt und sich dabei vermutlich auf Horaz berufen, der zu Beginn der ›Ars poetica‹, die Schilderung hybrider Gestalten als Ausdruck künstlerischer Phantasie rechtfertigt117. Ein Berchorius I, 16; HyginuS, De astronomia II, 21, 1. Ovid, Metamorphosen II, 9: Proteaque ambiguum …; Berchorius II, 2: deus ambiguus; zum Palast des Sonnengottes II,1; Gotha Fol. 12v 116 Vergil, Georgica IV, 400 f. dort wird die Verwandlung in einen Eber, einen Tiger, einen Drachen, einen Löwen, eine Flamme und in Wasser geschildert. 117 Horaz, Ars poetica, 1–10; HOFFMANN, Bibel von Gerona 2013, S. 279–288.

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derartiges Wesen ist hier jedoch aus der Marginalie in das Zentrum eines Bildes gewandert und ist zudem in seiner Vielfalt sowie in seiner Monstrosität erheblich gesteigert. Möglichst viele, nahezu alle denkbaren Gestalten sind hier in einer Figur miteinander verbunden und verweisen so auf die zahllosen Verwandlungen, zu denen dieser Gott fähig ist. In der ununterbrochenen Folge der Metamorphosen, die hier angedeutet ist, entsteht zugleich auch ein Sinnbild der Instabilität sowie des Unfassbaren. Für den zeitgenössischen Betrachter stellen sich zumindest beim Skorpion, dem Fledermausflügel, dem Drachenschwanz sowie der Fratze am Bauch negative Assoziationen ein, die mit der Unterwelt und den Teufeln verbunden sind. Das aber ist ganz im Sinne der allegorischen Deutung des Berchorius, der ja hier den Charakter der Heuchler und Schmeichler verkörpert sieht. Die beiden Bilder dieser Seite unterscheiden sich auffällig von den übrigen narrativen Szenen dieser Handschrift und ziehen schon von daher die Aufmerksamkeit der Betrachter auf sich. Der gefährlichen Fahrt, die Apollos Sohn Phaeton mit dem Sonnenwagen unternimmt, widmen sich drei Miniaturen auf der folgenden Seite, die eine eng verzahnte Bildfolge ergeben, welche den Betrachter unmittelbar in den Erzählfluss hineinzieht118. In der ersten Darstellung übernimmt Phaethon den Wagen von seinem Vater und steuert ihn danach rechts aus dem Bild heraus, was die Randüberschneidungen unterstreichen. Er setzt seine Fahrt geradewegs in dem benachbarten Bildfeld fort, wobei er sichtliche Schwierigkeiten bei der Lenkung der Pferde hat, die bereits auseinanderstreben. In bedrohlicher Weise tangiert er die obere Rahmenleiste. Die Konsequenz ist der tödliche Sturz, der sich im dritten Bild ganz am unteren Seitenrand ereignet. Neben den Randüberschneidungen wird auch die Anordnung der Miniaturen auf der Seite geschickt dazu genutzt, die Dynamik des Geschehens zu steigern. Ein weiterer Zyklus von sechs Miniaturen widmet sich dem tragischen Schicksal der Nymphe Callisto119. Ein erstes Bild zeigt die Verführung der Nymphe. Die Landschaft strukturiert wieder die Handlung mit Hilfe der Staffelung verschiedener Ebenen. Den beiden Protagonisten werden zudem verschiedene Bodenfarben zugewiesen. Jupiter kommt in weiblicher Gestalt als Diana zusammen mit seinen Hunden aus einem Wald in der Tiefe des Bildes. Auf der anderen Seite sitzt Kallisto mit ihrem Hund und ruht sich aus. Zwischen beiden befindet sich ein tiefer Einschnitt, der von dem erotischen Blick Jupiters überbrückt wird. Auch einer seiner Hunde, der an den Pflanzen zu Füßen der Nymphe schnüffelt, stellt eine Verbindung her. Die drei Hunde spiegeln zudem die zeitliche Abfolge der Handlung, das Heraustreten aus dem Wald sowie die vorsichtige Annäherung. Das Geschehen kulminiert in der Vereinigung des Paares, die mit heftiger Bewegung vor dem Goldgrund in der Luft zwischen den Hügeln stattfindet. Sowohl Ovid wie Berchorius erwähnen die heftigen Küsse, die zu dieser Umarmung gehören. Neben dem zeitlichen Ablauf wird vor allem auch die emotionale Spannung sichtbar, die dieser Begegnung innewohnt. Juno verwandelt die schöne Callisto, als sie deren Schwangerschaft bemerkt, in eine zottelige Bärin. Das Liebeslager verlegt der Maler in ein blaues Himmelssegment, daneben ist die erboste Juno zu sehen, die dirigierend ihre Arme austreckt. Am Boden steht die verwandelte Callisto, nur ihr menschliches Gesicht ist noch erkennbar. Damit wird nicht nur auf den Prozess der Metamorphose verwiesen, sondern auch deutlich gemacht, dass 118 119

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Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 13r; Ovid, Metamorphosen II, 15–332, Berchorius II, 3–5. Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 14r–15r; Ovid, Metamorphosen II, 409–530; Berchorius II, 10–15.

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die Nymphe in Bärengestalt ihren menschlichen Verstand und ihr Empfinden behalten hat. Das dritte Bild präsentiert dann die ganze Tragik ihrer Existenz. Nachwievor sucht sie die Nähe der Menschen, die aber entsetzt vor ihr fliehen. Oft sitzt sie trauernd vor der verschlossenen Tür ihres ehemaligen Hauses. In der Miniatur ist eine Bewegung von links nach rechts erkennbar, in der sich die Handlung entfaltet. Links befindet sich der dichte und dunkle Wald, den Callisto meidet. In der Mitte sieht man ihren vergeblichen Annäherungsversuch an die Menschen. Rechts als ein Gegenpol zu dem Wald, der ihr offensteht, kauert sie verzweifelt vor der verschlossenen Pforte des hoch aufragenden Hauses. Das emotionale Leid der Nymphe in Bärengestalt wird in dieser antithetischen Komposition, die zwei unmittelbar zusammenhängende Handlungsschritte miteinander verbindet, eindrücklich vor Augen geführt. Arcas, der von Jupiter gezeugte Sohn der Callisto, wird ein Jäger und trifft eines Tages auf seine Mutter in Bärengestalt. Sie erkennt ihn, blickt ihn unverwandt an und will sich ihm nähern. Arcas aber bekommt Angst und legt einen Pfeil ein; doch da greift Jupiter ein und verhindert den Mord an der Mutter. Wieder versteht es der Maler die emotionale Spannung im Bild zu vorzuführen. Auf einer diagonalen Linie entwickelt sich die Dramatik der Handlung. rechts sieht man Callisto, die sich nach links zu ihrem Sohn hin vorwärtsbewegt und ihn mit großen Augen fixiert. Arcas legt den Pfeil ein, hinter ihm drängen sich die kläffenden Hunde mit offenem Rachen. Den Kopf wendet Arcas zurück, da ihn Jupiter an der Schulter berührt. Der Blick des Göttervaters aber geht auf seine ehemalige Geliebte und trifft sich mit dem Blick der Bärin. Dies ist eine Interpretation des Malers, die weder bei Ovid noch bei Berchorius anklingt. Eine weitere Ergänzung des Malers sind die drei Hunde, welche im Vordergrund ein Reh reißen. Damit führen sie drastisch vor Augen, welches Schicksal Callisto erspart blieb. Am Ende versetzt Jupiter beide, Mutter und Sohn, als Sternbilder an den Himmel. Dem ausführenden Maler ist an dieser Stelle offenbar ein Fehler unterlaufen, denn zu sehen ist die Verwandlung in eine Pflanze. Das wurde später korrigiert, aber ohne die gesamte Miniatur zu übermalen. Nur am linken Bildrand wurde ein Bär ergänzt, auf dessen Pelz Sterne leuchten, die dann oben in einem Himmelssegment wieder erscheinen. Berchorius macht zur Geschichte der Callisto noch eine Nachbemerkung, in der er festhält, dass die Nymphe, die in einen Bären verwandelt wurde, die Tochter von Lycaon ist, der ein Wolf war. Die dazu gehörige Deutung lautet, dass die Nachkommen in ihrem Charakter und insbesondere in ihrer Grausamkeit immer den Vätern folgen. Dabei rekurriert er auf einen Vers von Ovid, der weiter oben bei der Schilderung von Callistos Bärenexistenz eingefügt ist: »Auch vor Wölfen erschrickt sie, obgleich doch ihr Vater unter ihnen ist.«120 Die diesen Bemerkungen vorangestellte Miniatur ist eine reine Naturszenerie und präsentiert die wilden Tiere in ihrer normalen Umgebung. Auf dem felsigen Grund wachsen verschiedene Pflanzen, Büsche und Bäume, die sorgfältig differenziert werden. Hinter einem Busch taucht links ein Wolf mit gefletschten Zähnen auf. Rechts aber steht eine Bärenfamilie, die sichtlich verängstigt wirkt. Bei Berchorius ist aber weder von einer Bärenfamilie die Rede noch von der Furcht der Callisto. Die Angst der Nymphe wird nur von Ovid beschrieben. Der Maler reagiert hier offenbar auch auf die von Berchorius angesprochene Charakterähnlichkeit von Eltern und Kindern und zeigt deshalb eine Bärenfamilie, die vor einem 120 Ovid, Metamorphosen II, 495: Pertimuitque lupos, quamvis pater esset in illis.

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Wolf zurückschreckt. Dahinter steht eine eigenständige Auseinandersetzung mit dem Text des Berchorius wie mit den Versen Ovids. Bemerkenswert ist in jedem Fall an diesem Zyklus, in welchem Maße die emotionale Dramatik dieser Geschichte in die Bilder eingegangen ist. Eindrücklich sind auch die Geschichten des Raben und der Krähe ins Bild gesetzt, die Ovid in die Geschichte des Erichthonios einflicht. Der Rabe hatte Apoll die Untreue seiner Geliebten Coronis verraten121. In einer Aufwallung von Wut tötet der eifersüchtige Gott das Mädchen mit einem Pfeil, bereut aber die Tat sofort, ohne allerdings den Tod verhindern zu können. Aus Verzweiflung bestraft er den Raben als Überbringer der verhängnisvollen Nachricht und färbt sein weißes Gefieder schwarz. Im Bild sehen wir Coronis in der Mitte stehen; sie ist vom Pfeil getroffen und sinkt in sich zusammen. Der Nebenbuhler geht nach links fort und nimmt das Geschehen nicht mehr wahr, denn er ist halb vom Rahmen überschnitten, nur sein Rücken ist noch zu erkennen. Links oben sitzt der Rabe im Baum und wird von dem Gott gescholten. Am Kopf hat sich sein Federkleid bereits schwarz verfärbt. Die einzelnen Phasen des Geschehens sind wieder so in einem Bildfeld zusammengefasst, dass sich dem Betrachter die Abfolge unmittelbar erschließt. Links oben dominiert der geschwätzige Rabe die Darstellung, links unten verlässt der Liebhaber die Szene, rechts oben schießt der wütende Apoll den tödlichen Pfeil ab, in der Mitte aber als Angelpunkt der Handlung steht die sterbende Coronis. Kreisförmig kehrt der Blick zum Raben, dem Ausgangspunkt, zurück und nimmt die beschriebene Verwandlung wahr. Die Krähe war einst die schöne Tochter des Coroneus, die von Neptun begehrt wurde, als sie am Strand entlang ging122. Sie fleht um Hilfe; Minerva erbarmt sich ihrer, verwandelt sie in eine Krähe und nimmt sie in ihr Gefolge auf. Der Maler entwirft statt des Meeres einen diagonalen Wasserlauf, aus dessen Wellen sich die dunkle Gestalt Neptuns formt, welche das Mädchen umarmt. Vergeblich hat sie abwehrend die Hände erhoben. Am Himmel erscheint Minerva, gekleidet in den Pelz gefütterten Mantel zeitgenössischer Gelehrter, und vermittelt mit ihrer Gestik zwischen Vorder- und Hintergrund. Rechts sehen wir die allmähliche Verwandlung, die ausgesprochen Phantasievoll in Szene gesetzt wird. Der Kopf besitzt schon Vogelgestalt, die Arme werden zu den Beinen, die Finger spreizen sich bereits zu Krallen, aber die Schwanzfedern haben noch die Farben des modischen Gewandes, welches das Mädchen zuvor trug. Die bekannte Erzählung von der verhängnisvollen Begegnung zwischen Diana und Actaeon wird in zwei großen Simultanbildern entfaltet123. Die dramatischen Ereignisse entwickeln sich entlang der Diagonalachse der ersten Miniatur. Ein gestufter, felsiger Grund und zahlreiche Bäume lokalisieren das Geschehen in einem dichten Wald. Oben links befindet sich das Bad der Diana und ihrer Nymphen. Wie im Text beschrieben übergießt eine von ihnen die Göttin mit Wasser. Genau in der Bildmitte steht Actaeon zwischen den Felsen und starrt mit fixierendem Blick auf die nackte Göttin. Von ihren leicht erhobenen Händen geht ein Wasserstrahl aus, der die Augen des Jägers trifft. Das ist ihre Antwort auf den erotischen Blick und das auslösende Moment der Verwandlung. Doch wird dieses entscheidende Detail bei Berchorius gar nicht berichtet, sondern findet sich nur in den Versen

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121 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 15rc; Ovid, Metmorphosen II, 598–632, Berchorius II, 16. 122 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 15va; Ovid, Metmorphosen II 569–588, Berchorius II, 17. 123 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 18r, Ovid, Metamorphosen III, 138–250, Berchorius III, 4–5.

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Ovids! Folgerichtig setzt die Metamorphose wieder am Kopf ein, das Geweih und die Tierohren sind bereits vorhanden und hinter dem menschlichen Gesicht wird wie in einem Vexierbild die Schnauze des Hirsches sichtbar. Rechts vorne in Fortsetzung der Diagonale erkennt Actaeon seine veränderte Gestalt im Spiegel eines Wasserlaufes. Auch dieses Element kann dem Maler nur aus dem Originaltext Ovids oder einer anderen, ausführlicheren Paraphrase bekannt sein. Seine Gefährten und seine Hunde verteilen sich auf der anderen Diagonallinie in einer Art Graben. Einer der Hunde hat seine Nase erhoben, da er offenbar bereits die Witterung aufnimmt. Die Bewegung und der Blick des in einen Hirsch verwandelten Helden aber führen nach rechts aus dem Bild heraus und leiten zur zweiten Miniatur über, die sich leicht nach unten versetzt in der benachbarten Spalte anschließt. Dort haben die Hunde den Hirsch gestellt und beißen ihn anschließend zu Tode. Die Hunde sind farblich und in ihrer Gestalt differenziert, auch hier scheint der Maler auf die ausführliche Schilderung bei Ovid zu reagieren. Besonderen Wert legt er aber auf eine genaue Darstellung der Natur und so zeigt er eine detaillierte Waldlandschaft aus Wiesen, Buschwerk und Bäumen, die von zahlreichen Vögeln bewohnt wird. Die Idylle dieser Szenerie steht allerdings im Kontrast zu dem grausamen Geschehen. So vermag der Künstler durch die Vielseitigkeit seiner Naturwiedergabe die emotionale Spannung der Bilderzählung weiter zu steigern. Die Maler haben häufig die Verbindung von Außenraum und Innenraum für ihre polyszenischen Entwürfe genutzt. Bei der Schilderung des Ehebruchs von Venus und Mars wird das gleiche Architekturversatzstück dreimal wiederholt und durch einen Wechsel der Seiten eine zick-zack-förmige Handlungslinie geschaffen und damit zugleich eine Auflockerung erreicht124. Rechts oben erscheint der Kopf Apolls oberhalb der Esse Vulcans. Dieser begibt sich daraufhin in das Schlafgemach, wo die beiden Liebenden ruhen, um sie mit einer Kette aneinander zu binden. Darunter sieht man Vulcan in zentraler Position; er wendet sich den herbeigerufenen Göttern zu, die er auf das Liebespaar in dem Raum hinweist, der jetzt nach rechts gerückt ist. Im unteren Register steht rechts Neptun als eine aus Wasser geformte Gestalt vor ihm und mahnt die Befreiung von Venus und Mars an. Dieser Bitte kommt Vulcan dann auch nach in dem nunmehr nach links versetzten Zimmer. Doch sind diese Szenen ohne eine plausible räumliche Anordnung eng aneinandergereiht und alles findet auf sehr gedrängten Raum statt. Sehr viel gelungener ist der einheitliche Bildraum, der den Schauplatz für die Geschichte der Leucothoe abgibt und der Architektur und Außenbereich in einer zusammenhängenden Ansicht verbindet125. Angel- und Ausgangspunkt der Handlung ist die nackte Büste des Apoll, die rechts oben am Himmel erscheint. Links erhebt sich ein mehrstöckiger Palast, in dessen oberem Stockwerk sich das Liebeslager des Sonnengottes und der Leucothoe befindet. Im Portikus darunter informiert Clytie den erbosten Vater über das Geschehen. Dieser vergräbt daraufhin die eigene Tochter bei lebendigem Leib vor dem Gebäude. Eine weiße Treppe verbindet anschaulich das Innen und Außen. Über diese Treppe ist Leukothoe zuvor mit ihrem Vater herabgekommen. Rechts davon erwächst aus den Haaren des eingegrabenen Mädchens ein Weihrauchstrauch, zu dem der Sonnengott seine Strahlen herab sendet. Jeder der vier oder fünf Handlungsschritte spielt an einem anderen Ort des Raumkonti124 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 21va; Ovid, Metamorphosen IV, 171–189; Berchorius IV,3. 125 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 22ra; Ovid, Metamorphosen IV, 190–255; Berchorius IV, 4.

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nuums, das der Betrachter mit seinen Augen kreisförmig durchwandert. Anfangs- und Endpunkt ist jeweils die Büste Apolls. Ein gutes Beispiel für ein großformatiges Simultanbild (14,6 × 7,9 cm), in dem sich die Handlung in einer offenen Landschaft von hinten nach vorne entwickelt, ist die Geschichte von Salamacis und Hermaphroditus126. Aus dem dichten Wald des Hintergrundes tritt der Sohn von Merkur und Venus mit seinem Wanderstab heraus. An der von Büschen und Bäumen umstandenen Quelle entkleidet er sich, um zu baden. Die Nymphe Salamacis entflammt in Liebe zu dem schönen Jüngling und umarmt ihn auf das Heftigste. Dieser aber widersetzt sich jener stürmischen Annäherung. Die Dominanz der Frau und das Widerstreben des Mannes hat der Maler in der Ungleichheit der Umarmung deutlich sichtbar gemacht. Die Nymphe ruft nun die Götter um Hilfe an, welche die beiden zu einem Zwitterwesen vereinen. Dieses steht im Vordergrund dem Betrachter zugewandt, die Arme immer noch wie um den anderen Körper geschlungen, nur eine schmale Linie markiert noch die ehemalige Trennung der beiden Leiber und allein bei den Beinen ist die Verschmelzung noch nicht abgeschlossen. Erneut wird sehr souverän das Prozesshafte jener Metamorphose ins Bild übertragen und der Handlungsablauf überzeugend in einem zusammenhängenden Landschaftspanorama vorgeführt. Die Miniatur führt damit etwas vor Augen, was den trockenen Zusammenfassungen des Berchorius so gar nicht zu entnehmen ist. Bei Pyramus und Thisbe wird gleichfalls unterhalb der beiden Elternhäuser der Liebenden eine Landschaftsszenerie ausgebreitet, in der viermal der Brunnen als Versatzstück wiederkehrt127. Auf den einzelnen Felsplateaus entwickelt sich das Geschehen von oben nach unten. Als Endpunkt fällt unten rechts die goldene Urne mit der Asche der beiden Verstorbenen ins Auge. Die einzelnen Handlungsschritte sind mit vielen narrativen Details angereichert, doch folgen sie in einer dichten Reihung aufeinander, so dass sich die Dramatik des Geschehens nicht wirklich entfalten kann Dieses Problem stellt sich noch schärfer in dem großen Simultanbild, in welchem der bekannte Mythos von Perseus und Andromeda geschildert wird128.Doch versucht der Maler gar nicht erst eine einheitliche Landschaftsszenerie zu entwickeln, sondern wiederholt mehrfach wenige Versatzstücke wie den Palast und eine schräge Felskante, um die einzelnen Teile voneinander abzugrenzen. Für das Meer und das Seeungeheuer bleibt dabei viel zu wenig Platz, um eine angemessene Wirkung zu entfalten. Vor einer rudimentären Architekturkulisse verhandelt Perseus am oberen Bildrand mit den Eltern Cepheus und Cassiopeia über die Ehe mit der schönen Tochter. Nur durch einen Felstreifen abgetrennt sieht man den Kampf mit dem Monstrum im Angesicht der gefesselten Andromeda, der allerdings keinerlei Dynamik entwickeln kann. Das Gebäude-Kürzel der folgenden Eheschließung überschneidet sogar noch den Hinterleib des Ungeheuers. Im Vordergrund findet der Kampf gegen Phineus statt. Perseus auf dem Rücken des geflügelten Pegasus hält das Gorgonenhaupt in die Höhe, worauf das Heer des Gegners als rötliches Gestein erstarrt. Nach links reitet Andromeda bereits voraus und blickt sich gelassen um. Sie ist vom Rahmen stark überschnitten und weist damit auf eine Zukunft voraus. Auch hier geht es um eine Zeitabfolge, aber der zur Verfügung stehende Platz reicht nicht für ein überzeugendes

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126 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 22v; Ovid, Metamorphosen IV, 288–388; Berchorius IV, 8. 127 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 21ra; Ovid, Metamorphosen V, 55–161; Berchorius IV, 1. 128 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 24v; Ovid, Metamorphosen IV, 670–764, V, 1–235; Berchorius IV, 14.

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Raumkontinuum, so dass die einzelnen Figurengruppen eher parataktisch nebeneinander stehen. Nicht alle Bildentwürfe sind also in gleicher Weise gelungen. An vielen Stellen hatten die Maler damit zu kämpfen, dass ihnen nicht genügend Platz zur Verfügung stand. Doch immer war es Ihnen wichtig den Mythos in seiner erzählerischen Vielfalt ins Bild zu bringen. Die Handlung sollte mit möglichst vielen Details in der Miniatur wieder zu finden sein.

Mit Bildern erzählen oder der gemalte Mythos Die Bologneser Buchmaler entwickeln ein ausgesprochen intelligentes Erzählkonzept, das darauf abzielt, den Mythos nachvollziehbar wiederzugeben und die dramatischen Kulminationspunkte gerade auch in ihrem emotionalen Gehalt herauszustellen. Die Gliederung des Textes in kleinere, überschaubare Abschnitte gibt dabei die Zahl der Bildfelder vor. Deren Größe richtet sich dann nach dem Umfang des dort referierten Geschehens. Das ist offensichtlich sehr genau überlegt worden. So treffen wir einerseits auf eine Reihe kleinformatiger Miniaturen, die gerade Raum für ein Handlungsmotiv bieten. Die Mehrzahl der Bilder ist jedoch polyszenisch angelegt und vereinigt in einem Raumkontinuum, dass aus Architektur oder Landschaft bestehen kann, eine aufeinander aufbauende Folge von Handlungsschritten, die sich zumeist von hinten nach vorne entwickelt129. Polyszenische Bilder sind im 14. Jahrhundert sehr verbreitet und sind insbesondere in der Wandmalerei ein vielfach verwendetes Kompositionsprinzip. Als Beispiele lassen sich unter anderem Werke von Giuliano da Rimini und Vitale da Bologna anführen. Wenige Jahrzehnte später hat auch Altichiero davon einen extensiven Gebrauch gemacht. Mit Blick auf die prominenten Fresken von Giotto in der Arena-Kapelle zu Padua, die konsequent als monoszenische Einzelbilder konzipiert sind, aber eben nur eine Form bildlicher Narration vertreten, wird dieser Sachverhalt oft übersehen130. Die einzelnen Etappen der Erzählung werden in der Gothaer Handschrift durch Landschaftselemente und in der Regel auch durch eine unterschiedliche Farbigkeit der Untergründe voneinander abgesetzt oder spielen in den verschiedenen Raumteilen eines tiefenräumlich wiedergegebenen Gebäudes. In vielen Miniaturen handelt es sich allein um zwei Szenen, die oft durch eine Diagonallinie getrennt in einem mehr oder weniger quadratischen Rahmen zusammengefasst sind. Bei den größeren, durch die Spaltenbreite hochrechteckigen Bildfeldern können es bis zu fünf Handlungsmomente sein, die in einem Raumkontinuum Platz finden. Oft nutzen die Maler auch den Wechsel von Innen- und Außenraum, um so verschiedene Schauplätze zu differenzieren. Ein weiteres Mittel, welches den Erzählfluss intensiviert, sind Figuren, die stark vom Rahmen überschnitten werden, und so die Zeiterfahrung über das eigentlich dargestellte Geschehen hinaus ausdehnen, indem sie ein Vorher oder Nachher anklingen lassen.

129 Fragen der polyszenischen Bilderzählung bzw. des sogenannten Simultanbildes sind in letzter Zeit mehr-

fach systematisch diskutiert worden; zu nennen wären hier bereits KLUCKERT, Erzählformen 1974, aber vor allen KEMP, Bildsysteme 1989 und KEMP, Räume der Maler 1996, REHM, Wieviel Zeit 2004, BOGEN, Itinerarprinzip 2010 und WOOD, Bild 2010 sowie auch WESTERMANN, Augenfreuden 2018 am Beispiel von Altichiero. 130 WESTERMANN Augenfreuden 2018. Zur Arena-Kapelle SCHWARZ, Giottus Pictor, Bd. 2 2008, S. 19–165; ROMANO, La O di Giotto, 2008; FRUGONI, L’ affare migliore 2009.

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In dem kleinen Format dieser Miniaturen realisieren die Maler erstaunlich komplexe Simultanbilder, die mit ihren differenzierten Strukturen dem Betrachter das Geschehen anschaulich aufschlüsseln. In den aus zwei bis sieben Szenen bestehenden Zyklen, die sich der kleinteiligen Untergliederung des Stoffes durch Berchorius verdanken, entstanden sehr gelungene, höchst eindrückliche Bilderzählungen, welche den bewegenden Schilderungen des Ovid ohne weiteres gerecht werden. Dabei sind die Kompositionen zudem auf den Gesamteindruck der Seite und das Zusammenspiel der Einzelbilder ausgerichtet, so dass oft ein wirkungsvolles Lay-out der Gesamtseiten zustande kommt. Hervorzuheben ist weiterhin die differenzierte Darstellung verschiedener Pflanzen sowie die naturalistische Wiedergabe der zahlreichen Tiere. Hier offenbart sich ein Naturinteresse, das in den Bologneser Werkstätten vor allem im Umkreis des Nicolò di Giacomo mehrfach seine Spuren hinterlassen hat und keinesfalls hinter der Tafel-oder Wandmalerei zurücksteht131. Genau dieses Naturinteresse ist wiederum die Voraussetzung für jene beeindruckenden Darstellungen der eigentlichen Metamorphosen. Phantasievoll führen die Maler den allmählichen Prozess der Veränderung vor Augen und präsentieren eben nicht nur einfach den neuen Zustand. Die Verwandlungen stehen in der Regel im Zentrum der Bilderzählungen; zumeist sind sie im Vordergrund positioniert oder auf andere Art hervorgehoben. Bei zahlreichen Darstellungen übernehmen die Maler Einzelheiten, die nur im Versepos des Ovid vorkommen und bei Berchorius gar keine Erwähnung finde132. Dabei handelt es sich zumeist um Motive, welche die erzählerischen Spannungsmomente zuspitzen und vor allem die Dramatik der Emotionen zu steigern vermögen. Daran wird einmal mehr deutlich, wie sorgfältig und mit welch hohem intellektuellen Anspruch diese Illustrationen geplant wurden. Diejenigen, die dafür verantwortlich waren, zeichnete ein beachtliches Verständnis für die poetischen Qualitäten der Schilderungen Ovids aus und für die Vielfalt der Gefühlswelten, die dort entfaltet werden. Daraus ergeben sich auch Berührungspunkte zur zeitgenössischen Poesie und Literatur. Von daher kann man sich gut vorstellen, dass die Interpretationen des Berchorius, die von zeitgenössischen Erfahrungen ausgehen, bei ihnen Interesse fanden, die Paraphrasen ihnen jedoch höchst ungenügend erschienen.

GIBBS, Landscape 1996, vgl. auch Kap. III. 1 (Smout) und insbesondere das hebräisches Manuskript von 1374 mit den Gerichtsentscheidungen des Jesaja da Trani (London, Btitish Library Oriental Ms. 5024). (Abb. 136–140) 132 Folgende Details gehen eindeutig auf die Verse des Ovid zurück, da diese dort explizit geschildert, aber bei Berchorius nicht genannt werden: – Fol. 10vb Lykaon, Jupiter nimmt Zeichen der Göttlichkeit an; – Fol. 11rb Io, Juno schaut auf die Gefilde, in denen Jupiter und Io sich aufhalten; – Fol. 15rb Callisto, Furcht der Callisto vor den Wölfen; – Fol. 16va Merkur und Battus, Zeigegestus des versteinerten Battus, da der Stein noch heute ›der Zeiger‹ genannt wird; – Fol. 16vc Europa, Europa befindet sich in Begleitung von Gefährtinnen; – Fol. 17ra Europa, der Stier küsst ihre Hände; – Fol. 17va Cadmus verfolgt die Kuh durch eine Furt; – Fol. 18va Actaeon, Diana spritzt Actaeon Wasser ins Gesicht; – Fol. 19rc Bacchus und die Seeräuber, der Steuermann wird nicht verwandelt. Für weitere Bezüge siehe den Katalog der Miniaturen Kap. III. 4. 131

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Die allegorischen Deutungen des Berchorius zielen auf die städtische Kultur seiner Gegenwart. Ähnliches machen auch die Maler, wenn sie die antiken Fabeln konsequent in einem zeitgenössischen Umfeld ansiedeln und die Protagonisten mit entsprechendem Habitus versehen. Auch die Götter sind davon nicht ausgenommen. Nur Apoll tritt durchweg als eine rötlich-goldene Lichtgestalt auf, die ihn bei jedweder Beschäftigung als Sonnengott ausweist. Ähnliches lässt sich für Pluto sagen, der als Herrscher der Unterwelt nur einmal beim Raub der Proserpina auftritt und das Aussehen eines Teufels besitzt133. Natürlich entspricht dies zugleich den Ausführungen des Berchorius, der selbstredend Pluto mit dem Teufel identifiziert. Dezidierte allegorische Verweise finden sich in den Miniaturen nur an sehr wenigen Stellen. Zu Beginn ist bei der Erzählung von Daphne die Erdgöttin Tellus der Muttergottes angeglichen und bei Lycaon besitzt Jupiter, im Unterschied zu seinen sonstigen Darstellungen, eine Christus-ähnliche Gestalt. Diese Christianisierungen sind aber eine seltene Ausnahme und trafen offenbar nicht die Intentionen der Entwerfer oder des Auftraggebers. Im Fokus des Interesses standen vielmehr die Handlung des Mythos und sein emotionaler Gehalt. In diesem höchst bemerkenswerten Buchprojekt für Bruzio Visconti überführen die Bologneser Maler den antiken Mythos in eine anschauliche Bilderzählung, die selbständig neben den eher knappen Paraphrasen des Petrus Berchorius steht. Die Miniaturen besitzen in dieser Handschrift ein starkes Eigengewicht. Die Fabula, jene mythische Erzählung wird so gegenüber der allegorischen Deutung entschieden aufgewertet. Man kann den Text nicht lesen, ohne auch die Bilder zu betrachten, und so wird unweigerlich die Wahrnehmung dieses Textes verändert und in eine andere Richtung gelenkt. Die als Handbuch für Prediger konzipierten Ausführungen des Petrus Berchorius werden nicht allein in den Kontext einer Laienkultur überführt und dafür mit Hilfe die Miniaturen um wichtige, narrative Aspekte ergänzt, sondern sie sind zugleich Teil eines Diskurses, der über die Berechtigung und Bedeutung des Mythos und der Poesie geführt wird. Zahlreich sind in diesen Jahrzehnten die Bemühungen um einen neuen, veränderten und vor allem aktualisierten Zugang zu jenen antiken Geschichten und insbesondere zu den von Ovid so einfühlsam geschilderten Verwandlungen134. Der von den Bologneser Malern konzipierte Illustrationszyklus kann nur im Kontext dieser intellektuellen Kultur der oberitalienischen Städte verstanden werden. Selbst in seinem unvollendeten Zustand ist diese Bilderfolge noch ausgesprochen beeindruckend und sie hat wohl auch spätere Besitzer, die dort ihr eigenes Wappen anbringen ließen, immer wieder fasziniert. Ein vergleichbares Unterfangen, das die gesamten Metamorphosen mit einer durchgängigen Bilderzählung verknüpft, ist erst über hundert Jahre später im neuen Medium des Buchdruckes in Angriff genommen worden135.

133 Gotha, Ms. Membr. I 98, Fol. 25v; Ovid, Metamorphosen V, 376–571; Berchorius V,2; s. Kap. III. 4. 134 Siehe Kap. V (Blume) sowie BLUME, Ovid-Lektüren 2019. 135 Hier ist an die 1497 in Venedig erschienene Ausgabe des ›Ovidio metmorphoseos vulgare‹ des Giovanni

dei Bonsignori zu denken, die allerdings auch nur 52 Holzschnitte enthält; dazu HUBER-REBENICH – LÜTKEMEYER – WALTER, Ikonographisches Repertorium, Bd. I,1 2014, S. 32–42.

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4. KATALOG DER MINIATUREN (GOTHA, FORSCHUNGSBIBLIOTHEK, MEMBR. I 98)

CAROLINE SMOUT

4. Katalog der Miniaturen (Gotha, Forschungsbibliothek, Membr. I 98) Jeder Bildbeschreibung ist eine Paraphrase der Geschichte einleitend vorangestellt.

Buch I fol. 9r: fabula I – Deucalion und Pyrrha Nach der Sintflut sind Deucalion und Pyrrha die einzig verbliebenen Menschen. Sie fragen bei den Göttern um Rat, was sie tun können, um neue Menschen zu erschaffen. Die göttliche Weisung lautet, Steine hinter sich zu werfen. Deucalion und Pyrrha knien links oben am Gestade eines felsigen, mit Buschwerk versehenen Terrains, vor ihnen liegt das von der Sintflut überschwemmte Land mit einer versunkenen Stadt. Sie wenden sich bittend einem Heiligtum auf der rechten Seite zu und schauen auf eine kleine goldene Figur, die mit einem markanten Zeigegestus über dem Altar schwebt. Dieser Gestus besagt, was sie tun sollen. In der unteren Bildhälfte setzen Deucalion und Pyrrha den göttlichen Rat um: Nun stehen sie auf erdigem Grund und werfen Steine, ›die Knochen der Großen Mutter, das heißt der Erde‹, hinter sich. Aus ihnen gehen neue Menschen hervor. fol. 9r: fabula II – Urzeugung, Apollo und Python sowie Amor, Apollon und Daphne Nach dem Rückgang der Sintflut bringt die feuchte Erde zahlreiche Tiere hervor, darunter Python, eine riesige Schlange. Apollo tötet Python mit seinen Pfeilen und brüstet sich mit dieser Tat. Er verhöhnt Cupido, den Sohn der Venus, dass dieser ebenfalls Pfeil und Bogen trägt. Als Cupido daraufhin bemerkt, dass Apollo Daphne liebt, sinnt er auf Rache: Er schießt einen goldenen Pfeil auf Apollo und einen bleiernen auf Daphne. Während der goldene Pfeil Apollos Liebe zu Daphne richtig entfacht, bewirkt der bleierne, dass Daphne seine Liebe meidet. Links oben bringt die Erde, die durch die männliche Figur auf dem Felsen personifiziert ist, den drachenartigen Python hervor. Die Erde ist als morastiger Ort mit Sumpfpflanzen und Reptilien charakterisiert, unter denen Python aufgrund seiner Größe und Monstrosität hervorsticht. Sein Hinterkopf ist von einem Pfeil durchbohrt, den Apollo vom Himmel aus abgeschossen hat. Apollo ist eine rötlich-goldene, nur mit einem Tuch bekleidete Gestalt, die von einem Strahlenkranz umgeben ist. Links unten ist Cupido als bekleideter Krieger mit Brustpanzer dargestellt – durch eine diagonale Achse ist die Verbindung zu Apollo oben rechts im Bild hergestellt. Je einen Pfeil hat er auf Apollo und Daphne abgeschossen, deren Wirkung sich sogleich zeigt: Während Apollo seine Zuneigung zu Daphne durch den Gestus seiner Linken bekundet, verweist diese mit ihrer linken Hand auf den bleiernen Pfeil in ihrer Brust: Sie wendet sich durch eine Schrittbewegung nach rechts von ihm ab und wehrt mit ihrer erhobenen Rechten Apollos Annäherung ab.

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fol. 9v: fabula III – Apollo und Daphne Daphne flieht vor Apollo, der sie aufgrund ihrer Schönheit begehrt. Weil Daphne ihre Jungfräulichkeit bewahren möchte, bittet sie Tellus, die Göttin der Erde, ihr zum Schutz ihre Schönheit fortzunehmen. Daraufhin verwandelt sich Daphne in einen Lorbeerbaum. Die Handlung setzt sich bezüglich der vorausgehenden Miniatur unmittelbar fort: Daphne flieht einen steinigen Hang hinab vor Apollo. Dabei schaut sie sich furchtsam nach ihrem Verfolger um – gemäß der Semantik des Pfeiles in ihrer Brust, der ihr Gelöbnis der Jungfräulichkeit anzeigt. Apollo betritt vom linken Rand her das Bild und forciert durch sein Vorwärtsdrängen die diagonale Bewegungsrichtung der im Dreiviertelprofil dargestellten Figuren vom Hintergrund zum Vordergrund. Durch die schwarze Konturlinie des diagonal verlaufenden Berghanges ist die Miniatur deutlich in zwei Hälften gegliedert, die Ort und Zeit betreffend divergieren. Im Vordergrund der rechten Bildhälfte vollzieht sich der entscheidende Moment der Flucht: Die rosagewandete Daphne verwandelt sich in einen Lorbeerbaum; die in die Höhe gestreckten Arme sind zu Ästen geformt, ummantelt von Rinde. Ihre Finger bilden feine Äste, die das aus dem Haar entstandene Laub des Lorbeers tragen. Während sich Daphne auch in diesem Moment der Verwandlung nach Apollo umschaut, der sich ihr zu nähern sucht, steht eine blaugewandete Frauenfigur schützend hinter ihr und umfasst ihre Hüften. Der Berchorius-Paraphrase zufolge handelt es sich um Tellus, die Göttin der Erde, die Daphne bat, ›ihr ihre Schönheit fortzunehmen, die für sie Grund und Ursprung so großen Schmerzens war‹. fol. 9v: fabula IV – Apollo und Daphne Daphne wird in einen Lorbeerbaum verwandelt, den Apollo liebt und sich zu eigen macht. Apollo hat Daphne erreicht, doch kann er nur noch den Baumstamm, in den sich ihr Körper verwandelt hat, umarmen. Dabei zeigt sich die Bedeutsamkeit der Metamorphose, indem die vollends in einen Lorbeerbaum verwandelte Daphne – allein ihr Gesicht macht ihre ursprüngliche Gestalt noch kenntlich – in vorderster Bildebene die zentrale vertikale Achse der Miniatur bildet. Denn nur durch diese Metamorphose konnte sie sich, gemäß der Bedeutung des Pfeiles, der hier nun die Rinde des Stammes auf Brusthöhe durchbohrt, dem liebenden Apollo entziehen. Durch diese formale wie ästhetische Gestaltung ist auf Apollos Unterlegenheit verwiesen, die sich in der Blickachse zwischen den beiden Gesichtern verdichtet, indem sie Daphnes Überlegenheit anzeigt. Dementsprechend sind die zuvor flüchtigen Füße in starres Wurzelwerk transformiert, die sich ›standhaft‹ in den Boden der Talmulde graben, zu deren Seiten hin felsiges Gelände ansteigt, das mit verschiedenen Bäumen und Pflanzen bewachsen ist. So scheint die Darstellung weniger auf die Berchorius-Paraphrase zu rekurrieren als vielmehr auf den Ovid-Text: ›Ihr Fuß, eben noch so flüchtig, stockt, von zähen Wurzeln gehalten. Ein Wipfel verbirgt ihr Gesicht. Nichts bleibt zurück als die glänzende Schönheit. So auch liebt sie Apollo, und als er die rechte Hand an den Stamm legt, fühlt er noch unter der frischen Rinde das Herz schlagen. Er umschlingt mit seinen Armen die Zweige, als ob er Daphne selbst an seine Brust drückte […]‹136. 136 Pes, modo tam velox, pigris radicibus haeret, / ora cacumen obit; remanet nitor unus in illa. / hanc quoque

Phoebus amat, positaque in stipite dextra / sentit adhuc trepidare novo sub cortice pectus, / conplexusque suis ramos, ut membra, lacertis/. Ovid, Metamorphosen 2007, I, 550–554, S. 44 f.

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fol. 10r: fabula V – Die Giganten Die Giganten begehren das Himmelreich und türmen einen Berg auf, um es zu erreichen. Als Jupiter dies sieht, schleudert er einen Blitz hinab und tötet dadurch die Giganten. Vom Fuße eines Berges aus schleppen die bekleideten wie nackten Giganten Steinbrocken auf ihren Schultern empor und türmen sie zu einer Bergformation aufeinander. So kommen sie dem blauen Himmelssegment nahe, das am oberen Bildrand den Goldgrund durchbricht. In ihm erscheint Jupiter und schleudert Steine auf die Giganten hinab, wodurch die obersten verletzt werden und blutüberströmt hinabstürzen. fol. 10r: fabula VI – Die Giganten Aus dem Blut der Giganten, die Jupiter mit dem Blitz erschlagen hatte, gingen ihre Nachfahren hervor. Da sie aus Blut entstanden waren, dürsteten sie von Natur aus nach Blut und waren gewalttätig. Eine steinige, hügelige Landschaft, die sich nahezu über die gesamte Bildfläche erstreckt, ist Schauplatz eines Gemetzels: Die Giganten töten zahlreiche Menschen. Während die Giganten durch Nacktheit gekennzeichnet sind und so ihre Unzivilisiertheit veranschaulicht wird, stellen die Opfer unterschiedliche Gruppen der zeitgenössischen Gesellschaft dar: In der rechten oberen Ecke wird eine Alte vor ihrer Hütte erdolcht, etwas aus der Bildmitte gerückt liegt ein Geistlicher mit Tonsur am Boden, und links davon wird ein Kaufmann oder Notar über dem Rücken seines Pferdes niedergestreckt. Indem diese Figuren auf einer diagonalen Achse liegen, wird das in der linken unteren Ecke vor Augen gestellte Blutbad, das die Giganten angerichtet haben, hervorgehoben. Die Bildstruktur ist durch zwei diagonale Achsen, die aus Strauchwerk gebildet sind, in vier dreieckige Kompartimente gegliedert. Während im unteren, oberen und linken Kompartiment die Gewalttaten der Giganten zu sehen sind, ist das rechte auffallend leer. So fällt eine kleine schwebende Halbfigur ins Auge, die rosa gewandet und deren Rumpf von einem blauen Kranz umgeben ist – dies gleicht der Darstellung Jupiters in der links stehenden Miniatur zu den Giganten. Während sie ihren rechten Arm drohend zum Schlag erhoben hat, streckt sie ihren linken zwei braunen, kahlköpfigen und mit einem grobschlächtigen Gesicht versehenen Figuren entgegen, die im Erdreich versinken und von Flammen umgeben sind. Eine Abwärtsdynamik ist zudem dadurch erzeugt, dass sie ihre Köpfe zu der göttlichen Figur zurückwenden. Hier hat die allegorische Auslegung des Berchorius Eingang ins Bild gefunden. fol. 10v: fabula VII – Rat der Götter Jupiter lädt die Götter zu einem Gastmahl ein. Über einen erhabenen Weg, der Milchstraße genannt wird, gelangen die Götter zu Jupiters himmlischem Palast. In der unteren Hälfte der horizontal geteilten Miniatur schreiten die Planetengötter vor Rundbogenarkaden von links auf Jupiter zu: Der Göttervater, der den Bildraum von rechts betreten hat und durch sein rotes Gewand mit Hermelin- und Goldbesatz ausgezeichnet ist, begrüßt vor seinem Palast Saturn, der durch seine Attribute Sichel und Sense zu erkennen ist. Ihm folgen Mars ins Kriegsrüstung, die rosagewandete Venus, die sich im Spiegel betrachtet, den sie mit ihrer Linken emporhält, der rötlich-golden leuchtende Apollo, von dessen Körper ein Strahlenkranz ausgeht, Mercur und schließlich Luna in einem dunkel-

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blauen Kleid, die durch die Darstellung eines Vollmondes in ihrer Hand und eines Halbmondes an ihrem Kopf identifizierbar ist. Wie in der oberen Bildhälfte zu sehen ist, haben sich Jupiter und seine Gäste nach dem Empfang ins Innere des Palastes zum Gastmahl begeben: Über dem Wandabschnitt der Rundbogenarkaden, der durch Blüten- und Blattwerk sowie einen Rundbogenfries geschmückt ist, öffnet sich ein Raum mit einer gedeckten Tafel, an der alle Platz genommen haben. Zentriert und in frontaler Ansicht sitzt Jupiter mit ausgebreiteten Armen der Gesellschaft vor. Die Götter wenden sich sämtlich Jupiter zu, was unterstrichen wird durch ihre kompositorische Anordnung in Form zweier Diagonalen, die auf Jupiter zulaufen. Aufgegriffen wird diese Form durch die beiden Diener in Rückenansicht, die in vorderster Bildebene vor dem Tisch stehen und den Blick des Betrachters auf Jupiter lenken.

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fol. 10v: fabula VIII – Lycaon Jupiter, der Gott des Himmels, nimmt menschliche Gestalt an steigt auf die Erde hinab, um den Tyrannen Lycaon aufzusuchen. Lycaon bietet ihm in seinem Palast eine Schlafstatt und versucht ihn aufgrund seines Zweifels und seiner Entrüstung gegenüber der Göttlichkeit Jupiters des Nachts zu töten. Daraufhin verwandelt Jupiter Lycaon in einen Wolf. Links kommt Jupiter in Gestalt eines Menschen auf die Erde herab – durch den aufgebrochenen Goldgrund und den blauen Farbauftrag am oberen Bildrand über der männlichen Gestalt wird auf den Himmel als Herkunftsort verwiesen. Jupiter wendet sich dem Gebäude rechts im Bild zu, das durch das L im ornamentierten Feld über den Rundbögen als Lycaons Palast gekennzeichnet ist. Im Palast erscheint Jupiter in zentraler Position unter dem mittleren Rundbogen und wendet sich dem rosagewandeten Lycaon zu, der weiter rechts steht, den Rücken dem Betrachter zugewandt. Während Jupiter, dessen Haupt von einem goldenen Strahlenkranz umgeben ist, seine linke Hand zu einem Zeigegestus erhoben hat, reagiert Lycaon auf den Gast: Er schaut auf diesen herab und hat dabei seine Hände in die Hüften gestemmt. So zeigt sich Lycaons Entrüstung angesichts der angezeigten göttlichen Ankunft137. Im oberen Geschoss der Palastarchitektur ist die Handlung vor Augen gestellt, die aus der vorausgehenden, unten gezeigten, resultiert: Lycaon tritt an Jupiters Bett und ist im Begriff, ihn durch einen Schwerthieb mit seinem erhobenen rechten Arm zu töten. Dabei wird Lycaon – scheinbar durch den auf ihn gerichteten Blick Jupiters – in einen Wolf verwandelt. Auch hier ist der Prozess der Metamorphose herausgestellt: Während im Moment des Tötungsversuchs allein Lycaons Kopf in den eines Wolfes verwandelt ist, erblickt man ihn beim Verlassen des Hauses im Bildmittelgrund – auf der Schwelle zwischen Innen und Außen – nur zur Hälfte und schließlich im Bildvordergrund in Gänze als Wolf. fol. 10v: fabula IX – Lycaon Als Jupiter in Lycaons Palast kommt, tötet Lycaon einen Mann aus dem Molosservolk und bietet ihn Jupiter zum Essen an. Der erzürnte Jupiter verwandelt Lycaon daraufhin in einen Wolf. 137 Die visuelle Narration entspricht nicht nur der Berchorius-Paraphrase, sondern auch dem Ovid-Text. Denn

Jupiter begibt sich nicht nur zu Lycaons Palast, wie Berchorius darlegt, sondern er zeigt auch – Ovid gemäß –, dass es ein Gott ist, der da kommt.

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Lycaon, in ein rot-schwarz gemustertes Gewand gekleidet, erscheint rechts vor einer zweistöckigen Architektur und weist mit seiner rechten Hand auf die Ermordung eines Mannes, die sich im Zentrum des Bildvordergrundes vollzieht. Anders als in der Berchorius-Paraphrase beschrieben, ordnet Lycaon hier also die Tötung an. Im Gebäude am linken Bildrand wird der Getötete in einem großen Topf, der in einem Abzug befestigt ist, über dem Feuer gekocht. Ein Diener steigt sodann mit den gekochten Körperteilen von der Küche über die Treppe zum oberen Geschoss der zweistöckigen Architektur hinauf. Dort tritt er Jupiter, der mit Lycaon am gedeckten Tisch Platz genommen hat, entgegen und reicht ihm die gekochten Körperteile als Speise dar. Während Jupiter und Lycaon sich einander zuwenden und dabei intensive Blicke wechseln und jeweils mit deiktischer Geste auf den anderen weisen, erscheint Lycaon in verwandelter Gestalt: sein Kopf ist der eines Wolfes. fol. 11r: fabula X – Jupiter und Io Jupiter verliebt sich in Io, die Tochter des Flussgottes Inachus, aufgrund ihrer Schönheit. Weil Io vor Jupiters Liebe flieht, überzieht er die Gegend mit Nebel, um Io ungestört vergewaltigen zu können. Aus den Wellen eines bildparallel im Vordergrund fließenden Flusses bildet sich von links die Figur der Io aus – dergestalt ist veranschaulicht, dass Io die Tochter des Flussgottes Inachus ist. Sie wird von Jupiter, der aus der rechten oberen Bildecke geradewegs auf sie zufliegt, erfasst und geküsst. Die Wucht der Ergreifung, die zentriert in der Bildmitte dargestellt ist, wird durch den aufgebrochenen Himmel, jene blaue Schneise im Goldgrund, die der Gott hinterlässt, anschaulich. fol. 11r: fabula XI – Jupiter und Io Aus Furcht, Juno werde ihn beim Ehebruch mit Io überraschen, lässt Jupiter Nebel aufziehen und verwandelt Io in eine Kuh. Juno beobachtet vom Himmel aus – sie erscheint in der linken oberen Bildecke vor blauem Grund – Jupiters Kontakt mit Io und rauft sich wütend die Haare138. Jupiter, in Liebe zu Io entbrannt, was auch hier durch das stürzende Fallen seines Körpers vom Himmel versinnbildlicht ist, befindet sich in großer Distanz zu Juno am rechten Bildrand und wird sehenden Auges ihrer Empörung gewahr. So verwandelt er Io durch die Berührung seiner Hände in eine Kuh. Auf anschauliche Weise ist der Prozess der Verwandlung vor Augen gestellt: Während der Kopf schon die Gestalt des Tieres angenommen hat, ist der Körper zur Erde geneigt, werden die Arme des entblößten Oberkörpers zu Vorderläufen, wohingegen der Unterleib noch das menschliche Gewand trägt. fol. 11r: fabula XII – Jupiter und Io Io geht zum Fluss ihres Vaters Inachus und sieht im Wasser, dass sie ihre Schönheit verloren hat und in eine Kuh verwandelt ist. Sie fürchtet, dass ihre Stimme nur noch ein Muhen hervorbringen kann und erschrickt vor sich selbst. Daher geht sie schließlich zum Fluss Nil,

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138 Dass Juno ›mittlerweile […] gerade auf diese Gefilde hernieder[schaute]‹ (Interea medios Iuno despexit in

agros/), findet sich im Ovid-Text und wird in der Berchorius-Paraphrase nicht erwähnt. Ovid, Metamorphosen 2007, I, 600, S. 48 f.

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richtet ihr Haupt zu Jupiter empor und fleht ihn an, wieder in ein Mädchen mit weiblicher Gestalt verwandelt zu werden. Jenseits eines Flusses, der den Vordergrund quer durchzieht, steht in der linken Bildhälfte Io als Kuh am Fuße eines abschüssigen Geländes aus grauem Stein; es ist detailreich geschildert mit vielfältiger Vegetation. Die Kuh ist im Profil dargestellt, so dass deutlich vor Augen gestellt ist, dass Ios Metamorphose nun gänzlich vollzogen ist – darauf verweist auch der in goldenen Lettern geschriebene Titulus Yo über dem Tier. Sie schaut auf das Wasser des Flusses und nimmt mit ernstem Blick ihre Verwandlung anhand des Spiegelbildes auf der Wasseroberfläche wahr. So lenkt der Maler durch den Kunstgriff der Spiegelung, die zu einer Verdoppelung der verwandelten Gestalt führt und in ausgesprochen naturalistischer Weise ausgeführt ist, in besonderer Weise das Augenmerk auf die Metamorphose. In der rechten Bildhälfte hat sich die Kuh Io in einem erdfarbenen Gefilde an einem Fluss niedergelassen. Indem der Erdboden deutlich von jenem in der linken Bildhälfte unterschieden ist und der Fluss in seinem diagonalen Verlauf als begrenzendes Element erscheint, sind die beiden Schauplätze zeitlich und räumlich voneinander getrennt. Io richtet ihr Haupt zu Jupiter empor, der am Himmel erscheint und mit beschwichtigender Mimik und Gestik reagiert.

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fol. 11r: fabula XIII – Jupiter und Io Als ihr Vater, der Fluss Inachus, sieht, dass Io in eine Kuh verwandelt ist, empfindet er tiefen Schmerz und hat Mitleid mit ihr. Der landschaftliche Bildaufbau gleicht jenem in der vorausgehenden Miniatur: Io steht auf dem dreieckförmigen Terrain, das im Vordergrund und rechts vom Flusslauf, der sich diagonal in die Tiefe erstreckt, umgeben ist. In gleicher Weise wie in der vorherigen Miniatur steht sie am Ufer des Flusses und schaut auf das Wasser. Doch erblickt sie dieses Mal das Gesicht ihres Vaters Inachus, so dass sie sich ihm in ihrer Verwandlung zeigt. Auf bemerkenswerte Weise hat der Maler Inachus Wesen als Flussgott sinnfällig gemacht: In den Wellen scheint das monochrome Gesicht des Flussgottes auf, das durch die Gleichfarbigkeit mit dem Wasser verbunden ist. Diese Verbundenheit verdichtet sich in seinen langen Barthaaren, die in die stromlinienförmige Bewegung der Wellen übergehen. fol. 11v: fabula XIV – Juno, Argus und Mercur Juno übergibt dem Hirten Argus Io zur Überwachung. Argus ist außerordentlich wachsam, weil er hundert Augen hat, von denen nur zwei Augen zugleich schlafen können. Doch Mercur, der sich in der Gegend aufhält und sich Argus als Ziegenhirt anschließt, versetzt ihn mit einem Stab und Flötenspiel in einen tiefen Schlaf. Daraufhin tötet er den schlafenden Argus und befreit Io aus seiner Gewalt. Die Erzählfolge erstreckt sich in drei Registern von oben nach unten in einer Schleifenbewegung: Von links schwebt Juno am Himmel ins Bild. Unter sich führt sie die Kuh Io an einer Leine. Sie übergibt sie Argus, der am rechten Bildrand in einem braunen Hirtengewand steht und an den zahlreichen Augen an seinem Kopf erkennbar ist. Die Handlung setzt sich im mittleren Register fort, das durch einen helleren Untergrund des Gefildes abgesetzt ist: Von rechts tritt Mercur, in ein rotes Gewand und einen hellblauen Überwurf mit Kapuze gekleidet, an Argus heran, der seine Ziegenherde weidet und Io bewachend an der Leine hält. In seiner Linken hält Mercur eine Flöte, auf der er spielt, in seiner Rechten einen

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Stab, mit dem er Argus berührt. Im untersten Register links erdolcht Mercur den auf dem ›leblosen‹ steinigen Boden schlafenden Argus, um Io dann rechts davon wegzuführen. Indem sowohl Argus als auch Io vom Bildrahmen angeschnitten sind, verweisen beide Figuren auf den Fortgang der Geschichte. fol. 12r: fabula XV – Ios Rückverwandlung Io begibt sich zum Nil, wo sie zu Jupiter betet. Dieser verwandelt sie von einer Kuh in eine Frau und stellt ihre frühere Gestalt wieder her. Dennoch wagt es Io nicht zu sprechen, weil sie fürchtet, ein Muhen von sich zu geben. Die Erzählung beginnt rechts im Bild, das durch den diagonalen Flusslauf in zwei Hälften geteilt ist. Io, halb Mensch halb Kuh, steht am Ufer des Flusses und hat ihre Hände vor der Brust zum Gebet erhoben. Sie schaut zum Himmel hinauf, von wo Jupiter zu ihr hinabkommt und sie mit seiner rechten Hand am Kinn berührt. Ihr Kopf hat schon die Gestalt einer Frau angenommen, auch Brust und Arme, wohingegen der Unterkörper mit den Hinterläufen noch die Gestalt einer Kuh hat. So stellt der Maler auf anschauliche Weise die Prozesshaftigkeit der Verwandlung vor Augen. In der linken Bildhälfte ist Io gänzlich in eine Frau zurückverwandelt. In nahezu frontaler Ansicht steht sie in vorderster Bildebene. Schüchtern neigt sie ihren Kopf leicht zur Seite, wobei ihre rechte erhobene Hand wie schützend zwischen Körper und Betrachter gelegt ist. Mit dieser Ausdrucksästhetik scheinen die Worte der Berchorius-Paraphrase ins Bild übertragen zu sein, dass Io, ›obgleich sie wieder in eine Frau verwandelt worden war, es dennoch nicht wagte zu sprechen, und zwar deshalb, weil sie fürchtete, ein Muhen nach Art einer Kuh von sich zu geben‹. fol. 12r: fabula XVI – Ios Verwandlung in ein Sternbild am Himmel Io wird zu einem Stern und in den Himmel versetzt139 und unter die Himmelsgottheiten gezählt. Über der bekannten Landschaft mit dem bildparallel im Vordergrund fließenden Fluss erscheint ein in den Goldgrund eingelassenes blaues Himmelssegment. Es ist versehen mit zahlreichen kleineren goldenen Sternen und zentriert einer Büste der Io, die sich zu einem mächtig strahlenden Stern ausformt: Während sich aus dem goldenen Gewand, das Schulter und Brust einkleidet, goldene Strahlen bilden, ist der Rest der Figur umfangen von einem goldenen Strahlenkranz. Im wörtlichen Sinne stellt die Figur also ein Stern-Bild dar. fol. 12r: fabula XVII – Pan und die Nymphe Syrinx Pan liebt die Nymphe Syrinx und möchte sie an sich reißen. Syrinx willigt aber nicht ein und kommt an einen Fluss, wo sie Jupiter bittet, sie zu verwandeln. Sie wird in ein Schilfrohr an diesem Fluss verwandelt und kann so die Aufdringlichkeit Pans abwenden. Die Erzählung setzt am linken Bildrand ein: In einer dynamischen Bewegung stößt der Gott Pan ins Bild. Mit leicht geneigtem Haupt fixiert sein Blick die Nymphe Syrinx, die unter ihm durch das felsige Gefilde dem Fluss zustrebt, der sich rechts von ihr in diagona-

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139 Dies stammt nicht aus dem Ovid-Text, sondern aus ›De astronomia‹ des Hyginus. Hyginus, De Astronomia

1992, II, 21, S. 63: Nonnulli aiunt, cum [Io] in bovem sit conversa, ut Iuppiter ei satisfacere videretur, inter sidera constituisse […].

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lem Lauf erstreckt. Hierbei wird die Dramatik des Augenblickes durch Körperhaltung wie Gestik der Figuren anschaulich: Während Pan jeden Moment die Nymphe ergreifen zu wollen scheint – sein ausgestreckter linker Arm fixiert sie, und sein rechter Arm ist zum Zugriff erhoben –, wendet sich die flüchtende Syrinx, die mit der rechten Hand ihr Gewand leicht anhebt, um eilenden Schrittes laufen zu können, bang zu ihrem Verfolger um. Schweift der Betrachterblick mit der Bewegungsrichtung der Nymphe nach rechts, nimmt er am anderen Flussufer auf gleicher Höhe ein auffallend großes Schilfrohr wahr. Es wird an seinem oberen Ende von Jupiter umfasst, dessen Oberkörper in ähnlicher Haltung am Himmel erscheint wie bei Pan links. Insbesondere in dieser Parallelisierung wird evident, dass Jupiter die fliehende Syrinx in ein Schilfrohr verwandelt hat; der im Profil gemalte schmale Kopf auf halber Höhe des Schilfrohres wird erst bei genauerer Betrachtung sichtbar.

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fol. 12v: fabula I – Palast des Sonnengottes Der Palast des Sonnengottes ist aus hochragenden Säulen gebaut, mit Wänden aus Gold, dem Dach aus Elfenbein und den Türen aus Silber. Innen waren das Meer, die Erde, der Himmel und verschiedene Flussgötter sowie die zwölf Himmelszeichen dargestellt. Die Miniatur zeigt den als oktogonalen Zentralbau angelegten Palast des Sonnengottes. Gemäß der Berchorius-Paraphrase, dass er ›mit hochragenden Säulen gebaut war‹, nimmt er die gesamte Höhe des rechteckigen Bildfeldes ein. Zwei hoch aufragende goldene Halbsäulen mit Sockel, Plinthe und Basis sowie Kapitell und Kämpfer tragen einen der Wand vorgelagerten Rundbogen. In die so formierte rundbogige Blendarkade ist ein ebenfalls rundbogiges Portal eingelassen, dessen geöffnete Türen mit einer Rautenornamentik aus Silber geschmückt sind. Zudem ist auf die Wandfläche zwischen Portal und Rundbogen eine monumentale kosmologische Darstellung gemalt: Im Innersten der konzentrischen Kreise befindet sich die Erde mit der Darstellung eines Hirten und eines Widders an einem Baum, umgeben vom Meer mit Fischen  – mit einem oben nicht ausgeführten Kreissegment – und der Sphäre der Luft: hellblaue Profilköpfe erscheinen vor dem dunkelblauen Grund und blasen sichtbare Luftströme aus. Es folgen die sieben Himmels- oder Planetensphären, die durch unterschiedliche Farben gekennzeichnet sind. Ganz außen schließlich ist der Fixsternhimmel mit den Tierkreiszeichen zu sehen. Neben diesem figürlichen Bildwerk ist der Bau auch mit vegetabiler und geometrischer Ornamentmalerei in Gold und Silber geschmückt, wie in den Bogenzwickeln und den Wandfeldern links und rechts davon. Über dem elfenbeinfarbenen Gesims öffnet sich im oberen Teil der Außenwände eine Rundbogengalerie mit goldenen Säulchen, die wiederum von einem elfenbeinfarbenen Dachgesims mit Zinnen bekrönt wird. fol. 12v: fabula II – Proteus Im Palast des Sonnengottes gibt es die Darstellung des Gottes Proteus. Er wird ein schwankender Gott genannt, weil er keine feste Gestalt besitzt, sondern sich plötzlich und unerwartet in verschiedene Gestalten auf verschiedene Weise verwandelt. Wie in der vorausgehenden Miniatur ist der Palast des Sonnengottes dargestellt, doch erscheint hier anstelle des Portals und der kosmologischen Darstellung auf der vertikalen Mittelachse die Figur des Proteus. Sie ist in Form eines Mischwesens gestaltet: Der Unterkörper ist aus einem grünen Drachenschwanz, einem blauen Fischrumpf mit Schwanz- und

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Rückenflosse sowie einem grau-weißen Hinterlauf einer Ziege gebildet. Der rote Oberkörper entspricht dem eines Mannes, jedoch ist die Bauchpartie als Gesicht mit einem breiten Maul geformt, aus dem eine lange Zunge herabhängt. Die behaarten Arme wiederum münden einmal in eine Raubtiertatze, andermal in einen Entenfuß. Der ebenfalls rote, zunächst menschlich anmutende Kopf trägt mit den langen Ohren und Augen teuflische Züge, als Kopfbedeckung trägt er einen Skorpion. Aus den Schulterblättern wachsen schließlich zwei unterschiedliche Flügel hervor, links der eines Drachens, rechts der gefiederte eines Vogels. fol. 13r: fabula III – Der Sonnenwagen Sol vertraut seinem Sohn Phaethon die Lenkung seines Wagens und der Pferde an und gibt ihm dabei drei Anweisungen: Erstens, dass er die Pferde von alleine laufen lasse und sie nicht auf irgendeine Weise anstachele. Zweitens, dass er die Zügel sorgfältig in den Händen halte und die Pferde dahin gehen lasse, wohin sie wollen. Drittens, dass er sich in der Mitte halte und weder nach rechts noch nach links abweiche und dass er weder zu tief noch zu hoch dahinfahre. Links strebt Phaethon von der Erde aus seinem Vater Sol in dessen Sonnenwagen zu, der über ihm am Himmel fährt. Souverän und ruhig sitzt der Sonnengott, der durch eine monochrome gelbe Gestalt als solcher kenntlich gemacht ist, in dem feuerroten Wagen, der an jedem der vier Räder von einem Pferd gezogen wird. Obschon die feuerrote Farbe der Pferde auf ihr feuriges Wesen verweist, ziehen diese den Wagen in geordneten Bahnen: Sie bewegen sich auf ihrer jeweiligen Bahn in die gleiche Richtung, so dass der Wagen auf der mittleren Achse ruhig aufliegt. Indem Phaethon und Sol einander zugewandt sind, wird mit dem Blickwechsel nach rechts ersichtlich, dass Sol seinem Sohn den Wagen übergibt; in der rechten Bildhälfte erscheint nun Phaeton in dem Wagen und setzt dessen Fahrt fort. Im Gegensatz zu Sol steht er im Wagen, und obschon er die Zügel in Händen hält, brechen die Pferde ungestüm aus der vorgegebenen Bahn aus: Während das Pferd am linken Hinterwagen den Kopf temperamentvoll in den Nacken wirft, bewegt sich sein rechtes Pendant energisch in eine gegenläufige Richtung. fol. 13r: fabula IV – Phaethons Fahrt Gegen den Willen seines Vaters Sol übernimmt Phaeton dessen Wagen, der von feuriger Natur ist. Weil Phaeton zu jung ist, weiß er weder den Wagen noch die Pferde zu lenken, so dass die Pferde ohne Regel in einem hitzigen Trieb durch die Lüfte umherstreifen. In dieser Miniatur, die unmittelbar neben der vorausgehenden in der rechten Textkolumne platziert ist, setzt sich Phaethons Fahrt fort. Die formale Anordnung des Nebeneinanders ermöglicht eine Rezeption, in der die Dynamik der Fahrt unmittelbar erfahrbar wird. Wieder sind über dem Erdengrund die drei konvex verlaufenden regenbogenfarbigen Bahnen in der oberen Bildhälfte zu sehen. Doch hat der Wagen die vorgegebene Spur verlassen, indem er auf die linke abgewichen ist. Während die Pferde indizieren, dass Phaethon ihr hitziges Ungestüm nicht unter Kontrolle hat, zeigt seine Figur deutlich, dass er die Zügel nicht zu nehmen und den Wagen nicht zu lenken weiß: Sein rechter Arm hält unbeholfen die Zügel, womit seine verkrampft anmutende Körperhaltung und seine unsichere Mimik als Ausdruck des Ausgesetzseins korrespondieren. So strebt der Wagen in außerordentliche Höhen – ein Unterfangen, das es gemäß der Paraphrase zur vorausgehenden Miniatur zu vermeiden gilt. Das Eintreten dieser Gefahr wird dadurch anschaulich, dass das Geschehen

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zum einen geradezu an den oberen Bildrand gedrängt ist. Zum anderen sind die Köpfe des nach oben eilenden Pferdes sowie Phaethons durch den Rahmen angeschnitten, wodurch ein tragischer Fortgang angedeutet ist.

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fol. 13r: fabula V – Phaethons Sturz Weil Phaeton den Wagen seines Vaters Sol nicht zu lenken weiß, wird die ganze Welt entflammt. Alle Bäume brennen nieder, die gesamten Berge werden in Brand gesteckt, sogar das Meer selbst verbrennt. Auch der Himmel und die Gestirne werden entflammt. Die von den Bränden bedrängte Erde beklagt sich bei Jupiter über den unverständigen Wagenlenker, so dass Jupiter Blitze schleudert und dadurch der Wagen mit den Pferden und Phaethon kopfüber ins Meer stürzt. Der tragische Fortgang ist hier dargestellt. Die untere Bildhälfte zeigt eine vornehmlich karge Landschaft mit einem Fluss, der sich in die Tiefe erstreckt. Sowohl die braune Erde als auch das Wasser sind von Feuerherden bedeckt. Und sogar der Himmel und die Gestirne am oberen Bildrand werden entflammt. Dass dies die Folge von Phaetons verfehlter Fahrt des Sonnenwagens ist, wird dadurch anschaulich, dass die Flammen von den Rädern seines Wagens auf das blaue Himmelssegment mit den Sternen übergreifen. In diese Dramatik fügt sich der Sturz des Sonnenwagens. Aus der oberen Bildhälfte, die durchzogen ist von den Bahnen mit dem umgekippten Wagen, stürzen Phaethon und die Pferde in der Bildmitte kopfüber auf die Erde hinab. fol. 13v: fabula VI – Atlas Atlas soll ein riesiger Gigant gewesen sein, der mit seinem Kopf den Himmel berührte und den Himmel auf seinen Schultern trug. In Wahrheit war er ein Philosoph, der sich mit dem Himmel und den Sternen beschäftigte und deshalb laut Dichtung der Poeten den Himmel gehalten und berührt haben soll. In einer steinigen Landschaft, in der vereinzelt Blumen und Buschwerk wachsen, steht frontal der Riese Atlas in vorderster Bildebene. Die hermelingefütterte rote Tunika und das rosafarbene Untergewand lassen erkennen, dass er mit gespreizten Beinen in leicht versetzter Fußfolge und gebeugten Knien steht. So ist ein fester Stand markiert, der andeutet, dass er auf seinen Schultern etwas von Gewicht trägt: Es ist die Himmelsscheibe mit den Sternen. Während er sie auf seinen hochgezogenen Schultern aufliegen lässt, streckt er seinen Kopf nach vorne und stützt sie mit seinen großen Händen links und rechts ab. Als bärtiger Alter mit einer Krone auf dem Haupt ist Atlas in der zeitgenössischen Ikonographie des Ptolemäus dargestellt, so dass der Maler der Paraphrase folgt, derzufolge sich hinter Atlas Ptolemäus verbirgt. fol. 13v: fabula VII – Phaethons Schwestern Als Phaethons Schwestern seinen Tod beklagen, verwandeln sie sich in Bäume. Sie werden von Rinde umschlossen, ihre Arme werden zu Ästen ihre Füße zu Wurzeln, die in der Erde haften, so dass die Schwestern auf ihrem Weg festgehalten werden. Auf dem erdigen Grund einer ebenen Landschaft, die sich in die Tiefe erstreckt, erheben sich sieben Bäume in die Höhe. Während die Baumstämme dem Erdreich zugeordnet sind, sind die Baumkronen vom Goldgrund umschlossen. Bei genauerer Betrachtung der Baumstämme wird sichtbar, dass es sich bei ihnen um Frauenfiguren handelt, die gerade verwan-

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delt werden: Die Füße sind bereits in Wurzeln transformiert, die mit der Erde verhaftet sind. Die Gewänder, die die Körper umhüllen, sind zu starrer Rinde verwandelt. Und während die monochromen Köpfe partiell als solche noch vorhanden sind, sind die Arme zu langen Zweigen aufgeschossen, die schließlich das verschiedenartige Laub halten. Es gelingt dem Maler, die Erstarrung Phaethons Schwestern im Moment der Klage anschaulich vor Augen zu stellen, indem er die Auswirkung der Verwandlung erfahrbar macht: Die leicht versetzte Stellung der Figuren in einer wellenförmigen Linie verweist auf den vormaligen Bewegungsfluss, der mit der Erstarrung der einzelnen Körper kontrastiert, die durch die Arretierung der zu Wurzeln verwandelten Füße mit dem Erdreich und die grün-bräunliche Rinde sichtbar wird. fol. 14r: fabula VIII – Phaethons Schwestern Als Phaetons Schwestern, die Töchter Sols, in Bäume verwandelt werden, bedeckt Rinde den gesamten Körper, außer das Gesicht und den Mund. Daher rufen sie nach der Hilfe ihrer Mutter. Schließlich werden sie vollständig in Bäume verwandelt und verlieren ihre menschliche Gestalt und Stimme. Gemäß der Berchorius-Paraphrase zeigt diese Miniatur in verwandter Weise dasselbe Sujet wie die vorausgehende: die Verwandlung Phaetons Schwestern in Bäume. Auch hier ist der Prozess der Metamorphose dargestellt, indem die Gesichter noch auf die ursprüngliche Gestalt der Figuren verweisen. fol. 14r: fabula IX – Cygnus Als Cygnus, ein Sohn Sols und Phaetons Bruder, von Phaehtons Tod erfährt, weint er so sehr, dass er mit seinen Tränen einen Fluss hervorbringt. Später stößt er zu seinen in Bäume verwandelten Schwestern und wird selbst verwandelt: in jenen Vogel, der Cygnus (= Schwan) genannt wird. Die Erzählung beginnt am linken Bildrand: Cygnus, in ein rotes Gewand gekleidet, kniet in Dreiviertelansicht an einem abschüssigen Gelände mit vor der Brust verschränkten Händen, die seinen Bart zu umfassen scheinen. Aus den Tränen, die er vergießt, formt sich ein Wasserlauf, der zu einem breiteren Strom anschwillt und sich über den Bildvordergrund erstreckt. Auf der anderen Seite des Ufers breitet sich ein Gefilde mit andersartigem Grund aus, so dass ein neuer Handlungsort und zeitlicher Fortgang markiert sind. Der Ort ist durch die sieben Bäume im Hintergrund bezeichnet, die durch ihre Zahl wie durch die Gestalt ihrer Stämme als Phaetons verwandelte Schwestern identifizierbar sind. Vor ihnen steht ein Schwan, dessen Kopf Cygnus’ bärtiges Gesicht zeigt. So ist auch hier der Moment der Verwandlung in den Vordergrund gerückt: Während der Körper schon gänzlich die Gestalt eines Schwans angenommen hat und die Metamorphose in den charakteristischen langen Hals fast abgeschlossen ist, ist das männliche Gesicht noch zu erkennen. Dessen Verwandlung setzt gerade ein, indem sich das Kinn zu einem orangefarbenen Schnabel formt. Diese spezifische Ausgestaltung der Metamorphose dürfte dem Ovid-Text entlehnt sein, in dem – anders als in der Berchorius-Paraphrase – von der markanten Ausformung des Schnabels die Rede ist140.

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140 Ovid, Metamorphosen 2007, II, 376, S. 84 f.: ›sein Mund [verwandelt] sich in einen stumpfen Schnabel‹

(tenet os sine acumine rostrum).

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fol. 14r: fabula X – Jupiter und Callisto Callisto, die wunderschöne Tochter des Lycaon, lebt in einem Wald und geht dort zur Jagd. Jupiter verliebt sich in Callisto, nimmt die Gestalt einer Frau an und begibt sich zu ihr in den Wald. Dort verkehrt er mit ihr. Im linken Bildvordergrund kniet die Nymphe Callisto mit ihrem Hund in einem mit Bäumen bestandenen Gelände. Von rechts nähert sich Jupiter in Gestalt einer Frau. Er führt ebenfalls Jagdhunde bei sich und hält den gleichen Stab wie Callisto in seiner Rechten. Durch diese Analogie zeigt sich, dass das Bild auf den Ovid-Text rekurriert, der zum einen besagt, dass Callisto im Dienst der Diana steht, und zum anderen, dass Jupiter Dianas Gestalt annimmt141. Der Zweck dieses Gestaltwandels wird augenscheinlich in der Darstellung, die der Maler sinnfällig in dem V-förmigen Zwischenraum, der durch die Konturen der beiden Abhänge entsteht, platziert hat: Jupiters Vereinigung mit Callisto – er umschlingt sie mit seinen Armen und presst seine Lippen an ihr Gesicht. So tritt auch die Bedeutung der unterschiedlichen Farbigkeit der beiden Gelände, denen Callisto und Jupiter zugeordnet sind, hervor: Sie verweist auf die divergenten Welten, denen sie angehören. Dies verdeutlicht der Maler schließlich dadurch, dass Callistos Gewandzipfel und ihr herabfallendes zusammengebundenes Haar mit dem Grund ihres irdischen Gefildes in Berührung gebracht sind, während Jupiters Rumpf am unteren Ende von einem blauen Kranz umgeben ist, der anzeigt, dass der Gott den Himmel durchbricht und zur Erde hinabkommt. fol. 14v: fabula XI – Juno und Callisto Juno bemerkt durch Callistos Schwangerschaft Jupiters Ehebruch und verwandelt daraufhin Callisto in eine Bärin. In der rechten oberen Bildhälfte ist im blauen Himmelssegment Jupiters Vereinigung mit Callisto, die durch das rosafarbene Gewand und die geflochtenen blonden Haare erkennbar ist, zu sehen. Links davon erscheint Juno und reagiert auf Jupiters Ehebruch: Sie verwandelt Callisto in eine Bärin, wobei ihr Eingreifen in die natürliche Gestalt durch das Hinausragen ihrer Hände über das blaue Himmelssegment sinnfällig wird. Ihre Hände weisen auf die Gestalt einer Bärin im Bildvordergrund, die allein durch das Aufscheinen des menschlichen Gesichts auf deren Stirnpartie als Callisto identifiziert werden kann. Die Bärin ist ausgesprochen naturalistisch gemalt, so dass es den Anschein hat, dass sich die Metamorphose jeden Moment vollendet und das menschliche Gesicht hinter der Stirn der Bärin verschwindet. fol. 14v: fabula XII – Callistos menschliches Wesen Die durch Juno in eine Bärin verwandelte Callisto behält ihren menschlichen Verstand. Daher wendet sie sich den Menschen zu, die jedoch vor der Bärin fliehen. Callisto selbst vergisst, dass sie eine Bärin ist und liegt häufig vor der Tür ihres Hauses. Im Bildvordergrund läuft Callisto aus einem Wald heraus, der sich am linken Bildrand in die Tiefe erstreckt, und nähert sich Menschen. Diese fliehen jedoch aus Furcht vor ihr. So sitzt Callisto in der rechten Bildhälfte allein und mit trauriger Miene vor einem Gebäude. In dieser psychologischen Ausdrucksästhetik spiegelt sich die Tragik, dass Callisto hinter ihrer Gestalt als Bärin ihren menschlichen Verstand behält und so vergisst, dass sie eine Bärin ist. 141

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Ebd., II, 415 und 425, S. 88 f.

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fol. 14v: fabula XIII – Jupiter, Callisto und Arcas Arcas stößt bei der Jagd auf seine Mutter Callisto, wird ihr jedoch aufgrund ihrer Verwandlung in eine Bärin nicht gewahr. Callisto hingegen erkennt ihren Sohn und geht auf ihn zu. Aus Furcht ergreift Arcas Pfeil und Bogen und versucht Callisto zu töten, was Jupiter verhindert. Rechts im Bildvordergrund steht die Bärin Callisto auf einer Lichtung, links von ihr reißen drei Hunde ein erlegtes Reh. Sie gehören zum Jäger Arcas, der über ihnen im Bildmittelgrund zu sehen ist. Während Callisto ihren Körper leicht aufrichtet und sich Arcas zuwendet, ist er im Begriff, seinen auf Callisto gerichteten Bogen zu spannen. Am linken Bildrand kommt Jupiter vom Himmel herab und fasst Arcas, der seinen Kopf zu ihm umwendet, an den Schultern. So hält Jupiter Arcas davon ab, Callisto zu töten. Diesen narrativen Spannungsbogen hat der Maler auf einer diagonalen Achse angelegt, die sich von rechts unten nach links oben erstreckt; somit liegt das Handlungsmoment bei Jupiter. fol. 15r: fabula XIV – Callistos Rückverwandlung Jupiter erbarmt sich Callisto und verwandelt sie und ihren Sohn in Sterne. Sie werden zu den beiden Gestirnen, die laut dichterischer Erfindung Großer Bär und Kleiner Bär genannt werden. In der rechten Bildhälfte schwebt Jupiter vom Himmel herab. Mit seiner Linken weist er auf Callisto, die in vorderster Bildebene auf der vertikalen Mittelachse steht und nahezu die Gestalt einer Frau angenommen hat; allein ihre Arme weisen noch das dunkle Fell der Bärin auf142. Links von Callisto ist die Gestalt eines Bären zu sehen, die mit goldenen Sternen versehen ist. Indem im blauen Himmelssegment am linken oberen Bildrand sieben goldene Sterne das Sternbild des Großen Bären formen, ist sinnfällig vor Augen gestellt, dass Jupiter Callisto als Sternbild in den Himmel versetzt. fol. 15r: fabula XV – Callisto, die Tochter des in einen Wolf verwandelten Lycaon Der Tyrann Lycaon wurde in einen Wolf verwandelt und seine Tochter Callisto in eine Bärin. Im linken Bildmittelgrund sind Kopf und Rumpf eines Wolfes zu sehen, während ihm rechts zwei größere und ein kleiner Bär entgegentreten. Da nicht nur gemäß der Paraphrase eine Bärin dargestellt ist, die bezeichnet, dass die in eine Bärin verwandelte Callisto von Lycaon abstammt, der in einen Wolf verwandelt wurde, sondern mehrere Bären, wird deutlich, dass die Maler hier die allegorische Auslegung des Berchorius zur Grundlage ihrer Darstellung gemacht haben. Die Auslegung besagt, dass die Nachkommenschaft eines grausamen Tyrannen, der in einen Wolf verwandelt wurde, zu Bären wird, weil die väterlichen Grausamkeiten ganz oder teilweise nachgeahmt werden. fol. 15r: fabula XVI – Coronis und Apollo Coronis, die wunderschöne Geliebte Apollos, betrügt ihn eines Tages mit einem jungen Mann. Als der Rabe, dessen Herr Apollo ist, dies sieht, meldet er es ihm. Voller Zorn tötet Apollo daraufhin Coronis. Angesichts seiner überstürzten Tat erfasst Apollo großer Schmerz, und so verwandelt er den Raben von einem weißen Vogel in einen schwarzen.

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142 Das belaubte Geäst, das von den Armen ausgeht, lässt sich weder aus dem Berchorius-Text noch aus Ovid

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Die Bilderzählung beginnt in der linken oberen Ecke: Der weiß gefiederte Rabe sitzt auf einem Baum und spricht zu Apollo, der vor ihm als gelb-orangene Halbfigur erscheint, die von einem Strahlenkranz umfangen ist. Seine Rede bezieht sich auf das Geschehen unterhalb des Baums: Ein vom Rahmen angeschnittener Jüngling verlässt die Szene und wendet dabei Coronis, die in der Mitte des Bildvordergrundes dargestellt ist, den Rücken zu. Dass damit auf die zurückliegende Liebschaft der beiden verwiesen ist, erschließt sich mit der Betrachtung der rechten Bildhälfte: Rechts oben erscheint Apollo mit einem nicht mehr gespannten Bogen in seiner Linken – der Pfeil hat Coronis in die Brust getroffen, und während ihr blutender Körper nach hinten zusammensackt, schaut sie zu Apollo empor. Hierbei zeigt sich, dass Apollo Coronis voller Wut tötet: Beide Figuren sind auf einer diagonalen Achse in einen spannungsvollen Bezug gesetzt, und diese Spannung, die vom bewaffneten Apollo ausgeht, entlädt sich im schauenden Nachvollzug der Flugrichtung des Pfeiles. Von Coronis führt die Bilderzählung zurück zur Eingangsszene in der linken oberen Ecke mit der Verwandlung des Raben durch Apollo: Am Kopf hat sich das weiße Gefieder des Raben bereits schwarz verfärbt, und die Verwandlung geht über auf Rücken und Brust.

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fol. 15v: fabula XVII – Cornix Als Cornix, ein schönes Mädchen und Gefährtin der Pallas, am Meer spazierengeht, verliebt sich Neptun in sie. Er möchte sie rauben und schänden, Cornix aber bittet die Götter um Hilfe. Sofort erscheint Pallas und verwandelt Cornix in eine Krähe, und so entkommt das Mädchen den Nachstellungen des Meeresgottes. Aus den Fluten eines diagonalen Wasserlaufes bildet sich die dunkle Gestalt Neptuns. Sie umarmt Cornix, die am linken Ufer steht. Das Mädchen versucht vor dem übergriffigen Gott zurückzuweichen – sie neigt ihren Oberkörper nach hinten –, doch ist ihr Körper dem Gott schutzlos ausgeliefert. So drückt der Gestus der erhobenen Arme ihre Ohnmacht und Hilfsbedürftigkeit aus. Pallas, die vom linken Rand ins Bild stößt und über Neptun und Cornix schwebt, kommt ihr zuhilfe. Während sie mit ihrer Rechten nach unten auf die bedrängte Cornix zeigt, verweist ihre Linke auf die Hilfe, die sie der Bedrängten zukommen lässt, so dass die Göttin mit ihrer Geste zwischen den Figuren der linken und rechten Bildhälfte vermittelt: Rechts vollzieht sich Cornix’ Metamorphose, wobei der Prozess der Verwandlung anschaulich vor Augen gestellt ist. Der Kopf besitzt schon die Gestalt des Vogels, die entblößten Arme werden zu Beinen, die Finger formen sich zu Krallen, und das Gewand, das eine identifizierende Funktion hat, weist bildhaft auf das sich ausbildende Federnkleid hin. fol. 15v: fabula XVIII – Erichthonius Pallas hat einen Sohn von zweifacher Natur: oben ist er Mensch und unten eine Schlange. Weil er ein Ungeheuer ist und damit man ihn nicht sieht, schließt Pallas ihn in eine versiegelte Kiste und übergibt sie den Töchtern des Cecrops zur Bewachung. Dabei verbietet sie ihnen die Kiste zu öffnen. Durch das Verbot ist die Neugierde der Frauen geweckt, und so widersetzen sie sich dem Verbot und öffnen die Kiste. Die Krähe, die der Vogel der Pallas ist, sieht den Verstoß und berichtet Pallas, was sie beobachtet hat. Die Bilderzählung beginnt in der linken oberen Bildhälfte: Pallas schwebt vom linken Rand ins Bild hinein und übergibt einen großen Korb einer der Töchter des Cecrops. Das mächtige Schloss, mit dem der Korb verriegelt ist, verweist darauf, dass der Inhalt des Kor-

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bes verborgen bleiben soll. Doch widersetzen sich die drei Frauen unten im Bildvordergrund dieser Vorgabe und enthüllen das Geheimnis: Sie öffnen den zentriert stehenden Korb und erblicken Pallas Sohn, dessen Unterleib die Gestalt einer Schlange hat. Die Reaktionen der Frauen auf die ›zweifache Natur‹ stellt der Maler in einem facettenreichen Ausdruck von Emotionalität vor Augen: Während die Mimik der linken von ihrem Entsetzen zeugt, zeigt jene der mittleren Betroffenheit, wohingegen die rechte gespannte Neugierde auszudrücken scheint. Für die rosagewandete von ihnen stellt der Anblick des Knaben einen Anlass dar, sich zu entfernen – am rechten Rand verlässt die vom Bildrand angeschnittene Figur den Ort des Geschehens. In der rechten oberen Bildhälfte sitzt die Krähe in einem Baum und wendet sich an Pallas, die rechts von ihr schwebt. Indem Pallas ihre Hände abwehrend zwischen sich und der Krähe erhoben hat, scheint sie deren Worte über das Geschehen unten im Bild nicht hören zu wollen. Diese Geste rekurriert auf den Ovid-Text – dort spricht die Krähe zu dem Raben: ›Ich hinterbringe der Göttin, was geschah. Dafür wird mir solcher Lohn zuteil, daß man mir nun nachsagen kann, ich sei aus Athenes Obhut verstoßen‹143. Durch diesen Rückgriff auf den Ovid-Text erschließt sich die Darstellung der Vögel in der oberen linken Ecke. Denn gemäß dem Ovid-Text bilden sie den ›Rahmen der Geschichte‹: Die auch hier im Baum sitzende Krähe erzählt dem Raben ihre Geschichte, die unterhalb über die gesamte Bildfläche hinweg vor Augen gestellt ist144. fol. 16r: fabula XIX – Ocyrhoe Die Prophetin Ocyrhoe macht die Weissagung, dass Sols Sohn, der in die Obhut ihres Vaters Chiron, einem Centaur, gegeben wird, große Wunder bewirken wird. Die Götter sind darüber entrüstet und lassen Ocyrhoe prophezeien, dass sie sich selbst in eine Stute verwandelt. Als solche hat sie Kräuter als Speise und gibt anstatt der Sprache Gewieher von sich. Eine fünfköpfige Gruppe tritt von rechts an den Centaur Chiron heran, dessen Oberkörper die Gestalt eines Menschen hat, während sein Unterkörper der eines Pferdes ist. Der die Gruppe Anführende, der leicht von ihr abgesetzt voranschreitet, übergibt Chiron einen in Windeln gewickelten Knaben. Dass diese Übergabe von zentraler Bedeutung ist, hat der Maler in zweifacher Weise herausgestellt: Zum einen befindet sich der Mann mit dem Kind, das von Chirons ausgestreckten Armen bereits berührt wird, auf der vertikalen Mittelachse des Bildes. Zum anderen deutet die blaugewandete Ocyrrhoe, die etwas zurückgesetzt zwischen Chiron und dem Mann mit dem Knaben steht, mit einem deiktischen Gestus ihrer Rechten auf das Kind. Zugleich verweist der imperativische Gestus ihrer Linken mit dem erhobenen Zeigefinger, der an die Personengruppe gerichtet ist, auf ihre prophetische Aussage bezüglich des Jungen. Im Bildvordergrund ist die Folge von Ocyrhoes Prophezeiung dargestellt: Sie ist eine Stute verwandelt, die als Speise Kräuter frisst. fol. 16r: fabula XX – Aesculap und Chiron Sol übergibt seinen Sohn Aesculap dem Kentaur Chiron zur Erziehung. Dieser freut sich über den Auftrag, den göttlichen Sohn in seine Obhut zu nehmen, und legt ihn in seine Höhle und versteckt ihn.

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143 Ovid, Metamorphosen 2007, II, 562 f., S. 98 f.: acta deae refero, pro quo mihi gratia talis / redditur, ut dicar

tutela pulsa Minervae/. 144 Ebd., II, 544–552, S. 96 f.

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III. DER BOLOGNESER KODEX IN GOTHA

Außerhalb der Stadt, die in der oberen rechten Ecke dargestellt ist, befindet sich der Centaur Chiron mit dem in Windeln gewickelten Knaben in einem militärischen Lager, das sich in der linken Bildhälfte in die Tiefe erstreckt. Als Hauptfiguren der Erzählung erscheinen Chiron und Aesculap in vorderster Bildebene auf der vertikalen Mittelachse. Umgeben sind die beiden von Soldaten, die sich freundlich dem Kind zuwenden. So rekurriert die Darstellung weniger auf die Berchorius-Paraphrase oder den Ovid-Text, in denen von Chirons Höhle als Aufbewahrungsort des Kindes die Rede ist145, als vielmehr auf den Zweck der Übergabe des Kindes, der sich in der allegorischen Auslegung des Berchorius findet: ›zur Bewachung‹.

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fol. 16v: fabula XXI – Mercur und Battus Mercur raubt eine große Rinderherde und wird dabei von einem Bauern beobachtet. Damit der Bauer den Diebstahl nicht aufdeckt, schenkt Mercur ihm eine Kuh, woraufhin der Bauer sagt: ›Gehe ganz unbesorgt! Eher soll dieser Stein deinen Diebstahl ausplaudern‹146. Merkur entfernt sich und nimmt die Gestalt von jenem an, dem er die Rinder geraubt hat. Mit dem äußeren Erscheinungsbild des Beraubten fragt er den Bauern dann, ob er jemanden gesehen habe, der seine Herde gestohlen hat. Nachdem er ihm eine Kuh und ein Rind versprochen hat, antwortet der Bauer, dass sich einer unlängst mit der Herde entfernt hat. Da der Bauer damit sein Versprechen des Stillschweigens nicht hält, verwandelt ihn Mercur erzürnt in einen Stein. Die Landschaft gliedert den Handlungsraum in zwei Hälften, die durch eine diagonale Konturlinie voneinander abgegrenzt sind: Während die Landschaft in der rechten Hälfte durch eine fruchtbare Weidefläche charakterisiert ist, bildet in der linken ein Terrain aus grauem Stein bildhaft den Grund für das Geschehen. In der rechten Hälfte beginnt die Bildnarration, die ihren Ausgangspunkt in der Tat der rosagewandeten Figur hat, die im Mittelpunkt des Bildes platziert ist: Mercur raubt eine Rinderherde, die er rechts vor sich hertreibt. Der Diebstahl bleibt nicht unbeobachtet, denn aus dem Hintergrund verfolgt ihn ein Bauer, der sich hinter einem Stein versteckt hält und ein einfaches blaues Gewand und einen Strohhut trägt. Links führt der Bauer dann eine Kuh an der Leine, die er von Mercur erhalten hat, und er erscheint nochmals mit der Kuh rechts von ihm. Er wendet seinen Kopf zu Mercur zurück, mit dem er im Gespräch ist, und der markante deiktische Gestus seiner rechten Hand verweist auf seine Verschwiegenheit und das in der Berchorius-Paraphrase angeführte Zitat aus Ovids Text mit dem deiktischen Hinweis auf ›diesen Stein‹, der eher den Diebstahl ausplaudern soll. Der weitere Verlauf der Geschichte vollzieht sich in der linken Bildhälfte: Mercur tritt dem Bauern in neuer Gestalt gegenüber – er trägt nun ein grünes Hirtengewand. Mit seinem rechten Zeigefinger deutet er im Akt des Sprechens – sein Mund ist leicht geöffnet – bestimmt auf den Bauern, der seinerseits mit seiner Rechten in eine Richtung zeigt. So ist der Dialog zwischen den beiden bildlich zum Ausdruck gebracht, in dem Mercur nach dem Räuber fragt und der Bauer antwortet, dass dieser sich unlängst mit der Herde entfernt habe. Weil der Bauer damit sein Versprechen bricht, wird er in einen Stein verwandelt. Die Verwandlung stellt der Maler dar, indem er der Figur des Bauern eine monochrome Gestalt 145 Ebd., II, 630, S. 102 f. 146 Ebd., II, 695 f., S. 107.

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verleiht, die die Materialität des Steins zur Anschauung bringt. In dem deiktischen Gestus des Bauern dürfte sich ein Rekurs auf den Ovid-Text spiegeln, in dem der Bauer antwortet: ›Am Fuß jener Berge werden sie sein‹147, so dass das Demonstrativpronomen ille mit dem in die Ferne deutenden Gestus des Bauern korrespondiert. Zudem entspräche der Gestus der Betonung bei Ovid, dass der in einen Stein verwandelte Bauer ›heute noch ›Zeiger‹ genannt wird‹148. fol. 16v: fabula XXII – Göttin des Neides Die Missgunst (invidia) wohnt in einem schwarzen und unterirdischen Haus ohne Sonne. Sie ist traurig, voller Kälte, blind von der Dunkelheit, mit einem abgehärmten Gesicht, finster in der Erscheinung, mit einer Zunge voller Gift und einem Rostzahn. Sie wacht immer, ist von Sorgen erregt und fühlt sich bei Erfolgen anderer elend. Die Jungfrau Aglauros packt die Invidia, tötet sie und macht sie zu einem schwarzen Stein. Die Bildfläche erscheint als eine trostlose Wüste aus großen Steinen, unter denen Höhlen verborgen sind. Es ist der Lebensort der Missgunst (invidia), die in der Bildmitte vor ihrer Höhle sitzt. Ihr schwarzes, abgenutztes Kleid vermittelt, dass sie traurig und voller Kälte ist, wobei sich ihr finsterer Anblick in ihrem Gesicht, das von langen zerzausten Haaren umfangen ist, verdichtet: Es ist – gemäß der Eigenschaft der Missgunst – abgehärmt, und ihr schielender Blick, der anzeigt, dass sie des Augenlichts beraubt ist, sowie die fauligen Zähne in ihrem geöffneten ›Maul‹ verleihen ihr etwas Abstoßendes. Im Kontrast dazu steht neben der Invidia die in ein leuchtend rotes Gewand gekleidete Aglauros, die Invidia mit ihrer Linken am Schopfe packt und mit einem Schwert tötet. Die dadurch ausgelöste Verwandlung der Invidia zu einem schwarzen Stein ist wiederum in dem schwarzen Gewand angedeutet. fol. 16v: fabula XXIII – Jupiter und Europa Weil Jupiter Europa liebt, mischt er sich als weißer, zahmer Stier unter die Rinderherde ihres Vaters Agenor, die Europa an der Meeresküste oft besucht. Europa bewundert die weiße Farbe, die Schönheit und die Zahmheit des Stieres, sammelt Blumen, hängt ihm einen Kranz zwischen die Hörner und streichelt ihn. Schauplatz der Erzählung ist ein blühender und fruchtbarer Garten mit einem Brunnen, um den sich drei junge Frauen versammelt haben: die in ein orange-rotes Gewand gekleidete Europa, die stehend ihre Hand in das sprudelnde Nass hält, und ihre Gefährtinnen, die sich am Fuße des Brunnens niedergelassen haben. Der Maler bezieht sich hier auf den Ovid-Text, in dem es heißt, dass sich Europa von Mädchen aus Tyrus begleitet vergnügt149. Der Aspekt des Vergnügens ist hier stark gemacht, indem er im Bild des Gartens versinnbildlicht ist. Während die Gefährtinnen Blumen pflücken und sie zu einem Kranz flechten – auch hier weicht der Maler von der Paraphrase ab –, wendet sich Europa Jupiter zu: Dieser erscheint rechts im Vordergrund vor einer Herde von Kühen in Gestalt eines weißen Stieres. Wie Europas leicht geneigtes Haupt in Verschränkung mit ihrem Blick und dem ›erglühten‹ Teint ausdrücken, bewundert sie den schneeweißen, makellosen Stier. Sein rechtes Vorder-

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147 Ebd., II, 702 f., S. 106 f.: […] sub illis / montibus […] erunt […]/. 148 Ebd., II, 706, S. 106 f.: […] qui nunc quoque dicitur index/. 149 Ebd., II, 844 f., S. 116 f.

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bein hat er zutraulich angewinkelt, worin sich seine Zahmheit ausdrückt, so dass Europa ihn auch berührt und streichelt.

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fol. 17r: fabula XXIII – Jupiter und Europa Europa lässt sich von der Sanftheit des Stieres täuschen, möchte ihn reiten und besteigt ihn. So erhebt sich der Stier allmählich, begibt sich zum Meer und springt mit der Jungfrau, die sich an seinen Hörnern festhält, hinein und entschwindet mit ihr jenseits des Meeres. Schließlich nimmt Jupiter seine frühere Gestalt an und bringt der Jungfrau Europa Trost. Ihre Fortsetzung findet die Erzählung um Europa in dieser Miniatur, die unmittelbar auf die vorausgehende folgt. Das Geschehen ereignet sich zunächst in der linken Bildhälfte, an einer felsigen, mit Schilfrohr und anderen Gräsern bewachsenen Küste: Europa steigt auf den Rücken des Stieres, der sich links im Bildvordergrund niedergelassen hat, und streichelt ihn. Wie bei Ovid beschrieben bekränzt sie sein Haupt mit Blumen und er küsst ihre Hände. Daraufhin entfernt sich der Stier mit Europa vom Land und trägt sie auf das Meer hinaus, das sich in Form eines vertikalen Wasserlaufes in der Bildmitte in die Tiefe erstreckt. In der rechten Bildhälfte, jenseits des Meeres, stehen am flachen, mit Blumen bewachsenen Gestade Europa und ein höfischer Jüngling, der eine Krone auf seinem Haupt trägt, in inniger Umarmung – der Stier, das heißt Jupiter, hat seine frühere Gestalt angenommen.

Buch III 19

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fol. 17r: fabula I – Cadmus Cadmus erhält von seinem Vater, König Agenor, den Auftrag, seine Schwester Europa zu suchen. Dabei besteht die Auflage, dass Cadmus ewig nicht in das Reich seines Vaters zurückkehren darf, wenn er die verlorene Schwester nicht wiederfindet. In einem Tempel des Apollo erfragt Cadmus, was er machen solle, und erhält den Rat, dass er einem Rind, das noch nie einen Pflug gezogen hat, folgen und dort, wo das Rind Halt macht, eine Stadt erbauen solle. Die Narration beginnt in der linken Bildhälfte: König Agenor, Europas Vater, tritt vor die Schwelle seines Palastes und weist mit seiner Rechten auf seinen Sohn Cadmus, der rechts vor ihm in einem schwarz-roten Gewand steht. Dass der König ihm im Beisein von (Rechts-) Gelehrten und seiner Gefolgschaft den Auftrag gibt, Europa zu suchen, veranschaulicht das große Segelschiff, das im rechten Bildvordergrund in unmittelbarer Nähe zu Cadmus vor Anker liegt. Es wird von drei Personen ordentlich beladen, worin sich eine Anspielung finden mag, dass es sich um eine lange Reise handelt – im Ovid-Text heißt es, dass Cadmus die Welt durchirrt150. Die Folge der vergeblichen Suche ist in der rechten oberen Bildhälfte dargestellt: Cadmus kniet im Tempel mit einem Gebetsgestus vor dem Götzenbild Apollos. Indem er hierbei dem väterlichen Palast links im Bild den Rücken zukehrt, wird sinnfällig, dass er seine Heimat meidet, weil er seine Schwester nicht gefunden hat. fol. 17v: fabula II – Cadmus Nachdem Cadmus gemäß Apollos Rat Felder und Weinberge durchstreift hat, um einen Ort für die Errichtung einer Stadt zu finden, schickt er seine Gefährten in einen Wald, um frisches Wasser zu suchen, das Jupiter als Dankopfer gespendet werden soll. Die Gefährten 150 Ebd., III, 6, S. 120.

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finden in einer Höhle eine Quelle, und als sie dort Wasser trinken, werden sie von einer Schlange getötet, die dem Mars heilig ist und die Quelle bewacht. Cadmus, der auf der Suche nach seinen Gefährten ist, tötet schließlich die ungeheuer große Schlange mit einem Speer. Der Maler lässt die Bilderzählung rechts oben beginnen, wobei er nicht der Berchorius-Paraphrase folgt, sondern dem Ovid-Text: Die Kuh hat einen Hain aus saftigen und blühenden Wiesen betreten – ihr Steiß ist vom Bildrand angeschnitten, so dass das Betreten anschaulich wird –, sich im weichen Gras niedergelassen und erhebt ihren Kopf zum Himmel. Cadmus kniet in Begleitung seiner Gefährten links von ihr, schaut empor und dankt mit vor der Brust zusammengelegten Händen für das Zeichen der Kuh151. Die Geschichte setzt sich links oben fort: Die Gefährten reiten aus und gelangen mit der Kuh in eine felsige Gegend mit einer Quelle, die an einem Felsblock entspringt und zwischen den aufragenden Steinblöcken hindurchfließt. Dort befindet sich auch eine von Buschwerk und Gräsern umrankte Höhle, die sich schräg in den linken Bildvordergrund erstreckt und in der ein Wasserbassin sichtbar ist. Als die Gefährten aus dem Bassin trinken wollen, werden sie von einer riesigen Schlange, die die Höhle bewacht, erfasst und getötet: Die grüne Schlange, die mit einem roten Kamm geschmückt ist, hat ihren mächtigen Körper um die Männer gewickelt und zerfleischt sie mit den zahlreichen spitzen Zähnen in ihrem monströsen Maul. In dieses Geschehen greift Cadmus ein, der vom unteren Bildrand herantritt und die Schlange mit einem Speer angreift, den er in seiner erhobenen Rechten hält und zwischen die Augen des Tieres stößt. Rechts davon im Vordergrund erlegt Cadmus die Schlange schließlich mit einem Schwert. fol. 17v: fabula III – Cadmus Die Zähne der getöteten Schlange werden in die Erde gesät, und daraus entstehen acht behelmte Soldaten. Zuerst erscheinen die Eisenspitzen der Lanzen, schließlich die Schäfte, schließlich die Köpfe der Soldaten, schließlich die Körper mit den Waffen, schließlich die Schilde und die Köcher mit den Schwertern und mit den Pfeilen. Dann beginnen die Soldaten, sich gegenseitig totzuschlagen. Auf einer am Hang gelegenen Ackerfläche führt Cadmus in der linken unteren Bildhälfte einen Pflug – der Maler dürfte auch hier dem Ovid-Text folgen, in dem geschildert ist, dass sich Cadmus zunächst eines Pfluges bediente, um dann die Zähne der getöteten Schlange auszusäen152. Vor den Pflug ist rechts vorn die Kuh gespannt, so dass eine Bewegung von links nach rechts vorgegeben ist. Die Frucht der Aussaat sprießt um Cadmus herum aus dem Boden: Eisenspitzen von Lanzen, Köpfe mit Helmen von Soldaten und die Körper mit den Waffen. Anschaulich stellt der Maler den Entstehungsprozess, die im Text mittels Adverbien hergestellte zeitliche Abfolge, von links nach rechts dar: An der vertikalen Mittelachse erheben sich die Soldaten mit roter Weste über der Rüstung markant aus der Erde, und indem sie gleichsam den Fuß des aufgetürmten Schlachtengetümmels in der rechten Bildhälfte bilden, wird dieses bildlich zum Kulminationspunkt. fol. 18r: fabula IV – Actaeon Actaeon, von der Jagd ermüdet, geht im Wald umher und gelangt durch Zufall an eine Quelle. In ihr entdeckt er Diana mit ihren Nymphen nackt beim Bad. Die Nymphen, die

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151 Vgl. ebd., III, 20–25, S. 120 f. 152 Ebd., III, 102–105, S. 126 f.

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Diana mit einem goldenen Krug Wasser über die Schultern gießen, verdecken aus Scham aufgrund ihrer Nacktheit den Körper der Göttin, so dass sie von Actaeon nicht gesehen wird. Weil die Göttin nicht möchte, dass Actaeon anderen etwas von ihrer Nacktheit enthüllt, verwandelt sie ihn in einen Hirsch. Schauplatz des Geschehens ist ein dichter Wald: Auf einem felsigen, nach rechts oben wie links oben hin ansteigenden Grund wächst eine vielfältige Flora aus Bäumen und Sträuchern, aber auch Blumen. Diese Landschaftsdarstellung bildet den Grund einer x-förmigen Erzählkomposition, in deren Zentrum Actaeons Verwandlung in einen Hirsch steht und deren Folgen durch den Kunstgriff einer bildübergreifenden Erzählung zugespitzt vor Augen gestellt werden. So vollzieht sich der Hauptstrang der Narration auf der diagonalen Achse von links oben nach rechts unten. Dabei fungiert die kreuzende Achse von links unten nach rechts als Medium der erzählten Zeit, indem sie das Geschehen visualisiert, das der Haupthandlung vorausgeht. Sie ist gebildet durch Actaeons Jagdhunde und seinen Begleiter, der links unten das Bild betritt und zu Actaeon aufschaut, der ihm vorausgeht. Da Actaeon wiederum die Jagdhunde vorauseilen, wird erfahrbar, dass Actaeon von links des Weges gekommen ist und seine Jagd unterbricht, als er die Lichtung mit dem Bad der Diana und ihren Nymphen erblickt: Er steht an deren Rande und schaut zu den Badenden hinauf, wobei sein linker Arm mit dem Bogen entspannt herabhängt. Während die Nymphen Diana umgeben und ihre Haut mit Wasser aus goldenen Karaffen netzen, bemerkt sie, dass Actaeon sie in ihrer Nacktheit sieht. So spritzt sie als Vergeltung mit ihren leicht erhobenen Händen jeweils einen Wasserstrahl in sein Gesicht, wodurch seine Verwandlung ausgelöst wird – auch hier bezieht sich der Maler ausschließlich auf den Ovid-Text153, in der Berchorius-Paraphrase ist dieser entscheidende Moment der Erzählung nicht erwähnt. Während Actaeons Kopf bereits mit einem Geweih und Tierohren versehen ist, formt sich aus dem Gesicht die Hirschschnauze, die sich über das menschliche Antlitz legt. Ganz Hirsch geworden, hastet Actaeon zur rechten unteren Ecke hin aus dem Bild hinaus, wobei er auf einen Wasserlauf schaut – auch dieses Element der Bilderzählung, das vorläufig letzte auf dieser diagonalen Achse, geht auf den Ovid-Text zurück154. Hier zeigt sich ein zweites Mal die Bedeutung der chiastischen Struktur für die Erzählung: Da Actaeons Bewegung gegenläufig zu jener der Hunde ist, wird anschaulich, dass er vor seinen eigenen Hunden flieht; mit anderen Worten deutet diese Form die tragische Verschränkung Actaeons und seiner Jagdhunde an. Der tragische Ausgang wird in der zweiten Miniatur dargestellt, die sich leicht nach unten versetzt in der rechten Textspalte anschließt und worauf wiederum Actaeons Bewegung verweist.

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fol. 18r: fabula V – Actaeon Actaeons Hunde erkennen ihren in einen Hirsch verwandelten Herrn nicht und zerfleischen ihn erbarmungslos, obgleich er ihnen in seinem Geiste sagt, dass er ihr Herr Actaeon sei. Vom linken Bildrand aus gelangt Actaeon als Hirsch in ein abschüssiges, vegetationsreiches Waldgelände, wo ihn seine Hunde umzingelnd angreifen. Während einer sich in sei-

153 Ebd., III, 189 f., S. 130 f. 154 Ebd., III, 198, 200, S. 132 f.

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nem Rücken festbeißt und ein anderer seine Flanke verwundet, geht ihn ein dritter frontal an. In der rechten Bildhälfte zerfleischen die Hunde den am Boden liegenden Hirsch, was der Maler in naturalistischer Weise vor Augen stellt. fol. 18v: fabula VI – Jupiter und Semele Weil Jupiter Semele liebt, zeugt er mit ihr den Gott Bacchus. Als Juno ohne das Wissen ihres Gatten Jupiter die schwangere Semele sieht, nimmt sie die Gestalt Semeles alter Amme an. So warnt sie Semele, dass ein anderer unter Jupiters Namen mit ihr schlafe und ermahnt sie, dass sie beim nächsten Mal, wenn Jupiter zu ihr kommt, ein Geschenk fordert. Im Schlafgemach des grauen Hauses in der linken Bildhälfte liegt Jupiter mit Semele im Bett. Jupiter trägt als Distinktionsmerkmal eine zeitgenössische fehfellbesetzte rote Kopfbedeckung des (Rechts-)Gelehrten mit einer eng anliegenden weißen Haube darunter, der coif, die mit einem Band unter dem Kinn befestigt ist. Rechts im Bild steht die schwangere Semele vor ihrem Haus, der Juno als alte Frau entgegentritt. Der Gestus Junos erhobener Rechten, deren Zeigefinger Semeles Brust in nachdrücklicher Weise fast berührt und mit Junos fixierendem Blick korrespondiert, verweist auf ihren Rat und verleiht ihm etwas Imperativisches. fol. 18v: fabula VI – Jupiter und Semele Als vorgetäuschte Amme gibt Juno Semele vor, was sie als Geschenk von Jupiter bei der nächsten Begegnung fordern soll: Er soll sich so mit ihr vereinigen, wie er es mit Juno tut – als Zeichen, dass es sich bei ihm tatsächlich um Jupiter handelt. Als Jupiter kommt, erbittet Semele von ihm ein Geschenk; Jupiter gesteht ihr diesen Wunsch zu und bestätigt dies mit einem Schwur. Semele äußert daraufhin die Forderung, die ihr von Juno eingeschärft worden war. Als Jupiter die Forderung hört, empfindet er Schmerz, aber weil er den Schwur nicht brechen kann, ist er sogleich mit Feuer und Donner zur Stelle und verbrennt Semele. Die Miniatur folgt unmittelbar auf die vorausgehende. Wie in dieser hat der Maler die Bildfläche zur Erzählung der Geschichte zweigeteilt. Links ist durch Form wie Farbe der Architektur und die Gestalt des Innenraums mit dem gemusterten roten Wandbehang und dem Stoff des Bettbezugs der Handlungsort wiedererkennbar als Semeles Gemach charakterisiert. Der rot gewandete Jupiter tritt in ihm Semele entgegen und leistet einen Schwur: Während er mit seiner Linken Semeles rechte Hand ergreift und unterfängt, hat er seine Rechte leicht erhoben. Dabei schaut er ihr in die Augen. Mit dieser Zusicherung, Semeles Wunsch nach einem Geschenk zu erfüllen, setzt sich das Geschehen in der rechten Bildhälfte fort. In ihr ist die gleiche Architektur dargestellt, nun mit der Pforte in der linken Wand. Zu sehen ist Jupiters Reaktion auf Semeles Wunsch, den sie infolge seines Schwurs konkret geäußert hat: Jupiter tötet Semele, indem von seinem Haupt ein Kranz aus feuerroten Strahlen ausgeht, die Semele treffen und sie in seinen Armen niedersinken lassen. fol. 19r: fabula VII – Jupiter, Semele und Bacchus Nachdem Jupiter Semele, mit der er Bacchus gezeugt hat, mit dem Blitz erschlagen hat, möchte er nicht, dass der Sohn mit der Mutter stirbt. Er holt ihn aus ihrem Bauch und setzt ihn in seinen Oberschenkel ein und bewacht ihn dort bis zur Vollendung der neun Monate. Danach gebiert Jupiter Bacchus, und damit er nicht von Juno gefunden wird, wird er von nysëidischen Nymphen in Efeu eingehüllt und in ihren Höhlen genährt und großgezogen.

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Die Erzählung setzt sich in der linken Bildhälfte mit Semeles Schlafgemach als Schauplatz fort: Jupiter beugt sich über die tot am Boden liegende Semele und entnimmt ihrem aufgeschnittenen Bauch seinen ungeborenen Sohn Bacchus. Rechts oben im Bild kommt Jupiter dann mit dem in Windeln gewickelten Neugeborenen vom Himmel herab und übergibt es einer älteren Frau. Sie betritt rechts unten im Vordergrund eine Höhle und übergibt ihrerseits das Kind an zwei junge Frauen. Den Aspekt der Überantwortung stellt der Maler heraus, indem sich nicht nur die vordere Nymphe mit offenen Armen der älteren Frau mit dem Kind entgegenbeugt und dabei ihr behütender Schoß durch ihre sitzende Haltung hervortritt. Sie umfasst vielmehr als Zeichen der Übernahme mit ihrer Rechten deren linken Zeigefinger. So zeigt sich, dass der Darstellung die Erzählung Ovids zugrunde liegt, derzufolge Bacchus von seiner Tante Ino gepflegt wird, dann aber den Nymphen von Nysa übergeben wird, die ihn ›in ihrer Grotte verbergen und ihm Milch zur Nahrung geben‹155.

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fol. 19r: fabula VIII – Bacchus Nachdem Bacchus über den Osten triumphiert und sein Gefolge durch die Sandwüsten Libyens geführt hat, ist er über die Maße durstig, kann aber weder für sich noch für sein Gefolge Wasser finden. So bittet er seinen Vater Jupiter, dass er ihm und den Seinigen Wasser gebe. Jupiter erscheint in Gestalt eines Widders und schlägt mit seiner Hufe auf die Erde, worauf eine Quelle hervorbricht. Bacchus erbaut Jupiter daraufhin an diesem Ort einen Tempel, in dessen Mitte sich Jupiters Bildnis eines Widders befindet. In der linken Bildhälfte erscheint das Heer von Bacchus in einer kargen felsigen Landschaft. Bacchus selbst kniet im Vordergrund vor einem Widder, der mit seiner rechten Vorderhufe aus dem Gestein eine Quelle sprudeln lässt. Als Folge dieses Ereignisses erscheint im rechten Bildhintergrund ein Tempel in Form eines geöffneten oktogonalen Zentralbaus, in dessen Mitte ein Altar mit einem goldenen Bildnis des Widders steht. Dem Heiligtum wenden sich die links niederknienden Soldaten mit vor der Brust zusammengelegten Händen dankend zu. fol. 19r: fabula IX – Bacchus und die etruskischen Seeräuber Der überaus schöne Jüngling Bacchus möchte auf die Insel Naxos gelangen, die sich auf der rechten Seite eines Flusses befindet. So vertraut er sich einigen Schiffern an, die versprechen, ihn dorthin zu fahren. Da die Schiffer von der Schönheit des Knaben angezogen sind und ihn als Beute behalten wollen, beginnen sie, auf die linke und nicht auf die rechte Seite des Flusses zuzusteuern. Als Bacchus bemerkt, dass sie ihn auf die falsche Seite bringen und ihn nicht fortgehen lassen wollen, hält er mit seiner göttlichen Macht das Schiff an und verwandelt alle Ruder und das Takelwerk des Schiffes in wilde Schlangen und Panther und Tiger. Von diesen erschreckt, springen die Schiffer ins Meer und verlieren ihre menschliche Gestalt: Sie werden in Fische, die Delphine heißen, verwandelt. Auf einem breiten Strom, der sich zwischen zwei felsigen Ufern diagonal in die Tiefe erstreckt, fährt im Bildvordergrund ein großes zweimastiges Segelschiff mit einem blaugewandeten Steuermann und einem Jüngling in roten Gewändern, Bacchus. Bacchus wendet sich diesem zu und deutet mit seiner rechten Hand auf das rechte Ufer als Ziel der Fahrt; 155 Ebd., III, 313–315, S. 138 f.: furtim illum primis Ino matertera cunis / educat: inde datum nymphae Nyseï-

des antris / occuluere suis lactisque alimenta dedere./

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dadurch ist auch auf die zwei Bootsmänner an den Masten verwiesen, die dementsprechend die Segel zu setzen haben. Die Schlangen, die sich um die Masten winden und von den Segeln herabhängen, zeigen an, dass sie sich Bacchus’ Wunsch widersetzen und Bacchus daher die steuernden Teile des Schiffes und die Seemänner verwandelt. Insbesondere in der vordersten Bildebene stellt der Maler die Verwandlung dar, indem er zahlreiche Schlangen und einen Panther im Wasser in paralleler Ausrichtung vor dem Rumpf des Schiffes malt. Ein Bootsmann geht am Bug kopfüber über Bord und verwandelt sich dabei in einen ›Delphin‹: Während er durch die Gestalt seiner Beine und seine kurze Hose noch als solcher erkennbar ist, haben sein Oberkörper und sein Kopf bereits die Gestalt eines Delphins angenommen  – besonders anschaulich ist gestaltet, dass die beiden Arme zu Flossen geworden sind. Der Maler hat sich auch bei der Gestaltung dieser Miniatur auf Ovids Text gestützt, was sich darin zeigt, dass der blaugewandete Steuermann zum einen durch seine Kleidung von den übrigen drei Bootsmännern unterschieden und ihnen somit nicht zuzurechnen ist; jenen Bootsmännern, die sämtlich in Delphine verwandelt werden, wie die Figur am Bug als Pars pro toto vor Augen stellt. Zum anderen ist Bacchus dem Blaugewandeten zugewandt, so dass es sich bei ihm um Acoetes handeln dürfte: den Kapitän, der sich bei Ovid gegen das Bestreben seiner Bootsmänner ausspricht, Bacchus als Beute zu nehmen, der daher als einziger nicht verwandelt wird und der Bacchus schließlich nach Naxos steuert156. fol. 19v: fabula X – Tiresias, Pentheus und Bacchus sowie Pentheus Tod Pentheus, der König von Kreta, schmäht Tiresias, weil dieser blind ist. Daraufhin sagt Tiresias ihm voraus, dass er, weil er das Fest des Bacchus verachtet, getötet werden wird. Als Bacchus mit seinen Mysterien kommt, um das Fest zu feiern, möchte Pentheus dieses unterbinden. Weil Pentheus Mutter und die Schwestern seiner Mutter auf dem Fest sind, geschieht es durch die Kraft des Bacchus, dass Pentheus und seine Angehörigen wahnsinnig werden: Als sie Pentheus sehen, halten sie ihn für einen Eber, laufen auf ihn zu, überschütten ihn mit Steinen und töten ihn mit Stöcken. Es gibt auch Frauen, die das Fest des Bacchus verachten und sich an ihren Webstühlen zu schaffen machen. Plötzlich verwandeln sich die Webstühle und die Webinstrumente in Weiden und Weinstöcke, die Frauen in Fledermäuse. Der Maler lässt die Bilderzählung links oben beginnen: Der blinde – mit geschlossenen Augen dargestellte – Seher Tiresias, der über einem roten Gewand einen feinen orangefarbenen Mantel trägt und durch seine Kopfbedeckung als Gelehrter gekennzeichnet ist, spricht – wie seine Gestik anzeigt – mit Pentheus, der neben ihm steht. Der König, der in ein blaues Gewand und einen fehfellgefütterten beigefarbenen Mantel gekleidet ist, wendet seinen Kopf Tiresias zu und hört somit dessen Worte an. Dass diese Worte in Zusammenhang mit dem Festbankett des Bacchus stehen, das rechts vor den beiden am Rande der Wälder auf einer freien Fläche stattfindet, macht wiederum der Gestus Pentheus’ Linker deutlich, der auf die Festgesellschaft weist. Dabei haftet der Figur des Königs durch die in entgegengesetzte Richtungen weisende Wendung des Kopfes einmal und der Hand andermal ein spannungsvolles Moment an, der das Fest betrifft  – wie die Paraphrase besagt, möchte Pentheus diese Feier unterbinden. Unterhalb der Festtafel, an dessen Kopfende

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156 Ebd., III, 605–607, 620–622, 687–690, S. 158 f., 162 f.

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Bacchus präsidiert, setzt der Maler am rechten Bildrand auf anschauliche Weise den Vorgang um, dass die Angehörigen des Königs wahnsinnig werden und ihn für einen Eber halten, so dass sie ihn mit Steinen erschlagen. Denn er übersetzt die im Medium der Sprache geschilderte Kausalität des Geschehens mit dem zentralen Vorstellungsbild des Ebers in die Figur des gefallenen Pentheus, dessen Unterkörper die Gestalt eines Ebers hat. Auffällig ist, dass auch hier der Prozess einer Verwandlung herausgestellt ist, indem sich am Rücken des Tieres beziehungsweise Rumpf des Menschen das blaue Gewand des Königs zum grauen Fell transformiert und der rechte Arm schon zum Vorderlauf geworden ist, dessen Hand sich zu verformen beginnt. Im linken Bildvordergrund ist eine weitere Verwandlung dargestellt, die im Zusammenhang mit dem Fest des Bacchus steht. Frauen sitzen arbeitend an ihren Webstühlen und kehren bildhaft dem Fest den Rücken zu, so dass ihre Verachtung für dieses anschaulich wird. So verwandeln sich die Frauen in Fledermäuse und die Webstühle in Weinstöcke – beide Verwandlungsprozesse sind anschaulich vor Augen gestellt.

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fol. 20r: fabula XI – Tiresias Tiresias findet durch Zufall zwei Schlangen, die sich zusammen paaren. Nachdem er diese geschlagen hat, verwandelt er sich in eine Frau und verliert seine männliche Natur. Als er sieben Jahre lang als Frau gelebt hat, geschieht es, dass er dieselben Schlangen wiederum bei der Paarung findet, und als er sie wiederum schlägt, verwandelt er sich in einen Mann. Zur Darstellung der Verwandlung des Tiresias hat der Maler die Bildfläche in zwei Hälften geteilt, die durch eine diagonale Konturlinie aus Gräsern markiert sind. Sie verläuft bis in die obere Bildhälfte hinein durch ein ansteigendes Terrain, um am Horizont den Punkt zu bilden, an dem zwei Hänge v-förmig auseinandergehen. Im Hinblick auf die Doppelung der dargestellten Figuren scheint diese Landschaftskomposition dazu zu dienen, die beiden Hälften in ein spiegelverkehrtes Verhältnis zu setzen. In der rechten Hälfte ist in vorderster Bildebene Tiresias zu sehen, der sich über zwei kopulierende drachenartige Schlangen beugt und sie jeweils mit einem Stock berührt. Die Folge dieser Tat ist in der linken Bildhälfte gezeigt: Tiresias ist in eine Frau verwandelt. Denn nun erscheint die durch Kleidung wie Kopfbedeckung wiedererkennbare Figur in Gestalt einer Frau, die bezeichnenderweise auf einer Achse mit der männlichen Figur des Tiresias rechts im Bild liegt. In gleicher Weise beugt sich die weibliche Figur über dieselben sich paarenden Schlangen und schlägt diese mit jeweils einem Stock. Da die Paraphrase besagt, dass sich Tiresias dadurch sogleich wieder in einen Mann verwandelte, pendelt der Blick wieder zurück, so dass durch den bildlich-textuellen Nachvollzug der (Bild-)Erzählung die Semantik der spiegelverkehrten Gestaltung noch deutlicher wird. fol. 20r: fabula XII – Tiresias, Jupiter und Juno Jupiter und Juno führen über die fleischliche Lust einen Disput. Zur Beurteilung der Frage, ob die Frau oder der Mann eine größere Freude beim Geschlechtsverkehr empfinde, wählen sie Tiresias als Richter aus, der ein Mann und eine Frau gewesen ist. Weil Tiresias gemäß Jupiters Meinung urteilt, dass die Frau mehr Freude empfinde als der Mann, nimmt die empörte Juno ihm das Augenlicht. Jupiter aber hat Mitleid mit Tiresias und gibt ihm als Ausgleich für den verlorenen Gesichtssinn die Sehergabe.

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Tiresias ist vor die mit Stoff überzogene Thronbank getreten, auf der Juno und Jupiter sitzen. Beide wenden sich Tiresias zu, der links von ihnen steht. Dabei bringt Junos missmutige Mimik zum Ausdruck, dass Tiresias nicht im Sinne ihrer, sondern Jupiters Auffassung geurteilt hat. Zur Strafe stößt sie ihm einen Stab in die Augen und nimmt ihm damit das Augenlicht. Jupiter hingegen reicht ihm eine Seherkugel aus Gold, die er mit seiner ausgestreckten Rechten annimmt. So wird anschaulich, dass Tiresias als Ausgleich für den verlorenen Gesichtssinn die Sehergabe erhält. fol. 20v: fabula XIII – Narziss Der Seher Tiresias wird gefragt, ob der wunderschöne Narziss, der Sohn der Nymphe Liriope, lange leben werde. Tiresias Antwort lautet: ›Ja, wenn er sich nicht sieht.‹157 Aufgrund seiner Schönheit, mit der er sich brüstet, wird Narziss von Nymphen und jungen Mädchen heimgesucht und verschmäht sie. Auch die Nymphe Echo verfolgt Narziss, voller Begehren ihn anzusprechen, was sie jedoch nicht vermag, weil sie nur letzte Worte erwidern kann. Weil Narziss vor ihrer Liebe völlig zurückschreckt, vergeht Echo gänzlich und verwandelt sich in eine Stimme. Als Narziss ermüdet zu einer überaus klaren Quelle kommt und trinken möchte, erblickt er seinen wunderschönen Schatten. Er beginnt sein Abbild so heftig zu lieben, dass er, weil er es nicht berühren kann und aus Liebe zum Schatten nicht fortgehen möchte, dort vor Hunger und Durst stirbt. Die Erzählung um Narziss entfaltet sich in drei Ebenen vom Hinter- zum Vordergrund: Hinter einer Hügelkuppe erscheint links der blinde Seher Tiresias vor einer dreiköpfigen Personengruppe mit dem Jungen Narziss. Die Frau, die die Gruppe anführt, zeigt auf den Knaben und schaut zugleich Tiresias fragend an, dessen Antwort mit einer mahnenden Geste seines erhobenen Zeigefingers angedeutet ist – wie die Paraphrase besagt, antwortet Tiresias auf Liriopes Frage, ob Narziss lange leben werde, mit der Aussage: ›Ja, wenn er sich nicht sieht‹. Im Bildmittelgrund folgen dem herangewachsenen Narziss drei junge Frauen, von denen die erste auf einer Flöte spielt. Durch das Attribut der Flöte, die den Klang versinnbildlicht, wird sinnfällig, dass dies Echo ist; denn von ihr bleibt infolge der Begegnung mit Narziss und seiner Zurückweisung nur noch der Ton ihrer Stimme. Während die Figur somit auf das Ende ihrer Geschichte verweist, wird durch die dargestellte Nähe zu Narziss links von ihr die Vorgeschichte veranschaulicht: Durch die Nähe zu Narziss entflammt Echo in Liebe zu ihm, er aber verschmäht ihre Liebe, was der Maler durch dessen fluchtartige Bewegung aus dem Bild heraus – befangen wendet er seinen Blick zurück – vor Augen stellt. In vorderster Bildebene erblickt Narziss in einem Brunnen sein Ebenbild. Links vom Brunnen liegt Narziss schließlich tot am Boden, weil er sich aus Liebe zu seinem Spiegelbild von der Quelle nicht fortbewegen wollte und so vor Hunger und Durst stirbt. fol. 20v: fabula XIV – Echo Echo, ein schwatzhaftes Mädchen, unterstützt Jupiter bei seinen Ehebrüchen, wenn er sich Nymphen in den Bergen bemächtigt. Damit Juno, Jupiters Gattin, ihren Ehemann beim Ehebruch nicht ertappt, hält Echo sie mit Worten fest. Als Juno Echos List durchschaut und

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157 Ebd., III, 347, S. 143.

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erkennt, dass sie von ihr getäuscht wurde, beraubt sie Echo ihrer Schwatzhaftigkeit und der Fähigkeit zu antworten; allein auf die letzten Worte soll Echo antworten können, indem sie das Gesagte wiederholt. Echo wird ihres Körpers beraubt und komplett verwandelt und dazu bestimmt, in den Bergen widerzuhallen. Sie ist die Stimme, die man in den Bergen und Wäldern hört, wenn etwas gesagt oder gerufen wird. In einer bogenförmigen Bewegung von links oben nach links unten verläuft die Bilderzählung: Von links führt die ein blaues Gewand tragende Echo zwei Nymphen durch einen Hain an eine Höhle heran. Indem Echo die Nymphen zum einen anschaut und am Arm fasst und zum anderen mit ihrem rechten Zeigefinger auf die Höhle weist, zeigt sich die Zweckhaftigkeit ihres Tuns: In ihr vereinigen sich eine Nymphe und Jupiter, dem die Höhle als Ort für seine Liebschaften dient. Während Jupiter sich einer der Nymphen hingibt, bindet Echo Juno durch ein Gespräch an sich, damit diese den Ehebruch nicht bemerkt: Rechts im Vordergrund sitzt Echo mit Juno, die hier durch das Distinktionsmerkmal des vornehmen, fehfellgefütterten Gewandes gekennzeichnet ist. Beide Frauen wenden nicht nur dem Geschehen im rechten Hintergrund den Rücken zu, sondern Echo hält, während sie spricht – ihre Rechte zeigt einen Redegestus –, Juno am linken Unterarm. Echo hält Juno also durch ihre Rede fest, so dass diese den Ehebruch ›hinter ihrem Rücken‹ nicht bemerkt. Allerdings kommt die Göttin dem Zweck von Echos Geschwätz auf die Schliche und bestraft sie: Im linken Bildvordergrund sitzt Juno vor dem Eingang einer Höhle und zeigt mit ihrer Rechten bestimmend auf Echo, die sie dahin verbannt. Nur noch ein Teil des verschwindenden Körpers von Echo ist am Eingang der (hallenden) Höhle zu sehen, wodurch veranschaulicht ist, dass sie ›ihres Körpers beraubt und vollständig verwandelt und dazu bestimmt [wurde], in den Bergen Widerhall zu geben‹.

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fol. 21r: fabula I – Pyramus und Thisbe Pyramus, ein wunderschöner junger Mann, und Thisbe, ein wunderschönes junges Mädchen, leben in der Stadt Babylon in benachbarten Häusern. Sie lieben sich außerordentlich und unterhalten sich miteinander durch kleine Ritzen und Spalten des Hauses. Um sich zu vereinigen, verabreden sie, nachts ihre Vaterhäuser zu verlassen und außerhalb der Stadt in einem gewissen Wald unter einem bestimmten Maulbeerbaum und neben einer Quelle, die sich dort befindet, zusammenkommen. Weil Thisbe von Liebe entflammt ist, kommt sie früher zur Quelle. Als sie dort eine durstige Löwin sieht, flieht sie aus Furcht und lässt ihren Mantel fallen. Die Löwin findet ihn und befleckt ihn mit ihrem blutigen Maul, bevor sie sich zurückzieht. Später kommt Pyramus zur Quelle unter dem Maulbeerbaum und findet den blutbefleckten Stoff Thisbes, so dass er glaubt, sie sei von wilden Tieren getötet worden. Voller Schmerz nimmt er sich mit seinem eigenen Schwert das Leben; dabei spritzt das Blut heraus und färbt die Früchte, die weiß sind, schwarz. Thisbe, die ihre Furcht vor der Löwin abgelegt hat, kehrt zur Quelle zurück. Dort findet sie Pyramus, der von seinem eigenen Schwert durchbohrt ist. Als sie erkennt, dass dies aufgrund seiner Liebe geschehen ist, tötet sie sich mit seinem Schwert und beendet so zusammen mit ihrem Geliebten ihr eigenes Leben. Weil die Götter den Eltern der beiden die Liebe ihrer Kinder bekannt machen, verbrennen die Eltern die Körper zusammen und bewahren die Asche in ein und derselben Urne auf.

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Die Geschichte ist in vier Registern von oben nach unten erzählt: Zwischen zwei benachbarten Häusern steht Pyramus mit lauschender Gebärde und schaut durch den Spalt in der Wand des grauen Hauses – sein rechtes Auge hat er zugekniffen. Er wendet sich seiner Geliebten Thisbe zu, die hinter der Wand verborgen ist. Etwas unterhalb und links davon erscheint Thisbe in einem vor der Stadt gelegenen Wald und begibt sich zu einem Brunnen, der sich an einem lieblichen Ort befindet und auf gleicher Höhe am rechten Bildrand zu sehen ist. Dort schaut sie unmittelbar in das Antlitz einer Löwin, deren Kopf vom Rahmen angeschnitten ist und auf Thisbes Augenhöhe erscheint. Die Folgen dieser Begegnung sind im darunterliegenden dritten Register links vor Augen gestellt: Thisbe hat aus Furcht vor der Löwin den Ort mit dem Brunnen verlassen und ihren Mantel verloren. Blutbefleckt liegt dieser vor dem Brunnen, weil die Löwin ihn in ihr blutiges Maul genommen hatte. Während die Löwin vom Brunnen fortgeht, tritt Pyramus an ihn heran und sieht Thisbes blutigen Mantel, so dass er sich in der Annahme, Thisbe sei von dem wilden Tier gefressen worden, mit einem Schwerthieb in die Brust tötet. Der Maler lässt hier nicht nur das Blut aus der Wunde spritzen, sondern er folgt dem Text darüber hinaus bis ins Detail: Die Büsche, die in der oberen Bildhälfte weiße Blüten tragen, erscheinen rechts und unterhalb der Tat mit roten Blüten. Rechts davon kniet die zum Brunnen zurückgekehrte Thisbe und hält den toten Pyramus wehklagend in ihrem Schoß. Im darunter folgenden vierten Register folgt Thisbe Pyramus in den Tod: Sie hat das Schwert aus der Brust ihres Geliebten, der neben ihr am Brunnen liegt, ergriffen und stößt es sich ihrerseits in den Leib. Rechts davon steht eine große goldene Urne, in der die verbrannten Körper der beiden gemeinsam aufbewahrt werden. fol. 21r: fabula II – Jupiter und Pallas, Juno und Vulcan Weil Juno von Jupiter nicht schwanger wird, fürchtet Jupiter, dass er selbst unfruchtbar sei. Um seine Fruchtbarkeit zu prüfen, schüttelt er seinen Kopf, wodurch Pallas aus seinem Hirn geboren wird und bewaffnet auf die Erde springt. Auch die entrüstete Juno möchte zeigen, dass sie nicht der Grund der Unfruchtbarkeit ist. Sie schüttelt ihre Gebärmutter und bringt so, ohne eines Mannes zu bedürfen, Vulcan hervor. Weil Vulcan hässlich ist, da er vom Himmel auf sein Gesicht gefallen ist und hinkt, wird er auf der Insel Lemnos versteckt und aufgezogen und erhält schließlich Venus zur Frau. Am blauen, mit Sonne und Mond versehenen sowie mit goldenen Sternen übersäten Himmelssegment erscheinen Jupiter und Juno in nahezu frontaler Ansicht. Durch eine leichte Drehung ihrer Körper wenden sie sich einander zu und beziehen sich in ihrem Tun aufeinander: Jupiter, der wie zuvor ein rotes Gewand mit einem roten fehfellgefütterten Mantel sowie die Kopfbedeckung eines Rechtsgelehrten trägt, schaut mit besorgter Miene auf Juno. Dabei scheint aber gerade seine erhobene Linke – in der Rechten hält er einen Herrschaftsstab – Beschwichtigung zum Ausdruck zu bringen. Diese Ausdrucksästhetik steht in Zusammenhang mit der Hervorbringung der kleinen Figur aus seinem Kopf, bei der es sich um Pallas handelt. In achsialer Anordnung zu Jupiter, der Pallas gebiert, steht Pallas wiedererkennbar in der unteren Bildhälfte mit Rüstung, Schild und Zepter fest auf der Erde. Juno bringt ihrerseits mit einer Geburtszange eine kleine Figur, nämlich Vulkan, aus ihrem Unterleib hervor. Die Haltung des kopfüber geborenen Kindes wiederholt der Maler in der unteren Bildhälfte, um Vulcans Sturz auf die Erde zu veranschaulichen: Vulkan fällt kopfüber auf die Erde. Er ist hier als erwach-

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sener Mann und aufgrund seines Sturzes als hässlicher Mensch dargestellt. Rechts schließt sich Vulcans Heirat mit Venus an, ein Geschehen, auf das Pallas durch ihren Blick hinweist158.

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fol. 21v: fabula III – Vulcan Die schöne Venus verachtet ihren hässlichen Ehemann Vulcan und liebt Mars, mit dem sie mehrmals Ehebruch begeht. Sol aber, der allsehende Gott, enthüllt Vulcan den Ehebruch. Vulcan überprüft dies und findet heraus, dass es wahr ist. Mit einer Kette fesselt er Mars und Venus beim Beischlaf aneinander, so dass sie sich im Bett nicht bewegen können. Dann öffnet er die Türen und lädt alle Götter zum Spaß und zum Spektakel ein, so dass im ganzen Himmel diese Erzählung bekannt ist. Auf Neptuns Bitten jedoch befreit Vulcan Mars und Venus. Die Geschichte wird in drei Registern, die hier durch Architektur gebildet sind, von oben nach unten in einem s-förmigen Verlauf erzählt: Rechts oben erscheint Sols von einem Strahlenkranz umfangenes Gesicht über Vulcan, der eine Lederschürze über seinem blauen Gewand trägt und seinen Kopf zu Sol wendet. Zugleich steht Vulcan lauschend an der Tür des Hauses, in dessen Gemach Venus und Mars vereint liegen. Dabei hält er eine dicke geschmiedete Kette in der linken Hand – am rechten Bildrand sind sein Ofen und Amboss zu sehen. Links davon hat Vulcan das Schlafgemach betreten und legt die beiden im Bett Schlafenden in Ketten. Im mittleren Register darunter steht Vulcan gleichsam an der Schwelle des Gemachs, schaut die von links in einem blauen Wolkenkranz herankommenden Götter159 an und heißt sie mit seiner ausgestreckten Rechten willkommen. Mit seiner Linken zeigt er demonstrativ die Kette, mit der Venus und Mars gefesselt sind. Im unteren Bildregister kommt rechts Neptun zu Vulcan – auf sinnfällige Weise erscheint der Meeresgott als aus Wellen geformte Gestalt. Mit einer Zange in der Hand betritt Vulcan das Gemach und löst die Ketten um Venus und Mars auf, die nun bekleidet im Bett sitzen und durch ihre Kleidung bezeichnet sind. fol. 22r: fabula IV – Leucothoe Juno möchte sich an Sol rächen, weil er ihren Ehebruch offenbart hat. Daher lässt sie Sol in Liebe zu dem wunderschönen Mädchen Leucothoe, der Tochter des Orchamus und der Eurynome, entbrennen. Eines Tages verwandelt sich Sol in das Abbild von Eurynome, betritt Leucothoes Schlafzimmer, schickt die Dienerinnen hinaus und gibt vor, mit der Tochter etwas im Geheimen zu besprechen. Als er mit Leucothoe alleine ist, legt er die Gestalt der alten Frau ab und offenbart sich als Gott. Er wirft das Mädchen nieder und hat mit ihr Geschlechtsverkehr. Clytie, die Sol zuvor geliebt hat, offenbart Orchamus eifersüchigt die Affäre seiner Tochter. Daraufhin vergräbt Orchamus seine Tochter bei lebendigem Leibe in der Erde. Obwohl Sol seine Strahlen auf Leucothoe richtet, kann er sie nicht mehr zum Leben erwecken. So verwandelt er sie in einen Weihrauchstrauch. Rechts oben erscheint die orange-rot leuchtende Halbfigur des Sonnengottes am Himmel vor Leucothoes Gemach, das sich im oberen Geschoss des Hauses befindet. Wie durch 158 Zu Vulcans Herkunft von Juno und seine Ehe mit Venus vgl. ebd., IV, 173, S. 178 f. 159 Angeführt wird die Götterschar von Jupiter und Saturn, gefolgt von Apollo und Mercur sowie schließlich

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die Schauöffnung des Gemachs zu sehen ist, hat sich Sol in dieses begeben und vereinigt sich mit Leucothoe. Seine Kopfbedeckung verweist darauf, dass er zuvor die Gestalt ihrer Mutter, einer alten Frau, angenommen hat, um mit Leucothoe alleine zu sein. Im Untergeschoss steht Clytie vor Orchamus und berichtet ihm, wie der Gestus ihrer nach oben weisenden Rechten anzeigt, von dem Geschehen, das sich im über ihnen befindlichen Gemach ereignet. Mit mürrischer Miene hört Orchamus Clyties Worten zu. Aufgrund seines Zornes, der durch die Mimik vor Augen gestellt ist, vergräbt er Leucothoe unten links bei lebendigem Leibe in der Erde vor dem Haus: Nur noch ihr Oberkörper schaut aus der Grube, in der sie steht, und sie schaut zu ihrem Vater auf, der Erde um ihren Körper mit einer Schaufel aufschüttet. Rechts davon ist schließlich Leucothoes Metamorphose dargestellt: Aus ihrem geöffneten Haar formen sich die Wurzeln eines Weihrauchbaumes, der sich über ihrem Kopf erhebt. Die Verwandlung ist mit Sol in Verbindung gebracht, indem er über dem Baum schwebt, seine Linke auf diesen weist und seine Strahlen zu ihm hinabführen. fol. 22r: fabula V – Clytie In der Hoffnung, Sols verlorene Liebe wiederzuerlangen, folgt Clytie ihm überall hin. Sol aber wendet sich von ihr ab. Schließlich verwandelt sich Clytie in eine Blume, die Heliotrop genannt wird. In vorderster Bildebene durchstreift die in einen aschgrauen Baum verwandelte Clytie von links nach rechts eine karge, sich in die Tiefe erstreckende Landschaft – der Maler hat Clytie zweimal in gleicher Weise dargestellt, um so ihre Vorwärtsbewegung durch die Landschaft vor Augen zu stellen. Während ihr Körper die Form eines Baumstammes angenommen hat und sich ihre Arme in aufragende belaubte Äste transformiert haben, die grau-violett beziehungsweise rosa-violett schimmern, zeigt ihr Kopf noch die menschliche Gestalt. Ihn richtet sie in die Höhe und schaut zu Sol auf, der am Himmel als orange-rot leuchtende, von einem Strahlenkranz umfangene Figur erscheint und sich seinerseits zu ihr umwendet. So finden sich im Bild Bezüge auf den Ovid-Text, in dem es zum einen heißt: ›Nur das Antlitz des Gottes, der über ihr hinzog, sah sie an und wendete nach ihm beständig den Blick‹160. Zum anderen gelangen Ovids Worte, dass Clytie ›selbst verwandelt die Liebe [bewahrt]‹161, durch die dargestellte Verbindung von unablässigem Nachfolgen, fixierendem Blick und Verwandlung zu sinnfälliger Anschauung. fol. 22v: fabula VI – Scython Jupiter verwandelt den Jüngling Scython in eine Frau, so dass er eine zweifache Natur besitzt, weil er mal eine Frau, mal ein Mann ist. Auf der vertikalen Mittelachse dieser verhältnismäßig kleinen Miniatur steht als nackte Figur Scython inmitten eines mit unterschiedlichen Pflanzen bewachsenen Terrains, das zu den Seiten hin ansteigt. Er ist im Profil nach rechts gerichtet und wendet sich so in breitbeiniger Stellung Jupiter zu, der links vom Himmel als Halbfigur herabkommt und ihm mit beiden Händen an Stirn und Kinn fasst. Indem Scython lange Haare vom Kopf wachsen, die über seine Schultern bis in den Rücken fallen, und er im Schritt nicht nur das männliche

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160 Ovid, Metamorphosen 2007, IV, 264 f., S. 184 f.: […] tantum spectabat euntis / ora dei vultusque suos 161

flectebat ad illum/. Ebd., IV, 270, S. 184 f.: […] mutataque servat amorem/.

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Geschlecht zeigt, sondern auch das weibliche, ist seine Metamorphose veranschaulicht: Jupiter verwandelt ihn in eine Frau.

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fol. 22v: fabula VII – Cureten Das Volk der Cureten wird aus der Kraft des Regens, der vom Himmel fällt, geboren, und es geht aus der Erde nach Art der Pflanzen hervor. Von dem blauen, mit goldenen Sternen versehenen Himmelssegment am oberen Bildrand fallen zahlreiche Regentropfen auf die Erde. Aus ihr kommen Köpfe und Leiber hervor – die Zeitlichkeit des Hervorkommens wird rechts von der vertikalen Mittelachse sinnfällig, wo sich im Bildmittelgrund eine Menschengestalt schon bis zur Brust aus der Erde erhoben und dabei Arme und Hände aus der Erde befreit hat. Dabei sind die menschlichen Gestalten nicht nur vom Grün kleiner blühender Pflanzen umrankt, sondern es sprießt auch aus den Köpfen hervor. So hat der Maler veranschaulicht, dass die Cureten nach Art der Pflanzen aus der Erde hervorgehen. fol. 22v: fabula VIII – Hermaphroditus und Salmacis Der Jüngling Hermaphroditus, Sohn von Mercur und Venus, verlässt seine Heimat und erfreut sich daran, unbekannte Wälder und Flüsse zu sehen. Er kommt an einen See in der Nähe der Stadt Charan, in dem sehr häufig die Nymphe Salmacis badet. Als Hermaphroditus sich in dem Gewässer erfrischen möchte, sieht ihn Salamacis und entbrennt in Liebe zu ihm. Sie spricht Hermaphroditus an und äußert, mit ihm ins Brautgemach gehen zu wollen; er aber, unwissend in der Liebe, weist die Liebe der Nymphe zurück. Als sie den nackten Jüngling beim Baden sieht, springt sie nackt zu ihm und bestürmt ihn mit Umarmungen und Küssen. Weil Hermaphroditus in ihre Liebe nicht einwilligt, bittet Salmacis die Götter, dass sie für immer zusammenbleiben. Die Götter stimmen ihrer Bitte zu: Aus ihnen wird eine einzige Person geschaffen, die beide Naturen besitzt. So entsteht der Hermaphrodit, der aus einer doppelten Natur besteht. Die Erzählung erstreckt sich von oben nach unten beziehungsweise von hinten nach vorne, da durch die Darstellung der Landschaft eine gewisse Tiefenräumlichkeit erzeugt ist. Der Junge Hermaphroditus, der ein einfaches blaues Gewand trägt, gelangt auf seiner Wanderung durch Wälder – mit seiner Linken umfasst er einen Wanderstock und richtet seinen Blick auf die Baumkronen – zu einer Stadt mit einem nahe gelegenen Fluss. Dort entkleidet er sich seines Gewandes und begibt sich nackt ins Wasser, wo ihn die ebenfalls nackte Nymphe Salmacis umarmt. Hierbei tritt eine formale und – daran gebunden – emotionale Asymmetrie hervor: Salmacis, die Hermaphroditus in ihrer Körpergröße überragt, drückt ihn in ihrer Umarmung heftig an sich und presst ihre Lippen auf die seinen. Der Junge hingegen möchte sich der Umarmung und den Küssen entziehen; denn er hat seine Schultern verkrampft hochgezogen und scheint so seine Arme über ihre Unterarme hinweg zurückziehen und dabei ihren Körper zurückstoßen zu wollen. So werden die unterschiedlichen Emotionen sichtbar: Während Salmacis in Liebe zu Hermaphroditus entbrannt ist und ihn begehrt, erfüllt diesen das Gefühl angstvoller ›Abstoßung‹. Die Folge dieser emotionalen Spannung ist in vorderster Bildebene dargestellt: Hermaphroditus und Salmacis sind zu einer einzigen Person vereint, die beide Geschlechter besitzt und somit ein zweifaches Wesen hat – die Götter haben Salmacis Bitte Folge geleistet, dass sie und Hermaphroditus für immer zusammenbleiben. In frontaler Ansicht steht dieses Zwitterwesen, dessen beiden Teile

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durch eine feine vertikale Linie vom Scheitel bis zum Schritt markiert sind. Dass die Vereinigung noch nicht abgeschlossen ist und sich die Metamorphose der beiden Personen zu einem Wesen noch vollzieht, zeigt sich an der Armpartie: Die beiden vor der Brust gekreuzten Arme gehören noch nicht ganz einer Person, denn durch die an beiden Seiten der Schulter sichtbaren Hände ist der Verweis auf die ursprüngliche Umarmung gegeben. So kippt die frontal dargestellte Figur ins (Dreiviertel-)Profil, was durch die Wahrnehmung der beiden Beinpaare unterstrichen wird. fol. 23r: fabula IX – Danaë Weil Danaë wunderschön ist, sperrt ihr Vater, König Acrisius, sie in einen ehernen Turm ein. Jupiter aber verwandelt sich in einen Goldregen und tropft durch die Dachziegel des Hauses in den Schoß der Jungfrau herab und schwängert sie. Als der Vater erfährt, dass seine Tochter schwanger ist, schließt er sie in eine Kiste ein und wirft sie ins Meer. Während Danaë in der Kiste ist, gebiert sie den Sohn Perseus. Vom Wind wird sie nach Italien getrieben und von einem Fischer gefunden. Der Fischer zeigt sie dem König des Landes, der Danaë heiratet und Perseus aufziehen lässt. Die Erzählung verläuft s-förmig vom Hintergrund zum Vordergrund: In der Zelle eines turmartigen Gebäudes, das sich innerhalb einer Palastanlage befindet, sitzt die ein rotes Gewand tragende Danaë. Sie wendet ihren Kopf nach oben und schaut auf den herabfallenden Goldregen, den sie in ihrem Schoß auffängt. Im sich links anschließenden Gebäudeteil trägt König Acrisius, Danaës Vater, einem Diener auf, eine Kiste vom Palast aus ins Wasser zu werfen – der König hat von Danaës Schwangerschaft erfahren und seine Tochter daraufhin in die Kiste gesperrt. Ein Fischer, der im rechten Bildmittelgrund in seinem Ruderboot steht, findet die Kiste und birgt sie aus dem Wasser. Er bringt sie an die Küste diesseits des Meeres, zu König Polydektes: In vorderster Bildebene kniet der Fischer rechts vor dem thronenden König nieder und präsentiert ihm die Kiste. Aus ihr tritt die rotgewandete Danaë dem König entgegen, mit Perseus auf dem Arm, den sie gebar, während sie in der Kiste auf dem Meer trieb. fol. 23r: fabula X – Perseus und die Gorgonen Die Gorgonen sind drei Schwestern, nämlich Stheno, Euryale und Medusa, die zusammen ein Auge haben. Wenn eine sehen möchte, tauschen sie es wechselweise. Sie besitzen eine so große Tugendhaftigkeit, dass alle, die sie sehen, sogleich in Stein verwandelt werden. Weil Perseus ein kühner und tapferer Jüngling ist, wird ihm aufgetragen, die Gorgonen zu töten. Gegen die Gefahr der Versteinerung erhält er den kristallenen Schild der Pallas und die Flügel der Harpyien zusammen mit Mercurs gekrümmtem Schwert. So begibt er sich zu der Wohnstätte der Gorgonen jenseits des Atlasgebirges, wo er überall viele versteinerte Menschen und wilde Tiere findet. Als eine der Schwestern das gemeinsame Auge einer anderen übergibt, schiebt er seine Hand dazwischen und raubt das Auge. In der oberen Bildhälfte steht Perseus frontal auf der vertikalen Mittelachse am Rande eines Felsplateaus. Während er von Pallas, die einen Gelehrtenmantel aus Fehfell um die Schultern gebunden hat, den kristallenen Schild angelegt bekommt, überreicht ihm Mercur sein gekrümmtes Schwert, das er aus der Schwertscheide in seiner Linken gezogen hat. Zudem trägt Perseus an seinem Rücken die Flügel der Harpyien. In der unteren Bildhälfte tritt der bewaffnete Perseus von rechts an die Gorgonen heran, die mit geschlossenen Au-

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genlidern – und Blindenstöcken in der Hand? – vor einer Felsenhöhle stehen. Während sie ihr gemeinsames Auge tauschen, hält Persues seine Hand zwischen die Hände der Schwestern, um sich des Auges zu bemächtigen, das die eine der anderen reicht.

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fol. 23v: fabula X – Medusas Enthauptung durch Perseus Als die Gorgonen schlafen, betrachtet Perseus ihre Gestalt und den Ort in dem spiegelartigen Schild. So lenkt er sich, um sie zu töten, ohne sie zu erblicken. Nachdem er die Gorgonen getötet hat, nimmt er den Kopf der Älteren mit sich und bewirkt viele Wunder. In dieser kleinformatigen Miniatur, die unmittelbar an die vorausgehende anschließt, setzt sich die Bilderzählung fort: Perseus steht vor der Höhle der Gorgonen und hält mit seiner Linken schützend den kristallenen Schild vor seine Augen. Indem das Gesicht ab den Augenbrauen an der Oberkante des Schildes sichtbar und in dessen Mitte ein Auge aufgemalt ist, das von einem Kreis umschlossen ist, so dass die evozierte plastische Hervorhebung auf dem Schild der semantischen dient, stellt der Maler dessen Funktion sinnfällig vor Augen: Perseus betrachtet Medusa, deren Körper vor der Höhle zu sehen ist, mit dem spiegelartigen Schild, um nicht ihrem versteinernden Blick ausgesetzt zu sein162. So gelingt es Perseus, die vor der Höhle kniende Medusa zu enthaupten, wobei ihr schlangenumzüngeltes Haupt im Zentrum des Bildes steht. Perseus Kühnheit, die sich darin zeigt, veranschaulicht der Maler auf besondere Weise: Am linken Bildrand stellt er neben der Höhle nicht ›viele versteinerte Menschen und wilde Tiere‹ dar163, sondern in monochromer Gestaltung versteinerte Soldaten, die allesamt Medusa nicht bezwingen konnten. fol. 23v: fabula XI – Verwandlung von Medusas Haar Neptun vergewaltigt im Tempel der Göttin Pallas Medusa, die schönste der drei Gorgonen-Schwestern. Pallas bestraft Medusa an jenem Teil, der am meisten gefällt: an ihrem Haupt. An die Stelle der Haare setzt sie Schlangen und macht so aus Schlangen ihr Haare. In einem Tempel, der Pallas geweiht ist, wie das goldene Götzenbild auf dem Altar anzeigt, drückt Neptun Medusa nieder und vergeht sich an ihr. Pallas, die vom Himmel herabkommt und ihren Schild wie schützend vor ihren Oberkörper hält, wendet betreten ihr errötetes Gesicht zu ihrem Standbild. Zugleich weist sie jedoch mit der Hand ihres nach unten gestreckten rechten Arms auf Medusas Haupt: Sie bestraft diesen Frevel, indem sie Medusas Haar in grüne Schlangen verwandelt. Der dargestellte Ausdruck der Pallas deutet darauf hin, dass der Maler auch dieses Bild vor dem Hintergrund des Ovid-Textes gestaltet haben dürfte. Denn Ovid beschreibt Pallas’ Reaktion wie folgt: ›Zwar wandte sich Jupiters Tochter ab und verbarg ihr keusches Antlitz hinter der Ägis; damit jedoch der Frevel nicht ungestraft bleibe, verwandelte sie das Haar der Gorgo in häßliche Nattern‹164. 162 Da allein Medusa dargestellt ist und nicht die drei Gorgonen-Schwestern, von denen in der Berchorius-Pa-

raphrase die Rede ist, bezieht sich der Maler hier auf den Ovid-Text. Ebd., IV, 781–784, S. 216 f.: ›Er selbst jedoch habe nur im spiegelnden Erz des Schildes, der er mit der Linken hielt, die Gestalt der schrecklichen Medusa erblickt und habe, während tiefer Schlaf die Schlangen und sie selbst umfangen hielt, ihr das Haupt vom Rumpf getrennt‹ (se tamen horrendae clipei, quem laeva gerebat, / aere repercusso formam adspexisse Medusae, / dumque gravis somnus colubrasque ipsamque tenebat, / eripuisse caput collo […]/). 163 Vgl. dazu ebd., IV, 778–780, S. 216 f. 164 Ebd., IV, 798–800, S. 218 f.: […]. aversa est et castos aegide vultus / nata Iovis texit, neve hoc inpune fuisset, / Gorgoneum crinem turpes mutavit in hydros/.

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fol. 23v: fabula XII – Perseus und Pegasus Perseus schlägt das Haupt der Medusa ab, die ein Schlangenmonster ist und Menschen in Stein verwandelt. Aus seinem Blut entsteht Pegasus, ein geflügeltes Pferd, mit Flügeln an den Hufen. Als Perseus es besteigt, trägt es ihn durch die Luft überallhin. Beim Flug über Libyen fallen Blutstropfen des Gorgonenhauptes, das er hält, auf die Erde und verwandeln sich in Schlangen. So geschieht es, dass Libyen vor allen anderen Ländern voller Schlangen ist. In der oberen Bildhälfte reitet Perseus auf Pegasus, einem an Rücken und Hufen geflügelten Pferd, bildparallel durch die Lüfte. In seiner Rechten hält er neben dem Schild das Medusenhaupt, aus dem Blut auf die (lybische) Landschaft unten im Bild tropft. Aus den Bluttropfen, die sich in den Bäumen verfangen, formen sich von den Bäumen herabhängende Schlangen, und aus jenen, die zu Boden fallen, entstehen unterschiedliche Drachen, die zahlreich das Land bevölkern. fol. 24r: fabula XIII – Perseus kommt zu Atlas Atlas, der König von Hispania ulterior, ist so groß, dass er den Himmel auf seinen Schultern trägt. Er hat einen Garten, in dem sich ein Baum befindet, der goldene Äpfel trägt. Themis, die Seherin der Götter, sagt ihm prophezeiend voraus, dass einer von Jupiters Söhnen seine goldenen Äpfel rauben werde. Weil Atlas den Raub der Äpfel fürchtet, will er niemanden aus Jupiters Geschlecht aufnehmen. Als nun Perseus den ganzen Tag auf Pegasus den Erdkreis fliegend bereist hat, steigt er ermüdet zum Palast des Atlas hinab, um Gastfreundschaft zu erbitten. Um diese leichter zu erhalten, sagt er, dass er ein Sohn Jupiters sei. Atlas aber möchte ihm keine Gastfreundschaft gewähren und befiehlt, dass er hinausgeworfen werde. Die Palastanlage von König Atlas ist Schauplatz der Bilderzählung. Von links tritt Perseus, der in seiner Rechten das Medusenhaupt hält, an das Gebäude heran, in dem der König thront. Dabei spricht er zu dem Diener, der die Pforte geöffnet hat und zeichenhaft die Schwelle besetzt. Mit leicht nach vorn gestrecktem Kopf vernimmt dieser aufmerksam Perseus’ Worte. Während die Kronen auf Perseus’ Gewand seine hochrangige Herkunft anzeigen, wird sie durch den Gestus seiner selbstbewusst erhobenen Linken unterstrichen. In der rechten Bildhälfte tritt der Diener an den im Palast thronenden König heran, wie die Schauöffnung zu sehen gibt. Der riesige König, der die Körpergröße der übrigen Personen bei weitem überragt, zeigt sich ihm gegenüber besorgt: Mit in Falten gelegter Stirn wendet er seinen Blick auf die Baumkrone, die hinter einem Nebengebäude des Palastes aufragt und goldene Äpfel trägt, und weist bedeutungsvoll mit seinem rechten Zeigefinger auf diese. fol. 24r: fabula XIII – Atlas’ Verwandlung durch das Medusenhaupt Perseus reagiert erzürnt auf die Zurückweisung durch Atlas, zieht mit abgewandtem Gesicht das Haupt der Gorgo hervor und zeigt es Atlas. Als dieser das Medusenhaupt sieht, wird er sogleich in einen steinernen Berg verwandelt. Sein Bart wird ein riesiger Wald, seine Schultern werden zwei Bergjoche, sein Nacken wird der Berggipfel, dessen Spitze den Himmel berührt. Auf ihm ruhen bis jetzt der Himmel und die Sterne. Perseus, der links im Bild steht, zeigt Atlas mit ausgestrecktem Arm das Medusenhaupt, wobei er sein Gesicht nach hinten abwendet und schützend den Schild vor den Kopf hält. Atlas hingegen, der auf der vertikalen Mittelachse dargestellt ist, schaut auf das Haupt der Medusa und versteinert. Die Metamorphose bildet formal wie inhaltlich den zentralen Ge-

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genstand der Miniatur und ist in ihrer Prozesshaftigkeit von unten nach oben anschaulich vor Augen gestellt: Während die Beine und der Rumpf schon die Gestalt eines Berges angenommen haben und sein Bart in einen Wald verwandelt ist, verweisen seine versteinerten Arme und sein auf Medusa gerichtetes Gesicht auf seine ursprüngliche menschliche Gestalt. Sein Nacken bildet den Gipfel des Berges, der das mit goldenen Sternen versehene Himmelssegment an dessen tiefstem Punkt berührt.

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fol. 24v: fabula XIV – Perseus rettet Andromeda Als Perseus mit Pegasus an die Küste Äthiopiens gelangt, sieht er aus der Luft die wunderschöne Jungfrau Andromeda, die einzige Tochter und Erbin des Königs Cepheus, an einen Felsen gekettet und von einem Ungeheuer bedroht. Durch die erzürnten Göttinnen ist Andromeda dazu verurteilt, von dem Ungeheuer verschlungen zu werden, weil ihre Mutter ihre Schönheit jener der Göttinnen vorgezogen hat. Perseus kommt herab, und weil er Mitleid mit dem Mädchen hat, schließt er den Vertrag, dass sie ihm zur Frau gegeben werde, wenn er sie vor dem Ungeheuer befreit. Er kämpft gegen das schreckliche Ungeheuer, tötet es und heiratet das Mädchen. Phineus aber, der Bruder des Königs, dem Andromeda versprochen war, will das Mädchen mit einer bewaffneten Schar von der Hochzeit rauben. Perseus stellte sich ihm entgegen und tötet viele. Weil aber seine Kräfte nicht ausreichen, holt er das Medusenhaupt hervor und verwandelte Phineus mit den Seinen in Stein. Die Bilderzählung erstreckt sich von oben nach unten: Links oben kommt Perseus zu König Cepheus, Andromedas Vater, der vor seinem Palast thront, umgeben von Personen seines Hofstaates. Sie sind Zeugen des Handschlags, den die beiden jeweils mit ihrer linken Hand vollziehen. Vor diesem ›Hintergrund‹ erscheint Perseus rechts davon an dem steinigen Küstenstreifen mit dem Felsen, an den Andromeda gefesselt ist. Mit erhobenem Schild tritt er schützend vor sie und dem Seeungeheuer entgegen, das zähnefletschend vor Andromeda aus den Fluten hervorgekommen ist. Perseus vermag es zu töten, denn an der Klinge des erhobenen Krummschwerts klebt das Blut des Ungeheuers, das an Kopf und Flanke blutüberströmt ist. Im mittleren Bildregister, das sich unterhalb in der linken Bildhälfte anschließt, vermählt sich Perseus mit Andromeda: Der König thront frontal vor seinem Palast und umfasst mit ausgebreiteten Armen das Brautpaar, das vor ihm steht und sich die Ringe ansteckt. Indem der Palast erneut den Hintergrund der Handlung bildet und er mit jenem oben im Bild auf einer vertikalen Achse liegt, wird deutlich, dass Andromedas Rettung durch die Bedingung eingefasst ist, die Perseus an ihre Befreiung gebunden hat: Oben gibt der König durch den Handschlag Perseus’ Bedingung statt, ›dass [Andromeda] ihm zur Frau gegeben werde, wenn er sie vor dem Ungeheuer rettete‹, unten erfüllt sich die Bedingung. Die Folgen dieser Erfüllung sind schließlich im unteren Bildregister vor Augen gestellt: Phineus, der Bruder des Königs, dem Andromeda versprochen war, stürmt mit einer bewaffneten Schar von rechts heran. Auf Pegasus reitend stellt sich Perseus der angreifenden Schar entgegen und schützend vor Andromeda, die links den Angreifern auf einem Schimmel entflieht  – was durch die Rahmenüberschneidung ihrer Figur sinnfällig wird. Während zahlreiche Soldaten in blauen Rüstungen niedergestreckt unter Perseus und Pegasus am Boden liegen, versteinert Perseus die übrigen, indem er ihnen das Medusenhaupt mit seiner rechten Hand entgegenhält. Anschaulich ist der Prozess der Verwandlung in rötlichen Stein dargestellt: Während einige Soldaten schon gänzlich die monochrome Gestalt des Steins angenommen haben, ist von jenem Soldaten rechts in vorderster Bildebene

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erst der Schutzschild in Stein verwandelt. Und Phineus, gekennzeichnet durch ein goldenes P auf seinem leuchtend roten Brustpanzer, liegt mit versteinertem Helm tot am Hinterlauf von Andromedas Schimmel. fol. 25r: fabula XV – Verwandlung von Cadmus und seiner Frau Als Cadmus die schrecklichen Ereignisse und Unglücksfälle sieht, die zum Untergang seines Hauses führen, denkt er voller Schmerz, dass dies aufgrund der Schlange geschieht, die dem Mars heilig war und die er vor langer Zeit getötet hatte. So bittet er die Götter, dass sie ihn in eine Schlange verwandeln, was auch geschieht. Seine Gattin, die seine Verwandlung sieht, erbittet vor Trauer von den Göttern dieselbe Metamorphose. Auch diese Bitte erhören die Götter, so dass sie sich gemeinsam mit ihrem Ehemann in eine Schlange verwandelt. Sie verlassen ihre Heimat und gehen nach Spanien, wo sie als Schlangen niemandem Schaden zufügen. So gibt es dort bis jetzt Schlangen aus ihrer Nachkommenschaft, die niemanden verletzen können. Links hat Cadmus, dessen Oberkörper sich vor dem Goldgrund abhebt, seine Hände wie zum Gebet vor der Brust zusammengelegt und richtet seinen Blick bittend zum Himmel. Während sein Oberkörper eine menschliche Form hat, zeigt sein Unterkörper die Verwandlung in eine drachengleiche Schlange: Die Füße sind zu Pranken mit Krallen geworden, die Beine und der Unterleib zu einem massigen Volumen angeschwollen, aus seinem Steiß hat sich ein langer verjüngender Schwanz gebildet. Seine Gattin, die ihm rechts im Bild gegenübersteht, erhebt klagend die Hände, und auch an ihr vollzieht sich die Metamorphose in eine Schlange: Ihre Beine wachsen zu einem langen, sich verjüngenden Leib zusammen, der sich auf dem Erdreich windet; aus ihrem Gesäß haben sie Flügel eines Drachens gebildet; aus ihrem Hinterkopf formt sich das Gesicht eines Drachens. Zahlreiche verschiedene Schlangen kreuchen und fleuchen zudem durch das Erdreich. fol. 25r: fabula XVI – Ino und Athamas Juno ist erzürnt über Ino, die Gattin von König Athmas, weil sie Bacchus aufgezogen hat. So begibt sich Juno in die Hölle und nimmt eine der Unterweltsfurien mit Namen Megaera mit sich. Auf Befehl der Göttin treibt diese Athamas und Ino in den Wahnsinn, so dass Athamas seine Gattin für eine Löwin und seine Söhne für Löwenjungen hält. Athamas sucht Jagdnetze und ruft die Hunde herbei, packt einen seiner Söhne an der Hand und schlägt ihm an der Wand den Kopf ein. Die wahnsinnige Königin aber flieht mit dem anderen Jungen und stürzt sich ins Meer. Neptun vergöttlicht sie. Die anderen Dienerinnen folgen der Königin; die einen werden in Steine verwandelt, die anderen in Vögel. Die Bilderzählung vollzieht sich in Schlangenlinien von links oben nach rechts unten: Juno, in rosafarbenem Gewand, kommt vom Himmel zu der dunklen Höhle der drei Unterweltsfurien hinab. Nur schemenhaft sind die Leiber zweier Schwestern in der Finsternis zu erkennen – eindrucksvoll treten die finsteren, blutverschmierten Körper aus dem dunklen Stein durch eine gräulich-weiße Modellierung der Physiognomie plastisch hervor. Juno fasst die dritte Schwester am Arm und holt sie aus dem dichten Dunkel hervor, so dass deren nackter Körper auf der Schwelle der Höhle im Licht erscheint und in seiner behaarten, zottigen Gestalt sichtbar wird. Unterhalb davon begibt sich Juno am rechten Bildrand mit der Furie zu Athamas und Ino: Aus der dunklen öden Gegend gelangen sie zum lichtvollen Gefilde des königlichen Paares. Während Juno ihre Rechte mit imperativischem Gestus er-

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hoben hat, weist die Furie, deren Haupthaar aus zwei schwarzen Schlangen besteht165, mit ihrem linken Zeigefinger auf Athamas. So wird die Übertragung des verderblichen Wahnsinns anschaulich. Denn der König schaut und zeigt seinerseits auf die Königin, die als Zwitterwesen aus Menschenkopf und Löwenkörper vor seinen Augen erscheint und seine beiden Söhne mit Körpern von Löwenjungen in ihren Vorderpfoten trägt. Im unteren Drittel des Bildes macht der König dann im Wahn mit seinen Hunden Jagd auf die Löwin: Von links betritt der König die Ufergegend und hält einen seiner Söhne am Ärmchen und schleudert ihn durch die Luft, um ihn zu töten. Der Maler bringt die Tragik dieses Irrsinns zum Ausdruck, indem er das Kind in rein menschlicher Gestalt darstellt. Weiter rechts eilen die Hunde dem König voraus und verfolgen Ino. Durch einen Sprung ins Wasser entkommt sie ihnen mit einem der Söhne: In vorderster Bildebene treibt sie die Strömung rechts aus dem Bild hinaus, während die Hunde, die ihr gleichsam im Nacken sitzen, in aggressiver Spannung am Ufer zurückbleiben und mit aufgerissenen Mäulern nach ihr lechzen.

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fol. 25v: fabula I – Pyreneus und die Musen König Pyreneus sieht, wie die Musen, die Töchter der Mnemosyne, bei ihrem Besuch des parnassischen Tempels sein Reich durchqueren. Weil es eine regnerische und stürmische Jahreszeit ist, lädt er sie ein, sein Haus zu betreten. Nachdem sie eingetreten sind, schließt er seine Türen und möchte über sie herfallen. Sie aber machen Gebrauch von ihren Flügeln und fliegen davon, so dass sie seiner Gewalt entgehen. Weil Pyreneus ihnen nachfliegen möchte, besteigt er seine Burg und vertraut sich der Luft an. Dabei stürzt er hinab und tötet sich selbst. In dieser Miniatur, in der die Figuren nicht vollendet sind, erstreckt sich die Erzählung von oben nach unten: Im Mittelgrund der oberen Bildhälfte wandern die Musen durch eine von Städten besiedelte karge Berglandschaft – rechts von der vertikalen Mittelachse scheinen zwei von ihnen hinter einem Berghang auf und bewegen sich in Richtung des rechten Bildrandes. Am linken Rand der unteren Bildhälfte betreten die Musen wieder das Bild und kommen vor das Haus des Pyreneus, das im Vordergrund dargestellt ist. Im Eingangsbereich steht Pyreneus und heißt sie willkommen. Ein drittes Mal erscheinen die Musen über dem Dach des Hauses, wo sie als geflügelte Figuren schweben. Unterhalb davon und in vorderster Bildebene stürzt Pyreneus kopfüber von den Zinnen des Hauses herab. fol. 25v: fabula II – Raub der Proserpina Der Riese Typhoeus, der lebendig unter dem Berg Aetna vergraben worden sein soll, erschüttert den Berg eines Tages mehr als üblich und verursacht ein starkes Erdbeben. Dadurch dringt durch eine Erdöffnung etwas Licht bis zu den Toten, was Pluto und die Seelen erschreckt. Pluto, der König der Unterwelt, verlässt die Unterwelt und kommt nach Sizilien, um sich genau umzuschauen, ob vielleicht etwas in der Nähe des Erdhaufens zerstreut oder in der Nähe seines Reich gelockert worden ist. Zu eben diesem Zeitpunkt kommt Proserpina, 165 Die Darstellung der schwarzen Schlangen im Haar kann damit auf den Ovid-Text zurückgehen. Ebd., IV,

495 f., S. 198 f. Vgl. aber auch die Beschreibung und Darstellung der Furien im 9. Gesang des Inferno von Dantes ›Divina Commedia‹. BRIEGER – MEISS – SINGLETON, Illuminated Manuscripts of the Divine Comedy 1969, Bd. 2, S. 127–131.

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die Tochter der Ceres, mit Venus und Diana zum Blumenpflücken an den Fuß des Aetna. Als Pluto sie sieht, entbrennt er in Liebe zu ihr und raubt sie in seinem Wagen, den vier Rappen durch die Luft ziehen. So nimmt er Proserpina mit sich in die Unterwelt, macht sie zur Königin der Toten und bindet sie mit dem Ehebündnis an sich. Die Bilderzählung beginnt im oberen Drittel der Miniatur: Links oben schaut das Gesicht des Giganten Typhoeus fast unmerklich zwischen den beigefarbenen Felsbrocken hervor. Durch die heruntergezogenen Mundwinkel verweist es zum einen darauf, dass der Körper unter der Erde eingeklemmt ist. Zum anderen deuten die Mimik und die nach oben gezogenen Schultern an, dass sich der Gigant in seiner Unzufriedenheit bewegt, um die Steinmassen, die auf ihm lasten, abzuwerfen. In der felsigen Landschaft, die sich rechts anschließt, erscheint auf gleicher Höhe am rechten Bildrand Plutos teuflische Gestalt mit Krallenfüßen, Schwanz und Fledermausflügeln. Bemerkenswert ist die plastische Ausformung seines Oberkörpers zu einem monströsen Gesicht durch gräulich-weiße Pigmente – verwandt jener der Figur des Proteus auf fol. 12v. Pluto schaut in Richtung der drei jungen Frauen, die sich auf dem beigefarbenen, von blühenden Blumen bewachsenen Gelände unterhalb von Typhoeus aufhalten. Zwischen Plutos Figur rechts oben und der Gruppe der Frauen links ist Pluto ein zweites Mal dargestellt: Er stürzt sich von hinten auf Proserpina, die in ein rosa-grünes Gewand gekleidet ist und mit ihren Gefährtinnen Blumen pflückt. Proserpinas Raub durch Pluto schließt sich in der unteren Bildhälfte an, wobei der Handlungsort durch das andersfarbige Gestein des landschaftlichen Untergrundes deutlich vom oberen abgesetzt ist. Unterhalb von seinem Überfall auf Proserpina entführt Pluto sie in seinem Wagen, der von vier Pferden gezogen wird, in die Unterwelt. Der Weg führt auf rötlichem Gelände hinab, und die Flammen, die durch die Bodenspalten hindurchschlagen, künden vom Tartarus. Dieser ist rechts unten im Bild dargestellt und durch die fratzenhaften Gesichter der Toten, die in den aufsteigenden Flammen glühen, charakterisiert. Dort tritt Pluto vor Proserpina, die rechts auf einem Thron sitzt, der aus niederknienden teuflischen Figuren geformt ist. Beide reichen sich gemäß der Hochzeitsikonographie die Hände, so dass Proserpina durch das Ehebündnis zur Königin über die Toten wird. fol. 26r: fabula III – Ceres und Proserpina Ceres schließt ihre Tochter Proserpina in ein winziges Haus ein und trägt ihr auf, sich Wollarbeiten zu widmen. Die Göttin Venus aber nimmt sie eines Tages mit sich zum Blumenpflücken. Als Pluto sie sieht und begehrt, raubt er sie und entjungfert sie in seinem Haus. Die Handlung vollzieht sich von links nach rechts: Im Haus befinden sich Proserpina und Ceres, wobei Letztere ihre rechte Hand erhoben hat und durch diesen Gestus eine Anweisung zum Ausdruck gebracht ist. Daran schließt sich rechts an, dass Venus Proserpina aus dem Haus lockt. Die Szene ist durch eine schmale blaue Architekturfassade, die schräg ins Bild geschoben ist, von der linken abgegrenzt. Über den beiden Frauen ist Plutos Erscheinen am Himmel vorgesehen, der vom rechten oberen Bildrand ins Bild kommt und sich Proserpina nähert. fol. 26r rechts: fabula IV – Sirenen Als die Sirenen, die Mädchen der Proserpina, sehen, dass diese geraubt wurde, suchen sie Proserpina überall auf der Erde. Weil sie sie nicht finden können, wünschen sie sich, dass ihnen Flügel gegeben werden, damit sie im Wasser oder in der Luft suchen können.

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Nachdem sie die Flügel bekommen haben, werden sie zu geflügelten Meeresungeheuern mit einem menschlichen Antlitz und einem Fischschwanz. Weil sie, solange sie Jungfrauen sind, überaus lieblich singen, wollen die Götter, dass sie ihr jungfräuliches Antlitz behalten und so im Meer lieblich erklingen. Diejenigen, die sie hören, erstarren und werden betäubt. Die Bilderzählung entwickelt sich wie üblich von hinten nach vorne. Im rechten Hintergrund erscheinen hinter einer braunen Hügelkuppe im ausgesparten Goldgrund die Sirenen auf der Suche nach Proserpina. Im linken Bildmittelgrund sind sie als geflügelte Wesen mit weiblichem Oberkörper und einem sich verjüngenden Unterkörper dargestellt und im Vordergrund schließlich als geflügelte Meerjungfrauen mit Schwanzflossen im Wasser.

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fol. 26v: fabula V – Ceres, Arethusa und Proserpina Als Ceres erfährt, dass ihre Tochter geraubt wurde, sucht sie diese auf der ganzen Erde. Da die Nacht ihre Suche behindert, zündet sie zwei Fichten auf dem Berg Aetna an und setzt so mit den Fackeln ihre Suche fort. Weil sie die Quelle Cyane überquert, findet sie den Gürtel ihrer Tochter. Allerdings kann sich die Nymphe Cyane, die in Wasser verwandelt worden ist, nicht offenbaren. Die Nymphe Arethusa hingegen erhebt ihren Kopf aus ihrer Quelle und berichtet der Göttin den Raub ihrer Tochter. Diese sei in die Unterwelt fortgerissen worden, und sie habe sie dort als Herrscherin gesehen. Nachdem Ceres in die Unterwelt hinabgestiegen ist und ihre Tochter von Pluto nicht zurückbekommen kann, beschwert sie sich bei Jupiter über dessen Bruder Pluto, woraufhin Jupiter sein Amt geltend macht. Er ordnet an, dass Proserpina die Hälfte des Jahres bei Pluto in der Unterwelt regiere und die andere Hälfte mit ihrer Mutter oberhalb lebe. In einem kreisförmigen Verlauf erstreckt sich die Bilderzählung, beginnend links oben im Uhrzeigersinn: Ceres erscheint am Aetna, der in Blau zwischen dem übrigen Steinmassiv aufragt. In den beiden ausgesparten Flächen rechts von ihm sollten womöglich die beiden Baumkronen der Fichten gemalt werden, die Ceres anzündete, um sie als Fackeln bei der nächtlichen Suche zu verwenden. Unterhalb davon in der mittleren Bildebene kommt Ceres vom rechten Rand ins Bild und beugt sich zu der Nymphe Aretusa hinab, deren Figur sich in anschaulicher Weise aus der Quelle formt. Sinnfällig stellt der Maler auch den Inhalt der Worte, die Aretusa zu Ceres spricht, vor Augen: Durch die Verbindung der Quelle mit der Unterwelt, die sich unterhalb öffnet und Pluto und Proserpina mit Herrschaftsinsignien zeigt, erschließt sich dem Betrachter, dass Arethusa Proserpina als Herrscherin in der Unterwelt gesehen hat. Im unteren Bilddrittel steht Ceres dann am Rande der Unterwelt und wendet sich gestikulierend Pluto und Proserpina zu, deren Gefolgschaft ein geflügelter Teufel bildet. Die Bilderzählung endet schließlich im linken Bildmittelgrund: Ceres kniet in Dreiviertel-Rückenansicht vor dem Gebirge und wendet ihr Haupt zum Himmel – nachdem ihr Bemühen erfolglos geblieben ist, ihre Tochter von Pluto zurückzubekommen, ruft sie Jupiter um Hilfe an. fol. 26v: fabula VI – Ascalaphus vereitelt Proserpinas Rückkehr Als Ceres sich an Jupiter wendet, damit sie ihre in die Unterwelt entführte Tochter Proserpina auf die Erde zurückbringen kann, lautet Jupiters Antwort folgendermaßen: Sie könne ihre Tochter nicht befreien, wenn sie von Früchten der Unterwelt gegessen habe. Weil ein Bauer namens Ascalaphus erklärt, er habe gesehen, wie Proserpina in einem Garten drei Granatapfelkerne gegessen habe, wird Proserpina in der Unterwelt festgehalten.

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In vorderster Ebene des Bildes, das ebenfalls durch eine karge felsige Landschaft charakterisiert ist, vollzieht sich die Handlung, die unmittelbar an jene der vorausgehenden Miniatur anschließt: Ceres steht am Eingang der Unterwelt, die hier als Höhle dargestellt ist. In ihm erscheint Pluto, der an seiner linken Hand Proserpina hält und mit ihr aus der Tiefe hervortritt – Proserpina ist vom rechten Bildrand angeschnitten, so dass die Bewegung anschaulich wird. Zwischen Ceres einerseits und Pluto andererseits erscheint auf der Eingangsschwelle Ascalaphus. Während er sein Haupt Pluto und Proserpina zuwendet, weist der Daumen seines angewinkelten rechten Armes in Ceres Richtung, wodurch der Zusammenhang seiner Worte und Ceres’ Anliegen erfahrbar wird. fol. 27r: fabula VI – Proserpina verwandelt Ascalaphus Proserpina, die Königin der Unterwelt, taucht den Bauern Askalaphus wegen seiner schändlichen Aussage in das Wasser des Phlegeton und verwandelt ihn in einen Uhu. Die Miniatur schließt sich unmittelbar an die vorausgehende an: Proserpina, die nun in voller Ansicht in der Unterwelt-Höhle im rechten Bildvordergrund zu sehen ist, scheint Askalaphus in das Wasser des Phlegeton gestoßen zu haben – während ihre Arme ausgestreckt sind, liegt sein Körper niedergestreckt im Strom. Ob diese Geste somit auf die Berchorius-Paraphrase rekurriert oder eher auf den Ovid-Text Bezug nimmt, in dem es heißt ›sie bespritzte sein Haupt mit dem Wasser des Phlegeton‹166, lässt sich anhand der Zeichnung nicht festmachen. Mit ihrer Handlung löst Proserpina Askalaphus’ Metamorphose in einen Uhu aus: Seine Beine sind bereits in Federn verwandelt. Während sich der Moment der Verwandlung im Zentrum des Bildvordergrundes vollzieht, ist der vollständig in einen Uhu verwandelte Askalaphos am linken Bildrand im Hintergrund platziert. fol. 27r: fabula VII – Gigant Typhoeus Als Typhoeus, ein riesiger Gigant, die Götter aus dem Paradies vertreiben möchte und gegen sie kämpft, strecken sie ihn zu Boden. Weil sie ihn aber nicht töten können, legen sie drei Berge von Trinacris auf seinen Körper. So werden die Berge Lilybaeum und Pachynus auf seine Füße platziert, während der Berg Aetna auf sein Haupt und Gesicht gelegt wird. Weil Typhoeus unter den Bergen lebt, versucht er häufig, die Last abzuschütteln, so dass die ganze Insel Sizilien von einem Erdbeben erschüttert wird. Auf der vertikalen Mittelachse erscheint am oberen Bildrand Jupiter, flankiert in symmetrischer Ordnung von jeweils drei Göttern. Gemeinsam drücken sie einen mächtigen Felsen auf das Haupt des Giganten, dessen Körper bereits von zwei weiteren Felsblöcken bedeckt ist, die nahezu die gesamte untere Bildhälfte ausfüllen. Indem die untere Partie des Giganten-Gesichts zwischen den sich auftürmenden Steinmassen aufscheint und dabei im Zentrum des Bildes steht, wird dessen erdrückte Mächtigkeit anschaulich. fol. 27v: fabula VIII – Arethusa Arethusa ist die schönste unter den Nymphen. Als sie sich im Fluss Alpheus wäscht und ihre Kleider in den Weiden aufhängt, hört sie den Flussgott kommen, der sie entführen möchte. Sie aber flieht nackt zum anderen Ufer. Da der Gott sie nackt sieht, entbrennt er noch mehr in Liebe zu ihr und hört nicht auf, sie über die Berge und durch die Wälder zu

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166 Ovid, Metamorphosen 2007, V, 544, S. 254 f.: […] sparsumque caput Phlegethontide lympha/.

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verfolgen. Als sie müde wird und nicht weiter fliehen kann, bittet sie Diana, deren Waffenträgerin sie ist, um Hilfe. Diese bedeckt sie sogleich mit einer Wolke, damit sie nicht nackt gesehen wird. Die Nymphe aber vergeht durch Schweiß vollständig in Wasser. Als Alpheus sieht, dass sich Arethusa in Wasser verwandelt hat, verwandelt er sich ebenfalls in Wasser, um sich mit ihr zu vereinigen. Auch in dieser hochformatigen Miniatur erstreckt sich die Narration in einer schlangenförmigen Bewegung vom Hintergrund zum Vordergrund: Während die Nymphe Arethusa im oberen Bilddrittel badend in einem Wasserlauf steht, der quer zwischen Hainen fließt, formt sich – wie bereits in vorherigen Miniaturen – auf anschauliche Weise aus den Wellen die Figur des Flussgottes Alpheus hinter ihr aus. Er streckt seine Arme nach der Nymphe aus, um sie zu erfassen. Im linken Bildmittelgrund flüchtet Arethusa von links kommend durch das von Bäumen bestandene Gefilde vor dem Flussgott und wendet dabei ihren Kopf zu ihrem Verfolger um, der ihr dicht auf den Versen ist; auch hier ist die Bewegung der Erzählung durch die vom Rahmen angeschnittene Figur erzeugt. Im rechten Bildvordergrund schließlich steht Arethusa in den Fluten eines Flusses und wendet sich mit bittendem Gestus an Diana, die oberhalb von ihr am Ufer erscheint. Diese lässt von oben eine Art Gewand auf Arethusa herab, um deren Nacktheit zu umhüllen und sie so dem Flussgott zu verbergen. Auch hier bildet dieser sich figürlich aus dem Wasser und bewegt sich von links auf Arethusa zu.

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fol. 27v: fabula IX – Triptolemus Weil Ceres, die Göttin der Saaten, über den Verlust ihrer Tochter zornig war, brachte sie Hunger über die ganze Welt. Nach der Auffindung ihrer Tochter aber schickt sie ihren Soldaten Triptolemus durch den ganzen Erdkreis und befiehlt ihm, Samen darzubringen. Als Triptolemus diesen Auftrag ausführt, kommt er zum Haus des Königs Lyncus, der die Macht über die Samen erlangen und daher Triptolemus töten möchte. Ceres aber verwandelt Lyncus in einen Luchs. Die Bilderzählung vollzieht sich vom linken Hintergrund zum linken Vordergrund: Vor der Kulisse eines Hauses beauftragt Ceres, in Gefolgschaft einer weiblichen Figur, den Soldaten Triptolemus, verschiedenen Landstrichen neuen Samen zu bringen. So reitet dieser im Bildmittelgrund von links nach rechts durch die gebirgige Landschaft und aus dem Bild heraus, wodurch die Reise sinnfällig wird – zumal er schließlich in vorderster Bildebene von rechts zum Palast des Königs Lyncus gelangt, der die linke untere Bildhälfte einnimmt. Auf dem Pferd sitzend, tritt er dem König entgegen, dessen menschliche Gestalt sich durch die Einwirkung von Ceres, die über Triptolemus schwebt, in die eines Raubtieres verwandelt: Während sein aufrechter Oberkörper noch der eines Menschen ist, hat sich sein Unterkörper bereits in einen Hinterlauf und den Rumpf des Luchses transformiert. fol. 28r: fabula X – Pallas auf dem Helikon bei den Musen und Wettstreit Musen vs. Pieriden Als Pallas hinabsteigt, um die Musenquelle zu sehen, die durch den Hufschlag des Flügelpferdes Pegasus entstanden ist, hört sie durch Zufall beim Vorbeigehen eine Elster rufen, von der sie glaubt, sie sei ein Mensch. So fragt sie, was dies sei. Als ihr geantwortet wird, dass dies ein Vogel sei, wundert sie sich sehr, weil er eine so große Geschwätzigkeit besitzt. Diesbezüglich erklärt eine der neun Musen Pallas, dass König Pyreneus neun überaus geschwätzige Töchter hatte, die Pieriden hießen. Weil diese die neun Musen, die die Quelle

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des Pegasus bewohnen, beneideten, wollten sie mit ihnen einen Wettkampf im Geschichtenerzählen abhalten. Obschon die Pieriden dem Urteil der Nymphen zufolge besiegt wurden, wollten sie von ihrer Schwatzhaftigkeit nicht ablassen und griffen die Siegerinnen an. Darauf verwandelten die Musen sie in Elstern, die als geschwätzig und schreiend wahrgenommen werden. In der oberen Bildhälfte stehen am Hang des eingipfeligen Helikon, der sich nach rechts erstreckt, die Musen um die Quelle mit dem geflügelten Pegasus darin. Dieses Motiv ist in der unteren Bildhälfte wiederholt, wobei nun rechts vor den Musen Pallas steht. Rechts davon dürfte die Darstellung der Metamorphose der Pieriden in Vögel vorgesehen gewesen sein. fol. 28r: fabula XI – Palicien Die Palicien sind Söhne Jupiters. Ihre Mutter wird als Schwangere von der Erde verschlungen, so dass sie aus dem Erdinneren geboren werden. Als Jupiter sieht, dass seine Söhne ihre Gastfreunde töten und menschliches Blut opfern, streckt er sie mit dem Blitz in die Erde nieder. Aus der Öffnung aber fließt sogleich Wasser heraus, das den schwefelhaltigen Gestank des Blitzes aussondert. Die Erzählung erfolgt mittels einer Zweiteilung der Bildfläche und beginnt links oben im Hintergrund: Die Mutter der Palicien wird im Zustand ihrer Schwangerschaft von der Erde verschlungen. Darunter werden ihre und Jupiters Söhne aus der Erde geboren: Im linken Bildmittelgrund formen sich die Körper aus der Erde. Links unten im Vordergrund töten die herangewachsenen Palicien ihre Gastfreunde vor deren Häusern und opfern das menschliche Blut im Heiligtum, das im rechten Bildmittelgrund zu sehen ist. Rechts oberhalb des Heiligtums schwebt Jupiter und streckt seine Söhne nieder: Unterhalb Jupiters Figur stellt der Zeichner am rechten Bildrand auf anschauliche Weise den Sturz eines mit Wucht (vom Blitz) Getroffenen rücklings in den Erdenschlund dar.

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Buch VI fol. 28v: fabula I – Arachnes Wettstreit mit Pallas Die Jungfrau Arachne ist weder durch ihre Heimat noch durch ihre Herkunft berühmt, sondern durch ihre Webkunst. Sie brüstet sich so sehr mit ihrer Kunstfertigkeit, dass sie Pallas, die Göttin der Weisheit, verachtet und ihre Webkunst als größer einschätzt. Daher verwandelt sich Pallas in eine alte Frau und geht zu Arachne. Während diese prahlt, sie könne mit Pallas über das Weben disputieren, offenbart sich ihr die erzürnte Göttin. Arachne ist dadurch jedoch nicht erschrocken, und die beiden setzen fest, dass Arachne eine Webarbeit anfängt, um zu zeigen, dass sie die bessere Weberin ist. Als Arachne in ihrem Gewebe die Vergehen der Götter darstellt, schlägt die erzürnte Pallas sie mit ihrem Weberschiffchen und verwandelt sie in eine Spinne. Schauplatz der Handlung ist Arachnes Haus, in dem prominent ihr Webstuhl steht, wie die Schauöffnung des Hauses zu erkennen gibt. Während Arachne an ihrem Webstuhl sitzt, tritt Pallas in Gestalt einer alten Frau von rechts an sie heran. Vor dem Haus im Bildvordergrund verwandelt Pallas Arachne in eine Spinne. Indem hier somit Anfang und Ende der Geschichte von Arachne und Pallas dargestellt sind, bildet diese Darstellung den Rahmen für die folgenden Miniaturen.

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fol. 28v: fabula II – Pallas am Webstuhl und Pallas gewebtes Werk: Disput um die Benennung Athens Im Gewebe der Pallas ist die Geschichte ihres Disputs mit Neptun über den Namen der Stadt Athen beschrieben. Der Disput besteht, weil die Stadt der Athener neu gegründet und noch ohne Namen ist. So wird vereinbart, dass derjenige von beiden, der einen für die Sterblichen nützlicheren Gegenstand vorweisen kann, die Befugnis über die Namensgebung erhält. Während Pallas den mit Oliven und Blättern geschmückten Olivenbaum vorzeigt, zerschlägt Neptun mit seinem Dreizack die rauen Felsen und führt ein behelmtes Pferd heraus. Als Richter fungieren die Götter, die den Olivenbaum als nützlicher beurteilten und so Pallas die Namensgebung für die Stadt zugestehen. Die kleinformatige erste Miniatur zeigt Pallas bei der Arbeit an einem Webstuhl, der die gesamte Bildfläche ausfüllt. So wird anschaulich, dass die folgenden Miniaturen ihr gewebtes Werk vor Augen stellen. In der zweiten Miniatur, die sich in der rechten Textspalte unmittelbar anschließt, erscheinen in der oberen Bildhälfte vor einem Himmelsstreifen die sieben Planetengötter, mit Jupiter im Zentrum. Unmittelbar darunter erscheint die Stadt – als Gegenstand der Auseinandersetzung – vor rotem Grund gleichsam im Zentrum des Bildes, flankiert von Pallas links und Neptun rechts. Beide Figuren zeigen Gegenstände vor: Während Pallas auf den Gegenstand schaut, der über ihr erscheint – der Olivenbaum ist auf dem ausgesparten Pergamentgrund noch nicht ausgeführt – führt Neptun aus dem Felsen rechts von ihm das Pferd an dessen Kopf heraus. Wie Jupiters Gestus des ausgestreckten rechten Arms anzeigt, fällt die Entscheidung auf den Gegenstand von Pallas. fol. 29r: fabula III – Pallas gewebtes Werk, 1. Ecke: Rhodope und Haemus Haemus und Rhodope sind zwei so hochmütige Eheleute, dass sie sich die Namen der Götter aneignen: Der Mann nennt sich Jupiter, die Frau Juno. Weil die Götter ihnen zürnen, werden sie in Berge verwandelt, die sich nebeneinander erheben. Vom unteren Bildrand ragen zwei Berge nebeneinander empor, auf denen jeweils ein Kopf aufsitzt, so dass die sich vollziehende Verwandlung der Körper von Haemus und Rhodope anschaulich wird. Über den figürlichen Steinmassen, in denen sich noch Schulterund Armpartie sowie Oberkörper und Schoß abmalen, schweben vor dem Goldgrund zwei Götter. Die Gestik ihrer Arme und Hände bedeutet, dass sie die Metamorphose von Haemus und Rhodope herbeigeführt haben. fol. 29r: fabula IV – Pallas gewebtes Werk, 2. Ecke: Pigmeas Verwandlung Pigmea, die Königin der Pygmäer, zieht sich in Bezug auf ihre Schönheit Juno vor, weswegen Juno sie in einen Kranich verwandelt und sie dazu verurteilt, dass sie gegen ihr eigenes Volk immer Krieg führt. In der linken Bildhälfte ist Pigmea als riesiger Kranich dargestellt. Durch Juno, die in der rechten oberen Bildecke am Himmel erscheint und mit ihrem ausgestreckten Arm auf den Kranich verweist, ist die Königin in das Tier verwandelt worden. Juno zeigt zugleich mit ihrem linken Arm nach unten auf das am Boden stehende Heer, das seine Lanzen gegen die eigene Königin in Gestalt des Kranichs erhebt.

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fol. 29r: fabula V – Pallas gewebtes Werk, 3. Ecke: Antigones Verwandlung Als Antigone, die Tochter des Priamus, von Juno dafür getadelt wird, dass sie mit Jupiter gehurt hat, antwortet sie ihr trotzig. Daher verwandelt Juno sie in einen Storch. In dieser kleinformatigen Miniatur schwebt Juno über einem leicht abfallenden Gelände, das bildparallel verläuft, und weist durch den Gestus ihrer ausgestreckten Arme auf Antigones Verwandlung in einen Storch. Hier ist die Metamorphose in ihrer Prozesshaftigkeit vor Augen gestellt: Während Beine, Körper und Hals schon die Gestalt des Storches angenommen haben, erscheint nur noch der menschliche Kopf oberhalb der Brust, so dass der Eindruck entsteht, als würde dieser jeden Moment von der Brustpartie des Tieres geschluckt. fol. 29r: fabula VI – Pallas gewebtes Werk, 4. Ecke: Verwandlung der Töchter des Cinyras Weil die Töchter des Cinyras Juno schmähen und ihren Tempel verachten, verwandelt Juno sie in Tempelstufen, damit sie dort auf immer verbleiben. Rechts von einem Kirchenbau, der in der linken Bildhälfte dargestellt ist und frontal die Westfassade mit einem großen Portal zeigt, zu dem Stufen emporführen, steht auf der vertikalen Mittelachse in hügeliger Landschaft eine Frau. Mit erhobenen Händen wendet sie sich der Göttin zu, die von rechts kommend schräg über ihr schwebt. Mit ausgestrecktem Arm zeigt sie ihrerseits auf die Frau, deren Körper zur Kirche hin zurückgestoßen zu werden scheint. Die Darstellungsweise der sich daran anschließenden Verwandlung in die Stufen des Sakralbaus, von der die Paraphrase spricht, lässt sich der Vorzeichnung am rechten Mauerwerk nicht entnehmen. fol. 29r: fabula VII – Arachnes gewebtes Werk: Jupiters und Asteries Verwandlung Als Jupiter Asterie verfolgt, verwandelt diese sich plötzlich in eine Krähe, um besser fliehen zu können. Jupiter verwandelt sich in einen Adler, um sie zu ergreifen. Im Zentrum dieser ebenfalls kleinformatigen Miniatur ist Jupiter als Adler mit ausgebreiteten Schwingen im bildparallelen Flug über eine Ebene dargestellt. Sein linker Flügel überfängt einen kleineren Vogel, der rechts vor ihm fliegt. Es handelt sich um Asterie, die auf der Flucht vor Jupiter in eine Krähe verwandelt ist. fol. 29v: fabula VIII – Arachnes gewebtes Werk: Jupiters Verwandlungen Jupiter verwandelt sich, um Leda zu überwältigen, in die Gestalt eines Schwanes. Um mit Antiope, der Tochter des thebanischen Königs, Beischlaf zu halten, nimmt er die Gestalt eines Satyrs an. Alkmene schändet er in Gestalt ihres Ehemannes Amphitryon und zeugt mit ihr Hercules. Ägina nimmt er mit Gewalt in Gestalt eines Flusses. Die Tochter des Acrisius, Danaë, verführt er in Gestalt von Gold. Die einzelnen Szenen mit Jupiters Verwandlungen verlaufen von oben nach unten in einem Zick-zack-Kurs: Links oben erscheint Jupiter als Schwan, dessen Hals von Ledas Armen umschlungen wird, wobei ihr Körper durch den des Schwans überwältigt ist und niedergedrückt wird. Schräg rechts davon hat Jupiter die Gestalt eines Satyrs angenommen, der mit seinen Armen Antiope umfasst und stehend Beischlaf mit ihr hält. In der Architekturdarstellung links davon gibt die linke Schauöffnung den Blick in ein Gemach frei, in dem Jupiter neben Alkmene im Ehebett liegt, während rechts Alkmene den kleinen Hercules in Armen hält. Darunter liegt eine Figur rücklings wohl in einem bildparallel verlaufenen Fluss,

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an die sich rechts womöglich zwei aus den Fluten formende Beine binden – in der Paraphrase heißt es: ›Ägina aber nahm er mit Gewalt in Gestalt eines Flusses‹. In dem Gebäude am unteren Bildrand schließlich lagert Danaë, die ihre rechte Hand zum Schoß geführt hat und auf diesen schaut, so dass der Betrachter den noch nicht zu sehenden Goldregen, in den sich Jupiter in diesem Fall verwandelt hat, imaginieren kann.

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fol. 29v: fabula IX – Arachnes gewebtes Werk: Jupiter und Asopus Nachdem Jupiter die Tochter des Asopus vergewaltigt hat, wächst Asopus bis zum Himmel empor, um Jupiter aus Rache an seiner vergewaltigen Tochter zu bekämpfen. Als Jupiter dies sieht, drängt er ihn mit seinem Blitz zurück, so dass das Ufer, an dem Asopus durch den Blitz erschlagen wird, zu einem Fluss wird. Am Ufer eines Flusses, der die gebirgige Landschaft teilt, steht im Bildzentrum Asopus in Rückenansicht. Mit einem Waffenrock angetan sowie einen Schild tragend, wendet er sich mit zum (Speer-)Wurf ausholendem rechten Arm gegen Jupiter, der links über ihm am Himmel erscheint. In vorderster Bildebene stürzt Asopus am Ufer des Flusses nieder. Nun stellt der Zeichner die Figur in Vorderansicht dar und platziert sie auf einer diagonalen Achse mit der Rückenfigur und Jupiter, so dass sich der Handlungsverlauf hier auf die Diagonale beschränkt. fol. 29v: fabula X – Arachnes gewebtes Werk: Verwandlungen der Götter leeres Bildfeld

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fol. 30r: fabula XI – Arachnes gewebtes Werk: Otus und Ephialtes Neptun hält Beischlaf mit Iphimedeia in Gestalt ihres Ehemannes und zeugt mit ihr Otus und Ephialtes. Diese wachsen in einer Woche über eine Handfläche und in einem Monat über eine Elle empor. Sie wachsen so viel, dass sie danach streben, den Himmel mit ihren Händen zu berühren. Weil die Götter davor Furcht haben, halten sie einen Rat ab und drängen sie mit Apollos und Dianas Pfeilen zurück. Die Erzählung setzt in vorderster Bildebene ein: In einer vielgestaltigen, filigran ausgeformten Architekturansicht gibt eine Schauöffnung links den Blick in ein Gemach frei, in dem Iphimedeia und Neptun im Ehebett liegen. Die Folgen dieser Vereinigung sind rechts im Nebenraum zu sehen: Iphimedeia hält die beiden Söhne Otus und Ephialtes im Arm. Hier findet also das gleiche Bildformular Anwendung wie zuvor in Jupiters Episode mit Alkmene auf fol. 29v. Rechts vom Haus und schräg über diesem sind die beiden Söhne als Riesen dargestellt, die die Höhe des Berges erreichen, der sich hinter der Architektur in der rechten Bildhälfte erhebt. Während der rechte von beiden seine Arme zum Himmel emporhebt, fällt der linke zurück und hält seine Arme schützend vor sich. Denn die Götter, die links oben am Himmel erscheinen, werfen Steine auf sie nieder. fol. 30r: fabula XII – Niobe Niobe, die Tochter des Tantalus und einer Plejade und die Gattin des Amphion, des Königs von Böotien, zeichnet sich durch ihre reiche Nachkommenschaft aus. Denn sie hat sieben Söhne und sieben Töchter hervorgebracht. So ist sie aufgrund ihrer Fruchtbarkeit und ihrer großen Reichtümer berühmt. Sie verachtet Latona, die Mutter des Apollo und der Diana, und bezeichnet sie als eine unfruchtbare Göttin. In Bezug auf die Fruchtbarkeit gibt sie sich

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den Vorrang vor Latona, hält das Volk von ihren Altären fern und zwingt es, ihr zu opfern. Weil Latona deswegen erzürnt ist, bittet sie ihre Kinder, Apollo und Diana, das Unrecht an ihr zu rächen. So tötet Apollo mit seinen Pfeilen den Vater und die sieben Söhne, während Diana die sieben Töchter umbringt. Als Niobe dies sieht, verwandelt sie sich in einen Marmorstein, von dem man sagt, dass er immerwährend weint. Auch in dieser Miniatur erstreckt sich die Narration vom Vordergrund zum Hintergrund. Sie beginnt mit dem Geschehen vor zwei Sakralbauten, welche die Stadtansicht zu sehen gibt: Während Niobe links auf der Schwelle der Pforte steht und das Volk von Latonas Altären fernhält, befindet sie sich rechts allein vor ihrem Heiligtum, auf dessen Altar ihr Götzenbild steht. So wird anschaulich, dass sie das fernbleibende Volk zwingen musste, ihr zu opfern. Daraufhin wendet sich Latona erzürnt an ihre beiden Kinder: Sie hat sich auf die Höhe begeben, die sich hinter der Stadt erhebt und schaut zu Apollo und Diana auf, die über ihr am Himmel erscheinen. Sie sind vom rechten Bildrand angeschnitten, so dass ihr Hinzutreten zu den Geschehnissen, die sich ereignet haben, sinnfällig wird. Links davon vollziehen Apollo und Diana, worum sie ihre Mutter gebeten hat: Sie töten die sieben Töchter und sieben Söhne der Latona, die trauernd vor den Leichnamen ihrer Kinder sitzt – in der frei gelassenen Fläche im Goldgrund über Latona wären Apollo und Diana ausgeführt worden. fol. 30v: fabula XIII – Latona Latona hat ihre beiden Kinder Apollo und Diana von Jupiter empfangen. Die eifersüchtige Juno verfolgt die Schwangere und lässt sie nirgends in der ganzen Welt niederkommen, und keine Region wagt es, sie aufzunehmen. Schließlich kommt Latona zur Insel Delos, die auf dem Meer umherirrt. Weil die Insel auf dem Wasser umherirrt, erbarmt sie sich der auf der Erde umherirrenden Latona und gibt ihr einen Ort zum niederkommen. Durch die Landschaft, die sich in der oberen Bildhälfte erstreckt, verfolgt Juno Latona. Während sie sich zu ihrer Verfolgerin umwendet, gelangt sie zum Meer, das sich im Vordergrund mit der Insel Delos links im Bild erstreckt. Gleichsam im Schoß der Insel kommt Latona nieder und hält die beiden Neugeborenen, Apollo und Diana, in ihren Armen. fol. 30v: fabula XIV – Latona Als Latona vor dem Zorn der Juno flieht und Apollo und Diana in ihren Armen trägt, möchte sie aufgrund großen Durstes vom Wasser eines Sees trinken. Einige Bauern aber, die am Strand Schilf sammeln, hindern sie daran. Daraufhin bittet Latona Jupiter erzürnt, dass die Bauern niemals den See wieder verlassen können. Auch diese Miniatur mit Latonas Geschichte ist als Simultanbild gestaltet, doch erfolgt die Wahrnehmung der Handlung hier wie in einer Art Daumenkino: In der linken Bildhälfte sitzt Latona mit ihren beiden Kindern im Schoß und vor der Brust gefalteten Händen aufrecht am Ufer eines Gewässers, das sich bildparallel im Vordergrund erstreckt. Wandert der Blick nach rechts, wird ihre Handlung in ihrer Zeitlichkeit unmittelbar erfahrbar, indem die Figur nun leicht nach vorne gerückt und in nach vorn gebeugter Haltung erscheint. Dabei schaut sie zu den Bauern, die rechts im Wasser stehend Schilf sammeln und sie am Trinken hindern. Über Latona erscheint am Himmel Jupiter, auf den sich wiederum die linke Figur Latonas bezieht, indem sie ihre Hände bittend erhoben hat und ihren Kopf zu ihm wendet.

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fol. 31r: fabula XIV – Latona Jupiter verwandelt die Bauern in Frösche, damit sie auf immer in jenem See quaken. Die Erzählung setzt sich in dieser kleinformatigen Miniatur fort, die gemeinsam mit der vorausgehenden der fabula XIV vorgeschaltet ist: Jupiter erscheint über dem Gewässer am Himmel, und sein ausgestreckter linker Arm verweist auf die Metamorphose der Bauern in Frösche, die er herbeigeführt hat. Auch hier ist der Prozess der Verwandlung dargestellt: Während die rechte Figur noch einen menschlichen Oberkörper aufweist, ist der rechte hintere Schenkel schon der eines Frosches. fol. 31r: fabula XV – Marsyas Der Satyr Marsyas streitet mit Apollo über den Gesang und gibt sich ihm gegenüber im Gesang den Vorzug. Weil er dem Gott im Gesang nicht die geschuldete Ehrerweisung zukommen lässt, häutet ihn der erzürnte Apollo und lässt ihn so blutig zurück, dass die ländlichen Götter und Nymphen ihn verfolgen und beweinen, weil sie seinen Gesang lieben. Aus seinem Blut aber und den Tränen derer, die ihm folgen, entsteht ein Fluss, der nach Marsyas genannt wird. Die Erzählung beginnt im Bildhintergrund: Apollo und Marsyas stehen einander zugewandt nebeneinander, wobei der Vorzeichnung nicht zu entnehmen ist, welche Figur wen darstellt. Darunter vollzieht sich eine Prozession von bäuerlichen Figuren, die Marsyas durch eine hügelige Landschaft folgen. Marsyas, der die übrigen Figuren in Größe überragt, ist hier nicht nur deutlich als Satyr zu erkennen, sondern auch in seinem gehäuteten Zustand. Gerade die Figuren, die ihn unmittelbar umgeben, zeigen Gesten der Trauer. Die künstlerische Ausgestaltung des Vordergrundes mit dem Hirten und seiner Herde dürfte auf den Ovid-Text rekurrieren, in dem es heißt: ›auch die Nymphen weinten und jeder Hirt, der auf jenen Bergen wollige Herden und Hornvieh weiden ließ‹167.

167 Ebd., VI, 394 f., S. 288 f.: et nymphae flerunt, et quisquis montibus illis / lanigerosque greges armentaque

bucera pavit.

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER CAROLINE SMOUT

1. Der ›Ovdius moralizatus‹ in Bergamo und seine stilkritische Einordnung in die Lombardei Der Kodex, der in der Biblioteca Civica von Bergamo unter der Signatur Ms. Cassaforte 3.4 aufbewahrt wird und wie der Gothaer Kodex ›De formis figurisque deorum‹ und den ›Ovidius moralizatus‹ enthält, birgt den umfassendsten Bilderzyklus zum ›Ovidius moralizatus‹, der überliefert ist. Insgesamt zeigt die Handschrift 207 kolorierte Federzeichnungen, von denen 199 auf den ›Ovidius moralizatus‹ (fol. 8v–136v) und acht auf ›De formis figurisque deorum‹ (fol. 1r–8r) entfallen1. Das Götterhandbuch ist nicht vollständig erhalten: Am Anfang des Kodex fehlen die Texte und Zeichnungen zu den Planetengöttern Saturn, Jupiter, Mars, Apollo und Venus. Die Handschrift umfasst 136 Pergamentblätter mittelmäßiger Qualität mit den Maßen 15,5 cm × 10,5 cm, zudem finden sich drei moderne Papierblätter als Vorsatz und zwei als Nachsatz (III + 136 + II). Die ursprüngliche Bindung ist mithin verloren, zudem sind die Blätter beschnitten2. Die Folia weisen einen Verbund von 18 Lagen auf, bestehend aus einem Unio, einem Ternio und 16 Quaternionen, wobei dem Quaternio der zehnten Lage ein Blatt fehlt (fol. 65). Die Lagenformel lautet demgemäß: I2 + III8 + 7x IV64 + (IV-1)72 + 8x IV136. Reklamanten befinden sich auf den Folia 8v, 16v, 24v, 32v, 40v, 48v, 56v, 64v, 72v, 80v, 88v, 96v, 104v, 112v, 120v, 128v, 136v. Die Foliierung mit Bleistift in der rechten oberen Ecke der Rectoseite ist modern. Der Schriftspiegel beträgt 11 cm × 7 cm. Der Text ist einspaltig gestaltet und umfasst 29 bis 31 Zeilen. Er ist mit brauner Tinte in einer Rotunda einheitlich geschrieben. Gegliedert wird der Text durch Fleuronnée-Initialen in roter und blauer Tinte, wobei der 2- bis 4-zeilige Buchstabenkörper in Lombardenform und das ihn umschließende Fleuronnée farblich kontrastieren. Zu Beginn von Buch I (fol. 8v) und Buch II (fol. 17v) umfassen die Buchstabenkörper 7 und 6 Zeilen; die übrigen Buchanfänge sind nicht mehr durch solch größere Initialen markiert. Die 2-zeiligen Initialen sind blockartig 1 2

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Eine Auflistung der Bildinhalte sämtlicher Miniaturen findet sich in GATTI PERER (Hg.), Codici e incunaboli 1989, S. 286–310 (Andrea Spiriti) sowie in Bd. 2, Kap. II. 1. Die Handschrift wurde im 18. Jahrhundert neu gebunden, der Einband aus Pappe mit braunem Sprenkelpapier stammt aus dieser Zeit. Der Buchrücken ist zwischen den fünf erhabenen Bünden mit einem goldgeprägten Blattornament, flankiert von goldgeprägten Linien und einem Akanthusfries, versehen. Im oberen Abschnitt befindet sich der Titeldruck in Gold: OVIDIO METAMR M. S., am Fuß zwei Signaturschildchen: älteres nicht lesbar, neueres: Biblioteca Civica Bergamo 3. 4. Kopf und Fuß sind beschädigt.

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

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erweitert durch konturparallele Fäden, teils mit Bogenreihen oder Perlen (auch gestachelt), teils finden sich oben und/oder unten angesetztes Knospenfleuronnée (Garbe, Ähre) oder Medaillons mit einem Mattengeflecht oder einem Kreuz mit Perlenbesatz und Strichelung. Teilweise wachsen aus den konturparallelen Fäden Fadenausläufer (teils mit Bogenreihen) mit eingerolltem Ende hervor. Der Binnenraum ist fast ausschließlich gefüllt mit senkrechten Parallelfäden, oft versehen mit einzelnen Bogen oder einer Bogenreihe, vereinzelt mit Knospenfleuronnée (Garbe, Ähre, Knospenreihe) oder einem Mattengeflecht. Die 7-zeilige Initiale auf fol. 8v weist einen gespaltenen Buchstabenkörper mit gebogter Schaftaussparung auf, als Besatz konturparallele Fäden mit Perlenreihen. Die 6-zeilige Initiale auf fol. 17v zeigt ebenfalls einen gespaltenen Buchstabenkörper mit gebogter Schaftaussparung, im Besatz ist sie blockartig erweitert durch vertikale Zweifachlinien, die außen mit Bogenreihen (teils gestielt bzw. mit Dornen) gesäumt sind, der Binnenraum ist mit Knospenfleuronnée (Garbe, Knospenrad) gefüllt. Die kolorierten Federzeichnungen sind jeweils am Beginn einer neuen fabula und ihrer moralischen Auslegung platziert: entweder als Streifenbild vor dem neuen Textabschnitt, so dass das Bildfeld die gesamte Breite des Schriftspiegels ausfüllt, oder als Kleinbild, wobei das Bildfeld seitlich in den Text eingestellt ist und in Breite und Höhe nur einen Teil des Schriftspiegels einnimmt. An zwei Stellen weicht die Bildfeldgröße vom Streifenbild ab, indem sie mehr als die Hälfte des Schriftspiegels in der Höhe ausfüllt: auf fol. 86r und 108v mit den Geschichten um Minos und Skylla sowie Orpheus und Eurydike. Hier folgt die Bildanlage dem Registerbild, indem sich mehrere horizontale Streifen innerhalb einer mehrszenigen Darstellung ohne Begrenzungslinie finden. Die Unterbringung mehrerer Szenen in einem Bildfeld folgt der Paraphrase des Berchorius, der die Geschichten in einem einzigen Kapitel darstellt. Grundsätzlich ist eine Festlegung der jeweiligen Bildfeldgrößen nach dem darzustellenden Inhalt nicht ersichtlich. Oft gehen die Zeichnungen über die Bildfelder, die von den Schreibern in der Textanlage ausgespart wurden, hinaus, indem sie regelmäßig in den Bund- und Seitensteg, aber auch in den Kopf- und Fußsteg übergreifen. Festzuhalten ist zudem, dass sowohl Kolorierung als auch rote Rahmung der Zeichnungen nachträglich erfolgt sind. Das lässt beispielsweise an Praktiken Hartmann Schedels denken, der »Graphiken in seine Bücher einklebte, wobei er sie mit roten und blauen Rahmen umgab und auch gelegentlich kolorierte«3, oder an Iacopo da Balsemo, der im 15. Jahrhundert in Bergamo einen Büchervertrieb hatte und ebenfalls Bücher aufbereitete. Hinsichtlich der Provenienz liefert der Kodex keine stichhaltigen Belege, aber doch etwaige Hinweise, insofern es sich bei den dunklen Pergamentblättern um ein Palimpsest handelt. Als untere Schrift ist mit der Wood-Lampe teilweise eine »scrittura documentaria trecentesca«4 zu erkennen, also eine kursive Minuskel, die in den Kanzleien der italienischen Kommunen gebräuchlich war (Cancelleresca). Verschiedene Einträge deuten darauf hin, dass die Blätter ursprünglich im paduanischen Raum verwendet wurden: Auf fol. 47v ist der Eintrag Nicolao patavini lesbar, auf fol. 50r in Campo Marcii (Straße in Padua), auf fol. 51v de Salla (Sala ist eine Ortschaft in der Nähe von Padua), auf fol. 70r Bortholottis de Villafranca (Villafranca ist ein Padua benachbarter Ort). Andrea Spiriti folgert daraus, dass 3 4

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KALTWASSER, Colligite fragmenta 2007, S. 94. Vgl. HERNAD (Hg.), Die Graphik-Sammlung des Humanisten Hartmann Schedel 1990. GATTI PERER (Hg.), Codici e incunaboli miniati 1989, S. 286.

1. DER OVDIUS MORALIZATUS IN BERGAMO UND SEINE STILKRITISCHE EINORDNUNG IN DIE LOMBARDEI

bis Blatt 130 Folia verwendet wurden, die aus einem Register mit Justizakten stammten, während die nachfolgenden zuvor als Schreibmaterial für Steuerregister dienten: Ab fol. 131r ist mehrfach pro colta zu lesen, ein im paduanischen und venezianischen Sprachgebiet gebrauchter Ausdruck für Steuer, Abgabe und Last. Zeitliche Hinweise finden sich auf fol. 14r und 51v mit den Jahreszahlen 1332 und 1330. Damit nimmt Spiriti eine Entstehung des Kodex am Übergang vom 14. zum 15. Jahrhunderts in Padua an5. Diese Befunde und der Umstand, dass die Fleuronnée-Initialen nicht von erstklassiger Hand ausgeführt sind, könnten einerseits als Indizien betrachtet werden, die Herkunft der Handschrift aus dem paduanischen Notar-Milieu anzunehmen. Andererseits muss die Wiederverwendung von Pergament keineswegs an einen Ort gebunden sein. Dahingehend eröffnet denn auch eine stilkritische Betrachtung der Miniaturen Bezüge zur lombardischen Buchmalerei. So ist zu erörtern, ob der Kodex in der Lombardei angefertigt wurde oder zumindest im paduanischen Raum von lombardischen Buchmalern. Damit verbindet sich die Frage, ob die Handschrift, die in ihrer Ausstattung bescheidener angelegt ist als der Gothaer Kodex, nach einer Vorlage angefertigt wurde, die in der Lombardei zugänglich war. Gehen die Bilder womöglich auf die Anschauung des Gothaer Kodex zurück und wurden in vereinfachter Form umgesetzt, oder ist eine weitere illuminierte Berchorius-Handschrift anzunehmen, auf die sich der Kodex aus Bergamo in seiner Anlage und Ausführung bezieht?

Der Stil der Miniaturen Die Zeichnungen, die von mehreren Händen ausgeführt wurden, sind von gleichbleibender Qualität, obschon in einzelnen Miniaturen Unterschiede zu erkennen sind. So zeigt sich beispielsweise im Vergleich der Miniaturen auf fol. 30r und 35v eine größere Feinheit in der Modellierung der einzelnen Formen und ein zarterer Linienzug. Ebenso lassen sich wiederholt Unterschiede in der Ausarbeitung der Köpfe bei Figuren wie Tieren feststellen, wie auf fol. 49r, wo sie wesentlich genauer ausfällt als auf fol. 18v. Indem die Arbeit der federführenden Zeichner nuanciert ist, sind es zuvorderst die Kolorierungen, die Diskrepanzen in der Qualität der Miniaturen hervorrufen und diese abschwächen. Im Vergleich zu den Zeichnungen sind sie grob ausgeführt und in ihrer Farbigkeit nicht einheitlich. So weicht die Farbpalette auf den Folia  1v–32v mit Olivgrün, einem kräftigen Rosa, GrauBraun, Gelb-Beige und Violett vom Hellrot, Hellblau, Hellgrün und Beige der Folia 33v–48r ab, während wiederum auf den Folia  48v–56v die Farbkombination von Hellblau, Hellbraun, Grau und Beige vorherrscht etc. Die Farbgebung ist hinsichtlich der Datierung insofern wesentlich, als sie gerade auch im Zusammenhang mit der roten Rahmung der Miniaturen tatsächlich an eine Entstehung der Handschrift in Padua um 1400 denken lässt. Denn sie entspricht jener in der sogenannten Rovigo-Bibel (Rovigo, Biblioteca dell’Accademia dei Concordi, Fondo Silvestri, Ms. 212 und London, British Library, Ms. Add. 15277), einer kurz vor 1400 in Padua entstandenen Historienbibel bzw. einem Oktateuch, dessen 873 Miniaturen von einer roten Rahmung umgeben sind6. Die Farbkompositionen des figürlichen Geschehens sind primär durch die Töne Hellblau, Hellrot, Hellgrün und Beige oder allein Grün, Hellrot und Hellblau bestimmt. Auffällig sind zudem die Weißhöhungen 5 6

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Ebd. Zu der Handschrift siehe TONIOLO, La Bibbia Istoriata padovana 1999, S. 465–470; MELLINI – FOLENA (Hgg.), Bibbia istoriata padovana 1962.

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

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und Aussparungen auf den Gewändern, so dass der Eindruck entstehen könnte, dass sich die Aussparungen in der Bergamo-Handschrift an die gekonnte Licht- und Schattenmodellierung in der Rovigo-Bibel anlehnen. In der Zeichnung der Figuren jedoch divergiert der Stil beider Handschriften, was sich für den Bergamo-Kodex auch in Bezug auf die paduanische Buchmalerei allgemein feststellen lässt. Gerade in ihrer Statur unterscheiden sich die Figuren zu jenen in der paduanischen Buchmalerei, die massiger sind und gedrungener wirken. Die Hälse sind dort wulstiger, die Gesichter breiter, runder und platter, die Augen sind schmaler, mandelförmiger modelliert, die Nasen eher gerade und stumpf, selten sind die Nasenrücken geschwungen; auch die Kinne sind geradliniger ausgeformt, sie sind breiter und weniger spitz zulaufend. Damit möchte ich den Blick auf Miniaturen wenden, die als Arbeit lombardischer Miniatoren gelten und stilistische Ähnlichkeiten zur Ovid-Handschrift aus Bergamo aufweisen. Zum einen soll somit erstmals in einer konkreten Analyse eine stilistische Zuordnung vorgeschlagen werden, die über das in der bisherigen Forschung vage bezeichnete »oberitalienisch«7 hinausgeht. Zum anderen ist hierbei bedeutsam, dass die herangezogenen illuminierten Handschriften um 1330 und die Mitte des 14. Jahrhunderts datiert werden. Damit stellt sich die Frage, ob die Handschrift zeitlich neu einzuordnen ist: Neben die Zeit um 1400 wurde ihre Entstehung bislang in die Jahre zwischen 1370 und 1380 datiert, nämlich »dem ›Ovid Panciatichi‹ ungefähr gleichzeitig«8. Zunächst sei eine Handschrift mit dem ›Liber scaccorum‹ (›De moribus hominum et de officiis nobilium‹) des Jacobus de Cessolis (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 26515) einer vergleichenden Betrachtung unterzogen. Die 41 Blatt umfassende Pergamenthandschrift, die um 1320/1330 in der Lombardei entstanden ist, ist mit 13 in Deckfarben kolorierten, zum Teil nur lavierten Federzeichnungen ausgestattet, die zu Beginn der einzelnen Kapitel ohne Rahmung platziert sind9. In der Zeichnung auf fol. 3v haben drei Figuren um ein Schachbrett herum Platz genommen und sind durch ihre Kleidung als unterschiedlichen Ständen zugehörig charakterisiert10. Gegenübergestellt mit der Miniatur auf fol. 3r des Bergamo-Kodex zeigt sich, dass die rechts sitzende Figur in der zeichnerischen Gestaltung eine Ähnlichkeit mit den beiden Figuren links in der Ovid-Handschrift11 aufweist: Die Figuren haben einen flachen Hinterkopf, der durch die langzipfeligen Mützen betont wird. Zudem gleicht die Haltung der erhobenen Linken der im Vordergrund platzierten Figur jener der rechten des Schachspielers. Hinsichtlich der Modellierung der Gesichter finden sich Analogien zwischen dem linken Schachspieler und den beiden jungen Männern rechts in der Ovid-Handschrift: Die Kinnpartien stehen markant und leicht knubbelig hervor und gehen in einer geschwungenen Linie über den Mund zur Nase über, die in der Formung der Nasenflügel und des Nasenbeins verwandt sind; auch die runden Augen und die durch zarte 7 DEGENHART – SCHMITT, Corpus der italienischen Zeichnungen 1980, S. 365. 8 Ebd., S. 367. Vgl. SCHMITT, Herkules in einer unbekannten Zeichnung 1975, S. 74, Anm. 42: »von dilettan-

tischer Hand im späten 14. Jahrhundert in Oberitalien ausgestattete[…] Handschrift«. Zur Ovid-Handschrift mit der Signatur Panciatichi 63 in der Biblioteca Nazionale von Florenz siehe Kap. V. 9 Zu der Handschrift siehe BAUER-EBERHARDT, Die illuminierten Handschriften italienischer Herkunft 2011, Nr. 157, S. 167–169. 10 Im ›Liber scaccorum‹ ist das Schachspiel mit moralischen Bedeutungen aufgeladen, indem die Figuren einzelne Glieder des Staates mit den Aufgaben des jeweiligen Standes repräsentieren. 11 Es handelt sich um zwei Titanen, rechts von ihnen steht Kybele in einem von einem Pferd gezogenen Wagen.

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1. DER OVDIUS MORALIZATUS IN BERGAMO UND SEINE STILKRITISCHE EINORDNUNG IN DIE LOMBARDEI

Striche angedeuteten Augenbrauen fügen sich in dieses Bild. Auffällig ist nicht zuletzt die Ähnlichkeit der Halspartien, die Art und Weise, wie die Köpfe auf den Hälsen aufsitzen, die Nacken und Brustbeinansätze beziehungsweise die verkürzten Schultern geformt sind. Im Vergleich der im Dreiviertelprofil auf einer Bank thronenden Königin auf fol. 7v des ›Liber scaccorum‹ und Jupiter auf fol. 16r der Ovid-Handschrift sind es wieder die Augen- und Kinnpartien sowie die Haltung der Köpfe, die hier leicht nach vorn gestreckt sind, die sich in gewisser Weise entsprechen. Wie auf fol. 13r12 und fol. 17r13 zu sehen, wirken die Figuren auch in ihrer Bewegung verwandt, in der Formgebung der Füße und Beine, die jeweils einen schmalen und gestreckten Körper tragen. Auffallend ist auch die ähnliche Gestaltung des Rocks mit der Falte im Schritt. Diese Beobachtungen stilistischer Analogien in der Figurengestaltung lassen sich durch ein weiteres Manuskript abstützen, das in der Lombardei entstanden und in die Mitte des 14. Jahrhunderts datierbar ist: Galvano Fiammas ›Chronica de antiquitatibus civitatis mediolanensis‹, heute in der Mailänder Biblioteca Trivulziana (Triv. 1438)14. Bei einem Vergleich der Figur, die in der bas de page-Zeichnung auf fol. 8v vor einer Stadtansicht thront, mit Jupiter auf fol. 40r der Ovid-Handschrift werden der jeweils nach innen gewölbte Rücken der Figuren, die spitze Nase und das spitze Kinn augenscheinlich, das in der Miniatur im Bergamo-Kodex durch den Bart betont wird. Ebenso findet sich die markante Ausformung des Mundes mit einer nach vorne geschobenen Oberlippe beispielsweise in der Jupiter-Figur auf fol. 78v. Was die Körperhaltung betrifft, gleicht darüber hinaus zum einen die Beinhaltung des sitzenden Königs mit dem diagonal gestellten rechten und dem angewinkelten linken Bein, das auf dem Boden steht, jener von König Minos in der Miniatur auf fol. 86r; zum anderen zeigt sich eine Ähnlichkeit in der Gestaltung der gewölbten Brust und der Füße. In diesem Zusammenhang lässt sich auch die Miniatur auf fol. 121r anführen aufgrund der aufrechten Körperhaltung des thronenden Königs mit dem gleichfalls nach innen gewölbten Rücken sowie der entsprechenden Beinhaltung; ebenso weisen Zepter und Krone eine verwandte Form auf. Ein weiteres Kriterium für eine Verortung des Ovid-Kodex in die Lombardei dürfte in der Gestaltung der Haare zu sehen sein. Sie sind durch eine gewellte und gelockte Form gekennzeichnet, wie sie sich beispielsweise auch in einer Handschrift mit Rustichello da Pisas ›Guiron le Courtois‹ findet, die um 1370 bis 1380 in Mailand entstanden ist (Paris, Biblio-

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12 Die Zeichnung zeigt einen Bauer, der auf einem Erdstück steht und den Boden mit einer Hacke bearbeitet. 13 Links steht Pan, in der Mitte die Nymphe Syrinx, die in ein Schilfrohr verwandelt wird – ihr menschlicher

Kopf ist noch zu erkennen. Rechts befindet sich ein Fluss mit zwei Köpfen der Götter. 14 Pergament, II + 10 + IV Blatt, 37,6 cm × 23,7 cm. Zu der Handschrift siehe den kodikologischen Eintrag

unter https://manus.iccu.sbn.it//opac_SchedaScheda.php?ID=229734 [letzter Zugriff am 17. 09. 2017]. Die verschiedenen Datierungen schwanken zwischen der ersten und der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Zur Datierung um die Jahrhundertmitte s. NATALE – ROMANO (Hgg.), Arte lombarda 2015, S. 97 f. (Laura Alidori Battaglia); s. ferner CÉNGARLE PARISI – DAVID (Hgg.), La cronaca estravagante 2013, S. 698– 713 zu den Miniaturen. Zur Einordnung in die erste Jahrhunderthälfte s. https://manus.iccu.sbn.it//opac_ SchedaScheda.php?ID=229734; Santoro, I codici medioevali 1965, S. 300 f.; TOZZI  – DAVID, Opicino de Canistris e Galvano Fiamma 1993, S. 359; Arslan (Hg.), Milano e la Lombardia 1993, S. 399; MOZZARELLI (Hg.), Volti e memorie 1999, S. 259. Zur Datierung in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts s. Bollati, La miniatura tardogotica 2003, S. 239; DILLON BUSSI – PIAZZA (Hgg.), Biblioteca Trivulziana 1995, S. 54 (Milvia Bollati).

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

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thèque Nationale, Nouv. acq. fr. 5243)15. Während sich insbesondere die langen, bis zu den Schultern herabfallenden und in breiten Strähnen gewellten Haare von Apollo mit jenen der weiblichen Figur links im Bild der ›Guiron‹-Miniatur vergleichen lassen, werden im Nebeneinander der Miniaturen auf fol. 4r des Bergamo-Kodex und auf fol. 31v einer ›Lancelot du Lac‹-Handschrift (Paris, Bibliothèque Nationale, fr. 343)16 die Analogien hinsichtlich der gelockten Haare augenfällig. Wie die beiden Männer, die Vulcans Sturz aus dem Himmel durch zwei Götter beobachten, zeigt Perceval einen markant gestalteten Lockenschopf. Indem diese Handschrift ungefähr zeitgleich wie der ›Guiron le Courtois‹-Kodex angefertigt wurde – Avril und Gousset datieren sie in die Jahre 1380 bis 1385 und verorten sie nach Pavia oder Mailand – lässt sich angesichts der Einordnung des Bergamo-Ovids von Degenhart und Schmitt in diese Zeit fragen, inwiefern sich seine Zeichnungen stilistisch einfügen. Auffällig bei einer Durchsicht lombardischer Miniaturen dieser Zeit ist, dass die Figuren schmal und gestreckt und insbesondere durch eine zierliche Taille charakterisiert sind, wobei die schmalste Stelle des Körpers bei den Frauen unmittelbar unter der Brust ansetzt und dergestalt die Konturen ausgesprochen geschwungen erscheinen. Gerade dieses Charakteristikum weisen die Figuren im Bergamo-Kodex nicht auf, die mit gerade geschnittenen Gewändern angetan sind, so dass sie keine Modellierung dieser körperlichen Form, die unter den Kleidern verborgen ist, darbieten. Sie divergieren vielmehr insofern, als sie zum einen eine breitere und weniger gestreckte Form haben und dadurch gedrungener wirken und zum anderen den Bauch oft vorwölben: Während das Gewand bei Perceval über dem Bauch eng geschnürt ist und so eine konkave Form betont wird, sitzt der Gürtel über dem kurzen Obergewand bei Minos tief, wodurch die ›gradlinige‹ Körperform durch den über dem Gürtel gewölbten Bauch einen konvexen Akzent erhält. Obschon bei diesen Vergleichen freilich die qualitative Diskrepanz in Betracht zu ziehen ist, so steht der Bergamo-Ovid meines Erachtens den um 1330 bis zur Mitte des Jahrhunderts entstandenen lombardischen Buchmalereien stilistisch näher als jenen aus der Zeit um 1370 bis 1385. Gerade die Formgebung der vergleichsweise massigen Körper, der Kleidung und des Kopfschmuckes, aber auch der Figurenkomposition und der figürlichen Ausdrucksformen sind es, die in ähnlicher Weise insbesondere in Handschriften um die Jahrhundertmitte zu sehen sind, wie in der ›Chronica urbis Mediolanensis‹ (Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 4946), die um 1340 bis 1342 datiert wird17. Aufgrund dieser stilistischen Orientierung der Zeichnungen des bergamesker Kodex hin zur Jahrhundertmitte und angesichts der Tatsache, dass sein Pergament mindestens in den 1330er Jahren noch anderweitig in Gebrauch war, schlage ich eine Datierung des Bergamo-Ovids in die 1350er bis 1360er Jahre vor. Die Fleuronnée-Initialen können schließlich seine Bewertung als Werk lombardischer Buchmaler untermauern. Denn obschon ein Hauptmotiv des Fleuronnées, die den Binnenraum ausfüllenden senkrechten Parallelfäden, die zumeist mit einzelnen Bogen oder einer Bogenreihe versehen sind, als ebensolches in bolognesischen wie paduanischen Manu-

15 Pergament, 92 Blatt, 37,8 cm × 27 cm. Zu der Handschrift AVRIL – GOUSSET, Manuscrits enluminés d’ori-

gine italienne 2005, S. 60–65. 16 Pergament, I + 113 Blatt, 39,2 cm × 27,4 cm. Ebd., Nr. 30, S. 66–71. 17 Pergament, IV + 353 Blatt, 44 cm × 29 cm. Ebd., Nr. 6, S. 34–36.

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2. DIE ZEICHNUNGEN IN BERGAMO UND DIE VORLAGENFRAGE

skripten vorkommt18, gibt es doch einige Elemente, die spezifisch für lombardische Handschriften zu sein scheinen. Dies betrifft insbesondere die konturparallelen Fäden mit Bogenreihen, die teils gestielt beziehungsweise mit Dornen gesäumt sind, als Besatz19. Zudem ist die blockartige Erweiterung des Initialfeldes durch Voluten in den beiden Manuskripten aus München, die gerade auch mit Knospenähren gefüllt sind, nicht nur ein prägendes Merkmal des Fleuronnées im Ovid-Kodex, sondern beispielsweise auch in der oben angeführten ›Guiron le Courtois’-Handschrift (Paris, Bibliothèque Nationale, Nouv. acq. fr. 5243). Daneben gleichen sich hier auch die Gestaltung des Binnenraums mit der Vierpassblüte, ebenso wie die Volute beziehungsweise das Medaillon mit einer Kreuzform.

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DIETER BLUME

2. Die Zeichnungen in Bergamo und die Vorlagenfrage Bei der Berchorius-Handschrift aus Bergamo handelt es sich um einen kleinformatigen Kodex (15,5 × 10,5 cm) von bescheidenem Zuschnitt, der auf gebrauchtem Pergament geschrieben und mit einfachen Federzeichnungen ausgestattet wurde. Eine grobe Kolorierung der Figuren und die kräftige, rote Rahmung der Illustrationen sind eine nachtägliche Zutat, die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte. Stilistische Merkmale deuten auf einen lombardischen Einfluss und legen eine Datierung um 1350–1360 nahe20. Wir haben es mit einer typischen Gebrauchshandschrift zu tun, die in einen städtischen Kontext gehört und dort in einem intellektuellen Milieu von Laien zu verorten ist, in welchem damals Notare eine zentrale Rolle spielten. Das Manuskript ist unabhängig von der Bologneser Handschrift aus Gotha entstanden, denn es enthält eine etwas spätere, überarbeitete Textfassung21. Weiterhin enthält es eine Vielzahl von Darstellungen, die in dem Gothaer Kodex nicht mehr zur Ausführung kamen. An einigen Stellen gibt es zudem klare Differenzen zu dem in Bologna realisierten Zyklus22. Von daher ist auch die Konzeption der Illustrationen offensichtlich nicht durch die Minia-

18 Gezeigt seien Initialen aus einer ›Histoire ancienne jusque à César‹-Handschrift (Paris, Bibliothèque Nati-

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20 21 22

onale, fr. 168, fol. 144r), die zwischen 1353 und 1359 in Bologna entstanden ist, und einem bolognesischen Manuskript mit Orlandinus de Passageriis ›Summa artis notariorum‹ (Paris, Bibliothèque Nationale, Nouv. acq. lat. 3021, fol. 3r) aus dem 2. Viertel des 14. Jahrhunderts. Zu den Handschriften AVRIL – GOUSSET, Manuscrits enluminés d’origine italienne 2012, Nr. 50, S. 112–115, Nr. 11, S. 48. Als Vergleich zeige ich eine Initiale aus dem bereits erwähnten ›Liber scaccorum‹ des Jacobus de Cessolis (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm  26515, fol. 3r) und aus einer ›De consolatione philosophiae‹-Handschrift des Boethius (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm  800) aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Siehe zu der Handschrift BAUER-EBERHARDT, Die illuminierten Handschriften italienischer Herkunft 2014, Nr. 9, S. 14 f. S. o. Kap. IV. 1. Es handelt sich um die Textfassung ›a2‹; S. Bd. 2, Kap. I. 3. So fehlen im Kodex aus Bergamo die Darstellungen, welche die Urzeugung sowie Apollo und Python betreffen (Gotha, Fol. 9r). Ebenso fehlt die Illustrierung der Verstirnung Ios (Gotha, Fol. 12r), der Geschichte von Vulkan (Gotha, Fol. 21v), von Arachnes gewebten Werken mit den Verwandlungen der Götter (Gotha, Fol. 29v) sowie der Geschichte von Otos und Ephiaktes (Gotha Fol. 30r). Zusätzlich findet sich auf Fol. 52r im Rahmen des Perseus-Mythos eine Darstellung zur Entstehung der Korallen.

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

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turen der älteren Prunkhandschrift beeinflusst worden. Wir fassen hier also einen zweiten, eigenständigen Überlieferungsstrang. Die Zeichnungen stehen in den vom Schreiber frei gelassen Lücken vor leerem Pergamentgrund. Oft greifen sie in die Marginalien aus, um zusätzlichen Platz zu gewinnen. Verschiedentlich wird aber auch der zur Verfügung stehenden Raum gar nicht ausgenutzt, so dass einzelne Figuren vor einer leeren Fläche zu sehen sind. Generell folgen die Darstellungen den Paraphrasen des Berchorius und die Themen sind durch die Untergliederung des Textes vorgegeben. Auf die allegorischen Ausdeutungen wird keinerlei Bezug genommen. Die Grundidee für die Illustration gleicht von daher derjenigen beim Gothaer Kodex. Wir treffen allerdings auf einen höchst einfachen Erzählstil, bei dem die Figuren in der Regel im Vordergrund aufgereiht werden. Landschafts- und Architekturelemente entfalten nur selten eine räumliche Wirkung; oft fehlen diese Versatzstücke ganz. Auf die Metamorphose, die Verwandlung in ein anderes Wesen wird zumeist nur zeichenhaft verwiesen, ohne dass sie in ihrem Prozesscharakter anschaulich wird. Die narrative Entwicklung ist ohne den Text zumeist nicht wirklich nachzuvollziehen, da die Protagonisten nur mit sparsamen Gesten nebeneinander stehen. Den Besuch Jupiters bei Lycaon vermag der Zeichner nur als eine einfache Reihung der Figuren vorzuführen23. Links sehen wir Jupiter mit Krone und Zepter herankommen. In der Mitte steht Lycaon vor einem Bett und hält eine Axt. Rechts tritt Jupiter dann aus dem angedeuteten Raum heraus und Lycaon, der inzwischen einen Wolfskopf besitzt, läuft auf allen Vieren vor ihm her. Die eigentliche Handlung, der Mordversuch des Tyrannen, kommt gar nicht vor, sondern ist allein aus der Kombination von Axt und Bett zu erschließen und auch die Verwandlung wird nur angedeutet. Ähnlich unbeholfen ist die Wiedergabe des tragischen Schicksals von Leucothoe24. Links steht zunächst Apollo mit einem Strahlenkranz um sein Haupt zwischen den Eltern des Mädchens. Rechts davon streckt er seine Arme nach der sich abwendenden Leucothoe aus. Anschließend ermordet der Vater seine Tochter, darüber ist die Sonnenscheibe zu sehen. Ein einfacher Stab soll dann auf den Weihrauchstrauch als Ergebnis der Metamorphose verweisen. Eine narrative Handlungsfolge ist dieser Aufreihung von Figuren kaum zu entnehmen, zumal die wichtigste Szene, der Beischlaf von Apoll und Leucothoe, ausgelassen wird. Auch an der Bildfolge zu Callisto lasen sich ähnliche Beobachtungen machen. In der ersten Zeichnung sieht man am vorderen Rand Callisto bei der Hasenjagd25. Zwischen der Jägerin und dem Wild erkennt man zudem in kleinerem Maßstab die Umarmung von Jupiter und der Nymphe. Darüber fliegt der Gott dann davon, ausgestattet mit Engelsflügeln. Die einzelnen Phasen des Geschehens sind nicht voneinander abgetrennt. Die Unbeholfenheit des Zeichners hinsichtlich der narrativen Abfolge und der räumlichen Staffelung ist offensichtlich. Anschließend folgt die Verwandlung in eine Bärin. Callisto ist auf die Knie gefallen, besitzt bereits den Kopf eines Bären und wendet sich zu der gestikulierenden Juno um26. Das Geschehen ist in einfacher Weise wieder als eine Reihung der Figuren in vorderster Bildebene angelegt. Die nächste Zeichnung folgt dem gleichen Prinzip. Im Zentrum 23 24 25 26

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Bergamo, Bibl. Civica, Ms. Cassaforte 3.4, Fol. 13r. Ebd. Fol. 44r. Ebd. Fol. 22r. Ebd. Fol 22v.

2. DIE ZEICHNUNGEN IN BERGAMO UND DIE VORLAGENFRAGE

sehen wir Callisto als Bärin, die sich von einer Gruppe dreier Bären abwendet und auf zwei Menschen zugeht, welche aber erschrocken fliehen. Bei dem Zusammentreffen mit ihrem Sohn Arcas liefert der Zeichner eine eigene Interpretation, die im Grunde der Logik der Erzählung zuwiderläuft27. Callisto hat Arcas zu Boden geworfen und steht auf ihm. Es ist nicht zu entscheiden, ob sie ihm aus Zuneigung das Gesicht leckt oder aber zubeißen wird. Rechts oben erscheint dann die gekrönte Büste Jupiters, der in das Geschehen eingreift. Bedroht ist hier also nicht die Bärin, sondern der Jäger. Die Verwandlung in Sternbilder erhält ein vergleichsweise großes Bildfeld28. Rechts und Links stehen Juno und Jupiter, zwischen ihnen befindet sich Callisto, die wieder ein menschliches Haupt erhalten hat und ihr Sohn, der jetzt gleichfalls in Bärengestalt auftritt. Darüber sind am Himmel zwei gleich große Bären zu sehen. Auch hier ist nicht klar, wer für die Verstirnung verantwortlich ist. Die letzte Miniatur, welche dem Vergleich des Vaters Lycaon mit seiner Tochter Callisto gewidmet ist, wiederholt rechts die Darstellung, in der Juno die Nymphe verwandelt, und zeigt links in ähnlicher Weise Jupiter, vor dem Lycaon bereits mit dem Kopf eines Wolfes zu Boden gegangen ist29. Eine räumliche Tiefenstaffelung vermögen die Zeichner nicht überzeugend umzusetzen. Bei der Erzählung von Venus und Adonis wird versucht das Jagdgeschehen in den Hintergrund zu verlegen30. Während Adonis links die Mahnungen der Venus anhört, jagen rechts seine Hunde einen Hirsch die schräge Felsformation hinauf, welche aber in der Anlage des Bildes nicht verankert ist. Die Reihung im Vordergrund bleibt dominant. Dort tötet der aufgestöberte Löwe den Jäger und Venus steht vor jener Blume, in die ihr Geliebter verwandelt wurde. In einem der wenigen, größeren Bildfelder bei der Erzählung von Alpheus und Arethusa ist die räumliche Disposition besser gelungen31. Der Zeichner verwendet nur wenige Versatzstücke, mit denen die drei, klar voneinander getrennten Schauplätze unterschieden werden. Links oben nähert sich der Flussgott der badenden Nymphe, die ihre Kleidung, wie von Berchorius erwähnt, in einen Baum gehängt hat. Als Alpheus die Nymphe verfolgt, versucht sie sich zwischen Bäumen zu verbergen, während Diana über ihr eine schützende Wolke entstehen lässt. An den Füßen der beiden Protagonisten entstehen dann Wasserläufe, die nach unten hinabfließen. Dort in der Stadt Syrakus vereinigt sich das Paar in seiner gewandelten Gestalt. An einigen Stellen haben die ausführenden Zeichner auch zusätzliche Elemente in ihre Darstellungen eingebracht, die im Text des Berchorius so nicht vorkommen. Daran wird deutlich, dass sich die Illustratoren mit den entsprechenden Erzählungen sehr wohl auseinandergesetzt haben, auch wenn ihre künstlerischen Möglichkeiten nur sehr begrenzt waren. Besonders auffällig ist dies bei den beiden Szenen, welche die Geschichte von Apoll und Daphne zeigen32. Bei der Verfolgung der Geliebten ist Apoll mit einem großen Ausfallschritt zu sehen, während Daphne schon zum Lorbeerbaum erstarrt ist; nur ihr Gesicht ist noch zu erkennen. Neben ihr steht eine weitere männliche, bärtige Gestalt. Hier27 28 29 30 31 32

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Ebd. Fol. 23r. Ebd. Fol. 23v. Ebd. Fol. 24r. Ebd. Fol. 115v. Ebd. Fol. 58v; vgl. Berchorius V,8. Ebd. Fol. 10r und 11r.

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

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bei muss es sich um ihren Vater, den Flussgott Peneus handeln, den Daphne gemäß der Schilderung Ovids um Hilfe anruft. Berchorius hingegen spricht an dieser Stelle von der Erdgöttin Tellus33. Insofern hätte der Zeichner hier also eine Korrektur am Text vorgenommen. Hinzu kommt, dass der Sonnengott kein durchgängig einheitliches Aussehen besitzt. In der ersten Szene trägt er ungewöhnlicher Weise einen Bart; anschließend, wenn er den Lorbeerbaum umarmt, ist er wie gewohnt als bartloser Jüngling zu sehen. Dies geht aber offenbar auf die Beschreibung Apolls in dem einleitenden Götterkapitel zurück. Dort führt Berchorius aus, dass der Gott in unterschiedlichen Erscheinungsformen, mal mit jugendlichen, mal mit greisenhaften Gesichtszügen gemalt wird34. Dies hat der Zeichner in seiner Bildfolge dann auch vorführen wollen und dafür in Kauf genommen, dass dem Betrachter die Identifizierung der Personen dadurch schwerer fällt. Bei der Szene mit Pan und Syrinx sind im Wasser des Flusses zwei Köpfe zu sehen, die zunächst wenig Sinn machen35. Es dürfte sich vermutlich um Jupiter handeln, an den sich die Nymphe hilfesuchend wendet, sowie um den zuständigen Flussgott. Jupiters Söhne, Aeacus, Rhadamantus und Minos, die als Richter in der Unterwelt Dienst tun, werden in zeitgenössischen Gewändern von Richtern vorgeführt, die gemeinsam auf einer Bank sitzen, so wie es damals bei Gericht üblich war. Sie argumentieren mit einem Teufel, der ihnen wie ein Angeklagter oder Anwalt gegenübersteht. Seitlich werden von weiteren Teufeln einige Verdammte gequält. Von all dem ist aber im Text gar nicht die Rede. Es sind Versatzstücke, welche den Schauplatz des Inferno in einer Weise ausgestalten, wie es den verbreiteten Vorstellungen entspricht36. Die Darstellung des Pan in dem einführenden Kapitel zu den Göttern geht von einer knappen Bemerkung im Text aus, die darauf verweist, dass dieser im Kampf mit Amor unterlag. Dieser Zweikampf ist dann zu sehen, wobei sich Pan bereits zu Flucht gewandt hat, da seine Lanze ihr Ziel verfehlte und nutzlos am Boden liegt. Der Liebesgott aber tritt als geflügelter Knabe mit Augenbinde und Greifenklauen an den Füßen auf, so wie er seit dem späten 13. Jahrhundert üblicher Weise gemalt wird. Ausgelöst durch eine knappe Bemerkung im Text wird hier auf eine eingeführte Ikonographie zurückgegriffen37. Es handelt sich um zum Teil lebendige, aber durchweg einfache Zeichnungen, die wohl kaum von professionellen Illustratoren stammen. Es muss sich um Leute gehandelt haben, die zwar versiert in der Buchherstellung, aber wenig geübt als Zeichner waren. Auch das Fleuronné der Initialen zeigt nur einfache Formen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Initiatoren dieser bescheidenen Handschrift von sich aus das Konzept einer durchgehenden Illustrierung entwickelt haben. Die detaillierte Ikonographie der antiken Götter gemäß den Beschreibungen des Petrus Berchorius, die in dieser Handschrift zum ersten Mal zu fassen ist und in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine große Verbreitung findet und bis nach Frankreich und England ausstrahlt, dürfte kaum auf die eher unbeholfenen Darstel33 Ebd. Fol. 10r, Berchorius I, 3; Ovid, Metamorphosen I, 544–546. 34 Berchorius I,4: Iste pingebatur in forma iuvenis, nunc in puerili facie, nunc in senili, nunc in capite diversi

mode apparens. Entsprechend lautet auch die Schilderung von Petrarca in ›Africa‹ III, 156–158. 35 Bergamo, Bibl. Civica, Ms. Cassaforte 3.4, Fol. 17r, Berchorius I, 7. 36 Edb. Fol. 107r; Berchorius IX, 18. 37 Bergamo, Bibl. Civica, Ms. Cassaforte 3.4, Fol. 5r, Berchorius, De Formis, 9: cum amore fingebatur luctans, sed ab eo vincebatur; dazu BLUME, Amor 2018, S. 342–346, 370–372.

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3. DIE GÖTTERBILDER

lungen dieses Kodex zurückgehen38. Man hat im Gegenteil häufig den Eindruck, dass die Zeichner nicht in der Lage waren, ihre Vorlage angemessen umzusetzen. Möglicher Weise stand ihnen diese Vorlage auch nicht dauerhaft zur Verfügung, so dass sie zum Teil nach der Erinnerung arbeiten mussten. Diese Vorlage kann, wie oben ausgeführt, aus verschiedenen Gründen nicht der Gothaer Kodex sein. Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass es in Oberitalien ein weiteres Manuskript mit der Abhandlung des Petrus Berchorius gegeben hat, das gleichfalls durchgängig illustriert war und vermutlich kurz zuvor, zwischen 1350 und 1360 entstand. Die Schreiber der Handschrift aus Bergamo haben den Text ihrer Vorlage sorgfältig abgeschrieben und auch mit einfachen Initialen versehen. Für eine ebenbürtige Reproduktion der Bilder fehlten Ihnen jedoch die Fähigkeiten und die Mittel. Von der Kombination jenes Textes, der die antiken Mythen in einfacher Sprache erläutert und auf die zeitgenössische Erfahrungswelt bezieht, mit der Anschaulichkeit von Illustrationen ging aber wohl eine so eindrückliche Wirkung aus, dass sie die Erinnerung an diese Bilder mit Hilfe ihrer eher Laienhaften Zeichnungen wach zu halten suchten. Das Manuskript aus Bergamo liefert von daher einen weiteren Beleg für die große Resonanz, welche die aktualisierende Ausdeutung der Metamorphosen durch den Kleriker aus Avignon in den intellektuell ambitionierten Kreisen der oberitalienischen Städte erhalten hat.

CAROLINE SMOUT

3. Die Götterbilder Berchorius, Petrarca und die literarische Tradition Von den circa 400 überlieferten Handschriften mit Ovids ›Metamorphosen‹39 sind nur fünf mit Miniaturen ausgestattet, die sich über den Zeitraum vom 11. bis zum 15. Jahrhundert erstrecken40. Zudem liefern sie keine ikonographische Tradition, aus der sich eine figurative Typologie der Götter ableiten ließe. In diesem Sinne äußerst sich Berchorius im Prolog des ›Ovidius moralizatus‹, indem er erklärt, dass er ›die Bilder der Götter nirgendwo beschrieben oder gemalt finden konnte‹41. Während es ihm an Bildern ermangelte, konnte er sich bei seinen Beschreibungen der antiken Götter in ›De formis figurisque deorum‹, das dem ›Ovidius moralizatus‹ als eigenständiges Werk vorgeschaltet ist, jedoch auf eine literarische Tradition stützen, die bis in die Spätantike zurückführt42. So greift er denn auch seinen eigenen Worten zufolge auf Fulgentius’ ›Mythologiae‹ und in der Spätfassung auch auf

38 Bergamo, Bibl. Civica, Ms. Cassaforte 3.4, Fol. 1v–8r; zu diesen Götterbildern, die den Text De formis figu-

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risque deorum begleiten und in der Handschrift aus Gotha nicht zur Ausführung kamen, siehe Kap. IV. 3 (Smout) sowie Kap. V. 6 (Blume). MUNARI, Catalogue 1957. Vgl. OROFINO, Ovidio nel Medioevo 1995, S. 193. S. Bd. 2, III, Prolog Die literarische Tradition basiert insbesondere auf den ›Commentarii in Vergilii carmina‹ des Servius, Martianus Capellas ›De nuptiis Philologiae et Mercurii‹, Fulgentius‹ ›Mythologiae‹, Isidor von Sevillas ›Etymologiae‹ mit ›De diis gentium‹ und Rabanus Maurus’ Kommentar zu ›De diis gentium‹. Siehe dazu die Übersicht von CHANCE, Medieval Mythography 2000, S. XXII–XXVI.

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

den sogenannten ›Fulgentius metaforalis‹ von Johannes Ridewall43, auf ›De diis gentium et illorum allegoriis‹ des Albricus sowie auf Rabanus Maurus’ Kommentar zu Isidors von Sevilla ›De diis gentium‹ zurück44. Allerdings bieten diese Werke keine in sich geschlossene Beschreibung der Götter, sondern nur einzelne verstreute Kennzeichnungen. Gemäß ihrem allegorisierenden Charakter bedient sich Berchorius dieser Texte insbesondere in seinen interpretatorischen Abschnitten – wie im ›Ovidius moralizatus‹ folgt auf die reine Beschreibung die Auslegung nach dem physischen, historischen und moralischen Sinn. Im deskriptiven Teil hingegen stützt er sich wohl maßgeblich auf Francesco Petrarca, der die ›Bildnisse [der Götter] in einem seiner Werke in elegantem Versmaß [beschrieb]‹45, das heißt auf Petrarcas Epos ›Africa‹, das um 1338 bis 1341/1342 entstanden ist46. In der Anordnung der Götterbeschreibungen weicht Berchorius von Petrarca ab, indem er die sieben Planetengötter in astrologischer Ordnung zuerst nennt; zudem vermehrt er die Zahl der beschriebenen Götter durch Hinzufügen von Bacchus, Hercules und Aesculap auf siebzehn47. Für Petrarca wiederum war das um 1200 entstandene Werk ›De diis gentium et illorum allegoriis‹ des Albricus – oftmals als ›Mythographus III‹ bezeichnet – von zentraler Bedeutung48. Doch übernimmt Petrarca in seiner Ekphrasis der antiken Götterbilder im Palast des Numiderkönigs Syphax im dritten Buch der ›Africa‹49 von Albricus nur jene Elemente, die in ein Bildwerk umgesetzt werden können. Hierbei berücksichtigt er die allegorischen Ausführungen nicht50. Wesentlich ist, dass Petrarca von seiner mittelalterlichen Quelle ab-

43 S. dazu KORTE, Die antike Unterwelt 2012, S. 310: »Zu bemerken sind für ›De formis figurisque deorum‹

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außerdem Veränderungen im gängigen Quellenkanon, denn ein großer Teil des Materials stammt von Johannes Ridewall, der etwa um das Jahr 1330 die fulgentianischen ›Mythologiae‹ in ihren Kapiteln über die wichtigsten Göttergestalten allegorisch bearbeitet hatte.« Zum literarischen Kontext, in dem ›De formis figurisque deorum‹ steht, s. CHANCE, Medieval Mythography 2000, S. 340–352 sowie oben Kap. I. 4 (Meier). S. Bd. 2, III, Prolog. Vgl. WILKINS, Descriptions of Pagan Divinities 1957, S. 512, 519. CHANCE, Medieval Mythography 2000, S. 345, 347 sieht jedoch auch die Möglichkeit, dass Petrarca in seinen Beschreibungen durch Berchorius beeinflusst ist: »It is important […] to offer as a possibility that Petrarch’s visual description of the gods in Africa, while similar in phrasing to Bersuire’s, might very well have been influenced by Bersuire’s first version of Ovidius, rather than the other way around. […] For the Ekphrasis here, Petrarch borrows from the third Vatican mythography, Isidore’s Etymologies, and Fulgentius’s Mitologiae, all of which were in his library. Petrarch embellishes some details and reorders others, but seems to use Bersuire’s text as a base.« Berchorius beschreibt folgende Götter: Saturn, Jupiter, Mars, Apollon, Venus, Merkur, Diana, Minerva, Juno, Cybele, Neptun, Pan, Bacchus, Pluto, Vulcan, Hercules und Aesculap. Bei Petrarca finden sich die Götterbeschreibungen von Jupiter, Saturn, Neptun, Apollon, Merkur (plus Gorgonen und Perseus), Mars, Vulcan, Pan, Juno, Minerva, Venus, Diana, Cybele und Pluto. Vgl. SEZNEC, The Survival of the Pagan Gods 1972, S. 173; LEUBE, Petrarca und die alten Götter 1960, S. 92. Zum Zusammenhang zwischen Albricus, Petrarca und Berchorius sowie zu den verschiedenen Namen, unter denen das Werk überliefert ist, s. SEZNEC, The Survival of the Pagan Gods 1972, S. 174–179. Petrarca, Africa III, 138–264, S. 138–149. Insbesondere Seznec und Leube betonen, dass Petrarca auf eine reine Beschreibung der Götter zielt und schließen den allegorischen Aspekt dezidiert aus. SEZNEC, The Survival of the Pagan Gods 1972, S. 173; LEUBE, Petrarca und die alten Götter 1960, S. 100, 102; vgl. LIEBESCHÜTZ, Fulgentius Metaforalis 1926, S. 41; WILKINS, Descriptions of Pagan Divinities 1957, S. 513. LEUBE, Petrarca und die alten Götter 1960, S. 98 sieht in der reinen Beschreibung einen neuen Umgang mit den antiken Göttern, nämlich »eine denaturierende Sicht des alten Mythos«. Demgegenüber stellte zuletzt Tamara Visser heraus, dass Petrarca die ursprüngliche, unmittelbare Aussage der antiken Geschichte wertet. Demnach sind die Götter in Petrarcas Ekphrasis »nicht die allegorisierten mittelalterlichen Heidengötter, sondern die antiken Götter mit all ihren mensch-

3. DIE GÖTTERBILDER

weicht, indem die Form, in der er die Götter beschreibt, auf die Antike zurückverweist: In seiner Ekphrasis der Götterbilder modelliert Petrarca diese als steinerne Figuren51, worin sich die Ekphraseis des antiken Epos als Vorlage spiegeln – wie beispielsweise Vergils Beschreibungen der Tempeltüren von Cumae (›Aeneis‹ VI, 14–33), des Juno-Tempels in Karthago (›Aeneis‹ I, 446-493) und des Schildes von Aeneas (›Aeneis‹ VIII, 625–731) oder Ovids Beschreibung von Sols Palast (›Metamorphosen‹ II, 1–30)52. Mit der Intention, in einem Raum angeordnete Kunstwerke  – als »steinerne Zeugen des antiken Polytheismus«53  – sprachlich vor Augen zu stellen, ermisst sich die Bedeutung, die der bildlichen Gestalt der antiken Götter zukommt. Diese Stoßrichtung weist auch Berchorius auf, wenn er in seinen einleitenden Worten zu ›De formis figurisque deorum‹ darlegt, dass die Beschreibungen zum einen als Maleranweisung und zum anderen der Darstellung einer ikonographischen Tradition dienen: ›Zuerst und vor allem müssen wir bei Saturn betrachten, welches Aussehen (formam) er nämlich haben sollte und welche bildliche Darstellung (imaginem) und welche Gestalt (figuram) er in Skulpturen (sculpturis) und gemalten Bildern (picturis) erhielt. […] Saturn wurde gemalt als […]‹54. Indem sowohl Petrarca als auch Berchorius eine genaue ikonographische Beschreibung der maßgeblichen antiken Götter geben, werden durch die beiden Texte die antiken Götter neu gebildet55.

›De formis figurisque deorum‹, der ›Ovide moralisé‹ und der ›Libellus de imaginibus Deorum‹ Doch scheint mit dem Bestreben, die ikonographische Gestalt der antiken Götter vor Augen zu stellen, anfänglich das Hemmnis einhergegangen zu sein, die sprachliche Formgebung in eine gemalte Form zu transponieren. Sind doch nicht nur in ›De formis figurisque deorum‹ des Gothaer Kodex (um 1348/1350) die Miniaturen zu den Göttern nicht ausgeführt, sondern auch in einer um 1330–1340 entstandenen Sammelhandschrift mit mythographischem Schwerpunkt (Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 8500)56, die in Francesco Petrarcas Besitz war57. So sind in ihr weder die angelegten Bildfelder zu den ›My-

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lichen Unzulänglichkeiten. […] Damit aber eröffnet er einen neuen Blick auf sie und auf die Antike: Er weist den Weg zurück zum Verständnis antiker Gegebenheiten als Gegebenheiten sui generis ohne interpretatio christiana.« VISSER, Petrarcas Umgang mit den antiken Göttern 2005, S. 62 f., 66. Zur Beschreibung der antiken Götter in der ›Africa‹ s. VISSER, Antike und Christentum 2005, S. 351–373; DIES., Petrarcas Umgang mit den antiken Göttern 2005, S. 59–66; LEUBE, Petrarca und die alten Götter 1960. Vgl. auch Kap. V. 6. S. VISSER, Petrarcas Umgang mit den antiken Göttern 2005, S. 59 f. Ebd., S. 61. S. Bd. 2, III, S. XXX. Vgl. DEGENHART – SCHMITT, Corpus der italienischen Zeichnungen 1980, Nr. 710, S. 363. Zu den Parallelen der Beschreibungen in beiden Werken s. CHANCE, Medieval Mythography 2000, S. 345– 352. Abrufbar unter http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8446933h/f1.image [letzter Zugriff am 06. 04. 2018]. Zum Inhalt der Handschrift siehe http://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ark:/12148/cc67784j [letzter Zugriff am 06. 04. 2018], vgl. DE NOLHAC, Pétrarque et l’humanisme 1892, S. 204–207. Zur Handschrift s. AVRIL – GOUSSET (Hgg.), Manuscrits enluminés d’origine italienne 2005, Nr. 63, S. 135–138. Ob Petrarca der Erstbesitzer der Handschrift war, wie VECCE, Francesco Petrarca 2005, S. 188 f. erwägt und dabei die auffällige Parallelität zur Ausarbeitung des dritten Buches von ›Africa‹ anführt, oder ob die Handschrift zunächst im Besitz eines Pietro Malvezzi aus Mantua war und sie womöglich von Guglielmo da Pastrengo erworben und 1342 an Petrarca gesandt wurde, wie BILLANOVICH, Quattro libri di Petrarca 1990, S. 256–261, darlegt, muss offen bleiben.

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

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thologiae‹ des Fulgentius auf den Folia 1r–13v noch zum Götterhandbuch des Albricus auf fol. 83r–105r ausgefüllt. Mit Beginn der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts dürften aber, so die These, gemalte Götterbilder in Italien entstanden sein. Denn zum einen sind mit der neuen Datierung des Bergamo-Kodex in die 1350er bis 1360er Jahre58 gemalte Bilder fassbar. Zum anderen weisen deren ikonographische Ähnlichkeiten mit den Götterbildern in einer Handschrift aus Treviso (Biblioteca Civica, ms. 344), die – neben dem ›Ovidius moralizatus‹ – ›De formis figurisque deorum‹ umfasst und um 1415–1420 in Venedig entstanden ist59, auf eine ältere Vorlage hin60. Damit ist die Neudatierung der Handschrift aus Bergamo insofern von besonderer Bedeutung, als sie erlaubt, die Entwicklung einer eigenen Götterikonographie in Italien herauszustellen, die unabhängig ist von jener in den später entstandenen französischen ›Ovide moralisé‹-Handschriften61, die ebenfalls auf den Götterbeschreibungen des Berchorius basiert62. In der älteren Forschung, welche die Auffassung vertrat, dass alle überlieferten italienischen Handschriften späteren Datums sind als die französischen, wurde die Frage aufgeworfen, ob die ikonographische Kontinuität zwischen den französischen und italienischen Miniaturen in einer bildlichen Weitergabe begründet ist oder aber auf die Verwendung derselben literarischen Quelle zurückgeht63. Mit der neuen Konstellation der Handschriften und der Frage, inwiefern die französischen Handschriften Indizien für den Rückgriff auf eine italienische Vorlage liefern, lässt sich auch ein genaueres Bild von der Auseinandersetzung der Protorenaissance mit den antiken Göttern in der Bildkunst gewinnen. Die in diesem Zusammenhang wesentliche Gruppe von Handschriften des ›Ovide moralisé‹64 umfasst die drei Manuskripte Reg. lat. 1480 aus der Bibliotheca Apostolica Vati-

58 Siehe Kap. IV. 1. 59 S. Bd. 2, Kap. II. 1 sowie FAGGIANI, Le miniature 2004, S. 69–88 mit stilistischer Einordnung. SCHMITT, Her-

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kules in einer unbekannten Zeichnung 1975, S. 71, Anm. 41 hatte die Miniaturen »einem oberitalienischen Zeichner des späten 14. Jahrhunderts« zugeschrieben. Vgl. BIANCHIN, L’Ovidio moralizzato 1985/86, die die Miniaturen um 1374–1380 datierte und Padua als Entstehungsort ansah. Zu den Götterdarstellungen in Treviso s. LORD, Illustrated Manuscripts of Berchorius 1995, S. 3 f. Vgl. FAGGIANI, Le miniature 2004, S. 23, die eine gemeinsame Vorlage für plausibel hält. S. dazu MARIANI CANOVA, Duodecim celestia signa 1998, S. 58, Anm. 35, die eine Handschrift annimmt, die um 1350 in giotteskem Stil angefertigt wurde und als Vorlage für die Handschrift aus Treviso gedient hat. Vgl. SAXL, Rinascimento dell’antichità 1922, S. 241 mit der Annahme, dass in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Italien Bilder entstanden sind, die als Vorlage für die Miniaturen in den ›Ovide moralisé‹-Handschriften dienten. Vgl. SEZNEC, The Survival of the Pagan Gods 1972, S. 179. S. PANOFSKY, Renaissance and Renascences 1960, S. 80 f.; DEGENHART – SCHMITT, Corpus der italienischen Zeichnungen 1980, S. 364. S. dazu auch BLUMENFELD-KOSINSKI, Illustrations et interprétations 2002, S. 71 f.; vgl. JUNG, Les éditions manuscrites 1996, S. 264. Vgl. MEISS, French Painting 1974, S. 22: »some continuity can be observed between the new French mythological representations and the subsequent ones in Italy – a continuity not clearly based on the transmissions of the image but upon the use of the same literary sources«. Zu den verschiedenen Gruppen der überlieferten ›Ovide moralisé‹-Handschriften s. PANOFSKY, Renaissance and Renascences 1960, S. 80 f. Zu einer aktuellen Einordnung und Einschätzung der ›Ovide moralisé›-Manuskripte s. BAKER – TRACHSLER u. a. (Hgg.), Ovide Moralisé 2018; vgl. Petrus Berchorius, De Formis Figurisque Deorum 1966, S. I–XXIII. Der ›Ovide moralisé‹ wurde 1316–1328 im Auftrag Johanna von Burgunds, der Frau König Philipps V. von Frankreich (s. DE BOER (Hg.), Ovide moralisé 1915, S. 9–11), von einem anonymen Autor geschaffen, der womöglich mit Chrétien Legouais zu identifizieren ist. AUBERT, Notices 1911, S. 141–144; Lucas, Medieval French Translations 1970, S. 242; GAGNEBIN, L’enluminure 1976, S. 76 f.

3. DIE GÖTTERBILDER

cana65, Ms. fr. 176 aus der Bibliothèque Municipal in Genf66 und fr. 373 aus der Pariser Bibliothèque Nationale67. Der ›Ovide moralisé‹ aus Rom und Genf, beide um 1380 in Paris geschaffen68, bilden eine Familie, wohingegen das Exemplar aus Paris zu einer anderen Textgruppe gehört und erst um 1400 entstanden ist69. Während die Miniaturen der Handschriften aus Rom und Genf einem Maler zugeschrieben werden, der in Paris für König Karl V. tätig war, dem Meister des ›Rational des divines offices de Guillaume Durand‹70, wurde der Pariser Kodex durch einen niederländischen Miniator illuminiert71. Ikonographisch lehnen sich die Götterbilder der Pariser Handschrift, die sich im Besitz Jean de Berrys befand72, an jene aus dem Kodex der Bibliotheca Vaticana an. Die Handschrift aus Paris unterscheidet sich von den beiden anderen darin, dass die Miniaturen zum einen am Beginn der Bücher der ›Metamorphosen‹ platziert und zum anderen in Grisaille-Technik ausgeführt sind, wohingegen sie in den Manuskripten aus der Vaticana und aus Genf am Beginn eines neuen Buches des ›Ovide moralisé‹ stehen73 und als Deckfarbenmalerei gestaltet sind. Gegenüber ›De formis figurisque deorum‹ sind die Götterbilder von 17 auf 15 reduziert und anders angeordnet74, um eine – wenn auch flüchtige – Verbindung zum Text des ›Ovide moralisé‹ zu haben. So ist die Darstellung Vulcans zum Beispiel an den Beginn des vierten Buches vorgerückt, weil in diesem Buch seine Rache gegen Mars und Venus thematisiert ist; Hercules hingegen erscheint im neunten Buch, weil seine Ereignisse dort dargestellt sind75. Die Miniatur des Hercules verdeutlicht aber auch, dass in den Bildern durchaus Elemente des Textes aufscheinen76. Denn zum einen ist auf Hercules’ Kampf mit

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65 Die Handschrift ist digital abrufbar unter https://digi.vatlib.it/view/MSS_Reg.lat.1480 [letzter Zugriff am

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09. 04. 2018]. Zur Beschreibung des Kodex s. MANZARI, Ovidio, Metamorphoses 1996, S. 289–294; Buonocore, Aetas Ovidiana 1994, S. 139 f., Nr. 154; vgl. jüngst BAKER – TRACHSLER u. a. (Hgg.), Ovide Moralisé 2018, S. 47–49; s. auch SAXL, Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften 1915, S. 68 f. Die Handschrift ist digital abrufbar unter https://www.e-codices.ch/en/bge/fr0176/5r/0/Sequence-110 [letzter Zugriff am 09. 04. 2018]. Die Handschrift ist digital abrufbar unter http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8490152m/f5.image [letzter Zugriff am 09. 04. 2018]. MANZARI, Ovidio, Metamorphoses 1996, S. 289, 293; GAGNEBIN, L’enluminure 1976, S. 76 f.; BAKER – TRACHSLER u. a. (Hgg.), Ovide Moralisé 2018, S. 44–46. Vgl. auch MEISS, French Painting 1967, S. 250–253, 288, 313; MEISS, French Painting 1974, S. 24 f. BAKER – TRACHSLER u. a. (Hgg.), Ovide Moralisé 2018, S. 50–53. Seinen Namen hat er nach einer Handschrift erhalten, die für König Karl V. illuminiert wurde und auf 1374 datiert ist (Paris, Bibliothèque Nationale, français 437). S. GAGNEBIN, L’enluminure 1976, S. 76 f. Vgl. die kodikologische Beschreibung des Genfer Kodex von Paule Hochuli Dubuis unter http://www.e-codices. unifr.ch/en/description/bge/fr0176/ [letzter Zugriff am 09. 04. 2018]. MEISS, French Painting 1967, S. 250–253; MEISS, French Painting 1974, S. 25. Meiss Zuschreibung an einen niederländischen Künstler bekräftigt François Avril in TABURET-DELAHAYE (Hg.), Paris 1400 2004, Nr. 4, S. 268. Zum Besitz des Duc de Berry s. GUIFFREY (Hg.), Inventaires Bd. I 1894, Nr. 859, S. 226; DERS. (Hg.), Inventaires Bd. II 1896, Nr. 972, S. 125. Vgl. JUNG, Les éditions manuscrites 1996, S. 261. Zur Abfolge der Götterbilder in den Kodizes aus Gotha, Bergamo und Treviso zum einen und den ›Ovide moralisé‹-Handschriften zum anderen s. die tabellarische Übersicht im Anhang. Vgl. PANOFSKY, Renaissance and Renascences 1960, S. 80 f. Die Darstellung des Hercules weicht deutlich von der Zeichnung im Kodex aus Treviso ab. S. SCHMITT, Herkules in einer unbekannten Zeichnung 1975, S. 70–72. Diese Miniatur ist die einzige in den ›Ovide

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Achelous verwiesen, mit dem das neunte Buch beginnt, zum anderen auf Hercules und Omphale. Hinsichtlich der Frage nach den Zusammenhängen zwischen den Bildern und von Bild und Text gilt es freilich zu bedenken, dass die Beschreibungen in ›De formis figurisque deorum‹, die durch den kontinuierlichen Gebrauch der Verben pingebatur und depingitur als Bildanweisungen verstanden werden konnten, zu ähnlichen ikonographischen Formen führten, die sich gleichsam zu Formeln verfestigten. Dass ›De formis figurisque deorum‹ »ein Primat für die bildhafte Vorstellung und damit künstlerische Darstellung der antiken Götter«77 erlangte, zeigt sich im Gebrauch eben dieser ikonographischen Formeln beispielsweise im ›Roman de la Rose‹ des Jean de Berry (Valencia, Biblioteca Histórica de la Universitat, Ms. 387, fol. 41r, 50r, 67r, um 1405)78, in einem Fragment einer französischen Ovid-Übersetzung aus dem frühen 15. Jahrhundert (London, British Library, Cotton Julius F. VII, fol. 6r–13r)79 und einem um 1450 in England entstandenen Ovid-Kommentar (Oxford, Bodleian Library, MS. Rawlinson B. 214, fol. 197v–200r)80. Um im Folgenden die Entwicklung einer eigenen Götterikonographie in Italien zu erörtern, ist neben den beiden Handschriften aus Treviso und Bergamo mit kolorierten Federzeichnungen zu ›De formis figurisque deorum‹ und den ›Ovide moralisé›-Handschriften ein weiterer italienischer Kodex von fundamentaler Bedeutung: Das um 1420 in Oberitalien entstandene81 anonyme Götterhandbuch ›Libellus de imaginibus Deorum‹ (Bibliotheca Apostolica Vaticana, Reg. lat. 1290)82. Der Text basiert auf den Beschreibungen des Berchorius in ›De formis figurisque deorum‹, indem die mythographischen Teile mit den für

77 78 79

80 81

82

162

moralisé›-Handschriften, die auf den Text des ›Ovide moralisé‹ rekurriert. S. JUNG, Les éditions manuscrites 1996, S. 264, Anm. 42. DEGENHART – SCHMITT, Corpus der italienischen Zeichnungen 1980, S. 363. S. OST, The Mythographical Images 2006, S. 141–181. Die Handschrift ist digital abrufbar unter http:// weblioteca.uv.es/cgi/view.pl?source=uv_ms_0387 [letzter Zugriff am 09. 04. 2018]. Es handelt sich um die Zusammenstellung der Rubriken, la table des Rebriches dOvide le grant dit Methamorphoseos translate de latin en francois par Chretien le Gouayz de Seynte More vers Troyes. S. SAXL – MEIER, Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften 1953, S. 115–117. Hier geht jeder Rubrik, die den Inhalt des jeweiligen Buches anzeigt, eine Zeichnung mit einer Götterdarstellung voraus. Zur Abfolge der Götterbilder s. die tabellarische Übersicht im Anhang. Die in jüngerer Zeit vorgebrachte Annahme, dass diese Seiten Teil eines Musterbuches waren, ist wenig plausibel: OST, The Mythographical Images 2006, S. 151, Anm. 22: »It is more likely that these pages were part of a painter’s model-book«. Denn eine Notiz von späterer Hand aus dem 15. Jahrhundert im bas de page von fol. 6r verweist darauf, welchen Umfang der Text ursprünglich besaß: quod liber originalis istius Ouidii in gallico scriptus est magni uoluminis continet 422. folia magna cum duobus 4. Columpnis […]. S. SAXL – MEIER, Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften 1953, S. 395– 398. Zur Abfolge der Götterbilder s. die tabellarische Übersicht im Anhang. SAXL, Rinascimento dell’antichità 1922, S. 246: »Illustrationen […] in Oberitalien um 1420 entstanden […], möglicherweise im Kreis der lombardischen Kunst«. Vgl. SEZNEC, The Survival of the Pagan Gods 1972, S. 177. Zuletzt plädierte Lilian Armstrong ebenfalls für eine zeitliche Einordnung um 1420 und verortete die Zeichnungen stilistisch in den paduanischen Raum. ARMSTRONG, Renaissance Miniature Painters 1981, S. 53. Zuvor war eine Entstehung um 1400 im veronesischen Raum angenommen worden: SAXL, Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften 1915, S. 67; DEGENHART – SCHMITT, Corpus der italienischen Zeichnungen 1980, S. 364; vgl. auch LIEBESCHÜTZ, Fulgentius Metaforalis 1926, S. 43. Die Handschrift ist digital abrufbar unter https://digi.vatlib.it/view/MSS_Reg.lat.1290 [letzter Zugriff am 09. 04. 2018]. Pergament, 29 Blatt, 33,5 cm × 24,2 cm. Der Kodex enthält zwei Texte: ›Libellus de imaginibus Deorum‹ (fol. 1r–8r) und ›Albrici philosophi liber ymaginum deorum‹ (fol. 8v–29r). Zur Beschreibung s. SAXL, Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften 1915, S. 67 f.

3. DIE GÖTTERBILDER

die Götterikonographie maßgeblichen Beschreibungen übernommen werden, während auf die allegorischen Ausdeutungen verzichtet wird83. In dieser Weise lehnt er sich gleichsam an Petrarcas ›Africa‹ an84. Zugleich wird der Götterkanon um Aeolus, Janus, Vesta, Orpheus, Perseus und Ceres sowie einen umfangreichen Zyklus zu Hercules und seinen zwölf Taten erweitert85. Die kurzen Kapitel zu den einzelnen Göttern werden jeweils durch eine Federzeichnung eingeleitet, so dass die Götterikonographien fokussiert sind. Über die bisherige Forschung hinausgehend, die die Abhängigkeit des Textes wie der Bilder nahezu ausnahmslos von den Beschreibungen in ›De formis figurisque deorum‹ im Blick hat86, lautet meine These: Bild und Text des ›Libellus de imaginibus Deorum‹ gehen nicht nur auf den Text des Berchorius in ›De formis figurisque deorum‹ zurück, sondern auch beziehungsweise gerade auf gemalte Bilder in illuminierten Ovid-Handschriften, die zu Beginn der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Italien entstanden sein dürften. Um diese These zu plausibilisieren, werden die Zeichnungen mit den Götterbildern in Treviso und Bergamo zusammen betrachtet und mit den französischen Miniaturen in den ›Ovide moralisé‹-Handschriften, mit denen sie nicht in Zusammenhang stehen87, verglichen. So lassen sich Indizien aufspüren, die auf die Existenz älterer Götterbilder deuten, die als Vorlage gedient haben.

Die Götterikonographien Die Analyse der Götterbilder geht zumeist von den Bildbeschreibungen der Miniaturen im Kodex aus Treviso aus, die – wie in der Bergamo-Handschrift auch – zwischen der Beschreibung und der Deutung der einzelnen Götter platziert sind. Zur Erörterung der These, dass die Zeichnungen im ›Libellus de imaginibus Deorum‹ auf gemalte Götterbilder in ›De formis figurisque deorum‹-Handschriften rekurrieren und damit wesentliche Indizien für die Existenz italienischer Götterbilder zu Beginn der zweiten Hälfte des Trecento greifbar werden, seien zunächst die Miniaturen zu Juno im Kodex aus Treviso und im ›Libellus‹ betrachtet. Beiden Darstellungen ist entgegen der übrigen Überlieferung gemein, dass Juno im Bildzentrum thront und in ihrem Schoß ein kleines Kind hält. Interessant ist dieses Motiv insofern, als es nicht auf die Beschreibung der Göttin in ›De formis figurisque deorum‹ zurückgeht, sondern auf die allegorische Auslegung des Berchorius. So scheint das ikonographische Zitat des zentralen Maestà-Motivs der thronenden Jungfrau mit dem Christuskind auf folgende Allegorese zu verweisen: ›Solch eine Göttin scheint in allem die selige Jungfrau zu sein; sie ist Göttin, Herrin und Meisterin der Herrschaft und des Reichtums des Paradieses […], die durch unberührte Reinheit stets Jungfrau bleibt‹88. Entscheidend ist nun, dass dieses Motiv im ›Libellus‹ auch Eingang in die Bildbeschreibung gefunden hat – so heißt es zu

222, 224

83 LIEBESCHÜTZ, Fulgentius Metaforalis 1926, S. 43; vgl. CHANCE, Medieval Mythography 2000, S. 321. Zum

84 85 86

87 88

›Libellus de imaginibus Deorum‹ und der Geschichte seines Einflusses siehe NYE QUINN, Venus, Chaucer, and Pierre Bersuire 1963, S. 497 f. Vgl. die Einordnung von SEZNEC, The Survival of the Pagan Gods 1972, S. 174–176; vgl. LIEBESCHÜTZ, Fulgentius Metaforalis 1926, S. 41. Zur Abfolge der Götterbilder s. die tabellarische Übersicht im Anhang. Zu dem Hercules-Zyklus s. SCHMITT, Herkules in einer unbekannten Zeichnung 1975, S. 74 f., 79–81. OST, The Mythographical Images 2006, S. 154 äußert hingegen, dass die Zeichnungen über die Beschreibungen des Berchorius hinaus sowohl Einflüsse weiterer literarischer Quellen als auch bildlicher Vorlagen zeigen. Die bildlichen Vorlagen werden jedoch nicht näher spezifiziert. Vgl. SAXL, Rinascimento dell’antichità 1922, S. 247. S. Bd. 2, III, De formis, 9

163

IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

223

225–227

Juno: Cuius ymago taliter pingebatur. Erat enim femina in trono sedens, sceptrum regium tenens in dextra. […] Mulierque erat filium pariens […] que et Mercurium dicitur lactasse89. Obschon Juno auch in Petrarcas ›Africa‹ als erhaben thronende Königin beschrieben ist90, dürfte sich der Verfasser des ›Libellus‹ auf eine bildliche Darstellung gestützt haben, da das Kind in Junos Schoß in Petrarcas Ekphrasis unerwähnt bleibt91. Dass diese Vorlage mit ihrer spezifischen italienischen Bildtradition in Italien zu suchen ist, verdeutlicht ein vergleichender Blick sowohl auf die französischen Miniaturen des ›Ovide moralisé‹ als auch auf die englischen Zeichnungen, die zu Beginn und in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden sind: In ihnen ist die majestätische Juno stehend zu sehen. In den durch Berchorius textuell zugeschriebenen Attributen der Göttin, nämlich Krone, Zepter und den Pfauen zu ihren Füßen, stimmen sämtliche Miniaturen hingegen überein. Angesichts des Umstandes, dass die Entstehung des ›Libellus de imaginibus Deorum‹ nicht erst für die Zeit um 1420 angenommen werden muss, sondern auch für die Zeit um 1400 angenommen werden kann92, und damit eine Abhängigkeit der Handschrift aus Treviso von ihm denkbar wäre, ist eine vergleichende Betrachtung zwischen dem Kodex aus Bergamo und dem ›Libellus‹ zur Erhärtung der These von zentraler Bedeutung. So verhalten sich die Bild-Text-Bezüge sowie die Interdependenzen zwischen den Bildern zur Göttin Cybele in gleicher Weise wie in der Darstellung zu Juno. Sowohl in der Zeichnung des ›Libellus‹ als auch in jener der bergamesker Handschrift, die deutlich früher entstanden ist als das Götterhandbuch aus der Vaticana, steht Cybele in einem Wagen. Fälschlicherweise lässt der Zeichner ihn in der Miniatur aus Bergamo von einem Pferd ziehen, wohingegen er in der Zeichnung aus der Vaticana – gemäß dem zugehörigen wie auch dem Berchorius-Text – von Löwen gezogen wird. Zudem weicht die Bergamo-Miniatur von der Beschreibung des Berchorius ab, indem nicht – wie in der trevisaner Miniatur – Hähne im Gefolge der Göttin dargestellt sind, sondern Figuren mit Krallenfüßen, links im Bild. Diese finden sich auch in der Miniatur des ›Libellus‹, hier am rechten Bildrand. Doch während die Figuren in Bergamo auf die Auslegung des Berchorius zurückgehen, in der es heißt, dass Cybele die Titanen hervorgebracht hat, bei denen es sich um ›Riesen mit Schlangenfüßen‹93 handelt, sind die Titanen im ›Libellus‹ Bestandteil der Beschreibung94. Ebenso fußt die Darstellung der beiden Götter am rechten Bildrand der bergamesker Miniatur auf der allegorischen Auslegung: Indem sie gegenüber den Titanen mit vor der Brust verschränkten Armen eine abwehrende Haltung einnehmen, reagieren sie auf die Titanen, ›die sich häufig gegen die Götter […] erheben‹95. Im ›Libellus‹ wiederum ist links oben der Olymp mit fünf Göttern dargestellt, die sich in ähnlicher Weise zu den Titanen verhalten. Es zeigt sich auch hier: Während die Darstellung in Bergamo einem älteren Götterbild als Vorlage folgen dürfte96,

89 LIEBESCHÜTZ, Fulgentius Metaforalis 1926, S. 121. 90 Petrarca, Africa 2007, III, 199 f., S. 142 f.: ›das Szepter in der Hand, thronte erhaben die Königin der Götter‹ 91 92 93 94 95 96

164

(sceptra gerens regina dearum / […] augusta sedebat). Die gesamte Beschreibung des Bildes der Juno umfasst die Verse 199–203 in Buch III der ›Africa‹. S. oben, Anm. 81. S. Bd. 2, III, De formis, 10. LIEBESCHÜTZ, Fulgentius Metaforalis 1926, S. 121: Titanni Gigantes cum pedibus serpentinis. S. Bd. 2, III, De formis, 10 S. dazu weiter unten und Kap. IV. 2.

3. DIE GÖTTERBILDER

nimmt der Verfasser des ›Libellus‹ eine solche bildliche Vorlage in seinem Text auf, was sich in der zeichnerischen Umsetzung wiederum spiegelt. Dass eine Vorlage für die Zeichnungen im ›Libellus de imaginibus Deorum‹ in einer nicht überlieferten Handschrift zu sehen ist, ergibt sich aus der Gegenüberstellung mit weiteren Miniaturen aus der trevisaner Handschrift. So finden sich in den Darstellungen Saturns, Jupiters, Apollos und der Venus größere Ähnlichkeiten, die als Indizien für das Bestehen früherer italienischer Götterbilder aufgefasst werden können, auf die Bezug genommen wurde. In den Zeichnungen zu Saturn97 betrifft die Ähnlichkeit die Kastration Saturns, der seine Kinder frisst, durch Jupiter – diese Ikonographie entsteht im 14. Jahrhundert mit der Illuminierung von ›De formis figurisque deorum‹98. Saturn steht auf der vertikalen Mittelachse im Wasser. Er ist ein alter Mann, der als Herrscher des Universums eine Krone auf dem Haupt trägt. Während er in seiner rechten Hand eine Sense und eine Schlange hält, die sich selbst in den Schwanz beißt, fasst er mit seiner Linken eines seiner Kinder, um es mit aufgerissenem Mund zu verschlingen. Rechts von ihm stehen am Ufer vier seiner Kinder: Juno, Neptun, Pluto und Jupiter – in der Zeichnung in Reg. lat. 1290 sind sie im Gegensatz zu der Darstellung in Treviso durch Attribute gekennzeichnet. Jupiter kniet vor Saturn und trennt ihm die Genitalien ab, um sie dann ins Wasser zu werfen: Sie liegen am Grund des Meeres, wobei aus ihnen eine kleine Figur entsteht – Venus. In der Darstellung des Hervorgehens der Venus aus Saturns Genitalien liegt der wesentliche Unterschied zum Saturnbild im ›Libellus de imaginibus Deorum‹, indem es in ihm nicht direkt zur Anschauung gebracht ist. Venus kommt hier vielmehr als nackte, erwachsene Frau aus den Fluten hervor, worin sich das Bild an die Miniaturen in den ›Ovide moralisé‹-Handschriften anlehnt. In ihnen verweisen die umstehenden Figuren jedoch deiktisch auf das Hervorkommen, so dass dieser Aspekt hervorgehoben ist. In der trevisaner Zeichnung ist rechts von Saturn seine Gattin Ops, die Erde, als Matrone zu sehen, die in ihrer rechten Hand als Zeichen der Fruchtbarkeit ein Gewächs hält. Hinter ihr stehen Figuren in kleinerem Maßstab, Menschen mithin; dies entspricht der Erläuterung des Literalsinns, dass ›die Erde die Mutter aller Menschen ist‹99. In den flankierenden Figurengruppen zeigt sich wieder die Ähnlichkeit zum ›Libellus de imaginibus Deorum‹, insbesondere in der verschränkten Armhaltung der links Stehenden und der Darstellung der Ops, die als Mutter Erde für die Menschen, die sie umgeben, Fürsorge übernimmt. Indem in den ›Ovide moralisé‹-Handschriften Ops nicht ins Bild eingegangen ist, zeigt sich hierin erneut die Gemeinsamkeit der italienischen Zeichnungen. Nicht zuletzt besteht sie auch in der Darstellung von Saturn selbst, der abweichend in den französischen Miniaturen herrschaftlich thront, wobei der Akt der Kastration nicht dargestellt ist100. So können hinsichtlich der beiden italienischen Zeichnungen die Verwandtschaft in der Kompositionsform zum einen und das Abweichen voneinander in Details zum anderen als Indizien für ältere Bilder aufgefasst werden, die als Vorlage gedient haben.

194–198

97 Eine genaue ikonographische Analyse der einzelnen Götterdarstellungen gibt FAGGIANI, Le miniature

2004, S. 25–50. 98 Vgl. PANOFSKY, Studies in Iconology 1972 [1939], S. 78. 99 S. Bd. 2, III, De formis 1. 100 In I, 651–654 des ›Ovide moralisé‹ sind die Kastration durch Jupiter und die Geburt der Venus aus den

Genitalien jedoch erwähnt.

165

IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

199–201

208–210

Auch die Zeichnungen zu Jupiter im Kodex aus Treviso und im ›Libellus de imaginibus Deorum‹ sind durch kompositorische Ähnlichkeiten und gleichzeitige Abweichungen in Details gekennzeichnet. Dies betrifft zuvorderst Jupiters Sitzen auf einer Thronbank – in den ›Ovide moralisé‹-Handschriften thront er hingegen auf einem Regenbogen – und die Figurenkomposition der davor niedergestreckten Giganten. Während der thronende Gott in seiner linken Hand ruhig das Zepter hält, wirft er mit seiner erhobenen Rechten Pfeile auf die Giganten, die niedergestreckt vor der Thronbank liegen. In zweierlei Hinsicht weist diese Darstellung Besonderheiten auf: Zum einen erscheint Jupiter als Jüngling und nicht als reifer, bärtiger Herrscher mit einer Krone auf dem Haupt wie in den übrigen Miniaturen – der Jupiter im ›Libellus de imaginibus Deorum‹ gleicht hierin der Gestalt in den ›Ovide moralisé‹-Handschriften. Zum anderen schleudert Jupiter in den Bildern der anderen Handschriften entweder – gemäß dem Berchorius-Text – Blitze oder aber Steine101. In auffälliger Weise gleicht sich jedoch wiederum das Arrangement der Giganten in den beiden italienischen Zeichnungen: Während die Figur vor Jupiters Thron jeweils mit ausgestrecktem Oberkörper am Boden liegt und ihren Kopf dem Betrachter zuwendet, sind die drei Giganten links davon gestaffelt angeordnet und zeigen im Zurückweichen vor Jupiter aufrechte Oberkörper, die entweder durch die Arme oder eine Felswand abgestützt werden. Rechts im Bild fliegt ein Adler, dessen Gefieder wie Jupiters Gewand blau koloriert ist, in Richtung des thronenden Gottes und hält dabei in seinen Klauen den Knaben Ganymed. Indem der Adler nicht nur in derselben Farbe gestaltet ist wie Jupiter, sondern auch eine Krone auf dem Haupt trägt – in den Bildern der übrigen Handschriften trägt sie der Gott selbst –, kann der Adler hier nicht nur als Attribut Jupiters verstanden werden. Er kann vielmehr auch Jupiter selbst bezeichnen, der in einen Adler verwandelt ist, um Ganymed zu rauben. In diesem Sinne trägt der Adler das Kind auch behutsam, während es in den übrigen Jupiter-Miniaturen wie eine Beute in den Fängen des Raubvogels wirkt102. Wie in dem Saturn-Bild lehnt sich auch hier die bildliche Darstellung eng an den Text an. Obschon die Figurenkomposition in den beiden Venus-Miniaturen aus Treviso und dem ›Libellus de imaginibus Deorum‹ voneinander abweicht, liefert eine vergleichende Betrachtung insofern Indizien für ältere italienische Bilder, als in beiden die elementaren Figurenkonstellationen übereinstimmen und insbesondere der Aspekt des Handlungsmoments hervortritt: Die Götter erscheinen als agierende Kräfte einer Erzählung – dies trifft auf die französischen ›Ovide moralisé‹-Miniaturen nicht zu. Hinter dem felsigen Meeresufer am linken Bildrand kommt die nackte Venus hervorgeschwommen. Indem der Zeichner sie – gemäß dem Berchorius-Text – nackt und im Meer schwimmend103 zeigt, wählt er eine einmalige Darstellungsform; denn sowohl im ›Libellus de imaginibus Deorum‹ als auch in den französischen ›Ovide moralisé‹-Handschriften taucht Venus mit der Hälfte des Körpers ins Wasser ein. Sie trifft auf Vulkan, der vor ihr im Meer auftaucht und sie mit seiner rechten Hand am linken Arm umfasst – ikonographisch ist somit angedeutet, dass Venus Vulkan ›zur Ehe bestimmt‹104 ist; in der Zeichnung des ›Libellus‹ wird dies durch Vulkans Gestus der offen dargereichten Linken sinnfällig. Textgetreu hält Venus in ihrer Rechten eine Mu101 102 103 104

166

Vgl. ›Ovide moralisé‹ I, 1121–1123 und 1133 f.: Jupiter wirft die Titanen mit Steinen nieder. In Buch I des ›Ovide moralisé‹ findet sich keine Erwähnung von Ganymeds Raub durch Jupiter. S. Bd. 2, III, De formis, 5. S. Bd. 2, III, De formis, 5.

3. DIE GÖTTERBILDER

schel, während über ihr Tauben fliegen, die Rosenblüten mit sich tragen. Über ihr erhebt sich zudem am Ufer der geflügelte und blinde, mit einer Augenbinde versehene, Cupido, der mit seinem Bogen Pfeile auf Apollon geschossen hat. Apollon, wie in der vorausgehenden Apollon-Miniatur als nackter Jüngling mit Laute dargestellt, bewegt sich im rechten Bildvordergrund aus der Szene hinaus und schaut über die Drei Grazien zurück. Als nackte junge Mädchen stehen sie im Meer, wobei zwei von ihnen Venus ihre Gesichter zuwenden, während die dritte ihr den Rücken zukehrt. In der Zusammenschau mit der Zeichnung des ›Libellus‹ erweist sich als der wesentliche Aspekt, dass sie zum einen in Details von dieser Bildkomposition differiert: So wird nicht unmittelbar einsichtig, dass Apollon, der am rechten unteren Bildrand kniet, durch Cupidos Bogen vom Pfeil getroffen ist; der Zusammenhang wird vielmehr durch die diagonale Achse offensichtlich, auf der die beiden Figuren angeordnet sind. Zum anderen aber gleicht die Zeichnung im Handlungsmoment jener im trevisaner Kodex. Indem die französischen Miniaturen geschlossen davon abweichen, zeigt sich in dieser Differenz eine disparate Bildtradition, die zumindest auf eine italienische Vorlage schließen lässt. Die Bilder in den ›Ovide moralisé‹-Handschriften unterscheiden sich darin, dass Cupido mit Pfeil und Bogen thront und seine Pfeile nicht auf Apollo abgeschossen hat – Apollo ist nicht dargestellt. Auch Vulcan fehlt. Zudem hält Venus aufgrund eines interpretatorischen Fehlers des Berchorius-Textes in der rechten Hand keine Muschel, sondern eine Ente105. Die Beobachtung, dass sich bei einem leicht variierten Kompositionsschema die einzelnen Handlungselemente in den Zeichnungen aus Treviso und dem ›Libellus‹ entsprechen, bestätigt sich durch die Bilder zu Diana und Apollo. Auch hier entfalten sich die Handlungsmomente im ›Libellus‹ vom Bildzentrum aus, während dies im Treviso-Kodex von der linken Bildhälfte aus erfolgt. In der trevisaner Miniatur zu Diana steht die Göttin am linken Bildrand vor felsigem Grund. In ihrer ausgestreckten Linken hält sie einen Bogen, mit dem sie einen Pfeil auf zwei Hirsche abgeschossen hat, die rechts getroffen davonjagen. Nymphen, Dianas Gefolgschaft, schauen dem Geschehen zu und tanzen dabei einen Reigen. Auffällig ist, dass ihre Häupter gehörnt sind – der Maler hat die Schilderung des Textes, dass Diana ›Scharen von Wald-, Berg-, Quell- und Meeresnymphen […] zusammen mit Scharen gehörnter Satyrn‹106 umgeben, transformiert: er hat die beiden Gruppen zu einer verschmolzen. Im ›Libellus‹ hingegen hat der Maler die Nymphen nach Arten differenziert und je zu zweit mit einem charakteristischen Element gruppiert: Die Waldnymphen neben zwei Bäumen, rechts davon die Bergnymphen vor einem felsigen Abhang, davor stehen zwei Flussnymphen in einer Quelle, und links davon befinden sich zwei Meernymphen vor den Wogen des Meeres. Zu Füßen von Diana, die in der Bildmitte als Jägerin agiert, stehen zwei Satyrn in einem Feld und halten Geräte zu dessen Bestellung in Händen. Dass die beiden italienischen Zeichnungen einer Bildtradition folgen, wird auch hier durch eine gänzlich andere Kompositionspraxis in den Miniaturen des ›Ovide moralisé‹ ersichtlich. Zum einen ist die Schar der Nymphen und Satyrn nicht dargestellt. Zum anderen fliehen die Hirsche nicht vor der Jagdgöttin, die den gespannten Bogen auf sie richtet, sondern weiden friedlich vor ihr.

209

215–217

PANOFSKY, Renaissance and Renascences 1960, S. 80 spricht von einer Ersetzung von cana lamina durch conca marina. 106 S. Bd. 2, III, De formis, 7. 105

167

IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

205–207

236–239

In ähnlicher Weise wie die Diana-Miniatur hat der Zeichner der trevisaner Handschrift jene zu Apollo gestaltet: Im linken Bildvordergrund steht Apollo als nackter Jüngling auf einem Ungeheuer mit Schlangenkörper und drei Köpfen: dem eines Wolfes, Hundes und Löwen. Während er in seiner rechten Hand eine Laute hält, umfasst er mit seiner Linken einen Bogen; der mit Pfeilen gefüllte Köcher ist in der Armbeuge befestigt. Den Bogen richtet Apollo auf einen Drachen, Python, der ihm entfernt am rechten Bildrand gegenübersteht. Zugleich schaut der Gott auf die neun Musen107 in der Bildmitte, die sich an den Händen fassen und einen Chorreigen um einen Lorbeerbaum, über dem ein Rabe fliegt, herum aufführen108. Auch in der Zeichnung des ›Libellus‹ verweisen die Attribute, die der thronende Gott in Händen hält, auf die Handlungsmomente: Die Laute ist in Beziehung gesetzt zum Chorreigen der Musen um den Lorbeerbaum, der sich im rechten Vordergrund zu seinem Spiel auf dem Instrument vollzieht; und Pfeil und Bogen weisen auf den Drachen Phython, den Apollo töten wird. Wie in den französischen Miniaturen zu Venus fehlt in jenen zu Apollo der Handlungsaspekt, indem der Gott, ausstaffiert mit Leier sowie Pfeil und Bogen, bloß auf dem dreiköpfigen Ungeheuer steht, die Musen und Phython aber nicht ins Bild gesetzt sind. Bemerkenswert ist im Treviso-Kodex Apollos Nacktheit, die sich in keiner der anderen Handschriften findet und auf eine Interpretation antiker Götter im Sinne der Renaissance verweist; dahingehend sind Neptun, Venus und Cupido ebenfalls nackt dargestellt. Dass in den italienischen Handschriften anders als in den französischen die Handlung eine bedeutende Rolle spielt, verdeutlichen die Miniaturen zu Pan und Vulcan. In der linken Bildhälfte der trevisaner Miniatur läuft Pan in Richtung des linken Randes und wendet dabei seinen Oberkörper zurück zu Amor. Dieser hat einen Pfeil auf ihn abgeschossen und ihn im Bauchraum verwundet. Auch in der Zeichnung der Bergamo-Handschrift flüchtet Pan vor Amor, der Pfeil und Bogen auf ihn richtet, wohingegen die französischen Miniaturen auf diesen Handlungsmoment verzichten und Amor nicht ins Bild setzen. Hinsichtlich der Amor-Figur bestehen jedoch Unterschiede zwischen den beiden italienischen Miniaturen: Im bergamesker Kodex erscheint Amor als nackter, blinder Knabe, mit zwei Flügeln auf den Schultern und einem Köcher am Gürtel, in den Händen Pfeil und Bogen haltend und nicht zuletzt mit Krallenfüßen versehen. Diese Ikonographie, die insbesondere von Guittone d’Arezzo in Sonetten, die um ein gemaltes Bild Amors kreisen, ekphrastisch beschrieben wurde109, findet sich in der ersten Hälfte des Trecento in verwandter Form in

107 108 109

168

Der Miniator hat nur acht Frauenfiguren gezeichnet. Auch hier ist eine deutliche Anlehnung an den Berchorius-Text sichtbar. Der Text ist in einem einzigen Manuskript, das um 1300 entstanden ist, überliefert: Madrid, Escorial, Ms. lat. e.III.23, fol. 74r–74v: Die ›Figur Amors […], gemalt wie ein nackter Knabe, blind, mit zwei Flügeln auf der Schulter und mit einem Köcher am Gürtel, beides in der Farbe Purpur, mit einem Bogen in der Hand, mit dem er durch einen Pfeil einen Liebenden verwundet hat, eine Girlande auf dem Kopf, mit der anderen Hand hält er eine brennende Fackel, und als Füße hat er die Klauen eines Habichts.‹ (la figura de l’amore pinta sì ch’el sia garcone, nudo, cieco, cum due ale su le spale e cum un turcaschio a la centura, entrambi di color di porpora, cum un arco en man, ch’el abia ferío d’una saita un covene enamorato, / cum una g(h)irlanda en testa, cum l’altra man porgia un’asta cum fuogo di capo, e per li artigli sì abia le granfe de aostore). Guittone d’Arezzo, Del carnale amore 2007, S. 77. Vgl. dazu STOREY, Transcription and Visual Poetics 1993, S. 171–192; FULL, Passio und Bild 2015, S. 27–68.

3. DIE GÖTTERBILDER

gemalten Bildern110. Die Amor-Figur entspricht hier mithin dem kollektiven Bildgedächtnis. Auch unterscheiden sich in Treviso und Bergamo die Darstellungen Pans, wobei sich jeweils Ähnlichkeiten mit der Figur in den ›Ovide moralisé‹-Handschriften und im ›Libellus‹ feststellen lassen: Während in Treviso und im ›Libellus‹ Pans Hüfte mit Laub umkränzt ist und er auf einer langgezogenen Flöte spielt, sind in der Handschrift aus Bergamo und im ›Ovide moralisé‹ Pans Schenkel ›mit Kräutern und Bäumen‹111 versehen; zudem hat die Flöte die Form einer Hirtenflöte mit sieben verbundenen Schilfrohren. Diese Bezüge zwischen den italienischen und französischen Darstellungen, die Details betreffen, scheinen auch in den Bildern zu Vulcan auf. Zunächst einmal folgen die drei italienischen Handschriften einer anderen Bildtradition als die französischen aufgrund einer vor Augen gestellten Handlung: Sowohl in den beiden Berchorius-Handschriften aus Treviso und Bergamo als auch im ›Libellus‹ ist die handgreifliche Verstoßung Vulcans durch andere Götter aus dem Himmel ins Bild gesetzt, während er in den Miniaturen des ›Ovide moralisé‹ ohne sichtbares Zutun anderer vom Himmel hinabstürzt. In der trevisaner Zeichnung vertreiben zwei Figuren, die sich innerhalb des Himmelskreises befinden, Vulcan aus diesem: Sie bewerfen ihn mit Steinen und prügeln ihn mit einem Stock. Vulcan, dessen Flanke nur noch den äußersten Kreis tangiert, wendet sich zu den beiden Vertreibenden zurück. Mit einem Hammer, den er zum Schlag ausholend emporhält, versucht er sich zu wehren. Auch in dieser Miniatur findet sich ein Element, das eine gewisse Verwandtschaft zu der entsprechenden Zeichnung im ›Libellus‹ zeigt: die stoßende Bewegung der Vertreibenden. Vulcans stürzende Körperhaltung im Götterhandbuch aus der Vaticana hingegen ähnelt mehr jener im Bergamo-Kodex, so dass in dieser Zusammenschau weitere Spuren sichtbar sind, die auf die Existenz zugrundeliegender Bilder schließen lassen. Diesbezüglich ist zugleich festzuhalten, dass die Kompositionsform des vom Himmel herabfallenden Vulcans in Bergamo den französischen Miniaturen nahesteht, in denen der Gott – wenn auch ohne agierende Götter – kopfüber aus der Himmelsscheibe niederstürzt. Hier fragt sich mithin, inwiefern eine italienische Vorlage Einfluss auf die Götterbilder in den ›Ovide moralisé‹-Handschriften gehabt haben könnte. Der Handlungsmoment ist in der Miniatur aus Bergamo in besonderer Weise ausgeweitet, indem vier Schaulustige den Sturz des Gottes beobachten und kommentieren, so dass die Beziehung der Menschen zum Gott vor Augen gestellt ist. Als Eigenheit des Bergamo-Kodex zeigt sich dies auch in der Miniatur zu Bacchus: Vor dem Gott, der rechts auf einem Drachen reitet und durch sein mit Weinlaub bekränztes und gehörntes Haupt gekennzeichnet ist, stehen zwei Männer und interagieren mit ihm – während der rechte eine Weinkaraffe hält und Bacchus ein Glas Wein reicht, hat sich der andere auf einem Stein niedergelassen und trinkt selbst aus einem Weinglas. In den Miniaturen der anderen Handschriften ist allein der reitende Bacchus ins Bild gesetzt. Die Gemeinsamkeit der beiden italienischen Zeichnungen in Bergamo und Treviso besteht gegenüber den französischen Miniaturen darin, dass Bacchus auf einem Drachen reitet – die Miniatoren der ›Ovide moralisé‹-Handschriften folgen eher dem Berchorius-Text, der von einem Tiger als Reittier spricht. Doch bestehen Unterschiede in der Gestalt des Drachens, der in Treviso zum einen 110 111

228–231

228, 244

244–247

Zur Ikonographie s. zuletzt BLUME, Lehrjahre des Gefühls 2018, S. 89–97 sowie BLUME, Amor 2018, S. 342– 347. S. Bd. 2, III, De formis, 12.

169

IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

232–235

zwei Köpfe, zwei Schwänze und zwei Flügelpaare hat und zum anderen fliegend gezeigt ist. Die in den Miniaturen zu Pan und Vulcan feststellbare Nähe zwischen dem BergamoKodex und den ›Ovide moralisé‹-Handschriften hinsichtlich einzelner Kompositionselemente, die auf ältere italienische Bilder schließen lässt, ist auch bei den Neptun-Bildern zu beobachten. Deutlich tritt sie durch die Unterschiede zur Neptun-Darstellung in Treviso hervor. Allen diesen Bildern gemein ist die gleiche Auffassung von Neptuns schwimmendem Körper im Wasser. Doch während Neptun in der trevisaner Zeichnung mit einem Dreizack Gestein am Meeresgrund zerschlägt, aus dem ein Pferd hervorkommt, bringt Neptun in Bergamo und im ›Ovide moralisé‹ mit einem Speer das Pferd aus einem Felsen am Ufer hervor. Zudem entsprechen die französischen Miniaturen dem Bild in Bergamo, indem Neptun von Tritonen umgeben ist, das heißt von Posaune blasenden Fischen, wobei die Körper der Fische nicht wie in Bergamo einen menschlichen Kopf haben. Überdies deutet Neptuns Nacktheit, die nicht auf den Text zurückgeht, auf antikisierende Darstellungen bereits um die Jahrhundertmitte hin – nicht zuletzt ein Nachweis für das Bestehen von älteren Götterbildern in Italien. Hinsichtlich der Frage, inwiefern die französischen Miniaturen auf italienische Bilder zurückgreifen und sich dadurch ein genaueres Bild von der Auseinandersetzung der Protorenaissance mit den antiken Göttern in der Bildkunst gewinnen lässt, ist schließlich festzuhalten: Sie setzen sich mit italienischen Bildern, die zu Beginn der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden sind, in der Kompositionsform auseinander, wobei sie deren Handlungsmomente nicht berücksichtigen. So sind die französischen Götterfiguren durch eine statuarische Form gekennzeichnet, in der die Attribute weniger eine Handlung erkennen lassen als vielmehr auf das Wesen der Götter verweisen. Sie erinnern an herkömmliche Darstellungsformen von Personifikationen – gerade in dieser Analogie verdeutlicht sich der entscheidende Unterschied zu den italienischen Götterbildern: Diese entsprechen durch die narrativen Elemente formal zeitgenössischen allegorischen Darstellungen in Italien, die durch figurenreiche Kompositionen und Handlungszusammenhänge gekennzeichnet sind112. Die antike Götterwelt wird mittels einer konkreten Anschaulichkeit in den gegenwärtigen Lebenskosmos überführt, wobei der Literalsinn in den Vordergrund tritt. Die Götter können partiell als naturalisierte Allegorie erscheinen, wodurch sie von allegorischen Deutungsmustern losgelöst sind113.

112 113

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Vgl. BLUME, Ovid-Lektüren, Kap. V in diesem Band. S. dazu eingehend SMOUT, Die naturalisierte Allegorie 2019.

4. KATALOG DER GÖTTERBILDER UND ÜBERSICHT DER GÖTTERDARSTELLUNGEN

CAROLINE SMOUT

4. Katalog der Götterbilder (Treviso, Biblioteca Comunale, Ms. 344) und Übersicht der Götterdarstellungen Saturn (fol. 1v) Auf der vertikalen Mittelachse steht Saturn als alter Mann im Wasser, der als Herrscher des Universums eine Krone auf dem Haupt trägt. Während er in seiner rechten Hand eine Sense und eine Schlange hält, die sich selbst in den Schwanz beißt, fasst er mit seiner Linken eines seiner Kinder, um es mit aufgerissenem Mund zu verschlingen. Rechts von ihm stehen am Ufer seine Kinder Juno, Neptun und Pluto, während Jupiter vor ihm kniet und ihm die Genitalien abtrennt. Niedergeworfen liegen sie am Grund des Meeres, wobei aus ihnen eine kleine Figur entsteht – Venus. Zur Linken von Saturn ist seine Gattin Ops, die Erde, als Matrone zu sehen, die in ihrer rechten Hand als Zeichen der Fruchtbarkeit ein Gewächs hält. Zwei Figuren in kleinerem Maßstab, Menschen mithin, folgen ihr und wenden sich an sie, um Almosen von ihr zu empfangen. Jupiter (fol. 2r) In der linken Bildhälfte thront Jupiter als junger Mann auf einer Thronbank. Während er in seiner linken Hand ruhig das Zepter hält, schleudert er mit seiner erhobenen Rechten Pfeile auf die Giganten, die niedergestreckt vor der Thronbank liegen. Rechts im Bild fliegt ein Adler, dessen Gefieder wie Jupiters Gewand blau koloriert ist, in Richtung des thronenden Gottes und hält dabei in seinen Klauen den Knaben Ganymed. Mars (fol. 2v) Mars fährt in einem Wagen, der von zwei Pferden gezogen wird, durch eine karge Landschaft, in der sich rechts eine Felsformation auftürmt. Der behelmte Gott sitzt auf einer kunstvoll gearbeiteten Thronbank, die in den Wagen eingelassen ist. Während er in seiner rechten Hand eine Peitsche hält, um die Pferde anzutreiben, verweist er mit seiner erhobenen Linken auf den Wolf am Fuße des Berges, auf den sich der Wagen zubewegt. Apollo (fol. 3r) Im linken Bildvordergrund steht Apollo als nackter Jüngling auf einem Ungeheuer mit Schlangenkörper und drei Köpfen: dem eines Wolfes, Hundes und Löwen. Während er in seiner rechten Hand eine Laute hält, umfasst er mit seiner Linken einen Bogen; der mit Pfeilen gefüllte Köcher ist in der Armbeuge befestigt. Den Bogen richtet Apollo auf einen Drachen, Python, der ihm entfernt am rechten Bildrand gegenübersteht. Zugleich schaut der Gott auf die neun Musen114 in der Bildmitte, die sich an den Händen fassen und einen Chorreigen um einen Lorbeerbaum herum aufführen. Venus (fol. 3v) Hinter dem felsigen Meeresufer am linken Bildrand kommt die nackte Venus hervorgeschwommen. Sie trifft auf Vulcan, der vor ihr im Meer auftaucht und sie mit seiner rechten 114

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Der Miniator hat nur acht Frauenfiguren gezeichnet.

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

Hand am linken Arm umfasst – ikonographisch ist somit angedeutet, dass Venus Vulcan ›zur Ehe bestimmt‹115 ist. Textgetreu hält sie in ihrer Rechten eine Muschel, während über ihr Tauben fliegen, die Rosenblüten mit sich tragen. Über ihr erhebt sich am Ufer der geflügelte und blinde, mit einer Augenbinde versehene, Cupido, der mit seinem Bogen Pfeile auf Apollo geschossen hat. Apollo, wie in der vorausgehenden Miniatur als nackter Jüngling mit Laute dargestellt, bewegt sich im rechten Bildvordergrund aus der Szene hinaus und schaut über die Drei Grazien zurück. Als nackte junge Mädchen stehen sie im Meer, wobei zwei von ihnen Venus ihre Gesichter zuwenden, während die dritte ihr den Rücken zukehrt.

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Mercur (fol. 4r) Leicht aus der vertikalen Mittelachse nach links gerückt, steht Mercur in einer felsigen Landschaft mit einer geflügelten Haube auf dem Kopf. Während er mit seiner linken Hand einen Stab umfasst, hält er in seiner Rechten eine Sichel empor. Die Hirtenpfeife, die er dem Text zufolge ›an seinen Mund führte‹116, wusste der Maler wohl nicht mehr in den Händen des Gottes unterzubringen, so dass sie links von Merkur auf dem felsigen Untergrund abgelegt ist. Flankiert wird die Figur links von einem Hahn, rechts liegt der getötete Argus am Boden, dessen Haupt von Augen übersät ist. Diana (fol. 4v) Am linken Bildrand steht Diana vor felsigem Grund. In ihrer ausgestreckten Linken hält sie einen Bogen, mit dem sie soeben einen Pfeil auf zwei Hirsche abgeschossen hat, die rechts getroffen davonjagen. Nymphen, Dianas Gefolgschaft, schauen dem Geschehen zu und tanzen dabei einen Reigen. Auffällig ist, dass Diana ›Scharen von Wald-, Berg-, Quell- und Meeresnymphen […] zusammen mit Scharen gehörnter Satyrn‹117 umgeben. Der Zeichner hat die beiden Gruppen zu einer verschmolzen. Minerva (fol. 5r) Rechts von einem Olivenbaum, in dessen Krone eine Nachteule sitzt, steht die gerüstete Minerva: Mit ihrer rechten Hand fasst sie einen Speer, während sie mit ihrer Linken einen Schild emporhält, der das mit Schlangen versehene Gorgonenhaupt zeigt. Ihr Haupt, das einen Helm trägt, ist von einem Regenbogen umgeben. Juno (fol. 5r) Im Bildzentrum sitzt die bekrönte Juno auf einer Thronbank, die von einem kreisförmigen Regenbogen umfangen ist. Mit ihrer rechten Hand umfasst sie ein Zepter, mit der Linken hält sie ein nacktes Kind in ihrem Schoß. Zu ihren Füßen nähern sich ihr zwei Pfauen, die den Regenbogen überschreiten, um ihre Füße zu lecken, wie der Text besagt. Cybele (fol. 5v) Cybele fährt in einem Wagen, der von zwei Löwen gezogen wird, durch eine karge Landschaft, in der sich rechts eine Felsformation auftürmt. Die bekrönte Göttin sitzt unter ei115 116 117

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S. Bd. 2, III, De formis, 5. S. Bd. 2, III, De formis, 6. S. Bd. 2, III, De formis, 7.

4. KATALOG DER GÖTTERBILDER UND ÜBERSICHT DER GÖTTERDARSTELLUNGEN

nem Baldachin und hält einen Schlüssel in ihrer linken Hand. Zuseiten des Wagens ist je ein Hahn dargestellt. Vulcan (fol. 6r) Zwei Figuren, die sich innerhalb des Himmelskreises befinden, vertreiben Vulcan aus diesem: Sie bewerfen ihn mit Steinen und prügeln ihn mit einem Stock. Vulcan, dessen Flanke nur noch den äußersten Kreis tangiert, wendet sich zu den beiden Vertreibenden zurück. Mit einem Hammer, den er zum Schlag ausholend emporhält, versucht er sich zu wehren. Neptun (fol. 6r) Vom Ufer her schwimmt Neptun durch das Meer, mit einer Krone auf dem Haupt und einem Dreizack als Königszepter in Händen. Mit dem Dreizack zerschlägt er einen Felsen am Meeresgrund, aus dem ein Pferd hervorkommt. Als wesentliches ikonographisches Element der Beschreibung des Berchorius fehlen die Scharen von Tritonen, das heißt von Fischen, ›die Trompeten in ihrem Mund tragen‹118. Pan (fol. 6v) In der linken Bildhälfte läuft Pan in Richtung des linken Bildrandes und wendet dabei seinen Oberkörper zurück zu Amor. Dieser hat einen Pfeil auf ihn abgeschossen und ihn im Bauchraum verwundet. Der nackte Pan ist durch sein gehörntes Haupt, die Hirtenflöte, auf der er spielt, Ziegenfüße und seine Hüfte umkränzendes Laub gekennzeichnet. Pluto und Proserpina (fol. 6v und 7r) Pluto sitzt mit Krone und Zepter auf einer Thronbank, von der vier Flüsse entspringen. Mit seinen Füßen tritt er auf den dreiköpfigen Hund Cerberus, der niedergestreckt vor dem Thron liegt. Zu seiner Linken steht Proserpina, die ebenfalls eine Krone auf dem Haupt trägt und ihren Blick auf Pluto wendet. Nicht neben Pluto, wie der Text besagt, sondern gesondert in einem separaten Bildfeld sind die drei Furien dargestellt. Während die Häupter der beiden äußeren Furien durch je eine Schlange bekrönt sind, ist das Haar der mittleren durch zwei Schlangen gebildet. Durch unterschiedliche Gesten interagieren die Frauen untereinander: Die linke wendet sich mit erhobenem linken Arm den anderen zu, die mittlere weist mit ihrem rechten Zeigefinger auf den Boden, und die rechte hält geballt die Fäuste vor die Brust. Ebenfalls separiert sind die drei Parzen gezeigt, die interagieren: Während die erste an einer Spindel den Faden dreht, hält die zweite das Ende von diesem, und die dritte zerschneidet ihn mit einem Messer. Unter diesen sind schließlich wiederum in einem eigenen Bildfeld die drei Harpyien zu sehen, also Raubvögel mit Gesichtern von Jungfrauen. Bacchus (fol. 8r) In einer hügeligen Landschaft, die mit Bäumen geziert ist, reitet Bacchus, gekennzeichnet durch sein mit Weinlaub bekränztes und gehörntes Haupt, auf einem Drachen. Fliegend

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118 S. Bd. 2, III, De formis, 11.

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

trägt ihn der Drache, der zwei Köpfe, zwei Schwänze und zwei Flügelpaare hat, durch die Landschaft.

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Aesculap (fol. 8r) In der Bildmitte steht Aesculap in einer hügeligen Landschaft und hält in seiner linken Hand einen Stab, um den sich eine Schlange windet. Mit der Rechten fasst er sich ans Kinn seines leicht nach unten geneigten Hauptes – gemäß dem Text müsste er sich an seinen langen Bart fassen. Hercules (fol. 8v) Auf der vertikalen Mittelachse steht Hercules als Riese auf einem Löwen, der ausgestreckt am Boden liegt. Anders als in der Beschreibung des Berchorius, in der Hercules in ein Löwenfell gekleidet ist, trägt er eine antikische Rüstung mit zeitgenössischen Elementen: der Beckenhaube, dem langen Schwert sowie dem Streitkolben in seiner rechten Hand.

Übersicht der Götterdarstellungen Gotha, Forschungsbibliothek, Membr. I 98

Bergamo, Biblioteca Civica, Ms. Cassaforte 3.4

Treviso, Biblioteca Comunale, Ms. 344

Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Reg. lat. 1290

Saturn (fol. 1v) Jupiter (fol. 2r) Mars (fol. 2v) Apollo (fol. 3r) Venus (fol. 3v) Mercur (fol. 4r) Diana (fol. 4v) Minerva (fol. 5r) Juno (fol. 5v) Cybele (fol. 6r) Neptun (fol. 6r) Pan (fol. 6v) Bacchus (fol. 7r) Pluto (fol. 7r)

Saturn fehlt Jupiter fehlt Mars fehlt Apollo fehlt Venus fehlt Mercur (fol. 1v) Diana fehlt im Text Minerva (fol. 2v) Juno fehlt im Text Cybele (fol. 3r) Vulkan (fol. 4r) Neptun (fol. 4r) Pan (fol. 5r) Pluto und Prosperpina fehlt im Text Bacchus (fol. 7v) Aesculap (fol. 8r)

Saturn (fol. 1v) Jupiter (fol. 2r) Mars (fol. 2v) Apollo (fol. 3r) Venus (fol. 3v) Mercur (fol. 4r) Diana (fol. 4v) Minerva (fol. 5r) Juno (fol. 5r) Cybele (fol. 5v) Vulkan (fol. 6r) Neptun (fol. 6r) Pan (fol. 6v) Pluto und Proserpina (fol. 6v und 7r) Bacchus (fol. 8r) Aesculap (fol. 8r) Hercules (fol. 8v) Vanitas (fol. 8v)

Saturn (fol. 1r) Jupiter (fol. 1r) Mars (fol. 1v) Apollo (fol. 1v) Venus (fol. 2r) Mercur (fol. 2r) Diana (fol. 2v) Minerva (fol. 2v) Pan (fol. 3r) Pluto (fol. 3r) Juno (fol. 3v) Cybele (fol. 3v) Aeolus (fol. 4r) Janus (fol. 4r)

Vulcan (fol. 8v) Hercules (fol. 8v) Aesculap (fol. 8v)

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Vulcan (fol. 4v) Neptun (fol. 4v) Vesta (fol. 5r) Orpheus (fol. 5r) Bacchus (fol. 5v) Aesculap (fol. 5v) Perseus (fol. 5a)

4. KATALOG DER GÖTTERBILDER UND ÜBERSICHT DER GÖTTERDARSTELLUNGEN

Gotha, Forschungsbibliothek, Membr. I 98

Bergamo, Biblioteca Civica, Ms. Cassaforte 3.4

Treviso, Biblioteca Comunale, Ms. 344

Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Reg. lat. 1290 Hercules Kampf gegen die Kentauren (fol. 5a) Hercules Kampf gegen den nemëischen Löwen (fol. 5av) Befreiung der Alkestis durch Hercules (fol. 5av) Raub der hesperidischen Äpfel (fol. 6r) Hercules tötet die Hydra (fol. 6r) Hercules siegt über Achelous (fol. 6v) Hercules tötet Cacus (fol. 6v) Hercules tötet Diomedes (fol. 7r) Hercules tötet Antheus (fol. 7r) Hercules tötet den Kalydonischen Eber (fol. 7v) Hercules kämpft mit Gerion (fol. 7v) Hercules trägt den Himmel (fol. 8r) Ceres (fol. 8r)

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IV. DER KODEX IN BERGAMO UND DIE GÖTTERBILDER

Rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Reg. lat. 1480 Saturn (fol. 5r) Jupiter (fol. 28r) Juno (fol. 56r) Vulcan (fol. 72v) Pluto und Proserpina (fol. 117r) Minerva (fol. 133r) Diana (fol. 156r) Bacchus (fol. 176r) Hercules (fol. 199r) Venus (fol. 218v) Mercur (fol. 241r) Mars (fol. 263r) Apollo (fol. 290r)

Genf, Bibliothèque Municipal, Ms. fr. 176 Saturn (fol. 5r) Jupiter (fol. 28v) Juno (fol. 57r) Vulcan (fol. 73r) Pluto (fol. 117v)

Paris, Bibliothèque Nationale, fr. 373

Saturn (fol. 1r) Jupiter (fol. 24r) Juno (fol. 51r) Vulcan (fol. 67r) Pluto und Proserpina (fol. 105r) Minerva Minerva (fol. 134r) (fol. 126r) Diana (fol. 157r) Diana (fol. 149r) Bacchus Bacchus (fol. 177r) (fol. 166v) Hercules Hercules (fol. 201r) (fol. 189r) Venus (fol. 220r) Venus (fol. 207r) Mercur (fol. 243r) Mercur (fol. 229r) Mars (fol. 265v) Mars (fol. 251v) Apollo (fol. 292v) Apollo (fol. 277r)

London, British Library, Cotton Julius F VII

Oxford, Bodleian Library, MS. Rawlinson B. 214

Saturn (fol. 6r) Jupiter (fol. 6v) Mars (fol. 7r) Apollo (fol. 7v) Venus (fol. 8r)

Saturn (fol. 197v) Jupiter (fol. 197v) Mars (fol. 198r) Apollo (fol. 198r) Venus (fol. 198v)

Merkur (fol. 8v)

Vulcan (fol. 198v)

Diana (fol. 8v) Minerva (fol. 9r)

Mercur (fol. 198v) Diana (fol. 199r)

Minerva (fol. 199r) Juno (fol. 10r) Juno (fol. 199v) Vulcan (fol. 10v) Cybele (fol. 199v) Neptun (fol. 11r) Venus (fol. 200r) Pan (fol. 11r) Hercules (fol. 200r) Neptun (fol. 315v) Neptun (fol. 318r) Neptun (fol. 301r) Bacchus (fol. 12r) Aesculap (fol. 200r) Pan (fol. 353r) Pan (fol. 355r) Pluto (fol. 12v)

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Hercules (fol. 9v)

DIETER BLUME

V. OVID-LEKTÜREN – DER ANTIKE MYTHOS IN DER LAIENKULTUR DES 14. JAHRHUNDERTS Die intellektuelle Kultur in den Städten Oberitaliens und der Toskana in der Zeit um 1300 resultierte aus besonderen Bedingungen, die sich im Verlaufe des 13. Jahrhunderts herausgebildet hatten. Das beginnt schon damit, dass die grundlegende Ausbildung in den Grammatikschulen nicht in der Hand von Klerikern, sondern von Laien lag. Vor allem der wachsenden Gruppe der Notare boten sich damit weitere Verdienstmöglichkeiten. Den politischen Alltag in den Stadtrepubliken, in den all diese Akteure eingebunden waren, prägte zumeist der beständige Zwist zwischen den Parteiungen und führenden Familien. Vor diesem Hintergrund setzte eine Reflexion über Ethik ein sowie über Tugenden, welche der städtischen Gesellschaft und ihrer Ökonomie besser entsprachen. Von der höfischen Literatur aus Frankreich wurde das Idealbild des Rittertums transportiert, das auf Fragen der Ehre sowie der Loyalität zu einem Fürsten ausgerichtet war. Dagegen fand man in den Texten von Autoren der römischen Antike alternative Vorstellungen, welche dem Ausgleich der Interessen und dem Wohl der Gemeinschaft einen höheren Rang einräumten. Ebenso stieß man auf Positionen, welche die christliche Weltverachtung nicht teilten. Schließlich ging es auch um eine Rechtfertigung des Handels und eine positiven Bewertung des Wohlstandes, während die Kirche das Armutsideal und die Verdammung des Geldverleihs propagierte1. Albertanus von Brescia (1195–1253) kommt hierbei noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine Pionierrolle zu. Von prägendem Einfluss für die Diskussion waren dann Taddeo Alderotti (gest. 1295) in Bologna, Lovato Lovati (1241–1309) in Padua und Brunetto Latini (um 1225–1293) in Florenz2. Zentrale Bedeutung besaß die Auseinandersetzung mit den Schriften des Aristoteles, die jetzt in lateinischen Übersetzungen vorlagen. Taddeo Alderotti erstellte darüberhinaus eine Zusammenfassung der Nikomachischen Ethik in Volgare, die eine große Verbreitung fand3. Daraus entwickelte sich unter anderem eine

1 2 3

Teile dieses Artikels wurden in einer anderen Ordnung unter dem Titel ›Ovid-Lektüren oder der antike Mythos im Trecento‹ auch in den Frühmittelalterlichen Studien, Bd. 53, 2019, S. 261–286 publiziert. Zu diesen Zusammenhängen grundlegend WITT, Two Latin Cultures 2012, S. 359–380, 438–471; WITT, Footsteps 2000, S. 87–95. COCCIA – PIRON, Poésie 2008, S. 551–553 sowie WITT, Two Latin Cultures 2012, S. 448–457. GENTILI, Uomo aristotelico 2005, S. 27–55; GENTILI, Edizione dell’ Etica 2014.

177

V. OVID-LEKTÜREN – DER ANTIKE MYTHOS IN DER LAIEN KULTUR DES 14. JAHRHUNDERTS

differenziertere Sicht auf die komplexe Rolle der Gefühle und entscheidende Ansätze einer neuen Anthropologie4. Dieser Diskurs fand außerhalb der Orden sowie der Institutionen der Kirche statt und wurde von den Medizinern, Juristen und Notaren getragen, die in den Stadtstaaten ihr Auskommen fanden. Daraus ergab sich von vorne herein ein anderer Fragenhorizont. Ein überregionaler Austausch zwischen den einzelnen Zentren war für diese Diskussionen ausgesprochen förderlich. Er entwickelte sich schon deshalb, da viele dieser Intellektuellen ihre Tätigkeit im Laufe der Jahre an verschiedenen Orten ausüben mussten. Die häufig praktizierte Maßnahme der Verbannung politischer Gegner und das damit verbundene Exil beflügelte zusätzlich die Fluktuation von Schriften und Ideen5. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts entwickelten sich mit dem Königshof der Anjou in Neapel und dem Papsthof in Avignon zwei höfische Zentren, an denen sich aufgrund der besonderen Karrieremöglichkeiten viele Intellektuelle zumindest für eine gewisse Zeit aufhielten. Auch von den dort vorhandenen Bibliotheksbeständen ging ohne Frage eine Anziehungskraft aus. Diese Form beruflich oder politisch bedingter Wanderschaft mit der damit verbundenen Erweiterung des Horizontes gehört zu den besonderen Charakteristiken dieser intellektuellen Kultur. Einen besonderen Stellenwert nimmt auch die Beschäftigung mit Poesie ein. Das Verfassen von Gedichten war eine beliebte intellektuelle Übung, die nicht allein der Freude an den sprachlichen Gestaltungsmöglichkeiten diente, sondern mit der man unabhängig von universitären oder wissenschaftlichen Gepflogenheiten viele Dinge, die im gelehrten Diskurs nicht so ohne weiteres Platz hatten, und vor allen zahlreiche Aspekte der Gefühlswelt ansprechen konnte. Diese Verse wurden dann bei Zusammenkünften öffentlich vorgetragen und wohl auch diskutiert oder man schickte sich die Gedichte gegenseitig zu. In jedem Fall ist damit ein intensiver poetischer Diskurs verbunden und das ist ein weiteres Spezifikum, das die intellektuelle Kultur Oberitaliens nachhaltig prägte6. Vor diesem Hintergrund wächst dem Mythos eine andere Rolle zu und er geht eine enge Verbindung mit der Poesie ein. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts finden sich, beispielsweise bei Guittone d’ Arezzo, Verweise auf Figuren der antiken Mythologie, die eine Vergleichsebene eröffnen und die Intensität der angesprochenen Emotionen unterstreichen. So werden häufig die berühmten Liebenden der Antike, wie Paris und Helena, Narziss etc. aufgerufen. Im 14. Jahrhundert nimmt dieser Gebrauch des Mythos erheblich zu und schon durch die Vermehrung der exemplarischen Gestalten ergibt sich ein Zuwachs an Ausdrucksmöglichkeiten. Auch im Bereich der populären Lyrik und der Lieder kommt dies zur Anwendung und belegt die Zunahme einer zumindest oberflächlichen Kenntnis zahlreicher Mythen. Beliebt sind derartige Vergleiche auch in einem moralischen Kontext sowie zur lobenden Stilisierung von Herrschern oder Führungspersönlichkeiten. Es entstehen sehr bald mehr oder weniger feste Bedeutungsmuster, gewissermaßen ein spezifischer mythischer Code, der dann immer auch ein Brücke zur Gelehrsamkeit und zur Hochkultur

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178

Zu der auf Aristoteles basierenden Theorie der Emotionen bei Thomas von Aquin, ROSENWEIN, Generations of Feeling 2016, S. 144–168 mit weiterer Literatur. COCCIA – PIRON, Poésie 2008, S. 556–572; vgl. auch RICCIARDELLI, Confini e Bandi 2015. PICONE, Percorsi 2003, S. 33–104; SCHULZE, Amicitis vocalis 2004; GENTILI, Uomo aristotelico 2005; COCCIA – PIRON, Poésie 2008, S. 562–568; vgl. auch BLUME, Amor 2018.

1. METAMORPHOSEN BEI DANTE

schlägt7. Wichtig jedoch ist festzuhalten, dass sich hier ein Interesse manifestiert, das nicht dem historischen antiken Rom galt, sondern der so anders strukturierten, freizügigen Welt der Götter und Heroen in der römischen Poesie und insbesondere in den Metamorphosen Ovids. »For them, the ancient world existed as an emotional space, a domain of feeling«, wie RONALD G. WITT treffend formuliert hat8. Das verlieh diesen Gestalten und ihren unwahrscheinlichen Schicksalen eine besondere Faszination.

1. Metamorphosen bei Dante Vor diesem Hintergrund und auf dieser Grundlage entwickelt dann Dante Aligheri (1265– 1321) in der ›Commedia‹ einen erstaunlich vielfältigen und höchst intensiven Umgang mit den mythologischen Erzählungen Ovids und der anderen römischen Autoren. Dante schafft ein spezifisches Amalgam aus antikem Mythos und christlicher Heilsgeschichte und integriert zugleich auch eine Fülle an zeitgenössischem Wissen aus ganz verschiedenen Bereichen, etwa der Astronomie und Geographie, in seine Schilderung der jenseitigen Welt. Ab ca. 1306 schreibt er die Verse des ›Inferno‹; spätestens ab 1319 sind die beiden Bücher des ›Inferno‹ und ›Purgatorio‹ im Umlauf. Der antike Mythos ist dort allgegenwärtig9. Auch wenn Ovid, anders als Vergil und später Statius, nur einmal im Kreis der antiken Dichter im Limbo auftritt, ist die intensive Lektüre der Metamorphosen überall zu spüren. Das gesamte Personal der Hölle ist antik und entstammt größtenteils Ovid. Darüberhinaus durchzieht das Prinzip der Metamorphose die gesamte ›Commedia‹. Im Inferno geht es um körperliche Verwandlung als Strafe für die Sünder. Im siebten Kreis bei den Dieben und Räubern schildert Dante sogar eine beständige Verwandlung und eine Wesenstausch, der wie er stolz verkündet, alles übertrifft, was bei Ovid zu lesen ist10. Damit verdeutlicht er zugleich den grundsätzlich anderen Charakter jener Verwandlungen, die in der ›Commedia‹ stattfinden. Im ›Purgatorio‹ sind es innere Metamorphosen, der Wandel der Seele, der in vielen Varianten und mit zahlreichen Anspielungen auf Ovid zur Sprache kommt. Im ›Paradiso‹ geht es schließlich um das Überschreiten der irdischen und menschlichen Grenzen, um das trashumanar, wie er es nennt. Und an dieser Stelle vergleicht er sich bezeichnender Weise mit Glaucus, der bei Ovid durch den Genuss eines besonderen Krautes von einem menschlichen Fischer in einen Meeresgott verwandelt wurde11. Das Prinzip der Metamorphose wird auf vielfältige Art mit dem christlichen Weltbild und seinem Schöpfungsverständnis zusammengebracht. Aus dem reichen Fundus der Geschichten Ovids schöpft Dante immer wieder eingängige Analogien, um seinen ungewöhnlichen Erfahrun-

7 Zur Rolle des Mythos in der italienischen Poesie zusammenfassend GIANCOTTi, Poesia del Duecento 2005

und GIANCOTTI, Poesia del Trecento 2005. 8 WITT, Footsteps 2000, S. 171. 9 Dieses Thema ist mehrfach behandelt worden, so dass ich mich hier kurzfassen kann. Zusammenfassend

dazu MEIER-STAUBACH, Ovidio 2015 und PICONE, Dante Alighieri 2005. Ebenso CLAY, Metamorphosis 1999; STIERLE, Mythos 2007 sowie PICONE, Studi 2017, S. 165–321. 10 Dante, Inferno XXV, 97–99: Taccia di Cadmo e d’ Aretusa Ovidio; / chè se quello in serpente e quella in fonte / converte poetando, io non lo ’nvidio; ziitert nach Dante Alighieri, La Commedia, hg. von HARTMUT KÖHLER, Stuttgart 2010, S. 378. 11 Dante, Paradiso I, 67–72; Ovid, Metamorphosen XIII, 938–961.

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V. OVID-LEKTÜREN – DER ANTIKE MYTHOS IN DER LAIEN KULTUR DES 14. JAHRHUNDERTS

gen als Jenseits-Wanderer Ausdruck zu verleihen. Dahinter steht eine gründliche und sehr eigenständige Lektüre der Metamorphosen, die beständig nach Parallelen zur christlichen Welterfahrung sucht und dadurch diese zugleich in der antiken Poesie verankert. Hervorzuheben ist, dass die Erzählungen des Mythos bei Dante keine gesonderte Gruppe bilden, sondern ebenbürtig neben der Überlieferung der späteren Jahrhunderte stehen. Sie gehören allerdings zur irdischen Welt der Sinne und der menschlichen Erfahrung, da ihnen ja die metaphysische Komponente des christlichen Jenseits fehlt. Immer wieder liefert der Mythos eindrückliche Umschreibungen menschlichen Empfindens; hier entwickelt Dante jenes Verfahren des komparativen Verweises, das in der zeitgenössischen Dichtung so verbreitet war, in entscheidender Weise weiter. So wird die enorme Angst, welche das Autor-Ich im ›Inferno‹ beim Flug auf dem Rücken des Monsters Geryon erlebt, in ihrer außerordentlichen Größe durch zwei mythische Vergleiche ausgemalt. Sie wird sowohl der Angst des Phaethon im Angesicht des bedrohlichen Skorpions in der Reihe der Tierkreiszeichen gleichgestellt als auch dem Entsetzen des Ikarus, als dieser den unwiederbringlichen Verlust seiner Flügel realisiert12. Auch am Ende im ›Paradiso‹ während der Gottesvision wird die Aufhebung jeglicher Zeiterfahrung und das unfassbare Staunen gegen jenes göttliche Staunen Neptuns abgesetzt, als dieser den Schatten der Argo über sich hinweggleiten sah13. Kennzeichnend sind weiterhin die zahlreichen Verweise auf antike Heldenfiguren, die Dante in sein Epos einflicht. Odysseus, Iason und auch Orpheus dienen ihm zu einer figurativen Selbststilisierung seiner Person. Es sind Identifikationsfiguren, die zugleich den Rang seiner imaginären Reise angeben. Doch im Gegensatz zu den Heroen endet Dantes Fahrt nicht tragisch und so ist diesen Vergleichen immer auch ein Überbietungsgestus eingeschrieben. Die in der dichterischen Phantasie ausgestalteten Visionserfahrungen Dantes sind einerseits auf vielfältige Weise in der Aktualität verankert, nutzen jedoch andererseits den antiken Mythos um anthropologische Grunderfahrungen oder das Fremdartige, kaum Vorstellbare einer möglichst konkreten Anschauung zuzuführen. Zugleich dient der Mythos aber auch dazu einen Dialog mit den bewunderten Vertretern der antiken Dichtkunst zu eröffnen.

2. Petrarca und der Übermut Ovids Der junge Francesco Petrarca (1304–1374) ist in den Jahren 1312–1316 während seines Unterrichts bei Convenevolo da Prato (um 1275–1338), mithin zur gleichen Zeit, als Dante noch an der ›Commedia‹ arbeitet, in besonderem Maße fasziniert von dem Ungewöhnlichen, Phantastischen, das er bei Ovid findet. In einem Brief, den er im Alter schreibt und der von der Flüchtigkeit der Zeit handelt, spricht er ca. 1360 über die intensive Lektüre antiker Autoren in seiner Jugend: »Dies und Ähnliches las ich, nicht wie es in jenem Alter Brauch ist einzig nach Sprachlehre und Wortkunst eifernd, sondern dahinter immerhin etwas anderes, darin Unbekanntes vermutend, was weder meine Mitschüler, ja nicht einmal mein Lehrer (ein in den Anfangskünsten ge12 Dante, Inferno XVII, 106–114; Ovid, Metamorphosen II, 193–200 sowie VIII, 230–240. 13 Dante, Paradiso XXXIII, 94–96.

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2. PETRARCA UND DER ÜBERMUT OVIDS

schulter Mann) erwarteten. … Ich hörte auf Ovid, dessen Muse je übermütiger (lascivior) sie war, mir umso ernsthafter und gewichtiger erschien und ein unverdorbenes Zeugnis des Wahren war.«14 Er sucht in den Versen der antiken Dichter nach einem tieferen Sinn, der ihm völlig Unbekanntes erschließt. Seine Aussage zu Ovid spielt bewußt mit Gegensätzen und dreht die gewöhnliche Wahrnehmung um. Es ist gerade das Phantastische und Freizügige der Ovidschen Poesie, das für ihn den höchsten Wert besitzt und ihm als authentisches Zeugnis der Wahrheit gilt. Gerade im Spielerischen, Erotischen und Offenen liegt für ihn die besondere Faszinationskraft jener Poesie. Daraus resultierte eine lebenslange Beschäftigung mit den Metamorphosen und den dort geschilderten Mythen. Bereits während seines Studiums in Bologna 1320-26 erwarb Petrarca einen Kodex, der die ersten sechs Bücher der Metamorphosen enthielt. Die zahlreichen Annotationen von seiner Hand bezeugen die intensive Auseinandersetzung mit dem Hauptwerk Ovids15. In den ›Rerum vulgarium fragmenta‹, dem sogenannten ›Canzoniere‹, an dessen Zusammenstellung und Ordnung er von 1342 bis zu seinem Lebensende arbeitete, ist der antike Mythos omnipräsent. In zahlreichen Anspielungen und Verweisen werden die von Ovid erzählten Verwandlungsgeschichten aufgerufen. Die Auseinandersetzung mit diesem römischen Autor hat einen erheblichen Anteil an jener Konstruktion eines lyrischen Ichs, das wieder und wieder in seinem unerfüllten Begehren gefangen ist und das als Modell poetischer Selbstschöpfung bekanntlich von großem Einfluss war16. In einer Canzone, die er selbst als eines seiner frühesten Gedichte bezeichnet hat, vollzieht er um 1330 eine subjektive Anverwandlung der Metamorphosen, die er ganz auf das poetische Selbst und das ihn antreibende Begehren bezieht. Es handelt sich um die Canzone Nr. 23 ›Nel dolce tempo de la prima etade‹17. Mit acht Strophen von jeweils etwa zwanzig Versen ist es die längste Canzone der Sammlung. In einer lockeren, aber wohl überlegten Reihung werden elf Metamorphosen geschildert, die verschiedene Stadien des Liebesverlangens vor Augen führen. Mit Hilfe einer Frau verwandelt Amor das lyrische Ich in einen Lorbeerbaum und nimmt ihm so jegliche Beweglichkeit. (Vers 39–49) Dies ist eine kreative Umkehrung der Konstellation bei Ovid, wo die sich entziehende Geliebte zum immergrünen Lorbeer wird, mit dem Apoll sich dann schmückt. Hier wird der Liebende

14 Petrarca, Rerum familiarum liber XXIV, I 5–6: Hec et his similia legebam, non, ut mos etatis est illius, soli

inhians grammatice et verborum artificio, sed nescio quid aliud illic abditum intelligens, quod non modo condiscipuli sed nec magister attenderet, primitiarum licet artiu doctus vir. … Audiebam Ovidium, cuius quo lascivior Musa eo mihi severior graviorque confessio et incorruptus testimonium veri erat. FRANCESCO PETRARCA, Le Familiari, hg. von VITTORIO ROSSI, Florenz 1968, S. 214–215, Übersetzung (teilweise verändert) nach FRANCESCO PETRARCA, Familiaria, hg. von BERTHE WIDMER, Bd. 2, Buch  13–24, Berlin 2009, S. 646. Siehe auch WITT, Footsteps 2000, S. 234. 15 Es handelt sich um London, British Library Cod. Harleianus 3755; VECCE, Petrarca 2005, S. 186. 16 KABLITZ, Laura und die alten Mythen 2003 sowie NOYER-WEIDNER, Mythologieverwendung 1986. Generell zu den ›Rerum vulgarium fragmenta‹ STIERLE, Petrarca 2003, S. 475–660. 17 Francesco Petrarca, Canzoniere, hg. von MARCO SANTAGATA, Mailand 2010, S. 96–100, Kommentar S. 101– 123; deutsche Übertragung von KARLHEINZ STIERLE, Petrarca, Ich bin im Sommer Eis 2004, S. 18–31. Petrarca hat diese Canzone mehrfach überarbeitet und 1351 in einer endgültigen Fassung abgeschrieben, doch kursierte sie wohl schon seit den 1330iger Jahren, zu den Phasen DUTSCHKE, Canzone XXIII 1977. Zur Interpretation STIERLE, Metamorphosen des Mythos 1991 sowie FÖCKING, Petrarcas Metamorphosen 2000. Beide Aufsätze sind für meine Ausführungen grundlegend.

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selbst zum Baum, der seine Blätter auch im Winter bewahrt, da er von seiner Liebe nicht lassen kann. Es ist der Dichterstatus, der hier aufgerufen wird und dem eine schmerzhafte Verwandlung durch die Liebe vorausgehen muss. Daraus entwickelt sich unmittelbar eine weitere Metamorphose. Weiße Federn bedecken ihn, da er Farbe und Stimme eines Schwans angenommen hat und so dem Cygnus gleicht, der um Phaethon trauert. Seine Stimme kann jetzt nicht mehr schweigen und sein Gesang nicht enden. (Vers 50-60)18. Das eigentliche Thema dieser Canzone ist im Grunde die Poesie. Der singende Schwan ist ein Bild des Dichters, der auf weiße Blätter mit der Feder schreibt. Die Frau jedoch entnimmt das Herz seiner Brust und gebietet ihm Schweigen. So macht sie ihn zu einem lebenden und entsetzten Stein. (Vers 72–80) Es ereilt ihn das Schicksal des Battus, der sein versprochenes Schweigen gebrochen hat und den Merkur in einen harten Stein verwandelte19. Da Petrarca nun die lebendige Stimme verboten ist, schreit er mit Tinte und Papier. (Vers 98–100) Konsequenter Weise folgt auf die verbotenen, aber vergeblichen Liebesbekundungen wie bei Byblis ein Tränenstrom und die Transformation in eine einsame Quelle am Fuße eines Baumes.20 (Vers 101–120) Mit der Frage »Wer hörte je von einem Menschen, der zu einer Quelle wurde?« benennt er selbst den irrealen, rein fiktiven Charakter seiner Metaphern, fügt aber sogleich an, dass er von wohlbekannten Dingen spricht21. Aus Mitleid erhält der Dichter seine menschliche Gestalt zurück, doch redet er weiter von der Liebe und so werden seine Knochen zu Stein und nur die Stimme bleibt ihm, welche aber nur noch den Tod und ihren Namen zu rufen vermag. (Vers 132–140) Wie Echo, die von Narziß zurückgewiesen wurde, bleibt ihm nur eine körperlose Stimme, die sich nicht mehr richtig mitteilen kann22. Erneut kann er in seinen Körper zurückkehren, doch in einer weiteren Steigerung geht es jetzt nicht mehr um das Sprechen, sondern um das Sehen. Er folgt seinem Verlangen und erblickt seine Geliebte als schönes und grausames Wild nackt in einer Quelle. Kein anderer Anblick verschafft ihm Erfüllung und so bleibt er schauend stehen. Sie spritzt ihm Wasser ins Gesicht und er verwandelt sich in einen einsamen Hirsch, der durch die Wälder irrt. Seitdem flieht er dem wilden Ansturm seiner Hunde23. (Vers 147–160) So gleicht er Actaeon, doch lässt Petrarca das tödliche Ende fort und verlängert stattdessen die Hatz in eine offene Zukunft. Gemeint sind offensichtlich die Gefühle und das Begehren, die ihn seither jagen24. Diese Metamorphose wird ausführlicher geschildert als alle Vorausgegangenen und ist der Höhepunkt der gesamten Canzone. Erneut insistiert er hier darauf, daß er die Wahrheit spricht, auch wenn es wie eine Lüge erscheint. (Vers 156) Vgl. Ovid, Metamorphosen II, 367–380; zu Daphne ebd. I, 452–567. Ebd. II, 687–703. Ebd. IX, 649–665. Petrarca, Canzone XXIII, Vers 119–120: Chi udì mai d’ uom vero nascer fonte? / E parlo cose manifeste et conte. 22 Ovid, Metamorphosen III, 393–401. 23 Petrarca, Canzone XXIII, Vers 156–160: Vero dirò (forse e’ parrà menzongna) / ch’i’ sentì’ trarmi de la propia imago, / et in u cervo solitario et vago / di selva in selva ratto mi trasformo: / et anchor de’ miei can’ fuggo lo stormo. 24 Eine Variation findet sich im Canzoniere Nr. 209. Dort vergleicht sich der Dichter mit einem durch einen Pfeil verwundeten Hirschen, der vergeblich seinem Schmerz zu entkommen versucht. Zu Actaeon siehe OVID, Metamorphosen III, 131–512. 18 19 20 21

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2. PETRARCA UND DER ÜBERMUT OVIDS

Es folgt noch als congèdo eine letzte kürzere Strophe, in der die Canzone direkt angesprochen und somit als Dialogpartner des Autors verstanden wird. Mit knappen Anspielungen auf Liebschaften Jupiters offenbart das Lyrische Ich, dass seine wahre Bestimmung in der Poesie liegt25. Der Dichter sieht sich als Flamme, die durch einen schönen Blick entzündet wurde. Wie ein Vogel hebt er mit seinen Versen die Angebetete gleich Ganymed in die höchsten Höhen. Der Lorbeer, der ersten Verwandlung aber ist ihm geblieben und dessen süßer Schatten treibt ihm jedes andere Vergnügen aus dem Herzen. (Vers 161–169) Die dichte und ausgesprochen dynamische Abfolge von Metamorphosen läuft auf eine Reflexion über die Poesie und den Dichteruhm hinaus. Das Begehren und das Dichten sind für Petrarca auf das Engste miteinander verwoben. Die Poesie erwächst aus dem Liebesverlangen und lässt sich durch kein noch so hartes Schweigegebot unterbinden. Leiden, Einsamkeit und Unverständnis nimmt der Dichter dafür in Kauf, da er nur so den süßen Schatten des Ruhmes gewinnen kann. In den Verwandlungen, welche der liebende Poet durchlaufen muss, werden alle Erscheinungsformen der Natur aufgerufen. Das Spektrum reicht vom anorganischen Stein über fließendes Wasser zu Pflanzen und Tieren bis hin zum körperlosen Laut. In jedweder Form wird die Natur für Petrarca zu einem Projektionsraum seines inneren Selbst. Dabei entfaltet er eine wohl überlegte Abfolge, um unterschiedliche Phasen des Liebesbegehrens vorzuführen. Zu Beginn nimmt ihm der Lorbeerbaum die Beweglichkeit, er ist gebannt von dem Blick der Geliebten. Es folgt mit dem Schwan das andauernde Klagen und Besingen der Liebe. Dem steht mit dem Stein das Verstummen gegenüber, das durch das Schreiben von Gedichten überbrückt wird. Die unerfüllte Liebe macht ihn einsam wie eine Quelle im Wald und schließlich vermag er sich wie Echo auch nicht mehr mittzuteilen. Der ersehnte Anblick der nackten Geliebten löst am Ende einen Ansturm der Gefühle aus, der seither nicht mehr zu bändigen ist. Die von Ovid geschilderten Metamorphosen werden als Wandlungen des liebenden Ichs verstanden und veranschaulichen den wechselnden Gefühlszustand seines Begehrens. Wir haben es mit einer ausgesprochen subjektiven Ovid-Lektüre zu tun, welche die dort beschriebenen Emotionen in einen neuen, persönlichen Zusammenhang stellt. Dabei wird der Rahmen der älteren Liebeslyrik bewusst gewahrt, doch werden die Motive mit Hilfe des antiken Mythos völlig neu gefasst und mit einer gesteigerten Intensität versehen. Die Identifikation mit den Gestalten des Mythos ermöglicht Petrarca eine neuartige Reflexion über den Gefühlshaushalt des liebenden Ichs. Die Mythen Ovids sind für ihn ein Modell poetischer Subjektivität und dabei ist es gerade die Instabilität der Grenzen zwischen Identität und Begehren, die hier zum Thema wird26. Zugleich vermag der Dichter, die grundlegende Unzulänglichkeit der Sprache angesichts der Macht und Unbestimmtheit der Gefühle mit Hilfe des Mythos zumindest tendenziell zu überbrücken.27 Der Mythos dient Petrarca als Mittel der Selbsterfahrung und ermöglicht eine innere Reflexion, die zwar an einem fiktiven und konstruierten Ich vorgenommen wird, aber dennoch eine neue Qualität gewinnt.

25 Die Anspielungen betreffen den Goldregen bei Danae (Ovid, Metamorphosen IV, 610–611), die Flamme bei

Aegina (ebd. VII, 615–618) und den Adler bei Ganymed (ebd. X, 155–161), vgl. auch ebd. VI, 113, wo Danae und Aegina als Motive von Arachnes Bildteppich erwähnt sind. 26 Vgl. dazu FRECCERO, Ovidian Subjectivism 2001. 27 Zur Sprachkritik bei Petrarca vgl. SCHWARZE, Unsagbare Augen-Blicke 2005, S. 117–119.

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V. OVID-LEKTÜREN – DER ANTIKE MYTHOS IN DER LAIEN KULTUR DES 14. JAHRHUNDERTS

3. Paolo da Perugia und die Ordnung im Mythos Zur gleichen Zeit, aber an einem ganz anderen Schauplatz, am Hof von König Robert von Anjou (geb. 1278, 1309–1343) in Neapel wird erstmalig ein systematischer Ansatz versucht, der sämtliche Gestalten des antiken Mythos in eine alles umfassende Ordnung bringen möchte und damit alle früheren mythographischen Kompendien weit hinter sich läßt. Die Interessen sind hier ganz anders gelagert als bei dem jungen Petrarca. Es geht nicht um das Sichtbarwerden von Emotionen, sondern um Kosmologie, Geschichte und erfahrbare Wirklichkeit. Paolo da Perugia war ab 1324 bis zu seinem Tod 1348 für den König tätig. Giovanni Boccaccio (1313–1375), der bei ihm studiert hat, berichtet, dass er Leiter der königlichen Bibliothek gewesen ist. Eine Freundschaft verband ihn mit Barlaam von Cesarea aus Kalabrien, mit dessen Hilfe er auch griechische Texte auswerten konnte. Sein Hauptwerk, der ›Liber Collectiones‹, war als ein mythologisch, historisches Kompendium angelegt; doch ist es, wie schon Boccaccio bedauert, verloren28. Inwieweit es auch allegorische Deutungen enthielt, wissen wir nicht. Überliefert ist hingegen eine Art Kurzfassung, von der sich eine Abschrift im sogenannten ›Zibaldone‹ des Giovanni Boccaccio findet29. Interessanter noch ist aber eine illustrierte Neapolitaner Handschrift, die um 1374 möglicherweise für die Königin Giovanna I. von Anjou entstand und offensichtlich eine ältere Vorlage kopiert30. Der Mythos ist hier genealogisch geordnet und wird als eine historische Abfolge von Herrschern und ihren Nachkommen präsentiert. Dies geschieht aber nicht in einem fortlaufenden Text, sondern mit Hilfe von figürlichen Diagrammen, welche die verwandtschaftlichen Beziehungen graphisch darstellen. Dadurch entsteht eine bildhafte Ordnungsstruktur, welche den Mythos systematisch zu erschließen versucht. Kurze Textpassagen erläutern dabei die einzelnen Kreismedaillons. Das grundlegende Prinzip ist die Genealogie, die historische Abfolge von Generationen, welche mit Hilfe der Diagramme anschaulich werden soll. Paolo da Perugia konzipiert sechs große Schautafeln, in denen die Texte ganz auf die Bilder zugeschnitten sind und nur als erläuternde Beischriften auftreten. Die Hauptquellen sind auch hier die Metamorphosen sowie die Fasti des Ovid; doch wird die Kenntnis des Mythos im Grunde vorausgesetzt. Es manifestiert sich in starkem Maße ein kosmologisches bzw. naturmythologisches Interesse, das den Mythos mit der Wirklichkeit der Welt in Zusammenhang bringt. Allegorische Deutungen spielen nur eine untergeordnete Rolle.

28 Boccaccio, Genealogie Deorum Gentilium XIV, 6, 8, S. 1532–1534. Siehe auch SCHWERTSIK, Erschaffung

2014, S. 207–213. 29 Die Abschrift des Boccaccio ist allerdings nicht vollständig. Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale, Ms.

Banco Rari 50; dazu PICONE – BÉRARD, Gli Zibaldoni di Boccaccio 1998, insbesondere HANKEY, ebd., S. 81– 94. 30 London, British Library, Cod. Add. 57529, Maße 43 × 30 cm. Zu dieser Handschrift grundlegend, mit einer Edition des Textes, HANKEY, Un nuovo Codice 1989; vgl. auch HANKEY, La Genealogia Deorum 1998. HANKEY diskutiert auch ältere genealogisch ausgerichtete Erläuterungen des antiken Mythos, auf denen Paolo da Perugia aufbaute. Im Anschluß an den mythologischen Teil folgt in der Londoner Handschrift ab Fol. 7r eine knappe Chronik der römischen und jüdischen Geschichte sowie eine Folge der Päpste und Kaiser. Am Schluss stehen Stammbäume der Anjou und Durazzo bis hin zu Giovanna I. d’ Anjou und Karl Martell. Der letzte Eintrag nennt Papst Gregor XI. (1370–1378) und die Jahreszahl 1374. Zu Giovanna I. d’ Anjou, die zwischen 1366 und 1378 ihre erfolgreichste Zeit hatte, KIESEWETTER, Giovanna I. d’ Anjou 2001.

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3. PAOLO DA PERUGIA UND DIE ORDNUNG IM MYTHOR

Ein Teil dieses Materials wird auch von dem Franziskaner Paolino da Venezia (gest. 1344) benutzt, der ab 1324 Bischof von Pozzuoli und Berater Robert von Anjous gewesen ist. Er stand im engen Austausch mit Paolo da Perugia und verfasste in den zwanziger Jahren eine Universalchronik, die er in Tabellenform organisierte und mit zahlreichen Zeichnungen versah. Er integrierte auch Kartenmaterial und einen Teil jener mythologischen Diagramme des Paolo da Perugia31. Die Frage wer von den beiden Paolos diese Schemata eigentlich entwickelte, erübrigt sich angesichts der engen Kontakte. Doch belegt dies zugleich, dass die graphischen Schemata bereits in den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts entworfen wurden. Selbst in der späteren Londoner Abschrift sind die Schautafeln noch von 1 bis  6 durchnummeriert. Im Grunde erfordern diese aber ein sehr viel größeres Format als es in einem Buch möglich ist, um sie vor einem Publikum aufzuhängen und zu erläutern. Die erste dieser Schautafeln (Fol. 2r) beginnt mit einem Zitat aus den Metamorphosen zum ursprünglichen Chaos und zeigt die Büste des doppelköpfigen Janus32. In der Mitte aber thront Tellus, die Göttin der Erde, mit ihrem Mann Demogorgon, umgeben von den drei Parzen und den Unterweltsflüssen. Das Wasser, welches aus ihren Gefäßen fließt, fasst diese zentrale Gruppe ein, die als eine erste Kernfamilie begriffen wird. Durch die Hinzufügung der Höllenpforte mit Cerberus sowie des Charon, welcher die Seelen in seinem Kahn transportiert, entsteht zugleich ein vollständiges Unterweltspanorama. Von Acheron, dem ersten dieser Flüsse, stammen dann Cerberus, die Furien und auch Ascalaphus ab, der später in einen Uhu verwandelt wird, den er im Bild im Arm hält und der ein weiteres Mal neben ihm zu sehen ist33. Das Schaubild setzt sich nahtlos auf der Versoseite fort, wodurch im Manuskript die Zusammenhänge nicht sofort ersichtlich sind. Hier ist Celius, der Himmel die zentrale Gestalt, der über Orion von Tellus abstammt. Er zeugte Oceanos, der noch auf Vorderseite zu sehen ist und neben dem die vierzehn damals bekannten Meere aufgelistet sind. Dieser schuf dann mit seiner Gattin Thetis den Nereus und zahlreiche weitere Meerwesen. Von Celius stammen gleichfalls eine große Zahl von Titanen ab. Am Ende dieser Linie stehen unter anderen Medusa und Scylla, die jeweils in charakteristischer Mischgestalt mit Schlangenhaar bzw. dem Unterleib eines Hundes gezeigt werden. Auf ihr Schicksal wird in den Beischriften kurz verweisen. Auch Aurora stammt von den Söhnen des Celius ab und gebiert ihrerseits die Winde, die sie kreisförmig umringen und von denen wiederum Zephyr durch Beischlaf mit Flora verbunden ist. Die beiden Seiten bilden ein einziges zusammenhängendes Diagramm, das die Entstehung der Welt und der ersten Götter vorführt. Die Erde mit der Unterwelt steht am Anfang. Der Himmel kommt hinzu, der wiederum Oceanos und die Meere sowie die zahlreichen Titanen erzeugt. Mit Aurora und den Winden wird auch die Verbindung zu den Tages- und Jahreszeiten geschaffen. Es handelt sich um ein mythologisches Schöpfungspanorama, das die Aufmerksamkeit auf die Bezüge zwischen Kosmologie und Götterwelt lenken soll. In

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zuletzt MICHALSKY, Grata pictura, 2015; DEGENHART-SCHMITT, Marino Sanudo und Paolino Veneto 1973; HEULLART-DONAT, Entre dans l’Histoire 1993; SCHWERTSIK, Erschaffung 2014, S. 256–267. 32 Ovid, Metamorphosen I, 5–7. 33 Die Verwandlung ist die Strafe für den Verrat von Proserpina, die aus Unachtsamkeit ein wenig Unterweltsspeise gegessen hat und deshalb nicht dauerhaft zur Erde zurückkehren kann, siehe Ovid, Metamorphosen V, 538–550.

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den Beischriften wird auf die Mythen bekannterer Gestalten zumeist durch Ovid-Zitate verwiesen. Doch die Kenntnis dieser Geschichten wird hier vorausgesetzt; es geht vielmehr um eine systematische Ordnung, welche die zahllosen Leseeindrücke strukturieren soll. Auf der zweiten Schautafel (Fol. 3r) treten dann die bekannten antiken Götter auf. Ausgangspunkt ist natürlich Saturn, der gemeinsam mit der Göttermutter Cybele im Zentrum steht. Neptun erhält mit seinen diversen Liebschaften ein eigenes Kreisdiagramm. Die Tiergestalten, die er dafür annahm, stehen jeweils den schönen Mädchen gegenüber. Als Nachkommen werden ebenfalls der Kentaur Chiron, Pluto und Juno am unteren Rand der Seite gezeigt. Juno ist mit hochgezogenem Kleid unmittelbar nach der Geburt des Vulcan zu sehen, das Neugeborene liegt vor ihren Füßen34. Oberhalb davon erhält sie einen eigenen Kreis für ihre Beziehung mit Ixion, aus der die Kentauren hervorgingen. Die Wolke, in der sie sich dabei verbarg, trennt wie eine Art Vorhang die beiden Liebespartner. Während Ixion nach ihrem Arm greift, holt Juno mit der anderen Hand die Wolke herbei. Die verschiedenen Metamorphosen, von denen Ovid so eindrücklich erzählt, haben hier also auch Eingang in die Bildgestalt gefunden. Auf der Versoseite folgt als weiteres Kind der Iuno Mars mit seinen Nachkommen. Daneben werden die Taten des Theseus in einem Diagramm vorgeführt und eine Abstammungslinie des Saturn fortgesetzt, die bis zu Lavinia, der Frau des Aeneas führt. Weiterhin sehen wir Pan als mischgestaltigen Gott der Hirten, dessen Herkunft aber nicht weiter erläutert wird. Doch kommt der Mythos von Syrinx zur Sprache und es wird sein Kampf mit Cupido gezeigt35. Jupiter mit seinen zahlreichen Liebschaften bekommt eine eigene Schautafel. (Fol. 4r–v) Seine thronende Gestalt ist umgeben von Kreismedaillons, die seine Affären und die daraus entstandenen Kinder zeigen. Wir sehen Danae und Perseus, Alkmene und Hercules sowie Semele und Bacchus. Mit Juno zeugt er Vulcan, mit Venus Cupido sowie Iocus, als Sinnbild der Freude, der als Lautenspieler auftritt. Aus der Vereinigung mit einer Nymphe gehen die drei Grazien hervor. Wieder geht der Maler auf die unterschiedlichen Verwandlungen ein, die Jupiter nutzte, um sich seinen Geliebten zu nähern. Möglicher Weise angeregt durch die erotischen Verse Ovids wird der Sexualverkehr in großer Deutlichkeit vorgeführt. Fast alle Frauen haben ihre Scham entblößt und häufig wird der Geschlechtsverkehr offen dargestellt. Das Sexuelle als Treibkraft des mythologischen Geschehens bekommt bei Paolo da Perugia ein großes Gewicht. Damit wird hier im Mythos etwas verhandelt, was sonst nicht in dieser Weise zur Sprache beziehungsweise ins Bild kommt. Auf der folgenden Seite setzen sich die Liebesabenteuer fort, wobei jetzt die Partnerinnen wohl geordnet in einer Reihe stehen. Eine eigenständige Linie führt zu dem Gründer und den Königen Trojas, die auf den folgenden Seiten über Aeneas bis zu Romulus und Remus fortgeführt wird, die als gerüstete Ritter zu Pferd gezeigt werden. Auf der vierten Schautafel geht es vor allem um die Musen, welche Jupiter mit Memoria zeugte. (Fol. 5r) Sie umstehen kreisförmig die Quelle der Weisheit, aus der sie gemeinsam

34 Der beigefügte Text erläutert, dass sie ihre Vulva durchstieß, nachdem Jupiter aus dem Scheitel seines

Kopfes Pallas gebar; HANKEY, Nuovo Codice 1989, S. 98: Iuno dolens Iovem de quacione capitis Palladem genuisse percussit vulvam. Vgl. Berchorius, Metamorphoses IV, 2 sowie die Miniatur im Kodex aus Gotha fol. 21r; s. S. 127. 35 HANKEY, Nuovo Codice 1989, S. 101: Cupido luctatus est cum Pane deo pastorum.

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3. PAOLO DA PERUGIA UND DIE ORDNUNG IM MYTHOR

Wasser schöpfen. Die Büste von Pegasus bildet hierbei den Mittelpunkt. Von Lorbeer umkränzte Medaillons, in denen die Büsten der bekanntesten Dichter der Antike zu sehen sind, umgeben den Reigen der Musen. In einem äußeren Ring sind auch noch die zeitgenössischen Dichter Dante Aligheri, Zanobio da Strada und Francesco Petrarca hinzugefügt. Von diesen dreien wird aber allein Petrarca mit einem Bildnis und einer Aufzählung seiner Werke geehrt36. Der Verbindung von Mythos und Poesie, welche im Denken der Zeit eine so große Rolle spielte, widmet Paolo da Perugia eine eigenes, sehr aufwendig gestaltetes Diagramm, das auch von Paolino da Venezia übernommen wurde. Die Versoseite ist drei wichtigen Göttern gewidmet, die Jupiter gezeugt hat. Am Prominentesten ist Sol platziert, der von seinen Nachkommen und Liebschaften umgeben ist. Der Kreis von Diana hingegen ist deutlich kleiner und als keusche Göttin ist sie kinderlos geblieben37. Auch Aeolus, der König der Winde, wie er hier genannt wird, gehört dazu und von ihm ist ebenfalls eine reiche Nachkommenschaft verzeichnet. Mit der Sonne, dem Mond und den Winden sind hier Gottheiten zusammengestellt, die Naturphänomene vertreten. Von daher scheint in dieser Anordnung ebenfalls eine naturmythologische Interpretation des antiken Pantheons auf. Eine letzte Seite widmet sich vor allem Hercules. (Fol. 6r) Das große Medaillon mit dem Heroen ist von 25 Kreisen gerahmt, in denen seine Heldentaten gezeigt werden. Das reicht von der Erwürgung der Schlangen im Kindsbett bis zur Errichtung der Säulen am westlichen Rand der Welt und seinem Feuertod. Auch wenn im Text behauptet wird, dass die Informationen aus verschiedenen Autoren zusammengetragen wurden, stützt sich Paolo hier hauptsächlich auf die Rede des sterbenden Helden in den Metamorphosen des Ovid.38. Den Abschluss bilden dann Schemata, welche den Mythos mit der Geographie verbinden. Eines zeigt die sechs größten Flüsse der Erde. Die nackten Flussgötter werden als stehende Gestalten vorgeführt, die aus einem großen Gefäß, das sie zumeist auf ihrer Schulter halten, Wasser ausgießen. Sie gleichen damit dem Sternbild des Wassermanns. Nur der Nil ist mit einer turbanartigen Kopfbedeckung zusätzlich regional gekennzeichnet. Daneben steht ein Verzeichnis der 36 wichtigsten Berge, das vom dem ungleich größeren Parnass dominiert wird. Die Beischrift erläutert, dass auf seinen beiden Gipfeln zwei Städte liegen, in denen sich Standbilder (simulacrum) von Bacchus und Apoll befinden39. Der Maler zeigt deshalb die beiden Götter, die in Übergröße oben auf dem Berg sitzen. Sie sind nur mit einem Umhang bekleidet; Bacchus hält Weinpflanzen empor, während Apoll auf der Leier spielt. Sie werden also als antikische Figuren mit unbekleideten Körpern vorgeführt. Zusätzlich zur geographischen Information verweisen die Attribute auch darauf, dass Wein

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36 HANKEY, Nuovo Codice 1989, S. 109: Composuit librum bucolicorum et de casu illustrium virorum et librum

Africe, Epistolarum. Zanobio da Strada (1312–1361) war von 1349 bis 1355 königlicher Sekretär in Neapel. Petrarca wurde 1341 in Rom von Robert Anjou zum Dichter gekrönt. Von daher mag diese Ergänzung auch erst bei Erstellung der Abschrift um 1374 erfolgt sein. 37 Sie wird folgendermaßen erklärt, HANKEY, Nuovo Codice 1989, S. 113: Dyana dicitur quasi duana, eo quod die ac nocte apparet. Hec etiam triformis dicitur, per tria eius nomina, Dyana, Luna, Proserpina, Pheba, Trivia etc. 38 Ovid, Metamorphosen IX, 182–199. 39 HANKEY, Nuovo Codice 1989, S. 118: Parnassus mons est inter Thebanos et Athenienses duo habens cacumina, eliconem et Citherone. In isits duobus cacuminibus sunt due civitates … in citherone monte est civitas Nisa in qua est simulacrum Bachi. In elicone est Cirra civitas in qua est simulacrum Apollinis.

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und Musik stets mit der Poesie verbunden sind. So werden hier ganz unterschiedliche Wissensbereiche mit Hilfe des Mythos verknüpft. Die Bildgestalt der antiken Götter, die uns auf diesen Schautafeln begegnet, ist von Paolo da Perugia mit Bedacht konzipiert worden. Er ist sichtlich bemüht eine stringente Ikonographie des heidnischen Pantheons zu entwerfen, die mit den Informationen aus den Texten ebenso zusammengeht wie mit bereits etablierten Traditionen. Für die Hauptgötter, welche auch als Planeten fungieren, übernimmt er Konventionen astrologischer Darstellungen, bei denen sich seit der Zeit um 1300 ein feste Ikonographie herausgebildet hat40. So ist Saturn ein Gott des Ackerbaus, der mit Sichel und Heugabel in einem Kornfeld steht und sich mit einem Strohhut gegen die Sonne schützt. Jupiter begegnet uns als thronender König mit Sphaera und Mars als ein gerüsteter Krieger. Apoll wird als Sol bezeichnet und steht frontal in seinem Viergespann; sein Gesicht ist von der Sonnenscheibe überstrahlt. Venus ist eine bekleidete Frau, die ihre Schönheit im Spiegel betrachtet. Merkur hingegen ist nicht wie in den astrologischen Programmen der schreibende Gelehrte, sondern tritt als geflügelte Gestalt auf, die an den Waden weitere Flügel besitzt; der Stab sowie ein Zeigegestus weisen ihn als Boten aus. Der Maler folgt hier sehr genau den mythographischen Informationen. Diana oder Luna watet nackt mit ausgebreiten Armen durch Wasser; ein Strahlenkranz umgibt ihr Haupt und kennzeichnet sie als Himmelsgestirn. Strahlenkranz und Wasser gehören auch zur astrologischen Ikonographie des Mondes, doch mag hier auch die Erinnerung an das Bad der Diana eine Rolle spielen, das von Actaeon beobachtet wurde. Pluto gleicht einer Teufelsgestalt und steht gleichfalls frontal in seinem vierspännigen Wagen. Oceanos und Neptun sind Mischwesen mit doppeltem Fischschwanz. Bacchus weist zwei Weinkaraffen vor, in denen zusätzlich Weinranken stecken. Auf dem Gipfel des Parnass aber ist er nackt bis auf einen Umhang und hält nur Weinranken in den Händen. Auf dem benachbarten Gipfel sitzt der gleichfalls nackte Apoll und spielt eine Leier. Vulcan ist selbstverständlich ein Schmied am Amboss; aus seinem kahlen Schädel entwachsen zwei Hörner und Tierohren. Pan wiederum kommt seiner antiken Gestalt recht nahe. Er ist behaart, hat Hörner sowie Tierohren und spielt eine Flöte. Cupido hingegen folgt der seit dem späten 13. Jahrhundert etablierten Ikonographie, die ihn als geflügelten Jüngling mit Augenbinde zeigt. Die verbreiteten Vogelkrallen fehlen hier, da es dafür keinen Rückhalt in den antiken Texten gibt41. Auch Minerva, die auf fol. 5r dem Kopf Jupiters entsteigt, trägt, wie erforderlich, Helm, Schild und Speer. Kein Detail ist bei diesen Bildern dem Zufall überlassen worden, sondern es sind offenbar sorgfältig die Informationen der Texte mit den überlieferten Darstellungen abgeglichen worden. Die Verbindung zur Astrologie dürfte den Interessen des Paolo da Perugia ohnehin entgegen gekommen sein. Wir haben es mit einem ersten Versuch zu tun, eine umfassende Ikonographie der antiken Götter zu entwickeln, die nach Möglichkeit alle verfügbaren Informationen einbezieht. Dies geht der viel zitierten Beschreibung antiker Götterbilder, die 40 Eine wichtige Rolle spielt dabei die Himmelsbeschreibung des MICHAEL SCOTUS ›Liber de signis et imagini-

ubus celi‹ sowie die Ausmalung des Palazzo della Ragione zu Padua durch Giotto, dazu BLUME, Regenten des Himmels 2000, S. 52–63, 70–84 sowie BLUME-HAFFNER-METZGER, Sternbilder des Mittelalters und der Renaissance 2016, S. 23-54. Edition des ›Liber de signis et imaginibus celi‹ durch ACKERMANN, Sternstunden am Kaiserhof 2009. 41 BLUME, Amor 2018.

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4. GIOVANNI DEL VIRGILIO’S NACHERZÄHLUNG

Francesco Petrarca in sein Epos ›Africa‹ einfügte, um etwa zehn Jahre voraus. Auch die ausführliche Schilderung des Petrus Berchorius, der sich auf die Verse Petrarcas stützte, ist sehr viel später, um 1340 in Avignon verfasst worden42. Paolo da Perugia konzipierte insgesamt sechs Schaubilder, die in der allein erhaltenen späteren Abschrift auf neun Seiten verteilt werden. Sein Zugriff ist zu allererst ein historischer, der auf den Ablauf der Geschichte und die Folge der Generationen orientiert ist. Dies verbindet er allerdings mit anderen Interpretationsansätzen, welche den Aufbau des Kosmos und die Geographie der Erde im Blick haben. In der Integration von Aurora mit den Winden, welche den Jahreszeiten verbunden sind, oder der parallelen Anordnung von Sol, Luna und Aeolus sowie der weitgehenden Übernahme der etablierten Planetenikonographie lässt sich ein ausgeprägtes Interesse an naturmythologischen Zusammenhängen greifen. Paola da Perugia verbindet den antiken Mythos mit Wissenssystemen, die in der Vorstellung seiner Zeit fest etabliert sind. Dies gilt neben der Geschichte auch für die Kosmologie, Geographie und Astrologie. Allegorische Deutungen jedoch, wie sie wenig später von Petrus Berchorius zusammengetragen werden, spielen hier kaum eine Rolle, werden aber nicht ausgeschlossen, wie an wenigen Bemerkungen sowie der Aufnahme ethischer Personifikationen deutlich wird43. Bemerkenswert ist in jedem Fall die Systematik, welche dieser Zusammenstellung zu Grunde liegt. Es geht um die Ordnung der unübersichtlichen Vielfalt, welche die mythologische Überlieferung aus der Antike kennzeichnet. Zugleich entwickelt der Neapolitaner Gelehrte aber auch mögliche Sinnangebote, die den Erzählungen Ovids sowie dem antiken Mythos eine neue Relevanz zurückgeben können.

4. Giovanni del Virgilio’s Nacherzählung Die Beschäftigung mit den Werken der römischen Dichter wird in diesen Jahren an der Universität von Bologna auch in das akademische Curriculum aufgenommen. Dies belegt nicht zuletzt die wachsende Bedeutung, welche der Lektüre klassischer Autoren jetzt beigemessen wird. Vom 16. 11. 1321 datiert die Ernennungsurkunde für den Rhetoriklehrer Giovanni del Virgilio, der in den folgenden Jahren für öffentliche Vorlesungen »über Poesie und die großen Autoren, wie Vergil, Statius, Lucan und den großen Ovid« bezahlt wird44. Doch sind allein die Ausführungen zu den Metamorphosen des Ovid schriftlich überliefert. Das sind zum einen die ›Allegoriae‹, in denen Giovanni die Mythen im Sinne einer aktuellen Morallehre deutet und dafür auf ältere Ovid-Kommentierungen zurückgreift. Als Prosimetrum abgefasst fand dieser Text ab der Mitte des 14. Jahrhunderts eine größere Ver-

42 Petrarca, Africa, , Lib. III, 136-241. Die Verse entstanden zwischen 1338 und 1340. Dazu VISSER, Antike

und Christentum 2005, S. 351-379; dazu sowie zu Petrus Berchorius siehe unten und Kap. IV. 2 (Smout). 43 So entstehen mit Bezug auf die ›Fasti‹ des Ovid auf Fol. 2r ausgehend von Honor und Reverentia die Per-

sonifikationen von Majestas, Pudor, Metus, Sapientia und Memoria. Auf Fol. 2v wird dann Iustitia als Tochter der Aurora eingeführt; HANKEY, Nuovo Codice 1989, S. 92, 96. 44 Versifficaturam poesim et magnos auctores, videlicet Virgilium Stacium Luchanum et Ovidium maiorem, zitiert nach HUBER-REBENICH, A Lecture 2009, S. 177, Anm. 2. Siehe auch dies., Der Metamorphosen-Kommentar 1997; dies., Die Metamorphosen-Paraphrase 1998; FERRETTI, Boccaccio 2007; BALLISTRERI, Le Allegorie Ovidiane 1976. Zu Giovanni del Virgilio MARTELOTTI, Giovanni del Virgilio, in: Enciclopedia Dantesca III, Rom 1971, S. 193–194 sowie PASQUINI, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Vol. 38, 1990. Vgl. auch WITT, Footsteps 2000, S. 237–238.

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V. OVID-LEKTÜREN – DER ANTIKE MYTHOS IN DER LAIEN KULTUR DES 14. JAHRHUNDERTS

breitung45. Die sogenannte ›Expositio‹ ist immerhin auch in acht Handschriften überliefert. Die Erzählungen der Metamorphosen sind hier im Sinne der scholastischen Methode in einzelne Abschnitte untergliedert, die dann in Prosa paraphrasiert und erläutert werden. Das Latein ist einfach und oft von Italianismen durchsetzt. Die Nacherzählungen der Fabeln tendieren zuweilen zu einer recht derben Komik. Eine allegorische Ausdeutung aber unterbleibt, es werden vor allem Begriffe erklärt und die Kausalitäten der Handlungen im Sinne zeitgenössischer Vorstellungen plausibel gemacht. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Affekten, deren Unbeherrschbarkeit häufig als Ursache von Fehlverhalten angeführt wird46. Die Auseinandersetzung mit der Gefühlswelt, die für die Rezeption des Mythos in dieser Zeit eine so große Rolle spielt, kommt also auch hier zur Sprache. Giovanni del Virgilio versteht es, das monumentale Poem Ovids in überschaubarer Weise mit der Gegenwartserfahrung seiner Zuhörer zu verbinden. Das komplexe Geflecht der unterschiedlichen Verwandlungen und zahlreichen Mythen vermag er mit den ethischen Vorstellungen seiner Zeit zu verknüpfen. Ohne humanistische Voraussetzungen und vertiefte Lateinkenntnisse können seine Studenten damit ein Verständnis des antiken Werkes erlangen, das mit der intellektuellen Kultur der Stadtrepubliken, in der sie verwurzelt sind, verbunden ist. Eine detaillierte Kenntnis der Mythen erreichte damit auch Kreise, die mit dem antiken Bildungsgut nicht so ohne weiteres vertraut waren. Die angehenden Notare und Mediziner dürften nach ihrem Studium dieses Wissen ihrerseits verbreitet haben47.

5. Petrus Berchorius, die christliche Ethik und der antike Mythos Der Benediktiner Petrus Berchorius, der von 1320 bis 1350 in Avignon lebte und mit Petrarca befreundet war, entwickelt um 1340 seinerseits einen systematischen Zugriff auf den antiken Mythos, der aber anders ausgerichtet ist als bei Paolo da Perugia, da er ganz auf dem allegorischen Denken basiert und hinter jedem Motiv eine tiefere, verborgene Wahrheit vermutet. Auch konzentriert er sich ganz auf den Schlüsseltext der Metamorphosen. Sein ›Ovidius moralizatus‹ ist Teil einer enzyklopädisch angelegten Ausdeutung sämtlicher Erscheinungen, die den Klerikern leicht zugängliches Anschauungsmaterial für ihre Predigten zur Verfügung stellen sollte48. Insofern hat Berchorius Teil an den Bemühungen zur Verbesserung des Predigtwesens, die seinerzeit aktuell waren. Beeindruckend ist aber vor allem die Vielfalt seiner intellektuellen Interessen. Sein Text über die Metamorphosen Ovids erhielt eine große Resonanz, die sich von jenen Intentionen völlig löste und die verbreitete Neugier auf den antiken Mythos bediente. Das Bedürfnis nach einer erklärenden Erläuterung dieser fabulae und ihrer fremdartigen Aspekte war offenbar sehr groß. Der

45 So stützt er sich u. a. auf Arnulf von Orlean und Giovanni del Garlandia, FERRETTI, Boccaccio 2007, S. 93–

96. Vgl. auch MEIER-STAUBACH, Ovidius Christianus 2015, S. 465. Edition von FAUSTO GHISALBERTI, Giovanni del Virgilio 1933. 46 Dieser Text ist nicht ediert, Gerlinde Huber-Rebenich bereitet zusammen mit Béatrice Wyss eine Edition vor. Siehe bis dahin HUBER-REBENICH, Metamorphosenkommentar 1997 und Lecture 2009. 47 Auf den Paraphrasen des Giovanni del Virgilio fußt dann auch die Prosa-Übertragung der Metamorphosen durch Giovanni del Buonsingori aus Cittá di Castello, die 1375-77 verfasst wurde und neben den Nacherzählungen auch allegorische Deutungen enthält. Hierzu Guthmüller, Ovidio 1981, S. 56–77. 48 Zu Berchorius s. Kap. I und II (Meier); vgl. auch CHANCE, Medieval Mythography, Vol. 2, 2000, S. 320 ff.; SAMARAN – MONFRIN, Pierre Bersuire 1962.

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5. PETRUS BERCHORIUS, DIE CHRISTLICHE ETHIK UND DER ANTIKE MYTHOS

auf uns so gewollt und übertrieben wirkende Text des Berchorius kam diesem Bedürfnis in perfekter Weise nach, da er die Verwandlungsgeschichten sowohl mit dem christlichen Selbstverständnis seiner Leser wie mit ihrer Alltagserfahrung verband. Im Vordergrund steht ein moralisches Verständnis der von Ovid geschilderten Metamorphosen. Dabei orientiert sich Berchorius an der scholastischen Methode und zerlegt die Geschichten in Abschnitte, welche den einzelnen Handlungsschritten entsprechen. Jeder dieser Abschnitte wird kurz paraphrasiert und anschließend gesondert ausgelegt. Er geht dabei aber kaum auf die starken Emotionen ein, auf die Trauer, die vergebliche Liebe, das menschliche Leid, das bei Ovid im Vordergrund steht. Er sucht vielmehr eine ethische, moralische Deutung und hebt auf gesellschaftliche Erfahrungen im Zusammenleben der Menschen ab. Die Ethik der Tugenden und Laster ist um 1300 in den unterschiedlichsten Texten präsent und wird auf vielfältige Weise aktualisiert, so auch in den Abhandlungen zum politischen Selbstverständnis der Kommune. Von daher nimmt Berchorius hier an einem breiteren Diskurs teil und schneidet Themen an, welche dem Leser vertraut sind. Er versteht die Metamorphosen im Grunde wie ein ethisches Traktat und sieht darin zugleich eine theologisch, seelsorgerische Abhandlung. Es ist eine überschaubare Anzahl von Versatzstücken, die Berchorius immer wieder mit leichten Variationen zum Einsatz bringt. Fast immer gibt es eine theologische Deutung, bei der die heidnischen Götter an die Stelle von Christus bzw. Gott treten. Die Verwandlungen Jupiters werden auf die Menschwerdung von Christus bezogen und es geht um seine Zuwendung zur menschlichen Seele sowie um deren Erlösung. Auch auf den Teufel wird mehrfach verwiesen, der die Seele verführt und verwandelt, so daß sie fortan einem Tier gleicht. Ebenso kann, wie bei Cygnus, die Läuterung zu einem spirituellen Menschen in den Metamorphosen thematisiert sein. Immer wieder stellt er auch einen Bezug zu den Juden her, welche Christus töteten49. In gleicher Weise dominant ist aber eine allgemein ethische und im Prinzip gesellschaftliche Interpretation. Da geht es um Tyrannen, Herrscher, Richter sowie Kleriker, die ihr Amt schlecht ausüben, die Armen berauben und unterdrücken. Der lasterhafte Prälat, der sich nur scheinbar nach außen gottgefällig gibt, ist ein wiederkehrendes Motiv. Berchorius spart also nicht mit Kirchenkritik. Manche Aussagen bewegen sich auf einer eher lebenspraktischen Ebene allgemeiner Menschenkenntnis. Fast immer geht es um Heuchler, Schmeichler, Verräter und Verleumder, vor denen man sich hüten muss. Der Sexualität, die bei Ovid so häufig zum Thema wird, weicht er nicht aus. So schreibt er über die sexuelle Begierde der Männer, insbesondere der Geistlichen, die davon oft bedrängt werden, und ebenso über die Lust der Frauen. Eifersucht, Neid, Habgier und Hochmut werden ebenso angesprochen wie die Törichten, welche Größeres wollen als sie vermögen und deswegen notwendig scheitern. Zuweilen verweist er explizit auf die Aktualität seiner Interpretationen, wenn er beispielsweise einen Absatz mit der Bemerkung einleitet: »Wie es heute allenthalben passiert. …«50. Beispielhaft seien hier zunächst die Ausdeutungen zur Geschichte von Kallisto vorgestellt.51 Jupiter, der sich der Nymphe in Gestalt von Diana nähert, steht einerseits für Christus, der aus Liebe zur menschlichen Seele auf die Erde kommt, anderseits aber auch für die 49 So bei Lycaon, Berchorius, Ovidius moralizatus I, 8-9, zu Cygnus II, 9. 50 Ebd. II, 13, Zeile 8: Sic videtur per omnia hodie accidere … 51 Ebd. II, 10–15, vgl. Ovid, Metamorphosen II, 401–532.

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V. OVID-LEKTÜREN – DER ANTIKE MYTHOS IN DER LAIEN KULTUR DES 14. JAHRHUNDERTS

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Heuchler, die junge Menschen täuschen. Die Verwandlung in eine Bärin wiederum zeigt, daß jemand, der sündigt und mit dem Teufel hurt, die menschlichen Eigenschaften verliert und einem wilden Tier gleicht. Auffälliger Weise spricht Berchorius aber gar nicht über die Verstoßung der Kallisto aus dem Gefolge der Diana, bei der Ovid in 25 Versen ausführlich die verletzten Schamgefühle der Nymphe schildert. Die Angst der verwandelten Callisto vor den wilden Tieren und ihre Sehnsucht nach ihren Mitmenschen wird auf das Schicksal derjenigen bezogen, die durch den Wechsel des Glückes verarmt und gesellschaftlich abgestiegen sind, sich aber nachwievor zu ihrem alten Stand hingezogen fühlen, jedoch von den reichen Menschen verachtet werden. Der Sohn Arcas, der als Jäger beinahe seine verwandelte Mutter tötete, steht gleichfalls für die ehemaligen weltlichen Freunde, die den Verarmten meiden und verschmähen. Der Status des Jägers verweist darauf, dass sie dem Erwerb weltlicher Güter verfallen sind, »wie es heute so üblich ist«52. Die abschließende Metamorphose in ein Sternbild, deutet Berchorius als eine von Gott gewollte Erhöhung derjenigen, die zuvor durch Neid ungerechtfertigter Weise erniedrigt und geschädigt wurden. Erstaunlicher Weise wählt er hier einen weltlichen, gesellschaftlichen Zusammenhang und lässt die naheliegende Erhöhung der zu Gott heimkehrenden Seele aus. Eine abschließende Bemerkung macht darauf aufmerksam, daß der Vater von Callisto, Lycaon, in einen Wolf verwandelt wurde, seine Tochter aber in einen Bären; denn, so lautet die Schlussfolgerung, die Nachkommenschaft gleicht zumeist den Vätern. Dies ist eine ausschließlich auf weltliche Ethik abzielende Interpretation des Mythos. Die Deutung des tragischen Schicksals, welches den Jäger Actaeon ereilt, ist gleichfalls ganz auf gesellschaftliche Zusammenhänge ausgerichtet53. Die badende Diana steht für Herrinnen, die sich heimlich Vergnügungen und Lastern hingeben, sowie für die Habgier, die von anderen Lastern wie Enthaltsamkeit, Knausrigkeit und Einsamkeit unterstützt wird, welche in den Nymphen verkörpert sind. Actaeon aber steht für den Wucherer, der als Jäger die anderen Menschen ausplündert und reich wird. Er verwandelt sich in einen Hirsch, da er stolz wird und mit den Adligen verkehrt, doch gehen solche Figuren zumeist bald zugrunde. Die erotische Komponente des Blickes, die sonst in der Rezeption dieses Mythos eine so große Rolle spielt, blendet Berchorius völlig aus. Beim zweiten Abschnitt, der den Tod des Actaeon zusammenfasst, liefert er dann aber eine Theologische Deutung. Actaeon bezeichnet jetzt den Gottessohn und Diana die Jungfrau Maria. Actaeon führte die Hunde, die das jüdische Volk vertreten, und wurde durch Maria, die in der Quelle des Erbarmens badete, in einen Hirsch, d. h. in einen Menschen verwandelt. Dieser Mensch gewordene Gottessohn aber wurde von den Juden, also den Hunden getötet. Charakteristisch für die Interessen des Petrus Berchorius, die ihn bei seiner Lektüre leiten, ist sein Umgang mit der Geschichte von Aglauros und Herse, die er vollkommen übergeht. Nur die Gestalt der Invidia, die bei Ovid so anschaulich geschildert wird, greift er heraus54. Nach einer ausführlichen Paraphrase ist die Deutung im Wesentlichen eine Beschreibung dieses gefürchteten Lasters. Dies fügt sich in seine von Ethik und Theologie geprägte Argumentation gut ein. Auch kommt hier die Vertrautheit mit allegorischen Per-

52 Ebd. II 13, Zeile 11: Quia iste est modus hodiernus. 53 Ebd.: III 4–5 vgl. Ovid, Metamorphosen III, 131–512. 54 Ebd.: II, 22, vgl. Ovid, Metamorphosen II, 760–796.

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6. BILDER DER ANTIKEN GÖTTER – VORSTELLUNG UND REALISATION

sonifikationen zum Tragen, die in der intellektuellen Kultur dieser Zeit eine so große Rolle spielen. Von besonderem Interesse ist zudem jene Auslegung, welche Berchorius zur Geburt und Aufzucht des Bacchus gibt55. Semele, die von Jupiter verbrannt wird, steht für das jüdische Volk, daß den Gottessohn kreuzigte. Deswegen wird das Kind, das den wahren, christlichen Glauben symbolisiert, den Nymphen anvertraut, die es heimlich in einer Höhle aufziehen. Das bedeutet die Weitergabe des wahren Glaubens, den die Juden nicht angenommen haben, an die heidnischen Völker. Darauf folgt die geradezu programmatische Aussage: »Es steht nämlich fest, daß Gottvater den katholischen Glauben … dem heidnischen Volk übergab, welches ihn mit Freuden empfing und ihn mit dem immergrünen Efeu, d. h. mit der Philosophie und Wissenschaft der Heiden kleidete und schmückte, so daß seitdem das Heidentum Bacchus, also dem Glauben, seinen Efeu, d. h. seine philosophischen Wissenschaften widmete«56. In der Vorstellung des Berchorius brachte also erst die Verbindung mit der antiken Wissenschaft und Philosophie den christlichen Glauben zum Leuchten. Dies ist ein deutliches Plädoyer für eine enge Verknüpfung von heidnischem Wissen und antiker Poesie mit dem Christentum, das die theologisch, ethische Auslegung des Ovid zu legitimieren vermag. Petrus Berchorius verbindet in seinem ›Ovidius moralizatus‹ die Gedankenwelt Ovids, die für die meisten Menschen des 14. Jahrhunderts so sperrig und fremdartig wirkte, auf vielfältige Weise mit dem Erfahrungshorizont seiner Gegenwart. Das begründet wohl auch den großen Erfolg seines Textes, der noch heute in über 80 Handschriften überliefert ist. Dies hat aber auch weitreichende Folgen für die Kenntnis des antiken Mythos, die sehr bald über den gelehrten Kontext von Schulen und Universitäten weit hinausreicht. Die Grenzen einzelner Wissensbereiche werden auf diese Weise überbrückt und die Erzählungen Ovids können fortan einen festen Platz in den unterschiedlichsten Diskursen einnehmen.

6. Bilder der antiken Götter – Vorstellung und Realisation Von großem Einfluss ist aber auch die systematische Beschreibung der antiken Götter gewesen, die Petrus Berchorius unter dem Titel ›De formis figurisque deorum‹ seinen Ausdeutungen der Metamorphosen voranstellt, um seinen Lesern eine bessere Orientierung in der Fülle der Erzählungen zu bieten57. Er beginnt mit den Planetengöttern in ihrer kosmologischen Reihenfolge und geht danach auf die übrigen Götter ein, wobei auch Pan, Hercules und Aesculap in seiner Reihe enthalten sind. Sorgsam trennt er die Schilderung des Aussehens, der Attribute und der Begleitpersonen von den ausführlichen Interpretationen, die auf mehreren Ebenen angelegt sind, aber auf eine moralische Auslegung hinauslaufen. Die Götter stehen beispielhaft für gute oder schlechte Prälaten, Tyrannen oder auch für Christus. Ethische Regeln der Herrschaft und der Amtsführung lassen sich daran exemplifizieren. 55 Ebd.: III, 7, vgl. Ovid, Metamorphosen III, 253–312. 56 Ebd.: III, 7, Zeile 17–20: Constat enim, quod deus pater fidem catholicam a populo Iudeorum abstulit ip-

samque gentili populo comisit, qui ipsam gratanter accepit et in edera semper virenti, id est in prophetia et gentili scientia, ipsam vestivit et ornavit, ita quod ex tunc ipsa gentiliatas ipsi Baccho, id est fidei, suam ederam, id est suas philosophicas scientias dedicavit. 57 Vgl. auch Kap. I. 4 und Kap. II. 4 (Meier).

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V. OVID-LEKTÜREN – DER ANTIKE MYTHOS IN DER LAIEN KULTUR DES 14. JAHRHUNDERTS

Wie seine Formulierungen verraten, denkt er dabei offensichtlich an Bildwerke, die sich dann beschreiben lassen58. Im Prolog erläutert er zudem, dass er die Bildnisse der Götter nirgendwo beschrieben oder gemalt finden konnte und deshalb Francesco Petrarca um Rat fragte, der entsprechende Bildnisse in elegantem Versmaß beschrieben hatte59. Berchorius bezieht sich hier auf das von Petrarca 1338–39 verfasste Epos ›Africa‹, in welchem Bildnisse der Götter als Wandschmuck im Palast des libyschen Königs Syphax beschrieben werden. Auch hier sind es Bildwerke, welche der Dichter in einer plastischen Ausarbeitung sowie in funkelndem Gold imaginiert60. Deutlich ist diesen Äußerungen das Bedürfnis nach der konkreten Anschaulichkeit realer Bildwerke zu entnehmen. Zugleich ist die Form der Ekphrasis für Petrarca aber auch ein Moment der Distanzierung, das die heidnischen Götter auf eine andere Ebene hebt. Davon ist bei Berchorius nichts mehr zu spüren. Bereits Petrarca schildert nicht allein die Gestalten der Götter, sondern fügt noch eine Reihe von Nebenfiguren sowie begleitende Tiere hinzu, welche auf wichtige Taten verweisen und so auch narrative Aspekte anklingen lassen61. Er stellt sich also keine Einzelfiguren vor, sondern denkt an szenisch aufgeladene Reliefs, welche die Götter mit einer mehr oder weniger großen Zahl von Begleitpersonal zeigen. So erhält jeder der Götter ein spezifisches, zu ihm passendes Ambiente, das nur in einem abgeschlossenen Bildfeld zu realisieren ist. Was die konkrete Gestaltung angeht, bleibt er jedoch bewusst vage. Berchorius folgt diesen Vorgaben seines Freundes und nennt die gleichen Nebenfiguren, fügt aber häufig noch zusätzliches Personal ein62. Die szenisch-narrativen Elemente werden dadurch noch vermehrt. Die Götter treten in diesen Texten also nicht als isolierte Gestalten auf, sondern sind von einer Entourage umgeben, mit deren Hilfe auf Zuständigkeiten und Taten verwiesen wird. Während Petrarca die Kenntnis der Mythen aber letztlich vorausgesetzt, achtet Berchorius darauf, dass sein Text aus sich heraus verständlich bleibt. Diese Form der Beschreibung hat die Phantasie der Leser offenbar in besonderer Weise angeregt und innerhalb weniger Jahre zu entsprechenden Bildlösungen geführt. Die einfachen Zeichnungen, welche den Text von ›De formis figurisque deorum‹ im Kodex aus Bergamo begleiten, entstanden etwa 1350–1360 und zeigen die Götter in kleinen, querrechteckigen Bildfeldern, welche vor den entsprechenden Abschnitten stehen. Es sind Zeichnungen von Laien, die aller Wahrscheinlichkeit nach eine Vorlage kopieren, die ihrer58 Berchorius, De formis figurisque deorum, I: Primo et ante omnia videndum est de Saturno, qualem scilicet

supponebatur formam habere et qualem in sculpturis et picturis obtinebat imaginem et figuram. 59 Berchorius, Prolog S. 6: Verumtamen quia deorum imagines scriptas vel pictas alicubi non potui reperire,

habui consulere venerabilem virum Magistrum FF. de Petraitho poetam utique profundum in scientia, facundia et eloquentia et expertum in omni poetica et historica disciplina, qui prefatas imagines in quodam opere suo eleganti metro describit, … 60 Petrarca, Africa, Lib. III, 136–264, Edition HUSS – REGN 2007, S. 138–149; Auch wenn species und forma (Verse 138–139) eher allgemeine Begriffe sind, so fällt in Vers 263 die eindeutige Vokabel insculpta. VISSER, Antike und Christentum 2005, S. 351–379; VECCE, Petrarca 2005, S. 178– 186. Siehe auch Kap. IV. 3 (Smout). 61 Er stützt sich hierbei auf die Ausführungen älterer mythographischer Schriften, namentlich Fulgentius und Albericus oder den dritten vatikanischen Mythographen. Die Unterwelt behandelt Petrarca vergleichsweise ausführlich, denn er schildert bei Pluto sowohl die Unterweltsflüsse wie auch die Furien und Parzen. 62 So werden bei Jupiter die erschlagenen Giganten aufgeführt, bei Saturn seine Kinder und die Gattin Ops, bei Merkur Kaufleute und Diebe und bei Vulkan der Sturz vom Olymp.

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6. BILDER DER ANTIKEN GÖTTER – VORSTELLUNG UND REALISATION

seits vermutlich 1350–1360 anzusetzen ist63. Da die ersten Seiten dieser Handschrift verloren sind, haben sich hier nur acht Götterdarstellungen erhalten. Vollständig findet sich diese Bildfolge in dem Manuskript aus Treviso, das 1415–1420 im Venezianischen Raum hergestellt wurde64. Eng verwandt sind die qualitätvollen und vielfigurigen Zeichnungen in einem Traktat mit dem Titel ›De Deorum imaginibus libellus‹, das vermutlich in Padua um 1420 zusammengestellt wurde65. Der Text dieser Abhandlung fußt auf den Ausführungen des Berchorius, läßt aber die allegorischen Ausdeutungen fort und erweitert die Beschreibungen um weitere Einzelheiten. Zudem werden weitere Götterfiguren ergänzt und es schließen sich auch noch die Taten des Hercules an. Es handelt sich also um eine erhebliche Ausarbeitung. Dieser Libellus ist als einleitender Vorspann einer Abschrift des sogenannten dritten Vatikanischen Mythographen vorangestellt, der zumeist einem Albericus zugeschrieben und ins 12. Jahrhundert datiert wird. Offensichtlich bevorzugten die Initiatoren dieses Manuskriptes den älteren Text und konnten sich für die so stark auf die zeitgenössische Erfahrung bezogenen Interpretationen des Petrus Berchorius gerade nicht erwärmen. Doch auf die klar strukturierte Übersicht, die diesen Ausführungen vorangeht, wollte man auf keinen Fall verzichten. Damit steht allerdings auch die ausführliche Bildfolge des ›De Deorum imaginibus libellus‹, anders als zumeist behauptet wird, im Kontext einer allegorischen Mythendeutung66. Die Laienzeichnungen aus Bergamo weisen gegenüber dem Text einige Ungenauigkeiten auf und stellen die Figuren in einfacher Reihung auf einen angedeuteten Wiesengrund. Doch gibt es zuweilen auch sinnvolle Ergänzungen, die das Thema weiter verdeutlichen. So sind bei Merkur hinter dem toten Argus zwei Rinder hinzugefügt, die ihn als Hirten kennzeichnen und auf die Geschichte von Io verweisen. Bacchus erhält als Gegenüber zwei zechende Weintrinker, die sich ihm zuwenden. Der Zeichner hat demnach ein inhaltliches Verständnis der von ihm skizzierten Götterfiguren besessen. Die professionellen Illustrationen im Kodex aus Treviso hingegen folgen den Angaben des Textes sehr viel genauer und stellen die Gestalten in eine ausgearbeitete, zeitübliche Landschaftsszenerie. Im Libellus finden sich entsprechend dem ausführlicheren Text dann natürlich auch zusätzliche Figuren. Vor allem aber ist die Komposition deutlich verbessert und stets auf die ins Zentrum gerückte Götterfigur ausgerichtet. Gemeinsam ist den drei Fassungen jedoch, dass sie die Götter nicht als isolierte Gestalten, sondern im Kontext eines Figurenensembles präsentieren, welches auf die wesentlichen Aspekte ihres Wirkens verweist. Die vagen Bildvisionen Petrarcas, denen Berchorius mehr oder weniger folgt, werden jetzt in eine konkrete Anschaulichkeit überführt. Dafür entwirft man vielfigurige Tableaus, die eine Fülle von narrativen Elementen enthalten. Die jeweiligen Götter, welche den Mittelpunkt dieser Szenerien ausmachen, sind zumeist an den angedeuteten Handlungen auch in irgendeiner Weise beteiligt.

194–247

211, 244

212, 214

63 Bergamo, Bibl. Civica Angelo Mai, Ms. Cassaforte 3.4; siehe Kap. IV. 1 (Smout), Kap. IV. 2 (Blume) und die

kodikologische Beschreibung in Bd. 2, Kap. II. 1. 64 Treviso, Bibl. Civica Ms. 344; siehe Kap. IV. 3 (Smout) und die kodikologische Beschreibung in Bd. 2, Kap. II. 1. 65 Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290; siehe Kap. IV. 2 Anm. 65; Kap. IV. 3 (Smout). 66 SAXL, Verzeichnis 1915, S. 678. LIEBESSCHÜTZ, Fulgentius Metaforalis 1926, S. 117–128, Abb. 24–56, hat den

Text und die Zeichnungen publiziert. Er kennzeichnet den Libellus als früheste Darstellung der antiken Götter ohne allegorischen Kontext, ebd. S. 43. SEZNEC, Survival 1972, S. 174–176 folgt dieser Einschätzung. Siehe auch Kap. IV. 3 (Smout).

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V. OVID-LEKTÜREN – DER ANTIKE MYTHOS IN DER LAIEN KULTUR DES 14. JAHRHUNDERTS

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Dieses Bildkonzept erinnert an jene Form der erweiterten, Figurenreichen Allegorien, wie sie gerade auch in der Wandmalerei seit dem frühen 14. Jahrhundert sowohl im religiösen wie profanen Bereich vielfach zum Einsatz kamen. Die allegorische Personifikation ist dabei von ergänzenden Figuren umgeben, die gleichfalls einen Handlungszusammenhang aufbauen und auf diese Weise höchst komplexe Zusammenhänge vermitteln können. Dem Maler Giotto di Bondone (1267–1337) kommt hier eine wichtige Pionierrolle zu. Neben dem verlorenen Wandbild der ›Comune rubato da molti‹ im Palazzo del Podestà von Florenz (um 1310) wäre hier auch auf die Ordenstugenden im Vierungsgewölbe der Unterkirche von San Francesco in Assisi (um 1320) zu verweisen67. Doch wird diese Darstellungsform ebenso im kleinformatigen Bereich verwendet, wie beispielsweise die Bilderfolgen im ›Officiolum‹ genannten Stundenbuch des Francesco da Barberino (1264–1348) belegen68. Diese dem Betrachter vertraute Bildform wird hier offensichtlich gewählt, da sie zugleich auf den anderen Realitätscharakter hinzuweisen vermag, den die Götter mit den Personifikationen gemeinsam haben. Auch eignet sie sich bestens dafür, die Komplexität der Götter und der mit ihnen verbundenen Vorstellungen vorzuführen. Der zeitgenössische Habitus, der sämtliche Details prägt, ist in jedem Fall als eine Aktualisierung anzusprechen, die mit den Deutungen des Berchorius zusammengeht. Nur sehr vereinzelt treten Elemente auf, die der antiken Vorstellungswelt entstammen, wie die Nacktheit der Venus oder des Apoll in den Zeichnungen aus Treviso. Nach 1350 ist eine ausgefeilte Ikonographie der antiken Götter entwickelt worden, die dem gewachsenen Interesse am Mythos und den antiken Autoren entsprach und die dezidiert moderne Bildformen aufnahm. Allerdings hat sich daraus keine dichte Bildtradition entwickelt; dafür sind die Belege nicht zahlreich genug und von den vielen erhaltenen Handschriften mit dem Text des Petrus Berchorius weisen schließlich nur drei Manuskripte Illustrationen aus. Dennoch haben diese Bilder aber eine große Wirkung gehabt und ihre Ikonographie hat weithin ausgestrahlt. In Frankreich wird diese ab ca. 1380 im Bildschmuck prunkvoller Ausgaben des ›Ovidé moralise‹ verwendet69. Sie findet sich ebenso in einer französischen Ovid-Übertragung des frühen 15. Jahrhunderts70, in einem Manuskript des ›Roman de la Rose‹ von etwa 1405 sowie einen Ovid-Kommentar, der um 1450 in England geschrieben wurde71. Aus dem Kontext französischer Hofkultur stammen auch Zeichnungen der astrologischen Planetengötter, die um 1420–30 in Paris oder Burgund entstanden. Dort finden sich die gleichen Nebenfiguren sowie eine sehr verwandte Ikonographie72. Auch bei der Ausstattung der Paläste sei es auf Wandbildern oder in der Dekoration der prunkvollen Truhen dürften diese oberitalienischen Götterbilder aus der Mitte des 14. Jahr-

67 Zu diesen allegorischen Bildformen grundlegend BELTING, Bild als Text 1989; vgl. auch KRÜGER, Politik als

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Evidenz 2015. Zu Giotto im Palazzo del Podestà zu Florenz BLUME, Entstehung 2008, S. 123–125; FROJMOVIC, Giottos Allegories 1996; DONATO, Testi 1993, S. 322–326. Zu dem Vierungsgewölbe in Assisi GARDNER, Giotto 2011, S. 100–105. Das berühmteste Beispiel ist wohl die Gegenüberstellung von guter und schlechter Regierung durch Ambrogio Lorenzetti im Palazzo Pubblico von Siena. BLUME, Francesco da Barberino 2015; Officiolum 2016. Siehe Kap. IV. 3 (Smout), vgl. auch REHM, Klassische Mythologie 2019, S. 239–257, der sich aber darauf beschränkt, allein den bislang existierenden Forschungsstand zu referieren. London, British Libr. Ms. Cotton Julius F VII; siehe ebd. Oxford, Bodleian Libr. Ms. Rawlinson Ms. B 214; siehe ebd. Dresden, Kupferstichkabinett C 579, C580, C 580a; BLUME, Regenten 2000, S. 152–154.

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hunderts ihre Spuren hinterlassen haben, auch wenn dies heute aufgrund der großen Verlustquoten in diesem Bereich nicht mehr nachzuvollziehen ist. Mythologische Themen, die zum Teil auch auf die Metamorphosen des Ovid Bezug nehmen, sind auf den Cassoni, jenen prächtig ausgestatteten Truhen der Florentiner Oberschicht seit dem späten 14. Jahrhundert durch eine Reihe von Beispielen belegt73. Noch die Triumphzüge der antiken Götter im Palazzo Schifanoia zu Ferrara (1469–70) sind ihrer Konzeption nach und in manchen Details von den Bildern des Libellus abhängig74.

7. Zeichnende Leser im Sturm der Gefühle Ovids Metamorphosen bleiben ein Schlüsseltext für den zunehmend intensiver und vor allem auch vielfältiger geführten Diskurs über den antiken Mythos. Coluccio Salutati (1331–1406) war gegen Ende des 14. Jahrhunderts als Kanzler der Republik von Florenz eine der gewichtigsten Stimmen des italienischen Humanismus. Er berichtet, dass ihm in seiner Jugend, im Alter von etwa zwanzig Jahren allein die Lektüre Ovids die Welt der antiken Dichter erschlossen hätte. Er vergleicht dies mit einer göttlichen Inspiration und nennt Ovid voller Emphase Eingangstor und Lehrmeister antiker Poesie75. Ungleich wichtiger für die Verbreitung des Textes und die allgemeine Kenntnis der Ovidschen Erzählungen waren allerdings Übertragungen in die Volkssprache, die sich auch das gesamte 15. Jahrhundert hindurch noch großer Beliebtheit erfreuten. So verfertigt der Florentiner Notar Arrigo Simintendi 1333–34 eine Prosa-Übertragung der Metamorphosen, die aber dennoch dicht am Originaltext bleibt und von daher durchaus etwas von der Sprachmacht des antiken Dichters vermittelt76. Von besonderem Interesse ist hier ein Florentiner Manuskript mit jener Übertragung des Arrigo Simintendi, in dem verschiedene Leser sichtbare Spuren ihrer Interessen hinterlassen haben. Es handelt sich um eine mittelgroße Papier-Handschrift, die sich durch ein gleichmäßiges Schriftbild auszeichnet77. Der Schreiber hat zu Beginn der einzelnen Bücher Platz für Schmuck-Initialen gelassen, die allerdings nie ausgeführt wurden. Zahlreiche Gebrauchsspuren belegen allerdings eine intensive Nutzung des Kodex. Zudem finden sich an den Seitenrändern Zeichnungen von verschiedenen Händen, die wohl zwischen 1360 und 1370 entstanden. Dabei handelt es sich aber nicht um eine systematische Illustrierung einer Buchmalerei-Werkstatt, die von Anfang an geplant war. Vielmehr verraten zahlreiche Un-

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73 MIZIOLEK, Decori 2010; MIZIOLEK, Soggetti classici 1996; MIZIOLEK, Europa 1993. 74 CIERI VIA, I Trionfi 1989; MOREL, Mélissa 2008, S. 102–184. 75 De laboris Herculis 1:215 (Ed. Ullmann): Multa quidem sibi (Ovid) debeo, quem habui, cum primum hoc

studio in fine mee adolescentie quasi divinitus excandui et accensus sum, veluti ianuam et doctorem. Etenim nullo monitore previo nullumque penitus audiens a memet ipso cunctos poetas legi et, sicut a deo datum est, intellexi, postquam noster Sulmonensis michi venit in manus. WITT, Footsteps 2000, S. 294–295. 76 GUTHMÜLLER, Ovidio 1981, S. 34–43 ein Überblick, zu Simintendi S. 104–108. 77 Florenz, Bibliotheca Nazionale Centrale, Ms. Panciatichi 63, Maße 28,5 × 21 cm. Zu dieser Handschrift BLUME, Bild-Lektüren 2014, S. 56–58 sowie DEGENHART – SCHMITT, Corpus II 1980, Kat. 710, S. 359–369; MATTIA, L’illustrazione 1996; Vedere i classici 1996, Kat.-Nr. 249, S. 249–51; FRANCINI CIARANFI, Appunti 1977. Die Beschriftung der Personen stammt von einer wenig späteren Hand, die auch die Kapitelüberschriften nachgetragen hat. Die Seiten sind bei einer neuen Bindung beschnitten worden, deshalb fehlen häufig die Füße der dargestellten Figuren.

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sicherheiten in der Anlage sowie in der Nutzung des zur Verfügung stehenden Platzes, dass nicht ein professioneller Buchmaler, sondern Laien am Werk waren. Ebenso wenig gibt es eine gleichmäßige Verteilung der Darstellungen; einiges wird mit mehreren Szenen illustriert, anderes fehlt vollkommen. Zudem stammen die Zeichnungen sichtlich von Lesern des Textes, denn sie enthalten zahlreiche und sehr spezifische Details der Erzählungen. Es sind also mehr oder weniger persönliche Reaktionen auf die Lektüre der Metamorphosen. Die Zeichner sind demnach interaktive Leser und einer von ihnen, der besonders begabt ist und wohl auch eine professionelle Schulung besaß, ist sichtlich von den bei Ovid so eindrücklich geschilderten Emotionen bewegt. Oft wird allein das Ergebnis der Metamorphose, also das Tier oder die Pflanze am seitlichen Rand fixiert. Aufwendigere Zeichnungen finden sich dagegen in der unteren Marginale, denn dort steht auch mehr Platz zur Verfügung. So sehen wir unter anderem den in einen Wolf verwandelten Lykaon78, eine Eule neben der Geschichte von Nyktimene79, die Fledermaus bei der Fabel von den Töchtern des Minyas80 oder die Anemone neben der Schilderung vom Tod des Adonis81. Die persönliche Interpretation eines Zeichners wird in besonderer Weise an einer Darstellung von Fiesole deutlich, die sichtlich um geographische Genauigkeit bemüht ist. So ist die Lage des Domes und des Palazzo Comunale zwischen den beiden Hügel zu erkennen; die Flüße rechts und links sind als Mugnone und Mensola bezeichnet82. Nun wird Fiesole in den Metamorphosen gar nicht erwähnt, aber im fünfzehnten Buch hält ein Weiser eine lange Rede über die Wandelbarkeit und die Unbeständigkeit aller Dinge. Er erläutert dies unter anderem mit Verweisen auf die untergegangenen Städte von Sparta, Mykene, Theben und Athen. Unser Florentiner Zeichner jedoch muß dabei an Fiesole denken, das nach Giovanni Villani, die erste Stadt war, welche in Italien gegründet wurde und die von starken Mauern umgeben war. Caesar hat sie 72 vor Christus zerstört und am Arno dann Florenz errichtet83. Mit dieser Illustration stellt der zeichnende Leser demnach ganz dezidiert einen unmittelbaren Bezug zu seiner Heimat und zu seiner persönlichen Erfahrung her. Manche dieser Bilder wirken unvollendet oder auch aus Unbeholfenheit abgebrochen. Der Großteil aber widmet sich den emotionalen Höhepunkten der Erzählungen Ovids. Dabei geht es nicht um die zentralen Handlungsmomente, sondern vielmehr um die innere Spannung und die aufgewühlten Gefühle der Protagonisten. Ein gutes Drittel der Zeichnungen kreist um das Thema der Liebe und die verschiedenen Facetten des Begehrens, die bei Ovid breiten Raum einnehmen. So ist zur ersten Liebe des Apoll ausschließlich die Flucht der Daphne zu sehen, aber nicht die eigentliche Verwandlung oder der Lorbeerbaum als deren Ergebnis84. Der dramatische Wettlauf der beiden ist das poetische Kernstück bei Ovid und darauf reagiert der zeichnende Leser. Apoll in zeitgenössischer Gewandung ist durch einen Strahlennimbus gekennzeichnet, er hat die Hände vorgestreckt, um mit bittendem Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 10r, OVID, Metamorphosen I, 211–239. Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 21v, OVID, Metamorphosen II, 593–595. Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 36r, OVID, Metamorphosen VI, 389 ff. Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 93r, OVID, Metamorphosen X, 708–739. Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 133r; vgl. OVID, Metamorphosen XV, 422 ff. Giovanni Villani, Nuova Cronica, kritische Edition von GIUSEPPE PORTA, Parma 1990, Buch I, 7 und I, 37– 38. 84 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 12v, Ovid, Metamorphosen I, 452–566. 78 79 80 81 82 83

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Gestus seine werbende Rede zu unterstreichen und um die Fliehende nach Möglichkeit zu fassen. Daphne hingegen, deren Kleid nach antikem Vorbild doppelt gegürtet ist, wendet im Laufen ihren Kopf zurück, um einen angstvoll erschrockenen Blick auf den Verfolger zu werfen. Ihre wehenden Haare und das flatternde Gewand sind bei Ovid beschrieben; sie steigern das Begehren des Apoll ins Unermessliche. Es ist die emotionale Spannung dieses Wettlaufs, die den Zeichner ganz offensichtlich interessiert. In ähnlicher Weise wird auch die Geschichte von Alpheus und Arethusa dargestellt85. Der Flußgott verfolgt die nackte Nymphe, die in seinem Wasser baden wollte. Auch hier schildert Ovid ausführlich die dramatische Verfolgungsjagd. Am Ende spürt Arethusa dann den keuchenden Atem ihres Verfolgers im Nacken und sieht, weil die Sonne schon tief steht, mit Schrecken seinen Schatten vor ihren Füßen. Da ruft sie Diana um Hilfe an und die Göttin verwandelt sie in eine Quelle und weist ihr zugleich einen unterirdischen Weg nach Sizilien. Der Zeichner hat den dramatischen Höhepunkt gewählt, als Alpheus die Nymphe beinahe eingeholt hat. Den keuchenden Atem hat er als Linienbündel wiedergegeben, das von dem offenen Mund des Mannes in den Nacken der Arethusa führt. Auch die tiefstehende Sonne ist am rechten Rand eingetragen und sendet ihre Strahlen hinter den Rennenden her. Die Schattierung der Körper mit Hilfe der Lavierungen entspricht genau dem Sonnenstand und von daher ist anzunehmen, daß vor den Füßen auch der Schatten zu sehen war. Allerdings ist dieses Detail bei dem Beschneiden der Seiten verloren gegangen. Der traurigen Geschichte der Callisto widmet unser Zeichner zwei Szenen auf einer Doppelseite86. Zunächst zeigt er die Vergewaltigung durch Jupiter, den wir nur von hinten sehen und der durch einen Strahlennimbus als Gott ausgewiesen ist. Wir blicken in das verzweifelte Gesicht der Nymphe, die vergeblich ihren Arm ausstreckt und der ihr Bogen aus der Hand fällt. Gegenüber findet sich dann das gemeinsame Bad der Diana mit ihren Nymphen, bei dem die Schwangerschaft entdeckt wird. Ovid spricht von einer heiligen Quelle und, um dies zu verdeutlichen, wird eine rudimentäre Szenerie mit einer Kapelle auf einem Felsen eingefügt. Im Wasser steht eine Gruppe nackter Frauen, die heftig gestikulieren; in der Mitte ist mit weisender Hand Diana zu erkennen. Callisto, halb entkleidet, wendet sich am Ufer im Gehen noch einmal um. Eindrucksvoll wird die Verstoßung aus dem Kreis der Nymphen vor Augen geführt. Ihre Schamgefühle, die sie peinigen und welche Ovid ausführlich thematisiert, prägen diese Illustration. Fasziniert hat aber wohl in besonderer Weise die Erotik des Bades, denn weder wurde die Verwandlung in eine Bärin zum Bildthema gemacht, noch ihr verzweifeltes Umherirren oder das Zusammentreffen mit ihrem Sohn Arcas, der sie beinahe tötete. Allerdings hat eine andere Hand noch die Skizze eines Bären auf dem linken Rand der folgenden Seite ergänzt87. Bei der Erzählung von Actaeon ist der zeichnerische Aufwand noch einmal gesteigert und es wird eine umfassende Landschaftsszenerie entworfen88. Rechts sehen wir die entlegene Grotte, vor der eine Quelle ein Becken mit klarem Wasser füllt. Links haben wir einen

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85 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 46v, Ovid, Metamorphosen V, 572–641. 86 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 19v und 20r; Ovid, Metamorphosen II, 401–532. Auf Fol. 20v ist dann

noch ein Bär auf dem linken Seitenrand skizziert und damit das Produkt der Verwandlung festgehalten. 87 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 20v. 88 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 26r; Ovid, Metamorphosen III, 138–252.

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dichten, tief verschatteten Wald. In der Mitte sehen wir das Bad der Diana, die aufrecht steht, während die Nymphen sie mit Wasser begießen, wie Ovid es schildert. Actaeon befindet sich im Wald – heimlich spähend, eine Hand hat er an einen Baumstamm gelegt, den Kopf hat er vorgestreckt. Die rechte Nymphe hat ihn gerade entdeckt und fixiert ihn mit ihrem Blick. Wiedergegeben hat der Zeichner also genau den Moment der Entdeckung, aber eben nicht deren Folgen. Die Nymphen verbergen noch nicht den Körper der Göttin und schlagen sich auf die Brüste. Diana bespritzt Actaeon noch nicht mit Wasser und seine Verwandlung hat ebenfalls noch nicht eingesetzt. Auch fehlt die Hetzjagd der Hunde auf ihren verwandelten Herrn, die bei Ovid so ausführlich geschildert wird. Der erotische Blick steht im Mittelpunkt dieser Zeichnung sowie der Anblick der nackten Göttin. Der Betrachter bekommt genau das gezeigt, was auch Actaeon sah. Dabei wird in den Metamorphosen das Schauen des Actaeon gar nicht wirklich angesprochen. Dort ist die Rede davon, daß die Nymphen den Mann sehen, der die Grotte betritt, worauf sie zu klagen beginnen und sich auf die Brüste schlagen. Die Wirkung des Blickes und die erotisierende Kraft des Sehens ist aber ein zentrales Thema der Liebeslyrik und so wird dieses Motiv, da es in der Erfahrung des zeichnenden Lesers schon angelegt ist, zum Hauptmoment der Actaeongeschichte. Ähnliches läßt sich auch bei der Fabel von Hermaphroditus und Salamacis beobachten89. Die Schilderung Ovids von der Schönheit der Quelle führt zu einem ausführlichen Landschaftspanorama und dort wird dann eine Liebesszene im See imaginiert. Der Mann umarmt die Frau, obwohl es in der Geschichte doch gerade umgekehrt ist! Der Zeichner skizziert hier die Erfüllung des Begehrens, die in der Erzählung gar nicht enthalten ist; aber das kommt ihm aufgrund der Vereinigung der beiden Körper in den Sinn. Auch hier ist die Seite unten beschnitten und so mag zusätzlich noch manches Detail verloren gegangen sein. Die emotionale Spannung der Erzählungen kulminiert bei Ovid nicht allein in erotischen Begegnungen, sondern auch in dramatischen Dialogen und intensiven Selbstgesprächen. Als der Vater von Leucothoe erfährt, dass Apoll mit seiner Tochter geschlafen hat, lässt dieser sie ohne Mitleid lebendig begraben. Ovid schildert ihr verzweifeltes Flehen und wie sie vergeblich auf die Sonne als den eigentlich Schuldigen verweist. Im Bild sieht man Leucothoe schon halb eingegraben bei ihrer letzten ergreifenden Rede, wie sie zur Sonne zeigt und zugleich dem unbarmherzigen Vater, der eigenhändig den Spaten zur Hand nimmt, abwehrend die andere Hand entgegenstreckt90. Eindrücklicher ist der grausame Höhepunkt dieser Geschichte kaum zu visualisieren. Bei der Jagd auf den kalydonischen Eber reagiert der Zeichner nicht auf das dramatische Jagdgeschehen oder den Streit um die Siegestrophäe, sondern widmet sich allein dem langen und Herz zerreißenden Selbstgespräch von Althea, der Mutter des Meleager, die mit dem Schicksalhaften Holzscheit in der Hand lange zögert, ob sie diesen ins Feuer werfen soll, um ihre Brüder, die im Zorn von Meleager ermordet wurden, zu rächen und damit ihren eigenen Sohn zu töten. Er zeigt Althea, die mit weit aufgerissenen Augen einen Schritt in Richtung des lodernden Feuers macht und am Ende den Scheit mit ausgestrecktem Arm hineinwirft91. 89 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 35r, Ovid, Metamorphosen IV, 274–388. 90 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 34r, Ovid, Metamorphosen IV, 237–240. 91 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 71r, Ovid, Metamorphosen VIII, 465–519.

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Eine Reihe dieser mehr oder weniger spontan entstandenen Illustrationen ist offensichtlich mit der eigenen Erfahrungswelt der Leser verbunden, wie dies auch bei der Ansicht von Fiesole deutlich wird. Zudem fassen wir verschiedentlich Spuren eines kollektiven Bild-Gedächtnisses; denn an einigen Stellen tauchen Zitate prominenter Bildfindungen auf. Eine etwas schwächere Hand skizziert im Rahmen der Erzählung von Aglauros und Herse den Dialog von Minerva und Invidia. Durch einen freistehenden Türrahmen getrennt stehen sich die Göttin in prächtiger Rüstung sowie die hässliche Personifikation des Neides gegenüber, die sich von Schlangenfleisch ernährt92. Eine Schlange hält sie noch in der Hand, aber eine andere kommt züngelnd aus ihrem Mund gekrochen. Dieses Motiv stammt aus Giottos berühmter Darstellung des Neides in der Arena-Kapelle zu Padua93. Als Dädalus erschrocken die Federn erkennt, die zu den künstlichen Flügeln seines Sohnes Ikarus gehörten und die jetzt herrenlos auf der Meeresoberfläche treiben, schwebt er mit ausgebreiteten Armen und ist zudem völlig in ein mit Federn besetztes Gewand gekleidet. In derselben Weise hat ihn auch Andrea Pisano 1334–40 auf den Reliefs des Campanile am Florentiner Dom dargestellt94. Beim Wettstreit zwischen Minerva und Arachne dominiert ein detailliert wiedergegebener Webstuhl die Zeichnung. Daneben liegt ein Tuchballen am Boden und weiter rechts ist ein Fadenwickler auf einem Ständer zu sehen. Es ist das vertraute Ambiente einer Weberwerkstatt, das hier aufgerufen wird. Das entspricht der detaillierten Schilderung des Webvorganges bei Ovid, der auch mit den entsprechenden technischen Begriffen arbeitet. Bei der jungen Frau neben dem Webstuhl handelt es sich um Minerva, die mit erhobener Hand, die bereits verwandelte Arachne in ihrem Spinnennetz stützt95. Auch hinter dieser Darstellung steht ein Relief des Andrea Pisano vom Campanile, das die Weberei vor Augen führt und eine stehende Frau neben einem Webstuhl zeigt96. Das mit Angst erfüllte Erlebnis eines Schiffsbruchs auf dem vom Sturm gepeitschten Meer ist von den zeichnenden Lesern zum größten und eindrücklichsten Bild der gesamten Handschrift gemacht worden. Auch hier dürften Eindrücke prominenter Sturmdarstellungen die Gestaltung maßgeblich geprägt haben. Zu denken ist hier in erster Linie an die sogenannte Navicella von Giotto in Skt. Peter in Rom oder an das Martyrium des Petrus von Siena, das Ambrogio Lorenzetti im Kreuzgang von San Francesco in Siena malte97. Es geht um Ceyx, den König von Trachis, der gegen den Rat seiner Frau zu einer Schiffsreise aufgebrochen ist, auf der er dann umkommt98.

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92 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 23r, Ovid, Metamorphosen II, 760–781. 93 SCHWARZ, Giottus Pictor, Bd. 2 2008, S. 133–158, speziell 149–150. Dass diese Figur sofort Aufmerksamkeit

erregte, belegt eine Äußerung des Francesco da Barberino, SCHWARZ – THEIS, Giottus Pictor, B. 1, 345–347. 94 Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol.66v, Ovid, Metamorphosen VIII, 238–240. Zu Andrea Pisano POESCHKE,

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Gotik 2000, S. 168–171, Taf. 217. Arrigo Siminitendi schreibt in seiner Übertragung, die kurz vor dem Relief entstand: Come Daedalo vestì sé e l’caro suo figliulo di penne per uscire della prigione del mare. Hierin kann wiederum eine Anregung für Andrea Pisano gelegen haben. Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol.48v, Ovid, Metamorphosen VI, 5–145, speziell 134–145. Simintendi formuliert für die Worte Minervas: pendì, o disperata, tu pure viverai. Bei der späteren Beschriftung der Figuren wurde hier ein Fehler gemacht und die junge Frau als Arachne bezeichnet. POESCHKE, Gotik 2000, S. 168–171, Taf. 216. SCHWARZ, Giottus Pictor, Bd. 2 2008, S. 269–280; SEIDEL, Wiedergefundene Fragmente 1978; BARTALINI, in Ambrogio Lorenzetti 2017, Kat.-Nr. 19, S. 268–277. Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol.99v, Ovid, Metamorphosen XI, 572.

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Nur an dieser Stelle hat der Schreiber wohl aus Zufall eine halbe Seite frei gelassen. Der Zeichner nutzt daraufhin den gesamten zur Verfügung stehenden Platz und nur dieses eine Mal hat er über die brauen Lavierungen hinaus zu Wasserfarben gegriffen, um die Naturgewalten des nächtlichen Seesturms in ihrer Bedrohlichkeit zu zeigen. Das Schiff mit der verzweifelten Besatzung hingegen verbleibt ebenso wie die Windgötter im üblichen Medium der Federzeichnung. Der Entwurf der Szene ist von großer Kühnheit. Grünes Meerwasser und blauschwarzer Himmel füllen die gesamte Bildfläche. Perspektivisch wiedergegebene Windgötter veranschaulichen die von allen Seiten gleichzeitig heranstürmenden Winde, welche das Meer zu einem großen Berg auftürmen. All diese Motive sind der bewegenden Schilderung bei Ovid entnommen. Dort ist von dem vergeblichen Versuch die Rede, das Segel zu bergen und die davontreibenden Ruder zu retten. Schließlich bricht der Mast, worauf die Seeleute den Mut verlieren, nurmehr Gebete sprechen oder in Klagen verfallen. Ceyx im Heck des Schiffes aber sucht mit seinen Blicken vergeblich den Strand der Heimat und denkt an seine zurückgelassene Gattin Alcyone. Eine riesengroße Welle reißt am Ende das Schiff und seine Besatzung in die Tiefe. Das eigentliche Thema dieses Bildes ist die Verzweiflung und Hilflosigkeit der Menschen angesichts der entfesselten Naturgewalten. In der Erzählung finden die Leser eine vertraute Erfahrung wieder und einer von ihnen gibt dieser bekannten Furcht mit Hilfe der Motive Ovids eine anschauliche Gestalt. Bild und Text können sich jetzt gegenseitig verstärken und vermögen die Lektüre zu intensivieren. Der Angst und der Trauer des Ceyx kann sich fortan niemand, der dieses Buch zur Hand nimmt, entziehen. Die Leser dieser Volgare-Fassung der Metamorphosen haben die Gestalt des Manuskriptes ganz wesentlich verändert, indem sie jene Zeichnungen ausführten. Vermutlich ein weiterer Leser hat dann einige dieser Figuren beschriftet und damit die Zuordnung zum Text noch einmal erleichtert. Wir haben es daher mit interaktiven Lesern zu tun, die den intellektuellen Nutzen der Handschrift zu verbessern suchen. Sie reagieren auf die Sprachmacht des Ovid, die auch in der Übersetzung des Arrigo Simintendi noch zu spüren ist, und sie geben ihrer emotionalen Betroffenheit Ausdruck in Bildern. Ihre bewegte Phantasie realisiert sich in diesen Zeichnungen, die sie zur Intensivierung ihrer Lektüre anfertigen – und natürlich ebenso zur Intensivierung der Lektüre ihrer Freunde, an die sie das Buch weitergeben. Wir haben Zeichnungen von drei bis vier verschiedenen Händen, wobei eine davon eine besondere Qualität besitzt. Man kann sich deshalb gut vorstellen, daß dieses Buch herumgereicht wurde in einem Kreis von intellektuellen Austauschpartnern. Gegenseitig wurde es von denen, die dazu fähig waren, mit Zeichnungen ergänzt, welche dann ihren Part spielten in einem Diskurs über den antiken Mythos und über die Macht der Emotion. Dazu wurden Schlüsselszenen fixiert, in denen die emotionale Spannung ihren Höhepunkt erreicht, während hingegen von den eigentlichen Metamorphosen nur zuweilen das Ergebnis skizziert wird.

8. Giovanni Boccaccio oder der Mythos und poetische Theorie Das umfangreichste Werk zur antiken Mythologie stammt von Giovanni Boccaccio (1313– 1375) und trägt den Titel ›Genealogie Deorum Gentilium‹. Es beeindruckt noch heute mit der Fülle des verarbeiteten Materials und der konsequent durchgehaltenen Systematik. Bis ins 16. Jahrhundert bleibt es das grundlegende Handbuch; über hundert Manuskripte

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8. GIOVANNI BOCCACCIO ODER DER MYTHOS UND POETISCHE THEORIE

überliefern diesen Text. Nach eigener Aussage im Auftrag des Königs von Zypern, Hugo IV. von Lusignan, versuchte Boccaccio die gesamte höchst verstreute Überlieferung zusammenzufassen und in eine systematische Ordnung zu überführen. Ab etwa 1350 begannen die Vorarbeiten, um 1360 verfertigte er die erste Niederschrift. Zwischen 1365 und 1370 erstellte er die Reinschrift einer erweiterten Fassung, die bereits die Auswertung griechischer Quellen enthält, die ihm durch Leontius Pilatus vermittelt worden waren99. Eine weitere Abschrift sandte er nach Neapel zu Ugo da San Severino. 1372 erhielt Boccaccio dieses Exemplar zurück, das mit zahlreichen Hinweisen und Annotationen u. a. von Pietro da Monteforte versehen war. Bis zu seinem Tod 1375 arbeitete Boccaccio weiter an dem Text. In Neapel aber wurden nicht autorisierte Abschriften erstellt, so dass dann in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre eine Verbreitung des Werkes einsetzte. Boccaccio übernimmt die von seinem Neapolitaner Lehrer Paolo da Perugia erarbeitete Systematik, die genealogisch aufgebaut ist und verschiedene Stammbäume entwickelt, welche die Nachfahren der einzelnen Götter aufführen. Da er die gesamte antike Tradition, einschließlich Homers einbezieht, kommt er am Ende auf Einträge zu 723 Personen. Die Zahl der zitierten bzw. verwendeten Autoren liegt bei etwa 200. Unter den antiken Schriftstellern zieht er in großem Maße auch Cicero ›De natura deorum‹ heran, der in seinem zweiten Buch ebenfalls eine genealogische Ordnung der Götter erstellt. Neben den damals gängigen Mythographen Fulgentius und dem dritten Vatikanischen Mythographen, der bei ihm unter dem Namen Albericus firmiert, verweist er immer wieder auch auf Leontius Pilatus und Theodontius, seine griechischen Gewährmänner100. Jedes Buch ist einer der großen Göttergestalten gewidmet und handelt dann Generationsweise die große Zahl der Nachfahren ab. Ein sorgfältig gemalter Stammbaum für jeden der Götter, den Boccaccio eigenhändig in seinem Autograph ausführte und dabei durch verschiedene Blattformen differenzierte, soll zusätzlichen Überblick verschaffen. Von Cicero übernimmt er zudem das Prinzip, die mythischen Personen in mehrere Gestalten aufzuspalten, um so Widersprüche in der Überlieferung aufzulösen. Wichtig ist ihm dabei vor allem auch eine schlüssige Chronologie. Er beginnt wie Paolo da Perugia mit der Weltschöpfung und der Erschaffung der Unterwelt, um dann über den Himmel und die Titanen zu den klassischen Göttern zu kommen101. Boccaccio referiert den jeweiligen Mythos unter Angabe seiner Quellen und bespricht danach mögliche Bedeutungen, die er kritisch bewertet. Dabei geht es zumeist auch um einen historischen Sinn, der hinter der Fabel eine mythisch überhöhte Geschichtsüberlieferung im euhemeristischen Sinne sieht. Doch im Zentrum steht in der Regel eine allgemeine Interpretation, die sich entweder auf Naturphänomene und vor allen die Astrologie bezieht oder ethische und moralische Aussagen enthält. Obwohl er von der im Grunde ganz auf eine historische Interpretation abzielenden Genealogie des Paolo da Perugia ausgeht, betont er immer wieder, dass die antiken Dichter eine tiefere Wahrheit unter dem Schleier ihrer Erzählungen verborgen hätten. Zwar referiert er die verschiedenen rationalen Erklä99 Diese Abschrift ist in der Handschrift Florenz, Biblioteca Laurenziana, Ms. Plut. LII 9 erhalten.

Edition ZACCARIA 1998. Zur Entstehungsgeschichte ZACCARIA, Introduzione 1998; BATTAGLIA RICCI, Boccaccio 2000, S. 219–224; SOLOMON, Gods 2013, S. 235–244; vgl. auch ROMANO, Nota 1951, S. 798 ff. 100 Zu den Quellen Boccaccio ausführlich SCHWERTSIK, Erschaffung 2014. 101 Das intellektuelle Potential der Weltanfangserklärung, die Boccaccio aus dem Mythos entwickelt, zeigt FULL, Welterfindung 2021.

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rungen, doch sehr oft distanziert es sich davon und verweist dann auf allgemeine Wahrheiten oder Werte, die hier umschrieben seien. Von daher gibt die genealogisch grundierte Chronologie nur ein Ordnungsschema vor, das er letztlich mit anderen Dingen auffüllt102. Ihm geht es vor allem um die Verbindung von Mythos und Poesie. Deswegen diskutiert Boccaccio die Bedeutung von Mythos und Dichtung in Buch XIV noch einmal grundsätzlich. Fußend auf Dante und Petrarca entwickelt er hier die Vorstellung einer der Theologie im Grunde gleichwertigen Poesie. Er konzipiert damit ein Gedankengebäude, das noch lange nachwirken sollte und während der folgenden Jahrhunderte kontinuierlich weiter ausgebaut wurde103. Ausgangspunkt ist dafür letztlich die Aussage des Aristoteles in der Metaphysik, dass von Dichtern in Form von Poesie noch vor den Philosophen die ersten Überlegungen zur Natur des Göttlichen sowie zu dem Ursprung der Dinge geäußert worden seien104. Poesie definiert Boccaccio als fervor, als eine Leidenschaft besondere Gedanken zu suchen und diese aufzuschreiben. Diese Leidenschaft, die unmittelbar aus dem Schoß Gottes kommt, ist aber nur wenigen gegeben und muß daher sehr bewundert werden. Deshalb gibt es auch immer nur wenige Dichter105. Die Dichter aber sind die Erfinder und Erzähler der fabulae, der Mythen106. Unter der äußeren Schale dieser Fabeln finden intelligente Menschen immer etwas Großes107. Während sich an der erzählerischen Schale die Ungebildeten erfreuen, dringen die Gebildeten zu dem verborgenen Kern vor, so dass man von einer Lektüre sowohl profitiert wie daran Vergnügen findet108. Die Verhüllung fordert zudem den Intellekt heraus und macht die verborgene Wahrheit dadurch zugleich komplexer und wertvoller. Mythos und Poesie sind von daher untrennbar miteinander verbunden. Die Dichtung nennt Boccaccio die treueste Dienerin der Philosophie, welche unter besagtem Schleier die von der Philosophie gefundene Wahrheit bewahrt109. Zur Struktur des Poetischen gehört das intuitive Erfassen des Göttlichen, dass dann in die Vielfalt der Sprache, in das Sagbare einer Erzählung oder eines Mythos zu übertragen ist. Damit plädiert Boccaccio zugleich für die Eigenständigkeit des Fiktiven, da diesem ja ein wahrhaftiger Sinn innewohnt, der über das Erzählte und seinen unmittelbaren Wirklichkeitsbezug hinausweist. So lässt sich dann eine 102 103

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PASTORE STOCCHI, Boccaccio 2005; vgl. auch GUTHMÜLLER, Boccaccios Konzept 2016. Zu der Rolle der Astrologie auch BLUME, Regenten 2000, S. 112–118. Grundlegend LEINKAUF, Grundriss 2017, S. 436–443, LEINKAUF, Boccaccios Genealogie 2016. Vgl. auch GUTHMÜLLER, Boccaccios Konzept 2016, S. 35–36; SCHWERTSIK, Erschaffung 2014, S. 59–80; ZACCARIA, Introduzione 1998, S. 32–38. Vgl. auch FULL, Welterfindung 2021. ARISTOTELES, Metaphysik 983b; PASTORE STOCCHI, Boccaccio 2005, S. 241–242. Boccaccio, Genealogie XIV, 7, 1, S. 1398: Poesis enim, quam negligentes abiciunt et ignari, est fervor quidam exquisite inveniendi atque dicendi, seu scribendi quod invenieris. Qui, ex sinu Dei procedens, paucis mentibus, ut arbitror, in creatione conceditur, e quo mirabilis sit, rarissimi semper fuere poete. Boccaccio, Genealogie XIV,9, 2 ›S. 1410–1412: Concedo fabulosos, id est fabularum compositores, esse poetas. Boccaccio, Genealogie XIV,9, 4 ›S. 1412: verum nusquam legetur quin ab intelligenti homine cognoscatur aliquid magni sub fabuloso cortice palliatum. Im Anschluss zitiert er die entsprechende Definition einer fabula nach ISIDOR, Etymologiae, I 40,6. Boccaccio, Genealogie XIV, 915, S. 1418: tanti quidem sunt fabule, ut earum primo contextu oblectentur indocti, et circa abscondita doctorum exerceantur ingenia, et sic una et eadem lectione proficiunt et delectant. Vgl. HORAZ, Ars poetica 333. Boccaccio, Genealogie XIV 18, 12, S. 1476: Veritatis quippe optima indagatrix phylosophia est; comperte vero sub velamine servatrix fidissima est poesis.

8. GIOVANNI BOCCACCIO ODER DER MYTHOS UND POETISCHE THEORIE

positiv verstandene Fiktion gegen das Negative einer Lüge absetzen. Der antike Mythos wird so von Boccaccio in entscheidender Weise aufgewertet und von allen negativen Zügen befreit. Vor allen aber wird er in einen größeren Zusammenhang gestellt, in dem das Fiktive in Form der Dichtung als eigenständiger Erkenntnisweg proklamiert wird110. Boccaccio als Autor nimmt in diesem Werk interessanter Weise ganz verschiedene Rollen ein. In den Vorworten zu den einzelnen Büchern schildert er als Metapher seiner langen Recherchen eine imaginäre und höchst gefahrvolle Reise, die ihn nicht allein zu den antiken Ruinenstätten Griechenlands führt, sondern auch wie Dante in die Unterwelt und in die Sphären des Himmels. In der Besprechung der einzelnen Gestalten diskutiert er als Gelehrter gewissenhaft unter Angabe seiner Quellen die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten, wobei neben dem historischen Verständnis den Naturbezügen, insbesondere der Astrologie eine besondere Bedeutung zukommt. Doch eigentlich argumentiert er als Dichter und verweist wieder und wieder auf die verborgenen Wahrheiten sowie die Relevanz der Poesie. Gleich zu Anfang, im Prohemium vergleicht er sein eigenes Tun sowie die Mühen des Autors mit Aesculap, der in den Metamorphosen die zerstreuten Glieder des von seinen Pferden zu Tode geschleiften Hippolytus wieder zusammensetzt. Es kommt ihm vor als würde er zwischen den rauhen und felsigen Stätten der Antike auf der einen Seite und den Dornen der Hassenden, also den Kritikern und Verleumdern der antiken Dichtung auf der anderen Seite stehen. Hier und da sucht er nach den Fragmenten der Götter und der berühmten Helden, die zwar einst groß waren, aber jetzt zerstreut und zerteilt, ja beinahe schon zu Asche zerfallen sind. Dort steht er gleichsam wie ein anderer Aesculap, um diese wieder zusammenzusetzen, wie es jener einst mit dem zerstückelten Körper des Hippolytus tat111. So findet Boccaccio bei Ovid eine passende mythische Metapher für sein so schwieriges Unterfangen und liefert damit gleich zu Anfang ein Beispiel seines Mythenverständnisses. Der Leser Ovids weiß natürlich, das Jupiter Aesculap mit dem Tod bestrafte, da er gegen sein unumstößliches Gesetz einen bereits Gestorbenen aus dem Totenreich zurückgeholt hat. Ein solches Sakrileg begeht auch Boccaccio, indem er die heidnischen Götter wieder in das Bewusstsein seiner Leser einführt. Deshalb sieht er sich auch allenthalben von Kritikern bedroht. Insofern enthält dieser Vergleich mehr als nur das einfache Bild des Zusammensetzens eines zerfallenen Körpers. Es schwingt die Schwere der Aufgabe, das beinahe Aussichtslose ebenso mit, wie der mögliche Bruch mit einer vorgegebenen Ordnung. Der Verweis auf den Mythos eröffnet in diesem Zusammenhang einen sehr viel größeren Resonanzraum und genau darin liegt für Boccaccio der poetische Mehrwert des Mythos.

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LEINKAUF Grundriss 2017, S. 438 f., 442. Boccaccio, Genealogie, Proemio I, 51, S. 62: … satis advertere possum quid mihi faciendum sit, qui inter confragosa vetustatis aspreta et aculeos odiorum, membratim discerptum, attritum et in cineres fere redactum ingens olim corpus deorum procerumque gentilium nunc huc nunc illuc collecturus et, quasi Esculapius alter, ad instar Ypoliti consolidaturus sum. Vgl. Ovid, Metamorphosen XV, 497–546. Eine zweite mythologische Referenz-Figur ist für Boccaccio Prometheus, von dem Ovid berichtet, dass er den ersten Menschen aus Erde formte; Ovid, Metamorphosen I, 76–89; BOCCACCIO, Geneaolgie, Proemio I 41, S. 59. Dazu FULL, Welterfindung 2021.

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V. OVID-LEKTÜREN – DER ANTIKE MYTHOS IN DER LAIEN KULTUR DES 14. JAHRHUNDERTS

9. Lesarten des Mythos Die intellektuelle Kultur im Italien des 14. Jahrhunderts wird durch eine dichte und ausgesprochen intensive Auseinandersetzung mit den antiken Mythos geprägt, die unterschiedliche Bereiche erfasst und nicht auf gelehrte Kreise beschränkt bleibt. Die große Vielfalt dieser Bemühungen kann nicht genug betont werden. Man begegnet sehr verschiedenartigen Lesarten, die sich aber zum großen Teil auf die gleichen Texte und insbesondere auf Ovid beziehen. Dennoch lassen sich aber alle diese Sichtweisen als eine Art Aktualisierung kennzeichnen. Sie verknüpfen die im Grunde fremdartige oder sogar verstörende Materie in der einen oder anderen Weise mit vertrauten Wissensbereichen und vor allem mit zeitgenössischen Erfahrungen. Der Verweis auf einen antiken Mythos gewinnt eine große Selbstverständlichkeit, so dass sich der komparative Gebrauch eines mythologischen Exempels als eine neue und sehr gängige Redeform etablieren kann. Dante intensiviert dieses Verfahren. Er spiegelt auf raffinierte Weise die tiefgreifenden Erfahrungen seiner Jenseits-Reise in den von Ovid erzählten Geschichten. Auch menschliches Empfinden sowie anthropologische Grunderfahrungen bringt er in dieser Form zum Ausdruck. Die Gestalten des Mythos stehen bei ihm gleichberechtigt neben den Vertretern der christlichen Jahrhunderte. In einer weiteren, extremen Steigerung schildert Petrarca in der Abfolge Ovidscher Metamorphosen das Begehren und die übermächtigen Gefühle seines lyrischen Ichs. Hier findet eine Selbstidentifikation statt, um das Unsagbare dennoch zur Sprache zu bringen. In verwandter Weise reagieren auch die unbekannten Florentiner Zeichner auf die große Emotionalität, die in den Erzählungen Ovids allgegenwärtig ist. Der Mythos dient offenbar häufig als Vehikel, um eine komplexe Gefühlswelt angemessen artikulieren zu können. Persönliche Erfahrungen können auf diese Weise auf einen allgemeinen Fundus bezogen werden, über den auch der Leser oder Gesprächspartner verfügt. Paolo da Perugia dagegen versucht einen systematischen Ansatz, mit dem er die Fülle der Überlieferung in eine klare Ordnung bringen will. Er orientiert sich an der Genealogie sowie der historischen Abfolge; doch bringt der den Mythos auch in Bezug zur Kosmologie und Geographie. Damit schlägt er eine Brücke zur erfahrbaren Wirklichkeit. Doch auch in seiner rational geprägten Sicht haben sowohl die Sexualität und der Eros wie auch die Poesie ihren Platz. Giovanni del Virgilio ist mit seinen Vorlesungen, die auf vereinfachende Nacherzählungen setzen und dem Blick auf die treibenden Affekte lenken, ein wichtiger Multiplikator, der den Bekanntheitsgrad der Metamorphosen weiter fördert. Petrus Berchorius verknüpft die Geschichten Ovids nicht allein mit den vertrauten Debatten zur christlichen Ethik, sondern vor allem mit zeitgenössischer Alltagserfahrung und den gesellschaftlichen Problemen seiner Zeit. Giovanni Boccaccio schließlich entwickelt fußend auf Dante und Petrarca eine letztlich philosophische Dichtungstheorie, die den Mythos auf das Engste mit der Poesie verbindet und ihm in jedem Fall eine tiefere Wahrheit zugesteht. Den Mythos sieht er als eine spezifische Ausdrucksform, als einen eigenständigen Weg dichterischer Erkenntnis. Dies sichert dem antiken Mythos dann langfristig eine bedeutende Rolle in den intellektuellen Diskursen der Neuzeit. In den Jahren nach 1300 lässt sich demnach auf verschiedenen Ebenen ein verstärktes Interesse am antiken Mythos beobachten und dieses Interesse erfasst vor allem auch wei-

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9. LESARTEN DES MYTHOS

tere Kreise außerhalb von schulischen und universitären Zusammenhängen. Schon allein daraus entsteht eine neue Qualität, die dieser Mythenrezeption einen anderen Charakter gibt. Eine wichtige, wenn auch sicherlich nicht die einzige Voraussetzung für diesen neuen Umgang mit den alten Texten liegt vermutlich in dem veränderten Umgang mit Emotionen, der sich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts entwickelt. Dafür spielt, worauf eingangs schon hingewiesen wurde, die Auseinandersetzung mit den ethischen Schriften des Aristoteles eine große Rolle, die jetzt in lateinischen Übersetzungen und sogar in einer Volgare-Fassung vorlagen und intensiv diskutiert wurden.112 Thomas von Aquin entwickelt auf dieser Basis eine detaillierte Theorie der Emotionen, die eine neue Systematik erstellt113. Auch in der frühen italienischen Lyrik wird auf weite Strecken ein Diskurs über die Macht des Begehrens sowie das Verhältnis von Verstand und Gefühl geführt114. Daraus entsteht offenbar auch eine neue Sensibilität für den antiken Mythos und insbesondere für jene Version, die Ovid in den Metamorphosen seinen Lesern bietet. Die Auseinandersetzung mit den antiken Texten ermöglicht jetzt ein verändertes Verständnis von Geschichte, Natur und Emotion. Die Rede über den Mythos etabliert von daher ein weiteres Referenzsystem für menschliche Erfahrung, über die im Spiegel mythischer Überlieferung anders gesprochen werden kann.

GENTILI, Uomo aristotelico 2005, S. 27–55; vgl. auch SIRAISI, Taddeo Alderotti 1981. Thomas von Aquin spricht von passiones animae und affectiones; ROSENWEIN, Generations of Feeling, 2016, S. 144–168 mit weiterer Literatur. 114 GENTILI, Uomo aristotelico 2005; BLUME, Amor 2018. 112 113

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229

VI. ANHANG

Personen- und Ortsregister Das Register enthält nur Orte sowie historische Personen, ohne Ovid, Petrus Berchorius und ohne die mythologischen Gestalten. Accursius 69 f. Alan von Lille 15, 55 Albertanus von Brescia 177 Albrecht von Österreich 76 Albricus von London 23, 25, 40, 55, 158 ff., 203 Alderotti, Taddeo 177 Alexander Neckam 15 Altichiero 74, 98 Ambrosius 55 Andrea de Bartoli 67 Andreae, Johannes 65, 69 Andreas, Maler 66 f. Andreas Pisano 201 Anguissola, Lancilotto 77 Anonymus Scholasticus 32 ff. Apuleius 62 f., 71, 80 ff. Aristoteles 55, 79, 177, 207 Arnulf von Orléans 56 Assisi 196 Athen 198 Augustinus 23, 34, 55, 82 f. Augustus 30 Avignon 9 ff., 17, 25, 79, 178, 189 f. Azarius, Petrus 76, 79 Bartholomäus Anglicus 15 f., 54 Bartolomeo di Bartoli 63, 67, 80 ff. Bergamo 148, 153 Bernhard von Clairvaux 55 Boccaccio, Giovanni 9, 24, 30, 81, 184, 202 ff. Boethius 43, 55 Bologna 9, 61 f., 79 f., 82 f., 86, 92, 99 f., 153, 177, 181, 189 Bonvesin de la Riva 75 Brinton, Thomas 58 Caesar 30 f., 198 Caesarius von Heisterbach 52 Calendario, Filippo 80 Calvino, Italo 7 Cassian 34

230

Chartres 11 Cicero 23, 55, 79, 203 Clemens VII., Papst 12 Convenevolo da Prato 180 Dante Aligheri 179 f., 187, 204 ff. Dares Phrygius 55 Dominici, Giovanni 57 f. Edward II., König von England 52 Eucherius von Lyon 14 Fazio degli Uberti 77 Ferrara 197 Fiamma, Galvano 151 Fieschi di Lavagna 75 Fiesole 198 Florenz 25, 57, 77, 177, 196 ff., 201 Fontenay-le-Comte 10 Francesco da Barberino 196 Fulgentius 23, 25, 40, 55, 157, 160, 203 Gervasius von Tilbury 54 Giotto di Bondone 98, 196, 201 Giovanna I. von Anjou 184 Giovanni del Virgilio 9, 26, 189 f., 206 Giovanni d’ Oleggio 76 Giovanni di Antonio de’ Presbiteris 62 Giuliano da Rimini 98 Gregor der Große 55 Guido delle Colonne 65 Guillaume de Machaut 11 Guittone d’Arezzo 168, 178 Heinrich von Halle 44 Hieronymus 55 Hieronymus Lauretus 17 Hildegard von Bingen 44 Holcot, Robert 21, 54, 58 Homer 203 Honorius Augustodunensis 46, 54 Horaz 92

PERSONEN- UND ORTSREGISTER

Hrabanus Maurus 23, 25, 30, 40, 55 Hugo IV. von Lusignan, König von Zypern 203 Hugo von St. Cher 34 Humbert de Romanis 50 Hyginus 55 Isidor von Sevilla

24, 34, 55

Jacopo da Balsemo 148 Jacopus de Cessolis 150 Jacobus de Voragine 53 Jakob de Vitry 53 Jean de Berry 161 f. Jean de Caraman, Kardinal 79 Jeanne II. von Burgund 29 Jesaja da Trani 72 f. Johann II., König von Frankreich Johann von Böhmen 76 Johannes Chrysostomus 55 Johannes XXII:, Papst 11, 79 Johannes von Garlandia 56 Justinian 70 Karl V., König von Frankreich

11

161

Lactantius, Lucius Caecilius Firmianus Lactantius Placidus (Ps.-) 55 Langton, Stephan 55 Latini, Brunetto 177 Lauretus, Hieronymus 17 Livius 13 f. Lodi 39, 76 Lorenzetti, Ambrogio 201 Lovati, Lovato 177 Lucan 31, 189 Mailand 76, 78, 152 Manelli, Luca 64, 79 f., 83 Marcus von Orvieto 17 Martin von Braga 55 Maximus von Turin 55 Mechthild von Magdeburg 44 Meister von 1346 61 ff., 70 f., 79, 82 Michael Scotus 88 f. Montecassino 81 Mortimer, Roger 52 Mykene 198

30

Neapel 24 f., 178, 184 Niccolò di Giacomo 61 ff., 68 f., 70 f., 99 Nicolaus von Prato 26 Origines 11 Orsini, Matteo 21 Otto von Österreich 76 Oxford 9, 25 Padua 12, 25, 148 f., 177, 201 Paolo da Perugia 24, 184 ff., 190, 203, 206 Paolino Veneto 24, 185 Paris 12 f., 17, 25, 196 Parma 78 Parnass 187 Paulus, Apostel 33, 85 Pavia 152 Petrarca, Francesco 12, 24 f., 75, 77 ff., 81, 158 f., 163 f., 180 ff., 187, 189, 194, 204, 206 Petrus Cantor 15 Petrus Chrysologus 55 Petrus Comestor 55 Philipp V., König von Frankreich 29 Philippe de Vitry 11 f., 23, 29 Pierre des Prés, Kardinal 10 f., 16, 55 Pietro da Monteforte 203 Pilatus, Leontius 203 Platon 43 Plinius 55 Ps.-Melito 14 Rabelais, Francois 58 Radberg von Corbie 55 Remigius von Auxerre 40 Richard von St. Victor 55 Ridewall, John 24, 40 f., 158 Robert von Anjou, König von Neapel 24, 184 f. Robert von Basevorn 54 Rom 201 Rupert von Deutz 55 Rustichello da Pisa 151 Salutati, Coluccio 57, 197 Schedel, Hartmann 148 Seneca 27, 55 Servius 23 Siena 201

231

VI. ANHANG

Simintendi, Arrigo 197, 202 Solinus 18, 55 Sparta 198 Statius 189 Theben 198 Theodontius 203 Thomas von Aquin 55, 79, 207 Thomas von Cantimpré 15 Tortona 76 Tremacoldo, Pietro 39 Trevet, Nicholas 14, 21, 26, 58 Ugo da San Severino

203

Valerius Maximus 53, 55 Valete, Giraldus 16 Venedig 80 Vergil 159, 189

232

Villani, Giovanni 198 Vinzenz von Beauvais 15 f., 55 Visconti, Azzo 76 Visconti, Bruzio 63 f., 74 ff., 80 ff., 100 Visconti, Gian Galeazzo 12, 75 f. Visconti, Giovanni 76 f., 81 Visconti, Luchino 76 ff., 81 Visconti, Matteo I. 76 Visconti, Otto 75 Vitale da Bologna 98 Waleys, Thomas 21, 54, 58, 83 f. Walsingham, Thomas 58 Wyclif, John 58 Yekutiel ben Solomon 72 Zanobio da Strada 187

ABBILDUNGEN

233

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

1

1r, Prolog, Autorenbild, Gotha, Forschungsbibliothek, Cod. Membr. I 98; Fol. 1r

235

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

2

236

1v, Beginn des Göttertraktates, Lücke für Saturn

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

3

9r, Buch I, Deucalion und Pyrrha, Apoll mit Phyton und Daphne

237

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

4

238

9v Apoll und Daphne

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

5

10r, Kampf gegen die Giganten

239

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

6

240

10v, Götterversammlung, Lycaon

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

7

11r, Jupiter und Io

241

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

8

242

11v, Io bei Argus

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

9

12r, Io, Pan und Syrinx

243

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

10 12v, Buch II, Palast des Sonnengottes

244

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

11

13r, Phaethon im Sonnenwagen

245

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

12 13v, Atlas, Phaethons Schwestern

246

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

13

14r, Cygnus, Jupiter und Callisto

247

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

14 14v, Callisto

248

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

15

15r, Callisto, Coronis und Apoll

249

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

16 15v, Cornix, Erichthonius

250

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

17

16r, Ocyroe, Aesculap und Chiron

251

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

18 16v, Mercur und Battus, Invidia, Jupiter und Europa

252

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

19

17r, Jupiter und Europa, Buch III, Cadmus

253

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

20 17v, Cadmus

254

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

21

18r, Diana und Actaeon

255

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

22 18v, Jupiter und Semele

256

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

23

19r, Semele, Bacchus

257

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

24 19v, Pentheus und das Fest des Bacchus

258

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

25

20r, Tiresias

259

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

26 20v, Narziss, Echo

260

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

27

21r, Buch IV, Pyramus und Thisbe, Geburt von Minerva und Vulcan

261

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

28 21v, Vulcan mit Venus und Mars

262

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

29

22r, Apoll und Leucothoe, Apoll und Clytie

263

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

30 22v, Sithon, Cureten, Hermaphroditus und Salamacis

264

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

31

23r, Danae, Perseus und die Gorgonen

265

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

32 23v, Perseus und Medusa, Perseus auf Pegasus

266

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

33

24r, Perseus und Atlas

267

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

34 24v, Perseus und Andromeda

268

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

35

25r, Verwandlung des Cadmus, Ino und Athamas

269

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

36 25v, Buch V, Pyreneus und die Musen, Raub der Proserpina

270

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

37

26r, Venus und Proserpina, Sirenen

271

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

38 26v, Ceres sucht Proserpina, Ascalaphus

272

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

39

27r, Verwandlung des Ascalaphus, Typhoeus

273

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

40 27v, Arethusa, Triptolemus

274

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

41

28r, Pieriden, Palicen

275

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

42 28v, Buch VI, Arachne und Pallas

276

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

43

29r, Szenen auf dem Teppich der Pallas

277

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

44 29v, Szenen auf dem Teppich der Arachne

278

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

45

30r, Szene auf dem Teppich der Arachne, Niobe

279

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

46 30v, Latona

280

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

47

31r, Latona, Marsyas, Lücke für Tantalus

281

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

48 31v, Lücke für Tereus und Philomena

282

GOTHA, COD. MEMBR. I 98, BERCHORIUS

49

32r, Lücke für Boreas und Orithyia, Buch VII, Lücke für Phineus und die Argonauten

283

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

50

1r, Autorenbild

51

9r, Apoll mit Phyton sowie mit Daphne

52

9v-a, Apoll verfolgt Daphne

53

9v-b, Apoll umarmt Daphne

285

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

54 10v-a, Versammlung der Götter

286

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

55 10v-b, Jupiter besucht Lycaon

56 10v-c, Gastmahl des Lycaon

287

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

57 11r-a, Iupiter verführt Io

58

11r-b, Jupiter verwandelt Io

59

60

11r-d, Io bei ihrem Vater Inachus

288

11r-c, Io erkennt ihre Gestalt als Kuh

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

61 11v, Io bei Argus und ihre Befreiung durch Mercur

289

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

290

62

12r-a, Rückverwandlung der Io

63

12r-b, Io als Stern

64

12v-b, Proteus

65

13v-a, Atlas

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

66

14r-b, Cygnus

67 14r-c, Jupiter verführt Callisto

291

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

68

14v-a, Juno verwandelt Callisto

69

14v-b, Callisto als Bärin

70

14v-c, Callisto trifft ihren Sohn Arcas

71

15r-a, Callistos Verwandlung in ein Sternbild

292

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

72 15r-b, Wolf mit Bärenfamilie oder Callisto und Lycaon

73 15r-c, Coronis und Apoll

293

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

74 15v-a, Cornix und Neptun

294

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

75 15v-b, Erichthonius

76

16v-b, Invidia

295

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

77 16v-a, Mercur und Battus

296

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

78

16v-c, Europa und der Stier

79 17r-a, Iupiter entführt Europa

297

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

80 18r-a, Diana und Actaeon

298

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

81

18r-b, Tod des Actaeon

299

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

82

300

21r-a, Pyramus und Thisbe

83

21v, Vulcan mit Mars und Venus

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

84

22r-a, Leucothoe

85

22v-c, Salamacis und Hermaphroditus

301

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

86 23v-c, Perseus auf Pegasus

87 24r-b, Perseus verwandelt Atlas

302

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

88

24v, Perseus und Andromeda

89

25v-b, Raub der Proserpina

303

GOTHA, COD. MEMBR. I 98

91 9r, Vierpass der Rahmenleiste mit Helmzier der Visconti

90 25v, Initiale mit übermaltem Wappen der Visconti

92 1r, Detail der Rahmenleiste mit ausgekratztem Wappenzeichen

93 Francesco Petrarca, De viris illustribus, Wappen der Visconti, Paris, Bibliothèque Nationale, lat. 6069 F, fol. 1r

304

PARIS, BIBLIOTHÈQUE NATIONALE, LAT. 2066

94

1r, Augustinus, De Civitate Dei, Frontispiz, (Mailand um 1325–40)

305

PARIS, BIBLIOTHÈQUE NATIONALE, LAT. 6467

95 1r, Luca Manelli, Compendium moralis philosophiae, Frontispiz, (Bologna 1346–48)

306

PARIS, BIBLIOTHÈQUE NATIONALE, LAT. 6467

96

1r, Initiale, Bruzio Visconti und Luca Manelli

98

1r, Bruzio Visconti umgeben von Gelehrten

97 Filippo Calendario, Venetia in forma di iustitia, Venedig, Dogenpalast (1342–48)

307

ROM, BIBL. APOST. VAT., LAT. 2194

99 IIv, Widmungsgedicht des Bartolomeo di Bartoli

308

ROM, BIBL. APOST. VAT., LAT. 2194

100

1r, Apuleius, Der Goldene Esel, Frontispiz (Bologna 1345)

309

ROM, BIBL. APOST. VAT., LAT. 2194

310

101

1r, Apuleius, Initiale

102

1r, Apuleius, Wappen und Tugenden

ROM, BIBL. APOST. VAT., LAT. 2194

103 5v, Apuleius, Initiale zu Buch II

104

12r, Apuleius, Initiale zu Buch III

105 17r, Apuleius, Initiale zu Buch IV

106

24r, Apuleius, Initiale zu Buch V

107 30r, Apuleius, Initiale zu Buch VI

108

36r, Apuleius, Initiale zu Buch VII

311

ROM, BIBL. APOST. VAT., LAT. 2194

312

109 42r, Apuleius, Initiale zu Buch VIII

110

48v, Apuleius, Initiale zu Buch IX

111 57v, Apuleius, Initiale zu Buch X

112

65v, Apuleius, Initiale zu Buch XI

CHANTILLY, MUSÉE CONDÉ, MS. 599

113

1r, Bartolomeo di Bartoli, Canzone delle virtù e delle scienze, Frontispiz (Bologna 1345–49)

313

BOLOGNESER BUCHMALEREI

114 Rom, Bibl. Vat.,Vat. lat. 1411, 203r, Meister von 1346 (um 1343)

115 Paris, Bibl. Nat., lat. 14339, 3r, Meister von 1346 und Niccolò di Giacomo (nach 1345)

314

BOLOGNESER BUCHMALEREI

116

Bologna, Archivio di Stato, cod. min. 13, 1r, Meister von 1346 (1346)

117 Tenschert, Antiquariat Bibermühle, ‛Historia Destructionis Troiae’, 62r, Meister von 1346 (1347)

118 Tenschert, Antiquariat Bibermühle, ‛Historia Destructionis Troiae’, 59r, Meister von 1346 (1347)

119 Tenschert, Antiquariat Bibermühle, ‛Historia Destructionis Troiae’, 76r, Meister von 1346 (1347)

120 Cesena, Biblioteca Malatestiana, S. IV.2, 260r, Illustratore (1330er Jahre)

315

BOLOGNESER BUCHMALEREI

121

316

Kremsmünster, Bibliothek des Benediktinerstifts, Cim. 4, 10v, Niccolò di Giacomo (1349)

BOLOGNESER BUCHMALEREI

122 Kremsmünster, Bibliothek des Benediktinerstifts, Cim. 4,11r, Niccolò di Giacomo (1349)

317

BOLOGNESER BUCHMALEREI

318

123 Kremsmünster, Cim. 4, 7r, Niccolò di Giacomo (1349)

124 Kremsmünster, Cim. 4, 83r, Niccolò di Giacomo (1349)

125 Kremsmünster, Cim. 4, 128v, Niccolò di Giacomo (1349)

126 Kremsmünster, Cim. 4, 138r, Niccolò di Giacomo (1349)

BOLOGNESER BUCHMALEREI

127 Rom, Bibl. Vat., Vat. lat. 2534, 1r, Niccolò di Giacomo (um 1350)

128 Rom, Bibl. Vat., Vat. lat. 1436, 40r, Illustratore (um 1343)

319

BOLOGNESER BUCHMALEREI

320

129 Rom, Bibl. Vat., Vat. lat. 2463, 1r, Meister von 1346

130 Paris Bibl. Nat., Smith-Lesouëf 13, 1r, Niccolò di Giacomo (um 1370)

131 Paris, Bibl. Nat., lat. 6467, 2v, Meister von 1346 (1346–50)

132 Paris, Bibl. Nat., lat. 8044, 1r, Niccolò di Giacomo (um 1370/80)

BOLOGNESER BUCHMALEREI

133 London, Brit. Libr., Oriental, Ms. 5024, 9r

135 London, Brit. Libr., Oriental, Ms. 5024, 97v, Detail Ranke

134

London, Brit. Libr., Oriental, Ms. 5024, 56r

136 London, Brit. Libr., Oriental, Ms. 5024, 97v, Detail Löwe

137 Gotha, Cod. Membr. I 98, 17r, Detail Löwe

321

BOLOGNESER BUCHMALEREI

138 London, Brit. Libr., Oriental, Ms. 5024, 177r, Detail Rinder

139 London, Brit. Libr., Oriental, Ms. 5024, 3v, Detail Rind

140 London, Brit. Libr., Oriental, Ms. 5024, 171r, Detail Hirsch und Hund

322

BERGAMO, BIBL. CIV., MS. CASSAFORTE 3.4

141

8v, Deucalion und Pyrrha

142 10r, Apoll und Daphne

143

11r, Apoll umarmt Daphne

144 13r, Jupiter und Lycaon

145

13v, Gastmahl des Lycaon

323

BERGAMO, BIBL. CIV., MS. CASSAFORTE 3.4

146 14v-15r, Jupiter und Io

324

147 16r, Io vor Jupiter

148

17r, Pan und Syrinx

149 18v, Apoll und Phaeton

150

21v, Cygnus

BERGAMO, BIBL. CIV., MS. CASSAFORTE 3.4

151 22r, Jupiter und Callisto

152 22v-23r, Jupiter und Callisto

153 23v-24r, Jupiter und Callisto

325

BERGAMO, BIBL. CIV., MS. CASSAFORTE 3.4

326

154 30r, Cadmus am Tempel des Apoll

155

35v, Bacchus

156 38v, Tiresias

157

44r, Leucothoe

158 49r, Perseus enthauptet Medusa

159

52r, Perseus und die Algen

BERGAMO, BIBL. CIV., MS. CASSAFORTE 3.4

160 54v-55r, Pluto und Proserpina

161

57r, Proserpina und Ascalaphus

162

58v, Alpheus und Arethusa

163 83r, König Minos

327

BERGAMO, BIBL. CIV., MS. CASSAFORTE 3.4

328

164 86r, Scylla und Minos

165

107r, Die Richter der Unterwelt

166 115v, Venus und Adonis

167

131r, Aeneas und Diomedes

VERGLEICHE ZU BERGAMO

168

170

London, Brit. Libr., Ms. Add. 15277, 44r

München, Bayr. Staatsbibl., Clm 26515, 7v

169

München, Bayr. Staatsbibl., Clm 26515, 3v

171

München, Bayr. Staatsbibl., Clm 26515, 13r

329

VERGLEICHE ZU BERGAMO

330

173

Bergamo, Ms. Cassaforte 3.4, 40r

172 Mailand, Biblioteca Trivulziana, Triv. 1438, 8v

174

Bergamo, Ms. Cassaforte 3.4, 16r

175 Bergamo, Ms. Cassaforte 3.4, 78v

176

Bergamo, Ms. Cassaforte 3.4, 121r

VERGLEICHE ZU BERGAMO

177 Paris, Bibl. Nat., Ms. nouv. Acq. 5243, 87v

178

Paris, Bibl. Nat., Ms. fr. 343, 31v

179 Paris, Bibl. Nat., Ms. lat. 4946, 4r

180

Paris, Bibl. Nat., Ms. lat. 4946, 4r

331

VERGLEICHE ZU BERGAMO

181 22r

Bergamo,

183 Paris, Bibl. Nat., Ms. fr. 168, 144v

186 München, Clm 26515, 3r

332

182 Bergamo, 25r

184 Bergamo, 17v

185 Paris, Bibl. Nat., Ms. nouv. Acq. Lat. 3021, 3r

187 München, Clm 800, 3r

188

Bergamo, 17v

189 Paris, Bibl. Nat., Ms. nouv. Acq. Fr. 5243, 14v

190

Bergamo, 49r

191 Paris, Bibl. Nat., Ms. nouv. Acq. Fr. 5243, 14r

ANTIKE GÖTTER

192 Fulgentius mit Bildlücken, Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. lat. 8500, 5v

193 Albricus mit Bildlücken, Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. lat. 8500, 83r

333

ANTIKE GÖTTER: SATURN

194 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 1v

196 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 5r

198 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 1r

334

195 Ovide moralisé, Rom, Bibl. Vat. Reg. Lat. 1480, 5r

197 Ovide moralisé, Paris, Bibl. Nat. fr. 373, 1r

ANTIKE GÖTTER: JUPITER

199 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 2r

200 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 28v

201

Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 1r

335

ANTIKE GÖTTER: MARS

202 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 2v

203 Ovide moralié, Rom, Bibl. Vat. Reg. Lat. 1480, 263r

204 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 1v

336

ANTIKE GÖTTER: APOLL

205 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 3r

206 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 292v

207

Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 1v

337

ANTIKE GÖTTER: VENUS

208 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 3v

209 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 220r

210 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 2r

338

ANTIKE GÖTTER: MERCUR

211 Berchoris, Bergamo, Ms. Cassaforte 3.4, 1v

212 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 4r

214

213 Ovide moralisé, Rom, Bibl. Vat. Reg. Lat. 1480, 241r

Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 2r

339

ANTIKE GÖTTER: DIANA

215 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 4v

216 Ovide moralsé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 157r

217 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 2v

340

ANTIKE GÖTTER: MINERVA

218

219

Berchorius, Treviso, Bibl. Civ. Ms. 344, 5r

221

Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 2v

Berchorius, Bergamo, 2v

220 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 134r

341

ANTIKE GÖTTER: JUNO

222 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 5r

223 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 57r

224 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 3v

342

ANTIKE GÖTTER: CYBELE

225

Berchorius, Bergamo, 3r

226 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 5v

227 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 3v

343

ANTIKE GÖTTER: VULCAN

228 Berchorius, Bergamo, 4r

229 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 6r

231 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 4v

344

230 Ovide moralisé, Rom, Bibl. Vat. Reg. Lat. 1480, 72v

ANTIKE GÖTTER: NEPTUN

232 Berchorius, Bergamo, 4r

233 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ. Ms. 344, 6r

234 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 318r

235 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 4v

345

ANTIKE GÖTTER: PAN

236 Berchorius, Bergamo,. 5r, Pan

237 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 6v

239 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 3r

346

238 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 355r

ANTIKE GÖTTER: PLUTO

240 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 6v

241 Berchorius, Parzen und Furien, Treviso, Ms. 344, 7r

242 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 117v

243 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 3r

347

ANTIKE GÖTTER: BACCHUS

244 Berchorius, Bergamo, 7v

245 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 8r

247 Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 5v

348

246 Ovide moralisé, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 177r

ANTIKE GÖTTER: AESCULAP

248 Berchorius, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 8r

249 Berchorius, Bergamo, 8r

251

250 Jupiter, London, Brit. Libr. Ms. Cotton Julius F VII, 6v

Libellus, Rom, Bibl. Vat. Reg. lat. 1290, 5v

349

ANTIKE GÖTTER

252 Berchorius, Hercules, Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, 8v

254 Saturn und Jupiter, Oxford, Bodl. Libr. Ms. Rawlinson B 214, 197v

350

253

Ovide moralisé, Hercules, Genf, Bibl. Munic. Ms. fr. 176, 201r

255 Mars und Apoll, Oxford, Bodl. Libr. Ms. Rawlinson B 214, 198r

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

256 Demogorgon und Tellus, 2r

351

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

257 Celius, 2v

352

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

258 Saturn und Cybele, 3r

353

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

259 Mars, Theseus, 3v

354

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

260 Jupiter, 4r

355

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

261 Jupiters Nachkommen, 4v

356

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

262 Musen, 5r

357

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

263 Sol-Apoll, Diana, 5v

358

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

264 Hercules, 6r

359

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

265 Juno und Ixion, 3r

266

Jupiter mit Electra, 4r

267 Callisto, 5r

268

Neptun, 3r

360

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

269 Pluto, 3r

270

Venus und Cupido, 4r

271

272

Geburt der Minerva, 5r

Bacchus, Vulcan, 4r

361

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

273 Pan, 3v

274 Parnass, 6r

362

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

275 Musen, 5r

363

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

276 Saturn, 3r

277

Jupiter, 4r

278 Mars, 3v

279

Sol, 5v

364

PAOLO DA PERUGIA, LONDON, BRIT. LIBR. ADD. 57529

281

Merkur, 4v

280

Venus, 4r

282

Diana, 5v

365

OVID, FLORENZ, BNCF, PANC. 63

283 Lycaon, 10r

366

OVID, FLORENZ, BNCF, PANC. 63

284 Parnass, Deucalion und Pyrrha, 11r

367

OVID, FLORENZ, BNCF, PANC. 63

286

Callisto als Bärin, 20v

287 Tochter des Minyas als Fledermaus, 36r

288 Adonis als Anemone, 93r 285 Nyctimene, Apoll und Coronis, 21v

289 Ansicht von Fiesole, 133r

368

OVID, FLORENZ, BNCF, PANC. 63

290 Apoll und Daphne,12v

291

Alpheus und Arethusa, 46v

292 Actaeon und Diana, 26r

369

OVID, FLORENZ, BNCF, PANC. 63

293 Jupiter und Callisto, 19v

294 Verstoßung der Callisto, 20r

370

OVID, FLORENZ, BNCF, PANC. 63

295 Salamacis und Hermaphroditus, 35r

296 Leucothoe, 34r

297 Althea, 71r

371

OVID, FLORENZ, BNCF, PANC. 63

298 Minerva und Invidia, 23r

299 Arachne und Minerva, 48v

300 Daedalus und Icarus, 66v

372

OVID, FLORENZ, BNCF, PANC. 63

301

Tod des Ceyx, 99v

373

ABBILDUNGEN

Abbildungsnachweis Bergamo, Bibl. Civica, Abb. 141–167, 173–176, 181, 182, 184, 188, 190, 211, 218, 225, 228, 232, 236, 244, 249; Bologna, Archivio di Stato, Abb. 116; Cesena, Bibl. Malatestiana, Abb. 120; Chantilly, Musée Condé, Abb. 113; Florenz, Bibl. Naz. Centr., Abb. 283–301; Genf, Bibl. Munic., Abb. 196, 200, 206, 209, 216, 220, 223, 234, 238, 242, 246, 253; Gotha, Forschungsbibliothek, Abb. 1–92, 137; Kremsmünster, Bibl. des Benediktinerstifts, Abb. 121–126; London, Brit. Libr., Abb. 133–136, 138–140, 168, 250, 256–282; Mailand, Bibl. Trivulziana, Abb. 172; München, Bayr. Staatsbibl., Abb. 169–171, 186, 187; Oxford, Bodl. Libr., Abb. 254, 255; Paris, Bibl. Nat. Abb. 93–96, 98, 115, 130–132, 177–180, 183, 185, 189, 190, 192, 193, 197; Rom, Bibl. Apost. Vat. Abb. 99–112, 114, 127–129, 195, 198, 201, 203, 204, 207, 210, 213, 214, 217, 221, 224, 227, 230, 231, 235, 239, 243, 247, 251; Tenschert, Antiquariat Bibermühle, Abb. 117–119; Treviso, Bibl. Civica, Abb. 194, 199, 202, 205, 208, 212, 215, 219, 222, 226, 229, 233, 237, 240, 241, 245, 248, 252. Alle übrigen Abbildungen stammen aus dem Archiv der Verfasser.

374

Petrus Berchorius    und der antike Mythos    im 14. Jahrhundert

Petrus Berchorius und der antike Mythos im 14. Jahrhundert Herausgegeben von Dieter Blume und Christel Meier

Band 2

Petrus Berchorius: ›Ovidius moralizatus‹ Textedition, Übersetzung, Kommentar

In Zusammenarbeit mit Anna Stenmans herausgegeben von Christel Meier



Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)

ISBN 978-3-11-073506-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-076491-8 Library of Congress Control Number: 2021938025 Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Covergestaltung: hawemannundmosch, berlin Umschlagabbildungen: Gotha, Forschungsbibliothek, Cod. Membr. I 98, Fol. 11r (Bd. 1 Vorderseite) und 17r (Bd. 2 Vorderseite); Florenz, BNCF, Ms. Panc. 63, Fol. 12v (Bd. 1 Rückseite); Treviso, Bibl. Civ., Ms. 344, Fol. 6v (Bd. 2 Rückseite) Layout und Herstellung: Kerstin Protz, Berlin Satz Band 2: Rhema – Tim Doherty, Münster Druck und Bindung: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Altenburg www.degruyter.com

INHALT

Vorwort I. Der ›Ovidius moralizatus‹: Probleme einer Edition 1. Zu Überlieferungssituation und Editionsstand 2. Zu Textausgabe, Übersetzung und Kommentar Zur Ausgabe Zu Übersetzung und Kommentar II. Beschreibung der Handschriften und Anlage der Ausgabe 1. Kodikologische Beschreibung der illuminierten Handschriften 2. Weitere Textzeugen der ersten Redaktion als Vergleichshandschriften 3. Zu den Editionsprinzipien III. ›Ovidius moralizatus‹: Textedition/Übersetzung

9 11 12 16 16 18 20 20 43 49 53

Prologus/Prolog

55

De formis figurisque deorum/Von Aussehen und Gestaltung der Götter Saturnus (1) – Iupiter (2) – Mars (3) – Apollo (4) – Venus (5) – Mercurius (6) – Diana (7) – Minerva (8) – Iuno (9) – Cybele (10) – Neptunus (11) – Pan (12) – Bacchus (13) – Pluto (14) Vulcanus (15) – Hercules (16) – Aesculap (17)

55

Metamorphoses moralizate/Die Moralisierung der Metamorphosen (I–XV)

132

Liber/Buch I Deucalion und Pyrrha (1) – Daphne (2–4) – Giganten (5–6) – Götterversammlung (7) – Lycaon (8–9) – Io (10–16) – Syrinx (17)

132

Liber/Buch II Palast des Sonnengottes (1) – Proteus (2) – Phaethon (3–5) – Atlas (6) – Heliaden (7–8) – Cygnus (9) – Callisto (10–15) – Coronis (16) – Cornix (17) – Erichthonius (18) – Ocyroe (19) – Aesculap (20) – Battus (21) – Invidia (22) – Europa (23)

156

5

INHALT

6

Liber/Buch III Cadmus (1–3) – Actaeon (4–5) – Semele (6) – Bacchus (7–8) – Bacchus/ thyrenische Seeleute (9) – Pentheus/Bacchus (10) – Tiresias (11) – Tiresias/Iupiter/Iuno (12) – Narcissus (13) – Echo (14)

186

Liber/Buch IV Pyramus und Thisbe (1) – Minerva/Vulcanus (2) – Venus/Mars/ Vulcanus (3) – Leucothoe (4) – Clytie (5) – Sithon (6) – Cureten (7) – Hermaphroditus (8) – Minyastöchter (8a) – Danae (9) – Perseus/ Gorgones (l0–11) – Pegasus (12) – Perseus/Atlas (13) – Perseus/ Andromeda (14) – Korallen (15) – Cadmus (16) – Ino (17)

213

Liber/Buch V Pyreneus (1) – Proserpina (2–3) – Sirenen (4) – Ceres/Proserpina (5) – Ascalaphus (6) – Typhoeus (7) – Arethusa (8) – Triptolemus (9) – Pieriden (10) – Palicen (11–12)

245

Liber/Buch VI Arachne (1) – Minerva/Neptunus (2) – Haemus/Rhodope (3) – Pygmea (4) – Antigone (5) – Cinyras’ Töchter (6) – Asterie (7) – Götterliebschaften I (8) – Fulius (9) – Götterliebschaften II (10) – Otos/Ephialtes (11) – Niobe (12) – Latona (13) – Lykische Bauern (14) – Marsyas (15) – Tantalus (16) – Procne/Philomela/Tereus (17) – Boreas/Orithyia (18)

265

Liber/Buch VII Argonauten/Phineus (1) – Goldenes Vlies (2) – Medea/Iason (3–4) – Aeson (5) – Pelias (6–7) – Medeas Kindermord (8) – Orpheus (9) – Cerambius (10) – Thyoneus (11) – Corythus (12) – Hercules/Maera (13) – Frauen von Cos (14) – Telchinen/Alcidamas (15) – Combe (16) – Menephron (17) – Enkel des Cephisus (18) – Eumelus (19) – Phyllius/ Cygnus (20) – Medea/Aegeus/Theseus (21) – Hercules/Cerberus (22) – Phene/Periphas (23) – Minos (24) – Procrustes/Cercyon/Erichthonius (25) – Sciron (26) – Arne (28) – Myrmidonen (29) – Cephalus/Procris (30–31)

287

Liber/Buch VIII Nisus/Scylla (1) – Turm von Alchatoe (2) – Pasiphae (3) – Ariadne (4) – Aegeus (5) – Daedalus/Icarus (6–7) – Perdix (8) – Meleager (9) – Philemon/Baucis (10) – Erysichthon (11) – Gestaltenwandler (12)

326

Liber/Buch IX Achelous (1) – Nessus/Deianira (2) – Lichas (3) – Ixion (4) – Geryon/ Cerberus/Hydra (5) – Nemeischer Löwe (6) – Äpfel der Hesperiden (7) – Geryon/Cerberus (8) – Diomedes (9) – Hydra (10) – Antaeus (11) – Cacus (12) – Galantis (13) – Halsband der Harmonia (14) – Dryope (15) – Iole (16) – Tithonus (17) – Aeacus/Rhadamanthus/Minos (18) – Byblis (19) – Ligdus (20)

354

INHALT

Liber/Buch X Orpheus/Eurydice (1–2) – Versteinerung eines Bauern (3) – Lethaea und Olenus (4) – Attis (5) – Cyparissus (6) – Ganymed (7) – Hyacinthus (8) – Cerasten (9) – Pygmalion (10) – Myrrha (11) – Adonis (12) – Atalanta/Hippomenes (13)

382

Liber/Buch XI Midas (1) – Pan (2) – Laomedon (3) – Peleus/Thetis (4) – Autolycus (5) – Ceyx (6) – Polydorus (7)

405

Liber/Buch XII Paris (1–2) – Iphigenie (3) – Cygnus (4) – Caeneus (5) – Laodamia (7) – Helena (8) – Memnon (9)

416

Liber/Buch XIII Palamedes (1–2) – Aeolus (3) – Circe (4) – Polyphem (5) – Galatea/ Acis (6) – Penelope (7) – Telegonus (8) – Idomeneus (9) – Diomedes (10) – Glaucus (11)

427

Liber/Buch XIV Scylla (1) – Charybdis (2) – Aeneas (3) – Cumeische Sibylle (4) – Picus (5) – Gefährten des Picus (6) – Schiffe des Aeneas (7) – Ardea (8) – Vertumnus/Pomona (9) – Iphis (10) – Aeneas/Romulus (11) – Beständigkeit der göttlichen Urteile (12)

443

Liber/Buch XV Pythagoras (1) – Hippolytus (2) – Tages (3) – Schwert des Romulus (4) – Cipus (5) – Pest (6) – Thetis/Peleus (7) – Alcestis/Admetus (8)

459

IV. Kommentar zum ›Ovidius moralizatus‹

475

V. Anhänge

535

1. Bibelstellenregister 2. Register der Personen- und Ortsnamen 3. Konkordanz der vorliegenden Edition mit der Hs. Gotha und dem Druck Paris 1509 4. Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen und Literatur

535 540 546 553

7

Petrus Berchorius, Reductorium morale, Eingangsseite: Der Autor bei der Übergabe des Buchs an den Auftraggeber Pierre des Prés mit Zeigegestus auf den Werkinhalt: Das Bild der Welt, der Mensch zwischen Himmel und Hölle; Paris, BN, Ms. Lat. 16785, fol. 1r.

8

VORWORT

Quelques rigoristes, plus sévères que sages, ont voulu proscrire depuis peu l’ancienne mythologie, comme un recueil de contes puériles indignes de la gravité reconnue de nos mœurs. Il serait triste pourtant de brûler Ovide, Homère, Hésiode, et toutes nos belles tapisseries, et nos tableaux, et nos opéras [. . .]. Les belles fables de l’antiquité ont encore ce grand avantage sur l’histoire, qu’elles présentent une morale sensible: ce sont des leçons de vertu, et presque toute l’histoire est le succès des crimes. Jupiter, dans la fable, descend sur la terre pour punir Tantale et Lycaon; mais dans l’histoire, nos Tantales et nos Lycaons sont les dieux de la terre. (Voltaire, Sur la fable, Éd. encadrée 1775, Bd. 33, S. 306/308) Institucio venerabilis viri Fulgencii in sua mithologia est sub tegmine fabularum a poetis fictarum describere diversa genera viciorum et virtutum eis oppositarum, ut cognita virtutum honestate et viciorum deformitate inducat auditores ad virtutum exercitacionem et viciorum detestacionem. (Ridewall, Fulgentius metaforalis I,1)

In einem Jahrhundert, das sich dem antiken Mythos und besonders den ›Metamorphosen‹ Ovids mit einem neuen, großen Interesse zuwandte, gelingt es den Illuminatoren des Gothaer Codex, den ovidischen Geschichten mit ästhetischer Kreativität eine zeitlos-humane Lebendigkeit wiederzugeben. Der zugehörige Text des Petrus Berchorius, dessen beachtliche Verbreitung und fortgesetzte weite Rezeption dasselbe frühhumanistische Interesse dokumentiert, ist stärker auf die spätmittelalterlichen Kommunikationsräume bezogen und in verschiedenen sozialen Kontexten von Papst- und Königshof, Adelsgesellschaft, Ordensverbänden und städtischen Eliten über die Kernländer Europas hin situiert. Das Werk erfüllt hier diverse Funktionen im Horizont von Bildung, religiöser, gesellschaftlicher und individueller Werteorientierung und Lebensgestaltung. Als Topos-Handbuch, für Prediger und ihre Hörer geschaffen, wurde der Text gleichwohl für viele Gebiete, wie Dichtung, bildende Kunst und Wissensvermittlung über antike Gegenstände, relevant. Schon der Gothaer Codex beweist dies. Die Ausgabe des bislang nicht in authentischer Form edierten Textes musste zwei Anforderungen genügen, der textlichen Fundierung unseres interdisziplinären Projekts und

9

VORWORT

einer plausiblen Auswahl von Textzeugen aus der Fülle der handschriftlichen Überlieferung. Der beigegebene Kommentar und die Register sollen die Texterschließung erleichtern, und die Übersetzung mag manchem Leser des nicht leicht zugänglichen Werks willkommen sein. Die erste Kollation der ausgewählten Handschriften mit Erstellung einer vorläufigen Textversion und die Rohübersetzung sowie das Namen- und Ortsregister hat Anna Stenmans erarbeitet; Caroline Smout erstellte zusammen mit ihr die Handschriftenbeschreibung. Die von mir aufgrund dieser Vorarbeiten besorgte Edition, Übersetzung und Kommentierung des Berchorius-Textes hat Tim Doherty mit technischer Kompetenz und Souveränität für den Druck eingerichtet. Münster, im Dezember 2020

10

Christel Meier

I. DER ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: PROBLEME EINER EDITION Die beiden wirkmächtigsten Opera des Berchorius sind bislang ebenso wenig kritisch ediert wie seine monumentalen Sammelwerke ›Reductorium‹ und ›Repertorium‹; den größten Erfolg aber hatte der Autor mit seinen Bearbeitungen antiker Schriften, dem meist separat überlieferten ›Metamorphosen‹-Kommentar und der Livius-Übersetzung 1: der erste mit über 80 Handschriften, die zweite mit über 60 Textzeugen. Beide haben mehrere z.T. höchst anspruchsvolle Illustrierungen erfahren, die nicht lange nach dem Abschluss der Texte geschaffen wurden. Beide haben lange in der Forschung wenig Interesse gefunden. Zwar ist das ›Reductorium‹ und der ›Ovidius moralizatus‹ für die Allegorese- und Enzyklopädie-Forschung schon seit Jahrzehnten ein wichtiger Gegenstand 2, aber erst die Frage nach der Präsentation des antiken Mythos in Text und Bild, in verschiedenen Medien hat das Forschungsinteresse auf die reich entwickelte frühe Druckgraphik zu Ovids ›Metamorphosen‹ gelenkt 3 und die noch kaum wahrgenommenen Miniaturenzyklen, die nicht zum Ovid-Text selbst, sondern vor allem zum ›Ovidius moralizatus‹ des Berchorius entstanden sind, in den Fokus gerückt 4. Auf den Gothaer Codex Membr. I 98, in dessen erstaunlichem Miniaturenzyklus sich die noch unentdeckte Vorgeschichte der Druckgraphik manifestierte, richtete sich nun endlich die Aufmerksamkeit 5. Der beschädigte Codex wurde aufwändig restauriert 6 und durch interdisziplinäre Kooperation der Erschließung neu zugänglich gemacht. Dafür reicht die Publikation und Erklärung des Bilderzyklus

1 2

3 4

5

6

Dazu oben Kap. I. 2. und 4. von Bd. 1. Meier, Das Problem der Qualitätenallegorese, 1974, S. 426; Dies., Überlegungen zum gegenwärtigen Stand der Allegorie-Forschung, 1976, S. 12–18 zum Prolog des ›Ovidius moralizatus‹ und Gegenpositionen; Dies. – Suntrup, Lexikon der Farbenbedeutungen, 2011; zur Enzyklöpädie z. B. Meier., Enzyklopädischer Ordo und sozialer Gebrauchsraum, 2002, S. 525–527 zur Predigerenzyklopädie; Meyer, Die Enzyklopädie des Bartholomäus Anglicus, 2000, S. 296–319. Dazu Huber-Rebenich – Lütkemeyer – Walter, Ikonographisches Repertorium zu den ›Metamorphosen‹ des Ovid, 2004 und 2014, Teil I.1 und II, mit weiterführender Lit. Lord, Illustrated Manuscripts Before the Age of Printing, 1995 mit ersten Hinweisen auf die drei illustrierten Hss. zum ›Ovidius moralizatus‹ (zur Gothaer Hs.: »the most attractive«), auf einer Tagung zu Text und Bild der ›Metamorphosen‹-Überlieferung in der Neuzeit; Dies., A survey of imagery, 2011 zu illustrierten mittelalterlichen ›Metamorphosen‹-Kommentaren. Meier, Ovid-Rezeption in Text und Bild, 2006; Dies., Typen der Text-Bild-Lektüre, 2010, S. 169 ff.; Dies., Metamorphosen und Theophanien, 2012; Dies., Ovidius Christianus, 2015; Suckale-Redlefsen, Der Gothaer Ovid, 2011; Blume, Bild-Lektüren der ›Metamorphosen‹ Ovids, 2014. Nach ersten Überlegungen zur Restaurierung 2004 wurde der Codex mit Mitteln der Gothaer Bibliothek und ihres Freundeskreises in der Bayerischen Staatsbibliothek hervorragend restauriert.

11

PROBLEME EINER EDITION

nicht, auch der zugehörige Text muss wiedergewonnen werden im Rahmen der historischen Bedingungen der Entstehung des Ensembles 7.

1. Zu Überlieferungssituation und Editionsstand Die Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte des ›Ovidius moralizatus‹ stellt ein Paradox dar. Für immerhin gut zwei Jahrhunderte war er ein begehrtes und enorm verbreitetes Werk, dann geriet er in Vergessenheit, erschien nach seiner Indizierung 1559 weder in einer Ausgabe des bis 1731 gedruckten ›Reductorium morale‹ noch separat und war bis heute auch in der Forschung so gut wie nicht präsent. Eine handbuchartige Darstellung von Autor und Werk legten Samaran und Monfrin 1962 im Rahmen der ›Histoire littéraire de la France‹ vor, die bis heute nicht überholt ist, sie wurde nur durch wenige Aufsätze ergänzt. Die Editionslage des ›Ovidius moralizatus‹ ist ganz unbefriedigend; denn eine authentische Textausgabe, die auf der handschriftlichen Überlieferung basiert, gibt es bis heute nicht. Der Gesamttext war lediglich im ersten Druck von 1509 unter dem Autornamen Thomas Waleys zugänglich; er bietet aber eine humanistisch überarbeitete Fassung. Als einziger greifbarer Gesamttext war er in der Forschung die bisher benutzte autorferne Textgrundlage und ist seit 1979 auch elektronisch verfügbar. Diesen Text druckte auch Joseph Engels 1962 ab (s. unten). Der erste Druck des ›Ovidius moralizatus‹ von 1509 bei dem Verleger Jodocus Badius Ascensius in Paris markiert nach der breiten handschriftlichen Überlieferung des Werks den Einsatz philologischer Arbeit an dem Text. Badius Ascensius verdankt seine handschriftliche Druckvorlage Johannes de Vepria, einem klassisch gebildeten Mönch, der 1480–1499 Zisterzienserprior in Clairvaux war, wo er einen Katalog der reichen Bibliothek angefertigte 8 und etliche interessante Handschriften abgeschrieben hat, um die Werke in Zusammenarbeit mit dem Verleger Badius Ascensius bekannt zu machen 9. So hat er außer dem ›Ovidius moralizatus‹ drei weitere gewichtige literarische Werke für den Druck vorbereitet: den ›Architrenius‹ des Johannes von Hauville 10, das Epos ›Gesta militum‹ des Hugo von Mâcon 11 und die ›Epistolae duorum amantium‹ 12, die man zeitweise Abaelard und Heloise zugeschrieben hat 13. Johannes hat sie selbst abgeschrieben oder für Badius Ascensius in Clairvaux abschreiben lassen. Von Johannes selbst ist eine Proverbien-Sammlung, die ›Proverbia communia‹, überliefert. Von den Originalhandschriften, nach deren (meist nicht

7

8 9 10 11 12 13

12

Mit diesem Ziel kooperierten Dieter Blume (Jena) und Christel Meier(-Staubach) in dem interdisziplinären DFG-Projekt ›Die Text-Bild-Rezeption Ovids im Trecento. Die Berchorius-Handschrift in Gotha (Foschungsbibliothek, Membr. I 98) und ihr kultureller Kontext‹ miteinander. Vgl. Vernet, La Bibliothèque de l’abbaye de Clairvaux du XIIe au XVIIIe siècle, 1979. Zu den Drucken des Badius Ascensius in dieser Zeit Renouard, Bibliographie des impressions et des œuvres de Josse Badius Ascensius, Imprimeur et humaniste, 1462–1535, 1908. Johannes de Hauvilla, Architrenius, hg. von Schmidt, 1974, S. 110 f. zur Ausgabe bei Badius Ascensius 1517 und Johannes von Vepria. Könsgen, Die ›Gesta militum‹ des Hugo von Mâcon. Ein bisher unbekanntes Werk der Erzählliteratur des Hochmittelalters, Leiden u. a. 1990, S. 72–83. Könsgen, Epistolae duorum amantium. Briefe Abaelards und Heloises? Edition und Untersuchungen, 1974, S. XXII–XXV. Dagegen von Moos, Die Epistolae duorum amantium, 2003, 1–115.

1. ÜBERLIEFERUNGSSITUATION UND EDITIONSSTAND

erhaltenen) Kopien der Druck erfolgte, befinden sich mehrere heute noch in der Bibliothek von Troyes, die einen großen Teil der Codices aus Clairvaux aufgenommen hat 14. Der Widmungsbrief des Verlegers in der ›Ovidius moralizatus‹-Ausgabe an Johannes von Vepria – Religioso admodum Patri Johanni de vepria sub diuo Bernardo in Claraualle egregie militanti – dankt für die Übersendung des Manuskripts zum Druck und würdigt Johannes’ Verdienste als Kenner der antiken wie der christlichen Literatur, zumal er zusammen mit seinem Abt in Clairveaux eine humanistische Position gegenüber der Forderung einer strengeren Ordensobservanz vertrat, wie sie aus dem nahen Cîteaux verlangt wurde. Der Verleger wirbt mit dem Nutzen der Schrift für die Prediger und ihre Hörer, die durch die Geschichten aus dem Mythos gewonnen würden. Die fabulamenta poetica machten Vergnügen, blieben leicht im Gedächtnis und hätten doch den Zweck der ernsten Belehrung. An den Festen der Juden, der paganen Antike und der Christen erweist Badius eine Konvergenz der Kulturen. Der Verleger sieht dann seine Aufgabe im getreuen Druck des Werks, in dem er selbst im Register nur die Orthographie verändern will: Opus imprimendum, non iudicandum recepi, quocirca ne tabula quidem immutabo preterquam in orthographiae ratione. Quam lucubratiunculam paternitati tuae, vir doctissime atque idem humanissime, lubens nuncupo atque addico. 15 Nachdem Badius Ascensius eigene Textänderungen, zu denen er durchaus befähigt gewesen wäre, ausgeschlossen hat, ist für uns in Johannes de Vepria der gelehrte Bearbeiter des Textes gefunden, dem sich die Druckfassung verdankt. Interessant ist, dass sich auch drei sehr verwandte Handschriften des ›Ovidius moralizatus‹ aus dem 14. Jahrhundert in der Bibliothek von Clairvaux erhalten hatten, von denen zwei heute in Troyes liegen. Die dritte ist das von uns einbezogene Manuskript London, British Library, Add. 15821 (Lo2) 16, die mit dem Druck von 1509 viele Bindefehler und gegenüber den anderen Handschriften exklusive Lesarten hat. Die modernen Forschungen zum Text des ›Ovidius moralizatus‹ begannen mit Fausto Ghisalberti 17, der den »obliato autore« neu ins Gespräch bringen wollte im Zusammenhang mit der Entstehung der Erstedition des ›Ovide moralisé‹ von Cornelis de Boer, erschienen 1915–1938 18. Die Mailänder Berchorius-Handschrift D 66 Inf. der Biblioteca Ambrosiana mit dem Text der späten Pariser Version druckte er im Anhang zu seiner Studie so ab, dass er nur die Erweiterungen gegenüber dem Druck von 1509 zusammenstellte 19, um die für die Endfassung des Werks charakteristischen Übernahmen aus dem ›Fulgentius metafora-

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Dazu Schmidt und Könsgen: s. oben Anm. 10–12. Auch das Register scheint Johannes in neuer Methode für die Drucktechnik schon so weit vorbereitet zu haben, dass er in jedem Buch schon die Abschnitte von Götterkapiteln oder Fabeln mit den Buchstaben des Alphabets zu den Lemmata versehen hat, so dass der Setzer nach der Einrichtung des Textes nur noch die Folioseiten einfügen musste. Auch einige Handschriften haben dem Werk Register beigegeben (hier mit Buch- und Fabelnummer). Sie listen Personen, vor allem aber Bedeutungen alphabetisch auf wie Paris, Bibliothèque nationale, Nouv. acq. lat. 1830 (= Pa8) und London, British Library, Royal 15 C XVI (= Lo1), oder stellen wie der Codex Vat. lat. 6302 (= V2) der Bibliotheca Apostolica Vaticana, dem Text eine kurze alphabetische Figuren(namen)liste voran. Zu Registererstellung in den Handschriften ab ca. 1300 Meyer, Ordo rerum und Registerhilfen, 1991, S. 315–339 (mit Lit.). Vgl. dazu unten Kap. II. 2. die Handschriftenbeschreibung. Ghisalberti, L’›Ovidius moralizatus‹ di Pierre Bersuire, 1933, S. 5–136. Ghisalberti, L’›Ovidius moralizatus‹ di Pierre Bersuire, 1933, S. 86: »[. . .] questo obliato autore che reclama ancora un diligente lavoro di restauro.« Ovide Moralisé, hg. von De Boer, 5 Bde. 1915–1938. Ghisalberti, L’›Ovidius moralizatus‹ di Pierre Bersuire, 1933, S. 87–132.

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PROBLEME EINER EDITION

lis‹ Ridewalls für das Götterbuch und aus dem ›Ovide moralisé‹ für die ›Metamorphosen‹Bücher I–IX zu dokumentieren 20. Doch hielt er irrtümlich den humanistisch überarbeiteten Druck für den Repräsentanten eines besonderen Zweigs der handschriftlichen Überlieferung. Es folgen dann die bereits erwähnte Transkription des Drucks von 1509 (mit Auflösung der Kürzel) von Joseph Engels und ein Abdruck des Götter-Buchs nach der Brüsseler Handschrift Bibl. Reg. 863–9 (Pariser späte Version) sowie eine Teiledition des ersten der 15 Metamorphosen-Bücher von Maria van der Bijl nach 52 Handschriften, wie sie schreibt 21. Da sie aber in der Regel die Handschriften im Apparat nach den Gruppen der Versionen aufführt, nicht oder nur gelegentlich nach den Lesarten der einzelnen Codices, ist dieser kurze Text auch nicht als wirklich kritische Edition zu betrachten. Die schlechte Editionslage hat zwei Gründe: Zum einen war der Text wie andere ›Metamorphosen‹-Rezeptionen des 14. Jahrhunderts nicht nach dem Geschmack der modernen Forschung, wegen seiner christlich-allegorischen Auslegung wurde er als schlechtes Mittelalter gegenüber dem erstarkenden Humanismus gewertet 22; zum andern fordert seine kritische Edition ein Großprojekt wegen des umfangreichen Überlieferungskomplexes, seiner enormen Verbreitung über ganz Europa. Denn die über 80 erhaltenen bzw. bislang gefundenen Handschriften des Werks teilen sich in knapp 40 mit der Fassung der Jahre am Papsthof in Avignon und einige mehr, die die späte Pariser Version enthalten; alle Drucke basieren auf einer Handschrift der frühen Fassung, die Johannes de Vepria bearbeitet hatte (diese wurde wohl nach der Drucklegung vernichtet). Eine gründliche Analyse der Redaktionen des Textes in der gesamten handschriftlichen Überlieferung steht noch aus; sie erweist sich bei einem solchen work in progress, in dem auch noch weitere Stufen bis zur Endfassung festgestellt werden könnten, als besonders aufwändig und schwierig. Die drei Bilderzyklen, die unabhängig voneinander in Italien, in Bologna (G, heute Gotha), Padua (B, heute Bergamo) und Venedig (Tr, heute Treviso), geschaffen wurden, befinden sich alle drei in Texten der Avignoneser Redaktion. Diese stellt daher den Bezugstext der Arbeit unseres Projekts dar. Diese Version war auch schon in der frühen Rezeptionsgeschichte in besonderem Maß der Bezugstext für neue Textschöpfungen; so bildete gerade sie neben Arnulf von Orléans die wichtigste Quelle für das Götterbuch ›Archana deorum‹ des englischen Gelehrten Thomas Walsingham und war auch der lateinische mythologi20

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Ebd. sind die Übernahmen in den Fußnoten nachgewiesen; im Götterteil weist er Übernahmen für einige Götter mit Bildbeschreibung und Bedeutung aus dem ›Fulgentius metaforalis‹ Ridewalls nach (Saturn = prudentia; Jupiter = benevolentia; Juno = memoria; Neptun = intelligentia presencium; Pluto = providencia futurorum); die Bildbeschreibungen stammen hier in der Regel aus dem Marcianus Capella-Kommentar des Remigius von Auxerre. Petrus Berchorius, Reductorium morale. Liber XV, Ovidius Moralizatus, Cap. II–XV, hg. von Engels, 1962; Petrus Berchorius, Reductorium morale. Liber XV, Ovidius Moralizatus, Cap. I, De formis figurisque deorum, hg. von Engels, 1966 (nach der Brüsseler Hs. 863–9); ders., Reductorium morale. Liber XV, Ovidius Moralizatus, Cap. II, hg. von van der Bijl, 1971. Engels nennt für Cap. I wenige weitere von ihm benutzte Handschriften, hat aber keinen kritischen Apparat, auch kein Verzeichnis abweichender Lesarten beigegeben. Noch in den jüngeren Arbeiten klingt dieses Urteil nach, z. B. bei Guthmüller, Der Mythos zwischen Theologie und Poetik, 1983; Ders., Studien zur antiken Mythologie, 1986, S. 21 ff.; Michel, Vel dic quod Phebus, 2000, S. 340–345. – Damit gilt für Berchorius dasselbe wie für den ›Ovide Moralisé‹ und für Boccaccios ›Genealogia‹: auch diese Werke wurden lange nicht geschätzt; dazu Mora u. a., Ab ovo, 2011, S. 122–125 und Schwertsik, Die Erschaffung des heidnischen Götterhimmels, 2014, S. 20–34.

1. ÜBERLIEFERUNGSSITUATION UND EDITIONSSTAND

sche Text, nach dem Colard Mansion seine bald verbreitete französische Übersetzung in der ›Bible des poètes‹ anfertigte (Druck Brüssel 1484) 23. Eine endgültige kritische Edition wäre erst mit Einbeziehung der gleichfalls breiten handschriftlichen Überlieferung der späten Fassung zu erarbeiten; Text, Übersetzung und Kommentar unserer Ausgabe können dafür die Grundlage bilden. Beide Hauptredaktionen sind an den Prologen leicht zu identifizieren: im Prolog aus Avignon beklagt der Autor, dass ihm der ›Ovide moralisé‹ noch nicht erreichbar gewesen sei, notiert ihn dann aber im Prolog der Pariser Fassung als bereits in Auswahl in sein Werk eingearbeitet, da er ihm von seinem Freund Philippe de Vitry mit einer Handschrift zugänglich gemacht worden sei. Zudem erwähnt Berchorius dort die Auswertung von Ridewalls ›Fulgentius metaforalis‹, den er zuvor ebenfalls nicht hatte. Die Zusätze aus diesen Schriften, die in ungleicher Dichte die Spätfassung ergänzen, werden manchmal vom Autor als solche gekennzeichnet, z.B.: Vel dic moraliter iuxta expositionem quam inveni in ritimis gallicis [. . .]. 24 In der Forschung wurden getrennte Editionen für die beiden Hauptredaktionen als ideal bezeichnet, da die Zusätze und weitere Ergänzungen neuer Deutungen das ursprüngliche Werk zu überwuchern drohten 25. Für eine eigene Ausgabe der ersten Fassung der Schrift haben wir uns aus mehreren Gründen entschieden: wegen der Operationalisierbarkeit unserer Ziele in der kurzen Laufzeit des Projekts 26, vor allem aber wegen des interdisziplinären Ansatzes unserer Arbeit, das kunstgeschichtliche und literaturwissenschaftliche Interessen gemeinsam verfolgt hat. Infolgedessen sehen wir unsere Ausgabe als einen aus den Handschriften gewonnenen Arbeitstext an, der mit allen beigefügten Erläuterungen schon jetzt einen gesicherten authentischen Werkzugang bietet. Im Hinblick auf eine historisch-kritische Edition der Spätfassung wäre jedoch zu überlegen, ob nicht eine gründliche Studie zu Auswahl und Verfahren der Zusätze aus ›Ovide Moralisé‹ und ›Fulgentius metaforalis‹ sowie sporadisch ergänzten eigenen Deutungen der Fabeln hier zunächst wichtiger wäre als eine derart vervollständigende, auf alle Additionen zu der bereits vorhandenen Materialfülle angelegte Version; mit andern Worten: ob nicht der Avignoneser Text zusammen mit einer Darlegung der Veränderungsstrategien und -formen dem Werk Genüge tun würde, da die ursprüngliche Konzeption des Projekts deutlicher in der ersten Fassung zur Geltung kommt. Die Auswertung der Zusätze aus den beiden eingearbeiteten Werken brächte zugleich einen interessanten Einblick in die frühe Rezeptionsgeschichte dieser Werke; allerdings kann diese Untersuchung wohl erst nach dem Abschluss der neuen Edition des ›Ovide Moralisé‹ in Angriff genommen werden 27.

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Thomas Walsingham, Archana deorum, hg. von van Kluyve, 1968; die Edition konnte diese Quelle aber nur in der Form des Drucks von 1509 heranziehen. Zu Colard Mansion Vervacke, Forme et fonction des traductions moralisées des ›Metamorphoses‹ d’Ovide, 2 Bde., 1999. Ghisalberti, L’›Ovidius moralizatus‹, S. 102. Reynolds, Sources, Nature, and Influence, 1990, S. 83–99, hier S. 95: »While the ideal might be separate editions (or a parallel text edition) of each of the versions of the ›Ovidius moralizatus‹ Bersuire prepared, first at Avignon and later at Paris, few scholars would feel disappointed with a complete critical edition [. . .].« Die DFG-Förderung lief 2013–2016. Von dieser Edition, deren Erscheinen 2018 begonnen hat, liegt bisher der kritische Text des Buchs I vor; zu dessen Quellen ebd. S. 193–210 Irene Salvo García. In eine solche Untersuchung muss auch die wichtige Quelle des ›Ovide Moralisé‹, der Vulgat-Kommentar nach den Forschungen Frank T. Coulsons, mit einbezogen werden (eine Edition dieses enorm verbreiteten Werks wird seit längerem vorbereitet, s. Lit.verzeichnis).

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PROBLEME EINER EDITION

Der Gothaer illustrierte Codex, der wegen seines qualitätvollen Bilderzyklus der erste Anlass zu unserem interdisziplinären Projekt war, wird in der Ausgabe vollständig dokumentiert. Sein Text hat jedoch – trotz seiner klaren Schrift – nicht die Qualität einer Leithandschrift im üblichen Sinn, so dass die Einbeziehung mehrerer weiterer Handschriften zur Erstellung eines korrekten lesbaren Textes notwendig war. Zu ihnen gehören die Texte aller drei Handschriften mit Bilderzyklen, sechs weitere Texthandschriften sowie der Druck von 1509, die bisher benutzte von Johannes de Vepria humanistisch bearbeitete Textversion. Kriterien der Auswahl der konsultierten Handschriften waren neben der Illustrierung die möglichst frühe Entstehung und die Zugehörigkeit zur Avignoneser Version, eine weitgehende Vollständigkeit 28, schließlich die Repräsentanz der Hauptverbreitungsregionen der ersten Fassung: Frankreich, Italien, Deutschland und – für diese Version besonders charakteristisch – England. Nicht von ungefähr betrafen die Falschzuschreibungen des Autors offenbar nur englische Autoren: Thomas Waleys, Robert Holcot, Nicholas Trevet, Thomas Walsingham. Nicht wenige der Handschriften der ›Ovidius moralizatus‹-Überlieferung bilden einen eigenen Codex ohne Mitüberlieferung, so auch zwei Drittel der von uns genutzten Texte. Drei Codices haben Mitüberlieferung, die in zwei Fällen signifikant ist, insofern sie die Position unseres Werkes im mittelalterlichen literarischen Haushalt beleuchtet. Während der Codex London BL Add. 62132A (L) nur eine bunte Sammelhandschrift ist, setzt London BL MS Royal 15.C.XVI (Lo1) einen Akzent auf Antikes und Dichtung, z.B. mit Alans ›De planctu Naturae‹, Guidos delle Colonne ›Historia destructionis Troiae‹ (13. Jh.), Richards de Bury ›Philobiblon‹, von denen die ersten beiden auch zu den Quellen des ›Ovidius moralizatus‹ gehören. Der Vaticanus Palatinus lat. 159 (V4) enthält neben dem Ovid des Berchorius das große ›Exempel-Werk der englischen Bettelmönche‹ und Predigten 29.

2. Zu Textausgabe, Übersetzung und Kommentar Zur Ausgabe Die Textausgabe hat zwei Ziele: Zum einen will sie für die Erschließung der Gothaer Handschrift und der weiteren illustrierten Codices einen authentischen Text bereitstellen; zum andern war es notwendig, zu dem nahezu kalligraphischen, aber fehlerhaften Text aus Gotha weitere Handschriften für Textemendationen zu nutzen – insgesamt neun weitere Textzeugen –, aus denen notwendige Korrekturen und bessere Lesarten vorgeschlagen werden 30. Der gebotene Text bringt nun zusammen mit den Apparaten eine Art Normaltext der ersten Redaktion aus Avignon; damit wird das Werk des Berchorius zum ersten Mal in originaler Form aus der handschriftlichen Überlieferung präsentiert. Eine endgültige historisch-kritische Edition der Spätfassung lag, wie zuvor erläutert, bei dem umfangreichen Überlieferungskomplex des Werks außerhalb unserer Möglichkeiten. Der Gothaer

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Die meisten Handschriften haben längere oder kürzere Auslassungen. Guido delle Colonne, Historia destructionis Troiae, hg. von Griffin, 1936; Palmer, Das Exempelwerk, 1991, S. 137–172; vgl. die Beschreibung der Handschriften unten Kap. II. 2. Zu den Beschreibungen s. unten Kap. II. 1. (Smout) und 2. (Smout/Stenmans).

2. TEXTAUSGABE, ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

Codex bleibt wegen seiner besonderen Qualität und Bedeutung wie auch wegen seiner Position in unserem Projekt unsere wichtigste Bezugshandschrift – wird er doch nach Abschluss unserer Forschungen von der Bibliothek auch elektronisch zugänglich gemacht; der gesicherten Rekonstruktion eines befriedigenden Lesetexts mit zahlreichen Beobachtungen zur Textüberlieferung dienen dann die zusätzlichen Textzeugen. Der textkritische Apparat dokumentiert die Gothaer Handschrift vollständig und wird daher auch die Facsimile-Seiten verständlich machen. Er informiert damit über alle Abweichungen unseres Textes von der Gothaer Handschrift und verzeichnet die Herkunft der jeweiligen Korrekturen und Emendationen 31. Besondere Schwierigkeiten verursachen im 14. Jahrhundert noch vor allem den Schreibern, aber nicht nur ihnen, die vielen unvertrauten antiken Eigennamen; hier war die Normalisierung der Namen unumgänglich, da für den Leser eine Wiedererkennung der antiken Personen und ihrer Geschichten in einer großen Zahl der Fälle sonst nicht möglich wäre (ebensowenig eine elektronische Textsuche). Die im 14. und 15. Jahrhundert breite Unsicherheit bei den Namen reicht z. T. noch weit über 1500 hinaus 32. Der frühe Bearbeiter Johannes von Vepria zeigt im Druck von 1509 (Ep) darin schon eine inzwischen fortgeschrittene Antikekenntnis. Ein Namenregister für Eigennamen und Orte informiert vollständig über die Namen(formen) im Gothaer Manuskript, der kritische Apparat bietet darüberhinaus jeweils zur Stelle einen ausreichenden Einblick in die Variantenvielfalt der Handschriften und des Drucks und veranschaulicht so die Probleme auf diesem Feld 33. Merkwürdig sind vor allem in der Gothaer Handschrift die zahlreichen Fehler in der Angabe der Bibelzitate nach Buch und Kapitel; sie wurden korrigiert und die Abweichungen sind im Apparat vermerkt, es fehlt dafür aber noch eine plausible Erklärung der Fehler 34. Die Zahl von notwendigen Konjekturen der Herausgeberinnen ist gering; in der Regel enthalten die zugezogenen Handschriften gute Lesarten, die oft auch durch die Übereinstimmung einer Mehrzahl dieser Textzeugen unterstützt werden. – Ein zweiter Apparat enthält die längeren Zusätze und verzeichnet größere Auslassungen und die Umstellung von Textteilen in den Handschriften und im Druck von 1509, d.h. von Kapiteln im Götter-Buch oder Fabeln und ganzen Auslegungen in den ›Metamorphosen‹-Büchern. In der Ausgabe wurden konsequente Formen der Gliederung des Textes eingeführt, die seine Übersichtlichkeit erhöhen sollen. Es gibt drei Hauptteile: den Prolog, das Götter-Buch 31 32 33

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Offensichtliche Fehler der übrigen Textzeugen sind in der Regel nicht aufgeführt, wohl aber für die Texterstellung interessante abweichende Lesarten. Auch in ein und derselben Geschichte können die Namen(schreibungen) in den Handschriften variieren. Auf solche Probleme ist, um nur ein Beispiel zu nennen, auch noch Dryden bei seiner freieren Bearbeitung von Chaucers Fabeln gestoßen: Er moniert die Verwechslung von Dane, Danae, Daphne und Diana: ›It was also necessary sometimes to restore the Sense of Chaucer, which was lost or mangled in the Errors of the Press: Let this example suffice at present in the story of Palamon and Arcite, where the temple of Diana is decrib’d, you find these Verses, in all Editions of our Author: There saw I Dane turned into a Tree; / I mean not the Goddess Diane, / But Venus Daughter, which that hight Dane.‹ Which after a little Consideration I knew was to be reform’d into the Sense, that Daphne the Daughter of Peneus was turn’d into a Tree. I durst not make thus bold with Ovid, lest some future Milbourn should arise, and say, I varied from my Author, because I understood him not; nach Dryden, Fables Ancient and Modern, 1700, Preface. Vgl. dazu etwa die Namenvarianten von Daphne unten im kritischen App. zu I,2–4. Es war also nicht nur die Unsicherheit der Drucker, die Dryden hier korrigiert. Die anderen hinzugezogenen Hss. sind weniger fehlerhaft, aber im Rahmen des Normalen auch nicht zuverlässig. Die Fehler von G sind im Apparat vollständig dokumentiert.

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PROBLEME EINER EDITION

und den ›Metamorphosen‹-Teil. Das Götter-Buch ist in Kapitel zu den einzelnen Göttern unterteilt, der ›Metamorphosen‹-Teil hat 15 Bücher (wie bei Ovid), die wiederum jeweils in eine größere Zahl von Fabulae gegliedert sind. Jedes Buch zitiert im Eingang mit wenigen Worten das entsprechende Buch der ›Metamorphosen‹ Ovids an und gibt damit dem folgenden Text den Rang des zugehörigen Kommentars. Die Gliederung ist handschriftennah, wenngleich in den Codices nicht immer konsequent ausgeführt. Die Fabeln, die zuerst die materia der ovidischen Erzählungen knapp resumieren, sind unterteilt in zwei Hauptabschnitte: in Paraphrase und Auslegung; die letzteren heißen Moraliter- bzw. Moralisierungs-Kapitel. Der Auslegungsabschnitt, der in der Regel mehrere verschiedene Deutungen enthält, wird in Absätze geteilt; jede neue Deutung erhält einen eigenen Absatz. Die Handschriften nutzen dafür Paragraphenzeichen, Doppelvirgel, Absatz und/oder am Rand notierte Bedeutungen, all dies aber nicht regelmäßig und konsequent.

Zu Übersetzung und Kommentar Um den Text leichter zugänglich zu machen, wird dem lateinischen Original eine vollständige deutsche Übersetzung beigegeben und ein Kommentar mit Quellennachweisen und Sacherklärungen, wenn nötig auch sprachlichen Erläuterungen, beigefügt. Die Übersetzung ist die erste in deutscher Sprache. Bislang gibt es nur eine schwer erreichbare englische Übersetzung 35, die einem Mischtext folgt, d.h. sie hat den Abdruck der Brüsseler Handschrift 863–9 von Joseph Engels zugrunde gelegt, also die Pariser Version von Prolog und Götter-Buch, und folgt dann für den ›Metamorphosen‹-Teil (Buch I bis XV) dem humanistischen Druck von 1509, der die bearbeitete Avignoneser Fassung bringt (in Transkription von Joseph Engels 1962). Nur in diesen Formen lag für die Übersetzung ein gedruckter Text vor. Die Übersetzung entstand als Dissertation des Anglisten William Donald Reynolds 1971 (Diss. masch., Urbana, Illinois). Sie stellt in gewisser Weise eine Pionierleistung dar, die jedoch an vielen Stellen noch unbefriedigend und in den Quellenangaben vollkommen unzureichend bleiben musste 36. Die Sprache des Textes hat die typischen Merkmale des spätmittelalterlichen Lateins, z.B. den Gebrauch des Reflexivums für das Personal- und Demonstrativpronomen 37, der quod- und quia-Sätze statt des AcI, den freieren Modus- und Tempusgebrauch 38, die ständig eingesetzten satzverbindenden Partikel, wie et, igitur, ergo, sed, autem, vero, pro certo, scilicet, die in der Regel logisch stimmen, in denen gleichwohl der logische Bezug oft nur schwach ausgebildet ist, z.B. bei adversativem Sinn 39. Diese und die zahlreichen relativen Satzanschlüsse werden in der deutschen Übersetzung sparsamer wiedergegeben. Die Syntax des Textes ist vielfach geprägt von recht langen Satzgefügen, insbesondere in den Aus-

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The ›Ovidius moralizatus‹, übers. von Reynolds, 1971, Introduction, S. 1–31. So ist z. B. die wichtigste Quelle des Götter-Buchs, Albericus (Vat. Myth. III) nicht eingearbeitet, sondern nur in der Einleitung am Beispiel von Juno kurz herangezogen (Reynolds, S. 19 f.). Viele Quellenverweise des Berchorius sind mit ›not found‹ kommentiert. Vgl. dazu Stotz, Lateinische Sprache, 1998, Bd. 4, S. 292–295. In der Erzählung der Fabeln nutzt Berchorius zur lebendigen Darstellung oft das Präsenz, allerdings nicht konsequent. Dazu Stotz, Lateinische Sprache, 1998, Bd. 4, S. 396–401 und S. 315–321, 327 f. Zur Abundanz solcher Adverbien im Mittellateinischen s. auch Stotz, Lateinische Sprache, 1998, Bd. 4, S. 467–469; zur Abundanz von Konjunktionen u. ä. ebd., S. 469–473.

2. TEXTAUSGABE, ÜBERSETZUNG UND KOMMENTAR

legungspassagen; zur leichteren Verständlichkeit des Textes wird sie nicht strikt imitiert. Der Text ist kein anspruchsvoll-literarischer, sondern ein technisch-wissenschaftlicher, der nicht einem hohen kunstvollen Stilideal zu genügen sucht. Eine konsistente Terminologie, wie sie philosophische und besonders scholastische Texte des Mittelalters verwenden, wird von Berchorius nur in Teilbereichen eingehalten. Besonders schwierig für die Übersetzung sind die Entscheidungen bei der Fülle von moralischen Begriffen, die oft einen weiteren Bedeutungsradius haben, als die Wörterbücher ausweisen, zumal wenn schon Berchorius sie bewusst in eine Zone der Übergänge vom geistlichen zum profanen Gebrauch stellt. Sie waren im Sinnzusammenhang des jeweiligen Kontextes zu prüfen und zu übersetzen, um Genauigkeit zu wahren und Verständlichkeit zu erreichen (was natürlich auch subjektive Entscheidungen impliziert). Einige Mühe hat die Übersetzung von Wörtern verursacht, die Vorstellungen transportieren, die vom heutigen Leben und Verstehen weit entfernt sind, z. B. das häufige carnalis/carnalitas, luxuria u.ä., die damit missverständlich oder auch komisch wirken können. Um ihre angemessene Übersetzung ohne Verfälschung des mittelalterlichen Sinns und ihres Ortes in der uns fremden Vorstellungswelt haben wir uns bemüht. Es versteht sich von selbst, dass Übersetzung auch Interpretation heißt. Der Text bedarf einer Kommentierung für Quellennachweise, die in vielen Fällen einigen Spürsinn erforderten, zumal die Namen der Quellenautoren oft nicht zutreffen oder gar nicht genannt sind 40 und der Quellenradius weit ist. Ebenso waren Sacherklärungen, kulturhistorische Hintergrundinformationen, die Erläuterung schwer verständlicher oder problematischer Textstellen notwendig, von denen es nicht wenige gibt. Ohne die Erläuterungen bliebe der Text an vielen Stellen für den Leser unverständlich. Übersetzung und Kommentar zielen darauf, die Ausgabe zunächst überhaupt verständlich zu machen und zudem für einen interdisziplinären Gebrauch und für ein breiteres interessiertes Publikum zur Verfügung zu stellen; den Bilderzyklen soll sie einen originalen Text-kontext geben.

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Gerade auch vermittelnde Quellen bleiben oft unbenannt.

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II. BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN UND ANLAGE DER AUSGABE CAROLINE SMOUT

1. Kodikologische Beschreibung der illuminierten Handschriften in Gotha, Bergamo und Treviso a) Gotha, Forschungsbibliothek, Membr. I 98 Petrus Berchorius: ›De formis figurisque deorum‹ und ›Ovidius moralizatus‹ Bologna, um 1348/1350 Provenienz: Ursprünglich befand sich die Handschrift wohl im Besitz der Visconti: Das heraldische Zeichen der Visconti war in zehn Vierpässen des Zierleistenrahmens auf fol. 1r angebracht (trotz Auskratzung noch erkennbar), auf fol. 9r findet es sich in der oberen Randbordüre, auf fol. 28v vorgezeichnet im bas de page. Reste der Visconti-Heraldik sind zudem auf fol. 9r und 25v im Rankenfortsatz an der Initiale zu sehen. Nach der Mitte des 15. Jahrhunderts gelangte die Handschrift in den Besitz der Fieschi di Lavagna aus Genua, wovon die Wappen auf fol. 9r, 12v, 17r, 21r, 25v im bas de page und teilweise auf der Initiale zeugen. Auf einen weiteren Besitzerwechsel verweist das Wappen der Saravalle aus Genua in der Initiale (mit den zwei beigefügten Majuskeln P C) und im bas de page auf fol. 32r. Vor 1714 ist der Kodex in den Besitz der Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg gelangt 1. Auf dem vorderen Spiegel Zettel mit Signatur und Inhaltsangabe in schwarzer Tinte (»No . 98 Moralitates Magistri Thoma de Anglia supra libros metamorphoseos [. . .]«), nach 1835, da mit Verweis auf Jacobs – Ukert, Beiträge zur ältern Litteratur, 1835, S. 252. Fol. 1r Stempel in schwarzer Tinte BIBLIOTHECA DUCALIS GOTHANA. Pergament (Vor- und Nachsatz [Bl. I, 71] Papier) I + 71 Bl., (moderne Foliierung in schwarzer Tinte in der rechten oberen Ecke bis fol. 67r, fol. 68r–70r mit Bleistift). Weitere moderne Foliierung in schwarzer Tinte von fol. 5r–70r in der rechten unteren Ecke, die teilweise beschnitten oder abgeschnitten ist (beschnitten fol. 6–8, 10, 15, 16, 29, 30, 41, 42, 44, 45, 51–54, 56, 66–68; abgeschnitten oder fehlend fol. 11, 12, 14, 46–49, 55, 57–64; fehlerhafte Zählung fol. 70 als fol. 68, weil fol. 68 rudimentär und fol. 69 äußerst stark beschnitten ist, Breite 2,5 cm), 36,5 cm × 26 cm. 8 × IV64 + III70 . Schriftspiegel: 25,5 cm × 17,5 cm (Linierung nicht ausradiert). 2 Spalten. 53 Zeilen. Bolognesische Rotunda (littera bononiensis) in schwarzer Tinte einheitlich geschrieben. Incipit in Gold. Rubrizierung (fol. 2r–24v, 57r– 1

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Erwähnung in Cyprian, Catalogus codicum manuscriptorum, 1714, S. 18, Nr. 60.

1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

57v, 64r–64v (fol. 25r–56v, 58r–63v Aussparungen): Incipit zu jedem Buch, sensus litteralis (fabula) und sensus allegoricus (moralitas). Paragraphenzeichen alternierend in Gold und blauer und roter Tinte. Auf fol. 6r Glosse in gotischer Kursive, um 1500, ohne spezifisch italienische Merkmale / ohne Lokalisierungshinweis (honor ambi. . . honores magistratus amb. . . [ausgewischt] nequiverim [?] turpes); auf fol. 9r wohl von derselben Hand Einträge (unter der linken Kolumne: omnipotens sempiterne Deus, unter der bas de pageBordüre: ? / Briefnotiz). Vorderer und hinterer Spiegel Papier. Moderner Pergamenteinband auf Pappe, 37,8 cm × 27 cm (auf hinterem Spiegel Zettel mit Schreibmaschinenschrift: »Dieser Band wurde auseinandergenommen, gesäubert und auf 5 Pergamentriemchen geheftet; eine neue Pergamentdecke angefertigt und die Riemchen durchgezogen. [handgeschriebene Unterschrift] Siegfried Leitloff, 14.10.1960 LB Gotha«). Inhalt: fol. 1r–8v Petrus Berchorius: ›De formis figurisque deorum‹ (Incipit: A veritate quidam auditum avertent, ad fabulas autem convertentur; Explicit: Istis pretermissis incipiendum est a primo libro Ovidii); fol. 9r–62r Petrus Berchorius: ›Ovidius moralizatus‹ (Incipit: In nova fert animus. et cetera; Explicit: mortem subire nullatenus dubitabant dicentes illud Ps.: Propter te mortificamur tota die); fol. 62v–70r Anhang zu den Unterweltstrafen und einigen Göttern, s. unten. Ausstattung: 36 Fleuronnée-Initialen, 5 Goldinitialen, 2 Rankeninitialen in Deckfarben und Gold, 1 Bildeinschluss-Initiale in Deckfarben und Gold (unvollendet), 1 historisierte Initiale in Deckfarben und Gold, 8 Titelseiten mit historisierter oder ornamentaler Initiale und Randranken/Randleisten in Deckfarben und Gold, 103 Miniaturen in Deckfarben und Gold. Fleuronnée-Initialen: Von fol. 9r–16v zu Beginn einer jeden fabula 2-zeilige goldene, blaue und rote Lombarden (Höhe 1 cm) mit Fleuronnée: Rot in den blauen und Blau in den roten sowie goldenen Lombarden. Auf fol. 9v–10r alternieren die Lombarden in Gold und blauer Tinte, von fol. 10v–16v sind sie abwechselnd in roter und blauer Tinte ausgeführt. Als Besatz sind die Lombarden kompakt umschlossen von konturparallelen Fäden, die sich mit rechteckig rahmenden Stegen verbinden, die das Initialfeld blockartig erweitern. Diese sind teilweise mit Borsten und einzelnen Perlen besetzt und laufen nach unten und oben in vertikale Parallelfäden aus, die seitlich ebenfalls einen Borsten- und Perlenbesatz aufweisen. Am Ende rollen sie sich zu Voluten ein und setzen sich gabelnd haarnadelförmig fort, in den Zwickeln sitzen Halbpalmetten und Perlen. Die symmetrisch organisierte Fläche des Binnenraums ist bestimmt durch geometrische Formen, die durch Einzelfäden oder Stege und Häkchen gebildet sind. – Anweisungen für den Rubrikator bis Buch V auf den Rändern (z.T. abgeschnitten); Marginalnotizen von anderer Hand (ohne erkennbaren Textbezug) fol. 6r, 15r, 17r. Ab fol. 17r Aussparungen für 2-zeilige Initialen. Gold-Initialen: Auf fol. 8v zwei 3-zeilige Lombarden (Höhe 1,5 cm) in Gold, schmucklos. Auf fol. 1v–8v Aussparungen für weitere fünfzehn 3-zeilige Initialen; abweichend davon das Initialfeld zur Jupiter-Passage auf fol. 2r (4-zeilig, Höhe 2 cm). Drei große, keilförmige I-Initialen (mit späterem Wappen) aus Gold: Auf fol. 9r (Beginn Buch I) 29-zeilig (Höhe 15 cm), fol. 17r (Beginn Buch III) 23-zeilig (Höhe 11,5 cm), fol. 25v (Beginn Buch V) 24-zeilig (Höhe 12,5 cm).

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

Rankeninitialen in Deckfarben und Gold: Auf fol. 12v (Beginn Buch II) und 21r (Beginn Buch IV) 6-zeilige Initiale (Höhe 2,8 cm), rosa Buchstabenkörper aus vertikal zusammengerollten Akanthusblättern mit Modellierung in dunklerem Farbton und Aderung in Weißlinienfiligran, vor rechteckigem Blattgoldfeld mit schwarzer Umrandung. Im Binnenraum kleine weichlappige Akanthusblätter in wechselnden Farben, als Besatz langestreckte, mehrfarbige Akanthusblätter, die sich zu einer ausladend geschwungenen Blattranke verbinden. Farben: Ultramarinblau, Zinnoberrot, Rosa, Olivgrün. Bildeinschluss-Initiale in Deckfarben und Gold (unvollendet): Auf fol. 28v (Beginn Buch VI) 6-zeilige P-Initiale (Höhe 2,8 cm) vor schwarz gerandetem Blattgoldfeld. Der Initialkörper sowie die Halbfigur im Binnenraum sind durch Aussparungen des Goldgrundes erkennbar. Die Gestaltung des Initialkörpers und des Besatzes entsprechen den Akanthusblatt-Initialen. Historisierte Initiale in Deckfarben und Gold: Auf fol. 1r 13-zeilige historisierte A-Initiale als Autorbild in umrandetem, rechteckigem Blattgoldfeld (5,8 cm × 6,2 cm). Farben: Ultramarinblau, Zinnoberrot, Rosa, Hellbraun, Schwarz, Weiß. Randbordüren auf Titelseiten in Deckfarben und Gold: Titelseite zum Prolog (fol. 1r) mit Zierleistenrahmen aus alternierend angeordneten Vierpässen und Rechtecken mit zweifarbig gestalteten Leisten und randständigem gebuchteten Goldbesatz. Rechtecke mit Fries aus goldenem Filigran auf abwechselnd rotem, grünem und ockerfarbenem Grund (beschädigt). In den Eck-Vierpässen Schulterstücke von Mönchen, in den übrigen Vierpässen abgekratzte Wappen. Titelseiten zur Eröffnung der Bücher I–VII (fol. 9r, 12v, 17r, 21r, 25v, 28v, 32r) mit mehrheitlich 2-seitigen Randbordüren, die in der linken Randleiste aus einem Rankenfortsatz aus Mischwesen und Tieren (fol. 12v, 21r) sowie aus mehrfarbigen, zu Medaillons eingerollten Akanthusblattranken (fol. 25v) mit eingesprengten Mischwesen (fol. 28v) bestehen. Im bas de page ebenfalls mehrfarbige Akanthusblattranken, die sich zu Medaillons formen und Tierdarstellungen auf Goldgrund in sich tragen (fol. 9r, 12v, 17r, 21r) oder einen Mustergrund aus goldenen Blattranken zeigen (fol. 25v, 28v unvollendet). Im Zentrum des bas de page Feld aus Blattgold mit aufgemaltem Wappen (fol. 9r, 12v, 17r, 21r, 25v, 28v, 32r abweichend). Fadenausläufer mit Knospen und schwarzumränderten Goldplättchen mit Dornen, häufige Bündelung von drei Goldplättchen zu einer kleeblattartigen Form und spitzes Zulaufen einer Rundung, so dass sich der schwarze Kontur zu einem stumpfen Dorn formt. Auf fol. 9r 3-seitige Randbordüre, bei der sich in der linken Randleiste teils weichlappige und muschelförmig eingerollte, teils spiralig entfaltete mehrfarbige (Akanthus-)Blattranken um einen Mittelstab winden, unterbrochen von eingesprengten Mischwesen und Tieren. In der oberen Randleiste mehrfarbige bauchige Trichterblätter aus Akanthus mit volutenförmig eingerollten Blattenden, die auf einer vertikalen Mittelachse jeweils ein ornamental stilisiertes Akanthusblatt auf farbigem Grund einschließen. Im Zentrum der Bordüre Feld aus Blattgold mit aufgemaltem Wappen. Fadenausläufer mit Knospen und schwarzumränderten Goldplättchen mit Dornen (vgl. unvollendetes bas de page auf fol. 32r).

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1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

Farben: Ultramarinblau, Zinnoberrot, Rosa, Dunkelgrün, Jadegrün, Olivgrün, Ocker, Hellbraun, Schwarz, Weiß. Miniaturen in Deckfarben und Gold (Höhe variiert zwischen 4,3 cm und 16,4 cm, Breite variiert zwischen 7,7 cm und 8,6 cm): 74 vollständig illuminierte Miniaturen in Deckfarben und Gold (fol. 19r–25v), 26 unvollständig kolorierte Miniaturen (fol. 26r–30v), 3 Bildfelder mit Vorzeichnungen in brauner Tinte (fol. 31r). Im restlichen Teil der Handschrift ist in den Textkolumnen der Platz für die Bildfelder in unterschiedlicher Größe ausgespart (fol. 1v– 8v und fol. 31v–67v). Jeder fabula und ihrer moralischen Auslegung ist eine Miniatur vorgeschaltet. fol. 9ra (10,9 cm × 8,2 cm) I, 1: Deucalion und Pyrrha; fol. 9rb (10,6 cm × 8,6 cm) I, 2: Urzeugung, Apollon tötet Python, Amor schießt seine Pfeile auf Apollon und Daphne; fol. 9va (8,5 cm × 8,1 cm) I, 3: Daphnes Flucht vor Apollon und ihre Metamorphose in einen Lorbeerbaum; fol. 9vb (9,3 cm × 7,8 cm) I, 4: Daphnes Metamorphose in einen Lorbeerbaum; fol. 10ra (8,9 cm × 8,1 cm) I, 5: Die Giganten; fol. 10rb (7,8 cm × 8,2 cm) I, 6: Die Giganten; fol. 10va (11,2 cm × 8,2 cm) I, 7: Rat der Götter im Haus des Jupiter; fol. 10vb (9,1 cm × 8,2 cm) I, 8: Jupiters Herabkunft auf die Erde in menschlicher Gestalt, wo Lycaon einen Anschlag auf ihn verübt; fol. 10vc (8,7 cm × 8,6 cm) I, 9: Tötung eines Menschen durch Lycaon, den er Jupiter zum Mahl vorsetzt; fol. 11ra (7,1 cm × 8,2 cm) I, 10: Jupiter und Io; fol. 11rb (7,2 cm × 8,2 cm) I, 11: Ios Verwandlung in eine Kuh durch Jupiter; fol. 11rc (8,5 cm × 8,2 cm) I, 12: Die in eine Kuh verwandelte Io und Jupiter; fol. 11rd (8,7 cm × 8,1 cm) I, 13: Io zeigt sich ihrem Vater, dem Flussgott Inachos, dessen Gesicht im Wasser des Flusses erscheint; fol. 11v (13,7 cm × 8,1 cm) I, 14: Juno beauftragt Argus mit Ios Bewachung, Mercur versetzt Argus in Schlaf, blendet ihn und führt daraufhin Io fort; fol. 12ra (9,9 cm × 7,9 cm) I, 15: Ios Rückverwandlung; fol. 12rb (9 cm × 8 cm) I, 16: Ios Verwandlung in ein Sternbild am Himmel; fol. 12rc (9,6 cm × 7,9 cm) I, 17: Pan und die Nymphe Syrinx. fol. 12va (14,4 cm × 7,9 cm) II, 1: Palast des Sonnengottes; fol. 12vb (10 cm × 8 cm) II, 2: Proteus; fol. 13ra (9 cm × 7,8 cm) II, 3: Sol in seinem Sonnenwagen und Phaeton im Sonnenwagen; fol. 13rb (8,5 cm × 7,8 cm) II, 4: Phaethons Fahrt im Sonnenwagen; fol. 13rc (9,1 cm × 7,8 cm) II, 5: Phaethons Sturz; fol. 13va (9,7 cm × 7,9 cm) II, 6: Atlas, der die Welt auf seinen Schultern trägt; fol. 13vb (10 cm × 7,9 cm) II, 7: Verwandlung der Heliaden in Bäume; fol. 14ra (8,4 cm × 7,9 cm) II, 8: Die in Bäume verwandelten Heliaden; fol. 14rb (8,2 cm × 7,8 cm) II, 9: Cygnus und seine Verwandlung in einen Schwan; fol. 14rc (8,6 cm × 7,9 cm) II, 10: Jupiter und die Nymphe Callisto; fol. 14va (8,3 cm × 7,8 cm) II, 11: Jupiter und Callisto sowie Callistos Verwandlung in eine Bärin durch Juno; fol. 14vb (7,7 cm × 7,8 cm) II, 12: Die Bärin Callisto; fol. 14vc (9 cm × 8,1 cm) II, 13: Jupiter, Callisto und ihr Sohn Arcas; fol. 15ra (8,3 cm × 7,7 cm) II, 14: Callistos Rückverwandlung und Verstirnung; fol. 15rb (8,2 cm × 8 cm) II, 15: Callisto, die Tochter des in einen Wolf verwandelten Lycaon, und ihre Nachkommen als Bären; fol. 15rc (9 cm × 8 cm) II, 16: Coronis und Apollon; fol. 15va (9,8 cm × 7,9 cm) II, 17: Neptuns Versuch, Cornix zu verführen und Cornix Verwandlung in eine Krähe durch Pallas; fol. 15vb (11,4 cm × 7,9 cm) II, 18: Pallas übergibt einen Korb mit Erichthonius an eine Tochter des Cecrops, Öffnen des Korbes durch die Frauen, woraufhin die Krähe Pallas den Verstoß gegen ihr Gebot meldet; fol. 16ra (10,5 cm × 8,1 cm) II, 19: Chiron wird der Sohn des Phoebus und der

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

Coronis anvertraut sowie Prophezeiung der Ocyroe; fol. 16rb (7,4 cm × 8,1 cm) II, 20: Aesculap wird dem Centaur Chiron übergeben; fol. 16va (10,1 cm × 7,9 cm) II, 21: Mercurs Rinderdiebstahl, der von Battos beobachtet wird, woraufhin dieser in Form einer Versteinerung bestraft wird; fol. 16vb (5 cm × 7,7 cm) II, 22: Minerva in der Höhle der Invidia; fol. 16vc (4,6 cm × 7,7 cm) II, 23: Europa und der in einen weißen Stier verwandelte Jupiter; fol. 17ra (8,8 cm × 8 cm) II, 23: Europa reitet auf Jupiter, der sie fortführt. fol. 17rb (9,3 cm × 8 cm) III, 1: Agenor erteilt Cadmos den Auftrag, dessen Schwester zu suchen sowie Cadmos Gebet im Apollon-Tempel; fol. 17va (9,7 cm × 8 cm) III, 2: Cadmos und das Rind sowie die Tötung Cadmos’ Gefährten durch die Schlange, woraufhin Cadmos die Schlange erlegt; fol. 17vb (9,8 cm × 8 cm) III, 3: Cadmos sät die Zähne des getöteten Drachen aus, aus denen Soldaten entstehen; fol. 18ra (10,2 cm × 7,9 cm) III, 4: Actäon beobachtet Diana beim Baden, woraufhin sie ihn in einen Hirsch verwandelt; fol. 18rb (10,5 cm × 8 cm) III, 5: Actäon wird von seinen Hunden zerfleischt; fol. 18va (7,2 cm × 8 cm) III, 6: Jupiter und Semele, die schwangere Semele und Juno als ihre alte Amme; fol. 18vb (9 cm × 7,8 cm) III, 6: Jupiter und Semele und ihr Totschlag durch ihn; fol. 19ra (9 cm × 8 cm) III, 7: Jupiter entnimmt der toten Semele Bacchus und übergibt ihn den Nymphen; fol. 19rb (8,5 cm × 8 cm) III, 8: Bacchus und Jupiter in Gestalt eines Widders; 19rc (9 cm × 8 cm) III, 9: Bacchus und die etruskischen Seeräuber; fol. 19v (14 cm × 7,9 cm) III, 10: Tiresias und Pentheus; Bacchanalien; Tötung des Pentheus in Gestalt eines Ebers durch seine Familie; die Töchter des Minyas; fol. 20ra (8,9 cm × 7,8 cm) III, 11: Tiresias schlägt als Mann und Frau zwei miteinander verschlungene Schlangen; fol. 20rb (5,1 cm × 7,8 cm) III, 12: Während Juno Tiresias seines Augenlichts beraubt, schenkt Jupiter ihm die Gabe des Sehers; fol. 20va (11 cm × 7,8 cm) III, 13: Tiresias Weissagung über Narziss; Narziss und Echo; Narziss verliebt sich in sein Spiegelbild; fol. 20vb (12,1 cm × 7,9 cm) III, 14: Echo lenkt Juno von Jupiters Ehebruch ab, woraufhin Juno sie bestraft, sowie Echos Rückzug in eine Höhle. fol. 21ra (14,4 cm × 7,8 cm) IV, 1: Pyramus und Thisbe; fol. 21rb (11,5 cm × 8,1 cm) IV, 2: Jupiter gebiert Minerva und Juno Vulcan; Vermählung von Vulcan und Venus; fol. 21v (14 cm × 7,9 cm) IV, 3: Vulcan erfährt durch Sol von Venus’ Ehebruch mit Mars, woraufhin Vulcan diese ans Bett fesselt; nachdem die anderen Götter erschienen sind und Neptun sich für die Ehebrecher eingesetzt hat, setzt Vulcan sie frei; fol. 22ra (13 cm × 7,9 cm) IV, 4: Phoebus bemächtigt sich Leucothoe zum Geschlechtsverkehr, wovon Clytie dem Vater berichtet, der daraufhin Leucothoe bei lebendigem Leib vergräbt; aus Leucothoe entsteht ein Weihrauchbaum; fol. 22rb (9,1 cm × 8 cm) IV, 5: Clyties Verwandlung; fol. 22va (4,8 cm × 8 cm) IV, 6: Sithons Verwandlung durch Jupiter; fol. 22vb (4,8 cm × 8 cm) IV, 7: Cureten und Smilax; fol. 22vc (14,6 cm × 7,9 cm) IV, 8: Die Nymphe Salmacis verliebt sich in Hermaphroditos und wünscht seine Verwandlung in ein zweigeschlechtliches Wesen; fol. 23ra (10,5 cm × 7,9 cm) IV, 9: Danaë empfängt Perseus im Goldregen Jupiters; Acrisios lässt Danaë und Perseus aussetzen; der Fischer Dictys bringt Danaë und Perseus vor Polydectes; fol. 23rb (10,1 cm × 8,1 cm) IV, 10: Perseus wird durch Pallas und Mercur mit Schild und Schwert ausgestattet; Perseus entwendet das Auge der Graien am Fuße des Atlas; fol. 23va (4,4 cm × 8 cm) IV, 10: Perseus enthauptet Medusa; fol. 23vb (5,5 cm × 7,9 cm) IV, 11: Medusas Vergewaltigung in Minervas Tempel und Verwandlung von Medusas Haar in Nattern durch Minerva; fol. 23vc (9,3 cm × 7,9 cm) IV, 12: Perseus reitet mit dem Medusenhaupt auf Pegasus; das Entstehen der Schlangen aus dem Blut des Medusenhauptes;

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1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

fol. 24ra (10,1 cm × 8,1 cm) IV, 13: Perseus kommt zu Atlas; fol. 24rb (6,6 cm × 7,8 cm) IV, 13: Perseus verwandelt Atlas in ein Gebirge durch das Zeigen des Medusenhauptes; fol. 24v (16,4 cm × 8 cm) IV, 14: Perseus rettet Andromeda, indem er das Ungeheuer tötet; Vermählung von Perseus und Andromeda; Perseus versteinert mit dem Gorgonenhaupt die Soldaten des Phineus; fol. 25ra (9,6 cm × 8 cm) IV, 15: Verwandlung des Cadmos und seiner Frau; fol. 25rb (12,4 cm × 7,9 cm) IV, 16: Juno hetzt Tisiphone gegen Königin Ino auf; Athamas hält im Wahnsinn seine Frau und Kinder für Löwen und macht Jagd auf sie: seinen Sohn Learchos tötet er, während sich Ino mit Melicertes ins Wasser stürzt. fol. 25va (14,2 cm × 8 cm) V, 1: Pyreneus nimmt die Musen in seinem Palast auf; nachdem diese seinem Vergewaltigungsversuch fliegend entkommen sind, stürzt sich Pyreneus von seinem Palast hinab; fol. 25vb (13,5 cm × 7,9 cm) V, 2: Pluto raubt Proserpina und verfrachtet sie in die Unterwelt; fol. 26ra (7 cm × 7,9 cm) V, 3: Ceres trägt ihrer Tochter Proserpina Wollarbeiten im Haus auf; Proserpina folgt Venus zum Blumenpflücken; fol. 26rb (9,5 cm × 7,9 cm) V, 4: Proserpinas Suche durch die Sirenen und deren Verwandlung; fol. 26va (14 cm × 7,9 cm) V, 5: Ceres’ Suche nach Proserpina; Arethusa teilt ihr mit, wo sich Proserpina aufhält; Ceres in der Unterwelt; fol. 26vb (7,2 cm × 7,8 cm) V, 6: Ascalaphus vereitelt Proserpinas Rückkehr; fol. 27ra (6,6 cm × 7,9 cm) V, 6: Proserpina verwandelt Ascalaphus; fol. 27rb (8,9 cm × 7,9 cm) V, 7: Der Gigant Typhoeus wird von den Göttern niedergestreckt und vom Aetna bedeckt; fol. 27va (12,2 cm × 7,9 cm) V, 8: Im Fluss Alpheus badend flieht Arethusa vor dem Flußgott; dabei wird sie durch Diana mit einer Wolke umhüllt und so zu Wasser, woraufhin Alpheus ebenfalls zu Wasser wird, um sich mit ihr zu vereinigen; fol. 27vb (9,4 cm × 7,8 cm) V, 9: Im Auftrag der Ceres sät Triptolemos Samen aus, wobei er zum Palast des Lyncus kommt, der ihn ermorden will; daraufhin verwandelt Ceres ihn in einen Luchs; fol. 28ra (12,4 cm × 7,8 cm) V, 10: Pallas auf dem Helicon bei den Musen und Wettstreit der Musen gegen die Pieriden; fol. 28rb (12 cm × 8 cm) V, 11: Geburt der Palizen; Ermordung von Gastfreunden durch die Palizen; Bestrafung durch Jupiter? fol. 28va (9,7 cm × 8 cm) VI, 1: Arachne wird beim Weben von Pallas aufgesucht, die als Alte erscheint; fol. 28vb (5,2 cm × 7,9 cm) VI, 2: Pallas (?) am Webstuhl; fol. 28vc (9,3 cm × 8 cm) VI, 2: Pallas’ gewebtes Werk: der Streit um die Benennung Athens zwischen Minerva und Neptun und die Beschluss fassende Götterversammlung; fol. 29ra (7,8 cm × 8 cm) VI, 3: Pallas’ gewebtes Werk: Verwandlung von Rhodope und Haimos in Berge durch Jupiter und Juno; fol. 29rb (7,2 cm × 8 cm) VI, 4: Pallas’ gewebtes Werk: Verwandlung von Pigmea, der Stammmutter des Pygmäenvolkes, durch Juno in einen Kranich, der von seinem Volk bekämpft wird; fol. 29rc (4,3 cm × 8 cm) VI, 5: Pallas’ gewebtes Werk: Antigones Verwandlung in einen Storch durch Juno; fol. 29rd (4,6 cm × 7,9 cm) VI, 6: Pallas’ gewebtes Werk: Verwandlung der Töchter des Cinyras in Tempelstufen; fol. 29re (4,7 cm × 8 cm) VI, 7: Arachnes gewebtes Werk: Der in einen Adler verwandelte Jupiter verfolgt Asterië als Krähe; fol. 29va (13,9 cm × 7,9 cm) VI, 8: Arachnes gewebtes Werk: Jupiter in verschiedenen Gestalten bei sexuellen Belästigungen: als Schwan mit Leda, als Satyr mit Antiope, als Amphitryon mit Alcmene, als Fluss mit Aegina, als Goldregen mit Danaë; 29vb (7,2 cm × 8 cm) VI, 9: Arachnes gewebtes Werk: Jupiter schlägt Fulius, an dieser Stelle entsteht ein Fluss; 29vc (12,6 cm × 8 cm) VI, 10: leeres Bildfeld – Darstellung von Arachnes Werk vorgesehen; fol. 30ra (10,9 cm × 7,9 cm) VI, 11: Arachnes gewebtes Werk: In Gestalt des Enipes zeugt Neptun mit Iphimedia die Zwillinge Otos und Ephialtes; Otos und Ephialtes

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

werden zu Riesen, die den Himmel zu erreichen suchen; Apollon und Diana drängen sie zurück; fol. 30rb (14 cm × 8 cm) VI, 12: Niobe schmäht Latona und verweigert dem Volk den Zugang zum Tempel der Latona; daraufhin bittet Latona ihre Kinder um Rache, so dass Apollon und Diana Niobes Kinder töten; Niobe betrauert den Tod ihrer Kinder; fol. 30va (10,4 cm × 8 cm) VI, 13: Latonas Flucht vor Juno auf die Insel Delos, wo sie Diana und Apollon zur Welt bringt; fol. 30vb (7,7 cm × 7,9 cm) VI, 14: Lykische Bauern verhindern, dass Latona mit ihren Kindern Wasser aus einem See zu sich nimmt, woraufhin Latona Jupiter um Rache bittet; fol. 31ra (ca. 4,5 cm × 8 cm) VI, 14: Jupiter verwandelt die lykischen Bauern in Frösche; fol. 31rb (ca. 9 cm × 8 cm) VI, 15: Apollon und Marsyas; Bauern betrachten Marsyas, dem die Haut abgezogen wurde. Temperamalerei, leuchtende Farben vor Goldgrund, Ultramarinblau, Zinnoberrot, Rosa, Dunkelgrün, Jadegrün, Olivgrün, Ocker, Dunkelbraun, Hellbraun, Schwarz, Weiß. Die Farbtöne sind innerhalb des Bildprogramms unverändert. Arbeit verschiedener Hände, die malerische Qualität ist konstant. Die Götter am Himmel sind feiner gemalt als die ›irdischen‹ Figuren. Auffällig ist, dass die Figurendarstellungen eher flächig angelegt sind, während die Tiere eine tiefenräumliche Wirkung erzeugen, indem sie zumeist schräg auf die Bildfläche gesetzt sind. Diese räumliche Vorstellung korrespondiert zumeist mit der Darstellung der Landschaft. Textbestand: Fol. 62v–70r: Auf den ›Ovidius moralizatus‹ folgt unmittelbar ein Anhang ohne Markierung eines Text-Neubeginns (Incipit: Plures pene ponuntur infernales; Explicit: munire a dextris et a sinistris ante et retro). Dieser Text, der hier neu als Zusatz erkannt und analysiert wird, enthält eine Wiederholung der Unterweltstrafen aus ›De formis figurisque deorum‹ des ›Ovidius moralizatus‹ in bearbeiteter Form und Passagen aus Ridewalls ›Fulgentius metaforalis‹. Diese Unterweltstrafen-Passage unterscheidet sich von der Unterweltdarstellung des echten ›Ovidius moralizatus‹ im Aufbau insofern, als hier auf die jeweilige Höllenstrafe unmittelbar deren Auslegung folgt. Die beiden Texte zeigen starke Übereinstimmungen, sind jedoch nicht identisch. Der Text des Anhangs ist nicht vollständig: Die Beschreibung der Danaë-Pudicitia bricht mitten im Satz ab. Behandelte Figuren: nach Berchorius Tantalus, Ixion, Sisyphus, die Beliden, Tityos, dann nach Ridewall: Idolatria, Saturn (prudentia), Jupiter (benevolentia), Juno (memoria), Neptun (intelligentia), Pluto (providentia) und nach erweitertem ›Fulgentius metaforalis‹ (z.B. in Hs. Palatinus 1066): Apollo (veritas), Phaethon (ambitio), Mercur (eloquentia), Danaë (pudicitia). Der Text des Anhangs weist wie der übrige Text der Handschrift freie Plätze für Miniaturen auf. Literatur: Blume, Bild-Lektüren, 2014; Degenhart – Schmitt, Corpus der italienischen Zeichnungen, 1980, S. 367; Hopf, Die abendländischen Handschriften, 1994, S. 71; Lord, Illustrated Manuscripts, 1995; Meier, Metamorphosen und Theophanien, 2012; Roob, Unvollendete Miniaturen, 1964; Rockar, Die abendländischen Bilderhandschriften, 1970, S. 24; Suckale-Redlefsen, Der Gothaer Ovid, 2011.

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1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

b) Bergamo, Biblioteca Civica Angelo Mai, Ms. Cassaforte 3.4 Petrus Berchorius: ›De formis figurisque deorum‹ und ›Ovidius moralizatus‹ Lombardei, um 1355 bis 1370 Der Text enthält die zweite Avignoneser Fassung. Provenienz: Verschiedenen Einträgen zufolge, die mit der Wood-Lampe partiell zu lesen sind, dürften die Pergamentblätter ursprünglich im paduanischen Raum verwendet worden sein: fol. 47v Nicolao patavini, fol. 50r in Campo Marcii (Straße in Padua), fol. 51v de Salla (Sala ist eine Ortschaft in der Nähe von Padua), fol. 70r Bortholottis de Villafranca (Villafranca ist ein Padua benachbarter Ort). Ab fol. 131r ist mehrfach pro colta zu lesen, ein im paduanischen und venezianischen Sprachgebiet gebrauchter Ausdruck für Steuer, Abgabe und Last 2. Es kann daraus gefolgert werden, dass bis Blatt 130 Folia verwendet wurden, die aus einem Register mit Justizakten stammten, während die nachfolgenden zuvor als Schreibmaterial für Steuerregister dienten 3. Zeitliche Hinweise auf fol. 14r und 51v mit den Jahreszahlen 1332 und 1330. Pergament, III + 138 (Vor- und Nachsatz Bl. I–III, 137 und 138 aus Papier), 15,5 cm × 10,5 cm. I2 + III8 + 7 × IV64 + (IV–1)72 + 8 × IV136 . Reklamanten auf fol. 8v, 16v, 24v, 32v, 40v, 48v, 56v, 64v, 72v, 80v, 88v, 96v, 104v, 112v, 120v, 128v, 136v. Schriftspiegel: 11 cm × 7 cm. Einspaltig. 29–31 Zeilen. Rotunda in brauner Tinte einheitlich geschrieben. Foliierung mit Bleistift in der rechten oberen Ecke der Rectoseiten. Einband aus Pappe mit braunem Sprenkelpapier (18. Jahrhundert). 16,1 cm × 11 cm. Der Buchrücken mit fünf erhabenen Bünden, dazwischen goldgeprägtes Blattornament, flankiert von goldgeprägten Linien und einem Akanthusfries. Im oberen Abschnitt Titeldruck in Gold: OVIDIO METAMR M.S., am Fuß zwei Signaturschildchen: älteres nicht lesbar, neueres: Biblioteca Civica Bergamo 3.4. Kopf und Fuß sind beschädigt. Inhalt: fol. 1r–8v Petrus Berchorius: ›De formis figurisque deorum‹ (Incipit: est feminea propter mentis inconstantiam; Explicit: cum aliis dicetur infra); fol. 8v–136v ›Ovidius moralizatus‹ (Incipit: In nova fert animus; Explicit: fuit conversa quando tota humana natura fuit per avem, que Christus dicitur reparata). Ausstattung: Zahlreiche Fleuronnée-Initialen, 210 kolorierte Federzeichnungen. Fleuronnée-Initialen: 2- bis 4-zeilig (fol. 8v 7-zeilig, fol. 17v 6-zeilig), abwechselnd in roter und blauer Tinte, wobei die Lombarde und das sie umschließende Fleuronnée farblich kontrastieren. Besatz und Binnenraum: Die 2-zeiligen Initialen sind blockartig erweitert durch konturparallele Fäden, teils mit Bogenreihen oder Perlen (auch gestachelt), teils finden sich oben und/oder unten angesetztes Knospenfleuronnée (Garbe, Ähre) oder Medaillons mit einem Mattengeflecht oder einem Kreuz mit Perlenbesatz und Strichelung. Teilweise wachsen aus den konturparallelen Fäden Fadenausläufer (teils mit Bogenreihen) mit eingerolltem Ende hervor. Der Binnenraum ist fast ausschließlich gefüllt mit senkrechten Parallelfäden, oft versehen mit einzelnen Bogen oder einer Bogenreihe, vereinzelt mit Knospenfleuronnée (Garbe, Ähre, Knospenreihe) oder einem Mattengeflecht. Die 7-zeilige Initiale auf 2 3

Nach Gatti Perer (Hg.), Codici e incunaboli, 1989, Nr. 122, S. 286 (Andrea Spiriti). Ebd., S. 286.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

fol. 8v weist einen gespaltenen Buchstabenkörper mit gebogter Schaftaussparung auf, als Besatz konturparallele Fäden mit Perlenreihen. Die 6-zeilige Initiale auf fol. 17v zeigt ebenfalls einen gespaltenen Buchstabenkörper mit gebogter Schaftaussparung, im Besatz ist sie blockartig erweitert durch vertikale Zweifachlinien, die außen mit Bogenreihen (teils gestielt bzw. mit Dornen) gesäumt sind, der Binnenraum ist mit Knospenfleuronnée (Garbe, Knospenrad) gefüllt. Kolorierte Federzeichnungen (Kolorierung und rote Rahmung der Zeichnungen nachträglich): Jeder fabula und ihrer moralischen Auslegung ist eine Miniatur vorgeschaltet. fol. 1v (3,3 cm × 7,8 cm): Rechts Mercur mit Flöte und Sichel, links der schlafende Argus vor zwei Kühen, in der Mitte ein Hahn. fol. 2v (2,6 cm × 7,4 cm): Rechts Minerva in Rüstung mit Lanze, Zepter und Schild, links ein Olivenbaum. fol. 3r (4,3 cm × 9,2 cm): Cybele fährt in einem von einem Pferd gezogenen Wagen, links zwei Titanen mit Drachenfüßen, rechts zwei weitere männliche Figuren. fol. 4ra (4,8 cm × 9,2 cm): Vulcan, mit einem Hammer in der Hand, wird durch zwei göttliche Figuren vom Himmel auf die Erde geworfen. fol. 4rb (3,8 cm × 9,1 cm): Neptun schlägt mit einer Lanze ein Pferd aus einem Stein hervor. Davor vier Mischwesen aus Fischkörper und Menschenkopf mit Blasinstrumenten. fol. 5r (4,5 cm × 9 cm): Cupido, ein geflügelter Jüngling mit verbundenen Augen, gespanntem Bogen und Köcher sowie Krallenfüssen, schießt einen Pfeil auf Pan, der rechts mit Panflöte dargestellt ist. fol. 7v (3,3 cm × 7,7 cm): Rechts reitet der mit Weinreben bekrönte Bacchus auf einem Drachen, links davon zwei Männer mit Weingläsern. fol. 8r (5,1 cm × 3,2 cm): Äsculap, der mit seiner Rechten seinen Bart umfasst, während er in seiner Linken einen von Schlangen umwundenen Stab hält. fol. 8v (5 cm × 7,3 cm): Deucalion und Pyrrha werfen Steine hinter sich, aus denen Menschen entstehen. fol. 10r (4,1 cm × 7,5 cm): Apollon verfolgt Daphne, die sich in einen Lorbeerbaum verwandelt hat und sich ihrem Vater Peneus zuwendet. fol. 11r (3,8 cm × 4,5 cm): Apollon umarmt zornig den Lorbeerbaum, in den sich Daphne verwandelt hat. fol. 11r (4,2 cm × 8,4 cm): Der gekrönte Jupiter erschlägt mit einem Feuerregen die Giganten, die zum Erreichen des Olymp Steine übereinander stapeln. fol. 12r (4,7 cm × 4,9 cm): Jupiter erschlägt mit einem Feuerregen die Giganten, die unter den Steinmassen niedergestreckt liegen. Aus ihrem Blut entstehen Nachkommen, die rechts im Bild miteinander kämpfen. fol. 12v (4,5 cm × 7,5 cm): Die neun Götter erscheinen vor Jupiters Burg, die sich auf einem Berg befindet. fol. 13r (4,5 cm × 8,5 cm): Links tritt Jupiter an Lycaon heran, der vor seinem Haus mit einem Schlafgemach steht, eine Axt in der linken Hand haltend. Rechts verlässt Jupiter das Gemach und verwandelt Lycaon in einen Wolf. fol. 13v (4,1 cm × 8,5 cm): Lycaon reicht Jupiter, der an einem gedeckten Tisch sitzt, eine Speise. Daraufhin verwandelt Jupiter Lycaon in einen Wolf, was rechts dargestellt ist. fol. 14r (3,2 cm × 4,3 cm): Jupiter und Io fassen sich an den Händen. fol. 14v (4,1 cm × 5 cm): Rechts im Bild ist Io zur Hälfte in eine Kuh verwandelt. Wie Jupiter, der zentriert am oberen Bildrand erscheint, verweist sie auf eine Kuh, die in der linken Bildhälfte dargestellt ist. fol. 15r (3,7 cm × 5,6 cm): Im Bildzentrum formt sich die Figur des Inachos aus den Fluten, links und rechts von ihm Io als Kuh. fol. 15r (3,5 cm × 7,9 cm): In der Bildmitte steht Pan [nicht Mercur!] und tötet Argus, der die Rinderherde bewacht hat. Rechts flieht Io. fol. 16r (4,3 cm × 5,2 cm): Io, mit Kuhkörper und Menschenkopf, wendet sich an Jupiter. fol. 16v (4,3 cm × 4,6 cm): Io, mit Kuhkörper und Menschenkopf, tritt ans Ufer des

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1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

Nils, jenseits des Ufers steht Jupiter. fol. 17r (3,8 cm × 5,4 cm): Links steht Pan, in der Mitte die Nymphe Syrinx, die in ein Schilfrohr verwandelt wird. Rechts ein Fluss mit zwei Köpfen der Götter. fol. 17v (6,5 cm × 7,4 cm): Der Palast des Sonnengottes, im Inneren die Zeichen der drei Reiche: das Meer mit einem Fisch, die Erde und vier Zeichen des Zodiakus (Krebs, Löwe, Fisch, Schütze). fol. 18r (3,5 cm × 4,2 cm): Proteus, doppelgesichtig vor dem Palast des Sonnengottes sitzend. fol. 18v (5,3 cm × 7,8 cm): Links steht Phoebus mit heruntergezogenen Mundwinkeln vor dem Sonnenwagen und wendet sich an Phaethon, der auf einem der Pferde des Zweigespanns sitzt. fol. 19r (4,3 cm × 7,4 cm): Phaethon führt den Sonnenwagen in einer Abwärtsbewegung Richtung Erde, die durch zwei Bäume gekennzeichnet ist. fol. 19v (4,5 cm × 7,5 cm): Phaethon stürzt mit dem Sonnenwagen ins Wasser hinab. Am Himmel erscheint Jupiter, der Blitze schleudert. Rechts steht zwischen zwei Bäumen die Personifikation der Erde. fol. 20v (3,6 cm × 3,8 cm): Atlas steht gebeugt unter dem Himmelszelt, das er auf seinen Schultern trägt. fol. 20v (3,6 cm × 4,5 cm): Verwandlung der Heliaden in Bäume. fol. 21r (3,7 cm × 5,1 cm): Die in Bäume verwandelten Heliaden rufen ihre Mutter an, die über ihnen am Himmel erscheint. fol. 21v (3,8 cm × 8,1 cm): Links sitzt Cygnus, aus dessen Tränen sich ein Fluss bildet, rechts schwimmt der in einen Schwan verwandelte Cygnus. Jenseits des Flusses sind die in Bäume verwandelten Heliaden dargestellt. fol. 22r (4,4 cm × 4,3 cm): Im Bildvordergrund hat die Nymphe Callisto mit ihrem Bogen einen Pfeil auf einen Hasen abgeschossen. Im Bildmittelgrund Callisto und Jupiter in einer Umarmung. Im Bildhintergrund steigt der geflügelte Jupiter in den Himmel empor. fol. 22v (3,9 cm × 4,2 cm): Juno verwandelt Callisto in eine Bärin. fol. 22v (3,3 cm × 5 cm): Callisto wendet sich von drei Bären ab und zwei Menschen zu, die vor ihr fliehen. fol. 23r (3,5 cm × 4,3 cm): Callisto steht auf ihrem Sohn Arcas, der am Boden liegt. Über ihnen erscheint Jupiter am Himmel. fol. 23v (4,8 cm × 7,8 cm): Links und rechts Jupiter und Juno, in der Mitte Callisto, die zurückverwandelt wird. Neben ihr erscheint ein zweiter Bär, ihr Sohn Arcas. Arcas ist als Bär dargestellt, weil er gemeinsam mit Callisto durch Jupiter als Gestirn des Bären in den Himmel gestellt wird. So erscheinen oben im Bild am Himmel zwei Bären. fol. 24r (5 cm × 8 cm): Links steht Jupiter vor Lycaon, der sich in einen Wolf verwandelt; rechts steht Juno vor Callisto, die sich in eine Bärin verwandelt. fol. 24v (4,9 cm × 7,6 cm): Links, am Fuße eines Baumes, in dessen Wipfel ein weißer Rabe sitzt, umarmen sich Coronis und ihr Geliebter. In der Bildmitte schießt Apollon mit einem Bogen einen Pfeil auf Coronis, die gegen einen Baum niedersinkt, in dessen Baumkrone ein schwarzer Rabe sitzt. fol. 25r (5 cm × 7,4 cm): Neptun steigt aus den Fluten empor und versucht, Cornix zu ergreifen, die die am Himmel erscheinenden Götter anruft. Rechts ist Pallas Athene dargestellt, die Cornix in eine Krähe verwandelt. fol. 25v (3,7 cm × 7,8 cm): Pallas übergibt links den Korb mit Erichthonius an zwei Töchter des Cecrops. Rechts öffnet eine der Töchter den Korb, was eine Krähe beobachtet, die im Wipfel des Baumes sitzt. fol. 27r (4,8 cm × 7,6 cm): Links steht der Centaur Chiron mit Äsculap auf dem Arm. Rechts davon ist Chirons Tochter Ocyroe dargestellt, halb Mensch, halb Pferd. In der rechten Bildhälfte erscheinen die Götter am Himmel und weisen auf Ocyroe unter ihnen, die nun fast gänzlich in ein Pferd verwandelt ist. fol. 27v (5 cm × 7,7 cm): Chiron bringt Äsculap in seine Höhle. fol. 28r (4,7 cm × 8,4 cm): Links verwandelt Mercur Battos in einen Stein, rechts kommen Mercur und Battos vor der Herde überein. fol. 28v (5,1 cm × 7,7 cm): Invidia schaut aus ihrer Behausung, die in einen Felsen geschlagen ist, hervor und umfasst die Hände von Aglauros, die davor steht.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

fol. 29r (3 cm × 7,7 cm): Links befindet sich eine Rinderherde am Wasser, in der Mitte umfasst Europa die Hörner des Stieres, in den sich Jupiter verwandelt hat. Rechts führt der Stier Europa fort. fol. 30r (3,9 cm × 8,2 cm): Links eine befestigte Burg mit einem Kuhkopf, der aus der Festungsanlage hervorschaut. Rechts kniet Cadmus in einem Tempel und betet zu Apollon, dessen Götzenbild vor ihm steht. fol. 30v (4,2 cm × 7,8 cm): Links ist die Stadt dargestellt, die Cadmus gegründet hat. Rechts davon steht Cadmus in Rüstung und tötet mit einer Lanze den Drachen, der die niedergestreckt daliegenden Gefährten getötet hat. fol. 31v (4,6 cm × 8,3 cm): Links der Drache, rechts davon Cadmus, der sieht, wie aus der Erde drei Menschen hervorkommen. Darüber zwei vollständig hervorgekommene Figuren in Rüstung, die sich bekämpfen. fol. 32v (4,6 cm × 8,1 cm): Links die nackte Diana beim Bad in der Quelle, umgeben von drei nackten Nymphen. In der Mitte der Jäger Actäon, der auf Diana schaut, begleitet von einem Jagdhund. Rechts Actäon, halb Mensch, halb Hirsch, der von seinen Hunden angegriffen wird. fol. 33v (5,5 cm × 4,3 cm): Links oben die nackte Diana beim Bad in der Quelle, umgeben von nackten Nymphen. Rechts davon Actäon, halb Mensch, halb Hirsch, der von einem Hund angegriffen wird. Links unten zwei Reiter, die die Szene beobachten und auf sie verweisen. fol. 34r (4 cm × 7,1 cm): Links die schwangere Semele mit Juno in Gestalt ihrer alten Amme. In der Mitte Semele, die sich an Jupiter wendet, der über ihr am Himmel erscheint. Rechts schleudert Jupiter Blitze auf Semele hinab. fol. 35r (4 cm × 7,1 cm): Jupiter entnimmt aus dem Unterleib von Semele, die von Blitzen getroffen darniederliegt, Bacchus. fol. 35v (5,2 cm × 10 cm): Links reitet Bacchus auf einem Drachen, begleitet von einer Heerschaar aus Infanterie und Kavalerie. Rechts davon steht im Bildzentrum ein Widder, an dessen rechten Vorderhuf ein Wasserlauf entspringt. In der rechten Bildhälfte tritt Bacchus an einen Tempel heran und betet den Widder an, der auf dem Altar steht. fol. 36r (3,8 cm × 8,2 cm): Bacchus in einem Boot mit einer weiteren Figur, im Wasser befinden sich zwei große Fische und an den Rudern des Bootes Seeungeheuer. fol. 37r (3,6 cm × 7,1 cm): Links ist Bacchus dargestellt, der einen Schrein mit einem Widder hält, den zwei Figuren anbeten. In der Mitte hält Pentheus eine Figur am Arm fest, die dicht vor ihm steht. Rechts sitzt eine Frau am Webstuhl, daneben eine Fledermaus. fol. 38r (4,3 cm × 7,5 cm): Tiresias schlägt zum einen als Frau und zum anderen als Mann die beiden Schlangen, die miteinander verschlungen sind. fol. 38v (4,8 cm × 7,4 cm): Links steht Tiresias vor Jupiter und Juno, die auf einer Bank thronen, recht vor drei Männern, darüber erscheint Jupiter am Himmel. fol. 39r (3,5 cm × 9 cm): Links sitzt Tiresias vor einer Gruppe von Personen, in der Mitte verfolgt eine Nymphe Narziss, rechts betrachtet Narziss sein Spiegelbild in der Quelle. Rechts vom Bildrahmen ist die (purpurfarbene) Blume dargestellt, in die sich sein Körper verwandelt hat. fol. 40r (4,7 cm × 7,6 cm): Links Jupiter mit einer Nymphe, in der Mitte Echo und Juno. fol. 40v (3,6 cm × 9,1 cm): Links sprechen Pyramus und Thisbe durch eine Öffnung in der Wand. In der Mitte erdolcht sich Pyramus am Fuße eines Baumes, rechts davon ist die Quelle mit der trinkenden Löwin und Thisbes Mantel am Boden dargestellt. Rechts im Bild kauert Thisbe furchtsam hinter einem Stein. fol. 41v (4,7 cm × 8 cm): Links gebiert Jupiter Minerva, in der Mitte Juno Vulcan. Rechts ist die Vermählung von Vulcan und Venus dargestellt. fol. 44r (5,7 cm × 9,5 cm): Links steht Sol zwischen Orchamus und Eurynome, den Eltern von Leucothoe. In der Mitte greift Sol nach Leucothoe. Rechts tötet Orchamus Leucothoe, darüber erscheinen Sols Gesicht als Sonne und das Weihrauchgeäst, in das Sol Leucothoe verwandelt hat. fol. 44v (3,5 cm × 7,6 cm): Links Clytie und Sol, rechts die

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1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

in einen Baum verwandelte Clytie, darüber am Himmel Sols Gesicht als Sonne. fol. 45v (4,4 cm × 3,7 cm): Jupiter im Gespräch mit Scython. fol. 45v (2,5 cm × 6 cm): Entstehung der Cureten aus den Regentropfen, die auf die Erde fallen. fol. 46r (4,8 cm × 7,4 cm): Links die Nymphe Salmacis in einer Quelle, in der Mitte Hermaphroditos. Rechts sind Salmacis und Hermaphroditos in einer Umarmung gezeigt, darüber die Figur eines Gottes, der auf die beiden zeigt. fol. 47r (4,8 cm × 7 cm): Links wird Danaë von ihrem Vater Acrisios in einen Turm gesperrt, rechts sitzt Danaë am Fenster des Turmes, vor dem Jupiter erscheint. fol. 47v (4,2 cm × 9,7 cm): Links entwendet Perseus, der schützend einen großen Schild vor sich hält, das Auge der Graien. Rechts schlägt Perseus Medusa das Haupt ab. fol. 48v (3,8 cm × 8,8 cm): Links vergeht sich Neptun an Medusa in Minervas Tempel. Rechts Minerva mit Medusa, die deren Haar in Schlangen verwandelt. fol. 49r (4,1 cm × 7,9 cm): Links schlägt Perseus mit dem Schwert Medusa das Drachenhaupt [!] ab. Rechts reitet Perseus auf Pegasus und hält das Drachenhaupt der Medusa, aus dem Blut tropft, aus dem wiederum Schlangen entstehen. fol. 50r (4,3 cm × 9,1 cm): Links der Palast des Königs Atlas mit dem Garten, in dem der Baum mit den goldenen Äpfeln steht. Über dem Dach des Palastes erscheint der auf Pegasus reitende Perseus. Von rechts tritt Perseus mit Pegasus und Medusenhaupt an den Palast heran, in dem König Atlas thront. Rechts verwandelt Perseus Atlas in ein Gebirge durch das Zeigen des Medusenhauptes. fol. 51r (5 cm × 8,5 cm): Links kommt Perseus zu dem Felsen, an den Andromeda gefesselt ist und vom Ungeheuer bedroht wird. Rechts sitzt Perseus am Festbankett und hält Phineus, der vor der Festtafel steht, das Medusenhaupt entgegen. Darunter sind zwei Soldaten des Phineus dargestellt, die versteinern. fol. 52r (4,2 cm × 7,6 cm): Perseus legt das Medusenhaupt auf Algen, die sich daraufhin in Korallen verwandeln. fol. 52v (4,3 cm × 8,8 cm): Links verwandelt sich Cadmus in einen Drachen und wendet sich mit bittendem Gestus Jupiter zu, der über ihm erscheint. Rechts davon steht seine Frau, die bereits gänzlich die Gestalt eines Drachens angenommen hat. In der rechten Bildhälfte sind zwei Drachen dargestellt. fol. 53r (3,4 cm × 10 cm): Links kommt Juno zur Höhle von Tisiphone. In der Mitte tötet Athamas einen seiner Söhne. Rechts flüchtet Ino mit einem Sohn vor ihrem Mann Athamas ins Wasser. fol. 53v (5 cm × 7,8 cm): Links der Palast des Pyreneus, den die Musen betreten. Rechts fliehen die Musen, mit Flügeln versehen, aus dem Palast, und Pyreneus stürzt sich aus dem Obergeschoss hinab. fol. 54v (4,5 cm × 10 cm): Pluto raubt Proserpina, die mit anderen jungen Mädchen Blumen pflückt, und bringt sie in seinem Wagen fort. fol. 55r (3,8 cm × 6,3 cm): Links sind Ceres und zwei Töchter mürrisch dargestellt, rechts, den Bildrahmen überschreitend, Proserpinas Raub durch Pluto im Wagen. fol. 55v (4 cm × 8,3 cm): Links die Suche der Sirenen nach Proserpina, rechts ihre Verwandlung in Meeresungeheuer. fol. 56r (4 cm × 8 cm): Links spricht Ceres mit Arethusa, rechts kniet sie vor dem thronenden Jupiter und bittet um die Freilassung ihrer Tochter Proserpina. fol. 57r (4,9 cm × 9,4 cm): Links sind Pluto, Proserpina und Ceres dargestellt, schräg darüber Jupiter. Rechts steht Ascalaphus, der rechts außerhalb des Bildes in einen Uhu verwandelt ist. fol. 58r (5,9 cm × 7,5 cm): Der Gigant Typhoeus wird von den Göttern niedergestreckt und vom Aetna bedeckt. fol. 58v (6,8 cm × 8,7 cm): Links nähert sich der Flussgott Alpheus der badenden Arethusa. Rechts verfolgt er Arethusa, die sich in einem Wald versteckt. Darüber erscheint Diana, die sie in eine Wolke hüllt. Unten zwei Flüsse, in die Alpheus und Arethusa verwandelt sind, die gemeinsam unter die Insel Ortigia, die durch die Stadt bezeichnet ist, fließen. fol. 59v (6,8 cm × 8,7 cm): Links stehen Ceres und

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

Triptolemus vor Lyncus. In der Mitte versucht Lyncus Triptolemus zu töten. Rechts verwandelt Ceres Lyncus in einen Luchs. fol. 60r (4,7 cm × 9,2 cm): Links erscheint Pallas mit Pegasus am Helicon, umgeben von Ameisen. Pallas weist mit ihrer Linken auf die Elster, die über ihr fliegt. In der rechten Bildhälfte steht König Pyreneus mit seinen Töchtern, die in Elstern verwandelt werden. fol. 60v (4,6 × 8,5 cm): Links steht die Mutter der Palizen und wendet sich Jupiter zu, rechts davon Juno (?). In der rechten Bildhälfte die Geburt der Palizen aus dem Leib der Mutter, die als von der Erde Verschlungene auf der Erde liegt. fol. 61r (4,5 cm × 10,3 cm): Links die beiden Palizen mit einem am Boden liegenden Opfer. Sie wenden sich einem Altar in der Mitte des Bildes zu, um dort das menschliche Blut zu opfern. Rechts wirft Jupiter die beiden Palizen auf die Erde nieder und rafft sie mit Wasser dahin. fol. 61v (4,3 cm × 8,4 cm): Links tritt Pallas an Arachne heran, die in einem Bottich die Wolle färbt und bürstet. In der Mitte gehen Pallas und Arachne per Handschlag den Wettstreit im Weben ein. Rechts die in eine Spinne verwandelte Arachne. fol. 62r (4,6 cm × 9,2 cm): Links stehen Neptun und Pallas im Disput um die Namensgebung der Stadt Athen. In der Mitte ein Olivenbaum, davor Neptun, der aus einem Felsen ein Pferd herausschlägt. Rechts ist die Stadt Athen dargestellt. fol. 63r (4,4 cm × 7,8 cm): Links stehen Rhodope und Haimos im Gespräch, rechts sind sie durch Jupiter in Berge verwandelt. fol. 63r (3,9 cm × 6,4 cm): Links verwandelt Juno Pigmea in einen Kranich, rechts stehen sich zwei Gruppen von Stelzvögeln gegenüber. fol. 63v (4,2 cm × 7 cm): Links rügt Juno Antigone, dass sie mit Jupiter eine Affäre hatte; rechts die in einen Storch verwandelte Antigone. fol. 63v (3,1 cm × 4,8 cm): Links Juno und Cinyras; rechts die in Tempelstufen verwandelten Töchter des Cinyras. fol. 64r (4,2 cm × 7,6 cm): Links verfolgt Jupiter Asterië als Krähe. Rechts verwandelt sich Jupiter in einen Adler. fol. 64r (3,3 cm × 5,9 cm): Links Leda mit dem in einen Schwan verwandelten Jupiter; rechts Antiope mit Jupiter als Satyr. fol. 64v (4,2 cm × 7,6 cm): Links vergewaltigt Jupiter die Tochter des Fulius. Rechts schlägt Jupiter den bis zum Himmel emporwachsenden Fulius, daneben der Fluss, der dadurch an dieser Stelle entsteht. fol. 66r (4,5 cm × 10 cm): Links Niobe, umgeben von ihren sieben Töchtern und sieben Söhnen, im Gespräch mit Latona. In der Mitte töten Apollon und Diana Niobes Kinder. Rechts außen die in einen Felsen verwandelte Niobe. fol. 67r (4,6 cm × 7,8 cm): Links Latonas Flucht vor Juno. Rechts bringt Latona auf der Insel Delos Apollon und Diana zur Welt, darüber erscheinen Sonne und Mond. fol. 67v (3,5 cm × 8,5 cm): Links versucht die durch Juno verfolgte Latona Wasser aus einem See zu trinken, woran sie zwei Bauern hindern. Rechts die durch Jupiter in Frösche verwandelten Bauern. fol. 68r (4,3 cm × 7,7 cm): Links Apollon und Marsyas, in der Mitte Apollon mit der abgezogenen Haut des Marsyas, rechts folgen zwei Figuren trauernd dem blutenden Marsyas. fol. 68v (4,6 cm × 9,5 cm): Links tritt Tantalus vor eine Festtafel des Jupiter, an der drei weitere Götter sitzen, und serviert auf einer Platte seinen Sohn Pelops. Rechts steht Tantalus nackt bis zum Hals in Wasser eingetaucht. Weder kann er davon trinken, noch von den Früchten essen, die vor seinem Gesicht an einem Ast hängen. fol. 69v (4,4 cm × 9 cm): Links reicht Procne Tereus die gekochten Glieder ihres gemeinsamen Sohnes Itys zum Mahl dar, während Philomela dem König das abgeschlagene Haupt von Itys zeigt, so dass Tereus erkennt, was er gerade isst. Rechts sitzen auf den Ästen eines Baumes drei Vögel, in die Philomela, Procne und Tereus durch Jupiter verwandelt wurden. Am Fuße des Baumes liegt Pandion, der Vater von Philomela und Procne, aus Schmerz um seine Töchter tot am Boden. fol. 70v (4,3 cm × 9 cm): In der Architektur links befindet sich

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1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

Oreithyia, die auf Aquilus schaut, der vor der verschlossenen Tür des Gebäudes steht. In der Mitte verabschiedet sich Oreithyia von ihren mit Aquilus gezeugten Zwillingssöhnen, die sich mit Jason, rechts im Bild, zum Raub des Goldenen Vlieses aufmachen. fol. 71r (4,3 cm × 8,4 cm): Links sitzt der blinde König Phineus an einer gedeckten Tafel, rechts davon stehen Zetes und Calais und vertreiben die Harpyien, die über der Tafel fliegen. Am rechten Bildrand die Hunde des Jupiter, die zu ihm aufschauen. fol. 72r (5,3 cm × 9,7 cm): Links führt Jason die Stiere von Colchis an einem Pflug, in der Mitte die Schlange, die den Widder des Goldenen Vlieses bewacht, darüber wachsen Figuren aus dem gepflügten Acker, die sich gegenseitig bekämpfen und töten. Rechts der Tempel mit dem Goldenen Vlies. fol. 73r (4,5 cm × 8 cm): Links fährt Medea in ihrem Wagen, der von zwei Drachen gezogen wird. Rechts verlässt Medea mit Jason in ihrem Wagen ihre Heimat. fol. 73v (4 cm × 8,1 cm): Links wirft Medea Gliedmaßen ihres zerstückelten Bruders auf die Erde, die ihr Vater Aeëtes, der sie verfolgt, aufsammelt. Rechts wenden sich Medea und Jason einander zu und deuten gestisch eine Fortbewegung an. fol. 74r (2,9 cm × 8,5 cm): Links braut Medea den Zaubertrankt für Jasons alten Vater Aeson. In der Mitte die Verwandlung des alten Widders in ein junges Lamm durch den Zaubertrank. Rechts töten Jason und Medea Aeson, um ihn durch den Zaubertrank zu verjüngen. fol. 74v (4,5 cm × 9,2 cm): Rechts töten die Schwestern ihren Vater Pelias und entnehmen ihm Blut zur Verjüngung durch Medeas Zaubertrank, links fliegt Medea mit ihrem von Drachen gezogenen Wagen davon. fol. 75r (5 cm × 9,1 cm): Links schickt Pelias seinen Neffen Jason zum Tempel, um das Goldene Vlies zu erwerben. Rechts tritt Jason erfolgreich mit dem Goldenen Vlies vor Pelias. fol. 75v (4,3 cm × 9 cm): Links gibt Medea Creon einen vergifteten Mantel, rechts davon liegt seine durch den Mantel getötete Tochter Creusa. In der rechten Bildhälfte tötet Medea die beiden Söhne Jasons und flieht schließlich in ihrem Wagen. fol. 76v (3,6 cm × 5,1 cm): Links wird Orpheus von einer männlichen Figur enthauptet. Rechts steht ein Drache im Wasser, der sich in einen Stein verwandelt, als er das Haupt des Orpheus, das ans Ufer getrieben ist, fressen möchte. fol. 76v (2,4 cm × 5,3 cm): Links wird Cerambus von der deucalionischen Sturmflut ergriffen, rechts von zwei Nymphen gerettet. fol. 77r (4,8 cm × 8,6 cm): Links fasst Thyoneus, der Sohn des Bacchus, einen Stier bei den Hörnern und entwendet ihm dem Besitzer links im Bild. In der Mitte verfolgt der Besitzer Thyoneus und erfasst ihn fast. Rechts verwandelt Bacchus den Stier in einen Hirsch. fol. 77r (4 cm × 7,1 cm): Links wird Corythus von den Göttern getötet. Rechts bestattet der Vater Corythus und wird dabei von Jupiter erschlagen. fol. 77v (4,7 cm × 8,5 cm): Links tötet Hercules seine Söhne. Rechts raubt ein Adler Helena vom Altar eines Tempels, auf dem sie neben anderen jungen Leuten geopfert werden soll. fol. 78r (3,8 cm × 7,1 cm): Links zwei Töchter des Königs Aeolus, rechts verwandelt Juno diese in eine Kuh und eine Hirschkuh. fol. 78v (4,1 cm × 8,2 cm): Links besprengen die Telechinen das Wasser des Styx auf Feldern, rechts versenkt Jupiter sie im Meer. fol. 79r (4 cm × 9 cm): Links schaut Cygnus zornig auf Phyllius, der mit seinen Tieren vor ihm steht. In der Mitte stürzt Phyllius von einem Felsen und wird von dem am Himmel erscheinenden Gott in einen Schwan verwandelt. Rechts betrauert Hyrie ihren Sohn Phyllius, den sie für tot hält, und sitzt dabei in einem See, der durch ihre Tränen entsteht. fol. 79v (4,5 cm × 8,7 cm): Links tritt Theseus vor seinen Vater Aigeus, neben dem Medea steht und der ein Gefäß mit Gift hält. Links reicht Aigeus Theseus den Gifttrank oder nimmt ihn ihm aus der Hand. Rechts flieht Medea in ihrem Wagen. fol. 80r (4 cm × 7,4 cm): Hercules und Theseus begegnen dem dreiköpfigen Cerberus am

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

Eingang zur Unterwelt. fol. 81r (4,7 cm × 7,7 cm): Links thronen Phene und Periphas auf einer Bank, rechts von ihnen sitzt Alcyone auf einem Thron. Vor ihnen knien Männer in anbetender Haltung. Am Himmel erscheint Jupiter und verwandelt Phene, Periphas und Alcyone in Geier. fol. 81v (4 cm × 9,5 cm): Links fährt Minos im Boot und schaut auf einen Stier im Meer, der ihm von Neptun gebracht wird. Rechts fängt Hercules den Stier ein und Theseus tötet ihn. fol. 82r (4,2 cm × 9,4 cm): Links tötet Theseus Procrustes. In der Mitte sitzt ein Gast des Cercyon auf einem herabgebogenen Baumast, während Cercyon sich diesem zuwendet und nach seinen Füßen greift. Links tötet Theseus Erichthonius (?). fol. 82v (4,7 cm × 8,1 cm): Während Sciron die Füße des Theseus wäscht, der auf einem Felsen sitzt, tötet Theseus ihn mit einem Schwert. Hinter dem Felsen liegt eine Person, die Sciron hinabgestürzt hat. Rechts stürzt Theseus den toten Sciron vom Felsen herab. fol. 83r (6,9 cm × 9,9 cm): Links sitzt Androgeus, der Sohn von König Minos, unter athener Gelehrten und wird von ihnen unterrichtet. In der Mitte wird Androgeus von einem seiner Lehrer aus einem Turm der Stadt Athen herabgestürzt. Rechts belagert das Heer von König Minos die Stadt Athen, darunter sitzt der König im Zelt des Heerlagers. fol. 83v (4,7 cm × 8,3 cm): Arne, eine Frau aus Sithon, verkauft ihre Stadt: Sie steht vor den Toren der Stadt und überreicht drei Männern die Schlüssel und hält einen Geldsack. Über ihr fliegt eine Dohle, in die Arne verwandelt wird, mit einem Goldstück im Schnabel. fol. 84r (4,3 cm × 8,3 cm): Links liegen durch die Pest Dahingeraffte in der Stadt Aegina. Vor der Stadt bittet Aecus, der über Aegina herrscht, seinen Vater Jupiter um Hilfe. Rechts ist die Umsetzung von Aecus’ Wunsch durch Jupiter dargestellt: Die Ameisen, die Aecus an der nahegelegenen Eiche sieht, verwandeln sich in Menschen. fol. 84v (5,7 cm × 9,8 cm): Links tritt Cephalus in fremder Gestalt vor seine Gattin Procris und bietet ihr einen Geldsack an. In der Mitte gibt sich Cephalus Procris zu erkennen. Rechts durchstreift Procris die Berge und geht mit Diana auf die Jagd. fol. 85r (4,3 cm × 7,7 cm): Links schenkt Procris Cephalus Pfeil und Bogen. In der Mitte geht Cephalus mit Pfeil und Bogen auf die Jagd, rechts wird Procris durch Cephalus’ Pfeil getötet. fol. 86r (10,6 cm × 10,2 cm): Links oben empfängt König Minos Soldaten im Heerlager vor der Stadt Alcathoe. Vom Turm der Stadt aus erblickt Scylla Minos und schneidet in der Burg die goldenen Haare ihres Vaters Nisus, dem Herrscher der Stadt, ab. Unten stürmt das Heer des Minos die bislang von Nisus beherrschte Stadt. fol. 87v (4,8 cm × 8,2 cm): Das Heer des Minos stürmt die Stadt Alcathoe, in der Scylla das goldene Haar ihres Vaters Nisus abschneidet. fol. 88r (4,2 cm × 9,6 cm): Links die unter einer angefertigten Kuh verborgene Pasiphae im Beischlaf mit einem Stier. In der Mitte Minos. Rechts gebiert Pasiphae den Minotaurus. fol. 88v (4,3 cm × 10,1 cm): Links der Minotaurus mit abgeschnittenem Kopf im Labyrinth, aus dem Theseus erfolgreich heraustritt. In der Mitte Theseus im Schiff mit Ariadne, rechts davon wird Ariadne von Theseus auf der Insel Dia ausgesetzt. Rechts segelt Theseus in seinem Schiff weiter. fol. 89v (4,2 cm × 9,9 cm): In der linken Bildhälfte bezeichnet die Architektur Athen, von wo Theseus mit gehissten schwarzen Segeln nach Kreta losfährt. In der rechten Bildhälfte kehrt Theseus mit schwarzen Segeln nach Athen zurück, weshalb sein Vater, König Aegeus, ihn für tot hält und sich vom Turm aus ins Meer stürzt. fol. 90r (4,1 cm × 8,8 cm): Links das durch Daedalus errichtete Labyrinth von König Minos, daneben Daedalus mit Flügeln, der seinem Sohn Icarus ebenfalls Flügel anlegt. In der rechten Bildhälfte stehen Daedalus und Icarus jenseits eines Wasserlaufs, wodurch bezeichnet ist, dass sie dem Labyrinth entkommen sind. fol. 91r (4,4 cm × 8 cm): Links das Labyrinth von König Minos,

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1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

darüber der fliegende Icarus, der seine Flügel verliert, gefolgt von seinem Vater Daedalus. fol. 92r (5,8 cm × 6,4 cm): Links stürzt Daedalus seinen Neffen Perdix aus dem Turm. Dabei wachsen ihm an seinem Rumpf Flügel, weil Pallas ihn in einen Vogel verwandelt. Rechts steht Daedalus in einer Kirchenarchitektur, die den Tempel des Apollon bezeichnet und malt in einem Bild Ariadne. fol. 93r (4,6 cm × 8,3 cm): Links wenden sich Atalanta und Meleager einander zu. In der rechten Bildhälfte schießt Atalanta einen Pfeil auf den Eber, während Meleager ihn mit einem Schwert tötet. fol. 94r (3,7 cm × 8,5 cm): In der rechten Bildhälfte bringen Philemon und Baucis Jupiter und Mercur, die an einem gedeckten Tisch in ihrer Hütte sitzen, eine Gans zum Gastmahl dar. Jupiter und Mercur weisen auf die brennende Stadt, die auf ihr Geheiß zerstört wird. fol. 95r (5 cm × 10,5 cm): Links knien zwei Dryaden in betender Haltung um den Baum, der Ceres geweiht ist. In der Mitte fällen Erysichthon und ein Knecht den Baum, rechts tötet Erysichthon einen Mann. Daneben liegt Erysichthon schlafend am Boden und Fames, der Hunger, tritt in Gestalt einer alten Frau an ihn heran. fol. 96r (3,3 cm × 7,5 cm): Drei Personen, die sich nach Wunsch in verschiedene Formen und Gestalten verwandeln: Der Flussgott Achelous als Fisch, Proteus als Drache, die Tochter des Erysichthon in menschlicher Gestalt. fol. 97r (4,2 cm × 9,3 cm): Links kämpfen Achelous und Hercules um Deianira. In der Mitte verwandelt sich Achelous, der im Kampf Hercules 4 unterlegen ist, in eine Schlange. Rechts der in einen Stier verwandelte Achelous, den Hercules überlegen an den Hörnern fasst und das linke Horn bricht. fol. 97v (4,8 cm × 8,4 cm): In der linken Bildhälfte schießt Hercules, der jenseits des Flusses steht, einen Pfeil auf den Centaur Nessus, der Deianira, Hercules’ Frau, ein Tuch mit seinem Blut gibt. Rechts übergibt Lichas in Deianiras Auftrag das von Nessus’ Blut getränkte Tuch an Hercules. fol. 99r (4,2 cm × 8,7 cm): Links übergibt Deianira Lichas das blutgetränkte Tuch. Rechts erscheint Lichas verwandelt als Meeresfelsen mit menschlicher Gestalt im Wasser. fol. 99v (4,2 cm × 9,9 cm): Links übergibt Juno Ixion ihr Ebenbild. In der Mitte steht Hercules mit Pfeil und Bogen vor dem menschlichen Teil der durch ihn getöteten Centauren. Rechts Ixion in der Unterwelt auf dem Rad, auf dem er ewig gedreht wird. fol. 100v (5 cm × 9,2 cm): Links trägt die thronende Juno Hercules drei Taten auf, die in der rechten Bildhälfte bezeichnet sind: die Tötung Geryons, die Herausführung des dreiköpfigen Cerberus aus der Unterwelt und die Überwindung der fünfköpfigen Hydra. fol. 100v (4,6 cm × 8,5 cm): Links kämpft Hercules mit dem nemëischen Löwen. Rechts steht Hercules, angetan mit dem Fell des nemëischen Löwen, der getötet vor ihm liegt. fol. 101r (4,5 cm × 8,5 cm): Links steht Atlas, der das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern trägt. In der Mitte bewachen seine drei Töchter, die Hesperiden, mit einem Drachen den Baum mit goldenen Äpfeln in seinem Garten. Hercules aber steht auf dem getöteten Drachen und raubt die Äpfel. Rechts trägt Hercules den Himmel auf seinen Schultern anstelle von Atlas, der sich ihm zuwendet. fol. 101v (4,2 cm × 7,2 cm): Hercules hält den besiegten dreiköpfigen Cerberus an der Leine und zeigt auf Geryon, der umgekehrt drei Körper an einem Kopf hat. fol. 102r (4 cm × 9,6 cm): Links steht Diomedes mit seinen Pferden, die Menschen verschlingen. Rechts wirft Hercules Diomedes seinen eigenen Pferden zum Fraß vor. fol. 103r (4 cm × 8,3 cm): Hercules tötet die Hydra, eine Schlange mit vielen Köpfen im Sumpf von Lerna. fol. 103r (4,2 cm × 7,5 cm): Links ringt Hercules mit Antheus und wirft ihn auf die Erde nieder. Rechts hebt Hercules Antheus in die Luft und erdrückt ihn 4

Fälschlicherweise hat der Miniator Hercules statt Achelous mit Hörnern dargestellt.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

zwischen seinen Armen. fol. 104r (4,3 cm × 9,4 cm): Links versteckt Cacus, Vulcans Sohn, die geraubten Rinder des Hercules in einer Höhle. Rechts tötet Hercules Cacus. fol. 104v (4,3 cm × 8,3 cm): Links liegt die mit Hercules schwangere Alcmene im Bett, an dessen Fußende die Dienerin Galanthis steht. Sie zeigt auf Juno, die in der Mitte mit angezogenen Knien sitzt, die sie mit ihren Armen umfasst, um so die Geburt zu verhindern. Rechts bestraft Juno Galanthis, indem sie sie in ein Wiesel verwandelt hat. fol. 105r (4,6 cm × 9 cm): Links gibt Vulcan seiner Stieftochter Harmonia, der Tochter von Mars und Venus, ein Halsband, das er geschmiedet hat. In der Mitte wird Amphiaraus, der zu Pferde sitzt, das Halsband von seiner Frau übergeben. Rechts tötet Alcmaeon, Amphiaraus Sohn, seine Mutter mit einem Schwert. fol. 105v (5,2 cm × 8 cm): Links steht Dryope mit ihrem Sohn auf dem Arm und pflückt eine Blume, aus deren abgebrochenem Stiel Blut tropft. In der rechten Bildhälfte die in einen Baum verwandelte Dryope, zu Füßen des Baumes sitzt Dryopes Mutter mit ihrem Enkelsohn im Schoß, daneben steht Dryopes Vater und wendet sich ebenfalls seinem Enkelsohn zu. fol. 106v (4,7 cm × 7 cm): Links schließen Iole, die Gattin des vergöttlichten Hercules, und Iolaos, der alte Sohn von Hercules, ein Ehebündnis. Über ihnen erscheinen Hercules und Hebe, Junos Tochter, die im Himmel mit Hercules ehelich verbunden ist. Während Hercules nach links auf das Ehepaar deutet, wendet sich Hebe dem rechts stehenden Iolaos zu, der sich vom Kopf an in einen jungen Mann verwandelt. fol. 107r (3,7 cm × 4 cm): Der Greis Tithonus steht vor seiner Gattin Aurora. Über ihm ist eine Zikade dargestellt, in die er aufgrund seines hohen Alters verwandelt wird. fol. 107r (4,5 cm × 9 cm): In der linken Bildhälfte sitzen Aeacus, Rhadamanthus und Minos, Jupiters Söhne, als Richter auf einer Bank und wenden sich gestikulierend an die teuflische Figur, die vor ihnen steht. Über dieser schwebt Jupiter und verweist auf die Richter. In der rechten Bildhälfte Unterweltszene, die den Gerichtsort in die Unterwelt lokalisiert. fol. 107v (3,2 cm × 3,8 cm): Rechts steht Byblis vor Caunus, ihrem Bruder. Während er gleichmütig dasteht und durch seine Armhaltung Reserviertheit zeigt, neigt Byblis mit wehklagender Mimik ihr Haupt. Zu ihren Füßen steht ein Wasserbecken, das durch ihre Tränen gefüllt ist. fol. 107v (4,2 cm × 7,4 cm): Links wendet sich König Ligdus seiner schwangeren Gattin Telethusa zu, die mit unglücklichem Gesichtsausdruck auf ihn reagiert. Rechts erscheint Telethusa die Göttin Isis mit ihrem Gefolge. fol. 108v (9,7 cm × 8,5 cm): Oberes Register: Links pflückt Eurydice mit ihren Gefährtinnen Blumen, rechts liegt sie durch den Biss des Drachens in den Fuß tot am Boden, was Orpheus beweint. Mittleres Register: Links steht Orpheus mit einer Drehleier vor den Toren der Unterwelt, in der Tantalus, Sisyphus und die Beliden dargestellt sind. Unteres Register: Links dreht sich Orpheus nach Eurydice um, so dass sie in die Unterwelt zurückkehrt. Rechts kehrt Orpheus noch einmal in die Unterwelt, in der Eurydice festgehalten wird, zurück, wird aber von Cerberus am Eintritt gehindert. fol. 109v (4 cm × 7,3 cm): Links sitzt Orpheus auf dem bewaldeten Berg Rhodope und spielt auf seiner Drehleier. In der Mitte werfen die Frauen Steine auf Orpheus, der im Vordergrund enthauptet niederstürzt. Rechts wirft eine Frau der Ciconen Orpheus Haupt in einen Fluss. fol. 110v (3,6 cm × 4,7 cm): Links führt Hercules Cerberus an der Leine, rechts verwandelt sich Hercules Gefährte aus Furcht vor Cerberus in einen Stein. fol. 111r (3,6 cm × 7,9 cm): Links wendet sich Olenus seiner Frau Lethaia zu, rechts verwandelt eine Göttin Olenos und Lethaia in Steine. fol. 111v (4 cm × 9,6 cm): In der linken Bildhälfte steht Cybele in ihrem Wagen und streckt die Arme nach Attis aus, der die Nähe zu der Nymphe Sagaritide sucht. In der rechten Bildhälfte steht Cybele vor Attis, der sich

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1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

seine Geschlechtsteile abschneidet und daraufhin von Cybele in eine Pinie verwandelt wird. fol. 112r (4 cm × 7,8 cm): Links übergibt Phoebus Cyparissus einen Hirsch als Liebespfand. In der Mitte tötet Cyparissus den Hirsch. Rechts der in einen Baum verwandelt Cyparissus. fol. 112v (4,2 cm × 8 cm): In der linken Bildhälfte steht Jupiter mit Adlerkopf vor Ganymed 5. In der rechten Bildhälfte steht Jupiter und weist auf Ganymed, der am oberen Bildrand mit einer Amphore erscheint und Wasser ausgießt. fol. 112v (3,4 cm × 7,2 cm): Links sitzt Phoebus auf einem Hocker und hält einen (Spiel-)Tisch in der Hand, neben ihm liegt Hyazinth tot auf der Erde. Rechts verwandelt Phoebus Hyazinth in eine Blume. fol. 113r (4 cm × 9,1 cm): In der linken Bildhälfte töten die Cerasten ihre Gäste und opfern deren Körperteile auf dem Altar der Venus. Rechts Venus mit den in Stiere verwandelten Cerasten. fol. 113v (4,7 cm × 8,4 cm): Links formt Pygmalion eine weibliche Skulptur aus Elfenbein. Mittig im Hintergrund betet Pygmalion im Tempel zum Standbild der Venus, davor steht das Bett mit seiner weiblichen Elfenbeinskulptur. Rechts liegt Pygmalion in seinem Bett mit der zur lebendigen Jungfrau gewordenen Skulptur. fol. 114v (5,2 cm × 8 cm): Links sitzt Myrrha vor ihrem Vater Cinyras. In der Mitte steht Myrrha vor einem Baum, um sich zu erhängen, doch ihre Amme greift nach der Schlinge des Seils, die um Myrrhas Hals gelegt ist. Rechts gebiert die in einen Baum verwandelte Myrrha Adonis. fol. 115v (5,1 cm × 8,1 cm): Links spricht Venus zu Adonis, der seine Jagdhunde an der Leine führt. Sie zeigt auf die Tiere, die im rechten Hintergrund durch den Wald jagen, so dass auf ihre mahnenden Worte verwiesen ist. Im Vordergrund der rechten Bildhälfte liegt Adonis am Boden, getötet durch den Löwen. Zu seinen Füßen wächst eine Pflanze, in die ihn Venus, die rechts davon steht, verwandelt hat. fol. 116r (4,6 cm × 8,3 cm): In der linken Bildhälfte der Wettlauf der Nymphe Atalanta mit Hippomenes, zwischen ihnen am Boden einer der goldenen Äpfel der Venus. Rechts der Tempel von Cybele mit zwei Löwen, in die Cybele Atalanta und Hippomenes verwandelt hat. fol. 117v (4,9 cm × 8 cm): Links wird der Priester Silenus, in Mönchstracht, von Soldaten vor den thronenden König Midas geführt. In der Mitte bittet Midas Bacchus, der über ihm erscheint, dass alles zu Gold wird, was er berührt. Rechts taucht Midas in den Fluß Pactolus ein. fol. 118v (4,8 cm × 8,8 cm): In der linken Bildhälfte steht König Midas als Richtender zwischen Pan, der auf einer Fidel spielt, und Pan, der ein Portativ hält. Die Figur links von Midas, die seinen Körper überschneidet, sich zu Pan hinwendet und Eselsohren hat, bezeichnet ebenfalls Midas: Weil er hinsichtlich der musischen Darbietung zugunsten von Pan urteilt, verleiht ihm der erzürnte Phoebus Eselsohren. In der rechten Bildhälfte vertraut der auf allen vieren kniende Diener von Midas dessen Geheimnis der Erde an; aus der Erde wächst ein Schilfrohr, aus dem eine Flöte geschnitzt wird. Rechts ein Flötenspieler, dessen Flöte das Geheimnis von Midas preisgibt. fol. 119r (5,4 cm × 10,3 cm): In der linken Bildhälfte errichten Phoebus und Neptun in Menschengestalt die Mauern von Troja, und Laomedon verweigert Neptun den versprochenen Lohn, so dass das Wasser des Meeres bis an die Stadtmauern reicht. In der rechten Bildhälfte wird Hesione, Laomedons Tocher, den Meeresungeheuern zum Fraß ausgeliefert und Laomedon von Hercules vor den Mauern Trojas getötet. fol. 120r (4,2 cm × 7,4 cm): Links steht Thetis und erscheint zugleich in veränderter Gestalt kleinfigurig. Diese Gestalt traktiert Peleus mit einem Bohrer. Rechts umfasst Peleus Thetis fest. fol. 120r (4 cm × 7,4 cm): Links steht Mercur und wendet sich gestikulierend seinem Sohn Autolycus in 5

Der Miniator hat Ganymed irrtümlicherweise die Ikonographie von Jupiter verliehen.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

der Mitte zu. Zwei unterschiedliche Tiere stehen vor ihm, rechts von ihm zwei Händler. fol. 120v (4,6 cm × 8,6 cm): Links sieht Ceyx seinen Bruder Daedalion, der in einen Habicht auf einem Baum verwandelt ist. In der Mitte steht Ceyx mit seiner skeptischen Frau Alcyone in einem Boot, um das Meer zu durchfahren. Rechts wirft sich Alcyone auf den an den Strand gespülten Leichnam von Ceyx, darüber zwei Vögel, in die Alcyone und Ceyx verwandelt sind. fol. 121r (4,7 cm × 9,7 cm): Links übergibt eine Frau eine Geldtruhe und Polydor dem thronenden König Polymestor. In der Mitte tötet Polymestor Polydor und wirft ihn ins Meer; Hecuba, die in einem Boot sitzt, holt ihren toten Sohn aus dem Meer. Rechts greifen Hecuba und die trojanischen Frauen Polymestor an und töten ihn. fol. 121v (6 cm × 10,5 cm): Links liegt die mit Paris schwangere Hecuba mit ihrem Gemahl Priamus im Bett. Sie schaut auf einen Engel mit Paris in Händen, der eine brennende Fackel hält. In der Mitte ordnet Priamus zwei Soldaten an, Paris zu töten; rechts davon vertraut Hecuba Paris einem Hirten an. Rechts Paris mit einem Stier, dem er einen Kranz aufsetzt; links unten Paris mit seinem Stier sowie dem in einen Stier verwandelten Mars, dem er den Kranz verleiht. fol. 122r (3,6 cm × 7,5 cm): Links zeigt Discordia auf den Apfel, der vor Paris auf dem Boden liegt. In der Mitte die zerstrittenen Göttinnen Juno, Pallas und Venus. Rechts das Urteil des Paris. fol. 123r (4,4 cm × 9,8 cm): Links die griechischen Segelschiffe mit Soldaten auf dem Weg nach Troja. Rechts soll Iphigenie geopfert werden, doch sie wird durch eine Gottheit in eine Hirschkuh verwandelt. fol. 123v (3,8 cm × 10,4 cm): Links militärisches Gefecht. In der Mitte zerpresst Achill Cygnus im Kampf zwischen seinen Armen. Rechts beraubt Achill Cygnus seiner Rüstung, daneben der in einen Schwan verwandelte Cygnus, der aus der Rüstung hervorkommt. fol. 124r (4,1 cm × 7,1 cm): Links greift Neptun Caenis an. In der Mitte verwandelt Neptun Caenis in einen wehrhaften Mann. Rechts Caeneus mit drei Männern, die ihn mit ihren Waffen nicht verletzen können. fol. 124v (4,4 cm × 8 cm): Links verteidigt Caeneus Hippodamia gegen die Centauren. Rechts werfen die Centauren Holz auf Caeneus und töten ihn so. fol. 125r (4,3 cm × 9,2 cm): Links die griechischen Schiffe voller Soldaten. In der Mitte wird Protesilaos als erster der Griechen niedergeschlagen. Rechts kniet Laodamia vor dem Bildnis ihres toten Ehemanns. fol. 125v (4,5 cm × 7,7 cm): Links übergeben zwei Männer Helena an Menelaus. Rechts wird Helena durch Jupiter vom Altar gerettet, auf dem sie geopfert werden soll. fol. 126r (4 cm × 8,5 cm): Links liegt Memnon getötet vor griechischen Soldaten am Boden. In der Mitte wird Memnons Körper auf den Scheiterhaufen geworfen, über dem ein Vogel aufsteigt, in den sich Memnons Körper verwandelt hat. Rechts die Vögel des Memnon über seinem Grab. fol. 126v (4,3 cm × 10,2 cm): Links militärisches Gefecht von Griechen und Trojanern. Rechts Odysseus beim Schachspielen; daneben sät er zum Beweis seines Wahnsinns Salz. fol. 127r (3,5 cm × 8,3 cm): Links im Vordergrund versteckt Odysseus Gold unter dem Bett von Palamedes. In der Mitte schiebt Odysseus einen Brief einem tot Darniederliegenden unter, der links davon politischen Würdenträgern übergeben wird. Rechts tötet Odysseus Palamedes. fol. 127v (4,5 cm × 6,1 cm): Über dem Segelschiff des Odysseus erscheint Äolus, der König der Winde, und übergibt Odysseus Wind, den dieser in einen Schlauch einschließt. Rechts im Boot öffnet ein Gefährte die Schläuche. fol. 128v (10 cm × 5 cm): Von links nähert sich das Schiff mit Odysseus und seinen Gefährten dem Haus der Circe. In ihm bietet Circe einem Gefährten Wein an. Vor ihm stehen zwei Schweine – die durch den Wein verwandelten Gefährten. Rechts befreit Odysseus aus Circes Stall seine Gefährten, denen Circe ihre menschliche Gestalt wiedergibt. fol. 129r (3,5 cm × 7,5 cm): Links taucht Galatea ins Was-

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1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

ser ein, um Polyphem zu entgehen. In der Mitte umarmt Galatea den Jüngling Acis, den sie liebt. Rechts schleudert Polyphem einen Felsbrocken auf Galatea, die in einer Quelle steht, in die die Götter, die oben am Himmel erscheinen, Acis verwandelt haben. fol. 129v (3,9 cm × 5,2 cm): Zwei Freier treten vor den Webstuhl, an dem Penelope arbeitet. fol. 130r (4,5 cm × 8 cm): Links sitzt Odysseus aufgrund des Orakelspruchs der Götter allein in einer abgelegenen Gegend. Rechts tritt Telegonus, angespornt von seiner Mutter Circe, die ihm folgt, mit gezücktem Schwert an Odysseus heran. Dieser ist von seinem Speer, den Telegonus auf ihn zurückgeworfen hat, durchbohrt. fol. 130v (5,1 cm × 8,1 cm): Links kommt Idomeneus mit dem Schiff am Ufer an, wo seine Tochter steht. Rechts opfert Idomeneus sie gemäß seinem Versprechen gegenüber den Göttern auf dem Altar. fol. 131r (4,5 cm × 10,3 cm): Links bekämpfen sich Äneas und Diomedes zu Pferde. Darüber erscheint Venus, die sich hinter einer Wolke verbirgt. In der Mitte Diomedes Ehefrau als Prostituierte mit Freiern. Rechts die Verwandlung von Diomedes’ Gefährten in Vögel bei seiner Rückfahrt in seine Heimat. fol. 131v (4 cm × 7,7 cm): Links steht der Fischer Glaucus am Ufer und wirft die gefangenen Fische aus seinem Fischernetz an Land, wobei sich die Fische wieder lebendig ins Wasser werfen. Rechts sitzt Glaucus unter einem Baum am Ufer und kostet von den Kräutern, wodurch sich sein Körper in einen Fisch verwandelt. fol. 132r (3,3 cm × 9,5 cm): Links taucht der Meeresgott Glaucus aus dem Wasser auf und wendet sich Scylla zu. In der Mitte stehen Glaucus und Circe, die mit ihrer Rechten einen Sextant emporhält. Rechts beugt sich Circe mit dem Sextant in der linken Hand über eine Quelle, um diese zu vergiften. Während Scylla mit dem einen Bein in diese tritt, beißen in das andere Hunde. fol. 133r (3 cm × 9,8 cm): Links Charybdis mit den Rindern des Hercules. Rechts wird Charybdis von Mercur [!] ins Meer geworfen, in der Mitte des Meeres der Felsen, in den sich Charybdis verwandelt hat. fol. 133r (3,2 cm × 7,7 cm): Links fährt Äneas im Boot mit zwei Götzenbildern und seinem Vater Anchises. In der Mitte sitzen im Haus von König Anius seine fünf Töchter, vor ihnen liegt ein Haufen Getreide und stehen ein Holzbottich mit Wein sowie eine Amphore mit Öl. Rechts eine Gruppe von griechischen Soldaten, die auf das Haus zukommen, um die Töchter zu rauben. Über den Soldaten zwei Tauben, in die die Töchter des Anius verwandelt sind. fol. 134r (4,8 cm × 8,9 cm): Links steht Phoebus vor der Cumäischen Sibylle, die mit ihrem Blick auf ihre Hand hindeutet. In der Mitte trifft Äneas auf die Cumäische Sibylle als Greisin. Rechts zeigt die Sibylle Äneas seinen in der Unterwelt liegenden Vater Anchises. fol. 134v (4,4 cm × 8,3 cm): Links begegnet König Picus, auf einem Pferd reitend, Circe, die Kräuter sammelt. Unmittelbar hinter der knienden Circe steht Circe aufrecht und weist mit ihrer Rechten auf die Verwandlung von Picus in einen Vogel, die rechts dargestellt ist. fol. 135r (4,3 cm × 9,1 cm): Links verfolgen Gefährten von König Picus Circe, die flehend zum Himmel schaut. Rechts ein Wald mit wilden Tieren, in die die Gefährten von König Picus verwandelt sind, unten drei Schlangen, die Circe hervorgerufen hat. fol. 136r (4,2 cm × 7,9 cm): Links ein Schiff des Äneas mit zwei nackten Nymphen, die am Heck im Wasser sind. Rechts zwei Schiffe, die sich in Nymphen verwandeln. fol. 136v (4,5 cm × 7,1 cm): Links die brennende Stadt Ardea mit zwei Soldaten davor, über der Stadt fliegt ein Reiher, der aus der Asche der Stadt entsteht. Farben: Hellblau, Blau, Dunkelblau, Schwarz, Grau, Beige, Braun, Olivgrün, Grün, Dunkelgrün, Orange, Gelb, Rot, Pink, Lila.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

Textbestand: Es fehlen der Prolog und der Beginn des Götterbuchs bis zum Apollo-Kapitel, weitere Blattverluste gibt es bei den Götterbeschreibungen von Venus, Mercur, Diana, Minerva, Juno, Pan und Pluto; ferner fehlen Teile von VI,9 bis VI,11 (= fol. 65); in Buch XIV bricht die Handschrift in Fabula 8 ab, so dass Buch XIV, 9–11 und Buch XV ganz fehlen. Andere Zählung VII,16–31. Literatur: Degenhart – Schmitt, Corpus der italienischen Zeichnungen, 1980, S. 365; Gatti Perer (Hg.), Codici e incunaboli, 1989, Nr. 122, S. 286–310 (Andrea Spiriti); Gatti Perer – Marubbi (Hgg.), Tesori miniati, 1995, Nr. 72, S. 191 f. (Andrea Spiriti); Schmitt, Hercules in einer unbekannten Zeichnung, 1975, S. 74, Anm. 42.

c) Treviso, Biblioteca Civica, Ms. 344 Petrus Berchorius: ›De formis figurisque deorum‹ und ›Ovidius moralizatus‹ Der Text enthält die zweite Avignoneser Fassung. Venedig, um 1415–1420 6 Provenienz: Der älteste Besitzvermerk befindet sich auf fol. 39r, auf einer ausradierten Stelle, wo ursprünglich das Explicit gestanden haben wird: Iste liber fuit dompni presbiteri Iohanini Burgi quondam plebani Sancti Nicolay, qui obiit anno Domini millesimo quadrigentesimo vigesimo, die penultimo mensis augusti, quem dimisit librarie convenctus Sancte Marie Carmellitarum de Veneciis. Frater Michael de Arbo scripsit. Rogate Deum pro eo. Iohanini Burgi, das heißt Giovannino Borghi, Pfarrer der venezianischen Gemeinde San Nicolò dei Mendicoli und Notar 7, vermachte die Handschrift dem Konvent Santa Maria dei Carmini in Venedig am 30. August 1420. Der Vermerk dieser Schenkung kann durch Borghis Testament verifiziert werden 8. Hinsichtlich der Angabe Frater Michael de Arbo scripsit fragt sich, ob es sich bei Frater Michele da Arbe um einen Bruder des venezianischen Konvents handelt, der die Schenkung schriftlich beglaubigt, oder um den Schreiber des Kodex, insofern sich scripsit auf liber bezieht. Da die Schriftart der letzten Zeile (de arbo . . . pro eo) mit Ausnahme des scripsit von jener der vorausgehenden Zeilen abweicht, in der Tintenfarbe aber gleicht, scheint der Schreiber des Vermerkes die Worte des ursprünglichen Explicit wiedergegeben zu haben, ohne seinen eigenen Namen zu nennen 9. Giovannino Borghi kann aufgrund einer stilkritischen Einordnung des Buchschmuckes als ersten Besitzer in Frage kommen 10. Von 1420 bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts dürfte der Kodex im Konvent Santa Maria dei Carmini verblieben sein, bevor er in den Besitz der Familie Scotti in Treviso gelangte: In der frei gebliebenen rechten Textspalte auf fol. 39r ist mit Blei das Wappen der Scotti gezeichnet, mit einem diagonalen Band und je einem Stern pro Hälfte 11. Links vom Wappen stehen die Buchstaben Ja, rechts Sco (oben Co, unten igitur), deren Abbreviatur in Jacobus Scottus aufgelöst werden kann 12. Der Stammbaum 6 7 8 9 10 11 12

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So Faggiani, Le miniature, 2004. Zur Identifizierung der Person s. Bianchin, L’Ovidio moralizzato, 1985/86, S. 51–57. Ebd. S. 57–60. Vgl. Faggiani, Le miniature, 2004, S. 90. Faggiani hält es für möglich, dass Giovannino Borghi auch der Auftraggeber der Handschrift war. Ebd., S. 95 f. Vgl. Morando di Custoza, Blasonario veneto, 1985, Taf. CCXCCII. Siehe Bianchin, L’Ovidio moralizzato, 1985/86, S. 68.

1. DIE ILLUMINIERTEN HANDSCHRIFTEN

der Scotti aus Treviso weist drei Mal den Namen Jacobus auf: für die Jahre 1384, 1422 und 1427–1497. Ob der Kodex dem Besitz des für das Jahr 1422 angezeigten Jacobus oder dem für die späteren Jahre genannten Jacobus Donatus zuzuschreiben ist, muss offen bleiben. Durch den Besitz des Kodex im treviganischen Zweig der Scotti während des 16. Jahrhunderts lässt sich seine spätere Präsenz in Treviso herleiten 13. So befand er sich vom Ende des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in der Bibliothek der treviganischen Familie Brescia: Das Vorsatzblatt verzeichnet das Exlibris von Vinceslao Brescia von einer Hand des 17. Jahrhunderts: »Vinceslao Brescia cavalliere«. Im bas de page von fol. 1r ist die Signatur IV. 16 der Biblioteca Brescia (Signatur auch auf dem Rückdeckel) angebracht. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts ging die Handschrift in den Besitz des Kanonikers G.B. Rossi aus Treviso über: Auf dem vorderem Spiegel sind das Exlibris »Biblioteca Rossi N.o 8663« angebracht und ein eingeklebtes Papierblatt, verfasst durch den Abt Mauro Boni im Jahr 1789, mit der Notiz des Besitzerwechsels Brescia – Rossi 14. 1810 gelangte der Kodex schließlich durch die Übertragung der Bibliotheksbestände Rossis an die Kommune von Treviso in die Biblioteca Civica 15. Der Kodex wird im Katalog der Handschriften 1876–1877 mit der Signatur vermerkt, weitere Einträge sind von späteren Händen 16. Pergament, I + 41 Blatt (Vor- und Nachsatz Bl. I, 40 und 41), 32,7 cm × 23 cm. V10 + 3 × IV34 + (IV–1)41 (letztes Blatt der Lage als hinterer Spiegel). Schriftspiegel: 22,3–23 cm × 16–16,5 cm. 2 Spalten. 63–69 Zeilen. Italienische Bastarda in brauner Tinte einheitlich geschrieben. Rubriziert 17. Zahlreiche rote und blaue Paragraphenzeichen. Glossen des Schreibers auf fol. 4r, 6r, 9r, 13v, 15v, 17v, 30v, 33r, 35r, 36r, 36v, von späterer Hand (16. Jh.) auf fol. 38r und 38v. Foliierung rechts oben auf Blatt 1–7 und 39. Vorderer und hinterer Spiegel Pergament. Originaler Einband aus Holz, bezogen mit rotem Leder. 33 cm × 23,5 cm. Streicheisenlinien. Rücken, Riemenschließen mit Hakenverschlüssen und 10 Messingbuckel (jeweils 5 auf Vorder- und Rückdeckel) im 19. Jh. erneuert. Auf dem Rückdeckel aufgenageltes Lederschildchen mit der Aufschrift Quindecim libri super Ovidii Metamorphoseos cum fabulis (Rotunda) und der Signatur IV. 16. Auf dem Rücken in Gold eingeprägt: THOMAS ANGLICUS EXPOS. MORAL. FABUL. 13 14 15

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Ebd. S. 68–71. Ebd. S. 75 f.: »Il passaggio dell’Ovidio é, in ogni caso, avventuto nel periodo di tempo che intercorre fra il 1750, data di redazione del Catalogo Brescia, e il 1789.« Ebd. S. 76. In dem entsprechenden Verzeichnis vom 28. August 1810 ist die Ovid-Handschrift an zweiter Stelle aufgeführt: »Thomas Anglici de imaginibus Deorum fol. membr. sec. XIII vel XIV con figure originali, forse la prima face alle mitologie di quel secolo e susseguenti«. Siehe Molena, Studio paleografico, 1952/53, S. 325. Bampo – Bailo (Hg.), Catalogo numerico, 1876–1877, fol. 135r–135v. Vgl. zur Provenienz Bianchin, L’Ovidio moralizzato, 1985/86, S. 51–77, Faggiani, Le miniature, 2004, S. 96 f. Rubrizierung Incipit (fol. 1r tractatus, fol. 8v Expositiones moralitates, fol. 10v liber secundus methamorphoseos, fol. 13r tertitus, fol. 15v liber quartus, fol. 19r liber quintus, fol. 21r liber sextus, fol. 23v liber septimus, fol. 26v liber octavus, fol. 29r nonus, fol. 31r decimus, fol. 33r undecimus, fol. 34v liber XII, fol. 35v liber XIII, fol. 36v liber quartusdecimus, fol. 37v liber XV), Explicit (fol. 1r prologus, fol. 1r descriptio Saturni, fol. 13r liber secundus, fol. 15v liber tertius, fol. 19r liber quartus, fol. 21r liber quintus, fol. 23v liber sextus, fol. 26v liber septimus, fol. 29r liber octavus, fol. 31r liber nonus, fol. 33r liber decimus, fol. 34v liber undecimus, fol. 35v liber XII, fol. 36v liber tertiusdecimus, fol. 37v liber quartusdecimus), Nummerierung einer jeden fabula zu deren Beginn.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

Inhalt: fol. 1r–8v Petrus Berchorius: ›De formis figurisque deorum‹ (Incipit: A veritate quidem auditum avertent, ad fabullas comitantur; Explicit: In secunda corda volo, id est ad corda volo, in tercia vero volo corda); fol. 8v–39r ›Ovidius moralizatus‹ (Incipit: In nova fert animus et cetera ponit Ovidius primo et ante omnia; Explicit: Mortificamur tota die extimati sumus ut oves occisionis. Deo gratias, Deo gratias semper Deo gratias. Amen.) Ausstattung: Zahlreiche Fleuronnée-Initialen, 16 ornamentale Initialen in Deckfarben und Blattgold sowie pulverisiertem Gold (jeweils mit kleinem Rankenausläufer), 21 kolorierte Federzeichnungen. Fleuronnée-Initialen: Zumeist 3-zeilig (fol. 2r 5-zeilig, fol. 3v 11-zeilig, fol. 6v 6-zeilig), abwechselnd in roter und blauer Tinte, wobei die Lombarde und das sie umschließende Fleuronnée farblich kontrastieren. Besatz und Binnenraum: Initialen sind blockartig erweitert durch konturparallele Fäden mit einem einzelnem Bogen oder einer spiralförmigen Schlaufe. Teilweise wachsen aus den konturparallelen Fäden Fadenausläufer, zumeist mit hakenförmigem Ende, teilweise haarnadelförmig, hervor. Der Binnenraum ist gefüllt mit senkrechten Parallelfäden, ebenfalls versehen mit einem einzelnem Bogen oder einer spiralförmigen Schlaufe. Ornamentale Initialen in Deckfarben und Gold: ›De formis figurisque deorum‹ und jedes Buch des ›Ovidius moralizatus‹ werden mit einer Initiale eingeleitet (fol. 1r 15-zeilig (4,9 cm × 4,7 cm), fol. 8v 20-zeilig (6,4 cm × 2,3 cm), fol. 10v 6-zeilig (2,2 cm × 2,1 cm), fol. 13r 21-zeilig (7 cm × 2,3 cm), fol. 15v 8-zeilig (2,6 cm × 2,7 cm), fol. 19r 14-zeilig (5 cm × 1,8 cm), fol. 21v 44-zeilig (15,5 cm × 4,2 cm), fol. 23v 12-zeilig (4 cm × 3,7 cm), fol. 26v 14-zeilig (5 cm × 2 cm), fol. 29r 8-zeilig (2,8 cm × 3 cm), fol. 31v 28-zeilig (9,5 cm × 2,4 cm), fol. 33v 12-zeilig (3,7 cm × 3,6 cm), fol. 34v 10-zeilig (3,1 cm × 3 cm), fol. 35v 9-zeilig (3 cm × 3,5 cm), fol. 36v 8-zeilig (2,8 cm × 3,2 cm), fol. 37v 9-zeilig (3,1 cm × 3,4 cm)). Initialen mit rosafarbenem Stamm, der in dunklerem Ton konturiert und zum Teil mit Weißlinienfiligran versehen ist; vor einem rechteckigen goldenen, schwarz konturierten Feld stehend. Links oben (teilweise auch unten) geht der Initialstamm durch ein umgeschlagenes, weichlappiges Profilblatt in einen kleinen Rankenausläufer über, der sich vertikal oder horizontal entwickelt und mal von mehreren, mal von wenigen – schwarzumränderten – Goldplättchen mit Dorn umstreut ist. Binnenraum: verschiedene Konstellationen mit weich gelappten, teilweise ineinander verschlungenen Profilblättern (weiß gestaltete Aderung) vor blauem Grund mit Weißlinienfiligran. Farben: Schwarz, Blau, Hellblau, Rot, Hellrosa, Dunkelrosa, Grün, Schwarz, Weiß, Blattgold, Pinselgold. Kolorierte Federzeichnungen (Rahmung mit Bleilinien und Feder gezogen): fol. 1v (7 cm × 5 cm): Saturn, fol. 2r (7 cm × 4,5 cm): Jupiter, fol. 2v (7 cm × 4 cm): Mars, fol. 3r (7 cm × 4,6 cm): Apollon, fol. 3v (7 cm × 4,5 cm): Venus, fol. 4r (7 cm × 4,4 cm): Mercur, fol. 4v (7 cm × 4 cm): Diana, fol. 5ra (7 cm × 6,6 cm): Minerva, fol. 5rb (7 cm × 5 cm): Juno, fol. 5v (7 cm × 4 cm): Cybele, fol. 6ra (7 cm × 5,1 cm): Vulcan, fol. 6rb (7 cm × 5,4 cm): Neptun, fol. 6va (7 cm × 5,5 cm) Pan, fol. 6vb (7 cm × 5,5 cm): Pluto, fol. 6vc (7 cm × 5,1 cm): Furien, fol. 7ra (7 cm × 6,3 cm): Parzen, fol. 7rb (7 cm × 5,1 cm): Harpyien, fol. 8ra (7 cm × 4,9 cm): Bacchus, fol. 8rb (7 cm × 5,8 cm): Äsculap, fol. 8rb (7 cm × 8,8 cm): Hercules, fol. 8va (7 cm × 5,4 cm): Vanitas, fol. 8va . Farben: Braun, Grün, Blau, Hellrot.

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2. WEITERE TEXTZEUGEN DER ERSTEN REDAKTION

Textbestand: Sondergut im Götterbuch von Tr sind die Beschreibungen der Göttin Vanitas und des Gottes Amor am Schluss; andere Zählung VII,17–31. Zuschreibung: Thomas Anglicus (Waleys), am Eingang des ›Metamorphosen‹-Teils fol. 8va . Literatur: Index librorum, 1750 (Treviso, Biblioteca comunale, ms. 1618); Bampo – Bailo (Hgg.), Catalogo numerico, 1876–1877; Molena, Studio paleografico, 1952/53; Huter, The Novella Master, 1971, S. 9–27; Bianchin, L’Ovidio moralizzato, 1985/86; dalli Regoli – Nanni – Natali (Hgg.), Leonardo e il mito di Leda, 2001, S. 98; Faggiani, Le miniature, 2004; Gargan, Libri e biblioteche, 2011, S. 362, Nr. 3.

CAROLINE SMOUT / ANNA STENMANS

2. Weitere Textzeugen der ersten Redaktion als Vergleichshandschriften a) London, British Library, Add. 62132A (= L) Lateinische Sammelhandschrift Pergament, I + 255 Bl., 21,5 cm × 14,2 cm. England, 14.–15. Jh. Moderne Bleistiftfoliierung. Schriftraum variiert, 17 cm × 12 cm (fol. 4r–17v), 14,2 cm × 9,5 cm (ab fol. 18r), 1 Spalte und 2 Spalten (fol. 1r–17v), 32–52 Zeilen (fol. 91r–196r 32 Zeilen). Cursiva anglicana (u.a. fol. 91r–196r), Secretary und Bastard Secretary von verschiedenen Händen. Ergänzungen und Korrekturen von mindestens einer weiteren Hand (fol. 91r–196r). Fleuronnée-Initialen in Rot und Blau; einfarbige Initialen, einige davon in einem wenig gebräuchlichen Türkis (z.B. fol. 15v); auf fol. 91r 6-zeilige Deckfarbeninitiale »A« in Rosa und Weiß auf Goldgrund, auf fol. 110r 6-zeilige I-Initiale aus Silber auf rosafarbigem Grund; fol. 55r zeigt eine historisierte V-Initiale über 10 Zeilen in Silber mit Federzeichnung (Kreuzigung). Auf fol. 95r am oberen Rand kleine Federzeichnung (Jupiter (?)). Originaler Ledereinband auf Holz mit Riemenschließe, Nieten und Schließe aus Kupferlegierung. Provenienz: Exlibris aus dem 15. Jahrhundert Liber Sancte Marie de ffontibus auf fol. 4r; John Stockton, ein Mönch von Fountains Mitte des 15. Jahrhunderts, wird fol. 226r passim erwähnt; auf fol. 29v ist der Name [Abbot] John Greenwelle von einer Hand aus dem 15. Jahrhundert in eine Schriftrolle geschrieben; Besitzvermerk auf fol. 196v: Das Buch kam im 16. Jahrhundert in den Besitz von Cristoferus Johnson, was durch Thomas Heles bestätigt wird (Cristoferus Johnson me iure (?) vendicat. Scriptor qualis erat si quis de nomine querat cunctis noscatur helessus sic nominatur); der Name von Johnson findet sich zudem auf fol. 227r. Der Kodex ging in den Besitz von William Johnson über, Sohn von Christopher Johnson, der von einer Hand aus dem 16. Jahrhundert auf fol. 3r erwähnt ist, zusammen mit dem Namen Richard Atkinson. 1864 auf Ripley Castle, 1920 bei Sothebys an die Vyner-Familie verkauft (21. Oktober 1920, lot 124). Auf fol. 1r mit Bleistift Hinweis darauf, dass die Handschrift als VR 6120 in der Sheepscar Library in Leeds aufbewahrt wurde.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

Literatur: The British Library Catalogue, 1994, S. 62–64; Coulson, A Checklist of Newly Discovered Manuscripts of Pierre Bersuire’s Ouidius moralizatus, in: Scriptorium 51, 1997, S. 164–186, S. 171 f. Inhalt in Bezug auf den Ovid-Text: fol. 91r–196r: Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ (Incipit: A veritate quidam . . .; Explicit: . . . libera nos etc. explicit Ovidius). Fol. 118v–119v blanko. Textbestand: Textlücke Buch II,9 bis II,23 und III,1 sowie III,3–8; Randbemerkungen mit Bedeutungen; andere Zählung VII,25–31. Mitüberlieferung: fol. 1r–2v: Medizintraktat (Fragment); fol. 4r–17v: Lateingrammatik; fol. 18r–53v: Simon Oxenford, Treatise on the compilation of charters; fol. 55r–90v: Johannes Lemovicensis, Morale Somnium Pharaonis; fol. 198r–198v: Mythologischer Traktat; fol. 199r–204r: Ars dictaminis; fol. 205r–212v: Processus et sentencia diffinitiva contra hereticos de ordine fratrum minorum in Avinoniis combustos; fol. 213r–226r: Predigten von Jacobus de Voragine und Anonymi; fol. 228r–231v: Texte zu liturgischer Musik.

b) London, British Library, Royal 15 C XVI (= Lo1) Lateinische Sammelhandschrift Pergament, II + 184 Bl., 35,5 cm × 24,8 cm. England (?), Ende 14. Jh. Foliierung mit Tinte. Schriftraum 2 Spalten, 52 Zeilen. Textualis formata. Text von einer Hand, Ergänzungen und Einfügungen am Rand und im Text von derselben und einer späteren Hand (fol. 1r–69v). Überschriften durch Farbe hervorgehoben. Initialen mit gespaltenem Buchstabenkörper und Schaftaussparungen, 5- und 6-zeilig. Im Binnenraum Ranken mit vegetabilem Motiv, als Besatz Akanthusblätter und Spiralranke mit verschiedenen Blatt-Motiven, gerade und spiralige Fadenausläufer. Initialleiste mit Spiralranke und den gleichen Blattmotiven wie bei der Initiale, Fadenausläufer (fol. 1r, 13r). Mehrere 11-zeilige Fleuronnée-Initialen »I« mit Perlenreihen und konturparallelen Fäden sowie geraden Fadenausläufern oder solchen mit blasenförmigem Ende. 2-zeilige Fleuronnée-Initialen mit verschiedenen geometrischen Formen im Binnenfeld und Perlenreihen sowie Fadenausläufern mit blasenförmigem Ende als Besatz (nicht immer der korrekte Buchstabe). Provenienz: Laut Eintrag auf fol. IIr im 15. Jh. im Besitz des Hospital of S. Thomas of Acon in London und von dort an das Ashridge College verpfändet: caucio mag. Ioh. Nele maeistri domus sancti Thome de Achon. London. (d. 1463) exposita penes ven. virum rectorem de Ashrugge pro quodam volumine Omelias Origenis super Ihesum Naue necnon super alios libros biblie continenti, quod quidem volumen habet in sec. folio Amalech. et quid ibi. In den Besitz des Hospital of S. Thomas of Acon war es ex dono venerabilis viri dom. Henrici Spycer canonici de Wyndesor (1402–1437) (fol. Iv) gelangt. Später wieder durch James Butler, Earl of Ormond (1452–1461 (?)), an das Hospital zurückgegeben, wie ein Eintrag aus dem 16. Jh. auf fol. 183v besagt: liber domus sancti Thome de Acon London ex dono dom. Iacobi comitis Ormundie. Literatur: Engels, L’édition, 1971, S. 20, Nr. 20; Coulson – Roy, Incipitarium, 2000, S. 171.

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2. WEITERE TEXTZEUGEN DER ERSTEN REDAKTION

Inhalt in Bezug auf den Ovid-Text: I: fol. 1r–12v: Tabula super Ovidium de transformatis (Index rerum et allegoriarum). II: fol. 13r–21v: Petrus Berchorius, ›De formis figurisque deorum‹ (Incipit: A veritate quidem auditum . . .; Explicit: . . . De quo satis infra habebis). III: fol. 21v–59v: Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ (Incipit: In nova fert animus . . .; Explicit: . . . redime nos seu libera nos). Textbestand: Vollständig. Andere Zählung der Fabulae von VII,25 bis VII,31. Mitüberlieferung: fol. 59v ff.: Richard de Bury, Philobiblon; fol. 71r ff.: Alanus de Insulis, De planctu nature; fol. 86r ff.: Guido delle Colonne (de Columnis), Excidium Troianum (Historia destructionis Troiae); fol. 146r ff.: Geoffrey of Monmouth, Historia Regum Britanniae (›Brutus‹); fol. 183r ff.: Prophecia aquile.

c) London, British Library, Add. 15821 (= Lo2) 18 Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ Pergament, III + 196 Bl. + III (plus 1 unfoliiertes leeres Pergamentblatt nach fol. 3 und 5, unfoliierte leere Pergamentblätter nach fol. 193), 15 cm × 10 cm. Frankreich, 14. Jh. Moderne Bleistiftfoliierung. Schriftraum 9,5 cm × 5,5 cm, 1 Spalte, 23 Zeilen. Southern Textualis formata. Text von einer Hand, Überschriften am Rand von einer anderen Hand (?), Korrekturen von mindestens einer weiteren Hand. Kapitelüberschriften und Überschriften rubriziert. Paragraphenzeichen abwechselnd in Rot und Blau. 8-zeilige Fleuronnée-Initiale »A« in Rot und Blau mit gespaltenem Buchstabenkörper und Schaftaussparungen (fol. 4r). Im Binnenfeld rotes Knospenfleuronnée, als Besatz Perlenreihen in Blau, zum Teil mit kurz gewellten oder spiraligen Fadenausläufern, zudem in Rot gerade Fadenausläufer und Fadenausläufer mit eingerolltem und blasenförmigen Ende. 5-zeilige Fleuronnée-Initialen in Rot und Blau mit Perlenreihen und geraden Fadenausläufern als Besatz. 2-zeilige Fleuronnée-Initialen mit Knospenfleuronnée im Binnenraum und geraden sowie kurz gewellten Fadenausläufern. Moderner brauner Ledereinband. Provenienz: Im Besitz der Zisterzienserabtei Clairvaux, worauf die Signatur T 40 aus dem 15. Jh. auf fol. 193v verweist – im Inventar, das 1472 unter dem Abt von Clairvaux, Pierre de Virey (1471–1496), erstellt wurde, ist die Handschrift unter »T 40« aufgeführt. Möglicherweise ist die Handschrift auch bezeichnet unter der Nummer »N b V« (?) (1367a) in dem späteren Inventar, das um 1520–1521 unter Mathurin de Cangey, Mönch und wahrscheinlich Bibliothekar der Abtei, angefertigt wurde 19. Eine weitere Signatur findet sich am unteren Rand von fol. 4r, aus dem 16. Jh. Am 28. Mai 1846 vom British Museum bei Guillemot in Paris erworben (fol. 3r).

18 19

Online abrufbar unter: http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=add_ms_15821_fs001r. S. André Vernet (Hg.), La bibliothèque de l’abbaye de Clairvaux du XIIe au XVIIIe siècle, Bd. I: Catalogues et répertoires, Paris 1979, S. 276, 764.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

Literatur: Beschreibung auf der Website der British Library, abrufbar unter: http://www. bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?Source=BrowseScribes&letter=A&ref=Add_MS_ 15821; British Museum, Catalogue of Additions to the Manuscripts, 1864, S. 35; La Bibliothèque de l’abbaye de Clairvaux, du XIIe au XVIIIe siècle, Bd. 1, 1979, hg. von Vernet – Genest, S. 34 n. 11, 276, 764. Inhalt: fol. 4r–193v: Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ (Incipit: Incipiunt moralitates Ovidii . . .; Explicit: . . . Propter te mortificamur tota die etc. Explicit expliceat ludere scriptor eat). Textbestand: Umstellungen und abweichende Zählung von Fabeln von I,11bis I,17, II,19 bis II,23; V,4 f.; VI,13–18; VII,15–31; ab Buch VII,5 (fol. 115) bis XII mehrfach Vertauschung von Folioseiten. Zuschreibung: Thomas Waleys Vgl. die ebenfalls aus der Bibliothek von Clairvaux stammende Handschrift Troyes 1627, die nah verwandt ist, und Troyes 1634, beide 14. Jh. (beide digital in ›Gallica‹ verfügbar).

d) Paris, Bibliothèque nationale, Nouv. acq. lat. 1830 (= Pa8) 20 Petrus Berchorius, ›De formis figurisque deorum‹. Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ Papier, 50 Bl., 31 cm × 21,5 cm. Frankreich (?), 15. Jh. Foliierung mit Tinte. Schriftraum 21,1 cm × 14 cm, 2 Spalten, 51–54 Zeilen. Semihybrida currens. Text von einer Hand, Randbemerkungen von mehreren Händen. Überschriften rubriziert. Lombarden. Provenienz: unbekannt Literatur: Engels, L’édition, 1971, S. 20, Nr. 40; Coulson – Roy, Incipitarium, 2000, S. 174. Inhalt: I: fol. 1r–10r: Petrus Berchorius, ›De formis figurisque deorum‹ (Incipit: A veritate quidam . . .; Explicit: . . . De qua infra habebis). II: fol. 10r–43v: Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ (Incipit: In nova fert animus . . .; Explicit: . . . Qui benedictus sit in seculam seculorum. Amen. Allegorie Holkothi super ffabulas Ovidii metamor. expliciunt foeliciter). III: fol. 44r–50r: Incipit Registrum super Allegorias predictas (Incipit: Incipit Registrum super allegorias predictas . . .; Explicit: . . . Registrum super moralia Holkoth qui fecit super fabulas Ovidii Explicit). Textbestand: Es fehlen die Fabulae von VII,3 bis VII,31; andere Zählung III,12–14. Zuschreibung: Robert Holcot

e) Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 6302 (= V2) 21 Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ Pergament, I + 63 Bl., 16 cm × 11,5 cm. Italien, 14. Jh. 20 21

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Abrufbar unter: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b100322414/f3.image.r=nal%201830. Abrufbar unter: https://digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.lat.6302.

2. WEITERE TEXTZEUGEN DER ERSTEN REDAKTION

Foliierung mit Tinte. Schriftraum 12,5 cm × 8,6 cm, 2 Spalten (fol. 1r–2r) und 1 Spalte (fol. 3r–62v), 38–46 Zeilen. Southern semitextualis libraria. Text von einer Hand, Randbemerkungen von derselben Hand, einige aber von einer weiteren, evtl. auch von einer dritten Hand. Randbemerkungen rubriziert, rote Lombarden. Grüner Ledereinband mit Wappen in Gold von Papst Paul V. (1605–1621) auf dem Vorderdeckel und von Kardinal Scipione Borghese (Bibliothekar 1609–1618) auf dem Rückdeckel. Auf dem Rücken Wappen in Gold von Papst Pius IX. (1846–1878) und Kardinal Luigi Lambruschini (Bibliothekar 1834–1853). Provenienz: Spätestens seit Beginn des 17. Jahrhunderts im Vatikan (sieh Einbandstempel). Literatur: Buonocore, Aetas Ovidiana, 1994, S. 221. Inhalt: I: fol. 1r–2v: Tabula (Incipit: De acheone venator . . .; Explicit: . . . de yo stellificata). II: fol. 3r–62v: Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ (Incipit: Incipit liber Ovidii Methamorfoseos id est de transformatis . . .; Explicit: . . . Propter te mortificamur tota die. Expliciunt fabule Ovidii in libro Methamorfoseos id est de transformatis). Textbestand: Es fehlen Prolog und Götterbuch; andere Zählung VII,16–31.

f) Bibliotheca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 159 (= V4) 22 Cyprian, ›Epistulae‹ (Faszikel 1). Petrus Berchorius, ›De formis figurisque deorum‹. Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹. Theodosius, ›De vita Alexandri‹ (Faszikel 2) Papier, I + 297 Bl. + I, 27 cm × 20,5 cm. Deutschland, 15. Jh. Aus 2 Faszikeln. Einheitliche Foliierung aus dem 17. Jh. mit Tinte. I: fol. 1–178, II: 179–297. Schriftraum 20 cm × 13 cm (I) und 22–22,8 cm × 14,4–15 cm (II), 1 Spalte (I) und 2 Spalten (II), 31–34 Zeilen (I), 54–55 Zeilen (fol. 179r–230r) und 38–39 Zeilen (fol. 230v–297v). Cursiva libraria und Semihybrida libraria. II: von mindestens zwei Händen geschrieben (Schriftwechsel auf fol. 240ra). Vornehmlich zeitgenössische Randbemerkungen von anderer Hand (fol. 179r–230r). Randbemerkungen rubriziert, Platz für Lombarden freigelassen, auf fol. 197r rote Lombarden ausgeführt. Grüner Pergamenteinband auf Pappe, mit goldgeprägten Wappensupralibros von Papst Urban VIII. auf dem Vorderdeckel und von Kardinalbibliothekar Francesco Barberini auf dem Rückdeckel. Rom zwischen 1626 und 1633. Buchrücken aus weißem Leder, zwischen 1846–1853 erneuert, mit den goldgeprägten Wappen von Papst Pius IX. und Kardinalbibliothekar Luigi Lambruschini. Blaues Signaturschild. 23 Provenienz: Heidelberg, beide Faszikel womöglich in Heidelberg zusammengebunden. Vermutlich im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts in die Bibliotheca Apostolica Vaticana gelangt (siehe Einbandstempel). Im Allacci-Inventar (Bibliotheca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1949) wohl auf fol. 14r nur mit der Bezeichnung von Faszikel I aufgeführt: 1681 Cypriani epistolae. fol. C. 64. 22 23

Abrufbar unter: https://digi.vatlib.it/view/MSS_Pal.lat.159. Vgl. Schunke, Einbände, Bd. 2, 1962, S. 820.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

Literatur: Kautz, Katalogisat Pal. lat. 159, 2016; Buonocore, Aetas Ovidiana, 1994, S. 112; Schunke, Die Einbände der Palatina, 1962, S. 820; Stevenson – de Rossi, Codices Palatini Latini, 1886, S. 27, Nr. 159; Palmer, Exempelwerk der englischen Bettelmönche, 1991, S. 171. Inhalt in Bezug auf den Ovid-Text (Faszikel 2): II: fol. 179r–188r: Petrus Berchorius, ›De formis figurisque deorum‹ (Incipit: Saturnus depingebatur et supponebatur homo senex . . .; Explicit: . . . Laboravit in eternum et vivit adhuc in finem). III: fol. 188r–230r: Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ (Incipit: Istis praemissis incipiendum est a primo libro Ovidii metamorphoseos . . .; Explicit: . . . quia uxor erat iuvenis, ipse vero senex). Textbestand: Es fehlen der Prolog und der Schluss des Götterbuchs nach Pluto, ferner VII,28–31; andere Zählung VII,8–27. Mitüberlieferung: Fol. 230v–268v: ›Moralium exemplorum compilatio sive Compilatio exemplorum Anglicorum‹ (Incipit: Theodosius de vita Alexandri. Rex Cicilie Alexandrum ad convivium invitavit . . .; Explicit: . . . Quis eum rogavit, ut hoc faceret. Tales sunt ingrati valde); darin fol. 243r ff.: Aenigmata Aristotelis moralizata; fol. 245r ff.: Imagines Fulgentii moralizatae; fol. 257v ff.: Declamationes Senecae moralizatae 24; fol. 268v–297v: In lectiones Novi Testamenti.

g) Druck Paris 1509 (= Ep) Petrus Berchorius, ›De formis figurisque deorum‹. Petrus Berchorius, ›Ovidius moralizatus‹ nach dem Text der ersten Avignoneser Fassung des Werks. Fol. Ai–Biv + fol. 1r–94r. Schmuckinitialen mit floralen Motiven im Register und am Einsatz der Bücher. Titel: Metamorphosis Ovidiana Moraliter a Magistro Thoma Walleys Anglico de professione praedicatorum sub sanctissimo patre Dominico explanata. Erstdruck Paris 1509 bei Jodocus Badius Ascensius. Inhalt: Verlegerbrief an Johannes de Vepria, Prior in Clairvaux, den humanistischen Bearbeiter des Textes für den Druck (s. oben Kap. I. 1.). Tabula alphabetica moralis interpretationis Metamorphoseos Ovidianae, fol. Aii–Biv (20 S.). Prologus, fol. 1r–2r; Götterbuch, fol. 2r–17r; Metamorphosis moralizata, fol. 17v–94r. Textbestand: Andere Zählung der Fabulae in Buch I, III, IV (ab IV,8), V, VII,15–31, IX,14– 16, XII (ab XII,4), XIII (ab XIII,3), XIV, XV – in der Regel zur Angleichung an die Reihenfolge der Erzählungen bei Ovid. Weitere Assimilationen an Ovid: zahlreiche Ergänzungen von Zitaten aus den ›Metamorphosen‹ am Schluss der Paraphrasen als Gegengewicht zu den Bibelstellen am Ende der Moralisierungen. Moderater Ersatz typisch mittellateinischer Wörter durch klassisch-humanistische (z.B. eleemosina – sacrificium), Veränderung von Modi, Tempora, Syntax, Namenformen oft nach klassischem Muster, gelegentlich Hinzufügung von Erläuterungen, sachliche Korrekturen. 24

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Vgl. Palmer, Exempelwerk der englischen Bettelmönche, 1991, S. 142–155, 159–165, 171.

3. EDITIONSPRINZIPIEN

Zuschreibung: Thomas Waleys Literatur: Der Pariser Druck 1509 war die Vorlage für die Ausgabe von Engels’ Götterbuch in: Werkmateriaal 1, 1960; Metamorphosen-Moralisierung in: Werkmateriaal 2, 1962. Facsimile: Metamorphosis Ovidiana Moraliter . . . Explanata. Paris 1509. Pierre Bersuire. Libellus Basel 1543 ›Albericus‹, Introductory Notes by Stephen Orgel, New York – London 1979 (der hier beigebundene Libellus, der sog. ›Albricus philosophus‹, Basel 1543, ist eine kurze, aus Berchorius schöpfende – noch in der Neuzeit verbreitete – Götterbeschreibung, die nicht identisch ist mit dem ›Mythographus Vaticanus‹ III = Albericus von London). Dazu Meier, Kap. II. 6. (oben Bd. 1).

3. Zu den Editionsprinzipien Das Ziel der Ausgabe ist ein handschriftenbasierter lesbarer Arbeitstext der Avignoneser Redaktion 25, da diese der zugehörige Text zu den drei von uns untersuchten Bilderzyklen ist. Die Gliederung des Textes gibt im wesentlichen die Form der handschriftlichen Überlieferung wieder, auf der Buchebene entspricht sie mit der Teilung in Prolog, Götter-Buch und dem ›Metamorphosen‹-Teil in 15 Büchern dem Autorwillen 26. Auch die Einteilung in Fabulae folgt der Intention des Berchorius, doch gibt es darin Varianten der handschriftlichen Überlieferung. Eine Konkordanz des hier edierten Texts im Vergleich mit der Gothaer Handschrift und dem Druck von 1509, dem bisher allein gebrauchten Text, zeigt die Abweichungen (s. Anhang 3). Über die Konkordanz hinaus bietet der zweite Apparat hierzu die genaueren Hinweise. Die Unterteilung der einzelnen Fabeln in Paraphrase und Deutungsteil (Moraliter-Abschnitte) wurde in den Handschriften mit verschiedenen Mitteln ungleich deutlich und unregelmäßig sichtbar gemacht. Die Edition hat sie ebenso wie die einzelnen Auslegungen durch Abschnittsgliederung markiert. Der Text des Gothaer Codex (G), der für unser Projekt zentralen Handschrift, wird vollständig dokumentiert (einschließlich der Fehler, Selbstkorrekturen und Marginalien); dieses Verfahren dient auch der Lesbarkeit der Handschrift und des Facsimiles. Da der Gothaer Text aber wegen der relativ großen Zahl von Fehlern nicht den Status einer echten Leithandschrift haben kann, ist diese Ausgabe ein Sonderfall. Die Vergleichshandschriften dienen der Fehlerkorrektur und ihre Lesarten sind in Fällen, in denen mehrere von diesen oder alle anderen Textzeugen eine deutlich bessere Lesart hatten als G, in den Text übernommen. An verderbten oder schwierigen Stellen ist die Unsicherheit der Codices ausführlicher dargestellt, um die ausgewählte Lesart einsichtig zu machen; Konjekturen waren nur in wenigen Fällen notwendig 27. Nicht notiert werden Umstellungen, Doppelung von Wörtern, Randnotizen und offensichtliche Fehler in den Vergleichshandschriften. Der Variantenapparat ist – der Überlieferungslage, die durch Kontamination gekennzeichnet ist, entsprechend – als gemischter Apparat mit Bezug auf die Handschrift Gotha 25 26 27

Damit sind hier die beiden Versionen aus Avignon, a1 und a2 zusammengefasst. Dazu s. den Prologus. Aus den handschriften-gestützten Ausgaben von Götterbuch und erstem ›Metamorphosen‹-Buch von Engels und van der Bijl sind nur wenige Lesarten, wo sie etwas für den Text bringen, in den Apparat aufgenommen (mit den Siglen BrE und Eb).

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

angelegt 28. So kann die Begründung für unsere Textkorrekturen einsichtig und zugleich die jeweilige Handschriftensituation der von uns einbezogenen Überlieferung vermittelt werden. Verwandtschaften zwischen den für die Edition genutzten Handschriften lassen sich feststellen, doch eine klare Einteilung in Überlieferungszweige nicht 29. Aus diesem Verfahren sollte ein lesbarer ›Normaltext‹ der ersten Redaktion resultieren. Die Orthographie wurde normalisiert und vereinheitlicht, und zwar für lautliche wie rein graphematische Phänomene 30. Eine Ausnahme bilden die Diphthonge ae und oe, sie werden als e wiedergegeben gemäß dem durchgehenden Verfahren aller unserer Handschriften (erst der Druck nutzt die Ligaturen æ und œ und ę). Das Normalisieren gilt auch für Dittographien und Haplographien 31, fehlendes oder hypertrophes h (asta statt hasta, hauriga statt auriga, hedificare), für das im Mittelalter verbreitete epenthetische p (sollempnis, condempnare, dampnatio usf.) 32, wie auch für ct statt t (tt) (contrictio statt contritio), was besonders im italienischen Bereich verbreitet ist 33, und für ff statt f im Anlaut sowie stimmloses t statt des zwischenvokalischen -d- wie putore statt pudore 34. Die Normalisierung der Orthographie wird eine elektronische Textsuche ermöglichen. Da die Personen- und Ortsnamen ein besonderes Problem darstellen (auch im Spätmittelalter sind viele Namen antiker Figuren noch nicht so bekannt, so dass auch in den Handschriften die Variantenzahl oft nicht gering ist), sind sie in der Ausgabe normalisiert; denn die Identifizierung würde sonst große Schwierigkeiten bereiten und auch Verwechslungen bringen wie schon in den Handschriften. Das eigene Register der Namen verzeichnet die Normalformen und die handschriftlichen Abweichungen von diesen aus G. Auch im Apparat sind die abweichenden handschriftlichen Formen angegeben, um ein Bild von der Varianz der Namen zu vermitteln 35. Die Zeichensetzung orientiert sich weitgehend an den Erwartungen deutscher Leser.

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Ein negativer Apparat wäre für unsere besondere Textproblematik nicht ausreichend. Die Methode der Nutzung von Trenn- und Bindefehlern greift nur punktuell, zeigt aber die Verwandtschaft von G, Pa8 und V4 (vgl. z. B. den App. von XIV,4, wo bei diesen Hss. gentes subegit gegen gratias egit bei den übrigen und Ep steht) sowie von L und Lo1; die Hs. G hat aber durchaus auch eigene Lesarten. Ferner bilden B und Tr, die Vertreter der zweiten Avignoneser Version (a2), eine eigene Gruppe, die gelegentlich Zusätze und Umordnung der Deutungen hat (z. B. durch Vorziehen der Literaliter- und Historialiter-Deutungen vor die allegorische Auslegung wie in V,1); hin und wieder zeigt sie auch Übereinstimmungen mit Ep, der späteren Pariser Fassung. Ep steht auch Lo2 (Provenienz Clairvaux) nahe, hat aber im übrigen in erheblichem Maß auch humanistisches Sondergut: s. oben unter Kap. I. 1. und II. 2. Handschriftenbeschreibung. Dies erfolgte z. B. für i – y, y – i, u – o, o – u, u – v, ci – ti, ij – ii, ç – z, n – m, sc – s, s – sc, x – ss/s usf. Vgl. zu diesen und weiteren Phänomenen von Abweichungen und Sonderformen in der mittellateinischen Lautlehre generell Stotz, Handbuch, III, bes. S. 74–79 (i–y, y–i); S. 51–55, 61–63, 307–323 (u–o, bes. durch volkssprachliche Einflüsse, z. B. das Italienische). Andere Phänomene sind rein graphematischer Natur (u–v, ij–ii, ç–z). Ebd., S. 342–345. Ebd., S. 251–254. Ebd. S. 232. Ebd. S. 239. Damit sind ausreichend Hinweise auf die Vielfalt der Namenformen gegeben, nicht aber eine vollständige Verzeichnung aller Varianten. – Auch die Hss. von Ovids ›Metamorphoses‹ variieren bei den Namenformen: vgl. dazu z. B. den Variantenapparat der Edition von Anderson, 1982, S. 73, 82, 86, 94 u. ö.

3. EDITIONSPRINZIPIEN

Der Lesbarkeit des Textes galt mit den beschriebenen Verfahren der deutliche Vorrang vor einer – für dieses Projekt weder möglichen noch notwendigen – umfangreicheren Dokumentation der Handschriftenbefunde. Der Kommentar, der zu Text und Übersetzung gehört, folgt diesen als eigenes Kapitel IV mit Verweisen auf den Text wie die Übersetzung.

Abkürzungen, Zeichen und Siglen add. al. al. al. cet., cett. cf. cod., codd. coni. corr. cum min. var. lect. del. dupl. e. g. exp. eras. fort. hab. i. e. in marg. in ras. ins. iter. lac. om. rell. sec. s. sim. spat. sq., sqq. sup. supra lin. 36

addunt, addidit alii, aliter alii aliter ceteri confer codex, codices conieci correxi, correxit, correctum cum minuta variatione lectionis/lectionum 36 delevit duplicavit exempli gratia expunxit erasit fortasse habet id est in margine in rasura inseruit iteravit lacuna omisit reliqui secundum sive similia, similiter spatium sequentem, sequentes superscripsit supra lineam

Da sich gelegentlich die Lesungen der verschiedenen Handschriften nur geringfügig und ohne Sinnrelevanz, lediglich in beigefügten Adverbien (ergo, igitur, vero) u. ä., unterscheiden, haben wir, um den kritischen Apparat zu entlasten, auf die sonst ungewöhnliche Wendung cum minuta variatione lectionis/ lectionum zurückgegriffen; similiter heißt dann, dass die Formulierung bei gleicher Aussage variant ist, aliter bezeichnet einen wirklich differenten Text, der aber für die Sache keine besondere Relevanz hat, so dass er meist nicht abgedruckt ist.

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BESCHREIBUNG DER HANDSCHRIFTEN

suppl. transpos. v., vv. var. lect. Vulg.

supplevit transposuit versus varia lectio Vulgata

Zeichen *. . .* und *** xyz ........ 〈. . .〉 [. . .]

locus desperatus, unverständliche Textstelle, unlesbare Wörter unleserliche Buchstaben vorgeschlagene Ergänzung ohne Lücke der Handschrift Einfügung der Herausgeber

Handschriftensiglen B G L Lo1 Lo2 Pa8 Tr V2 V4

Bergamo, Civica Biblioteca Angelo Mai, Ms. Cassaforte 3.4 Gotha, Forschungsbibliothek, Cod. membr. I 98 London, British Library, Add. 62132A (früher Leeds, Sheepscar Library Vyner 6120) London, British Library, Royal 15 C XVI London, British Library, Add. 15821 Paris, Bibliothèque nationale, Nouv. acq. lat. 1830 Treviso, Biblioteca Comunale, Ms. 344 Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 6302 Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 159

Siglen der Drucke und Teilausgaben Ep

Eb BrE

Pierre Bersuire, Metamorphosis Ovidiana Moraliter a Magister Thoma Walleys Anglico . . . explanata, Paris 1509, ex Off. Jodocus Badius Ascensius; ND New York 1979. Reductorium morale. Liber XV, Ovidius Moralizatus, Cap. II, hg. von Maria van der Bijl, in: Vivarium 9, 1971, S. 25–48. Brüsseler Hs. 863–9/Engels (Abdruck): Berchorius, Reductorium morale. Liber XV, Ovidius Moralizatus, Cap. I, De formis figurisque deorum, hg. von Joseph Engels, 1966.

Die Siglen sind im kritischen Apparat so angeordnet, dass in der Regel die Handschriften der ersten Avignoneser Fassung (a1) in alphabetischer Reihenfolge (GLL1L2Pa8V2V4) gefolgt werden von den beiden Handschriften der zweiten Avignoneser Version (a2: BTr) und danach vom Druck 1509 (Ep).

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III. ›OVIDIUS MORALIZATUS‹: TEXTEDITION / ÜBERSETZUNG

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Prologus

Prolog

A veritate quidam auditum avertent, ad fabulas autem convertentur, ad Timotheum 1 dicit apostolus Paulus, predicator et rigator fidei christiane. Quod verbum possum inducere eo, quod plerumque fabulis, enigmatibus et poematibus est utendum, ut exinde aliquis moralis sensus extrahatur et falsitas veritati famulari cogatur. Sic etenim sacra scriptura in pluribus passibus videtur fecisse, ubi ad alicuius veritatis ostensionem fabulas cognoscitur confecisse, sicut apparet in libro Iudicum de fabula arborum volentium regem eligere 2 , in libro Regum de carduo volente filio uxorem ducere, 3 in Ezechielis de aquila, que cedri medullam ficta est transportare. 4 Sacra enim scriptura hiis et similibus fabulis solet uti, ut exinde possit aliqua veritas extrahi vel concludi. Simili modo fecerunt poete, qui in principio fabulas finxerunt, quia per huiusmodi figmenta semper veritatem aliquam intelligere voluerunt. Constat enim libros poetarum transcurrenti, quod vix aut numquam est

›Von der Wahrheit werden manche ihre Ohren abwenden, sich aber den Fabeln zuwenden,‹ sagt der Apostel Paulus, Prediger und Förderer des christlichen Glaubens, zu Timotheus. 1 Aus diesem Wort lässt sich erweisen, dass man sehr oft Fabeln, Rätsel und Dichtungen nutzen muss, um daraus einen moralischen Sinn zu ziehen und die Unwahrheit zu zwingen, der Wahrheit zu dienen. Denn so hat es offenbar auch die Heilige Schrift in zahlreichen Passagen gemacht, wo sie sich – wie man erkennt – Fabeln zur Darlegung einer Wahrheit geschaffen hat, wie es im Buch der Richter bei der Erzählung von den Bäumen, die einen König wählen wollten, 2 auf der Hand liegt, im Buch der Könige von der Distel, die für ihren Sohn eine Frau gewinnen wollte, 3 und im Buch Ezechiel vom Adler, der Zedernmark gebracht haben soll. 4 Die Heilige Schrift pflegt nämlich diese und ähnliche Fabeln zu nutzen, um daraus eine Wahrheit gewinnen oder erschließen zu können. Auf ähnliche Weise machten es die Dichter, die am Anfang Fabeln erdachten, weil sie durch solche Erdichtungen immer eine Wahrheit zu erkennen geben wollten. Es steht nämlich für denjenigen, der die Bücher der Dichter durchgeht, fest, dass es kaum jemals oder eher niemals vorkommt,

1 Incipiunt magistri Thome de Anglia super libros Methamorphoseos G; Incipiunt moralitates Ovidii Metamorphoseos etiam de formis, figuris et imaginibus deorum, quae variis modis videlicet litteraliter, moraliter, historialiter nec non spiritualiter exponuntur. Edite a Magistro Thoma Waleys anglico, sacre pagine doctore de ordine predicatorum. Lo2Ep; om. LLo1Pa8Tr. – Prologus totus deest V2V4B. 6 eo G; quantum ad hoc LLo1; ad hoc Lo2Pa8TrEp. 8 et G; ac L; et ut etiam Lo1Tr; ut etiam Lo2Pa8 Ep. 11 ubi LLo1Lo2TrEp; cum sibi G; om. cum . . . confecisse Pa8. 12 cognoscitur GTr; dinoscitur L; agnoscitur Ep. 13 fabula GLLo1Tr; fabulis Lo2Pa8Ep. 13 – 14 arborum volentium a..rborum volentium .. G. 15 carduo GLLo1; cardo Tr; om. in libro . . . ducere Lo2Pa8Ep. 15 volente GLo1Tr; nolenti L; om. Lo2Pa8Ep. 16 Ezechielis GEp; Ezechieli L; Ezechiel Lo2; Ezechiele Lo1Pa8; Eze. Tr. 16 – 17 de aquila . . . transportare LLo1Lo2TrEp; que credri medulla ficta ........ est transplatare G. 21 finxerunt Lo1Lo2Pa8TrEp; fixerunt G. 21 – 22 quia . . . figmenta Lo1Lo2Pa8TrEp; quia per huius figmenta G; ex quibus L. 22 intelligere intelligere .............. G.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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dare fabulam, quin aliquam aut naturalem aut historicam contineat veritatem. Unde Rabanus ›De naturis rerum‹ libro 15, capitulo 2o dicit, quod officium poete est, que gesta sunt in alias species obliquis figurationibus cum decore aliquo convertere. 5 Quapropter ibidem dicitur Lucanum non fuisse poetam, quia scilicet Lucanus videtur potius historias quam poetica confecisse. 6 Latet igitur quandoque sub fabulis veritas naturalis sicut exempli gratia patet de Vulcano, qui a Iunone dicitur genitus et de paradiso in terram proiectus et quia de alto cecidit, fingitur claudus factus. Iuno enim aerem significat, qui revera Vulcanum, id est istum ignem, quem hic habemus, generat et eum per elisionem nubium de alto eicit. Qui pro eo claudus dicitur, quia flamma semper tortuose incedit. 7 Quod sub fabulis aliquando lateat veritas historica, patet in fabula Persei et Atlantis: Perseus enim dicitur Gorgonem occidisse et cum eius capite Atlantem maximum gigantem in montem, qui Atlas dicitur, convertisse, quia scilicet Perseus strenuus Gorgonem, filiam Phorci regis, qui in insulis meridionalibus, que Gorgone dicuntur, regnabat, occidit et vicit et caput eius, id est divitias regni et substanti-

dass sie eine Fabel bringen, ohne dass diese eine natürliche oder historische Wahrheit enthielte. Daher sagt Hraban in ›De naturis rerum‹, Buch 15, Kapitel 2, ›es sei die Aufgabe des Dichters, [wahres] Geschehen durch uneigentliche Formen auf schöne Weise in andere Gestalten zu überführen.‹ 5 Deswegen heißt es dort auch, dass Lucan kein Dichter gewesen sei, da Lucan offenbar eher historische Berichte als Dichtungen geschaffen habe. 6 In den Fabeln ist also bisweilen eine natürliche Wahrheit verborgen, wie es beispielsweise bei Vulcan deutlich ist: Dieser soll von Juno geboren und aus dem Paradies auf die Erde geworfen geworden sein und, weil er aus der Höhe fiel, – so die Dichter – wurde er lahm. Denn Juno bedeutet die Luft, die tatsächlich Vulcan, d.h. das Feuer, das wir hier haben, erschafft und es durch Auspressen der Wolken aus der Höhe herabwirft. Von diesem heißt es deshalb auch, er hinke, weil sich die Flamme immer flackernd bewegt. 7 Dass in den Fabeln manchmal eine historische Wahrheit verborgen ist, zeigt sich in der Fabel von Perseus und Atlas: denn Perseus soll die Gorgo getötet und mit ihrem Haupt Atlas, einen Riesen von gewaltiger Größe, in einen Berg mit Namen Atlas verwandelt haben, weil nämlich der tapfere Perseus Gorgo, die Tochter des Königs Phorkys, der auf den südlichen Inseln, die Gorgonen heißen, regierte, tötete und besiegte und ihren Kopf, d. h. Reichtum und Besitz des Königreichs, mit sich nahm. Da-

2 historicam GLo2Ep; historialem LLo1Tr; hystoriacam Pa8. 4 2o LLo1Tr; 7 G; 1 Lo2Ep; primo Pa8. 4 poete LLo1Lo2Pa8TrEp; om. G. 6 cum decore aliquo LLo1Lo2Pa8TrEp; cum de corpore aliquo modo G. 8 Lucanus Lucanus G; om. LLo1Lo2Pa8TrEp. 8 videtur G; visus est LLo1Lo2TrEp; visas Pa8. 9 historias ...... historias G. 9 poetica GLo2Ep; fabulas L; poemata Lo1Tr; poetas Pa8. 9 confecisse LLo1Lo2TrEp; confe..... mplariter cis** G; confecisset Pa8. 10 sub LLo1Lo2Pa8TrEp; in G. 11 exempli gratia LLo1Lo2Pa8TrEp; exe.... G. 12 a ..a G. 12 genitus LLo1Lo2Pa8TrEp; generatu..s G. 17 elisionem GLo2Pa8Ep; allisionem LLo1Tr. 22 Atlantis Athlantis Lo1TrEp; Atelantis G. 22 dicitur dicit.... ur G. 24 qui ...... qui G. 26 Gorgonem LLo1 Lo2Pa8TrEp; Gorgonam G. 27 qui LLo1Tr; om. GLo2Pa8Ep. 27 Gorgone GL; Gorgones Lo1Tr; Gorgonice Lo2Pa8Ep. 28 dicuntur dicuntu..r G. 29 regni GLLo1; regnum Lo2TrEp; om. Pa8.

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PROLOGUS

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am, tulit. Cum quo exercitum congregavit, ita quod Atlantem regem Africe superavit et ipsum in montem fugere coegit. Et sic in montem mutatum poetica garrulitas ipsum dixit. 8 Quia igitur video, quod scriptura utitur fabulis ad alicuius veritatis ostensionem et quod etiam poete fabulas finxerunt ad veritatis tam naturalis quam historice designationem, congruum mihi visum est post moralizatas rerum proprietates postque ad mores reducta nature opera 9 etiam ad moralizandum fabulas poetarum manum apponere, ut sic per ipsas fictiones hominum possint morum et fidei mysteria confirmari. Licitum est enim, quod homo, si possit, de spinis uvas colligat 10 et mel de petra sugat oleumque de saxo durissimo sumat sibi 11 et quasi de thesauris Egyptiorum tabernaculum federis edificet et componat. 12 Sic etiam Ovidius dicit: Fas est et ab hoste doceri. 13 Verum quia de litterali fabularum intellectu iam plurimi tractaverunt, scilicet Fulgentius, Alexander, Servius 14 et alii nonnulli, quia litteralis intellectus non est presentis propositi, ubi scilicet non agitur nisi de reductione morali, quia insuper valde diffi-

mit sammelte er ein Heer um sich, so dass er Atlas, den König Afrikas, besiegte und ihn in die Berge zu fliehen zwang. Und so sagten die geschwätzigen Dichter, er sei in einen Berg verwandelt worden. 8 Weil ich also sehe, dass die Schrift Fabeln gebraucht, um eine Wahrheit zu zeigen, und dass auch die Dichter Fabeln erfanden, um sowohl eine natürliche wie eine historische Wahrheit zu bezeichnen, erschien es mir angemessen nach der Moralisierung der Eigenschaften der Dinge und nach der ethischen Deutung der Werke der Natur 9 auch die Fabeln der Dichter in die Hand zu nehmen, um sie moralisch auszulegen, so dass auf diese Weise gerade auch aus den Erdichtungen der Menschen der verborgene Sinn von Lebens- und Glaubenslehre bekräftigt würde. Denn es ist erlaubt, dass der Mensch, wenn er es vermag, von den Dornenbüschen Trauben sammelt 10 und Honig aus dem Felsen saugt und Öl aus dem härtesten Stein gewinnt 11 wie auch aus den Schätzen der Ägypter gleichsam ein Heiligtum baut und ausstattet. 12 So sagt auch Ovid: ›Recht ist es, auch vom Feind zu lernen.‹ 13 Da jedoch schon sehr viele über den Literalsinn der Fabeln gehandelt haben, nämlich Fulgentius, Alexander, Servius 14 und etliche andere, und da der Literalsinn nicht Inhalt des gegenwärtigen Vorhabens ist, in dem ja nur die moralische Bedeutung behandelt wird, da es zudem sehr schwierig,

1 Cum quo LLo1Lo2TrEp; cum qua Pa8; om. G. 2 regem Africe regem G. 3 coegit coegit G. ..... Africe ....... .. 3 Et sic LLo1Lo2TrEp; Et se G; ergo Pa8. 6 utitur ........... utitur G. 7 veritatis LLo1Lo2Pa8Tr; verita*** G; rei ostensionem G. 8 finxerunt LLo1Pa8TrEp; fixerunt G. 9 veritatis LLo1Lo2Pa8 Ep. 7 ostensionem .... TrEp; verita*** G. 9 tam tam 10 visum est post visum est......... post G. 11 postque GLo2Ep; postque ....... G. ................. iam LLo1; postquam Pa8; postquam etiam Tr. 12 mores mores.. G. 14 ipsas LLo1Lo2Pa8TrEp; ipsos G. 17 colligat Lo1Lo2Pa8TrEp; coligere G. 18 sugat LLo1Lo2Pa8TrEp; sugger..at G. 19 et quasi Lo2Pa8Ep; ut es***uris quasi G; etiam quod LLo1; et quod Tr. 19 de thesauris Lo2Pa8TrEp; de th.... .... G; thesauris L; thesaurus ste G. 23 Verum quia LLo1Lo2TrEp; verum G; et Lo1. 21 et ab LLo1Ep; ab GLo2Pa8Tr. 21 hoste ho..... tractaverunt G. 25 – 26 nonnulli LLo1Lo2TrEp; nuli G; om Pa8. 26 quia quia Pa8. 24 tractaverunt ........... litteralis Lo2TrEp; scilicet quia naturalis G; quia etiam literalis LLo1; etiam litteralis Pa8. 27 ubi scilicet LLo1Lo2TrEp; si supra G; quia hic Pa8. 28 – 58,1 valde . . . forte G; valde foret difficile immo LLo1; immo forte Pa8; valde difficile foret immo forte et Tr; forte valde difficile immo forte Lo2Ep.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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cile, forte impossibile foret, sicut bene deducit Augustinus ›De civitate dei‹ libro 2 litteralem rationem de omnibus fabulis assignare, 15 cum ipse Tullius libro 3 ›De natura deorum‹ dicat, quod magnam molestiam et minime necessariam suscepit Zeno primus, post Cleanthes, deinde Chrysippus commenticiarum fabularum reddere rationem, 16 hinc est, quod in presenti opusculo, quod huius voluminis mei particulam esse volo, non intendo nisi rarissime litteralem sensum fabularum tangere, sed solum circa moralem sensum et expositionem allegoricam laborare sequendo scilicet librum Ovidii, qui dicitur Metamorphoseos, ubi recte videntur quasi per modum tabule omnes fabule congregate. Distinguam igitur tractatum in quindecim capitula secundum quindecim libros in predicto Ovidii volumine contentos. Aliquas tamen in aliquibus adiungam fabulas, quas in aliis locis repperi, aliquas etiam detraham et omittam, quas necessarias non iudicavi. Non moveat tamen aliquem, quod, sicut dicunt aliqui, fabulas poetarum alias fuisse moralizatas et ad instantiam illustris domine Johanne quondam regine Francie dudum in rithmis gallicis fuisse translatas, quia re vera opus illud nequaquam me le-

vielleicht auch unmöglich ist, den Literalsinn von allen Fabeln zu bestimmen, wie Augustin im zweiten Buch [?] von ›De civitate Dei‹ richtig ausführt, 15 da ja selbst Cicero im dritten Buch von ›De natura deorum‹ sagt, dass als erster Zeno, später Cleanthes, dann Chrysipp eine große und keineswegs notwendige Mühe auf sich genommen habe, erfundene Fabeln vernünftig zu begründen, 16 daher ist es so, dass ich im vorliegenden kleinen Werk, von dem ich möchte, dass es ein kleiner Teil dieser meiner Schrift [›Reductorium morale‹] sei, beabsichtige, nur sehr selten den Literalsinn der Fabeln zu berühren, mich vielmehr allein um den Moralsinn und die allegorische Auslegung zu bemühen. Dabei folge ich dem Buch Ovids, das ›Metamorphosen‹ heißt; denn dort findet man richtig alle Fabeln gleichsam in der Art eines Kompendiums versammelt. Ich werde die Abhandlung also in 15 Kapitel unterteilen den 15 Büchern entsprechend, die in dem genannten Werk Ovids enthalten sind. Einige Fabeln werde ich jedoch mit anderen verbinden, die ich an anderen Orten fand, andere werde ich auch herausnehmen und auslassen, die ich für nicht notwendig gehalten habe. Gleichwohl möge keiner Anstoß nehmen, dass, wie einige sagen, die Fabeln der Dichter anders moralisiert und auf Bitten der erlauchten Herrin Johanna, einst Königin von Frankreich, vor kurzem in französische Verse übersetzt worden sind, da ich genau weiß, dass ich jenes Werk nicht gele-

1 foret LLo1Tr; est Pa8Ep; om. GLo2. 1 sicut LLo1Lo2Pa8TrEp; si quis G. 2 libro 2 Lo1Lo2Pa8Ep; primo asignare Tr; lac. GL. 3 rationem de omnibus LLo1Lo2Pa8TrEp; expositionem debet G. 3 – 4 assignare .......... deinde G. G. 6 minime LLo1Lo2Pa8TrEp; lac. G. 6 suscepit LLo1Lo2Pa8TrEp; om. G. 7 deinde ... 8 reddere LLo1Lo2Pa8TrEp; reducere G. 10 quod LLo1Lo2Pa8TrEp; quedam G. 15 Ovidii Ovidij G. ... 15 Metamorphoseos LTrEp; Methamorphosce*** G; Metamorphosios Lo ; Methamor. Lo ; Metamorpho1 2 .. ubi G. 16 videntur LLo1Lo2Pa8TrEp; vident G. 17 congregate congreg..ate G. sius Pa8. 16 ubi ... 17 distinguam LLo2Pa8; distinguamus G; distingam Lo1TrEp. 18 quindecim LLo1Lo2Pa8TrEp; om. G; om. adiungam G. 24 moveat moveat 24 aliquem capitula secundum quindecim Lo1. 21 adiungam ..... .... G. LLo1Lo2Pa8Ep; aliquam GTr. 24 quod, sicut quod sicut G. 25 poetarum poetarum G. 26 moralizatas ......... ......... .. LLo1Lo2Pa8TrEp; morizatas G. 28 rithmis LLo1; rithimis G; rigmum Pa8; rithmiis Tr; rithmum Lo2Ep.

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PROLOGUS

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gisse memini, de quo tamen doleo, quia ipsum invenire nequivi. 17 Illud enim labores meos quam plurimum relevasset, ingenium meum etiam adiuvasset. Non enim fuissem dedignatus expositiones in passibus multis sumere et auctorem earum humiliter allegare. Sed antequam ad fabulas descendam, primo de formis et figuris deorum aliqua dicam. Verumtamen quia deorum imagines scriptas vel pictas alicubi non potui reperire, habui consulere venerabilem virum magistrum Franciscum de Petraco poetam utique profundum in scientia et facundum in eloquentia et expertum in omni poetica et historica disciplina, qui prefatas imagines in quodam opere suo eleganti metro describit, 18 discurrere etiam libros Fulgentii, Alexandri et Rabani 19 et de diversis partibus trahere figuram vel imaginem, quam diis, id est istis fictitiis, voluerunt antiqui secundum rationes physicas assignare, cum antiqui plures deos posuerunt et quasdam rerum virtutes deos crediderunt et appellaverunt, utpote quia tempus intellexerunt per Saturnum, etherem per Iovem, aerem per Iunonem, aquam per Thetidem,

sen habe, was ich jedoch sehr bedaure – ich konnte es nämlich nicht auffinden. 17 Denn es hätte meine Mühen ganz erheblich erleichtert und auch meinem Geist aufgeholfen; ich hätte es nämlich nicht verschmäht, die Auslegungen an vielen Stellen aufzunehmen und ihren Autor demütig anzuführen. Bevor ich aber zu den Fabeln komme, will ich zuerst einiges über das Aussehen und die Gestalten der Götter sagen. Da ich wahrhaftig die Bilder der Götter nirgendwo beschrieben oder gemalt finden konnte, war es mir doch möglich, einen hochgeschätzten Mann um Rat zu fragen: Magister Franciscus de Petrarco, einen Dichter, der besonders ausgewiesen ist in der Wissenschaft, in der Beredsamkeit und in jeder poetischen und historischen Disziplin. Dieser beschrieb die genannten Bildnisse in einem seiner Werke in elegantem Versmaß. 18 Auch musste ich die Bücher des Fulgentius, des Alexander und des Hraban 19 durchgehen und aus den verschiedenen Teilen die Gestalt oder das Bild entnehmen, das die Alten den Göttern, d.h. jenen fingierten Gestalten, gemäß den naturphilosophischen Kenntnissen zuschreiben wollten; denn die Alten stellten eine Vielzahl von Göttern vor und hielten einige Kräfte von Dingen für Götter und bezeichneten sie auch so, da sie ja unter Saturn die Zeit verstanden, unter Jupiter den Äther, unter Juno die Luft, unter Thetis das Wasser, un-

2 ipsum invenire ip........ sum invenire G. 3 relevasset LLo1Pa8Ep; revelasset GLo2Tr. 4 adiuvasset GLo2; ... adiuvisset LLo1TrEp; om. Pa8. 6 multis LLo1Lo2TrEp; meis G; multas Pa8. 6 auctorem LLo1Lo2TrEp; Petraitho G; FF. de Prato LPa8; FF. de Petrarto Lo1; de actorem GPa8. 13 Franciscum de Petraco Lo2Tr; FF de ................. tique G. 14 profundum LLo1Lo2Pa8TrEp; profundam G. Prato Pa8; Franciscum de Petato Ep. 14 utique u... 14 – 15 et facundum in LLo1Lo2Pa8TrEp; facundia et G. 15 omni LLo1Lo2Pa8TrEp; ... o*** G. 16 historica lac. G; historiaca disciplina Pa . 16 prefatas LLo disciplina LLo1Lo2TrEp; discip*** 8 1Lo2Pa8TrEp; prefatus ........ es G. 17 eleganti eleganti G. 19 et GLTr; ut Ep; om. Lo Lo 20 trahere G. 17 imagines imagin.... 1 2Pa8. ..... LLo1Tr; traham Lo2Pa8Ep; om. G. 20 figuram figur...... am G. 21 id est G; om. LLo1Lo2Pa8TrEp. 21 fictitiis LLo1Lo2TrEp; futiciis G; ficticium Pa8. 22 physicas LLo1Lo2TrEp; physicos G; philosophicas Pa8. 24 rerum virtutes Lo2Pa8Ep; rerum virtutis G; rerum veritates seu virtutes LLo1; virtutes Tr. 24 deos LLo11 Pa8TrEp; et............... appellaverunt G). 25 utpote Lo2TrEp; ut poete GLLo1; utpute deas G; om. Lo2. 25 et appellaverunt ... per ............ Iovem G. 27 Thetidem TrEp; Tetidam G; Tetidem Lo1. Pa8. 26 etherem per Iovem etherem ......................

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mare per Neptunum, terram per Cybelem, solem per Apollinem, lunam per Dianam et sic de aliis. 20 Unde ipsi antiqui voluerunt res naturales vel saltem rerum naturalium virtutes deos dicere, immo ad hoc voluerunt aliquas aliquorum historias applicare. Primo et ante omnia videndum est de Saturno qualem scilicet supponebatur formam habere et qualem in sculpturis et picturis obtinebat imaginem et figuram.

ter Neptun das Meer, unter Cybele die Erde, unter Apollo die Sonne, unter Diana den Mond und so auch bei anderen. 20 Daher wollten die Alten die Dinge der Natur oder wenigstens die Kräfte der natürlichen Dinge, Götter nennen, ja sie wollten darauf sogar Erzählungen von einigen von ihnen anwenden. Zuerst und vor allem anderen müssen wir für Saturn feststellen, welche Gestalt er haben sollte und welches Bild und Aussehen er in Skulpturen und in der Malerei erhielt.

10 figuram add. Explicit prologus. Incipit tractatus. Et primo de descriptione Saturni primi deorum dei et cetera. Tr. 1 Neptunum Lo1TrEp; Neuptunnum 1 Cybelem Cibelem Lo1Ep; Sybelem G; Cybellem Tr. ........................ G. 2 Apollinem TrEp; Appolinem G; Appollinem Lo1. 3 voluerunt GLLo1Lo2Tr; quia voluerunt Ep; om. unde . . . applicare Pa8. 5 dicere LLo1Lo2TrEp; esse G. 5 immo Lo1Lo2Ep; y ymo G; quo L; quin immo Tr. 5 hoc LLo1Lo2TrEp; hec G. 6 aliquas aliquorum Lo2TrEp; aliquorum G; aliquas aliorum auctorum LLo1. 9 sculpturis sculturis G.

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De formis figurisque deorum

Von Aussehen und Gestaltung der Götter

Forma Saturni. Capitulum primum 21

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Saturnus pingebatur et supponebatur homo senex, curvus, tristis et pallidus. In una manu falcem tenebat et in eadem draconis portabat imaginem, que dentibus caudam propriam commordebat; altera vero manu filium parvum ad os applicabat et cum dentibus devorabat. 22 Caput glauco amictu coopertum habebat. 23 Quattuor iuxta se habebat filios, scilicet Iovem, Iunonem, Neptunum et Plutonem, 24 quorum Iupiter patris virilia amputavit. Et mare etiam ante ipsum pictum erat, in quo dicta Saturni virilia amputata proiecta videbantur, de quibus Venus puella pulcerrima nascebatur. 25 Iuxta autem ipsum Ops, uxor sua, in cuiusdam matrone similitudine picta erat, que opem omnibus dabat et panem pauperibus porrigebat. 26 Ista possunt exponi multis modis: litteraliter, naturaliter, historialiter et spiritualiter. Et primo litteraliter, quia sicut Saturnus omnium deorum primus, sic Saturnus primus omnium planetarum, qui dicitur senex, quia ceteris planetis tardius mo-

Kapitel 1: Saturn 21 Saturn war in der bildlichen Darstellung und in der Vorstellung ein alter, gebeugter, mürrischer und bleicher Mann. In der einen Hand hielt er eine Sichel und in derselben Hand trug er das Abbild einer Schlange, die sich mit den Zähnen in ihren eigenen Schwanz biss. Mit der andern Hand aber führte er seinen kleinen Sohn zum Mund und verschlang ihn mit den Zähnen. 22 Den Kopf hatte er mit einem graublauen Gewand umhüllt. 23 Neben sich hatte er vier Kinder, und zwar Jupiter, Juno, Neptun und Pluto, 24 von denen Jupiter die Geschlechtsteile seines Vaters abgeschnitten hat. Außerdem war das Meer vor ihm abgebildet, in dem man die genannten Geschlechtsteile Saturns, die abgeschnitten und weggeworfen waren, sehen konnte. Aus diesen wurde Venus geboren, eine sehr schöne junge Frau. 25 Neben ihm aber war seine Gattin Ops als eine vornehme Dame abgebildet. Diese gewährte allen Hilfe und reichte den Armen Brot. 26 Dies kann auf viele Weisen ausgelegt werden: im buchstäblichen, naturkundlichen, historischen und im geistigen Sinn. Zuerst im Literalsinn: Wie nämlich Saturn der erste aller Götter ist, ist Saturn der erste aller Planeten, der ›alt‹ genannt wird, da er sich langsamer als die übrigen Pla-

1 Om. ›De formis figurisque deorum‹ V2; deest Cap. I–IV B. 1 – 2 De . . . primum ***turni. Primum capitulum G in marg. 6 que GLLo1Lo2Pa8V4TrEp; qui BrE. 7 – 9 altera . . . devorabat L; Lo1Lo2Pa8V4Ep cum min. var. lect.; om. GTr. 9 – 10 Caput glauco amictu coni.; caput galeatum amicta G; caput etiam galeato amictu LLo1; caput etiam galeatum amictu Lo2Ep; caput et galea armatum Pa8; caput etiam galea amictum V4; om. Tr. Cf. Myth. Vat. III,1,1. 11 filios GLo2Tr; liberos Lo1 Pa8V4Ep. 12 Neptunum V4TrEp; Neuptunnum G. 18 similitudine codd.; similitudinem Ep. 21 Ista Explicit descriptio Saturni. Incipit literalis expositio. Ista Tr. 26 quia Lo1Pa8V4TrEp; qui G: 26 ceteris planetis Lo1Lo2Pa8TrEp; inter planetas G; cum planetis V4. 26 – 62,1 movetur LLo1Pa8V4Ep; moratur G; om. Tr.

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vetur et cursum suum tardius facit. 27 Falcem etiam curvam habere dicitur pro eo, quod iste est retrogradus planeta, qui cursum suum recurvare videtur. 28 Iste filios devorat pro eo, quod omnes, qui in constellatione Saturni nascuntur, raro vivunt. Iupiter autem filius eius dicitur eum castrare, quia ad litteram sidus Iovis, quod sibi immediate coniungitur, virtutem eius et malitiam dicitur temperare. Iste etiam dictus est expellere eum de regno pro eo, quod stella Iovis quandoque se exaltat in circulo Saturni. 29 Ops autem, id est terra, eius uxor dicitur pro eo, quod influentia eius terram respicere dicitur et pro eo, quod per eius influentiam bona terrestria generantur. Hec etiam dicebatur mater deorum, quia terra est mater omnium hominum. Dicitur autem Ops secundum Fulgentium, quia esurientibus frugum largitione opitulatur. Berecyntia vero dicitur secundum eundem, quasi montium domina et de hoc tractabitur inferius. 30 Vel illud exponatur naturaliter, quia Saturnus significat tempus, quia quattuor habet filios, id est quattuor elementa, scilicet Iovem ignem, Iunonem aerem, Neptunum aquam, Plutonem terram. 31 Iste Iupiter, id est ignis, patrem dicitur castrare pro eo, quod omnes vires temporis, id est omnes fructus, quos producit tempus, ab igne, id est a calore, consumi noscuntur. Et sic etiam Saturnus, id est tempus, filios suos comedit, inquantum quicquid in tempore nasci-

neten bewegt und seine Bahn langsamer zieht. 27 Auch soll er eine gekrümmte Sichel haben, da dieser ein zurücklaufender Planet ist, der seinen Lauf zurückzuwenden scheint. 28 Dieser verschlingt seine Kinder, weil alle, die in der Saturn-Konstellation geboren werden, nur selten überleben. Doch sein Sohn Jupiter soll ihn entmannt haben, da der Stern des Jupiter, der sich unmittelbar mit ihm verbindet, buchstäblich seine Kraft und Bosheit mäßigen soll. Dieser soll ihn auch aus der Herrschaft vertrieben haben, weil sich der Stern des Jupiter bisweilen in die Kreisbahn des Saturn erhebt. 29 Ops aber, d.h. die Erde, soll seine Gattin sein, weil ihr Einfluss bekanntlich für die Erde sorgt und durch ihren Einfluss die Güter der Erde erzeugt werden. Diese wird auch die Göttermutter genannt, da die Erde die Mutter aller Menschen ist. Nach Fulgentius aber heißt sie Ops, weil sie den Hungernden mit einer reichen Gabe an Früchten hilft. Sie wird nach demselben aber auch Berecynthia und gleichsam die Herrin der Berge genannt, und dies wird weiter unten behandelt werden. 30 Oder jenes kann naturkundlich ausgelegt werden, da Saturn die Zeit bedeutet, weil er vier Kinder hat, d.h. die vier Elemente, nämlich Jupiter das Feuer, Juno die Luft, Neptun das Wasser, Pluto die Erde. 31 Dieser Jupiter, d.h. das Feuer, soll den Vater entmannt haben, da man weiß, dass alle Kräfte der Zeit, d. h. alle Früchte, die die Zeit hervorbringt, vom Feuer, d.h. von der Wärme, verzehrt werden. Und so verschlingt auch Saturn, d.h. die Zeit, seine Kinder, sofern die Zeit oder die Dauer

4 recurvare GV4; retrocurvare Lo1Lo2Pa8TrEp. 7 autem Lo1Lo2Pa8V4TrEp; et G. 8 – 9 immediate LLo1 Lo2Pa8TrEp; in mente G. 15 – 16 per eius influentiam Lo1Lo2V4Tr; eius influentiam G; per eius affluentiam Pa8; influentia eius Ep. 20 largitione TrEp; largitatem G; largitionem LLo1Lo2Pa8V4. 20 – 21 Berecyntia Berecynthia Ep; Resinthia G; Berecinthia Lo1; Vesincia V4; om. Tr. 22 montium Lo1Lo2V4TrEp; motuum G; om. Pa8. 24 naturaliter Lo1Lo2Pa8V4TrEp; om. G, hab. ***alis in marg. 32 consumi Lo1Lo2Pa8TrEp; commui G; consumitur V4. 32 noscuntur Lo1Lo2Pa8V4TrEp; nascuntur G.

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tur, tempus sive duratio attenuat et consumit vel inquantum eius fructus et semina ad locum, unde exeunt, revertuntur, id est ad terram. 32 Falcem autem dicitur habere pro eo, quod tempus per reductionem in se ipsum curvatur. Unde et draconem dicitur tenere pro eo, quod annus, qui per draconem intelligitur et qui more draconis in se ipsum revolvitur, ita quod cauda sua semper cum capite coniungatur, ab ipso noscitur contineri. 33 Sua autem virilia in mare proiciuntur, inquantum virtus generativa, que in tempore est, in aqua, id est in humoribus, reservatur. Venus autem ex istis provenit, inquantum a rerum naturalium humoribus libido et complacentia generationis prorumpit. Unde et iste habuit Celium patrem, id est celum, qui carere virilibus dicitur pro eo, quod virtus generativa celo et celestibus corporibus non remansit. 34 Vel dicatur historialiter: Fuit enim Saturnus rex Crete, 35 cui frater eius Titanus dixit, quod filius eius erat ipsum expulsurus de regno. Propter quod consuluit, quod omnes filios suos devoraret et sic fati malitiam declinaret. Devoravit igitur Iunonem, Neptunum et Plutonem. Finaliter tamen cogitavit, quod aliam quam uxorem primam Cybelem cognosceret, et credidit, quod filius ex ea genitus non noceret ei. Cogno-

das, was auch immer in der Zeit entsteht, schwächt und verzehrt oder sofern seine Früchte und Samen an den Ort, von dem sie ausgehen, zurückkehren, d. h. zur Erde. 32 Er soll aber eine Sichel haben, weil die Zeit sich durch Rückkehr zu sich selbst wendet. Daher sagt man auch, dass er eine Schlange hält, weil das Jahr, das als Schlange begriffen wird und das sich nach Art der Schlange auf sich selbst zurückwendet, so dass sich sein Schwanz immer mit dem Kopf verbindet, von ihm – wie man weiß – umfasst wird. 33 Seine Geschlechtsteile aber werden ins Meer geworfen, sofern die Zeugungskraft, die in der Zeit wirkt, im Wasser, d.h. in den Säften, erhalten bleibt. Venus aber geht aus ihnen hervor, sofern aus den Säften natürlicher Dinge das Verlangen nach und das Gefallen an der Zeugung hervorbricht. Daher hatte dieser [Saturn] auch Celius als Vater, d.h. den Himmel, der keine Geschlechtsteile besessen haben soll, da die Zeugungskraft dem Himmel oder den Himmelskörpern nicht blieb. 34 Oder historisch ausgedrückt: Saturn war nämlich ein König von Kreta, 35 dem sein Bruder Titan sagte, dass einer seiner Söhne ihn aus der Herrschaft vertreiben werde. Deshalb beschloss er, alle seine Kinder zu verschlingen, um so die Bosheit des Schicksals abzuwenden. Er verschlang also Juno, Neptun und Pluto. Schließlich jedoch überlegte er, mit einer anderen als seiner ersten Gattin Cybele zu schlafen, und er glaubte, dass ein mit ihr gezeugter Sohn ihm nicht schaden würde. Er schlief also

1 attenuat Lo1Lo2Pa8V4Ep; atrenuat G; actrahit Tr. 3 exeunt GPa8Tr; exierunt Lo1V4Ep; exierint Lo2. 5 tempus Lo1Lo2Pa8V4TrEp; tunc G. 5 reductionem Lo1Pa8V4TrEp; inductonem G. 6 – 7 draconem . . . per Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 8 et Lo1Lo2V4TrEp; om. G. 9 – 10 quod . . . coniungatur Lo1Lo2Pa8V4Tr; ut . . . coniungatur G; quod caudam suam . . . coniungat Ep, 10 ab ipso BrETr; qui ab ipso G; ab ipso tempore LLo1; sub ipso Lo2Pa8V4Ep. 11 mare Pa8V4Ep; mari GLo1Lo2. 14 reservatur LLo1Lo2Pa8V4; illud servatur G; conservatur Ep; om. reservatur . . . humoribus Tr. 17 Celium V4TrEp; odium G; Celum Lo1. 18 qui Lo1Pa8V4TrEp; quod G. 19 generativa Lo1Lo2V4TrEp; g***nerativa (foramen membrane) G. 21 dicatur Lo2Pa8V4Ep; exponitur Lo1; exponatur Tr; om. G. 21 hystor*** G in marg. 22 cui Lo2Pa8V4TrEp; cuius G; om. LLo1. 22 Titanus LLo1Pa8TrEp; tirannus GLo2; om. V4. 25 fati Lo1Lo2V4Ep; facti GTr. 29 Cybelem V4; Sibilem G; Cibelem Ep; Sobolem Lo1; Subellem Tr.

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vit igitur Philyram, de qua Iovem genuit, 36 qui tamen postea ipsum de regno expulit. Qui in Italiam veniens a Iano, qui tunc ibi regnavit, receptus est. Hic igitur in agricultura magnum impendens exercitium in partem imperii admissus est et per annone prerogationem populos ad se trahens a saturando Saturnus meruit appellari. 37 Hunc mestum describunt poete, tum quia bello victum, tum quia de regno expulsum. Vel secundum astrologos ideo dicitur mestus, quia stella Saturno deputata in ortu suo semper tristitiam denuntiat. Illa enim in capricorno posita pluvias gravissimas et precipue in Italia commovet, in scorpione vero grandines, in alio signo fulmina, in aliis vero alia nociva apportat. Senem etiam ipsum dicunt, quia sicut senes calore iuventutis destituti frigiditate laborant – minuitur enim in eis sanguis, unde et tremunt –, ita et hec stella frigidissima extat, nec mirum, cum a sole, a quo omnis calor procedit, sit remotissima et cum sit aquis supercelestibus vicina, cum etiam in signis sic remotissimis, que ex temporis sui effectu frigida censentur, aquario scilicet et capricorno, domicilia sua habet; in quibus, etiam si

mit Philyra, mit der er Jupiter zeugte; 36 dieser vertrieb ihn jedoch später aus der Herrschaft. Er kam nach Italien und wurde von Janus aufgenommen, der damals dort herrschte. Hier verwendete er große Mühe auf die Landwirtschaft, und ihm wurde zu einem Teil die Herrschaft übergeben. Und durch die Verteilung des Getreidevorrats zog er Völkerscharen an und wurde nach dem Sättigen [a saturando] verdient Saturn genannt. 37 Diesen beschreiben die Dichter als schwermütig, einmal, weil er im Krieg besiegt wurde, zum andern, weil er aus der Herrschaft vertrieben wurde. Oder man nennt ihn – so die Astrologen – deshalb schwermütig, weil der Stern, der zu Saturn gehört, bei seinem Aufgang immer Trübsal ankündigt. Denn jener steht im Steinbock und ruft sehr schwere Regenfälle, besonders in Italien, hervor, im Skorpion aber Hagelschauer, in einem anderen Sternzeichen Gewitter, in wieder anderen bringt er andere Schäden mit sich. Auch sagen sie, dass er ein Greis sei, weil, wie die Alten, die die Wärme der Jugend verloren haben, an der Kälte leiden – denn bei ihnen wird das Blut weniger, weshalb sie auch zittern –, so auch dieser Stern sich als sehr kalt zeigt, und das ist kein Wunder, da er von der Sonne, von der alle Wärme ausgeht, sehr weit entfernt und den überhimmlischen Gewässern nah ist, wobei er in sehr weit entfernten Sternzeichen, die wegen der Wirkung ihrer jahreszeitlichen Stellung für kalt gehalten werden, im Wassermann nämlich und im Steinbock, sein Haus hat. In die-

1 Philyram coni.; Silotem G; Filerem L; Cibelem Lo1Lo2Pa8Ep; Sylerim V4; Phylire Tr; Philirem 1 Iovem Lo1Lo2Pa8V4TrEp; Iove G. 5 exercitium Lo1Lo2Pa8V4Ep; exercitum G; exitium Tr. BrE. 7 prerogationem Fulgentius, Mit. I,2, Vat. Myth. III,1,2; prorogationem GTrEp. 12 in ortu G; ortu Lo1 Lo2Pa8V4Ep; occursus tristitiam Tr. 16 fulmina Lo1Lo2Pa8V4TrEp; flumina G. 19 minuitur Lo1Lo2Pa8V4 TrEp; nimium G. 22 sole, a quo Lo1V4TrEp; sole G; om. Pa8. 23 aquis LLo1Pa8V4TrEp; aliis G. 25 que . . . sui effectu G; que a temporis sui effectu LLo1Lo2Tr; que in suis effectibus Pa8V4; que in suis affectibus Ep. 26 – 27 scilicet et capricorno LLo1Pa8V4Ep; scilicet capricornio G; scilicet a capricorno Lo2; scilicet a contrario capricornio Tr.

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cum sole positus fuerit, gravissimam nobis frigorum uredinem creat. 38 – Caput amictum habet sicut senex, ut nos propter frigus suum illud facere admoneat. 39 5

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sen verursacht er bei uns einen sehr starken Gefrierbrand, auch wenn er bei der Sonne steht. 38 – Wie ein Greis hat er ein umhülltes Haupt, um uns zu ermahnen, wegen seiner Kälte dasselbe zu tun. 39

Moraliter Dimissis istis expositionibus dicamus allegorice, quod Saturnus significare potest aliquem malum prelatum, superiorem, senem et in malis moribus antiquatum, curvum, a rectitudine voluntatis inclinatum ad terram per avaritiam, recurvatam falcem tenentem, id est falsitate et malitia depravatum et a secando alios falce rapine et invidie cruentatum; qui scilicet filios suos comedit, inquantum subditos rapinis et exactionibus attenuat et consumit. Isti draconem tenent, quia pro certo famulos et officiales draconicos et venenosos secum habent, ut his mediantibus subditos comprimant et infestent, unde in Ps.: Super aspidem et basiliscum etc., quia tot sunt talium aspides et basilisci, leones et dracones, id est mali ministri et officiales, quod vix potest ibi ambulari nisi super tales, quia sicut aspis alios faciunt dormire false blandiendo, sicut basiliscus, quicquid vident, inficiunt explorando, sicut leo a parte seviunt invadendo, sicut draco inficiunt insidiando et caudam sue finalis malitie ad caput, id est ad prin-

Moralisierung Im Anschluss an diese Erklärungen wollen wir allegorisch deuten, dass Saturn einen schlechten, höheren, alten und in üblen Gewohnheiten ergrauten Prälaten bezeichnen kann, gekrümmt, [d.h.] von der Geradheit des Wollens durch Habgier zur Erde gebeugt, eine gebogene Sichel haltend, d.h. durch Falschheit und Bosheit verdorben und blutig vom Verletzen anderer mit der Sichel des Raubes und der Missgunst; denn dieser verschlingt seine Kinder, wenn er Untergebene durch Raub und Erhebung von Steuern schwächt und aufreibt. Diese Prälaten halten eine Schlange, weil sie sicher schlangenhafte und giftige Diener und Beamte um sich haben, um mit ihrer Hilfe die Untergebenen zu unterdrücken und zu drangsalieren; daher heißt es in Ps. 90,13: ›Über der Natter und dem Basilisken‹ etc., da es so viele solcher Nattern und Basilisken, Löwen und Schlangen, d. h. schlechte Diener und Beamte gibt, dass man dort kaum gehen kann, ohne auf solche zu treten, weil sie wie die Natter andere durch falsches Schmeicheln zum Einschlafen bringen und wie der Basilisk alles, was sie sehen, durch Ausspähen vergiften, wie der Löwe wüten, indem sie von der Seite angreifen, wie die Schlange töten, indem sie einen Hinterhalt legen und den Schwanz ihrer letzten Bosheit zum

3 propter G; contra Lo1Pa8V4TrEp. 5 Moraliter expositio moralis in marg. G. 9 curvum GLo1Lo2Pa8 V4; curvum, id est TrEp. 12 falsitate GLo1Lo2V4; cum falsitate Tr; falsitatem Pa8; frigiditate Ep. 14 qui Lo1Pa8V4TrEp; quasi G. 19 infestent Lo1Lo2Pa8V4Ep; infestant GTr. 21 etc. G; ambulabis et conculcabis leonem et draconem Lo1Lo2Ep; ambulabis etc. Tr; om. Pa8V4. 24 quia GLo2; qui LLo1; nam isti Pa8; quia isti V4; qui procul dubio proprie Tr; quia tales Ep. 24 – 25 alios faciunt Lo1Lo2Pa8V4TrEp; aliquos facit G. 25 false blandiendo Lo1Lo2Pa8V4Ep; blandiendo G; falso blandiendo Tr. 25 sicut GLo1Pa8V4Tr; sicut facit Lo2Ep. 26 vident Lo1Lo2Pa8V4TrEp; viderit G. 26 inficiunt Lo1Lo2Pa8V4Ep; inficit G; interficiunt Tr.

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cipium, reducendo, Ps.: Draco iste, quem formasti ad illudendum. 40 Quapropter sepe fit, quod post multorum devorationem isti Opem accipiunt in uxorem, id est divitiarum cumulationem et successionem. Verumtamen sepe accidit finaliter, quod Iupiter, id est unus ipsorum subditorum, ceteris sollertior et audacior contra illum malum patrem insurgit et ipsum ad superiores, ut ad papam vel regem, trahit et ipsum a propria virtute castrat et tam diu ipsum impugnat, quod de regno et prelatione ipsum detrahit et deponit. Dicit illud Is. 14: Quomodo cecidisti, Lucifer, qui mane oriebaris? Iustum enim est, ut, qui filios subditos iniuste deprimit et predatur, ab aliquo filiorum finaliter invadatur et per eum castretur et a regimine deponatur, ita quod virilia sua in mare proiciantur, id est tota voluptas sua in amaritudinem convertatur, Ez. 5: Patres comedent filios in medio tui et filii comedent patres. Talis igitur Iupiter, qui ipsum castrat, pro eo regnare dicitur, quia sepe contingit, quod, qui tales malos procurant deponi, solent eorum regimina et officia obtinere, Eccli. 11: Potentes oppressi sunt valde et insuspicabilis portabit diade-

Kopf, d. h. zum Anfang, zurückführen, Ps. 103,26: ›Jene Schlange, die du geschaffen hast, um zu täuschen.‹ 40 Deshalb geschieht es oft, dass diese Leute nach dem Verschlingen vieler Menschen Ops zur Gattin nehmen, d. h. eine beständige Anhäufung von Reichtum. Dennoch geschieht es oft, dass Jupiter, d.h. einer ihrer Untergebenen, der geschickter und kühner ist als die übrigen, sich schließlich gegen jenen schlechten Vater erhebt und ihn vor Höherstehende, wie den Papst oder König, bringt und ihn von seiner eigenen Macht ›abschneidet‹ und ihn so lange bekämpft, dass er ihn von seiner Herrschaft und seinem geistlichen Führungsamt herabholt und absetzt. Er sagt jenes Wort Is. 14,12: ›Wie bist du gefallen, Luzifer, der du früh aufgestiegen bist?‹ Denn es ist gerecht, dass derjenige, der die ihm untergebenen Söhne ungerecht unterdrückt und beraubt, schließlich von einem seiner Söhne angegriffen und von ihm entmannt und von seiner Herrschaft abgesetzt wird, so dass seine Geschlechtsteile ins Meer geworfen werden, d. h. sein ganzes Vergnügen in Bitterkeit verwandelt wird, Ez. 5,10: ›Väter werden in deiner Mitte ihre Söhne verzehren und Söhne werden ihre Väter verzehren.‹ Daher heißt es, dass ein solcher Jupiter, der ihn entmannt, für ihn herrscht, da es oft geschieht, dass diejenigen, die für die Absetzung solcher bösen Menschen sorgen, ihre Regierungskompetenzen und Ämter zu übernehmen pflegen, Eccli. 11,5 f.: ›Die Mächtigen wurden heftig niedergedrückt und einer, von dem man es nicht vermutet, wird das Dia-

2 illudendum G; illudendum ei Lo1V4TrEp; om. Pa8. 3 devorationem G; devorationem et afflictionem Lo1 Lo2Pa8V4Ep; devorationem et consumptionem Tr. 5 cumulationem GLo1Lo2Pa8V4Tr; emulationem Ep. 5 – 6 successionem. Verumtamen Lo1Pa8V4TrEp; suc lac. virtutum G. 12 prelatione GPa8V4Tr; prelacia LLo1; prelatura Ep; prelatura, officio vel iudiciatura BrE. 15 subditos G; sibi subditos Lo1Pa8V4Ep; et subditos Tr. 16 predatur Lo1Lo2V4TrEp; predatur, ut GPa8. 19 mare Pa8V4TrEp; mari GLo1. 19 – 20 tota voluptas LLo1Pa8V4TrEp; vita G. 20 amaritudinem Lo1Lo2Pa8V4TrEp; amaritudine G. 21 5 add. G supra lin. 23 qui . . . castrat LLo1Tr; qui videt ipsum castrat G; qui vult ipsum castrare Lo2V4Ep. 24 tales malos Lo1 Lo2Pa8V4TrEp; aliquos malos G. 26 Eccli. 11 Eccli. 2 G. 26 potentes LLo1Pa8V4TrEp; om. G.

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ma. De quorum virilibus in mare proiectis Venus nascitur, quia in bonis istorum mali aliquando luxuriantur, et revera ballivi et officiales virilia, id est bona talium, quando deponuntur propter iniquitatem, solent rapere et in eis luxuriari et gaudere, et sic de talium virilibus, id est substantia, dea Venus generatur, Eccli. 14: Qui acervat ex animo suo iniuste, aliis congregat et in bonis illius alius luxuriabitur. Vel dic, quod Saturnus, qui fuit primus, qui frumentum docuit Italicos seminare et qui famem hominum, qui prius glandibus vivebant, docuit relevare, potest significare aliquem pium et iustum prelatum in saturando alios occupatum, qui audet malos filios et subditos devorare per correctionem et qui Opem habet in uxorem, id est pietatem et compassionem, qui pauperes nutrit per eleemosynarum largitionem, qui falcem habet, id est iustitie locutionem vel executionem, senex et maturus per discretionem. Verumtamen tales boni prelati solent a Iove filio suo castrari, id est ab ambitiosis subditis infestari, Ps.: Multe tribulationes iustorum. Boni prelati pro eo, quod malos subditos castigant, ab aliis malis subditis odiuntur et hoc, quia timent per eos similiter devorari, et ideo nituntur tales patres suos de regno depone-

dem tragen.‹ Aus ihren ins Meer geworfenen Geschlechtsteilen wird Venus geboren, da die Bösen bisweilen in ihren Gütern üppig leben, und in der Tat pflegen die Verwalter und Beamten die Geschlechtsteile, d.h. die Güter solcher Menschen, wenn sie aufgrund der Ungerechtigkeit abgesetzt werden, zu rauben und in ihnen zu schwelgen und sich an ihnen zu erfreuen; und so entsteht aus deren Geschlechtsteilen, d.h. aus ihrem Besitz, die Göttin Venus, Eccli. 14,4: ›Wer nach seinem Geist ungerecht anhäuft, sammelt für andere an, und ein anderer wird in seinen Gütern üppig leben.‹ Oder sag, dass Saturn, der der erste war, der die Italer Getreide zu säen lehrte und der den Hunger der Menschen, die vorher von Eicheln lebten, zu mildern lehrte, einen frommen und gerechten Prälaten bedeuten kann, der damit beschäftigt ist, andere zu sättigen, der es wagt, schlechte Söhne und Untergebene durch Korrektur zu ›verschlingen‹, und der Ops zur Gattin hat, d. h. Zuwendung und Mitleid, der die Armen durch großzügige Zuteilung von Almosen ernährt, der eine Sichel hat, d.h. Urteilsverkündung und Vollzug der Gerechtigkeit, der alt und reif in seiner Urteilskraft ist. Dennoch pflegen solch gute Prälaten von ihrem Sohn Jupiter entmannt, d.h. von ehrgeizigen Untergebenen angefeindet zu werden, Ps. 33,20: ›Viele Nöte der Gerechten.‹ Gute Prälaten werden, da sie schlechte Untergebene züchtigen, von anderen schlechten Untergebenen gehasst, und dies, weil sie fürchten, von ihnen auf ähnliche Weise ›verschlungen‹ zu werden, und deshalb versuchen sie, ihre so gearteten Väter aus der Herrschaft

1 mare Pa8V4Ep; mari GLo1Lo2; om. Tr. 3 et G; quia Lo1Lo2Pa8V4TrEp. 3 ballivi LLo1Lo2V4Ep; bailini G; bavili Tr; om. ballivi et Pa8. 8 ex Lo1V4TrEp; in G; om. Pa8. 11 dic Lo1Lo2V4TrEp; dicit G; dicitur Pa8. 13 famem Lo1Lo2Pa8V4TrEp; famam G. 14 glandibus Lo1Lo2Pa8V4TrEp; glandinibus G. 14 relevare GLo1Lo2Pa8V4Tr; revelare Ep. 15 significare Lo1Lo2Pa8V4TrEp; signare G. 16 saturando Lo1Lo2Pa8V4 TrEp; saciendo G. 16 alios Lo1Pa8V4TrEp; aliquos G. 18 correctionem Lo1Pa8V4TrEp; corruptionem G. 20 eleemosynarum elimmosinarum G; elemosynarum Ep; al. al. 22 locutionem vel executionem G; sectationem Lo1Lo2Pa8V4Ep; secationem Tr. 27 malos subditos LLo1Pa8V4Ep; malos G; filios malos Tr.

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re, ut in loco eorum valeant imperare, 3. Reg. 15: Interfecit regem Israel Baasa et regnavit pro eo. Vel dic, quod Saturnus significat tyrannos et maxime illos, qui furto vel violentia subiciunt sibi civitates. Isti enim sunt certi, quod a filiis suis, id est ab aliquibus subditis suis, sunt finaliter deiciendi et ideo de voluntate et consilio fratris sui Titani, id est parentum et amicorum, filios suos, id est subditos, opprimunt et devastant, et hoc, ne sint aliqui, qui contra eos se erigant, ut ipsos deiciant vel deponant. Et tamen hoc eis parum proficit, quia ille subditus, de quo minus videtur et de quo minus cavebant, ipsos deicit et deponit et pro eis regnat sicut ad litteram audivi contigisse in Laude 41 civitate Italie, ubi quidam molendinarius tyrannum devicit et loco ipsius officium et civitatis dominium usurpavit, sicut enim dicitur Iob 34: Deus perdit multos et innumerabiles et regnare facit alios pro eis. Vel dic, quod Saturnus dictus a saturando gule satietatem designat, que revera Venerem generat, inquantum gule et ventris saturitas libidinem excitat et venerem

zu vertreiben, um an ihrer Stelle herrschen zu können, 3. Reg. 15,28: ›Baasa tötete den König Israels und regierte an seiner Statt.‹ Oder sag, dass Saturn Tyrannen bedeutet, und zwar besonders jene, die sich mit List oder Gewalt Städte unterwerfen. Diese sind sich nämlich sicher, dass sie von ihren Söhnen, d.h. von einigen ihrer Untergebenen, schließlich entmachtet werden sollen, und deshalb unterdrücken und vernichten sie nach dem Willen und dem Ratschlag ihres Bruders Titan, d. h. der Eltern und Freunde, ihre Kinder, d.h. ihre Untergebenen, und dies, damit es niemanden gibt, der sich gegen sie erhebt, um sie aus der Macht zu drängen oder abzusetzen. Und doch nützt ihnen dies nur wenig, da jener Untergebene, von dem man es am wenigsten erwartete und vor dem sie sich zu wenig in Acht nahmen, sie stürzt, absetzt und an ihrer Stelle herrscht, wie es – so habe ich wörtlich gehört – in Lodi, 41 einer Stadt Italiens, geschehen ist, wo ein gewisser Müller einen Tyrannen besiegte und an seiner Stelle das Amt und die Herrschaft über die Stadt an sich riss, wie es nämlich Iob 34,24 heißt: ›Gott vernichtet viele, ja unzählige und lässt andere für sie herrschen.‹ Oder sag, dass Saturn, der nach dem ›Sättigen‹ benannt ist, die Sättigung in der Völlerei bedeutet, die tatsächlich insofern Venus erzeugt, als die Sättigung in der Völlerei und die Befriedigung des Bauchs die Lust erregt und Venus [geschlechtliches Begehren] hervorruft. Deshalb sagt Hieronymus: ›Ein Bauch, der vom unvermischten

1 – 2 3. Reg. 15 Reg. 3 G. 2 interfecit Lo1Lo2Pa8V4TrEp; interfecerunt G. 4 dic Lo1Lo2V4TrEp; dicit G; dicitur Pa8. 7 aliquibus Lo1Lo2Pa8V4TrEp; verbis G. 9 Titani Lo1Lo2Ep; tiranni GLPa8; om. Tr. 15 de quo . . . et G; de quo non sperabant et Tr; om. Lo1Lo2Pa8V4Ep. 16 cavebant Lo1Lo2V4Ep; timebat G; credebatur Pa8; sibi . . . cavebat Tr. 17 ad litteram audivi Lo1V4TrEp; audivi G; om. sicut . . . dicitur Pa8. 18 civitate Lo1Lo2V4Ep; civitatis GTr. 18 quidam Lo1Lo2V4TrEp; quendam G. 20 dominium Lo1Lo2V4 TrEp; om. G. 21 34 Ep; om. GLo1Lo2Pa8Tr; lac. V4. 21 perdit GTr; perdidit Lo1; perdet Pa8V4; conteret Ep/Vulg. 22 regnare facit GLo1Lo2Pa8Tr; regnare faciet V4; stare faciet Ep/Vulg. 23 dic Lo1Lo2V4TrEp; dicit G; dicitur Pa8. 26 venerem GLo1Lo2V4Tr; ventrem Ep.

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interpellat, ideo Hieronymus dicit: Venter mero estuans facile spumat in libidinem. 42 Vel pone predictam historiam exemplar, quod impossibile est fatorum destinationem, id est consilii divini ordinationem, fugere, immo per illam viam, per quam vitare credis, necesse habes in eam incidere. Saturnus enim, ne deiceretur, vitare credidit; qui ideo filios legitimos occidit et alienam superduxit uxorem, cuius inde filius Iupiter fati ordinationem adimplevit. Forma Iovis. Capitulum secundum 43

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Iupiter Saturni filius, cui celum et celi regnum in sortem cessit, pingebatur enim in throno eburneo in sua maiestate sedens sceptrumque regni in manu tenens, fulmina etiam altera manu inferius emittens et gigantes repressos fulmine tenens sub pedibus et decalcans. Iuxta eum erat quedam aquila, que volabat et que inter pedes suos quendam puerum pulcerrimum, scilicet Ganymedem, rapiebat. 44 Iupiter dicitur quasi iuvans pater; 45 per Iovem enim intelligebant poete ignem sive calorem. Nulla enim res sic fovet omnia sic-

Wein aufwallt, schäumt leicht in Begierde.‹ 42 Oder bring die vorgestellte Geschichte als ein Beispiel, dass es unmöglich ist, vor dem vorherbestimmten Schicksal, d.h. der Anordnung des göttlichen Ratschlusses, zu fliehen, zumal man auf dem Weg, auf dem man ihm zu entkommen glaubt, in ihn hineinstürzen muss. Saturn glaubte nämlich zu verhindern, gestürzt zu werden; deshalb tötete er seine rechtmäßigen Kinder und heiratete eine andere Gattin, deren Sohn Jupiter so das vorbestimmte Schicksal erfüllte. Kapitel 2: Jupiter 43 Jupiter, der Sohn Saturns, dem der Himmel und die Herrschaft im Himmel zuteil geworden war, wurde dargestellt, wie er in seiner Majestät auf einem elfenbeinernen Thron saß und das Herrscherzepter in einer Hand hielt, mit der anderen Hand Blitze nach unten schleuderte und die mit dem Blitz zurückgedrängten Giganten unter seinen Füßen festhielt und niedertrat. Neben ihm war ein Adler, der flog und in seinen Klauen einen wunderschönen Knaben, nämlich Ganymed, festhielt. 44 Jupiter heißt gleichsam ›helfender Vater‹; 45 denn unter Jupiter verstanden die Dichter das Feuer oder die Wärme; keine Sache belebt nämlich alles so wie die Wär-

22 rapiebat add. Postmissa tamen litterali expositione dic allegorice quod Iuppiter potest significare deum ipsius celi Tr. 23 – 72,2 Iupiter dicitur . . . esse pluviosum pos. infra post Sinite parvulos venire ad me Tr. 1 interpellat Lo1Lo2Pa8V4TrEp; interpollat G. 3 exemplar LLo1Lo2Ep; exemplariter BrE; exemplum V4; om. GTr. 4 impossibile est Lo1Lo2Pa8V4TrEp; ipse G. 4 – 5 destinationem Lo1Lo2Pa8V4TrEp; predestinationem G. 6 immo Lo1Pa8V4TrEp; non valens immo G. 6 per quam G; qua ipsa L; qua ipsam Lo1Tr; quam ipsam Lo2Pa8; qua ipsum V4; quia ipsam Ep. 11 ordinationem LLo1Lo2Pa8Ep; originem G; destinationem Tr. 12 Forma . . . secundum Forma Iovis. Capitulo primo G. 14 cessit cessit.. G. 15 maiestate Lo1Pa8 V4TrEp; magestate G. 16 sceptrumque Lo2Pa8V4TrEp; septrum GLo1; septrumque L. 16 – 17 fulmina . . . manu LLo1Pa8V4Ep; fulmina in altera manu G; una et alteram manum Tr. 19 decalcans G; exultans LLo1 Lo2Pa8V4; conculcans TrEp. 22 Ganymedem Ganimedem Lo1V4TrEp; Ganimmodum G. 23 quasi Lo1Pa8 V4TrEp; qua***G (foramen membrane).

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ut calor. Iupiter enim grece Zeus dicitur, latine calor sive vita interpretatur. 46 Sedens in throno depingitur tamquam rex, nam secundum philosophos Iupiter, qui et ether dicitur, elementorum possidet principatum. Secundum mathematicos hiemalis stelle irradiatio honores hominibus tribuit, 47 propter quod sceptrum describitur tenens. Quod autem fulmina emittit, hoc videtur fictum, quia fulmen ab igne superiore per aerem ad inferiora descendere manifestum est. Quod autem aquilam eius deputant tutele, quam refert fabula Iovi contra gigantes dimicanti ministrasse fulmina, hanc credunt philosophi rationem, quia aquila est nimii caloris, adeo ut etiam ova, quibus supersedet, posset decoquere, nisi agatem lapidem frigidissimum admoveat. 48 Aquila etiam acutissime videt, ita quod solem in suo circulo indefixis oculis respicit. Elemento igitur calidissimo, scilicet etheri, id est Iovi, illud animal consecratur, quia calore abundat et perspicuitate. Alii tamen aliam rationem assignant: Iupiter enim rex erat Crete expulso patre, qui, dum adversus Titanos, id est Titani filios, qui fuerat frater Saturni, bellum suscepisset et sacrificium celo fecisset, in victorie

me. Denn Jupiter heißt im Griechischen ›Zeus‹, was lateinisch als ›Wärme‹ oder ›Leben‹ verstanden wird. 46 Er wird auf einem Thron sitzend abgebildet wie ein König; denn nach den Naturphilosophen nimmt Jupiter, der auch Äther heißt, die erste Stelle unter den Elementen ein. Nach den Astrologen verleiht die Strahlung des Wintersterns den Menschen Ehren. 47 Deshalb wird er ein Zepter haltend beschrieben. Dass er aber auch Blitze aussendet, scheint erfunden zu sein, da es klar ist, dass der Blitz vom oberen Feuer durch die Luft nach unten hinabgeht. Doch auch dass sie seinen Adler für einen Schutz halten, der, wie die mythische Erzählung sagt, Jupiter während seines Kampfes mit Giganten Blitze gereicht habe, halten die Naturkundigen für eine vernünftige Vorstellung, weil der Adler von Natur sehr viel Wärme besitzt, und zwar so viel, dass er sogar seine Eier, auf denen er sitzt, kochen könnte, wenn er nicht den sehr kalten Stein Achat zu ihnen legte. 48 Der Adler sieht auch sehr scharf, so dass er die Sonne in ihrer runden Scheibe mit festem Blick anschaut. Also wird jenes Tier dem wärmsten Element, nämlich dem Äther, d.h. Jupiter, geweiht, da es außerordentliche Wärme und Klarheit besitzt. Andere führen jedoch einen anderen Grund an: Denn Jupiter war nach der Vertreibung seines Vaters König von Kreta; als er gegen die Titanen, d.h. die Söhne des Titan, der ein Bruder Saturns war, einen Krieg begonnen und dem Himmel ein Op-

1 Zeus Ep; Ethor G; Zoys Lo1; Zois V4; Etor Tr. 5 ether LLo1TrEp; ethor G; etherus Lo2; ethereos Pa8; ethereus V4. 5 elementorum GLo1Pa8V4Tr; celorum Ep. 7 hiemalis GLLo1Lo2Pa8Tr; iovialis Ep. 8 propter quod Lo1V4TrEp; propter G; propterea Pa8. 10 hoc . . . fictum LLo1; hoc ab hoc videtur fictum G; ob hoc videtur fictum Lo2Pa8V4Ep; nil aliud significat nisi, quia hoc Tr. 11 superiore Lo1Lo2Pa8TrEp; superiori GV4. 13 quam Lo1Pa8V4TrEp; quem G. 14 dimicanti LLo1Pa8V4TrEp; diiudicanti G. 17 posset Lo1Pa8V4TrEp; possint G. 18 agatem LLo2Pa8V4Ep; agatum G; achatem Lo1; gazantem Tr; cf. gagaten Myth. Vat. III,3,4. 18 admoveat GLo1Lo2Pa8V4Tr; adhibeat Ep. 20 – 21 solem . . . respicit G; solem . . . irreverberatis oculis aspicit Lo1; in solem . . . oculos defigat Lo2Pa8Ep; solem in suo oculo defigat V4; solem in suo circulo fingit Tr. 22 etheri Lo1Pa8V4TrEp; etheu G. 26 Titanos Lo1V4Ep; ticanas GLo2; Tirannos LPa8. 26 Titani LLo1Lo2V4Ep; ticani G; tyranni Pa8Tr.

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auspicium aquile sibi adesse prosperum videt volatum. Cuius cum vicisset augurio, in signis bellicis aquilam auream sibi fecit, et quia auspicium illud victoria secuta est, fictum est, quod eius aquila dimicanti fulmina ministrasset. Unde a felici augurio natum est, ut aquile militum castra sequantur et ideo Romani in suis signis bellicis aquilam fecerunt; unde sicut hec est rex avium, sic ipsi principatum in mundo generalem se obtinere putabant. 49 Porro de Titanis, ne quid poeticum est nescias: ferunt eos fabule contra deos ab irata Terra procreatos ad eius ultionem, sed ipsi a diis fuerunt victi et multipliciter destructi, precipue propter fulmina Iovis. Et quia Sol noluit interesse cum ceteris, sed ab iniuria numinum abstinebat, celum meruit et adhuc pristinum nomen tenet, unde Titan appellatur. 50 Ganymedes 51 erat regis Troianorum filius, 52 puer pulcerrimus, quem Iupiter rapuit, ut eo abuteretur. Unde se in aquilam ad ipsum rapiendum dicitur transmutasse. Secundum fabulas autem postea translatus est in celum et factus est pincerna Iovis et deorum. Unde et Gany-

fer dargebracht hatte, sieht er als Vorzeichen des Sieges den günstigen Flug des Adlers, der ihm beisteht. Nachdem er unter diesem Vorzeichen gesiegt hatte, fertigte er sich einen goldenen Adler für seine Feldzeichen an, und da auf jenes Vorzeichen der Sieg folgte, nahm man an, dass sein Adler ihm im Kampf Blitze gereicht habe. Daher rührt von jenem günstigen Vorzeichen der Brauch, dass Adler den Heerlagern folgen, und deshalb brachten die Römer an ihren Feldzeichen den Adler an. Daher glaubten sie, selbst die gesamte Herrschaft in der Welt innezuhaben, so wie dieser der König der Vögel ist. 49 Damit man ferner von den Titanen genau weiß, was die Dichtung sagt: Die mythischen Erzählungen berichten, dass sie von der erzürnten Terra [Erde] zu ihrer Rache an den Göttern erschaffen, jedoch von den Göttern besiegt und auf vielfältige Weise vernichtet worden sind, besonders aber mit den Blitzen Jupiters. Und weil Sol [die Sonne] nicht mit den übrigen mitmachen wollte, sondern sich vom Unrecht an den Göttern fernhielt, verdiente er sich als Lohn den Himmel und hat bis jetzt seinen früheren Namen behalten, weshalb er Titan heißt. 50 Ganymed 51 war der Sohn des Königs der Trojaner 52 , ein sehr schöner Knabe, den Jupiter raubte, um ihn zu missbrauchen. Daher soll er sich in einen Adler verwandelt haben, um ihn zu rauben; nach den mythischen Erzählungen wurde er aber später in den Himmel aufgenommen und dort zum Mundschenk Jupiters und der Götter gemacht. Daher ist Gany-

4 illud LLo1Lo2Pa8V4; nulla G; id Ep; ita in Tr. 6 ministrasset GLo1Tr; ministret Lo2; ministrabat Pa8; ministrat V4Ep. 7 sequantur Lo1Pa8V4Ep; sequatur G; (aquila . . .) sequatur L; consecratur Tr. 9 unde G; ut Lo1Pa8; ut et Lo2V4Ep; et Tr. 12 quid GTrEp; quod LLo1Lo2V4. 12 – 13 est nescias Lo1V4TrEp; ex lac. G; om. Pa8. 13 ferunt Lo1Pa8V4Ep; si inter G; fecerunt Tr. 14 procreatos LLo1Lo2V4Tr; procreatas G; percreatos Ep. 15 victi Lo1Pa8V4TrEp; superacti lac. G. 15 multipliciter Lo1Pa8V4TrEp; lac. G. 18 numinum LLo1Ep; minimum G; nimium V4; minime Tr. 20 Titan Lo1Pa8V4TrEp; dithan G. 20 – 21 erat . . . puer Ep; etiam regimine thicanorum filius G; erat regis Titanorum filius, puer LLo1V4; erat filius tyrannorum puer Pa8Lo2Tr. – Cf. Myth. Vat. III,3,5.

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medes est signum, quod aquarium dicitur, quod constat esse pluviosum. 53

med auch das Sternzeichen, das Wassermann heißt, von dem bekannt ist, dass es regenspendend ist. 53

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Sed istis omissis allegorice est dicendum, quod Iupiter potest significare deum, celi principem et magistrum, Is. 66: Celum mihi sedes est. Qui in throno summe maiestatis sedet, virgam iustitie et equitatis, qua cuncta regit, manu tenet, qui fulmina rigoris et punitionis contra malos mittit et gigantes, id est mundi superbos et demones, calcat et confundit, Is.: Terram gigantum detrahes in ruinam. Sibi autem assistunt aquile, id est angeli, qui pueros, id est viros innocentes et puros, in morte rapiunt ipsosque in celum sublevant et extollunt. Vel aquile sunt predicatores, qui pueros, id est immundos et peccatores, elevant ipsosque verbo et exemplo ad deum rapiunt, Mt. 19: Sinite parvulos venire ad me. Vel dic, quod Iupiter est bonus prelatus, qui revera in throno maiestatis et auctoritatis debet sedere, virgam iustitie debet tenere, fulmina aspere correctionis debet habere, quam debet contra gigantes, id est superbos et tyrannos mundi, mittere ipsosque, ne contra celum, id est ecclesiam, insurgere presumant et ne aliis noceant, debet reprimere et arcere, Iob 40: Contere superbos in furore tuo et omnem arrogantem

Moralisierung Im Anschluss an diese Erläuterungen ist allegorisch zu erklären, dass Jupiter Gott, den Fürsten und Lenker des Himmels, bedeuten kann, Is. 66,1: ›Der Himmel ist mein Thron.‹ Dieser sitzt auf dem Thron der höchsten Majestät, er hält den Stab der Gerechtigkeit und Billigkeit in der Hand, mit dem er alles lenkt, er entsendet Blitze der Strenge und Strafe gegen die Bösen und er zertritt und vernichtet die Giganten, d. h. die Hochmütigen der Welt und die Dämonen, Is. 26,19: ›Das Land der Giganten wirst du hinab in den Ruin ziehen.‹ Ihm leisten aber Adler Hilfe, d. h. Engel, die Knaben, d. h. unschuldige und reine Männer, in der Todesstunde ergreifen und sie aufheben und in den Himmel emportragen. Oder die Adler sind Prediger, die die Knaben, d.h. die Unreinen und Sünder, emporheben und sie durch Wort und Vorbild zu Gott führen, Mt. 19,14: ›Lasst die Kinder zu mir kommen.‹ Oder sag, dass Jupiter ein guter Prälat ist, der in der Tat auf dem Thron der Majestät und der Autorität sitzen, den Stab der Gerechtigkeit halten und Blitze der harten Zurechtweisung besitzen muss, die er gegen die Giganten, d. h. die Hochmütigen und Tyrannen der Welt, entsenden muss und sie, damit sie es nicht wagen, sich gegen den Himmel, d.h. die Kirche, zu erheben und anderen zu schaden, zurückdrängen und zügeln muss, Iob 40,6: ›Zertritt die Hochmütigen in deinem Zorn und erniedri-

10 punitionis Lo1Lo2Pa8V4TrEp; punctionis G. 11 superbos et demones Lo1Pa8TrEp; superbos G; superbos, id est demones Lo2V4. 12 Is. Ysa. lac. G; Ysa Lo1V4; Ys. Lo2Tr; Ysaie Pa8; Esa Ep. 13 autem dupl. autem G. 15 puros LLo1Lo2V4; pueros G; probos Ep; om. et pueros Pa8Tr. 15 ipsosque Lo1Pa8V4Ep; ipsos G; id est Tr. 18 ipsosque Lo1V4TrEp; ipsos quia G. 19 Mt. 19 Mt. 8 G. 21 dic Lo1V4TrEp; dicit G; dicitur Pa8. 22 maiestatis maaiestatis G, sed corr. 27 contra Lo1Pa8V4TrEp; circa G. 28 ne Lo1Lo2Pa8V4TrEp; ut G. 29 Iob 40 Ep; Iob lac. G. 29 contere GLo1Pa8V4Tr; disperge Ep/Vulg.

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humilia. Aquile, que clare vident, id est viri discreti, prudentes et astuti, debent talibus assistere, qui scientia et doctrina debent pueros, id est simplices, ad etherem, id est ad contemplationem celestium, elevare. Prelatos enim et principes decet tales consiliarios habere et familiares, qui more aquile possint pueros, id est simplices, sursum rapere et a carnalibus verbo et exemplo ad celestia elevare, Iob 39: Numquid ad preceptum tuum elevabitur aquila? Vel dic, quod Iupiter est malus princeps, qui virgam spiritualis iurisdictionis habet, in throno temporalis dignitatis sedet, mittit fulmina crudelitatis, percutit gigantes, id est viros magnos et sanctos vilipendit, et aquilas, que rapiunt pueros, id est crudeles familiares, qui innocentes gravant, sibi appropriat. Aquila enim armiger figuratur Iovis, quia sibi bellanti contra gigantes fulmina ministravit, et ideo, ubicumque fuerit Iovis imago, aquila assistere videtur. Sic revera tales crudeles, qui more aquile acute vident per malitiam, alte volant per superbiam status, rapiunt per sevitiam, tales domino Iovi, id est principibus ac prelatis, ministrant fulmina, id est malitiam fulminandi et ardorem violentie seu rapine inducendi; quod faciunt mala consilia

ge jeden Anmaßenden.‹ Adler, die deutlich sehen, d. h. verständige, umsichtige und kluge Männer, müssen solchen helfen, die durch Kenntnis und Lehre Knaben, d. h. einfältige Menschen, zum Himmel, d. h. zur Betrachtung himmlischer Dinge, emporheben müssen. Denn für Prälaten und Fürsten ziemt es sich, solche Ratgeber und Hausgenossen zu haben, die nach Art des Adlers die Knaben, d.h. einfältige Menschen, emporführen und sie durch Wort und Vorbild von den weltlichen Dingen zu den himmlischen erheben können, Iob 39,27: ›Wird sich der Adler denn wohl auf deinen Befehl so hoch erheben?‹ Oder sag, dass Jupiter ein schlechter Fürst ist, der den Stab geistlicher Rechtssprechung innehat, der auf dem Thron seiner weltlichen Würde sitzt, Blitze der Grausamkeit schickt, die Giganten trifft, d.h. große heilige Männer gering achtet, und Adler, die Knaben rauben, d. h. grausame Höflinge, die unschuldige Menschen bedrängen, bei sich hält. Denn der Adler wird als Waffenträger Jupiters abgebildet, da er ihm, als er gegen die Giganten Krieg führte, Blitze anreichte, und deshalb erscheint überall, wo ein Bild Jupiters war, der Adler, der ihm zu Diensten ist. So reichen in der Tat solch grausame Menschen, die nach Art des Adlers durch Bosheit scharf sehen, durch Stolz auf ihren Stand hoch fliegen, durch Grausamkeit rauben, dem Gott Jupiter, d. h. den Fürsten und den Prälaten, Blitze, d.h. die Bosheit damit herabzuschleudern und das Feuer der Gewalt oder des Raubes zu entfachen; das machen sie, indem sie schlechte Ratschläge erteilen. Es

2 debent Lo1V4TrEp; dicunt G. 3 debent LLo1Lo2Pa8V4; ducunt G; om. TrEp. 4 etherem G; amorem Lo1 Lo2Pa8V4TrEp. 5 elevare GLo1Lo2Pa8V4Tr; elevant Ep. 14 sedet Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 14 – 15 mittit fulmina . . . percutit gigantes G; fulmina . . . portat, gigantes Lo1Pa8V4TrEp. 18 – 19 sibi appropriat coni.; sibi appropriant GLo1Lo2V4TrEp; puniunt et opprimunt Pa8. 20 gigantes Lo1Pa8V4TrEp; egiptios G. 23 tales Lo1Pa8V4Ep; tales volunt G; om. Tr. 26 domino Iovi Pa8V4; dico Iovis G; Iovi L; soli Iovi Lo1; dico Iovi Tr BrE; deo Iovi Ep. 29 inducendi . . . faciunt Lo2V4Ep; inducendo G; inducendi qualia faciunt LLo1; induendi, quod scilicet fatiunt eis Tr.

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dando. Pauci sunt hodie, qui principibus et prelatis assistunt, nisi tales similes aquilis, Ez. 1: Facies aquile desuper ipsorum quattuor. Sicut secundum fabulas Vulcanus, qui erat claudus et turpis, et Cyclopes, qui erant monoculi, fulmina Iovis fabricaverunt et propter turpitudinem dicti sunt de celo eiecti, sic ballivi et persone inferiores, viles scilicet et deformes, qui propter proditionem et falsitatem claudicant et per ignorantiam tamquam monoculi parvum vident, fulmina crudelitatis, id est rapine, pre ceteris fabricant, cogitant et extorquent. Dic igitur litteraliter, quod Iupiter est ether superior, qui in throno sedere et virgam tenere dicitur pro eo, quod omnibus rebus inferioribus principatur, fulmina mittit, quia scilicet fulmen ab ipsa superiore parte aeris descendit. 54 Aquilam vero habet sociam, que sola inter aves ad superioris aeris potest volare celsitudinem et ideo ista armigera Iovis esse dicitur pro eo, quod ad locum etheris, ubi fiunt fulmina, volare creditur. 55 Forma Martis. Capitulum tertium 56 Mars tertius deorum pingitur vel fingitur pro eo, quod stella in planetarum ordine tertia continetur. 57 Erat igitur figura Martis imago hominis furibundi in curru seden-

gibt heute wenige, die den Fürsten und Prälaten helfen, nur solche, die solchen Adlern ähneln, Ez. 1,10: ›Das Angesicht eines Adlers bei allen vier oben.‹ Wie nach den mythischen Erzählungen Vulcan, der lahm und hässlich war, und die Cyclopen, die nur ein Auge hatten, die Blitze des Jupiter herstellten und wegen ihrer Hässlichkeit aus dem Himmel vertrieben worden sein sollen, so stellen die Verwalter und untergeordneten Personen, die Niedrigen und Hässlichen nämlich, die aufgrund ihres Verrats und ihrer Falschheit hinken und durch ihre Unwissenheit gleichsam als Einäugige zu wenig sehen, vor allen anderen Blitze der Grausamkeit, d.h. des Raubes, her, ersinnen sie und erpressen. Sag also im Literalsinn, dass Jupiter der obere Äther ist, der – so sagt man – auf einem Thron sitzt und einen Stab hält, da er über alle weiter unten liegenden Dinge herrscht, und Blitze schleudert, weil der Blitz aus dem höher liegenden Teil der Luft herabfährt. 54 Den Adler aber hat er als Gefährten, da der als einziger der Vögel in die Höhe der höher liegenden Luftschichten fliegen kann und deshalb Waffenträger Jupiters genannt wird, weil man glaubt, dass er zu dem Ort des Äthers fliegt, wo die Blitze entstehen. 55 Kapitel 3: Mars 56 Mars wird als dritter der Götter gemalt oder vorgestellt, da der Stern Mars an dritter Stelle in der Ordnung der Planeten steht. 57 Die Gestalt des Mars war das Bild eines wuterfüllten Mannes, der auf einem Wagen

2 assistunt LLo1Lo2Ep; assistant GPa8V4Tr. 2 tales GLo1Pa8V4; sint Ep. 8 ballivi Lo1Lo2Pa8V4Ep; bailivi G; om. Tr. 9 qui Lo2Pa8V4TrEp; que GLLo1. 9 propter GPa8V4; per LLo1Lo2TrEp. 14 Dic Lo1V4TrEp; dicitur GPa8. 17 principatur GLLo1Lo2V4; dominatur Pa8Tr; principaliter Ep. 18 superiore Lo2Pa8Ep; superiori GLo1V4; om. Tr. 20 – 21 superioris aeris Lo1V4TrEp; superiora aera G. 22 armigera GLo2Ep; armiger LLo1Pa8V4Tr. 23 etheris G; add. vel saltem superioris partis aeris Lo1Ep; vel saltem superioris partis Pa8V4; saltem in superiori parte aeris Tr. 25 Forma . . . tertium Forma Martis. Capitulo tertio G (et add. Forma Martis in marg.). 27 stella GLo2V4; stella Martis LLo1Tr; stella eius Ep.

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tis, galeam habentis in capite et flagellum in manu portantis. Ante eum vero lupus pingebatur, quia illud animal ab antiquis sibi specialiter consecrabatur; 58 iste enim Mavors, id est mares vorans, dicebatur a gentibus. In cuius honorem secundum Solinum libro 1 Neuri sacrificabant mucronibus. 59 Ista omnia voluerunt poete confingere ad ostendendum naturam istius stelle Martis: Que calida est et sicca et ideo colerice complexioni dicitur dominari. Propter hoc dicebatur homo furibundus et ideo eius efficacia mediante bella et seditiones dicuntur moveri et ideo fingebatur in curru galeatus. Moraliter

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Dic ergo allegorice, quod per istum deum et eius imaginem possunt intelligi mundani principes et tyranni et maxime bellicosi. Isti enim in curru dicuntur sedere, quia scilicet nulla stabilitate fulciuntur, immo affectus eorum, status et cogitatio ad currus similitudinem convertuntur. Reg. 25: Impii quasi plaustrum rotabuntur, 60 et Eccli. 33: Precordia impii quasi rota plaustri. Galeata et terribili facie Mars pingitur, quia tales nituntur, ut hominibus terribiles appareant,

sitzt, einen Helm auf dem Kopf trägt und eine Peitsche in der Hand hält. Vor ihm aber wurde ein Wolf gemalt, weil jenes Tier ihm von den Alten besonders geweiht war; 58 denn dieser wurde von den Heiden Mavors, d. h. Männer verschlingend, genannt. Ihm zu Ehren opferten nach Solins erstem Buch die Neurer den Schwertern. 59 Dies alles wollten die Dichter erfinden, um die Natur dieses Sterns Mars zu zeigen: Diese ist warm und trocken, und deshalb sagt man, er sei Herr über das cholerische Temperament. Deshalb wurde er ›wütender Mann‹ genannt, und deshalb – heißt es – wurden unter seiner Wirkung Kriege und Aufstände ausgelöst und deshalb wurde er behelmt im Wagen vorgestellt. Moralisierung Sag also allegorisch, dass unter diesem Gott und unter seinem Bildnis weltliche Fürsten und Tyrannen, und zwar besonders kriegerische, verstanden werden können. Denn diese, sagt man, sitzen in einem Wagen, da sie nämlich von keiner Stabilität gestützt werden, vielmehr wenden sich ihr Streben, Zustand und Denken nach Art eines Wagens, 1. Reg. 25,29: ›Die Frevler werden wie ein Wagen gedreht werden,‹ 60 und Eccli. 33,5: ›Das Herz eines Frevlers ist wie ein Wagenrad.‹ Mit einem Helm und schrecklichem Anblick wird Mars dargestellt, da solche Menschen sich bemühen, den Menschen schrecklich zu erscheinen, und sie

3 illud animal Lo1Pa8V4TrEp; illud G; istud animal Tr. 5 Mavors LLo1Pa8V4TrEp; Manors G; maiores Lo2. 5 mares Lo1Pa8V4Ep; mars G. 5 vorans G; add. et deus bellorum Lo1Pa8V4TrEp. 6 honorem Lo1V4TrEp; honore GPa8. 7 Neuri coni.; ventrigeri GEp, sim. Lo2Pa8V4; vectigeri L; vettigeri Lo1; p[r]opulo neutorum Tr; Neuri cf. Solinus, Collect. rer. memor. I,15. 7 sacrificabant Lo1Pa8V4TrEp; sacrificabat G. 10 ostendendum Lo1Pa8V4TrEp; domandum G. 11 colerice Lo1Pa8V4TrEp; colorice G. 15 moveri Lo1Lo2Pa8TrEp; noveri G; om. V4. 19 et GLo1Pa8Tr; ut Lo2V4Ep. 20 quia Lo1Pa8V4TrEp; quasi G. 23 Reg. 25 Reg. 14 G. 24 Eccli. 33 Ep; Eccli. lac. G; om. Pa8V4. 25 precordia . . . plaustri codd.; add. precordia fatui, id est impii, quasi rota carri et quasi axis versatilis cogitatus illius Ep. 25 – 26 Galeata . . . pingitur Pa8V4Tr; galleata et terribilis filia Martis fingitur G; galeata . . . pingebatur LLo1; galeata et terribili facile Mars pingitur Lo2; galeatus et terribilis facie Mars pingitur Ep. 27 terribiles GLo1Pa8V4Tr; terribiliter Ep.

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et in armis et in talibus se delectant et ideo flagello dicuntur armati ex eo, quod ad flagellandum homines videntur ordinati. Quapropter lupus ante eos depingitur, per quem ipsorum rapax et lupina familia designatur, quia tales tyranni semper habent secum lupos, id est crudeles familiares, qui sciant et velint oves, id est simplices subditos, ledere et ab eis tollere, de quibus possint opera bellica exercere. Lupi enim dicuntur Marti consecrati, quia talibus dominis et tyrannis lupini, impii senescalli cari et accepti habentur, Prov. 29: Princeps, qui libenter audit verba mendacii, omnes ministros habebit impios. Isti igitur dicuntur dii bellorum, quia non curant nisi de contentionibus et bellis. Dicuntur etiam Mavortes quasi mares, id est viros bonos et virtuosos, vorantes, quia pro certo isti solent magis mares quam feminas, bonos quam malos lacerare. Neuri, id est eorum mali servi, ut eis complaceant, enses et arma adorare dicuntur, inquantum amore magistrorum suorum in bellis et seditionibus in armorum exercitiis delectari dicuntur. Vel dic, quod currus, in quo sedent, significat virorum strepitum et tumultum; qui scilicet in quattuor rotis, id est in quattuor affectionibus malis vel quattuor superbie generibus, volvitur, scili-

erfreuen sich an Waffen und solchen Dingen, und deshalb, so heißt es, sind sie mit einer Peitsche bewaffnet, da sie dazu bestimmt zu sein scheinen, die Menschen zu geißeln. Deshalb wird der Wolf vor ihnen abgebildet, durch den ihre räuberische und wölfische Hausgemeinschaft bezeichnet wird, weil solche Tyrannen immer Wölfe bei sich haben, d.h. grausame Verwandte und Diener; diese verstehen sich darauf und haben den Willen, Schafe, d.h. einfache Untergebene, zu verletzen und ihnen das zu nehmen, womit sie Kriegswerke ausüben könnten. Man sagt nämlich, die Wölfe seien Mars geweiht, da solchen Herren und Tyrannen wölfische, ruchlose Seneschalle lieb und willkommen sind, Prov. 29,12: ›Der Fürst, der gerne lügnerische Worte hört, wird nur Frevler als Diener haben.‹ Diese werden also als Kriegsgötter bezeichnet, weil sie sich um nichts kümmern als um Kämpfe und Kriege. Man nennt sie auch ›Mavortes‹ [mares vorantes], da sie gleichsam Männer, d. h. gute und tugendhafte Männer, verschlingen und da sie in der Tat eher gewohnt sind, Männer als Frauen, eher Gute als Böse zu zerreißen. Von den Neurern, d.h. ihren bösen Dienern, sagt man, dass sie, um ihnen zu gefallen, Schwerter und Waffen anbeten, sofern sie sich offenbar aus Liebe zu ihren Herren in Kriegen und Aufständen an Waffenübungen erfreuen. Oder sag, dass der Wagen, auf dem sie sitzen, den Lärm und Aufruhr der Männer bezeichnet; denn dieser wird von vier Rädern, d. h. von vier schlechten Affekten oder den vier Arten des Hochmuts, in

1 armis Lo1V4TrEp; vermis G. 1 delectant LLo2Pa8V4Ep; dillatant G; delectent Lo1; delectantur Tr. 9 et . . . tollere G; et . . . tollitur illa Ep; om. et . . . tollere LLo1Lo2Pa8V4Tr. 13 Prov. 29 Prov. 27 G. 18 et Lo1Pa8V4TrEp; om. GLo2. 19 isti Lo1Pa8V4TrEp; ibi G. 20 bonos . . . malos Lo1Lo2Pa8V4TrEp; bonos quam malos de sua familia expellere LLo1; om. G. 21 Neuri coni.; ventrigeri GEp, sim. Lo2Pa8V4; vectigeri L; vettigeri Lo1; neuti Tr. 23 inquantum in G, sed add. -quantum supra lin. 25 currus Lo1V4Pa8TrEp; carrus G. 26 sedent GLo1V4Tr; sedet Pa8Ep. 26 strepitum Lo1Pa8V4TrEp; septtrum G, sed corr. septrum. 27 in quattuor G; quattuor Lo1V4TrEp; quia habet quattuor rotas . . . Pa8. 29 volvitur Ep; vehitur LLo1; habet Pa8; om. GLo2V4Tr.

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cet superbia, que nascitur ex nobilitate, ex auctoritate, ex fortitudine et ex divitiarum amplitudine, ita quod circa eos tumultus et pompe et iactantie obauditur, Ps.: Hi in curribus et hi in equis. Vel dic, quod Mars significat peccatum discordie, que in curru malitie sedet. Quam discordiam vel malitiam quattuor rote, id est quattuor vitia spiritualia, trahunt, scilicet avaritia, superbia, detractio et invidia; iste enim quattuor rote seu vitia, que Martem, id est discordiam, portant, ipsam discordiam generant et confortant. Ista autem discordia flagellum dicitur portare, quia ipsa mediante alii flagellantur. Neuri autem proprie viri litigiosi et brigosi Martem, deum belli, id est vitium discordie, colere dignoscuntur. Forma Apollinis. Capitulum quartum 61

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Quartus deorum est Apollo, quem propter hoc quartum pono, quia Sol, qui et Apollo dicitur, inter planetas quartum locum tenet in celo. Iste pingebatur in forma iuvenis: nunc in puerili facie, nunc in senili, nunc in capite diversimode apparens. Iste super caput portabat tripodam auream. In

Bewegung gesetzt, nämlich von dem Hochmut, der aus der vornehmen Abstammung erwächst, von der Macht, von der Stärke und von der Größe des Reichtums, so dass man um sie herum Lärm von Pomp und Prahlerei tönen hört, Ps. 19,8: ›Diese auf Wagen und diese auf Pferden.‹ Oder sag, dass Mars die Sünde der Zwietracht bedeutet, die auf dem Wagen der Bosheit sitzt. Die Zwietracht oder Bosheit ziehen vier Räder, d. h. vier geistliche Laster, nämlich Habgier, Hochmut, Verleumdung und Neid; denn diese vier Räder oder Laster, die Mars, d.h. die Zwietracht, befördern, erzeugen und stärken eben diese Zwietracht. Von der Zwietracht aber heißt es, sie trage eine Peitsche, da mit ihrer Hilfe andere gegeißelt werden. Die Neurer aber, Männer, die ihre Streitsucht und Kampfbereitschaft eigentlich kennzeichnet, verehren – wie bekannt ist – den Kriegsgott Mars, d. h. das Laster der Zwietracht. Kapitel 4: Apollo 61 Der vierte der Götter ist Apollo, den ich deshalb als vierten behandle, weil Sol, der auch Apollo heißt, unter den Planeten den vierten Platz am Himmel einnimmt. Dieser wurde in Gestalt eines jungen Mannes gemalt: bald mit jungen Gesichtszügen, bald mit greisenhaften, bald in wieder anderen Erscheinungsformen des Hauptes. Dieser trug auf seinem Haupt einen golde-

2 auctoritate auctorita G, sed add. -te supra lin. 4 obauditur GLo1Pa8V4Tr; ob hoc audiuntur Ep. 5 et om. G, sed add. supra lin. 10 invidia G; iniuria Lo1Lo2Pa8V4TrEp. 12 id est discordiam GLo2Pa8Ep; seu discordiam V4; et discordiam, lites et bella Lo1; lites, discordiam, bella et controversiam Tr. 12 – 13 portant . . . generant G; portant, generant Lo1Lo2V4TrEp; trahunt, eam generant Pa8. 15 flagellantur G; add. Mavors dicitur, quia ad litteram mares in preliis devorantur Lo1Lo2V4Ep; add. praeterea et sic fit maxime per discordiam Pa8. 15 Neuri coni.; ventrigeri GEp, sim. Lo2Pa8V4; vectigeri L; vettigeri Lo1; neuti Tr. 16 proprie GEp; id est Lo1; proprii V4; populi Pa8Tr. 16 litigiosi et brigosi LLo1Lo2V4Ep; litigsosi et lingosi G; bellicosi litigiosi Pa8 et add. sacrificant mucronibus; Mavors autem dicitur, quia mares ad literam pre aliis devorantur. Neutri vero populi, id est viri litigiosi Tr. 18 dignoscuntur add. et ad eius gloriam enses et gladios adorare, id est amare ipsum diligere ac celebrare honorare atque festare etc. Tr. 19 Forma . . . quartum Forma Apollini. Capitulo 4, et add. forma in marg. G. 19 Apollinis V4Ep; Appolinis G. 20 – 21 quem . . . quia LL1L2Tr; id est G; propter hoc quod V4; quapropter hunc quarto loco pono quia Ep.

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una vero manu portabat sagittas, arcum et pharetram, in alia vero tenebat citharam. Sub pedibus erat pictum monstrum quoddam terrificum, cuius corpus erat serpentinum triaque habebat capita, scilicet caninum, lupinum et leoninum; que, licet inter se essent diversa, in unum tamen corpus conveniebant, et unam solam caudam serpentinam habebat. Iuxta Apollinem vero laurus viridis depicta erat, ubi corvus niger desuper volitans pingebatur; et illa avis ipsi erat specialiter consecrata. Sub lauro novem muse choream ducebant et circa Apollinem cantus melodiam depromebant. A longe vero Python serpens maximus pictus erat, quem una ipsius Apollinis sagitta per medium transfigebat. 62 Dic litteraliter, quod Apollo est Sol, qui communiter iuvenis pingitur pro eo, quod diebus singulis oriatur; in diversas etates se variat pro eo, quod secundum horas diei sol continue se immutat: 63 ut scilicet in mane dicatur puer, quia rubet, in meridie vir, quia fervet, in sero senex, quia pallet. Iste arcum tenet et sagittam emittit, quia sol iridem causat et suos radios ad nos mittit. Citharam vero portat pro eo, quod totius celestis melodie sonos modificat, tripodam habet in capite propter tria beneficia, scilicet calorem, splendorem et propter interiorem vigorem; que quidem tria ipse Sol in cunctis viventibus operatur. Monstrum cum

nen Dreifuß. In der einen Hand trug er Pfeile, Bogen und einen Köcher, in der anderen aber hielt er eine Kithara. Unter seinen Füßen war ein Schrecken erregendes Ungeheuer dargestellt, dessen Körper der einer Schlange war und drei Köpfe hatte, nämlich einen Hunde-, einen Wolfs- und einen Löwenkopf, die, mögen sie auch untereinander verschieden gewesen sein, dennoch in einem einzigen Körper zusammenkamen, und dieser hatte nur einen Schlangenschwanz. Neben Apollo aber war ein grüner Lorbeer abgebildet, über dem ein schwarzer Rabe im Flug gemalt war; und jener Vogel war ihm besonders geweiht. Unter dem Lorbeerbaum führten die neun Musen einen Chorreigen auf und ließen um Apoll einen melodischen Gesang ertönen. In der Ferne aber war die riesige Schlange Python dargestellt, die ein Pfeil des Apoll in der Mitte durchbohrte. 62 Sag im Literalsinn, dass Apollo der Sonnengott ist, der in der Regel als junger Mann dargestellt wird, da er an jedem einzelnen Tag aufgeht; in die verschiedenen Lebensalter wandelt er sich, weil die Sonne sich nach den Tagesstunden beständig verändert: 63 wie er nämlich am frühen Morgen Knabe genannt wird, weil er rot ist, am Mittag Mann, weil er glüht, am Abend Greis, weil er bleich ist. Er hält einen Bogen und schießt einen Pfeil ab, da die Sonne den Regenbogen erschafft und ihre Strahlen zu uns schickt. Die Kithara aber trägt er, weil er die Töne der gesamten Sphärenmusik abmisst, einen Dreifuß hat er auf dem Kopf wegen der drei Wohltaten, nämlich der Wärme, des Lichts und der inneren Lebenskraft; diese drei bewirkt Sol sicher in allen Lebewesen. Das Ungeheuer mit den

4 terrificum Lo1Lo2Pa8V4TrEp; terribile G. 9 habebat GLo2V4Tr; habebant Lo1Pa8Ep. 9 Apollinem Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 13 circa Lo1Pa8V4TrEp; certam G. 15 Python Phyton GLo1V4; Phiton TrEp. 19 iuvenis Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 22 continue Lo1Pa8V4TrEp; convenienti G. 26 causat LLoPa82; ca lac. G; causant Lo1V4; creat TrEp. 31 que . . . Sol G; que Lo1Lo2; qualiter V4; quem Tr; qui Ep.

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tribus capitibus est tempus, quod ab ipso tripliciter mensuratur, quia scilicet canis blandiens est tempus futurum, quod semper per spem futurorum homini blanditur; lupus vero tempus preteritum, quod more lupi rapit et aufugit, dum subito volvitur; leo significat tempus presens, quia scilicet stat et fugere dedignatur. Iste laurum et corvum et musas sibi appropriat, inquantum scilicet corvus in estate mediis fervoribus nidificat 64 et lauri viror in estate durat. Muse vero, id est subtiles persone, ab ipso dependent et subtilitatem ingenii sibi debent; unde igitur iste deus Sol et Apollo, quod idem est, prudens dicitur pro eo, quod luce sua et significatione occulta manifestantur. 65 Moraliter

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Per istum Apollinem possum intelligere quemlibet virum iustum et maxime prelatum, quia vir iustus vel prelatus revera imago solis dicitur, inquantum solem iustitie pro viribus imitatur, unde Mt. 22: Cuius est imago hec et superscriptio? Iste enim debet apparere quandoque iuvenis hilaris et iocundus, quandoque autem senex, scilicet gravis et maturus, quandoque canus, id est prudens et sensatus, quandoque sine barba, id est sine mundana sapientia quasi ignarus, quia revera illud est, quod ad quemlibet bonum prelatum pertinet, quod sciat diversimode se mutare et secundum

drei Köpfen ist die Zeit, die von ihm dreifach bemessen wird, da der schmeichelnde Hund nämlich die zukünftige Zeit ist, die dem Menschen durch die Hoffnung auf Zukünftiges stets schmeichelt; der Wolf aber ist die vergangene Zeit, die nach Art des Wolfes raubt und flieht, indem sie plötzlich abläuft; der Löwe bedeutet die gegenwärtige Zeit, weil sie steht und sich weigert zu fliehen. Dieser macht sich den Lorbeer, den Raben und die Musen zu eigen, sofern der Rabe im Sommer mitten in der Hitze nistet 64 und das Grün des Lorbeers im Sommer anhält. Die Musen aber, d. h. feinsinnige Personen, sind von ihm abhängig und schulden ihm die Feinheit ihrer Begabung. Deshalb wird dieser Gott Sol oder Apollo, was dasselbe ist, als klug bezeichnet, da durch sein Licht und seine Zeichen geheime Dinge offenbar werden. 65 Moralisierung In diesem Apollo kann ich jeden gerechten Mann erkennen und besonders einen Prälaten, da ein gerechter Mann oder Prälat in der Tat ›Abbild der Sonne‹ heißt, sofern er die Sonne der Gerechtigkeit [Christus] nach Kräften nachahmt; daher heißt es Mt. 22,20: ›Wessen Bild und Inschrift ist das?‹ Denn jener soll bisweilen jung, heiter und angenehm erscheinen, bisweilen aber als Greis, nämlich ernst und reif, bisweilen als ein Mann mit weißem Haar, d. h. klug und weise, bisweilen bartlos, d. h. ohne weltliche Weisheit gleichsam unwissend; denn in der Tat ist es das, was zu jedem guten Prälaten gehört, dass sich dieser auf viel-

1 – 2 ab ipso tripliciter Lo1Pa8V4TrEp; ter G. 9 musas Lo1 Pa8V4TrEp; musam G. 10 – 11 mediis fervoribus Lo1V4TrEp; in ederis frondosis G; et fervoribus Pa8. 13 dependent dependet G, sed corr. 14 debent om. G, sed add. infra in marg. 15 prudens dicitur Pa8; dicitur G; quod prudens dicitur Lo1Lo2V4Ep; om. Tr. 18 Moraliter moralis G et dupl. moralis in marg. 22 – 23 solem iustitie Lo1Pa8V4TrEp; solem Christum G. 23 Mt. 22 Ep; Marci lac. G; Mt. Lo1Pa8Tr; Mt. lac. V4. 25 – 26 debet . . . iocundus Lo1Lo2Pa8V4 Ep; quandoque dicitur hilaris et iocundus et iuvenis apparere GTr. 27 – 28 quandoque . . . sensatus GLo1 Pa8V4Tr; om. Lo2Ep. 30 – 31 est . . . quemlibet G; est, quod ad unumquemque Lo2Pa8V4; unum, quod ad Lo1Tr; ad unumquemque Ep.

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loca, tempora, personas et conditiones diversimode variare exemplo apostoli, qui dicebat ad Cor.: Omnibus omnia factus sum, ut omnes lucri facerem. Debet enim se simulare iuvenem cum iuvenibus, senem cum senibus etc. Iste enim debet tripoda aurea, id est trinitatis imagine, esse ornatus, citharam divine laudis debet habere, arcu, pharetra et sagitta iustitie debet esse armatus et ad sagittandum et corrigendum pythonem, id est serpentinos peccatores, debet esse continue paratus. Iuxta ipsum debent pythones, id est mali et peccatores, vulnerati iacere et correcti; sagitte enim potentis debent esse acute cum carbonibus desolatoriis [Ps. 119]. Super omnia iste debet calcare, id est sub pedibus habere monstrum terrificum, scilicet conspiratores et collegii turbatores, qui, licet inter se sint contrarii et diversi, ad conspirandum tamen contra alios sunt coniuncti; qui, licet sint canes blandiendo, leones seviendo, lupi fugiendo, in unam tamen caudam serpentinam, id est in unam malitiam, conveniunt contra bonos multipliciter machinando. Figurati vulpibus Samsonis, quarum facies erant diverse, caude tamen invicem copulate, 66 quia revera malignorum hominum corda seu facies mentis numquam per

fältige Weise zu verändern und sich entsprechend den Orten, Zeitumständen, Personen und Bedingungen vielfältig zu wandeln weiß nach dem Vorbild des Apostels, der zu den Corinthern sagte [1. Cor. 9,22]: ›Allen bin ich alles geworden, damit ich allen Gewinn bringe.‹ Er muss nämlich als junger Mann den Jungen, als alter Mann den Alten usf. ähnlich werden. Denn dieser muss mit einem goldenen Dreifuß, d.h. mit einem Bildnis der Trinität, geschmückt sein, er muss die Kithara des göttlichen Lobpreises haben, er muss mit Bogen, Köcher und Pfeil der Gerechtigkeit bewaffnet sein und er muss ständig bereit sein, auf Python, d.h. schlangenhafte Sünder, Pfeile zu schießen und sie zurechtzuweisen. Neben ihm müssen Menschen wie Python, d. h. Böse und Sünder, verwundet und getadelt liegen, denn ›die Pfeile des Mächtigen müssen geschärft sein mit verwüstenden Kohlen‹ [Ps. 119,4]. Auf alles muss er treten, d.h. unter seinen Füßen muss er ein schreckliches Ungeheuer haben, nämlich Verschwörer und Aufrührer in der Gemeinschaft, die, mögen sie auch einander feindlich gesinnt und verschieden sein, sich dennoch verbünden, um sich gegen andere zu verschwören; die, mögen sie auch wie Hunde beim Schmeicheln, Löwen beim Wüten, Wölfe beim Fliehen sein, dennoch in einem Schlangenschwanz zusammenkommen, d.h. zu einer Bosheit, in ihren Listen gegen gute Menschen. Präfiguriert ist dies in den Füchsen Samsons, die verschiedene Gesichter hatten, deren Schwänze aber zusammengebunden waren, 66 da in der Tat die Herzen oder das Geistesantlitz

4 omnes lucri Lo1Lo2Pa8; omnibus lucem G; omnes salvos Ep; om. V4Tr. 4 facerem GEp; faciam Lo1 Lo2Pa8; om. V4Tr. 5 simulare Lo1Lo2Pa8TrEp; assimilare G; om. V4. 6 – 7 tripoda aurea Lo1Lo2Pa8V4Ep; tripodam auream G; (habere) tripodam auream Tr. 7 imagine LLo1V4; imaginem G; fide et imagine Ep; magnitudine Lo2Pa8; fidem Tr. 19 qui, licet LLo1Lo2Pa8V4TrEp; quia G. 21 contra GPa8V4; inter LLo1 Lo2Tr; inter alios invicem Ep. 21 coniuncti G; invicem coniuncti Lo1Pa8V4Ep; ad invicem coniuncti Tr. 22 sint Lo1V4TrEp; sicut G; sunt Pa8. 25 contra bonos multipliciter Tr; contra bonos G; multipliciter Lo2 V4Ep; om. LLo1. 26 quarum TrEp; quorum GLLo1Lo2Pa8; om. quorum . . . malignorum V4.

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amorem conveniunt, tamen sepe fit, quod in caudis, id est fallaciis et maliciis, ad faciendum malum invicem se coniungunt, Ez. 1: Due penne singulorum iungebantur. Talia igitur monstra, id est tales in malis confederatos, debet prelatus sub pedibus tenere et ab invicem segregare, ne sibi vel aliis noceant, ut sibi dicatur illud psalmiste: Super aspidem et basiliscum etc. Item debet prelatus habere circa se tria, scilicet laurum, corvum et musas. Laurus, que semper viret, significat homines sapientes et doctos, corvus, qui nigredine squalet, significat pauperes et egenos, muse, que dicuntur a musica, significant clericos et religiosos divinis laudibus et iubilationibus dedicatos. Ista igitur debent esse Apollini, id est bono prelato, socia et vicina et specialiter dedicata. Debet enim viros prudentes socios et consiliarios habere, corvos, id est pauperes et squalidos, fovere, cantores et clericos pro laude divina diligere et tenere, unde Par. primo: David cum cantoribus citharam percutiebat. 67 Vel dic econtra, quod Apollo, qui erat quoddam idolum gentilium, in quo scilicet apud Delphos in monte Parnaso, in totius mundi medio secundum Ovidium, 68 diabolus dabat responsa, potest significare malum principem vel prelatum, quia dia-

böser Menschen niemals in Liebe zusammenkommen. Dennoch geschieht es oft, dass sie sich an den Schwänzen, d.h. in Betrügereien und Bosheiten, miteinander verbinden, um Böses zu tun, Ez. 1,11: ›Zwei Flügel der einzelnen verbanden sich.‹ Solche Ungeheuer, d. h. solche in bösen Taten Verbündete, muss der Prälat nun unter seinen Füßen festhalten und sie voneinander trennen, damit sie ihm oder anderen keinen Schaden zufügen, so dass ihm jenes Psalmwort gesagt wird [Ps. 90,13]: ›Über die Schlange und den Basilisken‹ etc. Ebenso muss der Prälat drei Dinge um sich haben, nämlich einen Lorbeerbaum, einen Raben und die Musen. Der Lorbeer, der immer grünt, bedeutet die weisen gelehrten Menschen, der Rabe, der von Schwärze bedeckt ist, bedeutet die Armen und Bedürftigen, die Musen, die von der ›Musik‹ ihren Namen haben, bedeuten die Kleriker und Mönche, die sich den göttlichen Lobpreisungen und Jubelrufen hingeben. Diese müssen also Apoll, d. h. dem guten Prälaten, verbündet, ihm nah und besonders ergeben sein. Denn er muss kluge Männer als Gefährten und Berater haben, Raben, d. h. die Armen und Schmutzigen, pflegen, die Sänger und Prälaten für den göttlichen Lobgesang wertschätzen und bei sich halten. Daher heißt es: ›David schlug die Kithara zusammen mit den Sängern.‹ 67 Oder sag andererseits, dass Apollo, bei dem es sich um ein gewisses Götzenbild der Heiden handelte, durch das bei Delphi auf dem Berg Parnass – nach Ovid im Mittelpunkt des gesamten Erdkreises 68 – der Teufel Antworten gab, einen schlechten Fürsten oder Prälaten bedeuten kann, da

1 tamen sepe fit Lo1Lo2Pa8V4Ep; spe fit G; fit Tr. 4 Due Lo1Pa8V4TrEp; et G. 5 igitur Lo1Lo2Pa8Ep; id est G; ergo V4; quoque Tr. 5 tales Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 6 confederatos Lo2V4TrEp; consideratos GLLo1 Pa8. 8 illud psalmiste V4Ep; om. GTr. 17 Apollini V4Ep; Apolloni G. 21 squalidos GEp; stolidos Lo1 V4; squalidus Pa8. 25 econtra Lo1Lo2V4; tamen G; econverso LPa8Tr; contra Ep. 25 qui Lo2Pa8TrEp; quod G; om. LLo1V4. 26 idolum gentilium Lo1Pa8V4TrEp; idolum G. 27 Parnaso Lo1Ep; Pargasi GV4; Parnasi Tr.

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boli est imago et idolum sibi per imitationem conformatum, Io. 8: Vos ex patre diabolo estis. Isti enim portant tripodam triplicis concupiscentie, habent citharam mundialis letitie, habent arcum crudelitatis et sevitie, quibus sagittant Pythonem, id est pauperem, per punitionem exactionis et malitie, Ier. 6: Sagittam et arcum accipiet, crudelis est et non miserebitur. Isti etiam habent secum monstrum terrificum, id est monstruosam et serpentinam malitiam, que tria capita noscitur habere, inquantum caput sue male intentionis solet tripliciter variare, quia in capite intentionis habent canem, dum fallaciter blandiuntur, habent lupum, dum occulte insidiantur, habent leonem, dum manifeste iniuriantur. Canis enim blanditur dolose, lupus insidiatur occulte, leo vero iniuriatur manifeste. Ista tria in unam caudam serpentinam, id est in unum malum finem, conveniunt, dum contra innocentes unum fiunt. Sed habere circa se corvum volunt, laurum et musas, per que tria genera personarum designantur: Corvus enim, qui secundum augures semper malos rumores portare dicitur, significat detractores et malorum verborum relatores. Laurus vero, que semper viret et numquam comam deponit, significat lascivos iuvenes et mulieres. Muse vero, que semper cantare dicuntur, significant adula-

er ein Abbild des Teufels und ein Götzenbild ist, das ihm durch Nachahmung nachgebildet ist, Io. 8,44: ›Ihr habt den Teufel als Vater.‹ Denn diese tragen den Dreifuß der dreifachen Begierde, sie haben die Kithara der weltlichen Freude, sie haben den Bogen der Grausamkeit und der Wut, mit denen sie in Form von Strafe der Steuer und Bosheit Pfeile auf Python, d. h. auf den Armen, schießen, Ier. 6,23: ›Pfeil und Bogen wird er an sich nehmen, er ist grausam und wird kein Mitleid zeigen.‹ Auch haben sie ein schreckliches Ungeheuer bei sich, d. h. eine scheußliche, schlangenhafte Bosheit, die bekanntlich drei Köpfe hat, sofern sie den Kopf ihrer bösen Absicht dreifach zu verändern pflegt: denn sie haben am Kopf, wo sich die Absicht bildet, einen Hund, wenn sie betrügerisch schmeicheln, einen Wolf, wenn sie heimlich Fallen stellen, einen Löwen, wenn sie vor aller Augen Unrecht begehen. Der Hund schmeichelt nämlich trügerisch, der Wolf stellt heimlich Fallen, der Löwe aber begeht offen Unrecht. Diese drei kommen in einem einzigen Schlangenschwanz zusammen, d. h. zu einem einzigen bösen Ziel, indem sie gegen die Unschuldigen eins werden. Um sich herum aber wollen sie einen Raben, Lorbeer und Musen haben, durch welche drei Arten von Personen bezeichnet werden: der Rabe nämlich, der nach den Auguren stets böse Gerüchte überbringen soll, bedeutet die Verleumder und Überbringer böser Nachrichten. Der Lorbeer, der immer grünt und niemals sein Laub abwirft, bedeutet unzüchtige junge Männer und Frauen. Die Musen aber, die, so sagt man, immerzu singen, bedeuten die Schmeichler.

2 conformatum Ep; confirmatum G; formatum LLo1Tr; se conformavit Pa8; om. V4. 3 diabolo Lo1Pa8V4 TrEp; diaboli G. 6 quibus sagittant Lo1Pa8V4TrEp; qui sagittat G. 8 Ier. 6 Is. 5 G. 8 – 9 sagittam . . . accipiet GLLo1Lo2V4; sagittam . . . accipiat Pa8; sagittam et arcum arripiet Tr; sagittam et scutum arripiet Ep/ Vulg. 11 id est Lo1Pa8V4TrEp; quia G. 12 tria Lo1Pa8V4TrEp; circa G. 13 solet GLLo1Pa8V4; solent TrEp. 16 insidiantur LoPa81V4TrEp; insidiatur G. 31 cantare GPa8V4Tr; fatare Lo1Lo2Ep.

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tores. Et revera circa Apollinem, id est circa malos principes et prelatos, videbis corvos abundare, qui malos rumores dominis suis portant aliis detrahendo, laurum, id est lascivos iuvenes et mulieres, qui comam et capillos nutriant impudice se ornando, musas vero, id est adulatores, qui circa tales chorizant cantus melodiosos, id est verba placentia, resonando. Unde iste Apollo suis videtur dicere illud Is. 30: Loquimini nobis placentia et audies. Vel dic, quod Apollo est sol iustitie Christus, qui semper fuit iuvenis per puritatem. Tripodam auream habuit, id est triplicis nature veritatem, scilicet animam, corpus et divinitatem. Citharam habuit alios consolando, arcum et sagittas alios arguendo, Pythonem, id est Luciferum, cum sagitta crucis prostravit. Tricipites, id est cupidos, protervos, mundi principes, superavit, corvos, id est pauperes et religiosos, amavit, laurum, id est arborem crucis, consecravit, viros sapientes et deum laudantes specialiter elegit tamquam musas. Vel novem musas, id est novem ordines angelorum, sub lauro, id est sub virore glorie eterne, dedicavit. Iste enim deus ingenii, id est deus divinationis, dicitur, inquantum per eius influentiam homines ad divinandum de oc-

Und in der Tat sieht man, dass um Apollo, d. h. um böse Fürsten und Prälaten, sich Raben in Fülle versammeln, die ihren Herren böse Gerüchte überbringen, wobei sie andere verunglimpfen; Lorbeer, d.h. unzüchtige junge Männer und Frauen, die ihr Haupt- und Barthaar pflegen, wobei sie sich unzüchtig herausputzen; Musen aber, d.h. Schmeichler, die um solche herumtanzen, wobei sie schön klingende Gesänge, d.h. Schmeichelworte, ertönen lassen. Daher scheint dieser Apollo den Seinigen jenes Wort Is. 30,10 zu sagen: ›Sagt uns, was uns gefällt‹, und du wirst hören. Oder sag, dass Apollo Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, ist, der durch seine Reinheit immer jung war. Er hatte einen goldenen Dreifuß, d.h. die Wahrheit der dreifachen Natur, nämlich Seele, Körper und Gottsein. Die Kithara hatte er, um andere zu trösten, Bogen und Pfeile, um andere zurechtzuweisen, Python, d.h. Luzifer, streckte er mit dem Pfeil des Kreuzes nieder. Die Dreiköpfigen, d. h. die Begehrlichen, die Schamlosen und die weltlichen Fürsten, überwandt er; Raben, d. h. Arme und Fromme, liebte er; den Lorbeer, d.h. den Kreuzesbaum, heiligte er; weise und sich dem Gotteslob widmende Männer wählte er gleichsam als Musen besonders aus. Oder er eignete sich die neun Musen zu, d. h. die neun Engelchöre, unter dem Lorbeer, d.h. unter dem Grün der ewigen Herrlichkeit. Denn dieser heißt Gott der Geisteskraft, d.h. Gott der Weissagung, sofern durch seinen Einfluss Menschen befähigt werden, prophetische Aussagen über

6 impudice G, add. pudice in marg. 7 – 8 circa . . . verba GLo1Lo2Pa8; circa tales coreas et tales cantus . . . id est verba Tr; circa chorizant cantus . . .id est verba V4; om. Ep. 10 Is. 30 Is. 26 G. 10 loquimini Lo1Pa8 V4TrEp; loquere G. 12 Add. Alia moralis et dupl. alia moralis in marg. G. 12 est GLo1Pa8V4Tr; qui est Lo2 Ep. 14 triplicis Lo1Pa8V4TrEp; triplicem G. 15 veritatem GLo1Pa8V4Tr; varietatem Ep. 19 Tricipites Ep et add. id est monstra trium capitum; Terripites G; tripodes Lo1; triapides Lo2; monstrum tria capita habens etc. Pa8V4; monstrum scilicet triepedes [!] vel tricipides Tr; om. L. 24 novem om. G, add. supra lin. 27 ingenii G et dupl. in marg. 28 divinationis Lo1Pa8V4TrEp; dominationis G.

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cultis dei, scilicet de his, que ad salutem anime pertinent, informantur.

die Geheimnisse Gottes, nämlich über die Dinge, die das Seelenheil betreffen, zu machen.

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Venus quintum locum tenet inter planetas, quapropter figuram eius volo hic describere loco quinto. Pingebatur igitur Venus puella pulcerrima, nuda et in mari natans et in manu dextra concham marinam continens; que rosis erat ornata et a columbis circumvolantibus comitata, Vulcano rustico turpissimo deo ignis in coniugium assignata. Ante quam stabant tres nude iuvencule, que tres Gratie vocabantur, quarum duarum facies ad ipsam converse erant, alia vero in contrarium. Cui etiam Cupido filius suus alatus et cecus assistebat, qui sagitta et arcu Apollinem sagittabat, 70 propter quod diis turbatis ad matris gremium puer timidus fugiebat. 71 Illa litteraliter attribuuntur illi planete, qui Venus dicitur, quia scilicet planeta est feminee complexionis et ideo in specie nude puelle depingitur. Illa etiam calida est et humida et ideo Vulcano, id est igni, dicitur maritata et in mari exposita et immersa, ut sic calori et humori videatur esse coniuncta. Et ideo dicitur Cupidinem deum amoris, id est carnis concupiscentiam, peperisse pro eo, quod caliditate et humiditate sua

Kapitel 5: Venus 69 Venus nimmt den fünften Platz unter den Planeten ein; deshalb will ich ihre Gestalt hier an fünfter Stelle beschreiben. Gemalt wurde Venus also als eine wunderschöne junge Frau, nackt, im Meer schwimmend und in der rechten Hand eine Meeresmuschel haltend; sie war mit Rosen geschmückt und wurde von Tauben, die sie umflogen, begleitet. Sie war Vulcan, dem bäurischen, sehr hässlichen Gott des Feuers, zur Ehe bestimmt. Vor ihr standen drei nackte junge Frauen, die man die drei Grazien nannte, von denen zwei ihre Gesichter ihr zugewandt hatten, die dritte aber sich abwandte. Ebenso stand ihr Cupido, ihr geflügelter blinder Sohn, zur Seite, der mit seinem Pfeil und Bogen auf Apollo schoss. 70 Da die Götter darüber in Aufruhr gerieten, flüchtete der Junge ängstlich auf den Schoß seiner Mutter. 71 Jene Dinge werden im Literalsinn dem Planeten mit Namen Venus zugeordnet, da nämlich der Planet von weiblicher Komplexion ist und deshalb in Gestalt einer nackten jungen Frau abgebildet wird. Sie ist warm und feucht und soll deshalb mit Vulcan, d.h. dem Feuer, vermählt gewesen und ins Meer gesetzt und eingetaucht sein, so dass sie auf diese Weise mit der Wärme und dem Nass verbunden zu sein scheint. Und deshalb soll sie Cupido, den Liebesgott, d.h. das körperliche Begehren, geboren haben, da dieser ihr Stern – so wird er-

3 Forma . . . quintum Forma Veneris. Capitulo 5 et dupl. Forma Veneris. C. 5 in marg. G. 5 describere GLLo1Pa8V4Tr; scribere Lo2Ep. 6 loco quinto LLo1Lo2Pa8Ep; quinto G; hoc loco V4; hoc quinto loco Tr. 6 puella Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 10 comitata Lo1Pa8TrEp; coronata G. 12 tres nude Lo1Pa8V4TrEp; nude G. 15 Cui Lo1Pa8V4TrEp; cuius G. 20 literaliter et dupl. in marg. G. 20 attribuuntur Lo1Pa8V4TrEp; attribuitur G. 23 est Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 29 – 85,1 sua ista GLo1Pa8V4Tr; ipsius Ep.

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ista stella fertur carnis concupiscentiam excitare. 72

klärt – durch seine Wärme und Feuchtigkeit das körperliche Begehren erregt. 72

Moraliter

Moralisierung

Omissa igitur litterali expositione per istam deam possumus intelligere secundum expositionem Fulgentii vitam voluptuosam 73 vel quamcumque personam luxuriosam, que dicitur femina propter ipsius inconstantiam et variabilitatem. Dicitur esse nuda propter ipsius indecentiam inevitabilem, dicitur in mari natare pro eo, quod semper vult esse in deliciis, dicitur concham marinam, cum qua scilicet canitur vel choreatur, in manu portare, quia semper vult esse in cantibus et letitiis. Revera voluptas luxurie est feminea, quia non durat; est nuda, quia homo vix eam celat vixque potest esse, quin appareat, et in mari, id est deliciarum vel divitiarum opulentia, vult natare et semper concha inanis glorie vult gaudere. Venus enim in mari fingitur genita pro eo, quod luxuria ab opulentia, id est a deliciarum fluxibus oritur; unde nudam meretricem videtur alloqui Scriptura Is. 23: Transi terram tuam quasi flumen, filia maris, et sequitur: Sume citharam, circui civitatem, meretrix oblivioni tradita! Ista voluptas columbas, id est luxuriosos, nutrit, rosas, id

Nach Abhandlung des Literalsinns können wir unter dieser Göttin nach der Auslegung des Fulgentius ein genussreiches Leben 73 oder eine jede den Luxus liebende Person verstehen, die wegen ihrer Unbeständigkeit und ihres Wankelmuts – wie es heißt – eine Frau ist. Sie soll nackt sein wegen ihrer unvermeidlichen Schamlosigkeit, sie soll im Meer schwimmen, da sie immer im Luxus schwelgen will, sie soll eine Meeresmuschel, zu deren Klang gesungen und getanzt wird, in der Hand tragen, weil sie immer von Gesang und Freuden umgeben sein will. In der Tat ist die Freude am Luxus weiblich, da sie nicht von Dauer ist; sie ist nackt, weil der Mensch sie kaum verbirgt und kaum existieren kann, ohne sich zu zeigen, und sie will im Meer, d.h. in der Fülle der Vergnügungen und des Reichtums, schwimmen und sich immer an der Muschel, nämlich eitlem Ruhm und Frohsinn, erfreuen. Man stellt sich nämlich vor, dass Venus im Meer gezeugt wurde, da die Zügellosigkeit aus dem Reichtum, d.h. aus flüchtigen Freuden, entsteht; daher scheint die Schrift die nackte Dirne anzusprechen in Is. 23,10.16: ›Durchschreite dein Land wie einen Fluss, Tochter des Meeres;‹ und es folgt: ›Nimm die Kithara, geh in der Stadt umher, Dirne, die du dem Vergessen verfallen bist!‹ Diese Genusssucht nährt Tauben, d.h. Zügellose, sie liebt Rosen, d.h.

3 Moraliter moralis et dupl. in marg. G. 9 esse LLo1Ep; etiam G; om. et variabilitatem . . . indecentiam Lo2Pa8V4; om. Dicitur . . . inevitabilem Tr. 12 cum GLo1V4Tr; in Ep; om. Pa8. 13 choreatur GLLo1Lo2; corizatur Pa8V4; coronatur Tr; choreisatur Ep. 15 luxurie GLLo1Lo2Pa8V4; luxuria Ep; om. Tr. 20 concha Lo1Lo2V4Ep; concham GTr; om. Pa8. 20 glorie et letitie V4; glorie G; letitiis Pa8; letitie Lo1Lo2TrEp. 22 a Lo1Lo2V4Ep; ad G; om. Pa8Tr. 23 oritur G; generatur Lo1Pa8V4Tr; non recedit Ep. 25 flumen . . . maris Tr; fluvium filia matris G; flumen maris LLo1Lo2Pa8Ep; fluxum maris V4. 25 – 26 et . . . citharam Pa8V4TrEp; et gratie simie cithoram G; sume etc. L; sume citharam etc. Lo1Lo2. 28 – 86,1 luxuriosos . . . id est LLo1Pa8 TrEp; luxuriosas res G; luxuries nutrit rosas, id est V4.

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est et flores et curiositates, diligit, Cupidinem, id est carnis concupiscentiam, producit, qui Apollinem, id est viros iustos, sagitta temptationum quandoque vulnerat et transfigat. Et tres puellas nudas, id est tres culpas manifestas, solet Venus seu luxuria secum habere, id est avaritiam, qua nostra rapiat, carnalitatem, qua nos alliciat. Constat enim, quod carnalitas luxuriose persone nos diligit ratione voluptatis, avaritia ratione rapacitatis. Et iste sunt due, quarum facies ad nos sunt converse, infidelitas vero nos eicit, id est a nobis faciem evertit, ratione paupertatis vel predilectione alterius formositatis. Proprium enim est mulieribus luxuriosis, quod quamdiu inveniunt in homine delectationem vel lucrum, faciem vertunt, alias ab eo fugiunt et recedunt, ita quod homo delusus finaliter dicat illud Ier. 2: Dorsum et non faciem verterunt mihi. Vel dic, quod tres domicelle, que Veneri assistunt, sunt tria peccata, que rerum prosperitatem seu voluptatem frequentant, scilicet avaritia, luxuria et superbia. Due enim prime se vertunt ad nos, scilicet luxuria, ut delectetur, avaritia, ut ditetur; superbia vero ab aliis vertit faciem suam, inquantum universos contemnit et eos respicere non dignatur.

Blumen und die Neugier reizende Dinge, sie bringt Cupido, d.h. das körperliche Begehren, hervor, das manchmal Apollo, d.h. gerechte Männer, mit dem Pfeil der Versuchungen verletzt und durchbohrt; und drei nackte junge Frauen, d.h. drei offen sichtbare Vergehen, hat Venus oder die Zügellosigkeit gewöhnlich bei sich, d.h. die Habgier, mit der sie uns unseren Besitz entreißt, die leiblichen Freuden, mit denen sie uns anlockt. Es steht nämlich fest, dass die Sinnlichkeit einer zügellosen Person uns wegen der Lust liebt, die Habgier wegen der Raubsucht. Und diese beiden sind es, deren Gesichter uns zugewandt sind, die Untreue aber vertreibt uns, d.h. sie wendet ihr Gesicht von uns ab, wegen der Armut oder der Vorliebe für die Schönheit eines anderen. Denn zügellose Frauen pflegen, solange sie bei einem Mann Vergnügen oder Gewinn finden, ihm das Gesicht zuzuwenden, sonst aber vor ihm zu fliehen und sich zurückzuziehen, so dass der getäuschte Mann schließlich jenes Wort aus Ier. 2,27 sagen mag: ›Den Rücken und nicht das Gesicht wandten sie mir zu.‹ Oder sag, dass die drei Mädchen, die Venus dienen, die drei Sünden sind, die gute Besitzverhältnisse oder das Vergnügen suchen, nämlich Habgier, Zügellosigkeit und Hochmut. Denn die beiden ersten wenden sich uns zu, nämlich die Zügellosigkeit, um sich zu vergnügen, die Habgier, um sich zu bereichern. Der Hochmut aber wendet sein Gesicht von den anderen ab, da er alle verachtet und sie anzublicken nicht für wert hält.

1 curiositates GLo1Pa8V4Tr; curialitates Ep. 3 qui Lo2V4Ep; qua G; que LLo1Pa8Tr. 7 nostra Lo2 Ep; nos G; nostram Lo1Pa8V4Tr. 10 nos Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 10 avaritia Lo1Pa8V4TrEp; avarus G. 11 rapacitatis Lo1Lo2Pa8V4Ep; cupiditatis G; lucri et cupiditatis Tr. 14 predilectione GLo2; pro dilectione LLo1; predilecte Ep. 18 alias ab eo Lo1Lo2Pa8V4Tr; alias G; ad eum alas ab eo Ep. 20 dorsum . . . mihi G; dorsum . . . vertunt mihi Lo1Pa8V4Tr; verterunt ad me tergum et non faciem Ep. 24 avaritia . . . superbia GLo1Pa8V4Tr; avaritiam, luxuriam et superbiam Ep. 28 respicere respicere de G, sed del. de.

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Vel dic, quod iste tres puelle sunt tres virtutes theologice, scilicet fides, spes et caritas, quarum due, scilicet fides et spes, bene se vertunt ad nos, quia, ut communiter, bene credimus et speramus, sed tertia, scilicet caritas, avertit faciem suam a nobis, inquantum, sicut tenemur, deum et proximum non amamus. Vel dic secundum Fulgentium 74 , quod per istas tres puellas intelliguntur gratie et beneficia et gloria, quarum una avertit faciem suam a nobis, sed due convertunt faciem suam ad nos ad denotandum, quod beneficium vel gratia, que simplex datur, duplex restitui promeretur vel quia beneficium et gratia in presenti bene vertunt faciem suam ad nos, sed solum gloria in futuro. 75 Dic, quod Cupido filius Veneris est amor carnalis, filius voluptatis, qui alatus pingitur pro eo, quod amor subito volare et inferre se videtur. Constat enim, quod homo quandoque inflammatur subito et sine deliberatione amore alicuius persone et ideo Amor iste alatus et volatilis dici potest. Cecus autem iste deus pingitur, quia, ubi se ingerat, advertere non videtur, quia amor ita solet se ponere in pauperem sicut in divitem, in turpem sicut in pulcrum, in religiosum sicut in laicum. Cecus autem ali-

Oder sag, dass diese drei Mädchen die drei theologischen Tugenden sind, nämlich Glaube, Hoffnung und Liebe, von denen sich zwei, nämlich der Glaube und die Hoffnung, uns gütig zuwenden, da wir im allgemeinen recht glauben und hoffen, aber die dritte, nämlich die Liebe, wendet ihr Gesicht von uns ab, wenn wir Gott und den Nächsten nicht lieben, wie wir gehalten sind. Oder sag gemäß Fulgentius 74 , dass diese drei Mädchen als Gunsterweise, Wohltaten und Ruhm verstanden werden, von denen eine ihr Gesicht von uns abwendet, aber zwei uns ihr Gesicht zuwenden, um deutlich zu machen, dass die Wohltat oder der Gunsterweis, der einfach geleistet wird, doppelt zurückerstattet zu werden verspricht, oder weil Gunsterweis und Wohltat uns ihr Gesicht in der Gegenwart günstig zuwenden, aber der Ruhm allein in der Zukunft. 75 Sag, dass Cupido, der Sohn der Venus, die körperliche Liebe ist, der Sohn der Wollust, der geflügelt dargestellt wird, weil die Liebe plötzlich zu fliegen und hereinzustürzen scheint; denn es steht fest, dass der Mensch bisweilen plötzlich und ohne Überlegung von Liebe zu irgendeiner Person entflammt wird, und deshalb kann dieser Amor geflügelt und umherfliegend genannt werden. Blind aber wird dieser Gott gemalt, weil er nicht darauf zu achten scheint, wohin er sich begibt, da die Liebe in den Armen wie den Reichen, in den Hässlichen wie den Schönen, in den Geistlichen wie den Laien einzudringen pflegt. Blind kann

19 – 88,17 Dic quod Cupido . . . cecidit in Israel pos. supra ante Vel dic quod tres domicelle . . . solum gloria in futuro BTr. 2 theologice theo lac. G, sed est in marg. 3 – 4 quarum . . . nos Pa8BTr cum min. var. lect.; due prime se vertunt ad nos Ep; om. GLLo1V4. 4 quia, ut LLo2V4BEp; quia GTr; qui ut Lo1; nam Pa8. 5 sed Lo1 V4BTrEp; quod G; om. Pa8. 11 quarum . . . avertit TrEp; quo unum advertit G; quarum . . . vertit Pa8; quorum unum avertit LLo1Lo2B; quorum unus avertit V4. 14 – 16 que . . . gratia Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 15 – 18 vel . . . futuro GEp; om. Lo1Pa8V4BTr. 21 – 22 et inferre se GV4Tr; subito se infere B; et ingerere se LLo1; se Lo2; saepe Ep. 28 sicut Lo1Pa8V4BTrEp; solet ut G.

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ter dici potest, quia per ipsum etiam homines excecantur; nihil enim cecius homine inflammato amore alicuius persone vel rei, unde dicit [Ps.-]Seneca, quod amor iudicium nescit. 76 Breviter igitur voluerunt poete duos deos depingere cecos, scilicet Cupidinem et Fortunam, quia scilicet Cupido et Amor, ut dictum, ita cecus est, quod aliquando nititur impossibile, sicut patuit in Narcisso, ut habetur in Ovidio 77 , qui umbram propriam usque ad mortem amavit. Sicut etiam cottidie videmus, quod una vilis persona amabit aliquam nobilissimam vel econtrario. Fortuna etiam, ac si ceca esset, quandoque subito promovet indignos et quandoque deprimit valde dignos, Rom. 11: Cecitas ex parte cecidit in Israel. 78 Forma Mercurii. Capitulum sextum 79

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Quia Mercurius sicut et alii planete credebatur ab antiquis gentilibus esse deus, voluerunt depingere eius imaginem in hunc modum: Erat enim ipsius figura secundum Fulgentium et Hrabanum in libro suo ›De naturis rerum‹ homo, qui in capite et in talis habebat alas, in manibus virgam, que virtutem habebat somniferam, que circumsepta erat serpentibus, et gladium curvum, quem harpem vocabant, habebatque fistulam factam de calamo syringe, quam ad os suum applicabat. Galerum vero sive capellum in capite deportabat. 80 Coram vero ipso erat

er aber noch in anderer Hinsicht genannt werden, weil durch ihn auch Menschen blind werden, denn nichts ist blinder als ein Mensch, der in Liebe zu einer anderen Person oder zu einer Sache entflammt ist. Daher sagt [Ps.-]Seneca, dass ›die Liebe keine Urteilskraft kennt‹. 76 Kurz, die Dichter wollten also zwei Götter blind darstellen, nämlich Cupido und Fortuna; denn Cupido oder Amor ist, wie gesagt, so blind, dass er manchmal nach Unmöglichem strebt, wie es bei Narziss offenkundig wurde, der, wie es bei Ovid steht, 77 sein eigenes Spiegelbild bis in den Tod liebte. So sehen wir auch täglich, dass eine Person von niedrigem Stand eine sehr hochstehende liebt oder umgekehrt. Auch Fortuna begünstigt manchmal, als ob sie blind wäre, plötzlich Unwürdige und drückt bisweilen besonders Würdige nieder, Rom. 11,25: ›Blindheit fiel zum Teil in Israel ein.‹ 78 Kapitel 6: Mercur 79 Da Mercur wie auch die anderen Planeten von den alten Heiden für einen Gott gehalten wurde, wollten sie sein Bild auf folgende Weise darstellen: Nach Fulgentius und nach Hrabans Buch ›De naturis rerum‹ war seine Gestalt nämlich die eines Mannes, der an seinem Kopf und seinen Fersen Flügel hatte und in seinen Händen einen Stab, dem eine einschläfernde Kraft eignete und der von Schlangen umschlungen war, sowie ein gebogenes Schwert, das sie ›Sichel‹ nannten; und er hatte eine Hirtenflöte, die aus einem Schilfrohr gefertigt war, die er an seinen Mund führte. Auf seinem Kopf aber trug er eine Fellkappe oder einen Hut, 80 vor

5 iudicium Lo1Pa8V4BTrEp; medium G; unde tamen dicitur senex, quia videre nescit Tr. 6 deos des G, sed add. -o- supra lin. 9 impossibile GPa8B; in impossibile Lo1V4TrEp. 14 ac si Lo1Lo2V4Ep; si G; sic (ceca est) Pa8; hac si B; om. Tr. 16 – 17 Rom. 11 Reg. 10 G. 17 cecidit GLLo1BTr; contingit Lo2Pa8; contigit V4Ep/Vulg. 18 Forma . . . sextum Forma Mercurii. Sexto capitulo et dupl. forma Merc*** G in marg. 26 circumsepta LLo2V4BEp; circumspecta G; circumcepta Lo1; circumscepta Tr. 28 harpem coni.; hape G, sed add. -r- supra lin.; harpe GLLo1Lo2Pa8; arpe V4BTr; harpen Ep. 29 quam LLo1Ep; quem G; om. Lo2 Pa8V4BTr.

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gallus sibi specialiter consecratus et ex altera parte erat Argus, cuius caput est oculis plenum, qui coram eo iacebat occisus. 81 Iste igitur dicebatur mercatorum deus et furtorum, 82 unde dicitur Mercurius quasi mercatorum curius, id est curam gerens. Quando volebat, de viro in feminam, de femina in masculum se mutabat, de albo in nigrum et econtrario faciebat. Aliqui etiam, ut dicit idem Rabanus, 83 depingebant eum cum capite canino, unde Ovidius: Et tu latrator Anubis. 84 Ratio naturalis patet 85 , quia Mercurius dicitur alatus eo, quod stella illa, que Mercurius dicitur, facit citissime cursum suum, et quia iste planeta operatur ad eloquentiam et ad mercaturam et ad furta, ideo fictus est habere virtutem somniferam pro eo, quod eloquentia sopit et decipit etiam oculatos. Quapropter etiam caninum caput habebat, quod latratum eloquentie significat. Habebat etiam in capite galerum sicut et mercator, et gallum, qui evigilat mercatores. Sed de litterali sensu nihil plus ad presens. Moraliter

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Dicamus igitur, quod mystice Mercurius potest designare quemlibet bonum prelatum, qui imprimis debet habere caput canis, inquantum scilicet custos gregis dominici et subditorum speculator et pugil debet esse, qui lupos, id est demones et ty-

ihm aber war ein Hahn, der ihm besonders geweiht war, und auf der anderen Seite befand sich Argus mit dem Haupt voller Augen, der tot vor ihm lag. 81 Diesen nannte man den Gott der Kaufleute und des Diebstahls; 82 daher heißt er ›Mercur‹ gleichsam ›für die Kaufleute sorgend‹, d. h. ihnen Schutz gewährend. Er verwandelte sich, wann er wollte von einem Mann in eine Frau und von einer Frau in einen Mann, aus Weiß machte er Schwarz und umgekehrt. Einige stellten ihn auch, wie Hrabanus ebenfalls sagt, 83 mit einem Hundekopf dar, daher sagt Ovid: ›Auch du, bellender Anubis.‹ 84 Die naturkundliche Erklärung leuchtet ein: 85 Mercur wird geflügelt genannt, da jener Stern mit Namen Mercur sehr schnell seinen Lauf vollführt; und weil dieser Planet auf die Beredsamkeit, auf den Handel und auf den Diebstahl einwirkt, wurde ihm eine einschläfernde Kraft nachgesagt, da die Beredsamkeit auch die Umsichtigen einschläfert und täuscht. Deshalb hatte er auch einen Hundekopf, der das Bellen der Beredsamkeit bedeutet. Auch hatte er auf dem Kopf eine Fellkappe wie ein Kaufmann und einen Hahn, der die Kaufleute aufweckt. Aber für jetzt nichts mehr vom Literalsinn. Moralisierung Lasst uns nun sagen, dass Mercur im mystischen Sinn einen jeden guten Prälaten bedeuten kann: Er muss vor allem einen Hundekopf haben, sofern er nämlich der Wächter der Herde des Herrn und Kundschafter und Kämpfer für die Untergebenen sein muss, der die Wölfe, d.h. die Dämo-

5 furtorum GLLo2Pa8V4Tr; furatorum Lo1; furum Ep. 6 curius GEp; currus LLo1Lo2V4B; curvus Tr. 12 Anubis Ep; Cinubis G; Anibus Lo1; Anobis Tr; om. V4. 13 Ratio . . . patet G, sed pos. in marg. literaliter; expositio literalis Pa8; expositio patet V4; ratio litteralis potuit esse Tr. 15 dicitur, facit LLo1Lo2Pa8V4Ep; defacit G; faciat Tr, sed om. que . . . dicitur. 19 sopit et LLo1Tr; sapit et GLo2; om. Pa8V4Ep. 24 litterali sensu LLo1Lo2Ep; literali lac. G; literali V4; litterali intellectu Tr. 31 et Lo2Pa8V4Ep; id est LLo1; om. G. 31 pugil LLo2V4Ep; pugilis G; pervigil Lo1; vigil Pa8.

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rannos, latratu predicationis et redargutionis terreat et dente conpunctionis mordeat, inquantum fidelis debet esse domino suo, 1. Cor. 4: Hic iam quaeritur inter dispensatores, ut fidelis quis inveniatur. Hic in capite et in pedibus debet esse alatus, inquantum in principio et in fine debet alas contemplationis superius elevare contra illos, qui bene sunt elevati et contemplationis volatui dediti in tempore iuventutis vel capite, sed non in pedibus senectutis. Vel per caput intelligitur intentio, per pedes et talos affectio, quia intentio debet habere alas innocentie et affectio alas temperantie. Is. 6: Duabus alis velabant facies suas et duabus velabant pedes suos. Iste debet habere virgam, gladium, fistulam et gallum, quia ad bonum superiorem pertinet, quod habeat virgam prudentie ad alios regendum, gladium severitatis et iustitie ad malignos arcendum, fistulam spiritualis eloquentie ad predicandum et orandum et deum laudandum, gallum vigilis diligentie ad omnia previdendum et ad omnia nociva precavendum. Que omnia videtur innuere Apostolus ad Tim. 4, ubi dicit: Predica verbum, insta opportune, importune, et hoc quoad fistulam eloquentie. Argue, obsecra, increpa quoad gladium iustitie. Tu vero vigila quoad gallum vigilis diligentie, ministerium tuum imple quoad virgam pastoralis

nen und Tyrannen, durch das Gebell der Predigt und der Zurechtweisung erschreckt und mit dem Zahn der Reue beißt, wenn er seinem Herrn treu sein soll, 1. Cor. 4,2: ›Dieser wird nun unter den Verwaltern gesucht, damit ein treuer gefunden wird.‹ Er muss am Kopf und an den Füßen geflügelt sein, sofern er am Anfang und am Ende die Flügel der Betrachtung höher erheben muss gegenüber jenen, die zwar wohl erhoben und dem Flug der Kontemplation in der Zeit der Jugend bzw. am Kopf hingegeben sind, nicht aber an den Füßen des Greisenalters. Oder man versteht unter dem Kopf das geistige, unter den Füßen und Fersen das affektive Streben, da der Geist Flügel der Unschuld und das Gefühl Flügel der Mäßigung braucht, Is. 6,2: ›Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihre Gesichter und mit zweien bedeckten sie ihre Füße.‹ Er muss einen Stab, ein Schwert, eine Hirtenflöte und einen Hahn haben, weil zu einem guten geistlichen Oberen gehört, dass er den Stab der Klugheit hat, um andere zu lenken, das Schwert der Strenge und der Gerechtigkeit, um Böse abzuwehren, die Hirtenflöte der geistlichen Beredsamkeit, um zu predigen, zu beten und Gott zu loben, den Hahn wacher Umsicht, um alles vorherzusehen und allem Schädlichen vorzubeugen. Auf dies alles scheint der Apostel anzuspielen in 2. Tim. 4,2.5, wo er sagt: ›Verkünde das Wort, bestehe darauf, ob gelegen oder ungelegen‹, und zwar im Hinblick auf die Hirtenflöte der Beredsamkeit; ›Weise zurecht, ermahne, drohe‹, im Hinblick auf das Schwert der Gerechtigkeit. ›Du aber wache‹, im Hinblick auf den Hahn der wachen Umsicht; ›Erfülle dein Amt‹, und zwar im Hinblick auf den Stab der hohen

4 1. Cor. 4 Ep; Mt. 5 G; Cor. 5 LLo1Lo2V4Tr; Cor. secundo Pa8. 9 elevati LLo1Lo2Pa8V4Ep; alatis G; alati Tr. 10 dediti Lo1V4TrEp; deditis G; debiti Pa8. 10 – 11 in . . . capite G; in capite iuventutis Lo1Lo2Pa8V4 TrEp. 11 sed non Tr; sed etiam GLo1Lo2Pa8V4Ep. 11 pedibus GTr; diebus Lo1Lo2Pa8V4; talis Ep; om. L. 13 affectio codd; laffectio G. 21 arcendum Lo1V4Tr; arcendos Ep; om. G. 30 gallum Lo1Pa8V4TrEp; gladium G. 31 virgam Lo1Pa8V4TrEp; virga G.

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eminentie. Et sic iste est deus mercatorum spiritualium, inquantum scilicet commutat temporalia pro eternis, deus furtorum, inquantum furabitur peccatores ad fidem et iustitiam convertendo et de nigris candidos, id est de impiis iustos, faciendo. Se ipsum commutabit de viro in feminam et econtrario, conditiones suas secundum loca, tempora et personas diversimode variando et nunc vir virtuosus, vigorosus et constans, nunc vero femina, id est mollis, benignus et compatiens, dicens cum Apostolo Cor. 9: Omnibus omnia factus sum. Et sic iste Argum oculatum, id est diabolum, poterit vincere et ante se prosternere, dum tamen virga sit serpentibus, id est viris prudentibus, circumsepta et dum sua iurisdictio per serpentinam prudentiam sit directa, quia revera prelatus virga iurisdictionis numquam bene utitur nec per ipsum Argus, id est diabolus, vincitur, nisi turba serpentium, id est virorum prudentium, ipsum committetur et ad eius consilia admittatur, Mt. 10: Estote prudentes sicut serpentes, et Eccli. 9: Viri iusti sint tibi convive! Vel dic, quod talis Mercurius debet esse quilibet bonus subditus et minister, qui debet habere caput, id est cor, caninum per fidelitatem, alas contemplationis debet habere in capite, id est in corde, per elevatam ad deum voluntatem, pedes etiam debet habere alatos per obedientiam et sedu-

Stellung der Seelsorge. Und so ist dieser der Gott der geistlichen Kaufleute, wenn er die irdischen Dinge für die ewigen eintauscht, der Gott des Diebstahls, wenn er die Sünder stehlen wird, indem er sie zum Glauben und zur Gerechtigkeit bekehrt und aus Schwarzen Weiße, d.h. aus Frevlern Gerechte macht. Sich selbst wird er von einem Mann in eine Frau verwandeln und umgekehrt, indem er seine Eigenschaften gemäß den Orten, Zeitumständen und Personen auf verschiedene Weise verändert und bald ein Mann ist, tugendhaft, kraftvoll und standhaft, bald aber eine Frau, d. h. weich, gütig und voller Mitleid, indem er mit dem Apostel 1. Cor. 9,22 sagt: ›Allen bin ich alles geworden.‹ Und so konnte er den vieläugigen Argus, d.h. den Teufel, besiegen und vor sich niederstrecken, solange sein Stab mit Schlangen, d.h. mit klugen Männern, umschlungen ist und solange seine Rechtsprechung durch die Klugheit der Schlange gelenkt wird, weil der Prälat in der Tat den Stab der Rechtsprechung niemals gut gebraucht und Argus, d. h. der Teufel, nicht durch ihn besiegt wird, wenn nicht eine Schar von Schlangen, d.h. von klugen Männern, ihn begleitet und zu seiner Beratung zugelassen wird, Mt. 10,16: ›Seid klug wie die Schlangen!‹ und Eccli. 9,23: ›Gerechte Männer seien deine Tischgenossen!‹ Oder sag, dass ein jeder gute Untergebene und Diener ein solcher Mercur sein muss: Er muss durch Treue einen Kopf, d. h. das Herz eines Hundes, haben, er muss durch einen zu Gott erhobenen Willen Flügel der Betrachtung an seinem Kopf haben, d.h. in seinem Herzen, auch muss er durch Gehorsam und Eifer geflügelte Füße haben.

1 mercatorum GPa8Tr; mercationum LLo1Lo2V4Ep. 5 candidos Lo1Pa8V4TrEp; candidis G. 8 condiciones suas LLo1Pa8TrEp; quia condiciones G; quia condiciones suas Lo2V4. 12 Apostolo Lo1Lo2Pa8V4Ep; Apostolus G; apparendo dicens illud Tr. 16 viris Lo1Pa8V4TrEp; virtus G. 17 circumsepta Lo1V4TrEp; circumscripta G; circumceptus Pa8, sed om. virga. 22 prudentium Lo1Pa8V4TrEp; prudentia G. 24 Eccli. 9 Eccli. 1 G.

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litatem. Item debet habere virgam per equitatem et iustitiam, Ps.: Virga tua et baculus tuus. 86 Item debet habere gladium divini timoris, fistulam divine laudis et devote orationis, gallum vigilantie et laboris. Debet esse nunc vir, nunc femina per conformitatem sui cordialis amoris, galerum, id est humilitatem, debet gerere, quo scilicet capillos suos, id est virtutes, debet abscondere, unde [Ps.-]Seneca: Esto occultator virtutum sicut alii vitiorum. 87 Vel in malo dic, quod iste Mercurius significat advocatos et mundi sapientes, qui scilicet habent caput caninum per insatiabilem avaritiam, galerum super caput per sue male intentionis occultationem, pedes et caput alatos per superbiam et presumptionem, virgam habent somniferam, id est deceptionem et malitiam, fistulam habent in ore, id est falsam eloquentiam et blanditiam, gladium, id est crudelitatem et sevitiam, gallum habent iuxta se, id est vigilem ac diligentem astutiam. Nunc sunt viri, nunc sunt femine per fraudulentam suorum operum mutationem et fictitiam. Hii sunt dii furtorum, id est iniquarum litium, dii mercatorum, id est lucrorum et proventuum. Et breviter: quicquid tangitur verbis suis, faciunt dormire. Isti per astutias suas solent Argum, id est prelatos et principes

Ebenso muss er einen Stab durch Billigkeit und Gerechtigkeit haben, Ps. 22,4: ›Dein Stock und dein Stab.‹ 86 Ebenso muss er das Schwert der Gottesfurcht haben, die Hirtenflöte des Gotteslobs und des frommen Gebets, den Hahn der Wachsamkeit und der Tatkraft. Er muss bald ein Mann, bald eine Frau sein durch die Anpassung in seiner herzlichen Liebe, er muss eine Fellkappe, d.h. Demut, tragen, mit der er seine Haare, d.h. seine Tugenden, verbergen muss. Daher sagt Seneca [Martin von Braga]: ›Halte deine Tugenden verborgen wie andere ihre Laster.‹ 87 Oder sag im negativen Sinn, dass dieser Mercur Rechtsgelehrte und Weltweise bedeutet; denn diese haben durch unersättliche Habgier einen Hundekopf, durch Verheimlichung ihrer bösen Absicht eine Fellkappe auf dem Kopf, durch Hochmut und Anmaßung geflügelte Füße und einen geflügelten Kopf; sie besitzen einen einschläfernden Stab, d. h. Täuschung und Bosheit, sie haben eine Flöte im Mund, d.h. falsche Beredsamkeit und Schmeichelei, ein Schwert, d.h. grausame Strenge. Sie haben einen Hahn neben sich, d.h. eine wache und aufmerksame Verschlagenheit. Bald sind sie Männer, bald Frauen durch betrügerischen Wandel und Verstellung in ihren Handlungen. Sie sind Götter des Diebstahls, d.h. ungerechter Streitsachen, Götter der Kaufleute, d.h. gewinnträchtigen Erfolgs. Kurz, was auch immer von ihren Worten berührt wird, versetzen sie in Schlaf. Sie pflegen mit ihren schlauen Listen Argus, d.h. umsichtige und aufmerksa-

1 – 2 virgam . . . iustitiam G; virgam somniferam, id est Christi crucem, qui menti dat soporem et suavitatem Tr; omnimodam in adversis patientiam Ep; om. item . . . iustitiam LLo1Lo2V4. 21 gladium GV4; gladium habent LLo1Lo2Pa8TrEp. 24 – 25 per . . . fictitiam G; per fraudulentam sui mutationem et ficticiam LLo1; per fraudulentiam et ficticiam mutationum earum Pa8; per fraudulentiam et suorum mutationum ficticiam V4; per fraudulentam suorum morum intentionem et mutationem ficticiam Tr; per fraudulentiam suorum operum et mutationem fictitiam Ep. 26 iniquarum Lo1V4TrEp; iniquorum GLLo2Pa8. 27 – 28 mercatorum . . . proventuum Pa8V4Tr; mercatorum et proventuum G; mercationum, id est lucrorum et proventuum LLo1Lo2; mercationum, id est lucrorum et punctum Ep. 28 tangitur fatangitur G, sed corr.; tangunt Lo1Pa8V4TrEp.

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circumspectos et oculatos, decipere et suis voluntatibus subiugare. Isti sunt, de quibus dicitur Os. 7: In malitia sua letificaverunt reges et in mendaciis suis principes. 5

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Forma Diane sive Lune vel Proserpine. Capitulum septimum 88 Diana, que et Luna et Proserpina et Hecate nuncupatur, septimo loco ponitur inter deos ficticios, quia dicitur septimus planetarum. Ista igitur pingebatur in specie unius domine sagittam et arcum tenentis, cervos timidos in venatione sequentis. Circa quam chori erant Dryadum, Oreadum, Naiadum et Nereidum, id est nympharum silvarum, montium, fontium atque marium, 89 cum choris satyrorum cornutorum, qui dii dicebantur agrorum. Que poete pro tanto voluerunt fingere, quia Luna, que mater est humorum, habet 90 in silvis, in montibus, in mari et fontibus humorem multiplicare et in agris herbas et semina procreare. Solet etiam de nocte venatores illuminare et sic venationis necnon et silvarum dicitur esse dea, quapropter deam silvarum, montium et fontium gentiles eam colebant. 91 Moraliter

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Dic, quod per istam deam possumus intelligere virginem gloriosam, que pro certo arcu flexibilis misericordie et sagitta devotionis et orationis armatur, quibus mediantibus cervus cornutus, id est diabolus

me Prälaten und Fürsten, zu täuschen und ihrem Willen gefügig zu machen. Sie sind es, von denen es in Os. 7,3 heißt: ›Mit ihrer Bosheit erfreuten sie Könige und mit ihren Lügen Fürsten.‹ Kapitel 7: Diana oder Luna oder Proserpina 88 Diana, die auch Luna, Proserpina und Hecate heißt, steht an siebter Stelle unter den erdichteten Göttern, weil sie der siebte Planet sein soll. Diese wird also in Gestalt einer edlen Frau gemalt, die einen Pfeil und Bogen hält und bei der Jagd ängstliche Hirsche verfolgt. Sie umgeben Scharen von Dryaden, Oreaden, Najaden und Nereiden, d.h. von Wald-, Berg-, Quell- und Meeresnymphen, 89 zusammen mit Scharen gehörnter Satyrn, die Feldgötter heißen. Diese Göttin wollten die Dichter deshalb so darstellen, da Luna, die die Mutter der Säfte ist, 90 in Wäldern, Bergen, im Meer und in Quellen die Feuchtigkeit vermehren und auf den Feldern Kräuter und Samen hervorbringen muss. Auch pflegt sie nachts den Jägern Licht zu spenden, und so ist sie – heißt es – die Göttin der Jagd wie auch der Wälder. Deshalb verehrten die Heiden sie als Göttin der Wälder, der Berge und der Quellen. 91 Moralisierung Sag, dass wir unter dieser Göttin die glorreiche Jungfrau verstehen können, die gewiss mit dem Bogen nachgiebiger Barmherzigkeit und mit dem Pfeil der Frömmigkeit und des Gebets bewaffnet ist, mit deren Hilfe der gehörnte Hirsch, d.h. der

7 Hecate Ep; Ethara G; Etharer Lo1; Ether V4; Echates Tr. 8 – 10 septimo loco . . . planetarum G; septimus planetarum, quapropter hic pono eam in septimo loco in numero fictitiorum deorum Lo1Lo2V4Ep; est unus planetarum, quapropter hic pono septimo loco et numero ficticorum deorum Pa8; est septimus planetarum Tr. 12 quam LLo1Lo2Pa8V4TrEp; quem G. 13 chori erant LLo1; chori G; corus Pa8; erat chora Tr; chorizant chori Ep. 13 – 14 Dryadum . . . est LLo1Lo2Pa8V4TrEp; om. G. 15 cum LLo1Pa8V4TrEp; ducebantur cum G 27 expositio moralis G in marg. 30 flexibilis Lo1V4TrEp; flexibili G; flexibilitatis Pa8.

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superbus, superatur. Et ideo procul dubio circa ipsam debent choreare, id est per devotionem astare, chori nympharum, id est societates animarum sanctarum et maxime virginum sanctimonialium et aliarum puellarum. Maxime autem circa eam habent manere per devotionem Oreades, nymphe montium, Dryades, nymphe silvarum, id est anime laboriose et active, Naiades, id est nymphe fluminum et fontium, id est, que in fluvio devotionis et scripturarum commorantur, Nereides, id est nymphe marium, id est anime, que in religionis vel contritionis amaritudine commorantur, ita quod de ea breviter dici potest illud Cant. 7: Quid videbis in Sunamite, nisi choros castrorum? Ps.: Adducentur regi virgines post eam. Chori satyrorum, id est peccatorum, qui scilicet in agro huius mundi dii, id est magnifici, reputantur et qui per superbiam cornuti esse noscuntur, circa ipsam debent choreare et discurrere ab ipsa veniam et misericordiam postulando et auxilia contra demones et vitia implorando. Vel dic, quod Satyri agrorum sunt prelati et maxime episcopi cornuti, qui circa hanc Dianam, id est beatam virginem, debent discurrere obsequendo et per devotionem et affectionem altare ipsius frequentando dicentes illud Cant. 1: Trahe me post te, curremus in odorem unguentorum tuorum. 92

hochmütige Teufel, überwunden wird. Und zweifellos müssen sich Scharen von Nymphen, d.h. Gemeinschaften von heiligen Seelen, und zwar besonders von Nonnen und anderen jungen Mädchen, um sie versammeln, d.h. in Andacht ihr zur Seite stehen. Ganz besonders aber müssen in Andacht Oreaden, Bergnymphen, Dryaden, Waldnymphen, d. h. arbeitsame und tätige Seelen, sich um sie scharen, Najaden, also Fluss- und Quellnymphen, d.h. die [Seelen], die sich im Fluss der Frömmigkeit und der heiligen Schriften aufhalten, Nereiden, also Meeresnymphen, d.h. Seelen, die sich in der Bitterkeit des Ordenslebens oder der Reue aufhalten, so dass von ihr [Maria] kurz jenes Wort Cant. 7,1 gesagt werden kann: ›Was wirst du an Sulamith sehen außer den Lagertänzen?‹ Ps. 44,15: ›Nach ihr werden Jungfrauen zum König geführt werden.‹ Die Scharen von Satyrn, d. h. von Sündern, die nämlich auf dem Feld dieser Welt für Götter, d. h. für große Herren, gehalten werden und von denen man weiß, dass sie durch Hochmut gehörnt sind, müssen um sie herumtanzen und umherlaufen, um von ihr Gnade und Mitleid zu erbitten und Hilfe gegen die Dämonen und Laster zu erflehen. Oder sag, dass die Feldsatyrn Prälaten sind, und zwar besonders gehörnte Bischöfe, die um diese Diana, d.h. die selige Jungfrau, herumlaufen müssen, indem sie gehorchen und mit Hingabe und Innigkeit ihren Altar zahlreich besuchen und jenes Wort aus Cant. 1,3 sagen: ›Zieh mich dir nach, wir wollen im Duft deiner Salben laufen.‹ 92

1 ideo procul dubio Lo1Pa8V4Ep; id circo G; procul dubio BTr. 2 debent choreare LLo1Lo2BTr; dicunt .. choreare G; debent corisare Pa8; debent chorizare V4Ep. 6 – 7 habent manere GLLo1Lo2B; manere Pa8; debent manere V4Ep; om. Tr. 7 Oreades Ep; Oriodes G; Oriades LLo1Pa8; Oriedes Lo2; Orgades V4; om. Tr. 8 Dryades Pa8TrEp; Diades GLo1V4; Dyriades Lo2; om. nymphe . . . Dryades L. 9 Naiades LLo1Lo2Pa8Ep; Laiades G; Neides V4; Naydes Tr. 12 Nereides Lo1Lo2Pa8TrEp; Vethaides G; Neroydes L; Neheydes V4. 20 per superbiam Lo1Lo2Pa8V4BEp; per super superbiam G. 21 debent Lo1V4BTrEp; dicunt G; om. Pa8. 25 dic Lo1Pa8V4BTrEp; dicas G. 27 – 28 debent Lo1Lo2V4BEp; dicunt G; om. Tr.

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Vel dic, quod Diana est mulier mala, que arcum et sagittas dicitur habere pro eo, quod ipsa solet per temptationem pungere et per libidinem sagittare. Ista igitur solet post se trahere choros nympharum, id est iuvencularum, que exemplo ipsius decipiuntur; solet etiam satyros, id est luxuriosos, cornibus dignitatum elatos, trahere. Unde et ipsi luxurie potest dici illud Cant. 1: Oleum effusum nomen tuum, ideo adulescentule dilexerunt te nimis. 93 Et iste iuvencule, que famulantur Diane, id est luxurie, sunt quinque, scilicet nymphe montium, inquantum sunt de alto genere, nymphe silvarum, inquantum sunt de rustica plebe, quandoque nymphe fluminum, inquantum sunt divites et luxuriose vel deliciose, quandoque nymphe marium, inquantum sunt penitentes et religiose, nymphe fontium, inquantum sunt aliis presidentes in regimine, quia breviter non est dare hodie aliquem statum sive bassum sive altum, sive ecclesiasticum sive mundanum, in quo non sit dare nymphas famulantes Diane, id est personas obedientes luxurie, quia secundum Ps.: Non est, qui se abscondat a calore eius. Vel dic, quod Diana est avaritia vel rapina, que cervos timidos, id est pauperes, non

Oder sag, dass Diana eine schlechte Frau ist, die, so sagt man, Bogen und Pfeile hat, weil sie gewöhnlich durch Versuchung verletzt und durch Begierde Pfeile verschießt. Diese pflegt also Scharen von Nymphen, d.h. jungen Mädchen, hinter sich herzuziehen, die von ihrem Beispiel getäuscht werden; auch pflegt sie Satyrn, d.h. Unzüchtige, die mit den Hörnern ihres hohen Ranges erhöht sind, nach sich zu ziehen. Daher kann auch dieser zügellosen Frau jenes Wort Cant. 1,2 gesagt werden: ›Dein Name ist ausgeschüttetes Öl, deshalb liebten dich die jungen Mädchen so sehr.‹ 93 Und diese jungen Mädchen, die Diana, d.h. der Begierde dienen, sind fünf, nämlich Bergnymphen, sofern sie von hohem Stand sind, Waldnymphen, sofern sie aus dem einfachen Volk sind, manchmal auch Flussnymphen, sofern sie reich, zügellos und verweichlicht sind, bisweilen Meeresnymphen, sofern sie Büßer und Religiose sind, Quellnymphen, sofern sie über andere in der Regierung den Vorsitz haben, das heißt kurz gesagt, es gibt heute keinen Stand, sei er niedrig oder hoch, sei er geistlich oder weltlich, in dem es keine Nymphen gibt, die Diana dienen, d.h. Personen, die der Begierde nachgeben; denn nach Ps. 18,7 gilt: ›Es gibt keinen, der sich vor ihrer Wärme verbergen kann.‹ Oder sag, dass Diana die Habgier oder der Raub ist, die unaufhörlich auf furcht-

8 trahere add. Idem etiam de vetulis maquerellis vel generaliter de peccato luxurie dici potest, quia sicut iste sunt, que ad libidinem sagittant et stimulant et ideo choros puellarum et etiam hominum cornutorum, id est prelatorum (deest id est prelatorum Tr), aliquotiens secum portant BTr. 5 post se LLo1Pa8V4BEp; posse Lo2; post choros Tr; om. G. 5 choros V4Tr; choreas G; consortes Pa8; cohortes Lo1BEp. 8 cornibus LLo1Lo2Pa8V4Ep; corporibus GB; cornium Tr. 9 luxurie Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; luxuriose G. 9 Cant. 1 Ep; Can. lac. G. 12 – 13 que . . . quinque LLo1Lo2V4Ep; si iste iuvencule Diane sint quinque G; que famulantur luxurie, sunt quinque B; que famulantur Diane sunt quinque Tr. 14 sunt Lo1Pa8V4BTrEp; scilicet G. 17 vel codd.; l G. 19 nymphe G; quandoque nymphe Ep; om. nymphe . . . regimine Lo1Pa8V4BTr. 21 aliquem Lo1Lo2Pa8V4BEp; aliquod G; om. Tr. 24 famulantes Lo1Pa8V4BEp; familiares G. 25 luxurie Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 26 non est LLo1Pa8V4B; non G; nec est Lo2TrEp/Vulg. 28 id est Pa8V4BTrEp; scilicet LLo1; om. GLo2.

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cessat sagittare. Et ideo cornuti et cervicosi, superiores tyranni, solent circa eam choreare. Nymphe montium, silvarum, fontium et marium et omnia genera personarum solent ei obedire sive claustralium sive secularium, unde Ier. 6: A maiore usque ad minorem omnes avaritie student, a propheta usque ad sacerdotem omnes faciunt dolum. Forma Minerve. Capitulum octavum 94

same Hirsche, d.h. auf Arme, mit Pfeilen schießt. Und deshalb tanzen gewöhnlich gehörnte, halsstarrige und mächtige Tyrannen um sie herum. Berg-, Wald-, Quell- und Meeresnymphen und alle anderen Arten von Personen pflegen ihr zu gehorchen, seien es Ordens- oder Weltleute, daher heißt es Ier. 6,13: ›Vom Größten bis zum Kleinsten befleißigen sich alle der Habgier, vom Propheten bis zum Priester betrügen sie alle.‹

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Minerva dea sapientie et de cerebro Iovis nata, que et Pallas dicta est, pingebatur a poetis in similitudinem unius domine armate, cuius caput iride circumcinctum erat, cassis sive crista desuper eam tegebat. Ipsa autem lanceam tenebat in dextra, in sinistra vero scutum cristallinum habebat, quod caput monstruose Gorgone circumseptum serpentibus continebat. Hec igitur oculos habebat splendentes, vestes triplici colore distinctas, iuxta vero se habebat olivam viridem depictam et desuper avem, que dicitur noctua, volitantem. 95 Sicut dicit Fulgentius in libro suo ›Mythologie‹ 96 , antiqui posuerunt tres vitas, scilicet contemplativam, activam et volup-

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5 obedire add. montane enim nymphe sunt ille, que in montibus, turribus et castris, silvestres nymphe sunt Cistercienses et alii, qui morantur in silvis. Fluviales vero, qui morantur in villis circa quas solent aqua currere et fluere. Marini sunt illi, qui morantur in insulis. Vix est dare statum, in quo non serviatur avaritie, unde Ieremie 8 dicit: A maiore usque ad minorem omnes avaritie student BTr (sec. Tr).

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Kapitel 8: Minerva 94 Minerva, die Göttin der Weisheit, geboren aus dem Haupt Jupiters, auch Pallas genannt, wurde von den Dichtern als eine bewaffnete edle Dame dargestellt, deren Kopf von einem Regenbogen umgeben war. Ein Helm oder Helmbusch bedeckte oben ihr Haupt. Sie hielt einen Speer in ihrer Rechten, in der Linken aber hatte sie einen kristallenen Schild, der das Haupt der scheußlichen Gorgo, das von Schlangen rings umgeben war, zeigte. Sie hatte strahlende Augen, Kleider in drei Farben, neben sich aber hatte sie einen grünen Olivenbaum abgebildet und darüber einen fliegenden Vogel mit dem Namen Nachteule. 95 Wie Fulgentius in seinem Buch ›Mythologiae‹ sagt, 96 zählten die Alten drei Lebensformen, nämlich die der Betrachtung, die des Handelns und die des Genusses. Die

3 fontium Tr; om. GLo1Pa8V4BEp. 6 Ier. 6 Ier. 8 G. 9 Forma . . . octavum Forma Minerve. Capitulo 8 G. 16 habebat quod GLLo1Tr; habebatque Lo2Pa8V4Ep 17 caput monstruose GLo1TrEp; caput Lo2; caput monstruosum V4. 17 – 18 circumseptum serpentibus G; crinitum serpentibus Lo1Tr; om. Lo2; cum tribus serpentibus Pa8; terrificata V4; circumcinctum serpentibus Ep. 18 continebat LLo1Tr; habebat G; om. Lo2Pa8V4Ep. 21 depictam G; pictam Lo1Pa8V4TrEp. 23 Sicut literalis G in marg. 23 – 24 mythologie G; mythologiarum LLo1; mythologorum Pa8Ep; michologiarum Tr; om. in . . . mythologie V4. 24 tres Lo1 Pa8V4TrEp; triplices G.

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tuosam, primam assignantes sapientibus, secundam divitibus, tertiam carnalibus. Et quamlibet istarum vocaverunt deam et cuilibet pinxerunt suam imaginem, ita quod Minerva fuit prima, Iuno secunda, Venus tertia, de qua dictum est. 97 Moraliter

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Dico igitur, quod Minerva, dea sapientie, significat sapientis hominis vitam; que a cerebro Iovis, id est ab ipsa mente divina, nascitur et desursum a patre luminum 98 derivatur, Eccli. 1: Omnis sapientia a domino deo est. Ista igitur dicitur armata, quia sapientia sive sapiens debet habere virtutis multiplicem armaturam: debet enim habere scutum fortitudinis et patientie, galeam sobrietatis et temperantie, iridem claritatis et prudentie, olivam pietatis et misericordie, noctuam humilitatis et occultantie, triplicem vestem, id est tres virtutes theologicas vel fidem trinitatis et magnificentie divine. Dico etiam, quod iste debet habere lanceam, que habet hastam rectam et ferrum acutum significans iustitiam, que acuta est, inquantum malos castigat, recta vero, inquantum indeclinabiliter circa partes iudicat et disceptat, Sap. 5: Acuet iram diram in lanceam. Item debet habere scutum pa-

erste Lebensform schrieben sie den weisen Menschen zu, die zweite den reichen und die dritte den sinnenhaften. Und jede dieser Lebensformen bezeichneten sie als Göttin und gaben jeder ihr Bild, so dass Minerva die erste war, Juno die zweite und Venus die dritte, von der schon gesprochen wurde. 97 Moralisierung Ich sage also, dass Minerva, die Göttin der Weisheit, die Lebensform eines weisen Menschen bedeutet; sie wurde aus dem Haupt Jupiters, d.h. vom göttlichen Geist selbst, geboren und ›von oben vom Vater der Lichter‹ [Jac. 1,17] 98 nach unten geführt, Eccli. 1,1: ›Alle Weisheit stammt von Gott, dem Herrn.‹ Man sagt nun, sie sei bewaffnet, da die Weisheit oder der Weise die vielfältige Bewaffnung der Tugend haben muss: denn er muss den Schild der Tapferkeit und der Geduld haben, den Helm der Nüchternheit und der Mäßigung, den Regenbogen der Klarheit und der Klugheit, den Olivenbaum der Zuwendung und des Mitleids, die Nachteule der Demut und des Verbergens, das dreifarbige Kleid, d.h. die drei theologischen Tugenden oder den Glauben an die Trinität und an die göttliche Größe. Auch sage ich, dass dieser Weise eine Lanze haben muss, die einen geraden Speerschaft und eine scharfe Eisenspitze hat und damit die Gerechtigkeit bedeutet, die scharf ist, sofern sie Böse züchtigt, die aber gerade ist, sofern sie unparteiisch für beide Seiten urteilt und entscheidet, Sap. 5,21: ›Sie wird den harten Zorn zum Schwert schärfen.‹ Ebenso muss er

7 Moraliter moralis G in marg. 11 desursum Lo1Pa8V4TrEp; desuper G. 17 – 18 claritatis et prudentie Lo1Lo2Pa8V4Ep; caritatis et concordie G; om. iridem . . . prudentie Tr, sed hab. lanceam rectitudinis et iustitie. 19 occultantie Lo1Lo2Pa8V4TrEp; obedientie G. 20 tres LLo1Pa8TrEp; triplices G; om. Lo2V4. 20 theologicas Lo1Pa8V4TrEp; theolo lac. G. 24 acuta acut..a G (foramen membrane). 27 et disceptat LLo1Tr; et G; inquantum non declinat ad aliquam partem per favorem vel odium Pa8V4Ep cum min. var. lect. 27 Sap. 5 Lo1V4TrEp; lac. G; Sapientie secundo Pa8. 27 diram GLo2Pa8V4Ep; duram LLo1Tr/Vulg. 28 in Lo1Pa8V4TrEp/Vulg; ut G.

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tientie et fortitudinis, quia patientia et fortitudo sunt scutum, quod a lesione defendit et tribulationis et temptationis iaculis obviat et resistit, quod bene decet hominem sapientem, quia secundum [Ps.-]Senecam: Cuiusvis doloris remedium est patientia. 99 Illud tamen patientie scutum debet habere tres proprietates, quia debet esse crystallinum per soliditatem et splendentem veritatem, debet esse triangulum, inquantum sustinet triplicem adversitatem, scilicet in persona, in fama et in substantia. Debet habere imaginem terribilem, id est timoris divini imaginem et severitatem. Sapiens enim debet timorem domini et imaginem Gorgone, id est mortis vel diaboli, in suo corde pictam habere, ut sic possit per timorem domini a vitiis declinare, quia Eccli. 18 dicitur: Sapiens in omnibus metuit. Patientia debet esse in tribus et quoad tria, quia debet esse clara, id est vera et non ficta, debet esse humilis, id est reverens, et timida. Et sic erit scutum Palladis, scilicet patientia hominis sapientis, Reg. 10: Fecit rex Salomon trecenta scuta de auro purissimo. Aurum enim percussum non resonat et significat patientiam, et tamen scuta nostre fortitudinis non videntur nunc esse per patientiam aurea, sed per impatientiam sonora et enea. Unde Reg. 14 dicitur, quod

den Schild der Geduld und der Tapferkeit haben, weil die Geduld und die Tapferkeit der Schild sind, der vor Verletzung schützt und den Geschossen der Trübsal und Versuchung standhält und ihnen Widerstand bietet, was sich für einen weisen Menschen wohl ziemt, da nach [Ps.-]Seneca ›Heilmittel gegen jeden Schmerz die Geduld ist‹. 99 Jener Schild der Geduld muss jedoch drei Eigenschaften haben, denn er muss kristallen sein durch Festigkeit und leuchtende Wahrheit, er muss ein Dreieck sein, sofern er eine dreifache Bedrohung aushält, nämlich für die Person, den Ruf und den Besitz. Er muss ein furchterregendes Bild haben, d.h. die Vorstellung und Strenge der Gottesfurcht. Denn der Weise muss die Furcht vor dem Herrn und das Bild der Gorgo, d.h. des Todes oder des Teufels, in seinem Herzen gemalt haben, so dass er sich durch seine Gottesfurcht von seinen Lastern abwenden kann, da es Eccli. 18,27 heißt: ›Ein Weiser fürchtet sich bei allem.‹ Die Geduld muss eine dreifache sein und drei Aspekte haben, da sie klar, d. h. wahr und nicht geheuchelt, sein muss, demütig, d.h. voller Ehrfurcht, und besorgt. Und so wird der Schild der Pallas sein, nämlich die Geduld eines weisen Menschen, 3. Reg. 10,16: ›König Salomon ließ dreihundert Schilde aus reinstem Gold anfertigen.‹ Denn Gold, das man schlägt, hallt nicht wieder und bedeutet die Geduld, und doch scheinen die Schilde unserer Stärke heute nicht golden zu sein durch Geduld, sondern durch Ungeduld schallend und ehern; daher heißt es 3. Reg. 14,25 f., dass ›der König von Ägyp-

2 quod LLo1Pa8V4TrEp; que G. 4 quod LLo2Pa8V4Ep; quia G. 6 Cuiusvis LLo1; Levius G; cuius Lo2 Pa8; tui V4; summum Tr; om. Ep. 6 – 7 patientia . . . patientie GLo1Lo2Pa8V4Tr; sapientia . . . sapientie Ep. 13 habere Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 16 Gorgone GLLo1Pa8Tr; Gurgone Pa8; Gorgonum Lo2V4; Gorgonis Ep. 17 pictam Lo1Pa8V4TrEp; pictum G. 17 sic Lo1Pa8V4TrEp; se G. 18 – 19 Eccli. 18 Eccli. 25 G. 21 – 22 vera et non ficta Lo1Pa8V4TrEp; vera G. 22 reverens LLo1Lo2Pa8V4TrEp; cum reverentia G. 28 fortitudinis LLo1Lo2Pa8V4Ep; formidinis G; patientie Tr. 29 aurea LLo1Lo2Tr; auream G; aureum (sc. scutum) Pa8V4Ep. 30 sonora et enea GLo2; sonora et erea LLo1Tr; sonorum et eneum Pa8Ep. 30 Reg. 14 Reg. 23 G.

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rex Egypti dirupit aurea scuta, que fecit rex Salomon in Ierusalem; pro quibus rex Ieroboam fecit erea ad denotandum, quod de Ierusalem, id est de ecclesia, scuta aurea patientie mediante rege Egypti, scilicet diabolo, defecerunt, scuta autem erea clamoris et discordie successerunt. Item ista Pallas debet habere galeam in capite per quam intelligitur temperantia, que sensus cohibet et coercet, iridem prudentie et concordie, que circa sapientem splendet et signum federis et amicitie esse debet. Et super galeam debet habere cristam honoris et eminentie, que ceteris supereminet. Noctuam, que avis est, que de die se abscondit, debet habere, id est presentie hominum fugam et suarum virtutum occultationem. Olivam, que est signum pacis et oleum fundit, debet habere, id est pacem, concordiam et dilectionem, Zach. 4: Isti sunt due olive. 100 Vel dic omnia de sapientia increata, id est de dei filio benedicto, cuius vestis, id est humanitas, fuit tricolor, inquantum habuit enim tres naturas: animam, carnem et divinitatem. Qui habet scutum equitatis, lanceam severitatis, galeam impenetrabilis potestatis cum crista proprie dignitatis et iridem totius perfectionis et honestatis. Cir-

ten die goldenen Schilde zerstörte, die König Salomon in Jerusalem hatte herstellen lassen. Anstelle dieser fertigte König Ieroboam eherne an,‹ um kenntlich zu machen, dass in Jerusalem, d.h. in der Kirche, goldene Schilde der Geduld wegen des ägyptischen Königs, nämlich des Teufels, fehlten, aber eherne Schilde des Geschreis und der Zwietracht sie ersetzten. Ebenso muss diese Pallas einen Helm auf dem Kopf haben unter dem die Mäßigung verstanden wird, die die Sinne hemmt und in die Schranken weist, einen Regenbogen der Klugheit und der Eintracht, der um den Weisen herum glänzt und das Zeichen des Bündnisses und der Freundschaft sein soll. Und über dem Helm soll sie einen Helmbusch der Ehre und der Hoheit haben, der die übrigen Menschen überragt. Sie soll eine Nachteule haben, die ein Vogel ist, der sich den Tag über verbirgt, d.h. die Flucht vor der Gegenwart von Menschen und das Verbergen ihrer Tugenden. Sie soll einen Olivenbaum haben, der ein Zeichen des Friedens ist und dem Öl entfließt, d. h. Frieden, Einheit und Liebe, Zach. 4,11: ›Dies sind zwei Olivenbäume.‹ 100 Oder bezieh alles auf die ungeschaffene Weisheit, d.h. den gesegneten Gottessohn, dessen Kleid, d.h. dessen Menschsein, dreifarbig war, sofern er nämlich drei Naturen hatte: Seele, Körper und Gottsein. Dieser hat einen Schild der Billigkeit, einen Speer der Strenge, einen Helm der undurchdringlichen Macht mit einem Helmbusch der Würde, und er hat einen Regenbogen uneingeschränkter, allumfassender Vollkommenheit und Ehre. Um sich herum hat er

1 dirupit LLo1Lo2Pa8V4; dirumpuit G; diripuit TrEp/Vulg. 1 fecit GLo2Pa8V4; fecerat LLo1TrEp/Vulg. 2 quibus Lo1Lo2Pa8V4TrEp/Vulg; quo G. 3 Ieroboam G; Israel LLo1Lo2Pa8V4Tr; Roboam Ep/Vulg. 3 erea Lo1TrEp; enea GLo2Pa8V4. 6 erea GLLo1Tr/Vulg; enea Pa8V4; enea, id est Ep. 10 iridem Lo1Pa8V4TrEp; iridam G. 16 id est . . . hominum Pa8V4TrEp; in presentium honorum G; hominum LLo1; id est presentium hominum Lo2. 23 inquantum Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 25 et divinitatem GV4; et sanguinem LLo1Lo2Pa8 Tr; et sanguinem vel animam corpus et deitatem Ep. 26 severitatis Lo1Lo2Pa8V4Tr; sanctitatis G; sevritttis Ep. 27 potestatis LLo1TrEp; p lac. G; (galeam) impenetrabilitatis Pa8; lesionis V4.

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ca se habet noctuas, id est humiles, olivas, id est misericordes. Unde de eo dicitur Sap. 5: Sumet scutum inexpugnabile equitatem, acuet autem diram iram suam in lanceam; induet pro thorace iustitiam et accipiet pro galea iudicium rectum. Vel dic, quod ista dea significat superbiam, que scilicet de cerebro Iovis, id est de corde diaboli, fuit nata, que contra pauperes est armata et per presumptionem cristata et capite Gorgone, id est terrifica magnificentia, ad terrendum alios est munita. Forma Iunonis uxoris et sororis Iovis. Capitulum nonum 101 Iuno picta est in similitudinem aeris secundum Fulgentium; 102 antiqui enim ipsam et uxorem et sororem Iovis dixerunt: uxorem, quia sub eo et ab eo calorem, quo inferiora foveret, velut semen in matrice reciperet, 103 sororem, quia prope eum est. Virginem tamen eam dicunt, quia de aere, nisi aliud assit, nihil generatur. 104 Iridem et nymphas sibi attribuunt, quia iris in igne gignitur et nymphe, id est nubes, in aere generantur. Et ideo Neptunus, id est deus maris, dicitur nutritor Iunonis pro eo, quod fumi de mari ascendentes cum aere se im-

Nachteulen, d.h. Demütige, Oliven, d.h. Barmherzige. Daher heißt es von ihm Sap. 5,19f.: ›Er wird Billigkeit als unbezwinglichen Schild ergreifen, seinen heftigen Zorn wird er zum Schwert schärfen. Er wird die Gerechtigkeit als Brustpanzer anziehen und wird als Helm das gerechte Urteil anlegen.‹ Oder sag, dass diese Göttin den Hochmut bedeutet, der aus dem Haupt Jupiters, d.h. aus dem Herzen des Teufels, geboren wurde. Diese ist gegen die Armen gerüstet, durch Anmaßung mit einem Helmbusch geschmückt und mit dem Gorgonenhaupt, d.h. mit furchterregender Pracht, bewehrt, um andere in Schrecken zu versetzen. Kapitel 9: Juno, Gattin und Schwester Jupiters 101 Juno wurde nach Fulgentius der Luft ähnlich dargestellt; 102 denn die Alten sagten, dass sie sowohl Gattin als auch Schwester Jupiters sei: Gattin, weil sie unter ihm lag und von ihm die Wärme, mit der sie die weiter unten liegenden Dinge wärmte, wie einen Samen in der Gebärmutter empfing; 103 Schwester, weil sie ihm nahe ist. Dennoch nennen sie sie eine Jungfrau, da aus der Luft nichts erschaffen wird, 104 wenn nichts anderes hinzukommt. Iris und die Nymphen geben sie ihr bei, da Iris [der Regenbogen] im Feuer entsteht, und die Nymphen, d. h. die Wolken, in der Luft erzeugt werden. Und deshalb wird Neptun, d.h. der Meeresgott, der Ernährer Junos genannt, weil die Dämpfe, die aus dem Meer aufsteigen, sich mit der Luft vermischen

3 inexpugnabile equitatem GLo1Ep; expugnabile equitatem Lo2; inexpugnabile equitate V4; inexpugnabile equitatis Pa8Tr; inexpugnabilem equitatem L/Vulg. 4 diram GLo2V4Ep; duram LLo1/Vulg.; om. Pa8Tr. 5 – 6 induet . . . rectum LLo1Lo2Ep/Vulg.; om. GPa8V4Tr. 11 cristata GLLo1Lo2Pa8V4; et elevationem cristat Tr; castrata Ep. 11 Gorgone GLLo1Lo2Tr; Gorgonum Pa8V4; gorgoneo Ep. 11 – 12 terrifica magnificentia LLo1 V4TrEp; terrifica magna G; facie terrifica et magnifica Pa8. 12 alios Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 14 – 15 Forma . . . nonum Forma Iunonis uxoris et sororis Solis et add. ***is uxor seu ***us 9 cap. G in marg.. 18 uxorem . . . Iovis LLo1Pa8V4Ep; uxorem Solis et sororem G; uxorem et sororem Lo2; Iovis, id est ignis, uxorem et sororem Tr. 19 sub eo et ab Pa8V4Ep; sub sole et ab G; ab eo, sub eo et de eo LLo1.

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miscent et sic videtur, quod sibi alimentum aliquod subministrat. 105 Sed dic, quod antiqui dixerunt Iunonem esse deam regnorum et divitiarum, 106 Iovis coniugem, sed tamen fuisse virginem et intactam Neptunique nutriciam et alumnam. Cuius imago erat femina tenens sceptrum in dextra, caput eius nube velabatur et vestis eius multicolor pingebatur. Iris vero sibi sacrata erat; que ipsam in circuitu ambiebat nuntiumque Iunonis iridem populus appellabat. Pavones vero pedes eius lambebant et a dextris et a sinistris domine subsidebant avesque Iunonis specialiter dicte erant. 107 Moraliter Talis dea per omnia videtur esse beata virgo, que est regnorum et divitiarum paradisi dea et domina et magistra Iovisque, id est Christi, uxor et soror per intimam caritatem, virgo tamen semper manens per integram puritatem. A Neptuno, id est a mari, scilicet tribulationum et contritionum amaritudine, nutrita est per doloris et considerationis acerbitatem, Ez. 31: Aque nutrierunt illum. Ista operta et velata nube mundissime castitatis, vestita multis coloribus honestatis, circumdata iride, que pluviam significat, id est rorem dulciflue pieta-

und es dann so scheint, dass er ihr eine Art Nahrung spendet. 105 Aber sag, dass Juno nach Aussage der Alten die Göttin der Herrschaft und des Reichtums ist, 106 die Gattin Jupiters, aber dass sie dennoch eine Jungfrau und unberührt geblieben sei und von Neptun ernährt und aufgezogen wurde. Ihr Bild war das einer Frau, die ein Zepter in der Rechten hielt, ihr Haupt wurde von einer Wolke umhüllt, und ihr Kleid wurde vielfarbig gemalt. Der Regenbogen [Iris] aber, der sie kreisförmig umgab, war ihr geweiht, und das Volk nannte Iris ›Botin der Juno‹. Pfauen leckten ihre Füße und saßen rechts und links von ihrer Herrin, und sie wurden besonders ›Vögel der Juno‹ genannt. 107 Moralisierung Solch eine Göttin scheint in allem die selige Jungfrau zu sein; sie ist Göttin, Herrin und Meisterin der Herrschaft und des Reichtums des Paradieses und durch innige Liebe Gattin und Schwester Jupiters, d.h. Christi, die dennoch in unberührter Reinheit stets Jungfrau bleibt. Von Neptun, d. h. vom Meer, nämlich in der Bitterkeit von Bedrängnis und Reue, ist sie durch herben Schmerz und bittere Betrachtung ernährt worden, Ez. 31,4: ›Wasser nährten ihn.‹ Sie ist umhüllt und verschleiert durch eine Wolke reinster Keuschheit, bekleidet in den vielen Farben moralischer Vollkommenheit, umgeben vom Regenbogen, der den Regen bedeutet, d. h. den Tau süß flie-

2 subministrat Lo1Lo2Pa8Ep; administrent G; sibi ministrent V4; subministret Tr. 2 Sed GLo1V4Tr; sed de hoc nihil plus ad praesens, sed Ep; om. Pa8. 5 – 6 Neptunique Lo1V4TrEp; Neuptunnum quoque eius G; Neptuni Pa8. 6 nutriciam et alumnam Lo1V4TrEp; nutritium et alumpnum G; alumpnam Pa8. 7 femina Lo1Lo2Pa8V4Ep; femenina G; feminea Tr. 8 – 9 multicolor Lo2Pa8V4TrEp; triplici colore G; multis coloribus LLo1. 9 sacrata Lo1Pa8V4TrEp; secreta G. 13 subsidebant LLo1Lo2Ep; suriebant G; sedebant Pa8; subsistebant V4Tr. 18 Iovisque Lo1Lo2Pa8TrEp; Iovis quoque G; Iovis V4. 19 et om. G, sed add. supra lin. 23 doloris LLo1Lo2Pa8V4TrEp; dolorem G. 24 considerationis GLLo1Lo2V4Ep; passionis Tr; om. Pa8. 25 velata G; est et velata LLo1V4Tr; velata est Lo2Pa8Ep. 26 – 27 multis coloribus GLLo1Pa8V4Tr; multicoloribus Lo2Ep. 27 iride, que Pa8V4TrEp; Idrie, qui G; Iride, qui LLo1Lo2. 28 id est rorem V4Ep; orationis et G; id est rore LLo1Lo2Pa8.

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tis. Sceptrum tenet eterne et regie maiestatis pavonesque, id est viri sancti, pedes ipsius lambunt per sedulitatem devotionis et obsequiose humilitatis, Mt. 28: Accesserunt et tenuerunt pedes et adoraverunt. Vel dic, quod Iris est predicator vel prelatus, qui ad modum arcus per iustitiam est erectus et tamen per clementiam est humidus atque curvus; qui enim Iunonis, id est beate virginis, nuntius debet dici, quia sibi debet specialiter dedicari. Pavones etiam sunt, qui plumis honeste conversationis pinguntur, qui etiam isti domine specialiter consecrantur, Apoc. 4: In circuitu sedis erat iris. 108 Vel dic, quod Iuno est ecclesia, que est uxor Christi, que ad litteram est regnorum domina, multis coloribus virtutum induta, sceptro iudiciarie potestatis ornata, iride sacramentorum circumcincta et pavonibus, id est viris contemplativis, concomitata. 109 Vel dic secundum Fulgentium 110 , quod per Iunonem intelliguntur divitie et substantia temporalis, que est domina regnorum et cum sceptro depicta pro eo, quod per divitias ad regna pervenitur et pro eo, quod divitie et divites regnis et regibus principantur. Velato tamen capite pingitur pro eo, quod divitie volunt esse abscondite et occulte. 111 Neptunus deus maris nutritor

ßender Milde. Sie hält das Zepter der ewigen königlichen Majestät, und Pfauen, d.h. heilige Männer, lecken in eifriger Andacht und gehorsamer Demut ihre Füße, Mt. 28,9: ›Sie traten zu ihm und umfaßten seine Füße und beteten ihn an.‹ Oder sag, dass Iris [der Regenbogen] ein Prediger oder Prälat ist, der wie ein Bogen durch Gerechtigkeit gespannt ist und doch durch Milde feucht und gebogen ist; denn dieser soll der Bote Junos heißen, d.h. der seligen Jungfrau, weil er ihr besonders ergeben sein soll. Pfauen sind es auch, die mit Federn ehrenhaften Lebenswandels gemalt werden, die ebenfalls dieser Herrin besonders geweiht sind, Apoc. 4,3: ›Um den Thron stand ein Regenbogen.‹ 108 Oder sag, dass Juno die Kirche ist, die die Gemahlin Christi ist; sie ist buchstäblich die Herrin der Reiche, vielfarbig mit Tugenden bekleidet, geschmückt mit dem Zepter der richterlichen Gewalt, umgeben mit dem Regenbogen der Sakramente und begleitet von den Pfauen, d.h. von Männern, die sich der Kontemplation hingeben. 109 Oder sag, dass man, Fulgentius folgend, 110 unter Juno den Reichtum und irdischen Besitz versteht. Diese ist die Herrin der Reiche und wird mit einem Zepter dargestellt, da man durch Reichtum zur Herrschaft gelangt und da Reichtum und reiche Männer über Reiche und Könige gebieten. Sie wird jedoch mit verhülltem Haupt gemalt, weil der Reichtum verborgen und geheim bleiben will. 111 Der Meeresgott Neptun wird ihr Ernährer genannt,

5 adoraverunt add. Vel si vis, potes omnia predicta dicere de qualibet beata virgine BrE. 7 ad modum Ep; per modum GLo1Pa8V4Tr. 8 erectus G; extentus LLo1Lo2; extensus Pa8V4Tr; erectus vel extentus Ep. 11 specialiter Lo1Pa8V4TrEp; simpliciter G. 11 Pavones Lo1Pa8V4TrEp; Paves G. 13 pinguntur Lo1V4TrEp; prelati et predicatores pinguntur G; sunt Pa8. 18 multis coloribus virtutum LLo1; multis G; multis coloribus Pa8V4; multis colorum virtutibus Tr; multicoloribus Lo2Ep. 20 circumcincta LLo1 TrV4Ep; circum amicta Pa8; om. G. 21 concomitata LLo1Lo2Pa8V4Ep; contexta G; comitata Tr et add. Vel dic de humana natura in Christo, que uxor et soror Iovis, id est filii dei, fuit ut supra. 23 – 24 substantia GLLo1 V4BTr; gloria Lo2Ep; om. et substantia temporalis Pa8. 24 que Lo1Pa8V4BTrEp; qui G. 30 Neptunus Ep et codd.; Neutumpnus G.

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illius dicitur pro eo, quod mare divitie acquiruntur, Nah. 3: Cuius divitie mare etc. Multis coloribus dicitur indui pro eo, quod divites solent multis ornatibus apparari. Pavones vero dicuntur pedes cuius lambere pro eo, quod ipse aves celi, id est mundi nobiles, solent divitibus deservire et divitias affectare. Iris etiam, que est impressio coloris celestis, eius nuntius dicitur pro eo, quod ipsi celestes homines, scilicet religiosi et clerici, hodie divitibus famulantur et circa eos commorari et in eorum curiis et hospitiis delectantur. Ista tamen Iuno, id est rerum opulentia, virgo dicitur pro eo, quod a virtutibus semper sterilis invenitur et quia nullus fructus meritorius ex divitiis generatur. Ecclesiastes 5: Qui amant divitias, fructum non capiant ex eis. Talis igitur Iuno figurari potest in illo angelo, qui erat amictus nube et iris in capite eius, Apoc. 10. 112 Forma Cybelis sive Opis matris deorum. Capitulum decimum 113

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Cybele mater deorum dicta fuit Terra, que deos genuit, que dicebatur Berecyntia et Pessinuntia et Ops, uxor Saturni, sicut dictum est in capitulo de Saturno. 114 Huius imaginem antiqui mirabilem depinxerunt secundum Rabanum, Fulgentium et Isidorum: 115 Erat imago femine in curru volubili sedens, lapidibus pretiosis et metallis ves-

da durch das Meer Reichtum erlangt wird, Nah. 3,8 ›sein Reichtum ist das Meer‹ etc. Man sagt, sie sei vielfarbig gekleidet, weil reiche Menschen sich mit vielen Schmuckstücken auszustatten pflegen. Es heißt ferner, dass Pfauen ihre Füße lecken, da selbst die Vögel des Himmels, d. h. die Vornehmen der Welt, den Reichen zu dienen und nach Reichtum zu streben pflegen. Auch nannte man den Regenbogen, der der Widerschein der himmlischen Farbe ist, ihren Boten, weil selbst die himmlischen Menschen, nämlich Mönche und Geistliche, heute den Reichen dienen, sich um sie herum aufhalten und sich an ihren Höfen und an ihrer Gastfreundschaft erfreuen. Dennoch nennt man Juno, d. h. materielle Fülle, Jungfrau, da man sie stets unfruchtbar an Tugenden antrifft und sich keine verdienstliche Frucht aus Reichtum gewinnen lässt, Eccl. 5,9: ›Wer Reichtum liebt, wird aus ihm keinen Gewinn erzielen.‹ Eine solche Juno kann also in jenem Engel als figuriert erkannt werden, ›der mit einer Wolke bekleidet war und einen Regenbogen auf seinem Haupt hatte‹, Apoc. 10,1. 112 Kapitel 10: Cybele oder Ops, die Göttermutter 113 Die Göttermutter Cybele, die die Götter zeugte, wurde Erde genannt, die auch Berecynthia, Pessinuntia und Ops hieß, die Gattin des Saturn, wie es im Kapitel über Saturn gesagt ist. 114 Ihr wunderbares Bild stellten die Alten nach Hraban, Fulgentius und Isidor so dar: 115 Es war das Bild einer Frau, die in einem rollenden Wagen saß, mit wertvollen Steinen und Metallen ge-

2 Nah. 3 Nah. secundo G. 3 Multis coloribus GLLo1Pa8V4Tr; multicoloribus Lo2BEp. 7 deservire G; subservire LLo1BTr; subvenire Lo2V4Ep; supervenire Pa8. 16 meritorius G; meriti LLo1; merito Lo2V4; meritorum BTrEp. 19 angelo dupl. angelo in marg. G. 23 Cybele Cibeles/Cybeles GLo1Lo2Pa8V4Ep; Cybiles L; Sybeles B; Cibelles Tr. 24 Berecyntia Ep; Besithia G; Berecinthia L; Desintheat Pa8; om. BTr. 25 Pessinuntia coni.; Pessumica G; Pessimita L; Pessimuntia Ep; om. Pa8BTr.

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tita, coronam de turribus in capite portabat. Galli sequebantur eam et leones domiti currum eius trahebant et habebat clavem in manu. Istud autem exponitur sic litteraliter: Terra pingebatur ut femina, quia poete aquam et terram feminas appellabant et quia succumbunt et patiuntur et influentiam ab igne et aere recipiunt. In curru vehitur, quia terra in aere pendet, ideo sustinetur rotis, quia mundus rotatur et volubilis est. Leonibus fertur, ut ostendatur materna pietate totum posse superare, omnis enim feritas materne subest affectioni. 116 Erat vestita lapidibus etc., quia terra est mater omnium lapidum et metallorum. 117 Galli eam dicuntur sequi, quia eius sacerdotes castrati erant, qui corybantes dicebantur et per gallos significabantur. Turribus erat coronata ad significandum, quod in terra sunt civitates et turres et castra, clavem habebat in manu, quia verno tempore terra aperitur et hiemali clauditur. 118 Et dic ultra, quod ista Cybele, id est terra, irata contra deos Titanos fingitur protulisse et eos ad impugnandum Iovem et celum citasse. Erant autem Titani gigantes cum pedibus serpentinis, ex quibus unus fuit Sol, qui reptare dicitur, sed tamen celum meruit, quia contra deos cum aliis gi-

schmückt war und eine Turmkrone auf dem Kopf trug. Hähne folgten ihr, gezähmte Löwen zogen ihren Wagen, und sie hatte einen Schlüssel in der Hand. Dies aber kann man im Literalsinn so auslegen: Die Erde wurde als eine Frau dargestellt, da die Dichter das Wasser und die Erde weiblich nannten und da sie zuunterst liegen und passiv sind und den Einfluss von Feuer und Luft aufnehmen. Sie fährt im Wagen, da die Erde in der Luft hängt, und sie wird von Rädern getragen, weil die Welt sich dreht und kreisend bewegt. Sie wird von Löwen gezogen, um zu zeigen, dass sie durch mütterliche Zuwendung alles überwinden kann, denn jedwede Wildheit unterwirft sich der Mutterliebe. 116 Sie war mit Steinen und anderem geschmückt, weil die Erde die Mutter aller Steine und Metalle ist. 117 Hähne – so heißt es – folgten ihr, da ihre Priester Kastraten waren, die Corybanten hießen und durch Hähne bedeutet wurden. Sie war mit einer Turmkrone bekrönt, um anzuzeigen, dass auf der Erde Städte, Türme und Feldlager sind, sie hatte einen Schlüssel in der Hand, weil die Erde sich im Frühjahr öffnet und im Winter verschließt. 118 Und sag weiter, dass Cybele, d.h. die Erde, den Göttern zürnte und daher die Titanen hervorgebracht und sie zum Kampf gegen Jupiter und den Himmel angetrieben haben soll. Die Titanen aber waren Riesen mit Schlangenfüßen, von denen einer Sol war; von ihm sagte man, er krieche, aber er verdiente sich doch den Himmel, da er nicht mit den anderen Giganten gegen

1 – 23 coronam . . . hiemali clauditur deest B. 3 habebat LLo1Lo2V4TrEp; habebant GPa8. 5 litteraliter literalis expositio G in marg. 14 materne Lo2Pa8V4Ep; materna G; materno Tr; om. omnis . . . affectioni LLo1. 15 lapidibus GLo1V4Tr; multis lapidibus preciosis Pa8; lapidibus preciosis et metallis Ep. 18 corybantes Lo1Ep; corbinantes G; corbinates L; corbiantes Lo2V4; corbitantes Pa8; corobiantes Tr; om. B. 24 Cybele Cybeles V4; Cibales G; Cibeles Ep. 25 Titanos LTrEp; et tyrannos G; tyrannos Lo2V4B; tirannus Pa8. 27 Titani LLo1Ep; tiranni GLo2Pa8V4B; Titanes Tr. 29 reptare GLLo1Lo2; restare Ep; om. Pa8BTr.

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gantibus non pugnavit, ut dictum capitulo de Iove. 119

die Götter kämpfte, wie schon im Kapitel über Jupiter gesagt ist. 119

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Ista applica: Terra, id est religio vel ecclesia, non solum producit deos, id est viros iustos, quibus in Psalmo dicitur: Ego dixi: Dii estis, sed etiam producit quandoque gigantes, id est homines impios et iniquos, qui contra deos, id est iustos, non cessant pugnare. Igitur non glorietur Cybeles, mater nostra, id est religio vel ecclesia, quod deos, id est viros sanctos plurimos, produxit, qui nunc dominantur in celis, quia procul dubio plures gigantes, id est viros iniquos, produxit, qui in inferno prostrati iacent et in eternum iacebunt, Iob 26: Ecce gigantes gemunt sub aquis et qui habitant cum eis. Vel dic, quod dii sunt prelati; Titani cum pedibus serpentinis sunt subditi serpentini et malitiosi, qui contra deos, id est prelatos, solent insurgere, propter quod sepe contingit eos a divinitate sua, id est ab honore, deici et deponi. Verumtamen quandoque contingit, quod ibi est Sol, id est aliquis vir clarus, sapiens et discretus, qui aliorum conspirationibus non consentit, sed infra terminos suos remanens deorum, id est prelatorum suorum, potentiam non invadit.

Wende dies so an: Die Erde, d.h. die Religion oder die Kirche, bringt nicht allein Götter hervor, d.h. gerechte Männer, denen in Psalm 81,6 gesagt wird: ›Ich sagte: Ihr seid Götter‹, sondern sie bringt zuweilen auch Giganten hervor, d.h. gottlose und ungerechte Menschen, die nicht aufhören, gegen die Götter, d.h. die Gerechten, zu kämpfen. Also soll sich unsere Mutter Cybele, d.h. die Religion oder Kirche, nicht rühmen, dass sie Götter, d.h. zahlreiche heilige Männer hervorbrachte, die nun im Himmel herrschen, da sie zweifellos auch nicht wenige Giganten, d.h. ungerechte Männer, hervorbrachte, die in der Hölle niedergestreckt daliegen und auf ewig daliegen werden, Iob 26,5: ›Siehe, die Giganten seufzen unter den Wassermassen und auch diejenigen, die bei ihnen wohnen.‹ Oder sag, dass die Götter die Prälaten sind und die Titanen mit den Schlangenfüßen schlangenhafte und bösartige Untergebene, die sich häufig gegen die Götter, d.h. die Prälaten, erheben. Deshalb geschieht es oft, dass sie von ihrer Göttlichkeit, d.h. von ihrer ehrenvollen Stellung, herabgeworfen und abgesetzt werden. Gleichwohl kommt es manchmal vor, dass dort Sol ist, d.h. ein reiner, weiser und besonnener Mann, der den Verschwörungen der anderen nicht beistimmt, sondern innerhalb seiner Grenzen bleibt und die Macht der Götter, d.h. seiner Prälaten, nicht angreift. Deshalb bleibt die-

5 deos om. G, sed add. supra lin. 6 quibus GLo2Pa8BTr; de quibus LLo1V4Ep. 7 Dii om. G, sed add. supra lin. 10 non LLo1Lo2Pa8V4BTrEp; enim G. 12 plurimos LLo1Lo2V4Ep; pulcerrimos G; iustos Pa8 Tr; multos B. 13 qui Lo1Pa8V4BTrEp; quia G. 13 dominantur Lo1Pa8V4BTrEp; dominatur G. 15 in inferno Pa8V4; infirmati G; inferius LLo1Lo2BTr; in infimis Ep. 19 Titani LLo1Ep; Titan G; Tiranni Lo2Pa8 V4; gigantes autem et maxime Titanes (tyranni B) BTr. 19 cum Lo1Pa8V4BTrEp; sub G. 23 contingit eos cet. codd. Ep; convenit eis G. 23 a divinitate Lo2TrEp; suppeditari G; a dominatione Pa8; a deitate V4B; adiuvante domino LLo1. 23 – 24 ab honore Lo2Pa8V4Ep; ab homine G; ab honore et statu suo LLo1BTr. 24 deponi G; om. LL1; deprimi V4Ep; perire BTr. 29 potentiam Lo1Pa8V4BTrEp; po lac. G.

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Quapropter iste solet in statu et maiestate sua remanere et aliis cadentibus superstare. Fatuus est igitur, qui talibus litigiosis consentit, quia ut communiter male accidit illis, qui contra prelatos suos insurgunt contumaciter et rebellant, quia Apoc. 12: Draco pugnabat et angeli eius et non prevaluerunt neque locus eorum amplius inventus est in celo. Forma Neptuni. Caput undecimum 120 Neptunus deus aquarum ponebatur secundum Fulgentium 121 in similitudinem maris vel saltem ad modum cuiusdam numinis maria gubernantis. Erat igitur imago sua homo in mari natans et tridentem pro sceptro regio manu portans; cum quo tridente saxum quoddam percutiebat et inde quendam equum acerrimum educebat. 122 Greges autem tritonum circa eum natabant et regem equoris honorabant. Sunt autem tritones pisces, qui tubas in ore portant, cum quibus tubizinant. Antiqui eos quedam marina numina esse dicebant. 123 Dicitur autem Neptunus quasi nube tonans pro eo, quod de vaporibus de terra ascendentibus tonitrua in nubibus generantur. 124 Vel dic litteraliter, quod Neptunus, qui a natando dicitur, sicut Portunus a por-

ser gewöhnlich in seinem Stand und Ansehen und steht über den anderen, die fallen. Töricht ist also derjenige, der solchen Aufständischen zustimmt, weil jenen meistens Übles widerfährt, die sich trotzig gegen ihre Prälaten erheben und sich ihnen widersetzen, da es Apoc. 12,7 f. heißt: ›Der Drache kämpfte zusammen mit seinen Engeln, und sie behielten nicht die Oberhand und ihre Stätte wurde im Himmel nicht mehr gefunden.‹ Kapitel 11: Neptun 120 Der Meeresgott Neptun wird nach Fulgentius 121 dem Meer ähnlich dargestellt oder zumindest nach Art einer Gottheit, die über die Meere herrscht. Sein Bild war also das eines Mannes, der im Meer schwimmt und einen Dreizack als Königszepter in der Hand hält; mit diesem Dreizack durchschlug er einen Felsen und zog ein sehr feuriges Pferd daraus hervor. 122 Scharen von Tritonen aber schwammen um ihn herum und ehrten den König des Meeres. Tritonen aber sind Fische, die Trompeten in ihrem Mund tragen, mit denen sie trompeten. Die Alten sagten, sie seien eine Art Meeresgottheiten. 123 Er aber wird Neptun genannt, gleichsam ›mit der Wolke donnernd‹ [nube tonans], weil aus den Dämpfen, die aus der Erde aufsteigen, Donnerschläge in den Wolken erzeugt werden. 124 Oder sag im Literalsinn, dass Neptun, der von ›natandum‹ [›schwimmen‹] so

10 Forma . . . undecimum pos. Cap. 15 (De Vulcano) post Cap. 10 BTr. 27 – 107,8 Vel . . . terra deest Pa8B. 1 – 2 et maiestate sua LLo1Lo2Pa8Ep; et maiestate G; maiestatis sue V4; suo et gradu BTr. 2 remanere et Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 4 communiter . . . accidit LLo1Lo2Pa8V4Ep; convenit a male et accidit (a del.) G. 6 Apoc. 12 Apoc. 2 G. 11 Neptunus V4Ep; Neuptunnus G; Neptunnus Tr. 18 quendam Lo1V4BTrEp; quoddam G; om. Pa8. 18 acerrimum Lo1Pa8V4BEp; tereterrimum G; acerrime Tr. 22 cum quibus Lo2 V4Tr; cum quibus quia GL; om. B; quibus Ep. 22 – 23 eos . . . numina LLo1Ep; eas quasdam marinas numas G; ipsos . . . numina BTr; eos quedam numina Pa8. 25 de GLo1Pa8V4BTr; de eo et Ep; om. Dicitur . . . generantur B. 26 tonitrua Lo1Pa8V4BTrEp; tonitiva G. 27 litteraliter Lo1Lo2Pa8V4Ep; quod litteraliter G; expositionem littere B; om. Vel . . . quod Tr. 28 natando GLLo1Pa8Tr; nando Lo2V4Ep; om. qui a . . . portu B. 28 Portunus Ep; porticum G; portunum Lo1Pa8V4; porcunum Lo2; portum Tr; om. B.

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tu, pingitur cum tridente propter triplicem proprietatem aque: Que est natabilis, fluxibilis et potabilis. Pingitur cum equo ad denotandam suam inquietam celeritatem. Pingitur cum tritonibus ad designandam suam tubicinalem sonoritatem, vel quia tribus elementis aqua circuitur, scilicet igne, aere et terra. 125 Moralis

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Per istum Neptunum intelligo diabolum, qui pro certo maris, id est huius seculi, deus dicitur, quia ibi dominatur, Cor. 4: Deus huius seculi excecavit mentes infidelium. Iste enim per aquas fluxibilis vite perambulat et tridentem triplicis concupiscentie secum portat, quo scilicet saxa, id est homines fortes, percutit et in equos, id est luxuriosos et immundos et superbos, aliquotiens eos vertit, figuratus per Ioab, qui tribus lanceis Absalonem interfecit, Reg. 18. 126 Unde, sicut apparet, multi viri, qui fuerunt in ecclesia lapides vivi, 127 facti sunt equi, et qui fuerunt sancti, facti sunt muli, contra id Ps.: Nolite fieri sicut equus et mulus etc. 128 Tritones, id est mundi tubicines, scilicet magniloqui et adulatores, isti deo maris, id est diabolo, deserviunt et circa eum per vitia deambulant.

heißt wie Portunus von ›portus‹ [›Hafen‹], mit einem Dreizack dargestellt wird, weil das Wasser drei Eigenschaften hat: Man kann darin schwimmen, es ist flüssig und trinkbar. Er wird mit einem Pferd gemalt, um seine hektische Schnelligkeit kenntlich zu machen. Er wird mit Tritonen dargestellt, um seinen trompetengleichen Klang zu kennzeichnen, oder weil das Wasser von drei Elementen umgeben wird, nämlich von Feuer, Luft und Erde. 125 Moralisierung Unter diesem Neptun verstehe ich den Teufel, der gewiss Gott des Meeres, d. h. dieser irdischen Welt, genannt wird, weil er dort herrscht, 2. Cor. 4,4: ›Der Gott dieser Welt machte den Geist der Ungläubigen blind.‹ Denn er durchwandert die Wasser des unsteten Lebens und trägt einen Dreizack der dreifachen Begierde bei sich, mit dem er nämlich Felsen, d.h. starke Menschen, zerschlägt und in Pferde, d.h. nicht selten in zügellose, unreine und hochmütige Menschen, verwandelt; präfiguriert ist er in Ioab, der mit drei Lanzen Absalon tötete, 3. Reg. 18,14. 126 Daher wurden, wie es offensichtlich ist, viele Männer, die in der Kirche lebendige Steine [1. Petr. 2,5] 127 waren, zu Pferden, und die heilig waren, wurden zu Maultieren, entgegen jenem Psalmwort [31,9]: ›Werdet nicht wie ein Pferd und Maultier‹ etc. 128 Tritonen, d. h. weltliche Trompetenbläser, nämlich Prahler und Schmeichler, dienen diesem Meeresgott, d.h. dem Teufel, und ergehen sich um ihn herum in Lastern.

3 potabilis Lo1Pa8V4BEp; portabilis GTr. 4 celeritatem Lo1Pa8V4BTrEp; sceleritatem G. 6 tubicinalem LLo1Pa8V4Ep; tibizinalem GBTr. 7 aqua Lo1V4TrEp; om. G; om. Vel . . . terra Pa8B. 11 id est Lo2Pa8Ep; et V4; om. GLLo1BTr. 14 fluxibilis vite G; huius fluctuose vite LLo1B; huius seculi, id est fluctuose vite Lo2V4; huius seculi in fluctuosa vita Pa8; huius fluxibilis vite Tr; huius seculi fluctuose Ep. 17 fortes GPa8; fortes et saxeos Lo1V4TrEp; fortes et saxos B. 18 – 19 aliquotiens eos Lo1V4Ep; eos G; aliquotiens Pa8; aliquando eos BTr. 19 figuratus Lo2Pa8V4TrEp; figuratum G; figuratur LLo1. 23 sancti GEp; boni V4B. 23 muli Pa8; mali GLo1V4BTrEp. 25 tubicines Lo1Pa8V4BEp; tibicines GTr. 26 maris Lo1Pa8V4BTrEp; mater G.

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Vel dic, quod per Neptunum significantur principes et tyranni, qui sunt dii huius mundi, qui in aqua deliciarum noscuntur natare, sceptrum tridentatum, id est iurisdictionem dentatam et rapacem, noscuntur portare, cum qua saxa, id est subditos pauperes, per rapacitatem percutiunt, ita quod ipsos faciunt equos, inquantum de bonis eorum et rapinis solent ea, que fastui sunt necessaria, et alia, que ad fastum seculi pertinent, procurare. Isti etiam habent choreas tritonum, id est tubicinum adulatorum, qui eorum malefacta non cessant tuba sue eloquentie commendare et alios deferendo accusare. Quod bene figuratum est Dan. 3o , ubi dicitur, quod circa statuam auream audiebatur sonitus tube, cithare et symphonie 129 , ad denotandum, quod isti aurei divites statuales semper volunt habere secum tubicines, id est adulatores et suorum malorum operum laudatores, de quibus dicitur Apoc. 8: Qui habebant tubas, paraverunt se, ut tuba canerent. Isti igitur dicuntur Neptuni quasi nube tonantes, id est sursum exaltantes vocem suam per iactantiam. Sceptrum vero sue rapacitatis et auctoritatis tres dentes habere dicitur, in-

Oder sag, dass durch Neptun die Fürsten und Tyrannen bedeutet werden, die die Götter dieser Welt sind; von ihnen weiß man, dass sie im Wasser der Genüsse schwimmen, von ihnen weiß man, dass sie das dreizackige Zepter, und zwar eine verletzende, raffgierige Rechtsprechung, tragen. Mit dieser schlagen sie aus Raubsucht Felsen, d.h. arme Untergebene, so dass sie sie zu Pferden machen, sofern sie aus ihren Gütern und aus ihrem Raub das, was für den Stolz notwendig ist, und andere Dinge, die dem Stolz der Welt dienen, zu besorgen pflegen. Diese haben auch Scharen von Tritonen, d. h. von schmeichlerischen Trompetern, die nicht davon ablassen, die Übeltaten jener mit der Trompete ihrer Beredsamkeit zu rühmen und andere herabzusetzen. Dies ist gut präfiguriert in Dan. 3,5, wo es heißt, dass um eine goldene Statue herum ›der Klang einer Trompete, einer Kithara und einer Trommel gehört wurde‹, 129 um zu zeigen, dass solche Reichen – goldenen Statuen gleich – stets Trompeter, d.h. Schmeichler und Lobredner ihrer Übeltaten, um sich haben wollen, von denen es Apoc. 8,6 heißt: ›Diese hatten Posaunen und sie bereiteten sich vor, die Posaune zu blasen.‹ Diese heißen also Neptune, da sie gleichsam mit der Wolke donnern, d.h. ihre Stimme in Prahlerei hoch erheben. Das Zepter ihrer Raubsucht und Macht hat aber, so sagt man, drei Zähne, da

4 tridentatum Lo1Pa8BTrEp; tridentatam G; tridentum V4. 4 id est Lo1Pa8V4BTrEp; et G. 9 fastui GLLo1B; statui Tr; fastum seculi Ep; om. Lo2Pa8V4. 10 sunt GLLo1Ep; om. Lo2Pa8V4BTr. 12 choreas LLo1BTrEp; cortas G; om. Lo2Pa8V4. 12 id est tubicinum Lo1V4BEp; et tibicinum G; tibicinum Tr; om. Pa8. 18 – 19 isti aurei Lo1Lo2TrEp; isti G; aurei, id est Pa8; isti avari B; om. V4. 20 tubicines Lo1Lo2Pa8Ep; tibicinos G; tybicines BTr; om. V4. 20 – 21 adulatores . . . laudatores LLo1Pa8Ep; adulatores G; adulatores et creatores . . . laudatores B; adulatores . . . laudantes Pa8; adulatores, cytharedos et ioculatores Tr; om. V4. 22 dicitur LLo1Lo2Pa8Ep; dici potest BTr; om. G; om. ad denotandum . . . canerent V4. 22 Apoc. 8 Apoc. 4o G. 24 nube Lo1Pa8V4BTrEp; nubes G. 24 – 25 id est Lo1Lo2Pa8V4Ep; et GL; inquantum BTr. 25 – 26 exaltantes . . . iactantiam GLo1Lo2Pa8V4Ep; in nube exaltantur per iactantias B; per iactantiam exaltant vocem suam Tr. 25 suam Lo1Lo2Pa8V4Ep; scilicet G. 26 rapacitatis et G; pacis et LLo1; capacis Lo2; capacis et rapacis Pa8; capacis et rapacitatis V4; rapacis BTrEp. 27 tres Lo1V4BTrEp; om. G.

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quantum ipsi ledunt aliorum personam, famam et substantiam, Dan. 7: Bestia habebat tres ordines dentium in ore suo.

sie die Person, den Ruf und den Besitz anderer beschädigen, Dan. 7,5: ›Das Ungeheuer hatte drei Zahnreihen in seinem Maul.‹

Forma Pan, qui dicebatur deus nature. Capitulum duodecimum 130

Kapitel 12: Pan, der der Gott der Natur genannt wird 130

Pan ab antiquis dictus deus nature et in similitudinem nature universalis fuit ab eis figuratus. Pingebatur igitur homo cornutus cum facie rubicunda, in cuius pectore stellarum plurium erat forma pectusque eius in superiori parte pingebatur stellatum; femora autem eius cum herbis et arboribus pingebantur. In ore eius fistula septem calamorum ponebatur, pedes vero caprinos habens. Cum Amore fingebatur luctans, sed ab eo vincebatur. 131 Ista igitur fuit imago nature secundum Fulgentium et Rabanum. 132 Cuius facies rubea cum cornibus representabat superiorem mundi partem, scilicet ignem et etherem cum radiis, pectus stellatum stellas significat, septem calami septem planetas. Femora arborosa significant inferiores arbores et herbas, pedes caprini significabant animalia et bestias. Istum Amor superat, quia ad litteram amor naturam superat atque domat.

Die Alten nannten Pan den Gott der Natur und stellten ihn als Bild der gesamten Natur dar. Gemalt wurde er also als ein gehörnter Mann mit einem roten Gesicht, auf seiner Brust war eine Figur von zahlreichen Sternen, und daher wurde seine Brust im oberen Bereich mit Sternen besetzt dargestellt; seine Schenkel aber wurden mit Kräutern und Bäumen gemalt. In seinen Mund gab man eine Hirtenflöte mit sieben Rohrpfeifen; er hatte aber Ziegenfüße. Er wurde im Kampf mit Amor vorgestellt, doch wurde er von jenem besiegt. 131 Dies also war nach Fulgentius und Hrabanus 132 das Bild der Natur. Sein rotes Gesicht mit den Hörnern repräsentierte den oberen Teil der Welt, nämlich das Feuer und den Äther mit den Strahlen, die gestirnte Brust bedeutete die Sterne, die sieben Rohrpfeifen die sieben Planeten. Die mit Bäumen vorgestellten Schenkel bedeuteten die unten stehenden Bäume und Kräuter, die Ziegenfüße bedeuteten zahme und wilde Tiere. Diesen besiegt Amor, weil die Liebe die Natur ja buchstäblich besiegt und zähmt.

Moraliter

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Exponamus igitur allegorice et dicamus, quod iste deus nature potest significare unum deum et dominum Iesum Christum, qui revera faciem cordis habuit rubicundam

Moralisierung Lasst uns nun allegorisch auslegen und sagen, dass dieser Gott der Natur den einen Gott und Herrn Jesus Christus bedeuten kann, der in der Tat ein rotes Gesicht des

1 ledunt aledunt G, sed corr. 1 aliorum personam LLo1Lo2Pa8BEp; aliarum G; aliorum personas V4; suam personam Tr. 2 Dan. 7 Dan. 2 G. 7 universalis Lo2Pa8V4BTrEp; vulneris G; om. LLo1. 9 – 10 in cuius . . . forma Lo1Pa8V4BtrEp; om. G. 15 fingebatur GLLo1Pa8V4B; pingebatur TrEp. 22 septem . . . septem LLo1Lo2BEp; et G; septem calami signant septem Pa8; septem calami significat septem stellas sive septem V4; septem calami stellas, id est septem Tr. 23 arborosa G; arbustosa Lo1Pa8V4BTrEp. 28 Moraliter Moralis et moraliter G in marg.

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per flammeam caritatem. Caput habuit cornutum per invincibilem potestatem, pectus habuit stellatum per multiplicem claritatem, septem calamos per septiformis spiritus 133 suavitatem. Femora habuit arborosa per honestatis virentem amoenitatem, pedes habuit caprinos, quasi ad affectus humilitatem et quantum ad assumptam in pedibus carneam humanitatem. Vel dic, quod talem imaginem et formam debet habere bonus prelatus, qui proprie sue nature dicitur deus, inquantum suos appetitus refrenat ut dominus. Et maxime hoc pertinet ad deum cornutum, id est ad episcopum mitratum, quia facies cordis sui debet esse per caritatem flammea, pectus sue conversationis per virtutes stellatum, cervix per iustitiam cornuta et per fortitudinem armata. Fistulam divine laudis cum septem calamis, id est cum septem donis spiritus sancti, debet in ore tenere, herbas et arbores, id est virorem honestatis et nitorem castitatis, circa femora quantum ad partes inferiores debet habere. Pedes vero caprinos, qui duri sunt, id est soliditatem perseverantie, debet in fine suorum operum habere, Dan. 2: Pedes habebat ferreos. Ut sic figuretur in illo filio hominis Apoc. 1, 134 qui faciem habebat ut sol, oculos ut lampades, capillos ut nix, gladium bis acutum in ore et

Herzens wegen seiner brennenden Liebe hatte. Einen gehörnten Kopf hatte er wegen seiner unbesiegbaren Macht, er hatte eine gestirnte Brust durch seinen vielfachen Glanz, er hatte sieben Rohrpfeifen von der Süße des siebenfachen [Heiligen] Geistes. 133 Er hatte mit Baumgrün bedeckte Schenkel wegen der grünenden Schönheit seiner moralischen Vollkommenheit, er hatte Ziegenfüße gleichsam zur innig gefühlten Demut und zum Menschsein, das er gleichsam in den Füßen angenommen hat. Oder sag, dass ein solches Bild und eine solche Gestalt der gute Prälat haben muss, der im eigenlichen Sinn Gott seiner Natur heißt, sofern er sein Begehren zügelt wie der Herr. Und besonders bezieht sich dies auf den gehörnten Gott, d.h. auf den Bischof mit der Mitra, da das Gesicht seines Herzens in Liebe brennend, die Brust seiner Lebensweise von Tugenden gestirnt, der Nacken durch Gerechtigkeit gehörnt und durch Stärke bewaffnet sein muss. Eine Hirtenflöte des göttlichen Lobes mit sieben Rohrpfeifen, d.h. mit den sieben Gaben des Heiligen Geistes, muss er im Mund halten, Kräuter und Bäume, d. h. das Grün der Ehrbarkeit und den Glanz der Keuschheit, muss er um seine Schenkel in den unteren Teilen haben. Aber er muss Ziegenfüße, die hart sind, d. h. standhafte Beharrlichkeit, für das Ziel seiner Werke haben, Dan. 2,33f.;42: ›Er hatte Füße aus Eisen.‹ So wie es an jenem Menschensohn in Apoc. 1,12 ff. 134 dargestellt wird, der ein Gesicht wie die Sonne hatte, Augen wie Fackeln, Haare wie Schnee, ein scharfes zweischnei-

4 – 5 per . . . suavitatem LLo1Tr; per septemformis scilicet suavitatem G; septiformis spiritus suavitate Lo2; septiformis gratie suavitatem Pa8V4; per septiformem spiritus suavitatem B; septiformis gratie sive spiritus suavitatem Ep. 6 honestatis virentem Lo1V4BTrEp; honestatem virentis G; virentem honestatem, om. amoenitatem Pa8. 7 affectus G; affectionis Lo1V4BTrEp; passionis Pa8. 9 humanitatem GLo1Lo2Pa8 V4Tr; humilitatem BEp. 19 Fistulam Lo1Pa8V4TrEp; fistula GB. 19 divine Lo1Pa8V4BTrEp; dominice G. 25 soliditatem . . . atem B, aliqua folia desunt. 26 in fine . . . operum Lo1Lo2Pa8V4TrEp; in suis operibus G. 27 Dan. 2 Dan. 3o G. 27 sic Lo1Pa8V4TrEp; se G. 28 figuretur Lo2Pa8V4TrEp; figuraretur G; verificetur LLo1. 28 filio Lo1Pa8V4TrEp; filios G. 29 lampades Lo2Pa8V4TrEp; lapides G; lampas LLo1.

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in dextra septem stellas et pedes similes aurichalco, ut sic in facie intelligatur caritas, in oculis veritas, in niveo candore castitas, in gladio iustitie severitas, in stellis virtutum multiplicitas. Vel dic in malo, quod tales dii videntur esse crudeles et impii prelati et tyranni, qui per superbiam sunt cornuti, per crudelitatem et sevitiam sunt sanguinei, id est inflammati, per curiosos ornatus sunt stellati, per ineptam letitiam fistulis et calamis consolati, herbis et arboribus carnaliter per luxuriam delectati et caprinis pedibus et caprino fetore et luxurie et immunditie finaliter in vite sue pedibus terminati, ut communiter enim illi in suis pedibus caprei sunt, inquantum in fine dierum suorum caprinos mores induunt vel etiam non deponunt, Thren. 1: Sordes eius in pedibus nec est recordata finis sui. Ideo de talibus sic cornutis dicitur Dan. 8, quod hircus caprarum duo habebat cornua, cum quibus omnia ventilabat. Forma Bacchi. Capitulum decimum tertium 135 Sicut ponit Rabanus in libro ›De naturis rerum‹ et Fulgentius 136 ubi supra: Antiqui attendentes vini virtutem et proprietatem ipsum esse deum in natura credide-

diges Schwert im Mund und in der Rechten sieben Sterne und Füße wie Messing, so dass man in seinem Gesicht die Liebe, in den Augen die Wahrheit, im Schneeweiß [der Haare] die Keuschheit, im Schwert die Strenge der Gerechtigkeit, in den Sternen die Vielfalt der Tugenden erkennt. Oder sag im schlechten Sinn [ad malam partem], dass solche Götter offenbar grausame, gottlose Prälaten und Tyrannen sind, die durch Hochmut gehörnt, durch Grausamkeit und Wildheit blutig, d.h. rotflammend, durch übertriebenen Schmuck gestirnt sind; in unpassender Fröhlichkeit lassen sie sich mit Hirtenflöten und Rohrpfeifen aufmuntern, zügellos erfreuen sie sich in körperlichen Genüssen an Kräutern und Bäumen und durch Ziegenfüße und Ziegengestank von Zügellosigkeit und Unreinheit enden sie schließlich an den Füßen ihres Lebens; denn jene sind wie üblich an ihren Füßen wie Ziegen, da sie ja am Ende ihrer Tage die Verhaltensweise von Ziegen annehmen oder auch nicht ablegen, Lam. 1,9: ›Ihr Schmutz war an ihren Füßen und sie dachte nicht an ihr Ende.‹ Deshalb heißt es von solch Gehörnten Dan. 8,4ff., dass der Ziegenbock zwei Hörner hatte, mit denen er gegen alles stieß. Kapitel 13: Bacchus 135 Wie Hraban im Buch ›De naturis rerum‹ anführt und auch Fulgentius 136 , wie oben, glaubten die Alten, die die Kraft und Eigenart des Weines bemerkten, er selbst sei ein

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23 ventilabat add. Ad denotandum quod tales male pertractant iustos ac offendunt. De isto malo propheta dicit Reg. 23: Venit Sedechias porta〈n〉s cornua ferrea. Et cetera. Tr. 24 – 25 Forma Bacchi pos. Cap. 13 (Forma Bacchi) post Cap. 14 (Forma Plutonis) BTr. 7 et om. G, sed add. supra lin. 10 inflammati Lo1Pa8V4TrEp; inflati G. 10 ornatus sunt om. G, sed add. in marg. 11 stellati Lo1V4TrEp; stelatius G. 11 ineptam Lo1Pa8V4TrEp; eptam G. 12 carnaliter G; carnalitatis Lo1Lo2Pa8V4Ep; id est virore carnalitatis Tr. 14 luxurie et immunditie GTr; luxurie inmunditia LLo1Lo2; luxuria et immunditia Pa8V4Ep. 16 caprei G; capre LLo1Lo2; caprini Pa8V4Ep. 19 Thren. 1 Thren. 3 G. 21 dicitur Lo1Pa8V4Ep; id est dicitur G; potest dici illud Tr. 24 – 25 Forma . . . tertium Forma Bacchi. Caput decimum tertium G.

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runt, quem Bacchum nominaverunt, et illi certam imaginem depinxerunt, sicut enim dicit Plato in libro, qui ›Timeus‹ inscribitur. 137 Posteriorum enim genus hominum, ruricole et pastores, res potentes ad usum mundi hominibus datas a divina gratia pro diis colebant, ut agriculturam et vindemiationem et huiusmodi. Deinde poete lucri causa et favoris easdem gratias in membrana effigiaverunt, propriis eas nominibus signaverunt, ut scientiam colendi agros et vineas Bacchum, turpes actus hominum ut luxuriam et venerem inter deos venerantes, vocaverunt. Sicque loco religionis superstitio est exorta. 138 Erat itaque imago Bacchi puer cum facie muliebri, cum pectore nudo, cum capite cornuto, qui super tigrides equitabat, ut ponit Fulgentius. 139 Qui Dionysus vocabatur a quodam monte Indie, ubi nutritus dicebatur. 140 Moraliter

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Ista possunt applicari contra vitium ebrietatis et contra hominem vinolentum, quia revera talis dicitur puer propter ignorantiam

Gott in der Natur, den sie Bacchus nannten, und sie gaben ihm ein bestimmtes Bild, wie es Plato in seinem Buch mit dem Titel ›Timaios‹ sagt. 137 Denn das Geschlecht der späteren Menschen, Bauern und Hirten, verehrte wirkmächtige Dinge, die den Menschen von der göttlichen Gnade zum Gebrauch in der Welt gegeben wurden, als Götter, wie den Ackerbau und den Weinanbau und Weiteres dieser Art. Dann bildeten die Dichter ebendiese Gnadengaben des Besitzerwerbs und Gunstgewinns wegen auf Pergament nach, gaben ihnen eigene Namen, wie sie das Wissen, Äcker und Weinberge zu bestellen, Bacchus nannten, schändliche Handlungen der Menschen wie Zügellosigkeit auch als Venus bezeichneten, die sie als Götter verehrten. Und so entstand an Stelle der Religion der Aberglaube. 138 Daher war das Bild des Bacchus das eines Knaben mit weiblichen Gesichtszügen, mit einer nackten Brust, mit einem gehörnten Kopf, und er ritt auf Tigern, wie Fulgentius sagt. 139 Dieser wurde Dionysus genannt nach einem bestimmten Berg in Indien, wo er aufgezogen worden sein soll. 140 Moralisierung Dies kann gegen das Laster der Trunkenheit und gegen einen betrunkenen Menschen angeführt werden, da in der Tat ein solcher Mensch als Knabe bezeichnet wird wegen der unverständigen Unwissenheit, die man

2 – 15 sicut . . . exorta deest V4B. 2 depinxerunt codd.; depixerunt G. 3 Plato GLo1Pa8Ep; philosopho [!] Tr; om. V4B. 3 Thimeus Lo1; Timmoteo G; Thimeo LLo2Pa8Ep; Tymeo Tr; om. V4B; cf. philosophos Myth. Vat. III,5,2. 5 res potentes G; virtutes et potestates LLo1; et rectores et potates [sic!] Tr; videntes artes Ep; om. Lo2Pa8V4B. 8 et huiusmodi LEp; et huius GLo1Lo2Tr; om. Pa8V4B. 8 lucri LLo1Lo2Ep; lucrum G; huius Tr; om. Pa8V4B. 9 – 10 gratias in membrana G; scientias in membra LLo1Ep; scientias Lo2; sententias in membra Tr; om. Pa8V4B. 10 propriis GLo1Lo2Tr; proprias Ep; om. Pa8V4B. 12 actus GLLo1Lo2Tr; artus Ep; om. Pa8V4B. 13 deos venerantes LLo1Lo2Tr; deos Venus antes G; deas venerantes Ep; om. Pa8V4B; cf. deos venerantes, Myth. Vat. III,5,2. 14 loco religionis LLo1TrEp; in religiosa G; om. Pa8V4B. 19 Dionysus Dionisius GLLo1Lo2V4Ep; Dicius (?) Pa8; Lieus Tr; cf. Dionisius Fulg. S. 52 f.; Dionysus Myth. Vat. III,12,4; Lieus Fulg. S. 53. 24 quia Lo1Pa8 V4BTrEp; qui G. 25 talis . . . puer Lo1Pa8V4BEp; talis dicitur G; tales pueri dicuntur Tr.

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insensatam, quam ebrii noscuntur habere, Ps.: Turbati sunt et moti sunt sicut ebrius, et omnis sapientia etc. 141 Muliebrem faciem habet, inquantum ardor et concupiscentia mulierum per vinum in ebriis incitantur pro eo, quod animos hominum effeminat et eos efficit muliebres, Eccli. 19: Vinum et mulieres faciunt apostatare sapientes. Iste deus dicitur cornutus pro eo, quod vinum superbie cornua generat et pro eo, quod omnis ebrius faciliter est elatus et ideo dicitur super tigrides, que sunt animalia furibunda, equitare pro eo, quod vinum furorem et iracundiam inducit, et pro eo, quod ebrius faciliter efficitur furibundus, unde bene dicitur Prov. 20: Luxuriosa res est vinum et tumultuosa ebrietas. Iste igitur dicitur nudus in pectore pro eo, quod arcana solent ebrii faciliter revelare iuxta illud Prov. 31: Nullum secretum, ubi regnat ebrietas, vel pro eo, quod solet homines depauperare et divitiis denudare, Eccli. 19: Operarius ebriosus non ditabitur. Iste igitur dicitur coronatus vitibus pro eo, quod ebriosi vites, id est vinolentiam, summam gloriam arbitrantur et sicut impropria corona in eo gloriantur, Prov.: Cui ve? Cui patri ve? Nonne his, qui morantur in vino? Vel dic in bonum, quod vinum est gratia dei vel fervor spiritus, 142 qui dicitur propter puritatem puer, muliebris propter pietatem, nudus propter veritatem, cornutus propter

von Betrunkenen kennt, Ps. 106,27: ›Verwirrt und wankend sind sie wie die Trunkenen und all ihre Weisheit‹ etc. 141 Er hat weibliche Gesichtszüge, sofern die glühende Begierde und das heftige Verlangen nach Frauen durch Wein in den Betrunkenen angefacht werden, weil er die Gemüter der Männer verweichlicht und sie zu Frauen macht, Eccli. 19,2: ›Der Wein und die Frauen lassen weise Männer vom Glauben abfallen.‹ Dieser Gott wird gehörnt genannt, da der Wein Hörner des Hochmuts erschafft und jeder Trunkene leicht hochmütig ist; und deshalb, so sagt man, reite er auf Tigern, die wütende Tiere sind, weil der Wein Wut und Zorn verursacht und der Trunkene leicht wütend wird. Daher heißt es in Prov. 20,1 richtig: ›Der Wein macht ausschweifend und die Trunkenheit streitsüchtig.‹ Man sagt also auch, er habe eine nackte Brust, da Trunkene gewöhnlich Geheimnisse leicht enthüllen gemäß jenem Wort aus Prov. 31,4: ›Es gibt kein Geheimnis, wo die Trunkenheit herrscht,‹ oder weil sie Menschen arm zu machen und ihres Reichtums zu berauben pflegt, Eccli. 19,1: ›Der trunkene Arbeiter wird nicht reich werden.‹ Er soll mit Wein bekrönt sein, da Trunkene Wein, d. h. Trunkenheit, für den größten Ruhm halten und sich damit wie mit einer unpassenden Krone rühmen, Prov. 23,29f.: ›Wem droht Unheil? Wessen Vater droht Unheil? Doch wohl denen, die beim Wein sitzen?‹ Oder sag im positiven Sinn [ad bonam partem], dass der Wein die Gnade Gottes oder das Feuer des Geistes ist, 142 den man wegen seiner Reinheit ›Knaben‹ nennt, wegen seiner Milde weiblich, wegen seiner Wahrheit nackt, wegen seiner Macht ge-

1 insensatam LLo1Lo2Pa8V4Ep; insertam G; pensatam BTr. 3 faciem dupl. faciem G. 5 mulierum Lo1 Pa8V4BTrEp; multum G. 5 ebriis Lo1Pa8V4TrEp; ebrii G; ebrians B. 21 solet Lo1Pa8V4BTrEp; solent G. 25 vinolentiam Lo1Lo2Pa8BTrEp; violentiam GV4. 25 gloriam Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 29 in bonum GV4Tr; in bono Ep. 30 propter Lo1Pa8V4BTrEp; Bacus propter G. 32 cornutus Lo1Pa8V4BTrEp; nudus G.

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auctoritatem. Iste equitat super tigrides, demones et tyrannos calcando, coronatus est vite, id est cruce Christi, cuius passionem meditando. Dionysus dicitur, quasi divinus totus vel vehementer fugiens mundum et vitia devitando et aliorum mala iudicia sustinendo. Forma Plutonis. Capitulum decimum quartum 143

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Pluto filius Saturni dictus est ab antiquis inferiorum regnorumque tenebrarum et animarum de corpore discedentium deus. Credebant enim antiqui omnes animas ad inferos descendere ibique cum Plutone in caligine perpetuo remanere. 144 Quapropter ipsi Plutoni, id est inferno vel virtuti divine inferna gubernanti, suam imaginem depinxerunt et eum tenebrarum deum vocaverunt. Erat igitur imago eius homo terribilis in solio sulphureo sedens sceptrumque regni in manu tenens, canem tricipitem, scilicet Cerberum, sub pedibus calcabat 145 et iuxta se tres Furias, tres Parcas, tres Harpyias habebat. De throno autem sulphureo quattuor flumina manabant, que Letheum, Cocytum, Phlegethontem et Acherontem dixerunt, Stygem autem paludem iuxta illa flumina assignabant. Iuxta Plutonem vero regina inferni, Proserpina, sedebat, que cum facie terribili Plutonem aspiciebat. 146 Iuxta quam erant tres Furie, horribiles vetule ser-

hörnt. Er reitet auf Tigern, wenn er Dämonen und Tyrannen niedertritt, er ist bekränzt mit einer Weinranke, d.h. mit dem Kreuz Christi, da er über dessen Passion meditiert. Er heißt Dionysus gleichsam ›ganz göttlich‹ oder mit aller Kraft ›die Welt fliehend‹ im Meiden der Laster und Erdulden der schlechten Urteile der anderen. Kapitel 14: Pluto 143 Pluto, der Sohn des Saturn, wurde von den Alten Gott der Unterwelt, der Schattenreiche und der Seelen der Verstorbenen genannt. Denn die Alten glaubten, dass alle Seelen in die Unterwelt hinabsteigen und dort bei Pluto in ewiger Dunkelheit bleiben. 144 Deshalb gaben sie Pluto, d.h. der Unterwelt oder der göttlichen Kraft, die die Unterwelt regiert, sein eigenes Bild und nannten ihn Gott der Finsternis. Sein Bild war daher das eines Schrecken erregenden Mannes, der auf einem Schwefelthron saß und ein Herrschaftszepter in der Hand hielt; mit den Füßen trat er auf einen dreiköpfigen Hund, nämlich Cerberus, 145 und neben sich hatte er die drei Furien, die drei Parzen und die drei Harpyien. Aus seinem Schwefelthron aber strömten vier Flüsse, die sie Lethe, Cocytus, Phlegethon und Acheron nannten, den See Styx aber verorteten sie neben jenen Flüssen. Neben Pluto saß Proserpina, die Königin der Unterwelt, die mit erschreckender Miene Pluto anblickte. 146 Neben ihr standen die drei Furien, entsetzliche alte Frauen mit Schlan-

7 sustinendo add. Vel ista omnia allega de beato Dyonisio vel de quolibet viro iusto B; add. Vel ista omnia allegorice de dyabolo vel de quolibet viro iniusto potes dicere. De aliis vero diis sive proprietatibus suis in sequentibus in diversis locis prout occurret dicetur. etc. Tr. 6 – 7 et . . . sustinendo Lo1Lo2BTrEp; om. G. 12 animarum anima animarum G, sed corr. 16 id est LLo1V4Ep; in G; id est in Lo2; sive Pa8. 16 vel LLo1Lo2TrEp; velut G et dupl. in marg.; sive Pa8V4. 19 vocaverunt add. quomodo depingitur G. 24 Harpyias Ep; Harpias GLo1V4; Arpias Tr. 26 manabant Lo1V4TrEp; manebant G; emanabant Pa8. 26 Letheum TrEp; Lonchitum G; Lethen Lo1; Lonthetum V4. 26 Cocytum Cocithum Ep; Conchitum G; Cohitum V4; Cochitum Lo1Tr. 27 Phlegethontem Flegetontem Lo1V4TrEp; Flegethotem G. 27 Acherontem Lo1V4TrEp; om. G.

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pentibus crinite, que homines furere faciebant, que Allecto, Thesiphone et Megera dicebantur. 147 Parce vero seu Fata, que sic dicebantur per antiphrasim, eo quod nemini parcant, tres erant domicelle sorores, quarum una colum tenebat, secunda filum volvebat, tertia filum rumpebat, et iste Clotho, Lachesis et Atropos vocabantur. 148 Harpyie vero aves erant cum facie virginea rapacissime, que Aello, Ocypete et Celeno nominabantur. Fulgentius hoc exponit de Harpyiis: 149 Harpyie canes Iovis dicuntur, quia ipse Furie dicuntur, unde et epulas dicuntur arripere, quod est Furiarum, et inde avari finguntur furias pati. Harpyiarum, inquit, prima Aello, que interpretatur alienum tollens, secunda Ocypete, que interpretatur cupita capere, tertia Celeno, que interpretatur aliena capta celare. Prima enim in rapinis exercendis aliena concupiscere, secunda concupita invadere, tertia invasa celare dicitur. Ideo autem virgines finguntur,

genhaaren, die die Menschen zum Rasen brachten, Alecto, Tisiphone und Megaera mit Namen. 147 Die Parzen oder Schicksalsgöttinnen aber, die wegen des gegenteiligen Sinns so genannt wurden, weil sie niemanden schonen [parcere], waren drei vornehme junge Damen, Schwestern, von denen die erste den Faden hielt, die zweite den Faden drehte, die dritte den Faden abschnitt, und diese hießen Clotho, Lachesis und Atropos. 148 Die Harpyien aber waren sehr raubgierige Vögel mit Gesichtern von jungen Frauen, und sie hießen Aëllo, Ocypete und Celaeno. Fulgentius legt dies über die Harpyien dar: 149 Die Harpyien werden Hunde Jupiters genannt, da sie Furien heißen und daher auch Speisen rauben sollen, was das Kennzeichen der Furien ist, und daher stellt man sich vor, dass Habgierige die Furien erdulden müssen. Er sagt, dass die erste der Harpyien Aëllo ist, die so gedeutet wird, dass sie fremdes Gut wegnimmt, die zweite Ocypete, die so gedeutet wird, dass sie begehrtes Gut ergreift, die dritte Celaeno, die so verstanden wird, dass sie fremdes Raubgut verbirgt. Denn bei der Durchführung von Raubzügen begehrt die erste, so sagt man, fremdes Gut, nimmt die zweite begehrtes Gut in Besitz, verbirgt die dritte in Besitz genommenes Gut. Deshalb aber stellt man sie sich als Jungfrauen vor,

10 – 118,13 nominabantur deest Fulgentius . . . perfrui putantur TrBrE; Quorum tamen nominum rationem non intendo tangere pro eo scilicet, quod a Fulgentio et Alexandro omnia pertractantur. Dicamus ergo allegorice, quod BrE. 2 Allecto Lo1V4Ep; Alecte G; Alleto Tr. 2 Thesiphone Lo1Ep; Struphones G; Stusones V4; Tysyphones Tr. 6 tenebat Pa8V4Ep; tenebat et nebat LLo1Lo2Tr; om. G. 7 rumpebat Lo1V4TrEp; repetebat G; frangebat sive rumpebat Pa8. 7 Clotho G; Cloto Lo1V4TrEp; 8 Lachesis TrEp; Latesis G; Lathesis Lo1V4. 8 Atropos Lo1Ep; Antropos GV4Tr. 10 Aello GLo1V4Ep; Oello Tr. 10 Ocypete Occipite GLo1Ep; Occipita V4; Ancipite Tr. 10 Celeno Lo1Ep; Zello G; Zaleno V4; Celleno Tr. 12 hoc Pa8V4Ep; hic GLLo2. 14 Furie GLLo1Lo2 Pa8; furere V4; furari Ep. Cf. furiae Myth. Vat. III,5,5. 15 arripere Myth. Vat. III,5,5; accipere GLo1Pa8V4 Ep. 15 Furiarum GLLo1Lo2Pa8; furiare V4; furari Ep. Cf. furiarum Myth. Vat. ibid. 15 avari LLo1Pa8Ep; avaritie GV4. Cf. avari Myth. Vat. ibid. 17 Aello Lo1Ep; Atello G; Attello V4. 18 Ocypete Occipite Ep; Ocupite G; Dicipite Lo1; Occupite V4. 19 Celeno Lo1V4Ep; Zelono G; Celene Pa8. 21 exercendis GLLo2 Pa8V4Ep; exercendum est Lo1.

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quia omnis rapina sterilis est et arida; ideo plumis circumdate, quia raptores, quicquid invadunt, celant, ideo volatiles, quia omnis raptor post rapinam est celerrimus ad fugiendum. 150 Sic igitur videtur per Harpyias intelligere avaritiam et rapinam. Primus etiam fluvius inferni, 151 scilicet Lethe, interpretatur oblivio, Cocytus luctus interpretatur, Phlegethon ardens, Acheron sine gaudio vel salute, ab ›a‹, quod est ›sine‹, et ›cheron‹, quod est ›salve‹ vel ›gaudium‹, Styx tristitia interpretatur. Volunt igitur Acherontem de imo lacu tartarorum huius estu Stygem creare, de Styge nasci Cocytum. Cuius rei hec est ratio: Quia, qui caret gaudio, facile in tristitiam cadit, tristitia luctui vicina est. Hac in terris humanas animas turbari, quis nesciat? Acheron sane locum constat esse in Italia, haud longe a Bajis, undique montibus septum adeo, ut sol numquam nisi in meridie possit ibi apparere; loca, que vicina sunt, calidis et sulphureis aquis scatent. 152 Sine gaudio autem dicitur locus ille eo, quod nigro-

weil jeder Raub unfruchtbar und erfolglos bleibt. Deshalb sind sie mit Federn umhüllt, da Räuber das, dessen sie sich auch immer bemächtigen, verbergen, deshalb sind sie geflügelt, da jeder Räuber nach dem Raub sehr schnell flüchten muss. 150 So erscheint es also richtig, unter den Harpyien Habgier und Raub zu verstehen. Der erste der Unterweltflüsse, 151 nämlich Lethe, wird mit ›Vergessen‹ übersetzt, Cocytus wird als Trauer verstanden, Phlegeton als brennend, Acheron ohne Freude oder Wohlergehen, von ›a‹, was ›ohne‹ bedeutet, und ›chairon‹, was ›Wohlergehen‹ oder ›Freude‹ bedeutet; Styx wird als Trübsal erklärt. Sie wollen also, dass der Acheron aus den tiefsten Wassern des Tartarus durch seine Hitze den Styx erschafft und dass aus dem Styx der Cocytus entsteht. Der Grund hierfür ist dieser: Da derjenige, der ohne Freude ist, leicht in Trübsal verfällt, ist die Trübsal der Trauer nahe. Wer wüsste nicht, dass durch diese die menschlichen Seelen auf der Erde verwirrt werden? In der Tat steht für den Acheron fest, dass er ein Ort in Italien ist, nicht weit von Bajae, ringsum von Bergen umgeben, und zwar so, dass die Sonne sich dort nur am Mittag zeigen kann. Die benachbarten Gebiete sind durchströmt von warmen und schwefelhaltigen Gewässern. 152 Ohne Freude aber wird jener Ort genannt, weil die

7 – 9 primus . . . ardens deest V4. 2 plumis Lo1Lo2Pa8V4Ep; plunus G. 3 celant Lo1Lo2Pa8V4Ep; eellant G. 6 intelligere LLo1Lo2; in tellure G; quod . . . intelligitur Pa8Ep; quod . . . intelligatur V4. 8 Lethe Lo1; Lochetus G; Letheus Ep. 8 Cocytus Chochitus G; Cochiton Lo1; Cochitus Ep. 9 Phlegethon Flegeton GEp; FFlegeton Lo1. 9 Acheron Lo1V4 Ep; Atheron G. 11 sine Lo1Pa8V4Ep; sicut G. 11 cheron GV4; chere LLo1Lo2Ep; chiron Pa8. 11 salve Lo2Ep; salute G; salus LLo1Pa8V4. Cf. salve Myth. Vat. III,6,2. 13 lacu Ep; laci GV4; nasci LLo1; om. Lo2 Pa8. 14 huius estu GLLo1V4; huius hostium Pa8; om. Lo2Ep. 14 creare GLPa8V4Ep; creari LLo1; om. Lo2. 14 nasci LLo1Lo2Ep; lavasti GPa8. 15 hec Lo1Pa8V4Ep; huius G. 16 tristitiam LLo1Lo2Pa8V4Ep; tristitia G. 17 Hac in terris Lo1V4Ep; has intus G; hoc in terris Lo2; nunc in terra Pa8. Cf. hunc in terris Myth. Vat. III,6,2. 18 quis nesciat Lo1Lo2Pa8V4Ep; qui nesciatur G. 18 Acheron LLo1Lo2Pa8V4; Atherontem G; Acherontem Ep. 19 haud LLo1Ep; hunc GLo2Pa8V4. 20 Bajis Vat. Myth. III,6,2; Arpis Ep; artis GLo1 Lo2V4; Chiis Pa8. 20 septum cet.; sceptum G. 21 – 22 sol numquam . . . apparere LLo1Lo2; umquam ibi videatur in meridie G; numquam sol ibi nisi in meridie possit apparere Ep; numquam sol ibi videatur in meridie Pa8V4. 23 scatent GLLo1Lo2; scaturire Pa8V4; scaturiunt Ep.

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mantia et chiromantia ibi exerceri consueverunt, que sine hominum occisione non fiebant; nam Eneas illic occiso Miseno – et Elpenore – sacra ista complevit. Cocytus quoque est locus Acheronti vicinus, qui ob eandem causam dicitur luctuosus. Stygem refert Seneca in eo volumine, quo de sacris Egyptiorum tractat 153 , circa extremam Egypti paludem limosam, papyris refertam transituque difficilem. Iuxta hanc membra Osiridis, mariti Isidis, a fratre occisi post longam inquisitionem reperta tandem tumulata sunt. Hec palus, quia tristitiam transeuntibus gignit, Styx meruit appellari. Dicitur tamen eadem Styx deorum nutrix et hospita, quia dii de terra per purgationem, quam Styx apud quosdam theologos 154 significat, et celeste consortium meruerunt. Phlegethon a ›phlox‹ flammatus; est enim totus igne ambiens infernum, ardorem irarum et cupiditatum, quibus humani animi accenduntur, figurative significans. Dicunt alii altius huius inferioris aeris naturam turbidam et corpulentam significare, que iam

schwarze Zauberkunst und das Handlesen dort gewöhnlich ausgeübt wurden, die ohne Menschenopfer nicht vonstatten gehen; denn Aeneas führte dort, nachdem Misenus – und Elpenor – getötet war, jene Opfer durch. Auch der Cocytus ist ein dem Acheron benachbarter Ort, der aus demselben Grund jammervoll genannt wird. Seneca berichtet in dem Werk, das von den heiligen Gebräuchen der Ägypter handelt, 153 von der Styx, die am äußersten See Ägyptens liegt, der voll Schlamm, reich an Papyrus und schwierig zu durchqueren ist. In seiner Nähe wurden die Glieder des Osiris, des Ehemanns der Isis, der von seinem Bruder getötet wurde, nach langer Suche gefunden und schließlich begraben. Weil dieser See bei den Vorbeigehenden Trübsal erzeugt, nennt man ihn zu Recht Styx. Jedoch heißt dieselbe Styx auch Amme und Gastfreundin der Götter, da die Götter von der Erde durch die Reinigung, die Styx bei einigen Theologen bedeutet, 154 auch die himmlische Gemeinschaft erlangten. Der Phlegethon, von Flamme [phlox], heißt vollständig feuerentflammt; denn er umgibt die Unterwelt und bedeutet im übertragenen Sinn das Feuer des Zorns und der Begierden, von denen die Menschen entflammen. Andere mit tieferem Verständnis sagen, dass er die unruhige und dicke Beschaffenheit der unteren Luft hier bedeutet, die schon durch das Feuer ver-

1 chiromantia Lo2Pa8Ep; ciromentia G; siromantiam L; ciromanciam Lo1; cyromancia V4. 2 occisione Lo1 Lo2Pa8V4Ep; ocasione G. 3 Eneas GLLo1Lo2Pa8V4; Enea Ep. 3 occiso Miseno coni.; occisus GPa8V4Ep; occisio L. 4 Elpenore coni.; olpendere LLo1Lo2; fraudolenter dum G; expendetur V4; Elpendecus Ep; om. Pa8. – Cf. Nam et Aeneas illic occiso Miseno et Ulyxes occiso Elpenore sacra ista complevit Myth. Vat. III,6,2. 4 complevit LLo1Lo2V4Ep; compleret G. 7 volumine LLo1Lo2V4Ep; om. G. 7 quo Lo1Ep; qui G. 9 limosam, papyris LLo1Lo2Ep; luminosam pauperis G; blandam fluviosam papiris Pa8; luminosam papiris V4. 11 Osiridis . . . Isidis Ep; Ostridis . . . Isidis LLo1Lo2; ossaque dismarici presidis GV4; ossaque dii martis presidis Pa8. 13 Hec Pa8V4Ep; hic GLLo1Lo2. 16 dii LLo1Ep; diis GLo2V4; om. Pa8. 16 per purgationem Myth. Vat. III,6,3; om. per codd. et Ep. 18 celeste GLo1Lo2Pa8V4; et celeste Ep. 18 meruerunt LLo1Ep; metuunt G; meruit Pa8V4. 19 phlox Myth. Vat. III,6,4; flos LLo1; fluvio G; flo Pa8; flegreo Ep. 19 – 20 flammatus: est enim totus GV4; id est flamma dictus est rogus totus LLo1; flammatus est enim rogus totus Lo2Ep; flammatus dicitur, est enim totus Pa8. 20 ambiens LLo1Pa8; abiens G; aliens Lo2; saliens Ep. 20 – 21 ardorem . . . cupiditatum GLo1V4; ardorem cupiditatum Pa8; ardore et cupiditate Lo2Ep. 22 accenduntur GLo1Lo2Pa8V4; accenduntur ardore Ep.

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concremata est igne de superioribus tracto et aqua de inferioribus hausta, ex quibus condensatur et ingrossatur, in quo peccatrices anime purgari putantur. Eundem autem Phlegethontem nonnulli, quia a celo infernum incipere extimant, Martis circulum dicunt, sicut etiam campos Elysios, quos apud inferos fabula constituit, circulum Iovis esse contendunt. Alii tamen, ut Servius, in insulis fortunatis Elysios esse credunt. Elysio autem ›resolutio‹ dicitur, quia scilicet illic anime maculis carnis resolutis beatitudine perfrui putantur. 155 Moraliter 156

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Dicamus igitur allegorice, quod per Plutonem intelligitur diabolus, rex inferni materialis et etiam rex mundi, qui est infernus spiritualis. 157 Iste enim cum Proserpina, id est cum iniquitate, regina et coniuge sua, sulphureo solio dominatur, id est in corde sordido peccatorum, ubi sceptro et iurisdictione utitur, inquantum sibi et suis malis suggestionibus ibi per omnia obeditur. Si igitur contingit, quod illa imago diaboli sit in anima peccatoris, necesse est, ut ibi multe alie imagines, id est multe vitiorum similitudines, adiungantur. Est enim ibi avaritia, que intelligitur per Cerberum, concu-

brannt ist, das aus den höherliegenden Bereichen gezogen wird, und vom Wasser, das aus den tieferliegenden Bereichen gesogen wird; von diesen wird sie zusammengepresst und verdickt, worin, so glaubt man, die sündigen Seelen gereinigt werden. Einige aber nennen diesen Phlegeton den Kreis des Mars, weil sie glauben, dass die Unterwelt im Himmel ihren Ursprung hat, wie sie auch darauf bestehen, dass die elysischen Felder, die der Mythos in die Welt der Toten verlegt, der Kreis des Jupiter sind. Andere jedoch wie Servius glauben, dass sich das Elysium auf den glückseligen Inseln befindet. ›Elisio‹ aber bedeutet ›Auflösung‹, da sie nämlich glauben, dass dort die Seelen, von den körperlichen Makeln befreit, die Glückseligkeit genießen. 155 Moralisierung 156 Lasst uns also allegorisch sagen, dass unter Pluto der Teufel verstanden wird, der König der materiellen Unterwelt und auch der König dieser Welt, die die geistige Unterwelt ist. 157 Denn dieser herrscht mit seiner Königin und Gattin Proserpina, d.h. mit der Ungerechtigkeit, auf einem Schwefelthron, d.h. in dem schmutzigen Herzen der Sünder. Dort übt er die Königsherrschaft und die Gerichtsbarkeit aus, sofern man ihm und seinen bösartigen Einflüsterungen dort in allem gehorcht. Wenn es also geschieht, dass sich jenes Bild des Teufels in der Seele des Sünders eingeprägt hat, folgt zwangsläufig, dass sich dort viele andere Bilder, d.h. viele Abbilder von Lastern, dazugesellen. Denn dort ist die Habgier, die durch Cerberus bedeutet wird, die Begier-

1 concremata GLo2Pa8V4Ep; concreta LLo1. 2 hausta austa G, sed add. -h- supra lin. 6 infernum Lo2Ep; inferiori GPa8V4; ad infernum LLo1. 9 contendunt GLLo1Pa8; concedunt Lo2; credunt Ep. 10 fortunatis LLo1Ep; fortissimis GV4Pa8. 11 Elysio Lo2Ep; elyseis G; elisus LLo1; Elisis Pa8V4. 12 quia LLo1Pa8V4; qu***G; quasi Lo2Ep. 12 illic LLo1Pa8V4Ep; illuc GLo2. 21 sordido . . . ubi Pa8V4; sordido peccatorum, ut G; fetido peccatoris, ubi LLo1Tr; fervido peccatoris, ubi Lo2; sordido et fervido pectore, ubi Ep. 23 ibi LLo1Pa8V4Ep; sibi G; sibi ibidem Tr. 23 Si cet.; sic G; 24 quod cet.; quod si G.

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piscentia, que intelligitur per Furias, crudelitas, que intelligitur per Parcas, rapina, que intelligitur per Harpyias. 158 Avarus enim intelligitur per Cerberum insatiabilem, quia tres habet capita, inquantum avaritia est ad divitias, ad scientiam et ad famam. Vel tria habet capita canina, inquantum avaritia ardenter acquirit, tenaciter custodit et dolorose perdit, Prov. 30: Tria sunt insatiabilia. Concupiscentia intelligitur per Furias, que similiter tres dicuntur, pro eo, quod tria sunt, que ab hominibus principaliter cupiuntur, scilicet divitie, quarum concupiscentia furere facit avaros, delicie, quarum concupiscentia furere facit luxuriosos, eminentie, quarum concupiscentia furere facit ambitiosos. Et iste dicuntur difformes et serpentibus crinite pro eo, quod concupiscentie iste serpentinis malitiis sunt implete et ad cogitandum et tractandum difformia et turpia sunt prompta et parata, sicut patet. Nam concupiscentia divitiarum cogitat usuras et rapinas, concupiscentia delectationum cogitat incestus, adulteria et similia, concupiscentia eminentiarum cogitat simonias, conspirationes et similia, Eccli. 26: A tribus timuit cor meum. Crudelitas vero seu crudelium condicio intelligitur per tres Parcas, eo quod impii et crudeles nemini parcunt, et tres esse di-

de, die durch die Furien bedeutet wird, die Grausamkeit, die durch die Parzen bedeutet wird, und der Raub, der durch die Harpyien bedeutet wird. 158 Denn der Habgierige wird als unersättlicher Cerberus begriffen, da er drei Köpfe hat, sofern die Habgier Reichtum, Wissen und Ruhm betrifft. Oder er hat drei Hundeköpfe, sofern die Habgier sich eifrig Dinge verschafft, sie beharrlich bewacht und nur unter Schmerzen loslässt, Prov. 30,15: ›Drei sind unersättlich.‹ Die Begehrlichkeit wird durch die Furien bedeutet, die ebenso drei sein sollen, weil es drei Dinge sind, die von den Menschen hauptsächlich gewünscht werden, nämlich Reichtum – das Begehren danach bringt die Habgierigen zum Rasen –, Vergnügungen – das Begehren danach bringt die Zügellosen zum Rasen –, hohe Stellung – das Begehren danach bringt die Ehrgeizigen zum Rasen. Und man sagt, diese seien missgestaltet und hätten Schlangenhaar, da diese Begehrlichkeiten mit schlangenhaften Übeln angefüllt sind, und sie sind entschlossen und bereit dazu, hässliche und schändliche Dinge sich auszudenken und auszuführen, wie es offensichtlich ist. Denn das Begehren von Reichtum hat Wucherzinsen und Raubzüge im Sinn, das Begehren von Vergnügungen denkt an Inzest, Ehebruch und ähnliches, das Begehren von hohen Positionen denkt an Simonie, Verschwörungen und ähnliches, Eccli. 26,5: ›Vor drei Dingen fürchtete sich mein Herz.‹ Die Grausamkeit aber oder die entsprechende Anlage grausamer Menschen wird durch die drei Parzen bedeutet, da die Ruchlosen und Grausamen niemanden schonen, und sie sind drei, sagt man, so-

5 insatiabilem V4Ep; insatiabilitatis G; ratione insatiabilitatis LLo1Tr. 6 est GPa8V4; se . . . extendit LLo1 Tr; se elevat et exaltat Lo2Ep. 13 sunt sunt ...... G (foramen membrane). 18 difformes GPa8V4; deformes Lo1 TrEp. 21 difformia GPa8V4; deformia Lo1TrEp. 27 similia Lo2Pa8TrEp; huiusmodi G; hiis similia LLo1.

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cuntur, inquantum tres crudelitatis species homini nocere noscuntur, scilicet detractio, que nocet fame, iniuria, que nocet persone, furtum, quod nocet substantie. Unde ista tria debet quilibet iustus odire dicens illud Eccli. 25: Tres species odivit anima mea. Rapina significatur per Harpyias, 159 que dicuntur virgines, ut dictum est, quia rapinam comitatur sterilitas et paupertas, quia, ut communiter, qui aliena rapiunt, virgines, id est steriles et pauperes, efficiuntur, Prov. 11: Alii rapiunt non sua et semper in egestate sunt. 160 Et iste dicuntur tres propter tres species rapinarum, quia tripliciter fit, scilicet publice per tyrannos, occulte per usurarios, fraudulenter per exactores et ballivos. Unde rapina est illa bestia similis urso, de qua dicitur Dan. 7: Quod habebat tres ordines dentium in ore suo. Sed quid? Revera in isto diaboli throno, id est in corde humano diabolo subiugato, sunt quinque flumina, id est quinque peccata mortalia, scilicet Letheus, qui interpretatur oblivio, quia ibi est oblivio dei et omnium, que pertinent ad salutem, Ier. 2: Populus oblitus est mei in diebus innumeris. Cocytus, qui interpretatur luctus, quia ibi est dolor de bonis alienis et invidie luctuosa simulatio, unde de peccatore desperato dicitur Iob 21: Ipse autem ad sepulcra

fern man drei Formen von Grausamkeit kennt, dem Menschen zu schaden, nämlich die Schmähung, die dem Ruf schadet, das Unrecht, das der Person schadet und den Diebstahl, der dem Besitz schadet. Daher muss jeder Gerechte diese drei hassen und jenes Wort aus Eccli. 25,3 sagen: ›Meine Seele hasst drei Arten [von Menschen].‹ Der Raub wird durch die Harpyien bedeutet, 159 die, wie gesagt, Jungfrauen genannt werden, weil Unfruchtbarkeit und Armut den Raub begleiten, da, wie allgemein üblich, diejenigen, die fremdes Gut rauben, Jungfrauen, d. h. unfruchtbar und arm, werden, Prov. 11,24: ›Andere rauben, was ihnen nicht gehört, und befinden sich doch stets in bitterer Armut.‹ 160 Und diese, heißt es, sind drei wegen der drei Formen von Raub, da er auf dreierlei Weise geschieht, nämlich öffentlich durch Tyrannen, heimlich durch Wucherer, betrügerisch durch Eintreiber von Abgaben und Verwalter. Daher ist der Raub jenes Untier, das dem Bären ähnlich ist, von dem es Dan. 7,5 heißt: ›Es hatte drei Zahnreihen in seinem Maul.‹ Was noch? In der Tat gibt es an diesem Thron des Teufels, d.h. im menschlichen Herzen, das vom Teufel unterjocht ist, fünf Flüsse, d. h. fünf Todsünden, nämlich den Lethefluss, der als Vergessen interpretiert wird, weil dort Gott und alle Dinge, die das Heil betreffen, vergessen werden, Ier. 2,32: ›Mein Volk hat mich seit ungezählten Tagen vergessen‹. Der Cocytus wird dann als Trauer interpretiert, da dort der Schmerz über fremde Güter herrscht und die betrübliche Verstellung des Neids. Daher heißt es von dem verzweifelten Sünder Iob 21,32f.: ›Er aber wird zu den Gräbern

6 Eccli. 25 Eccli. 26 G. 12 Prov. 11 Eccli. secundo G. 12 non G, sed inser. et in marg. 14 – 15 quia tripliciter Lo1Lo2Pa8V4Ep; que tripliciter G; om. Tr. 17 ballivos Lo1V4Ep; bailivos G; om. Pa8. 20 quid GLLo1Lo2; om. Pa8V4TrEp. 23 mortalia G; generalia Lo1Pa8V4TrEp. 23 Letheus Ep; Lonchitus G. 24 ibi Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 25 omnium Lo1Pa8V4TrEp; hominum G. 28 – 29 invidie luctuosa Lo1Pa8V4TrEp; in die lucrosa G. 30 Iob 21 Iob 20 GV4.

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ducetur et in congerie mortuorum vigilabit, et: Dulcis fuit glareis Cocyti. Phlegethon, qui interpretatur ardens, quia ibi est ardor animarum, id est ambitio, Io. 6: In ignem mittet et ardet. Acheron, qui interpretatur sine salute, quia ibi non est salus seu future salvationis spes, Ps.: In filiis hominum, in quibus non est salus. 161 Styx, que interpretatur tristitia, quia ibi est timor servilis et desperatio. Contra illud Eccli.: Ne dederis in tristitiam cor tuum. Sic igitur iste Pluto, id est diabolus, in corde humano regnans multitudine vitiorum tamquam miserabili familia comitatur. Vel dic, quod Pluto est malus et austerus princeps et prelatus cum uxore sua terribili, scilicet avaritia vel rapina, cuius solium est sulphureum et fetidum, inquantum sua iurisdictio est vituperabilis et infamis. Et revera iuxta eum sunt multa genera malignorum: Primo est ibi Cerberus cum tribus capitibus caninis et iste significat malos consiliarios, caninos et insatiabiles, qui tria capita, id est triplicem malam intentionem, habent: unam ad gravandum subditos, aliam ad manutenendum dominos in suo amore, tertiam ad ditandum se-

geführt werden und in der Menge der Toten wachen,‹ und: ›Lieblich war er dem Kies des Cocytus‹. Phlegethon wird als ›brennend‹ verstanden, weil dort die Hitze der Seelen ist, d. h. der Ehrgeiz, Io. 15,6: ›Er wird ihn ins Feuer werfen, und er brennt.‹ Acheron wird ›ohne Heil‹ interpretiert, da dort weder Heil noch Hoffnung auf zukünftige Rettung ist, Ps. 145,3: ›Bei den Menschensöhnen, bei denen kein Heil ist.‹ 161 Styx schließlich wird als Trübsal verstanden, weil dort sklavische Furcht und Verzweiflung herrschen. Dagegen sagt Eccli. 38,21: ›Übergib dein Herz nicht der Trübsal.‹ So also regiert dieser Pluto, d.h. der Teufel, im menschlichen Herzen und wird von der Menge der Laster wie von einer elendigen Familie begleitet. Oder sag, dass Pluto ein schlechter und harter Fürst und Prälat ist mit seiner schrecklichen Gattin, nämlich Habgier oder Raublust, dessen Thron schwefelig und übelriechend ist, sofern seine Rechtsprechung tadelnswert und schändlich ist. Und in der Tat befinden sich neben ihm viele Arten von bösartigen Wesen: Zuerst ist dort Cerberus mit seinen drei Hundeköpfen, und dieser bedeutet die bösen, hündischen und unersättlichen Ratgeber, die drei Köpfe, d.h. eine dreifach schlechte Absicht, haben: eine, um Untergebene zu belasten, eine andere, um die Herren in der Zuneigung zu sich festzuhalten, eine drit-

11 – 14 Sic . . . comitatur deest BTr, sed pos.: Et breviter idolum et imago Plutonis, id est diaboli, qui in corde humano per peccatum pingitur, necessarie est, quod plura vitia commitetur et quod cum ipso ibi sit Cerberus triceps, Furia triplex, triplex Parca, triplex Arpia, fluvius quincuplex, id est peccata multiplicia hospitentur. Solus enim non vult dominus ille manere, immo semper vult multitudinem vitiorum esse secum. 1 ducetur et TrEp/Vulg.; et LLo1Pa8; om. GV4. 2 dulcis . . . Cocyti TrEp/Vulg.; in glareis concheti GLo2V4; dulcis in glareis cochiti LLo1; om. et . . . cochiti Pa8. 3 qui LLo1Pa8V4Ep; quod G; om. Tr. 4 id est V4Ep; et GLo1Pa8. 4 Io. 6 Io. 14 G. 7 salvationis Lo1Pa8V4TrEp; salutis G. 11 Sic LLo1Lo2V4Ep; ut G; dic Pa8. 13 miserabili LLo1V4Ep; u lac. G. 22 – 23 iste significat LLo1Pa8; isti significat G; ille significat V4B; isti significant Lo2Ep; om. Tr. 25 intentionem Lo1V4BTrEp; voluntatem, sed add. intentionem supra lin. G; intentiones Pa8. 27 – 122,1 tertiam . . . semetipsos GPa8V4; tertiam ad lucrum proprium LLo2; ad lucrum proprium Lo1Ep; aliam ad lucrum proprium et B.

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metipsos, Is. 56: Canes impudentissimi nescierunt satietatem. Item sunt ibi tres Furie cum crinibus serpentinis, id est tria genera iracundorum serpentinorum et malitiosorum. Quidam furiunt corde sicut hypocrite, quidam verbo sicut detractores, quidam opere sicut brigosi, Deut. 32: Foris vastabit eos gladius et intus pavor. Item sunt ibi tres Parce seu tria Fata, id est tria genera ballivorum crudelium, qui Parce dicuntur, quia nemini parcunt. Dicuntur Fata, quia, quicquid ordinant ac si esset a deo fatatum, teneri immobiliter volunt. 162 Primi dicuntur nere, id est negotia machinari et incipere, quidam medii dicuntur volvere et ordiri, id est malitias contra homines ordinare, alii dicuntur rumpere, id est omnia negotia decidere et exsecutioni demandare. Sic enim videmus in curiis tyrannorum, ubi sunt quidam malitiarum contra subditos relatores et exploratores, quidam ordinatores, quidam ruptores, decisores et exsecutores, figurati per illos, de quibus dicitur Ier. 7: Filii colligunt ligna, patres succendunt ignem, mulieres conspergunt adipes ad faciendum placentas, quasi dicat

te, um sich selbst zu bereichern, Is. 56,11: ›Die über die Maßen unverschämten Hunde kannten keine Sättigung.‹ Ebenso sind dort drei Furien mit Schlangenhaaren, d.h. drei Arten von zornigen, schlangenhaften und arglistigen Menschen. Einige rasen im Herzen wie die Heuchler, einige mit dem Wort wie die Verleumder, einige mit der Tat wie die Streitsüchtigen, Deut. 32,25: ›Draußen wird das Schwert sie vernichten und drinnen die Angst.‹ Ebenso sind dort die drei Parzen oder die drei Schicksalsgöttinnen, d.h. drei Arten von grausamen Verwaltern, die Parzen heißen, da sie niemanden schonen. Man nennt sie Schicksalsgöttinnen, da sie wollen, dass das, was auch immer sie anordnen – und wäre es auch von einem Gott vorherbestimmt – unveränderlich eingehalten wird. 162 Die ersten, so sagt man, spinnen, d.h. erdenken Unternehmungen und leiten sie ein, die mittleren rollen auf und beginnen, d.h. leiten Böses gegen Menschen in die Wege, die dritten zerreißen, d.h. sie entscheiden alle Unternehmungen und lassen sie ausführen. So sehen wir nämlich an den Höfen der Tyrannen, an denen es für Bosheiten gegen Untergebene einige Denunziatoren und Schnüffler gibt, einige Anstifter, einige Abschneider, Entscheider und Vollstrecker, die schon in jenen bildlich beschrieben sind, von denen es Ier. 7,18 heißt: ›Die Söhne sammeln Holz und die Väter entzünden das Feuer, die Frauen versprengen Fett, um Kuchen zu ba-

1 Is. 56 Is. 26 G. 2 satietatem GLLo1V4; saturitatem Pa8TrEp/Vulg. 3 ibi Lo1V4BTrEp; om. GPa8. 8 Deut. 32 Deut. 31 G. 10 Item Lo2V4BTrEp; Iterum G; Isti Pa8. 10 ibi LLo1BTrEp; om. GLo2Pa8 V4. 14 immobiliter Lo1Lo2Pa8V4Ep; immo lac. G; inviolabiliter LBTr. 15 Primi . . . nere GPa8V4Ep; et isti dicuntur tres, quia quidam sunt inferiores, qui dicuntur colum tenere et nere LLo1BTr. 15 negotia Pa8V4BTrEp; negociari G; negotia secularia LLo1. 16 incipere Lo1Pa8V4BTrEp; decipere G. 16 quidam medii LLo1BTrEp; alii G; om. V4. 16 dicuntur codd. et Ep; om. GV4. 19 negotia decidere LLo1Lo2BEp; ventura discindere G; omnia destinare V4; negotia executioni mandare Tr. 21 quidam GLLo1Lo2B; quidam malitiosi Pa8V4Ep; om. Sic . . . executores Tr. 23 ordinatores Lo1Pa8V4TrEp; orditores et ordinatores GB; om. Tr. 23 decisores Lo1V4BEp; derisores GPa8; om. Tr. 24 figurati Lo1Pa8V4BTrEp; furti G. 24 – 25 de . . . dicitur Pa8V4Ep; de quibus G; om. Lo1Lo2BTr. 25 7 Lo1BTrEp; viiio V4; lac. G; om. Pa8 . 25 patres LLo1 TrEp/Vulg.; om. GLo2Pa8V4B.

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maiores et minores sibi invicem subministrant ad rapinas et exactiones subditorum ad faciendum placentas, id est ut placeant in suorum presentia dominorum. Item sunt ibi tres Harpyie cum facie virginea et acutis unguibus, id est tria genera adulatorum, qui applaudunt in presentia sicut virgines, in absentia tamen acutis unguibus proprium lucrum querunt rapere sicut aves. Et isti sunt histriones, mali consiliatores et stulti confessores, qui non consulunt neque reprehendunt nec arguunt, sed commendant. Isti dicuntur virgines, non tamen prudentes, sed fatue, quia carent splendore iustitie et luce bone conscientie, quia sicut dicit beatus Gregorius: Omnes dicuntur virgines, non tamen omnes intra beatitudinis ianuam recipiuntur. 163 Item a throno istorum et curia procedunt quattuor maximi fluvii cum una terribili palude. Primus est Letheus, id est oblivio, quia illi et sui omnes vitio ingratitudinis sunt infecti et beneficiorum, que a deo et hominibus recipiunt, sunt obliti. Secundus Phlegethon, id est ardor, quia omnes ardorem avaritie patiuntur, quo pauperes et

cken,‹ als wenn er sagte, Ältere und Jüngere unterstützen sich gegenseitig, Untergebene zu berauben und von ihnen Abgaben einzutreiben, um Kuchen zu backen, d.h. um bei ihren Herren Gefallen zu finden. Ebenso sind dort drei Harpyien mit jungfräulichem Gesicht und scharfen Krallen, d.h. drei Arten von Schmeichlern, die wie Jungfrauen bei Anwesenheit Beifall spenden, in Abwesenheit jedoch wie Vögel mit scharfen Krallen den eigenen Gewinn an sich zu reißen suchen. Und dies sind Schauspieler, schlechte Ratgeber und törichte Beichtväter, die keinen Ratschlag erteilen und auch nicht tadeln oder anklagen, sondern nur [Angenehmes] empfehlen. Diese nennt man Jungfrauen, nicht aber kluge, sondern törichte, da sie ohne den Glanz der Gerechtigkeit und ohne Licht des guten Gewissens sind, da, wie der selige Gregor sagt, ›alle Jungfrauen heißen, aber nicht alle in das Tor zur Glückseligkeit eingelassen werden.‹ 163 Ebenso gehen von ihrem Thron und Hof vier sehr große Flüsse aus und zugleich ein furchtbarer See. Der erste Fluss ist Lethe, d. h. das Vergessen, da jene mitsamt den Ihren vom Laster der Undankbarkeit angesteckt sind und die Wohltaten, die sie von Gott und den Menschen empfangen, vergessen haben. Der zweite ist der Phlegethon, d. h. die Feuersglut, weil alle an der Hitze der Habgier leiden, durch

10 – 16 histriones . . . quia sicut deest BTr, sed pos. Et isti sunt histriones, qui adulantur in presentiam et publice, mali consiliatores, qui rapinas dominorum suorum iustificant et potissime mali religiosi et confessores, qui non reprehendunt, sed commendant, secreti familiares, qui solent aliis occulte detrahere, verba mala referre et adulationis officium exercere et adulari. Sicut ad litteram videmus de principibus et prelatis, quia vix est aliquis, qui non habeat aliquem secretarium adulatorem et verborum et negotiorum relatorem. Omnes tamen iste Harpie ungues habere dicuntur, quia pro certo ad proprium lucrum ambiunt et aliquid rapere et extorquere nituntur et circa hoc continue meditantur. De quibus. 3 placentas Lo1Pa8V4BTrEp; placeant G. 5 ibi Lo1Pa8V4TrEp; iste G; isti ubi B. 21 Letheus Lecheus G. 23 – 24 que a deo et hominibus LLo1Lo2TrEp; que ab hominibus GPa8V4; dei et hominum B. 26 quo GV4; qua instigante Lo1Lo2Ep; quibus Pa8; qua scilicet BTr.

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subditi ab eis rapinis et exactionibus comburuntur. Tertius Acheron, id est sine salute; communiter enim in curiis principum non est salus, quia vix est dare aliquod officium, in quo non sit necesse multa committere mala et sic salutem perdere oportet, in Psalmo: Non est salus illi in deo eius. Quartus Cocytus, id est luctus, a parte scilicet subditorum et oppressorum, et ideo ibi erit Styx, id est tristitia, a parte omnium istorum finaliter damnatorum. Et subditi pauperes talium oppressorum possunt dicere lamentando illud Ps.: Super flumina Babylonis illic sedimus et flevimus. Vel dic et expone omnia de inferno, ubi Pluto, Lucifer, principatur. Cui canis, id est insatiabilis appetitus animarum, Furie, id est crudelitas, Fata, id est sententie divine immutabilitas, Harpyie, id est ministrorum rapacitas, famulantur. Qui secum habent fluvium oblivionis, inquantum damnatorum memoria datur oblivioni, Ps.: Oblivioni datus sum etc.; 164 item fluvium ardoris, id est combustionis, Is. ultimo: Ignis eorum non extinguetur; item fluvium luctus et desolationis, Apoc.: Quantum glorificavit se et in deliciis fuit, tantum date ei tormentum et luctum; item fluvium sine salute, quia in inferno nulla est redemptio; 165 item fluvium tristitie, Mt. 8: Ibi erit fletus et

die die Armen und Untergebenen von ihnen mit Raubzügen und Steuerlasten ›verbrannt‹ werden. Der dritte ist der Acheron, d.h. ohne Heil; denn im allgemeinen gibt es an Fürstenhöfen kein Heil, da es kaum ein Amt zu vergeben gibt, in dem es nicht erforderlich ist, viele Untaten zu begehen, und man so sein Heil verlieren muss, Ps. 3,3: ›Er findet kein Heil bei seinem Gott.‹ Der vierte ist der Cocytus, d.h. die Trauer, nämlich auf Seiten der Untergebenen und Unterdrückten, und deshalb wird dort auf Seiten all der am Ende Verurteilten der Styx sein, d.h. die Trübsal. Und die armen Untergegebenen solcher Unterdrücker können klagend jenes Psalmwort 136,1 sagen: ›Dort, an den Flüssen Babylons saßen wir und weinten.‹ Oder sprich und leg das alles in Bezug auf die Hölle aus, wo Pluto, Luzifer, herrscht. Diesem dienen ein Hund, d.h. das unersättliche Verlangen nach Seelen, die Furien, d.h. die Grausamkeit, die Schicksalsgöttinnen, d. h. die Unabänderlichkeit des göttlichen Urteilsspruchs, die Harpyien, d.h. die Raubgier der Diener. Diese haben den Fluss des Vergessens bei sich, sofern die Erinnerung an die Verdammten dem Vergessen anheim gegeben wird, Ps. 30,13: ›Dem Vergessen bin ich anheim gegeben,‹ 164 ebenso den Fluss der Hitze, d.h. des Verbrennens, Is. im letzten Kapitel [60,24]: ›Ihr Feuer wird nicht verlöschen;‹ ebenso den Fluss der Trauer und der Verzweiflung, Apoc. 18,7: ›Wie viel sie sich rühmte und in Genuss und Luxus lebte, so viel Qual und Trauer gebt ihr;‹ ebenso den Fluss ohne Heil, ›weil in der Hölle keine Erlösung ist‹; 165 ebenso den Fluss der Trübsal, Mt. 8,12: ›Dort wird Klagen und Zähne-

1 et exactionibus GBTr; diversimode Lo1Lo2Pa8V4Ep. 4 aliquod Lo1V4BEp; a lac. G; om. Pa8Tr. 9 et Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 11 damnatorum codd.; damnandorum Ep. 12 subditi pauperes Lo1Pa8V4Ep; subdita G; miseri subditi BTr. 18 Fata GLo1Pa8V4BTr; Parce vel Fata Ep. 28 luctum Lo1Lo2TrEp; luctus G; om. Pa8B. 29 redemptio add. Iob 10 LLo1BTr; deest GLo2Pa8V4Ep.

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stridor dentium. 166 Et ideo Is. 34 dicitur de inferno: Convertentur torrentes eius in picem ardentem, et: ascendet fumus eius etc. Vel de tribus Fatis seu Parcis dic, quod iste significant tria vitia, scilicet cogitationis, que videtur filare, delectationis, que videtur texere, consensus, que videtur concremare et rumpere. Vel dic, quod iste tres Parce sunt tres partes condicionis humane: Prima, que tenet colum, est nativitas, secunda, que orditur, est vita, tertia, que rumpit, est mors, quia mors consuevit rumpere, quicquid nativitas consuevit introducere et quicquid fortuna vel totius vite progressus potuit texere, Is. 38: Precisa est velut a texente vita mea; dum ordiretur, succidit me. Iste autem Parce vel Fata dicuntur, quia quicquid a deo circa nativitatem, vitam et mortem ordinatur, immobiliter observatur, ita quod nulli parcitur, quin, quod ordinatum fuerit, compleatur, 167 Is. 46: Omne consilium meum stabit et omnis voluntas mea fiet. Styx dicitur palus inferni, per cuius aquas dii iurare consueverant; quod iuramentum violare nullatenus debebant. Sup-

klappern sein.‹ 166 Und deshalb wird in Is. 34,9f. von der Hölle gesagt: ›Seine Sturzbäche werden in brennendes Pech verwandelt werden‹, und: ›sein Rauch wird emporsteigen‹ etc. Oder sag von den drei Schicksalsgöttinnen oder Parzen, dass diese drei Laster bedeuten, nämlich das Laster der Planung, die wohl den Faden zieht, des Vergnügens, das wohl ein Gewebe herstellt, der Zustimmung, die es wohl verbrennt und zerreißt. Oder sag, dass diese drei Parzen die drei Teile des menschlichen Schicksals sind: Die erste, die den Faden hält, ist die Geburt, die zweite, die ihn zu spinnen beginnt, ist das Leben, die dritte, die ihn abreißt, ist der Tod, da der Tod gewöhnlich abreißt, was die Geburt zu beginnen pflegte und was dann das Schicksal oder der gesamte Lebenslauf weben konnte, Is. 38,12: ›Vor der Zeit abgeschnitten ist mein Leben wie von einem Weber; während es noch im Anfang [in der Vorbereitung des Gewebes] ist, schneidet er mich ab.‹ Diese aber nennt man Parzen oder Schicksalsgöttinnen, weil das, was von Gott für die Geburt, das Leben und den Tod angeordnet wurde, unabänderlich eingehalten wird, so dass niemand geschont wird, vielmehr, was er angeordnet hat, erfüllt werde, 167 Is. 46,10: ›Jeder Beschluss von mir wird feststehen und jeder Willensakt von mir wird ausgeführt werden.‹ Styx heißt der Unterweltsee, bei dessen Gewässern die Götter zu schwören pflegten; diesen Schwur durften sie keines-

1 Is. 34 LLo1Lo2BEp; Ysa. lac. G; Ysaie Pa8; in Ysa. V4; Is. 24 Tr. 1 de Lo2Pa8BEp; de in GV4; om. de inferno LLo1Tr. 4 Vel LLo1Pa8V4Ep; vel dic G; vel si vis BTr. 6 filare Lo1Pa8V4BTrEp; filius nere G. 10 Prima, que Lo1Pa8V4BTrEp; ideoque G. 14 vel LLo1BEp; et Pa8V4; om. G; om. quia mors . . . texere Tr. 15 Is. 38 Is. 34 G. 15 – 16 Precisa . . . ordiretur LLo1Tr; a tesente vita mea dum ordiretur G; a texente vita dum oridirer Pa8; adhuc ordirer V4Ep; precisa est velut a texente hac si dicat homo, dum adhuc ordiens per fortunam vel per iuventutem deus: succidit me per fortunam vel mortem B. 19 immobiliter GLo2V4; inviolabiliter Lo1BEp; om. Pa8Tr. 20 nulli GLLo1V4BEp; om. Pa8Tr. 21 Is. 46 Is. 8 G. 26 debebant LLo1Lo2V4; deberent G; debebat B; (violari) debebat Tr; audebant Ep; om. Pa8. 26 – 126,7 Supponunt . . . preterire pos. post abstinebant B.

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ponunt enim poete, quod Styx filiam habuit, Victoriam nomine, que quia favit diis in prelio contra Gigantes et fecit eos vincere, ideo in premium tanti facti voluerunt ex tunc iurare in nomine matris eius et voluerunt, quod non liceret diis iuramentum hoc preterire; alias, si iuramentum frangerent, a nectare paradisi per certum tempus abstinebant. Dii autem leti semper sunt immortales; hi igitur, qui merorem non sentiunt secundum Fulgentium, 168 per rem nature sue contrariam iurant, ideo iuramentum per execrationem habent. Aliter exponit Alexander 169 et dicit, quod Styx interpretatur tristitia: Igitur, ut ait, pro tanto Styx, palus inferni, dicitur habuisse filiam Victoriam, quia in certaminibus tam corporalibus quam spiritualibus tristitia, sollicitudo, timor et diligentia victoriam parat, hominem triumphare facit. Timor domini expellit peccatum, Eccli. primo. Et ideo dii, id est viri sancti, debent istam matrem Victorie, scilicet timorem et tristitiam spiritualem, que nascitur ex consideratione infernalium tormentorum, sepe recolere et de ea quam plurimum cogitare, Io. 16: Vos autem contristabimini, sed tristitia vestra vertetur in gaudium. Plures ponuntur pene inferni: 170 Una est pena Tantali, qui sitit et famescit et tamen est in aqua usque ad labium suum inferius pomumque pulcerrimum habet de-

falls brechen. Denn die Dichter führen an, dass Styx eine Tochter mit Namen Victoria [›Sieg‹] hatte; weil diese den Göttern beim Kampf gegen die Giganten gewogen war und sie siegen ließ, wollten sie seitdem zum Lohn einer so bedeutenden Tat beim Namen ihrer Mutter schwören und sie wollten, dass es den Göttern nicht erlaubt sei, diesen Schwur nicht einzuhalten, andernfalls, wenn sie den Schwur brächen, enthielten sie sich für eine gewisse Zeit des Paradiesesnektars. Die unsterblichen Götter aber sind immer heiter; diese, die keine Trauer verspüren, schwören also nach Fulgentius bei einer ihrer Natur entgegengesetzten Sache; 168 deshalb schwören sie mit einem Fluch. Anders legt es Alexander [Alberich von London] 169 aus und sagt, dass der Styx als Trübsal interpretiert wird: Also soll, wie er sagt, Styx, der Unterweltsee, insoweit eine Tochter Victoria gehabt haben, als in Kämpfen, sowohl körperlichen als auch geistigen, Trübsal, Sorge, Furcht und Umsicht den Sieg bereiten und den Menschen triumphieren lassen. ›Die Furcht des Herrn vertreibt die Sünde‹, Eccli. 1,27; und deshalb müssen die Götter, d.h. heilige Männer, die Mutter der Victoria [des Sieges], nämlich die geistliche Furcht und Trübsal, die aus der Betrachtung der Höllenqualen entsteht, oft erneuern und möglichst viel über sie nachdenken, Io. 16,20: ›Ihr aber werdet betrübt sein, eure Trübsal wird jedoch in Freude verwandelt werden.‹ Von mehreren Unterweltsstrafen wird berichtet: 170 Eine ist die Strafe des Tantalus, der Durst und Hunger leidet, und das, obwohl er bis zur Unterlippe im Wasser steht und einen wunderschönen Apfel zur

2 favit Lo1Pa8V4BTrEp; lac. G. 3 Gigantes Lo1Pa8V4BTrEp; gentes G. 5 et et non G, sed del. non. 8 – 9 a . . . abstinebant Lo1V4Ep; a . . . necessario abstinebant BTr; lac. G. 16 palus Lo1Pa8V4BTrEp; pallis G. 18 tristitia Lo1BTrEp; scilicet tristitiam G; scilicet tristitia Pa8; sicut tristitia V4. 20 hominem GLo1 Pa8V4BTr; homini Lo2Ep. 25 – 26 de ea quam Lo1Pa8V4Ep; in eis quam B; de ea G; om. sepe . . . cogitare L; om. et de . . . cogitare Tr. 29 pene Lo1Pa8V4TrEp; penne G.

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pendens usque ad labium suum superius. Habet tamen collum ita rigidum, quod ipsum nec potest erigere, ut comedat, nec deprimere, ut bibat. Et sic necesse est, ut famem et sitim perpetuo sustineat. Alia est pena Ixionis, qui in quadam rota volvente semper ambulat, que perpetuo a se fugit et sequitur et numquam stat, sed in motu perpetuo tormentatur. Alia pena est Sisyphi, qui saxum magnum de monte impellit, ut inferius ruat; collapsum vero repetit et ad collis cacumen reportat. Quod postquam sursum tulerit, rursum cum saxo corruit et descendit. Quarta pena est Belidum, que aquam in dolio sine fundo perpetuo fundunt ipsumque implere credunt nec possunt. 171 Alia est pena Tityi, qui proprium pectus et iecur dat vulturibus ad comedendum. Qui postquam consumptus fuerit, ad penam iterum reviviscit et sic semper comeditur et recrescit. 172 Per istas quinque penas possunt intelligi quinque vitia, que in inferno huius seculi dant suis possessoribus multa mala: Primum est vitium parcitatis et hec est pena Tantali, quia pro certo multi sunt ita miseri et parci, dato quod habeant bona infinita quod usque ad os abundet bladum et vinum vel divitie temporales, ipsi tamen

Oberlippe herabhängen hat. Gleichwohl ist sein Hals so starr, dass er ihn weder aufrichten kann, um zu essen, noch hinabbeugen, um zu trinken. Und so muss er Hunger und Durst auf ewig aushalten. Eine andere ist die Strafe des Ixion, der stets in einem sich drehenden Rad läuft, das ihn unablässig flieht und ihm folgt; und so kommt er niemals zum Stehen, sondern wird in ständiger Bewegung gequält. Eine wieder andere Strafe ist die des Sisyphus, der einen großen Stein von einem Berg stößt, so dass er hinunterrollt; den herabgerollten Stein aber nimmt er wieder auf und schafft ihn wieder auf die Bergspitze. Nachdem er diesen nach oben gebracht hat, stürzt er von neuem mit dem Stein und gelangt hinab. Die vierte Strafe ist die der Beliden, die beständig Wasser in ein Fass ohne Boden schöpfen und es aufzufüllen glauben, es aber nicht vermögen. 171 Eine andere Strafe ist die des Tityos, der seine eigene Brust und Leber Geiern zum Fraß bietet. Wenn er [an der Leber] aufgezehrt ist, erhält er zur Strafe das Leben zurück, und so wird er immer wieder verzehrt und wächst nach. 172 Unter diesen fünf Strafen können die fünf Laster verstanden werden, die in der Hölle dieser Welt ihren Besitzern viele Übel bereiten. Das erste ist das Laster des Geizes, und dies ist die Strafe des Tantalus, da fürwahr viele so erbärmlich sind, dass sie, obwohl sie unendliche Güter haben, so dass ihnen bis zum Mund im Überfluss Weizen und Wein oder irdischer Reichtum zur Verfügung stehen, sie dennoch nicht zu

1 usque ad Lo1V4TrEp; ad G; om. Pa8. 8 et sequitur et LLo1Lo2TrEp; et sic GPa8V4. 10 Sisyphi Sisiphi Lo1Ep; Bisiphi G; Bissippi V4; Sysyphy Tr. 11 collapsum vero LLo1Lo2TrEp; collo vero relapsum G; collo vero lapsum Pa8V4. 12 reportat Lo1Lo2Pa8V4TrEp; reptat G. 13 rursum cum Lo1Pa8V4Ep; cum G; postea vero cum L; cum . . . deorsum Tr. 14 Belidum Bellundum G; Belludum Lo1. 15 que TrEp; qui GLo1Lo2V4. 19 Qui . . . consumptus GLo1Lo2Pa8V4; Quod . . . consumptum TrEp. 20 reviviscit codd. Ep; revivisit G. 27 et parci Lo1Lo2Pa8V4TrEp; om. GL. 28 quod LLo1G; et quod Lo2; et Pa8V4Ep; om. Tr. 28 abundet GPa8V4; habeant Lo1Lo2TrEp. 29 divitie Pa8V4; divite G, sed add. -i- supra lin.; divitias Lo1TrEp. 29 ipsi GLo1Lo2Pa8Tr; ipse V4; quia ipsi Ep.

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non audent comedere neque bibere aut aliquod factum liberalitatis facere, immo semper comprobantur famescere et sitire vel etiam per ardorem habendi famem et sitim avaritie tolerare, Ecclesiastes 6: Cui deus dedit divitias et substantiam et honorem et nihil deest anime sue ex his, que desiderat. Nec tribuit ei deus potestatem, ut comedat ex eo, sed homo extraneus vorabit illud. Hic vanitas et magna miseria est. Si genuerit quispiam centum liberos et vixerit multos annos et plures dies etatis habuerit et anima illius non utatur bonis substantie sue, sepulturaque careat: De hoc ego pronuntio, quod melior illo sit abortivus. Secunda pena significat vitium ambitionis, quia ambitiosi non cessant de beneficio ad beneficium rotare et de uno gradu ad alium circuire, quod etiam de mercatoribus videmus, qui de nundinis ad nundinas circuunt et redeunt, 1. Reg. 25: Impii rotabuntur quasi rota plaustri. 173 Tertia pena significat vitium vage et inquiete affectionis et per Sisyphum intelliguntur quidam, qui saxa in montem cum labore deferunt, id est qui aliqua difficilia faciunt, sed ipsa, cum laboraverint satis, destruunt et subvertunt, quod potissime potest dici de quibusdam, qui in communitate vivunt. Quorum condicio est aliquando bene laborare et pondus

essen und zu trinken oder eine Tat der Freigebigkeit zu tun wagen; es ist sogar recht und billig, dass sie hungern und dürsten oder auch wegen der Besitzgier Hunger und Durst der Habgier aushalten, Eccl. 6,2f.: ›Diesem gab Gott Reichtum, Besitz und Ehre und nichts fehlt seiner Seele an dem, wonach sie verlangt. Nicht aber gab ihm Gott die Kraft, davon zu essen, sondern ein fremder Mensch wird es verschlingen. Dies ist Vergeblichkeit und großes Elend. Wenn jemand hundert Kinder zeugte und viele Jahre lebte und noch mehr Lebenstage hätte und seine Seele doch die Güter seines Besitzes nicht nutzte und er ohne Grab wäre, so urteile ich über diesen: eine Fehlgeburt wäre besser als er.‹ Die zweite Strafe bedeutet das Laster des Ehrgeizes, da die Ehrgeizigen nicht davon ablassen von Pfründe zu Pfründe zu streben und sich von einer Rangstufe zur nächsten zu bewegen. Dies sehen wir auch bei den Händlern, die von einem Markt zum andern herumziehen und wiederkehren, 1. Reg. 25,29/Is. 28,27: ›Die Gottlosen werden gedreht werden wie ein Wagenrad.‹ 173 Die dritte Strafe bedeutet das Laster des unsteten und unruhigen Strebens, und unter Sisyphus versteht man diejenigen, die unter Mühen Steine auf einen Berg bringen, d.h. die einige schwierige Dinge vollbringen, diese aber, obwohl sie sich zur Genüge abgemüht haben, zerstören und zunichte machen, was man vor allem von denjenigen sagen kann, die in einer geistlichen Gemeinschaft leben. Deren Bestimmung ist es, eine Zeitlang gut zu arbeiten und das Gewicht der

3 comprobantur V4; computantur G; videntur LLo1; probantur Lo2Pa8Ep; comprobant Tr. 5 tolerare LLo1 Tr; habere V4Ep; om. G; om. vel etiam . . . tolerare Pa8. 8 potestatem Lo1Pa8V4TrEp; potatem G. 10 Hic G; hec V4; hoc Vulg.; om. Pa8; om. hic . . . abortivus LLo1Tr; om. hic . . . careat Lo2Ep. 14 De hoc ego Lo2; quarto G; hoc Ep. 21 1. Reg. 25 Ep; Iob G; Reg. 12 LLo1; Corin. 23o Pa8; Reg. 13 V4Tr. 21 – 22 impii . . . plaustri LLo1Lo2Pa8Tr; rotabitur quasi rota plaustri G; rotabuntur quasi rota plaustri V4; inimicorum tuorum anima rotabitur quasi in impetu et circulo funde Ep/Vulg. 24 Sisyphum Bisiphum G. 24 intelliguntur Lo2Pa8V4TrEp; intelligitur GLLo1. 25 montem Lo1V4TrEp; monte GPa8. 26 ipsa LLo1TrEp; ipsi G; ipsius V4; om. Pa8. 27 laboraverint Lo1Lo2TrEp; laboraverunt GPa8; om. L.

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discipline portare et in montem perfectionis aliqualiter ascendere. Qui tamen quicquid bene fecerint, subito per impatientiam destruunt et confundunt, saxum discipline, quod diu tulerant, reiciunt et sic interdum laborem suum reincipiunt et resumunt, propter quod dicit Seneca: Utere officio, quod semel sumpsisti. Turpe est cedere oneri. 174 Quarta pena significat vitium avaritie. Avari enim illis Belidibus similes sunt, quia scilicet dolium cordis sui implere et satiare aquis divitiarum non cessant. Sed quia dolium fundo sive sufficientia caret, ideo nihil faciunt; immo semper ipsum vacuum et insatiabile inveniunt nec aqua divitiarum sufficit, quam infundunt, Prov. 13: Venter impiorum insaturabilis. De tali corde videtur dictum illud Agg. primo: Qui mercedes congregavit, misit eas in saccum pertusum. Quinta pena significat vitium carnalis luxurie et infectionis, quia luxuriosus iecur suum, id est affectionem et appetitum, dat vulturibus, id est carnalitatis actibus, qui ipsum devorant et consumunt et vitam, famam et substantiam sibi tollunt. Iste tamen devoratus reintegrari dicitur, quia luxuriosus in suis malis affectionibus continue renovatur et carnis stimulus, dato quod

Disziplin zu tragen und auf den Berg der Vollkommenheit ein Stück weit hinaufzusteigen. Dennoch zerstören und vernichten sie plötzlich durch Ungeduld, was sie gut gemacht haben, und stoßen den Stein der Disziplin, den sie lange getragen hatten, zurück und fangen manchmal ihre Arbeit wieder neu an und nehmen sie wieder auf. Deshalb sagt Seneca: ›Führe die Aufgabe aus, die du einmal auf dich genommen hast. Schändlich ist es, der Last zu weichen.‹ 174 Die vierte Strafe bedeutet das Laster der Habgier. Denn die Habgierigen sind jenen Beliden ähnlich, da sie nämlich nicht davon ablassen, das Fass ihres Herzens mit den Wassern des Reichtums zu füllen und sich an ihnen zu laben. Aber weil das Fass ohne Boden oder Genügen ist, bewirken sie nichts; sie finden es im Gegenteil immer leer und unersättlich vor, und das Wasser des Reichtums, das sie eingießen, reicht nicht aus, Prov. 13,25: ›Der Bauch der Frevler ist unersättlich.‹ Über ein solches Herz scheint jenes Wort Agg. 1,6 gesagt zu sein: ›Wer Lohn anhäufte, steckte ihn in einen durchlöcherten Sack.‹ Die fünfte Strafe bedeutet das Laster der körperlichen Zügellosigkeit und Befleckung, da der Zügellose seine Leber, d.h. seine Leidenschaft und sein Verlangen, Geiern gibt, d.h. sexuellen Handlungen, die ihn verschlingen und aufzehren und ihm das Leben, den guten Ruf und den Besitz nehmen. Es heißt, dieser werde dennoch, nachdem er verschlungen wurde, wiederhergestellt, da der Zügellose bei seinen schlechten Gelüsten sich beständig erneuert und der Trieb

5 tulerant cet.; toleraverant G. 5 – 6 et sic . . . reincipiunt Lo1Lo2Pa8V4Tr; om. G; et sic incoeptum laborem suum destruunt et nullius meriti efficiunt et iterum eundem laborem reincipiunt Ep. 8 cedere LLo1Lo2Ep; credere G. 10 Belidibus Ep; Belludibus G. 13 fundo sive sufficientia Lo1Pa8V4TrEp; fundo G. 14 immo Lo1Pa8V4TrEp; ideo G. 15 insatiabile GPa8V4Tr; insatiabilem Ep. 18 Agg. Agri G. 20 Quinta 5 5a G, sed del. 5. 21 luxurie et infectionis G; appetitus et luxuriose infectionis LLo1; luxurie infectione Lo2; luxurie Pa8; concupiscentie et luxurie V4; et luxurie infective Tr; luxurie in affectione Ep. 23 – 24 carnalitatis . . . qui LLo1Pa8V4Tr; carnaliis affectionibus, qui G; carnalitatis actibus, quo Lo2; carnalitatis actibus vel meretricibus, que Ep. 24 et om. G, sed add. supra lin. 24 vitam Lo1Pa8V4TrEp; vita G.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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modo transierit, per se tamen alius generatur, Eccli. 23: Homini fornicario omnis panis dulcis; non fatigabitur transgrediens usque in finem. Vel dic, quod vultures sunt demones, mors et tormenta, que Tityum, id est damnatos, devorant et consumunt. Fata tamen, id est divina iustitia et prudentia, ipsos immortales servat, ut amplius crucientur, et per finalem resurrectionem eos reparant et restaurant, Ps.: Laborabis in eternum et vives adhuc in finem. Forma Vulcani. Capitulum decimum quintum. 175

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Vulcanus, deus ignis et faber Iovis, pingebatur in similitudinem fabri deformis et claudi, malleum in manu tenentis. Qui viso ignominioso concubitu Martis et Veneris uxoris sue fugere disponebat, sed nequibat, quia claudus erat. Iuxta eum dii irridentes pinguntur, qui eum de celo propter suam turpitudinem expellere confinguntur. De hoc multa in fabulis habentur. 176

des Fleisches, mag er auch bald vorbeigehen, doch aus sich heraus weitere erzeugt, Eccli. 23,24: ›Dem hurenden Menschen ist jedes Brot süß; er wird nicht müde werden, bis er zu seinem Ende kommt.‹ Oder sag, dass die Geier Dämonen sind, Tod und Qualen, die Tityos, d.h. die Verdammten, verschlingen und verzehren. Das Schicksal, d.h. die göttliche Gerechtigkeit und Klugheit, bewahrt sie dennoch als unsterblich, so dass sie weiter gepeinigt werden, es stellt sie durch die Auferstehung am Ende wieder her und erneuert sie, Ps. 48,9f.: ›Du wirst dich auf ewig abmühen, und du wirst noch leben bis zum Ende.‹ Kapitel 15: Vulcan 175 Vulcan, der Gott des Feuers und der Schmied Jupiters, wurde in Gestalt eines hässlichen und hinkenden Schmiedes dargestellt, der einen Hammer in der Hand hält. Da er den schändlichen Ehebruch von Mars und Venus, seiner Gattin, beobachtet hatte, beabsichtigte er zu fliehen, aber er vermochte es nicht, weil er lahmte. Neben ihm werden spottende Götter dargestellt, die ihn wegen seiner Hässlichkeit aus dem Himmel verstoßen haben sollen. Über diesen wird viel in den mythischen Erzählungen berichtet. 176

1 transierit Lo1V4TrEp; transierint G; transierat Pa8 1 – 2 alius generatur Ep; alios generatur G; alium generat L; iterum generatur Tr. 2 Eccli. 23 Eccli. 13 G. 2 homini fornicario LLo1TrEp; fornicatio G; fornicatio hominis Pa8. 3 fatigabitur GEp; cessabit Vulg.; om. Pa8. 4 vultures Lo1Lo2V4TrEp; vulturos 5 tormenta GLo1Pa8V4Tr; tormenta inferni Ep. 7 fata . . . GL; om. Vel . . . et Pa8. 5 mors mors ... G. *** G; fatum autem id est Ep. 8 servat Lo1Lo2Pa8V4Ep; generat G; om. L. id est Lo1Lo2Pa8V4Tr; fata ....... 9 resurrectionem LLo1Pa8V4Ep; rationem Tr; lac. G. 10 reparant GLo1Pa8V4Tr; reparat LEp. 10 et restaurant Lo1Lo2Pa8V4Tr; et lac. G; restaurat LEp. 12 – 13 Forma . . . quintum om. G. 16 tenentis GLLo1; tenens Lo2Pa8Ep; tenentis et impulsu deorum de celo inferius cadentis BTr; add. Tr: Sed de hoc vide satis infra. 22 in fabulis LLo1Lo2Pa8Ep; lx .. fabula G (foramen membrane); om. BTr.

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DE FORMIS FIGURISQUE DEORUM

Forma Herculis. Capitulum decimum sextum 177

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Hercules fortissimus pingebatur quidam gigas magnus, pelle leonis indutus et clava maxima, quam tenebat manu, armatus. De hoc moraliter et historice habebis inferius. 178 Forma Esculapii. Capitulum decimum septimum 179

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Esculapius deus medicine pingebatur quidam homo stans cum prolixa barba, cuius dextra manus barbam tangebat, sinistra vero baculum cum serpente retorto tenebat. De quo infra habetur. 180 Istis premissis incipiendum est a primo libro Ovidii.

Kapitel 16: Hercules 177 Der überaus starke Hercules wurde als ein großer Riese dargestellt, mit einem Löwenfell bekleidet und bewaffnet mit einer riesigen Keule, die er in der Hand hielt. Von diesem wirst du unten mit moralischer und historischer Erklärung mehr finden. 178 Kapitel 17: Aesculap 179 Aesculap, der Gott der Medizin, wurde als ein stehender Mann mit langem Bart dargestellt, dessen rechte Hand an den Bart fasste, dessen linke aber einen Stab hielt, um den eine Schlange gewunden war. Von diesem wird unten berichtet werden. 180 Nach dieser Einführung ist mit dem ersten Buch der Metamorphosen Ovids zu beginnen.

6 – 7 inferius add. Hercules pingebatur in forma gigantis magni, pelle leonis induti, et clava maxima in manu sua dextra tenebat. Et sub suis pedibus leonem ferocissimum tenebat quem cum digito manus sinistre ostendebat. Iste vero Hercules erat totus armatus a capite usque ad pedes. De quo infra ad plenum dicetur ystorialiter. Sicut dicit Fulgentius libro de descriptionibus: Antiqui vanitatem deum putantes ipsam taliter depingebant. Videlicet erat imago enim sua feminea rete vestita, super caput suum hec verba habens conscripta, scilicet: Vado. Curro. Vanitas, a dextris: Sensus, Virgo, Sanitas, a sinistris: decor, fama, Novitas, Aurum, honor, levitas. In pectore vero denudato continebatur. Et omnia vanitas. Eodem libro inquit Fulgentius quod ab antiquis amor taliter depingebatur: Describebatur enim in humana effigie imago pectore et capite erat denudata habens vestem viridem. Super caput scriptum habebat hiems et estas, in pectore habebat scriptum prope et longe. Sub pedibus vita et mors. In manu vero tenebat lanceam more sagittarum tres pennulas habentem. In quarum prima scriptum erat: volo corda, in secunda: corda volo, id est ad corda volo. In tertia vero: volo corda. Tr. 1 – 2 Forma . . . sextum om. G.

8 – 9 Forma . . . septimum om. G.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

Metamorphoses moralizate Liber primus

Buch 1

In nova fert animus etc. 181

Von Gestalten zu künden, die in neue Körper verwandelt wurden etc. 181

Fabula prima 182 5

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Ponit Ovidius primo et ante omnia quod postquam diluvio mundus consumptus esset et solus Deucalion cum uxore sua remansisset, templa deorum voluerunt consulere, quid facerent quove modo genus humanum iterum propagarent. Precepto igitur divino ossa magne parentis, id est Terre, iussi sunt retro se proicere. Quod cum fecissent, visi sunt lapides duritiem suam deponere 183 et se in homines transformare sicque de lapidibus homines creati sunt et de hiis, quos vir iecerat, masculi, de hiis vero, quos uxor iecerat, femine generabantur. Igitur quia humanum genus de lapidibus secundum hoc factum est, ideo corda lapidea in nobis naturaliter sunt mentesque nostre, ut sic in malo faciliter indurescunt, versus:

Erste Erzählung 182 Zuerst und vor allem anderen erzählt Ovid, dass, als die Welt durch die Sintflut zerstört worden und allein Deucalion mit seiner Gattin [Pyrrha] übrig geblieben war, sie bei den Tempeln der Götter um Rat fragen wollten, was sie tun oder wie sie das Menschengeschlecht aufs Neue fortführen sollten. Durch göttlichen Befehl also wurde ihnen aufgetragen, die Knochen der Großen Mutter, d.h. der Erde, hinter sich zu werfen. Als sie dies getan hatten, sah man, dass die Steine ihre Härte verloren 183 und sich in Menschen verwandelten, und so wurden aus Steinen Menschen erschaffen, und zwar wurden aus denen, die der Mann geworfen hatte, Männer erzeugt, aus denen aber, die seine Gattin geworfen hatte, Frauen. Da also das Menschengeschlecht demnach aus Steinen entstanden ist, haben wir von Natur steinerne Herzen in uns und unser Wesen ist von der Art, dass es leicht im Übel verhärtet, nach dem Vers: ›Daher sind

2 Liber primus Incipit liber primus Mathemorphoseos Ovidii G; Istis (Hiis Pa8) premissis incipiendum est a primo libro Ovidii Metamorphosius Pa8V4; Incipit liber primus Metamorphoseos Ovidii Moralizate Ep; deest LLo1BTr. – Add. Ovidius in primo libro Metamorphoseos praemisso prologo primo tractat mundi creationem secundum opinionem Anaxagore. Postea quomodo Prometheus de limo terre fecit unum hominem in similitudinem ac effigiem moderantum cuncta deorum. (Ov. Met. 1,83). Unde textus: Pronaque cum spectent animalia cetera terram, / os homini sublime dedit coelumque videre / iussit et erectos ad sidera tollere vultus. (Ov. Met. 1,84–86). Hinc de quattuor etatibus seculi et quattuor temporibus anni et de vitiis subintrantibus. His ita premissis tractat quomodo gigantes affectaverunt regnum coeleste. Ep. 4 Fabula prima I,6 Ep. 7 Deucalion V2TrEp; Decaulio G; Deucaleon Lo1; Deucalio V4; Deuchalion B. 9 quove modo LLo1V4Tr; G. 16 – 17 quos quo ut modo G; quomodo Lo2V2; ut Pa8; quo ne modo B; quo Ep. 15 creati creati ..... . . . quos Pa8Tr; que . . . que GLLo1Lo2V4B; id est de saxis, que . . ., que . . . Ep. 21 faciliter Lo1V2BTrEp; facibus GV4.

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Inde genus durum sumus experiensque malorum. 184

wir ein harter, in Übeln erfahrener Menschenschlag.‹ 184

Moraliter

Moralisierung

Istud potest allegari, quod deus de peccatoribus facit iustos quandoque mirabiliter. Constat enim, quod diluvium peccatorum quasi genus humanum totum consumpsisset ideoque, quia totus mundus iam est iustis hominibus spoliatus propter peccatum et per asperitates diluvii omnes innocentiam amiserunt, necesse erat, ut Deucalion, id est Christus, de ipsis lapidibus, id est de duris peccatoribus, iustos faciat ipsosque per penitentiam vivificet et componat. Sed quomodo hoc fit? Certe ipsos lapides retro se proiciendo, id est ipsos duros peccatores, qui dicuntur proprie ossa terre, inquantum sunt terreni et avari, tribulationi et paupertati subiciendo et post dorsum oblivionis 185 in presenti ponendo, Psalmus: Nunc autem reppulisti et confudisti nos. Convertisti post tergum tuum omnia peccata mea. 186 Quia sepe fit, quod homo lapideus et obstinatus ex tribulatione et duritie penitere compellitur et per contritionem mollitur in hominem, Psalmus: Imple facies ignominia et quasi querent nomen tu-

Dies kann so angewandt werden, dass Gott manchmal auf wunderbare Weise aus Sündern Gerechte macht. Es steht nämlich fest, dass die Sintflut der Sünden das Menschengeschlecht fast gänzlich vernichtet hatte und, weil daher die ganze Welt schon der gerechten Menschen beraubt war wegen der Sünde und alle aufgrund der Sintflut mit ihren Härten die Unschuld verloren hatten, war es notwendig, dass Deucalion, d.h. Christus, eben aus den Steinen, d. h. aus den verhärteten Sündern, Gerechte macht und diese durch Reue belebt und wiederherstellt. Aber wie geschieht dies? Doch wohl, indem er Steine hinter sich wirft, d. h. indem er eben diese verhärteten Sünder, die eigentlich Gebeine der Erde heißen, da sie erdhaft und gierig sind, der Not und Armut aussetzt und sie gegenwärtig hinter den Rücken seines Vergessens 185 stellt, nach dem Psalmvers 43,10: ›Nun aber hast du uns abgewiesen und verwirrt. Du hast alle meine Sünden hinter deinen Rücken gekehrt‹ [Is. 38,17], 186 weil es oft geschieht, dass der versteinerte und starrsinnige Mensch aus der Not und Härte zur Buße getrieben und durch Reue zu einem freundlichen Menschen wird, nach dem Psalmvers 82,17: ›Erfülle ihr Gesicht mit Schande, und sie werden gleichsam nach deinem Namen fragen, Herr,‹ und Lu-

1 – 2 malorum GLo1Pa8V4BTr; laborum Ep. 4 allegari GV4BEp; allegorice dici L; habetur moraliter V2; allegorizari Tr. 6 peccatorum GV2; vitiorum Pa8V4TrBEp. 7 humanum LPa8V2V4TrBEp; om. G. 10 asperitates GEp; asperitatem Pa8V4; prosperitatis V2; prosperitatum B; asperitatis Tr. 10 diluvii Pa8Ep; diluvium GLV2V4Tr. 10 omnes Pa8BTr; continens GV2V4 11 innocentiam amiserunt GV2V4BTr; om. Ep; totam terram irrigat L. 15 fit LLo1V2V4; sit G; scitur Lo2; facit Tr; fiet Ep. 21 reppulisti repulsisti G. 22 – 23 Convertisti . . . mea GLo1Pa8 (sed contrahit t. o. p. G); om. omnia peccata mea V2V4; om. BTr, sed hab. Ps. 43,11; om. Ep. – Cf. Anm. 185. 27 ignominia GLo1V4TrEp; om. B. 27 querent Lo1V2V4Ep; om. GLPa8BTr; om. et quasi . . . domine L.

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um domine, et Lucas: Potens est deus de lapidibus istis generare filios Abrae. Vel dic, quod isti, qui de lapidibus fiunt homines, sunt illi, qui de rusticis fiunt nobiles et potentes sicut sunt illi, quos deus post tergum proicit et in peccatis suis prosperari permittit, quia tales, inquam, solent primam naturam sapere et ratione sue originis rudes, crudeles et illiberales permanere, Iob 41: Cor eius indurabitur quasi lapis. Fabula secunda 187

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Cum diluvio recedente tota terra humida multa enormia animalia procreasset, accidit quod Pythonem serpentem maximum procreavit, quem Phebus suis sagittis interfecit. Propter quod dum superbiret et gloriaretur, quod talem serpentem occiderat, qui erat ita magnus, quod tria iugera occupabat, incepit contemnere Cupidinem filium Veneris et invidere ei de eo, quod arcum et sagittam portabat dicens, quod ad hoc preter eum nullus dignus erat, qui tantum serpentem occiderat. Idem Cupido advertens, quod Phebus Daphnen puellam pulcerrimam amabat, sagittas suas accepit, unam cum telo aureo, quam in corde Phebi infixit, que amorem accendebat; alteram cum telo plumbeo, qua Daphnen percussit

cas 3,8 sagt: ›Denn Gott kann aus diesen Steinen Söhne Abrahams erschaffen.‹ Oder sag, dass diejenigen, die aus Steinen zu Menschen werden, jene sind, die aus bäurischen Menschen zu Vornehmen und Mächtigen werden, so wie jene sind, die Gott hinter seinen Rücken warf und in ihren Sünden gedeihen ließ, da solche, so sage ich, gewöhnlich noch ihre ursprüngliche Natur verraten und wegen ihrer Herkunft roh, grausam und geizig bleiben, Iob 41,15: ›Sein Herz wird hart wie ein Stein werden.‹ Zweite Erzählung 187 Als nach dem Rückzug der Sintflut die gesamte noch feuchte Erde zahlreiche gewaltige Tiere hervorgebracht hatte, geschah es, dass sie Python, eine riesige Schlange, hervorbrachte, die Phoebus [Apollo] mit seinen Pfeilen tötete. Während er sich damit brüstete und prahlte, dass er eine solche Schlange getötet habe, die so groß war, dass sie drei Morgen einnahm, begann er, Cupido, den Sohn der Venus, zu verhöhnen und es ihm zu neiden, dass er Bogen und Pfeil trug, und er sagte, dass dazu niemand außer ihm, der eine solche Schlange getötet hatte, würdig sei. Eben dieser Cupido bemerkte, dass Phoebus Daphne, ein sehr schönes Mädchen, liebte, und er nahm seine Pfeile: einen mit einer goldenen Pfeilspitze, den er in das Herz Apolls schoss und der die Liebe entfachte, und einen anderen mit einer Pfeilspitze aus Blei, mit dem er Daphne durchbohrte und bewirkte, dass je-

11 Fabula secunda I,7 Ep. 1 Potens est Lo1Pa8V2BTrEp; potest enim G; potens enim est V4. 2 filios filos G, sed add. -i- supra lin. 10 41 49 G. 12 recedente LLo1Lo2Pa8V4Ep; recederet G; cessante BTr. 14 Pythonem Phitonem Lo1V2 V4Ep; Phetontem G; Phyton B; Phytonem Tr; 17 quod G; eo, quod LLo1Lo2Pa8V4Ep; eo scilicet quod BTr. 22 ad hoc LLo1Lo2V4BEp; adhuc G. 22 preter . . . erat Lo2Pa8V2Ep; preter eum nu*** ***ignus erat G; nullus erat dignus preterquam ipse solus LLo1; nullus preter eum dignus erat portare V4Tr. 23 – 24 Cupido advertens LLo1Pa8V4BTrEp; Cupi*** ***s G. 24 Daphnen Ep; Damphne G; Dane Lo1V2; Daphine V4; Dyanam B. 24 puellam LLo1Lo2Pa8V4Ep; puela G; virginem V2BTr. 27 que Lo1V2V4; qui GLo2Pa8; quo LB; qua Tr; quod Ep. 28 percussit LLo1Pa8V4BTr; p*** G; fixit Ep.

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et illam amorem fugere faciebat. Et sic factum est, quod ex tunc Phebus non cessavit post Daphnen currere, ipsa vero ex tunc non cessavit Phebum fugere, ita quod quanto magis Phebus virginem sequebatur et precabatur, tanto magis virgo eum fugiebat et horrebat. Ipsa enim virginitatem voverat et virum perpetuo non volebat.

ne die Liebe mied. Und so kam es, dass Phoebus seitdem nicht aufhörte, Daphne zu verfolgen, diese aber seitdem nicht aufhörte vor Phoebus zu fliehen, so dass, je mehr Phoebus die junge Frau verfolgte und mit Bitten bedrängte, sie umso mehr vor ihm floh und zurückschreckte; denn sie hatte Jungfräulichkeit gelobt und wollte niemals einen Mann haben.

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Iste Phebus significat quosdam de virtutibus gloriantes in seculo vel in claustro. Serpens significat carnem, que veneno deliciarum suarum premit et occupat totum mundum, quia multi insunt, qui quando possunt prevalere contra serpentem, id est carnem venenosam, exinde superbiunt in tantum, quod Cupidinem deum amoris, id est amorem carnis et sectatores ipsius, abhorrent et vilipendunt non considerantes propriam fragilitatem, sed gloriantes se habere castitatem. Sed deus volens tales humiliare sagittis carnalis amoris vulnerari permittit et ad amandum mulierum delicias eos laxat, ut sic sue carnis condicio cognoscatur et alios non contemnant – sicut fecit de Petro, qui alios contemnens dixerat: Et si omnes scandalizati fuerint in te, qui tamen

Moralisierung Jener Phoebus bedeutet Leute, die sich ihrer Tugenden rühmen, in der Welt oder im Kloster. Die Schlange bedeutet das Fleisch, das mit dem Gift seiner Freuden die ganze Welt bedrängt und besetzt, da es in ihr viele gibt, die, wenn sie die Schlange, d. h. das giftige Fleisch, überwinden können, sich damit sehr brüsten, den Liebesgott Cupido, d.h. die Liebe des Fleisches und ihre Anhänger, zu verabscheuen und geringzuschätzen, und nicht auf ihre eigene Gefährdung achtgeben, sondern sich rühmen, in Keuschheit zu leben. Aber da Gott solche erniedrigen will, lässt er sie mit den Pfeilen der körperlichen Liebe verwunden und lässt sie schwach werden, die Reize der Frauen zu lieben, damit so die Schwäche ihrer Leiblichkeit offenbar wird und sie andere nicht verachten – wie er es mit Petrus machte, der mit Verachtung anderer gesagt hatte [Matth. 26,33]: ›Und wenn alle an dir Anstoß nehmen [. . .],‹ der jedoch mit Got-

21 castitatem add. et abhominantes omnem alienam iniquitatem B; peccatoribus non compatientes sed detrahentes contra illud Bernar. Non detrahas peccati sed dole. Quid enim in alio detrahis in te potius pertimesce Tr; abhominantes omnem alienam iuvenilem societatem Eb. 2 – 3 ex tunc . . . currere LLo1V2BTrEp cum min. var. lect.; om. GPa8V4. 3 – 4 ipsa vero ex tunc Lo1V2BTrLo2 Ep; e*** *** ***hne G; ex tunc Daphne Pa8V4. 4 – 5 ita quod . . . sequebatur LLo1V4BEp; i***quant*** pl*** *** ***ginem insequebatur G. 6 – 7 tanto . . . eum fugiebat LLo1Lo2V4Ep; tan*** *** virgo *** ***bat G; tanto magis virgo ipsum fugiebat Pa8V2BTr. 7 – 8 virginitatem voverat LLo1Pa8V4BTrEp; virginit*** ***at G. 14 qui quando LLo1V2V4Ep; quando G; hodie, qui quando BTr. 15 contra LLo1Lo2Pa8V4BTrEp; circa G. 17 – 18 id est amorem LLo1Lo2Pa8V4BTr; id est amoris G; amorem Ep. 18 et sectatores ipsius Lo2 V4BEp; sectatores ipsius G; et facta eius Pa8; et sectatores Tr. 21 castitatem LLo1Lo2Pa8V4Ep; in castitatem G. 24 – 25 condicio cognoscatur GPa8; conditionem cognoscant LLo1Lo2V4BEp; condicionem agnoscant Tr.

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deo permittente vilius cecidit quam aliquis aliorum. Deus enim sicut dicitur Iudith 6: Presumentes de se et de sua virtute gloriantes humiliat. Vel dic, quod iste Phebus significat mundane glorie appetitores, qui quando Pythonem occidunt, id est aliquod factum laudabile faciunt, summe superbiunt et gloriantur et alios contemnunt. Daphne puella pulcerrima est mundana gloria, que a talibus adamatur, ita quod ipsam quantum possunt continue sequuntur sicut patet de militibus, qui pro ipsa habenda vadunt ad guerras et torneamenta, de clericis, qui pro ipsa dimittunt patriam et delectamenta, de hypocritis, qui pro ipsa faciunt poenitentiam et patiuntur tormenta, de ambitiosis, qui pro ipsa adhibent blandimenta. Nihil enim est eis delectabilius quam hec puella, nihil eis speciosius quam eius forma, nihil suis membris appetibilius. Sicut enim Phebus, ut dicitur ibidem, 188 desiderio membrorum Daphne pulcritudinem nominabat et ipsam ad suum amorem humiliter appellabat sic et isti. Ista enim habet diversa membra appetibilia, scilicet caput, id est altitudinem honorum,

tes Duldung übler fiel als irgendein anderer; wie Judith 6,15 gesagt wird, ›erniedrigt er diejenigen, die von sich eine hohe Meinung haben und sich ihrer Tugend rühmen.‹ Oder sag, dass dieser Phoebus diejenigen bedeutet, die nach weltlichem Ruhm streben, die, wenn sie Python töten, d.h. wenn sie eine lobenswerte Tat vollbringen, sich über die Maßen brüsten und rühmen und andere verachten. Das sehr schöne Mädchen Daphne ist der weltliche Ruhm, der von solchen Menschen so lieb gewonnen wird, dass sie ihn, soweit sie können, ständig verfolgen. So ist es von den Rittern bekannt, die sich, um ihn zu erlangen, zu Kriegen und Turnieren aufmachen; von Klerikern, die für ihn das Vaterland und ein Leben in Freuden verlassen; von Heuchlern, die für ihn Reue zeigen und Qualen erdulden; von Ehrgeizigen, die für ihn sich der Schmeichelei bedienen. Denn nichts ist ihnen erfreulicher als dieses Mädchen, nichts ist ihnen schöner als ihre Gestalt, nichts ist begehrenswerter als ihre Glieder. So nämlich wie Phoebus – so heißt es dort 188 – vor Verlangen nach ihrem Körper die Schönheit Daphnes rühmte und sie demütig anrief, ihn zu lieben, so tun es auch diese. Denn sie hat verschiedene begehrenswerte Glieder: nämlich einen Kopf, d.h. hohe Eh-

25 et isti add. Unde Ovidius ibidem: inornatos collo pendere capillos. Et quid si comantur, ait: videt igne micantes sideribus similes oculos, videt oscula que non est vidisse satis. Laudat digitosque manusque bracchiaque et nudos media plus parte lacertos. Si qua latent meliora putat. Et infraNdabant [nudabant] corpora venti, obviaque adversas vibrabant flamina vestes. Et levis impulsos retro dabat aura capillos aucta fuga forma est. Et sequitur: Nympha precor peneia mane. Sic et isti de quibus supra: mundanam gloriam insequuntur et affectant. Ep; cf. Ov. Met. 1,493–502, 527–530, 504. 2 6 BTrEp; primo G; 7 LLo1V2V4. 14 guerras Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; guterias G. 15 ipsa GL; ista Lo1V2V4 Ep; ea habenda B; illa habenda Tr. 17 – 18 faciunt . . . tormenta GPa8V4; patiuntur penitentiam et tormenta LLo2V2TrEp; om. Lo1. 20 quam hec G; quam sit ista LLo1V2Tr; quam ista Pa8; quam illa V4Ep; illa B; om. Lo2. 20 – 21 nihil . . . forma GV4Ep; nichil sua forma speciosius LLo1Lo2V2BTr. 22 – 23 ibidem LLo1 Pa8V2BTr; ibi libro ii G; libro v, ubi sic dicitur V4; om. Ep. 23 desiderio GV4; pre desiderio LLo1BTrEp. 25 appellabat LLo1Lo2Pa8V4BTrEp; apparebat G. 25 sic et isti GLo2Pa8BTr; sic isti LLo1V2; sic enim isti V4. 27 caput, id est LLo1Lo2Pa8V4BEp; caput G; caput, scilicet Tr. 27 honorum GLLo1V2BTr; bonorum Pa8V4; honoris Lo2Ep.

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bracchia, id est amplexus amoris, ventrem, id est affectus deliciarum, oculos, id est aspectus scientiarum, capillos, id est successus divitiarum. Ista enim Phebo, id est vanagloriosis, placent, quia ista summe desiderant et affectant, Mt.: Sequimini eum quocumque introierit. 189 Sed pro certo dei dispositione fit, quod ista Daphne, id est mundi gloria, tales sui amatores immoderatos fugiat et contemnat, Eccli. 11: Si secutus fueris, non apprehendes. [Ps.-]Hugo dicit, quod hec est glorie gloriosa proprietas, quod appetitores suos fugiat et optet contemptores. 190 Fabula tertia Dicit Ovidius libro primo 191 quod Daphne puella pulcerrima nimis fatigata fugiendo Phebum, qui eam corrumpere volebat, volens virginitatem suam conservare rogavit Tellurem deam terre, ut illam pulcritudinem auferet sibi, que erat sibi causa et occasio tanti doloris. Et sic dii eius miserti mutaverunt eam in laurum: nam subito eius pedes, qui leves erant, conversi sunt in radicem, pellis in corticem, bracchia in ramos et sic laurus effecta cupidinem Phebi evasit et virginitatem, quam voverat, custodivit.

renämter; Arme, d.h. Liebesumarmungen; einen Leib, d.h. Verlangen nach Lust und Genuss; Augen, d.h. die Schau der Wissenschaften; Haare, d.h. Anwachsen des Reichtums. Denn dies alles gefällt Phoebus, d. h. denen, die nach eitlem Ruhm streben, weil sie diese Dinge ganz besonders wünschen und begehren, Mt. 8,19: ›Folgt ihm also, wohin er gehen wird.‹ 189 Aber sicher geschieht es durch die Fügung Gottes, dass Daphne, d. h. der Ruhm der Welt, ihre derart maßlosen Liebhaber flieht und verachtet, Eccli. 11,10: ›Wenn du folgst, wirst du nicht ergreifen.‹ Hugo [Alan] sagt, die rühmliche Eigenschaft des Ruhms sei es, dass er diejenigen, die nach ihm streben, flieht und seine Verächter erwählt. 190 Dritte Erzählung Ovid erzählt im ersten Buch, 191 dass Daphne, ein sehr schönes Mädchen, vollkommen ermüdet war von der Flucht vor Phoebus, der sie schänden wollte. Da sie ihre Jungfräulichkeit bewahren wollte, bat sie die Göttin der Erde Tellus ihr ihre Schönheit zu nehmen, die für sie Grund und Ursprung so großen Schmerzes war. Und so erbarmten sich die Götter ihrer und verwandelten sie in einen Lorbeerbaum; denn plötzlich verwandelten sich ihre geschwinden Füße in Wurzeln, ihre Haut in Rinde, ihre Arme in Äste. Und so entzog sie sich, zum Lorbeer geworden, dem Begehren des Phoebus und bewahrte die Jungfräulichkeit, die sie gelobt hatte.

15 Fabula tertia I,8 Ep. 1 amplexus amoris Pa8; amplexus amor G; amplexum amoris Lo2Ep; amplexus amorum LLo1V2V4BTr. 3 aspectus scientiarum GLLo1Lo2V2V4; feminarum affectum Pa8; aspectus feminarum Tr; affectus scientiarum Ep. 5 vanagloriosis GV2B; vane glorioso LLo1; vane gloriosis Lo2Pa8V4Ep; vanaglorioso Tr; vanigloriosis Eb. 6 Mt. Luc. G. 10 11 LLo1V2BTrEp; 4 G; 7 V4; om. Lo2. 20 Tellurem Lo1V2V4BTrEp; Cellerem G. 21 sibi Pa8BTrEp; om. GLo1V4.

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Moralisierung:

Phebus iste potest significare diabolum, Daphne animam christianam, quia procul dubio diabolus istam virginem, animam scilicet, per temptationem non cessat, ut eam per malum consensum sibi coniungat et per peccatum destruat et corrumpat. Sed ipsa debet fugere, occasiones peccati et temptationes evitando, et debet rogare deum terre, id est Christum, ut eam de manibus eius eripiat formam aliam sibi dando. Et sic pro certo debet fieri laurus, id est religiosa persona virtuosa et perfecta, pedes vanorum gressuum radicaliter figendo, corticem penitentie induendo et ramos bonarum affectionum acquirendo et virorem honeste conversationis numquam deponendo. Sic enim commutata istius Phebi cupidinem non timebit et integritatem mentis et cordis conservabit, Io. 20: Conversa retrorsum vidit Iesum. Vel dic allegorice de multis virginibus, que pulcritudinem corporis propter quam insequuntur deponunt, sicut dicitur accidisse de quadam in Anglia: quam cum rex patrie summe vellet habere, cum ipsam incessanter rogaret, petiit ipsa, quid erat in ipsa propter quod eam tantum diligeret. Rex vero asseruit pulcritudinem oculorum. Il-

Dieser Phoebus kann den Teufel bedeuten, Daphne die christliche Seele; da ohne Zweifel der Teufel nicht nachlässt, diese Jungfrau, nämlich die Seele, mit Versuchung durch üble Einwilligung an sich zu binden und durch Sünde zu zerstören und zu verderben. Doch sie muss fliehen, durch Vermeidung von Gelegenheiten zur Sünde und von Versuchungen, und sie muss den Gott der Erde, d. h. Christus, bitten, dass er sie aus seinen [Phoebus’] Händen reißt, dadurch dass er ihr eine andere Gestalt gibt. Und so muss wahrhaftig der Lorbeer entstehen, d.h. eine fromme Person, tugendhaft und vollkommen, dadurch dass sie ihre ziellos schreitenden Füße fest einwurzelt, eine Rinde der Reue anlegt und Zweige guten Strebens annimmt und das Grün eines ehrenvollen Lebenswandels niemals ablegt. Denn, so verwandelt, wird sie das Begehren des Phoebus nicht fürchten und die Unversehrtheit des Geistes und Herzens bewahren, Io. 20,14: ›Sie wandte sich um und sah Jesus.‹ Oder sprich allegorisch von den vielen Jungfrauen, die ihre körperliche Schönheit, um deretwillen sie verfolgt werden, ablegen, wie es sich bei einer Jungfrau in England ereignet haben soll: Als der König ihres Landes sie unbedingt besitzen wollte, da er so unablässig um sie warb, verlangte sie, von ihm zu erfahren, was es an ihr sei, weshalb er sie so sehr liebte. Der König versicherte, es sei die Schönheit ihrer Au-

22 – 24 Vel . . . deponunt add. Vel si vis allega de sanctis virginibus, que amatores suos ut stercora contempserunt et ab eorum connubio refugerunt. Et in lignum pro virginitate servanda mutate fuerunt. In quantum societatem (vitam B) humanam amiserunt et corda sua sicut truncum ligneum reliquerunt. Vel allega de multis virginibus, que pulcritudinem corporis propter quam insequebantur depravaverunt (damnaverunt Tr) BTr. 8 debet LLo1Lo2Pa8V4Ep; deum G; ipsum (eum Tr) debet BTr. 8 peccati et GLo1Pa8V4BTr; peccati Ep. 11 aliam Lo1Pa8V4BTrEp; animam G. 12 laurus Lo1Pa8V4BTrEp; lauris G. 13 persona virtuosa et perfecta Lo1Lo2V2BTrEp; persona et virtuosa perfectam G; religiosus Pa8; persona devota et perfecta V4. 16 virorem Lo1Pa8V4BTrEp; virendo G. 26 – 27 incessanter Lo1Pa8V4BTrEp; incensanter G.

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la autem domum pergens oculos sibi eruit et regi, ut sedaret eius concupiscentiam, transmisit. Ista enim audierat illud Eccli.: Quasi a facie colubri fuge peccatum. 5

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Fabula quarta 192 Laurus autem alio modo dicitur Daphne, pro eo forte quod Daphne in laurum est mutata; que est arbor, quam sibi Phebus appropriavit, quam osculatus est et amplexatus tenerrime adamavit, ipsamque specialibus privilegiis insignivit; voluit enim, quod de lauro sibi fierent corone, cithare et sagitte, voluit etiam, quod victores lauro coronarentur; voluit quod lauro domus imperatorum et quercus et alie arbores vicine a fulmine tuerentur, quia teste quodam scilicet Plinio 193 sola laurus inter arbores non fulminatur. Voluit insuper quod coma eius numquam deponeretur, sed quod viror eius perpetuo videretur sicut dicit Ovidius. 194 Moraliter

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Ista laurus significat crucem, que pro certo Phebo, id est Christo, soli iustitie fuerat dedicata et ab eo corporaliter amplexata. Ista debet esse nobis pro corona honoris et glorificationis, cithara laudis et gratiarum actionis, pro sagitta verbi dei et sancte predicationis, pro gloria victorie cuiuscumque temptationis, pro tutela fulminis divine sen-

gen. Jene aber begab sich nach Hause, riss sich die Augen aus und schickte sie dem König, um sein Verlangen zu stillen. Denn sie hatte jenes Wort aus Eccli. 21,2 gehört: ›Flieh vor der Sünde wie vor dem Anblick einer Schlange.‹ Vierte Erzählung 192 Der Lorbeer aber wird mit anderem Namen auch Daphne genannt, wohl deshalb, weil Daphne in einen Lorbeer verwandelt worden ist. Dies ist der Baum, den sich Phoebus zu eigen machte, den er küsste, umarmte und aufs zärtlichste liebte und den er mit besonderen Rechten auszeichnete. Denn er wünschte, dass ihm aus dem Lorbeer Kränze, Kithara und Pfeile gemacht würden, und er wünschte auch, dass Sieger mit Lorbeer bekränzt würden. Er wünschte, dass Herrscherhäuser wie auch Eichen und andere benachbarte Bäume durch den Lorbeer vor Blitzschlag geschützt würden, da nämlich nach einem Zeugen – gemeint ist Plinius 193 – von allen Bäumen allein der Lorbeer nicht vom Blitz getroffen wird. Darüber hinaus wünschte er, dass er seine Blätter niemals ablege, sondern sein Grün immer zu sehen sei, wie Ovid erzählt. 194 Moralisierung: Dieser Lorbeer bedeutet das Kreuz, das wahrlich Phoebus, d.h. Christus, der Sonne der Gerechtigkeit, geweiht war und von ihm körperlich umarmt worden ist. Dieser muss uns als Krone der Ehre und Verherrlichung gelten, als Kithara des Lobes und der Danksagung, als Pfeil des Gotteswortes und der heiligen Predigt, als Ruhm des Sieges über jede Versuchung, als Schutz

5 Fabula quarta I,9 Ep. 1 pergens Lo1V4BTrEp; perogens G. 3 transmisit Lo1V4BTrEp; transmis*** G; misit Pa8. 16 – 17 quodam . . . Plinio quoddam scilicet Plinio G; Plinio Lo2V4Ep; fort. pichino Pa8; philosopho BTr; om. quia . . . fulminatur LLo1.

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tentie et eterne damnationis et, quod plus est, pro virore eterne glorie et future salvationis. Ista enim in cruce habentur sicut dicit Chrysostomus: Crux est Christianorum spes, preliorum victoria, cecorum dux, claudorum baculus, conversorum via, pauperum consolatio, arbor resurrectionis, lignum vite eterne. 195 Fabula quinta

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Narrat Ovidius libro primo, 196 quod Gigantes affectaverunt regnum celeste et ideo, ut ad celum possent attingere, coniecerunt et aggregaverunt montes super montes et ita inaltaverunt habitationem suam, quod quasi ad sidera pertingebant. Sed summus deus Iupiter hoc videns fulmine de celo misso montes illos subvertit et corpora Gigantum subtus compressit et terram eorum sanguine humectavit.

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Revera tales Gigantes sunt hodie tyranni divites et avari, quibus non sufficit esse in statu suo nec in statu subiectionis et humiliationis. Immo ad celum et ad statum alte prelationis et dominationis nituntur ascendere, sicut patet in ambitiosis, Is. 14: Ascendam in celum super astra celi, exaltabo solium meum. Istud patet in avaris qui cupiunt fieri milites et sunt iudices et locum al-

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9 Fabula quinta I,1 Ep.

vor dem Blitz des göttlichen Richterspruchs und der ewigen Verdammnis und, was noch mehr ist, als Grün der ewigen Herrlichkeit und zukünftigen Erlösung. Denn dies alles ist im Kreuz enthalten wie Chrysostomos sagt: ›Das Kreuz ist die Hoffnung der Christen, der Sieg ihrer Kämpfe, der Führer der Blinden, der Stab der Lahmen, der Weg der Bekehrten, der Trost der Armen, der Baum der Auferstehung, das Holz des ewigen Lebens.‹ 195 Fünfte Erzählung Ovid erzählt im ersten Buch, 196 dass die Giganten die Herrschaft im Himmel begehrten und deshalb, um den Himmel erreichen zu können, Berge auf Berge häuften und aufeinander türmten und so ihre Wohnung erhöhten, dass sie gleichsam bis zu den Sternen reichten. Aber Jupiter, der oberste Gott, sah dies, schleuderte einen Blitz vom Himmel, stürzte ihre Berge um und zermalmte darunter die Körper der Giganten und tränkte die Erde mit ihrem Blut. Moralisierung In der Tat entsprechen solchen Giganten in unserer Welt reiche und gierige Tyrannen, denen es nicht genügt, in ihrem Stand zu bleiben und sich im Stand von Unterwerfung und Demütigung zu befinden. Vielmehr streben sie danach, zum Himmel und zu einer hohen Führungs- und Herrschaftsstellung emporzusteigen, so wie es bei den Ehrgeizigen deutlich ist, Is. 14,13: ›Ich werde in den Himmel über die Sterne des Himmels steigen, ich werde meinen Thron erhöhen.‹ Dies zeigt sich deutlich bei den Gierigen, die Ritter werden wollen und die

4 Chrysostomus Chrisostomus Lo1TrEp; Criso GV4; Cris.us V2; C. B. 14 inaltaverunt V4B; inalteraverunt GLo2; exaltaverunt LLo1Pa8TrEp; altaverunt V2. 18 subtus LLo1Lo2Pa8Ep; subito GV4; om. BTr. 24 ad a G, sed add. -d- supra lin. 29 iudices Lo1Pa8V4TrEp; vindici G; iuridici Eb.

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te iurisdictionis cupiunt occupare, Sap. 18: Usque ad celos attingebat stans in terra. Et ideo tales ut melius hoc faciant et obtineant, aggregant montes ad montes, prata ad prata, domos ad domos; contra quos Is. 5: vae, qui coniungitis domum ad domum et agrum agro copulatis. Non enim cessat avaritia et ambitio divitias congregare, ut sic illis mediantibus possit mundanam celsitudinem obtinere. Sed Iupiter summus deus quandoque mittit talibus fulmen occulte, id est subitam suam sententiam, per mortem vel per insperatam tribulationem. Ipsosque montes, id est eminentiam sui status, destruit et prosternit et eos a sua vana opinione retardat et terram circumiacentem, id est patriam, sanguine sue infamie, mortis et damnationis imbuit et emollit, Ps.: Interfecta est terra in sanguinibus eorum. Fabula sexta Narrat Ovidius libro primo 197 , quod cum Iupiter fulminasset Gigantes, de sanguine eorum nati sunt alii Gigantes, qui peiores facti sunt quam patres eorum. Nam quia de sanguine nati fuerunt, sanguinem naturaliter sitierunt et numina superna contempserunt et cunctis molesti et violenti fuerunt. Propter quod postmodum perierunt. Contemptrix, inquit, superum avidissima caedis, ut ex sanguine nata sit illa propago. 198

Richter sind und den Platz der hohen Gerichtsbarkeit einzunehmen wünschen, Sap. 18,16: ›Er berührte den Himmel und stand auf der Erde.‹ Und darum schichten solche Menschen, um dies besser auszuführen und zu erlangen, Berge auf Berge, Wiesen auf Wiesen und Häuser auf Häuser. Gegen diese sagt Is. 5,8: ›Weh euch, die ihr Haus an Haus reiht und Feld an Feld fügt.‹ Denn Gier und Ehrgeiz hören nicht auf, Reichtum anzuhäufen, um so durch diese Mittel weltliche Machtfülle erlangen zu können. Aber Jupiter, der höchste Gott, schleudert bisweilen auf solche insgeheim einen Blitz, d.h. sein plötzlich treffendes Urteil mit dem Tod oder einer unerwarteten Not. Und er zerstört und vernichtet diese Berge, d.h. ihre hohe Stellung, und hält sie in ihrer eitlen Meinung auf und tränkt und erweicht die umliegende Erde, d. h. ihr Land, mit dem Blut ihrer Schande, ihres Todes und ihrer Verdammnis, Psalm 105,38: ›Zugrunde gerichtet wurde die Erde in ihrem Blut.‹ Sechste Erzählung Ovid erzählt im ersten Buch, 197 dass, nachdem Jupiter die Giganten mit dem Blitz erschlagen hatte, aus ihrem Blut andere Giganten erwuchsen, die schlimmer waren als ihre Väter. Denn da sie aus Blut entstanden, dürsteten sie von Natur aus nach Blut, und sie verachteten die himmlischen Götter und fielen allen zur Last und waren gewalttätig. Deshalb gingen sie bald darauf zugrunde. ›Jene Nachkommenschaft war eine Verächterin der Himmlischen,‹ sagt er [Ovid], ›und von Mordgier erfüllt‹, wie sie ja aus Blut geboren war. 198

20 Fabula sexta I,2 Ep. 1 Sap. 18 Sap. 9 G. 6 vae Lo1Pa8V4BTrEp; ut G. 17 sanguine Lo1Pa8V4Ep; sanguinem GB; om. Tr. 17 infamie GLo1Pa8V4Ep; infame Tr; infamis B. 29 inquit Eb; inquam GLo2V2V4Tr; itaque LLo1; om. Pa8BEp. 30 caedis Pa8Ep; ceteris GLLo1V2V4BTr.

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Moralisierung

Revera hoc multociens accidit in hoc mundo. Constat enim, quod deus sepe fulminat, occidit et damnat malos Gigantes scilicet superbos et peccatores. Sed vere de sanguine et genere suo nascuntur aliquando alii Gigantes, scilicet mali filii imitatores, qui loco predecessorum patrum insurgunt, qui malam eorum mortem et depressionem non metuunt nec attendunt, sed velut nati ex sanguine, id est ex parentibus sanguinolentis, sanguinem crudelitatis sitiunt et superna numina et viros sanctos contemnunt. De malis patribus mali faciliter generantur, quia patrem sequitur sua proles. Et ideo isti ut sanguinea proles in sanguine delectantur et ipsos homines molestant, propter quod summus Iupiter, id est deus, ad iram provocatur et eisdem damnationem perpetuam comminatur, Ier. 7: Peius operati sunt quam patres eorum; Num. 32: Vos surrexistis pro patribus vestris nutrimenta et alumni hominum peccatorum. Istud etiam generaliter potest dici de omnibus malis, et pro certo mors et punitio predecessorum non est correctio malignorum, Prov. 27: Si contuderis stultum quasi ptisanas in pila, non recedet ab eo stultitia sua.

Tatsächlich geschieht dies oft in dieser Welt. Es steht nämlich fest, dass Gott häufig auf die schlechten Giganten, nämlich auf die Hochmütigen und die Sünder, seinen Blitz schleudert, sie tötet und verdammt. In der Tat aber entstehen irgendwann aus ihrem Blut und ihrem Geschlecht andere Giganten, nämlich böse Nachkommen und Nachahmer, die den Platz ihrer Vorgänger und Väter einnehmen und deren schändlichen Tod und Vernichtung nicht fürchten und nicht beachten, sondern, da sie gleichsam aus dem Blut, d. h. von blutdürstigen Eltern, stammten, nach dem Blut der Grausamkeit dürsten und die himmlischen Wesen wie auch die heiligen Männer verachten. Schlechte Eltern erzeugen leicht schlechte Kinder, da die Nachkommen ihrem Vater folgen. Und daher erfreuen sich diese als blutiges Geschlecht am Blut, und sie belästigen die Menschen; deshalb gerät der höchste Jupiter, d.h. Gott, in Zorn und droht ihnen die ewige Verdammnis an, Ier. 7,26: ›Sie trieben es schlimmer als ihre Väter‹; Num. 32,14: ›Und jetzt kommt ihr anstelle eurer Väter, Kinder und Nachkommen sündiger Menschen.‹ Allgemein kann dies auch von allen schlechten Menschen gesagt werden: der Tod und die Bestrafung ihrer Vorgänger dient sicher nicht der Besserung der Bösen, Prov. 27,22: ›Wenn du den Toren gleichsam wie Gerste im Mörser zerstampfst, wird seine Torheit doch nicht von ihm weichen.‹

2 – 3 in hoc mundo Lo1V2V4BTrEp; mundo G; in mundo Pa8. 16 sanguinea Lo1V2V4Pa8B; sanguinenti G; sanguinei L; om. Lo2TrEp. 16 sanguine Lo1Pa8V2V4BEp; sanguinem G; om. Tr. 20 Ier. 7 Ier. secundo G. 21 Num. 32 Deut. 26 G. 22 nutrimenta GLo1Pa8V2V4Tr; incrementa Ep;Vulg. 26 predecessorum LLo1Pa8V4BTrEp; predecesset G. 26 correctio LPa8V2V4Ep; correptio GLo1B; punitio Tr. 27 27 19 G. 27 contuderis Lo1Pa8V2BEp; contenderis G; occideris V4. 28 ptisanas ptisanas/tisanas LLo1V2; ipsana G; om. V4Pa8BTr; tipsanas Ep. 29 sua V2Tr; in sua G; eius LLo1Ep; om. Pa8V4B.

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Siebte Erzählung

Est enim via sublimis. 199 Narrat Ovidius libro primo 200 , quod Iupiter deus celi quadam die omnes deos ad convivium invitavit, qui vocati statim ad domum Iovis ad tectum regale, ad celeste palatium convenerunt. Verumtamen non per quamcumque viam venerunt ad Iovem, sed per unam viam specialem, que erat sublimis, que erat manifesta et candida, que etiam vocabatur lactea. Lactea, inquit, nomen habet candore notabilis ipso; hac iter superis. 201

›Hoch oben gibt es nämlich eine Straße.‹ 199 Ovid erzählt im ersten Buch, 200 dass Jupiter, der Gott des Himmels, eines Tages alle Götter zu einem Gastmahl einlud, die auf die Einladung sogleich zum Haus Jupiters, zur königlichen Wohnung, zum himmlischen Palast zusammenkamen. Gleichwohl kamen sie nicht auf irgendeinem beliebigen Weg zu Jupiter, sondern auf einem besonderen Weg, der erhaben, der deutlich sichtbar und weißleuchtend war; dieser wurde auch Milchstraße genannt. ›Milchstraße‹, sagt er, ›heißt sie, an ihrem weißen Lichtschimmer ist sie gut zu erkennen; auf ihr führt der Weg die Himmlischen.‹ 201

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Revera talis videtur via, per quam itur ad paradisum. Constat enim, quod deus celi continue vocat deos, id est spirituales viros et iustos, ad suum secretum convivium et ad celi domicilium, ad habitaculum paradisi, Psalmus: Deus deorum locutus est et vocavit terram. Sed via, per quam sancti viri veniunt ad Iovem, est multum singularis et privilegiata, quia pro certo isti veniunt per viam sublimem quantum ad eminentem celsitudinem sanctitatis, per viam apparentem et manifestam quantum ad limpitudinem veritatis, per viam candidam quantum ad relucentem pulcritudinem castitatis, per viam lacteam quantum ad mulcentem

Moralisierung In der Tat scheint dies der Weg zu sein, auf dem man zum Paradies gelangt. Denn es steht fest, dass der Gott des Himmels die Götter, d.h. die geistlichen und gerechten Männer, fortwährend zu seinem besonderen Gastmahl ruft, zum Himmelswohnsitz, zur Wohnstatt des Paradieses, entsprechend dem Psalm 49,1: ›Der Gott der Götter sprach und rief die Erde.‹ Aber der Weg, auf dem die heiligen Männer zu Jupiter gelangen, ist sehr besonders und privilegiert, da diese gewiss auf einem Weg, der in die Höhe führt, kommen, nämlich zu einem erhabenen Gipfel der Heiligkeit; auf einem deutlich sichtbaren und leuchtenden Weg im Hinblick auf die Lauterkeit der Wahrheit; auf einem hellen Weg im Hinblick auf die strahlende Schönheit der Reinheit, auf einem Weg, weiß wie Milch, im Hinblick

1 Fabula septima I,3 Ep. 2 Est . . . sublimis GLo2V2V4BTr; om. LLo1Pa8Ep. 10 sublimis LLo1V2BTrEp; solemnis GPa8V4. 11 inquit BTr; inquam GLo2V4; unde dicit Ovidius Lo1; om. LPa8V2Ep. 12 candore . . . ipso V2Ep; candor nobilis eo GV4. 13 superis Lo1V4TrEp; superius G; om. LPa8. 20 locutus est et om. G, sed add. in marg. 23 privilegiata Lo1Pa8V4TrEp; priviliata GB. 26 quantum quam G, sed add. -tum supra lin. 28 pulcritudinem GLo1V2V4Tr; plenitudinem BEp; om. Pa8.

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plenitudinem pietatis. Sancti enim venerunt ad Christum per viam sanctitate, castitate, pietate et veritate fulgentem, Is. 30: Hec via, ambulate in ea. 5

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Narrat Ovidius libro primo 202 , quod Iupiter deus celi humana indutus imagine descendit in terram, ut Lycaonem, quendam tyrannum nequissimum, visitaret. Qui Lycaon parato sibi quodam lecto in domo sua ipsum occulte occidere attemptavit. Propter quod dictus Lycaon mutatus est in lupum et ut lupus cepit ullulare et vagabundus per nemora circuire.

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auf die wohltuende Fülle der Fürsorge. Die Heiligen sind nämlich zu Christus gekommen auf dem Weg, der von Heiligkeit, Reinheit, Fürsorge und Wahrheit erstrahlt, Is. 30,21: ›Dies ist der Weg, auf ihm geht.‹

Recte iste Lycaon videtur fuisse perversus populus Iudeorum. Constat enim, quod summus Iupiter, dei filius, assumpta humana imagine per incarnationem ad terram noscitur descendisse. Bar. 3: Post hec in terris visus est et cum hominibus conversatus. Domum Lycaonis, id est populum Iudeorum, voluit personaliter visitare, sed quia idem populus eidem paravit lectum mortis, crucem scilicet, ubi eum volebat morte finire, ideo mutatus est in lupum, quia scilicet facti sunt fugaces et vagabundi ad modum lupi propter mortem, quam dei filio attemptabant, Os. 9: Abiecit eos domi-

Achte Erzählung Ovid erzählt im ersten Buch, 202 dass Jupiter, der Gott des Himmels, menschliche Gestalt annahm und auf die Erde hinabstieg, um Lycaon, einen besonders schändlichen Tyrannen, aufzusuchen. Nachdem Lycaon ihm ein Bett in seinem Haus bereitet hatte, versuchte er ihn heimlich zu töten. Deshalb wurde dieser Lycaon in einen Wolf verwandelt und wie ein Wolf begann er zu heulen und unstet durch die Wälder umherzustreifen. Moralisierung Zu Recht scheint dieser Lycaon das irregeleitete Volk der Juden gewesen zu sein. Denn es steht fest, dass der höchste Jupiter, der Gottessohn, als er Menschengestalt angenommen hatte, durch seine Inkarnation, wie man weiß, auf die Erde hinabgestiegen ist, Bar. 3,38: ›Danach wurde er auf der Erde gesehen und hielt sich bei den Menschen auf.‹ Er wollte in eigener Person das Haus des Lycaon, d. h. das jüdische Volk, besuchen; aber weil dieses Volk ihm eine tödliche Schlafstatt bereitete, nämlich das Kreuz, an dem es ihn töten wollte, ist es in einen Wolf verwandelt worden, da sie [die Juden] Flüchtlinge und Umherirrende wurden nach Art des Wolfes, weil sie versuchten, den Gottessohn zu töten, Os. 9,17: ›Der Herr verstieß sie, weil sie nicht auf ihn hör-

5 Fabula octava I,4 Ep. 1 plenitudinem Lo1Pa8V4BTrEp; pulcritudinem G. 3 Is. 30 28 G. 9 Lycaon LLo1Pa8; Licao GLo2V4; Lacao V2; Licano B; Lichaon Tr; Lychaon Ep. 10 parato paracto G, sed eras. -c-. 10 quodam Lo1Pa8 V4BTrEp; quiddam G.

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nus, quia non audierunt eum et erunt vagi in nationibus.

ten, und sie werden umherirren unter den Völkern.‹

Fabula nona 203

Neunte Erzählung 203

Lycaon fuit quidam tyrannus nequissimus, qui habebat mentem lupinam licet homo exterius appareret. Iste dum Iupiter ad domum eius veniret, occidit unum hominem et eius carnes sibi obtulit ad comedendum. Propter quam causam iratus Iupiter mutavit eum in lupum, et sic factus est lupus manifeste, qui lupus fuerat mentaliter et occulte.

Lycaon war ein furchtbarer Tyrann, der das Wesen eines Wolfes hatte, obgleich er wie ein Mensch aussah. Dieser tötete, als Jupiter in sein Haus kam, einen Menschen und bot ihm dessen Fleisch zum Essen an. Deswegen verwandelte ihn der erzürnte Jupiter in einen Wolf, und so wurde er sichtbar zu einem Wolf, der er nach seiner Gesinnung und insgeheim schon gewesen war.

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Sic revera multi sunt hodie, qui quamvis videantur esse homines, quamvis fingant se esse iustos, rationabiles et benignos, ipsi tamen mentem habent crudelem et lupinam sicut patet de multis, qui crudeliter rapiunt et puniunt et tamen plures eleemosynas et alia bona faciunt. Qui etiam ipsi deo carnes humanas offerunt, quia multi sunt qui subditos suos et alios spoliant et occidunt et inde Christo convivium faciunt eleemosynas pauperibus dando et cetera pietatis opera faciendo. Sed dicitur, quod Iupiter noluit gustare, quia etiam dominus talia noscitur reprobare, Eccli. 34: Qui offert eleemosynas de substantia pauperis quasi qui immolat filium in contrarium patris. Nam ibidem dicitur: Dona iniquorum non probat altissimus. Isti finaliter mutantur in lupos, quia conditiones habent lupinas, in-

Moralisierung In der Tat gibt es heute viele, die, obgleich sie Menschen zu sein scheinen und vorgeben, gerecht, vernünftig und gütig zu sein, dennoch ein grausames und wölfisches Wesen haben, wie es sich bei vielen zeigt, die grausam rauben und strafen und dennoch viele Almosen geben und anderes Gute tun. Diese bringen Gott menschliches Fleisch dar, weil es viele gibt, die ihre Untergebenen und andere berauben und töten und Christus ein Gastmahl bereiten, indem sie den Armen Almosen geben und andere fromme Werke verrichten. Aber es heißt, dass Jupiter nicht habe kosten wollen, da bekanntlich auch der Herr solche Werke tadelt, Eccli. 34,24: ›Wer ein Opfer vom Besitz eines Armen darbringt, opfert gleichsam den Sohn vor den Augen des Vaters.‹ Denn es heißt dort auch [V. 23]: ›Der Höchste billigt die Geschenke der Ungerechten nicht.‹ Diese werden schließlich in Wölfe verwandelt, weil sie ein wölfisches Gebaren haben,

3 Fabula nona I,5 Ep. 7 occidit Lo1Pa8V4BTrEp; occididit G. 14 fingant LLo2V2V4BEp; fingantur G; videantur Lo1Pa8; om. Tr. 20 humanas humas G, sed add. -na supra lin. 22 inde Christo GV4; ut exinde Iovi, id est Christo B; inde Iovi, id est Christo Tr; inde Ep. 23 eleemosynas Eb; elymonias G; elemosinas LV2V4Tr; elomosinas Pa8; elemosinam B; sacrificium Ep. 26 34 35 G. 27 eleemosynas Eb; elymosinas G; elemosinam LPa8V2B; elimosinas Tr; sacrificium Ep. 31 lupos Lo1Pa8V2V4BTrEp; lupis G.

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quantum raptores magni noti efficiuntur et ovibus, id est pauperibus, insidiantur et canibus, id est prelatis et predicatoribus, inimicantur et pro voce sane locutionis ululatu detractionis et infamie utuntur. De quibus dicitur Soph. 3: Eorum principes lupi rapaces. 204 Fabula decima

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Narrat Ovidius libro primo 205 , quod Io fuit filia cuiusdam fluminis, qui dicebatur Inachus, quam propter suam pulcritudinem Iupiter adamavit. Qua refugiente amorem clara die Iupiter mundum nebulis, ne deprehenderetur, implevit et sic nympham rapuit et corrupit. Moraliter

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Iupiter in isto loco potest significare mundi principes et rectores, qui filias fluminum, id est possessiones pauperum, rapiunt et extorquent. Sed ne a Iunone, id est a prelatis et correctoribus, furtum huiusmodi cognoscatur, nebulas malarum et falsarum cautelarum et excusationum inducunt, Is. 6: Vidi nebulam totam terram tegentem. 206 Fabula undecima 207 Cum Iupiter timeret, ne Iuno ipsum in adulterio deprehenderet cum Io amasia sua, induxit nebulas, ne videretur et insuper dic-

sofern sie große, bekannte Räuber werden und den Schafen, d.h. den Armen, nachstellen und sich gegenüber den Hirtenhunden, d.h. gegenüber den Prälaten und Predigern, feindselig verhalten und statt der Stimme einer vernünftigen Rede das Geheul von Verleumdung und übler Gerüchte gebrauchen. Von diesen heißt es Soph. 3,3: ›Ihre Fürsten sind reißende Wölfe.‹ 204 Zehnte Erzählung Ovid erzählt im ersten Buch, 205 dass Io die Tochter eines Flusses mit Namen Inachus war, die Jupiter wegen ihrer Schönheit liebte. Weil sie vor seiner Liebe floh, überzog Jupiter an einem klaren Tag die Welt mit Nebel, um nicht ertappt zu werden, und raubte die junge Frau und schändete sie. Moralisierung Jupiter kann an dieser Stelle die Fürsten und Herrscher der Welt bedeuten, die die Flusstöchter, d.h. die Besitztümer der Armen, rauben und abpressen. Damit aber ihr Diebstahl nicht von Juno, d.h. von den Prälaten und den Richtern, bemerkt wird, führen sie Nebel böser Listen und falscher Ausflüchte sowie Entschuldigungen herauf, Is. 6 [Eccli. 24,6]: ›Ich sah einen Nebel, der die ganze Erde bedeckte.‹ 206 Elfte Erzählung 207 Aus Furcht, Juno werde ihn beim Ehebruch mit seiner Geliebten Io überraschen, ließ Jupiter Nebel aufziehen, um nicht gesehen zu werden, und außerdem verwandelte er

1 magni noti coni.; magis noti G; magni et notorii Lo1V2BEp; magni et notarii L; magis nocitivus Pa8; magis notorii V4; magis Tr. 10 filia Lo1Pa8V4BTrEp; fila G. 17 potest Lo1Pa8V4BTrEp; potest hic G. 17 – 18 mundi principes Lo1Pa8V4Ep; principes G; mundi usurarios principes BTr. 18 rectores G; raptores Lo1 Pa8V2V4BTrEp. 18 fluminum Lo1V2BEp; fluvium G; hominum Tr. 21 huiusmodi LV4TrEp; huius GLo1 V2B; eorum Pa8.

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tam Io mutavit in vaccam pulcerrimam et formosam.

jene Io noch in eine sehr schöne und wohlgestaltete Kuh.

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Taliter videntur facere latrones, quando enim timent, quod furtum suum cognoscatur. Solent tempus secretum et obscurum expectare et mulierem in vaccam lascivam mutare et capitis caputium in tunicam vel in caligam transmutare. Vel dic, quod Iupiter est diabolus, qui non vult, quod Io, id est anima, cum qua per peccatum fornicatur, a Iunone, id est ab ecclesia, cognoscatur vel retrahatur. Mutat eam in vaccam, id est facit eam peccatricem et carnalem et ab omni spiritualitate alienam, et sic sue iurisdictioni eam retinet obligatam, Psalmus: Mutaverunt gloriam suam in similitudinem vituli comedentis fenum. 208

So machen es offenbar die Diebe, wenn sie fürchten, dass ihr Diebstahl bemerkt werden könnte. Sie pflegen auf eine Gelegenheit zu warten, um im Verborgenen und Finstern die Frau in eine lüsterne Kuh zu verwandeln und eine Kapuze in eine Tunika oder einen Stiefel umzuwandeln. Oder sag, dass Jupiter der Teufel ist, der nicht möchte, dass Io, d. h. die Seele, mit der er in Sünde hurt, von Juno, d.h. von der Kirche, bemerkt oder zurückgeholt wird. Er verwandelt sie in eine Kuh, d. h. er macht sie zu einer körperverhafteten und von jeder Geistigkeit entfremdeten Sünderin und hält sie allein seiner Gerichtsbarkeit unterworfen fest, nach dem Psalm 105,20: ›Seine Herrlichkeit verwandelten sie in das Bild eines Stieres, der Heu frisst.‹ 208

Fabula duodecima 209 Io mutata in vaccam dum iret ad fluvium Inachi patris sui, in aqua videns cornua se habere et pulcritudinem suam amisisse et vocem in mugitum convertisse, timuit et inhorruit se ipsam et ideo finaliter ivit ad fluvium Nili, ubi ad Iovem oculos erigens, ut iterum in puellam femineam mutaretur, a Iove impetravit.

Zwölfte Erzählung 209 Als die in eine Kuh verwandelte Io zum Fluss ihres Vaters Inachus ging, sah sie im Wasser, dass sie Hörner trug und ihre Schönheit verloren hatte, und fürchtete, dass ihre Stimme in ein Muhen verwandelt worden war, und sie erschrak vor sich selbst. Und daher ging sie schließlich zum Fluss Nil; dort richtete sie ihre Augen zu Jupiter empor und erflehte von ihm, wieder in ein Mädchen mit weiblicher Gestalt verwandelt zu werden.

20 Fabula duodecima I,13 Ep. 2 formosam Lo1Pa8V4BTrEp; famosam G. 6 tempus temp.... us G in ras. 8 – 9 capitis . . . transmutare GV4; tunicam in caligam transmutare LLo1; cappam in capucium vel tunicam in caligas transmutare V2Ep; caputium et cappam mutare B; et cappam in caputium et tunicam in caligas transformare Tr; Super tunicaleque in tunicam et tunicam in caligas et capitogium in capitium transmutare Ep. 18 vituli Lo1Pa8V2V4TrEp; vi. G; om. B. 18 – 19 comedentis fenum Lo1V2V4Ep; c*** (lac.) fe*** (lac.) G; om. LPa8BTr. 26 ubi Lo1Lo2Pa8 V2BTrEp; que GV4. 26 erigens, ut erigens et ut G; erexit et LLo1; erexit et quod Lo2V2BTrEp; erigens quod V4Pa8. 27 puellam femineam G; puellam et feminam Lo1; puellam Pa8V4; feminam puellam BTr; puellam feminam Ep.

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Sic per omnia anima peccatrix de amica dei in vaccam, id est in vilem peccatricem, mutatur; sed quando vadit ad fluvium sacre scripture, qui est fluvius dei patris, et ibi pro certo se cognoscit habere cornua superbie et elationis, mugitum turpis et inhoneste locutionis, formam vaccinam bestialis et carnalis conversationis, ista igitur horribiliter debet dolere et fluvium Nili, id est fluvium lacrimarum, querere, Iovem, id est deum, orare, et sic restitutionem forme et innocentie pristine poterit impetrare, Thren. primo: Ipsa autem gemens et conversa.

So wird die sündige Seele gänzlich von einer Freundin Gottes in eine Kuh, d.h. in eine nichtswürdige Sünderin, verwandelt. Aber wenn sie zum Fluss der Heiligen Schrift geht, der der Fluss Gottvaters ist, wird ihr dort mit Sicherheit klar, dass sie Hörner des Hochmuts und des Stolzes, das Muhen einer hässlichen und unwürdigen Sprache und die Kuhgestalt eines niedrigen und sündhaften Lebens habe. Also muss sie furchtbaren Schmerz empfinden und soll nicht davon ablassen, den Fluss Nil, d. h. den Fluss der Tränen, zu suchen, zu Jupiter, d. h. zu Gott, zu beten; und so wird sie die Wiederherstellung ihrer früheren Gestalt und Unschuld erlangen können, Lam. 1,8: ›Sie selbst aber seufzt und kehrt um.‹

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Cum Inachus fluvius pater vidit eam mutatam in vaccam, summe doluit et ei compatiendo dicebat: Heu, inquit, filia, quid tu talis es? Sperabam, inquit, te nobiliter maritare et prolem nobilem reportare. Nunc vero, cum sis vacca, virum non poteris habere nisi taurum de grege et filium a te nisi de grege habere non potero; unde versus: De grege tibi vir, de grege natus habendus. 211

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Moraliter Sic vere deus vel prelatus plangit filiam suam, id est animam rationalem, quando videt eam in vaccam, id est in peccatricem,

Dreizehnte Erzählung 210 Als ihr Vater, der Fluss Inachus, sah, dass sie in eine Kuh verwandelt worden war, empfand er tiefsten Schmerz und sagte voller Mitleid zu ihr: ›Ach, meine Tochter‹, sprach er, ›was hast du für eine Gestalt? Ich hoffte‹, sagte er, ›dich vornehm zu verheiraten und einen würdigen Enkel zu bekommen. Nun aber, da du eine Kuh bist, kannst du als Mann nur einen Stier aus der Herde haben, und nur aus der Herde kann ich einen Sohn von dir haben.‹ Daher der Vers: ›Aus der Herde muss dein Ehemann stammen, aus der Herde dein Sohn kommen.‹ 211 Moralisierung So beklagt in der Tat Gott oder der Prälat seine Tochter, d.h. die vernünftige Seele, wenn er sieht, dass sie in eine Kuh,

15 Fabula decima tertia I,14 Ep. 2 per omnia G; vere Lo1V2BTrEp; om. V4. 11 querere V4TrEp; non cesset querere G. 18 inquit LLo2V2 V4; inquam G; numquid Lo1; om. Pa8TrEp. 19 inquit LLo1Pa8V2V4; inquam G; om. TrEp. 21 virum Lo1 Pa8V4BTr; verum G; om. Ep. 26 filiam V4BTrEp; animam G.

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mutatam. Nam cum ipsa deberet ex sui conditione nobiliter maritari, scilicet cum deo et angelis, per gratiam in presenti et gloriam in futuro, ipsa tamen de grege inferni eligit sibi virum, id est diabolum, carnem et mundum, quibus per mala desideria se coniungit et a quibus prolem malorum operum concipit et acquirit, et ita mutat gloriam suam in similitudinem vituli comedentis fenum. Ideo dicit [Ps.-]Bernardus in ›Meditationibus‹ plangendo: Anima insignita dei imagine, decorata similitudine, desponsata fide et spiritu dotata, capax beatitudinis, quid tibi cum carne, quid tibi cum mundo, quid tibi cum diabolo? Respice te deum amisisse, mundum, peccatum et diabolum eligisse. 212 Fabula decima quarta 213

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Iuno, que erat uxor Iovis, tradidit vaccam suam pulcerrimam, que dicebatur Io, custodiendam cuidam pastori, qui dicebatur Argus. Qui fuit ita vigil, quod, cum haberet centum oculos, non poterant dormire nisi duo simul. Versus: Centum luminibus cinctum caput Argus habebat atque suis vicibus capiebant bina quietem. 214 Verumtamen quidam incantator erat in partibus, qui vocabatur Mercurius, qui finxit se custodem caprarum et accepit unam virgam somniferam et quamdam fistulam dulciter sonantem et coniunxit se cum Argo et per-

d. h. in eine Sünderin, verwandelt wurde. Denn obwohl sie ihrem Stande nach sich vornehm verheiraten müsste, nämlich mit Gott und den Engeln, durch die Gnade in der Gegenwart und die Herrlichkeit in der Zukunft, wählt sie sich selbst doch aus der Herde der Hölle einen Mann aus, d.h. den Teufel, das Fleisch und die Welt, mit denen sie sich in sündhaftem Verlangen verbindet und von denen sie ein Kind sündhafter Taten empfängt und erhält, und so ›verwandelt sie ihren Ruhm in die Ähnlichkleit mit einem Kalb, das Heu frisst‹, [Ps. 105,20]. Daher sagt [Ps.-]Bernhard klagend in seinen ›Meditationes‹: ›O Seele, ausgezeichnet mit dem Bilde Gottes, geschmückt mit der Ähnlichkeit mit ihm, vermählt im Glauben und begabt mit dem Geist, im Begriff, die Seligkeit zu empfangen, was hast du mit dem Fleisch zu schaffen, was mit der Welt, was mit dem Teufel? Bedenke, dass du Gott verloren und dafür die Welt, die Sünde und den Teufel gewählt hast.‹ 212 Vierzehnte Erzählung 213 Juno, die Jupiters Gattin war, übergab ihre sehr schöne Kuh, die Io hieß, zur Bewachung einem gewissen Hirten, Argus mit Namen. Dieser war so wachsam, da er hundert Augen hatte, dass von ihnen immer nur zwei Augen gleichzeitig schlafen konnten, nach dem Vers: ›Am Haupt des Argus waren ringsum hundert Augen und je zwei davon ruhten sich abwechselnd aus.‹ 214 Doch ein gewisser Zauberer namens Mercur hielt sich in der Gegend auf; dieser gab vor, ein Ziegenhirte zu sein, und er nahm einen Schlaf bringenden Stab zur Hand und eine lieblich klingende Flöte. Er schloss sich

18 Fabula decima quarta I,12 Ep. 5 eligit Pa8V2V4BTrEp; e eligit G; elegit Lo1. 10 comedentis fenum V4BEp; cum femina G; om. Lo1Lo2Pa8 V2Tr. 12 imagine Lo1Pa8V2V4BTrEp; imagie G. 13 capax V2TrEp; om. GLLo1Lo2Pa8V4B. 20 Io Yuo G. 25 cinctum c. G. 25 atque GLo1Pa8V2V4BTr; inde EbEp/Ov.Met.1,625 f. 26 capiebant codd. Ep; capiebat G.

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cussit eum cum virga ista et cepit modulari cum fistula sua et tantum fecit, quod Argus consopivit; quem statim, ut dormivit, interfecit et Io de eius dominio liberavit, quam tandem Iupiter de vacca in feminam transmutavit.

Argus an und berührte ihn mit diesem Stab und begann mit seiner Flöte zu spielen; und so erreichte er, dass Argus in einen tiefen Schlaf fiel. Sobald dieser schlief, tötete er ihn sogleich und befreite Io aus seiner Gewalt. Jupiter verwandelte diese schließlich zurück aus einer Kuh in eine Frau.

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Iuno uxor Iovis ecclesiam significat, que est uxor Christi et Io iuvenca sua, quam Iupiter sibi dedit, significat populum christianum a Christo ecclesie commendatum. Argus significat mundi principes et prelatos, qui sunt ab ecclesia pastores et iudices constituti, quibus Io, id est populus christianus, est commendatus, iuxta illud Gen. 46: Viri pastores sumus. Isti dicuntur habere centum oculos, quia pastores ecclesie debent habere oculatam et circumspectam curam, caput enim suum, id est sua intentio, debet esse circumcinctum centum oculis, id est universitate considerationum et circumspectionum, figuratum in illis animalibus, Ez. 1, que erant oculis plena ante et retro. 215 Quia circumspectio prelatorum debet se extendere ad posteriora et anteriora et ad preterita et futura. Mercurius incantator, qui aliquando secundum poetas de masculo in feminam se mutavit, 216 significat adulatores, qui secundum quod credunt magis placere de una actione ad aliam se transmutant: nunc inveniuntur masculi rigide absentes vituperando, nunc femine molliter presentibus blandiendo, unde possunt dicere illud Cor. 9: Omnibus om-

Moralisierung Juno, die Gattin Jupiters, bedeutet die Kirche, die die Gattin Christi ist, und Io, ihre Kuh, die Jupiter ihr übergab, bedeutet das Christenvolk, das von Christus der Kirche anvertraut wurde. Argus bedeutet die weltlichen Fürsten und die Prälaten, die von der Kirche als Hirten und Richter eingesetzt worden sind, denen Io, d.h. das Christenvolk, anvertraut worden ist, gemäß jenem Wort Gen. 46,34: ›Wir sind Hirten.‹ Von diesen heißt es, dass sie hundert Augen hätten, da die Hirten der Kirche eine vieläugige und umsichtige Fürsorge erfüllen müssen. Ihr Haupt nämlich, d. h. ihre Aufmerksamkeit, muss mit hundert Augen umgeben sein, d.h. mit einer umfassenden Betrachtung und Umsicht, was präfiguriert ist in jenen Tieren Ez. 1,18, die ›vorne und hinten voller Augen‹ waren;‹ 215 denn die Umsicht der Prälaten muss sich auf Nachfolgendes und Vorhergehendes und auf Vergangenes und Zukünftiges ausrichten. Der Zauberer Mercur, der sich nach den Dichtern einst von einem Mann in eine Frau verwandelte, 216 bedeutet die Schmeichler, die gemäß dem, von dem sie glauben, dass es eher gefällt, von einer Handlung zu einer anderen wechseln. Bald trifft man sie als Männer an, wenn sie streng die Abwesenden tadeln, bald als weiblich, wenn sie den Anwesenden sanft schmeicheln. Daher können sie jenes Wort 1. Cor. 9,22 sagen: ›Allen bin

3 consopivit Lo1Pa8V2TrEp; consompnuit G. 16 46 41 G. 22 figuratum Pa8Tr; figuratus GLo2V4; figurati L; figuratim Lo1; figurata B; quod significatur Ep. 23 erant V4TrEp; erat G. 30 actione GLo1V2V4Ep; conditione BTr. 32 nunc V4BTrEp; nunc enormiter G; nunc inveniuntur LLo1.

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nia factus sum. Isti portant secum fistulam, id est dulcia verba sive deceptoria, quibus consopiant alios continue adulando, Prov. 16: Adulator ore decipit amicum et ducit eum per viam non bonam. 217 Vel dic, quod Iuno dea et uxor Iovis, id est ecclesia sponsa Christi, committit Argo, id est alicui circumspecto prelato, custodiam Io, id est regimen subditorum. Sed pro certo incantator Mercurius, id est adulatores, qui communiter tales circumstant et talibus se associant, cum fistula verborum suorum tales Argos sepissime sic incantant, quod ipsos faciunt in vitiis obdormire et a vigilia circumspectionis cessare, et maxime quando tangunt eos virga sue iurisdictionis, que inducit eos in somnum maledictionis, 218 tunc blandiendo faciunt mortuos. Ista enim est virga, qua percussus fluvius versus est in sanguinem, Ex. 7, 219 quia virga temporalis iurisdictionis illos, quos tangit, quandoque facit sanguineos et carnales et sic finaliter per istos incantatores caput recte intentionis Argo, id est prelato et superioribus, aufertur et mors eterne damnationis infertur. Tales superiores figurantur in Holoferne, cui dormienti mulier abstulit caput, quia revera multis superioribus per

ich alles geworden.‹ Diese tragen eine Flöte bei sich, d.h. süße oder trügerische Worte, um mit ihnen durch ständige Schmeichelei die anderen einzuschläfern, Prov. 11,9/ 16,29: ›Der Schmeichler täuscht mit seinem Mund den Freund und führt ihn auf einen Weg, der nicht gut ist.‹ 217 Oder sag, dass die Göttin Juno und Gattin Jupiters, d.h. die Kirche, die Braut Christi, Argus, d.h. einem umsichtigen Prälaten, die Schutzpflicht über Io, d.h. die Leitung der Untergebenen, anvertraut. Aber der Zauberer Mercur, d.h. die Schmeichler, die im allgemeinen solche Prälaten umgeben und sich solchen anschließen, verzaubern in der Tat mit der Flöte ihrer Worte sehr oft solche Leute wie Argus in der Weise, dass diese in Lastern einschlafen und von der umsichtigen Wache ablassen, und zwar besonders, wenn sie ihnen den Stab [weltlicher] Gerichtsbarkeit empfehlen, die zum Schlaf blinden Verdammens führt; 218 dann töten sie sie durch Schmeichelei. Dies ist nämlich ›der Stab, mit dem der Fluss geschlagen und in Blut verwandelt worden ist‹, Ex. 7,20, 219 da der Stab der weltlichen Gerichtsbarkeit [durch Geistliche] jene, die er berührt, bisweilen zu blutrünstigen und auf weltlichen Luxus gerichteten Menschen macht, und so schließlich durch diese Zauberer das Haupt der rechten Absicht dem Argus, d.h. dem Priester und den Kirchenoberen, nimmt, und der Tod der ewigen Verdammnis herbeigeführt wird. Solche Kirchenoberen werden durch Holofernes präfiguriert, dem im Schlaf eine Frau den Kopf abschlug, weil in der Tat vielen Kirchenoberen durch eine Frau, d.h.

3 consopiant Pa8V4; consompniant G; consopiunt LLo1V2B; om. Lo2TrEp. 3 adulando coni.; adulantur GPa8V4; om. LLo1Lo2V2BTrEp. 4 adulator GLLo1Pa8V2V4; simulator B; om. TrEp. 5 non LLo1Pa8V4 Ep; om. GBTr. 13 tales Argos Lo2Pa8V2V4B; tales Argus G; Argum LLo1; tales Tr; om. cum . . . incantant Ep. 17 eos GLo2Pa8V2V4Ep; eum LLo1; eis BTr. 17 somnum Lo1Pa8V4BTrEp; somnium G. 20 7 6 G. 21 temporalis LPa8V2V4TrEp; temporaliter GLo1B. 23 – 24 caput . . . intentionis Lo1Lo2V2BTrEp; caput ecclesie (ecclesiastice V4) iurisdictionis GV4; caput iurisdictionis Pa8. 26 figurantur Lo1Pa8V4BTrEp; significantur G.

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mulierem, id est per malos adulatores, caput recte intentionis aufertur, Iudith 14: Ecce Holofernes iacet in terra et caput eius in eo non est. Vel dic, quod Argus est diabolus oculatissimus et subtilissimus, qui Io mutatam in vaccam, id est animas peccatrices, in suo dominio detinebat, sed Mercurius, id est Christus, qui de masculo factus est femina, de deo factus est homo, quando verbum caro factum est 220 et assumpta fistula nostre humanitatis istum Argum, diabolum, consopivit ipsumque per virgam superavit et de eius dominio Io, id est humanam naturam, liberavit et tandem de vacca in mulierem, id est de peccatrice in iustam, ipsam transmutavit. Fabula decima quinta

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Narrat Ovidius libro 1, 221 quod Io, que primo fuerat vacca erepta de dominio Argi 222 , ivit ad fluvium Nili, ubi oravit Iovem, qui eam mutavit de vacca in feminam et ei figuram pristinam restauravit. Sed dicit, quod quamvis ipsa mutata fuisset in feminam, tamen non audebat loqui et hoc, quia timebat emittere mugitum ad modum vacce. 223 Moraliter

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Sic debent facere iuvenes religiosi, qui de dominio Argi, id est diaboli, ad fluvium devotionis fugiunt, ubi de vacca in feminam, id est de peccatore in iustum, mutantur, quia vere tales debent timere loqui; nam

durch böse Schmeichler, der Kopf der rechten Absicht genommen wird, Iudith 14,16: ›Sieh, Holofernes liegt auf der Erde, und er hat keinen Kopf mehr.‹ Oder sag, dass Argus der überaus scharfsichtige und listenreiche Teufel ist, der die in eine Kuh verwandelte Io, d.h. die sündigen Seelen, in seiner Gewalt hält. Aber Mercur, d.h. Christus, der von einem Mann zu einer Frau wurde, vom Gott zum Menschen wurde, ›als das Wort Fleisch wurde‹ [Io. 1,14], 220 und die Flöte unseres Menschseins ergriffen hatte, schläferte eben diesen Argus, den Teufel, ein und besiegte ihn mit diesem Stab, und er befreite Io, d.h. die menschliche Natur, aus dessen Gewalt und verwandelte sie schließlich aus einer Kuh in eine Frau, d.h. aus einer Sünderin in eine Gerechte. Fünfzehnte Erzählung Ovid erzählt im ersten Buch, 221 dass Io, die zuvor als Kuh der Gewalt des Argus 222 entrissen wurde, zum Fluss Nil lief, wo sie zu Jupiter betete. Dieser verwandelte sie aus einer Kuh in eine Frau und stellte ihre frühere Gestalt wieder her. Aber er [Ovid] sagt, dass sie, obgleich sie wieder in eine Frau verwandelt worden war, dennoch nicht zu sprechen wagte, und zwar deshalb, weil sie fürchtete, ein Muhen nach Art einer Kuh von sich zu geben. 223 Moralisierung So müssen es die jungen Mönche machen, die aus der Gewalt des Argus, d.h. des Teufels, zum Fluss der Frömmigkeit flüchten, sobald sie von einer Kuh in eine Frau, d.h. von einem Sünder in einen Gerechten, verwandelt werden, da sich solche in der Tat davor fürchten müssen zu sprechen; denn

2 14 13 G. 16 iustam Lo1Pa8V4BTrEp; iustum G. 19 – 20 que . . . erepta codd.; in vaccam mutata erepta Ep. 21 ivit GL1V4Ep; fugit BTr. 28 religiosi V2BTrEp; gloriosi GLLo1Lo2Pa8V4.

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qui de novo sunt mutati et conversi, ne forte loquantur sicut vacce, id est sicut carnales, id est indiscreti, et ideo est eis utile tacere, Prov. 17: Stultus, si tacuerit, sapiens reputabitur, et Am.: Prudens in tempore illo tacebit, quoniam tempus malum est. Fabula decima sexta 224

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Io amica Iovis de muliere mutatur in iumentum et Argi dominio subiugatur, sed tandem ab eo liberata iuxta fluvium Nili a Iove iterum de vacca in feminam transmutata et ad figuram humanam reparata et ad amorem pristinum restaurata, tandem facta est stella et est in celo collocata et inter celi numina computata. Moraliter

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Sic vero amica Iovis, id est anima, Christi sponsa et amica, quandoque efficitur vacca propter peccata, id est vilis et bestialis, et Argo, id est diabolo, subiugatur. Sed tandem Iupiter, Christus, ipsam de Argi, id est diaboli, dominio liberat per contritionem, et ad fluvium, id est sacrum baptismum vel fluvium lacrimarum, fugit per confessionem vel compunctionem. Et de peccatrice illam in iustam convertit et ad amorem pristinum, quem per pecca-

diese sind gerade erst verwandelt und bekehrt worden, und damit sie nicht vielleicht wie eine Kuh sprechen, d. h. wie Weltleute, d.h. Unbesonnene, ist es auch für sie daher von Nutzen zu schweigen, Prov. 17,28: ›Der Tor wird für weise gehalten werden, wenn er schweigt,‹ und Am. 5,13: ›Der Kluge wird in jener Zeit schweigen, da die Zeit ja schlecht ist.‹ Sechzehnte Erzählung 224 Io, die Geliebte Jupiters, wurde aus einer Frau in ein Rind verwandelt und der Gewalt des Argus unterstellt. Aber nach ihrer schließlichen Befreiung von ihm, wurde sie am Fluss Nil von Jupiter wieder aus einer Kuh in eine Frau verwandelt. Und als ihre menschliche Gestalt wiederhergestellt und für die frühere Liebe erneuert worden war, wurde sie zuletzt zu einem Stern und in den Himmel versetzt und so unter die Himmelsgottheiten gezählt. Moralisierung So wird die Geliebte Jupiters, die Seele, Braut und Geliebte Christi, wirklich zuweilen wegen ihrer Sünden zu einer Kuh, d.h. niedrig und tierisch, und Argus, d.h. dem Teufel, unterworfen. Aber schließlich befreit sie Jupiter, Christus, durch Zerknirschung aus der Gewalt des Argus, d. h. des Teufels, und sie flieht durch Sündenbekenntnis oder schmerzliche Reue zum Fluss, d.h. zur heiligen Taufe oder zum Fluss der Tränen. Und er verwandelt sie aus einer Sünderin in eine Gerechte, und er nimmt sie wieder in die frühere Liebe auf,

7 Fabula decima sexta I,14 Lo2; deest I,16 Ep. 1 qui GEp; quia Lo1Pa8V2V4BTr. 1 novo Lo1Pa8V4BTrEp; domo G. 3 et ideo GV4; quia ut dicitur B; nam ut dicitur Tr; om. Lo1Lo2V2Ep. 9 iumentum GLLo1Lo2V4; iuvencum Pa8; vaccam BTr; iuvencam V2. 12 reparata Lo1Lo2Pa8V4B; reperta G; om. Tr. 14 in celo in celo G. 18 quandoque qu................ andoque G. ............ 20 diabolo .............. diabolo G. 22 dominio ............... dominio G. 25 confessionem TrEp; compassionem GLo2Pa8V4; compunctionem LLoV2; contritionem B.

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tum perdiderat, recipit et restaurat et figuram humanam, id est honestam conversationem, reparat et tandem in morte in celo ipsam collocat et inter celi numina, id est inter sanctos angelos, ipsam computat, Sap. 5: Ecce quomodo computati sunt inter filios dei et claritatem stellarum sibi prestat, 225 Gen. 1: Stellas posuit in firmamento celi, et Sap. 3: Fulgebunt iusti sicut sol in regno dei. 226 Fabula decima septima 227

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Syringa fuit quedam nympha, quam amavit deus, qui dicebatur Pan; quam cum vellet sibi rapere nec ipsa consentiret, venit ad quendam fluvium et rogavit Iovem, quod mutaret eam, et mutata est in arundinem in ipso flumine. De qua quidem arundine facta est fistula, cum qua Mercurius Argum consopivit. Et sic per talem commutationem ipsius Pan petulantiam declinavit. Moraliter

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Ipsa nympha potest significare animam peccatricem et obstinatam, que dei amicitiam vilipendit et ad flumina, id est ad mundi delicias, se convertit. Nam ista finaliter mutatur in harundinem, id est in personam vanam, instabilem et nocivam, que per peccatum ad modum harundinis frangitur faciliter et vento vanitatis et inanis glorie agitatur. 228 De tali dicitur Mt. 11: Quid existis in desertum videre harundinem vento agita-

die sie wegen der Sünde verloren hatte, und erneuert sie und stellt die menschliche Gestalt, d.h. ein untadliges Leben, wieder her und gibt ihr schließlich im Tod einen Platz im Himmel und zählt sie unter die himmlischen Götter, d.h. unter die heiligen Engel, Sap. 5,5: ›Siehe, wie sie gezählt sind unter die Söhne Gottes‹, und er schenkt ihnen den Glanz der Sterne; 225 Gen. 1,17: ›Er setzte die Sterne ans Himmelsfirmament,‹ und Mt. 13,43: ›Die Gerechten werden leuchten wie die Sonne im Reich Gottes.‹ 226 Siebzehnte Erzählung 227 Syrinx war eine Nymphe, die der Gott liebte, der Pan hieß. Als er diese für sich rauben wollte, sie aber nicht einwilligte, kam sie an einen Fluss, und sie bat Jupiter, sie zu verwandeln; und so wurde sie in ein Schilfrohr an diesem Fluss verwandelt. Aus diesem Schilfrohr wurde die Flöte gefertigt, mit der Mercur Argus einschläferte. Und so wendete Syrinx durch eine solche Verwandlung die Zudringlichkeit Pans ab. Moralisierung Diese Nymphe kann die sündige und eigensinnige Seele bezeichnen, die die Freundschaft Gottes geringachtet und sich Flüssen, d. h. weltlichen Vergnügen, zuwendet. Denn diese wird schließlich in ein Schilfrohr verwandelt, d. h. in eine eitle, unstete und schädliche Person, die durch Sünde nach Art des Schilfrohrs leicht zerbricht und durch den Wind der Eitelkeit und des nichtigen Ruhms sich hin- und herbiegt. 228 Von einer solchen heißt es Mt. 11,7: ›Was seid ihr hinaus in die Wüste gegangen, ein Schilfrohr zu sehen, das vom Wind hin-

11 Fabula decima septima I,16 Ep. 5 inter . . . angelos GLLo1V2V4; inter ipsos angelos Pa8; inter paradisi sanctos Tr; inter sanctos et angelos B. 9 Sap. 3 G; Mt. 13,43. Cf. Anm. 226. 13 cum Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 20 petulantiam Lo1Pa8V4BTrEp; petulantiam dei G. 27 nocivam GLLo1Lo2V2V4Ep; nocibilem Pa8; motivam Eb; om. BTr. 30 11 10 G.

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tam? Et quandoque tales fiunt fistula Mercurii, id est diaboli, inquantum scilicet diabolus incantat et decipit auditores, sicut patet de hereticis et de malis suggestoribus et luxuriosis et vetulis maquerellis, que primo fuerunt nymphe, id est iuvenes et pulcre, et tandem in fluvio carnalis voluptatis harundines sunt effecte, id est macre, turpes et sicce. Que finaliter a diabolo arripiuntur et eius fistula ad decipiendum alias efficiuntur.

und hergeweht wird?‹ Und zuweilen werden solche zur Flöte Mercurs, d.h. des Teufels, sofern der Teufel nämlich seine Zuhörer bezaubert und täuscht, wie dies bei den Häretikern deutlich wird und bei den schlechten Ratgebern sowie den wollüstigen alten Kupplerinnen. Diese waren zuerst Nymphen, d. h. junge und schöne Mädchen, und wurden schließlich im Fluss des körperlichen Begehrens zu Schilfrohren, d. h. abgehärmt, hässlich und vertrocknet. Diese werden schließlich vom Teufel ergriffen und zu seiner Flöte gemacht, um andere zu täuschen.

3 incantat Lo1Pa8V4BEp; incantator G; om. Tr. 4 hereticis Lo1Pa8V4BTrEp; hereticos G. LLo1Pa8BEp; malzarelis G; malzerellis Lo2; macharellis V2; melzerellis V4; de malis Tr.

5 maquerellis

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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Liber secundus

Buch 2

Regia Solis erat sublimibus alta columnis etc. 229

Der Palast des Sonnengottes stand stolz mit hochragenden Säulen da etc. 229

Fabula prima

Erste Erzählung

Ovidius libro secundo describens domum Solis dicit, 230 quod Sol habebat unam domum edificatam altis columnis, cuius parietes de auro erant, tectum de ebore, fores de argento. In domo ista erant picta mare, terra, celum et diversa genera numinum, flumina et duodecim signa celi.

Als Ovid im zweiten Buch den Palast des Sonnengottes beschreibt, 230 sagt er, dass Sol einen Palast habe, der mit hochragenden Säulen gebaut war, dessen Wände aus Gold waren, das Dach aus Elfenbein, die Türen aus Silber. In diesem Haus fanden sich bildliche Darstellungen des Meeres, der Erde, des Himmels und verschiedener Arten von Göttern, der Flüsse sowie der zwölf Himmelszeichen.

Moraliter

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Talis domus debet esse ecclesia vel religio. Columne huius domus, id est prelati et superiores, debent esse alti per contemplationem. Ista domus debet habere aurum, id est sapientiam et discretionem, argentum, id est eloquentiam et bonam eruditionem, ebur, id est castitatem et depurationem, mare, id est amaritudinem et contritionem, et terram, id est humilitatem et devotionem, celum, id est vite eminentiam et perfectionem, flumina, id est redundantiam lacrimarum et devotionem, duodecim signa, id est duodecim articulorum fidem et cognitionem, et diversa celi numina, id est personarum bonarum societatem et aggregationem. Et sic erit ista illa domus solis iustitie,

Moralisierung Ein solcher Palast muss die Kirche oder die christliche Religion sein: Die Säulen dieses Palastes, d.h. die Prälaten und Ordensoberen, müssen durch Kontemplation hoch erhoben sein. Dieser Palast muss Gold haben, d.h. Weisheit und Unterscheidungsvermögen, Silber, d.h. Beredsamkeit und gute Bildung, Elfenbein, d. h. Keuschheit und Läuterung, Meer, d.h. Bitternis und Zerknirschung, und Erde, d. h. Demut und Frömmigkeit, Himmel, d.h. die Erhabenheit und Vollkommenheit des Lebens, Flüsse, d.h. Überfluss an Tränen und Andacht, zwölf Zeichen, d. h. den Glauben und die Kenntnis der zwölf Glaubensartikel, sowie verschiedene Himmelsgottheiten, d.h. die Gemeinschaft und Versammlung guter Menschen. Und so wird dieses Haus jener Palast der Sonne der Gerechtigkeit sein, von

1 Liber secundus Incipit liber secundus Mathemorphoseos Ovidii G; Incipit liber secundus Ovidii Methamor. Lo2; Secundus Methamorphosius Ovidii incipit foeliciter Pa8; Incipit 2 in marg. V4; Incipit liber secundus Methamorphoseos Tr; Explicit liber primus Metamorphoseos Ovidii. Incipit secundus Ep; deest LLo1V2B. 16 – 17 aurum . . . sapientiam LLo1Lo2Pa8V4BEp; per sapientiam G; parietes aureos id est sapientiam Tr. 28 erit . . . domus GLo1; illa domus erit V4; illa est domus B; ista erit domus Pa8TrEp.

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LIBER II

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de qua dicit Is. 19: Civitas solis vocabitur una.

dem Is. 19,18 sagt: ›Eine von ihnen wird Sonnenstadt heißen.‹

Fabula secunda

Zweite Erzählung

Narrat Ovidius libro secundo, 231 quod in domo Solis erat pictus quidam deus, qui dicebatur Proteus et appellabatur deus ambiguus. Et dicebatur ambiguus, quia non erat determinate figure, immo subito et insperate in diversis figuris diversimode se mutabat.

Ovid erzählt im zweiten Buch, 231 dass im Palast des Sonnengottes ein Gott gemalt war, der Proteus hieß und ›der wandelbare Gott‹ genannt wurde. Und er hieß wandelbar [ambig], weil er nicht eine feste Gestalt besaß, vielmehr sich plötzlich und unerwartet in verschiedene Gestalten auf unterschiedliche Weise verwandelte.

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Revera multi sunt tales Protei in domo solis iustitie, quia revera ibi sunt multi dii picti, id est ficti et vani homines, qui pulcram et pictam habent apparentiam, non realem existentiam, sicut sunt hypocrite, falsi amici et adulatores. Tales possunt dici ambigui dii, quia de talibus nescitur proprie, cuius sint figure vel cuius bonitatis. Cuius ratio est, quia faciliter se in diversas figuras mutant: Falsi enim amici, qui in prosperitate veri et fideles credebantur, in adversitate vani et ficti probantur. Hypocrite de apparente sanctitate ad apparentem iniquitatem faciliter convertuntur. Malitiosi homines de ficta simulatione ad apertam inimicitiam occasione habita commutantur. Adula-

Moralisierung In der Tat gibt es viele Leute wie Proteus im Palast der Sonne der Gerechtigkeit, da dort tatsächlich viele Götter abgebildet sind, d.h. falsche und eitle Menschen, die ein schönes, gleichsam gemaltes Äußeres haben, aber keine reale Existenz, wie es bei Heuchlern, falschen Freunden und Schmeichlern ist. Solche können wandelbare Götter genannt werden, da man von solchen nicht wirklich weiß, von welcher Gestalt oder welcher Rechtschaffenheit sie sind. Der Grund dafür ist, dass sie sich leicht in verschiedene Gestalten verwandeln; denn die falschen Freunde, die man im Glück für wahr und treu hielt, erweisen sich im Unglück als eitle Heuchler. Heuchler schwenken leicht von offen gezeigter Heiligkeit zu offen gezeigter übler Gesinnung um. Boshafte Menschen wechseln von Verstellung und Heuchelei zu offener Feindschaft, wenn es die Gelegenheit nahelegt. Die Schmeichler verwandeln

1 Is. 19 Is. vigesimo G. 6 Proteus Ep; Prothus GV4; Phebus Lo1; Prochus V2B; Protus Tr. 7 Et dicebatur ambiguus GLo1Lo2V2; om. LPa8V4BTrEp. 9 diversimode GLLo1Lo2V2V4; om. Pa8BTrEp. 12 multi dupl. multi G. 16 falsi Lo1Pa8V4BTrEp; f*** (lac.) G. 17 amici Lo1Lo2Pa8V4Ep; animo G; falsi ypocrite et falsi amici et homines calidi (ambitiosi Tr) BTr. 19 cuius . . . bonitatis Lo2Pa8V4Ep; si sunt filie figure bonitatis G, sed del. filie; cuius sunt figure, cuius voluntatis, cuius bonitatis vel malitie Lo1; cuius sint figure, cuius voluntatis V2; cuius sint figure vel voluntatis seu bonitatis B; cuius sint utilitatis Tr. 20 se Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 21 Falsi Lo1Pa8V4BTrEp; f*** (lac.) G. 26 simulatione codd.; dissimulatione vel dilectione Ep.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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tores insuper secundum quod credunt magis complacere, de una conditione ad aliam transformantur et sic proprie dii ambigui, id est incerti homines et mutabiles ac inconstantes, appellantur. De talibus dicitur in Ps.: Conversi sunt et tentaverunt deum et iterum conversi sunt in arcum pravum. 232 Fabula tertia 233

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Cum Sol dedisset regimen currus sui Phaethonti filio suo et equorum ei regimen commisisset, de tribus dicitur eum instruxisse: primo, quod parceret stimulis et quod equos voluntarios ire permitteret nec pungeret quoquomodo; secundo, quod habenas equorum sollicite in manu teneret et ut equos, ubi vellent, discurrere permitteret; tertio, quod in medio se teneret nec ad dextram nec ad sinistram declinaret et quod nec nimis basse nec nimis alte incederet. Moraliter Iste Phaethon filius Solis significat quemlibet prelatum, Sol solem iustitie, Christum deum nostrum, representat, Io. 3: Videte qualem caritatem dedit nobis deus, ut filii dei nominemur et simus. Currus Solis significat officium prelationis vel dignitatis eis commissum, Ps.: Currus dei decem milibus multiplex milia letantium. Quando ergo sol iustitie, Christus, committit curam et regimen currus sui, id est alicuius offi-

sich überdies noch, wenn sie damit mehr zu gefallen glauben, von einem Zustand in einen anderen und werden so zu Recht wandelbare Götter, d. h. unzuverlässige, wankelmütige und unbeständige Menschen genannt. Von solchen heißt es im Psalm 77,41.57: ›Sie wandelten sich und versuchten Gott und wurden wiederum in einen schlechten Bogen verwandelt.‹ 232 Dritte Erzählung 233 Als Sol seinem Sohn Phaethon die Lenkung seines Wagens übergeben und ihm auch die Führung der Pferde anvertraut hatte, soll er ihn in drei Dingen unterwiesen haben: zuerst, dass er die Peitsche sparsam einsetze und die Pferde nach ihrem eigenen Willen laufen lasse und keineswegs irgendwie anstachele; zweitens, dass er die Zügel der Pferde fest und sicher in den Händen halte und dass er die Pferde dahin laufen lasse, wohin sie wollten; drittens, dass er sich in der Mitte halte und weder nach rechts noch nach links abweiche, und dass er weder zu tief noch zu hoch fahre. Moralisierung Jener Phaethon, der Sohn der Sonne, bedeutet einen jeden Prälaten, die Sonne steht für die Sonne der Gerechtigkeit Christus, unseren Gott, 1. Io. 3,1: ›Seht, welche Liebe uns Gott gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heißen und es sind.‹ Der Sonnenwagen bedeutet das geistliche Führungsamt oder die ihnen verliehene Amtswürde, Ps. 67,18: ›Die Wagen Gottes sind zehntausendmal mal tausend derer, die sich freuen.‹ Wenn also die Sonne der Gerechtigkeit Christus die Sorge für seinen Wagen und die Lenkung seines Wagens, d.h. eines

1 – 2 credunt . . . complacere codd.; magnis se credunt placere Ep. 9 – 10 Phaethonti Ep; Fetonti GB; Phethonti Lo1V2V4Tr. 13 – 14 voluntarios . . . quoquomodo Lo1Lo2Pa8V4Ep; voluntarios non puniret nec pungeret quoquomodo G; ire voluntarios non pungeret quoquomodo V2B.

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cii, alicui prelato, tria principaliter ab eo requirit: primo, quod parcat stimulis, id est, quod non sit vindicaturus seu pungiturus et quod equos, id est subditos suos, immoderate non premat neque pungat, quia immoderata austeritas et correctio inordinata nimis reprehenditur in prelato. Et ideo rex apium dicitur carere stimulo; 234 unde [Ps.-]Hugo: Nobile genus vindicte ignoscere; 235 et Seneca ›De clementia‹ ad Neronem: Pietas in suos 236 et cetera. Secundo necesse, quod rigide teneat habenas, id est observantiam regularis discipline, et cum loris iustitie equorum, id est subditorum, lasciviam compescat, Eccli. 33: Lorum curvat collum durum. Tertio requiritur, ut ipse se teneat in medio, id est medium equitatis, iustitie, veritatis, temperantie pariter et mediocritatis habeat, et quod limites debitos non transcendat vel per odium vel per favorem, et quod neque ad dextram indebite per munerum acceptionem vel favorem promovendo neque ad sinistram per odium retrahendo vel gravando aliqualiter se elonget, et quod nimis alte non ascendat per superbiam et elationem nec nimis basse descendat per auctoritatis deiectionem. Medi-

Amtes, einem Prälaten übergibt, verlangt er hauptsächlich drei Dinge von ihm: erstens, dass er sparsam die Peitsche einsetze, d.h., dass er nicht bestrafen oder verletzen solle und dass er den Pferden, d.h. seinen Untergebenen, nicht unmäßig zusetze und sie nicht anstachele; denn maßlose Strenge und Zurechtweisung gegen die Regel bei einem Prälaten ist höchst tadelnswert. Und deshalb sagt man, dass der König der Bienen keinen Stachel habe. 234 Daher sagt Hugo [Martinus]: ›Verzeihen ist eine edle Art der Rache.‹ 235 Und Seneca sagt in ›De clementia‹ zu Nero: ›Pietas gegenüber den Seinigen‹ etc. 236 Zweitens muss er dann die Zügel straff halten, d. h. die Einhaltung der Ordensregel überwachen, und mit dem Zaumzeug der Gerechtigkeit die Zügellosigkeit der Pferde, d.h. der Untergebenen, zähmen, Eccli. 33,27: ›Der Zügel beugt den harten Nacken.‹ Drittens wird verlangt, dass er sich in der Mitte halte, d.h. auf den Mittelweg der Billigkeit und Gerechtigkeit, der Wahrheit wie auch des Maßes und ausgeglichenen Verhaltens achte und die festgesetzten Grenzen weder durch Hass noch durch Begünstigung überschreite und sich weder in irgendeiner Weise ungerechtfertigt zur Rechten abwende durch die Annahme von Geschenken oder das Fördern in Begünstigungen, noch zur Linken durch Zurücksetzung oder andere Benachteiligung aus Hass; und dass er sich nicht durch Hochmut und Stolz zu hoch erhebe, noch sich durch Geringachtung seiner Autorität zu tief erniedrige. ›Denn die Glücklichen haben die Mitte ein-

2 id est Lo1Pa8V2BEp; secundo GV4; ita Tr. 4 id est subditos Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 5 pungat Lo1Pa8 V4BTrEp; pungit G. 6 – 7 austeritas et correctio inordinata Lo1Pa8V2V4BEp; austeritas G. 8 apium apum G. 10 clementia LLo1Pa8V2V4B; in libro de clementia Tr; lac. G; om. et Seneca . . . etc. Ep. 11 suos suios G, sed corr. 11 Secundo Lo1Pa8V2Ep; Et GV4. 13 – 14 observantiam . . . id est Lo1Pa8V2V4BEp; id est observantia regularis discipline et cum loris iustitie equorum, id est B; observantias regularis discipline et Tr; om. G. 17 se Lo1Pa8V4BTrEp; sic G. 17 – 19 equitatis . . . mediocritatis Lo1Lo2V2V4; equitatis et iustitie et veritatis G; equitatis et iustitie inveniat et mediocritatis pariter Pa8; equitatis iustitie et veritatis temperantie pariter mediocritatem B; id est equitatis et iustitie et veritatis temperantie pariterque mediocritatis Tr; equitatis et iustitie veritatis et temperantie paritatis et mediocritatis Ep.

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um enim tenuere beati, 237 unde in Lc.: Ego in medio vestrum sum; Is. 30: Hec est via, ambulate in ea!

gehalten.‹ 237 Daher heißt es Lc. 22,27: ›Ich aber bin mitten unter euch‹; Is. 30,21: ›Dies ist der Weg, geht auf ihm!‹

Fabula quarta 238

Vierte Erzählung 238

Phaethon, filius Solis, iuvenis quasi invito patre accepit regimen currus et equorum patris. Qui quidem currus ignee erat nature, quia a Vulcano fabricatus erat et equi eius ignem vomebant. Verumtamen, quia iste erat nimis iuvenis, ideo nec currum nec equos regere scivit nec habenas trahere vel laxare et ideo equi sine lege ceperunt per aera vagari et impetu precipiti undique circumire.

Phaethon, ein junger Mann, der Sohn des Sonnengottes, übernahm gleichsam gegen den Willen seines Vaters die Leitung über den Wagen und die Pferde des Vaters. Dieser Wagen aber war von feuriger Natur, da er von Vulcan gebaut worden war, und seine Pferde spien Feuer. Doch da er zu jung war, wusste er weder den Wagen noch die Pferde zu lenken, noch die Zügel anzunehmen oder nachzugeben, und daher begannen die Pferde ohne Führung planlos durch den Luftraum zu laufen und mit jähem Ungestüm überall herumzurennen.

Moraliter Sic quando a Sole, id est a papa tamquam lucente sole, preponitur alicui ecclesie iuvenis aliquis indiscretus et imprudens prelatus, qui per ambitionem se ingerit non vocatus, sepe accidit, quod neque currum neque equos, id est nec ecclesiam nec subditos, scit regere nec habenis regularis discipline equos coercere. Et ideo equi, id est subditi, ut communiter, igne malorum desideriorum sunt repleti et multis vitiis inflammati sine lege vagantur sicut oves carentes pastore, sicut de multis videmus, secundum id Iud.: In tempore illo non erat rex in Ieru-

Moralisierung Wenn so vom Sonnengott, d. h. vom Papst als der leuchtenden Sonne, einer Kirche(ngemeinde) ein junger Mann vorgesetzt wird, ein unbesonnener, unkundiger Prälat, der sich aus Ehrgeiz unberufen aufdrängt, geschieht es oft, dass er weder den Wagen noch die Pferde, d. h. weder die Kirche noch die Untergebenen, zu lenken und auch die Pferde nicht mit den Zügeln der kirchlichen Disziplin zu bändigen weiß. Und deshalb sind die Pferde, d. h. die Untergebenen, dann gewöhnlich vom Feuer der schlechten Begierden erfüllt und, von zahlreichen Lastern entflammt, streifen sie ohne Regel planlos umher wie Schafe ohne den Hirten, so wie man es bei vielen sieht, gemäß jenem Wort aus Iudices [21,24]: ›Zu jener Zeit gab es keinen König in Jerusalem,

1 Lc. Io. G. 1 – 2 ego . . . sum codd.; stetit Iesus in medio discipulorum. In medio enim constitit virtus. Ep. 5 Phaethon Ep; Phton G. 7 ignee Lo1Pa8V4BEp; igne G; igneus Tr. 8 fabricatus erat LLo1V2BEp; fuerant fabricati GV4; fabricatus fuerat Tr; erant fabricati Lo2. 9 vomebant Lo1V2V4BTrEp; vovebant G. 16 Sic Lo2Pa8V4Ep; sic prima G; sic vere Lo1V2; sic vero L; sic re vera BTr. 20 quod Pa8BTrEp; quod quia GLLo1V2V4;. 22 scit LLo1V2V4Ep; sit GBTr. 22 regularis Lo1V2V4BTrEp; curris G.

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salem et unusquisque fecit, quod in oculis eius rectum videbatur. 239

und ein jeder tat, was ihm in seinen Augen richtig erschien.‹ 239

Fabula quinta 240

Fünfte Erzählung 240

Cum Phaethon filius Solis currum Solis scilicet patris sui et eius equos flammigeros sibi commissos nesciret regere, totus mundus fuit propter suum malum regimen inflammatus; omnes enim arbores combuste sunt, montes universi cremati, fontes et flumina sunt siccati, ipsum etiam mare crematum est, celum et stelle inflammate sunt et terra ignis incendiis est combusta. Quapropter Terra, que tot gravabatur incendiis, conquesta est Iovi de insipiente auriga, qui propter suum malum regimen inflammaverat totum mundum. Et ideo Iupiter misit fulmina sua et equos, currum et aurigam precipitavit in mare; et sic cessantibus ignibus combustum seculum reparavit.

Da Phaethon, der Sohn des Sonnengottes, den Wagen der Sonne, nämlich seines Vaters, und seine feurigen Pferde, die ihm anvertraut waren, nicht zu lenken wusste, wurde die ganze Welt wegen seiner schlechten Lenkung entflammt; denn alle Bäume wurden verbrannt, alle Berge wurden in Brand gesetzt, die Quellen und Flüsse ausgetrocknet, sogar das Meer selbst wurde in Brand gesetzt, der Himmel und die Gestirne wurden entflammt und die Erde von den Feuerbränden völlig verbrannt. Deshalb beklagte sich die Erde, bedrängt von so vielen Bränden, bei Jupiter über den unfähigen Wagenlenker, der wegen seiner schlechten Lenkung die ganze Welt entzündet hatte. Und deshalb schleuderte Jupiter seine Blitze und stürzte die Pferde, den Wagen und den Wagenlenker hinab ins Meer. Und so stellte er nach Verlöschen der Feuer die verbrannte Welt wieder her.

Moraliter Revera sic est in isto mundo: Phaethon significat malos et leves iudices et prelatos, quibus regimen currus, id est status ecclesie vel rei publice, committitur. Equi istorum significant eorum familiares carnales et consiliarios, qui dicuntur flammigeri, quia flammas rapine et avaritie semper spirant, Eccli. 40: In ventre eius semper ardebit ignis. Constat enim, quod per tale regimen talium prelatorum et per suorum subditorum crudelitatem et iniustitiam totus

23 – 24 ecclesie Lo1Pa8BEp; ecclesiastici G; mundi Tr.

Moralisierung Tatsächlich verhält es sich so in dieser Welt: Phaethon bedeutet die schlechten und leichtfertigen Richter und Prälaten, denen die Lenkung des Wagens, d.h. der Bestand der Kirche und des Staates, anvertraut wird. Ihre Pferde bedeuten ihre weltlich gesinnten Vertrauten und Ratgeber, die feurig genannt werden, da sie immer Flammen der Raublust und der Gier ausschnauben, Eccli. 40,32: ›In seinem Bauch wird immer ein Feuer brennen.‹ Es steht nämlich fest, dass durch eine solche Leitung solcherart Prälaten und durch die Grausamkeit und Ungerechtigkeit ihrer Untergebenen die ganze Welt, d.h. das gesam27 – 28 spirant Lo1Pa8V4BTrEp; spirat G.

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mundus, id est tota subiecta patria, inflammatur et pregravatur. Ab eis enim leduntur et comburuntur montes, id est viri alti, terra, id est viri infimi et pauperes, fontes, id est pii et misericordes, mare, id est amari et religiosi, flumina, id est divites et deliciosi, celum et stelle, id est viri beati et luminosi; nec est, qui evadat malitias eorum. In Dan.: Nec quemquam deorum verebitur, sed adversus universa consurget. Ideo de talibus terra, id est subiecta patria, Iovi, id est deo, conqueritur, Iob 31: Adversum me terra mea clamat. Et ratio huius redditur Is. 14, ubi malo prelato dicitur: Tu terram tuam disperdidisti, tu populum tuum occidisti. Propter quod accidit sepe, ut Iupiter, id est deus, mittit in tales aurigas, id est in malos prelatos, fulmen sententie sue, et ipsos cum curru, id est cum statu et eminentia sua, et equis, id est familiaribus malis et consiliariis, in mare, id est in amaritudinem inferni, precipitat et prosternit, unde in Ex.: Cantemus domino gloriose etc., quia currus pharaonis et exercitum eius proiecit in mare.

te ihnen unterstellte Land, entflammt und unterdrückt wird. Denn von ihnen werden die Berge, d.h. hochstehende Männer, verletzt und verbrannt, ebenso die Erde, d.h. die niedrigstehenden und armen Menschen, die Quellen, d.h. die Frommen und Barmherzigen, das Meer, d.h. die Büßer und Mönche, die Flüsse, d.h. die Reichen und die Verwöhnten, der Himmel und die Sterne, d.h. die seligen und leuchtenden Männer; und es gibt keinen, der ihren Bosheiten entkommt; in Dan. 11,37 heißt es: ›Nicht einen der Götter wird er fürchten, sondern er wird sich gegen die ganze Welt erheben.‹ Daher beklagt sich die Erde, d.h. das diesen unterstellte Land, über sie bei Jupiter, d.h. bei Gott, Iob. 31,38: ›Wider mich schreit meine Erde.‹ Und der Grund dafür wird in Is. 14,20 angegeben, wo dem schlechten Prälaten gesagt wird: ›Du hast dein Land zugrunde gerichtet, du hast dein Volk getötet.‹ Deshalb geschieht es häufig, dass Jupiter, d.h. Gott, auf solche Wagenlenker, d. h. auf schlechte Prälaten, den Blitz seines Urteilsspruchs schleudert. Und sie selbst stürzt er mitsamt dem Wagen, d.h. mit ihrem Stand und ihrer hohen Stellung, und mitsamt den Pferden, d.h. den schlechten Vertrauten und Ratgebern, hinab ins Meer, d.h. in die Bitterkeit der Hölle, und vernichtet sie. Daher heißt es in Ex. [15,1.4]: ›Lasst uns dem Herrn Ruhmeslieder singen‹ etc., weil ›er die Wagen des Pharao und sein Heer ins Meer stürzte.‹

25 mare add. Vel dic, quod Iupiter est superior prelatus, qui finaliter necessario habet tales insipientes aurigas, id est fatuos inferiores, prelatos vel bilivos (sic) (deest id est . . . balivos Tr) deponere, fulminare, corrigere et punire et mundum, id est dissipatam ecclesiam, reparare iuxta illud Luc. 20: Malos male perdit etc. BTr. 9 – 10 verebitur, sed adversus LPa8V2V4BTr; verebitur, sed adverso GLo2; miserebitur, sed adversus Lo1; curabit, quia adversum Ep/Vulg. 14 Is. LLo1Pa8V4BTrEp; om. G. 18 fulmen LLo1V4Ep; flumen GB. 19 cum curru LLo1V2V4B; cum archu G; una cum suo curru et suis equis Tr; eum curru Ep. 22 inferni G; infernalem Lo1V2V4BTrEp.

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LIBER II

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Fabula sexta 241

Sechste Erzählung 241

Atlas fingitur fuisse gigas maximus, qui cum capite celum tangebat et celum suis humeris sustentabat. Fuit enim secundum rei veritatem quidam philosophus, qui de celo et stellis tractabat et ideo a poetis celum sustinere et tangere fuit fictus.

Atlas soll ein sehr großer Riese gewesen sein, der mit seinem Kopf den Himmel berührte und den Himmel auf seinen Schultern trug. In Wahrheit war er nämlich ein Philosoph, der sich mit dem Himmel und den Sternen beschäftigte und dem die Poeten deshalb andichteten, er habe den Himmel gehalten und berührt.

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Iste significat bonum prelatum, qui celum et stellas, id est ecclesiam et subditos sibi commissos, sustinet et regit et de eorum regimine disputat et tractat. Vel dic, quod iste Atlas Christus est, qui celum sustinet et tangit terram, 242 quia existens in terra per humanitatem celos tangebat, quoad divinitatem et de celo et celestibus tractabat predicando fidei veritatem. Vel dic, quod iste vir contemplativus, qui de celo et stellis debet tractare et cogitare, quamvis in terra sit corporaliter, se tamen debet usque ad celum levare mentaliter, Sap. 18: Usque ad celos attingebat stans in terra. Fabula septima 243

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Cum sorores Phaethontis plangerent eius mortem, subito in arbores sunt converse; nam pedes earum in radices terre adherentes sunt mutati et sic per radices huiusmodi fuerunt dicte sorores a suo itinere arrestate,

Moralisierung Dieser bedeutet einen guten Prälaten, der den Himmel und die Sterne, d.h. die Kirche und die ihm anvertrauten Untergebenen, stützt und lenkt und diese Lenkungsaufgabe in Wort und Schrift behandelt. Oder sag, dass jener Atlas Christus ist, der den Himmel trägt und die Erde berührt. 242 Denn als er auf Erden lebte, berührte er in seiner Menschennatur den Himmel aufgrund seines Gottseins, und er handelte über den Himmel und die himmlischen Dinge, indem er die Wahrheit des Glaubens verkündigte. Oder sag, dass jener kontemplative Mann, der über den Himmel und die Sterne handeln und nachdenken muss, obwohl er sich körperlich auf der Erde befindet, sich dennoch geistig bis in den Himmel erheben muss, Sap. 18,16: ›Er reichte an den Himmel und stand doch auf der Erde.‹ Siebte Erzählung 243 Als die Schwestern Phaethons seinen Tod beklagten, wurden sie plötzlich in Bäume verwandelt; denn ihre Füße verwandelten sich in Wurzeln, die in der Erde hafteten, und so wurden die genannten Schwestern durch derartige Wurzeln auf ihrem Weg

2 Atlas V4; Athalas G; Athlas Lo1TrEp; Athlans V2; Athilas B. 4 sustentabat GPa8V4; sustinebat LLo1 V2BTrEp. 7 tangere tangere ... G. 14 sustinet . . . terram GV4; sustinet et tangit LLo1V2BTrEp; sustinebat et tangebat terram Pa8. 20 corporaliter GLo1Pa8V2V4BTr; spiritualiter Ep. 20 se Lo2V2V4BTrEp; sed G; om. LLo1Pa8. 28 huiusmodi L1V4BTr; huius GEp.

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cortice sunt involute et bracchiis in ramos conversis sunt totaliter in arbores transformate.

festgehalten. Sie wurden von Rinde umschlossen, ihre Arme in Äste verwandelt, bis sie vollständig zu Bäumen geworden waren.

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Talis mutatio videtur cottidie in avaris: Constat enim, quod sunt multi, qui in principio iuventutis sunt mulieres, id est viri carnales et luxuriosi, iuxta illud Nah.: Populus tuus mulieres in medio tui, sed processu temporis isti efficiuntur arbores, id est avari, terre ad modum arborum adherentes. Nam pes eorum, id est affectio, efficitur radix, inquantum in terra, id est in bonis terrenis, infigitur per amorem. Cortex exterior, id est mala consuetudo, eos operit et sic in arbores, id est in viros impatientes et miserabiles, diabolus eos convertit. Unde isti sunt sicut arbor mala, que non facit fructus bonos, que merito precipitur comburi. 244 Fabula octava 245 Cum sorores Phaethontis, que filie erant Solis, mutarentur in arbores, cortex totum corpus operuerat preter faciem et os et ideo adhuc invocabant auxilium matris sue et sicut femine loquebantur. Sed finaliter cortice cooperiente in arbores totaliter sunt converse figuramque et vocem humanam perdiderunt et nomen et formam arborum te-

Moralisierung Eine solche Verwandlung ist täglich bei den Habgierigen zu sehen: Es steht nämlich fest, dass es viele gibt, die zu Beginn ihres Mannesalters wie Frauen sind, d.h. auf das Irdische gerichtete und zügellose Männer, gemäß jenem Wort aus Nah. 3,13: ›Dein Volk in deiner Mitte besteht aus Frauen.‹ Im Lauf der Zeit aber werden diese zu Bäumen, d.h. zu Habgierigen, die wie Bäume in der Erde verhaftet sind. Denn ihr Fuß, d.h. ihr Streben, wird zur Wurzel, sofern es durch die Liebe in der Erde, d.h. in irdischen Gütern, festgehalten wird. Die äußere Rinde, d.h. die schlechte Gewohnheit, bedeckt sie, und auf diese Weise verwandelt sie der Teufel in Bäume, d.h. in fühllose und elende Männer. Daher sind sie wie ›ein schlechter Baum, der keine guten Früchte trägt und zu Recht verbrannt werden soll‹ [Mt. 7,17–19]. 244 Achte Erzählung 245 Als die Schwestern Phaetons, die Töchter des Sonnengottes, in Bäume verwandelt wurden, hatte die Rinde schon den gesamten Körper außer dem Gesicht und dem Mund bedeckt, und deshalb riefen sie noch immer nach der Hilfe ihrer Mutter und sprachen wie Frauen. Schließlich aber wurden sie ganz mit Rinde bedeckt und vollständig in Bäume verwandelt, sie verloren ihre menschliche Gestalt und Stimme und erhielten den Namen und die Gestalt von

5 avaris Lo1Pa8V4BTrEp; aliis G. 8 Nah. Ier. G. 12 radix om. G, sed add. in marg. 14 – 15 exterior . . . consuetudo G; exterioris male consuetudinis Lo1Lo2V2B; exterioris male conversationis Pa8V4; per exterioris malam consuetudinem Tr; exterioris male conversationis et male consuetudinis Ep. 23 os Lo1V2V4BTrEp; os, id est apparentiam et locutionem GPa8.

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nuerunt. Et haec est illa arbor secundum poetam, 246 de qua per modum gummi emanat electrum. 247

Bäumen. Und dies ist nach dem Dichter der Baum, 246 aus dem der Bernstein nach Art von Baumharz herausfließt. 247

Moraliter

Moralisierung

Tales sunt multi in religione, qui de homine non habent nisi faciem et os, id est apparentiam et locutionem, sicut sunt hypocrite, quorum totum corpus et vita et conscientia est lignea, id est miserabilis, et mala facie, id est apparentia, et ore, id est loquela, dumtaxat exceptis, que quasi ad modum hominum, id est personarum rationabilium, habere noscuntur, Apoc. 9: Facies hominis facies eorum. Sed revera talis facies, id est talis apparentia, in eis non perseverat, quia tales faciliter cortice male conversationis operiuntur et figuram humanam, id est apparentiam rationalem, perdere dignoscuntur, quia secundum [Ps.-]Senecam nihil simulatum et fictum potest esse diuturnum. 248

Von solchen gibt es viele unter frommen Menschen, bei denen nur das Gesicht und der Mund menschlich sind, d.h. die Erscheinung und die Sprache, wie bei den Heuchlern, deren gesamter Körper, der Lebenswandel und das Gewissen, hölzern, d. h. elend, sind, allerdings mit Ausnahme des bösen Gesichts, d. h. der Erscheinung, und des Mundes, d.h. der Sprache, die sie gleichsam – wie man sieht – nach Art von Menschen, d.h. von rationalen Personen, haben, Apoc. 9,7: ›Und ihr Antlitz ist wie das Antlitz eines Menschen.‹ Aber in der Tat bleibt ihnen ein solches Gesicht, d. h. eine solche Erscheinung, nicht erhalten, da solche Leute leicht von der Rinde einer schlechten Lebensweise bedeckt werden, und man erkennt, dass sie die menschliche Gestalt, d.h. die vernünftige Erscheinung, verlieren, da nach Seneca [Cicero] ›keine Verstellung und Erfindung von langer Dauer sein kann.‹ 248

Fabula nona 249

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Cygnus fuit quidam filius Solis, qui civitates et terram regebat in Italia, qui frater erat Phaethontis. Qui cum vidisset fratrem suum a Iove fuisse fulminatum propter ignes, quibus mundum inflammaverat, in tantum flevit, quod lacrimis suis quendam fluvium fecit, qui dicebatur Eridanus. Qui dum veniret ad spectaculum sororum suarum,

Neunte Erzählung 249 Cygnus war ein Sohn des Sonnengottes, der über Städte und Land in Italien herrschte; er war der Bruder Phaethons. Als er sah, dass sein Bruder von Jupiter wegen der Feuer, mit denen er die Welt in Brand gesetzt hatte, mit dem Blitz erschlagen worden war, weinte er so sehr, dass er mit seinen Tränen einen Fluss schuf, der Eridanus genannt wurde. Als er dann zu dem Schau-

22 Fabula nona II,9–23 deest L. 2 poetam TrEp; poetas GL1V4; poeta B. 2 gummi L1BTrEp; gemme GV4. 3 electrum Lo1Pa8V4BEp; electium G; electum Tr. 9 lignea Lo1V4BTrEp; lignum G; ignea Pa8. 10 facie Lo1Pa8V4BTrEp; facies GLo2. 10 ore, id est Lo1BTrEp; et GLo2; ore, id est apparentia V4. 11 que quasi coni.; quasi G; que Lo1 TrEp; qui B; qui quasi V4. 13 Apoc. 9 Ex. 1 G. 23 Cygnus Cignus codd. et Ep. 24 frater Lo1Pa8V2 V4BTrEp; super G. 29 Eridanus TrEp; Herodianus GV4; Erodanius V2.

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que in arbores mutate erant, subito mutatus est in avem illam, que dicitur cygnus. Collum enim cepit elongari, pedes sui ceperunt claudi et nigri fieri, corpus suum plumis candidis cepit velari. 250 Qui cum mirabiliter odiret ignem, cum ex ipso frater suus fuerat fulminatus, ideo fluminalia loca igni contraria sibi habitationem elegit et pro morte fratris sui perpetuum gemitum promit. Moraliter Sic, quia videmus, quod frater noster Lucifer propter delictum suum a summo Iove deo fulmine ignis eterni damnatus est, ideo istum ignem summe debemus timere; quapropter, ut ipsum evitemus, lacrimas debemus fundere per compunctionem, in avem, id est in spiritualem personam, debemus mutari per conversionem. Plumis candidis debemus velari per exteriorem castam conversationem, pedes affectionum debemus habere claudos per simplicem affectionem et nigros per humilitatem et devotionem, collum longum per deliberatam discretionem, rostrum debemus habere obtusum per benignam et moderatam locutionem, flumina debemus inhabitare per devotionem et perpetuum gemitum emittere per

platz der Verwandlung seiner Schwestern in Bäume kam, wurde er auf der Stelle in jenen Vogel verwandelt, der Cygnus [Schwan] heißt. Denn sein Hals fing an, sich zu verlängern, seine Füße begannen lahm und schwarz zu werden, sein Körper begann sich mit weißen Federn zu bedecken. 250 Da er das Feuer außerordentlich hasste, weil sein Bruder von diesem mit dem Blitz getroffen worden war, wählte er sich Flussniederungen als Wohnstatt aus, die dem Feuer entgegengesetzt sind, und gibt wegen des Todes seines Bruders ein unaufhörliches Klagen von sich. Moralisierung Weil wir also sehen, dass unser Bruder Luzifer wegen seines Vergehens von Jupiter, dem höchsten Gott, mit dem Blitz des ewigen Feuers verdammt worden ist, müssen wir dieses Feuer ganz besonders fürchten; damit wir ihm entgehen, müssen wir deshalb in Reue Tränen vergießen und uns durch Umkehr in einen Vogel, d.h. in einen spirituellen Menschen, verwandeln. Wir müssen uns durch eine enthaltsame äußere Lebensweise mit weißen Federn bedecken, wir müssen Füße der freundlichen Gesinnung haben: unbeholfen durch aufrichtige Zuwendung, schwarz durch Demut und große Ergebenheit. Wir müssen einen langen Hals haben durch überlegtes Unterscheidungsvermögen, wir müssen einen stumpfen Schnabel haben mit gütiger und gemäßigter Sprache, wir müssen in der Andacht Flüsse bewohnen und durch Reue und Bedenken des Zukünftigen ein bestän-

2 illam Lo1V2V4BTrEp; illa G; om. Pa8. 2 cygnus cignus Lo1V4BTrEp; cisnus G; cingnus Lo2Pa8V2. 7 fluminalia Pa8V4BTr; infra G; flumina Lo1; stagna petit patulosque lacus ignemque perosus / Quae colat elegit contraria flumina flammis Ep (Ov. Met. II 379 f.). 11 Sic, quia Lo1V2V4Ep; sicque GLo2Pa8; sic vere, quia B; sic vere Tr. 13 deo Lo1Pa8V2V4Ep; dicto G; om. BTr. 14 – 16 debemus timere . . . compunctionem Lo1Lo2Pa8V2V4Ep; debemus timere . . . compositionem B; debemus timere . . . devotionem Tr; debemus fugere per compunctionem G, om. timere . . . debemus. 19 debemus Lo1Pa8V4BTrEp; debere G. 21 debemus habere Lo1Pa8V4TrEp; habere GB. 21 claudos Pa8Tr; clausos Lo1V4BEp; om. claudos . . . et G. 24 debemus Lo1Lo2V2TrEp; debere G; om. Pa8V4B. 26 debemus Lo1Pa8V4BTrEp; debere G.

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contritionem et futurorum considerationem, Ps.: Laboravi in gemitu meo, lavabo per singulas noctes lectum meum etc.

diges Klagen von uns geben, Ps. 6,7: ›Ich habe mich abgemüht in meinem Seufzen, jede Nacht werde ich mein Bett mit Tränen benetzen‹ etc.

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Erat quedam puella pulcerrima in nemore, ubi venabatur, que vocabatur Callisto filia Lycaonis. Quam ipse Iupiter summus deus mirabiliter adamavit. Qui veste et facie in mulierem se transformavit et ad eam in nemorem venit et oscula sibi dedit et eius consortio usus fuit et ad ethera iterum avolavit. Moraliter

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Sic Iupiter, id est dei filius benedictus, a principio mundi summe adamavit puellam pulcerrimam Callisto, id est animam humanam; ideo, ut sibi eam acquireret et per fidem et per caritatem coniungeret, vestem et faciem muliebrem assumpsit, id est carnem et figuram humanam, quia in similitudinem hominum factus habitu inventus est ut homo [Phil. 2]. Et sic istam puellam redemit et sibi copulavit et tandem ad celum, unde venerat, remeavit per ascensionem, dicens illud Mt.: Revertar in domum meam, unde exivi. Vel dic, quod Iupiter significat hypocritas, qui pro iuvenculis decipiendis veste feminea, id est blanda apparentia, se vestiunt, contra illud Deut., ubi inhibetur, ne vir veste feminea induatur. 252

Zehnte Erzählung 251 Ein sehr schönes junges Mädchen mit Namen Callisto, die Tochter des Lycaon, hielt sich in einem Wald auf, in dem sie jagte. Zu dieser erfasste Jupiter, den höchsten Gott, eine heftige Liebe. Er nahm Kleidung und Gestalt einer Frau an und kam zu ihr in den Wald und gab ihr Küsse, und er schlief mit ihr und flog wieder zum Himmel hinauf. Moralisierung So liebte Jupiter, d.h. der gesegnete Gottessohn, vom Beginn der Welt an ganz besonders das sehr schöne Mädchen Callisto, d.h. die menschliche Seele. Um diese für sich zu gewinnen und sie im Glauben und in der Liebe mit sich zu verbinden, legte er daher weibliche Kleidung und Gestalt an, d.h. Fleisch und Gestalt eines Menschen, da ›er den Menschen ähnlich wurde in seiner Erscheinung, wurde er als Mensch erkannt‹ [Phil. 2,7]. Und so kaufte er jenes Mädchen los und verband sich mit ihm und kehrte schließlich durch die Himmelfahrt zum Himmel zurück, woher er gekommen war, und sprach jenes Wort aus Mt. [12,44]: ›Ich will in mein Haus zurückkehren, aus dem ich fortgegangen bin.‹ Oder sag, dass Jupiter die Heuchler bedeutet, die sich weibliche Kleidung anziehen, d. h. in gewinnender Erscheinung auftreten, um junge Menschen zu täuschen, entgegen jenem Gebot von Deut. 22,5, in dem untersagt wird, ›dass ein Mann weibliche Kleidung anziehe.‹ 252

6 venabatur Lo1V2V4BTrEp; venabatur Iupiter G; Venus veneabatur Pa8. 6 Callisto Calisto Ep; Calistona GV4; Calistone V2Tr; Calistene B. 19 quia add. secundum apostolum ad Phyly. Tr. 21 – 22 Et . . . redemit cet. codd.; et . . . reddemit G; Philipn. ii.a Et sic istam puellam de nemore malitiis consito, id est de inferno redemit Ep. 23 – 24 per ascensionem Lo1Pa8V4BTr; om. GB; per ascensum Ep. 29 vir V4BTrEp; ulli G.

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Fabula undecima 253

Elfte Erzählung 253

Iuno cognito adulterio Callistonis per impregnationem mutavit eam in ursam et pulcritudinem, que fuerat delicti sui causa, sibi abstulit et ipsam de femina pulcerrima in ursam hispidam transformavit et pellem hirsutam et manus curvas et vocem horribilem sibi dedit.

Als Juno durch die Schwangerschaft Callistos den Ehebruch bemerkt hatte, verwandelte sie diese in eine Bärin und nahm ihr ihre Schönheit, die der Grund ihres Vergehens gewesen war, und sie verwandelte sie aus einer sehr schönen Frau in eine struppige Bärin und gab ihr ein rauhes Fell, [zu Tatzen] gekrümmte Hände und eine schreckliche Stimme.

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Sic pro firmo accidit, quod quando aliqua persona cum diabolo fornicatur per peccatum, ab eo concipit dolorem, ut pariat iniquitatem. Ipsa pro certo de femina in ursam mutatur, quia humanam figuram, id est rationabiles motus et conditiones, amittit et ursinas, id est bestiales et carnales, inducit. Tunc enim acquirit pedes curvos, id est curvam et perversam affectionem, pellem hirsutam, id est vilem et infamem conversationem, vocem horribilem, id est turpem et inhonestam locutionem, quia vere, quando aliquis efficitur peccator, omnes boni mores mutantur in ipso, exemplum de Nabuchodonosore, qui fuit mutatus in beluam, Reg. 10: Mutaberis in virum alterum. 254 Fabula duodecima 255 Callisto, filia Lycaonis, propter commissum cum Iove adulterium a Iunone est in ur-

Moralisierung So geschieht es mit Sicherheit, dass eine Person, wenn sie in Sünde mit dem Teufel hurt, von ihm Schmerz empfängt, um Ungerechtigkeit zu gebären. Sie wird gewiss aus einer Frau in eine Bärin verwandelt, da sie ihre menschliche Figur, d.h. ihr vernünftiges Fühlen und Handeln, verliert und bärenhaftes, d. h. niedriges und sündiges, annimmt. Denn dann erhält sie gekrümmte Füße, d.h. eine ›krumme‹ und verkehrte Gesinnung, ein struppiges Fell, d.h. einen verächtlichen und ruchlosen Lebenswandel, eine schreckliche Stimme, d. h. eine schändliche und unanständige Sprache. Denn wenn jemand ein Sünder wird, werden in der Tat alle guten Sitten in ihm verwandelt, wie das Beispiel von Nebukadnezar zeigt, der in ein wildes Tier verwandelt wurde, 1. Reg. 10,6: ›Du wirst in einen anderen Menschen verwandelt werden.‹ 254 Zwölfte Erzählung 255 Callisto, Lycaons Tochter, wurde wegen des Ehebruchs, den sie mit Jupiter begangen hatte, von Juno in eine Bärin verwan-

2 Callistonis Calistonis Ep; Calistone GV4. 10 pro firmo G; vere Lo1Pa8V4BTrEp. 12 ut pariat Lo1V2 V4BTrEp; et reperiat G. 16 id est V4TrEp; et GPa8V2; om. BLo1. 17 inducit GLo1Pa8; induit V2V4BTrEp. 18 curvam . . . affectionem Lo1Lo2V2BTr; curveram . . . affectionem G, sed corr.; curvam et perversam intentionem et affectionem Pa8V4; curvam intentionem et perversam affectionem Ep. 21 vere Lo2V2V4BTrEp; ut G; vero Lo1; om. Pa8. 24 Nabuchodonosore Nabuchus G.

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sam mutata, figura humana perdita mentem semper humanam retinebat. Et ideo a principio alias feras abhorrebat et ad homines se convertebat, qui tamen ab ea fugiebant. Ipsa tamen oblita, quid esset, ante fores domus sue frequenter iacebat. Moraliter

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Istud potest allegari contra aliquos, qui de femina in ursam, id est de alto in bassum, de divite in pauperem fortune casibus transmutantur, quia ut communiter tales semper servant primam mentem, quia cor habent ita altum sicut ante, quamvis figuram, id est statum, perdiderint. Et ideo alias ursas, id est pauperes, dedignantur et hominibus, id est viris divitibus, se sociare conantur; qui tamen ab eis contemnuntur et sepe, quid sunt, obliviscuntur et, quid fuerunt, recordantur.

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Fabula decima tertia 256

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Callisto mater Arcadis, que fuit primo venatrix, de femina in ursam mutata est. Arcas autem eius filius, dum iret venari ursas, invenit casu matrem suam, quam in ursam mutatam nullatenus agnovit. Ipsa autem cognoscens eum esse filium suum statim ad eum venit; oculos ad eum vertit et coram eo gradum fixit. Filius autem eius admiratus fugere cepit, sed tandem accepta sagit-

delt; doch trotz des Verlusts ihrer menschlichen Gestalt, behielt sie immer noch ihren menschlichen Verstand. Und deshalb schreckte sie von Anfang an vor den anderen wilden Tieren zurück und wandte sich den Menschen zu, die jedoch vor ihr flohen. Sie selbst aber vergaß, was sie war, und lag häufig vor der Tür ihres Hauses. Moralisierung Dies kann auf einige Menschen angewandt werden, die durch Wechselfälle des Schicksals aus einer Frau in eine Bärin, d. h. aus einem Hoch- zu einem Niedrigstehenden, aus einem Reichen in einen Armen, verwandelt werden. Denn solche behalten für gewöhnlich stets den früheren Sinn, da ihr Herz so stolz ist wie vorher, obgleich sie ihre Gestalt, d. h. ihren Stand, verloren haben. Und deshalb verschmähen sie die anderen Bären, d. h. die Armen, und versuchen sich den Menschen, d.h. den reichen Männern, anzuschließen. Jedoch werden sie von ihnen verachtet, und oft vergessen sie, was sie sind, und erinnern sich nur daran, was sie gewesen sind. Dreizehnte Erzählung 256 Callisto, die Mutter des Arcas, war erst eine Jägerin, doch dann wurde sie aus einer Frau in eine Bärin verwandelt. Ihr Sohn Arcas aber stieß durch Zufall bei der Bärenjagd auf seine Mutter, von deren Verwandlung in eine Bärin er keine Kenntnis hatte. Sie selbst aber erkannte ihn als ihren Sohn und kam sogleich auf ihn zu; sie richtete ihre Augen auf ihn und blieb vor ihm stehen. Aber verwundert setzte ihr Sohn zur Flucht an, ergriff schließlich jedoch einen

4 se Lo1Pa8V4BTrEp; sic G. 13 ante, quamvis Lo1V4BTrEp; antequam GV2; antea, quamvis Pa8. 14 id est . . . perdiderint Lo1BTrEp; id est statum perdiderunt Pa8V4; lac. G. 16 se Lo1Pa8V2V4Ep; sic G; se semper BTr. 17 qui GPa8BTrEp; sed Lo1; que V4. 21 Callisto Calisto Ep; Calistona G; Calistone Lo1Lo2V2V4 Tr; Calistine Pa8; Calistene B. 21 Arcadis Archadis Lo1Ep; Archadii GV2V4BTr. 22 Arcas Archas Ep; Archadius GLo1V2V4BTr.. 24 casu Lo1Pa8V4BTrEp; cavit G.

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ta, nisi Iupiter prohibuisset, ipsam occidere attemptasset.

Pfeil und hätte versucht, sie zu töten, wenn Jupiter dies nicht verhindert hätte.

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Moralisierung

Sic videtur per omnia hodie accidere: Callisto potest significare illos, qui de statu prosperitatis casu fortune veniunt ad paupertatem et inter viles et ignobiles personas computantur. Filius illius Arcas potest significare carnales et mundanos amicos venationi, id est acquisitioni temporalium, sollicitos et attentos, quia iste est modus hodiernus, quod homine mutato in bestiam, id est facto aliquo paupere, proprius filius, id est carnales amici et filii, ipsius obliviscuntur et ipsum recognoscere dedignantur. Et quando in ipsos figit oculos et ad eos accedit ab eis auxilium implorando, ipsi fugiunt et illius societatem contemnunt. Et quod peius est, ipsum quandoque sagittis, id est verbis, acriter pungunt et iniuriose afficiunt et affligunt, Prov. 14: Etiam proximo suo pauper odiosus erit, amici vero divitum multi.

So scheint es heute überall zu geschehen: Callisto kann jene bedeuten, die aus ihrem sicheren Wohlstand durch einen Wechsel des Schicksals in Armut geraten und zu den geringen Personen von niederer Geburt gezählt werden. Ihr Sohn Arcas kann die im Irdischen und Weltlichen verhafteten Freunde bedeuten, die auf die Jagd, d. h. auf den Erwerb irdischer Güter, begierig und versessen sind. Denn dies ist das heute Übliche, dass nach Verwandlung des Menschen in ein Tier, d.h. nach seinem Abgleiten in die Armut, sein eigener Sohn, d.h. seine weltlich gesinnten Freunde und Söhne, ihn vergessen und sich weigern, ihn zu erkennen. Und wenn er seine Augen auf sie richtet und auf sie zugeht, um von ihnen Hilfe zu erbitten, fliehen sie vor ihm und verschmähen seine Gesellschaft. Und, was noch schlimmer ist, zuweilen verletzen sie ihn schmerzhaft mit Pfeilen, d.h. mit Worten, und treffen und demütigen ihn auf ungerechte Weise, Prov. 14,20: ›Auch seinem Nächsten wird der Arme verhasst sein, die Reichen aber haben viele Freunde.‹

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Iuno videns Callisto impregnatam a Iove invidit ei et facta zelotypa mutavit eam in ursam; sed Iupiter misertus ei ipsam et filium eius mutavit in stellas. Et ille sunt due stelle secundum fictiones poetarum, 258 que vocantur ursa maior et ursa minor.

Vierzehnte Erzählung 257 Als Juno die von Jupiter geschwängerte Callisto sah, wurde sie eifersüchtig und verwandelte sie in eine Bärin; aber Jupiter erbarmte sich ihrer und verwandelte sie selbst und ihren Sohn in Sternbilder. Und gemäß der Fiktion der Dichter 258 sind sie die beiden Sternbilder, die Großer Bär und Kleiner Bär heißen.

12 homine Lo1Lo2Pa8V2V4Ep; hodie GB; om. Tr. 14 amici . . . ipsius G; eius et falsi amici, ipsum Lo1; eius falsi amici, ipsum Ep; eius et mundani amici, ipsum V2B; eius filii et amici, ipsum V4; ipsos Tr, om. quia . . . filii. 19 ipsum BTrEp; ipsos GLo1Lo2V2V4; ipsis Pa8. 21 Prov. 14 Prov. 24 G. 26 zelotypa Lo1Lo2Pa8 V2BTrEp; zelotropia G; zelotipia V4. 27 ei GPa8V4; eius Lo1V2BEp; eidem Tr. 27 filium TrEp; filiam GLo1 Lo2Pa8V2B; figuram V4. 28 due Lo1V2BTr; 7 G; iste V4; om. Lo2Pa8Ep.

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Moralisierung

Iuno ista significat invidos huius mundi, qui, quando vident Callisto, id est aliquem consocium vel vicinum bonis temporalibus impregnatum a deo, invident ei et sepe procurant, quod figura, id est status prosperitatis, adimatur et quod ursa, id est pauper et vilis et depressus, efficiatur. Sed pro certo accidit, quod Iupiter, id est deus, tali iniuste leso et oppresso miseretur et non solum ad statum pristinum, immo ad maiorem promovet, quia scilicet de ursa mutat eum in stellam, id est de humili et paupere facit nobilem et potentem, et non solum ipsum, immo propter ipsum et filios suos, id est eius familiares et carnales amicos, unde 1. Reg.: Suscitans de pulvere egenum et de stercore etc. Exemplum de Ioseph Gen. 37, 259 quem fratres invidi in bestiam mutaverunt, id est vendendo servum fecerunt. Sed tandem Iupiter mutavit eum in stellam, id est a tali servitute ipsum fecit Egypti dominum et magistrum, quia sicut Eccli. 11: Facile in conspectu domini subito honestare pauperem. 260

Juno bedeutet die Neider dieser Welt. Wenn sie Callisto sehen, d.h. einen Freund oder Nachbarn, der von Gott mit irdischen Gütern gesegnet ist, beneiden sie ihn und sorgen oft dafür, dass ihm seine Gestalt, d. h. sein Wohlstand und Erfolg, genommen wird und er zur Bärin wird, d. h. arm, gering und erniedrigt. Gewiss aber geschieht es, dass Jupiter, d.h. Gott, sich eines solchen zu Unrecht Verletzten und Bedrängten erbarmt und ihn nicht nur in seinen früheren Stand, sondern vielmehr in einen höheren versetzt; denn er verwandelt ihn aus einer Bärin in ein Sternbild, d.h. er macht aus einem Niedrigen und Armen einen Vornehmen und Mächtigen, und zwar nicht nur ihn selbst, vielmehr um seinetwillen auch seine Söhne, d.h. seine Familienangehörigen und seine Freunde in der Welt. Daher heißt es 1. Reg. 2,8: ›Den Bedürftigen richtet er aus dem Staub und aus dem Schmutz auf‹ etc. Ein Beispiel ist Joseph, Gen. 37,1 ff., 259 den seine neidischen Brüder in ein Tier verwandelten, d.h. durch Verkauf zum Sklaven machten. Schließlich aber verwandelte Jupiter ihn in ein Sternbild, d.h. aus einer solchen Knechtschaft heraus machte er ihn zum Herrn und Lenker Ägyptens, da nach Eccli. 11,23 ›es im Angesicht des Herrn leicht ist, den Armen unverzüglich zu ehren.‹ 260

Fabula decima quinta 261 Lycaon fuit quidam tyrannus, qui mutatus fuit in lupum. Qui habuit filiam dictam Callisto, que mutata fuit in ursam.

Fünfzehnte Erzählung 261 Lycaon war ein Tyrann, der in einen Wolf verwandelt wurde. Er hatte eine Tochter mit Namen Callisto, die in eine Bärin verwandelt wurde.

5 impregnatum Lo1V4TrEp; impregnatam GV2. 16 1. Reg. 2. Reg. G. 18 Gen. 37 31 G. 22 dominum Lo1Pa8V4BTrEp; denique G. 23 Eccli. 11 Eccli. 2 G. 24 domini GLo1Lo2V2Tr; dei BEp/Vulg. 27 Lycaon Ep; Licao G.

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Moralisierung

Et sic vere ut in pluribus patrem sequitur sua proles, quia, si pater lupus fuerit, id est tyrannus turpis et crudelis, filii eius ursi efficiuntur, quia scilicet crudelitates paternas vel in toto vel in parte imitantur, Act. 7: Quales patres vestri, ita et vos.

Und in der Tat folgen, wie in recht vielen Fällen, die Kinder ihrem Vater; denn wenn der Vater ein Wolf war, d.h. ein schändlicher und grausamer Tyrann, werden seine Söhne Bären, da sie ja die Grausamkeiten des Vaters entweder ganz oder teilweise nachahmen, Act. 7,51: ›Wie eure Väter, so auch ihr.‹

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Corvus in principio fuit avis albissima et pulcer, que Soli erat potissime dedicata et ab ipso Sole mutata est in nigrum colorem. Cuius causa fuit ista: Sol enim sive Phebus habebat pulcerrimam amicam, que dicebatur Coronis; que cum quadam die adulteraretur cum quodam iuvene, corvus hoc videns nuntiavit domino suo. Ille autem iratus arrepto arcu occidit amicam suam, que pregnans erat de eo. Qui videns eam mortuam de tam precipiti sententia summe doluit et ipsum corvum de albo in nigrum mutavit et, ut de cetero esset relator malorum rumorum perpetuo, condemnavit. Et inde est, quod secundum augures corvus semper suo cantu denuntiat et presagiat futura mala, scilicet mortalitates et infortunia aliorum. Moraliter

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Recte tales corvi sunt adulatores et verborum relatores, qui Soli, id est dominis suis, semper nituntur referre adulteria, que committunt concubine sue, id est mala, que committunt subditi sui, et hoc, ut eis

Sechzehnte Erzählung 262 Der Rabe war ursprünglich ein strahlend weißer und schöner Vogel, der dem Sonnengott in besonderem Maß geweiht war und von eben jenem Gott Sol in einen Vogel von schwarzer Farbe verwandelt wurde. Der Grund dafür war folgender: Sol oder Phoebus hatte eine sehr schöne Geliebte mit Namen Coronis; als diese ihn aber eines Tages mit einem jungen Mann betrog, sah dies der Rabe und meldete es seinem Herrn. Jener aber wurde zornig, ergriff seinen Bogen und tötete seine Geliebte, die von ihm schwanger war. Als er sah, dass sie tot war, schmerzte ihn sein so überstürztes Urteil sehr, und er verwandelte den Raben aus einem weißen Vogel in einen schwarzen. Und er verdammte ihn ferner dazu, von nun an auf ewig der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein. Und so kommt es, dass nach den Auguren der Rabe mit seinem Gesang stets zukünftige Übel, nämlich Todesfälle und das Unglück anderer, ankündigt und prophezeit. Moralisierung Zu Recht sind solche Raben Schmeichler und Denunzianten, die stets bemüht sind, Sol, d.h. ihrem Herrn, von Ehebrüchen zu berichten, die ihre Geliebten begehen, d.h. von Vergehen, die ihre Untergebenen ver-

2 in pluribus G; communiter Lo1Pa8V4BTrEp. Tr. 30 suis suis ... G.

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14 Coronis Ep; Coronides GLo1V2V4; Corides B; Cornaydes

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placeant et gratiam ab eis obtineant. Sed quandoque fit, quod tales relatores penam portant, unde credunt premium reportare: quando enim homines vident propter malam relationem et informationem talium sic male egisse, ipsos odiunt et quandoque ipsos premunt et puniunt et nigros, id est malos et viles, faciunt. Nam sicut dicit Ovidius: Lingua fuit damno lingua faciente loquaci; qui color albus erat nunc est contrarius albo. 263 Unde dicitur proverbialiter: Displicet imprudens, unde placere putat. 264 Exemplum Reg. primo de illo, qui nuntiavit David, quod occiderat Saul credens ei placere, qui tamen ab eo fuit occisus. Et de talibus bilinguis dicit Ps.: Vir linguosus non dirigetur in terra. Fabula decima septima 265

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Cornix erat quedam pulcra puella, que erat domicella dee Palladis. Que cum spatiaretur circa mare, Neptunus deus maris adamavit eam et voluit ipsam rapere et corrumpere. Sed ipsa imploravit auxilium deorum et statim affuit dea Pallas, que mutavit eam in cornicem et nigrum habitum sibi dedit. Et sic evasit insidias dei maris.

üben, und zwar, um ihnen zu Gefallen zu sein und Dank von ihnen zu erhalten. Aber über kurz oder lang geschieht es, dass solche Denunzianten ihre Strafe dafür erhalten, womit sie glauben, eine Belohnung zu empfangen: Denn wenn die Menschen sehen, dass sie sich wegen der denunziatorischen Mitteilung solcher Leute so schlecht verhalten haben, hassen sie sie und setzen sie manchmal herab, bestrafen sie und lassen sie schwarz werden, d. h. böse und gering. Denn wie Ovid sagt: ›Die Zunge wurde ihm zum Verhängnis; das bewirkte die geschwätzige Zunge. Seine Farbe, die weiß war, ist jetzt ins Gegenteil verkehrt.‹ 263 Daher heißt es in einem Sprichwort: ›Der Unkluge missfällt, womit er zu gefallen glaubt.‹ 264 2. Reg. 1,1–16 bringt ein Beispiel von einem Menschen, der David meldete, er habe Saul getötet, da er glaubte, ihm damit zu gefallen; doch er wurde von ihm getötet. Und von solchen Denunzianten sagt Ps. 139,12: ›Der Schwätzer wird im Lande nicht vorankommen.‹ Siebzehnte Erzählung 265 Cornix war ein schönes Mädchen, das eine Gefährtin der Göttin Pallas war. Als sie am Meer spazieren ging, verliebte sich Neptun, der Meeresgott, in sie und wollte sie rauben und schänden. Aber sie erflehte die Hilfe der Götter, und sogleich erschien die Göttin Pallas. Diese verwandelte sie in eine Krähe und gab ihr ein schwarzes Gewand. Und so entkam sie den Nachstellungen des Meeresgottes.

8 – 11 Nam . . . albo GLo1V2V4BTr; om. Pa8; unde quidam: Haec scriptura docet et corvi lingua fatetur, quod mala lingua nocet laudemque tacendo meretur Ep et pos. unde Ovidius: Lingua . . . albo superius post aliorum. 9 fuit Lo1Pa8V2V4BTr; facit fuit G; om. Ep. 10 loquaci Lo1V2V4BTrEp; loquacem G; om. Nam . . . putat Pa8. 11 proverbialiter G; proverbium lac. dicit V4; ut dicit proverbium commune B; ut communiter dicitur in Esopo Tr; ut dicit proverbium commune in Aesopo Ep; om. Lo1Pa8. 12 putat Lo2V2Ep; docet G; studet BTr; om. Lo1Pa8V4. 14 Saul GLo1Pa8V2V4Tr; mortem Saulis B; Saulem Ep. 19 Cornix GLo1V2V4 Ep; Cornis BTr. 21 Neptunus Lo1V2V4BEp; Neuptunnus G; Neptunnus Tr.

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Istud potest dici de bonis monialibus et religiosis, que cum in principio sint puelle pulcre, ideo deus maris, id est huius mundi diabolus, qui secundum apostolum est deus huius seculi, qui excecavit mentes infidelium, tales querit rapere et corrumpere per peccatum. Verumtamen quando ad deam Palladem, id est ad beatam virginem, se convertunt, tunc quandoque per eius inspirationem in cornices commutantur et ad statum religionis convertuntur et in nigro habitu ad litteram vestiuntur. Et sic in religione ab huius dei maris, id est diaboli, insidiis liberantur. Ideo possunt dicere illud Cant. primo: Nigra sum, sed formosa. Vel dic, quod illi, qui circa mare, id est circa mundi negotia, occupantur, a deo maris, id est diabolo, quam plurimum temptationibus infestantur. Ideo tales debent in cornices vel cornicem mutari, quia debent fieri aves volando per contemplationem et debent habere habitum nigrum per humilem et abiectam conversationem, debent habere etiam vocem clamosam per sollicitam orationem. Et sic non timebunt insidias dei maris, id est diabolicam temptationem. Vel dic, quod illi, qui circa mare, id est circa huius mundi negotia, occupantur, finaliter in cornicem mutantur, quia scilicet efficiuntur nigri propter inhonestam con-

Dies kann man von guten Nonnen und Religiosen sagen, da diese zuerst schöne Mädchen sind. Deshalb versucht der Gott des Meeres, d. h. der Teufel dieser Welt, der nach dem Apostel [2. Cor. 4,4] ›der Gott dieser Welt ist, der den Verstand der Ungläubigen verblendet hat‹, solche Menschen durch Sünde zu rauben und zu schänden. Doch wenn sie sich an die Göttin Pallas, d. h. die selige Jungfrau, wenden, dann werden sie manchmal durch ihre Erleuchtung in Krähen verwandelt und zum Ordensstand bekehrt und buchstäblich mit einem schwarzen Ordensgewand bekleidet. Und so werden sie im Klosterleben von den Nachstellungen des Meeresgottes, d.h. des Teufels, befreit. Daher können sie mit Cant. 1,4 sagen: ›Schwarz bin ich, aber schön.‹ Oder sag, dass jene, die am Meer, d.h. bei weltlichen Tätigkeiten beschäftigt sind, vom Meeresgott, d.h. vom Teufel, am meisten von Versuchungen geplagt werden. Daher müssen solche Menschen in Krähen oder eine Krähe verwandelt werden, da sie durch den Flug der Kontemplation Vögel werden und in einem demütigen und zurückgezogenen Leben ein schwarzes Gewand tragen müssen. Auch müssen sie im inständigen Gebet eine laute Stimme haben. Und so werden sie keine Nachstellungen des Meeresgottes, d.h. keine teuflische Versuchung, fürchten. Oder sag, dass jene, die am Meer, d.h. von Geschäften dieser Welt, stark in Anspruch genommen sind, schließlich in eine Krähe verwandelt werden, da sie nämlich schwarz werden wegen ihres unehrenhaf-

17 – 27 Vel . . . temptationem deest Pa8V4. 9 deam Lo1Pa8V4BEp; eam G; ad Palladem, id est ad deam, scilicet beatam Virginem Tr. 9 virginem Lo1Pa8V2V4BEp; virginem Mariam Tr; om. G. 12 religionis regionis G, sed add. -li- supra lin. 19 quam plurimum Lo1Lo2V2BTrEp; qui plurimum quamque G. 20 infestantur Lo1Lo2V2BTrEp; infestare nittitur G. 23 per pere G, sed del. e. 28 – 29 id est circa Lo1Pa8V4BTrEp (om. circa Pa8Tr); om. G. 29 mundi Lo1 Pa8V4BTrEp; om. G.

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versationem, clamosi propter importunam murmurationem, volantes per superbiam et elationem. Unde de talibus dicitur Thren. 4: Denigrata est super carbones facies eorum. 5

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Fabula decima octava 266 Dea Pallas habuit quendam puerum sine virili semine procreatum, quia virgo erat. Ipse autem puer duplicem habuit naturam, quia in prima parte erat homo, in posteriori erat serpens. Et ideo, quia erat monstrum, inclusit eum in quadam cista sigillata, ne videretur, et tradidit eum tribus virginibus custodiendum inhibens eis, ne quoquomodo cistam aperirent. Ille autem ex prohibitione tantum magis temptate, sicut mulierum mos est, cistam aperuerunt et dee secreta viderunt. Cornix vero, que erat in quadam ulmo vicina, de qua virgines non advertebant, vidit, quomodo contra preceptum Palladis cistam aperuerunt; et statim cucurrit ad Palladem, cuius avis erat et aliquando ipsa fuerat domicella et, que viderat, nuntiavit. Moraliter

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ten Lebenswandels, lautstark wegen ihres unangenehm krächzenden Geschreis, Vögel aufgrund von Stolz und Hochmut. Daher heißt es von solchen Lam. 4,8: ›Schwärzer als Kohle ist ihr Gesicht.‹

Ista fabula potest historialiter allegari, quia nihil opertum, quod non reveletur. Quamvis enim aliquis credat aliquod delictum secretissimum facere, quod nulli apparet, se-

Achtzehnte Erzählung 266 Die Göttin Pallas hatte einen Sohn, der ohne männlichen Samen gezeugt worden war, da sie ja Jungfrau war. Der Knabe selbst aber hatte eine zweifache Natur, denn er war oben Mensch, unten Schlange. Und da er ein Ungeheuer war, schloss sie ihn in eine versiegelte Kiste, damit er nicht gesehen würde, und übergab ihn drei Jungfrauen zur Bewachung, wobei sie ihnen gebot, auf keinen Fall die Kiste zu öffnen. Jene aber wurden aufgrund des Verbots umso mehr in Versuchung geführt, wie es der Frauen Art ist, und sie öffneten die Kiste und erblickten das Geheimnis der Göttin. Die Krähe aber, die in einer benachbarten Ulme saß und die die Jungfrauen nicht bemerkt hatten, sah, wie sie gegen das Verbot der Pallas die Kiste öffneten, und sogleich begab sie sich zu Pallas, deren Vogel sie war und deren Gefährtin sie einst sogar gewesen war, und sie berichtete, was sie beobachtet hatte. Moralisierung Diese Erzählung kann man im historischen Sinn anwenden, da es nichts Verhülltes gibt, das nicht enthüllt würde. Denn mag auch einer glauben, er könne eine Untat so sehr im Verborgenen begehen, dass es für niemandem sichtbar wird, geschieht es

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4 eorum add. Vel dic, quod per cornicem significantur superbi, qui sunt clamosi per murmurationem, volantes per superbiam et elationem etc. Tr. 3 Thren. 4 Thren. tertia G. 4 facies Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 15 prohibitione hibitione G, sed add. pro- supra lin. 15 magis Lo1Pa8V4BTrEp; magna G. 16 mos V4Ep; mox G; om. Lo1Lo2Pa8V2BTr. 19 advertebant V4TrEp; adverterent G. 27 – 28 aliquod . . . facere Lo1Lo2V2BTrEp; secretu aliquod sic ... latere G; delictum aliquod secretissimum habere Pa8V4.

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pe tamen accidit, quod aliquis speculator, ubi non sperat, totum mysterium manifestat. Quod maxime verum est de illis, que fiunt contra divites, quia quilibet gaudet talia referre et maxime cornices, id est garruli adulatores, qui nullum secretum possunt celare. Et ideo dicitur Eccl. decimo: In cogitatione tua regi non detrahas et in secreto cubili tuo ne maledixeris diviti, quia aves celi portabunt vocem tuam et, qui habet pennas, annuntiabit sententiam. Vel potest allegari hec fabula, quod homo naturaliter nititur in vetitum. Si enim prohibetur ad aliquid faciendum, statim mens hominis amplius inclinatur ad contrarium et potissime mulieres, contra quas loquitur [Ps.-]Theophrastus dicens: Garrulitati mulierum non est aliquid committendum, quia illud solum potest tacere, quod nescit. 267 Vel dic allegorice, quod ista dea significat gloriosam virginem, que sine virili semine unum filium, id est Christum, ex se genuit. Qui dicitur duplicem habere naturam, divinam scilicet et humanam; fuit enim homo et serpens: Homo, qui est animal rationale, significat Christi divinitatem, serpens autem, qui est animal brutum, significat eius humanitatem. Unde et ipse figuratur per illum serpentem, quem Moyses

dennoch oft, dass ein Zuschauer das ganze Geheimnis offenlegt, wo jener damit nicht gerechnet hat. Dies bewahrheitet sich besonders bei jenen Dingen, die gegen reiche Menschen gerichtet sind, da sich jeder daran erfreut, solches zu berichten, und zwar besonders die Krähen, d.h. die schwatzhaften Schmeichler, die kein Geheimnis bewahren können. Und daher heißt es Eccl. 10,20: ›In deinen Gedanken verleumde den König nicht und schmähe auch in der Abgeschiedenheit deines Schlafzimmers den Reichen nicht, denn die Vögel des Himmels werden deine Äußerung forttragen und, wer Flügel hat, wird den Ausspruch weitersagen.‹ Oder diese Erzählung kann so angewandt werden, dass der Mensch naturgemäß nach dem Verbotenen trachtet. Denn wenn etwas zu tun verboten wird, neigt sich der Sinn des Menschen sogleich mehr zum Gegenteil, und dies besonders bei den Frauen, gegen die [Ps.-]Theophrast sich wendet, wenn er sagt: ›Der Schwatzhaftigkeit der Frauen darf man nichts anvertrauen, da sie nur das verschweigen können, was sie nicht wissen.‹ 267 Oder sag allegorisch, jene Göttin bedeute die glorreiche Jungfrau, die ohne männlichen Samen einen einzigen Sohn, d.h. Christus, aus sich gebar. Von diesem wird gesagt, dass er eine zweifache Natur besitze, nämlich eine göttliche und eine menschliche. Er war nämlich Mensch und Schlange: der Mensch, der ein vernunftbegabtes Wesen ist, bezeichnet das Gottsein Christi, die Schlange aber, die ein unverständiges Tier ist, bezeichnet sein Menschsein. Daher wird er durch jene Schlange präfiguriert, die Moses in der Wüste

5 cornices Lo1Pa8V4BTrEp; cornicis G. 9 cubili tuo GLo1Pa8V4; cubitu Lo2; cubilis tui V2TrEp; om. B; cubiculi tui Vulg. 9 diviti V2Ep/Vulg.; deum GLo1Pa8; domini Lo2; domino V4Tr; om. B. 13 enim Lo1 Pa8V4BTrEp; non G. 15 amplius Lo1Lo2V4BTrEp; magis Pa8; om. G. 17 loquitur Lo1V2Pa8V4Ep; legitur G; ideo contra mulieres legitur Theofrastus B; unde contra mulieres dicit Tr. 30 Moyses G; Moyses, id est populus Iudaicus Lo1Lo2V2V4Ep; Moyses et Iudaicus populus Pa8Tr; om. B.

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exaltavit in deserto, ne populus ab aliis serpentibus, id est demonibus, lederetur, sicut dicitur Num. 21. 268 Cista autem illa, in qua fuit clausus et sigillatus, est secretum paterne providentie, que per 30 annos eum in hoc mundo fecit esse absconditum. Tres virgines iste significant tria vota religionis, scilicet obedientiam, quia factus est obediens usque ad mortem [Phil. 2], paupertatem, quia vulpes foveam habent, filius autem hominis non habet, ubi caput suum reclinet [Mt. 8]; item castitatem, quia mente et corpore semper virgo fuit. Et iste tres virgines Christum in clausura et cista humanitatis custodierunt. Castitas eum custodivit a luxuria, obedientia a superbia, paupertas ab avaritia. De tali custodia dicitur Prov. 20: Misericordia et veritas custodiunt regem. Vel dic, quod cista, in qua fuit absconditus filius virginis, est eucharistia, sub qua velatur et absconditur gigas duplicis substantie, 269 virginis filius benedictus, quem pro certo sole virgines custodiunt, quia scilicet illi, quibus eucharistia consecranda committitur, casti et puri esse tenentur, Apoc.: Virgines sunt et sequuntur agnum etc. 270 Verumtamen istis, ne cistam aperiant, precipitur, in quo datur intelligi, quod sacramentum altaris non debet curiose et presumptuose aperiri seu investigari, figurante arca testamenti, que nulla curiositate

erhöhte, damit das Volk nicht von anderen Schlangen, d.h. von Dämonen, verletzt würde, wie es in Num. 21 heißt. 268 Jene Kiste aber, in der er eingeschlossen und versiegelt war, ist das Geheimnis der väterlichen Vorsehung, die über 30 Jahre hin bewirkte, dass er in dieser Welt verborgen blieb. Die drei Jungfrauen bedeuten die drei Ordensgelübde: nämlich den Gehorsam, weil ›er gehorsam bis zum Tod war‹ [Phil. 2,8]; die Armut, weil ›Füchse eine Grube haben, der Menschensohn aber keinen Ort hat, wo er sein Haupt hinlegen kann‹ [Mt. 8,20; Lc. 9,58]; ebenso die Keuschheit, weil er in Geist und Körper immer jungfräulich war. Und diese drei Jungfrauen behüteten Christus in der verschlossenen Kiste des Menschseins. Die Keuschheit behütete ihn vor Zügellosigkeit, der Gehorsam vor Hochmut, die Armut vor Habgier. Von einem solchen Schutz heißt es in Prov. 20,28: ›Barmherzigkeit und Wahrheit behüten den König.‹ Oder sag, dass die Kiste, in der der Sohn der Jungfrau verborgen war, die Eucharistie ist, unter der ›ein Riese von zweifachem Wesen‹ 269 verhüllt und verborgen wird: Der gesegnete Sohn der Jungfrau, den fürwahr nur Jungfrauen bewachen; denn diejenigen, denen die Hostie zur Weihe anvertraut wird, halten sich keusch und rein, Apoc. [14,4]: ›Sie sind Jungfrauen und sie folgen dem Lamm‹ 270 etc. Doch diesen wird vorgeschrieben, die Kiste nicht zu öffnen, was so zu verstehen ist, dass das Sakrament des Altars nicht neugierig und vermessen geöffnet oder erforscht werden darf. Präfiguriert wird es darin durch die Bundes-

1 exaltavit in deserto G; suspendit in ligno Lo1Lo2V2V4Ep; pependit in ligno Tr; om. B. 1 – 2 ne . . . lederetur V4; ne populus ab aliis serpentibus, id est demonibus lac. G; ut modo ab aliis serpentibus, id est demonibus vulnerati sanarentur Lo2V2TrEp; ut populus ab aliis serpentibus, id est demonibus, liberarentur et non ab eis lederentur Pa8; om. B. 3 Num. 21 Numerorum primo G. 12 castitatem Lo1Pa8V4BTrEp; castitas G. 15 humanitatis Lo1Pa8V4BEp; habentes G; humiliter Lo2Tr; humilitatis V2. 15 castitas Lo1Pa8 V4BTrEp; casti G. 21 virginis add. naturae duplicis Ep. 31 – 32 figurante GV4; figura de Lo1Lo2V2BTrEp; figuranti Pa8.

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debebat aperiri, nudari nec a populo videri, sed semper involuta erat, ut dicitur Num. 4. 271 Ideo dicitur Eccli. 3: Altiora te ne quesieris, et sequitur: Non est tibi necesse, que abscondita sunt, videre oculis tuis. Nam sicut Aglauros una trium sororum, que principaliter cistam temptaverat aperire, mutata fuit in lapidem nigrum, sicut dicetur infra, 272 sic illi, qui secretum a mundi principio videre volunt, indiscrete in errorem labuntur et per diversa peccata nigri et lapidei efficiuntur, Iob 41: Cor eius indurabitur quasi lapis. Fabula decima nona 273

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Ocyroe fuit filia Chironis, qui erat centaurus, semivir et semiequus. Que erat optima divinatrix, que vaticinaverat de quodam puero, filio Solis, qui traditus fuerat patri suo Chironi ad custodiendum, eo quod magna miracula esset facturus. Quapropter dii fuerant indignati de ipsa et fecerunt ipsam vaticinare, quod ipsa erat in equam convertenda – quod et factum est, quia vocem et figuram perdidit et in equam mutata fuit. Herbam pro cibo habuit, hinnitum pro voce dedit et pro capillis iubas habuit. Et sic sua divinatio sibi nocuit, unde dixit: Malem nescisse futura. Iam mihi subduci facies humana videtur. 274

lade, die nicht aus Neugier geöffnet, entblößt oder vom Volk gesehen werden durfte, sondern immer verhüllt war, wie es in Num. 4 steht. 271 Daher heißt es in Eccli. 3,22 f.: ›Suche nichts, was zu hoch ist für dich.‹ Und weiter: ›Du musst Verborgenes nicht mit deinen Augen sehen.‹ Denn wie Aglauros, eine der drei Schwestern, die vor allem versuchte, die Kiste zu öffnen, in einen schwarzen Stein verwandelt wurde, wie es unten heißt, 272 so gehen auch jene, die das von Anbeginn der Welt Geheime sehen wollen, ohne Unterschied fehl und werden aufgrund verschiedener Sünden schwarz und zu Stein, Iob. 41,15: ›Sein Herz wird hart werden wie ein Stein.‹ Neunzehnte Erzählung 273 Ocyroë war die Tochter Chirons, der ein Centaur war, halb Mensch und halb Pferd. Diese war eine hervorragende Prophetin, die von einem Knaben, dem Sohn des Sonnengottes, der in die Obhut ihres Vaters Chiron übergeben worden war, geweissagt hatte, dass er große Wunder wirken werde. Deshalb waren die Götter über sie entrüstet gewesen und ließen sie weissagen, dass sie sich in eine Stute verwandeln müsse – was auch geschah, da sie ihre Stimme und Gestalt verlor und in eine Stute verwandelt wurde. Kräuter waren ihre Speise, statt der Sprache gab sie Gewieher von sich und statt der Haare hatte sie eine Mähne. Und so schadete ihr ihre Weissagekunst, und sie sagte: ›Lieber hätte ich die Zukunft nicht gewusst. Schon scheint mir das Menschenantlitz abhanden zu kommen.‹ 274

4 sequitur Lo1Pa8V4TrEp; usque B; lac. G. 6 Aglauros Ep; Aglantes GV4; Agplauros V2; Adgarulos B; Aglaucos Tr. 12 Iob 41 Iob 4 G. 15 Ocyroe Occhiroe Ep; Cherion G; Chiroen V2; Ethireon V4; (S)Ochiroen B; Achironem Tr. 15 Chironis V2BEp; Cironis G; Tyronis V4; Chyronis Tr. 20 dii Lo1Pa8V4BTrEp; digni G; om. V2. 22 equam Lo1Pa8V4BTrEp; equa G. 26 iubas Lo1Lo2V2BEp; imbas G; iubam Pa8V4; pro capillos iubar Tr. 27 divinatio V4TrEp; divinato G. 27 nocuit Lo1Pa8V4BTrEp; docuit G. 28 nescisse nesscisse G, sed corr.

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Ista fabula potest allegari contra invidos, qui non possunt audire, quod aliquod bonum de aliquo dicatur, quin indignentur et quin talia referentes a figura pristina, id est de suo statu et conditione prehabita, deponere conentur. Vel dic, quod ista, que primo fuit mulier et postea mutata fuit in equam, significat fatuas iuvenculas, que quandoque in principio sunt bone et postea sunt mulieres de futuris vaticinantes nec de morte nec de pena nec de deo nec gloria secum aliquid cogitantes. Sed et aliquando mutantur in equas, quia scilicet in fine degenerent a pristina bonitate et fiunt lascive et luxuriose, crinite et criminose, curiose, hinnientes et garrulose, et figura humana, id est conditionibus et moribus, spoliantur; unde Eccli. 25: Nequitia mulieris mutavit faciem suam.

Diese Erzählung kann gegen die Neider angewandt werden, die nicht hören können, dass etwas Gutes über jemanden gesagt wird, ohne sich zu entrüsten und zu versuchen, diejenigen, die solches berichten, von ihrer früheren Gestalt, d.h. von ihrem vorher eingenommenen Stand und ihrer Lebensweise, herabzusetzen. Oder sag, dass diese, die zuerst eine Frau war und später in eine Stute verwandelt wurde, törichte junge Mädchen bedeutet, die manchmal zunächst gut sind und später Frauen sind, die die Zukunft voraussagen, ohne sich über den Tod, das Strafgericht, über Gott oder die himmlische Herrlichkeit irgendwie Gedanken zu machen. Doch sie verwandeln sich irgendwann in Stuten, da sie zum Schluss aus ihrem früheren Gutsein abgleiten und verweichlicht und unzüchtig, langhaarig und verleumderisch, neugierig, wiehernd und geschwätzig werden. Und sie werden ihrer menschlichen Gestalt, d. h. ihres Standes und ihrer Lebensweise, beraubt. Daher heißt es in Eccli. 25,24: ›Die Verdorbenheit einer Frau verändert ihr Gesicht.‹

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Sol habuit quendam filium, quem vocavit Esculapium. Quem nutriendum tradidit Chironi cuidam giganti et centauro, qui duplicem, scilicet hominis et equi, gerebat naturam. Qui de commissione sibi facta, scilicet de tanti numinis filio reservando, gavisus est ipsumque in antro suo posuit et abscondit.

Zwanzigste Erzählung 275 Der Gott Sol hatte einen Sohn, den er Aesculap nannte. Diesen übergab er zur Erziehung Chiron, einem Riesen und Centaur, der eine zweifache Natur hatte, nämlich die eines Menschen und eines Pferdes. Dieser freute sich über den ihm erteilten Auftrag, nämlich den Sohn eines so großen Gottes zu behüten, und er brachte ihn in seine Höhle und versteckte ihn.

5 figura Lo1Pa8V2V4BEp; figa G; forma Tr. 12 vaticinantes cet. codd.; add. divinantes et pronosticantes et officium patris sui Christi, qui est centaurus, scilicet gemine substantie, id est deus et homo, pro viribus imitantes, sed pro certo sepe accidit, quod tales mutantur in equas BTr cum min. var. lect. 12 – 13 nec de pena . . . gloria GV4; de pena et de (de om. V2) gloria Lo1V2Ep; nec de deo nec de gloria Pa8; om. BTr. 16 bonitate Lo1Pa8V4BTrEp; libertate G. 18 garrulose Lo1Pa8V4BEp; gavilose G; garrulantes efficiuntur Tr; om. crinite . . . garrulose V2. 18 id est Lo1V2BTrEp; in GLo2; et Pa8V4. 19 – 20 Eccli. 25 Eccli. 15 G.

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Iste Sol potest significare deum patrem, cuius filius Iesus Christus in sacramento altaris centauro, id est homini, qui duplicem habet naturam, corporalem scilicet et spiritualem, traditur custodiendus. Et ideo quando talis custodia sibi committitur, debet plurimum de hoc congaudere et in antro cordis ipsum per devotionem cum omni reverentia collocare; unde in Iob: Ingrediatur bestia in latibulum suum, et in antro suo commorabitur. Custodi ergo virum istum! Qui si elapsus fuerit, erit anima tua pro anima illius, Reg. 20.

Dieser Sol kann Gottvater bedeuten, dessen Sohn Jesus Christus im Sakrament des Altares dem Centauren, d. h. dem Menschen, der eine zweifache Natur hat – nämlich eine körperliche und eine geistige –, zur Bewahrung übergeben wurde. Und wenn ihm deshalb ein solcher Auftrag zu einer solchen Bewahrung anvertraut wird, muss er sich sehr darüber freuen und ihn andächtig in der Höhle seines Herzens mit aller Ehrerbietung aufnehmen. Daher heißt es in Iob [37,8]: ›Das Tier wird in sein Versteck gehen und in seiner Höhle verweilen.‹ ›Bewache diesen Mann! Wenn er entkommt, dann wird dein Leben für sein Leben einstehen,‹ 3. Reg. 20,39.

Fabula vicesima prima 276 Mercurius semel furatus fuit unum magnum armentum vaccarum nullo vidente preter unum rusticum. Cui cum aliquid promisisset et sibi dedisset unam vaccam de illis, ut non revelaret furtum, rusticus respondit dicens: Tutus eas! Lapis citius tua furta loquetur. 277 Et cum Mercurius recessisset, se mutavit in aliam formam, ac si esset ille, qui amiserat boves, et petiit ab eo, utrum vidisset aliquem, qui dictum armentum furatus fuisset. Qui cum ›non‹ diceret, promisit ei vaccam et bovem, si ei revelaret, qui statim dixit, quod quidam, qui nuper recedebat, armentum ducebat. Et vi-

Einundzwanzigste Erzählung 276 Einmal raubte Mercur eine große Rinderherde, wobei ihn nur ein Bauer [Battus] beobachtete. Als er diesem etwas versprochen und ihm eine Kuh aus jener Herde gegeben hatte, damit er den Diebstahl nicht weitersage, antwortete der Bauer und sagte: ›Geh ganz unbesorgt! Eher wird dieser Stein deinen Diebstahl ausplaudern.‹ 277 Und als Mercur sich entfernt hatte, nahm er eine andere Gestalt an, so als ob er jener sei, der die Rinder verloren hatte; und er befragte ihn [den Bauern], ob er jemanden gesehen habe, der die besagte Herde gestohlen habe. Als er ›nein‹ sagte, versprach er ihm eine Kuh und einen Ochsen, wenn er ihm die Wahrheit sage; da antwortete der Bauer auf der Stelle, dass einer, der sich unlängst entfernt habe, die Herde fortgeführt

5 corporalem Lo1Pa8V4TrEp; corporaliter G; corpus B. 6 spiritualem Lo1Pa8V4TrEp; spiritualiter G; animam B. 7 talis Lo1Pa8V4TrEp; taliter G; homo B. 9 – 10 cum . . . reverentia Lo1Pa8V2Ep; cum omni reventia GTr; per . . . reverentiam V4B. 14 Reg. 20 Reg. 28 G. 18 rusticum add. qui Battus vocabatur Ep. 19 unam vaccam Lo1Pa8V4BTrEp; una vaca G. 22 loquetur Lo1V2; sequetur G; loquitur Pa8V4BTrEp. 23 si Lo1Pa8V4BTrEp; sic G. 27 et bovem GPa8V4; unam vaccam et unum taurum Lo1V2BTr; vaccam et unum taurum Lo2Ep 27 – 28 ei revelaret Lo1Pa8V4; furtum revelaret Lo1BTr; revelaret Lo2Ep. 28 qui . . . dixit Lo1Lo2Pa8V2V4BTrEp; respondit rusticus G.

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dens Mercurius, quod fidem rusticus non servabat, sed ipsum sibi ipsi revelavit, indignatus contra eum mutavit eum in durissimum lapidem.

habe. Und als Mercur sah, dass der Bauer sein Wort nicht hielt, sondern ihn an sich selbst verriet, geriet er in Zorn über ihn und verwandelte ihn in einen sehr harten Stein.

Moraliter

Moralisierung

Ista fabula potest dici contra proditores, qui homine mutato et a pristino statu deiecto ad statum infortunii adducto statim mutant propositum, quia qui prius videbantur fideles et amici, statim ad oppositum se convertunt. Vel potest allegari contra iudices et advocatos qui bonum facere promittunt, quando unam vaccam, id est munus vel salarium, recipiunt. Sed, si superveniat alius, qui munus duplicet et augmentet, statim spreta prima fidelitate ad partem oppositam se opponunt, quia sicut dicitur Deut. 16: Munera excecant oculos iudicum et mutant verba iustorum. Et ideo tales infideles dicuntur mutari in lapidem et ipsi sunt pre ceteris duri et insensibiles. De quibus dicitur Iob 38: In similitudinem lapidis indurantur aque. Aqua enim mutabilis est in omnem colorem 278 et significat tales duplices, qui in omnem partem mutantur.

Diese Erzählung kann gegen Verräter angeführt werden: Wenn ein Mensch verändert ist, von seinem früheren Stand herabgestürzt und in einen Stand des Unglücks geraten ist, ändern die Menschen sogleich auch ihren Vorsatz; denn diejenigen, die vorher treue Freunde zu sein schienen, wandeln sich sogleich ins Gegenteil. Oder die Erzählung kann gegen Richter und Advokaten angewandt werden, die versprechen, Gutes zu tun, wenn sie eine Kuh, d.h. ein Geschenk oder einen Lohn, erhalten. Wenn dann aber ein anderer kommt, der das Geschenk verdoppelt und vergrößert, dann achten sie die vorher eingegangene Mandantenverpflichtung gering und wenden sich sogleich der Gegenpartei zu. Denn wie es in Deut. 16,19 heißt ›blenden Geschenke die Augen der Richter und verändern die Worte der Gerechten.‹ Und daher sagt man, solche Untreuen würden in Steine verwandelt, und sie sind vor allen anderen hart und fühllos. Von solchen heißt es Iob 38,30: ›Wie Stein verhärten die Wasser.‹ Wasser ist nämlich in jede Farbe wandelbar 278 und bedeutet solche Doppelzüngigen, die sich zu jeder Seite hin verändern.

Fabula vicesima secunda

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Ovidius describit Invidiam et dicit 279 , quod Invidia habitabat in domo nigra et subterranea et carente sole. Hec erat tristis, plena frigore, lumine privata, caligine ceca, ore pallida, facie macra, aspectu torva, pectore

Zweiundzwanzigste Erzählung Ovid beschreibt den Neid und sagt, 279 der Neid wohne in einem schwarzen, unterirdischen Haus ohne Sonnenlicht. Er war trübsinnig, voller Kälte, des Augenlichts beraubt, blind von der Dunkelheit, sein Gesicht war blass, seine Gestalt abgehärmt,

9 qui Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 22 insensibiles Lo1Lo2V2BTrEp; miserabiles G; infideles Pa8V4. 23 Iob 38 Eccli. 43 G. 24 mutabilis Lo1Pa8V4BTrEp; mirabilis G. 29 Invidia inidia G, sed add. -v- supra lin.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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fellea, lingua venenosa, dente rubiginosa; semper vigilans, raro dormiens, curis sollicita, successibus alienis afflicta. Hec unam virginem arripuit, que Aglauros dicebatur, ipsamque statim interfecit et nigrum lapidem effecit.

sein Blick finster, seine Brust voller Galle, seine Zunge giftig, sein Zahn verfault; immer wachend, selten schlafend, von Sorgen gequält, von Erfolgen anderer gepeinigt. Dieser ergriff eine junge Frau, die Aglauros hieß, und tötete sie auf der Stelle und verwandelte sie in einen schwarzen Stein.

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Revera Invidia in suis possessoribus videtur omnes istas conditiones habere, nam invidi, ut communiter, sunt nigri et sicci et pallidi et macri. Et ideo dicuntur in antris habitare, quia ab hominum presentia ad occulta loca fugiunt, ut ibi contra bonos mala machinentur et obloquantur, Ps.: Insidiantur quasi leo in spelunca sua. 280 Isti dicuntur carere lumine et esse ceci, quia tales per invidiam excecantur, inquantum nullum bonum alienum possunt videre, Sap. 2: Excecavit illos malitia eorum. Luce dicuntur carere et pectus felleum habere, quia sicut cecus semper tristis est et sicut fel semper est amarum, ita invidi semper sunt pleni cordis amaritudine et tristitia et dolore, Act. 8: In felle amaritudinis et obligatione iniquitatis video te esse. Isti semper habent aspectum torvum, quia non possunt hominem, cui invident, recte respicere, Sam. 18: Non rectis oculis respiciebat Saul David. Isti semper vigilant et raro dormiunt, quia semper ab invidia stimulantur et diversis curis et machinationibus sollicitantur. Et ideo sepe accidit, quod, quando tales invidi con-

Moralisierung In der Tat scheint der Neid bei denen, die er beherrscht, alle diese Eigenschaften zu haben: denn die Neider sind im allgemeinen schwarz und ausgetrocknet, blass und abgehärmt. Und deshalb heißt es, sie wohnen in Höhlen, da sie aus der Gegenwart von Menschen in verborgene Orte flüchten, um dort gegen die Guten Böses zu ersinnen und sie zu verleumden, Ps. 9,30 [= 9B,9]: ›Sie lauern wie der Löwe in seiner Höhle.‹ 280 Von diesen sagt man, dass sie kein Augenlicht hätten und blind seien, da solche durch den Neid blind werden, sofern sie kein fremdes Glück mitansehen können, Sap. 2,21: ›Ihre Bosheit machte sie blind.‹ Es heißt, dass sie ohne Augenlicht sind und eine Brust voller Galle haben, weil so wie der Blinde immer unglücklich und wie die Galle immer bitter ist, so auch die Neider in ihrem Herzen voller Bitterkeit und Trübsinn und Schmerz sind, Act. 8,23: ›Ich sehe, dass du voll bitterer Galle und in Ungerechtigkeit verstrickt bist.‹ Diese haben stets einen finsteren Blick, da sie einen Menschen, den sie beneiden, nicht direkt anblicken können, 1. Reg. 18,9: ›Saul blickte David nicht gerade in die Augen.‹ Diese wachen stets und schlafen selten, da sie stets vom Neid angestachelt und von verschiedenen Sorgen und Listen beunruhigt werden. Und daher geschieht es häufig, dass

4 virginem Lo1Pa8V2BTrEp; imaginem GV4. 4 Aglauros Lo1V2Ep; Aglaura G; Auglauros Pa8; Agliviros B; Aglomieres Tr; lac. V4. 13 ut Lo1V2V4BTrEp; et GPa8. 14 machinentur Lo1V2V4BTrEp; machinantur GPa8. 14 obloquantur Lo1V2V4BTrEp; obliquantur G; obloquuntur Pa8. 25 video Lo1Pa8V4BTrEp; videro G. 27 Sam. 18 Reg. 2 G.

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tra aliquem insurgunt, ipsum in lapidem convertunt et humanam figuram sibi tollunt, inquantum statum prosperitatis sibi adimunt et ad statum paupertatis et adversitatis ipsum trahunt. Isti etiam in aliorum successibus tristantur et in eorum infortuniis delectantur, unde [Ps.-]Seneca: Tot sunt supplicia invidorum, quot sunt bona felicium. 281 Fabula vicesima tertia 282 Iupiter cum summe amaret Europam, filiam regis Agenoris, quadam die exploravit, quando ipsam contingeret spatiari ad litus maris, ubi erat armentum vaccarum patris sui, ad quod de more visitandi sepe venire consueverat. Quam cum Iupiter venientem videret, transfiguravit se in quendam taurum pulcerrimum et albissimum sine macula et sine ruga et cepit esse quasi taurus inter vaccas et herbam comedere et ut mansuetum animal nolebat fugere de loco suo, sed venientem puellam benigniter expectavit. Miratur igitur puella tauri albedinem, pulcritudinem et mansuetudinem et illa collegit flores et ei sertum inter cornua faciebat ipsumque leviter tangebat et fricabat. Quod videns taurus in herbam iuxta mare prostravit et palpanti virgini latera et ventrem dedit. Virgo autem tauri benignitate decepta taurum voluit equitare et super eum ascendit. Qui surgens paulatine ad ma-

solche Neider, wenn sie sich gegen jemanden erheben, ihn in einen Stein verwandeln und ihm seine menschliche Gestalt nehmen, sofern sie ihm Wohlstand und Erfolg nehmen und ihn in einen Zustand von Armut und Unglück versetzen. Auch sind diese über die Erfolge anderer unglücklich und erfreuen sich an deren Unglück. Daher sagt [Ps.-]Seneca: ›Es gibt so viele Qualen für die Neider, wie es gute Dinge für die Glücklichen gibt.‹ 281 Dreiundzwanzigste Erzählung 282 Da Jupiter Europa, die Tochter König Agenors, sehr liebte, kundschaftete er eines Tages aus, wann sie gerade zum Meeresstrand spazierte, wo eine Rinderherde ihres Vaters weidete, zu der sie gewöhnlich oft gekommen war, um nach ihnen zu sehen. Als Jupiter sie kommen sah, verwandelte er sich in einen sehr schönen, schneeweißen Stier ›ohne Makel und Falten‹, und er begann, sich wie ein Stier unter Kühen zu verhalten und Gras zu fressen, und wie ein zahmes Tier wollte er nicht von seinem Ort fliehen, sondern das herankommende Mädchen freundlich erwarten. Die junge Frau bewunderte nun die weiße Farbe, die Schönheit und die Zahmheit des Stieres, und sie pflückte Blumen und hängte ihm einen Kranz zwischen die Hörner und berührte ihn sanft und kraulte ihn. Als der Stier dies sah, legte er sich ins Gras nahe am Meer nieder und bot der streichelnden Jungfrau seine Seite und seinen Bauch dar. Die Jungfrau aber ließ sich von der Sanftheit des Stieres täuschen, sie wollte den Stier reiten und bestieg ihn. Dieser erhob sich langsam und begab sich zum Meer,

4 adimunt Lo1Pa8V4BTrEp; ad lac. G. 8 supplicia supplicia lac. G. 19 ruga Lo1Pa8V4BTrEp; iuga G. 19 – 21 quasi . . . animal Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; quasi animal mansuetum inter vaccas G. 21 – 22 nolebat . . . suo Lo1Lo2Pa8V4; nolebat . . . uno BTrEp; om. G. 22 sed cet. codd.Ep; ita quod G. 22 venientem puellam Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; veniente puella G. 24 et Lo1TrEp; at G; om. Lo2Pa8V2V4B. 29 dedit Lo1Pa8V4BTrEp; sedit G. 31 paulatine GLo2V2V4B; paulatim Lo1Pa8TrEp.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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re se traxit et tandem subito in mare saliit cum virgine ad eius cornua se tenente. Et ultra mare recessit et tandem pristinam formam assumpsit et virginis solacio usus fuit.

und schließlich sprang er plötzlich ins Meer mit der jungen Frau, die sich an seinen Hörnern festhielt, und er entschwand jenseits des Meeres. Und endlich nahm er wieder seine alte Gestalt an und hat die Jungfrau auf seine Weise getröstet.

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Puella ista significat animam rationalem, que est dei filia spiritualis. Iupiter summus deus significat dei filium, qui pro certo, ut virginem istam, id est animam rationalem, quam amabat, posset habere, in taurum pulcerrimum se mutavit, id est in hominem corporeum et mortalem, humanam carnem assumendo et in mundum personaliter veniendo. Iste taurus pulcerrimus fuit sine ruga et macula, 283 albissimus per castitatem, mitissimus per benignitatem, in societate herbas pascens per caritatem, iuxta mare habitans per penitentie austeritatem. Istum ergo taurum debet puella, id est anima, per caritatem tangere et per fidem super eum sicut super firmissimum fundamentum ascendere et per perseverantiam ad eum immobiliter se tenere; et sic ab ipso per onus penitentie portabitur et eius solacio fruetur, Ps.: Audi filia et vide et inclina aurem tuam! Et quia concupivit rex speciem tuam. 284 Vel potest dici fabula ista contra iuvenculas, quia sepe accidit, dum vadunt ad spectacula vel ad loca communia, ubi sunt armenta virorum, quod vident tauros pul-

Moralisierung Das Mädchen bedeutet die vernunftbegabte Seele, die die geistliche Tochter Gottes ist. Jupiter, der höchste Gott, bedeutet den Gottessohn; um die Jungfrau, d.h. die vernunftbegabte Seele, lieben zu können, verwandelte er sich in der Tat in einen wunderschönen Stier, d.h. in einen körperlichen und sterblichen Menschen, indem er menschliches Fleisch annahm und in eigener Person in die Welt kam. Dieser wunderschöne Stier war ›ohne Fehl und Makel‹ 283 , schneeweiß durch Keuschheit, überaus sanft durch Güte; in Gesellschaft weidet er Kräuter aus Liebe und hielt sich am Meer auf in bitterer Reue. Diesen Stier muss nun das Mädchen, d.h. die Seele, in Liebe berühren und mit dem Glauben auf ihn wie auf ein überaus festes Fundament steigen und mit Ausdauer sich unveränderlich an ihm festhalten. Und so wird sie gleichsam von ihm aufgrund der Last ihrer Reue getragen und genießt seine Tröstung, Ps. 44,11f.: ›Höre Tochter und sieh und neige dein Ohr! Und weil der König nach deiner Schönheit verlangt hat!‹ 284 Oder diese Fabel kann gegen junge Mädchen angeführt werden: denn oft geschieht es, dass sie schöne Stiere, d.h. zügellose junge Männer, sehen, wenn sie zu Schauspielen oder zu öffentlichen Orten gehen, wo Scharen von Männern sich aufhalten.

8 – 9 Iupiter . . . deus Lo1V2V4BEp; Iupiter Pa8Tr; om. Iupiter . . . rationalem G. 10 rationalem Lo1Pa8V2Ep; om. rationalem BTr; humanam V4; om. G. 11 quam . . . habere Lo1Pa8BTrEp; quam ut amare posset G. 16 ruga Lo1V4BTrEp; iuga G; om. Pa8. 18 herbas Lo1Pa8V2TrEp; herbis G; herbam V4. 18 caritatem Lo1Pa8V4BTrEp; caritate G. 20 ergo ergo 24 sic Lo1Pa8V4BTrEp; sicut G. 25 per onus Lo1Lo2Pa8 ........ G. V2V4; per honus G; bonus B; per honus proni Tr; per eius paenitentiae austeritatem Ep.

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cros, id est iuvenes lascivos, et ab ipsis malis desideriis subito rapiuntur et per mare fluctuosum malarum temptationum ad litus peccati trahuntur et ab eis finaliter corrumpuntur. Idem verum est de malis consanguineis, qui se tauros albos ficte figurant, id est se bonos et castos fingunt. Et iuvencule, que ad ipsos consanguinitatis affectu accedunt, ab eis sub specie boni nequiter corrumpuntur; exemplum de Amon, qui sororem suam Thamar violavit, Reg. 13. 285 Ideo bene consulitur Ier. 9: In omni fratre non habeas fiduciam. Et sunt ad propositum: inimici hominis domestici eius. 286

Und plötzlich werden sie aus schlechtem Verlangen von ihnen ergriffen und über das stürmische Meer schlechter Versuchungen zum Strand der Sünde gezogen und von ihnen schließlich geschändet. Dasselbe trifft auch für schlechte Verwandte zu, die zum Schein die Gestalt weißer Stiere annehmen, d.h. sich als gut und keusch ausgeben. Und die jungen Mädchen, die sich ihnen mit verwandtschaftlicher Zuneigung nähern, werden von ihnen unter dem Anschein des Guten auf üble Weise geschändet. Ein Beispiel ist Amon, der seine Schwester Thamar vergewaltigte, 2. Reg. 13,11 ff. 285 Daher wird in Ier. 9,4 gut geraten: ›Vertraue keinem deiner Brüder.‹ Und zum Thema passt auch [Mt. 10,36]: ›die Feinde eines Menschen sind seine Hausgenossen.‹ 286

15 eius add. Ambrosius in omelia visitationis Marie: Discite, virgines, non circumcursare per alienas aedes, non commorari in plateis etc. Pa8. Cf. Anm. 286. 3 fluctuosum Lo1Pa8V4BTrEp; fructuosum G. 7 – 8 se . . . fingunt Lo1Pa8V2V4Ep; se bonos et castos se fingunt G; se fingunt homines castos Tr. 13 habeas GLo1Pa8V4BTr; habeat Ep/Vulg. 14 Et . . . propositum G; et sequitur V2Tr; et B; quia sicut scribitur Mat. X. Ep; om. V4.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

Liber tertius

Buch 3

Iamque deus posita fallacis imagine tauri se confessus erat etc. 287

Und schon hatte der Gott die trügerische Stiergestalt abgelegt, sich zu erkennen gegeben etc. 287

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Dicit Ovidius, 288 quod postquam Cadmus, filius regis Agenoris, mittitur de mandato patris querere Europam sororem eius raptam a Iove sub tali pacto, quod ad regnum patris perpetuo non rediret, nisi sororem perditam inveniret, ipse tandem in templo Phebi querens, quid faceret, audivit, quod bovem, qui numquam iugum traxerat, sequeretur et quod ubi bos ille sisteret, civitatem edificaret, quam a bove dictam Boeotiam nominaret. Et factum est ita et sic condita est civitas, que Boeotia nominata est, que modo Thebe dicitur. Moraliter

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Iste Cadmus potest significare Christum, qui de mandato patris venit in mundum querere sororem suam, id est animam humanam, quam Iupiter, id est diabolus, rapuit deo patri. Isti igitur bovi vel vacce, qui numquam iugum traxit, id est beate virgini, que numquam virum cognovit, se per in-

Ovid sagt, 288 dass Cadmus, der Sohn König Agenors, mit dem Befehl des Vaters ausgeschickt wird, seine Schwester Europa zu suchen, die von Jupiter geraubt worden war, und zwar unter der Bedingung, nur dann wieder in das Reich seines Vaters zurückzukehren, wenn er seine verlorene Schwester wiederfinde. Er fragte schließlich im Tempel des Phoebus, was er tun solle, und erfuhr, dass er einem Rind, das noch nie einen Pflug gezogen hatte, folgen und dort eine Stadt erbauen solle, wo jenes Rind Halt machen würde. Diese sollte er Boeotia nennen, abgeleitet von ›bos‹ [›Rind‹]. Und so geschah es, und so wurde die Stadt gegründet, die Boeotia genannt wurde; diese heißt jetzt Theben. Moralisierung Dieser Cadmus kann Christus bedeuten, der im Auftrag seines Vaters in die Welt kam, seine Schwester, d.h. die menschliche Seele, zu suchen, die Jupiter, d.h. der Teufel, Gottvater geraubt hat. Mit diesem Rind also oder mit einer Kuh, die noch nie einen Pflug gezogen hat, d.h. mit der seligen Jungfrau, die niemals einen Mann er-

1 Liber tertius Incipit liber tertius Mathemorforsceos Ovidii G; Tertius liber Methamorphosios incipit etc. Pa8; Prima fabula tertii li〈bri〉 Lo1; Incipit liber tertius Lo2V4; Liber tertius V2; Explicit liber secundus Methamorphoseos. Incipit tertius eiusdem Tr; Incipit tertius Metamorphoseos Ep; deest B. 23 – 187,2 Isti . . . ut codd.; iste igitur filius dei ex prediffinito consilio habito in templo Phoebi, id est solis superni sive patris luminum, inventam bovem, quae numquam iugum traxerat, scilicet virginem gloriosam, quae virum numquam cognoverat secutus et ei se per incarnationem associans ad locum venit, ut Ep. 14 – 15 Boeotiam Ep; Boetiam GLo1Pa8V2V4BTr.

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Erste Erzählung

17 Thebe V4Ep; Thebas G.

25 se Lo2Pa8V4TrEp; sic G.

LIBER III

carnationem associans ad certum locum venit, ut civitatem ecclesie edificaret, Gen. 8: Edificavit Noe altare domino.

kannte, verband er sich in der Inkarnation, und er kam an einen bestimmten Ort, um die Stadt der Kirche zu bauen, Gen. 8,20: ›Noe erbaute dem Herrn einen Altar.‹

Fabula secunda 289 5

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Dum Cadmus filius regis Agenoris pro invento loco civitatis edificande iuxta consilium dei Phebi agros et vineas salutasset, 290 misit socios suos in quoddam nemus, quod numquam cesum fuerat, querere aquas vivas, ut ipsas regratiando Iovi offerret. Ipsi autem socii dum fonte invento in quodam antro aquam haurirent, fuit ibi quidam serpens dictus Martius pro eo, quod Marti fuerat consecratus. Qui dictum nemus et fontem custodiebat, qui immense magnitudinis, crocei coloris 291 erat, qui dictos socios interfecit et eorum sanguinem linguens tandem a Cadmo veniente socios querere cum lancea est occisus.

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Moraliter

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Iste serpens significat diabolum, qui bene dicitur Martius, quia Marti deo belli, id est ad bellandum cum fidelibus a mundi principio, deputatus fuit, Ps.: Draco iste, quem formasti ad illudendum ei etc. Dico ergo, quod, cum intentio Cadmi, id est Christi, fuerit a principio edificare civitatem ecclesie, ipse pro fonte et gratiarum aqua haurienda misit socios suos, id est patriarchas

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Zweite Erzählung 289 Als Cadmus, der Sohn König Agenors, für das Finden des Ortes der Stadtgründung nach dem Rat des Gottes Phoebus den Feldern und Weinbergen seinen Gruß entboten hatte, 290 schickte er seine Gefährten in einen Hain, der noch nie gerodet worden war, frisches Wasser zu suchen, um dieses Jupiter als Dankopfer zu spenden. Als aber die Gefährten in einer Höhle eine Quelle gefunden hatten und Wasser schöpften, tauchte dort eine Schlange auf, die Martius hieß, weil sie Mars heilig war. Diese bewachte den besagten Hain und die Quelle; sie war von ungeheurer Größe und gelber Farbe, 291 und sie tötete die genannten Gefährten und, während sie noch ihr Blut aufleckte, wurde sie schließlich von Cadmus, der seine Gefährten suchen kam, mit dem Speer getötet. Moralisierung Diese Schlange bedeutet den Teufel, der zu Recht Martius genannt wird, da er für den Kriegsgott Mars, d.h. für den Kampf mit den Gläubigen vom Anbeginn der Welt an, bestimmt war, Ps. 103,26: ›Der Drache, den du geschaffen hast, um ihn zu verhöhnen,‹ etc. Ich sage also, weil es von Anfang an die Absicht von Cadmus, d. h. von Christus, war, die Stadt der Kirche zu erbauen, dass er seine Gefährten, d.h. die Patriarchen und

4 Fabula secunda III,2–3 Ep. 2 Gen. 8 Gen. 9 G. 7 dei Phebi V2BTrEp; dee Palladis GLo1Lo2Pa8V4. 7 salutasset Lo1Lo2V2BTrEp; perlustrasset G; seminasset Pa8; fabricasset V4. 10 regratiando Lo1Lo2V2BTrEp; regraciendo G. 11 quodam Lo1Pa8V2V4TrEp; quoddam GB. 12 haurirent Lo1V2V4BTrEp; hauriret G. 18 socios Lo1Pa8V4BTrEp; et socios G. 28 – 29 et . . . haurienda GLo1V4; et aqua gratiarum acquirenda et haurienda V2Tr; aquarum gratiarum hauriendo Ep.

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et prophetas, ad silvam huius mundi. Sed ipsi gratie aquam minime reportantes Martio serpente eis prestante impedimentum omnes per peccatum occisi fuerunt et sub dominio istius serpentis ad inferos descenderunt, figurati in filiis Israel, quos in deserto serpentes occiderunt nec terram promissam 292 intrare potuerunt, unde Ier. 14: Ab aqua reportaverunt vasa sua vacua. Sed Cadmus, id est dei filius, sociis, id est patriarchis et prophetis suis mortuis condolens dictum serpentem ipsos sub se tenere et eorum sanguinem lingere, id est eorum nece delectari, videns armavit se lorica nostre mortalitatis et cum lancea crucis. Cum eo taliter dimicavit, quod ipsum vicit et occidit et in inferno reclusit et ligavit, Is. 51: Numquid tu percussisti superbum, vulnerasti draconem? Sed Cadmus postquam occidit serpentem, accepit dentes illius et in agro seminavit iuxta consilium dee Palladis, ita quod de dentibus illius segetes clipeatorum militum orte fuerunt. Qui dentes in armatos milites sunt mutati, qui paulatim et successive de terra nascentes totum campum impleverunt et inde armati exercitus prodierunt. 293 Sic Christus de corpore istius serpentis diaboli, id est de congerie malorum, mul-

Propheten, in den Wald dieser Welt schickte, an der Quelle vom Wasser der Gnade zu schöpfen. Diese aber brachten das Wasser der Gnade nicht mit, und sie wurden alle von der Schlange Martius, die sie daran hinderte, durch ihre Sünde getötet, und unter der Herrschaft dieser Schlange stiegen sie hinab in die Unterwelt. Präfiguriert sind sie in den Söhnen Israels, die die Schlangen in der Wüste töteten und die deswegen das gelobte Land 292 nicht betreten konnten. Daher sagt Ier. 14,3: ›Vom Wasser brachten sie ihre Gefäße leer zurück.‹ Cadmus aber, d.h. der Gottessohn, empfand Schmerz angesichts seiner toten Gefährten, d.h. der Patriarchen und Propheten, und, als er sah, dass die genannte Schlange sie unter sich festhielt und ihr Blut leckte, d.h. sich an ihrem Tod erfreute, bewaffnete er sich mit dem Panzer unserer Sterblichkeit und mit der Lanze des Kreuzes. Er kämpfte so mit ihr, dass er sie besiegte und tötete, sie in der Unterwelt einschloss und fesselte, Is. 51,9: ›Hast nicht etwa du den Hochmütigen durchbohrt, den Drachen verletzt?‹ Aber nach der Tötung der Schlange nahm Cadmus ihre Zähne und säte sie nach dem Rat der Göttin Pallas auf einem Feld aus, so dass aus ihren Zähnen die Saat schildtragender Soldaten aufging. Diese Zähne verwandelten sich in bewaffnete Soldaten, die allmählich und nach und nach aus der Erde wuchsen und das ganze Feld ausfüllten, und daraus gingen bewaffnete Kohorten hervor. 293 So riss Christus aus dem Körper dieser Teufelsschlange, d.h. aus der Menge der Bösen, durch Bekehrung viele Glieder und

1 mundi GPa8V4; mundi, que necdum per poenitentiam aut per fidem cesa fuerat sive culta Lo1Lo2V2TrEp cum min. var. text. 3 serpente pente G, sed add. ser- supra lin. 7 – 8 terram promissionis Lo1Pa8 V4BTrEp; terram pmissam G. 17 Is. 51 Is. 15o G. 18 Numquid tu GLo1Tr; sicut tu Pa8; Numquid non tu Lo2V2V4B/Vulg.; Numquid non Ep. 20 – 21 Sed . . . serpentem G; et sic secundum eundum Ovidium iste Cadmus V4Ep. 25 – 26 qui . . . nascentes Lo1Lo2V2BTrEp; paulatine, qui G; qui paulatim et successive nati in terra Pa8; qui paulatim, id est successive de terra lac. V4. 28 – 29 serpentis diaboli, id est Lo1Lo2V4BEp; serpentis, id est diaboli G; serpentis diaboli scilicet B; serpentis, id est diaboli, scilicet Pa8Tr.

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ta membra et multos dentes, id est multas malas personas, ad devorandum homines paratas per conversionem avulsit et ipsas per fidem in agro ecclesie seminavit. Qui tandem in milites armatos mutati fuerunt, inquantum tales fortes contra tyrannos apparuerunt, sicut de Paulo apparuit, qui primo fuit dens diaboli ad devorandum fideles, deinde factus est miles Christi strenuissimus pro fide ipsius martyrium sustinendo, Tim. 2: Labora sicut bonus miles Christi.

viele Zähne, d.h. viele schlechte Personen, die bereit waren, Menschen zu verschlingen, und er säte sie durch den Glauben auf dem Feld der Kirche aus. Diese verwandelten sich schließlich in bewaffnete Soldaten, sofern sich solche tapfer gegenüber Tyrannen zeigten, so wie es bei Paulus offenbar wurde, der zunächst ein Zahn des Teufels war, Gläubige zu verschlingen, dann aber zu einem der tüchtigsten Soldaten Christi wurde, indem er für seinen Glauben das Martyrium ertrug, 2. Tim. 2,3: ›Leide wie ein guter Soldat Christi.‹

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Erat quidam maximus et summe horribilis serpens in quadam silva dictus Martius, qui dentium tres ordines et tres linguas in ore habebat, quibus continue multos occiderat et continue comedebat. Dicitur tamen ibi, 295 quod dentes illius serpentis in terra seminati fuerunt et de ipsis nati sunt milites galeati, quorum alterum alter occidebat. Nam primo apparuerunt ferra lancearum nascentia, tandem ligna, tandem capita militum, tandem corpora cum armis, tandem scuta et pharetre cum ensibus et cum telis. Isti igitur milites de serpentis dentibus procreati ceperunt se invicem percutere et alter alterum trucidare. Moraliter

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Iste serpens Marti dedicatus significat detractores, qui Marti deo belli dedicati dicuntur eo, quod circa bonos per invidiam

Dritte Erzählung 294 In einem Wald gab es eine überaus schreckliche Riesenschlange mit Namen Martius, die drei Zahnreihen und drei Zungen in ihrem Maul hatte, mit denen sie unaufhörlich viele getötet hatte und sie einen nach dem andern verschlang. Es heißt dort aber, 295 dass die Zähne jener Schlange in die Erde gesät worden sind und aus ihnen behelmte Soldaten erwuchsen, von denen der eine den anderen tötete. Denn zuerst erschienen die Eisenspitzen der Lanzen, die herauswuchsen, dann die Schäfte, dann die Köpfe der Soldaten, dann die Körper mit den Waffen, schließlich die Schilde und Köcher mit Schwertern und Pfeilen. Nun begannen diese Soldaten, die aus den Zähnen der Schlange hervorgegangen waren, einander zu verwunden und der eine den anderen totzuschlagen. Moralisierung Diese Schlange, die Mars geweiht ist, bedeutet die Verleumder, die dem Kriegsgott Mars Geweihte heißen, weil sie aus Neid

13 Fabula tertia III,4 Ep; III,3–8 deest L. 7 apparuit V2TrEp; appuit G; apparuerunt Lo1Lo2B; patet V4; om. Pa8. 11 Tim. 2 Tim. 3 G. 15 serpens om. G, sed add. in marg. 21 milites cet.; g milites G, sed del. g; homines armati et Tr. 23 nascentia GPa8V4Ep; nascentium LLo1Lo2V2BTr. 25 pharetre BTrEp; pharetra GV4. 31 dedicati Lo1Pa8V4BTrEp; dedicari G.

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semper bellant, serpentes dicuntur propter tortuosam fallacitatem, Martiani propter insidiosam nocivitatem, venenosi propter infamosam loquacitatem. Et sic figurari possunt in illo dracone magno rufo mulieri insidiante Apoc. 12. 296 Hi tres linguas habere dicuntur: tria scilicet genera blandientium verborum, quia mollis adulatio significat blandimentum triplex, quia tales primo solent laudare homines de vita, conscientia et fama, Mc. 16: Linguis locuntur novis. Sed iuxta istas tres linguas dicuntur tres ordines dentium habere, quia post adulationem solent detractores homines quantum ad ista tria diffamare, ledere et mordere, obloquendo de vita, conscientia et fama, figurati in illa bestia Dan. 7, que tres ordines dentium in ore habebat; et ideo tales milites dicuntur multos occidisse, quia per varios modos detractionis multas bonas personas diffamant, Prov. 7: Multos vulneratos deiecit et fortissimi quique ab ea interfecti sunt. Ideo finaliter dicitur, quod de dentibus eorum nascuntur milites se invicem occidentes. Et sepe fit, quod quando dentes ipsorum, id est verba detractoria, seminan-

stets gegen die Guten kämpfen; Schlangen heißen sie wegen ihrer gewundenen Falschheit, Martiani wegen ihrer hinterlistigen Schädlichkeit, voller Gift wegen ihrer berüchtigten Schwatzhaftigkeit. Und so können sie in jener ›großen roten Schlange‹ bildlich dargestellt sein, die der Frau nachstellt, Apoc. 12,3. 296 Diese sollen drei Zungen haben, nämlich drei Arten von Nachdem-Mund-Reden, weil die weiche Schmeichelrede eine dreifache Schmeichelei bedeutet, da solche Leute die Menschen bezüglich ihrer Lebensweise, ihrer Überzeugung und des guten Rufs zuerst zu loben pflegen, Mc. 16,17: ›Sie sprechen in neuen Zungen.‹ Aber neben diesen drei Zungen sollen sie drei Zahnreihen haben, weil die Verleumder nach der Schmeichelei die Menschen in diesen dreien zu verunglimpfen, verletzen und kränken pflegen, indem sie über ihre Lebensweise, ihre Überzeugung und den guten Ruf das Gegenteil verbreiten. Präfiguriert werden sie in jenem Ungeheuer von Dan. 7,5, das ›drei Zahnreihen in seinem Maul hatte‹, und deshalb sollen solche Soldaten viele Menschen getötet haben, da sie auf verschiedene Arten der Verleumdung viele gute Personen verunglimpfen, Prov. 7,26: ›Viele Verwundete warf sie zu Boden und gerade die Tapfersten wurden von ihr getötet.‹ Daher sollen schließlich aus ihren Zähnen Soldaten entstehen, die sich gegenseitig töten. Und oft geschieht es, dass die Menschen zu den Waffen greifen und zu Kämpfen und wechselseitigem Morden untereinander getrieben werden, wenn ihre Zähne, d.h. die verleumderischen Worte, ausgesät

2 tortuosam fallacitatem LLo1Lo2V2Ep; tortuosam falsitatem G; turtuosam familiaritatem Pa8V4; tortuositatem fallacitatis Tr. 5 – 6 insidiante Lo1Lo2BTrEp; insidianti GPa8V2V4. 7 – 8 blandientium GLo1Pa8V4BTr; blandentium Ep. 8 – 9 quia . . . triplex G; que, quia est mollis, adulationis significat blandimentum Lo2Pa8V2 V4Ep; quia lingua, que est mollis, adulationis significat blandimentum B; quia lingua, que est mollis, significat adulatorum blandimenta Tr; om. Lo1. 11 Mc. 16 Act. 2o G. 19 occidisse occisse G, sed corr. et add. -di supra lin. 22 quique cet. codd. et Ep/Vulg.; qui G. 25 fit Lo1Pa8V2V4BTrEp; om. G 26 ipsorum Lo1 Lo2V2; ipsos G; eorum Pa8V4; istorum BTr; impiorum Ep.

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tur et illis, quos diffamaverant, enarrantur, homines arma sumunt et ad lites et occisiones inter se invicem inducuntur, Eccli. 28: Susurro et bilinguis maledictus erit; multos enim conturbavit pacem habentes.

und jenen, die sie verleumdet hatten, berichtet werden, Eccli. 28,15: ›Der Verleumder und Doppelzüngige soll verflucht sein; denn viele, die in Frieden lebten, hat er verwirrt.‹

Fabula quarta

Vierte Erzählung

Ponit Ovidius libro tertio 297 , quod Acteon quondam fuit quidam nobilis venator de genere Agenoris, qui, dum in quadam venatione fessus spatiaretur in silva, casu venit ad fontem pulcerrimum, ubi dea venationis Diana solebat aliquotiens se lavare. Cum ergo casu venisset, invenit deam cum suis nymphis nudas se balneantes in fonte cum urna aurea aquam super dee humeros infundentes. Que omnes verecundate pro eo, quod nude vise erant, inceperunt nymphe deam cum suis corporibus tegere, unde ea nihil ab Acteon videretur. Sed dea nolens, quod Acteon de nuditate sua aliis aliquid revelaret, mutavit eum in cervum et sic Acteon factus est silvestris.

Im dritten Buch erzählt Ovid, 297 dass Actaeon einst ein edler Jäger aus dem Geschlecht des Agenor war. Als dieser von der Jagd ermüdet durch den Wald streifte, gelangte er durch Zufall an eine herrliche Quelle, wo die Göttin der Jagd, Diana, öfter zu baden pflegte. Als er also durch Zufall dorthin gekommen war, entdeckte er die Göttin mit ihren Nymphen, die nackt in der Quelle badeten und mit einem goldenen Krug Wasser über die Schultern der Göttin gossen. Die Nymphen, die sich schämten, dass sie nackt gesehen worden waren, begannen alle die Göttin mit ihren Körpern zu verdecken, so dass sie von Actaeon gar nicht gesehen werden konnte. Aber da die Göttin nicht wollte, dass Actaeon anderen etwas von ihrer Nacktheit enthüllte, verwandelte sie ihn in einen Hirsch, und so wurde Actaeon ein Tier des Waldes.

Moraliter

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Ista possunt dici de multis dominabus, que secrete in fonte deliciarum cum suis domicellis faventibus et ministrantibus se lavare et se impudice nudare consueverunt. Nullo tamen modo volunt, quod nuditas sua, id

Moralisierung Dies kann man von vielen Herrinnen sagen, die heimlich in der Quelle der Freuden mit den Mädchen ihres Gefolges, die ihnen gewogen sind und ihnen dienen, zu baden und sich unzüchtig zu entblößen pflegten. Dennoch wollen sie auf keinen Fall, dass ihre Nacktheit, d. h. die Wahrheit über

6 Fabula quarta III,5 Ep. 1 illis . . . diffamaverant V4Ep; aliis G; aliis, quos diffamaverant BTr. 3 inter se invicem GPa8V4; inter se acriter Lo1; inter se Ep; om. BTr. 3 inducuntur Lo1Ep; occiduntur G; abducuntur Pa8V4; convertunt B; convertuntur Tr. 3 Eccli. 28 Eccli. 2o G. 4 Susurro Lo1Pa8V4BTrEpVulg.; susurrio G. 7 Acteon Lo1Ep; Achion G; Acheon V2; Athion V4; Atheon BTr. 17 vise V4BTrEp; om. G 17 erant V4; essent G; sunt BTr; fuerant Ep. 17 – 18 inceperunt . . . corpus dee tegere Lo1V4BTrEp; cohoperuerunt nymphe deam cum suis corporibus G. 18 – 19 unde . . . videretur G; om. Lo1Pa8V4BTrEp. 27 nudare Lo1V2V4BTrEp; mundare G; denudare Pa8.

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est vitiorum suorum veritas, videatur. Et ideo, quando in casu aliquo inveniuntur, valde verecundantur et tunc ab ipsis nymphis, id est puellis et domesticis, cooperiuntur et excusantur, quamvis factum sit turpe et aliis denudatum. Sepe tamen fit, quod tales suos inventores cervinos, id est cornutos et divites, faciunt et sic de eis loquendi potentiam tollunt, Ez. 16: Ecce nuda es et confusione plena et transiens per te vidi te. Vel dic, quod dea venationis est avaritia, que cum nymphis suis, id est aliis vitiis sibi ministrantibus, sicut abstinentia, parcitate, sollicitudine, in fonte mundane prosperitatis solet continue se lavare. Acteon significat usurarios et avaros, qui cum canibus suis, id est suis adiutoribus et fautoribus, feras silve mundi huius, id est ceteros homines, depredantur et inde felicitate prospera perfruantur, Ez. 19: Vidi capere predam hominesque devorare. Cervus, qui est animal cornutum, superbum et elatum significat nobiles et superbos, qui ubicumque discurrunt. Dea igitur venationis, id est avaritia, Acteon in cervum mutavit, quia sepe convenit, quod Acteon, id est usurarius, per avaritiam dives factus, cervus, id est miles, efficitur et mutata prima forma iam nuditatem dee, id est utilitatem avaritie, tunc conqueri et dicere dedignatur, sed cum aliis cervis, id est nobilibus, superbe discurrere solet et se nobilem presentare.

ihre Laster, gesehen wird. Und wenn sie durch irgendeinen Zufall entdeckt werden, schämen sie sich sehr und werden dann von denselben Nymphen, d. h. ihren Mädchen und Dienerinnen, bedeckt und entschuldigt, mag auch ihr Handeln schändlich und anderen offenbart sein. Dennoch geschieht es oft, dass solche ihre Entdecker zu Hirschen, d. h. gehörnt und reich, machen und ihnen so die Möglichkeit zu sprechen nehmen, Ez. 16,7 f.: ›Siehe, du bist nackt und voll Verwirrung und, als ich an dir vorbeiging, sah ich dich.‹ Oder sag, dass die Göttin der Jagd die Habgier ist, die mit ihren Nymphen, d.h. mit den anderen Lastern, die ihr dienen wie Magerkeit, Knauserigkeit und Sorge, in der Quelle weltlichen Wohlstands beständig zu baden pflegt. Actaeon bedeutet die Wucherer und Gierigen, die mit ihren Hunden, d. h. mit ihren Helfern und Gönnern, die Waldtiere dieser Welt, d.h. die übrigen Menschen, ausplündern und dadurch materielles Glück genießen, Ez. 19,3: ›Ich sah ihn die Beute fassen und Menschen verschlingen.‹ Der Hirsch, der ein gehörntes, stolzes und hochmütiges Tier ist, bedeutet die Adligen und Stolzen, die überall umherlaufen. Die Göttin der Jagd also, d.h. die Habgier, verwandelte Actaeon in einen Hirsch, weil es oft zutrifft, dass Actaeon, d.h. ein Wucherer, durch die Habgier reich gemacht, ein Hirsch wird, d. h. ein Ritter, und dann nach der Verwandlung seiner früheren Form es verschmäht, die Nacktheit der Göttin, d.h. den Nutzen der Habgier, zu beklagen und weiterzusagen; vielmehr pflegt er mit den anderen Hirschen, d. h. mit Edelleuten, hochmütig umherzulaufen und sich als Adliger zu präsentieren. Sol-

13 – 14 abstinentia, parcitate, sollicitudine Pa8; abstinentia, parcitas, solitudo GV4; abstinentia parcitas sollicitudo Lo1Lo2V2BTr; tenacitas sorditas sollicitudo Ep. 16 qui Lo1Pa8V4BTrEp; que G. 17 adiutoribus Lo1V4TrEp; cravictoribus G; coadiutoribus V2B. 18 ceteros Lo1V2V4BTrEp; certos grossos G. 20 Ez. 19 Ez. 18 G. 29 nuditatem Lo1Pa8V4BTrEp; nuditate G. 30 conqueri et dicere G; dicere Pa8V2V4; sequi et dicere Lo2BTr; sequi et videre Ep. 32 solet Pa8V4Ep; om. GLo1Lo2V2BTr.

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Sed tales finaliter a canibus comeduntur, quia communiter tales rustici non nati, sed facti nobiles solent a canibus, id est tyrannis et principibus, devorari vel in se vel in suis heredibus paupertate et inopia lacerari, Is. 33: Ve, qui predaris! Nonne et ipse predaberis? Et Ier. 30 dicitur: Omnes predatores tuos dabo in predam. Fabula quinta 298

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Cum Acteon venator infinitam multitudinem canum nutriret, accidit autem, quod casu venit in silvam et locum, ubi in fonte Diana virgo dea silvarum et tenebrarum balnearetur. Ipse autem videns eam nudam in cervum mutatus est ab ea. Comites vero sui, qui post ipsum veniebant, invenientes ipsum in cervum mutatum eum non cognoscentes ceperunt contra eum canes excitare, qui statim ipsum ceperunt atrociter lacerare, quamvis ipse in corde suo eis diceret, quod ipse esset eorum dominus Acteon nec cessaret flebiliter proclamare dicens: Acteon ego sum, dominum cognoscite vestrum, sed canes reclamatione nulla obstante ipsum Acteon suum dominum comederunt.

che aber werden schließlich von den Hunden gefressen, da solche Bauern, die im allgemeinen nicht als Adlige geboren, sondern zu solchen gemacht werden, gewöhnlich von den Hunden, d.h. von Tyrannen und Fürsten, verschlungen, entweder selbst oder in ihren Erben, und durch völlige Armut zerfleischt werden, Is. 33,1: ›Wehe dir, der du mit Raub Beute machst! Wirst nicht auch du selbst beraubt werden?‹ Und Ier. 30,16 heißt es: ›Alle deine Räuber werde ich dir zur Beute geben.‹ Fünfte Erzählung 298 Als der Jäger Actaeon eine enorm große Schar von Hunden hielt, geschah es, dass er durch Zufall in den Wald und an einen Ort kam, wo die Jungfrau Diana, die Göttin der Wälder und der Dunkelheit, in einer Quelle badete. Weil er sie aber nackt sah, wurde er von ihr in einen Hirsch verwandelt. Seine Begleiter aber, die ihm mit den Hunden folgten, fanden ihn in einen Hirsch verwandelt und, da sie ihn nicht erkannten, fingen sie an, die Hunde auf ihn zu hetzen, die ihn sofort schrecklich zu zerreißen begannen, obgleich er ihnen in seinem Herzen sagte, dass er ihr Herr Actaeon sei, und nicht nachließ, weinend zu rufen und zu sagen: Ich bin Actaeon, erkennt doch euren Herrn. Da die Hunde aber kein Zurückrufen hinderte, fraßen sie Actaeon, ihren eigenen Herrn, auf.

9 Fabula quinta III,6 Ep. 5 paupertate et inopia Lo1Lo2V4TrEp; et paupertatis inopia G; in ecclesia B. 6 Ve Lo1Pa8V4BTrEp; ut G. 7 Ier. 30 Zach. 2 G. 8 tuos Lo1Lo2V2BTrEp; suos GPa8V4. 11 – 14 quod . . . balnearetur Lo2; similiter codd. et Ep; quod cum venisset in silvam et vidisset Dianam, que erat dea silvarum et tenebrarum et in fonte balnearetur G. 15 in Lo1Pa8V2V4BTrEp; inde G. 15 Comites Lo2V2BTrEp; canes GPa8V4; comes Lo1. 16 post . . . veniebant Lo1Lo2V2BTr; post ipsum veniebant GPa8V4; ipsum vocabant Ep. 16 invenientes codd.Ep; videntes G. 17 ipsum . . . mutatum codd.Ep; eum cervum G. 18 – 19 canes excitare Lo1Lo2 V2Ep; incitari G; excitari Pa8V4; canes suos excitare BTr. 19 qui statim V4BTr; et G; et statim Lo1Ep. 19 ceperunt atrociter V4BTr; atrociter GLo1Ep. 20 – 21 eis diceret BTrEp; eis GLo1Lo2Pa8V4. 22 nec TrEp; non GLo1Pa8V2V4B. 22 – 24 proclamare . . . vestrum] Lo1Lo2Pa8V2V4BTrEp; preclamare G, om. dicens . . . vestrum G; cf. Ov. Met. 3,230. 24 reclamatione G; allegatione predicta Lo1Lo2V4BTrEp.

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Iste Acteon significat dei filium, qui una cum comitibus suis, patriarchis et prophetis, canes plurimos, id est Iudeorum populum, congregavit, qui per rabiem crudelitatis dici canes a principio potuerunt, Ps.: Famem patientur ut canes. Ipsorum autem ductor fuit Acteon, quia a principio iste populus, scilicet Iudaicus, fuit sibi peculiaris, Am. 3o : Tamen vos cognovi ex omnibus cognationibus terre. Ista dea, que erat virgo, significat virginem gloriosam, que tenebrarum, id est peccatorum, et silvarum, id est istius mundi, propter suam ineffabilem misericordiam dicitur gubernatrix. Ipsa enim est luminare minus, quod preest nocti. 299 Dico ergo, quod iste Acteon ducens et regens canes, id est populum Iudeorum, a casu, id est occulta dei providentia, venit ad silvam istius mundi, ubi in fonte misericordie Diana, id est Maria, cottidie se lavabat. Istam igitur Dianam videns, id est isti tenerrime se coniungens, per ipsam in cervum, id est hominem, est mutatus. Ipsa enim ipsum mutavit, inquantum in sua incarnatione ipsa materiam ministravit, quando verbum caro factum est. Sed sic mutatus a canibus suis, id est populo Iudeorum, et a suis comitibus, id est principibus sacerdotum, non est cognitus, quia in propria venit et sui eum non receperunt. Immo comites sui, id est principes sacerdotum, populum con-

Actaeon bedeutet den Gottessohn, der zusammen mit seinen Gefährten, mit den Patriarchen und den Propheten, zahlreiche Hunde, d. h. das Volk der Juden, versammelte, die wegen der wütenden Grausamkeit von Beginn an Hunde genannt werden konnten, Ps. 58,7: ›Sie werden Hunger leiden wie die Hunde.‹ Ihr Anführer aber war Actaeon, weil ihm von Beginn an dieses Volk, nämlich das jüdische, ein ganz besonderes war, Am. 3,2: ›Jedoch habe ich euch aus allen Geschlechtern der Erde erkannt.‹ Die Göttin bedeutet die glorreiche Jungfrau, die wegen ihres unsagbar großen Erbarmens die Regentin der Dunkelheit, d. h. der Sünder, und der Wälder, d.h. dieser Welt, genannt wird, Denn sie ist ›das kleinere Licht, das der Nacht vorsteht‹ [Gen. 1,16]. 299 Ich sage also, dass dieser Actaeon, der die Hunde, d.h. das Volk der Juden, führt und lenkt, durch Zufall, d. h. durch die verborgene Vorsehung Gottes, zum Wald dieser Welt kam, wo sich im Quell des Erbarmens Diana, d.h. Maria, täglich badete. Als er also diese Diana sah, d. h. sich ihr aufs zärtlichste verband, wurde er von ihr in einen Hirsch, d.h. einen Menschen, verwandelt. Denn sie verwandelte ihn, sofern sie ihm in seiner Inkarnation den Stoff darreichte, als ›das Wort Fleisch wurde‹ [Io. 1,14]. So verwandelt aber wurde er von seinen Hunden, d.h. vom jüdischen Volk, und von seinen Gefährten, d.h. von den Hohepriestern, nicht erkannt, weil er ›in sein Eigentum kam und die Seinen ihn nicht aufnahmen‹ [Io. 1,11]. Vielmehr hetzten seine Gefährten, d.h. die Hohepriester, das Volk gegen ihn

8 – 9 quia . . . peculiaris G; a principio, qui fuerat sibi populus peculiaris Lo1V2; quia fuerat sibi a principio populus peculiaris Lo2V4Ep; quia scilicet a principio nulla fuit natio, que deo crederet et obediret nisi iudaica (Iudei B) BTr. 9 Iudaicus coni.; iudicatus G. 10 vos cognovi Lo1Pa8V4BTrEp; cognovi G. 11 que erat virgo Lo1V2V4BTrEp; om. G. 16 minus Pa8V4BTrEp; unus G. 25 mutavit Pa8V2V4BTrEp; venavit G. 26 ipsa GLo1Pa8V2B; ipsam TrEp; sibi V4. 28 Iudeorum Lo1V2V4BTrEp; Iudorum G; om. Pa8.

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tra eum excitaverunt et ipsum finaliter occiderunt, Tob. primo: Occiderunt regem filii eius in domo sua. 300 Vel potest dici de divitibus, qui magnam habent et canum et hominum comitivam. Quos dea silve, id est fortuna, que silvam huius mundi gubernat, quandoque mutat in cervos, id est in pauperes et mendicos, et tunc ipsi comites et canes, id est proprii amici et famuli, qui ipsos primo sequebantur, eos cognoscere dedignantur, immo, quod peius est, contra eos eriguntur et verbis asperis debacchantur, Prov. 19: Fratres pauperis hominis oderunt eum. Fabula sexta 301 Cum Iupiter adamasset Semelen, que erat de genere Agenoris, impregnavit eam et genuit ex ea deum Bacchum. Iuno igitur ignorante marito suo Iove videns Semelen impregnatam transformavit se in speciem unius vetule, que Semeles erat nutrix, Beroes scilicet. Monuit ergo eam, ne alius nomine Iovis concubuisset cum ea, quia multi, sic dicebant, nomine deorum thalamos iniere pudicos, 302 et ideo prima vice, qua Iupiter

auf und töteten ihn schließlich, Tob. 1,24: ›Seine Söhne töteten den König in seinem Haus.‹ 300 Oder es kann von den Reichen gesagt werden, die eine große Gefolgschaft an Hunden und an Menschen haben. Bisweilen verwandelt die Göttin des Waldes, d.h. Fortuna, die den Wald dieser Welt regiert, diese Reichen in Hirsche, d.h. in Arme und Bettler, und dann weigern sich die Gefährten und Hunde, d. h. ihre eigenen Freunde und Diener, die ihnen zuvor folgten, sie zu erkennen, vielmehr, was schlimmer ist, erheben sie sich nun gegen sie und wüten mit harschen Worten gegen sie, Prov. 19,7: ›Die Brüder des Armen hassten ihn.‹ Sechste Erzählung 301 Weil Jupiter Semele liebte, die aus dem Geschlecht Agenors stammte, schwängerte er sie und zeugte mit ihr den Gott Bacchus. Als Juno aber nun – ohne das Wissen ihres Gatten Jupiter – sah, dass Semele schwanger war, verwandelte sie sich in die Gestalt einer alten Frau, nämlich Beroes, die die Amme der Semele war. Sie ermahnte diese also [zu prüfen], dass nicht ein anderer unter Jupiters Namen mit ihr geschlafen hätte, da ›viele‹, so sagt man, ›unter dem Namen von Göttern in keusche Gemächer eingedrungen sind.‹ 302 Und deshalb solle sie,

14 oderunt eum add. quia breviter illi, qui hominem secuntur, dum est in prosperitate, solent eum persequi et mordere, dum est in adversitate. Tren. primo: Omnes amici eius spreverunt eam, facti sunt enim inimici. Vel dic, quod iste Atheon significat peccatores, magistros canum, id est detractorum et aliorum malorum, qui propter misericordiam Diane, id beate Marie virginis quandoque in cervos, id est in viros benignos, silvestres et religiosos convertuntur, ita quod tunc a canibus, id est a suis vel ipsis detractoribus, quos prius dilexerant, lacerantur et crudeliter vulnerantur. BTr cum min. var. lect. 15 Fabula sexta III,7 Ep. 9 comites Lo1Pa8V2V4BTrEp; comites cornutos G. 12 quod . . . est Lo1V2V4Pa8BTrEp; om. G. 12 eos dupl. eos G. 20 – 21 unius vetule Lo1Lo2Pa8Ep; unius G; illius vetule V4; Boroe vetule V2B; Bereth vetule Tr. 21 – 22 Beroes scilicet Ep; scilicet vetule G; om. Lo1Lo2Pa8V2V4BTr. 23 – 24 sic dicebant Lo1Lo2B; dicebantur Iovi G; sic dicebant Versus V2; sic dicebantur V4; sicut dicebat Tr; om. Pa8Ep. 24 iniere Lo2Pa8 V2V4Ep; unire G; inire Lo1; ingerere B; irruere Tr.

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veniret ad ipsam, unum donum in genere postularet. Quo concesso peteret, ut talis ac tantus et in tali forma coniungeretur cum ipsa, qualis et quantus coniungeretur cum Iunone. Credidit Semele simulate nutrici. Venit Iupiter, petit donum ista. Conceditur a Iove et confirmatur Stygio iuramento, declarat ipsa petitionem predictam. Quod audiens Iupiter et condolens, sed iuramentum frangere non valens statim affuit cum ignibus et tonitruis et concremavit Semelen. Et sic deceptione Iunonis in vetulam transformate ipsa petiit illud, quod sibi nociturum erat. Iupiter hic accipitur pro aere superiori, Iuno pro aere inferiori, in quorum coniunctione fiunt ignes et tonitrua, de quibus Semele non cavebat. Moraliter

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Ista possunt dici contra proditores, qui scilicet more Iunonis invidi, quando volunt Semelen, id est aliquam personam, in aliquo impedire vel decipere, transformant se in nutricem suam, id est fingunt se benivolos et amicos, et sic sub specie amicitie consulunt facere illud, propter quod tribulationibus et adversitatibus postea deprimuntur. Bene igitur consulitur Io. 4: Nolite credere omni spiritui, sed probate spiritus, si ex deo sunt.

wenn Jupiter das nächste Mal zu ihr komme, ein Geschenk ohne nähere Angabe verlangen. Auf sein Zugeständnis hin solle sie fordern, dass er sich in solch einer Weise und Größe und in solch einer Form mit ihr vereinige, in der er sich mit Juno vereinige. Semele schenkte der falschen Amme Glauben. Jupiter kommt, und sie erbittet ein Geschenk. Es wird ihr von Jupiter zugestanden und mit einem Schwur beim Styx bekräftigt. Sie äußert die Bitte, die ihr vorher gesagt worden war. Jupiter hört dies und empfindet Schmerz, aber weil er den Eid nicht brechen konnte, war er sogleich mit Feuer und Donner zur Stelle und verbrannte Semele. Und so hat diese, getäuscht durch Juno, die sich in eine alte Frau verwandelt hatte, sich jenes erbeten, was ihr selbst zum Schaden gereichte. Jupiter wird hier aufgefasst als die obere Luftschicht, Juno als die untere Luftschicht, bei deren Vereinigung Feuer und Donner entstehen, vor denen sich Semele nicht in Acht nahm. Moralisierung Dies kann man gegen Verräter sagen, die nämlich nach Art Junos eifersüchtig sind. Wenn sie Semele, d.h. irgendeine Person, bei etwas behindern oder täuschen wollen, verwandeln sie sich in ihre Amme, d.h. sie geben sich als wohlwollend und freundlich aus, und raten so unter dem Schein der Freundschaft dazu, das zu tun, was jene später in große Not und Bedrängnis bringt. Gut wird also in 1. Io. 4,1 geraten: ›Glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind.‹

5 simulate nutrici Lo2V2BEp; simulata nutrix GPa8V4; simulante nutrice Lo1. 7 Stygio Lo1V2V4BTrEp; prestito G; om. Pa8. 10 valens codd.; add. Sed iuramentum cum irritare non valeret, moestissimus altum aethera conscendit et Ep. 13 transformate Lo1Lo2V2V4Ep; transformante G; transmutata Pa8Tr; transformatam B. 17 tonitrua Lo1Pa8V2V4BTrEp; tonitria G. 18 Semele Ep; Semelen G; Semeles V2B; Semelis V4; Simelles Tr. 19 moraliter literaliter G. 21 invidi Lo1Pa8V4BEp; invide GTr; invidie V2. 26 – 27 tribulationibus et adversitatibus Lo1Pa8V4TrEp; tribulationem G; tribulationibus B. 28 Io. 4 Iac. 1 G. 29 spiritus Lo1 Pa8V4TrEp; specie G; om. B.

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Vel potest dici contra fatuos et simplices, qui maiora appetunt quam sint digni et statu proprio non contenti. Et ideo cum Iove, id est cum magnis, maiorem familiaritatem habere volunt, propter quam frequenter pereunt et ignibus tribulationum cremantur. Qui tamen, si in inferiori gradu mansissent, incolumes servarentur. Ideo dicitur Prov. primo: Stulti ea, que sunt noxia, sibi cupiunt. Fabula septima 303

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Cum Iupiter fulminasset Semelen, in qua genuerat Bacchum, noluit filium cum matre perire; ipsum de ventre eius extraxit et in suo femore inseruit et immisit et ibi eum usque ad complimentum novem mensium custodivit. Quem postea parturivit et propter hoc Bacchus bis genitus fuit dictus. Fuit etiam dictus ignigena, quia ab igne fuit raptus. Et ne a Iunone noverca posset inveniri, a nymphis Nyseidibus fuit in hedera involutus et in antris suis alitus et nutritus. Moraliter

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Per Bacchum, qui inebriat, intelligitur vera fides, que in fervore devotionis inebriat Christi servos. Per Semelen intelligitur populus Iudaicus, per nymphas intelligo populum gentilem et paganum. Dico ergo quod a principio Iupiter, id est deus, Seme-

Oder man kann es gegen die Törichten und Einfältigen sagen, die Größeres anstreben, als wessen sie würdig sind, und die mit ihrem eigenen Stand nicht zufrieden sind. Und deshalb wollen sie mit Jupiter, d.h. mit den Großen, einen engeren vertrauten Umgang haben, durch den sie dann häufig zugrunde gehen und im Feuer des Leidens vernichtet werden. Wenn diese aber in ihrem niederen Rang geblieben wären, wären sie unversehrt geblieben. Daher heißt es in Prov. 1,22: ›Die Dummen wünschen sich das, was ihnen schadet.‹ Siebte Erzählung 303 Als Jupiter Semele, mit der er Bacchus gezeugt hatte, mit dem Blitz erschlagen hatte, wollte er nicht, dass der Sohn mit der Mutter stürbe. Er holte ihn aus ihrem Bauch und fügte ihn in seinen Oberschenkel ein, schloss ihn ein und bewachte ihn dort bis zur Vollendung der neun Monate. Danach brachte er ihn zur Welt, und deshalb wurde Bacchus der zweimal Geborene genannt. Er hieß auch der Feuergeborene, da er dem Feuer entrissen wurde. Und damit er nicht von seiner Stiefmutter Juno gefunden werden konnte, wurde er von den Nymphen vom Berg Nysa in Efeu eingehüllt und in ihren Höhlen aufgezogen und ernährt. Moralisierung Unter Bacchus, der trunken macht, wird der wahre Glaube verstanden, der mit dem Feuer der Frömmigkeit die Diener Christi berauscht. Unter Semele wird das jüdische Volk verstanden, unter den Nymphen verstehe ich das fremde und pagane Volk. Ich sage also, dass seit Anbeginn Jupiter, d.h. Gott, Semele, d.h. die Syn-

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11 Fabula septima III,8 Ep. 12 fulminasset Lo1Pa8V4BTrEp; fluminasset G. 18 bis genitus Lo1Lo2V2BTrEp; deus V4; om. GPa8. 21 Nyseidibus V2BEp; insidibus G. 27 intelligo Lo1V4BTrEp; intellige Pa8; om. G.

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len, id est synagogam, Baccho, id est fervore fidei, impregnavit ipsamque fidem ipsi soli tradidit, Am. 3: Tamen vos cognovi ex omnibus cognationibus terre. Modo Semele ista conversa est in arcum pravum 304 Christum occidendo et infidelitatem incurrendo; ideo ab ipso deo inflammata est. Bacchus autem iste, id est virtus fidei, ab ipsa tollitur et nymphis Nyseidibus, id est populis gentilibus, est traditus et commissus. Constat enim, quod deus pater fidem catholicam a populo Iudeorum abstulit ipsamque gentili populo commisit, qui ipsam gratanter accepit et in hedera semper virenti, id est in philosophia et gentili scientia, ipsam vestivit et ornavit, ita quod ex tunc ipsa gentilitas ipsi Baccho, id est fidei, suam hederam, id est suas philosophicas scientias, dedicavit, Mt. 21: Auferetur a vobis regnum et dabitur genti facienti fructum eius. Vel dic, quod Bacchus est Christus, qui dicitur ignigena et bis genitus, Dtn.: Deus noster ignis consumens est. Bis genitus a patre quoad divinitatem, a matre quoad humanitatem. Iste erat hedera involutus, id est carne humana, nymphis, id est sanctis animabus, traditus in sacramento altaris et ab ipsis devote per fidem suscipitur et lacte devotionis nutritur. Unde potest dicere pater

agoge, mit Bacchus, d.h. mit glühendem Glauben, schwängerte und ihr allein diesen Glauben anvertraute, Am. 3,2: ›Jedoch habe ich euch aus allen Geschlechtern der Erde erkannt.‹ Bald nun wurde diese Semele in einen ›schlechten Bogen gewendet‹ [Ps. 77,57] 304 dadurch, dass sie Christus tötete und in Unglauben geriet; deshalb ist sie von Gott verbrannt worden. Dieser Bacchus aber, d.h. die Kraft des Glaubens, wird ihr genommen und den Nymphen vom Berg Nysa, d.h. den heidnischen Völkern, übergeben und anvertraut. Denn es steht fest, dass Gottvater den katholischen Glauben dem jüdischen Volk wegnahm und ihn dem heidnischen Volk übergab, das ihn dankbar empfing und ihn mit immergrünem Efeu, d.h. mit der Philosophie und der heidnischen Wissenschaft, bekleidete und schmückte, so dass seitdem das Heidentum Bacchus, d.h. dem Glauben, seinen Efeu, d.h. seine philosophischen Wissenschaften, weihte, Mt. 21,43: ›Das Reich wird euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Frucht bringt.‹ Oder sag, dass Bacchus Christus ist, der feuergeboren und zweifach geboren genannt wird, Deut. 4,24: ›Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.‹ Zweifach geboren ist er, vom Vater hinsichtlich seines Gottseins, von der Mutter hinsichtlich des Menschseins. Er war eingehüllt in Efeu, d. h. in menschliches Fleisch, und wurde den Nymphen, d. h. den heiligen Seelen, im Sakrament des Altars übergeben und wird von ihnen andächtig im Glauben empfangen und mit der Milch der frommen Gesinnung ernährt. Daher kann der Vater oder die

19 dedicavit add. quapropter theologia ipsas scientias liberales tamquam suas domicellas vocavit ad artem ut dicit Sapientia. De hac enim fide loquens dominus Iudeis ait Tr. 9 Nyseidibus V2BEp; in sedibus G; in seydibus Lo1. 15 philosophia Lo1Lo2V2BTrEp; prophetia GV4. 19 Mt. 21 Mt. 5 G. 22 et Lo1BTrEp; id est GPa8V4. 22 Dtn. Deut. lac. G. 23 – 24 Bis . . . quoad Lo1 Lo2V2V4Ep; bis genitus est, quo a patre ad G; bis etiam genitus a patre quoad Lo1V2; bis genitus a deo patre etiam Pa8; bis etiam genitus dicitur a patre, scilicet quoad BTr.

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vel virgo illud Ex. 2o : Accipe puerum istum et nutri eum mihi et ego dabo tibi mercedem tuam.

Jungfrau jenes Wort aus Ex. 2,9 sagen: ›Nimm diesen Knaben und ernähre ihn für mich, und ich werde dir deinen Lohn dafür geben.‹

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Cum Bacchus, qui et Liber Pater dictus est, de Oriente triumphasset et per arenas Libye exercitum duceret et ultra modum sitiret nec aquas pro se et exercitu invenire posset, oravit Iovem, patrem suum, ut sibi et suis aquam daret. Iupiter autem in specie arietis sibi apparens terram pede percussit et desub eius pede fons vivus erupit. Quapropter in eodem loco ipsi Iovi templum edificavit, cuius imago in specie arietis in medio templi fuit. Dictusque est Iupiter Hammon, id est arenosus, pro eo quod in arenis apparuit. In templo autem istius arietis firmissima dabantur responsa. 306 Moraliter

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Ista possunt applicari ad beatum Clementem. 307 Vel dic, quod Liber cum exercitu suo significat beatum Petrum cum collegio apostolorum et aliorum sanctorum patrum. Istis enim sitientibus et aquam gratie petentibus apparuit Iupiter in specie arietis, id est dei filius in forma humane carnis, et eos donis et virtutibus adaquavit, Ps.: Interrupit petram in eremo.

Achte Erzählung 305 Als Bacchus, der auch ›Liber Pater‹ genannt wurde, über den Osten triumphiert hatte und sein Gefolge durch die Wüsten Libyens führte, über die Maßen durstig war und weder für sich noch für sein Gefolge Wasser finden konnte, bat er seinen Vater Jupiter, ihm und den Seinen Wasser zu geben. Jupiter aber erschien ihm in Gestalt eines Widders und durchschlug mit seinem Huf die Erde und unter seinem Fuß brach eine frische Quelle hervor. Deshalb erbaute er Jupiter an derselben Stelle einen Tempel. Sein Bildnis in Gestalt eines Widders befand sich in der Mitte des Tempels. Und er wurde Jupiter Ammon genannt, d.h. der Sandige, weil er in der Wüste erschien. Im Tempel aber dieses Widders wurden untrügliche Orakel erteilt. 306 Moralisierung Diese Dinge können auf den seligen Clemens angewandt werden. 307 Oder sag, dass Liber mit seinem Gefolge den seligen Petrus mit der Schar der Apostel und der anderen heiligen Väter bedeutet. Denn diesen erschien, als sie durstig waren und um das Wasser der Gnade baten, Jupiter in Gestalt eines Widders, d.h. der Gottessohn in der Gestalt eines Menschen, und er gab ihnen Wasser zu trinken in Gaben und Tugenden, Ps. 77,15: ›Er spaltete den Fels in der Wüste.‹

4 Fabula octava om. Ep. 6 et GLo2Pa8V4; et tandem Lo1V2; tandem BTr. 8 et Lo1Lo2V2B; nec GPa8V4Tr. 8 exercitu Lo1Pa8V4BTr; exeritu G. 9 posset GV4; valeret Lo1Lo2Pa8V2BTr. 9 Iovem Lo1Lo2Pa8V2BTr; om. GV4. 10 aquam Lo1 Pa8V2V4B; aquas GTr. 10 autem GPa8; igitur Lo1Lo2V2; vero V4; ergo BTr. 13 ipsi Iovi Lo1BTr; Iovi V2; om. GPa8V4. 15 – 16 Iupiter Hammon Lo1Lo2V4BTr; pater Harenon G; Iupiter Pa8; Hamon V2. 18 firmissima GPa8V4; verissima Lo1Lo2V2BTr.

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Neunte Erzählung 308

Cum Bacchus esset iuvenis et pulcerrimus volensque ad insulam Naxon ire, que erat ad dextram partem, quibusdam nautis se commisit, qui ipsum illuc vehere promiserunt. Qui cum esset in navi, naute allecti pulcritudine pueri ipsum pro preda retinere voluerunt atque ipsum ad levam non ad dexteram trahere ceperunt ad alienas partes ducere volentes. Quod videns puer incepit dicere eis: Non mihi haec litora promisistis, ait, non mihi haec terra rogata est. 309 Qui cum cessare nolent, sua potestate divina navem arrestavit et omnes remos et armamenta navis in feras, serpentes et pantheras et tigrides commutavit. Quibus territi ipsi naute in mare dissilierunt, formam humanam amiserunt et in pisces, qui delfini dicuntur, mutati fuerunt. Pinas pro bracchiis habuerunt et caudam bifurcatam pro pedibus tenuerunt et pro proditione tale premium tenuerunt.

Als Bacchus jung und sehr schön war und er zur Insel Naxos fahren wollte, die in der Richtung nach rechts lag, vertraute er sich einigen Schiffern an, die ihn dorthin zu fahren versprachen. Als er auf das Schiff gestiegen war, wurden die Schiffer von der Schönheit des Knaben angezogen und wollten ihn deshalb als Beute behalten, und sie begannen, ihn nach links und nicht nach rechts zu fahren mit der Absicht, ihn in eine andere Gegend zu führen. Als der Knabe dies sah, begann er so zu ihnen zu sprechen: ›Nicht diese Küste habt ihr mir versprochen, sagte er, nicht dieses Land habe ich mir gewünscht.‹ 309 Da sie nicht aufhören wollten, hielt er mit seiner göttlichen Macht das Schiff an und verwandelte alle Ruder und das Takelwerk des Schiffs in wilde Tiere, Schlangen, Panther und Tiger. Von diesen erschreckt, sprangen die Schiffer fort ins Meer, verloren ihre menschliche Gestalt und wurden in Fische, die Delphine heißen, verwandelt. Sie hatten Flossen anstelle von Armen, und sie bekamen einen zweigabeligen Schwanz anstelle von Füßen – und für ihren Verrat erhielten sie solchen Lohn.

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Dic, quod navis ista est ecclesia, que iuvenem pulcerrimum, id est beatum quemlibet, debet portare per fidem et merces virtutum continere et ad portum paradisi navigare, Prov. 31: Facta est quasi navis institoris. In ista navi sunt naute ad eam sustinendam, scilicet agricole, mercatores et alii similes et sunt armamenta ad eam defendendam, prelati, principes et superiores.

Moralisierung Sag, dass dieses Schiff die Kirche ist, die einen sehr schönen jungen Mann, d.h. jeden Seligen, durch den Glauben tragen, den Lohn der Tugenden enthalten und zum Hafen des Paradieses segeln muss, Prov. 31,14: ›Sie ist gemacht wie das Schiff eines Kaufmanns.‹ Auf diesem Schiff gibt es Seeleute, es zu stützen, nämlich Bauern, Kaufleute und andere ähnliche, und es gibt Takelwerk, es zu verteidigen, Prälaten, Fürs-

1 Fabula nona III,14 Ep. 3 ad insulam LLo1Lo2V2TrEp; ad silvam GPa8V4; in silva B. 3 Naxon V2BTrEp; Naxion GV4. 4 ad dextram partem GLo1Pa8V4BTr; ad dextram partem cuiusdam fluminis Ep. 12 ait Lo2V2BEp; aut G; alia V4; om. Lo1Tr; om. aut . . . est L. 26 debet Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 28 Prov. 31 Prov. 13 G.

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Inferiores habent corpus ecclesie sustentare, superiores autem ab hereticis eam defendere. Sed hodie armamenta navis nostre conversa sunt in feras, quia ipsi superiores et prelati fere, leones et tigrides sunt effecti, Iob 30: Mutatus es michi in crudelem et duritia manus tue adversaris michi. 310 Naute igitur, id est inferiores, exemplo et timore talium in mare peccati decidunt, in pisces, id est fluxibiles peccatores, fiunt. Constat enim, quod propter superiorum crudelitatem multi subditi faciunt iniquitatem. Quod maxime videmus in religione, ubi propter crudelitatem prelatorum multi subditi apostatant navem religionis dimittentes et in mare huius seculi in pisces, id est in viros carnales, mutantur. Vel dic de subditis tyrannorum, qui proprias naves, id est proprias hereditates et possessiones, demittunt et timore illorum fugiunt et recedunt. Vel dic contra curatos inferiores, qui deum Bacchum seu Liberum patrem bis genitum, id est Christum eternaliter et temporaliter natum, in sua custodia acceperunt et se eius obsequio dedicaverunt. Verumtamen quia non servant pactum promissum in ordine clericatus, immo cum deberent procedere ad dextram virtutis, vadunt ad levam vitiorum et dimittunt bona spiritualia et eligunt temporalia, 311 ideo convertit deus armamenta navis sue, id est prelatos superiores, in feras, id est crudeles spolia-

ten und Ordensobere. Die Niedrigstehenden müssen den Körper der Kirche stützen, die Oberen aber müssen sie gegen Häretiker verteidigen. Heute jedoch ist das Takelwerk unseres Schiffes verwandelt in wilde Tiere, weil die Ordensoberen und die Prälaten zu wilden Tieren, Löwen und Tigern wurden, Iob 30,21: ›Du hast dich mir in einen Grausamen verwandelt und mit der Härte deiner Hand widerstreitest du mir.‹ 310 Die Seeleute also, d.h. die Niedrigstehenden, werfen sich nach deren Vorbild und aus Furcht vor jenen hinab ins Meer der Sünde und werden zu Fischen, d.h. zu schwankenden Sündern. Denn es steht fest, dass aufgrund der Grausamkeit der Oberen viele Untergebene eine Sünde begehen. Dies sehen wir besonders in den Orden, wo aufgrund der Grausamkeit der Prälaten viele Untergebene abtrünnig werden und das Schiff des Ordens verlassen und im Meer dieser Welt in Fische, d.h. in Weltleute, verwandelt werden. Oder sag das von den Untergebenen der Tyrannen, die ihre eigenen Schiffe, d.h. ihre eigenen Erbschaften und Besitztümer, verlassen und aus Furcht vor jenen fliehen und fortgehen. Oder sag es gegen die niederen Geistlichen, die den zweifach geborenen Gott Bacchus oder Liber Pater, d.h. den in der Ewigkeit und in der Zeitlichkeit geborenen Christus, in ihrer Obhut empfingen und sich seinem Dienst weihten. Nun aber ist es so, dass sie, da sie das gegebene Versprechen im geistlichen Stand nicht einhalten, wo sie doch den rechten Weg der Tugend gehen müssten, den linken der Laster gehen und die geistlichen Güter fahren lassen und die zeitlichen wählen. 311 Deshalb verwandelt Gott die Takelage seines Schiffes, d.h. die höhergestellten Prälaten, in wilde Tiere,

7 adversaris V2Ep; adversatur GLLo1V4; adversantis Tr; om. B. liter natum G; bis natum LLo1V2; bis genitum Pa8Ep; om. Lo2V4.

24 – 25 eternaliter . . . natum BTr; eterna33 crudeles ci crudeles G, sed corr.

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tores, et ideo fit, quod isti tribulationibus maiorum suorum compulsi navem, id est proprium beneficium vel gloriam, perdunt et pisces vagabundi per mare mundi fiunt. Isti possunt dicere illud Gen. 42: Merito hec patimur, quia peccavimus tibi. Fabula decima 312

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Pentheus, rex Crete, improperavit Tiresie, quod cecus esset. Cui respondens Tiresias ait: Quam fieres felix, orbus si luminis esses. 313 Festa Bacchi contemnes et exinde contemptus occideris. Accidit ergo, quod cum Bacchus cum suis sacris ad festa celebranda venisset, Pentheus noluit suscipere festa. Immo audiens, quod ille festa in monte Citherone celebrabat, ivit illuc ad impediendum. Cum ergo ibi esset mater sua et sorores matris sue dicta festa celebrantes, virtute Bacchi factum est, quod ipse et parentes sui insanirent, ita quod videntes Pentheum ipsum esse aprum crediderunt et contra eum cucurrerunt et ipsum lapidibus obruerunt et baculis occiderunt. De aliis autem mulieribus dicitur ibidem 314 , quod festa Bacchi contemnebant nec ea facere volebant, sed telas suas facie-

d.h. in grausame Räuber, und deshalb geschieht es, dass jene, durch die Drangsal vonseiten ihrer Oberen genötigt, das Schiff, d.h. ihr eigenes Wohl oder Heil, hintanlassen und zu Fischen werden, die das Meer der Welt durchstreifen. Diese können jenes Wort aus Gen. 42,21 sagen: ›Zu Recht erleiden wir dies, da wir an dir gesündigt haben.‹ Zehnte Erzählung 312 Pentheus, der König von Kreta, schmähte Tiresias, dass er blind sei. Ihm antwortete Tiresias und sagte: ›Wie glücklich wärest du, wenn du des Augenlichts beraubt wärest.‹ 313 Du verachtest das Fest des Bacchus und wirst daher auch in Verachtung getötet werden. Also geschah es, dass Pentheus, als Bacchus mit seinen Mysterien gekommen war, um das Fest zu feiern, das Fest nicht dulden wollte. Vielmehr ging Pentheus, als er davon hörte, dass dieser das Fest auf dem Berg Cithaeron feierte, dorthin, um es zu verhindern. Als nun seine Mutter und die Schwestern seiner Mutter dort waren und das genannte Fest feierten, geschah es durch die Macht des Bacchus, dass er selbst und seine Verwandten wahnsinnig wurden, so dass sie, als sie Pentheus sahen, ihn für einen Eber hielten; und sie liefen auf ihn zu und schleuderten Steine auf ihn und töteten ihn mit ihren Thyrsusstäben. Von anderen Frauen heißt es ebenda, 314 dass sie das Fest des Bacchus verachteten und es nicht feiern wollten, sondern ihre Webarbeit fortsetzten. Nun verwandelten

7 Fabula decima III,13 Ep. 24 – 203,4 De aliis . . . vespertiliones IV,9 Ep. 5 Gen. 42 Gen. 41 G. 8 Pentheus G Lo1V2BTr; Pantheus V4. 8 Tiresie Tyresie Ep; Tyrisie GV2BTr; Thirisie Lo1V4. 10 orbus LLo2V2V4TrEp; orbis GLo1Pa8B. 11 contemnes V4; contemnens G; videbis et contemnebis BTrEp. 12 quod Lo1Pa8V4BEp; om. G. 15 – 16 ille . . . celebrabat LLo1Lo2V4; iste . . . celebrat G; ista . . . celebrantur BTrEp. 22 contra . . . et Lo1Pa8V2V4TrEp; curentes G; om. B. 24 autem Pa8V4Tr; etiam LLo1Lo2B; om. G. 26 facere GPa8V4; feriare Lo1V2BTr; celebrare Ep. 26 volebant Lo1Pa8V4BTrEp; nolebant G.

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bant. Subito ergo tele et instrumenta textoria converse sunt in salices et in vites, ipse vero mulieres converse sunt in vespertiliones.

sich plötzlich die Webstühle und die Webinstrumente in Weiden und Weinstöcke, die Frauen selbst aber wurden in Fledermäuse verwandelt.

Moraliter 315

Moralisierung 315

Ista possunt applicari ad duo: primo, quod Pentheo ab amicis Bacchi interfecto potest dici, quod fatuum est Bacchantes, id est Bacchum seu vinum colentes, redarguere seu ipsos in suo furore velle corripere, dato enim, quod ille, qui corrigit, sit Pentheus rex, id est magne dignitatis; dato etiam, quod sit nepos vel filius, ipsi tamen ebriosi ad hoc non attendunt, immo, si ipsos redarguit, ipsum aprum, id est inimicum, reputabunt et contra eum insurgent et multipliciter perforabunt; ideo dicitur Eccli. 31: Non arguas proximum tuum et non despicias eum in iocunditate sua et verba impia non dicas ei. Residuum de illis mulieribus applica contra quosdam, qui in principio non curant de Baccho vel de vino, finaliter tamen assuefacti ebriose fiunt, ita quod telas, id est possessiones suas, in vites, id est in vinum, convertunt et cum vino, quicquid habent, expendunt. Ipsi autem vespertiliones fiunt, quia quandoque fit, quod per verecundiam, postquam omnia consumpserunt,

Dies kann in zweierlei Weise angewandt werden. Zunächst: Weil Pentheus von den Freunden des Bacchus getötet wurde, kann man sagen, dass es dumm ist, Bacchanten, d.h. Bacchus oder die Verehrer des Weins, zu tadeln oder sie in ihrer Raserei zügeln zu wollen, auch wenn jener, der tadelt, König Pentheus ist, d. h. von großer Würde; selbst wenn er ihr Neffe oder Sohn ist, achten die Trunkenen jedoch nicht darauf, vielmehr werden sie ihn, wenn er sie tadelt, für einen Eber halten, d.h. einen Feind, und sich gegen ihn erheben und vielfach durchbohren. Deshalb heißt es Eccli. 31,41f.: ›Beschuldige nicht deinen Nächsten und verachte ihn nicht, wenn er heiterer Stimmung ist, und sag ihm keine Schmähwörter.‹ Das Übrige über jene Frauen wende gegen diejenigen an, die sich anfangs nicht um Bacchus oder den Wein kümmern, aber schließlich, daran gewöhnt, trunken werden, so dass sie die Webstühle, d. h. ihre Besitztümer, in Rebstöcke, d.h. in Wein, umwandeln und für Wein das, was sie haben, ausgeben. Sie selbst aber werden zu Fledermäusen, da es bisweilen geschieht, dass sie aus Scham, nachdem sie alles verbraucht

21 – 204,3 Residuum . . . queunt IV,9 Ep. 1 tele Lo1V2V4BTrEp; tela GPa8. 2 salices . . . vites G (salices G dupl. in marg.); in vites Lo1; calices et in vites Pa8V4; calatos et in vites BTr; vites et hederas Ep; om. Lo2. 6 primo, quod GLo2; primum scilicet, quod L; primo scilicet, quod Lo1; prima, quod Pa8V4; scilicet primum BTr. 7 Pentheo V2BTr; Pentheon G; Pantheon V4. 7 Bacchi GPa8V4; Bacchantibus LLo1Lo2V2BTr. 8 Bacchantes BTrEp; Bacchidos G; Bachades LLo1Lo2; Baches Pa8; Bachides V4. 10 seu seu p, sed corr. G. 11 Pentheus cet.; Patheus G; Pantheus V4. 14 – 15 redarguit Lo2V2V4TrEp; redarguunt GB; redarguat Lo1Pa8. 17 perforabunt Tr; permutabunt G; perturbabunt LLo1Lo2V2V4Ep; om. Pa8B. 22 in Lo1Pa8V4BTrEp; a G. 24 assuefacti Lo1V2 V4BTrEp; assuete G; assueti Pa8. 25 vites Lo1Pa8V4BTrEp; vires G. 26 cum GPa8V4; in LLo1Lo2V2BTrEp. 27 Ipsi Lo1V2V4BTrEp; ipse GPa8. 28 quia quandoque Pa8V4; quia quando G; inquantum quandoque LLo1 Lo2V2Ep; inquantum scilicet quandoque BTr.

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de nocte occulte fugiunt et recedunt, et more vespertilionum de die, id est in presentia aliorum, apparere non queunt. Vel si vis allega, quod non est cecitas vel infortunium alicui improperandum, quia secundum Philosophum in Ethicis: 316 Ceco magis est miserandum quam improperandum. Vel dic, quod multis esset utile oculis carere, quibus visus est occasio culpe. Exemplum de Iudeis, qui Christum et eius gesta presentialiter viderunt et tamen credere noluerunt, propter quod dicitur Io. 9: Si ceci essetis, non haberetis peccatum.

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Tiresias fuit quidam, qui invenit duos serpentes casu insimul coeuntes. Quos cum percussisset, statim mutatus est in feminam et virilem amisit naturam. Cumque in statu femine septem annis mansisset, factum est, quod eosdem serpentes iterum concumbentes invenit et quos, cum iterum percussisset, a statu femineo in virum protinus est mutatus.

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Moraliter Iste Tiresias significat populum Iudaicum, qui in principio fuit vir, id est virtuosus et bonus. Sed quia serpentes invicem coeun-

haben, nachts heimlich fliehen und sich zurückziehen und nach Art der Fledermäuse sich tagsüber, d.h. in Gegenwart anderer, nicht zeigen können. Oder, wenn du willst, wende es darauf an, dass die Blindheit oder das Unglück keinem zum Vorwurf gemacht werden darf, da gemäß dem Philosophen in seinem Werk ›Ethica‹ ›man mit einem Blinden mehr Mitleid haben als ihn tadeln muss.‹ 316 Oder sag, dass es für viele von Nutzen wäre, ohne Augen zu sein, denen der Gesichtssinn die Möglichkeit schuldig zu werden bietet. Ein Beispiel sind die Juden, die Christus und seine Taten mit eigenen Augen sahen und dennoch nicht glauben wollten. Deswegen heißt es Io. 9,41: ›Wenn ihr blind wäret, hättet ihr keine Sünde.‹ Elfte Erzählung 317 Tiresias war ein Mann, der durch Zufall zwei Schlangen fand, die sich miteinander paarten. Als er diese geschlagen hatte, verwandelte er sich sogleich in eine Frau und verlor seine männliche Natur. Und als er sieben Jahre lang als Frau gelebt hatte, geschah es, dass er dieselben Schlangen wiederum bei der Paarung fand und er, als er sie wiederum geschlagen hatte, sich sogleich aus einer Frau in einen Mann verwandelte. Moralisierung Dieser Tiresias bedeutet das jüdische Volk, das anfangs ein Mann war, d. h. tugendhaft und gut. Da es aber die sich miteinander paarenden Schlangen, d.h. die zwei-

15 Fabula undecima III,9 Ep. 1 de nocte occulte GPa8V4; de nocte et occulte LLo1Lo2V2BTrEp. 2 in GLo1Pa8V4BTr; de Ep. 3 aliorum G; vicinorum Lo1Pa8V4BTrEp. 4 allega Lo1Pa8V4TrEp; allegari G; dic B. 5 improperandum V2V4BTrEp; improbandum G. 7 – 8 improperandum V2V4Ep; improbandum G; om. quia . . . improperandum BTr. 13 Io. 9 Io. 14 G. 16 Tiresias Lo1; Tyresias V2Ep; Tyrasias G; Thiresias V4; Tirisias B; Tyresyas Tr. 17 cum add. ictu baculi Ep. 23 – 24 a statu . . . mutatus Pa8; a statu femineo om. G; et a statu femineo transformatus Lo1V2BTrEp; et a statu femineo transmutatus V4.

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tes, id est duplicem Christi naturam, divinam scilicet et humanam in unum iunctam, per fidem et credulitatem recipere noluit, immo percussit et contempsit, percussit dico naturam divinam, id est trinitatem, non recipiendo et filium a patre non distinguendo, percussit naturam humanam ipsam in cruce occidendo et vituperiis affligendo. Ideo dico, quod iste Tiresias, id est populus Iudeorum, a virili conditione, id est a fidei virtute et perfectione, cecidit et in naturam femineam, id est in gentem imperfectam et instabilem, mutatus fuit, ita quod per septennium, id est universitatem temporum, ipsos in femineo statu, id est imperfecto, persistere opportebit. Verumtamen iste populus predictos serpentes videbit et duplicem Christi naturam credet, ipsum lacrimis et orationibus penitendo percutiet et movebit. Et sic fiet, quod iste populus in virum iterum convertetur, fidelis et virtuosus efficietur et ex malitia feminea revertetur; figura Ex. 4 de virga in serpentem mutata, quam primo Moyses exhorruit, sed caudam eius postea apprehendit et sic in virgam iterum est conversus nec ipsum Moyses amplius timuit. Virga virtutis dei est filius benedictus, qui cum in serpentem, id est mortalem hominem, fuisset mutatus, Moyses, id est populus Iudeorum, eum accipere vel credere noluit, sed potius abhorruit et contempsit; in cauda tamen, id est in fine, ip-

fache Natur Christi, nämlich die miteinander verbundene göttliche und die menschliche, nicht im Glauben und Vertrauen annehmen wollte, schlug es ihn vielmehr und verachtete ihn. Es schlug die göttliche Natur, d.h. die Trinität, meine ich, indem es sie nicht annahm und den Sohn nicht vom Vater unterschied, es schlug die menschliche Natur, indem es sie am Kreuz tötete und mit Schimpf und Schande peinigte. Deshalb sage ich, dass dieser Tiresias, d.h. das Volk der Juden, von einem männlichen Zustand, d. h. von der Kraft und Vollkommenheit des Glaubens, abfiel und in eine weibliche Natur, d.h. in ein unvollkommenes und unbeständiges Volk, verwandelt wurde, so dass es für sieben Jahre, d. h. für alle Zeiten, in einem weiblichen Zustand, d.h. in einem unvollkommenen, bleiben muss. Gleichwohl wird dieses Volk die vorher genannten Schlangen sehen und an die zweifache Natur Christi glauben und ihn, indem es mit Tränen und Gebeten bereut, erschüttern und bewegen. Und so wird es geschehen, dass dieses Volk sich wiederum in einen Mann verwandelt, gläubig und tugendhaft, und aus dem schlechten weiblichen Zustand zurückkehren wird. Eine Präfiguration davon zeigt Ex. 4,2–4 vom Stab, der in eine Schlange verwandelt worden war, vor der sich Moses anfangs entsetzte, später aber ihren Schwanz ergriff und sie so wieder in einen Stab verwandelt wurde und Moses sie nicht mehr fürchtete. Der Stab der göttlichen Kraft ist der gesegnete Sohn Gottes. Als dieser in eine Schlange, d.h. in einen sterblichen Menschen, verwandelt war, wollte Moses, d.h. das jüdische Volk, ihn nicht aufnehmen oder an ihn glauben, sondern verabscheute und verachtete ihn eher. Es wird ihn jedoch am Schwanz, d.h.

3 credulitatem LLo1V2V4BEp; crudelitatem GPa8; om. Tr. 4 – 5 percussit dico LLo1Pa8V2V4; dico GBTr; et percussit Lo2; percussit inquam Pa8; percussit enim Ep. 23 Ex. 4 Ex. 3 G. 24 exhorruit LLo1Lo2V2V4Ep; cyhorunt G; abhorruit Pa8; horruit Tr; om. B. 27 Virga Lo1Pa8V4BEp; virgam G. 28 serpentem Lo1Pa8 V4TrEp; serpente GB.

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sum credendo accipiet et eum esse virgam, id est dei filium, recognoscet, quia cum plenitudo gentium introierit, tunc omnis Israel salvus erit, Rom. 11. 5

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Fabula duodecima 318 Cum Iupiter et Iuno quodam die iocosius agentes de carnalibus voluptatibus disputarent ad iudicandum, quis maiorem delectionem in coitu haberet, vir an mulier, Tiresiam, qui vir fuerat et mulier, arbitrum elegerunt. Qui cum pro opinione Iovis iudicasset et feminam plus viro delectari dixisset, Iuno indignata lumen ei ademit et eum cecitate percussit. Iupiter vero ei compatiens et recompensationem perditi visus ei scientiam futurorum dedit, ita quod ex tunc responsa verissima de omnibus prebuit, quod valde famam ipsius ampliavit, sicut ponit Ovidius libro 3. Moraliter Istud potest allegari iocose, quod non est semper bonum dicere veritatem et potissime, ubi agitur de negotiis dominarum. Ipse enim faciliter indignantur, quando ipsarum opinionibus contrariatur fitque quandoque, quod homo lumen prosperitatis amittit, quando veritatem predicat seu dicit; unde

am Ende, im Glauben aufnehmen und erkennen, dass er der Stab, d. h. der Gottessohn, ist, weil, ›wenn die Gesamtheit der Völker einziehen wird, dann auch das ganze Volk Israel gerettet sein wird‹, Rom. 11,25f. Zwölfte Erzählung 318 Als Jupiter und Juno eines Tages Scherze trieben und über die körperliche Lust einen Disput hatten, wählten sie Tiresias, der ein Mann und eine Frau gewesen war, als Richter aus, darüber zu urteilen, wer das größere Vergnügen beim Geschlechtsverkehr empfinde, der Mann oder die Frau. Da dieser gemäß der Meinung Jupiters geurteilt und gesagt hatte, dass die Frau mehr Vergnügen empfinde als der Mann, nahm ihm die empörte Juno das Augenlicht und schlug ihn mit Blindheit. Jupiter aber hatte Mitleid mit ihm und verlieh ihm zum Ausgleich für den verlorenen Gesichtssinn die Gabe, Zukünftiges zu schauen, so dass er seitdem sehr wahre Voraussagen zu allem erteilte, was seinen Ruhm stark vermehrte. So erzählt es Ovid im dritten Buch. Moralisierung Dies kann scherzhaft so angewandt werden, dass es nicht immer gut ist, die Wahrheit zu sagen, und zwar besonders da, wo Angelegenheiten von hochgestellten Frauen verhandelt werden. Sie sind nämlich leicht empört, wenn man ihrer Meinung widerspricht, und es geschieht zuweilen, dass der Mensch das Licht eines glücklichen Zustands verliert, wenn er die Wahrheit ver-

5 Fabula duodecima III,10 Ep. 21 – 207,2 Istud . . . etc. GBTr; deest LLo1Lo2Pa8V2V4Ep. 4 Rom. 11 Is. 10 G. 7 voluptatibus BLo1V2V4TrEp; voluptatis G; (de carne) voluptate Pa8. 9– 10 Tiresiam Tyrisiam G. 21 allegari G; applicari BTr. 21 non BTr; om. G. 25 contrariatur GTr; contradicitur B. 26 amittit coni.; advertit G; admittit BTr.

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Apostolus ad Gal. 4: Ego inimicus factus sum vera dicens? etc. Tiresias estiva perennitas interpretatur, unde in figura temporis ponitur. Tempus igitur hiemalibus mensibus dum in terris frigore stricto nulla germina producit, masculinum quodammodo sexum significat. Vere igitur iam regresso animalia lasciviam exercentia videns percutit ea virga, id est aestu fervoris, sicque in sexum femineum, id est in estivam transit fecunditatem; et ideo in modum femine estatem posuerunt, quia eo tempore germina prodeuntia sic a suis tamquam a matris utero emergant folliculis. Serpentes sunt conceptionum tempora, scilicet ver et autumnus. Igitur dum iterum coeunt animalia et ferunt germina, percussit ea iterum Tiresias, id est tempus iam ad hiemem vergens, virga, id est frigoris uredine, sicque tandem in pristinam redit imaginem. Autumnus enim adeo cuncta affligit, ut herbe iam marcescant, suci arborum siccent et folia cadant; sicque tempus ad frigus hiemale declinans in masculinam revertitur sterilitatem. Nec incongrue a septimo anno sexum mutasse dicitur: Septimo enim mense debent vices temporum variari, ut monstratum est. Denique duobus diis igne atque aere de voluptate et de procreationis virtute discertantibus Tiresiam arbitrum querunt, iustumque, utpote rem expertus, profert iudicium. In fructuum

kündet oder sagt. Daher sagt der Apostel Gal. 4,16: ›Bin ich ein Feind geworden, weil ich Wahres sagte?‹ Tiresias wird als ›ewiger Sommer‹ interpretiert, und daher wird er auch im Bild der Zeit dargestellt. Sofern die Zeit also in den Wintermonaten bei strenger Kälte in den Ländern nichts sprießen lässt, bedeutet er in gewisser Weise das männliche Geschlecht. Wenn der Frühling zurückkehrt, sieht er die Tiere sich zügellos gebärden und schlägt sie mit dem Stab, d.h. mit glühender Hitze, und er geht so über in das weibliche Geschlecht, d.h. in die sommerliche Fruchtbarkeit. Und deshalb stellen sie den Sommer in der Art einer Frau dar, weil in dieser Jahreszeit die sprießenden Knospen wie aus dem Mutterleib aus ihren Keimen hervorgehen. Die Schlangen sind die Zeiten der Samenbildung, Frühling und Herbst. Wenn also die Tiere sich wiederum paaren und Samen bringen, schlägt Tiresias, d.h. die Zeit, die sich schon zum Winter wendet, sie wiederum mit dem Stab, d. h. mit dem Brand der Kälte, und führt sie so zurück zu ihrem früheren Aussehen. Denn der Herbst greift alles so sehr an, dass die Kräuter schon welken, die Säfte der Bäume austrocknen und die Blätter fallen. Und so kehrt die Zeit, die sich auf die winterliche Kälte zubewegt, zur männlichen Unfruchtbarkeit zurück. Keineswegs unpassend, sagt man, habe er im siebten Jahr das Geschlecht geändert: Im siebten Monat muss sich der Zeitenwechsel vollziehen, wie gezeigt wurde. Schließlich stritten zwei Götter, das Feuer und die Luft, über das Vergnügen und die Kraft der Fortpflanzung, und sie suchten Tiresias als Schiedsrichter auf und, Experte in dieser Sache, fällte er ein gerechtes Urteil. In den Kei-

3 – 208,12 Tiresias . . . scientiam LLo1Lo2V2V4Ep (textus sec. V4 Ep); deest GBTr. 28 – 208,12 Denique . . . scientiam III,13 Pa8V4. 1 Ego G; ergo Vulg.; om. BTr.

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enim germinibus plus ab aere quam ab igne materia provenit, aeris enim humiditas germinat flores in glebis et frondibus producit flores et multiplicat in folliculis. Calor vero ignis maturare dicta novit in granis. Sed mox Tiresias cecatur a Iunone, illa scilicet de causa, quod hiemis tempus nubilo aere caligante nigrescat. Iupiter tamen, id est calor, aliqualiter hiemalem asperitatem leniens seminum satorum spondet salutem et quasi iam predicit; unde et futurorum ei fingitur dedisse scientiam. 319 Vel potest allegari ista fabula, quod Iupiter est deus iuvans pater, qui sustinentibus damna et infortunia solet recompensare et semper aliquam utilitatem et consolationem in recompensationem miscere. Vel potest allegari, quod illi, qui lumine humane prosperitatis vel visu terrene sapientie privantur, futurorum scientia dotantur, inquantum tales ad cogitandum de futuris et de his, que ad salutem pertinent, compelluntur, quia pro certo mundane consolationis amissio spiritualis sapientie et futurorum meditationibus est occasio, Mt. 11: Ceci vident etc. Vel dic, quod ubi exteriores sensus deficiunt, interiores acutiores fiunt, et ubi ocu-

men der Früchte kommt nämlich die Materie mehr von der Luft als vom Feuer; denn die Feuchtigkeit der Luft lässt die Blumen in der Erde sprießen, bringt Blüten im Laubwerk hervor und vervielfältigt sie in den Fruchtständen. Die Wärme des Feuers vermag die genannten [Keime] in den Pflanzen wachsen zu lassen. Aber bald wird Tiresias von jener Juno mit Blindheit geschlagen, aus dem Grund nämlich, dass die Winterzeit durch sich verdunkelnde Luft trübe wird. Dennoch mildert Jupiter die Rauheit des Winters etwas ab, er fördert das Gedeihen der Samen der Saaten und sagt gleichsam schon das Kommende voraus. Daher wird ihm auch in der Dichtung zugesprochen, dass er die Gabe der Prophetie geschenkt habe. 319 Oder diese Erzählung kann so angewandt werden, dass Jupiter der helfende Gottvater ist, der denjenigen, die Verluste und Unglück ertragen, einen Ausgleich zu verschaffen und dabei immer einen Nutzen und einen Trost in den Ausgleich zu mischen pflegt. Oder es kann so angewandt werden, dass jene, die des Lichts menschlichen Glücks oder des Gesichtssinns irdischer Weisheit beraubt werden, mit dem Wissen über die Zukunft beschenkt werden, sofern solche zum Nachdenken über die Zukunft und über die Dinge, die zum Heil gehören, angestoßen werden, da der Verlust der weltlichen Tröstung ganz sicher die Gelegenheit zu Betrachtungen geistiger Weisheit und der Zukunft ist, Mt. 11,5: ›Blinde sehen‹ etc. Oder sag, dass dort, wo die äußeren Sinne schwach werden, die inneren schärfer werden und, wo das Auge des Körpers sich

13 – 209,5 Vel potest . . . cogitationes haberet III,13 Pa8V4. 14 deus iuvans pater GPa8V2B; deus LLo1; iuvans pater V4; deus quasi iuvans pater dictus Tr; deus iuvans Lo2Ep. 23 – 26 quia . . . etc. cet. codd. Ep; om. LLo1. 25 Mt. 11 Io. 1 G. 28 acutiores Lo1Ep; viciniores G; vires acutiores LV4; vivatiores B; veratiores Tr.

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lus corporis clauditur, ad cogitandum ardua mens levatur; exemplum de Democrito philosopho, qui Athenas veniens oculos fecit sibi erui, ut veraciores cogitationes haberet. 320

schließt, der Verstand sich erhebt, Hohes zu denken. Ein Beispiel ist der Philosoph Demokrit, der, als er nach Athen kam, sich die Augen ausreißen ließ, um wahrere Gedanken zu haben. 320

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Dreizehnte Erzählung 321

Cum Tiresias daret responsa verissima, fuit petitum ab eo, si quidem filius Liriope nymphe nomine Narcissus, qui homo erat pulcerrimus, diu esset victurus. Qui respondit: Sic, si se non videret. 322 Ac si diceret, quod diu erat victurus, dum tamen suam formam et pulcritudinem non attenderet. Cum ergo Narcissus a nymphis et puellis esset inquisitus et omnes contemneret et de sua pulcritudine superbiret, ita quod Echo nympham vociferam ipsum insequentem eum alloqui cupientem, sed non valentem pro eo, quod loqui non poterat, sed ad verba ultima responderet, et fugeret et eius amorem penitus abhorreret, propter quod ipsa Echo ex toto evanuisset et in vocem cessisset, factum est, cum idem quadam vice fatigatus ad quendam clarissimum fontem venisset et vellet bibere, incepit umbram suam pulcerrimam respicere et illam imaginem cepit tam ferventer amare, quod, cum ipsam non posset attingere et pre amore umbre recedere noluisset, necesse habuit ibi fame et siti perire. Anima autem eius ad inferos se in

Weil Tiresias unfehlbare Voraussagen machte, wurde von ihm erfragt, ob denn der Sohn der Nymphe Liriope, Narziss mit Namen, der ein sehr schöner Mann war, lange leben werde. Dieser antwortete: ›Ja, wenn er sich nicht sehen würde,‹ 322 – als ob er sagen wollte, dass er lange leben würde, solange er jedenfalls seine Gestalt und seine Schönheit nicht wahrnähme. Narziss wurde also von Nymphen und jungen Mädchen aufgesucht, und er verschmähte sie alle und brüstete sich mit seiner Schönheit, so dass er Echo, eine stimmstarke Nymphe, die ihn verfolgte und ihn anzusprechen begehrte, dies aber nicht vermochte, da sie nicht sprechen konnte, sondern nur auf die letzten Worte antwortete, mied und ihre Liebe entschieden zurückwies. Deshalb verging Echo ganz und gar und verwandelte sich in eine Stimme. Da geschah es, dass Narziss, als er einmal ermüdet zu einer sehr klaren Quelle kam und trinken wollte, erstmals sein herrliches Spiegelbild erblickte und zu jenem Bildnis so heftig in Liebe zu entbrannte, dass er, weil er es nicht berühren konnte und aus Liebe zum Spiegelbild nicht fortgehen wollte, dort folglich vor Hunger und Durst sterben musste. Seine Seele aber bewunderte sich weiter, als sie sich in der Unterwelt in den

6 Fabula decima tertia III,11 Ep; III,14 Pa8V4. 1 corporis Lo1Pa8V4BEp; cordis GTr. 3 Athenas Pa8V4BTr; atennas G; Athenis LLo1Lo2Ep. 4 erui Lo1 Pa8V4BTrEp; eruire G. 4 veraciores cogitationes Tr; vegetationes cogitationes GPa8V4; vegetatiores cogitationes Lo1; cogitationes cognitiones Lo2; vegetationes B; cogitationes et cognitiones Ep. 8 si quidem G; si quidam LLo1Lo2; si V4BTrEp. 8 Liriope Lo1Tr; Heurope G; Rinope V2; Riope V4; Linope B; Lyriopes Ep. 9 Narcissus Lo2V2B; Varcistus G; Narcisus Lo1TrEp. 16 nympham LLo1Lo2Pa8V2Ep; nympha GV4BTr. 17 vociferam LLo1Lo2V2BEp; sompniferam G; vociferans Pa8; vocifera V4Tr. 20 fugeret Lo1Pa8V4BTrEp; fingeret G.

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aquis Stygiis respiciens mirabatur, corpus autem eius in florem purpureum est conversum. 323

Wassern des Styx erblickte; sein Körper verwandelte sich jedoch in eine purpurfarbene Blume. 323

Moraliter

Moralisierung

Revera talis sententia Tiresie cottidie verificatur, quia multi sunt, qui spiritualiter viverent, si se et suam pulcritudinem non attenderent. Sed quia plerumque accidit, quod quidam aliqua pulcritudine vigent, ita quod pulcritudinem corporis, quantum ad formas, et pulcritudinem anime, quantum ad scientiam, et pulcritudinem fortune, quantum ad opulentiam magnam habent, ideo isti in superbiam elati omnes despiciunt, nullius societatem aut copulam volunt, immo alios indignos reputantes vilipendunt. Isti igitur in fonte mundane prosperitatis videntes umbram status sui, quia omnia transeunt sicut umbra, Sap. 5, ita ferventer ipsam diligunt et se in ea ita glorificant, quod anime vitam perdunt. Bonum ergo est, quod homo non se videat et quod ad suas naturales, temporales et morales gratias per complacentiam non respiciat, ne ex hoc alios vilipendat. Et ideo commendatur ignorantia Cant. 1, ubi dicitur anime: Si

In der Tat bewahrheitet sich dieser Satz des Tiresias täglich, da es viele gibt, die spirituell leben würden, wenn sie sich und ihre Schönheit nicht bemerkten. Aber weil es häufig geschieht, dass einige sich durch eine bestimmte Schönheit auszeichnen, derart dass sie eine körperliche Schönheit besitzen, was ihre Gestalt betrifft, und eine Schönheit der Seele haben, was ihr Wissen angeht, und eine Schönheit des Glücks, was ihren großen Reichtum betrifft, verachten sie voll Hochmut und Stolz alle, sie wollen niemandes Gesellschaft oder Bindung, vielmehr halten sie die anderen für unwürdig und schätzen sie gering. Solche Leute sehen nun im Brunnen des weltlichen Glücks den Schatten ihres Standes, da ›alles vergeht wie ein Schatten,‹ Sap. 5,9, und so lieben sie ihr eigenes Bild glühend und rühmen sich darin so sehr, dass sie das Leben der Seele verlieren. Gut ist es also, wenn der Mensch sich nicht sieht und wenn er seine natürlichen, zeitlichen und moralischen Vorzüge nicht mit Gefallen anblickt, damit er nicht andere deswegen geringschätzt. Und deshalb wird Cant. 1,7.9 die Unwissenheit gelobt, wo der See-

21 perdunt add. Quod etiam in ecclesia et in religione de multis potest dici, qui dum pulcritudinem moralem et virtualem, quam habent, considerant et in vanam gloriam elati alios vituperant et contemnunt et se immoderate reputant atque amant. Et sic propter inanem gloriam et superbiam pereunt et in florem vane hypocrisis transeunt et eorum anime finaliter ad inferos descendunt BTr. 25 vilipendat add. et exinde spiritualem vitam et existentiam per casum in peccatum vel apostasiam cito perdant. Ideo bene videtur sui non noticiam, sed ignorantiam commendatur. BTr. 9 quidam LLo1Pa8V2BTrEp; quidam qui G; qui V4. 13 – 14 magnam habent, ideo BTrEp; habent ideo V2; magnam habent V4; magnam habent superbiam, ideo LLo1; habent Pa8; om. G. 16 – 17 reputantes vilipendunt G; societate et familiaritate sua credentes ipsos fatue vilipendunt Lo1Pa8V2V4BTrEp cum min. var. lect. 18 umbram GPa8V4; umbram et eminentiam Lo1Lo2V2BEp; umbram, id est imaginem sui status ac eminentiam Tr. 24 gratias GV4; pulchritudines Lo1Lo2V2BTrEp; fortunas Pa8. 24 respiciat cet.; attendat B.

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ignoras te, o pulcerrima mulierum, egredere, et sequitur: Pulcre sunt gene tue. Fabula decima quarta 324

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Echo fuit puella loquacissima, que Iovi in suis adulteriis favens, quando nymphas in montibus opprimebat. Iunonem Iovis uxorem, ne maritum in adulterio deprehenderet, in verbis ipsam Echo tenebat. Cum igitur fraudem Echonis Iuno quadam die percepisset et se illusam ab ea cognovisset, indignata ab ea garrulitatem abstulit et potestatem loquendi nisi respondendo sibi interdixit et, quod solum ad ultima verba posset respondere, licentiam sibi dedit. Ex tunc ergo Echo in silvis, montibus et fluminibus habitavit et quotiens sibi aliquid dicitur, que sunt dicta, replicat. Corpore fuit privata et ex toto mutata et ad resonandum in montibus ordinata. Ista est vox, que in montibus et silvis auditur, quando aliquid dicitur vel clamatur. Moraliter

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Dico, quod Echo significat adulatores, qui montes, id est prelatos, et silvas, id est religiosos, flumina, id est seculares delicatos, frequentant, circa ipsos resonant et clamant. Si enim contingat aliquid ab aliquo

le gesagt wird: ›Wenn du dich nicht kennst, du schönste der Frauen, dann geh hinaus‹ etc. und es folgt: ›Schön sind deine Wangen.‹ Vierzehnte Erzählung 324 Echo war eine sehr geschwätzige junge Frau, die Jupiter bei seinen Ehebrüchen half, wenn er Nymphen in den Bergen bedrängte. Echo hielt Juno, die Gattin Jupiters, mit Worten fest, damit sie ihren Ehemann nicht beim Ehebruch ertappte. Als nun aber Juno eines Tages die List der Echo durchschaut und sie erkannt hatte, dass sie von ihr getäuscht worden war, nahm sie ihr erzürnt ihre Geschwätzigkeit und versagte ihr die Fähigkeit zu sprechen außer im Antworten, und sie gab ihr die Erlaubnis, dass sie allein auf die letzten Worte antworten konnte. Seitdem also wohnte Echo in Wäldern, Bergen und Flüssen und, sooft etwas zu ihr gesagt wird, wiederholt sie das Gesagte. Sie wurde ihres Körpers beraubt und vollständig verwandelt und dazu bestimmt, in den Bergen Widerhall zu geben. Sie ist die Stimme, die man in den Bergen und Wäldern hört, wenn etwas gesagt oder gerufen wird. Moralisierung Ich sage, dass Echo die Schmeichler bedeutet, die die Berge, d. h. die Prälaten, und die Wälder, d. h. die Mönche, die Flüsse, d. h. die im Überfluss lebenden Laien, besuchen, um sie herum widerhallen und rufen. Denn wenn zufällig etwas von jemandem gesagt

3 Fabula decima quarta III,12 Ep; III,15 Pa8V4. 1 – 2 egredere, et sequitur: Pulcre sunt gene tue V4BTr; egredere et G; add. BTr sicut turturis, vide finis hec conditiones umbre vel imaginis in speculo in aqua, que ab Ovidio pulcerrime describuntur. 9 fraudem cet.; fraudem modo G. 9 quadam Lo1V2V4BTrEp; quandam G; quadam die om. Pa8. 11 garrulitatem Lo1Pa8V2 V4BTrEp; garulitate G. 12 loquendi nisi respondendo LLo1V2B; respondendi nisi respondendo G; loquendi vel respondendi Lo2Pa8Ep; loquendi nec respondendo V4; loquendi nichil respondendo Tr. 12 – 13 interdixit Lo1Lo2Pa8BTrEp; indixit GV4. 26 frequentant Lo1Pa8V4BTrEp; frequentat G.

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dici, statim solent respondere et tamquam benedictum replicare, Eccli. 13: Dives locutus est et omnes tacuerunt et verbum eius usque ad nubes produxerunt. Vel dic, quod tales Echones sunt quedam brigose et litigiose mulieres vel sunt quidam queruli servitores, qui semper murmurant et verba portant contra illud Lev. 19: Non eris criminator et susurrator in populis. Vel dic contra lenones et lenas et contra vetulas, que adulterio favent et, dum sua opera lubrica faciunt, Iunonem, id est parentes iuvencularum, in verbis tenent. Vel dic contra derisores, qui verba aliorum deridendo referunt ipsaque, si qua sibi non placent, sepe multiplicant atque dicunt.

wird, pflegen sie sogleich zu antworten und es wie einen Segensspruch zu wiederholen, Eccli. 13,28: ›Ein Reicher hat gesprochen und alle schwiegen, und sie hoben sein Wort bis zu den Wolken.‹ Oder sag, dass solche Menschen wie Echo gewisse zänkische und streitsüchtige Frauen sind oder gewisse nörgelnde Diener, die immer murren und, was sie gehört haben, weitertragen entgegen jenem Wort Lev. 19,16: ›Nicht sollst du ein Verleumder und Ohrenbläser in deinem Volk sein.‹ Oder sag es gegen die Kuppler und Kupplerinnen und gegen die alten Weiber, die beim Ehebruch helfen, und, während sie ihre schlüpfrigen Werke ausführen, Juno, d.h. die Eltern der jungen Mädchen, mit Worten ablenken. Oder sag es gegen die Spötter, die die Worte der anderen mit Spott wiedergeben und sie, wenn sie ihnen nicht gefallen, oft vielfach wiederholen.

4 produxerunt G; perduxerunt Lo1Pa8V2V4Ep; ascendit Tr; om. et verbum . . . produxerunt B; perducent Vulg. 6 brigose Lo1Lo2V2BEp; religiose GPa8V4; rissose Tr. 7 queruli Lo1Pa8V2V4BEp; garruli G; om. Tr. 9 susurrator G; susurro Lo1V2V4TrEp/Vulg. 11 – 14 Vel dic . . . tenent G; om. LLo1Lo2Pa8V2V4BTrEp. 13 id est id est lac. et G.

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Buch 4

At non Alcithoe etc. 325

Doch Alcithoe etc. 325

Fabula prima 326

Erste Erzählung 326

Quartus liber Ovidii, ubi ponitur historia primo, que magis videtur certa narratio quam fabule compositio. Dicitur, quod Pyramus fuit iuvenis pulcerrimus et Thisbe iuvencula pulcerrima. In civitate Babylonica in vicinis domibus habitabant, dilexerunt se mirabiliter et per rimulas et scissuras domus sibi invicem colloquentes conceptus mutuos sibi mutuo exponebant. Igitur ut invicem possent coniungi, condixerunt inter se, quod de paternis domibus noctu exirent et extra civitatem ad certam silvam sub quadam arbore mori convenirent et iuxta fontem, qui ibi erat, amoris sui negotium adimplerent. Puella igitur amore succensa ad fontem prevenit, sed cum vidisset leenam sitibundam ad fontem venientem et eius timore fugeret, peplum eius cecidit; quod inventum leena in ore sanguinolento cruentavit et, postquam bibisset, recessit. Postea Pyramus ad fontem sub mori arbore venit et vittam Thisbes cruentatam

Dies ist das vierte Buch Ovids, in dem zu Beginn eine Geschichte steht, die eher wie eine wahre Erzählung als eine erfundene Fabula erscheint. Es heißt, dass Pyramus ein sehr schöner junger Mann und Thisbe ein ausnehmend schönes junges Mädchen war. Sie lebten in der Stadt Babylon in benachbarten Häusern; sie liebten sich außerordentlich und unterhielten sich miteinander durch schmale Ritzen und Spalten der Hauswand und drückten einander so wechselseitig ihre Empfindungen für einander aus. Um sich in Liebe vereinigen zu können, verabredeten sie also, dass sie nachts ihre Vaterhäuser verließen und sich außerhalb der Stadt in einem bestimmten Wald unter einem Maulbeerbaum träfen und neben einer Quelle, die dort floss, ihre Liebe vollzögen. Das Mädchen nun, in Liebe entflammt, kam zuerst zur Quelle; aber als sie eine durstige Löwin zur Quelle kommen sah und aus Furcht vor ihr floh, ließ sie ihren Überwurf fallen. Diesen fand die Löwin und befleckte ihn mit ihrem blutigen Maul; und nachdem sie getrunken hatte, zog sie sich zurück. Später kam Pyramus zur Quelle unter dem Maulbeerbaum

1 Liber quartus Incipit liber quartus Methamorforsceos Ovidii G; Quartus Methamorphosius Ovidii incipit Pa8; Explicit liber tertius Metamorphoseos. Incipit liber quartus eiusdem Tr; Quarti libri fabula prima Lo1; Quartus liber (et Quartus liber in marg.) Lo2; Quartus Liber V2; Incipit liber quartus V4; Sequitur liber IIII Ep; deest LB. 4 – 5 Quartus . . . primo In hoc iiii. lib〈ro〉 Ovi〈dii〉 premisso, quod alique mulieres Thebane sacra Bacchi colebant et alique semper, de quibus inferius dicetur, tenebant, narrat historiam Ep. 5 certa LLo1V2BTr; circa G; om. Pa8Ep. 8 pulcerrima LLo1Lo2V2BTrEp; pulcerrima adamavit GPa8V4. 10 et add. quia aliter nequibant Ep. 10 scissuras Pa8; sisuras G; scissuram LLo1; sissuram Lo2; fixuram V2B; fissuras V4; fissuram Ep; om. Tr. Cf. fissus erat Ov. Met. 4,65. 15 silvam Lo2Pa8V2V4BTr; silva G; om. LLo1Ep. 16 et LLo1Lo2Pa8V4BTr; et qui G; om. Ep. 17 qui ibi LLo1Lo2Pa8V4BTr; que G. 21 peplum GV4; pepulum Pa8; peplum seu velum LLo1; vitta seu peplum Lo2V2Ep; victa BTr. 25 Thisbe Tisbe vel Tysbe GLo1V4TrEp; Tiste V2; Cisbe B.

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inveniens extimavit eam a feris devoratam et occasione sui mortuam et consumptam. Condolens igitur et plangens se proprio gladio interfecit et latera sua per ensem proprium transverberavit, ita quod sanguis morientis exiens fructus, qui erant albi, mutavit in nigros. Thisbe vero excusso timore leene, que iam recesserat, ad fontem veniens fructus arboris in nigrum mutatos et Pyramum transfossum gladio proprio reperiens et hoc amore sui factum fuisse comperiens ense eius se transfodit et sic cum amico propriam vitam finivit. Diis igitur revelantibus cogniti fuerunt, ita quod eorum parentes corpora sua insimul combusserunt et cineres in eadem posuerunt urna. Moraliter

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Ista historia potest allegari de incarnatione et passione Christi: Pyramus est dei filius, Thisbe est anima humana, qui se a principio mirabiliter dilexerunt et per caritatem et amorem coniungi invicem decreverunt. Verum quia dato, quod essent vicini et quasi consimiles in natura, eo quod ad imaginem dei factus est homo, quidam tamen paries, id est peccatum, coniunctionem impediebat et ipsos adinvicem disiungebat. Ipsi tamen per scissuras, id est per prophetas, sibi colloquentes condixerunt per beatam incarnationem insimul convenire et

und glaubte, als er das blutbefleckte Tuch Thisbes fand, sie sei von wilden Tieren verschlungen und seinetwegen getötet worden und umgekommen. Trauernd und klagend tötete er sich also mit seinem eigenen Schwert und durchbohrte seine Seite mit seiner eigenen Schwertklinge, so dass das ausströmende Blut des Sterbenden die Früchte, die weiß waren, schwarz färbte. Als aber Thisbe ihre Furcht vor der Löwin, die sich schon zurückgezogen hatte, überwunden hatte, kam sie zur Quelle zurück und fand die schwarz gefärbten Früchte des Baumes wie auch Pyramus von seinem eigenen Schwert durchbohrt. Da erkannte sie, dass dies aus Liebe zu ihr geschehen sei, und sie durchbohrte sich mit seinem Schwert und beendete so gemeinsam mit ihrem Geliebten ihr eigenes Leben. Durch die Enthüllung der Götter wurde ihr Schicksal bekannt, so dass ihre Eltern ihre Körper zusammen verbrannten und die Asche in ein und derselben Urne bestatteten. Moralisierung Diese Geschichte lässt sich auf die Inkarnation und Passion Christi anwenden: Pyramus ist der Gottessohn, Thisbe ist die menschliche Seele, die sich von Anbeginn an außerordentlich liebten und beschlossen, sich in inniger Liebe miteinander zu verbinden. Aber obwohl sie Nachbarn und gleichsam wesensverwandt waren, da der Mensch nach dem Bilde Gottes erschaffen ist, behinderte doch eine Wand, d.h. die Sünde, die Verbindung und trennte sie voneinander. Gleichwohl sprachen sie durch Spalten miteinander, d.h. durch die Propheten, und verabredeten, durch die selige Inkarnation zusammenzukommen und

1 extimavit GLo1V2V4B; existimavit Pa8Ep; extimans Tr. 10 transfossum Lo1Pa8V2V4BTrEp; transfixum G. 12 sic Lo1Pa8V4BTrEp; se G. 16 cineres Lo1Pa8V4BTrEp; carnes G. 28 per . . . est G; om. Lo1Pa8 V4BTrEp.

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sub mori arbore, id est sub cruce, ad fontem baptismi et gratie invicem consentire. Sic igitur ista puella, anima scilicet, propter leenam, id est diabolum, fontem gratie adire non potuit, sed adventum amici sui Pyrami sub silentio expectavit, Hab. 2: Si moram fecerit, expecta eum, quia veniens veniet et non tardabit. Iste igitur iuxta condictum ad nos venit et sub arbore crucis amore Thisbe, id est anime, morti se exposuit, quod arborem ipsam crucis proprio sanguine cruentavit et eius colorem denigravit. Thisbe, id est anima fidelis, debet per compassionem eius gladio se transfodere et eandem penam mentaliter sustinere. Vel dic, quod ista puella est virgo Maria, ad quam dei filius per incarnationem venit, et sub arbore crucis mori voluit; ipsa vero per compassionem eodem gladio se transfodit, Lc. 2o : Et tuam ipsius animam pertransibit gladius. Fabula secunda 327

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Cum Iuno de Iove nil parere posset, Iupiter timens, ne in ipso defectus esset, causa experimenti caput suum concussit. Per quam concussionem Pallas de eius cerebro nata est et in terram armata prosiliit. 328 Iuno autem indignata volens ostendere, quod ipsa non esset causa sterilitatis, vulneravit se et concutiens vulvam suam Vulcanum sine usu masculi peperit. Qui Vulcanus quasi de vulva cadens dictus fuit. Iste tamen, quia turpis erat facie, de celo proiectus est in ter-

unter dem Maulbeerbaum, d.h. unter dem Kreuz, bei der Quelle der Taufe und Gnade sich zu vereinen. So konnte nun das Mädchen, nämlich die Seele, wegen der Löwin, d.h. wegen des Teufels, nicht zur Quelle der Gnade gelangen, sondern sie erwartete in Schweigen die Ankunft ihres Freundes Pyramus, Hab. 2,3: ›Wenn er sich verspätet, so warte auf ihn, weil, wenn er denn kommt, er kommen und nicht säumen wird.‹ Dieser kam also gemäß seiner Ankündigung zu uns und setzte sich unter dem Baum des Kreuzes aus Liebe zu Thisbe, d.h. zur Seele, dem Tod aus, so dass er den Baum des Kreuzes mit seinem eigenen Blut benetzte und seine Farbe verdunkelte. Thisbe, d. h. die gläubige Seele, muss sich im Mitleiden mit seinem Schwert durchbohren und dieselbe Strafe im Geist auf sich nehmen. Oder sag, dass dieses Mädchen die Jungfrau Maria ist, zu der der Gottessohn durch die Inkarnation kam und am Kreuzesbaum sterben wollte, sie aber durchbohrte sich im Mitleiden mit demselben Schwert, Lc. 2,35: ›Und ein Schwert wird durch deine Seele dringen.‹ Zweite Erzählung 327 Weil Juno von Jupiter nicht schwanger wurde, fürchtete Jupiter, der Mangel liege bei ihm selbst, und zur Probe schüttelte er sein Haupt. Durch diese Erschütterung wurde Pallas aus seinem Hirn geboren und sprang bewaffnet auf die Erde. 328 Darüber erzürnt, wollte Juno aber zeigen, dass sie nicht der Grund der Unfruchtbarkeit war; sie verwundete sich und gebar durch Schütteln ihrer Gebärmutter ohne die Mitwirkung eines Mannes Vulcan. Dieser wurde Vulcan genannt, da er gleichsam aus der Gebärmutter herausfiel [de vulva cadens]. Da er hässlich von Angesicht war, wurde er

6 Hab. 2 Agg. 2 G. 24 in ipso Lo1Lo2Pa8V4; ipso G; in se Ep; ipsius BTr. corr. 29 vulneravit GLo1Pa8V4BTr; levavit Ep.

27 Iuno dupl. Iuno G, sed

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ram et claudus factus est. Et in Lemno insula fuit absconditus et nutritus et tandem Veneri in matrimonium datus. 329

vom Himmel auf die Erde hinabgeworfen und wurde lahm. Und er wurde auf der Insel Lemnos versteckt und aufgezogen und erhielt schließlich Venus zur Frau. 329

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Ista possunt exponi moraliter et sic dico, quod Iupiter significat intellectum, Iuno vero voluntatem et affectum. Iste enim sunt due potentie in anima constitute et invicem coniugate. Verum quia ipse differunt, inter se non pariunt et numquam actum unum et eundem producere possunt. Ipsarum tamen potentiarum quelibet vult tentare, si per se poterit parturire. Iupiter, id est intellectus, igitur de cerebro imaginationis sue Palladem, id est sapientiam produxit, Iuno vero, id est affectus, Vulcanum deum ignis, id est ardorem concupiscentie generavit, qui scilicet in terram cecidit per avaritiam et Veneri fuit coniunctus per luxuriam. Et semper claudicat per sinistram intentionem et malitiam. In Lemno etiam, que est insula ardens habitat per rapinam et sevitiam. Constat enim, quod ista se habent per ordinem, quod scilicet de Iunone, id est mentis affectione, Vulcanus, id est ardor concupiscentie nascatur et quod ipsa concupiscentia in terram per avaritiam deprimatur, cum Venere per luxuriam coniungatur et in Lemno insula ardente, id est crudelitatis ardore, hospitetur et semper clauda per fraudem et malitiam reputetur. Et breviter: tanta est turpitudo Vulcani, id est concupiscentie, quod de celo cum malis angelis est eiecta et in terra, id est inter peccatores et terrenos, est recepta. Allegorice de coelo, id est de eccle-

Moralisierung Dies kann moralisch ausgelegt werden: Und so sage ich, dass Jupiter den Intellekt, Juno aber den Willen und Affekt bedeutet; denn diese sind die beiden Vermögen, die in der Seele angelegt und miteinander verbunden sind. Da sie sich in der Tat sehr unterscheiden, gebären sie nicht miteinander und können nie ein und denselben Akt vollbringen. Jedes der beiden Vermögen will jedoch versuchen, ob es allein gebären könnte. Jupiter also, d.h. der Intellekt, bringt aus dem Gehirn seiner Vorstellung Pallas, d. h. die Weisheit, hervor, Juno aber, d.h. der Affekt, gebiert Vulcan, den Gott des Feuers, d. h. der Hitze des Begehrens, der dann zur Erde stürzt durch Habgier und sich mit Venus in Wollust verbindet; und er hinkt immer wegen seiner verkehrten Absicht und Bosheit. Auf Lemnus, der brennenden Insel, wohnt er wegen seiner Raublust und Grausamkeit. Es steht nämlich fest, dass dies seine Logik hat, nämlich dass von Juno, d.h. dem Affekt des Verstands, Vulcan, d.h. die Hitze der Begierde, geboren wird und diese Begierde in Habgier auf die Erde niedergedrückt wird, sich mit Venus in Wollust verbindet und auf der brennenden Insel Lemnus, d.h. der Hitze der Grausamkeit, wohnt und für hinkend gehalten wird wegen ständigen boshaften Betrugs. Kurz gesagt: So groß ist die Hässlichkeit Vulcans, d.h. der Begierde, dass diese mit den bösen Engeln aus dem Himmel gestürzt wurde und auf der Erde, d. h. bei den Sündern und irdisch Gesinnten, aufgenommen ist. Im allegorischen Sinn musste sie aus dem

1 Lemno Ep; Lempno GV2Tr; Lompno Lo1; Lompna V4; Lempna B. V4BTrEp (textus sec. V4Ep); om. G.

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5 – 217,3 Ista . . . eam LLo1Lo2Pa8V2

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sia debet eici et terrenis peccatoribus commendari, ii. Reg. 13: Eice eam a me foras et claude ostium post eam. Dic, quod Iupiter est animus, Iuno caro, quia scilicet animus deam armatam, scilicet sapientiam, generat, caro vero econverso Vulcanum ardentem, id est malum desiderium, creat, quod per malitiam claudicat. Et ideo dii, id est motus rationales, ipsum debent a celo, id est a mente, expellere et tamquam turpissimum de mentis tabernaculo effugare. Iupiter etiam et Iuno contrarios faciunt partus et actus, ad Gal. 5: Caro concupiscit adversus spiritum et spiritus adversus carnem. Vel dic, quod Iupiter est bonus prelatus, Iuno vero malus, quia bonus semper solet Palladem, id est sapientes personas, in ecclesia generare et etiam in suis officiis et beneficiis collocare. Econverso vero malus prelatus vel princeps malas personas in beneficiis et officiis collocat et producit. Tales enim solent claudicantes plus diligere secundum illud Lc. 14: Exi in vicos et quoscumque inveneris pauperes, cecos et claudos etc. 330 , quia mali superiores libenter in domibus et officiis inducunt pauperes, qui carent virtutum oppulentia, debiles, qui carent fortitudine et constantia, cecos, qui carent spirituali sapientia, claudos, qui carent rectitudine et iustitia, sicut etiam videmus de malis officialibus et iudicibus, qui more Vulcani in terram per avaritiam cadunt et Veneris per luxuriam coniuges

Himmel, d.h. aus der Kirche, ausgestoßen und den erdverhafteten Sündern beigesellt werden, 2. Reg. 13,17: ›Wirf sie hinaus von mir und schließ die Tür hinter ihr.‹ Sag, dass Jupiter der Geist ist, Juno das Fleisch, da der Geist eine bewaffnete Göttin, nämlich die Weisheit, hervorbringt, das Fleisch dagegen aber den feurigen Vulcan, d. h. das üble Begehren, erzeugt, das aufgrund seiner Verwerflichkeit hinkt. Und deshalb müssen ihn die Götter, d. h. die rationalen Kräfte, aus dem Himmel, d. h. aus dem Verstand, vertreiben und ihn, der gleichsam sehr hässlich ist, aus dem Zelt des Verstands in die Flucht schlagen. Auch bringen Jupiter und Juno gegensätzliche Kinder und Handlungen hervor, Gal. 5,17: ›Das Fleisch begehrt gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch.‹ Oder sag, dass Jupiter ein guter Prälat ist, Juno aber ein schlechter, da der gute immer Pallas, d.h. kluge Personen, in der Kirche hervorzubringen und auch in ihre Ämter einzusetzen pflegt. Im Gegensatz dazu aber setzt der schlechte Prälat oder Fürst schlechte Personen in einträgliche Ämter ein und fördert sie. Denn solche pflegen Lahme mehr zu lieben gemäß Lc. 14,21: ›Geh hinaus in die Gassen und, wo auch immer du Arme, Blinde und Lahme finden wirst,‹ etc. 330 weil die schlechten Ordensoberen gern in Häuser und Ämter Arme einführen, die nicht reich an Tugenden sind, Schwächlinge, die ohne Tapferkeit und Beständigkeit sind, Blinde, die ohne geistliche Weisheit sind, Lahme, die ohne richtiges Handeln und Gerechtigkeit sind. So sehen wir dies auch bei den schlechten Amtsträgern und Richtern, die nach Art Vulcans durch Habgier auf die Erde fallen und durch Wollust Ehemänner der Venus werden. Sie werden Bewohner von

19 – 20 in . . . beneficiis Lo1Pa8V2V4BTr; in suis officiis G; in altis officiis et beneficiis Ep. Lo1Lo2V2V4Ep; in officiis GPa8; in officiis suis BTr. 24 Lc. 14 Lc. 4 G.

22 in . . . officiis

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fiunt. Lemni, id est ardoris, crudelitatis et sevitie, habitatores fiunt et numquam per iustititam vadunt recte, immo per acceptationem personarum et munerum semper claudicant. Impossibile est enim, quin Vulcanus ad terram cadens efficiatur claudus et quin iudex avarus terrena appetens in iudiciis claudicet et non sit rectus. Figuratus in Mifibosech, qui de nutricis manibus cecidit et perpetuo claudus fuit, Reg. 4, 331 ad denotandum, quod, si iudex per avaritiam dimittatur cadere, necesse habet in iudiciis claudicare, Reg. 18: Usque quo claudicatis in duas partes. Talis Vulcanus de vulva Iunonis dicitur cecidisse, id est a carnali affectione mali fervoris ad consensum processisse, quia tales mali finaliter de celo, id est de alto officio, expelluntur et a bonorum consortio excluduntur, Ps.: Expulsi sunt nec potuerunt stare. Animal enim claudum non debet deo immolari, sicut habetur Deut. 15 332 , nec homo taliter claudicans debet divinis officiis deputari. Et ideo Reg. 5. figurative dicitur, quod ille, qui abstulisset cecos et claudos odientes animam David de civitate Ierusalem, erat a David premium recepturus ad denotandum, quod ille apud deum premiabitur, per quem claudi et ceci, id est iniusti muneribus excecati, de civitate ecclesie expelluntur. Bene ergo

Lemnos, d.h. von Begehren, Grausamkeit und willkürlichem Wüten, und sie gehen niemals gerade durch Gerechtigkeit, sondern sie durch das Ansehen der Person und die Annahme von Geschenken immer hinken. Denn es ist unmöglich, dass Vulcan nicht lahm wird, wenn er auf die Erde fällt, und dass ein habgieriger Richter, der irdische Dinge anstrebt, nicht in seinen Urteilen hinkt, sondern gerecht ist. Präfiguriert wird er in Miphiboseth [Merib-Baal], der aus den Händen der Amme fiel und für immer lahm war, 2. Reg. 4,4. 331 Dies soll verdeutlichen, dass ein Richter in seinen Urteilen hinken muss, wenn er durch Habgier fallen gelassen wird, 3. Reg. 18,20: ›Wie lange hinkt ihr zu beiden Seiten hin?‹ Ein solcher Vulcan soll aus der Gebärmutter der Juno gefallen, d.h. aus körperlichem Affekt von übler Leidenschaft zur Einwilligung weitergegangen sein, da solche schlechten Menschen schließlich aus dem Himmel, d.h. von ihrem hohen Amt, vertrieben und aus der Gemeinschaft der Guten ausgeschlossen werden, Ps. 35,13: ›Sie wurden verstoßen und konnten nicht bleiben.‹ Ein ›lahmes Tier darf Gott nicht geopfert werden‹, wie es Deut. 15,21 heißt, 332 und ein Mensch, der so hinkt, darf auch nicht für den geistlichen Dienst bestimmt werden. Und deshalb wird in 2. Reg. 5,8 bildlich gesagt, dass derjenige, der ›die Blinden und Lahmen, die die Seele Davids hassten‹, aus der Stadt Jerusalem fortgeschafft hatte, von David eine Belohnung erhalten werde, um deutlich zu machen, dass derjenige bei Gott belohnt werde, durch den Lahme und Blinde, d.h. Ungerechte, die durch Geschenke geblendet wurden, aus der Stadt der Kirche

1 ardoris LLo1V4BEp; ardori G; arboris Lo2; om. Pa8V2Tr. 5 quin LLo1Lo2V2Ep; quando GPa8; quod Tr. 7 et quin LLo1BTr; et quando G; quin Pa8; id est Ep. 9 qui om. G, sed add. supra lin. 10 Reg. 4 Reg. 9 G. 11 iudex GPa8V4; iudex, quem nutrix sua in terram LLo1Lo2Ep; iudex, quem nutrix sua, scilicet iustitia, in terram V2BTr. 12 dimittatur cadere Pa8V4; dimittatur claudere G; dimittit cadere LLo1Lo2V2BTrEp. 16 fervoris GPa8V4; superioris LLo1BTr; favoris Ep; om. Lo2. 26 a LLo2Pa8V4TrEp; autem GLo1; om. B. 30 Bene Lo1Pa8V4BEp; ben G; unde Tr.

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ibi dicitur: Cecus et claudus non intrabit in templum. 333 Vel Vulcanus est diabolus, qui propter peccati turpitudinem de celo est eiectus et intellectu et affectu claudus. Hic in terra cum peccatoribus habitare est compulsus et insule ardenti, id est inferno perpetuo condemnatus. Fabula tertia 334

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Cum dearum pulcerrima Venus esset, data est in uxorem Vulcano turpissimo et claudo. Contempsit eum et Martem diligens cum ipso pluries adulterabatur. Sol autem, qui est deus omnia videns, illud Vulcano revelavit. Quod ipse explorans et verum reperiens Martem et Venerem insimul concumbentes catena adamantissima in lecto etiam ipso concubitu invicem colligavit, ita quod de illo lecto movere se non poterant, et patefactis ianuis omnes deos ad ridiculum et spectaculum invocavit, ita quod in toto celo hec fabula nota fuit. 335 Ad preces autem Neptuni Vulcanus eos solvit. Sed Venus contra Solem, qui hoc Vulcano marito suo revelaverat, indignata omnes filias suas meretrices fecit. Moraliter Istud potest allegari, quod non est bonum turpes maritos pulcris mulieribus vel econ-

vertrieben werden. Richtig heißt es dort also: ›Nicht wird ein Blinder und ein Lahmer den Tempel betreten.‹ 333 Oder Vulcan ist der Teufel, der wegen der Hässlichkeit der Sünde aus dem Himmel herausgeworfen wurde und lahm ist an Intellekt und Gefühl. Dieser wurde gezwungen, auf der Erde zusammen mit den Sündern zu wohnen, und dazu verdammt, auf ewig auf einer brennenden Insel, d.h. in der Hölle, zu sein. Dritte Erzählung 334 Obwohl Venus die schönste der Göttinnen war, wurde sie dem besonders hässlichen und lahmen Vulcan zur Frau gegeben. Sie verachtete ihn und beging mit Mars, den sie liebte, mehrmals Ehebruch. Aber Sol, der allsehende Gott, offenbarte es Vulcan. Der überprüfte das, fand heraus, dass es wahr sei, und fesselte, als sie im Bett zusammen lagen, Mars und Venus beim Beischlaf mit einer enorm starken Stahlkette zusammen an das Bett, so dass sie sich von jenem Bett nicht fortbewegen konnten. Und er öffnete die Türen und lud alle Götter zum Spaß und Schauspiel ein, ›so dass im ganzen Himmel diese Geschichte bekannt war‹. 335 Doch auf Bitten Neptuns band Vulcan sie los. Venus aber zürnte Sol, da der ihrem Ehemann Vulcan dies verraten hatte, und machte daraufhin alle seine Töchter zu Huren. Moralisierung Dies kann man so anwenden: Es ist nicht gut, schönen Frauen hässliche Ehemänner

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7 – 8 condemnatus add. Vel dic, quod Vulcanus est malus prelatus, cuius mater est Iuno, id est carnalis affectio etc. sicut supra. Sed adverte hic, quod Vulcanus est ignis, quem Iuno, id est aer inferior, nobis mittit, qui claudus pro eo dicitur, quia semper iste ignis claudicando moveri sursum nititur. BTr cum min. var. lect. 3 – 8 vel . . . condemnatus cet. codd.Ep; om. V4. 4 peccati GLo1Pa8V2BTr; peccatum et Ep. 7 id est inferno Lo1Lo2Pa8V2BEp; inferni G; in inferno Tr. 16 concumbentes cet.; concubentes G. 17 – 18 etiam ipso concubitu G; in actu, quem exercebant, Lo1Pa8V2V4BTr; disposita in actu, quem exercebant Ep.

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verso tradere, quia in talibus connubiis solent contemptus et adulteria sequi sepe et fidem non servari. Sed bonum est attendere in coniugiis equalitatem, Deut. 22o : Non arabis in bove et asino. Vel potest dici contra illos, qui aliorum delicta revelant et contra alios derisionem et infamiam excitant. Sed dei iusto iudicio fit, quod, qui in confusione aliorum gloriantur et aliorum vituperium querunt, per casum similem confunduntur sicut patet de Sole, qui Venerem revelavit et similiter in suis filiabus passus fuit. Propter hoc dicitur Prov. 25: Quod viderunt oculi tui, taceas, ne proferas. Vel potest allegari contra eos, qui malo amore se diligunt. Qui catena male consuetudinis et carnalis delectationis ita adherent tenaciter, quod dato dii, id est boni et magni, ipsorum vituperia videant et derideant, ipsi tamen ab invicem separari non valent. Immo ad sui confusionem et infamiam simul manent, sicut ad litteram videmus de Venere, id est de pulcris et luxuriosis mulieribus, que Vulcano, id est rusticis et turpibus nupte, ipsos contemnunt et Martem deum belli, id est nobiles et belligeros, eligunt et ab ipsis dissolvi numquam volunt.

zu geben oder umgekehrt, weil in solchen Ehen oft Verachtung und Ehebruch die Folge zu sein pflegen und die eheliche Treue dann nicht bewahrt wird. Gut ist es hingegen, in der Ehe auf Gleichartigkeit zu achten, Deut. 22,10: ›Nicht sollst du mit Ochs und Esel pflügen.‹ Oder man kann es gegen diejenigen anführen, die die Vergehen anderer verraten und gegen andere Spott und Schande anstiften. Doch durch das gerechte Urteil Gottes geschieht es, dass diejenigen, die sich angesichts der Schande anderer rühmen und die Kränkung anderer suchen, durch ein ähnliches Schicksal beschämt werden, wie man es bei Sol sieht, der Venus verriet und Ähnliches bei seinen Töchtern erlitt. Deshalb wird dies in Prov. 25,8 gesagt: ›Was deine Augen sahen, verschweige und erwähne es nicht.‹ Oder man kann dies gegen diejenigen anwenden, die sich in unzüchtigem Begehren lieben. Diese hängen so fest an der Kette der schlechten Gewohnheit und der körperlichen Lust, dass sie, auch wenn die Götter, d. h. gute und bedeutende Menschen, ihre Schande sehen und verspotten, sich dennoch nicht voneinander trennen können. Vielmehr bleiben sie zusammen zu ihrer eigenen Schmach und Schande, wie man dies – im Buchstabensinn – bei Venus sieht, d. h. bei schönen und zügellosen Frauen, die mit Vulcan, d.h. mit bäurischen und hässlichen Männern verheiratet, diese verachten und den Kriegsgott Mars, d. h. Adlige und Ritter, auswählen und sich von diesen niemals trennen wollen.

14 tui, taceas Pa8V4B; tui tui, taceas G; tui LV2Ep/Vulg.; om. Lo2Tr. 19 quod Lo1Pa8V4BTrEp; ita quod G. 23 ad litteram Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 27 belligeros Lo1V4BTr; bellicos G; bellicosos Ep. 28 ipsis Pa8 V4BTrEp; ipsi G; illis Lo1.

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Venus volens se de Sole vindicare, qui adulterium suum revelaverat, ipsum fecit in amore Leucothoes cuiusdam virginis pulcerrime Orchami et Eurynomes filie, taliter exardescere, quod mundum illuminare aliquando oblivisceretur. Et tardius quam consueverat quandoque consurgens quandoque horam sui ortus anticipans iam dimisisse mundi regimen videbatur ordoque rerum mirabiliter turbatur. Sol igitur quadam die Eurynomes matris virginis in effigiem se mutavit et in thalamum, ubi erat puella, intrans et famulas exterius emittens se locuturam cum filia secretius simulavit. Solum igitur se videns figuram vetule exuens se esse deum qui videt omnia et mundi oculum declaravit; et eam vi opprimens cum ea carnaliter habitavit. Clytie 337 autem quedam, quam Sol prius dilexerat, zelotypa Orchamo, patri puelle, adulterium revelavit, qui filiam vivam in terram infodit. Ad quam Sol radios suos vertens, sed eam iam mortuam suscitare non valens eam in thuream virgam transformavit et thus eius ad sacrificandum sibi et aliis numinibus ordinavit.

Weil Venus sich an Sol, der ihren Ehebruch verraten hatte, rächen wollte, ließ sie ihn dermaßen in Liebe zu Leucothoe, einer sehr schönen jungen Frau, der Tochter des Orchamus und der Eurynome, entbrennen, dass er manchmal vergaß, die Welt zu erleuchten. Und bisweilen erhob er sich später als gewohnt, bisweilen nahm er die Stunde seines Aufgangs vorweg; er schien die Lenkung der Welt aufgegeben zu haben, und die Ordnung der Dinge wurde auf eigenartige Weise durcheinandergebracht. Eines Tages verwandelte sich Sol nun in das Abbild von Eurynome, der Mutter der Jungfrau, betrat das Schlafzimmer, in dem sich das Mädchen aufhielt, schickte die Dienerinnen hinaus und gab vor, mit der Tochter etwas im Geheimen besprechen zu wollen. Als er nun sah, dass er allein war, legte er die Gestalt der alten Frau ab und offenbarte, dass er der Gott sei, der alles sieht, und das Auge der Welt. Und er bedrängte sie gewaltsam und schlief mit ihr. Doch eine gewisse Clytie [Clemene], die Sol vorher geliebt hatte, 337 offenbarte aus Eifersucht Orchamus, dem Vater des Mädchens, die Schändung. Dieser vergrub seine Tochter bei lebendigem Leibe in der Erde. Obwohl Sol seine Strahlen auf sie richtete, konnte er sie, die schon tot war, nicht mehr zum Leben erwecken. Er verwandelte sie in einen Weihrauchstrauch und ordnete an, dass ihr Weihrauch ihm und anderen Göttern zu opfern sei.

4 Leucothoes Leucothoe Lo1V4Ep; Leuchotoe G; Lempthoroe B; Leutoce Tr.. 5 Orchami Lo1V2BEp; Ortavii G; Orcami V4; Orchani Tr. 5 Eurynomes Eurimenes GLo1V4BEp; Climenes V2; Hemenes Tr. 8 consueverat quandoque cet. codd.Ep; consuebat interdum Tr. 9 horam sui ortus LLo1Lo2Pa8V2V4TrEp; ortum suum G. 19 Clytie Ep; Clemene GLV4; Climene Lo1B; Clissie Lo2 in marg.; Clites Pa8; Climenes V2; Helemene Tr. 26 numinibus LLo1Pa8V2Ep; muneribus GLo2Tr; diis V4.

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Istud potest allegari contra ecclesiasticos luxuriosos, quia sepe fit, ut Sol, id est aliquis doctor vel prelatus, alicuius mulieris malo amore vexatur et ibi taliter occupatur, quod illuminare doctrinis suis et exemplis mundum vel patriam, sicut consuevit, non dignatur. Immo surgendo et cubando inordinatus efficitur et quod plus est: sepe fit, ut mutato habitu in alterius speciem commutatur, ut suam impudicitiam exsequatur. Vel dic, quod talis Sol est aliquis subtilis hereticus, qui ratione claritatis scientie illuminandi patriam creditur esse dignus. Iste igitur Leucothoes, id est cuiuscumque simplicis persone, matrem se esse fingit et ex materna caritate sibi se loqui asserit et mundi oculum se dicit et sic per errores ipsam decipit et virginitatem, id est innocentie puritatem, tollit. Propter quod pater eius, deus, ipsam finaliter in terra, id est in inferno, per eternam damnationem opprimit et includit. Vel dic, quod talis est quelibet virgo martyr, quia enim Sol iustitie Christus, cum ea copulatur per fidem et in forma matris ei apparet per caritatem. Pater suus, mundus cum tyrannis, ipsam interfecit, sed ipse Sol, Christus, ipsam in virgulam thuris mutavit, inquantum sequentibus miraculis per bonam famam redolere facit. 338

Dies kann man gegen unzüchtige Kirchenmänner anwenden, da es häufig geschieht, dass Sol, d.h. ein Gelehrter oder Prälat, von einer verwerflichen Leidenschaft zu einer Frau gequält wird und dort so in Anspruch genommen wird, dass er die Welt oder die Heimat nicht wie gewohnt mit seinen Lehren und Beispielen zu erleuchten für nötig erachtet. Vielmehr gerät er beim Aufstehen und Schlafengehen in Unordnung und, was noch gravierender ist: Es geschieht häufig, dass er die Kleider wechselt und sich in die Gestalt eines anderen verwandelt, um seiner Unzucht zu frönen. Oder sag, dass ein solcher Sol ein scharfsinniger Häretiker ist, der aufgrund der Klarheit seines Wissens für würdig erachtet wird, die Heimat zu erleuchten. Er gibt also vor, die Mutter Leucothoes, d.h. einer einfachen Person, zu sein und versichert, aus mütterlicher Liebe mit ihr zu sprechen; und er sagt, er sei das Auge der Welt und täuscht sie so durch Irrlehren und nimmt ihr die Jungfräulichkeit, d.h. die Reinheit der Unschuld. Deshalb vergräbt sie ihr Vater, Gott, schließlich durch ewige Verdammnis in der Erde, d.h. in der Hölle, und schließt sie dort ein. Oder sag, dass eine jede jungfräuliche Märtyrerin so geartet ist, da sich nämlich die Sonne der Gerechtigkeit, Christus, durch den Glauben mit ihr verbindet und ihr durch Liebe in Gestalt ihrer Mutter erscheint. Ihr Vater, die Welt mit ihren Tyrannen, tötete sie; aber Sol, Christus, verwandelte sie in einen Weihrauchstrauch, sofern er sie durch guten Ruf mit nachfolgenden Wundern duften ließ. 338

11 suam Lo1Pa8V2V4BEp; sua G; eius sua Tr. 13 – 14 claritatis . . . illuminandi GPa8V4B; claritatis scientie illuminare LLo1; scientie clericatus illuminandi Tr; clericatus sui ad illuminandum Lo2Ep. 19 ipsam LV4BTr; ipsum GLo1Lo2Ep; homines Pa8. 21 ipsam Lo1Pa8V4BTrEp; ipsum G. 26 matris Lo1Pa8V4BTrEp; om. GV2. 28 ipsam Lo1Pa8V4BEp; ipsum G; eam Tr.

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Clytie, que Solis amica fuit, facta est zelotypa propter Leucothoen, quam Sol diligebat, et patri Leucothoes adulterium publicavit. Qui puellam vivam infodit et sic ipsa Clytie recuperasse amorem Solis perditum extimavit. Sol vero ipsam recipere noluit, quin immo vultum suum ab eadem avertit. Ipsa vero tandem in florem, qui solsequium dicitur, est mutata; 340 unde adhuc Solem sequitur, ubicumque se vertit.

Clytie [Clemene], die die Geliebte des Sol war, wurde wegen Leucothoe, die Sol liebte, eifersüchtig und machte dem Vater Leucothoes deren Entehrung bekannt. Dieser vergrub das Mädchen bei lebendigem Leib, und so glaubte Clytie, die verlorene Liebe des Sol wiedererlangt zu haben. Sol aber wollte sie nicht wieder aufnehmen, ja im Gegenteil wandte er sein Gesicht sogar von ihr ab. Sie aber verwandelte sich schließlich in eine Blume, die Heliotrop heißt. 340 Daher folgt sie Sol weiterhin, wohin er sich auch wendet.

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Ista possunt dici contra invidos, qui videntes aliquam personam plus se dilectam a Sole, id est ab aliquo domino vel potente, procurant ei mortem vel gravamen exinde sperantes familiaritatem domini obtinere. Verumtamen cum hec ad notitiam domini predicti pervenerit, inde confusionem habebunt et odium, unde amorem et premium exspectabant, ita quod dicere poterunt illud Is.: Expectabamus lucem et ecce tenebre. Vel dic, quod Clytie significat animam peccatricem, quam Sol iustitie Christus respicere dedignatur, immo ipsam vilipendit, Eccli. 12: Altissimus odio habet peccatores. Debet ergo ista ad Christum solem per devotionem et orationem se convertere et per ipsius imitationem ipsum sequi et ad omnia puncta virtutum, ad que ipse, dum vi-

Moralisierung Dies kann gegen die Neider gesagt werden; wenn diese eine Person sehen, die von Sol, d.h. von einem Herrn oder einem Mächtigen, mehr geliebt wird als sie selbst, bereiten sie ihr Tod oder Ungemach, weil sie hoffen, daraufhin ein vertrautes Verhältnis zu dem Herrn zu gewinnen. Wenn dies zur Kenntnis des erwähnten Herrn gelangt, werden sie gleichwohl daraus Schmach und Hass ernten, woraus sie Liebe und Belohnung erhofften, so dass sie jenes Wort aus Is. [59,9] werden sagen können: ›Wir erwarteten Licht und siehe, da ist Finsternis.‹ Oder sag, dass Clytie die sündige Seele bedeutet, die zu erblicken die Sonne der Gerechtigkeit Christus nicht für würdig hält, vielmehr schmäht er sie, Eccli. 12,3: ›Der Höchste hasst die Sünder.‹ Diese muss sich nun durch Frömmigkeit und Gebet Christus, der Sonne, zuwenden, ihm durch Nachahmung folgen und sich im Geist auf alle Aspekte der Tugend ausrichten, auf die

2 Clytie Ep; Clemene GV4; Climene Lo1. 5 – 6 Clytie Ep; Clemene G; Climene Lo1V4. 8 – 10 Ipsa . . . mutata GPa8V4; unde et continue Solem sequitur, Sol vero ipsam respicere noluit, quin vultum suum ab eadem avertebat. Ipsa vero tandem in florem, qui Solsequium dicitur, est mutata Lo1. Cf. Anm. 340. 9 qui Lo1Lo2Pa8V4; que G. 10 – 11 unde . . . se vertit GLo2Pa8V4; unde adhuc solem sequitur et ubicumque sol se vertet iste flos etiam se inclinando convertit Lo1. 17 domini om. G, sed add. domini supra. lin. 26 ipsam Lo1V2V4BTrEp; om. GPa8.

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veret, se convertit, se mentaliter inclinare et in florem honeste conversationis finaliter se mutare et per affectum et desiderium se ad deum transportare. Sequitur ipsum nascentem per virtutem humilitatis, ipsum viventem per virtutem paupertatis, ipsum morientem per virtutem caritatis, ipsum resurgentem per virtutem innocentie et novitatis, ipsum ascendentem per virtutem contemplative sublimitatis. Et tunc talis anima poterit dicere illud Mt. 8: Magister sequar te quocumque ieris. Vel dic, quod Sol est prelatus, qui cuilibet persone, que delinquit, licet peniteat, non debet statim bonum vultum ostendere, ne facilitas venie peccati occasio possit esse. Ipse vero penitens licet rigorem prelati videat, non debet ab humilitate recedere, sed eum continue sequi et se eius voluntati subicere, quantum potest. Eodem modo dato, quod deus non statim audiat nobis nec nostris petitionibus faveat, non propter hoc a devotione et oratione est cessandum secundum illud apostoli: Bonum facientes non deficiamus. Fabula sexta 341

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Sithon fuit quidam puer, quem Iupiter mutavit in feminam, ita quod ex tunc ambigue nature fuit, quia nunc erat femina nunc masculus, ita quod nesciebatur de eo, utrum debebat femina vel masculus reputari.

er sich, solange er lebte, gerichtet hat, und sie muss sich schließlich in die Blume eines ehrenhaften Lebens verwandeln und sich durch Liebe und Verlangen auf Gott zubewegen. Sie folgt ihm bei seiner Geburt durch die Tugend der Demut, während seines Lebens durch die Tugend der Armut, bei seinem Tod durch die Tugend der Liebe, bei seiner Auferstehung durch die Tugend der Unschuld und Erneuerung, bei seiner Himmelfahrt durch die Tugend der Erhebung in der Kontemplation. Und dann wird eine solche Seele das Wort aus Mt. 8,19 sagen können: ›Meister, ich will dir folgen, wohin du auch gehst.‹ Oder sag, dass Sol ein Prälat ist, der einer Person, die sündigt, mag sie auch Reue empfinden, nicht sogleich ein freundliches Gesicht zeigen darf, damit nicht die leicht erlangte Vergebung wieder Anlass zur Sünde sein kann. Mag der Sünder aber auch die Härte des Prälaten sehen, so darf er nicht von der Demut ablassen, sondern muss ihm beständig folgen und sich seinem Willen, soweit wie möglich, unterwerfen. Ebenso darf man, mag Gott uns auch nicht sogleich erhören und unseren Bitten gnädig sein, deshalb nicht von der frommen Haltung und dem Gebet ablassen gemäß jenem Apostelwort [Gal. 6,9]: ›Lasst uns nicht darin nachlassen, Gutes zu tun.‹ Sechste Erzählung 341 Sithon war ein junger Mann, den Jupiter in eine Frau verwandelte, so dass er seitdem von zweifacher Natur war, da er bald Frau, bald Mann war, so dass ungewiss war, ob er für eine Frau oder einen Mann zu halten sei.

12 ieris ir ieris G, sed del. ir. 19 eum V4BTrEp; eam GPa8; ipsum Lo1. 23 a . . . oratione LLo1V2V4 TrEp; a devotionem et orationem G; ab oratione et petitione B. 27 Sithon Sichon G; Sicon Lo1V2; Sithen V4; Ricon B; Sychon Tr; Scython Ep. 30 – 32 ita . . . reputari Pa8V4; sim. Lo1V2BTrEp; om. ita . . . reputari G.

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Tales sunt duplices et vani, quia nihil fidelitatis et firmitatis habentes nunc in unam partem, nunc in aliam mutantur, ita quod quando masculi, id est boni et firmi, fortes et constantes, sunt, tunc femine, id est debiles et defectibiles, inveniuntur. Sic patet de falsis amicis et fictis.

Solche Menschen sind doppelgesichtig und haltlos, weil sie keine Treue und keine Standhaftigkeit besitzen und bald in die eine Rolle, bald in die andere wechseln, so dass sie manchmal Männer, d. h. gut und stark, tapfer und standhaft sind, dann wieder sich als Frauen, d. h. als schwach und unvollkommen, erweisen. So zeigt es sich bei falschen und vorgeblichen Freunden.

Fabula septima 342 10

Curetes fuerunt populi, qui de pluvia fuerunt nati; cecidit enim pluvia de celo, virtute cuius fuerunt nati Curetes et de terra more graminum exierunt. Moraliter

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Sic viri christiani de pluvia divine gratie et de lavacro baptismi vel spiritus sancti donis fuerunt spiritualiter generati et in esse morali constituti. Unde est, quod baptismus dicitur regeneratio et infusio spiritus sancti sive creatio, Ps.: Emitte spiritum tuum et creabuntur. 343 Fabula octava 344 Hermaphroditus fuit filius Mercurii et Veneris nutritus in silvis Ideis a dryadibus in

Siebte Erzählung 342 Die Cureten waren ein Volk, das aus dem Regen geboren wurde: Es fiel nämlich Regen vom Himmel, aus dessen Kraft die Cureten geboren wurden und aus der Erde nach Art von Pflanzen herauswuchsen. Moralisierung So wurden die Christen aus dem Regen der göttlichen Gnade und aus dem Bad der Taufe oder durch die Gaben des Heiligen Geistes als geistige Personen geschaffen und zu sittlicher Existenz berufen. Daher kommt es, dass die Taufe Wiedergeburt und Eingießung des Heiligen Geistes oder auch Schöpfung genannt wird, Ps. 103,30: ›Sende deinen Geist aus und sie werden erschaffen werden.‹ 343 Achte Erzählung 344 Hermaphrodit war der Sohn von Mercur und Venus; er wurde in den Wäldern von Nymphen in Höhlen des Ida aufgezogen.

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9 Fabula septima IV,6 Lo2. 22 Fabula octava IV,7 Lo2. 10 Curetes Ep; Cyrothe G, sed add. -h- supra lin.; Curete V2B; Cure V4; Currete Tr; om. Cyrothe . . . nati Lo2. 15 gratie et Lo1Pa8V4BTrEp; gratie G. 16 vel spiritus Lo1Pa8V4BTrEp; spiritus G. 18 morali LLo1Lo2V4BEp; mortali GV2; morale Tr. 23 Hermaphroditus Hermafroditus V2V4; Hermofroditus GLo1Ep; Hemofrochtus B; Ermofraudita Tr. 24 Ideis LLo1V4TrEp; edualibus G; aydeis B; om. Pa8. 24 – 226,1 a . . . antris V2BTr; in antris G; a duabus in antris Lo1Lo2; a nymphis in antris Pa8; lac. et in antris V4; a deabus, huius erat facies in qua materque paterque cognosci poterant Ep. Cf. naides Idaeis enutrivere sub antris Ov. Met. 4,289.

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antris. Qui cum esset puer pulcerrimus, patriam relinquit et ignotas silvas et flumina delectatus videre usque ad quoddam stagnum iuxta civitatem Caras, 345 in quo aqua erat limpidissima, in qua quedam nympha dicta Salmacis se sepissime balneabat, pervenit. Volens igitur puer se balneare in stagno, vidit eum nympha et in eius exarsit amore eumque rogando alloquitur dicens: O puer, inquit, dignissime credi esse deus. Thalamum ineamus eundem! 346 Ille vero quid esset amor ignorans amorem nymphe penitus refutavit, sed ipsa nudum puerum et se balneantem respiciens ad ipsum nuda saliit et in amplexus eius et oscula ruit. Cum igitur puer nec sic in ipsius consentiret amorem, rogavit nympha deos, quod perpetuo non disiungerentur. Cuius dii precibus annuentes fecerunt, quod pariter unirentur et ex ipsis una persona constitueretur, que utramque haberet naturam et sub una facie duplicem personam sortiretur. Ex tunc ergo quicumque in illo fonte se balneat, solet semifemina et semivir fieri et a virilitate deficere et quasi in naturam femineam commutari. Et ita factus est Hermaphroditus et ex natura duplici constitutus. 347

Weil dieser ein sehr schöner junger Mann war, verließ er seine Heimat und hatte Freude daran, unbekannte Wälder und Flüsse anzusehen. Er kam zu einem See in der Nähe der Stadt Caras, 345 der besonders klares Wasser hatte; darin badete sehr oft eine Nymphe mit Namen Salmacis. Als der junge Mann nun in dem See baden wollte, sah ihn die Nymphe und entbrannte in Liebe zu ihm, und sie sprach ihn an, um ihn zu fragen, und sagte: ›O Knabe‹, sagte sie, ›wahrhaft wert, für einen Gott gehalten zu werden, lass uns ins Brautgemach gehen!‹ 346 Weil jener aber unerfahren in der Liebe war, wies er die Liebe der Nymphe ganz und gar zurück. Aber als sie den nackten jungen Mann beim Baden sah, sprang sie nackt zu ihm und bestürmte ihn mit Umarmungen und Küssen. Da nun der Jüngling ihre Liebe auch so nicht erwiderte, bat die Nymphe die Götter, dass sie niemals getrennt würden. Ihren Bitten gaben die Götter nach und bewirkten, dass sie zu gleichen Teilen vereinigt wurden und aus ihnen eine einzige Person entstand, die beide Geschlechter besaß und in einer Gestalt ein zweifaches Wesen erhielt. Jeder, der nun seitdem in jener Quelle badet, wird gewöhnlich halb Frau und halb Mann, und er verliert etwas von seiner Männlichkeit und wird gleichsam in eine weibliche Natur verwandelt. Und so entstand der Hermaphrodit und war gebildet aus einer doppelten Natur. 347

3 usque GLo1Pa8V4BTr; et sic usque Ep. 4 Caras Lo1Pa8V2Ep; Caraseam G; Carastri Lo2; Caristum V4; Toras B; Tarascus (?) Tr. 6 dicta Lo1Lo2V2V4TrEp; deam G. 6 Salmacis V2BEp; Salmatis GV4Tr; Salmaris Lo1. 9 amore GLo1Pa8; amorem LLo2V2V4BTrEp. 10 credi V2Ep; crede GV4B; om. Pa8; om. credi esse deum LLo1; om. dignissime . . . eundem Lo2. 16 – 17 sic . . . amorem LLo1V2BTrEp; se eius consentiret amori G; sic consentiret amori Pa8. 17 deos, quod Lo1Pa8V4TrEp; deos G; quod B. 20 constitueretur constitueruretur G, sed corr. 20 que Lo1V4Tr; q*** G; quod Lo2; qui LV2B; om. Ep. 22 personam sortiretur GLo1Pa8V4Tr; personam sequeretur B; persona videtur Ep. 23 illo fonte LLo1Pa8V2V4Ep; illum fontem G; illum B; illud stagnum Tr.

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Ista possunt applicari ad incarnationem: Iste enim puer, filius Mercurii, potest significare dei filium super omnia speciosum, qui a principio propriam silvam, id est paradisum, decrevit dimittere et ad alia loca, scilicet ad aliud seculum, se transferre et ibi in aqua misericordie se lavare iuxta illud Gen.: Egredere de terra et de cognatione tua. Ista nympha otiosa potest significare naturam humanam otio deditam, fons iste potest significare virginem gloriosam, claram, limpidam et puram, Zach.: Erit fons patens domui Iacob. Dic ergo, quod nympha Salmacis, id est humana natura, puerum istum a principio vidit per fidem, ipsum per caritatem amavit et eius unionem et copulam semper affectavit ipsumque dignum deum predicavit et eum ad incarnationem per prophetas humiliter postulavit dicens illud Is. 64: Utinam dirumperes celos et descenderes! Verumtamen iste puer a principio in istam copulam noluit assentire, immo voluit differe, ut dilatio ipsa magis fieret grata, Hab. 2: Si moram fecerit, expecta eum. Finaliter autem iste in fontem misericordie, id est in beatam virginem, descendit, ubi statim nympha ista, id est natura humana, se ipsi coniunxit et sic adhesit, ita quod ex duabus naturis una persona resultaret, inquantum humana natura in persona filii dei supposita permansit. Fuit ergo iste

Dies kann auf die Inkarnation angewandt werden: Denn der junge Mann, der Sohn des Mercur, kann den Gottessohn, der über alle Maßen schön ist, bedeuten; er beschloss von Beginn an, den eigenen Wald, d. h. das Paradies, zu verlassen und sich an andere Orte zu begeben, nämlich in eine andere Welt, und sich dort im Wasser des Erbarmens zu waschen gemäß jenem Wort aus Gen. [12,1]: ›Geh fort aus deinem Land und von deiner Verwandtschaft.‹ Die müßige Nymphe kann die menschliche Natur bezeichnen, die dem Müßiggang hingegeben ist, die Quelle kann die glorreiche, glänzende, reine und unbefleckte Jungfrau bezeichnen, Zach. 13,1: ›Es wird für das Haus Jacob eine Quelle fließen.‹ Sag also, dass die Nymphe Salmacis, d.h. die menschliche Natur, diesen jungen Mann am Anfang durch den Glauben sah, ihn in Liebe liebte und die Vereinigung und Vermählung mit ihm immer anstrebte und ihn als würdigen Gott rühmte und ihn durch die Propheten demütig zur Inkarnation aufforderte, indem sie jenes Wort Is. 64,1 sagte: ›Dass du doch die Himmel aufrissest und herabkämst!‹ Doch der junge Mann wollte am Anfang dieser Verbindung nicht zustimmen, wollte sie vielmehr aufschieben, so dass der Aufschub selbst die Erwartung noch steigert, Hab. 2,3: ›Wenn er sich verspätet, erwarte ihn.‹ Schließlich aber stieg er in die Quelle des Erbarmens, d.h. zu der seligen Jungfrau hinab, wo sich sogleich die Nymphe, d.h. die menschliche Natur, mit ihm verband und so an ihm festhielt, dass aus zwei Naturen eine Person entstand, sofern die menschliche Natur in der Person des Gottessohns enthalten blieb. Er war al-

14 domui Iacob GLo1Pa8V4BTr; domui David Ep/Vulg. 15 Salmacis Salmathis G. 17 unionem Lo1Pa8 V4TrEp; lac. G. 21 Is. 64 Is. 63 G. 25 Hab. 2 Hab. 1 G. 28 – 29 nympha . . . ipsi Lo2TrEp; nympha . . . secum se LLo1V2; nympham istam, id est naturam humanam, secum sic GPa8V4; nympha illa, humana scilicet natura, cum se B.

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partim masculus, id est deus, et partim femina, id est homo, et duplicis est effectus, est tamen ipse unicus et unus, Mt. 23: Magister noster unus est Christus. Iste autem alio modo etiam femineus dicitur, quia prius fuerat rigidus et severus, per ipsam incarnationem factus est mollis et flexibilis et benignus, nam beata virgo ipsum effeminavit, inquantum suum rigorem in pietatem mutavit, Ier. 32: Femina circumdabit virum et cetera.

so teils ein Mann, d. h. Gott, und teils eine Frau, d.h. Mensch, und sein Wirken ist zweifacher Art; dennoch ist er selbst ein einziger und einer, Mt. 23,10: ›Nur einer ist unser Lehrer, Christus.‹ Er wird aber auf andere Weise weiblich genannt, da er vorher hart und streng gewesen war, durch die Inkarnation aber auch weich, nachgiebig und gütig wurde; denn die selige Jungfrau machte ihn weiblich, sofern sie seine Härte in gnädige Milde verwandelte, Ier. 31,22: ›Die Frau wird den Mann umgeben‹ etc.

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Acrisius rex cum Danaen filiam pulcerrimam haberet, timens adulteros ipsam in turri enea inclusit. Iupiter vero in pluviam auream se mutavit et per tegulas domus in gremium virginis distillavit et sic ipsam in auri specie impregnavit et in ea Perseum generavit. Pater vero pregnantem filiam comperiens ipsam in cista inclusit et in mare proiecit. Ipsa vero, dum esset in arca, filium peperit et tandem vento in Italiam delata et a quodam piscatore reperta. Piscator ipsam regi patrie presentavit, qui matrem duxit et filium nutriri fecit. Et civitatem Ardeam fundavit, que postea Turni dicta fuit.

Neunte Erzählung 348 Da König Acrisius eine sehr schöne Tochter, Danae, hatte, sperrte er sie aus Furcht vor Liebhabern in einem ehernen Turm ein. Jupiter aber verwandelte sich in einen goldenen Regen und tropfte durch die Dachziegel des Hauses in den Schoß der Jungfrau herab und schwängerte sie so in Gestalt von Gold und zeugte in ihr Perseus. Als der Vater aber erfuhr, dass seine Tochter schwanger war, schloss er sie in einen Kasten ein und warf sie ins Meer. Während sie aber in dem Kasten war, gebar sie einen Sohn, und sie wurde schließlich vom Wind nach Italien getrieben und von einem Fischer gefunden. Der Fischer stellte sie dem König des Landes vor, der die Mutter heiratete und den Sohn aufziehen ließ. Und er gründete die Stadt Ardea, die später die Stadt des Turnus genannt wurde.

12 Fabula nona IV,8 Lo2; IV,12 Ep. 3 Mt. 23 Mt. 13 G. 5 alio modo GLo1Pa8V4B; alio nomine Tr; amor Ep. 7 flexibilis LLo2Pa8V2V4; fluxibilis G; flebilis Ep; om. BTr. 10 Ier. 31 Ier. 32 G. 13 Acrisius Ep; Cresus seu Acrisus G; Acrisius seu Acrisus Lo1; Cresius seu Acrisius V2; Cresus seu Acresus V4; Gressus sive Acrisus B; Cresus sive Acersus Tr. 13 Danaen Ep; Danam GV4Tr; Danem Lo1; Dane V2B. 14 timens adulteros LV4BTrEp; om. G. 18 auri aure G, sed corr. auri. 25 Ardeam V2TrEp; auream GLLo1Lo2Pa8V4. 26 Turni V2Ep; turim GLo1B; terrum Tr; om. Pa8; lac. V4.

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Moralisierung

Ista puella potest significare virginem gloriosam, que in turri fidei custodita ibi a Iove, id est spiritu sancto, extitit impregnata et descendente pluvia aurea, id est dei filio, in gremium uteri virginalis Perseum, id est Christum deum et hominem est enixa, Ps.: Descendet sicut pluvia in vellus. Pater igitur istius puelle, id est populus Iudaicus, ipsam cum suo filio repudiavit fidemque ipsius refutavit. Rex autem Italicus, id est populus gentilis, ipsam cum filio suo recepit et per fidem et caritatem eos tenuit et nutrivit, Ps.: Populus, quem non cognovi, servivit mihi. Vel dic, quod nihil potest mulierem custodire, dum tamen pluvia aurea possit ad eam pertingere, quia, si pluvia aurea super eam, id est munera aurea super ipsam et super custodes eius, pluunt, ipsam occasionaliter impregnabunt nullaque clausura in contrarium suffragatur. Propter hoc bene dicit Theophrastus, quod nulla mulier custodiri debet, cum bona non debeat et mala non possit. 349 Vel dic, quod Iupiter est mundus, qui mediante auro, id est divitiis temporalibus, Danaen, id est animam peccatricem, corrumpit, ita quod pater suus, diabolus, ipsam in cista male consuetudinis includit et per mare fluxibilis vite ipsam vagabundam dimittit. Piscatores tamen, id est predicatores, ipsam reperiunt et regi suo, id est Christo, ipsam per penitentiam conversam presentant, qui eam tamquam propriam diligit et custodit, Ps.: Offerentur regi virgines etc.

Dieses Mädchen kann die glorreiche Jungfrau bedeuten, die im Turm des Glaubens bewacht wurde und dort von Jupiter, d. h. vom Heiligen Geist, schwanger wurde und durch den herabfallenden goldenen Regen, d.h. durch den Gottessohn, im Schoß ihres jungfräulichen Leibes Perseus, d.h. Christus, Gott und Mensch, empfing und gebar, Ps. 71,6: ›Er wird auf das Vlies herabfließen wie Regen.‹ Der Vater des Mädchens, d.h. das jüdische Volk, verstieß sie nun mit ihrem Sohn und verschmähte den Glauben an ihn. Der italische König aber, d. h. das Heidenvolk, nahm sie mitsamt ihrem Sohn auf und hielt sie in Glauben und Liebe fest und ernährte sie, Ps. 17,45: ›Ein Volk, das ich nicht kannte, diente mir.‹ Oder sag, dass nichts eine Frau bewachen kann, solange doch Goldregen auf sie kommen kann; denn wenn Goldregen auf sie regnet, d.h. goldene Geschenke auf sie und ihre Wächter regnen, werden sie sie bei der Gelegenheit schwängern und kein Schloss hilft dagegen. Deshalb sagt Theophrast richtig, dass keine Frau bewacht werden muss, da eine gute nicht bewacht werden muss und eine schlechte nicht bewacht werden kann. 349 Oder sag, dass Jupiter die Welt ist, die mit Hilfe von Gold, d.h. irdischem Reichtum, Danae, d.h. die sündige Seele, verdirbt, so dass ihr Vater, der Teufel, sie in einen Kasten schlechter Gewohnheit einschließt und sie ziellos über das Meer eines unsicheren Lebens schickt. Dennoch finden sie Fischer, d.h. Prediger, und stellen sie, die durch Reue bekehrt ist, ihrem König vor, d.h. Christus, der sie wie die Seinige liebt und bewacht, Ps. 45,15: ›Jungfrauen werden zum König gebracht‹ etc.

5 pluvia pluia G, sed add. -v- supra lin.

27 Danaen Ep; Dante G; Danam V4.

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Gorgones fuerunt tres sorores, scilicet Stheno, Euryale et Medusa, que omnes tres unum oculum habebant et, quando videre volebant, ipsum alternatim mutuabant. Erantque tante virtutis, quod omnes, qui videbant eas, statim in lapides convertebantur. Igitur cum Perseus esset iuvenis audax et strenuus, missus est ad ista monstra, que serpentine erant similitudinis, occidenda. Qui contra periculum lapidificationis scutum Palladis crystallinum et pennas cum harpe gladio falcato Mercurii accepit et usque ad monstrorum habitaculum ultra Atlantem montem se contulit, ubi circumquaque multos homines et feras lapidificatas invenit. Et primo, dum una sororum oculum communem alteri traderet, ipse manum supponens oculum furatus fuit, postea, dum dormirent, formam et locum in scuto speculari conspexit et sic ad eas occidendas absque hoc, quod eas respiceret, se direxit. Ipsas igitur occidit et caput maioris secum tulit et multa mirabilia inde fecit.

Die Gorgonen waren drei Schwestern, nämlich Stheno, Euryale und Medusa, die alle drei nur ein einziges Auge hatten, und wenn sie sehen wollten, tauschten sie es im Wechsel untereinander. Und sie besaßen eine so große Wunderkraft, dass alle, die sie sahen, sogleich in Stein verwandelt wurden. Weil Perseus nun ein mutiger und tatkräftiger junger Mann war, wurde er geschickt, um diese schlangenhaften Ungeheuer zu töten. Er erhielt gegen die Gefahr der Versteinerung das kristallene Schild der Pallas und Flügelschuhe zusammen mit dem gekrümmten Sichelschwert des Mercur; und er begab sich zur Wohnstätte der Ungeheuer jenseits des Atlasgebirges, wo er überall viele versteinerte Menschen und Tiere fand. Und als eine der Schwestern das gemeinsame Auge einer anderen übergab, hielt er seine Hand dazwischen und raubte zuerst das Auge; später betrachtete er, während sie schliefen, ihre Gestalt und den Ort in dem spiegelnden Schild und, um sie zu töten, bewegte er sich auf diese Weise auf sie zu, ohne sie anzusehen. Er tötete sie also und nahm den Kopf der Ältesten mit sich und bewirkte damit dann viele Wunder.

Moraliter

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Ista serpentina monstra possunt significare malas mulieres, que serpentine et malitiose sunt nature, Eccli. 25: Non est caput nequius super caput colubri. Sequitur: Brevis omnis malitia super malitiam mulieris. Iste

Moralisierung Diese schlangenhaften Ungeheuer können schlechte Frauen bedeuten, die von schlangenhafter und bösartiger Natur sind, Eccli. 25,22.26: ›Kein Haupt taugt weniger als das Haupt der Schlange‹, und weiter: ›Gering ist alle Bosheit gegenüber der Bosheit

1 Fabula decima IV,9 Lo2; IV,13 Ep. 2 – 3 Stheno Stennio Lo1; Stelion GB; Stenio Ep; Stenola V2; Stellion V4; Stenon Tr. 3 Euryale Euriale Lo1; Furialem G; Eurialon V4; Funalem B; Eiurale Tr; Ceuriale Ep; om. V2 3 Medusa Lo1BTrEp; Medusam G; Meduson V4; om. V2. 5 volebant Lo1V4BTr; volebat GEp. 10 que . . . similitudinis Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 12 – 13 pennas cum harpe V2BTrEp; pennas Harpie cum GLLo1Pa8V4; pennas harpe cum Lo2. 24 inde LLo1Lo2Pa8Ep; ibidem GV2V4; om. BTr. 27 possunt Lo1Pa8V4BEp; potest G; possumus intelligere Tr. 28 malas G; malas et pulcras Lo1Pa8V2V4BEp; bonas et malas Tr.

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enim unicum oculum habent, id est unicum malitie consensum, quem etiam una alteri accommodat, inquantum una mulier malitiam alteri communicat, Prov. 1: Marsupium unum sit omnium nostrum. Ipse enim videntes in lapides convertunt, quia ex visu et aspectu mulierum homines lapides, id est insensibiles, efficiuntur et pre stupore et temptatione, quam concipiunt, sensu debite discretionis privantur, ita quod per mulieres multi homines et fere, id est sapientes et stulti, lapidificati sunt et sensu discretionis privati, sicut patet de Samsone et Salomone, Iob 38: In similitudinem lapidum indurantur aque. Sed Perseus, filius Iovis, id est vir iustus filius dei, istas debet vincere et contra earum malitiam propugnare. Verumtamen quattuor sunt sibi necessaria, antequam de ipsis valeat triumphare, quia debet habere scutum Palladis, que est dea sapientie, id est sapientiam et discretionem, alas Mercurii, qui est deus volitans, id est celestium contemplationem, gladium falcatum, id est verbum dei et orationem, et super omnia, quod ad ista non respiciat per complacentiam et delectationem, sed aspectum et affectum earum fugiat vitando peccati occasionem et quod solum formam et conditionem earum videat in scuto Palladis, id est in scriptura, que est sapientie scutum per librorum investigationem. Nam si homo habet discretionem, celestium contemplationem et intentam orationem et ab

der Frauen.‹ Denn diese haben nur ein einziges Auge, d.h. eine einzige Zustimmung zur Bosheit, die sogar die eine der anderen leiht, sofern eine Frau mit der anderen die Bosheit teilt, Prov. 1,14: ›Ein einziger Geldbeutel gehöre uns allen.‹ Denn sie verwandeln diejenigen, die sie sehen, in Steine, da durch das Sehen und den Anblick von Frauen Männer zu Steinen werden, d.h. gefühllos, und wegen der Gefühllosigkeit und Versuchung, der sie ausgesetzt sind, des Sinns für das notwendige Unterscheidungsvermögen beraubt werden, so dass durch Frauen viele Männer und Tiere, d. h. Kluge und Dumme, versteinert und ihres Sinns der Unterscheidung beraubt wurden, wie dies bei Samson und Salomon offenbar wird, Iob 38,30: ›Wie Steine hart werden die Wasser.‹ Aber Perseus, der Sohn Jupiters, d.h. ein gerechter Mann und Sohn Gottes, muss diese besiegen und gegen ihre Bosheit kämpfen. Allerdings braucht er vier Dinge, bevor er sie besiegen kann, denn er muss den Schild der Pallas haben, die die Göttin der Weisheit ist, d.h. also Weisheit und Unterscheidungsvermögen, die Flügel Mercurs, der ein fliegender Gott ist, d.h. die Betrachtung der himmlischen Dinge, ein gekrümmtes Schwert, d.h. das Wort Gottes und das Gebet, und vor allem, dass er auf diese [Frauen] nicht mit Wohlgefallen und Freude schaut, sondern ihren Anblick und ihre Leidenschaft flieht, indem er die Gelegenheit zur Sünde meidet, und dass er ihre Gestalt und Beschaffenheit nur im Schild der Pallas betrachtet, d.h. in der Heiligen Schrift, die bei der Erforschung ihrer Bücher der Schild der Weisheit ist. Denn wenn der Mensch Unterscheidungsvermögen, Betrachtung der himmlischen Dinge und inständiges Gebet übt und sein Auge von je-

2 una Lo1Pa8V4BTrEp; unam G. 6 visu vissu G, sed corr. 14 Iob 38 Iob 40 G. 15 indurantur Pa8V4; induantur G; durantur LLo1V2TrEp/Vulg. 16 filius dei V4; filius Christi BTrEp; om. G. 19 antequam . . . triumphare Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 23 contemplationem LLo1V4BTrEp; contemplationum GLo2V2; om. Pa8.

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eis oculum averterit, contra ipsos prevalere poterit et caput sue male intentionis ab eis auferre, et ipsas forsan ad bonum convertet, Eccli. 9: Averte oculos tuos a muliere compta et ne circumspicias mulierem alienam. Propter speciem mulieris multi perierunt. Vel dic, quod Phorcus, qui pater est Gorgonum, qui interpretatur formans cogitationes 351 , est animus, qui habet tres malas filias, scilicet cogitationem, locutionem et operationem. Perseus homo fortis cum scuto Palladis, id est cum scuto sapientie, potest vincere et se a malo opere restringere et arcere. Alias vero duas occidisse non legitur, quia scilicet mala cogitatio et mala locutio non faciliter superantur. Manus autem potest arceri, cogitatio et locutio non possunt cohiberi. Fabula undecima 352 Medusa fuit pulcrior inter tres sorores Gorgones. Quam cum Neptunus in templo dee Palladis oppressisset, Pallas ipsam ea parte, qua plus placuerat, scilicet in capite, punivit. Et loco capillorum capiti eius serpentes inseruit et sibi de serpentibus crines fecit. Moraliter Pallas est dea sapientie, cuius templum est religio vel ecclesia. Utinam igitur omnes

nen abwendet, kann er sie überwinden und ihnen das Haupt ihrer schlechten Absicht nehmen und sie selbst vielleicht zum Guten bekehren, Eccli. 9,8 f.: ›Wende deine Augen von einer reizvollen Frau ab und sieh dich nicht nach einer fremden Frau um. Wegen der Schönheit einer Frau gingen schon viele zugrunde.‹ Oder sag, Phorcus, der der Vater der Gorgonen ist, sei, als ›Gedanken formend‹ verstanden, 351 der Geist, der drei schlechte Töchter hat, nämlich Denken, Reden und Handeln. Perseus, der starke Mensch, kann sie mit dem Schild der Pallas, d.h. mit dem Schild der Weisheit, besiegen und sie von ihrem schlechten Werk abbringen und fernhalten. Aber man liest nicht, dass die anderen beiden getötet wurden, da nämlich schlechtes Denken und schlechtes Reden nicht leicht überwunden werden. Die Hand aber kann zurückgehalten werden, das Denken und die Rede können nicht verhindert werden. Elfte Erzählung 352 Medusa war unter den drei GorgonenSchwestern die schönste. Weil Neptun sie im Tempel der Göttin Pallas vergewaltigt hatte, bestrafte Pallas sie an dem Körperteil, der am meisten gefallen hatte, nämlich am Haupt. Und anstelle von Haaren heftete sie an ihren Kopf Schlangen und machte ihr so aus Schlangen Haare. Moralisierung Pallas ist die Göttin der Weisheit, deren Tempel die Religion oder die Kirche ist. Wenn doch nur alle Gorgonen, d. h. alle

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20 Fabula undecima IV,10 Lo2; IV,14 Ep. 1 averterit LLo1V2BTrEp; adverterit G; avertit Lo2V4; vertit Pa8. 5 compta Lo1V2V4Ep; cuncta GPa8; comperta L; om. BTr. 8 Phorcus Lo1TrEp; Forseus GV4; Phorceus V2B. 21 Medusa V2V4BTrEp; Medosa G. 21 pulcrior GLo2Pa8V4; maior et pulcrior LLo1V2BTr; pulcerrima Ep. 22 templo Lo1Pa8V4BTrEp; templum G. 23 ea GPa8V2V4BTr; illa LLo1; in ea Ep. 26 inseruit Lo1V2V4BTrEp; insernit G.

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Gorgones, id est omnes male mulieres, que cum Neptunis nostris, id est cum religiosis et clericis, in templo ecclesie vel in domibus ecclesiasticis fornicantur, tali signaculo signarentur et crinite serpentibus efficerentur! Vel dic, quod ex quo aliqua mala mulier extitit cum aliquo fornicata, ex tunc serpentibus, id est diversis malitiis, crinita fit et ad decipiendum et ad alios innodandum apta et ad attrahendum munera aperta et erudita, secundum Gen. 3: Serpens erat callidior et cetera.

schlechten Frauen, die mit unseren Neptunen, d.h. mit Mönchen und Klerikern, im Tempel der Kirche oder in kirchlichen Häusern huren, mit einem solchen Zeichen gekennzeichnet und mit Schlangenhaar versehen würden! Oder sag, dass, wenn eine schlechte Frau mit jemandem hurt, sie dadurch mit Schlangen, d.h. mit verschiedenen Übeln, behaart und andere zu täuschen und einzuwickeln geschickt und Geschenke einzusammeln offen und klug wird, gemäß Gen. 3,1: ›Die Schlange war klüger‹ etc.

Fabula duodecima 353

Zwölfte Erzählung 353

Perseus amputavit caput Meduse, quod erat serpentinum monstrum et homines in lapides convertebat. Statim autem de sanguine eius natus est Pegasus, equus scilicet alatus, alis in pedibus premunitus. Quem Perseus cum ascendisset, portavit eum per aera circumquaque. Perseus autem per Libye deserta, ubi non sunt homines, voluit redire, ne forte si quis Meduse caput, quod portabat, aspiceret, ipsum in lapidem transformaret. Cum ergo volando Libyam peragraret, gutte sanguinis capitis gorgonici, quod portabat, in terram cadentes in serpentes convertebantur. Et exinde factum est, quod Libya pre aliis terris serpentibus repleretur.

Perseus schlug das Haupt der Medusa ab, das ein schlangenbewehrtes Ungeheuer war und Menschen in Stein verwandelte. Sogleich aber wurde aus seinem Blut Pegasus geboren, ein Flügelross, mit Flügeln an den Hufen ausgestattet. Als Perseus dies bestiegen hatte, trug es ihn durch die Luft überallhin. Perseus aber wollte durch die Wüste Libyens zurückkehren, wo es keine Menschen gibt, damit nicht zufällig, wenn jemand das Haupt der Medusa, das er mit sich trug, erblickte, es ihn in Stein verwandelte. Als er nun im Flug Libyen überquerte, fielen Blutstropfen des Gorgonenhauptes, das er trug, auf die Erde und verwandelten sich in Schlangen. Und so geschah es, dass Libyen vor anderen Ländern voller Schlangen ist.

Moraliter Istud exponit Fulgentius de fama: 354 Dicit enim, quod Perseus occidit Medusam, id est statim quando aliquis facit notabile factum,

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Moralisierung Dies legt Fulgentius in Bezug auf die Fama aus: 354 Denn er sagt, dass Perseus Medusa tötete, d.h. dass sogleich, wenn einer eine bemerkenswerte Tat vollbringe, daraus

14 Fabula duodecima IV,10 Lo2; IV,15 Ep. 8 extitit . . . ex tunc Tr; cum aliquo fornicatur G. 9 – 12 fit et . . . secundum V4; sim. Lo1V2BTrEp; om. fit et . . . alios et apta . . . secundum G. 12 Gen. 3 Gen. 2 G. 24 ipsum cet.; ipsumque G. 26 peragraret Pa8 V4B; graderetur G; perlustrasset Lo1; perageret Tr; supergrederetur Ep. 33 id est de cuius sanguine natus est equus et ita Ep. 34 notabile Lo1Lo2Pa8V2BTrEp; nobile GV4.

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inde nascitur equus volucris portans eum, id est fama, que ipsum et nomen et strenuitatem virtutis eius ad regiones remotas portat et more volucris cito volat. De virtuoso autem actu fama nascitur, qua volante homo cognoscitur, Par. 26: Divulgatum est nomen eius, scilicet Ozie, usque ad introitum Egypti propter crebras victorias. A capite autem lapidificantur, quando aspicientes, quod factum est, pre admiratione et stupore insensibiles et immobiles efficiuntur. Verumtamen ex isto serpentes, id est vitia, prodeunt, quando ex virtute inanis gloria et superbia nascitur vel procedit invidia aliorum, quibus venenum mortis perpetue propinatur, Deut. 8: Erat ibi serpens flatu adurens. Vel dic, quod Gorgo est diabolus, qui per indevotionem lapidificat peccatores. Perseus autem, id est Christus, qui ipsum mediante scuto Palladis, id est mediante carne virginis, pennis Mercurii, id est virtute deitatis, gladio harpe, id est tormento lancee crucis, superavit et caput, id est potestatem, sibi abstulit, quando in inferno de eo triumphavit, tandem vero super Pegasum, id est corpus gloriosum per resurrectionem, ascendit, cum quo per ascensionem in pa-

ein geflügeltes Pferd entstehe, das ihn, d.h. seinen Ruhm, trage, der ihn und seinen Namen wie die Tatkraft seines Heldentums in ferne Länder bringe und schnell wie ein Vogel fliege. Aus der heldenhaften Tat aber wird der Ruhm geboren, durch dessen Flug der Mensch bekannt wird, 2. Par. 26,8: ›Sein Name, nämlich des Ozias, breitete sich wegen seiner zahlreichen Siege bis an die Grenze Ägyptens aus.‹ Vom Haupt [der Medusa] aber werden sie versteinert, wenn sie anschauen, was geschehen ist, und dann vor Bewunderung und Staunen gefühllos und unbeweglich werden. Gleichwohl gehen daraus Schlangen hervor, d.h. Laster, wenn aus der Tugend eitler Ruhm und Hochmut geboren werden oder Neid der anderen entsteht, denen das Gift des ewigen Todes gereicht wird, Deut. 8,15: ›Dort war eine Schlange, die mit dem Atem Feuer entzündete.‹ Oder sag, dass die Gorgo der Teufel ist, der durch Gottlosigkeit die Sünder versteinert. Perseus aber, d.h. Christus, der ihn mit Hilfe des Schildes der Pallas überwand, d.h. mit Hilfe des Fleisches der Jungfrau, mit den Flügeln des Mercur, d.h. mit der Kraft seines Gottseins, mit dem Sichelschwert, d.h. mit der Marter der Kreuzeslanze, und ihm das Haupt, d. h. die Macht, nahm, als er in der Hölle über ihn triumphierte, bestieg schließlich Pegasus, d.h. den glorreichen Körper in der Auferstehung, mit dem er durch die Himmelfahrt

1 nascitur Lo1Pa8V4BTrEp; noscitur G. 2 fama, que Lo2Pa8V2V4TrEp; famam suam que G; famam que LLo1; velocius volucribus quia B. 2 – 3 et . . . eius Lo2Pa8V2V4Ep; in strenuitatem virtutis LLo1; strenutatis [sic] et virtutis Tr; om. et. . . . portat et G. 3 remotas Lo2Pa8V2V4Ep; longinquas B; ignotas Tr. 4 – 5 De . . . fama LLo1V2; de virtuosam famam G; de virtuoso facto fama Tr; de virtuosa fama Lo2; de virtuoso fama Pa8 V4; de virtute fama Ep; om. de . . . efficiuntur B. 5 qua LLo1V2V4TrEp; quia G; quo Lo2Pa8; om. B. 6 Par. 26 Par. 16 G. 7 Ozie Lo1Lo2V2Ep; Ossee GV4; Iosue Tr; om. Pa8B. 8 crebras Lo1Pa8V4Ep; crebrus G; om. B. 10 quod LLo1Pa8V2Ep; q*** G; om. BTr. 11 insensibiles LLo1Lo2Pa8V4Ep; sensibiles G; lapideos et stupidos BTr. 12 serpentes Pa8V4Tr; in serpentes GLLo1Lo2V2B; serpentes ex ipso capite Ep. 12 id est Pa8V2V4BTrEp; et GLLo1Lo2. 14 invidia Lo1Lo2V2BTrEp; iniuria GV4. 18 Gorgo coni.; Gorgonius G; Gorgona B; Gorgon LLo1V2Tr; Gorgonus Lo2; Gorguus V4; Gorgoni Ep. 23 harpe LV2BTrEp; Harpie GLo1Lo2 Pa8V4. 23 tormento lancee Lo1V2V4TrEp; torneamento et lancea G; tormentum lancee et B. 26 tandem vero Lo1Pa8V2V4BTrEp; tandem sibi G.

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radisum volavit, Ps.: Ascendit super Cherubin et volavit.

ins Paradies flog, Ps. 17,11: ›Er stieg auf den Cherub und flog.‹

Fabula decima tertia 355

Dreizehnte Erzählung 355

Atlas, rex ulterioris Hispanie, ita erat magnus, quod celum humeris sustinebat. Hortum habebat, ubi erat arbor, que mala aurea deferebat. Themis autem, vates deorum, sibi vaticinando predixerat, quod unus de filiis Iovis mala sua aurea surrepturus. Propter quod aliquem de genere Iovis recipere nolebat, quia de ablatione pomorum iuxta vaticinium Themis metuebat. Igitur cum Perseus volando tota die orbem super Pegasum circumisset et fatigatus propter noctem venientem vellet ad terram descendere, ad palatium Atlantis pro petendo hospitio declinavit. Quod ut facilius impetraret, se filium Iovis esse dixit. Atlas vero illi dare hospitium noluit, sed ipsum expelli protinus imperavit. Iratus autem Perseus munera se velle offerre finxit et caput Gorgone aversa facie extrahens ipsum Atlanti monstravit. Quod ut vidit, statim in montem lapideum est mutatus, ita quod barba eius silva maxima est facta et humeri facti sunt duo iuga, cervix eius facta est cacumen montis, cuius summitas tetigit cacumen celi. In quo adhuc celum et stelle desuper requiescunt.

Atlas, der König des südwestlichen Spaniens, war so groß, dass er den Himmel auf seinen Schultern trug. Er hatte einen Garten, in dem ein Baum stand, der goldene Äpfel trug. Themis aber, die Seherin der Götter, hatte ihm in einer Prophezeiung vorausgesagt, dass einer der Söhne Jupiters seine goldenen Äpfel rauben werde. Deshalb wollte er niemanden aus dem Geschlecht Jupiters aufnehmen, weil er gemäß der Prophezeiung der Themis den Raub der Äpfel fürchtete. Als nun Perseus den ganzen Tag auf Pegasus den Erdkreis im Flug bereist hatte und ermüdet wegen der hereinbrechenden Nacht auf die Erde hinabsteigen wollte, wandte er sich dem Palast des Atlas zu, um Gastfreundschaft zu erbitten. Um dies leichter zu erlangen, sagte er, er sei ein Sohn Jupiters. Atlas aber wollte ihm keine Gastfreundschaft gewähren, sondern befahl, ihn sogleich hinauszuwerfen. Im Zorn aber gab Perseus vor, ihm Geschenke überreichen zu wollen und zog mit abgewandtem Gesicht das Haupt der Gorgo hervor und zeigte es Atlas. Sobald der es sah, wurde er sofort in einen steinernen Berg verwandelt, so dass sein Bart ein riesiger Wald und seine Schultern zwei Bergjoche wurden, sein Nacken der Berggipfel, dessen Spitze den Scheitel des Himmels berührte. Oben auf diesem ruhen immer noch der Himmel und die Sterne.

3 Fabula decima tertia IV,11 Lo2; IV,16 Ep. 4 Atlas Athlas Lo1V2V4TrEp; Athalas G; Athelas B. 4 ulterioris Hispaniae GLo1V4TrEp; ultimorum Hispanie Pa8; ultioris Vipanie B. 7 Themis Lo1Ep; Thenus G; Thenis V2V4; Thevis B; Theseus Tr. 8 unus unus s G, sed del. s. 16 Atlantis Athlantis V2V4TrEp; Athantis G, sed add. -al- supra lin.; Achelantis B. 17 filium filius G, sed corr.

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Dic, quod Atlas significat sublimes theologos et philosophos, qui celum videntur attingere, inquantum de celestibus consueverunt scientiis disputare. Sed pro certo quandoque fit, quod, quia Perseum, id est Christum, in hospitio cordis sui non recipiunt et ad virtutum moralium acquisitionem non attendunt, sed poma aurea, id est divitias et honores, accumulare cupiunt, ipsos per Gorgonem, id est diabolum, in lapides, id est in duritiam et obstinationem, mutari permittit et ipsos diabolus frigidos et insensibiles lapides facit, ita quod ipsi magni montes efficiuntur, inquantum per tumorem superbie inflantur. Barba autem, id est sapientia eorum, mutatur in silvam, que ignem nutrit, inquantum scilicet per talem scientiam male ea utendo in perpetuam vadunt flammam. Ideo de talibus dicitur Rom. 1: Qui cum deum cognovissent etc. 356 Vel dic, quod iste Atlas est Christus, qui a principio celum sustinuit, constituit et creavit, Eccli. 24: Ego in altissimis habito, et sequitur: Girum celi circumivi. Sed pro certo deus pater istum in lapidem mutavit, quando per incarnationem ipsum lapidem angularem ordinavit et super ipsum celum et stellas, id est angelos et sanctos, per spem et devotionem requiescere facit,

Sag, dass Atlas feinsinnige Theologen und Philosophen bedeutet, die den Himmel zu berühren scheinen, sofern sie ständig über himmlische Wissenschaften disputieren. Aber sicher kann es auch geschehen, dass, weil sie Perseus, d.h. Christus, nicht in der Herberge ihres Herzens aufnehmen und ihre Aufmerksamkeit nicht auf den Erwerb sittlicher Tugenden richten, sondern goldene Äpfel, d.h. Reichtum und Ämter, anhäufen möchten, er es zulässt, dass sie durch Gorgo, d.h. den Teufel, in Steine, d. h. in überaus hartnäckigen Starrsinn, verwandelt werden und der Teufel sie zu kalten und gefühllosen Steinen macht, so dass sie selbst große Berge werden, sofern sie durch gesteigerten Hochmut aufgeblasen sind. Ihr Bart aber, d. h. ihre Weisheit, wird in einen Wald verwandelt, der das Feuer ernährt, sofern sie durch ein solches Wissen, wenn sie es schlecht gebrauchen, in das ewige Feuer gehen. Deshalb heißt es über solche Menschen Rom. 1,21: ›Obwohl sie Gott erkannt hatten etc.‹ 356 Oder sag, dass dieser Atlas Christus ist, der von Anbeginn den Himmel trug, gründete und erschuf, Eccli. 24,7 f.: ›Ich wohne in der höchsten Höhe‹ und weiter: ›Den Himmelskreis umschritt ich.‹ Aber in der Tat verwandelte Gottvater diesen in einen Stein, als er ihn durch die Inkarnation zum Eckstein bestimmte und auf ihm den Himmel und die Sterne, d. h. die Engel und die Heiligen, in Hoffnung und Gottesverehrung

2 – 22 Dic . . . etc. pos. post factus est quasi lapis BTr. 23 – 237,2 Vel dic . . . pretiosum pos. post indurabitur quasi lapis BTr. 2 Atlas V4; Hathalas G; Athlas Lo1V2TrEp; Athelas B. 3 philosophos p philosophos G, sed del. p. 4 – 5 consueverunt LLo1Lo2V2TrEp; consuerunt GB; solent Pa8. 5 scientiis disputare Lo2Pa8V4Ep; disputare G; per suas scientias disputare LLo1; scientaliter disputare V2; subtiliter disputare B; ac de divinis disputare Tr. 7 in . . . sui Lo1Pa8V4BTrEp; in hospitio eorum, id est corde G. 12 duritiam et obstinationem LLo1 Pa8V4BEp; durissima obstinatione G; duritiam et ad obstinationem Tr. 17 mutatur Lo1Pa8V2V4BTrEp; om. G. 21 Qui cum GLo1V4BEp; quia cum Pa8/Vulg. 21 cognovissent Lo1Lo2V2V4TrEp/Vulg.; cognovisset GPa8B. 25 Eccli. 24 Eccli. lac. G. 26 sequitur Lo1Pa8V4BTrEp; semper G.

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Is. 28: Ecce ponam in Syon lapidem angularem, probatum, pretiosum. Vel dic, quod iste magnus rusticus significat rusticos divites et avaros, Perseus nobiles. Sepe convenit, quod aliquis nobilis princeps vel miles petit hospitium ab aliquo rustico vel subsidium temporalem. Sed quia tales rustici nullam curialitatem volunt facere et hoc, quia timent poma aurea, id est divitias, perdere, frequenter a nobilibus impugnantur et bona eorum diripiuntur et ipsi in lapides, id est in invidos et frigidos, transmutantur. Ad litteram enim quandoque fit, quod tales, qui bona sua volunt nimis servare nec aliis subvenire, solent in persona luere et damna non modica sustinere. Exemplum de Nabal Reg. 25, 357 qui David petenti negavit mittere cibum, de quo dicitur, quod mortuum est cor eius intrinsecus et factus est quasi lapis. Vel dic, quod Perseus est diabolus, qui talibus altis clericis et magnis prelatis, a quibus celum ecclesie sustineri debet secundum illud Phil. 3: Nostra conversatio in celis est, et per quos celestis habitatio per contemplationem debet attingi, solet capita Gorgonum adornata, id est facies et pulcri-

ruhen ließ, Is. 28,16: ›Siehe, ich lege in Zion einen geprüften kostbaren Eckstein.‹ Oder sag, dass dieser große Bauer die reichen und habgierigen Bauern bedeutet, Perseus die Adligen. Oft trifft es sich, dass ein adliger Herrscher oder Ritter Gastfreundschaft oder einen vorübergehenden Beistand von einem Bauern erbittet. Da aber solche Bauern kein höfliches Verhalten zeigen wollen, und zwar, weil sie fürchten, ihre goldenen Äpfel, d.h. ihren Reichtum, zu verlieren, werden sie häufig von den Adligen bekämpft und ihrer Güter beraubt und selbst in Steine verwandelt, d.h. in missgünstige und kalte Menschen. Manchmal geschieht es nämlich buchstäblich, dass solche Menschen, die ihr Gut allzusehr schützen und anderen nicht helfen wollen, am eigenen Leib zu büßen und nicht geringen Schaden zu erleiden pflegen. Ein Beispiel gibt Nabal in Reg. 25, 357 der sich weigerte, David Essen zu schicken, als er darum bat. Von ihm heißt es [1. Reg. 25,37] dass ›im Innern sein Herz tot und er ein Stein geworden ist‹. Oder sag, dass Perseus der Teufel ist, der solchen hohen Klerikern und großen Prälaten, von denen die Kirche gestützt werden muss gemäß jenem Wort Phil. 3,20: ›Unser Aufenthalt ist im Himmel‹, und durch die die himmlische Wohnung in der Kontemplation berührt werden muss, geschmückte Gorgonenhäupter, d.h. schöne

2 pretiosum add. Vel dic, quod illi, qui hodie celum portant, scilicet devoti, et mundum et ecclesiam gubernant, scilicet principes et prelati, pro eo, quod poma sua aurea, id est divitias, nimis custodire volunt, in lapidem sunt conversi, inquantum pre ceteris sunt insensibiles et incompatientes et duri etc. BTr cum min. var. text. 3 – 20 Vel dic . . . lapis pos. supra post requiescunt BTr. 21 – 238,4 Vel dic, quod Perseus . . . lapis pos. post cognovissent etc. BTr. 4 Perseus Lo1Pa8V2V4Ep; per Perseus G; per Perseum (possum intelligere) BTr. 11 diripiuntur Lo1V4 Ep; dirupiuntur G; (solent) diripere BTr. 12 – 13 invidos et frigidos Lo2V4; immundos et frigidos GLo1; indolentes viros pauperes et frigidos B; nudos et pauperes Tr; timidos Ep. 13 – 14 enim quandoque Lo2Pa8 V2V4Ep; quando G; enim aliquando LLo1; etiam quandoque B; et quandoque Tr. 16 luere Pa8V2V4TrEp; lucri G; om. Lo1; om. in persona . . . et L. 23 celum ecclesie V4Ep; ecclesia G. 23 sustineri debet Lo1V2 V4Ep; substitueritur debet, sed corr. substitueri G; sustinere debet LLo2Pa8; sustinetur BTr.

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tudines mulierum, per temptationem ostendere et sic solet eos frigidos et indevotos et lapideos facere, Iob 41: Indurabitur quasi lapis. 5

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Frauengesichter, zur Versuchung zu zeigen pflegt, und sie so gewöhnlich zu kalten, unfrommen und versteinerten Menschen macht, Iob 41,15: ›Er wird hart wie ein Stein werden.‹

Fabula decima quarta 358 Atlante in montem mutato Perseus cum equo suo ascendit aera et, cum ab Hispania usque ad oppidum Ioppem venisset volando, vidit respiciens in litore maris super unum lapidem Andromedam virginem pulcerrimam, regis Cephei unicam filiam et heredem, vinculis ferreis alligatam et a quodam monstro protinus devorandam. Cuius erat tanta magnitudo, quod costa eius postea a Scauro Romam delata 90 cubitos longitudinis continebat. 359 Mater tamen puelle se in pulcritudine aliis pretulerat deabus, que indignate filiam a belua devorandam condemnaverunt, propter quod rex et populus eam fleverunt. Perseus ergo descendens misertus puelle facto pacto, quod sibi in uxorem daretur, si eam a belua liberaret. Contra horrendam beluam pugnavit eamque occidit et puellam duxit. Phineus autem frater regis, cui Andromeda promissa fuerat, puellam de nuptiis cum armata manu rapere voluit. Cui Perseus se obiecit

Vierzehnte Erzählung 358 Nach der Verwandlung des Atlas in einen Berg stieg Perseus mit seinem Pferd in die Luft auf und, als er im Flug von Spanien zur Stadt Joppe gekommen war, sah er beim Hinunterblicken am Meeresstrand auf einem Felsen die sehr schöne Jungfrau Andromeda, die einzige Tochter und Erbin des Königs Cepheus. Sie war mit Eisenketten gefesselt und sollte gerade von einem Ungeheuer verschlungen werden. Dieses hatte eine solche Größe, dass seine Rippe, die später von Staurus nach Rom gebracht wurde, 90 Ellen in der Länge maß. 359 Die Mutter des Mädchens aber hatte sich vor den anderen Göttinnen wegen ihrer Schönheit gerühmt; erzürnt verurteilten diese die Tochter dazu, von einem Untier verschlungen zu werden. Der König und das Volk beweinten sie deshalb. Perseus kam nun herab und, da er Mitleid mit dem Mädchen hatte, legte er vertraglich fest, dass sie ihm zur Frau gegeben werde, wenn er sie vor dem Ungeheuer rettete. Er kämpfte gegen das schreckliche Ungeheuer und tötete es und heiratete das Mädchen. Doch Phineus, der Bruder des Königs, dem Andromeda versprochen worden war, wollte das Mädchen mit einer bewaffneten Schar von der Hochzeit weg rauben. Perseus stell-

5 Fabula decima quarta IV,12 Lo2; IV,17 Ep. 1 temptationem V2BTr; contemplationem GLLo1Lo2Pa8V4; concupiscentiam et per temptationes Ep. 3 Iob 41 Iob 4 G. 6 Atlante Athlante Lo1V2V4Ep; Athlantem G; Achelante B; Athalante Tr. 7 aera Lo1Pa8V4 Ep; aerea G; aerem BTr. 8 Ioppem GLLo1Lo2Pa8BTr; iudee Iopen V2; quoddam in Ethiopia Ep. Cf. Ov. Met. 4,669 Aethiopum populos. 10 Andromedam GEp; Andromenam Lo1; Andromellam V4BTr. 11 unicam dupl. unicam G. 12 et GV4BTr; om. LLo1Lo2Pa8V2Ep. 15 Scauro V2V4(?)B; stauro GLo1Pa8Tr; tauro Ep. 15 – 16 longitudinis Lo1V2V4BTrEp; longitudinem G. 24 Phineus Lo1V2V4TrEp; Ymeus G; Phemeus B. 25 Andromeda Pa8Ep; Andromedam G; Andromena Lo1; Andromella V4BTr.

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et multos occidit, viribus tamen non suppetentibus caput Gorgone extraxit et Phineum cum suis in lapidem mutavit. Et sic eum in palatio, quod occupare voluerat, immobilem fixit, ut dicit Ovidius libro quarto.

te sich ihm entgegen und tötete viele. Da aber seine Kräfte nicht ausreichten, holte er das Gorgonenhaupt hervor und verwandelte Phineus mit den Seinen in Stein. Und so setzte er ihn im Palast, den er hatte besetzen wollen, bewegungslos fest, wie Ovid im vierten Buch sagt.

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Dic, quod Perseus significat dei filium, qui a principio Atlantem celum portantem, id est Luciferum celum appetentem et dicentem illud Is. 14: Ascendam in celum super astra celi etc., in lapidem mutavit, inquantum ipsum de celo eiectum exclusa penitentie via lapideum, durum et obstinatum fecit. Qui tandem ab ipso aere, ubi volavit, id est ab altitudine paradisi, respiciens Andromedam puellam nobilem, id est animam humanam, que regis celestis heres erat. Et tamen bestie marine, id est diabolo, devoranda condemnata propter peccatum matris sue Eve, que diis se voluit comparare, inquantum ad verbum diaboli deitatem appetierat, Gen. 3: Eritis sicut dii, ita quod vinculis peccatorum ligata in litore huius mundi devoratricem beluam exspectabat. Et misertus est eius et ad eam per incarnationem descendens et ante omnia cum patre, id est cum patriarchis et pro-

Moralisierung Sag, dass Perseus den Gottessohn bedeutet, der anfangs Atlas, der den Himmel trägt, d.h. Luzifer, der nach dem Himmel strebt und jenes Wort aus Is. 14,14 sagt: ›Ich will in den Himmel aufsteigen über die Sterne des Himmels‹ etc., in Stein verwandelte, sofern er ihn nach dem Sturz aus dem Himmel versteinert, hart und starrsinnig machte, da der Weg der Buße verschlossen war. Dieser [der Gottessohn] erblickte schließlich aus der Luft, durch die er flog, d.h. von der Höhe des Paradieses, Andromeda, ein edles Mädchen, d.h. die menschliche Seele, die die Erbin des himmlischen Königs war. Und dennoch war sie dazu verurteilt, von einem Meeresungeheuer, d.h. vom Teufel, verschlungen zu werden wegen der Sünde ihrer Mutter Eva, die sich mit den Göttern vergleichen wollte, sofern sie auf das Wort des Teufels hin Göttlichkeit angestrebt hatte, Gen. 3,5: ›Ihr werdet sein wie Götter.‹ Deshalb wartete sie [die Seele], gefesselt von den Stricken der Sünden, am Strand dieser Welt auf ihre Verschlingung durch das Ungeheuer. Und er erbarmte sich ihrer und stieg durch die Inkarnation zu ihr hinab und vor allem schloss er mit dem Vater, d.h. mit den Patriarchen und den Propheten, einen Vertrag, dass er sie sich

2 – 3 Phineum V2V4TrEp; Phymeum G; Phemeum B. 5 immobilem fixit V4Ep; immobilem fecit Lo1; immobiles finxit Lo2; immobile stare fecit BTr; om. Et . . . fixit G. 5 – 6 ut . . . quarto Lo1Lo2Pa8V4; prout diffuse in principio v. li. tractat Ovid Ep; om. GBTr. 15 fecit Lo1Pa8V2V4Ep; fuit G; fecerat BTr. 18 regis Lo1 Pa8V2V4Ep; regi G; regni BTr. 20 devoranda add. tradi Ep. 23 appetierat Lo1Lo2V2V4BEp; appetiit G; appetebat Pa8. 23 Gen. 3 Gen. 1 G. 25 devoratricem Lo1Lo2V2V4Ep; devoratione G; devorantem Tr; om. Pa8. 26 eius add. Perseus, id est Christus Ep.

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phetis, quod eam per fidem sibi matrimonio coniungeret, pactum faciens. Pro ea liberanda contra beluam, id est diabolum, dimicavit et eam mediante crucis lancea liberavit. Phineus tamen, frater patris puelle, id est Iudaicus populus, qui secundum carnem patriarcharum est frater, illud conubium impedire nititur, inquantum mysterio incarnationis et redemptionis obviare conatur. Quapropter sic actum est, quod isti [Iudei] in lapides sunt mutati, inquantum ipsi in sua malitia sunt obstinati et excecati incredulitate sua. De quibus dicitur Is. 48: Scio enim quod durus es tu et nervus ferreus cervix tua et frons tua erea. Vel dic, quod volantes per aera, id est divites et potentes, in altis dignitatibus constituti, debent inferius ad miseros et oppressos per pietatem respicere et a tortoribus et vinculis alligatos liberare et solvere, nec non et alios, qui sunt vinculis paupertatis obligationibus ligati debent a beluis, id est tyrannis et usurariis, expedire, Prov. 24: Erue eos, qui ducuntur ad mortem. Fabula decima quinta 360 Cum Perseus de belua triumphasset et caput Gorgonis super terram et super ligna arida posuisset, statim virge cum semini-

durch den Glauben ehelich verbinde. Für ihre Befreiung kämpfte er gegen das Ungeheuer, d.h. gegen den Teufel, und befreite sie mit Hilfe der Lanze des Kreuzes. Doch Phineus, der Bruder ihres Vaters, d. h. das jüdische Volk, das nach der natürlichen Abstammung Bruder der Patriarchen ist, bemüht sich, jene Ehe zu verhindern, sofern es versucht, sich dem Mysterium der Inkarnation und der Erlösung zu widersetzen. So kam es, dass diese in Steine verwandelt sind, sofern sie selbst in ihrer Bosheit verstockt sind und blind in ihrem Unglauben. Von diesen heißt es Is. 48,4: ›Ich weiß nämlich, dass du hart bist und dein Nacken eine eiserne Sehne ist und deine Stirn ehern.‹ Oder sag, es müssen diejenigen, die durch die Luft fliegen, d.h. die Reichen und Mächtigen, die in hohe Würdenämter eingesetzt sind, durch Mitleiden zu den Armen und Unterdrückten herunterblicken und diejenigen, die von Folterern und mit Fesseln gebunden sind, befreien und erlösen, auch müssen sie andere, die mit den Fesseln der Armut durch Verpflichtungen gefesselt sind, von den Ungeheuern, d.h. von Tyrannen und Wucherern, befreien, Prov. 24,11: ›Errette jene, die zum Tod geführt werden.‹ Fünfzehnte Erzählung 360 Als Perseus über das Seeungeheuer triumphiert und den Kopf der Gorgo auf die Erde und auf trockene Hölzer gelegt hatte, wurden die Zweige mit ihren Samen,

25 Fabula decima quinta cet. codd. (textus sec. Lo1Ep); deest G; IV,13 Lo2; IV,18 Ep. 1 sibi LLo1Lo2Pa8V2BTrEp; se V4; om. G. 1 matrimonio GPa8V4; matrimonialiter LLo1Lo2V2BEp; om. Tr. 2 coniungeret Lo1V2V4BTrEp; coniungerent GPa8. 5 patris LLo1V2V4BTrEp; om. GPa8. 11 lapides V4BTrEp; lapidem G. 12 ipsi Lo1Pa8V4BTrEp; ipsi qui G. 12 – 13 sunt . . . sua Lo1Pa8V2V4Ep; et crudelitate perseverant G; sunt obstinati et excecati et in crudelitatis vitio (credulitate et vitiis Tr) indurati BTr. 15 erea Lo1Pa8V2V4Ep; hetica G; om. BTr. 16 Vel dic, quod Pa8V4B; sic per omnia G; et sic generaliter LLo1Lo2V2; vel dic, illi, qui Tr; vel dic generaliter, quod more Persei Ep. 22 debent coni.; debet G; om. cet. 23 tyrannis et usurariis G; tyrannis et tortoribus LLo1Pa8V2V4; tyrannis, scilicet ab usurariis Tr; tortoribus Ep; om. et solvere . . . expedire Lo2. 27 – 28 ligna arida Lo1Pa8; virgas sub equore natas Ep. 28 virge Lo1Pa8V4BTr; decem virge Ep.

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bus suis caput Gorgonis tangentes in lapides sunt mutate, ita quod virge, que ipsas lapidificatas tangebant, in lapides mutabantur. Semen etiam lapideum in mare proiectum est et inde virge lapidee create sunt et semen lapideum protulerunt. Et iste virge sunt corallus, qui in mari gignitur et extractus de aqua una cum semine suo in lapidem mutatur. Quia enim a semine lapideo secundum fabulam sumpsit ortum, in lapidem merito vertitur et lapideum facit fructum. 361 Moraliter

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Illud potest applicari, quod quando aliquis per tactum Gorgonis, id est per temptationem diaboli, factus est lapideus, id est frigidus et obstinatus, illi, qui eum tangunt associando exemplo eius lapidei et indevoti efficiuntur et in eius similitudinem convertuntur. Una enim mala persona multos in lapides mutat, ad Rom. 5: Per unius inobedientiam peccatores constituti sunt multi. 362 Ex semine enim lapideo, id est verbis malis et nocivis exemplis, lapidei, id est male persone, nascuntur; sicut ponit Ovidius libro 4o .

als sie das Haupt der Gorgo berührten, sofort in Steine verwandelt, so dass auch andere Zweige, die diese versteinten Hölzer berührten, in Steine verwandelt wurden. Der versteinte Samen wurde ins Meer geworfen und daraus wuchsen Zweige aus Stein und sie brachten versteinten Samen hervor. Und diese Zweige sind die Koralle, die im Meer wächst und sich, aus dem Wasser gezogen, samt ihrem Samen in Stein verwandelt. Denn weil sie nach der Fabel von versteintem Samen ihren Ursprung nahm, verwandelt sie sich zu Recht in Stein und erzeugt steinerne Frucht. 361 Moralisierung Dies kann so angewandt werden, dass, wenn jemand durch die Berührung der Gorgo, d.h. der Versuchung des Teufels, zu Stein geworden ist, d.h. kalt und starrsinnig, dann auch jene, die ihn, seinem Beispiel folgend, berühren, ebenso zu Stein verhärtet und gottlos und zur Ähnlichkeit mit ihm verkehrt werden. Denn eine schlechte Person verwandelt viele in Steine, Rom. 5,19: ›Durch den Ungehorsam eines Menschen entstehen viele Sünder.‹ 362 Denn aus dem Samen der Steine, d.h. aus schlechten Worten und schädlichen Beispielen, werden zu Stein verhärtete, d.h. schlechte Personen hervorgebracht. So schreibt es Ovid im vierten Buch.

25 nascuntur add. corrumpunt enim bonos mores colloquia prava, sicut dicit apostolus prime Cor. xv. et Eccli. xiii: ›Qui tetigerit picem, inquinabitur ab ea.‹ Et hec de quarto libro Ep. 1 Gorgonis BTrEp; Gurgonis Pa8; Gorgone V4; om. Lo1. 2 ita quod Lo1Pa8V4; ita etiam quod alie BTr; et Ep. 5 inde . . . create Ep; de virga lapides creati Lo1Pa8V4. 7 gignitur Lo1Pa8V4; inventus est Ep. 10 fabulam Pa8Ep; fabulas Lo1. 11 vertitur Pa8V4BTr; mutatur Ep. 18 et Pa8V4BTrEp; id est Lo1. 19 – 20 et . . . convertuntur Lo1Pa8V4; om. BTrEp. 20 Una . . . persona Lo1Pa8V4; vita enim male persone Ep. 23 verbis Ep; ex verbis Lo1Pa8. 24 nocivis exemplis Lo1Pa8V4; nocivis Ep. 24 lapidei Lo1V4; lapidee Pa8; omnes lapidee Ep. 25 – 26 sicut . . . 4o Lo1V4; om. Pa8.

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Sechzehnte Erzählung 363

Cum Cadmus videret horrendos casus et infortunia domus sue, que propter diversas clades defecerat, per nimium dolorem affectus considerans, quod illud acciderat propter serpentem Marti sacratum, quem occiderat iam ante diu. Rogavit deos, quod ipsum in serpentem mutarent, quod factum est. Uxor autem eius videns ipsum paulatim in serpentem transformare cepit clamare et pre tristitia cepit factum similem rogare et sic ipsam cum marito convenit in serpentem transformari. Isti igitur sunt serpentes in Hispania, 364 ubi tunc de patria sua exeuntes inierunt, qui ex tunc nemini nocuerunt, ita quod adhuc sunt ibi quidam serpentes, qui de posteritate istorum venerunt, qui quemcumque ledere non noverunt.

Als Cadmus die schrecklichen Ereignisse und Unglücksfälle seines Hauses sah, das wegen verschiedener Schicksalsschläge untergegangen war, überlegte er, überwältigt von allzu großem Schmerz, dass jene Dinge wegen der Schlange geschehen waren, die dem Mars heilig war und die er schon vor langer Zeit getötet hatte. Er bat die Götter, ihn in eine Schlange zu verwandeln, was auch geschah. Seine Gattin aber, die sah, wie er sich allmählich in eine Schlange verwandelte, fing an zu klagen und begann vor Trauer, dasselbe zu erbitten, und so geschah es, dass sie mit ihrem Mann in eine Schlange verwandelt wurde. Diese sind also Schlangen in Spanien, 364 wo sie dann nach dem Verlassen ihrer Heimat hinzogen und niemandem Schaden zufügten, so dass es dort noch immer Schlangen gibt, die aus ihrer Nachkommenschaft stammen und die niemanden zu verletzen vermögen.

Moraliter Per serpentem in sacra scriptura intelligitur homo prudens, Mt.: Estote prudentes sicut serpentes. Igitur dictum est, quod a tantis infortuniis suis Cadmus in serpentem vertitur, quia scilicet ille, qui infortunia experitur, in prudentiorem faciliter commutatur, Is. 28. Vexatio dabit intellectum auditui. Tales etiam serpentes homines dicuntur non ledere, quia vir prudens, qui lesiones et malitias hominum est expertus, debet ali-

Moralisierung Unter der Schlange wird in der Heiligen Schrift ein kluger Mensch verstanden, Mt. 10,16: ›Seid klug wie die Schlangen.‹ Also sagt man, dass Cadmus von seinen großen Schicksalsschlägen in eine Schlange verwandelt wird, da nämlich derjenige, der Unglück erfährt, leicht in einen Klügeren verwandelt wird, Is. 28,19: ›Die Erschütterung wird dem Gehör Einsicht bringen.‹ Von solchen Schlangen sagt man auch, dass sie Menschen nicht verletzen, weil ein kluger Mann, der die Verletzungen und Bosheiten der Menschen kennt, anderen gegen-

1 Fabula decima sexta IV,15 G; IV,14 Lo2; IV,11 Ep. 13 transformari add. Igitur isti serpentes nunc quoque nec fugiunt hominem nec vulnere ledunt. Quodque prius fuerant meminere dracones Ep. – Cf. Ov. Met. IV,602f. – Isti . . . noverunt deest Ep. 3 infortunia Lo1Pa8V2BTrEp; pro infortunio G. 14 Hispania G; alma LLo1Lo2B; alma lac. V4; a lac. Tr; om. Ep. 15 – 16 exeuntes inierunt . . . nemini LLo1V4Tr (inerunt V4); exeuntes invenerunt qui ex tunc nemini B; ex tunc exeuntes nemini G; sim. Ep. 18 quemcumque Lo2Pa8V4; quecumque G; quemquam LLo1V2BTr.

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is mitior esse et ex hiis, que experimento didicit, debet aliis parcere aliosque non ledere neque nocere, Hebr. 2: Per hec enim, que expertus est, didicit his, qui temptantur, auxiliari, 365 iuxta illud Eccli. 31: Disce ex te ipso, que sunt proximi tui. Uxor autem eius in serpentem vertitur, quia facile est, quod amici et socii bonorum et prudentium eorum exemplo prudentes efficiantur, Prov. 13: Qui cum prudentibus gradietur, sapiens erit. Vel dic e contra, quod plerumque contingit, quod, quando aliquis ad infortunia deducitur, quod pre desperatione in serpentem vertitur et quod serpentinus, id est malitiosus et venenosus, efficitur, ut ad statum pristinum per fraudes et malitias revertatur, Eccli.: Nequissima paupertas in ore impii. Fabula decima septima 366

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Iuno irata contra Inonem, reginam et uxorem Athamantis regis, pro eo, quod Bacchum nutrierat, infernum adiit et unam de furiis infernalibus Megeram nomine secum duxit. 367 Que ad dee mandatum Athamantem et Inonem in furiam vertit, ita quod ipsi Athamanti statim visum est de uxore sua, quod esset leena, et de filiis suis, quod essent leunculi. Qui retia quesivit, canes vocavit et unum de filiis suis leunculum credens manu arripuit et ad parietem excerebravit. Regina vero insana cum alio filio fu-

über milder sein muss und entsprechend dem, was er aus Erfahrung gelernt hat, andere schonen muss und andere nicht verletzen oder ihnen schaden darf, Hebr. 2,18: Denn durch das, was er erfahren hat, hat er gelernt, ›denen zu helfen, die versucht werden,‹ 365 gemäß jenem Wort aus Eccli. 31,18: ›Lerne von dir selbst, was deinem Nächsten gebührt.‹ Seine Gattin aber wird in eine Schlange verwandelt, da es leicht ist, dass Freunde und Gefährten von guten und klugen Menschen durch deren Beispiel klug werden, Prov. 13,20: ›Wer mit Weisen umgeht, wird weise werden.‹ Oder sag dagegen, dass es häufig zutrifft, dass einer, wenn er ins Unglück gerät, vor Verzweiflung in eine Schlange verwandelt und schlangenhaft wird, d. h. bösartig und giftig, um durch betrügerische und böse Machenschaften in seinen früheren Stand zurückzukehren, Eccli. 13,30: ›Sehr verwerflich ist die Armut im Mund des Gottlosen.‹ Siebzehnte Erzählung 366 Juno zürnte Ino, der Königin und Gattin des Königs Athamas, dafür, dass sie Bacchus aufgezogen hatte; sie begab sich in die Unterwelt und nahm eine der Unterweltsfurien mit Namen Megaera mit sich herauf. 367 Diese trieb auf Befehl der Göttin Athamas und Ino in den Wahnsinn, so dass es Athamas sogleich erschien, seine Gattin sei eine Löwin und seine Söhne Löwenjunge. Er suchte Jagdnetze, rief die Hunde herbei und packte einen seiner Söhne, den er für ein Löwenjunges hielt, und zerschlug sein Hirn an der Wand. Die wahnsinnige Königin aber floh mit dem anderen Sohn

19 Fabula decima septima IV,16 G; IV,15 Lo2; IV,10 Ep. 4 expertus V2; probatus GPa8 . 5 Eccli. 31 Eccli. 21 G. 9 – 10 Prov. 13 Prov. 24 G. 18 in ore Lo1Pa8 V4BTrEp; more G. 20 Inonem Ep; Iunonem G; Ynonem V2V4B; Ionem Tr 21 Athamantis BEp; Adamantis GLo1V4Tr; om. V2. 21 regis codd.; regis Thebarum Ep. 23 Megeram GLLo1Pa8V2V4B; Thesiphonen Ep; om. Tr.

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git et in mare se precipitavit; quos Neptunus deificavit. Puelle vero reginam sequentes, alie in saxa sunt converse, alie in volucres sunt mutate.

und stürzte sich ins Meer; diese machte Neptun zu Göttern. Von den Mädchen aus ihrem Gefolge wurden einige in Felsen verwandelt, andere wurden zu Vögeln.

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Moralisierung

Istud applica contra ebrietatem, quia illi, qui nutriverant Bacchum et in se plus debito recipiunt vinum, faciliter insani et furibundi efficiuntur, ita quod quandoque in propriam uxorem et filios debacchantur. Et sic quandoque fit, quod occasione huius demerguntur et contra proprios amicos resurgunt et eos quandoque necant vel occidunt. Rationis iudicium perdunt et unum esse aliud credunt et uxorem suam esse leenam et adulteram suspicantur. Fit etiam, quod propter vinum alii submerguntur, alii saxa et insensibiles efficiuntur, alii in volucres, id est superbos et elatos, mutantur. Ideo bene dicitur Prov. 23: Cui ve? Cuius patri ve? Cui rixe? Cui fovee? Cui sine causa vulnera? Cui suffusio oculorum?

Wende dies gegen die Trunkenheit an, weil jene, die Bacchus aufgezogen hatten und mehr Wein als angemessen trinken, leicht wahnsinnig und rasend werden, so dass sie manchmal gegen ihre eigene Frau und ihre Kinder wüten. Und so geschieht es hin und wieder, dass sie bei dieser Gelegenheit tief sinken und sich gegen die eigenen Freunde erheben und sie manchmal sogar töten oder ermorden. Sie verlieren ihre Urteilskraft und halten das eine für das andere, und sie verdächtigen ihre Ehefrau, eine Löwin und eine Ehebrecherin zu sein. Es geschieht sogar, dass wegen des Weins die einen ertrinken, die anderen zu Steinen, nämlich gefühllos, werden, andere werden in Vögel verwandelt, d.h. sie werden hochmütig und überheblich. Daher heißt es richtig in Prov. 23,29: ›Wer hat Weh? Wessen Vater hat Weh? Wer hat Streit? Wer fällt in eine Grube? Wer hat grundlos Wunden? Wer hat trübe Augen?‹

1 se Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 2 vero LLo1Pa8Tr; alie G; in Lo2; etiam V2B; enim V4; autem Ep. LLo1Lo2; negant G; vulnerant Pa8V2V4Ep.

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Buch 5

Dumque ea Cephenum medio Daneius heros etc. 368

Und während der Held, Danaes Sohn etc. 368 Erste Erzählung

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In libro quinto ponit Ovidius, 369 quod Pyreneus fuit quidam rex Phocidos, qui videns Mnemonides nymphas ad templa Parnasia visitanda per ipsius regnum transeuntes – essetque tempus pluviosum et tempestosum –, ipsas ad intrandum suum domiculum invitavit. Ipsis igitur introductis ianuas suas clausit et ipsas opprimere voluit. Ipse tamen sumptis alis volaverunt et sic eius violentiam vitaverunt. Ipse vero post illas volare voluit et arcem ascendens aeri se commisit; qui corruit semetipsum occidens.

Im fünften Buch erzählt Ovid, 369 dass Pyreneus König von Phocis war, der die Töchter der Mnemosyne [die Musen] sah, als sie sein Reich durchquerten, um die Tempel auf dem Parnass aufzusuchen; und weil es ein regnerisches und stürmisches Wetter war, lud er sie ein, in sein Haus einzutreten. Als er sie nun hineingeführt hatte, schloss er seine Türen und wollte ihnen Gewalt antun. Doch sie nutzten ihre Flügel und flogen davon und entzogen sich so seiner Gewalt. Er aber wollte ihnen nachfliegen, stieg auf seine Burg und vertraute sich der Luft an; er stürzte hinab und tötete sich selbst.

Moraliter

Moralisierung

Dic, quod iste rex est diabolus, qui est rex super omnes filios superbie, Iob 41. Mnemonides nymphe sunt anime christiane, que, dum per regnum ipsius, id est per mundum, transeunt in vita ista et ad templa paradisi vadunt, occasione sue invitationis et imbrium, id est temptationum et tribulationum, ad hospitium regis huius, hoc est ad mundi prosperitatem et ad carnis de-

Sag, dass dieser König der Teufel ist, der der ›König über alle Söhne des Hochmuts ist‹ [Iob 41,25]. Die Töchter der Mnemosyne sind christliche Seelen; während sie in diesem Leben sein Reich, d.h. die Welt, durchwandern und zu den Tempeln des Paradieses gehen, wenden sie sich, wie man weiß, auf seine Einladung hin und wegen der Regengüsse, d.h. der Versuchungen und Leiden, bisweilen in Zuneigung der Gastfreundschaft dieses Königs zu, d.h. dem weltlichen Glück und körperlichen Genuss.

5 In . . . Ovidius add. Dumque ea Cepheum medio Danaeius heros / agmine commemomorat. (Ov. Met. 5,1f.) Ovidius in hoc quinto postquam narravit contentionem inter Phineum et Perseum propter Andromedam et mutationem Phinei atque suorum in lapides etc. Consequenter transitum facit ad Musas et dicit Ep. 6 Phocidos V2; Phorcides G; Pocidos LLo1; Phocidus Pa8; Plocidos Lo2; Phoados B; Phocides V4; Feodis Tr; ferox Ep. Cf. ferox Ov. Met. 5,277, Phoceaque . . . rura ibid. 5,276. 7 Mnemonides coni.; Mennonides G; Menoydes Lo1; Menonydes V2; Memenides V4; Meneydas B; Monoydes Tr; Maeonidas Ep. 7 – 8 Parnasia Ep; per vasa G; Parnasa V2B; Parmasa V4; Penasa Tr. 8 ipsius Lo1Pa8V4BEp; ipsum G; eius Tr. 11 invitavit codd.; add. et sub praetextu pluviosi temporis introduxit Ep. 15 arcem Lo1Pa8V2V4BEp; artens G; acrem Tr. 15 aeri Lo1Pa8V4BTrEp; aerei G. 18 Moraliter Moralis G. 20 Iob 41 Iob 48 G. 25 et imbrium Lo1Pa8V4BEp; imbrium G; et nubium ac imbrium Tr. 25 id est Lo1Pa8BTrEp; om. GV4.

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lectationem, quandoque per affectum declinare noscuntur. Ipse vero per diversa vitia eas opprimere nititur. Iste ergo statim ut oppressionem, id est temptationem, ipsius percipiunt, per contemplationem debent volare seque de mundi negotiis elongare et sic poterunt salvari, Ps.: Quis dabit mihi pennas sicut columbe? 370 Vel dic generaliter contra illos, qui volare sine pennis nituntur et sine viribus magna facere conantur et per presumptionem alta conspicere moliuntur. Qui finaliter a statu temporali deprimuntur, exemplo illius monachi, de quo narrat Vincentius 371 , quod, dum esset iuvenis, volare voluit et pennis pluribus assumptis turrem ascendit. Et cum volare inciperet, cecidit et pedes ac bracchia sibi confregit. Qui causam sui casus allegavit, quod non fecit sibi caudam. Illi igitur, qui ad mundanos status ascendunt per superbiam, proponunt volare et per depressionem temporalem et eternam cadunt et maxime, quia caudam, id est mortis memoriam, derelinqunt. Ideo bene dicitur Eccli. 3: Altiora te ne quesieris. Vel dic historialiter contra illos, qui sub specie boni iuvenculas ad suum hospitium invitant, ut eas decipiant et earum castitatem tollant. Quos bone mulieres fugiunt et eorum invitationi nullatenus acquiescunt, sed, si in periculo se esse comprehenderint, debent continuo volare a societate talium se

Er aber trachtet danach, sie durch verschiedene Laster zu bedrängen. Sie müssen also sogleich, wie sie seinen Plan, ihnen Gewalt anzutun, d. h. seine Versuchung, bemerken, durch Kontemplation fliegen und sich von den weltlichen Geschäften entfernen, und so können sie gerettet werden. Ps. 54,7: ›Wer wird mir Flügel wie die einer Taube geben?‹ 370 Oder sprich allgemein gegen jene, die ohne Flügel fliegen wollen und versuchen, ohne Kraft Großes zu vollbringen, und sich bemühen, durch Anmaßung Hohes ins Auge zu fassen. Diese werden schließlich von ihrem zeitlichen Stand herabgesetzt nach dem Beispiel jenes Mönches, von dem Vinzenz erzählt, 371 dass er als junger Mann fliegen wollte und deshalb viele Federn anlegte und dann einen Turm bestieg. Und als er zu fliegen begann, fiel er und brach sich seine Beine und Arme. Dieser führte als Grund seines Sturzes an, dass er sich keinen Schwanz angefertigt habe. Diejenigen also, die durch Hochmut zu weltlichem Rang aufsteigen, nehmen sich vor zu fliegen und fallen in irdischer und ewiger Erniedrigung, und zwar vor allem, weil sie den Schwanz, d.h. den Gedanken an den Tod, vernachlässigen. Daher heißt es richtig Eccli. 3,22: ›Strebe nicht nach dem, was für dich zu hoch ist.‹ Oder sag es im historischen Sinn [im Literalsinn] gegen jene, die unter der Maske eines guten Menschen junge Frauen in ihr gastliches Haus einladen, um sie zu täuschen und ihnen ihre Keuschheit zu nehmen. Gute Frauen fliehen vor diesen und stimmen keineswegs ihrer Einladung zu, sondern sie müssen, wenn sie merken, dass sie in Gefahr sind, sofort ›fliegen‹ und sich

26 – 247,7 Vel dic historialiter . . . evitet pos. supra ante Dic, quod iste . . . BTr. 7 poterunt Lo1Pa8V4TrEp; poterit G; salvabuntur B. 13 deprimuntur Lo1Lo2V2V4BEp; depremuntur GPa8; deprimentur Tr. 26 Vel . . . historialiter Lo2Pa8V2V4Ep; vel dic historia lac. G; ista historialiter possunt allegari BTr; deest LLo1.

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elongantes, figurative in muliere, quam draco devorare volebat, Apoc. 12: Date sunt ei ale due et volavit ad solitudinem. 372 Quia illud est summum remedium, quando mulier a dracone, id est a luxurioso, appetitur, ut a societate eius avolet et occasiones fugiat et evitet. Fabula secunda 373

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Cum Typhoeus gigas, qui sub monte Etna fingitur fuisse sepultus vivus, ipsum montem quadam die plus solito concussisset et terremotum magnum fecisset, ita quod per apertionem terre per quandam rimulam aliquid de luce usque ad inferos penetrasset, que Plutonem et animas terruisset, ipse Pluto, rex infernorum, infernum exivit et in Siciliam venit, et, si forte esset circa terre congeriem dissipatum vel circa regnum eius aliquid dissolutum diligenter circumspexit. Cum igitur tunc temporis Proserpina, Cereris filia, ad colligendum flores sub Etna cum Venere et Diana exisset, vidit eam Pluto et in amorem eius exarsit eamque in curru suo nigro, quem quattuor equi nigri per aera trahebant, rapuit. Et cum aqua Cyane sibi resisteret, ipsam tridente percussit et ea divisa pertransivit. Et sic Proserpinam secum in infernum produxit et inferorum reginam fecit et sibi se matrimonialiter copulavit.

aus der Gesellschaft solcher entfernen. Figuriert ist dies in der Frau, die der Drache verschlingen wollte, Apoc. 12,14: ›Ihr wurden zwei Flügel gegeben, und sie flog in die Einsamkeit.‹ 372 Weil jenes das beste Mittel ist, wenn eine Frau von einem Drachen, d.h. von einem Lüstling, begehrt wird, dass sie aus seiner Gesellschaft wegfliegt und solche Anlässe flieht und meidet. Zweite Erzählung 373 Als der Riese Typhoeus, der lebendig unter dem Berg Aetna begraben sein soll, den Berg eines Tages mehr als üblich erschüttert und ein starkes Erdbeben verursacht hatte, so dass von der Erdöffnung durch eine kleine Spalte etwas Licht bis zu den Unterirdischen gedrungen war und Pluto und die Seelen erschreckt hatte, verließ Pluto, der Unterweltkönig, die Unterwelt und kam nach Sizilien, um sich genau anzuschauen, ob vielleicht etwas in der Nähe der Erdaufschüttung zerstört oder am Rand seines Reichs gelockert worden war. Als nun gerade zu diesem Zeitpunkt Proserpina, die Tochter der Ceres, mit Venus und Diana zum Blumenpflücken an den Fuß des Aetna kam, sah Pluto sie und entbrannte in Liebe zu ihr, und er raubte sie in seinem schwarzen Wagen, den vier Rappen durch die Luft zogen. Und als das Gewässer von Cyane sich ihm entgegenstellte, schlug er es mit dem Dreizack, teilte es damit und durchquerte es. Und so führte er Proserpina mit sich in die Unterwelt, machte sie zur Königin der Unterirdischen und verband sich mit ihr in der Ehe.

8 Fabula secunda V,4 Ep. 1 figurative G; figurate Lo1Lo2Pa8V4BEp; figura Tr. 2 Apoc. 12 Apoc. 5 G. 3 et volavit GLo1Pa8V4TrEp; om. et . . . solitudinem B. 6 occasiones LLo1Lo2Pa8V4BTrEp; occasiones eius G. 9 Typhoeus Ep; Typhoe G; Ciffoes Lo1; Affoe V2; Tiso V4; Cisfoe B; Tyffoe Tr. 9 Etna Ethna Lo1V2V4Ep; Ethina G; Hecnea B; Ethena Tr.. 13 per Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 13 quandam rimulam Lo1Pa8V2V4Ep; quadam rivulam G; quandam rivulam LLo2; quadam rimulam BTr. 17 Siciliam Ciciliam G. 17 et V2V4BEp; ut GTr. 25 Cyane Ep; Cynee G; Cyene Lo1V2V4Tr; Ciene B.

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Pluto est diabolus, Proserpina significat personam religiosam vel animam christianam, que Cereris est filia, id est ecclesie. Dico ergo, quod gigas duplicis substantie, Christus, 374 sub terra, id est infra terram, id est humanam naturam, reclusus fuit per beatam incarnationem et totum mundum concussit per predicationem et fidem iuxta illud Agg.: Ecce, movebo celum et terram. Pluto, rex inferorum, videns concuti regnum suum timuit et, ne ipsum perderet, circumspexit. Ista igitur est veritas, quod Pluto, id est diabolus, videns Proserpinam, id est animam, circa flores mundi, bona scilicet temporalia, que more florum fluunt, plus debito per avaritiam occupatam, solet ipsam per diversa vitia rapere et in curru vitiorum, quem quattuor equi nigri, id est quattuor male affectiones, trahunt, secum vehere, ad regnum inferni finaliter portare et sibi eam tamquam coniugem copulare. Cui si aqua Cyene, id est lacrimosa compunctio, resistit, solet eam tridente triplicis concupiscentie desiccare et sic secum animam libere deportare. Constat enim, quod anima, postquam circa bona mundi per avaritiam occupatur, necesse est, quod inde in currum volubilium affectionum volvatur et quod a diabolo per diversa vitia deducatur et quod fons lacrima-

Pluto ist der Teufel, Proserpina bedeutet einen frommen Menschen oder eine christliche Seele, die die Tochter der Ceres, d.h. der Kirche, ist. Ich sage also, dass der ›Riese der zwei Naturen‹ 374 , Christus, unter der Erde, d.h. im Bereich der Erde, d.h. in der menschlichen Natur durch die selige Inkarnation, eingeschlossen war und durch Predigt und Glauben die ganze Welt erschütterte gemäß jenem Wort des Agg. 2,7: ›Sieh, ich werde den Himmel und die Erde erschüttern.‹ Als Pluto, der König der Unterwelt, sah, dass sein Reich erschüttert wurde, fürchtete er sich und sah sich um, damit er es nicht verlöre. Dies ist also die Wahrheit, dass Pluto, d. h. der Teufel, Proserpina, d.h. die Seele, sieht, die durch Habgier über Gebühr mit den Blumen der Welt, d.h. mit irdischen Gütern, die nach Art der Blumen vergehen, beschäftigt ist; und gewöhnlich raubt er sie dann durch verschiedene Laster und nimmt sie im Wagen der Laster mit, den vier Rappen ziehen, d.h. vier schlechte Affekte, und bringt sie schließlich in die Hölle und bindet sie wie eine Gattin an sich. Wenn sich ihm das Gewässer von Cyane, d. h. die tränenreiche Reue, entgegenstellt, trocknet er sie gewöhnlich mit dem Dreizack der dreifachen Begierde und führt so die Seele ungehindert mit sich fort. Es steht nämlich fest, dass die Seele, nachdem sie sich aus Habgier mit weltlichen Gütern abgegeben hat, sie notwendigerweise von da aus im Wagen der wechselnden Affekte gefahren und vom Teufel durch verschiedene Laster verführt wird und der Quell der Tränen und das Wasser der Fröm-

4 filia . . . ecclesie cet.; id est ecclesiae filia est spiritualis Ep. 7 id est GLLo1; et Lo2Pa8V2V4BTrEp. 9 per . . . fidem codd.; per praelationem et per fidem et devotionem Ep. 12 ne Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 14 quod Lo1Pa8V2V4BEp; quam G; quando Tr. 16 bona scilicet GV4B; id est bona LLo1Lo2Pa8V2TrEp. 18 – 19 rapere et BTrEp; et LLo1Lo2V2; om. GPa8V4. 21 secum vehere V4BTrEp; se convehere G. 21 ad regnum dupl. ad regnum G. 25 tridente LLo1Pa8V2V4Tr; tridentem GLo2B; per tridentem Ep. 29 inde in currum LLo1Lo2BTrEp; munde per currum G; inde per currum Pa8V4. 31 – 249,2 et . . . deferatur Lo1Pa8V2 V4BTrEp; om. G.

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rum et aqua devotionis in ea desiccetur et sic ad infernum libere deferatur, Ioel 1: Exsiccati sunt fontes aquarum et ignis consumpsit speciosa deserti, id est virtutes anime peccatricis, quia virtus cuiuslibet persone igne concupiscentie consumitur, quando in corde fontes lacrimarum et devotionis desiccantur.

migkeit in ihr austrocknen und sie so leicht zur Hölle herabgeführt wird, Ioel 1,20: ›Die Wasserquellen sind ausgetrocknet und Feuer hat die Pracht der Wüste verzehrt‹, d. h. die Tugenden der sündigen Seele; denn die Tugend einer jeden Person wird durch das Feuer der Begierde verzehrt, wenn im Herzen die Quellen der Tränen und der Frömmigkeit ausgetrocknen.

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Ceres filiam suam Proserpinam in quadam domo minutissima concluserat et, quod vacaret lanifico, preceperat. Dea autem Venus ipsam quadam die secum ad colligendum flores duxit. Quam Pluto videns et eam concupiscens rapuit et in domo sua defloravit. Moraliter

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Sic dum puelle et maxime sanctimoniales domum paternam vel religionis deserunt et stimulante Venere, id est mentis lascivia, ad flores colligendos, id est ad mundi delectamenta, spectacula et ludibria, exterius exeunt, sepe fit, quod Pluto, id est luxuriosi, sua sponte vel violenter raptas ad domos proprias secum trahunt, exemplo Helene, que viro absente ad Cytheream insulam ad festa Veneris causa solatii ivit. Quam Paris ibi rapuit et raptam in Troiam duxit. 376 Exemplum de Dina Gen. 34, que, dum iret videre mulieres regionis illius, ab Sichem filio Emor oppressa fuit. 377

Dritte Erzählung 375 Ceres hatte ihre Tochter Proserpina in ein winziges Häuschen eingeschlossen und ihr aufgetragen, sich der Wollarbeit zu widmen. Aber die Göttin Venus nahm sie eines Tages mit zum Blumenpflücken. Als Pluto sie sah und sie begehrte, raubte er sie und nahm ihr ihre Unschuld in seinem Haus. Moralisierung Wenn also Mädchen und besonders Nonnen das Haus des Vaters oder des Ordens verlassen und auf Anregung der Venus, d.h. eines ausschweifenden Sinns, zum Blumenpflücken, d. h. zu weltlichen Vergnügungen, Schaustellungen und Spielen, nach draußen gehen, geschieht es häufig, dass Pluto, d.h. Unzüchtige, die mit Einwilligung oder gewaltsam Geraubten zu ihren Häusern mit sich nehmen nach dem Beispiel der Helena, die in Abwesenheit ihres Mannes zum Trost auf die Insel Cythera zum Fest der Venus ging. Dort raubte sie Paris und brachte die Geraubte nach Troja. 376 Ein Beispiel ist Dina, Gen. 34,1 f., die, als sie ging, ›um die Frauen jener Gegend zu sehen‹, von Sichem, dem Sohn Emors, vergewaltigt wurde. 377

9 Fabula tertia V,7 Ep. 5 peccatricis G; add. et desiccate Lo1Pa8V4Ep; add. et deserta B; add. et desertate Tr. 7 fontes cet.; fontis G. 25 Cytheream Ep; Cithaream GV2B; Cythaream V4; Cytharam Tr. 27 ibi Lo1Pa8V4BTrEp; sibi G.

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Vierte Erzählung 378

Cum Sirenes, puelle Proserpine, ipsam raptam vidissent, quesierunt ipsam per omnia loca terrarum. Quam cum non invenissent, ad finem, ut in equore vel in aere possent querere, optaverunt sibi dari pennas. Quibus datis facta sunt monstra marina pennata et alas habentia, faciem virgineam et humanam obtinentia et in piscem desinentia. Iste enim sunt Sirenes monstra marina, que quia, dum erant virgines, dulcissime cantabant, voluerunt dii, quod facies virgineas retinerent et sic in mari dulciter resonarent, ita quod audientes obstupescerent et sopirent. 379

Als die Sirenen, die Gefährtinnen der Proserpina, sahen, dass sie geraubt worden war, suchten sie sie überall auf der Erde. Da sie sie nicht gefunden hatten, wünschten sie sich schließlich, dass ihnen Flügel gegeben würden, um im Meer oder in der Luft suchen zu können. Sie erhielten sie und wurden zu gefiederten Meeresungeheuern, die Flügel hatten, ihr jungfräuliches und menschliches Antlitz behielten, aber in einem Fischschwanz endeten; denn die Sirenen sind Meeresungeheuer. Solange sie junge Frauen waren, sangen sie wunderschön, und deshalb wollten die Götter, dass sie ihr jungfräuliches Antlitz behielten und so im Meer lieblich erklängen, so dass sie ihre Zuhörer in Verwirrung versetzten und einschläferten. 379

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Ista fabula videtur inventa ad ostendendum naturam Sirenarum. Proserpina est anima cuius puelle sunt potentie, scilicet ratio, memoria et voluntas. Igitur quando contingit, quod domina istarum puellarum, id est anima, a Plutone, id est diabolo, fuerit rapta per vitia et in regionem dissimilitudinis 380 deportata, debent puelle istam dominam suam diligenter querere et ad eam inveniendam totis viribus anhelare. Debent igitur alas contemplationis appetere et in monstra marina per cordis amaritudinem se mutare et per aera per contemplationem ad celestia volare et in mari per cordis contritionem ac penitentiam habitare, Ps.: Quis

Moralisierung Diese Erzählung scheint erfunden worden zu sein, um die Natur der Sirenen zu erklären. Proserpina ist die Seele, deren Begleiterinnen ihre Kräfte sind, nämlich Verstand, Gedächtnis und Wille. Wenn es nun geschieht, dass die Herrin dieser Begleiterinnen, d.h. die Seele, von Pluto, d. h. vom Teufel, durch Laster geraubt und in eine ›Gegend der Unähnlichkeit‹ 380 gebracht wurde, müssen die Begleiterinnen ihre Herrin sorgfältig suchen und mit allen Kräften sich bemühen, sie zu finden. Also müssen sie Flügel der Kontemplation begehren, sich dann durch Bitterkeit des Herzens in Meeresungeheuer verwandeln, durch Kontemplation durch die Lüfte zum Himmel fliegen und durch Zerknirschung des Herzens und Reue im Meer wohnen,

1 Fabula quarta V,10 Ep. 7 datis Lo1Pa8V4BTrEp; datus G. 7 – 8 marina . . . habentia GPa8V4; marina alas habentia LLo1Lo2V2BEp; om. pennata . . . marina Tr. 10 Sirenes V4; Syrens G; Syrenes Lo1V2V4BTrEp. 19 puelle sunt add. G in marg. 19 – 20 ratio, memoria Pa8V4BTrEp; ratio G; memoria Lo1.

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dabit mihi pennas sicut columbe; et alibi: Si sumpsero pennas meas diluculo et habitavero in extremis maris. Iste igitur debent faciem virgineam per innocentiam et castitatem retinere et cantus divine laudis diligenter resonare, Apoc.: Cantabunt iusti canticum novum ante sedem dei et agni et resonabit terra in voces eorum. 381 Fabula quinta 382

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Cum Ceres filiam suam raptam comperit, ipsam per totum mundum quesivit. Sed cum nox iter suum impediret, duas pinus in monte Etna accendit et sic eam cum facibus investigavit. Et ideo odorifera dicta fuit, quapropter in festo eius faces et luminaria accendi postea mos inolevit. Ipsa igitur inventa zona filie cognovit, quod per aquam Cyanes transisset. Nympha autem Cyane, que in aquam mutata fuerat, sibi non potuit indicare. Arethusa tamen nympha de fonte suo caput extulit et dee raptum filie rettulit et, quod ad infernum rapta fuerat, nuntiavit et eam regnantem in inferno viderat sibi dixit. Cum igitur Ceres in infernum descendisset nec filiam suam a Plutone habere potuisset, superos adiit et Iovi de Plutone fratre suo conquesta partes suas Iupiter in-

nach Ps. 54,7: ›Wer wird mir Flügel wie die einer Taube geben?‹ Und anderswo [Ps. 138,9]: ›Wenn ich Flügel der Morgenröte nähme und am äußersten Rand des Meeres wohnte.‹ Sie müssen also durch Unschuld und Keuschheit ein jungfräuliches Antlitz behalten und Lieder zum Lobe Gottes mit Sorgfalt erklingen lassen, Apoc. 14,3: ›Die Gerechten werden ein neues Lied vor dem Thron Gottes und des Lammes singen, und die Erde wird von ihren Stimmen widerhallen‹. 381 Fünfte Erzählung 382 Als Ceres vom Raub ihrer Tochter erfuhr, suchte sie sie überall in der ganzen Welt. Aber als die Nacht ihren Weg erschwerte, zündete sie zwei Fichten am Berg Aetna an und suchte sie so mit den Fackeln. Und deshalb wurde sie wohlriechend genannt, weshalb später der Brauch entstand, an ihrem Fest Fackeln und Lampen anzuzünden. Als sie nun den Gürtel ihrer Tochter gefunden hatte, erkannte sie, dass sie das Wasser Cyane durchquert hatte. Die Nymphe Cyane aber war in Wasser verwandelt worden und konnte es ihr deshalb nicht sagen. Die Nymphe Arethusa jedoch hob ihren Kopf aus ihrer Quelle und erzählte der Göttin vom Raub ihrer Tochter und berichtete, dass sie in die Unterwelt geraubt worden sei, und sie sagte ihr, dass sie sie in der Unterwelt als Herrscherin gesehen habe. Als nun Ceres in die Unterwelt hinabgestiegen war und ihre Tochter nicht von Pluto zurückbekommen konnte, ging sie zu den Göttern und, nachdem sie sich bei Jupiter über seinen Bruder Pluto beschwert hatte, waltete Jupiter seines Amtes. Und so

9 Fabula quinta V,8 Ep. 12 pinus Lo2V4BTrEp; pinnas G; prunas LLo1; pinas V2. 13 Etna Ethna Ep; Ethne GV2; Ethnae V4; Ethene B; Ethena Tr. 16 postea mos LLo1V2BTrEp; postmodum G; postea Lo2; in posterum Pa8V4. 16 inolevit Lo1Pa8V4BTrEp; inolenit G. 17 zona . . . cognovit LBTrEp; cognovit zona filie G; zona silve cognovit V4. 18 Cyanes Ep; Tyene G; Cyene Lo1V2V4; Ciene B; Cye Tr. 19 aquam Lo1Pa8V4BTrEp; aqua G. 22 rapta Lo1Pa8V4BTrEp; raptam G.

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terposuit. Et sic ordinavit, quod Proserpina per medium annum cum Plutone in inferno regnaret et per aliud medium cum matre sua superius appareret.

ordnete er an, dass Proserpina in der einen Hälfte des Jahres mit Pluto in der Unterwelt regiere und in der anderen Hälfte mit ihrer Mutter oberhalb lebe.

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Per Cererem potest intelligi bonus prelatus, Proserpina vero subditus, ita quod prelatus dicatur mater ratione pietatis, subditus dicatur filia non filius ratione inconstantie et imbecillitatis. Ex quo igitur accidit, quod Pluto, id est diabolus, rapit Proserpinam, id est aliquem simplicem subditum, quem secum detulit in infernum, id est quem per apostasiam secum traxit ad mundum vel per temptationem rapuit ad peccatum. Debet mater sua, id est pius pater seu prelatus, eum cum facibus accensis, id est cum ardore caritatis, querere et de modo raptus, id est de conditione peccati, ab Arethusa, id est a fratribus et aliis, inquirere, ut possit remedium adhibere. Qui debent sibi omnia revelare, ut sic dicat prelatus visitans et inquirens illud Gen. 37: Fratres meos quero, indica mihi. Debet igitur iste in infernum, id est in peccatum subditi, adire per compassionem et, si ipsum ita inveniet Plutoni, id est diabolo, confederatum et convinctum per male consuetudinis vinculum, quod ipsum extrahere per predicationem non possit, debet ad Iovem, id est ad deum, recurrere per orationem et sic necesse erit, quod Pluto ipsum dimittat et quod infernum, id

Unter Ceres kann ein guter Prälat verstanden werden, Proserpina aber ist ein Untergebener, in der Weise, dass der Prälat aufgrund seiner Fürsorglichkeit Mutter genannt wird, der Untergebene aufgrund seiner Unbeständigkeit und Schwäche Tochter, nicht Sohn genannt wird. Daher geschieht es nun, dass Pluto, d. h. der Teufel, Proserpina raubt, d. h. einen einfachen Untergebenen, den er mit sich in die Unterwelt fortriss, d.h. den er durch Abfall vom Glauben mit sich in die Welt zog oder durch Versuchung zur Sünde fortführte. Ihre Mutter, d.h. der fromme Vater oder Prälat, muss ihn mit entzündeten Fackeln, d.h. mit dem Feuer der Liebe, suchen und sich bei Arethusa, d. h. bei den Mitbrüdern und anderen, nach der Art der Entführung, d. h. nach der Form der Sünde, erkundigen, um ein Heilmittel anwenden zu können. Diese müssen ihm alles offenlegen, so dass der Prälat, der sie aufsucht und nachforscht, jenes Wort aus Gen. 37,16 sagen kann: ›Ich suche meine Brüder, zeige sie mir.‹ Dieser muss nun aus Mitleid in die Unterwelt, d.h. zur Sünde des Untergebenen, gehen und, wenn er ihn so durch die Fessel der schlechten Gewohnheit mit Pluto, d.h. mit dem Teufel, verbunden und gefangen findet, muss er, weil er ihn durch die Predigt nicht herausziehen kann, im Gebet bei Jupiter, d.h. bei Gott, seine Zuflucht nehmen; und so ist es nötig, dass Pluto ihn entlässt

8 mater LLo1Pa8Ep; in maschulino GV2V4; in altissimo Lo2; in feminino BTr. 13 detulit Lo1Pa8V4BTrEp; detinet GV2V4. 18 de modo LLo1V2V4BTr; demon G; demum Pa8; de mundo Ep. 19 Arethusa V2BTr; Artusa G; Aretusa Lo1Ep; Arecusa V4. 23 Gen. 37 Gen. 32 G. 26 – 27 et . . . diabolo Lo1Pa8V2V4BTrEp; et si circa ipsum inveniat, Plutoni ipsum, id est diabolo G;. 27 convinctum GV4B; coniunctum V2EpTr. 31 sic Lo1Pa8V4BTrEp; si G.

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est peccatum, exeat et ad matrem, id est ecclesiam vel religionem, redeat et ad statum gratie se convertat dicens illud Os. 2: Revertar ad virum meum priorem. Proserpina tamen, id est talis conversus penitens, non debet ex toto Plutonem et infernum, id est diabolum et peccatum, dimittere, immo per sui primi status considerationem debet pro magna parte temporis cum eis habitare, quia scilicet debet habere semper in mente, qualiter ipsum decepit et ad peccatum rapuit et portavit, Apoc. 2: Memor esto, unde excideris, et penitentiam age et opera tua prima fac. Quia omnis homo partim debet esse in inferno per timorem et meditationem et peccati considerationem, partim in celo per amorem et affectionem, ut sic possit dicere illud Ps.: Si ascendero in celum, tu illic es, si descendero ad infernum, ades. Vel dic, quod Iupiter, id est iuvans pa384 ter, est deus, Ceres est Christi persona, Pluto diabolus, Proserpina vero significat animam seu sanctos patres. Cum igitur Pluto, diabolus, Proserpinam, id est animam humanam Christi filiam, ad infernum rapuisset, sic fuit per Iovem, id est deum patrem, inter eos ordinatum, quod aliquo tempore, id est ante adventum Christi, remaneret cum Plutone in inferno, alio vero tempore, id est post adventum Christi, habitaret cum matre, id est cum Christo, superius in excelsis: Omnia tempus habent etc. Eccli. tertio.

und er die Unterwelt, d.h. die Sünde, verlässt, und zu seiner Mutter, d. h. zur Kirche oder zum Glauben, zurückkehrt und sich dem Gnadenstand zuwendet mit jenen Worten aus Os. 2,7: ›Ich will zu meinem ersten Mann zurückkehren.‹ Proserpina, d.h. ein solch bekehrter Büßer, darf Pluto und die Unterwelt, d. h. den Teufel und die Sünde, dennoch nicht vollständig verlassen, vielmehr muss er durch Bedenken seines früheren Standes für einen großen Teil der Zeit bei ihnen [den Unterirdischen] wohnen, da er immer im Sinn haben muss, wie er [der Teufel] ihn täuschte und zur Sünde hinriss und -führte, Apoc. 2,5: ›Sei eingedenk, von wo du abgefallen bist, und tu Buße und führe deine ersten Werke aus!‹ Denn jeder Mensch muss durch Furcht, Meditation und Betrachtung seiner Sünden sich teils in der Unterwelt aufhalten, teils durch Liebe und Zuneigung im Himmel, so dass er jenes Psalmwort sagen kann [Ps. 138,8]: ›Wenn ich in den Himmel aufsteige, bist du dort, wenn ich in die Unterwelt hinabsteige, bist du da.‹ Oder sag, dass Jupiter, d.h. der helfende Vater, 384 Gott ist, Ceres die Person Christi, Pluto der Teufel, Proserpina aber bedeutet die Seele oder die heiligen Väter. Weil nun Pluto, der Teufel, Proserpina, d.h. die menschliche Seele, die Tocher Christi, in die Unterwelt entführt hatte, wurde durch Jupiter, d.h. Gottvater, zwischen ihnen festgesetzt, dass sie für einige Zeit, d.h. vor der Ankunft Christi, mit Pluto in der Unterwelt bleibe, zu einer anderen Zeit aber, d.h. nach der Ankunft Christi, mit ihrer Mutter, d.h. mit Christus, oben in der Höhe wohne: ›Alles hat seine Zeit‹ etc. Eccl. 3,1.

2 – 3 ad statum statum G, sed add. ad supra lin. 4 virum Lo1Pa8V4BTrEp; unum G. 6 – 7 infernum, id est diabolum et peccatum Lo1Pa8V4Ep; infernum G; infernum, id est diabolum B; Plutonem, id est diabolum, et infernum, id est peccatum Tr. 12 Apoc. 2 Apoc. 4 G. 30 habitaret Lo1Pa8V4TrEp; habitarent GB.

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Fabula sexta 385

Sechste Erzählung 385

Cum Ceres filiam suam de inferno, ubi fuerat rapta, reducere vellet et super hoc Iovem interpellaret, sic fuit a Iove responsum, quod ipsam extrahere non poterat, si de inferni fructibus gustasset, et hoc audiens consensit; asseruit quidam rusticus nomine Ascalaphus, quod ipsam viderat in quoddam viridarium ingredientem et tria grana malogranati 386 comedentem. Et sic propter ipsius testimonium Proserpina fuit in inferno detenta nec matri sue restituta tunc temporis. Regina igitur inferni profanum testem lympha Phlegeton intinxit et eum in bubonem mutavit et, quod mala nuntiaret mortalibus, ipsum in antea maledixit. 387

Als Ceres ihre Tochter aus der Unterwelt, wohin sie entführt worden war, zurückholen wollte und sich deshalb an Jupiter wandte, war die Antwort Jupiters die folgende: dass sie sie nicht befreien könne, wenn sie von den Früchten der Unterwelt gegessen habe. Als Ceres das hörte und zustimmte, versicherte ein Bauer namens Ascalaphus, dass er gesehen habe, wie sie in einen Garten gegangen und drei Kerne eines Granatapfels gegessen habe. 386 Und so wurde Proserpina wegen seines Zeugnisses in der Unterwelt festgehalten und ihrer Mutter damals nicht wieder zurückgegeben. Also tauchte die Königin der Unterwelt den schändlichen Zeugen in das Wasser des Phlegeton und verwandelte ihn in einen Uhu, und sie verfluchte ihn zuvor dazu, dass er den Sterblichen Unheil verkünde. 387

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Ista possunt dici contra factorum aliorum exploratores, detractores et relatores, qui statim, quando vident, quod de liberatione Proserpine, id est de bono et commodo alicuius misere persone, agitur, solent eam accusare et, si qua fecit sibi nocentia, revelare. Et sic contingit, quod bonum suum impediunt et criminum suorum testes fiunt. Sed pro certo tales in bubones, qui sunt aves cunctis animalibus odibiles, converti dicuntur, inquantum tales delatores cunctis

Moralisierung Dies kann gegen diejenigen gesagt werden, die die Taten anderer ausspähen, verleumden und öffentlich machen, die sogleich, wenn sie etwas sehen, das die Befreiung Proserpinas, d. h. das Glück und den Vorteil einer unglücklichen Person betrifft, sie anzuklagen pflegen und bekannt zu machen, wenn sie irgendetwas getan hat, was ihr schadet. Und so geschieht es, dass sie ihr Glück verhindern und Zeugen ihrer Vergehen werden. Aber gewiss sollen solche in Uhus verwandelt werden, in Vögel, die allen anderen Tieren verhasst sind, sofern

1 Fabula sexta V,9 Ep. 4 interpellaret Lo1Pa8V4BTrEp; interpollaret G. 6 – 7 gustasset et . . . asseruit Pa8; comedisset. quidam G; et hoc Ceres audiens. asseruit V4; gustasset. affuit L; gustasset asseruit Lo1; gustasset et hoc Ceres asseruisset Lo2; gustasset. Igitur cum eam non gustasse de inferni fructibus Ceres asseruisset, affuit V2B; gustavisset. Igitur cum Ceres asseruisset non gustavisset, ibi affuit Tr; quod audiens Ceres consensit. Tunc asseruit Ep. 19 exploratores LLo1Pa8V4Ep; explorantes G; quosdam . . . exploratores B; om. Tr. 19 relatores LV4BEp; revelatores G; om. Tr. 20 liberatione Lo1Pa8V4BTrEp; deliberatione G. 22 eam LV4Ep; eum GB; ipsam Tr. 25 criminum Lo1Lo2V4BTrEp; terminum G. 27 animalibus GPa8V4; aliis LLo1V2BEp; aliis avibus Tr.

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esse abominabiles dignoscuntur. Quia tales more bubonum de nocte clamantes, id est verba sua detractoria occulte maioribus et prelatis referentes et bona aliorum pre invidia retardantes, a cunctis abominantur et eorum consortia detestantur. Ideo dicitur Eccli. 5: Ne appelleris susurro in vita tua. Et sequitur: Susurratori odium et contumelia et inimicitia. Vel dic, quod infernus est iste mundus, ubi talis videtur esse consuetudo, quod si quis de fructibus eius, id est de mundanis bonis, per complacentiam gustaverit, inde de cetero non exibit. Illi enim, qui in viridario inferni, id est in prosperitate mundi, tria grana, id est triplicia mundi bona, scilicet divitias, delicias et honores, comedunt, ita delectantur ibidem, quod ab amore eius non possunt extrahi, Sap. 2: Non est agnitus, qui reversus est ab inferis. Vel dic, quod mala mulier est infernus, de cuius fructibus, id est delectationibus, si quis gustaverit, ab eius laqueo vix vel numquam exibit, quia, qui de horto deliciarum suarum tria grana, id est tria oblectamenta, affectus, aspectus et tactus carnis, sumunt, ab eius amoris barathro amplius non recedunt. Ideo dicitur Prov. 2: Inclinata est usque ad mortem domus eius et ab inferis non recedet. 388

man weiß, dass solche Denunzianten allen anderen verabscheuenswert sind. Weil solche nach Art der Uhus nachts rufen, d. h. ihre verleumderischen Worte heimlich den Oberen und den Prälaten überbringen und das Glück anderer aus Neid zu verhindern suchen, werden sie von allen verabscheut und ist ihre Gesellschaft allen verhasst. Daher heißt es Eccli. 5,16 f.: ›Nicht sollst du Denunziant genannt werden in deinem Leben‹ und weiter: ›Dem Denunzianten gebühren Hass, Schmach und Feindschaft.‹ Oder sag, dass die Unterwelt diese Welt ist, wo es offenbar gewöhnlich so ist, dass einer, wenn er mit Genuss von ihren Früchten, d.h. von weltlichen Gütern, gekostet hat, sie darauf fortan nicht mehr verlassen wird. Denn jene, die im Unterweltsgarten, d.h. im irdischen Wohlstand, drei Kerne essen, d. h. dreifache weltliche Güter, nämlich Reichtum, Vergnügungen und Ehrungen, gewinnen dort so viel Freude, dass sie aus dem Verlangen danach nicht mehr herausgeholt werden können, Sap. 2,1: ›Man kennt keinen, der aus der Unterwelt zurückgekehrt ist.‹ Oder sag, dass die Unterwelt eine schlechte Frau ist; wenn einer von ihren Früchten, d.h. von den Genüssen, gekostet hat, wird er sich kaum oder nie aus ihrer Schlinge ziehen, da diejenigen, die aus dem Garten ihrer Verlockungen drei Kerne nehmen, d. h. drei Stufen des Vergnügens, nämlich Gefühl, Anblick und Berührung des Körpers, sich aus dem Abgrund ihrer Liebe nicht wieder entfernen. Daher heißt es Prov. 2,18 f.: ›Ihr Haus neigt sich hin bis zum Tod und sie verlässt die Unterwelt nicht.‹ 388

5 retardantes Lo1Pa8V4TrEp; retrahentes G. 11 – 12 quod si quis Lo1Pa8V4BTrEp; si quis G. 18 quod Lo1Pa8V4BTrEp; pro G. 27 – 28 ab . . . recedunt LLo1V2Tr; ab amoris baratro, id est mulieris, pro lac. et desiderantis unum amplecti amplexibus carnalibus non recedit G; ab amore eius non recedit Pa8; ab amore eius faciliter non recedunt V4; ab eius amoris baratro amplius non procedunt B; ab amore baratri huius non recedunt Ep.

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Fabula septima 389

Siebte Erzählung 389

Cum Typhoeus, maximus gigas, contra deos pugnaret et ipsos de paradiso expellere 390 vellet, dii contra eum prevalentes ad terram prostraverunt. Sed cum ipsum occidere non possent, tres montes Trinacrie, que est in Sicilia provincia, 391 super corpus ipsius locaverunt, ita quod mons Lilybeum et mons Pachynus super pedes ipsius collocati sunt; mons vero Etna super caput et faciem ipsius positus fuit. Et inde est, quod ab ipso tempore propter ipsius gigantis flatum de isto monte continuus ignis exit et Typhoeus adhuc vivens sub montibus sepe conatur pondus excutere, ita quod totam insulam Sicilie faciat tremere et ista est causa, ut aiunt, quod in Sicilia terremotus sepissime solent esse.

Als Typhoeus, ein enorm großer Gigant, gegen die Götter kämpfte und sie aus dem Paradies vertreiben wollte, 390 streckten ihn die Götter, die stärker waren als er, auf die Erde nieder. Da sie ihn aber nicht töten konnten, setzten sie drei Berge von Trinacria, die sich in der Provinz Sizilien befindet, 391 auf seinen Körper, so dass der Berg Lilybaeum und der Berg Pachynus auf seine Füße gestellt wurden, der Berg Aetna aber auf sein Haupt und sein Gesicht gesetzt wurde. Und daher kommt es, dass seitdem aufgrund des Atems des Riesen aus diesem Berg beständig Feuer austritt. Und da Typhoeus immer noch unter den Bergen lebendig ist, versucht er häufig, die Last abzuschütteln, so dass er die ganze Insel Sizilien erbeben lässt, und dies ist der Grund dafür, wie sie sagen, dass es auf Sizilien sehr oft Erdbeben gibt.

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Per istum gigantem fortissimum intelligo animam humanam, cuius proprium est velle celum ascendere et istos deos, de quibus Ps.: Dii gentium demonia, pro viribus expugnare. Trinacria autem regio, que sic a tribus montibus nominatur, significat mundum, in quo sunt tres montes, id est tria mundana bona, scilicet delicie, divitie et eminentie, Io. 5: Tres sunt, qui testimoni-

Moralisierung Unter diesem enorm starken Giganten verstehe ich die menschliche Seele, deren Eigenart es ist, in den Himmel aufsteigen zu wollen und die Götter, von denen der Ps. sagt 95,5: ›Die Götter der Heiden sind Dämonen,‹ nach Kräften zu bezwingen. Das Gebiet Trinacria aber, das nach seinen drei Bergen so benannt ist, bedeutet die Welt, in der es drei Berge gibt, d.h. drei weltliche Güter, nämlich Genuss, Reichtum und hohe Geltung, 1. Io. 5,7: ›Drei sind es, die auf

1 Fabula septima V,3 Ep. 2 Typhoeus Ep; Cifoe G; Ciffoe Lo1V2B; Tyffoe V4; Cyffoe Tr.. 3 paradiso Lo1Pa8V4BTr; padiso G; coelo Ep. 6 Trinacrie Ep; Trithimie G; Triclinie Lo1; Trichinie V2BTr; om. V4. 6 que LLo1Lo2V2BTr; qui G; insulae, quae Ep; montes, qui V4; om. Trinacrie . . . provincia Pa8. 7 Sicilia GLo2V4Ep; Siciliae LLo1Lo2 V2Tr; Cilicie B. 8 Lilybeum Lilibeus Ep; Bibeus G; Libeus Lo1V2B; Bileus V4; Labernius Tr. 8 – 9 et . . . ipsius codd.; super pedes eius, mons Pachinnus super sinistram manum, mons Pelorus super dexteram Ep. 9 Pachynus Pachinnus Ep; Pithinus G; Picheus Lo1; Pichrinus V2V4; Pichinus B; Pinchinus Tr. 12 ipsius LLo1Lo2Pa8V4B; ipsum G; illius V2Tr; istius Ep. 16 – 17 ut aiunt, quod Lo1Pa8V2V4B; ut dicitur G; aiunt, quod L; ut aiunt quidam, quod Tr; ut ait Ovidius, quod Lo2Ep. 24 Trinacria Trichima G. 24 autem aut G; om. LLo1Lo2V2BTrEp; igitur Pa8V4.

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um dant in terra. Igitur dico, quod, quando gigas Typhoeus, id est fortis et constans animus, cupit celum ascendere et contra deos, id est demones, prevalere, ita quod isti non possunt prima fronte eum per peccatum mortale occidere, plerumque contingit, quod ad terram, id est ad mundi negotia, ipsum trahunt et quod tribus montibus predictis, scilicet deliciis, divitiis et honoribus, ipsum premunt tantumque pondus negotiorum mundi super ipsum ponunt, quod ipsum sub pondere obruunt et cludunt et sic ascensum in celum, id est contemplationem et affectionem, sibi tollunt, Lam. 3: Lapsa est in lacum vita mea, posuerunt lapidem super me. Iste tamen sic oppressus aliquando per sui considerationem se concutit, quod aliquando terremotum contritionis facit, flatumque bone locutionis et ferventis orationis aliquotiens emittit et tamen negotiis et divitiis oppressus a peccato non surgit, sed iterum in se ipso residens sub suo pondere requiescit, sicut ad litteram videmus de multis divitibus, qui quandoque in statu suo videntur cogitare et se velle de onere divitiarum liberare, sed pondus divitiarum dimittere non possunt et iterum resident, figura de illo, cui Christus dixit [Mt. 19]: Vade et vende universa, quae habes etc., et sequitur, quod abiit tristis; erat enim habens multas possessiones.

der Erde Zeugnis ablegen.‹ Also sage ich: Wenn der Riese Typhoeus, d.h. der starke und standhafte Geist, in den Himmel aufzusteigen und die Götter, d.h. die Dämonen, zu überwinden wünscht, so dass diese ihn nicht beim ersten Zusammentreffen durch eine Todsünde töten können, geschieht es in der Regel, dass sie ihn zur Erde, d.h. zu weltlichen Geschäften, herabziehen, und dass sie ihn mit den drei vorher genannten Bergen, nämlich Genuss, Reichtum und hohen Ehren, niederdrücken und ihm eine solche Last von weltlichen Geschäften auferlegen, dass sie ihn unter der Last begraben und einschließen und ihm so seinen Aufstieg in den Himmel, d.h. die Kontemplation und die Liebe, fortnehmen, Lam. 3,53: ›Mein Leben stürzte in eine Grube, sie setzten einen Stein auf mich.‹ Obwohl er aber auf solche Weise niedergedrückt ist, schüttelt er sich dennoch hin und wieder in seiner Selbstbesinnung, dass er bisweilen ein Erdbeben der Reue verursacht, und er stößt einige Male einen Atem guter Rede und glühenden Gebets aus; aber von den Aufgaben und dem Reichtum niederdrückt, erhebt er sich dennoch nicht von der Sünde, sondern sinkt wiederum in sich selbst zurück und verharrt unter seinem Gewicht, wie wir es, buchstäblich verstanden, bei vielen Reichen sehen, die sich bisweilen in ihrem Zustand zu besinnen scheinen und sich vom Gewicht des Reichtums befreien wollen, die Last des Reichtums aber nicht abschütteln können. Und sie lassen wieder ab davon; ein Gleichnis dafür bietet jener, dem Christus sagte [Mt. 19,21f.]: ›Geh hin und verkaufe alles, was du hast‹ usf., und es folgt: ›Er ging traurig davon; denn er hatte reichen Besitz.‹

15 lacum Lo2Pa8V2V4BEp; latum G; laqueum Tr; lacu Vulg.; om. LLo1. 26 onere Lo1Pa8V4BTrEp; honore G. 27 – 28 et . . . resident Lo1V2BTr; et sic iterum succumbunt Pa8V4Ep; et iterum Lo2; om. G. 28 – 31 figura . . . possessiones Pa8V4; exemplum . . . etc. Ep; om. G et cet. codd.

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Vel, quod tres montes significant concupiscentias, quarum pondus sic hominem depremit, quod vix amplius resurget, Ps.: Iniquitates mee supergresse sunt caput meum.

Oder [sag], dass die drei Berge die Begehren bedeuten, deren Last den Menschen so niederdrückt, dass er sich kaum wieder erheben wird, Ps. 37,5: ›Meine Sünden wuchsen mir über den Kopf.‹

Fabula octava 392

Achte Erzählung 392

Arethusa fuit nympha de patria Pisana pulcerrima inter nymphas Achaidas. Hec dum in Alpheo flumine se lavaret et vestes suas in salicibus suspendisset, audivit deum fluminis venientem, qui ipsam rapere voluit; sed ipsa nuda ad alteram ripam fugit. Ille ergo ipsam nudam videns et ex hoc in eius amorem magis ardens per montes et silvas ipsam insequi non cessavit. Que fatigata et ultra fugere non valens rogavit Dianam, cuius armigera fuerat, quod ipsam adiuvaret. Que statim ipsam, ne nuda videretur, nube obtexit, sed ipsa nympha in aquam per sudorem tota defluxit. Alpheus vero ipsam in aquam mutatam videns in proprias aquas se mutavit, ut Arethuse se coniungeret et aqua aque fortius se uniret et ut undis amatis perpetuo se misceret. 393 Iste igitur est fons vel fluvius, qui de Achaia in Ortygiam insulam sub mari fluit et inde etiam Siciliam per equora se dilatat. Ista fabula videtur inventa ad ostendendum fontis Arethuse naturam, qui subtus mare fluit in Siciliam.

Arethusa war eine Nymphe, geboren in der Gegend von Pisa [Elis], die schönste unter den Nymphen von Achaja. Als sie im Fluss Alpheus badete und ihre Kleider in den Weiden aufgehängt hatte, hörte sie den Flussgott sich nähern, der sie mit Gewalt an sich ziehen wollte; sie aber floh nackt zum anderen Ufer. Da jener sie also nackt sah und daher noch mehr in Liebe zu ihr entbrannte, hörte er nicht auf, sie über Berge und durch Wälder zu verfolgen. Als sie müde war und nicht weiter fliehen konnte, bat sie Diana, deren Waffenträgerin sie gewesen war, ihr zu helfen. Diese bedeckte sie sogleich mit einer Wolke, damit sie nicht nackt gesehen wurde, aber die Nymphe zerfloss durch Schweiß vollständig zu Wasser. Alpheus aber sah, dass sie in Wasser verwandelt war, und verwandelte sich daher wieder in sein eigenes Wasser, um sich mit Arethusa zu verbinden und um Wasser mit Wasser umso stärker zu vereinigen und sich auf ewig mit den geliebten Wellen zu vermischen. 393 Dies ist also die Quelle oder der Fluss, der aus Achaja unter dem Meer zur Insel Ortygia fließt und von dort durch das Meer auch bis nach Sizilien strömt. Die Erzählung scheint erfunden zu sein, um die Natur der Quelle Arethusa zu erklären, die unter dem Meer nach Sizilien fließt.

6 Fabula octava V,11 Ep. 3 resurget G; se expediet Lo1V4BTr; se liberabit Pa8; ab ipsis se expediet Ep. 4 caput s caput G, sed del. s. 7 patria Lo1Pa8V2V4Tr; prima G; terra Ep. 7 – 8 pulcherrima Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 8 Achaidas coni.; Achaides Ep; Achaidum Lo1Tr; Acaydum V2B; Achaldum V4; om. G. 23 – 24 amatis V2BTrEp; amaris GLLo1Lo2; in amore V4. 26 Achaia V4Ep; Achaya GV2Tr; Archaia Lo1; Achoya B. 26 Orthygiam Ortigiam GLo1V2BEp; Orthigia V4; Orchygiam Tr. 28 fabula om. G, sed add. supra lin. 30 Siciliam Sciciliam G.

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Moralisierung

Ista nympha videtur esse anima, que ab Alpheo, id est deo, diligitur et tamen constat, quod ipsum per peccatum quandoque fugit et eius consortium aspernatur. Ipse autem eam per affectionem persequitur et per predicatores ipsam comprehendere et sibi per gratiam coniungere delectatur. Accidit autem quandoque, quod homo, postquam a deo peccando fugit, fatigatus peccando sistit et virtute et auxilio dee Diane, id est beate virginis, que nube, id est gratia, ipsam operit, in aquam per lacrimosam confessionem liquefit, Cant. 5: Liquefacta est anima, ut dilectus locutus est. Alpheus iste videns animam liquefactam per contritionem liquefit et ipse per compassionem et cum ipsa se miscet per dilectionem. Et sic per mare mundi transeunt usque ad remotam paradisi habitationem. Statim enim Christus, qui videt animam flebilem et devotam, ei per amorem et gratiam commiscetur. Vel dic, quod Alpheus est prelatus, Arethusa est subditus. Quem si fugitivum videat, debet insequi et ad eum reducendum ad viam bonam totis viribus anhelare. Verumtamen, si ipsum liquefieri per contritionem videat, debet et ipse per compassionem liquefieri et sibi patienti compati et per caritatem cum eo commisceri, Rom. 12: Gaudere cum gaudentibus et flere cum flentibus.

Diese Nymphe scheint die Seele zu sein, die von Alpheus, d.h. von Gott, geliebt wird, und dennoch steht es fest, dass sie ihn bisweilen durch Sünde flieht und die Gemeinschaft mit ihm verschmäht. Er aber verfolgt sie in liebevoller Zuneigung und erfreut sich daran, sie durch Prediger zu ergreifen und sich durch Gnade mit ihr zu verbinden. Bisweilen aber geschieht es, dass der Mensch, nachdem er durch Sündigen vor Gott floh, ermüdet im Sündigen Halt macht und mit der Kraft und Hilfe der Göttin Diana, d.h. der seligen Jungfrau, die sie mit einer Wolke, d.h. mit Gnade, bedeckt, durch ein tränenreiches Bekenntnis in Wasser zerfließt, Cant. 5,6: ›Meine Seele ist zerflossen, wie der Geliebte gesagt hat.‹ Weil Alpheus sieht, dass die Seele durch Reue gelöst wurde, löst auch er sich selbst in Mitleid und verbindet sich mit ihr in Liebe. Und so gehen sie durch das Meer der Welt bis zur entfernten Wohnstatt des Paradieses. Denn Christus, der die Seele klagend und demütig sieht, vereinigt sich sogleich mit ihr durch Liebe und Gnade. Oder sag, dass Alpheus ein Prälat ist, Arethusa ein Untergebener. Wenn er diesen fliehen sieht, muss er ihm nachfolgen und mit allen Kräften danach streben, ihn auf den rechten Weg zurückzuführen. Wenn er ihn aber in Reue zerfließen sieht, muss er selbst auch in Mitleid zerfließen und mit dem Leidenden leiden und in Liebe sich mit ihm verbinden, Rom. 12,15: ›Sich freuen mit den Fröhlichen und weinen mit den Weinenden!‹

9 homo GPa8V4; anima sive homo Lo1Lo2V2BTrEp. 10 fatigatus GPa8V4; fatigata Lo1V2BTr; fatigatur Lo2 Ep. 13 in Lo1Lo2V2V4BEp; et GPa8Tr. 13 – 14 aquam . . . confessionem Lo2Pa8V4Ep; aqua lacrimosam confessionem G; aquam per lacrimosam conpunctionem LLo1; aquam per lacrimosam contritionem V2BTr. 14 Cant. 5 Cant. 4 G. 18 et V4BTrEp; om. GLo1Pa8. 18 ipsa Lo1Pa8V4BTrEp; ipse G.

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Neunte Erzählung 394

Ceres dea segetum irata de Proserpina filia sua amissa famem per totum mundum fecit et segetes per sterilitatem subtraxit. Inventa autem filia misit militem suum Triptolemum per universum orbem et semina deferre iussit, et sic per ipsum semina et fructus mundo dedit. Verumtamen, dum iste per mundum semina deferret, domum Lynci regis applicuit, qui auctoritatem super semina sibi attribuere cupiens Triptolemum occidere voluit. Ceres vero ipsum Lyncum in lyncem bestiam mutavit. 395

Zornig über den Verlust ihrer Tochter Proserpina, brachte Ceres, die Göttin der Saaten, Hunger über die ganze Welt und entzog ihr die Saaten durch Unfruchtbarkeit. Nach der Auffindung ihrer Tochter aber schickte sie ihren Soldaten Triptolemus über den ganzen Erdkreis und befahl ihm, Samen zu verteilen. Und so gab sie durch ihn der Welt Samen und Früchte. Doch als er die Samen über die ganze Welt verteilte, kam er zum Haus des Königs Lyncus, der sich die Hoheit über die Getreideversorgung sichern und deshalb Triptolemus töten wollte. Ceres aber verwandelte Lyncus in ein Tier, den Luchs. 395

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Ceres dea segetum significat deum patrem, miles iste, per quem mittit semina gratie sue, est Christus, Lyncus vero est crudelis populus Iudaicus. Dico ergo, quod deus pater pro eo, quod filiam suam, animam humanam, per raptum Plutonis, diaboli, perdidit, segetes virtutum et gratiarum a mundo subtraxit et famem, id est indigentiam bonorum spiritualium, cunctis dedit, Am. 8: Mittam in terram famem panis et sitim aque. 396 Sed deus pater volens se benignum mundo ostendere Triptolemum, filium suum, misit, ut verbum dei et vere fidei semina per mundum iaceret predicando et famem indigentie bonorum spiritualium temperaret Lc. 8: Exiit, qui seminat, semi-

Moralisierung Ceres, die Göttin der Saaten, bedeutet Gottvater, der Soldat, durch den er die Saaten seiner Gnade schickt, ist Christus, Lyncus aber ist das grausame jüdische Volk. Ich sage also, dass Gottvater, weil er seine Tochter, die menschliche Seele, durch den Raub Plutos, des Teufels, verlor, die Saaten der Tugenden und der Gnadenerweise der Welt entzog und allen Hunger gab, d.h. Mangel an geistigen Gütern, Am. 8,11: ›Ich werde den Hunger nach Brot und den Durst nach Wasser ins Land schicken.‹ 396 Aber Gottvater wollte sich der Welt gnädig zeigen und schickte Triptolemus, seinen Sohn, damit er das Wort Gottes und die Samen des wahren Glaubens durch Predigen auf der Welt ausstreue und den Hunger stille, der im Mangel an geistlichen Gütern bestand, Lc. 8,5: ›Ein Sämann ging hinaus, um Samen zu

1 Fabula nona V,12 Ep. 6 Triptolemum Ep; Tritolomum GLo1; Tricolomum V2Tr; Tricolmum V4; Tricolonum B. 10 Lynci Linci TrEp; Linchi GV2;.Linthi V4; Liuci B. 11 super semina LLo1; femineam G; semina Lo2V4; semina prestandi Pa8Ep; seminum BTr. 13 lyncem lincem GLLo1Lo2V4B; lincum Pa8Tr; lyncam Ep. Cf. lynca Ov. Met. 5,660. 21 segetes . . . gratiarum GPa8V4TrB; segetes et virtutes gratiarum Lo1; semina gratiarum Ep. 29 bonorum Pa8V4Ep; om. GLLo1Lo2V2BTr. 30 temperaret Lo1Pa8V4BTrEp; temptaret G.

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nare semen. 397 Sed crudelis et proditor Lyncus, id est populus Iudaicus, ipsum occidere voluit, quando ipsum in cruce extinguere extimavit. Ipse tamen virtute Cereris magistre sue, id est paterne providentie, resurgens extitit liberatus. Ipse vero Lyncus, id est populus Iudaicus, in bestiam est mutatus, inquantum obstinatus, vagabundus et bestialis est factus, ad Cor.: Animalis homo non percipit, que dei sunt.

säen.‹ 397 Aber der grausame und verräterische Lyncus, d. h. das jüdische Volk, wollte ihn töten, als es ihn am Kreuz auszulöschen glaubte. Er aber, wieder auferstanden durch die Kraft seiner Herrin Ceres, d. h. der Vorsehung des Vaters, trat auf als ein Befreiter. Lyncus selbst jedoch, d.h. das jüdische Volk, wurde in ein Tier verwandelt, sofern es verstockt, unstet und tierhaft wurde, 1. Cor. 2,14: ›Der sinnenverhaftete Mensch erfasst nicht, was Gottes ist.‹

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Sicut narrat Ovidius libro quinto: 398 Cum Pallas ad videndum fontem Musarum, qui ungula Pegasi equi alati fuerat factus, 399 declinaret, casu audivit picam transeundo clamantem, quam credens esse hominem petiit, quid hoc esset. Cum autem sibi diceretur, quod esset avis, miratur valde, quia illa avis tanta garrulitate vigeret et causam petiit. Cui per unam novem musarum responsum fuit, quod Pierus rex novem filias loquacissimas habuit, quas Pieridas appellavit. Que invidentes novem Musis, que Pegaseum fontem inhabitabant, voluerunt cum eis disputare et narrando fabulas decertare. Sed cum Pieridae iudicio nympharum victe essent nec adhuc a loquacitate cessare vellent, sed potius victribus convi-

Zehnte Erzählung Wie Ovid im fünften Buch erzählt: 398 Als Pallas hinabstieg, um die Musenquelle zu sehen, die durch den Hufschlag des geflügelten Pferdes Pegasus entstanden war, 399 hörte sie durch Zufall beim Vorbeigehen eine Elster rufen, von der sie glaubte, sie sei ein Mensch, und sie suchte zu erkunden, was dies sei. Als ihr aber gesagt wurde, dass dies ein Vogel sei, wunderte sie sich sehr, da jener Vogel eine so große Geschwätzigkeit besaß, und sie fragte nach dem Grund. Sie erhielt von einer der neun Musen zur Antwort, dass der König Pierus neun sehr geschwätzige Töchter hatte, die er Pieriden nannte. Aus Neid auf die neun Musen, die die Quelle des Pegasus bewohnten, wollten sie mit ihnen einen Disput abhalten und im Geschichtenerzählen einen Wettstreit durchführen. Da aber die Pieriden durch das Urteil der Nymphen besiegt wurden, doch auch dann noch nicht von ihrer Schwatzhaftigkeit ablassen wollten, sondern vielmehr die Siegerinnen schmäh-

11 Fabula decima V,2 Ep. 1 semen LLo1V2TrEp (semen suum LLo1V2Tr); verbum G; etc. V4; om. seminare verbum Pa8. 5 providentie Lo1Pa8V4BTrEp; prudentie G. 12 Sicut . . . quinto G; Ovidius libro quinto dicit quod V4; om. BTrEp. 14 ungula Lo1Lo2 Pa8V4BTrEp; in gula G. 14 alati Lo1Pa8V4BTrEp; elati G. 15 declinaret ad ipsas Musas in Helicone monte declinasset Ep. 15 picam Lo1Lo2Pa8V4BTr; fort. per peccata G; picas Ep. 16 clamantem, quam LLo1Lo2Pa8V4BTr; clamantem quendam, quem G; clamantes, quas Ep. 16 hominem GLo2Pa8V2 V4BTr; avem LLo1; homines Ep. 21 Pierus Pyerus Ep; Pyreneus GTr; Pierius Lo1; Pireneus V2B; Perseus V4. 22 Pieridas coni.; Pierides Tr; Pyroides G; Pyerides Lo1V2V4Ep; Pirydes B.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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cia dicerent et inferrent, Muse mutaverunt eas in aves, que pice dicuntur. Et adhuc pre cunctis avibus garrule et clamose esse noscuntur et ad loquendum humano more facilius instruuntur. 400

ten und angriffen, verwandelten die Musen sie in Vögel, die Elstern heißen. Und bis heute kennt man sie vor allen anderen Vögeln als schwatzhafte Schreihälse, und sie werden ziemlich leicht dazu erzogen, wie Menschen zu sprechen. 400

Moraliter

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Istud expone contra garrulos, qui circa Musas, id est sapientes, non verentur frivolas opiniones affere et cum ipsis verbis contendere et se sapientiores affirmare. Et dato quod rationibus convincantur, nolunt propter hoc a verbis suis desistere. Isti igitur tales in picas mutari dicuntur, inquantum verbis inutilibus continue garrulant et inquantum more picarum in aera per presumptionem efferuntur et pennis superbie muniti varia duplicitate pinguntur, Ps.: Vir linguosus non dirigetur in terra. Fabula undecima 401

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Palici erant filii Iovis, quorum 402 matre a terra absorta, dum esset pregnans, ab ipsis terre visceribus nati sunt. Qui hospites suos occidebant et humanum sanguinem sacrificabant. Quod videns Iupiter iniquos filios suos fulminavit et terram subiectam fulmine perforavit. De foramine vero statim unda exivit, que adhuc ideo ratione fulminis fetorem sulphureum emittit. Et forte

Moralisierung Leg dies gegen Geschwätzige aus, die sich nicht scheuen, in Gegenwart der Musen, d.h. weiser Menschen, belanglose Meinungen zu äußern und in Worten mit ihnen zu streiten und sich für weiser zu erklären. Und obwohl sie durch Vernunftgründe besiegt werden, wollen sie dadurch nicht von ihren Worten ablassen. Von solchen sagt man nun, dass sie in Elstern verwandelt werden, sofern sie beständig mit unnützen Worten schwatzen und sich nach Art der Elstern durch Anmaßung in die Luft erheben und, mit den Flügeln des Hochmuts versehen, schillernd zweifarbig gemalt werden, Ps. 139,12: ›Der Schwätzer wird nicht im Land vorankommen.‹ Elfte Erzählung 401 Die Palicen waren Söhne Jupiters, 402 die, weil ihre Mutter während der Schwangerschaft von der Erde verschlungen wurde, aus dem Schoß der Erde geboren wurden. Diese töteten ihre Gäste und opferten menschliches Blut. Als Jupiter dies sah, erschlug er seine bösen Söhne mit einem Blitz und durchbohrte die darunterliegende Erde mit dem Blitz. Aus der Öffnung aber strömte sogleich Wasser aus, das wegen des Blitzes bis heute daher schwefelhaltigen Ge-

19 Fabula undecima V,12 LLo1Lo2V2BTr; V,6 Ep. 17 muniti BTr; in mente G; munite Lo1Lo2Pa8V2V4Ep; om. L. 17 varia duplicitate Pa8V4BTrEp; vana varietate G; vana duplicitate Lo1Lo2V2; om. L. – Cf. Anm. 400. 18 linguosus lingosus G. 20 Palici Palisci V2BEp; Palasti G; Palisti Lo1; Paagi V4; Palusti Tr. 20 – 21 a terra Lo1Lo2V2BTrEp; sub terra Pa8V4; om. G. 21 absorta GTr; absorpta Ep. 24 Quod LLo1V2BEp; quos GLo2Pa8V4; sed Tr. 26 perforavit Lo2V2BTrEp; prostravit GLLo1Pa8V4. 27 – 28 ratione fulminis Lo1BTrV2V4; ratione fluminis Pa8Ep; om. G.

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LIBER V

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ille est lacus Sicilie, de quo dicit Solinus, 403 quod turpi odore abiicit proximantes et forte ad ipsius fontis ostendendum naturam hec fabula est conficta. Unde Ovidius: olentia sulphure fertur stagna Palicorum. 404 Moraliter

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Dic, quod Iupiter est deus pater, qui procul dubio Palicos, id est malos filios, quandoque generat ipsosque de matre terra absorta, id est de plebe ignobili et depressa, quandoque procreat et exaltat et ad magnos status promovet. Tales non considerant, quomodo nati sunt nec quomodo de terra, id est de infimo statu, promoti sunt. Immo in superbia elati homines deprimunt et hospites suos, id est homines sibi subditos, spoliant et sanguinem ipsorum, id est corporalem substantiam, suis maioribus sacrificant et presentant, sicut ad litteram patet de malis officialibus, qui non attendunt ad illud Eccli. 34: Qui offert sacrificium de substantia pauperis etc. 405 Tales igitur solet Iupiter, id est iuvans pater sive deus pater, fulmine sententie sue percutere et quandoque tempora destruere, 406 ita quod de foramine corporis sui, id est de terribili morte sua, solet fons fetens et sulphureus, id est fetor perpetue infamie, prorumpere. Qui

stank absondert. Und vielleicht ist es jener See Siziliens, von dem Solinus sagt, 403 dass er Menschen, die sich nähern, mit seinem scheußlichen Geruch vertreibt, und vielleicht wurde diese Erzählung erfunden, um die Natur dieser Quelle anzuzeigen. Daher sagt Ovid: ›[. . .] zu den Sümpfen der Palicen, die nach Schwefel stinken.‹ 404 Moralisierung Sag, dass Jupiter Gottvater ist, der ohne Zweifel bisweilen Palicen, d.h. schlechte Söhne, zeugt und sie bisweilen aus einer Mutter, die von der Erde verschlungen wurde, d.h. aus dem gemeinen und niederen Volk, erschafft und erhöht und sie in eine herausgehobene Stellung versetzt. Solche bedenken nicht, wie sie geboren sind und auch nicht, wie sie aus der Erde, d.h. aus dem untersten Stand, aufsteigen konnten, vielmehr unterdrücken sie in ihrem Hochmut übermütig andere Menschen und berauben ihre Gäste, d.h. ihnen untergebene Menschen, und deren Blut, d. h. deren körperliche Existenz, opfern sie und reichen sie ihren Vorgesetzten dar, wie es buchstäblich zutrifft bei schlechten Beamten, die jenes Wort aus Eccli. 34,24 nicht beachten: ›Wer ein Opfer darbringt vom Besitz des Armen‹ etc. 405 Solche also pflegt Jupiter, d.h. der helfende Vater oder Gottvater, mit dem Blitz seines Urteilsspruchs zu erschlagen und ihre Köpfe schließlich zu zerschmettern, 406 so dass aus der Öffnung ihres Körpers, d.h. aus ihrem schrecklichen Tod, eine stinkende und schwefelhaltige Quelle, d.h. der Gestank ewiger Schan-

1 ille GV4; iste est ille LLo1V2Tr; illa Ep; ipse est ille B. 2 abiicit Lo1Pa8V4BTrEp; ambit a G. 3 ostendendum GLLo1V2; ostendendam Lo2Pa8V4BTrEp. 4 hec V4Ep; huius G; forsitan LLo1; ista V2BTr. 5 sulphure Lo1Pa8V4BTrEp; sulphuris G. 5 Palicorum Paliscorum BEp; Palistorum GLo1V2V4; Palustorum Tr. 8 Palicos Paliscos V2BEp; Palistos G; Palistatos Lo1; Palistas V4; Palustos Tr. 9 ipsosque Lo1Pa8 V4BTrEp; ipso sed G. 9 terra Pa8V2BTrEp; terre GLo2V4; in terram LLo1. 21 Eccli. 34 Eccli. 35 G. 23 iuvans LLo1Lo2V2Ep; iuans G. 25 tempora G; temporaliter et eternaliter LLo1Pa8V2V4BTr cum min. var. lect.; temporaliter Lo2; om. Ep.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

odorantes, id est audientes, solet ledere et terrere, Is. 34: Interficiet eos in occisionem et de cadaveribus eorum ascendit fetor. 407 Fabula duodecima 408 5

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Palici erant duo fratres filii Iovis sicut ponit integumentator super Ovid. libro quinto 409 , quos Iupiter in Hebe generavit. Sed cum Iuno Heben pregnantem de Iove viro suo comperisset, ira et zelo commota eam persecuta est, quae timens rogavit Iovem, ut absorberetur a terra, antequam in manus Iunonis caderet; quod et factum est. Filii igitur in terra cum intra matris uterum tempus partus complevissent, ibi perfecti et nati tandem prodierunt. Moraliter

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Sic contingit plerumque, quod ex persecutione Iunonis, scilicet alicuius divitis vel potentis, Hebe, id est aliquis simplex homo divitiis impregnatus a terra absorbetur, id est in paupertatem deducitur. Fit tamen quandoque, quod ab ipso sic oppresso filii nascuntur, qui sub terra, id est in ipso paupertatis statu, formantur et ad prosperitatis statum postmodum oriuntur, sicut ponitur ubi supra.

de, auszuströmen pflegt. Dieser pflegt diejenigen, die ihn riechen, d. h. die ihn hören, zu verletzen und zu erschrecken, Is. 34,3: ›Er wird sie totschlagen, und von ihren Leichen steigt Gestank auf.‹ 407 Zwölfte Erzählung 408 Die Palicen waren zwei Brüder, Söhne Jupiters – wie der Kommentator des fünften Buchs Ovids sagt 409 –, die Jupiter mit Hebe zeugte. Als aber Juno erfahren hatte, dass Hebe von Jupiter, ihrem Mann, schwanger war, verfolgte sie sie in Zorn und Eifersucht. Diese fürchtete sich und bat Jupiter, dass sie von der Erde verschlungen würde, bevor sie in die Hände Junos fiele; was auch geschah. Als ihre Söhne nun in der Erde im Mutterleib die Zeit bis zur Geburt erfüllt hatten, kamen sie schließlich als fertige Kinder hervor. Moralisierung So geschieht es oft, dass Hebe, ein einfacher Mensch, der, mit Reichtum gesegnet, durch die Verfolgung Junos, nämlich eines Reichen und Mächtigen, von der Erde verschlungen wird, d.h. in Armut gerät. Dennoch kommt es manchmal vor, dass von jenem, der so niedergedrückt ist, Söhne geboren werden, die unter der Erde, d.h. gerade im Stand der Armut, aufwachsen und später zu Wohlstand gelangen, wie oben gezeigt.

4 Fabula duodecima V,5 Ep; V,11 LLo1Lo2Pa8V2V4BTr; deest G. 15 prodierunt add. Cum adulti fuissent, fiebant violenti, quod omnes ad se venientes occidebant et sanguinem sacrificabant. Quos Iupiter propter malitiam Palicorum (?) fulminavit et in terram ad matrem suam proiecit et de foramine illo exiit fons et stagnum vetidissimum. Pa8. 2 occisionem GLo1V2V4BTr; occisione Ep. Cf. interfecti eorum proicientur Vulg. 6 integumentator V2V4B; commentator Tr; interpretator Ep. 7 Hebe Ep; Henne Lo1V2BTr; Heno V4. 11 – 12 manus Iunonis Lo1V2 V4BTr; manu timoris Ep.

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LIBER VI

Liber sextus

Buch 6

Prebuerat dictis etc. 410

Solchen Reden hatte Tritonia ihr Ohr geliehen etc. 410

Prima Fabula 411

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Arachne virgo nec loco nec origine clara, sed arte lanifica, in tantum de arte sua superbivit, quod Palladem, deam sapientie, contempsit et in arte lanifica se ei pretulit. Pallas igitur in anum se mutavit et sumpta facie vetulina Arachnem adiit. Que dum verba iactatoria diceret et se posse contra Palladem de lanificio disputare assereret, dea indignita se ei manifestavit. Que nec sic territa cum ea disputavit et quod quelibet telam ordiatur invicem ordinant, ut, que sit melior textrix, appareat. Sed cum Arachne in tela sua crimina deorum pingeret, indignita dea radio textorio eam percussit et in araneam mutavit, que adhuc primum officium imitatur pedibus telas faciens. Moraliter Istud potest allegari contra iuvenes clericos presumptuosos, qui se sapientibus preferunt et cum eis disputare contendunt. Qui tandem in araneam convertuntur, inquantum ignorantes et pre invidia sua viscera corrodentes comprobantur. Isti tamen non

Erste Erzählung 411 Arachne, eine junge Frau, war weder durch ihre Heimat noch durch ihre Herkunft berühmt, sondern wegen ihrer Webkunst. Sie brüstete sich so sehr mit ihrer Kunst, dass sie Pallas, die Göttin der Weisheit, verachtete und sich ihr in der Webkunst überlegen glaubte. Also verwandelte sich Pallas in eine alte Frau, nahm die Gestalt eines alten Weibes an und ging zu Arachne. Während diese prahlte und erklärte, sie könne sich mit Pallas im Weben messen, offenbarte sich ihr die erzürnte Göttin. Weil sie aber auch da noch nicht erschreckt war, trat sie mit Pallas in einen Wettstreit, und sie setzten untereinander fest, dass jede von ihnen ein Gewebe anfange, damit klar werde, wer die bessere Weberin sei. Als aber Arachne in ihrem Gewebe die Vergehen der Götter darstellte, schlug die erzürnte Göttin sie mit ihrem Weberschiffchen und verwandelte sie in eine Spinne, die bis jetzt ihre vorige Arbeit nachahmt, indem sie mit den Füßen ein Gewebe herstellt. Moralisierung Dies kann gegen junge, vermessene Kleriker angewendet werden, die sich klugen Männern überlegen fühlen und danach streben, mit ihnen zu disputieren. Diese werden schließlich in eine Spinne verwandelt, wenn sich erweist, dass sie unwissend sind und vor Neid ihre Eingeweide zernagen. Dennoch lassen diese nicht davon ab,

4 Arachne Ep; Aragnes Lo1GV2V4BTr. 4 virgo cet.; vigo G. 11 lanificio Lo1Pa8V4BTrEp; lanifico G. 14 telam ordiatur LPa8Ep; tela ordeatur GLo2; tela ordiatur Lo1V2Tr; telam ordinatur B. 14 ordinant V2BEp; ordinat GLLoV4; ordinavit Lo1Pa8; om. Tr. 14 que Lo1Pa8V2V4BEp; om GTr. 17 radio Lo2Pa8 V2BTrEp; om. GLLo1Lo2V4. 18 primum LLo2Pa8V4BTrEp; proprium GLo1. 24 araneam Lo1Pa8V2V4Ep; aranea G; araneas BTr.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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cessant telas texere, dato quod parum valeant eorum argumenta, Is. 59: Ova aspidum ruperunt et telas aranee texuerunt. 412

Gewebe zu weben, obwohl ihre Argumente zu schwach sind, Is. 59,5: ›Sie zerbrachen Natterneier und webten Spinnenweben.‹ 412

Secunda Fabula 413

Zweite Erzählung 413

In tela Palladis fuit scripta historia disputationis illius cum Neptuno de nomine civitatis Athenensis. Dicendum nunc, quod, cum civitas Athenarum esset noviter fundata et nomine careret, altercatio fuit inter Neptunum et Minervam de impositione nominis civitatis et sic fuit conventum, quod ille, qui subito rem magis utilem mortalibus produceret, auctoritatem imponendi nomen haberet. Minerva ergo olivam protulit bacis et foliis adornatam, Neptunus igitur tridente suo aspera saxa percussit et equum galeatum eduxit. Dii igitur iudices olivam utiliorem iudicaverunt et sic Minerve nomen imponendi civitati concesserunt. Unde Minerva nomen Athenis imposuit et civitatem Atheniensem, id est immortalem, eam vocavit. 414

Im Gewebe der Pallas war die Geschichte ihres Disputs mit Neptun über den Namen der Stadt Athen dargestellt. Man muss nun sagen, dass, als die Stadt Athen neu gegründet worden war und noch keinen Namen hatte, es einen Wortwechsel zwischen Neptun und Minerva über die Namengebung der Stadt gab; und so kam man überein, dass derjenige von ihnen, der aus dem Stand eine für die Menschen nützlichere Sache hervorbringe, die Vollmacht zur Namengebung erhalte. Minerva brachte also den mit Früchten und Blättern geschmückten Olivenbaum hervor, Neptun spaltete nun mit seinem Dreizack die rauen Felsen und führte ein behelmtes Pferd heraus. Die Götter als Richter befanden nun den Olivenbaum für nützlicher und gestanden so Minerva die Namengebung für die Stadt zu. Daher gab Minerva Athen den Namen und nannte sie die athenische, d. h. unsterbliche Stadt. 414

Moraliter

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Per Neptunum, qui est deus fluctuosi equoris, intelligitur discordia, que equum armatum producit, inquantum armatos equites ad bellum preparat. Per Palladem seu Minervam intelligitur prudentia, que olivam seu pacem nititur producere et mundum in concordiis gubernare. Oliva enim pacem significat, sicut equus armatus bellum demonstrat. Igitur si queratur, quid magis

Moralisierung Unter Neptun, der der Gott des stürmischen Meeres ist, wird die Zwietracht verstanden, die ein bewaffnetes Pferd hervorbringt, sofern sie bewaffnete Reiter für den Krieg rüstet. Unter Pallas oder Minerva wird die Klugheit verstanden, die sich bemüht, den Olivenbaum oder den Frieden hervorzubringen und die Welt in Eintracht zu lenken. Denn der Olivenbaum bedeutet den Frieden, so wie das bewaffnete Pferd auf den Krieg verweist. Wenn also gefragt wird,

2 Is. 59 Is. 6.9 G. 3 ruperunt Lo1V2BTrEp; rumperunt GLo2; om. Ysa . . . texuerunt Pa8. 3 aranee GLo1Lo2V2BTr; araneas Ep; om. Pa8. 7 Dicendum . . . quod GV4; dum enim LLo1; dudum enim Lo2V2BTr; olim enim Ep. 13 nomen GLo1V2V4BTr; nominis Ep. 15 tridente Lo1Pa8V4BTrEp; tridentemque G. 30 concordia Lo1V2V4BTrEp; concordiis G.

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LIBER VI

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necessarium mortalibus est, utrum scilicet equus armatus vel oliva, scilicet utrum tempus belli vel pacis et utrum bellorum potentia quam pacifica sapientia, merito potest iudicari pro oliva, quia plus prodest pax quam guerra et magis fructus agriculture quam tumultus potentie seu guerre. Urbs igitur Atheniensis et quelibet civitas, que cupit esse durabilis et immortalis, magis debet denominari a Minerva quam a Neptuno et magis regi sapientia quam bello, Prov. 8: Melior est sapientia cunctis opibus. Et licet agricole videantur debiliores quam armati sicut oliva quam equus, tamen plus valent agricole rustici quam milites pane indigentes, Cor. 12: Que videntur infirmiora corporis esse, magis necessaria sunt. Tertia Fabula 415

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Hemus et Rhodope fuerunt duo coniuges ita superbi, quod nomina deorum sibi appropriaverunt, ita quod vir se vocabat Iovem, mulier vero Iunonem. Indignatis autem diis mutati sunt in montes, qui adhuc sunt in Grecia unus iuxta alium existens. Moraliter Tales videntur esse illi, qui aliorum nomina et famam sibi attribuunt et, quod ab ali-

was für die Menschen nützlicher ist, ob es wohl das bewaffnete Pferd oder der Olivenbaum sei, d.h. ob die Zeit des Krieges oder des Friedens oder ob eher die Gewalt der Kriege als die friedliche Weisheit, kann zu Recht zugunsten des Olivenbaums geurteilt werden, weil der Frieden mehr nützt als der Krieg und die Früchte des Ackerbaus mehr als der Aufruhr der Macht oder des Krieges. Also muss die Stadt Athen und eine jede Stadt, die von Dauer und unsterblich zu sein wünscht, eher von Minerva als von Neptun benannt und mehr durch Weisheit als durch Krieg regiert werden, Prov. 8,11: ›Die Weisheit ist besser als alle Schätze.‹ Und mögen auch die Bauern schwächer erscheinen als Soldaten so wie die Olive als das Pferd, so vermögen die Bauern und einfachen Landleute dennoch mehr als Soldaten, die Brot brauchen, 1. Cor. 12,22: ›Teile des Körpers, die schwächer zu sein scheinen, sind viel notwendiger.‹ Dritte Erzählung 415 Haemus und Rhodope waren zwei so hochmütige Eheleute, dass sie sich Namen der Götter zulegten, so dass der Mann sich Jupiter, die Frau sich Juno nannte. Da ihnen jedoch die Götter deshalb zürnten, wurden sie in Berge verwandelt, die bis heute noch in Griechenland nebeneinander stehen. Moralisierung Solche Leute scheinen jene zu sein, die sich die Namen und den Ruhm anderer zu-

4 quam GLo1Lo2V4TrEp; vel V2B; om. et utrum . . . sapientia Pa8. 7 potentie GLo1V4BTrEp (p lac. G, sed add. in marg.; potententie Tr); om. et magis . . . guerre Pa8. 7 seu guerre Lo1Lo2V2V4BTr (vel Tr; sive Lo2V2V4); bellicosa G; vel belli Ep; om. Pa8. 12 opibus Lo1Pa8V4BTrEp; operibus G; pretiosissimis Vulg. 12 – 14 Et . . . sicut Lo1Lo2Pa8V4Ep; et hec agriculture videntur esse meliores (sed del. meliores) debiliores quam armati G; om. B. 15 rustici Lo1Pa8V4BTrEp; iustitie G; al. plus valet ad usum mortalium, scilicet agricole et rustici plus quam nobiles B. 16 Cor. 12 Ad Rom. 8 G. 16 – 17 que . . . necessaria sunt Lo1 Lo2Pa8V4Tr; que videntur infirmiora cordis magis necessaria sunt G; que infirmiora sunt mundi elegit deus B; quae videntur membra corporis infirmiora esse, necessariora sunt Ep/Vulg. 19 Hemus BEp; Hemeus G; Henninus Lo1; Henus V2; Henius V4; Hennis Tr. 19 Rhodope Rhodope Ep; Ropodes GTr; Rodopes Lo1V2B; Repodes V4. 23 autem diis codd.; contra eos ob hoc diis illi Ep.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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is honoris factum est, sibi attribuunt, ita quod, cum sint idiote, sapientes volunt estimari, et cum sint viles et rustici, volunt nobiles reputari. Tales in montes merentur mutari, inquantum inflati et tumidi possunt dici, Ez. 28: Elevatum est cor tuum et dixisti usque deiciam etc. 416 Quarta Fabula 417

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Pygmea, Pygmeorum regina, pretulit se Iunoni in pulcritudine, quapropter Iuno mutavit eam in gruem et damnavit eam, quod contra gentem suam semper faceret bellum. Et ista est causa, ut dicit fabula, quia grues infestant populum Pygmeorum. 418 Moraliter Dic, quod sic fit hodie de mulieribus, que de pulcritudine sua gloriantur. Iuno enim, id est diabolus, facit eas grues, hoc est vagabundas et insolentes. Que suos impugnare dicuntur, quia, sicut experimento dicitur, male mulieres illos, quorum regine sunt, id est luxuriosos, spoliare dicuntur et eorum famam et temporalem substantiam depredantur, Eccli. 25: Si primatum teneat, contraria erit viro suo. Fabula quinta 419 Antigone, filia Laomedontis, cum a Iunone reprehenderetur de hoc, quod cum Iove

schreiben und das, was an Ehre von anderen erworben wurde, sich aneignen, so dass sie, obwohl ungebildet, für weise und, obwohl niedrig und bäurisch, für vornehm gehalten werden wollen. Solche verdienen wohl in Berge verwandelt zu werden, sofern sie stolz und aufgeblasen genannt werden können, Ez. 28,2.17: ›Emporgehoben wurde dein Herz und du hast gesagt‹ bis ›ich werde zu Boden werfen‹ etc. 416 Vierte Erzählung 417 Pygmea, die Königin der Pygmäen, hielt sich für schöner als Juno; deshalb verwandelte Juno sie in einen Kranich und verurteilte sie dazu, gegen ihr eigenes Volk immer Krieg zu führen. Und dies ist der Grund dafür, wie die Fabel sagt, dass die Kraniche das Volk der Pygmäen befeinden. 418 Moralisierung Sag, dass es heute so mit den Frauen geschieht, die sich ihrer Schönheit rühmen; denn Juno, d.h. der Teufel, macht sie zu Kranichen, d. h. umherschweifend und unverschämt. Diese, so sagt man, bekämpfen ihre eigenen Leute, weil, wie die Erfahrung lehrt, schlechte Frauen jene, deren Königin sie sind, d.h. Männer, die sie begehren, berauben und ihren Ruf ruinieren und ihren irdischen Besitz ausplündern, Eccli. 25,30: ›Wenn sie [die Frau] den ersten Rang einnimmt, wird sie sich gegen ihren Mann stellen.‹ Fünfte Erzählung 419 Als Antigone, die Tochter des Laomedon, von Juno getadelt wurde, dass sie mit Jupi-

1 honoris G; boni B; om. Lo1V4Pa8TrEp. 4 merentur Lo1Pa8V2V4BEp; videntur GTr. 9 Pygmea Pygmeorum Pigmea Pigmeorum codd. et Ep. 19 insolentes LLo1Lo2Pa8BTrEp; insolertes G. 21 illos illas, sed scripsit o supra lin. G. 22 luxuriosos Lo1Pa8V4BTrEp; luxuriosas G. 27 Antigone, filia LPa8BTrEp; Antigonem filiam G; Arigone, filia Lo1Lo2V4; Antigona Tr. 27 Laomedontis Ep; Priami GLLo1Pa8V4B; Pami Tr.

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LIBER VI

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fuerat fornicata, contumaciter ei respondebat, propter quod Iuno ipsam in ciconiam mutavit.

ter Unzucht getrieben habe, antwortete sie ihr trotzig. Deshalb verwandelte Juno sie in einen Storch.

Moraliter

Moralisierung

Tales sunt multi viri religiosi: qui si a prelato de suis stultitiis arguantur, correctionem non suscipiunt, immo contumaciter contradicunt et quod peius est, ciconie fiunt, inquantum per apostasiam in alias religiones fugiunt et inquantum venenosa, id est peccata, comedunt et committunt. 420

So sind auch viele Ordensleute: Wenn sie von einem Prälaten wegen ihrer Dummheiten gerügt werden, nehmen sie die Zurechtweisung nicht an, vielmehr widersprechen sie trotzig; und, was schlimmer ist, sie werden zu Störchen, wenn sie durch Apostasie in andere Orden abwandern und sofern sie Giftiges [z.B. Schlangen], d.h. Sünden, verzehren und begehen. 420

Fabula sexta 421

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Cum filie Cinyre Iunoni contumelias dicerent templumque eius contemnerent, Iuno mutavit eas in gradus templi, ut ibi perpetuo remanerent. Moraliter

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Sic vere contingit quandoque, quod peccatores, qui deum et templum religionis contemnunt et abominantur et cultum divinum detestantur, in gradus templi mutantur, inquantum nutu divino ad religionis gremium convertuntur. Fabula septima 422

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Iupiter cum sequeretur Asterien, subito mutata est in coturnicem, ut melius fugeret. Iupiter se mutavit in aquilam, ut eam apprehenderet. 423

Sechste Erzählung 421 Weil die Töchter des Cinyras Juno schmähten und ihren Tempel verachteten, verwandelte Juno sie in die Stufen des Tempels, damit sie dort für immer blieben. Moralisierung So geschieht es in der Tat bisweilen, dass Sünder, die Gott und das Gotteshaus verachten und verabscheuen und den Gottesdienst verfluchen, in Tempelstufen verwandelt werden, sofern sie auf göttlichen Wink wieder in den Schoß der Religion zurückkehren. Siebte Erzählung 422 Als Jupiter Asterie verfolgte, verwandelte diese sich plötzlich in eine Wachtel, um besser fliehen zu können. Jupiter verwandelte sich in einen Adler, um sie zu ergreifen. 423

9 alias religiones Lo1Lo2Pa8TrEp; aliam regionem G; alias regiones LV2V4B. 13 Cinyre Cinare G; Ariace Lo1; Tuarare V4; Cynare BTrEp. 13 contumelias contumelis G, sed add. -a- supra lin. 22 – 23 ad . . . convertuntur Lo1BTr; religionis gremium consequuntur GPa8V4; religionis gremium ingrediuntur Ep. 25 Asterien GEp; Astericem V2B; Astricem Lo1Tr; om. V4. 26 coturnicem BEp; cornicem GLLo1Lo2Pa8V4Tr.

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Moraliter

Moralisierung

Sic si prelatus velit aliquem subditum sequi, ut ipsum corrigat: si subditus velit subterfugere et se in coturnicem mutare, id est cautelosum et fugitivum facere, ut correctionem valeat declinare, debet prelatus aquila esse, id est clare videns et circumspectus fieri et acutus et pungens et severus, id est contra eum animari, ut dicatur sic prelato illud Os. 8: In gutture tuo sit tuba sicut aquila super domum domini.

Wenn ein Prälat einen Untergebenen verfolgen will, um ihn zurechtzuweisen, und wenn der Untergebene entfliehen und sich in eine Wachtel verwandeln will, d.h. sich vorsichtig auf die Flucht machen will, um die Zurechtweisung abwenden zu können, so muss der Prälat ein Adler sein, d. h. klar sehend und umsichtig werden und scharf, stechend und streng sein, d.h. er muss sich gegen ihn ereifern, so dass dem Prälaten jenes Wort Os. 8,1 gesagt werden kann: ›In deiner Kehle sei eine Posaune, wie der Adler über dem Hause des Herrn.‹

Fabula octava 424

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Iupiter, ut opprimeret Ledam, in cygni speciem se mutavit, ut concumberet cum Antyopa filia regis Thebani, se in satyrum transformavit, Alcmenam in specie mariti sui Amphitryonis violavit et in ea Herculem generavit, Eginam vero in specie fulminis vi oppressit, Acrisii filiam in specie auri corrupit. Moraliter 425

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Ista videntur facere luxuriosi: variis enim modis decipiunt mulieres, quia aliquando mutantur in cygnum, id est in hypocritas, per fictum castitatis candorem. 426 Aliquando fiunt satyrii per promissum voluptatis horrorem, sicut sunt illi, quos male mulieres solum diligunt, quia sciunt eos vo-

Achte Erzählung 424 Um Leda zu überwältigen, verwandelte sich Jupiter in die Gestalt eines Schwans; um mit Antiope, der Tochter des thebanischen Königs, Beischlaf zu halten, verwandelte er sich in einen Satyrn; Alcmene schändete er in Gestalt ihres Ehemanns Amphitryon und zeugte mit ihr Hercules; Aegina aber nahm er mit Gewalt in Gestalt eines Blitzes, die Tochter des Acrisius [Danae] verführte er in Gestalt von Gold(regen). Moralisierung 425 Dies scheinen Leute zu tun, die auf Liebesabenteuer aus sind: Auf verschiedene Weise täuschen sie nämlich die Frauen, da sie sich bisweilen durch vorgetäuschtes Weiß der Keuschheit in einen Schwan verwandeln, d. h. in Heuchler. 426 Bisweilen werden sie durch den versprochenen Schauder der Lust zu Satyrn, so wie jene sind, die nur schlechte Frauen lieben, weil sie

4 coturnicem Ep; cornicem GLo1Pa8V4Tr; corturnicem B. 9 contra Lo1V2V4BTrEp; circa G. 10 tuo Lo1 Pa8V4BTrEp; suo G. 14 concumberet Lo1V4; concuberet GPa8B; volens concubere Tr. 14 – 15 Antyopa Antiopa V2TrEp; Anthiopa G; Anthiopia Lo1; Anciopa V4; Anciona B. 16 Alcmenam Lo1V4Ep; Alimenam G; Amenam B; Alcumena Tr. 18 fulminis Lo1Pa8V4BTrEp; fluminis G. 19 Acrisii Lo1; Acristi Ep; Ceresi G; Oresi V2B; Teresi V4; Crysis Tr. 26 promissum GLo1Pa8V4BTr; promptum Ep.

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luptate esse potentes et tamquam satyros et bestiales sicut erat Machometus, 427 qui satyrum se videbatur asserere, inquantum in ›Alcorano‹ suo virtutem se asserit in illo opere possidere. Satyrus enim est animal humane forme et infatigabiliter libidinosum. 428 Alii fingunt se esse maritos, id est consanguineos et amicos; alii mutant se in fulmen, scilicet per potentiam opprimendo; alii in aurum per divitias corrumpendo, quia breviter illud est, per quod male mulieres decipiuntur a proximis suis: vel per hypocrisis fictionem vel per imaginativam delectationem vel amicitie simulationem vel per oppressionem violentam vel auri donationem. Nona Fabula 429

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Cum Iupiter Fulii filiam oppressisset, Fulius pater eius excrevit usque ad celum, ut Iovem in vindictam filie oppresse impugnaret. Quod videns Iupiter fulmine ipsum repressit, ita quod adhuc locus ille, ubi fuit fulminatus in ripa cuiusdam fluminis, fluvium fecit et tota ripa fluminis fetet et olet. Moraliter Iste Fulius significat inferiores, subditos vel vasallos, qui, si a Iove aliquam oppressionem vel in se vel in filia, id est terra vel

wissen, dass sie in ihrer Begierde mächtig und gleichwie Satyrn sind und wie Tiere, so wie auch Mohamed es war, 427 der von sich zu behaupten schien, ein Satyr zu sein, sofern er in seinem ›Koran‹ behauptet, in jenem Werk Tüchtigkeit zu besitzen. Der Satyr ist nämlich ein Tier in menschlicher Gestalt und unermüdlich lüstern. 428 Andere geben vor, Ehemänner zu sein, d. h. Verwandte und Freunde. Andere verwandeln sich in einen Blitz, indem sie nämlich mit Kraft vergewaltigen; andere in Gold, indem sie durch Reichtum verderben; denn kurz gesagt, ist es dieses, wodurch schlechte Frauen von ihren Nächsten getäuscht werden: entweder durch täuschende Heuchlerei oder durch eingebildetes Vergnügen oder vorgetäuschte Freundschaft oder durch heftige Vergewaltigung oder Geschenke von Gold. Neunte Erzählung 429 Als Jupiter die Tochter des Fulius vergewaltigt hatte, reckte sich ihr Vater Fulius bis zum Himmel empor, um Jupiter aus Rache für die Vergewaltigung seiner Tochter anzugreifen. Als Jupiter dies sah, wehrte er ihn mit seinem Blitz ab, so dass bis heute jener Ort, wo er am Ufer eines Stromes mit dem Blitz erschlagen wurde, einen Fluss erzeugte und das ganze Ufer dieses Flusses gewaltig stinkt. Moralisierung Dieser Fulius bedeutet Niedrigstehende, Untergebene oder Vasallen; wenn diese oder ihre Tochter, d.h. ihr Land oder ihr Besitz, von Jupiter unterdrückt werden, er-

6 infatigabiliter Lo1Pa8V4BTrEp; fatigabiliter G. 9 fulmen Lo1Pa8V4BTrEp; fulmine G. 9 scilicet Lo2 Pa8V2V4BEp; id est Tr; om. GLLo1. 11 male GLLo1V2V4Tr; maxime Pa8; mille Lo2Ep; om. B. 15 – 16 auri donationem codd.; per auri promissionem et solutionem Ep. 18 Fulii GV2V4TrEp; in specie Fulinis Lo1; Filii B. 22 fuit dupl. fuit G, sed corr. 23 – 24 fluvium GLo2; flumen LV2V4BTr; fulmen Lo1Pa8; om. fluvium fecit Ep. 24 fetet et olet LLo1Lo2Pa8V2V4Ep; quod fetet G; fetet Tr; fetet et (folium amissum) B. 27 Iove Lo1Lo2Pa8V4TrEp; Iunone G.

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possessione sua, sustinent, statim in superbiam eriguntur et usque ad celum mentaliter exaltantur ipsique Iovi, id est superiori prelato, bellum indicere moliuntur. Qui fulmine potentie sue ipsos aliquando opprimit et confundit. Et ideo bene dicitur Eccli. 4: Noli resistere contra faciem potentis nec coneris contra impetum fluminis. Decima fabula

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Narrat fabula, 430 quomodo Arachne depinxit in tela sua, quomodo dii, ut iuvenculas raperent, sub figuris diversis latitabant. Unde ibidem pingit, quomodo Iupiter in specie serpentis concubuit cum filia Deodis [Proserpina] 431 , que flores colligebat. Neptunus in specie tauri cum filia Eoli regis [Canace] 432 , idem in specie Enipei cum uxore ipsius [Iphimedia?], 433 idem in specie arietis cum filia Bisaltis [Theophane], idem cum Melantho virgine, que delphino insidens in mari spatiabatur, concubuit in specie delphini, idem cum Cerere in specie equi; Bacchus in specie uve cum filia Icari [Erigone]; Iupiter in specie patris cum filia Mennasi [?].

heben sie sich sogleich in Hochmut und erhöhen sich in ihrem Bewusstsein bis zum Himmel. Und sie streben danach, Jupiter selbst, d.h. einem höherstehenden Prälaten, den Krieg zu erklären. Dieser drängt sie dann bei Gelegenheit mit dem Blitz seiner Macht zurück und vernichtet sie. Und so heißt es richtig Eccli. 4,32: ›Widersetze dich nicht dem Angesicht eines Mächtigen und stemme dich nicht gegen die Strömung eines Flusses.‹ Zehnte Erzählung Der Mythos erzählt, 430 wie Arachne in ihrem Gewebe darstellte, auf welche Weise sich die Götter in verschiedenen Gestalten versteckten, um junge Frauen mit Gewalt zu verführen. Daher stellte sie dort dar, wie Jupiter in Gestalt einer Schlange mit der Tochter der Deo [Proserpina], 431 die Blumen pflückte, Beischlaf hielt. [Dasselbe tat] Neptun in Gestalt eines Stiers mit der Tochter des äolischen Königs [Canace], 432 derselbe in Gestalt des Enipeus mit dessen Gattin [Iphimedia?], 433 derselbe in Gestalt eines Widders mit der Tochter des Bisaltes [Theophane], derselbe hielt in Gestalt eines Delphins mit der Jungfrau Melantho Beischlaf, die sich auf den Delphin setzte und auf dem Meer umherfuhr, derselbe in Gestalt eines Pferdes mit Ceres; Bacchus in Gestalt einer Traube mit der Tochter des Icarus [Erigone], Jupiter in Gestalt des Vaters mit der Tochter des Mennasus.

9 Fabula decima deest B. 4 prelato GLo1Lo2Pa8V4Tr; vel prelato Ep. 4 indicere GLo2Pa8V2V4Tr; inducere Lo1Ep. 6 Eccli. 4 Sap. 3 G. 10 Arachne Ep; Aragnes codd. 14 – 15 cum filia Deodis V2Tr; cum filia Dyodis G; cum filia Deadis Lo1; cum Deiode Ep. 16 Eoli GEp; Coli Lo1V2Tr; Codi V4. 17 Enipei V2Ep; Empei G; Erupei Lo1; Empey V4; Enipey Tr. 19 Bisaltis Bisalti Ep; Valpos G; Palpes V4; Yalpes Lo1Tr. 20 Melantho Ep; Melancha G; Melencha Lo1V2; Melechia V4; Melanca Tr. 22 Cerere Cerere GV2V4Tr; Tene Lo1; Cerere et Medusa Ep. 23 equi Pa8Ep; colubri GLo1Lo2V4; equi Phebi V2Tr; om. L. 25 Mennasi G; Menensi LLo1Pa8V4; Mennensi Lo2; Mennesi V2; Mesy Tr; om. Ep.

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Applica contra illos, de quibus dicitur in Psalmo: Omnes dii gentium demonia, quia isti sunt, qui iuvenculis, id est animabus, insidiantur, ut eas diversimode decipiant et ad peccatum trahant. Sub diversis speciebus latitant et cum eis spiritualiter fornicantur. Tunc enim sub specie equi diabolus corrumpit animam, quando alicuius equi vel fastus seculi sibi concupiscentiam immittit, tunc in specie auri, quando aurum et divitias concupiscere facit, et breviter sub diversis speciebus ad temptandum se ponunt, ut animas decipiant et corrumpant: sub specie serpentis, quando temptant de malitia, sub specie equi, quando de carnis lascivia, sub specie tauri, quando de superbia, sub specie uve, quando de ebrietate, sub specie delphini, quando temptant de piscium sapida voluptate, sub specie patris vel mariti, quando falsam amicitiam dissimulant, sub specie arietis, quando temptant de cervicositate.

Wende dies gegen jene an, von denen es im Psalm [95,5] heißt: ›Alle Götter der Heiden sind Dämonen‹; denn diese sind es, die jungen Frauen, d. h. Seelen, auflauern, um sie auf verschiedene Weise zu täuschen und zur Sünde hinzuziehen. Unter verschiedenen Gestalten verbergen sie sich und treiben mit ihnen geistlich Unzucht. Bald nämlich verdirbt der Teufel die Seele in Gestalt eines Pferdes, wenn er ihr die Begierde eines Pferdes oder weltlichen Stolzes einflößt, bald in Gestalt von Gold, wenn er sie Gold und Reichtum begehren lässt. Und kurz gesagt, sie verbergen sich zur Versuchung in verschiedenen Gestalten, um die Seelen zu täuschen und zu verderben: in der Gestalt einer Schlange, wenn sie sie zur Bosheit verführen, in der Gestalt eines Pferdes, wenn sie sie zur Ausschweifung, in der Gestalt des Stieres, wenn sie sie zum Hochmut, in der Gestalt einer Traube, wenn sie sie zur Trunkenheit verführen, in der Gestalt eines Delphins, wenn sie sie zum schmackhaften Genießen von Fischen verführen, in der Gestalt des Vaters oder Ehemanns, wenn sie sich mit falscher Liebe verstellen, in Gestalt eines Widders, wenn sie zu Halsstarrigkeit verführen.

Fabula undecima 434 25

Neptunus concubuit cum Iphimedia in specie mariti sui et genuit ex ea Otum et Ephialtem, qui qualibet hebdomada per unam

Elfte Erzählung 434 Neptun hielt Beischlaf mit Iphimedia in Gestalt ihres Ehemanns und zeugte mit ihr Otos und Ephialtes. Diese wuchsen in einer Woche über eine Handlänge und in 24 Fabula undecima deest B. 2 contra codd. et Ep; circa G. 9 – 10 equi . . . seculi Lo1Pa8V2; equi vel fastus G; equi vel fastus simili Lo2; equus vel status seculi V4; fastus seculi TrEp. 14 corrumpant Lo1Lo2V2V4TrEp; corrumpat G; om. Pa8. 17 quando de superbia Lo1Pa8V4Ep; al. mutant igitur se in tauros quando per superbiam fallunt animas Tr; om.G. 19 – 20 sapida voluptate V2V4Ep; rapida voluntate G; rapida voluptate Lo2; de cervicositate Lo1; de voluptate Pa8; per sapidam voluptatem piscium Tr; om. L. 21 dissimulant GLo1Lo2V2Tr; simulant Pa8 V4Ep; om. L. 25 Iphimedia Ep; Ephygena G; Egiffena V2; Effigena Lo1V4; Ephigene Tr. 26 sui G; sui Enipei Lo1Pa8V4TrEp. 26 Otum Oetum V2Ep; Getum G; Zetum Lo1V4; Zetam Tr. 26 – 27 Ephialtem Ep; Emphilonem GV4Tr; Emphiloen Lo1; Ephialcem V2. 27 hebdomada LLo1Lo2Ep; ebdomoda GPa8; die V2Tr; ebdomeda V4.

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palmam et quolibet mense per unum cubitum excrescebant. Qui intantum creverunt, quod celum manibus tangere moliti sunt; quod timentes dii consilium inierunt et telis Apollinis et Diane ipsos represserunt.

einem Monat über eine Elle; sie wuchsen so enorm, dass sie danach strebten, den Himmel mit ihren Händen zu berühren. Aus Besorgnis darüber hielten die Götter eine Beratung ab und drängten sie mit den Pfeilen des Apoll und der Diana zurück.

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Sic inter filios Neptuni, id est diaboli, sunt aliqui, qui per divitias non cessant crescere et statui suo omni die et mense divitias adiungere et, quamvis humilis stature, id est de humili plebe, fuerint, se tamen solent mirabiliter exaltare. Tales enim incremento status finem non imponunt, immo continue crescere proponunt, Par. 17: Crevit Iosaphat et magnificatus est in sublime. Tales etiam plerumque in tantam superbiam efferuntur, quod celum inhabitare videntur, id est ipsum statum nobilium et altorum nituntur impedire et eorum voluntati se proterve opponere moliuntur. Propter quod sepe fit, quod dii, id est potentes et nobiles, contra huiusmodi indignantur et in eos telis et iaculis debacchantur vel telis Apollinis et Diane, id est accusationibus et impositionibus, feriunt et confundunt, sicut ad litteram videmus de malis officialibus, qui raptum celi, 435 id est totum cursum patrie, immutare contendunt et diis, id est nobilibus, se opponunt. Qui finaliter ad infortunia prosternentur, Is. 14: Detracta est usque ad in-

Moralisierung So gibt es unter den Söhnen Neptuns, d.h. des Teufels, einige, die durch ihren Reichtum unaufhörlich wachsen und ihrem Status jeden Tag und jeden Monat Reichtum hinzufügen und, mögen sie auch von kleiner Statur, d.h. aus dem niederen Volk, sein, sich dennoch erstaunlich erhöhen. Denn solche setzen dem Wachstum ihres Status keine Grenze, vielmehr nehmen sie sich vor, beständig zu wachsen, 2. Par. 17,12: ›Iosaphat wuchs und wurde gerühmt bis in die Höhe.‹ Solche werden nämlich meist zu einem so großen Hochmut fortgerissen, dass sie den Himmel zu bewohnen scheinen, d.h. die Stellung der Adligen und Hochstehenden zu beeinträchtigen suchen und danach streben, sich deren Willen auf unverschämte Weise entgegenzustellen. Daher geschieht es oft, dass die Götter, d.h. die Mächtigen und der Adel, diesen zürnen und gegen sie mit Pfeilen und Wurfgeschossen wüten oder sie mit den Pfeilen Apolls und Dianas, d.h. mit Anklagen und Abgaben, treffen und ruinieren. So sehen wir es buchstäblich bei schlechten Amtsträgern, die sich bemühen, den Umlauf des Himmels [der Planeten], 435 d. h. die gesamte Ordnung ihres Landes, zu verändern, und sich den Göttern, d.h. den Adligen, entgegenstellen. Diese stürzen schließlich ins Unglück, Is. 14,11 f.: ›Hinabgezogen wurde dein Hochmut bis in die Hölle, dein Leich-

15 est LLo1Pa8V4BTr; est usque Ep; om. G. 22 huiusmodi LLo1V4Ep; huius GLo2V2B; istos Tr; om. contra huiusmodi Pa8. 22 in eos Lo1Pa8V4BEp; eis G; eos Tr. 26 raptum GLo1Pa8V4BTr; motum Ep. 30 Is. 14 Is. 24 G.

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feros superbia tua, concidit cadaver tuum; corruisti in terram, qui vulnerabas gentes. Vel dic, quod celum est ecclesia, ubi est habitatio deorum, id est dei, angelorum et sanctorum. Sepe ergo fit, quod mundani tyranni et opulenti principes cursum celi, id est iura ecclesie, impedire nituntur. Sed deorum, id est angelorum et sanctorum, consilio fit sepe, quod Apollinis et Diane, id est Christi et Marie, telis, id est adiutoriis, destruuntur, Ps.: Ascendunt usque ad celos et descendunt usque ad abyssos. Fabula duodecima 436

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Niobe fuit filia Tantali et unius Pliadum 437 et Amphionis regis Boetie uxor, que prole fecundata extitit, quia septem filios et septem filias generavit. Ista igitur multitudine opum et dignitatum et maxime uteri sui fecunditate clara deam Latonam matrem Apollinis et Diane contempsit ipsamque deam infecundam credens sterilem appellavit et se Latone in fecunditate pretulit et populum ab aris suis prohibuit et sibi sacrificare coegit. Latona igitur indignata Phebum et Dianam filios suos alloquitur et ad vindicandum matris iniuriam imprecatur. Phebus igitur telis suis patrem et septem filios occidit, eadem vero Diana septem

nam fiel zu Boden, du bist auf die Erde hinabgestürzt, der du die Völker verwundet hast.‹ Oder sag, dass der Himmel die Kirche ist, wo die Wohnstatt der Götter ist, d.h. Gottes, der Engel und der Heiligen. Nun geschieht es häufig, dass die Tyrannen der Welt und die reichen Fürsten den Lauf des Himmels, d. h. die Rechte der Kirche, zu behindern suchen. Aber durch den Ratschluss der Götter, d.h. der Engel und der Heiligen, geschieht es oft, dass sie mit den Waffen Apolls und Dianas, d. h. durch die Unterstützung von Christus und Maria, vernichtet werden, Ps. 106,26: ›Sie steigen hinauf bis zum Himmel und steigen bis in den Abgrund hinab.‹ Zwölfte Erzählung 436 Niobe war die Tochter des Tantalus und einer der Plejaden 437 und die Gattin des Amphion, des Königs von Böotien [Theben], die sich durch reiche Nachkommenschaft auszeichnete, da sie sieben Söhne und sieben Töchter geboren hatte. Diese also, die wegen der Menge ihrer Besitztümer und Würden und ganz besonders aufgrund der Fruchtbarkeit ihres Schoßes berühmt war, verachtete die Göttin Latona, die Mutter Apolls und Dianas, und, da sie sie für eine unfruchtbare Göttin hielt, nannte sie kinderlos und stellte sich wegen ihrer Fruchtbarkeit über Latona; und sie hielt das Volk von deren Altären fern und zwang es, ihr selbst zu opfern. Erzürnt darüber wandte Latona sich an ihre Kinder Phoebus und Diana und bat sie, das an ihrer Mutter begangene Unrecht zu bestrafen. Phoebus tötete also mit seinen Pfeilen den Vater und die sieben Söhne, Diana aber tötete ihre sie-

13 Fabula duodecima VI,10 B. 14 Niobe GLo1V2Ep; Niphoe V4; Nichoe Tr. 15 Boetie Lo1Pa8; Boene GLo2V4Tr; Boetie sive Thebarum Ep; om. L. 18 et maxime Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 21 infecundam credens GPa8; credens esse infecundam et Lo2V4; non esse credens infecundam et Lo1BTrEp. 23 suis su suis G, sed del. su.

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filias eius interfecit. Quod videns Niobe in lapidem marmoreum mutatur, qui flere iugiter comprobatur.

ben Töchter. Als Niobe dies sah, verwandelte sie sich in einen Marmorstein, der, wie bezeugt wird, ständig weint.

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Moralisierung

Ista possunt dici contra illos, qui de nimia sua prosperitate superbunt aliosque contemnunt et se eis preferunt. Quos Phebus et Diana, id est Christus et virgo beata, quandoque subito telis tribulationum impugnant, filiis et amicis privant et eos in lapides, id est in pauperes et flebiles, mutant, Eccli. 11: Multi potentes oppressi sunt valde. Vel potest allegari de filiis bonis, qui bonam personam faciunt, que bene et discrete se regit. Sed quando videt se fecundam et pregnantem septem filiis, id est septem spiritus sancti donis, 438 et septem filiabus, id est septem virtutibus, 439 inde superbit et alios, quos minus virtuosos esse credit, contemnit seque eis preponit. Quod videns Apollo, id est Christus, sol iustitie, et Diana, id est beata virgo, contra talem tela accipiunt et insurgunt in filios et filias, id est dona et virtutes sibi subtrahunt et ipsum virtuti proprie derelinquunt et ita lapis, id est durus et insensibilis et indevotus efficitur. Tales igitur, qui virtutes sibi non deo attribuunt, iusto dei iudicio peccare permittuntur et fecunditatem moralem

Dies kann gegen jene gesagt werden, die sich mit ihrem überaus großen Wohlstand brüsten und andere verachten und sich ihnen überlegen glauben. Phoebus und Diana, d. h. Christus und die selige Jungfrau, bekämpfen diese bisweilen plötzlich mit den Pfeilen der Leiden, berauben sie ihrer Kinder und Freunde und verwandeln sie in Steine, d.h. in solche, die arm sind und erbärmlich, Eccli. 11,6: ›Viele Mächtige wurden heftig bedrängt.‹ Oder man kann es auf gute Söhne [der Kirche] anwenden, die sich einer rechtschaffenen Person vergleichen lassen, die sich gut und besonnen verhält. Wenn sie aber sieht, dass sie fruchtbar und schwanger ist mit sieben Söhnen, d.h. mit den sieben Gaben des Heiligen Geistes, 438 und mit sieben Töchtern, d.h. mit den sieben Tugenden, 439 wird sie hochmütig und verachtet andere, die sie für weniger tugendhaft hält, und sie glaubt sich ihnen überlegen. Wenn Apollo dies sieht, d.h. Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, und Diana, d.h. die selige Jungfrau, nehmen sie gegen einen solchen Pfeile auf und greifen die Söhne und Töchter an, d.h. sie nehmen ihm die Gaben und Tugenden und überlassen ihn seiner eigenen Kraft, und so wird er zu Stein, d.h. hart und gefühllos und unfromm. Solche Leute, die sich selbst, nicht Gott die Tugenden zurechnen, lässt Gott nach seinem gerechten Urteil sündigen, und sie verdienen

13 valde add. Vel potest (potes Tr) allegare de filiis bonis, qui parentum iniurias ferre (sustinere Tr) nequeunt, immo vindicant et repellunt BTr. 15 que Pa8V2V4BTrEp; qui GLo2; om. que . . . quando LLo1. 16 videt LLo1Pa8V4BTrEp; vidit G. 19 virtutibus LLo1Pa8V4BTrEp; om. G. 24 tela . . . insurgunt Pa8; tela accipit et perversi insurgunt G; insurgunt LLo1; accipit et perversi insurgunt Lo2; tela accipiunt et insurgunt, active vel permissive insurgunt V2BTr; accipiunt et insurgunt V4; insurgit Ep. 29 deo Lo1Pa8V4BTrEp; a deo G.

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perdere promerentur et fletum desperationis incurrere, contra quos Apoc. 18: Dixisti: Ero regina etc. usque sterilitas. 440 Fabula decima tertia 441 5

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Latona fuit mater Phebi et Diane, id est solis et lune. Quos quia a Iove conceperat, Iuno zelotypa ipsam pregnantem persequebatur eamque parere in toto mundo non patiebatur nullaque regio ipsam audebat recipere. Tandem venit ad insulam Delon, que per mare vagabunda vagabatur. Insula ergo errans in aquis miserta est Latone, que errabat in terris, et errans errantem recepit et pariendi sibi locum dedit. Ista enim est insula solis et lune, quia in ea nati sunt. Que stabilis facta est, que a principio fuerat mobilis. Moraliter

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Applica contra malos, quia semper similis applaudit suo simili, quia unus extraneus et vagabundus libenter recipit alios, quos videt sibi similes et conformes. Istud patet, quia quandoque in terra et ariditate religionis invenitur aliquis errans et vagabundus et fugitivus, alios fugitivos et apostatas diligens et recipiens et spatium pariendi et faci-

es, ihre moralische Fruchtbarkeit zu verlieren und in das Weinen der Verzweiflung zu verfallen. Gegen diese sagt [Is. 47,7f. und] Apoc. 18,7: ›Du hast gesagt: ›Ich werde Königin sein‹ ‹ etc. bis ›Unfruchtbarkeit.‹ 440 Dreizehnte Erzählung 441 Latona war die Mutter des Phoebus und der Diana, d.h. der Sonne und des Mondes. Da sie diese von Jupiter empfangen hatte, verfolgte die eifersüchtige Juno die Schwangere und ließ sie nirgends in der ganzen Welt niederkommen, und keine Region wagte es, sie aufzunehmen. Schließlich kam sie zur Insel Delos, die ziellos auf dem Meer umhertrieb. Weil also die Insel auf dem Wasser umherirrte, erbarmte sie sich Latonas, die auf der Erde umherirrte, und die Umherirrende nahm die Umherirrende auf und gab ihr einen Ort für die Geburt. Diese ist nämlich die Insel der Sonne und des Mondes, da sie auf ihr geboren wurden. Sie, die von Anfang an in Bewegung gewesen war, wurde feststehend. Moralisierung Wende dies gegen die Bösen an, weil der Ähnliche dem ihm gleichenden Menschen stets Beifall spendet, da ein fremder und unsteter Mensch gern andere aufnimmt, die er als sich ähnlich und gleichartig erkennt. Dies wird daran deutlich, dass bisweilen sich jemand auf der Erde, und zwar in der Trockenheit der Orden, findet, der umherirrt und unstet und flüchtig ist und der andere Flüchtige und Apostaten liebt und aufnimmt und ihnen einen Platz zum Gebären, und zwar zum Ausführen ihrer Werke, ge-

4 Fabula decima tertia VI,12 Lo2; VI,11 B. 2 – 3 Dixisti. . . . sterilitas G; sim. LLo1Pa8V4BTr; Apoc. 18: In corde suo dicit: Sedeo ut regina et vidua non sum et luctum non videbo Ep. Cf. Anm. 440. 7 zelotypa Ep; zelotipa Lo1, zelotopia G, sed exp. i. 8 non om. G, sed add. in marg. 10 Delon Ep; Deles GLo1; Delos V2V4BTr.

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endi sua opera eis prestat, Eccli. 13: Omne animal diligit sibi similem. Vel dic, quod Delos significat homines hospitales, qui egenos et pauperes recipiunt et maxime, quando vident eos pregnantes sole et luna, id est quando cum ipsis Christum et beatam virginem esse sciunt, id est quando ipsos esse devotos recognoscunt. Tales ex hoc spiritualiter premiantur, quia scilicet in fide et gratia stabiles inveniuntur et in domino delectantur; ideo bene dicitur Is. 58: Frange esurienti panem tuum usque lumen tuum. 442 Vel dic, quod mater ista est caritas vel gratia. 443 Iste enim sunt quedam matres, que de sole et luna, id est de Christo et beata virgine, spiritualiter sunt pregnantes. Quicumque igitur sit errans et vagabundus talem matrem, et caritatem et humilitatem, recipit. Statim apud eum Phebum et Dianam, id est Christum et virginem beatam, per devotionem parturit et in fide et in moribus stabilem ipsum facit. Vel dic, quod quando aliqua alta persona Latonam, id est aliam personam pauperem, persequitur, nullus est qui sibi favere audeat, sed ab omnibus relinquitur. Vel dic, quod Latona est fides vel scriptura, que a principio de Phebo vel Diana, id est Christo et beata virgine, pregnans fuit. Quam cum terra firma, id est synagoga, recipere nolet, terra vaga, id est gentilitas,

währt, Eccli. 13,19: ›Jedes Lebewesen liebt seinesgleichen.‹ Oder sag, dass Delos gastfreundliche Menschen bezeichnet, die Bedürftige und Arme aufnehmen, und zwar besonders, wenn sie sie mit Sonne und Mond schwanger sehen, d.h. wenn sie wissen, dass bei ihnen Christus und die selige Jungfrau sind, d. h. wenn sie erkennen, dass sie fromme und gottesfürchtige Menschen sind. Solche werden dafür geistlich belohnt, weil sie im Glauben und in der Gnade gefestigt befunden werden, und sich im Herrn erfreuen. Deshalb heißt es richtig Is. 58,7 f.: ›Brich mit dem Hungernden dein Brot‹ bis ›dein Licht.‹ 442 Oder sag, dass diese Mutter die Liebe oder die Gnade ist; 443 denn diese sind wie eine Art Mütter, die mit der Sonne und dem Mond, d. h. mit Christus und der seligen Jungfrau, geistlich schwanger sind. Wer auch immer also umherirrt und unstet ist, nimmt eine solche Mutter, und zwar Liebe und Demut, auf. Sogleich gebiert sie in Frömmigkeit bei ihm Phoebus und Diana, d. h. Christus und die selige Jungfrau, und macht ihn fest im Glauben und im Lebenswandel. Oder sag, dass, wenn eine hochstehende Person Latona, d.h. eine andere arme Person, verfolgt, keiner da ist, der es wagt, ihr zu helfen, sondern sie wird von allen verlassen. Oder sag, dass Latona der Glaube oder die Schrift ist, die vom Anfang an mit Phoebus oder Diana, d. h. mit Christus und der seligen Jungfrau, schwanger war. Weil die feste Erde, d.h. die Synagoge, sie nicht aufnehmen wollte, nahm sie das umhertreibende Land auf, d. h. das Heidentum, das

1 Eccli. 13 Eccli. 3 G. 3 Delos om. G. 12 Is. 58 Is. 48 G. 13 lumen Lo2V2BEp; limen G; om. usque . . . tuum LLo1V4Tr; om. tuum . . . tuum Pa8. 15 gratia codd.; gratia vel humilitas Ep. 24 quando GLo2Pa8V4Ep; quando Iuno, id est LLo1V2BTr. 26 – 27 sibi . . . audeat Lo1Pa8V2V4; sibi auxilium porrigat Tr; audeat ipsi favere Ep; om. GB. 29 principio principio p G, sed del. p.

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prius errans ipsam recepit. Et sic Latona, id est scriptura et fides, Christum et beatam virginem apud ipsam peperit, id est apud ipsam notitiam de ipsis fecit, et sic, que prius errabat, facta est stabilis et firma, Ex. 15: Stetit unda fluens.

vorher selbst umherirrte. Und so gebar Latona, d.h. die Schrift und der Glaube, Christus und die selige Jungfrau, bei ihm, d. h. sie machte sie bei ihm bekannt, und so wurde die, die zuerst umherirrte, feststehend und standhaft, Ex. 15,8: ›Das fließende Wasser stand.‹

Fabula decima quarta 444

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Cum Latona Iunonis iram fugeret et Apollinem et Dianam in manibus teneret, accidit, quod ultra modum sitiens de aqua cuiusdam lacus bibere voluit. Sed quidam rustici, qui in litore lacus ulvam et iuncum colligebant, ipsam ne biberet impediebant. Latona igitur irata rogavit Iovem, quod illi rustici numquam perpetuo de lacu recederent, et sic factum est, quod Iupiter rusticos mutavit in ranas, ut in stagno illo perpetuo coaxarent. Moraliter

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Istud potest dici contra rusticos et viles personas, qui pre ceteris consueverunt esse inurbani et avari et incompatientes, qui et quandoque aquam, que omnibus est communis, nolunt concedere indigenti. Quare Iupiter, id est deus, de lacu paupertatis non sinit eos resurgere, immo ibidem in ranas convertuntur, inquantum viles et miseri solent esse et inquantum non cessant contra alios coaxare, 445 quia isti, si haberent potestatem, essent ceteris crudeliores. Ideo

Vierzehnte Erzählung 444 Als Latona vor dem Zorn Junos floh und Apollo und Diana in ihren Armen hielt, bekam sie einmal sehr großen Durst und wollte deshalb vom Wasser eines Sees trinken. Aber einige Bauern, die am Ufer des Sees Sumpfgras und Schilf sammelten, hinderten sie am Trinken. Die erzürnte Latona bat nun Jupiter, dass jene Bauern für alle Zeit niemals mehr von jenem See zurückkehren sollten, und so geschah es, dass Jupiter die Bauern in Frösche verwandelte, so dass sie auf immer in jenem See quakten. Moralisierung Dies kann gegen Bauern und niedrige Personen gesagt werden, die in der Regel vor allen Übrigen bäurisch, geizig und ohne Mitleid sind. Und bisweilen wollen diese dem Dürstenden das Wasser, das für alle da ist, nicht zugestehen. Daher lässt Jupiter, d.h. Gott, sie aus dem See der Armut nicht wieder aufstehen, vielmehr werden sie ebenda in Frösche verwandelt, sofern sie gewöhnlich gering und elend sind und sofern sie nicht aufhören, gegen andere zu quaken; 445 denn wenn sie Macht hätten, wären sie grausamer als die Übrigen.

7 Fabula decima quarta VI,13 Lo2; VI,12 B. 1 prius . . . ipsam Lo1Pa8V2V4Ep; ipsum G; prius eronea ipsam B; prius errans ipsos, scilicet Christum et beatam virginem Mariam Tr. 12 lacus ulvam et iuncum Lo1B; iuncos G; lacus ulvam et iuncos Ep; lacus iuncum Lo2V4; lacus Vulcani in litore victum Tr. 13 colligebant Lo1Pa8V4BTrEp; coligebat G. 15 perpetuo de lacu LLo1V2V4; perpetuo GLo2B; perpetuo ab illo lacu Pa8; de lacu illo Tr; a lacu Ep. 18 coaxarent V4 TrBEp; exhaxarent G. 24 quare LLo1V2BEp; quia G; quasi Lo2; quos Pa8V4; quapropter Tr. 25 deus Lo1 Lo2Pa8V4BTrEp; om. G.

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Psalmus invehit contra tales dicens: Dedit terra eorum ranas.

Deshalb tadelt der Psalm solche scharf, indem er sagt [Ps. 104,30]: ›Ihr Land brachte Frösche hervor.‹

Fabula decima quinta 446

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Marsyas quidam Satyrus cum Apolline de cantu contendit et se ei in cantu pretulit. Qui cum deo non cederet nec in cantando debitam reverentiam exhiberet, indignatus Apollo excoriavit eum et pellem sibi abstulit et eum sic cruentatum reliquit, ita quod dii ruricole et nymphe insequebantur eum flentes, eo quod cantu eius essent carituri. De sanguine autem eius et lacrimis insequentium factus est fluvius, qui ex nomine eius Marsya vocatur, in Phrygia. Moraliter Sic vere accidit hodie, quod aliquis Marsyas, deus ruricola, id est simplex homo, non bene cantat ad voluntatem Apollinis, id est non bene scit adulari divitibus vel eorum facere voluntatem, sed potius cum eis volunt contendere. Solent plerumque tales Apollines, id est mali superiores, pellem substantie temporalis eis auferre et tam ipsis quam amicis eorum flendi materiam dare. Fatui sunt ergo, qui cum divitibus contendunt et qui contra eos cantando, id est allegando, prevalere presumunt, sicut de multis patet, qui contra prelatos et principes se opponunt. Ideo dicitur Eccli. 8: Non litiges cum homine potente, ne forte

Fünfzehnte Erzählung 446 Marsyas war ein Satyr, der mit Apollo im Gesang wetteiferte und sich ihm im Gesang überlegen fühlte. Da dieser dem Gott nicht nachgab und ihm im Gesang nicht die geschuldete Ehrerweisung zukommen ließ, häutete ihn der erzürnte Apoll, nahm ihm die Haut weg und ließ ihn so blutig zurück, so dass die ländlichen Götter und Nymphen ihm folgten und darüber weinten, dass sie seinen Gesang vermissen würden. Aus seinem Blut aber und den Tränen derer, die ihm folgten, entstand ein Fluss in Phrygien, der, nach ihm benannt, Marsyas heißt. Moralisierung So geschieht es in der Tat heute, dass irgendein Marsyas, ein ländlicher Gott, d.h. ein einfacher Mensch, nach dem Wunsch Apolls nicht gut singt, d. h. nicht recht versteht, den Reichen zu schmeicheln oder ihren Willen zu tun, sondern dass solche Leute eher mit ihnen in Wettstreit treten wollen. Meist pflegen solche Menschen wie Apollo, d.h. schlechte Höherstehende, ihnen die Haut des irdischen Besitzes wegzunehmen und sowohl ihnen als auch ihren Freunden Stoff zu Tränen zu geben. Dumm sind also Menschen, die mit den Reichen kämpfen und die wagen, diese durch Singen, d. h. durch Rechthaberei zu übertreffen, wie es bei vielen deutlich ist, die sich gegen Prälaten und Fürsten stellen. Daher heißt es Eccli. 8,1: ›Streite nicht mit einem Mächtigen, damit Du nicht in seine Hände

3 Fabula decima quinta VI,14 Lo2; VI,13 B. 4 Marsyas Marsias GEp. 6 cederet Lo1V2TrEp; crederet GV4; cedet B. 8 excoriavit Lo1Pa8V4BTrEp; exoriavit G. 21 volunt GLo1Lo2V4BTr; solet Pa8; vult Ep. 22 pellem Lo1Pa8V4BTrEp; pelles G. 24 – 25 flendi . . . dare Lo1Pa8V4BTrEp; causam sibi dare flendi G.

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incidas in manus eius, et Mich. 3: Pelles eorum desuper excoriaverunt et ossa eorum fregerunt. 447

fällst,‹ und Mich. 3,3: ›Obendrein zogen sie ihnen ihre Haut ab und brachen ihre Knochen.‹ 447

Fabula decima sexta 448

Sechzehnte Erzählung 448

Tantalus cum Iovis epulis interesset et vellet experiri, utrum futura presciret, Pelopem unum de filiis suis occidit et partes carnis eius partim coctas in aqua, partim in igne assas in dapes miscuit et Iovi et aliis ad comedendum apposuit, propter quod ad perpetuo famescendum et sitiendum in inferno Tantalus positus fuit. Ceres igitur famelica adveniens humerum pueri non advertens comedit. Dii igitur puero miserti membra eius aggregaverunt et eum resuscitaverunt. Sed quia humerus deficiebat, humerum sibi eburneum fecerunt et eum corpori eius inseruerunt. Pelops igitur ex tunc humerum eburneum habuit, quem loco humeri deperditi deorum miseratio sibi dedit.

Als Tantalus am Mahl des Jupiter teilnahm und erproben wollte, ob er Zukünftiges vorherwisse, tötete er einen seiner Söhne und mischte Stücke seines Fleisches, zum Teil im Wasser gekocht, zum Teil im Feuer gebraten, unter die Speisen und setzte sie Jupiter und den anderen zum Essen vor. Deshalb wurde Tantalus zu beständigem Hungern und Dürsten in der Unterwelt verurteilt. Weil Ceres nun hungrig dazukam, aß sie, ohne es zu merken, die Schulter des Jungen. Die Götter erbarmten sich nun des Jungen, legten seine Glieder zusammen und belebten ihn wieder. Da aber die Schulter fehlte, formten sie ihm eine Schulter aus Elfenbein und setzten sie in seinen Körper ein. Pelops hatte also seitdem eine Schulter aus Elfenbein, die ihm die Götter anstelle seiner verlorenen Schulter aus Mitleid gaben.

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Per deos intelligo bonos superiores, Ps.: Ego dixi: Dii estis! Per Tantalum sitibundum malos et avaros officiales, per filium intelligo simplices subditos et inferiores. Dico ergo quod Tantalus, id est mali officiales et ministri superiorum, in conviviis eorum carnes proprii filii, id est substantiam proprii subditi, per ipsos rapinis et exactioni-

Moralisierung Unter den Göttern verstehe ich die guten Höhergestellten, Ps. 81,6: ›Ich sagte: ›Ihr seid Götter‹,‹ unter dem durstigen Tantalos böse und habgierige Amtsträger; unter dem Sohn verstehe ich einfache Untergebene und Niedrigstehende. Ich sage also, dass Tantalus, d. h. schlechte Amtsträger und Diener der Höhergestellten, bei ihren Gastmählern Fleisch ihres eigenen Sohnes, d.h. den Besitz ihres eigenen Untergebenen, der von ihnen durch Raub und Steu-

4 Fabula decima sexta VI,14 B. 1 Mich. 3 Mich. 8 G. 6 Pelopem Pa8V4BTrEp; Pelopen Lo1; om. G. 9 aliis GLo1Lo2V4; aliis diis Pa8BTrEp. 11 sitiendum scitiendum G. 17 – 19 sibi . . . eburneum habuit GLLo1Lo2V2TrEp; om. sibi . . . humerum Pa8V4. 17 eburneum LLo1Lo2V2TrEp; eburnum G. 18 inseruerunt V2TrEp; insemerunt G; om. sed . . . inseruerunt B. 18 Pelops TrEp; Pellopes G; Pelopes Lo1V2B.

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bus cocti, Iovi ad comedendum offerunt, inquantum per eorum consilia mala principes subditorum substantias iniuste comedunt et inquantum officiales de substantiis subditorum dominis suis convivia parant et excennia mittunt, ita quod Pelopem coctum, id est populum subditum, devorant et consumunt, ita quod talis malus officialis potest dicere illud Reg. 6o : Coximus filium meum et comedimus. Sed quid tunc debent facere dii, id est boni superiores? Pro certo, quando percipiunt subditos suos sic coctos esse et taliter carnes eorum sibi datas esse, debent suos officiales punire et in infernum tribulationum mittere. Pelopem vero, id est populum subditum, debent resuscitare et restituere loco eius, quod deperditum est; debent ebur, id est emolumentum competens, resarcire. Cuius tamen contrarium faciunt superiores moderni, qui subditorum oblatas carnes comedunt et iniquorum dona, undecumque venerint, acceptant et, dato quod ipsos malos puniant et deponant, ipsis tamen devoratis nihil restituunt, immo subditos sine humero derelinquunt, id est sine substantia et fortitudine faciunt, unde Mich.: Princeps postulat et iudex in reddendo est. 449

ern gekocht worden ist, Jupiter zum Essen anbieten, sofern durch ihre schlechten Ratschläge die Fürsten die Besitztümer ihrer Untergebenen ungerechterweise aufzehren und sofern die Amtsträger vom Besitz ihrer Untergebenen ihren Herren Gastmähler bereiten und Geschenke schicken, so dass sie den gekochten Pelops, d.h. das untergebene Volk, verschlingen und aufbrauchen, so dass ein solcher schlechter Amtsträger jenes Wort 4. Reg. 6,29 sagen kann: ›Wir haben meinen Sohn gekocht und gegessen.‹ Was aber müssen dann die Götter machen, d.h. die guten Höhergestellten? Wenn sie bemerken, dass ihre Untergebenen so gekocht worden sind und ihnen auf diese Weise deren Fleisch gegeben worden ist, müssen sie auf jeden Fall ihre Amtsträger bestrafen und in die Hölle der Leiden schicken. Pelops aber, d.h. das untergebene Volk, müssen sie wiedererwecken und, was verloren ist, an seinem Ort ersetzen. Sie müssen Elfenbein, d.h. den angemessenen Betrag, erstatten. Dennoch machen die heutigen Höhergestellten das Gegenteil davon: Sie essen das ihnen angebotene Fleisch ihrer Untergebenen auf und nehmen Geschenke der Ungerechten an, woher auch immer sie kommen, und, auch wenn sie die Bösen bestrafen und absetzen, erstatten sie denjenigen, die durch Verschlingen geschädigt worden sind, doch nichts. Vielmehr lassen sie die Untergebenen ohne Schulter zurück, d.h. sie lassen sie ohne Besitz und Stärke. Daher heißt es Mich. 7,3: ›Der Fürst fordert, und der Richter erfüllt.‹ 449

1 cocti Lo1Pa8V4BEp; coctis Tr; om. G. 5 parant Lo1Pa8V4BTrEp; parent G. 6 excennia exennia LLo1 Lo2; exemia GB; enxenia V2TrEp; om. Pa8. 7 subditum GTr; vel subditum V4Ep. 16 debent V2V4TrEp; debet GLLo1Lo2Pa8; om. B. 17 restituere vitae restituere et Ep. 18 debent V2BTrEp; debet GLo2Pa8 V4; om. LLo1. 19 resarcire Lo1Lo2V2 (resartire Lo2); resarare G; retribuere L; refundere Pa8V4; exascire B; restaurare Tr; resercire Ep. 22 undecumque Lo1Lo2V4BTrEp; unumcumque G; om. L. 23 ipsos malos Lo1Pa8V4BTrEp; ipsos G. 26 faciunt cet.; faciut G. 27 Mich. Amos G. 27 postulat cet.; om G. 27 – 28 reddendo V4Ep/Vulg.; retribuendo G.

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Siebzehnte Erzählung 450

Tereus, rex Thracum, 451 Procnen, filiam Pandionis regis Athenarum habuit uxorem. Que cum haberet sororem pulcerrimam dictam Philomenam et Tereus Athenis veniens ipsam videret, in ipsius exarsit amorem. Quam sub consanguinitatis specie in Thraciam ad videndum sororem ducens ipsam oppressit et, quia incestui repugnabat, linguam sibi precidit et in quadam silva in domo, ubi erant stabula sua, eam custodiendam inclusit. Procne vero regine, quod Philomena soror sua erat mortua, asseruit et affirmavit. Igitur cum Philomena loqui non posset, telam texuit, in qua totius facti seriem imaginibus purpureis depinxit et ad sororem per famulam seu famulum destinavit. 452 Soror vero visa tela et comperto negotio finxit se Bacchi solemnia velle celebrare et accepta licentia a viro suo more Bacchantium ad sacra Bacchi se simulavit ire. Que statim cucurrit sororem elinguem videre, quam ad proprium palatium secrete ducens, Itym quendam suum et Terei filium coxit et in ultionem sororis patri redeunti comedendum dedit. Qui filium Itym petens: cum mater responderet: Quod petis, intus habes 453 , statim Philomena affuit, que ca-

Tereus, der König der Thraker, 451 hatte Procne, die Tochter des Pandion, des Königs von Athen, zur Ehefrau. Da diese eine sehr schöne Schwester namens Philomena hatte und Tereus sie bei seinem Besuch in Athen sah, entbrannte er in Liebe zur ihr. Er brachte sie unter dem Vorwand der Verwandtschaft nach Thrakien, damit sie ihre Schwester sehen könne, und er vergewaltigte sie; und weil sie sich der Unzucht widersetzte, schnitt er ihr die Zunge ab und schloss sie, um sie zu bewachen, in einem Haus im Wald ein, wo sich seine Ställe befanden. Der Königin Procne aber erklärte und versicherte er, dass ihre Schwester Philomena tot sei. Da nun Philomena nicht sprechen konnte, webte sie ein Gewebe, in dem sie den ganzen Hergang der Tat in purpurfarbenen Bildern darstellte, und sie schickte es durch eine Dienerin oder einen Diener zu ihrer Schwester. 452 Als aber die Schwester das Gewebe gesehen und die Geschichte begriffen hatte, gab sie vor, das Bacchusfest feiern zu wollen. Und sowie sie die Erlaubnis ihres Mannes hatte, täuschte sie vor, nach Art der Bacchantinnen zu den Opferfeierlichkeiten des Bacchus zu gehen. Sie eilte sogleich los, um ihre Schwester, die keine Zunge mehr hatte, zu sehen und brachte sie heimlich in ihren Palast. Sie kochte Itys, ihren und des Tereus Sohn, und gab ihn, um ihre Schwester zu rächen, dem heimkehrenden Vater zu essen. Dieser verlangte nach seinem Sohn Itys. Als die Mutter antwortete: ›Das, was du verlangst, hast du in dir‹, 453 trat auch Philomena so-

1 Fabula decima septima VI,16 Lo2; VI,15 B. 2 Thracum V2BEp; Cretum GV4; Cretensis Tr. 2 Procnen Prognen GLo1BEp; Prognem Tr. 8 Thraciam Ep; Traciam GB; Tracie Lo1; Tratiam V2; Cretam V4Tr. 8 videndum Lo2V4BPTr; ridendum G; videndam LLo1. 10 precidit GLo1Lo2V4B; praescidit Pa8Ep. 14 – 18 Igitur . . . destinavit Lo2 (in marg.) Ep; om. GLLo1Pa8V4BTr. 15 texuit cet.; compinxit vel texuit Lo2. 16 purpureis depinxit aureis scripsit Lo2. 21 sacra Lo1Lo2Pa8V4TrEp; sata G; festa B. 24 Itym Ytim GV2Ep; Yrum Lo1Tr; Yrim V4. 24 quendam suum Lo1Pa8V4BTrEp; quendam servum G. 25 sororis Lo1Pa8V4BTrEp; seroris G.

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put pueri in patris sinum proiecit. Tereus ergo videns scelus scelere vindicatum sorores voluit occidere, sed fugientes Procne in hirundinem, Philomena vero in lusciniam sunt mutate; Tereus etiam in upupam est mutatus. Pandion vero pre filiarum dolore est mortuus et filius eius Erechtheus pro eo rex est effectus. Moraliter

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Istud potest historialiter applicari contra incestuosos, qui sub specie consanguinitatis consanguineis abutuntur. Qui ideo proprium filium dicuntur comedere, quia in carne propria delectantur. Linguam vero dicuntur talibus prescindere, inquantum propter facti turpitudinem et crimen celare conantur. Illud tamen tela significat, inquantum sequens impregnatio crimen probat. Sed in aves postea mutantur, inquantum quandoque per confusionem fugere dinoscuntur. Luscinule etiam dicuntur fieri, inquantum ad modulandum et inaniter cantandum solent tales male mulieres pre ceteris occupari. 454 Ipsi vero mali upupe, que scilicet in stercoribus nidificant, fiunt pro eo, quod rem fedam et ignominiosam committunt. 455 Pater vero pre dolore moritur, in-

gleich auf, und sie schleuderte das Haupt des Jungen in den Schoß des Vaters. Als Tereus nun sah, dass das Verbrechen durch ein Verbrechen gerächt worden war, wollte er die Schwestern töten. Aber auf ihrer Flucht vor ihm wurde Procne in eine Schwalbe, Philomena in eine Nachtigal verwandelt; auch Tereus wurde verwandelt: in einen Wiedehopf. Pandion aber starb aus Kummer um seine Töchter und sein Sohn Erechtheus wurde an seiner Stelle König. Moralisierung Dies kann im Literalsinn gegen unzüchtige Menschen angewandt werden, die unter dem Vorwand der Verwandtschaft Verwandte missbrauchen. Über diese sagt man deshalb, dass sie ihren eigenen Sohn essen, weil sie sich an ihrem eigenen Fleisch ergötzen. Es heißt aber, dass sie solchen die Zunge abschneiden, sofern sie wegen der Schändlichkeit der Tat das Verbrechen zu verbergen suchen. Dies offenbart jedoch das Gewebe, da ja die daraus folgende Schwangerschaft das Verbrechen beweist. Später aber werden sie in Vögel verwandelt, sofern man weiß, dass sie bisweilen in Verwirrung fliehen. Sie werden auch Nachtigallen, heißt es, wenn sich solche schlechten Frauen vor allem mit dem Instrumentenspiel und eitlem Gesang zu beschäftigen pflegen. 454 Die Bösen selbst aber werden zu Wiedehopfen, die im Mist nisten, da sie eine abscheuliche und ruchlose Tat begehen. 455 Der Vater aber stirbt aus Schmerz,

1 sinum GV4Tr; faciem Ep. Cf. Ov. Met. 6,639: in ora patris. 3 occidere vindicare occidere G, sed del. vindicare. 3 Procne Progne Lo1V4BEp; Prognes GTr. 4 lusciniam Ep; lucinullam GLo2Pa8BTr; luciniam vel lucinulam L; luciniam vel lucuinilam Lo1; licinulam V2; lucinilam V4. 5 upupam GLLo1Pa8V4BTr; hupupam Lo2Ep; uppapam V2. Cf. epops Ov. Met. 6,674. 7 Erechtheus Eritheus G; Ericteus LV2Ep; Eructens Lo1; Eructeus Lo2; Erocleus Pa8; Ericleus V4; Enereus B; Encherus Tr. 15 prescindere GLLo2Pa8V4; precindere Lo1; precidere BTr; abscindere Ep. 15 propter GBTr; om. Lo1Pa8V4Ep. 16 crimen Lo1Pa8V4BTrEp; carnem G. 17 significat GV2BTr; revelat Lo2Pa8Ep. 18 sequens LLo1Pa8V4BTrEp; semper G. 20 per confusionem Lo2Pa8V4Ep; pre confusione GB; propter confusionem LLo1V2. 21 luscinule lucinulle GLo1 Pa8V2V4BTr; lucimule L; arundines Lo2; luscinie Ep. 23 mulieres n mulieres G, sed del. n. 25 nidificant Lo1Pa8V4TrEp; mundificat G; nidificat B.

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quantum scilicet amici carnales pro talibus tristes efficiuntur. Contra tales ergo loquitur scriptura Os. 4: Maledictum et mendacium et furtum et homicidium et adulterium etc. usque tetigit. 456 Sanguis enim tetigit sanguinem, quando consanguineus tangit consanguineam vel sanguis dicitur sanguinem tangere, quando propter incestum consanguinee vel propinque contingit homicidium provenire. Vel dic, quod Tereus significat crudeles principes vel prelatos, Procne vero uxor eius significat ipsorum malos consiliarios et familiares ipsis quasi matrimonialiter coniunctos. Isti ergo sunt, qui suis malis adinventionibus et consiliis talibus viris, id est dominis et magistris suis, dant proprios filios, id est proprios subditos, comedere ipsosque sub specie bonarum epularum, id est sub colore iustitie, faciunt subditos devorare, ita quod, postquam omnia in subditis comederunt nec amplius inveniunt, eis proprie potest dici: Quod petis, intus habes et cetera. 457 Ideo talibus tyrannis potest dici illud Deut. 28: Comedes fructum uteri tui et carnes filiorum et filiarum tuarum. Vel dic, quod Philomena, que illud, quod loqui non poterat, manibus depinxit, significat simplices, qui, licet nesciant predicare, debent tamen manibus et exemplis declarare.

sofern die menschlichen Freunde ihretwegen traurig werden. Gegen diese also spricht die Schrift Os. 4,2: ›Schmähung und Lüge und Diebstahl und Mord und Ehebruch‹ etc. bis zu ›berührte.‹ 456 Denn Blut berührte Blut, wenn ein Verwandter seine Verwandte berührt, oder Blut berührt Blut, heißt es, wenn sich wegen der Unzucht mit einer Verwandten oder Nahestehenden ein Mord ereignet. Oder sag, dass Tereus grausame Fürsten oder Prälaten bedeutet; seine Gattin Procne aber bedeutet ihre bösen Ratgeber und Vertrauten, die ihnen gleichsam ehelich verbunden sind. Diese sind es also, die durch ihre bösen Erfindungen und Ratschläge solchen Männern, d.h. ihren Herren und Lehrern, ihre eigenen Söhne, d.h. ihre eigenen Untergebenen, zu essen geben und sie unter dem Anschein eines guten Mahls, d.h. unter dem Anstrich von Gerechtigkeit, ihre Untergebenen verschlingen lassen, so dass, nachdem sie alles bei den Untergebenen aufgegessen haben oder nichts mehr fnden, ihnen im Wortsinn gesagt werden kann: ›Was du erstrebst, hast du in dir‹ etc. 457 Daher kann solchen Tyrannen jenes Wort aus Deut. 28,53 gesagt werden: ›Du wirst die Frucht deines Leibes und das Fleisch deiner Söhne und Töchter verzehren.‹ Oder sag, dass Philomena, die das, was sie nicht sagen konnte, mit den Händen zeichnete, einfache Leute bedeutet, die, mögen sie auch nicht zu predigen wissen, dennoch mit ihren Händen und Beispielen lehren sollen.

11 – 31 Vel dic, quod Tereus . . . declarare G; deest LLo1Lo2Pa8V2V4Ep. 7 – 8 sanguinem Lo2Pa8V2V4TrEp; sanguine G. 12 Procne Progna G. 22 nec Tr; vel G; nihil B. 25 Deut. 28 Deut. decimo octavo G. 25 fructum BTr; stratum G. 26 filiorum BTr; filorum G.

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Achtzehnte Erzählung 458

Aquilo de Thracia veniens Athenas filiam Erechthei summe dilexit; sed cum ipsum nullo modo in suum familiarem vellet recipere, usus viribus suis puellam rapuit et in Thraciam secum tulit. In qua Zeten et Calain genuit, quorum humeris ale volucrum increverunt et cum Iasone ad rapiendum vellus aureum perrexerunt.

Aquilo, der von Thrakien nach Athen kam, liebte die Tochter des Erechtheus [Orithyia] sehr. Da der ihn aber auf keinen Fall als Mitglied der Familie aufnehmen wollte, gebrauchte er seine Kräfte: Er raubte das Mädchen und führte es mit sich nach Thrakien. Mit ihr zeugte er Zetes und Calais, an deren Schultern Vogelflügel wuchsen und die mit Jason aufbrachen, um das Goldene Vlies zu rauben.

Moraliter Aquilo ventus frigidus significat diabolum, qui filiam Erechthei, id est ecclesiam vel religionem, Christi filiam, hodie occupat violenter et ipsam per diversos partus sibi copulat, quia hodie alatos, id est personas vanas, volatiles et superbas, solet in ea generare, qui nihil aliud appetunt nisi vellus aureum, id est divitias per avaritiam congregare. A diabolo enim generantur et promoventur homines superbi, cupidi et avari. Ista figurantur in illa bestia, de qua dicitur Dan. 7, quod alas habebat quattuor. 459 Vel dic, quod Aquilo significat tribulationem, que homines altos generat, inquantum viros sanctos, alatos et contemplativos facit, quorum mens ad vellus aureum, id est ad gloriam paradisi, per desiderium volat, Is. 60: Qui sunt isti, qui ut nubes volant? 460

Moralisierung Aquilo, der kalte Wind, bedeutet den Teufel, der die Tochter des Erechtheus, d.h. die Kirche oder die Religion, die Tochter Christi, heute gewaltsam besetzt und sie durch verschiedene Kinder an sich bindet; denn er pflegt heute mit ihr geflügelte, d.h. eitle, flatterhafte und hochmütige Personen zu zeugen, die nichts anderes anstreben, als das Goldene Vlies, d.h. Reichtum durch Habgier anzuhäufen. Denn vom Teufel werden hochmütige, begehrliche und habgierige Menschen gezeugt und gefördert. Dies wird in jenem Tier präfiguriert, von dem in Dan. 7,6 gesagt wird, ›dass es vier Flügel hatte‹. 459 Oder sag, dass Aquilo die Bedrängnis bedeutet, die herausragende Menschen hervorbringt, sofern sie Männer heilig, geflügelt und zur Kontemplation fähig macht, deren Geist im Verlangen zum Goldenen Vlies, d.h. zur Herrlichkeit des Paradieses, fliegt, Is. 60,8: ›Wer sind jene, die wie Wolken fliegen?‹ 460

1 Fabula decima octava VI,17 Lo2; VI,16 B. 2 Aquilo GLo1Pa8V2V4BTr; Aquilo sive Boreas Ep. Cf. Ov. Met. 6,675 ff.: Boreas. 3 Erechthei Erictei V2; Erithei G; Eruthei Lo1; Eructhey V4; Ericrei B; Eurithy Tr; Erictei Ep, add. Orithyiam nomine. 4 vellet Lo1 Pa8V4BTrEp; nollet G. 6 Zeten Zetum V2TrEp; Cetum G; Zelum Lo1V4; Zecrum B. 6 – 7 Calain Calaim Ep; Talay GB; Kaloy Lo1; Kalay V2; Fralais V4; Thalay Tr. 19 generantur gn generantur G, sed del. gn. 23 Vel dic add. alia Moralitas G in marg.

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LIBER VII

Liber septimus

Buch 7

Iamque fretum Minye Pagasea etc. 461

Und schon durchquerten die Minyer das Meer auf dem Schiff aus Pagasae etc. 461

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Cum Iason et socii eius pro acquirendo vellere aureo in Colchos insulam navigarent, recepti sunt in hospitio Phinei regis ceci. Qui Phineus rex ad instantiam uxoris sue, pessime noverce, filios suos occiderat. Qua de causa ordinatione deorum excecatus est et tres aves rapacissime, que Harpyie vocantur, que etiam propter rapacitatem dicuntur canes Iovis, mense eius sunt apposite; 463 que mensas eius fedarent et cibos raperent et vorarent et de gutture eius capiebant. Zetes igitur et Calais, filii Aquilonis, istas Harpyias fugaverunt et miserum senem ab ipsis liberaverunt easque usque ad insulas Strophades persequentes; 464 ibidem, ne persequerentur, voces canum Iovis audierunt. Propter quod redierunt et a persecutione cessaverunt. Insule ergo ille Strophades, id est reversio, 465 dicte sunt pro eo, quod inde a persecutione Harpyiarum cessantes redierunt. Phineus autem ipsis Argonautis columbam previam dedit, que iter ad Colchos insulam, ubi erat vellus aureum, preostendit.

Erste Erzählung 462 Als Jason und seine Gefährten zur Insel Colchis segelten, um das Goldene Vlies zu gewinnen, wurden sie vom blinden König Phineus gastlich aufgenommen. Der König Phineus hatte seine Söhne auf inständiges Drängen seiner Gattin, ihrer furchtbaren Stiefmutter, getötet. Deshalb wurde er auf Anordnung der Götter geblendet, und drei überaus räuberische Vögel, die Harpyien heißen und wegen ihrer Raubsucht auch ›Hunde Jupiters‹ genannt werden, wurden an seinen Tisch gesetzt. 463 Diese besudelten seine Speisen, raubten das Essen und verschlangen es und rissen es ihm aus dem Mund. Zetes und Calaïs, die Söhne des Aquilo, vertrieben nun diese Harpyien und befreiten den beklagenswerten Alten von ihnen, und sie verfolgten sie bis zu den Strophaden-Inseln. 464 Dort hörten sie die Stimmen der Hunde des Jupiter, dass sie sie nicht weiter verfolgen sollten. Deshalb kehrten sie um und ließen von der Verfolgung ab. Jene Inseln wurden also Strophaden, d. h. ›Umkehr‹, genannt, 465 weil sie dort von der Verfolgung der Harpyien abließen und umkehrten. Phineus aber gab den Argonauten eine vorausfliegende Taube, die ihnen den Weg zur Insel Colchis wies, wo sich das Goldene Vlies befand.

2 Pagasea Ov. Met. 7,1; Pegasea G. 5 Colchos LLo1V4Ep; Colcos GV2B. 6 in hospitio Lo1Lo2Pa8 V4Tr; in honosto hospitio G; hospitio B; in hospitium Ep. 8 noverce Pa8V4Ep; novere G; noverce eorum Lo1BTr. 12 mense mese G. 14 vorarent Lo1Lo2V4BTrEp; vorabant G; foraverunt Pa8. 14 – 15 capiebant Lo1Lo2Pa8V4Ep; capiebat G; om. BTr. 15 Zetes Zetus V4TrEp; Cetus G; Zelus Lo1; Celius V2; Cecus B. 15 Calais V4Ep; Chatay G; Kaloy Lo1; Kasay V2; Calay B; Thalay Tr. 16 fugaverunt V4Ep; fugierunt G. 18 Strophades V4Ep; Placias G; Plotyas Lo1; Plocias V2B; Ploties Tr. 19 – 20 ne . . . audierunt GLo2BTr; ne plus persequerentur, voces Iovis audierunt LLo1; ne ulterius ipsas persequerentur, prohibiti sunt Ep. 21 – 22 Strophades V4; Trophadas G; Trophades V2Tr. – Phazidos, que postmodum Strophades dicte sunt V4; ille, que prius Plote vocabantur Strophades Ep. 24 Phineus Lo1V2Ep; Phine G. 25 previam Lo1BTrEp; primam GLV4.

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Moraliter

Moralisierung

Phineus a fenerando dictus est 466 in modum avaritie. Sed ut Fulgentius vult, Phineus cecus fingitur, quia omnis avarus sua non videt nec umquam respicit habita 467 nec adhuc videt habitura. Ideo Harpyie cibos eius rapiunt, quia tenacitas noverca dispensationis et 468 rapax aliene substantie de suo gustare non permittit. Quod vero mensas eius fedant, innuit feneratorum vitam omnibus, ut probat Horatius 469 , sordidam. Sed eas a conspectu eius Zetus et Calais fugant, quia grece ›zetein‹, latine ›inquirere‹, ›kalon‹, ›bonum‹ dicimus. Hi volatici perhibentur, quia omnis inquisitio boni terrenis non umquam miscetur rebus: ideo Aquilonis filii, quia boni inquisitio spiritualis est, non carnalis. Igitur veniente bonitate omnis rapina fugatur. 470 Iste Phineus potest significare Adam, qui ad instantiam noverce nostre Eve nos

Phineus leitet sich von ›fenerando‹, 466 ›Wucher treiben‹, im Sinn von Habgier ab. Aber wie Fulgentius will, stellt man sich Phineus blind vor, weil jeder Habgierige seinen Besitz nicht sieht und niemals auf das, was er gehabt hat, zurückblickt, 467 noch weiter im Blick hat, was er haben wird. Daher rauben ihm die Harpyien sein Essen, weil das raffgierige Festhalten von fremdem Hab und Gut, die Stiefmutter vernünftiger Verteilung, 468 nicht zulässt, seinen Besitz zu genießen. Dass sie aber seinen Tisch besudeln, kennzeichnet, wie Horaz beweist, 469 das in den Augen aller schändliche Leben der Wucherer. Aber Zetes und Calaïs vertreiben diese aus seinem Blick, weil auf Griechisch ›zetein‹, lateinisch ›inquirere‹ [›aufsuchen‹], ›kalon‹, ›bonum‹, [›gut‹] heißt. Diese werden geflügelte Wesen genannt, weil jedes Suchen des Guten niemals mit irdischen Dingen gemischt ist: daher die Söhne des Aquilo, weil die Suche des Guten geistlich, nicht fleischlich ist. Also wird jeder Raub durch die Ankunft der Güte vertrieben. 470 Dieser Phineus kann Adam bedeuten, der auf Drängen unserer Stiefmutter Eva

2 – 19 Phineus . . . fugatur deest. BTr. 3 avaritie add. ponitur, cuius vanae divitiae multo labore acquisitae et solerti sollicitudine veluti paterna intentione servatae sunt. Hae dum in bonos usus aperte expenduntur et ipso splendore suo clarent et possessores claros facere non dubitantur. Cum vero a paterna tenacitate, quae idoneae dispensationis est noverca, ad sinistram partem custodiendae magis quam expendendae reponuntur nec ipsae quippe in terris positae vel inconditae apperere vel fugere possunt, nec dominos suos largitatis gloria splendidos reddunt. Hinc videtur, quod ex novercae delatione et filiis mors et patri caecitas immissa dicatur. LLo1Lo2Pa8V2V4Ep (textus sec. Ep – ad verbum excerptus est ex Myth. Vat. III,5,6, S. 173f.; ibid. apte pro aperte). 4 sua LLo1Lo2V2Ep; se ipsum G; se et sua Pa8V4. 6 – 7 cibos Lo1Pa8V4Ep; om. G. 7 rapiunt Lo1Pa8 V4Ep; rapuit G. 7 – 8 tenacitas noverca dispensationis et G; tenacitas Lo1Lo2Pa8V4Ep. 9 – 10 mensas . . . fedant V2Ep; mensas eius fedant vel fetent G; mensas eius fetent Lo2V4; eius prandia fedantur LLo1. 10 feneratorum LLo2V2Ep; fenerator GLo1; feneratorem (vitandum omnibus) V4. 12 Calais Ep; Chay G, sed add. -ta- supra lin.: Chayta. 13 zetein Ep; zeton GLo2; zelus LLo1; zetum Pa8V4. 14 kalon V2Ep; katav G; kaloy LLo1; kalulon Lo2; calan Pa8. 14 volatici GLo2Pa8V2; volatiles LLo1; volati V4; volare Ep. 15 boni V2 Fulg., Mit. III,11; Myth. Vat. III,5,6; bonis GLo1Lo2Pa8V4; de bonis Ep. 15 – 16 terrenis . . . rebus Fulg., Mit. III,11; Myth. Vat. III,5,6; terrenis . . . bonis . . . rebus GV4Ep. 19 fugatur fugaturur G.

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omnes, filios suos, occidit et morti, pene et culpe generaliter subiecit, quando ad instinctum uxoris peccavit. Quapropter extitit excecatus, inquantum lumine gratie est privatus et de lumine paradisi eiectus et in mundi caligine relegatus, figuratus in Sedechia rege ducto in Babyloniam et relegato et excecato a Nabuchodonosor. Harpyie etiam, aves crudeles et immunde, id est demones, dati sunt ei in penam et exercitium, qui cibos virtutis ab ipso raperent et mensam cordis sui malarum cogitationum fecibus macularent. Sed argonauta Iason, id est Christus, ad hospitium regis ceci, scilicet Adam, in navi uteri virginalis applicuit ibique ab isto columbam, id est benignam humanitatem, accepit et sic canes istos, id est diabolos, per filios Aquilonis alatos, id est per apostolos et predicatores, fugavit et ad insulam inferni veniens boves ignem spirantes, id est demones, superans et draconem vigilem, id est Luciferum, vincens. Inde vellus aureum, id est sanctarum animarum spolium, reportavit. Vellus enim aureum, quod a dracone vigili custodiebatur, significat illam sanctarum animarum quantitatem, que in inferis captiva a diabolo tenebatur. Quam secum portavit et Harpyias, id est demones, qui Adam et genus humanum maculaverant, effugavit; de diabolo enim dictum fuit Iob 41: Stravit sibi aurum sicut lutum, 471 de Christo dictum

uns alle, seine Söhne, tötete und uns insgesamt dem Tod, der Strafe und der Schuld unterwarf, als er auf Anstiften seiner Gattin sündigte. Deshalb zeigt er sich erblindet, sofern er des Lichts der Gnade beraubt ist, aus dem Licht des Paradieses geworfen und in das Dunkel der Welt verbannt wurde; nachgebildet ist er auch in König Sedechias, der von Nabuchodonosor [Nebukadnezar] nach Babylon gebracht, verbannt und geblendet wurde [4. Reg. 25,1– 7]. Die Harpyien, grausame und unreine Vögel, d. h. die Dämonen, wurden ihm zur Strafe und Übung gegeben. Diese rauben ihm das Essen der Tugend und besudeln den Tisch seines Herzens mit dem Auswurf schlechter Gedanken. Aber der Argonaut Jason, d. h. Christus, landete in seinem Schiff, dem Schoß der Jungfrau, bei der Gastfreundschaft des blinden Königs, nämlich Adams, und empfing dort von ihm eine Taube, d. h. das gütige Menschsein, und vertrieb so diese Hunde, d. h. die Teufel, durch die geflügelten Söhne des Aquilo, d.h. durch die Apostel und Prediger. Und er kam zur Insel der Unterwelt und überwandt die feuerspeienden Rinder, d.h. die Dämonen, und er besiegte den WächterDrachen, d.h. den Teufel. Von dort brachte er das Goldene Vlies, d.h. die Beute der heiligen Seelen, zurück. Denn das Goldene Vlies, das von dem wachsamen Drachen gehütet wurde, bedeutet jene Schar von heiligen Seelen, die in der Hölle vom Teufel gefangen gehalten wurde. Diese brachte er mit sich und vertrieb die Harpyien, d.h. die Dämonen, die Adam und das Menschengeschlecht besudelt hatten; denn vom Teufel wurde in Iob 41,21 gesagt: ›Er streute Gold wie Dreck hin.‹ 471 Von Christus wurde im

1 filios dupl. filios G. 1 pene Lo1Pa8V4BTrEp; perpetuo G. 2 culpe cupe G, sed add. -l- supra lin. 6 relegatus LLo1BTrEp; religatus GLo2Pa8V4. 6 – 7 Sedechia Ep; Sedochia G. 7 relegato LLo1BEp; religato GLo2Pa8V4; relegatus Tr. 9 immunde Lo1Pa8V2V4BEp; immude GTr. 15 Adam GLLo1Pa8V4B; Adae TrEp. 15 uteri GLo1Pa8V4B; in uteri Ep. 32 aurum Lo1Pa8V4BTrEp; aureum G.

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est in Psalmo: Vivet et dabitur ei de auro Arabie. Vel dic, quod Phineus cecus est malus sacerdos, qui dei nautis, id est mundi viatoribus, dat columbam, id est Spiritum Sanctum vel sacramentum, communionem ministrando, que ipsos ad vellus aureum paradisi ducit et dirigit, dato quod ipse sit peccator et cecus et ignorans et obstinatus, dato quod concubina sua ipsum decipiat et quod filios, id est parochianos, per mala documenta et exempla occidit. Sacramenta enim per malos sacerdotes non vitiuntur, licet per ipsos mortis exempla prebeantur. Vel dic, quod Phineus cecus est peccator obstinatus et cecus, ab Harpyiis, id est demonibus, infestatus, cibis virtutum privatus et multis vitiis maculatus. Qui tamen ab ipsis liberatus, quando a filiis Aquilonis, id est a mundi tribulationibus, visitatur. Vel allega de hospitalitate, quod illi, qui bonos in hospitio recipiunt, multa bona quandoque ab eis percipiunt. Fabula secunda 472

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Colchos est insula in mari mediterraneo, 473 ubi antiquitus fuit rex Eetes, filius Solis. Iste igitur in quodam tenemento 474 vel templo habebat inclusum vellus aureum, quod inter mundi divitias quid maximum videbatur, et ita factum erat per incantationes, quod nullus poterat illud vellus acquirere, nisi multa pericula pertransiret. Erant enim

Psalm 71,15 gesagt: ›Er wird leben, und ihm wird vom Gold Arabiens gegeben werden.‹ Oder sag, dass der blinde Phineus ein schlechter Priester ist, der den Seefahrern Gottes, d.h. den Wanderern in der Welt, eine Taube gibt, d.h. den Heiligen Geist oder das Sakrament, indem er die Kommunion darreicht, die sie zum Goldenen Vlies des Paradieses führt und leitet, obwohl er selbst ein Sünder und blind, unwissend und verbohrt ist, obwohl seine Buhlerin ihn täuscht und er seine Söhne, d. h. die Pfarrkinder, durch schlechte Lehren und Beispiele tötet. Die Sakramente werden nämlich durch schlechte Priester nicht verletzt, mögen durch sie auch Beispiele des Todes gezeigt werden. Oder sag, dass der blinde Phineus ein hartnäckiger und blinder Sünder ist, der von den Harpyien, d.h. von Dämonen, angegriffen und der Speisen der Tugenden beraubt und von vielen Lastern besudelt wird. Dennoch wird er von ihnen befreit, wenn er von den Söhnen des Aquilo, d. h. von den Leiden der Welt, heimgesucht wird. Oder führe über die Gastfreundschaft an, dass jene, die gute Menschen gastlich aufnehmen, manchmal viel Gutes von ihnen empfangen. Zweite Erzählung 472 Colchis ist eine Insel im Mittelmeer, 473 wo in alten Zeiten Aeëtes, der Sohn des Sol, König war. Dieser hielt nun in einem königlichen Gut 474 oder Tempel das Goldene Vlies eingeschlossen, das unter den irdischen Reichtümern für das Größte gehalten wurde; und so geschah es auch mit Hilfe von Zauberei, dass niemand jenes Vlies erwerben konnte, wenn er nicht viele Gefah-

7 que GLo1Lo2V4BTr; quod Pa8; qui Ep. 17 demonibus BTrEp; demoniis G; om. V4. 21 hospitalitate LLo1Lo2V2V4BTrEp; hospite G; hospitio Pa8. 22 recipiunt Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 25 Colchos GLLo1V4 TrEp; Colcos V2B. 26 Eetes Aetes Ep; Oetes GV2B; Cretes Lo1; Ceres V4; Oetas Tr. 27 tenemento G; om. LLo1V2V4BTrEp. 30 – 31 per . . . quod V4TrEp; quod per incantationes G.

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ibi in certo loco tauri cum pedibus ereis, qui ignem ore vomebant et totum circumstantem aerem inflammabant et, quicquid contingere poterant, comburebant. Quos primo oportebat per violentiam capere et eos iugo subicere et cum eis terram sulcare pariter et arare. Erat ibi draco vigilans et igne, quem emittebat, omnia circumadiacentia inflammabat, qui arietem aurei velleris custodiebat et iter intrantibus oppositum obstabat. Istum igitur necesse erat occidere et dentes eius accipere et eos in arato agro cum bobus flammigeris seminare. Ex quibus dentibus seminatis milites armati dicunt statim nasci, qui contra se invicem pugnare debebant, ita quod mutuis cedibus deperirent. Erat autem ordinatum a rege, quod quicumque predicta discrimina sustinere posset, arietis vellus libere deportaret. Iason igitur Thessalus illuc usque pro acquirendo vellere navigavit. Quem ut vidit Medea, filia Eetis, que erat in cunctis artibus doctissima, ipsum dilexit et facto pacto, quod eam secum abduceret, modum evitandi pericula ipsum docuit, ita quod tam herbis quam carminibus eum sic munivit, quod et boves flammigeros arare coegit, vigilem serpentem occidit et dentes eius seminavit et de terra milites armatos nasci vidit et eos invicem occidere post aspexit. Et sic vellus aureum habuit et cum Medea furtive ad

ren bestand. Dort gab es nämlich an einem bestimmten Ort Stiere mit ehernen Hufen, die Feuer aus ihrem Maul spieen und die umgebende Luft vollständig entflammten und alles, was sie erreichen konnten, verbrannten. Zuerst musste man diese gewaltsam einfangen und sie dann in ein Joch spannen und mit ihnen im Gespann die Erde aufbrechen und pflügen. Es gab dort einen wachsamen Drachen, und er setzte mit dem Feuer, das er ausspie, in seiner Umgebung alles in Brand. Dieser bewachte den Widder des Goldenen Vlieses und versperrte den Eintretenden den Weg. Ihn musste man also töten und seine Zähne nehmen und sie in das mit den feuerspeienden Ochsen gepflügte Feld säen. Aus den ausgesäten Zähnen, sagt man, erwuchsen sogleich bewaffnete Soldaten, die sich gegenseitig bekämpfen mussten, so dass sie sich gegenseitig töteten. Es war aber vom König angeordnet worden, dass derjenige, der die genannten Gefahren meistern konnte, das Widdervlies ungehindert mitnehmen durfte. Der Thessalier Jason segelte nun dorthin, um das Vlies zu erwerben. Als Medea, die Tochter des Aeëtes, die in allen Künsten sehr gelehrt war, diesen sah, verliebte sie sich in ihn und mit der Zusicherung, dass er sie mit sich nehme, lehrte sie ihn, wie er den Gefahren auszuweichen habe, so dass sie ihn sowohl mit Kräutern als auch mit Zaubersprüchen so schützte, dass er die feuerspeienden Ochsen zu pflügen zwang, den wachsamen Drachen tötete und seine Zähne aussäte, wie auch aus der Erde bewaffnete Soldaten hervorwachsen sah und danach beobachtete, wie sie sich gegenseitig töteten. Und so erhielt er das Goldene Vlies und kehrte mit Medea heimlich

9 aurei V4Ep; auri GTr. 11 occidere Lo1Pa8V4BTrEp; tenere G. 18 sustinere Lo1Pa8V4BTrEp; subicere G. 19 libere V4BTrEp; om. G. 20 Thessalus Lo2Ep; Thesalas GV2BTr; Tessalia LLo1; Thessalias Pa8V4. 21 ut om. G, sed. add. supra lin. 24 abduceret V4; adduceret G; aduceret B; duceret TrEp.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

propria remeavit, sicut ponit hic Ovidius et ponitur in principio de historia Troiana. 475

in sein eigenes Land zurück, so wie es Ovid hier erzählt und wie es zu Beginn der Trojanischen Geschichte dargestellt wird. 475

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Per vellus aureum possum intelligere temporales divitias et maxime ecclesie. Ista enim sunt vellus, id est possessio ecclesie, id est arietis, quod ordinatum est ad tunicas pauperum faciendas. Per Iasonem intelligo bonum prelatum, qui illud vellus vult acquirere, id est ad ecclesias et prebendas pervenire. Per boves flammigeros intelligo crudeles tyrannos, per draconem vigilem intelligo diabolum, per regem intelligo deum patrem, per Eetis filiam intelligo virginem gloriosam vel etiam sapientiam cunctis artibus eruditam. Dico ergo, quod Iason, id est quicumque prelatus, qui vellus aureum, id est bona, que sunt in templo regis celestis, id est in ecclesia, debite cupit acquirere, debet primo cum filia sua, id est beata virgine vel sapientia, familiaritatem habere et amicitiam per devotionem acquirere, Prov. 7: Dixi sapientie: Soror mea es etc. Deinde ad istum pertinet, quod boves flammigeros, id est hereticos et tyrannos, subditos rixosos et protervos, de quibus dicitur Eccli. 20: Apertio oris inflammatio, iugo discipline subiciat et quod eos per correctionem expugnet et recte incedere cogat et

Moralisierung Unter dem Goldenen Vlies kann ich den irdischen Reichtum, und zwar besonders der Kirche, verstehen. Dieser ist nämlich ein Vlies, d.h. der Besitz der Kirche, das meint des Widders [Christus], das dazu bestimmt ist, Bekleidung für die Armen anzufertigen. Unter Jason verstehe ich einen guten Prälaten, der jenes Vlies erwerben will, d.h. zu Kirchen und Pfründen gelangen will. Unter den feuerspeienden Ochsen verstehe ich grausame Tyrannen, unter dem wachsamen Drachen verstehe ich den Teufel, unter dem König Gottvater, unter der Tochter des Aeëtes verstehe ich die glorreiche Jungfrau oder auch die Weisheit, die über alle Künste verfügt. Ich sage also, dass Jason, d.h. irgendein Prälat, der das Goldene Vlies, d.h. die Güter, die im Tempel des himmlischen Königs sind, d.h. in der Kirche, gebührlich zu erlangen wünscht, zuerst mit seiner Tochter, d. h. mit der seligen Jungfrau oder mit der Weisheit, Bekanntschaft schließen und in frommer Haltung Freundschaft erlangen muss, Prov. 7,4: ›Ich sagte der Weisheit: ›Du bist meine Schwester‹‹ etc. Dann ist es seine Aufgabe, feuerspeiende Ochsen, d.h. Häretiker und Tyrannen, aufsässige und streitsüchtige Untertanen, von denen es in Eccli. 20,15 heißt: ›Die Öffnung des Mundes ist ein Brand‹, dem Joch der Zucht zu unterwerfen und sie durch Korrektur zu besiegen und dazu zu

24 – 294,4 Deinde . . . portavit deest Pa8. 4 possum GLLo1Pa8V2V4B; possumus TrEp. 6 – 7 possessio ecclesie, id est G; om. LLo1Lo2Pa8V4Ep; possessio arietis B; possessio arietis, id est Christi Tr. 12 – 14 per draconem . . . patrem LLo1V2V4BEp; per draconem vigilem intelligo deum patrem GLo2; per draconem vigilem debemus intelligere diabolum infernalem, per regem vero nos intelligamus deum patrem omnipotentem Tr. 23 Prov. 7 Prov. 6 G. 25 – 26 subditos . . . protervos coni.; subditos et protervos GLo2; subditos protervos LLo1V4Ep; subditos risos et protervos B; subditos rixosos, iracundos et protervos Tr. 27 Eccli. 20 Eccli. 9 G.

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arare faciat per penitentiam terram cordis sui dicens illud Thren. 3: Bonum est viro, cum portaverit iugum domini etc. Item ad ipsum pertinet draconem, id est diabolum, superare et dentes eius, id est temptationes et morsus, predicando seminare, ut sic possit terra, id est subiecta patria 476 armatos milites, id est bonos et fideles homines, pullulare, quorum alter alterum possit et sciat spiritualiter impugnare et vitam carnalem occidere, Lc. 8: Exiit, qui seminat, seminare semen suum. Tunc enim miles militem interficit, quando iustus in alio iusto documentis et exemplis aliis vitam carnalem occidit, ita quod tunc proprie quisque dicat illud ad Gal. 2: Vivo ego, iam non ego, vivit in me Christus. Talis ergo Iason, id est prelatus, si sic fecerit, vellus aureum poterit obtinere. Vel dic, quod Iason est Christus, qui assumpta uxore Medea, id est nostra humanitate, boves, id est tyrannos, iugum fidei subire coegit et protervos et obstinatos domuit, sicut patet de Paulo, et ipsos terram predicando sulcare coegit. Draconem, id est diabolum, superavit, dentes eius, peccatores in ecclesia, seminatos per fidem milites suos fecit, quorum tamen instigante diabolo alter contra alterum per detractionem et invidiam nunc consurgit, sicut dicitur Mt. 10: Tradet frater fratrem in mortem. Sic igi-

zwingen, richtig zu leben, und sie durch Reue dazu zu bringen, die Erde ihres Herzens zu pflügen, indem er jenes Wort aus Lam. 3,27 sagt: ›Gut ist es für einen Mann, wenn er das Joch des Herrn trägt‹ etc. Ebenso ist es seine Aufgabe, den Drachen, d.h. den Teufel, zu überwinden und seine Zähne, d.h. Versuchungen und beißende Kritik, in der Predigt zu säen, so dass die Erde, d.h. der untergebene Sprengel 476 , bewaffnete Soldaten, d. h. gute und gläubige Menschen, auf diese Weise zeugen kann, von denen der eine den anderen geistlich zu bekämpfen und das fleischliche Leben zu töten fähig ist und versteht, Lc. 8,5: ›Es ging hinaus ein Sämann, zu säen seinen Samen.‹ Dann nämlich tötet der Soldat den Soldaten, wenn der Gerechte in einem anderen Gerechten durch Unterweisungen und andere Beispiele das sündige Leben tötet, so dass ein jeder dann für sich selbst jenes Wort Gal. 2,20 sagen kann: ›Ich lebe, nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir.‹ Ein solcher Jason, d. h. Prälat, wird also, wenn er so gehandelt hat, das Goldene Vlies erlangen können. Oder sag, dass Jason Christus ist; nachdem er Medea zur Frau genommen, d.h. unser Menschsein angenommen hatte, zwang er die Ochsen, d.h. Tyrannen, dazu, sich unter das Joch des Glaubens zu beugen, und er zähmte die aufsässigen und verbohrten Menschen, wie es bei Paulus zu sehen ist, und er zwang sie durch Predigen dazu, die Erde zu pflügen. Den Drachen, d.h. den Teufel, überwand er, seine gesäten Zähne, die Sünder in der Kirche, machte er durch das Säen des Glaubens zu seinen Soldaten; von diesen erhebt sich jedoch auf Anstiftung des Teufels hin der eine gegen den anderen durch Verleumdung und Neid, wie es in Mt. 10,21 heißt: ›Ein Bruder wird

4 id est LLo2V4BTrEp; in GLo1. 7 terra . . . patria V2Tr; subiecta patria GLLo1Lo2V4Ep; in terra, id est subiecta patria B. 16 Gal. 2 Gal. 20 G. 22 tyrannos Lo1V4BTrEp; fidei tyrampnos G.

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tur vellus aureum, quod draco servabat, id est sanctorum patrum collegium sustulit et secum in patriam, unde venerat, id est in paradisum, portavit. 5

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seinen Bruder dem Tod übergeben.‹ So also nahm er das Goldene Vlies, das der Drache bewachte, d.h. die Schar der heiligen Väter, und führte sie mit sich in seine Heimat, von woher er gekommen war, d.h. ins Paradies.

Fabula tertia 477 Sicut ponit Ovidius, Medea filia Eetis regis mirabilis incantatrix erat, ita quod lucem in tenebris subito convertebat, ventos inducebat et pluvias, coruscationes et grandines et terre motus, et flumina retroire faciebat, arbores florere et senes ad iuventutis gloriam revocabat. Hec etiam quendam currum habebat, quem duo dracones portabant et eam ad colligendum herbas et ad speculandum sidera undique deferebant. Ista igitur amore Iasonis victa patriam et regnum, cuius erat heres, dereliquit et in Thessaliam cum Iasone fugit. Patris etiam divitias secum tulit. Moraliter Istud potest dici contra malitiam malarum mulierum, que arte mirabili sciunt homines incantare in tantum, quod in suis incantationibus generant tenebras ignorantie, ventos superbie, coruscationes concupiscentie. Si sunt senes, faciunt eos per lasciviam iuvenes effici. Dracones, id est demones, 478 currum sue levis voluntatis agitant et per instabilem vagabilitatem eas undique portant. Iste amore fatuorum iuvenum quandoque patrem et patriam deserunt; paternis

Dritte Erzählung 477 Wie Ovid erzählt, war Medea, die Tochter des Königs Aeëtes, eine außerordentliche Zauberin, so dass sie plötzlich Licht in Dunkelheit verwandelte, Winde und Regen, Blitze, Hagel und Erdbeben aufziehen und Flüsse rückwärts fließen ließ, Bäume blühen hieß und Greise zu strahlender Jugend zurückführte. Auch hatte sie einen Wagen, den zwei Drachen zogen und sie überall hinbrachten, zum Sammeln von Kräutern und zur Betrachtung der Sterne. Diese verließ nun, überwältigt von der Liebe zu Jason, ihre Heimat und das Reich, dessen Erbin sie war, und floh mit Jason nach Thessalien. Den Reichtum ihres Vaters nahm sie ebenfalls mit sich. Moralisierung Dies kann gegen die Boshaftigkeit schlechter Frauen gesagt werden, die mit ihrer erstaunlichen Kunst die Männer so sehr zu bezaubern wissen, dass sie mit ihren Zaubersprüchen das Dunkel der Unwissenheit, Winde des Hochmuts, Blitze der Begierde hervorrufen. Wenn sie alt sind, bewirken sie, dass sie in der Begierde jung werden. Drachen, d.h. Dämonen, 478 ziehen den Wagen ihres unsteten Willens, und durch unbeständiges Umherschweifen bringen sie sie überall hin. Diese verlassen aus Liebe zu törichten jungen Männern bisweilen Vater und Heimat; nachdem sie die vä-

5 Fabula tertia VII,3–32 deest Pa8. 1 – 2 id est TrEp; in GLo1Lo2V4; om. B. 2 patrum dupl. patrum G. 9 pluvias Lo1V2V4TrEp; pluias G; om. B. 18 Thessaliam Lo1Ep; Thesaliam G. 23 in GLo1V2V4BTr; om. Ep. 25 concupiscentiae add. vel contumeliae in tantum, quod ipsos faciunt per curiositatem florere et Ep.

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thesauris ereptis, hereditate et verecundia postpositis secum vadunt. Providere igitur debent talium mulierum parentes, ne lascivos iuvenes cum filiabus suis admittant, unde Eccli. 26: In filia non avertente se firma custodia. Bene igitur consulitur in eodem: Non omnem hominem inducas in domum tuam. Fabula quarta 479

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Medea fugiens cum Iasone fratrem suum secum duxit. Sed cum Eetem patrem suum se persequentem videret, fratrem suum membratim divisit et in via patris venientis proiecit, qui cum inde colligendis membris filii retardavit et fugiendi ad navem spatium sibi dedit. Et sic tardato patre cum Iasone adultero navigavit. Moraliter

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Ista possunt historialiter allegari contra impietatem malarum mulierum, que propter ardorem sue libidinis adimplende non abhorrent quandoque homicidia terribilia perpetrare, sicut patet et moderno tempore de Isbelia, regina Anglie, que nobilissimum regem Anglie, dominum Edoardum, propter sue libidinis horrorem veneno, ut liberius cum Rogerio de Mortuomari milite et comite adulterari posset, crudelissime fecit interfici, 480 similis per omnia Athalie, de qua

terlichen Schätze an sich gebracht haben, und unter Geringschätzung von Erbe und Scham gehen sie mit ihnen. Die Eltern solcher Frauen müssen also dafür sorgen, dass sie keine zügellosen jungen Männer zu ihren Töchtern lassen. Daher heißt es Eccli. 26,13: ›Eine starke Bewachung sei bei der Tochter, die sich nicht abwendet.‹ Gut also wird ebenda geraten [Eccli. 11,31]: ›Bring nicht jeden Menschen mit in dein Haus.‹ Vierte Erzählung 479 Auf ihre Flucht mit Jason nahm Medea ihren Bruder mit. Da sie aber sah, dass ihr Vater Aeëtes sie verfolgte, zerstückelte sie ihren Bruder und warf die einzelnen Glieder dem nachkommenden Vater in den Weg. Dieser wurde daher beim Aufsammeln der Glieder seines Sohnes langsamer und gab ihr Zeit, zum Schiff zu fliehen. Und so segelte sie, weil der Vater aufgehalten wurde, mit dem Ehebrecher Jason davon. Moralisierung Dies kann im Literalsinn gegen die Ruchlosigkeit schlechter Frauen angeführt werden; weil diese darauf brennen, ihre Begierde zu erfüllen, schrecken sie manchmal nicht davor zurück, grässliche Morde zu begehen. Dies ist auch in heutiger Zeit offensichtlich bei Isabel, der Königin von England, die den vortrefflichsten König von England, ihren Herrn Edward, in ihrer rasenden Begierde äußerst grausam mit Gift töten ließ, um ungehindert mit Roger Mortimer, einem Ritter und Grafen, Ehebruch begehen zu können 480 – durchaus ähnlich der Athalia, von

2 secum GLo1V2V4BTr; cum eis Ep. 2 Providere GV2BTr; providere sibi LLo1Lo2V4Ep. 6 custodia GLLo1V4Tr; custodiam Lo2V2BEp/Vulg. 23 – 29 sicut . . . interfici G; Sicut legitur de uxore Childerici regis Francorum, quae proprium maritum fecit occidi, ut libere cum Landrico milite posset adulterari. LLo1Lo2 V2BTrEp (sec. Ep); Sicut legitur de uxore Hilderici regis Francorum et etiam Enriardi (?) regis Anglorum, que proprios maritos fecerunt occidi, ut libere una cum Landrico milite et altera cum Rugero de mortuo mari adulterari possent V4. 26 ut LLo1Lo2V4BTrEp; om. G. 29 similis . . . legimus G; et de Athalie legimus Lo2V4Ep; etiam de Athalie legimus LLo1V2BTr.

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legimus 4. Reg. 11, que libidine dominandi omne semen regium interfecit. Unde bene dicitur Eccli. 25: Brevis est omnis malitia super malitiam mulierum. Vel dic, quod Medea est anima peccatrix, que cum Iasone, id est diabolo, per vitia fornicatur et ideo fratrem suum Christum, quem secum per gratiam deferebat, solet peccando destruere et membra eius, id est virtutes, proicere. Et sic sepe fit, quod pater suus, id est deus, ipsam e manibus suis dimittit et eam non persequitur nec punit, sed cum diabolo derelinquit, Ps.: Dimisi eos secundum desideria cordis eorum. Fabula quinta 481 Medea in Thessaliam ducta patrem Iasonis dictum Esonem antiquissimum ad annos iuveniles reduxit. Fecit enim quandam confectionem herbarum mirabilem et adiunctis carminibus simul commiscuit. Que dum misceret super ignem in lebete et vellet temptare, si esset bene paratum, virgam siccam apposuit, que continuo floruit. Stilla etiam in terra cadens herbas crescere statim fecit. Antiquus etiam aries occisus et in lebete positus statim agnus iuvenculus est effectus. Esonem igitur occidens et veterem sanguinem extrahens in lebetem posuit et cum artus eius de sucis herbarum imbuti essent, vires recuperavit et iuvenis magis quam filius factus fuit. Quod videns Bac-

der wir in 4. Reg. 11,1 lesen: Diese tötete in ihrer Herrschsucht ›die ganze königliche Nachkommenschaft.‹ Richtig heißt es daher Eccli. 25,26: ›Gering ist alle Bosheit im Vergleich zu der Bosheit der Frauen.‹ Oder sag, dass Medea die sündige Seele ist, die mit Jason, d.h. dem Teufel, in Lastern hurt und daher ihren Bruder Christus, den sie durch Gnade mit sich führte, durch Sündigen in sich zu vernichten und seine Glieder, d.h. die Tugenden, wegzuwerfen pflegt. Und so geschieht es häufig, dass ihr Vater, d.h. Gott, sie aus seiner Obhut entlässt, sie nicht verfolgt und auch nicht bestraft, sondern sie beim Teufel bleiben lässt, Ps. 80,13: ›Ich entließ sie dem Verlangen ihres Herzens entsprechend.‹ Fünfte Erzählung 481 Medea, in Thessalien angekommen, versetzte den sehr alten Vater Jasons, Aeson mit Namen, in ein jugendliches Alter zurück. Sie bereitete nämlich eine wunderbare Zusammenstellung von Kräutern und mischte sie unter Zugabe von Zaubersprüchen zusammen. Während sie diese über dem Feuer in einem Becken mischte und prüfen wollte, ob es wohl gut zubereitet sei, legte sie einen trockenen Zweig hinein, der sogleich erblühte. Auch ein Tropfen, der auf die Erde fiel, ließ sofort Kräuter wachsen. Auch ein alter Widder wurde getötet, und, in das Becken gelegt, wurde er sofort zu einem jungen Lamm. Also tötete sie Aeson und nahm ihm das alte Blut ab und legte ihn in das Becken, und, als seine Glieder mit dem Saft der Kräuter durchspült waren, erlangte er seine Kräfte wieder und wurde ein jüngerer Mann als sein Sohn. Als Bac-

1 4. Reg. 11 4. Reg. 2 G. 3 Eccli. 25 Eccli. 29 G. 3 est omnis G, dupl. est G; omnis Lo1TrEp/Vulg.; om. est omnis Lo2V2V4B. 11 ipsam Lo1V4BTrEp; ipsum G. 11 e manibus coni.; in manibus codd. et Ep. 12 – 13 punit V2V4BTrEp; puniit G. 16 Thessaliam Lo1Ep; Tesaliam GTr; Tessaliam B. 19 herbarum Lo1V4BTrEp; om. G. 25 Antiquus Anqus G, sed add. -ti- supra lin.

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chus rogavit eam, quod nutrices suas Helicen et Cynosuram, 482 que iam erant vetule, iuvenes faceret, quod et statim fecit.

chus dies sah, bat er sie, dass sie seine Ammen Helice und Cynosura, 482 die schon alte Frauen waren, verjünge, was sie auch sogleich tat.

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Talis Medea incantatrix videtur esse predicator, qui incantare videtur audientes, inquantum ipsos inducit ad credendum et faciendum contra propositum voluntatis, Ps.: Audiet vocem incantantium. 483 Iste enim est, qui herbis et carminibus, id est verbis et exemplis, homines senes iuvenes esse facit, inquantum scilicet illos, qui sunt vitiis antiquati, per penitentiam moraliter renovat ad virtutes. Iste enim debet super omnia herbas bonorum verborum in lebete penitentie accendere, sanguinem veterem, id est antiqua peccata, per confessionem expellere et suco penitentie et lacrimarum artus penitentis imbuere; et sic pro certo faciet ipsum ad spiritualis iuventutis gloriam revenire. Sic enim mutantur arietes in agnos, id est peccatores in iustos, virge sicce in florentes, antiqui in iuvenes et iniqui in innocentes, Ps.: Renovabitur ut aquile iuventus tua. Fabula sexta 484

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Pelias invidens Iasoni nepoti suo 485 ipsum ad vellus aureum sub specie glorie acquirende demisit; sed illud fuit ad finem, quod ibi finaliter moreretur. Sciebat enim peri-

Moralisierung Eine solche Zauberin Medea scheint ein Prediger zu sein, der die Zuhörer zu bezaubern scheint, sofern er sie dazu bringt, gegen den Vorsatz ihres Willens zu glauben und zu handeln, Ps. 57,6: ›Sie wird die Stimme von Zauberern hören.‹ 483 Denn dieser ist es, der durch Kräuter und Zaubersprüche, d. h. durch Worte und Beispiele, bewirkt, dass Alte jung werden, sofern er nämlich jene, die durch ihre Laster alt geworden sind, durch Buße moralisch zur Tugendhaftigkeit erneuert. Er muss nämlich vor allem Kräuter guter Worte im Becken der Buße erhitzen, das alte Blut, d. h. die alten Sünden, durch das Bekenntnis austreiben und mit dem Saft der Buße und der Tränen die Glieder des Büßenden durchströmen. Und so wird er ihn gewiß zum Ruhm geistiger Jugend zurückkehren lassen. So nämlich werden Widder in Lämmer verwandelt, d.h. Sünder in Gerechte, vertrocknete Zweige in blühende, Alte in Junge und Schuldige in Unschuldige, Ps. 102,5,: ›Deine Jugend wird wie die des Adlers erneuert werden.‹ Sechste Erzählung 484 Aus Neid schickte Pelias seinen Neffen Jason 485 mit der Aussicht auf Ruhmgewinn zum Goldenen Vlies; aber dies geschah zu dem Zweck, dass er dort schließlich um-

26 Fabula sexta VII,7 LLo1Lo2V2V4BTrEp. 1 – 2 Helicen Stilidem GLo2; Celidem LLo1V2B; Eolidem V4; Elidem Tr; Scilidem Ep. 2 Cynosuram Cinosuram Ep; Cinonosoram G; Sinorosam Lo1; Cinosoram V2; Amorosam V4; Etinosoxam B; Hermasoram Tr. 16 accendere LV2V4BTr; ebstrahere G; attendere Lo1Lo2Ep. 19 penitentis GLo1Lo2Lo2BTr; pietatis Ep; om. V4. 22 in Lo1V4BTrEp; om. G. 24 aquile V4BEp/Vulg.; aquila GTr. 27 Pelias Ep; Peleus vel Pelleus codd. 28 – 29 acquirende GLo1B; adquerende V4; accipiende Tr; acquirendum Ep. 29 ad finem Lo1BTrEp; ad illam finem G; ad illum finem V4.

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cula esse tanta, quod, qui hoc attemptaret aggredi, non rediret. Sic tamen factum est, quod ipse victor cum gloria rediit et sic avunculus, in quo sibi nocere credidit, utilis fuit. – Idem de Perseo misso ad Gorgonem occidendum, ut ab ea lapidificaretur, ab invido rege Polydecte apparuit. Qui contra spem ipsius regis Gorgonem occidit, et sic, unde mortem sperabatur acquirere, gloriam acquisivit. 486 Moraliter

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Istud potest dici contra invidos, qui solent mala intentione sub specie alicuius boni aliis periculum intentare. Divina tamen misericordia ad invidorum maiorem cruciatum sic deceptis subvenit et contra spem gloriam et victoriam eis concedit, exemplo Ioseph, qui venditus a fratribus dixit illud Gen. 50: Vos cogitatis de me malum, deus autem vertit illud in bonum. [Ps.-]Chrysostomus super illud Mt. 21: Quod invidia est semper sibi inimica. Nam qui invidet, sibi ignominiam et illi, cui invidet, gloriam parat. 487 Sic patet de Pelia, qui nepotem suum occidere voluit et ipse occisus est per Medeam, que cum aureo vellere venerat. – Polydectes etiam a capite Gorgonis lapidificatus est, per quod Perseum lapidificandum credidit. Sic plerumque accidit, quod invidi in eo, in quo alios occidi volunt, ipsi occi-

käme. Er wusste nämlich, dass die Gefahren so groß seien, dass derjenige, der dies zu unternehmen versuchte, nicht zurückkehren würde. Dennoch kam es so, dass er als Sieger mit Ruhm zurückkehrte, und so war der Onkel ihm nützlich mit dem, womit er ihm zu schaden glaubte. – Dasselbe traf bei Perseus ein, der von dem neidischen König Polydectes ausgeschickt wurde, die Gorgo zu töten, damit er von ihr versteinert würde. Entgegen der Erwartung des Königs tötete er die Gorgo, und so erwarb er statt des ihm gewünschten Todes Ruhm. 486 Moralisierung Dies kann gegen Neider gesagt werden, die mit böser Absicht unter dem Schein einer guten Sache andere in Gefahr zu bringen pflegen. Das göttliche Mitleid aber kommt zur größeren Qual der Neider den so Getäuschten zur Hilfe und gewährt ihnen gegen die Erwartung Ruhm und Sieg, nach dem Beispiel Josephs, der, von seinen Brüdern verkauft, jenes Wort Gen. 50,20 sagte: ›Ihr sinnt auf Böses gegen mich, Gott aber wendet es zum Guten.‹ [Ps.-]Chrysostomos sagt zu Mt. 21, dass ›der Neid sich immer selbst zum Feind wird; denn wer neidisch ist, bereitet sich selbst Schimpf und Schande und demjenigen, den er beneidet, Ruhm.‹ 487 So zeigt es sich bei Pelias, der seinen Neffen töten wollte und selbst durch Medea, die mit dem Goldenen Vlies gekommen war, getötet wurde. – Auch Polydectes wurde vom Medusenhaupt versteinert, durch das, wie er glaubte, Perseus sicher versteinert würde. So geschieht es meistens, dass Neider durch das Mittel, durch das sie andere töten wollten, selbst den Tod

27 – 299,6 Polydectes . . . adveniet ei VII,8 V4. 6 ea V2BTrEp; eo GLLo1Lo2; eis V4. 7 Polydecte Polidecto V2B; Policrato G; Pollidecto Lo1; Policecto V4; Polidore Tr; Polidesto Ep. 9 unde Lo1V4BTrEp; ut G. 19 Gen. 50 Gen. 44 G. 20 – 21 Chrysostomus Crisostomus Lo1; Crisostimus G. 21 21 22 G. 27 Gorgonis LLo1Lo2V2BTrEp; Gorgone G; Gorgonum V4. 30 alios Lo1V4BTrEp; om. G.

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duntur, exemplo Aman Esth. 7, qui in eadem trabe, quam paraverat Mardocheo, suspensus est. Unde bene dicitur Eccli. 27: Qui fodit foveam, incidit in eam, et qui statuit lapidem capiti proximi sui, cadet super illum usque adveniet ei. 488 Fabula septima 489

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Cum Pelias, patruus Iasonis, ipsum summo persequeretur odio, Medea volens eum vindicare finxit se odium habere cum Iasone et ad domum Pelie fugiens et Iasonis ingratitudinem arguens coram filiabus, inter cetera recitabat, quomodo Esonem, patrem eius, ad iuventutem revocaverat. Quo audito spes subiecta est filiabus Pelie patrem suum senem et morbidum posse iuvenem fieri tali modo. Quod vix a Medea filie impetrantes tandem concessit et de ariete iuvene facto coram eis artem suam, ut predictum est, probavit. Igitur facto pretio Medea ollam cum herbis inutilibus congerit et filias ad occidendum patrem et ad extrahendum sanguinem veterem statim mittit. Quo facto filie iugulatum patrem, ut iuvenescat, in ollam mittunt ipsumque reviviscere credunt. Sed quia ficta maga herbas inutiles pro utilibus posuerat, nihil valuit et Peliam manu

erleiden müssen, nach dem Beispiel Amans in Esth. 7,10, ›der an demselben Balken, den er für Mardochäus vorbereitet hatte, aufgehängt wurde.‹ Richtig heißt es daher Eccli. 27,29f.: ›Wer eine Grube gräbt, fällt selbst hinein und, wer einen Stein für den Kopf seines Nächsten bestimmt, wird selbst von ihm getroffen‹ bis zu ›von wo es zu ihm kommt.‹ 488 Siebte Erzählung 489 Da Pelias, der Onkel Jasons, diesen mit äußerstem Hass verfolgte, wollte Medea ihn rächen, und sie gab deshalb vor, Jason zu hassen. Sie floh ins Haus des Pelias und bezichtigte vor dessen Töchtern Jason der Undankbarkeit. Unter anderm berichtete sie, wie sie Aeson, seinen Vater, in die Jugend zurückgeführt habe. Als die Töchter des Pelias dies hörten, keimte Hoffnung bei ihnen auf, dass ihr alter, kranker Vater auf die gleiche Weise verjüngt werden könne. Kaum erwirkten die Töchter dies von Medea, doch schließlich gestand sie es ihnen zu und stellte ihre Kunst, wie vorher gezeigt, durch die Verjüngung eines Widders vor ihnen unter Beweis. Nach Festlegung einer Entlohnung stellt Medea nun einen Kessel mit unwirksamen Kräutern zusammen und schickt sogleich die Töchter los, ihren Vater zu töten und sein altes Blut zu entnehmen. Als dies geschehen war, legen die Töchter ihren ermordeten Vater in den Kessel, um ihn zu verjüngen, und sie glauben, er werde wiederbelebt. Weil die trügerische Zauberin aber unwirksame Kräuter anstelle wirksamer genommen hatte, bewirkte sie nichts, und so tötete sie Pelias

7 Fabula septima VII,6 LLo1Lo2V2V4BTrEp. 1 Esth. 7 Esth. 6 G. 1 – 2 eadem Lo1V2V4TrEp; eodem G; om. B. 3 Eccli. 27 Eccli. 20 G. 8 Pelias Ep; Peleus codd. 15 subiecta est Lo1V4TrEp; subiecta G; sublata B. 15 Pelie Ep; Peleum GLo1BTr; om. V4. 16 morbidum GLLo1Lo2BTr; moribundum V2V4Ep. 18 concessit Lo1V2V4TrEp; om. GB. 20 – 21 ollam Lo1V4BTrEp; om. G. 23 Quo Lo1V2V4BEp; quod G; que statim Tr. 24 iugulatum V4; iugulum GLLo2V2; iugulantes Lo1; iugulaverunt TrEp. 27 Peliam Ep; Peleum codd.; om. V4.

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filiarum occidit. Que statim ascenso curru tracto a draconibus evolavit.

durch die Hand seiner Töchter. Sie bestieg sogleich ihren Wagen, der von Drachen gezogen wurde, und flog davon.

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Istud allegari potest historialiter contra proditores, qui sub dissimulatione multa promittunt. Ut eis credatur, odia et amicitias fingunt et sub specie boni iniquum consilium dant. Fatuum est ergo, talibus credere et maxime, si sunt inimici vel inimicis familiares, unde Eccli. 12: Non credas inimico tuo in eternum. Vel dic, quod Medea est diabolus, qui sub specie boni quandoque hominem decipit et iuventutem morum et virtutum promittit ipsumque per magnas abstinentias occidi consulit. Qui tandem in olla inferni eum decoquit et promissis utilibus herbas inutiles sibi tradit. Sed pro certo talis finaliter non resurgit.

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Iason audiens immanitatem criminis Medee, quomodo proditiose Peliam avunculum suum occiderat, dato quod inimicus esset ipsius, factum tamen nefandum abhorruit ipsamque abominari incipiens aliam, scilicet Creusam, 491 Creontis filiam, superduxit. Medea ergo zelotypa et invida vestem venenatam in pignus amoris Creuse dedit. Quam cum induisset, veneno combu-

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Moralisierung Dies kann im Literalsinn angeführt werden gegen Verräter, die mit Verstellung vieles versprechen. Damit man ihnen glaubt, fingieren sie Hass und Freundschaften, und unter dem Schein des Guten erteilen sie einen schlechten Rat. Dumm ist es daher, solchen Glauben zu schenken und zwar besonders, wenn sie Feinde sind oder Vertraute von Feinden. Daher heißt es Eccli. 12,10: ›Glaube nie deinem Feind.‹ Oder sag, dass Medea der Teufel ist, der unter dem Schein des Guten bisweilen einen Menschen täuscht und die Erneuerung der Sitten und Tugenden verspricht und dazu rät, dass er sich durch übertriebene Enthaltsamkeit tötet. Er kocht ihn schließlich im Kessel der Hölle und gibt ihm statt der versprochenen nützlichen unwirksame Kräuter. Gewiß aber wird ein solcher am Ende nicht wieder auferstehen. Achte Erzählung 490 Als Jason von dem entsetzlichen Verbrechen Medeas hörte, wie sie auf verräterische Weise seinen Onkel Pelias getötet hatte, schauderte er trotz dessen Feindseligkeit vor der ruchlosen Tat zurück und, weil er begann, sie [Medea] zu verabscheuen, heiratete er eine andere, nämlich Creusa, 491 die Tochter des Creon. Daher gab Medea aus Eifersucht und Neid Creusa ein vergiftetes Kleid als Liebespfand. Als diese es angelegt hatte, wurde sie von dem Gift

20 Fabula octava VII,9 V4. 1 ascenso GBTr; om. et . . . evolavit LLo1Lo2V2V4Ep. 5 dissimulatione GLo1V2V4BTr; simulatione Ep. 9 inimicis Lo1Lo2V4TrEp; inimici GB. 16 consulit consulut G, sed corr. 17 herbas GV2B; promissa sanitate herbas LLo1; herbis Lo2V4TrEp. 21 immanitatem GLo1V4BTr; inhumanitatem Ep. 22 Peliam Ep.; Peleum codd. 26 Creusam TrEp; Crerusam G; Cerusam Lo1V4B; Cerisam V2. 26 Creontis TrEp; Terontis G; Cereutis Lo1; Ceretis V4.

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sta periit. Plinius tamen ›De naturali historia mundi‹ libro 2 492 de mirabilibus ignium dicit, quod Medea cum maltha pelicem succendit, dum appropinquaret ad aras. Medea ergo de Iasone vindicare se volens duos filios suos, quoniam patri erant similes, occidit et postea a facie Iasonis fugit. Et sic matrimonii Iasonis et Medee, quod per amorem corruptum inchoatum fuerat, detestabilis finis fuit. Moraliter

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Istud historialiter allegari potest contra tales vanos amores, quomodo scilicet matrimonia, que contra voluntatem parentum contrahuntur, finem flebilem sortiuntur. Exinde sequitur fame perditio, parentum perturbatio, invidie stimulatio, perditiosa machinatio, homicidiorum perpetratio et finalis separatio. Vel dic allegorice, quod Iason est deus, cuius prima uxor fuit synagoga, que fratrem suum Absyrtum, id est Christum, primo occidit et alia crimina multa fecit, propter quod deus ipsam merito contempsit et aliam, scilicet ecclesiam, superduxit. Ipsa igitur superinducte ecclesie invidens ipsam venenosa veste diversorum errorum continue nititur inducere et igne diversorum criminum concremare. Filios etiam proprios, id est Iudeos, diversis erroribus interficit et a viro suo deo et eius fide effugit, ut de ipsa dicatur illud Prov. 2: Reliquit ducem puber-

verbrannt und starb. Jedoch sagt Plinius im zweiten Buch der ›Historia naturalis‹ 492 über die wunderbaren Eigenschaften des Feuers, dass Medea die Nebenbuhlerin mit Maltha [einer Art brennenden Schlamms] anzündete, während sie sich den Altären näherte. Weil sich Medea nun an Jason rächen wollte, tötete sie ihre beiden Söhne, da sie dem Vater ähnlich waren, und floh danach aus dem Angesicht Jasons. Und so fand das Ehebündnis Jasons und Medeas, das mit verdorbener Liebe angefangen hatte, ein abscheuliches Ende. Moralisierung Dies kann im Literalsinn gegen solche eitlen Liebschaften angeführt werden, nämlich wie Ehen, die gegen den Willen der Eltern eingegangen werden, ein unglückliches Ende finden. Daraus folgt der Verlust des guten Rufs, die Verwirrung der Eltern, Anstiftung zum Hass, Verderben bringende List, Begehen von Morden und am Ende die Trennung. Oder sag allegorisch, dass Jason Gott ist, dessen erste Gattin die Synagoge war, die zuerst ihren Bruder Absyrtus, d.h. Christus, tötete und dann zahlreiche weitere Verbrechen beging. Deshalb verachtete Gott sie zu Recht und nahm eine andere zur Frau, nämlich die Kirche. Da sie nun neidisch auf die Heirat mit der Kirche ist, strebt sie ständig danach, sie mit einem giftigen Gewand verschiedener Irrlehren zu bekleiden und mit dem Feuer verschiedener Vergehen zu verbrennen. Sie tötet sogar ihre eigenen Söhne, d.h. die Juden, durch verschiedene Irrlehren und flieht vor ihrem Mann Gott und vor dem Glauben an ihn, so dass von ihr jenes Wort aus Prov. 2,17 ge-

3 maltha V2; in alta GV4; malca Lo2Ep; multa B; altera Tr; om. Plinius . . . aras LLo1. 3 pelicem pellice n G, sed corr. 7 – 8 matrimonii LLo1Lo2Ep; matrimonium GV4BTr. 22 Absyrtum Absirtum Lo1BEp; Arsiretum G; Abstructum V2; om. V4Tr. 26 superinducte ecclesie Lo1V4Ep; superducta G; superinducte id est ecclesie B; superinducte scilicet ecclesie Tr. 31 a viro Lo1V4BTrEp; amico G.

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tatis sue et pacti dei sui oblita est et inclinata est ad mortem domus eius. Vel dic, quod prima uxor viri iusti est caro, secunda est anima, quia caro primo formatur, antequam anima creetur. Igitur quando accidit, quod aliquis prime uxori superinducit secundam et quod relicto carnis amore diligit animam et Medee, id est carnis, crimina abhorrens, caro invidere anime videtur. Et ideo pro ea occidenda ipsam veste ardenti et venenosa, id est concupiscentia, induere nititur, ut sic malis desideriis comburatur et spiritualiter occidatur, Gal. 5: Caro concupiscit adversus spiritum etc. Vel dic, quod Iason est deus, Medea est diabolus, Creusa homo. Igitur videns Medea, id est diabolus, a deo se contemptum et loco eius ad celi gloriam hominem superinductum invidit homini et ideo vestem venenosam, id est mundane prosperitatis, ipsum in pignus amoris falsi induit et fraudulenter sibi applaudit. Et sic eum diversis concupiscentiis comburit et per diversa crimina perimit et occidit, Sap. 2: Invidia diaboli mors intravit in orbem terrarum. Vel dic, quod Creusa est Adam, vestis venenosa est pomum vetitum a Medea, id est a diabolo, sibi oblatum, propter quod venenum concupiscentie ipsum statim combussit.

sagt werden kann: ›Sie verließ den Führer ihrer Jugend und vergaß das Bündnis mit ihrem Gott, und ihr Haus neigte sich dem Tode zu.‹ Oder sag, dass die erste Gattin eines gerechten Mannes das Fleisch ist, die zweite die Seele, weil das Fleisch zuerst gebildet wird vor der Erschaffung der Seele. Wenn es also geschieht, dass jemand nach der ersten Frau die zweite heiratet und dass er nach Verlassen der fleischlichen Liebe die Seele liebt und die Vergehen Medeas, d.h. des Fleisches, verabscheut, hasst das Fleisch die Seele offenbar; und um sie zu töten, sucht es deshalb, sie mit einem brennenden und giftigen Kleid, d.h. mit der Begierde, zu bekleiden, so dass sie auf diese Weise von schlechten Wünschen verbrannt und geistlich getötet wird, Gal. 5,17: ›Das Fleisch begehrt gegen den Geist‹ etc. Oder sag, dass Jason Gott ist, Medea der Teufel, Creusa der Mensch. Da nun Medea, d.h. der Teufel, sieht, dass er von Gott verachtet und an seiner Stelle der Mensch zur himmlischen Glorie geführt wird, beneidet er den Menschen und legt ihm deshalb ein giftiges Kleid, d.h. des weltlichen Glücks, als Pfand der falschen Liebe an und spendet ihm trügerisch Beifall. Und so verbrennt er ihn mit verschiedenen Begierden und zerstört und tötet ihn durch verschiedene Vergehen, Sap. 2,24: ›Durch den Neid des Teufels trat der Tod in die Welt.‹ Oder sag, dass Creusa Adam ist, das vergiftete Kleid der verbotene Apfel, der ihm von Medea, d.h. dem Teufel, gereicht wurde, weshalb das Gift der Begierde ihn sogleich verbrannte.

27 – 31 Vel . . . combussit deest LLo1Lo2V2V4Ep. 2 mortem domus LLo1Lo2V2Ep; domum GBTr; deus V4. 8 et GLLo1BTr; id est Lo2; om. V4Ep. 9 abhorrens GLo2V2V4Tr; abhorret LLo1; abhominans B; obhorrens Ep. 12 induere Lo1V4BTrEp; inducere G. 19 hominem Lo1V4BTrEp; om. G. 20 homini V4Ep; om. GLLo1Lo2V2BTr. 25 Sap. 2 Sap. 5 G. 31 combussit BTr; comburxit G.

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LIBER VII

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Fabula nona 493

Neunte Erzählung 493

Orpheus cum a Ciconibus interfectus esset et caput eius in flumine proiectum tandem ad ripam delatum, quod cum quidam draco comedere vellet, in lapidem est mutatus.

Als Orpheus von den Ciconierinnen getötet und sein Haupt in einen Fluss geworfen worden war, wurde dieses schließlich ans Ufer getrieben. Als ein Drache es fressen wollte, wurde er in Stein verwandelt.

Moraliter

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Sic vere illi dracones dicuntur bene lapidei fieri, id est duri et crudeles et obstinati, qui Orpheum occisum, id est pauperes et oppressos, adhuc post afflictionem querunt comedere per rapinam vel per avaritiam devorando. Fabula decima 494

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Cerambus in diluvio Deucalioneas undas dicitur evasisse et nympharum auxilio salvatus fuisse. Moraliter

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Sic pro certo homo vitiorum diluvium dicitur tunc evadere, quando ad nymphas, id est ad sanctos, per orationem recurrit. Fabula undecima

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Bacchus habuit quendam filium, qui Thyoneus vocabatur. 496 Qui cum quadam die

Moralisierung Wahrlich zu Recht heißen jene Drachen versteinert, d. h. hart, grausam und verstockt, die den getöteten Orpheus, d.h. die Armen und Unterdrückten, noch nach ihrem Ruin aufzufressen versuchen, indem sie sie durch Raub oder Habgier verschlingen. Zehnte Erzählung 494 Cerambus soll während der Sintflut den deucalionischen Fluten entkommen und mit Hilfe von Nymphen gerettet worden sein. Moralisierung So soll der Mensch gewiss der Flut der Sünden dann entkommen, wenn er durch Gebet zu den Nymphen, d.h. zu den Heiligen, seine Zuflucht nimmt. Elfte Erzählung 495 Bacchus hatte einen Sohn, der Thyoneus hieß. 496 Als dieser eines Tages einen jungen

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1 Fabula nona VII,10 V4. 13 Fabula decima VII,11 V4. 21 Fabula undecima VII,12 V4. 2 Orpheus V2BTrEp; Cepheus GLLo1Lo2V4. 2 a Ciconibus coni.; afflictionibus G; a siconibus LV4B; affectionibus Lo1; a sirenibus Tr; a mulieribus populorum Ciconum Ep. Cf. nurus Ciconum, Ov. met. 11,3. 4 quod cum coni.; cum GTrEp; eum V4; om. B. 5 mutatus add. ut plenius adhuc infra patebit scilicet li. xi. Ep. 7 bene Lo1Lo2V4BEp; vere G; om. Tr. 10 post afflictionem GLLo1Lo2V2V4Ep; om. BTr. 11 – 12 comedere . . . devorando LLo1Lo2V4Ep; eos comedere per avaritiam devorando G; comedere et per rapinam et avaritiam devorare B; per rapinam et avaritiam comedere et ipsum devorare Tr. 14 Cerambus Lo1V2V4; Cerambius G; Coranibus B; Geranius Tr; Cherambus Ep. 14 Deucalioneas undas coni. (cf. Ov. Met. 7,356); Deuchalioneas G; Deucalionis LLo1V4BTrEp. 15 – 16 salvatus codd.; sublatus in aera et salvatus Ep. 22 – 23 Thyoneus Tyoneus V2; Thioneus Ep; Cioneus G; Geoneus V4; Cyoneus BTr.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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iuvencum inventum in quadam silva rapuisset et eum insequeretur ille, cuius erat iuvencus, et quasi apprehenderet, misertus filii sui Bacchus iuvencum in cervum mutavit. Et sic rusticus cervum videns Thyoneum abire permisit.

Stier in einem Wald fand und ihn raubte, und ihn der Besitzer des jungen Stieres verfolgte und ihn beinahe fasste, erbarmte sich Bacchus seines Sohnes und verwandelte den Stier in einen Hirsch. Und als der Bauer so den Hirsch sah, ließ er Thyoneus ziehen.

Moraliter

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Bacchus, id est vinum, significat ebrietatem, que pro certo taurum in cervum mutat, quando rusticum ebrium sic illudit, quod taurum vel arietem cervum putat. Vel dic, quod Bacchus et filius significant latrones, qui postquam aliquid fuerint furati, solent illud transformare, ne cognoscantur. Sicut patet de scissoribus, qui de tunica faciunt cappam et econtrario, Reg. 14: Commuta habitum, ne cognoscaris. Fabula duodecima 497

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Corythus quia spernebat deos, interfectus est a diis honore sepulture denegato. Quem cum pater eius vellet sepelire, fulminatus est a Iove. Moraliter

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Istud allega contra deos seculi, id est tyrannos, qui illos, qui se contemnunt et adulationibus et muneribus non honorant, solent invadere et eorum parentes et amicos, si eis bonum fecerint, rapinis et tribulationibus fulminare.

Moralisierung Bacchus, d.h. der Wein, bedeutet die Trunkenheit, die gewiss einen Stier in einen Hirsch verwandelt, wenn sie einen trunkenen Bauern so täuscht, dass er einen Stier oder Widder für einen Hirsch hält. Oder sag, dass Bacchus und sein Sohn Räuber bedeuten, die nach einem Diebstahl das Gestohlene zu verwandeln pflegen, um nicht erkannt zu werden. So sieht man es bei den Schneidern, die aus einer Tunika einen Mantel machen und umgekehrt, 3. Reg. 14,2: ›Wechsle deine Kleidung, damit du nicht erkannt wirst.‹ Zwölfte Erzählung 497 Weil Corythus die Götter verachtete, wurde er von den Göttern getötet und ihm wurde die Ehre einer Bestattung verweigert. Als sein Vater ihn beerdigen wollte, wurde er von Jupiter mit dem Blitz erschlagen. Moralisierung Wende dies gegen die irdischen Götter an, d.h. gegen die Tyrannen, die gegen diejenigen, die sie verachten und sie nicht mit Schmeicheleien und Geschenken ehren, vorzugehen und deren Eltern und Freunde, wenn sie ihnen Gutes getan haben, mit Beraubung und Plagen hart zu treffen pflegen.

18 Fabula duodecima VII,13 V4. 5 mutavit mutuit G, sed add. -a- supra lin. 9 – 10 mutat n mutat G, sed corr. sartoribus V2. 17 Reg. 14 Reg. 13 G. cissoribus GLLo1BTr; ......

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15 scissoribus Lo2V4Ep;

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Fabula decima tertia 498

Dreizehnte Erzählung 498

Cum Hercules filios interfecisset pro eo, quod Meram uxorem suam prostituerant, Mera de hoc dolens mutata est in canem, 499 quod factum expiari non potuit, donec victis Lacedemoniis Hercules templum fecit, in quo nobilium iuvenes sacrificari statuit. Ad quod sorte ducta fuit Helena, sed eam, ne sacrificaretur, aquila rapuit. Et sic cognitum est, quod Helena veraciter filia Iovis fuit. 500

Als Hercules seine Söhne getötet hatte, weil sie seine Gattin Maera zur Hure gemacht hatten, wurde die darüber trauernde Maera in einen Hund verwandelt. 499 Diese Tat konnte nicht gesühnt werden, bis Hercules nach dem Sieg über die Spartaner einen Tempel erbaute, in dem – so legte er es fest – junge Leute aus dem Adel geopfert werden sollten. Dazu wurde Helena durch Los bestimmt, doch ein Adler raubte sie, damit sie nicht geopfert würde. Und so erkannte man, dass Helena wahrhaftig die Tochter Jupiters war. 500

Moraliter

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Sic vere cum Hercules, deus scilicet, videret, quod uxor sua, scilicet humana natura, per filios suos, scilicet Adam et Evam, fuerat maculata, occidit eos et morti, culpe et poene adiudicavit, ita quod ipsa mater eorum, scilicet humana natura, in canem mutata est, inquantum vilis et reproba facta est. Hercules igitur ad expiandum huius crimina voluit templum ecclesie fundare. In quo voluit sibi nobiles pueros, id est Christum et martyres, per mortem et martyrium immolari. A quo tamen Helena liberatur, inquantum scilicet fragili aliquorum sexui parcitur, ne per martyrium immoletur. Sicut canitur in Hymno: Tu vincis in martyribus parcendo confessoribus. 501 Vel dic, quod Helena fuit humana natura in Christo, que a morte per aquilam

Moralisierung Als Hercules, nämlich Gott, sah, dass seine Gattin, die menschliche Natur, durch seine Söhne, Adam und Eva, befleckt worden war, tötete er sie und setzte sie dem Tod, der Schuld und der Strafe aus, so dass ihre Mutter, die menschliche Natur, in einen Hund verwandelt wurde, sofern sie ihre Würde und ihre Stellung verlor. Um deren Vergehen zu sühnen, wollte Hercules nun den Tempel der Kirche gründen. Er wollte, dass ihm in diesem adlige junge Männer, d. h. Christus und die Märtyrer, durch Tod und Martyrium geopfert würden. Davon wurde Helena jedoch befreit, sofern nämlich das schwache Geschlecht einiger Menschen verschont wird, im Martyrium geopfert zu werden. So wird im Hymnus gesungen: ›Du siegst durch die Märtyrer und schonst die Bekenner.‹ 501 Oder sag, dass Helena die menschliche Natur in Christus war, die durch den Adler dem Tod entrissen wurde, als sie durch sein

1 Fabula decima tertia VII,14 V4. 2 filios GEp; filios suos LLo1V4BTr; suos Lo2. 3 Meram V2V4BEp; Metam G; Megeram Tr. 4 Mera V2 V4B; Meta G; Megera Tr; Moera Ep. 5 expiari Lo2V4TrEp; expirari GB; experiri LLo1. 8 sorte LLo1BTrEp; forte GV2V4. 19 – 20 huius crimina GLo1V4B; huius Tr; huiusmodi crimina Ep. 27 parcendo GLo1V4BTr; parcisque Ep.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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eripitur, quando per divinitatem suscitatur, ita quod Iovis, id est dei, esse propria filia comprobatur, Mt. 14: Vere filius dei erat iste. Vel Helena est beata virgo, cui deus a martyrio carnis pepercit, quia in filii morte martyrium cordis tulit.

Gottsein auferweckt wurde, so dass sie sich als wahre Tochter Jupiters, d.h. Gottes, erwies, Mt. 14,33: ›Wahrhaftig, dieser war der Sohn Gottes.‹ Oder Helena ist die selige Jungfrau, die Gott von dem Martyrium des Körpers verschonte, da sie beim Tod ihres Sohnes das Martyrium des Herzens ertrug.

Fabula decima quarta 502

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Filie Eoli regis compatientes Herculi de hoc, quod tantas persecutiones passus fuerat a Iunone, maledicebant Iunoni, que irata mutavit aliquas earum in cervas cornutas, alias in vaccas. Moraliter

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Et sic nostre iuvencule domicelle iam cerve et vacce esse dicuntur, inquantum cornute et elate et lascive fiunt, Is. 3: Elate sunt filie Syon. Fabula decima quinta 503

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Telchines fuerunt tres fratres invidissime nature; invidebant enim successibus omnium proximorum. Unde agros vicinorum aquis Stygiis aspergebant et steriles faciebant. Quod videns Iupiter submersit eos in mare, ne amplius similia perpetrarent.

Vierzehnte Erzählung 502 Weil die Töchter des Königs Aeolus mit Hercules wegen seiner vielen Verfolgungen, die er durch Juno erlitt, Mitleid hatten, schmähten sie Juno. Diese wurde zornig und verwandelte die einen von ihnen in gehörnte Hirschkühe, die anderen in Kühe. Moralisierung Und so sind, wie man sagt, unsere jungen adligen Mädchen nun Hirschkühe und Kühe, sofern sie gehörnt und stolz und zügellos werden, Is. 3,16: ›Stolz sind die Töchter Zions.‹ Fünfzehnte Erzählung 503 Die Telchinen waren drei Brüder von äußerst neidischem Wesen; denn sie neideten allen Nachbarn ihre Erfolge. Daher besprengten sie die Felder der Nachbarn mit Wasser des Styx und machten sie so unfruchtbar. Als Jupiter dies sah, versenkte er sie im Meer, damit sie ähnliches nicht mehr begingen.

8 Fabula decima quarta VII,15 V4. 19 Fabula decima quinta VII,16 V4. 3 Mt. 14 Mt. 36 G. 9 Filie . . . compatientes LLo1Lo2; filie Cey (Coli Tr) regis compatientes GV2BTr; filie Eoli regis seu Coe matres compatientes Ep; filia Oeli regis compatientis V4. Cf. Coae . . . matres Ov. Met. 7,363. 13 vaccas add. cornua dando frontibus earum Ep. 20 Telchines Ep; Telachini G; Telechyn Lo1; Telechim V2B; Telechmi V4; Telechini Tr. 20 invidissime Lo1V4V2BTrEp; indignisseme G.

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Moraliter

Moralisierung

Tales enim sunt apud nos hodie invidi multi, qui de aliorum successibus cruciantur, quia secundum [Ps.-]Senecam quot sunt bona felicium, tot sunt invidorum tormenta. 504 Isti agros vicinorum, id est prosperitatem eorum, aquis Stygiis infernalibus, id est infamiis et detractionibus, aspergunt, quia de eis omnia mala dicunt et fertilitatem et felicitatem eorum auferunt. Tales a Iove, id est a deo, merentur in mare precipitari, id est ad mundi vel inferni amaritudinem, condemnari. De talibus dicit Alanus in libro ›De planctu Nature‹: Invidus famam alienam aut detractione lacerat aut taciturnitate furatur. Sapientie enim gloriam degloriat livor inglorius. 505 Hoc ille. Multe mutationes ponuntur hic ab Ovidio: 506 Dicit enim quod Alcidamas et filia sua colentes festa Veneris, cum se summo amore diligerent, oraverunt, ne alter alteri superviveret. Factum est ergo miseratione deorum, quod in columbas mutarentur. 507

Von solcher Art gibt es heute bei uns viele Neider, die unter den Erfolgen der anderen leiden, weil nach [Ps.-]Seneca ›so viele Güter die Glücklichen haben, so viele Qualen die Neider‹. 504 Diese besprengen die Felder ihrer Nachbarn, d. h. ihren Wohlstand, mit dem Unterweltswasser des Styx, d.h. mit übler Nachrede und Verleumdungen, weil sie über sie alles mögliche Abträgliche sagen und ihnen so ihren Erfolg und ihr Glück nehmen. Solche werden von Jupiter, d.h. von Gott, zu Recht ins Meer gestürzt, d.h. zur Bitterkeit der Welt oder der Hölle verdammt. Von solchen sagt Alanus in seinem Buch ›De Planctu Naturae‹: Der Neider beschädigt den guten Ruf eines anderen durch Verleumdung oder er stiehlt ihn durch Schweigen. ›Unrühmliche Mißgunst befleckt nämlich den Ruhm der Weisheit.‹ 505 So dieser. Noch viele Verwandlungen werden hier von Ovid angeführt: 506 So sagt er nämlich, dass Alcidamas und seine Tochter die Feste der Venus feierten, und weil sie sich sehr liebten, baten sie darum, dass der eine den anderen nicht überlebe. Also geschah es aus Mitleid der Götter, dass sie in Tauben verwandelt wurden. 507

Fabula decima sexta 508 25

Combe etiam, filia Ophi, cum haberet filios, qui libidine regnandi in terra ipsius eam occidere vellent, mutata est in avem et sic

Sechzehnte Erzählung 508 Weil Combe, die Tochter des Ophius, Söhne hatte, die begierig, in ihrem Land zu herrschen, sie deshalb töten wollten, wurde sie in einen Vogel verwandelt, und durch das

18 – 23 Multe . . . mutarentur VII,16 LLo1TrEp; VII,17 V4. – Cf. Anm. 506ff. 24 Fabula decima sexta VII,17 LLo1Ep; VII,15 V2B; VII,18 V4; VII,16 Tr. 3 cruciantur Lo1V4BTrEp; cructiantur G, sed corr. crutiantur. 16 gloriam V2BTrEp; glorie GLLo1V4. 19 Alcidamas GV2; Altidaces V4; Alchidamas BEp; Altidamas Tr. 21 ne Lo1V4BTrEp; de G. 23 deorum Lo1V4BTrEp; dearum G. 25 Combe Cimbe G; Cymbe Lo1V2; Orbe V4; Cymba Tr; Iambe Ep. 25 Ophi LLo1Lo2V2V4; Alphy G; Cyphy B; Ephy Tr; Ophphi Ep. Cf. Ophias . . . Combe Ov. Met. 7,383.

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miseratione deorum et filios evasit et mortem.

Mitleid der Götter entkam sie so ihren Söhnen wie auch dem Tod.

Fabula decima septima 509

Siebzehnte Erzählung 509

Menephron vesana corruptus libidine concubiturus erat cum matre, 510 sed vindicta deorum mutatus est in canem.

Menephron, von rasender Begierde besessen, wollte mit seiner Mutter schlafen, 510 aber durch die Strafe der Götter wurde er in einen Hund verwandelt.

Fabula decima octava 511

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Nepos Cephisi fluminis Phebo se pretulit. Ideo eum Phebus in phocam beluam marinam 512 mutavit. 513 Fabula decima nona 514 Eumelus Eoli vicarius habuit filiam, quam Mercurius voluit opprimere, que mutata est in avem. 515

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Moraliter Istud applica contra incestuosos, maxime contra illos, qui horribili copula concumbunt cum parentibus, quia scilicet tales in columbas vel in canes mutantur, quia more columbarum et canum horribilem luxuriam exsequuntur. Inter columbas et canes

Achtzehnte Erzählung 511 Der Enkel des Flusses Cephisus hielt sich für Phoebus überlegen. Deshalb verwandelte Phoebus ihn in eine Robbe 512 , ein Meerestier. 513 Neunzehnte Erzählung 514 Eumelus, der Stellvertreter des Aeolus, hatte eine Tocher, die Mercur vergewaltigen wollte. Diese wurde in einen Vogel verwandelt. 515 Moralisierung Wende dies gegen Unzüchtige an, besonders gegen jene, die sich in einer verabscheuungswürdigen Verbindung mit ihren Eltern paaren; denn solche werden in Tauben oder in Hunde verwandelt, weil sie nach Art der Tauben und Hunde eine schreckliche Unzucht treiben. Bei Tauben und Hunden gibt es nämlich keine Unter-

3 Fabula decima septima VII,18 LLo1Ep; VII,19 Lo2V4; VII,15 V2B; VII,16 Tr. 7 Fabula decima octava VII,18 LLo1Ep; VII,19 Lo2V4; VII,15 V2B; VII,16 Tr. 11 Fabula decima nona VII,15 V2B; VII,20 V4; VII,16 Tr.. 1 et Lo1V2V4BTrEp; om. G. 4 Menephron Ep; Menefron V2; Meophon G; Menepheus Lo1; Mene V4; Menefronus B; Monefron Tr. 5 – 6 sed . . . canem GBTr; om. LLo1Lo2V2V4Ep. 8 Nepos . . . pretulit GBTr; om. LLo1Lo2V2V4Ep. Cf. Cephison procul hinc deflentem fata nepotis / respicit . . . Ov. Met. 7,388 f. 8 Cephisi fluminis Tr; Sophisi filius G; Sephisi filius B. 9 eum Lo1V2V4BTrEp; eam G. 9 phocam Lo1V2V4BTrEp; feram G. 12 Eumelus Ep; Eumelius GLo1V2; Eminelius V4; Enmelius B; Eunichus Tr. 12 Eoli V4Ep; Oely G; Oeli V2; Coli Lo1B; Cosi Tr. 13 Mercurius . . . que G; Mercurius vellet opprimere que LLo1Lo2; cum Mercurius vellet opprimere V2V4B; cum Minerva opprimeret Tr; cum ipse vellet corrumpere, Mercurio favente Ep. 17 – 18 concumbunt V4Ep; concubunt GTr. 20 – 21 horribilem luxuriam GLLo1V2BTr; horribili luxuria Lo2V4Ep. 21 exsequuntur V2BTr; exsequitur G; sequuntur LLo1; coequantur Lo2V4; copulantur Ep.

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non est distinctio filiorum et parentum. Sic natura horribilium peccatorum. Vel dic, quod, si videas filios tuos vel subditos ardore dominandi vel habendi, quod tuum est, machinari in mortem tuam vel si videas iuvenculam, quam Mercurius, id est luxuriosus, vult opprimere, debet statim in avem mutari, hoc est fugiendo insidias declinare. Melius est enim arripere fugam occasionem vitando quam temptationi succumbere resistendo, quod etiam de oppressione cuiuscumque dici potest vel etiam de oppressione tyrannice cuiuslibet lesionis, unde Apostolus: Non vosmet ipsos defendentes, carissimi, sed date locum irae. Fabula vicesima 516

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Cum filium Hyries amaret Phyllius et sibi poscenti dedisset multa animalia domita sue improbe voluntati satisfaciens, iumentum ab eo quesitum dare noluit. De quo puer indignabundus se precipitare de alta rupe voluit, sed miseratione deorum in olorem albissimum mutatus fuit. Pro quo mater eius Hyrie diu lacrimando stagnum de suo nomine fecit. 517

scheidung zwischen Kindern und Eltern. So ist die Natur schrecklicher Sünder. Oder sag, dass, wenn du siehst, dass deine Söhne oder Untergebenen aufgrund ihrer Herrschsucht oder ihres Strebens nach deinem Besitz deinen Tod planen, oder wenn du ein junges Mädchen siehst, das Mercur, d.h. ein Lüstling, vergewaltigen will, man sich sogleich in einen Vogel verwandeln, d. h. durch Flucht den Fallen ausweichen muss. Denn besser ist es, die Flucht zu ergreifen, um eine Situation zu vermeiden, als der Versuchung zu erliegen, indem man Widerstand zu leisten sucht. Dies kann auch über die Unterdrückung eines jeden gesagt werden oder auch über die Unterdrückung durch eine jede Verletzung vonseiten eines Despoten. Daher sagt der Apostel [Rom. 12,19]: ›Verteidigt euch nicht selbst, meine Liebsten, sondern gebt dem Zorn Raum.‹ Zwanzigste Erzählung 516 Obwohl Phyllius Olor [Cygnus], den Sohn der Hyrie, sehr liebte und ihm, da der es forderte, viele gezähmte Tiere geschenkt und so dessen unverschämtes Fordern erfüllt hatte, wollte er ihm den ebenfalls verlangten jungen Stier nicht geben. Wütend darüber wollte sich der Knabe von einem hohen Felsen stürzen, aber durch das Erbarmen der Götter wurde er in einen schneeweißen Schwan verwandelt. Da seine Mutter Hyrie lange um ihn weinte, ›schuf sie einen See mit ihrem Namen‹. 517

16 Fabula vicesima VII,16 V2B; VII,21 V4; VII,17 Tr. 10 occasionem Lo1V2V4BEp; occasione GTr. 15 irae add. sicut Eumeli filia evolando patris oppressionem effugit Ep. 17 Cum . . . Phyllius coni.; cum filius Hyries amaret Phylium G; cum filius Hyries amaret filium (filium alterius L; filium Asterius Lo1) LLo1Lo2V2BTr; cum Yries amaret filium V4; cum Phyllius multum amaret Olorem filium Hyries Ep. 17 sibi GLo1V2V4B; sic Tr; ipsi Ep. 19 improbe Lo1V2V4BTrEp; improprie G. 19 – 20 iumentum . . . noluit Tr; inventum . . . sibi noluit G; iuvencum . . . noluit V2; tandem petiit ab eo unum iumentum, qui dare noluit LLo1; et unum cum ab eo quereret dare noluit V4; iumentum (?) ab eo quesitum sibi dare voluit B; victum ab eo taurum dare ipsi noluit Ep. 20 quo Lo1V4BTrEp; qua G. 22 rupe Lo1 V4BTrEp; ripa G. 23 olorem LLo1Lo2BTr; olerem GV4 (cysnum add. in marg. G); cygnum Ep.

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Tales filii hodie videntur esse multi, qui, si quem habent amicum, semper volunt ab ipso aliquid improbe exigere et quidquid possunt recipere. Sed procerto aliquid nolunt dare, quin immo accidit sepe, quod de illis, que ab aliis acceperunt, nolunt sibi in necessitatibus providere. Contra illud Eccli. 4: Non sit porrecta manus ad accipiendum etc. 518 Igitur talis, qui percipit amicos suos taliter esse indignatos, debet olor, avis gemebunda, fieri, inquantum de ipsorum ingratitudine debet contristari. Mater etiam eius debet super hoc condolere, quia quilibet pius homo talibus compati debet. 519

Solche Söhne gibt es heute offenbar viele; wenn sie einen Freund haben, wollen sie von diesem immer etwas unverschämt einfordern und, was sie nur können, entgegennehmen. Aber sie wollen natürlich nichts geben, vielmehr geschieht es oft, dass sie von dem, was sie von anderen erhalten haben, in Notlagen nichts abgeben wollen. Dagegen richtet sich Eccli. 4,36: ›Nicht sei die Hand zum Nehmen ausgestreckt‹ usf. 518 Also muss ein solcher, der bemerkt, dass seine Freunde dermaßen ungehalten sind, zu einem Schwan, einem klagenden Vogel, werden, sofern er sich über ihre Undankbarkeit betrüben muss. Auch seine Mutter muss darüber traurig sein, weil jeder fromme Mensch mit solchen Leuten Mitleid haben muss. 519

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Cum Medea fugeret filias Pelie, a rege Athenarum recepta est in hospitio et in lecto. Theseus autem, miles strenuissimus, filius dicti regis, qui missus dudum fuerat ad monstra occidenda, tunc ad patris domum applicuit, quem pater propter moram temporis non cognovit. Hunc ergo timens Medea patri suggessit, quod ipsum Theseum tamquam hostem et exploratorem veneno occideret, cui pater consentiens ignoto filio potum venenatum porrexit. Quem cum Theseus accepisset et ignarus veneni bibe-

Einundzwanzigste Erzählung 520 Als Medea vor den Töchtern des Pelias floh, wurde sie vom König Athens in Gastfreundschaft und in seinem Bett aufgenommen. Theseus aber, ein hervorragender Krieger, der Sohn des genannten Königs, der vor geraumer Zeit ausgeschickt worden war, um Ungeheuer zu töten, landete damals gerade wieder beim Haus seines Vaters; ihn erkannte der Vater wegen seiner langen Abwesenheit nicht. Aus Furcht vor ihm gab Medea dem Vater ein, Theseus gleichsam als Feind und Spion mit Gift zu töten. Der Vater stimmte ihr hierin zu und reichte seinem Sohn, den er nicht erkannt hatte, einen Gifttrank. Als Theseus diesen genommen hatte und, ohne das Gift zu bemerken, trin-

16 Fabula vicesima prima VII,17 V2B; VII,22 V4Ep; VII,18 Tr. 8 – 9 Eccli. 4 Ep; Act. 4 G. 17 Pelie Ep.; Pelei codd. 20 qui . . . fuerat V2V4BTr; missus dudum fuerat Ep; socius erat G; qui dudum fuerat LLo1; dudum fuerat Lo2 20 – 21 ad . . . occidenda V2V4BTrEp; ad occidendum monstra et G; ad occidenda monstra LLo1Lo2. 21 patris Lo1V4BTrEp; presens G. 22 – 23 quem . . . cognovit LLo1Lo2V2V4BTrEp; om. G. 24 patri Lo1V4BTr; pater G; om. Ep. 25 hostem Lo1V4BTrEp; hospitem G. 28 accepisset accipisset G. 28 veneni GBTr; venenum LLo1Lo2Ep; om. V4.

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re vellet, pater in capulo ensis filii sui signa sui generis cognovit. Quo filium suum cognoscens potum, quem nondum tetigerat, de manu eius abstulit. Quod videns Medea protinus aufugit.

ken wollte, erkannte der Vater am Schwertgriff seines Sohnes das Zeichen seines Geschlechts. Als er daran seinen Sohn erkannte, nahm er ihm den Trank, den er noch nicht berührt hatte, aus der Hand. Als Medea dies sah, ergriff sie sofort die Flucht.

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Istud applica contra novercas, que filios virorum suorum, quando ipsos vident validos et prudentes, solent timere et eis cum patribus suis omnia mala procurare. Qui tamen si bene attendant signa sui generis, id est si bene cogitent, quod tales sunt filii sui vel quod a generositate predecessorum non degenerent, non debent sic aliqualiter mala perpetrare, quia pro certo nullus est ita durus, quin de suis consanguineis et maxime filiis debeat condolere et contra novercarum insidias adiuvare. Fabula vicesima secunda 521

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Hercules cum associante Theseo descendisset ad infernum, ut reginam inferni Proserpinam raperet, quam super omnia diligebat, invenit in introitu inferni Cerberum canem ianitorem, qui tria capita habebat et cum quolibet latrabat, ita quod totum infernum concutiebat; qui sibi pro viribus resistebat et inferni ianuam observabat. Hunc ergo Hercules extraxit et vinctum catena

Moralisierung Wende dies gegen Stiefmütter: Wenn sie sehen, dass die Söhne ihrer Männer stark und klug sind, pflegen sie sie zu fürchten und ihnen mit ihren Vätern alles Böse zu ersinnen. Wenn diese dennoch gut auf die Zeichen ihres Geschlechts achten, d.h. wenn sie gut überdenken, dass dies doch ihre Söhne sind oder dass sie sich der edlen Art ihrer Vorfahren nicht unwürdig erweisen sollten, dürfen sie auf keine Weise böse Taten begehen. Denn in der Tat ist niemand so hart, dass er nicht mit seinen Verwandten und besonders mit seinen Söhnen Mitleid empfinden und sie gegen die Nachstellungen ihrer Stiefmütter schützen muss. Zweiundzwanzigste Erzählung 521 Als Hercules in Begleitung des Theseus in die Unterwelt hinabgestiegen war, um die Herrscherin der Unterwelt Proserpina zu rauben, die er über alles liebte, fand er am Eingang der Unterwelt den Hund Cerberus vor, den Türhüter, der drei Köpfe hatte und mit jedem bellte, so dass er die ganze Unterwelt erschütterte. Dieser leistete ihm nach Kräften Widerstand und bewachte die Pforte zur Unterwelt. Hercules zog ihn also nach draußen und führte ihn an einer stählernen Kette gefesselt mit sich an die

19 Fabula vicesima secunda VII,18 V2B; VII,21 Lo2; VII,23 V4Ep; VII,19 Tr. 1 capulo LLo1Lo2Ep; capitello G; vagina V4; scapula B; scapulo Tr. Cf. Ov. Met. 7,422: capulo gladii. 2 Quo GV2BTr; qui LLo1Lo2Ep. 9 – 10 cum patribus Lo1BTr; cum parentibus G; a patribus V4Ep. 12 cogitent LLo1Ep; cogitetur G; cogitant Lo2V2V4BTr. 14 – 15 aliqualiter mala coni.; aliqualiter GLo2V2V4BTr; aliqua mala illis LLo1; aliqua mala faciliter Ep. 18 adiuvare GV2B; adiuvare conetur LLo1; cogatur adiuvare V4 Ep; adiuvarent Tr. 20 associante LLo1Lo2V4BTrEp; associato G. 24 ianitorem Lo1V2V4BEp; ignitorem G; om. Tr.

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adamantina secum duxit ad superos. Qui statim ut lucem vidit, spumam venenosam emisit, que agros circumstantes infecit, ita quod ex illis spumis solum, quod prius erat fecundum, vires nocendi accepit et herbas venenosas protulit et produxit. Et exinde venenum elicitur, quod, quia herba a dura cote nascitur, aconitum nominatur. 522

Oberwelt. Sobald dieser das Licht sah, gab er sogleich giftigen Schaum von sich, der die umliegenden Felder vergiftete, so dass der Boden, der vorher fruchtbar war, von diesem Schaum schädliche Kräfte empfing und Giftkräuter hervorbrachte und wachsen ließ. Und daraus wird Gift gewonnen, das, da das Kraut auf hartem Stein wächst, Aconit [Eisenhut] genannt wird. 522

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Dic allegorice, quod Hercules sapiens significat dei filium, qui est sapientia dei patris. Proserpina significat naturam humanam, que regina inferni dicitur pro eo, quod in istis inferioribus omnium mortalium est regina. Cerberus significat Luciferum, quia tria capita habere dicitur, inquantum secum malos angelos de hierarchia triplici angelorum habet. Dic ergo, quod Hercules, id est dei filius, a principio dilexit valde Proserpinam, id est humanam naturam, inferni, id est huius mundi, reginam. Quapropter pro ea assumenda et a Cerbero, id est Lucifero suisque catervis tartareis, liberanda hic ad infernum, id est ad mundum, personaliter descendit. Sed quia ibi erat dominus iste Cerberus, scilicet Lucifer, qui humanam naturam in suo dominio detinebat et triplici latratu, id est temptatione triplicis concupiscentie, ipsam occupabat, voluit iste Hercules, id est Christus, istum de mundi ianua et iurisdictione tollere et catena adamantina, id est sententia eterne damnationis, ligatum in infernales tenebras detinere. Venenum tamen temptationum et

Moralisierung Sag allegorisch deutend, dass der weise Hercules den Gottessohn bedeutet, der die Weisheit Gottvaters ist. Proserpina bedeutet die menschliche Natur, die die Herrscherin der Unterwelt genannt wird, weil sie in dieser unteren Region [auf der Erde] die Königin aller Sterblichen ist. Cerberus bedeutet Luzifer, weil er drei Köpfe haben soll, sofern er die schlechten Engel der dreifachen Engelhierarchie bei sich hat. Sag also, dass Hercules, d.h. der Gottessohn, von Beginn an Proserpina sehr liebte, d.h. die menschliche Natur, die Königin der Unterwelt, d.h. dieser Welt. Um sie zurückzugewinnen und sie von Cerberus, d.h. von Luzifer und seiner Höllenschar, zu befreien, stieg er deshalb in eigener Person zur Unterwelt, d. h. zur irdischen Welt, hinab. Aber weil dort dieser Cerberus, d.h. Luzifer, der Herrscher war, der die menschliche Natur in seiner Gewalt hielt und mit dreifachem Bellen, d.h. mit der Versuchung dreifacher Begierde, sie festhielt, wollte Hercules, d.h. Christus, jenen vom Tor der Welt und aus ihrer Rechtshoheit entfernen und ihn mit einer stählernen Kette, d.h. mit dem Urteil zu ewiger Verdammnis, gefesselt in der Dunkelheit der Hölle gefangen halten. Er hört jedoch nicht auf, das Gift der Versu-

8 cote LLo1V2BTr; cute G; cortice V4; caute Ep. 8 aconitum Ep; atonica G; aconita LLo1Lo2; aconica V2B; atonice V4; attonita Tr. 25 – 26 erat dominus V4Tr; erat ita dominus G; erat ianitor Lo1; erat ianitor domus BEp. 31 iurisdictione Lo1V4BTr; iursdictione G; iuridictione Ep. 31 et V4BTrEp; om. G. 34 detinere LLo1Lo2V2Ep; detineri G; inrecludere V4; relegare B; tenere Tr.

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errorum non cessat per socios suos apostatas evomere et totum seculum intoxicare, figura de hoc Apoc. 20: Vidit angelum descendentem usque ibi et ligavit eum. 523 Vel dic, quod Hercules, id est Christus, pro liberanda regina inferni, id est humana natura, descendit in infernum, ubi istam reginam, id est sanctorum patrum animas, rapuit et secum ad paradisum duxit. Cerberum autem, id est Luciferum, domuit et prostravit. Qui tamen venenum temptationum non cessat evomere et latratu capitum suorum, id est hereticorum, simplices conturbare. Vel dic, quod Cerberus est detractor, quia tria capita et triplices latratus caninos dicitur habere, inquantum tria genera detractionum noscitur exercere: ipse enim clamoribus verborum solet totam patriam litibus et contentionibus concutere et, quia in tenebris, id est in aliorum adversitatibus, delectatur, quando lucem aliene prosperitatis conspicit, solet dolere et tunc magis solito sputum venenosum malorum verborum emittere et agros fertiles, id est bonas personas, aconito venenare. Tales igitur debet Hercules, id est bonus prelatus, comprimere et catena discipline, ne aliis noceant, alligare. Isti enim lucem aliene prosperitatis non diligunt, Iob 24: Ipsi fuerunt rebelles et nescierunt viam eius. Vel dic, quod Cerberus significat mortem, que tria capita habet, inquantum carnem et sanguinem et ossa devorat. Ista

chungen und der Irrlehren durch seine abtrünnigen Gefährten auszubringen und die ganze Welt zu vergiften. Eine bildliche Figur dafür bietet Apoc. 20,1f.: ›Er sah einen Engel herabsteigen‹ bis dahin ›und er fesselte ihn.‹ 523 Oder sag, dass Hercules, d.h. Christus, in die Unterwelt hinabstieg, um die Königin der Unterwelt, d.h. die menschliche Natur, zu befreien; dort raubte er diese Königin, d.h. die Seelen der heiligen Väter, und führte sie mit sich ins Paradies. Cerberus aber, d.h. Luzifer, zähmte er und streckte ihn nieder. Dennoch hört dieser nicht auf, das Gift der Versuchungen auszuspeien und mit dem Gebell seiner Köpfe, d.h. der Häretiker, einfältige Menschen zu verwirren. Oder sag, dass Cerberus ein Verleumder ist, weil er drei Köpfe und ein dreifaches Hundegebell haben soll, sofern man weiß, dass er drei Arten von Verleumdung ausübt: Er pflegt nämlich mit dem Geschrei von Worten das ganze Land mit Streit und Kampf zu erschüttern und, weil er sich an der Dunkelheit, d.h. am Unglück anderer, erfreut, pflegt er, wenn er das Licht fremden Glücks erblickt, zu leiden und dann mehr als gewöhnlich den giftigen Speichel böser Worte von sich zu geben und fruchtbare Felder, d.h. gute Menschen, mit Aconit zu vergiften. Solche nun muss Hercules, d. h. der gute Prälat, bedrängen und mit der Kette der Disziplin festbinden, damit sie anderen nicht schaden. Denn diese lieben das Licht fremden Glücks nicht, Iob 24,13: ›Sie waren widerspenstig und kannten seinen Weg nicht.‹ Oder sag, dass Cerberus den Tod bedeutet, der drei Köpfe hat, sofern er das Fleisch, das Blut und die Knochen verschlingt. Die-

2 evomere et . . . intoxicare Lo1Ep; erogare et . . . toxicare G; emittere et . . . consiccare V4B. 3 Apoc. 20 Apoc. 12 G. 8 patrum Lo1V2BTrEp; om. G. 12 latratu Lo1V4BTrEp; 15 detractor detracor G, sed add. -t- supra lin. 21 tenebris Lo1V4BTrEp; tebris G. 22 V4BTrEp; lucei G, sed del. -i. 24 sputum venenosum LLo2V2V4BTrEp; sputum G. 26 aconito GLo1B; atonita V4; attonica Tr. 31 nescierunt Lo2V2V4Ep; nesierunt G; om. et . . . eius BTr.

Tr; toxicare latratus G. lucem Lo1 Ep; aconica

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enim ianitor inferni dicitur, inquantum per ipsam peccator in infernum trahitur et ibi detinetur. Hercules igitur, id est Christus, istum canem resurgendo superavit, Os. 13: Ero mors tua, o mors! Ero morsus tuus, o inferne!

ser soll nämlich der Türhüter zur Unterwelt sein, da durch ihn der Sünder in die Hölle gezogen und dort festgehalten wird. Hercules, d. h. Christus, überwandt nun diesen Hund mit seiner Auferstehung, Os. 13,14: ›Ich werde dein Tod sein, o Tod! Ich werde dein Todesbiss sein, o Hölle.‹

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Phene et Periphas fuerunt duo senes Athenienses, qui erant ita iusti, quod pro diis ab hominibus colebantur. Neptis Polypemonis ita erat iusta, quod pro dea habebatur. Iupiter igitur videns et invidens istos tres in aves mutavit et eos in vultures transformavit. Moraliter Sic plerumque convenit in religione, quod aliqui videntur iustissimi, ita quod ab aliis quasi dii honorantur. Iupiter vero, id est deus, volens tales ad humilitatem reducere solet eos quandoque vultures, id est peccatores, permissive facere et carnes, id est letitias carnis, comedere eos permittit, 525 ut sic mundi honoribus indignos se debeant reputare sicut de multis patet, qui sunt nimis iusti sicut hypocrite, qui a simplicibus in populo honorantur. Ideo a Iove, id est a deo, permittuntur fieri fugitivi et in aves dicuntur mutari, Eccl. 7: Noli esse iustus multum.

Dreiundzwanzigste Erzählung 524 Phene und Periphas waren zwei alte Männer aus Athen, die so gerecht waren, dass sie von den Menschen als Götter verehrt wurden. Die Enkelin des Polypemon war so gerecht, dass sie für eine Göttin gehalten wurde. Als Jupiter dies nun sah und neidisch wurde, verwandelte er die drei in Vögel und machte sie zu Geiern. Moralisierung So geschieht es in der Regel im geistlichen Stand, dass einige sehr gerecht erscheinen, so dass sie von anderen gleichsam als Götter verehrt werden. Weil aber Jupiter, d. h. Gott, solche zur Demut zurückführen will, pflegt er es bisweilen zuzulassen, dass sie zu Geiern, d. h. zu Sündern, werden, und erlaubt ihnen, Fleisch, d.h. die Fleischeslust, zu genießen, 525 so dass sie sich für die Ehren der Welt als unwürdig einschätzen müssen, wie es bei vielen offensichtlich ist, die zu gerecht sind, wie die Heuchler, die von den einfachen Leuten im Volk verehrt werden. Deshalb lässt sie Jupiter, d.h. Gott, Flüchtlinge werden, und es heißt, sie werden in Vögel verwandelt, Eccl. 7,17: ›Sei nicht zu gerecht.‹

7 Fabula vicesima tertia VII,19 V2B; VII,24 V4; VII,20 Tr; VII,21 Ep. 3 id est Christus V4BEp; scilicet Christus LLo1; om. GLo2V2. 4 superavit add. quia Christus morte resurgendo mortem destruxit Tr. 8 Phene coni.; Phineus GLo1V2V4BTrEp. 8 Periphas GEp; Peryphas Lo1; Perifas V4B; Pyfas Tr. 8 senes Lo1Lo2V4TrEp; iuvenes G; senex B. 10 Polypemonis coni.; Poliphemenonis G, sed exp. en, Lo1BTr; Polyphemonis Ep. 12 videns . . . tres Lo1Lo2V4BEp; videns . . . tres iuvenes G; videns istos tres et invidens ipsis Tr. 26 in populo Lo2V4Ep; et pro populo G; seculi LLo1; in seculo V2B; om. Tr. 27 – 28 dicuntur dicunturtur G, sed corr. 28 Eccl. 7 Eccli. 17 G.

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Vel dic, quod illi, qui iusti sunt, in aves mutantur, cum propter sua merita in paradisum transferuntur.

Oder sag, dass jene, die gerecht sind, in Vögel verwandelt werden, weil sie wegen ihrer Verdienste ins Paradies versetzt werden.

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Cum Minos a Troia rediret, 527 vidit in mari quemdam pulcerrimum taurum, quem a Neptuno, deo maris, petiit et eum sibi sacrificaturum promisit. Quem cum habuisset et pulcerrimum vidisset, ipsum retinuit sibi. Quem Neptunus in furorem vertit et totius terre vastatorem fecit. Quem Hercules cepit et alligavit et ab incola solutum Theseus postea occidit et totam patriam liberavit. Moraliter

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Istud applica contra multos, qui a Neptuno, id est a deo, petunt sibi dari taurum, id est bona mundi, et hoc, ut aiunt, ad finem istum, quod possint deo sacrificare et eleemosynas dare, in eminentia populum iuste regere, in scientia causas pauperum defendere et liberos dei servitio mancipare. Videns igitur deus talium sanctam intentionem concedit eis, quicquid optant. Sed procerto eo habito statim surgente avaritia consilium primum mutant et id, quod acceperant, retinentes in usus proprios secum servant. Quod videns deus solet ab illis tolle-

Vierundzwanzigste Erzählung 526 Als Minos aus Troja zurückkehrte, 527 sah er im Meer einen wunderschönen Stier, den er sich von Neptun, dem Meeresgott, erbat und den er ihm zu opfern versprach. Als er diesen erhalten hatte und sah, dass er sehr schön war, hielt er ihn für sich zurück. Neptun schlug diesen mit Raserei und machte ihn zu einem Verwüster der ganzen Erde. Hercules fing und fesselte ihn und, nachdem er von einem Bewohner wieder befreit worden war, tötete Theseus ihn später und befreite so das ganze Land. Moralisierung Wende dies gegen die vielen, die von Neptun, d. h. von Gott, erbitten, dass ihnen ein Stier gegeben wird, d.h. weltliche Güter, und dies zu dem Zweck, wie sie sagen, dass sie Gott opfern und Almosen geben, in hoher Stellung das Volk gerecht regieren, mit Sachverstand das Recht der Armen verteidigen und ihre Kinder dem Dienst an Gott übergeben können. Gott sieht also die fromme Absicht solcher Menschen und gesteht ihnen zu, was sie wünschen. In der Tat aber erhebt sich, nachdem sie es erhalten haben, sogleich die Habgier, und sie verändern ihren ursprünglichen Plan, sie halten zurück, was sie empfangen hatten, und nutzen es für ihren eigenen Gebrauch. Gott, der dies sieht, pflegt ihnen jenes wegzunehmen und

4 Fabula vicesima quarta VII,20 V2B; VII,25 V4; VII,21 Tr. 2 in V4; im G; ad LLo1Lo2BTrEp. 3 transferuntur G; deducantur LLo1Lo2; deducuntur V4TrEp; vehuntur B. 5 Troia GV2B; curia LLo1Lo2V4; Caira Tr; Thracia Ep. 7 eum sibi Lo1Lo2V2V4B; sibi se G; se eum sibi Tr; eum illi Ep. 12 incola GLo1Lo2V4B; vinculis Tr; incolis Ep. 19 eleemosynas elemosinas Lo1V4 TrEp; elymosias G; elemonsinam B. 20 iuste regere Lo2V4TrEp; regere iuste regere G; iustum regere Lo1; regere V2B. 26 – 27 in . . . servant V2V4TrEp; in suis propriis convertunt G.

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re illud et gratiam, quam dederat, revocare. Sic quia tales deo et religioni promissi, sed tandem in seculo reservati, quandoque furibundi, quandoque raptores et mali efficiuntur ideoque a Theseo, id est deo, eternaliter occiduntur. Propterea quilibet debet deo promissa solvere. Sic fecit Anna de Samuele, Reg. 1; 528 Par. 29: Que de manu tua accepimus, dedimus tibi. 529 Fabula vicesima quinta Procrustes fuit quidam latro, qui hospites recipiens, sed de nocte dormientes occidebat et devorabat. Quem Theseus ab eo receptus, cum interfici deberet, eum interfecit. 530 Cercyon [i.e. Sinis] fuit quidam gigas ita fortis, quod pro libito suo altas arbores inclinabat et ibi ponens laqueos homines incaute capita sua intra laqueos immittentes arboribus regredientibus strangulabat. Hospites suos lavaturus eis pedes super arbores inclinatas et dato libero in aera reditu ipsos in mare arborum impetu devolvebat. 531 Erichthonius[?] etiam, Vulcani filius, cum clava homines occidebat, sed hos duos Theseus interfecit. 532

die Gnade, die er ihnen gewährt hatte, aufzuheben. So werden solche, die Gott versprochen und für das Klosterleben bestimmt waren, aber schließlich in der Welt geblieben sind, bisweilen zu Rasenden, bisweilen zu Räubern und Übeltätern; und deshalb werden sie von Theseus, d.h. Gott, auf ewig getötet. Deshalb muss ein jeder seine Versprechen Gott gegenüber einhalten. So machte es Anna bei Samuel [1. Sam. 1,10–28], 528 1. Par. 29,14: ›Was wir aus deiner Hand empfangen haben, gaben wir dir zurück.‹ 529 Fünfundzwanzigste Erzählung Procrustes war ein Dieb, der Gäste bei sich aufnahm, aber des nachts die Schlafenden tötete und verschlang. Theseus, der von ihm aufgenommen wurde, tötete ihn, als er von ihm getötet werden sollte. 530 Cercyon war ein so starker Riese, dass er nach Belieben hohe Bäume herabbog und dort Stricke anbrachte und so Menschen, die unvorsichtig ihre Köpfe in die Schlingen steckten, an den zurückschnellenden Bäumen erhängte. Er gab vor, seinen Gästen die Füße auf den umgelegten Bäumen waschen zu wollen, und schleuderte sie beim Loslassen und freien Zurückschnellen der Bäume in die Luft mit dem Schwung der Bäume ins Meer. 531 Auch Erichthonius [?], ein Sohn Vulcans, tötete Menschen mit seiner Keule, aber diese beiden tötete Theseus. 532

10 Fabula vicesima quinta VII,26 Lo2V4; VII,21 V2B; VII,22 Tr. 16 – 23 Cercyon . . . devolvebat VII,26 LLo1Lo2Ep; VII,27 V4. 24 Erichthonius . . . interfecit VII,27 LLo1Lo2Ep; VII,29 V4. 8 Reg. 1 Reg. 2 G. 8 Par. 29 Ez. 26 G. 11 Procrustes Lo1; Procrustos G; Procustes Ep; Pocustos V4; Percrustes B; Pronustes Tr. 16 Cercyon Cercio GLo1; Chiron V2V4; Schinon Ep. Cf. Ov. Met. 7,440–442. 19 intra BEp; infra GLo1V4Tr. 20 arboribus Lo1V4BTrEp; om. G. 21 – 22 super arbores inclinatas LLo1 V2V4BEp; sub arboribus inclinatis G; super arbores inclinatos Tr. 22 reditu V4TrEp; redditu GV2; reducu B 23 impetu LLo1TrEp; impetus GLo2V2V4B. 24 Erichthonius Eritonius GLo1Lo2; ***riconius L; Criconius Lo1; Cristonius V2; ***ritonius V4; Erice B; Critonius Tr; Cacus Ep. Cf. sine nomine in Ov. Met. 7,436f.: tellus Epidauria per te / clavigeram vidit Vulcani occumbere prolem.

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Per tales tyrannos et latrones intelligo mundum et diabolum, qui primo videntur homines benigne recipere et in mundanis prosperitatibus collocare solentque ad homines altas arbores, id est dignitates et prebendas, inclinare et homines proditiose desuper collocare. Sed procerto, dum in hospitio isto homines incaute dormiunt, id est dum in dignitatibus requiescunt, subito distenditur fortune tendicula et prospera mutantur in adversa. Et sic fit, quod cum laqueis vitiorum capiuntur aut in mare tribulationis proiciuntur aut clava mortis feriuntur. Tales igitur hospites, id est demones, tale hospitium, id est mundus, talis receptio et familiaritas, id est mundi prosperitas, talis sedes, id est mundi eminentia et dignitas, sunt tamquam pericula timenda, tamquam fallacia declinanda et a Theseo, id est iusto viro, per contemptum spernenda. Dum enim homo non advertit, de sede honoris, in qua sedet, delocatur; unde Plinius in ›Libro naturalis historie‹ 36 capitulo 16: Super omnia furor populi sedere ausi tam infida instabilique sede, 533 Lc. 1: Deposuit potentes de sede.

Unter solchen Tyrannen und Räubern verstehe die Welt und den Teufel, die zuerst die Menschen gütig aufzunehmen und in weltliches Glück zu versetzen scheinen. Und sie pflegen zu den Menschen hohe Bäume, d. h. hohe Ämter und Pfründen, herabzubeugen und die Menschen auf hinterhältige Weise darin einzusetzen. Aber gewiss wird, während die Menschen in dieser Gastfreundschaft unvorsichtig schlafen, d.h. während sie sich in ihren Ämtern ausruhen, plötzlich der Fallstrick des Schicksals ausgespannt und der Wohlstand verwandelt sich in das Gegenteil. Und so geschieht es, dass sie mit den Seilen der Laster gefangen oder ins Meer der Not geschleudert oder von der Keule des Todes getroffen werden. Solche Gastgeber nun, d. h. Dämonen, solch eine Gastfreundschaft, d. h. die Welt, solch eine gastliche Aufnahme und Freundschaft, d. h. weltliches Glück, solch ein Sitz, d. h. die herausragende Stellung und hohes Amt in der Welt, sind als Gefahren zu fürchten, als Täuschungen abzuwenden und von Theseus, d.h. von einem gerechten Mann, mit Verachtung zu verschmähen. Denn wenn der Mensch nicht acht gibt, wird er vom Ehrensitz, auf dem er sitzt, hinabgestürzt. Daher sagt Plinius im Buch 36,118 der ›Naturalis historia‹: ›Über alles geht aber der Wahnsinn des Volkes, der es gewagt hat, auf einem so unzuverlässigen und schwankenden Sitz Platz zu nehmen‹, 533 und Lc. 1,52: ›Er stürzte die Mächtigen von ihrem Sitz.‹

22 – 27 Dum enim . . . potentes de sede deest LLo1. 16 mundus V2B; mundum GLo1Lo2V4Tr; mundi Ep. 19 pericula Lo1V2V4TrEp; periculosa B; om. GLo2. 20 fallacia V2BTrEp; fallibilia G; fallacie LLo1. 21 spernenda V4TrEp; spernanda GB. 22 non V2BTrEp; om. GLLo1Lo2V4. 23 qua Lo2V2V4BTrEp; quam G; om. LLo1. 23 delocatur Lo2V2Ep; et delectatur GB; declinare V4; aut decolatur aut deponitur Tr. 24 Libro . . . 16 V2V4Lo2; om. G; libro naturalis historia 36.6 B; libro 26 . . . capitulo 16 Tr; om. Dum . . . sede LLo1. 25 sedere coni.; sedem GV2V4B; sedetur Lo2Tr. 26 sede Lo2V2; sedit GB; lac. V4.

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Fabula vicesima sexta 534

Sechsundzwanzigste Erzählung 534

Sciron fuit quidam latro, qui transeuntes in alto loco sedere cogebat et, dum eorum lavaret pedes, incautos precipitabat. Quem Theseus ab eo receptus, dum lavaretur, occidit et ab alto precipitavit. Ossa vero eius nec terra nec mare recipere voluit. Que tandem in lapides et scopulos abierunt, quibus nomen Scironis usque hodie inhesit, et credo, quod ab isto nomine inolevit in quibusdam partibus Gallie, quod tales lapides scopuli sunt ab incolis Scironis dicti.

Sciron war ein Räuber, der Vorübergehende zwang, sich auf einen hochgelegenen Platz zu setzen und, während er ihre Füße wusch, stürzte er die Unvorsichtigen hinab. Theseus aber, der von ihm aufgenommen wurde, tötete diesen, während er gewaschen wurde, und stürzte ihn von der Höhe hinab. Seine Knochen aber wollte weder die Erde noch das Meer aufnehmen. Sie wurden schließlich zu Steinen und Felsen, denen der Name Scirons bis heute anhaftet, und ich glaube, dass von diesem Namen her sich in bestimmten Teilen Galliens verbreitet hat, dass solche Steine von den Einwohnern Felsen Scirons genannt werden.

Moraliter

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De ossibus istis dic, quod ossa gigantis, id est diaboli, a Theseo, id est Christo, primitus victi sunt: Iudei et heretici et alii iniqui, qui scilicet in corpore mystico Christi sunt per modum ossium in malorum congerie magis firma; unde Iob 40 dicitur, quod ossa Behemoth quasi fistula aeris et cartilago illius quasi lamine ferree. Isti enim sunt, quos nec mare, id est ecclesia militans, que adhuc fluctuat, nec terra, id est ecclesia triumphans, que in eternum stat, debet recipere, sed a se repellere et fugare, Apoc. 22: Foris canes et venefici. Tales igitur infideles, qui diaboli sunt ossa, in lapides per obsti-

Moralisierung Von diesen Knochen sag, dass die Knochen des Riesen, d.h. des Teufels, die Juden und Häretiker und andere Ungerechte sind, die von Theseus, d.h. von Christus, zu Beginn besiegt worden sind. Denn diese sind im mystischen Leib Christi nach der Art von Knochen in der Masse der Bösen besonders hartnäckig; daher heißt es Iob 40,13, dass ›die Knochen Behemoths wie ein Rohr aus Erz sind und sein Knorpel wie Eisenplatten.‹ Diese nämlich sind es, die weder das Meer, d. h. die kämpfende Kirche, die noch immer in unsicherer Lage ist, noch die Erde, d.h. die triumphierende Kirche, die bis in die Ewigkeit besteht, aufnehmen darf, sondern die sie von sich fortstoßen und verjagen muss, Apoc. 22,15: ›Draußen bleiben sollen die Hunde und die Giftmischer.‹ Solche Ungläubigen also, die die Knochen des Teufels sind, wurden durch ihren Starrsinn

1 Fabula vicesima sexta VII,28 LLo1Ep; VII,22 V2B; VII,29 V4; VII,23 Tr. 2 Sciron Chiron seu Sciron Ep; Chyrimon G; Chiron Lo1V2V4; Hyrion Tr. 11 – 12 lapides scopuli GLo2V4; lapides et scopuli LLo1; lapidum scopuli V2B; sapides tales et scopuli Tr; lapidei scopuli Ep. 20 Behemoth Tr; Vehemoth G; Behemot Ep. 20 fistula aeris GLLo2V2V2BEp; fistulae aeris Lo1Tr/Vulg. 25 Apoc. 22 Apoc. 21 G.

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nationem sunt conversi et in diversos scopulos, id est in diversas sectas et conventicula sunt gesti, Num. 21: Scopuli torrentium usque ibi Moabitarum. 535 Tales enim, quia ab ecclesia repudiantur, in finibus Moabitarum, id est in sectis infidelium, quietantur. Fabula vicesima septima 536

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Minos, civitatis Cretensis rex, filium habuit Androgeum, quem magistris Atheniensibus erudiendum tradidit. Sed in brevi tempore non solum discipulos, sed etiam magistros in scientia superavit. Qui invidentes ei contra eum conspiraverunt, ut eum de turris altitudine precipitarent. Quod audiens pater Athenas obsedit et tali gravissima pena punivit: condemnavit enim populum, quod sibi in Cretam omni anno septem cives pro tributo mitterent, quos Minotaurus, qui erat animal crudelissimus, devoraret. Moraliter Dic historialiter contra invidos, qui non possunt meliores et sagaciores se sustinere, immo sepe eorum mortem machinantur. Vel dic allegorice, quod Minos est deus pater, qui filium suum misit in mundum. Sed quia virtutibus et sapientia superavit phariseos et doctores, sibi inviderunt

in Steine verwandelt und zu verschiedenen Felsen, d.h. in verschiedene Sekten und Konventikel, geführt, Num. 21,15: ›Die Klippen der Sturzbäche‹ bis zu ›der Moabiter‹. 535 Da solche von der Kirche verstoßen werden, finden sie nämlich Ruhe im Gebiet der Moabiter, d.h. in den Sekten der Ungläubigen. Siebenundzwanzigste Erzählung 536 Minos, der König des kretischen Reichs, hatte einen Sohn, Androgeus, den er zur Ausbildung Lehrern in Athen übergab. In kurzer Zeit aber übertraf er nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer mit seinem Wissen. Da diese auf ihn neidisch waren, verschworen sie sich gegen ihn, dass sie ihn von einem hohen Turm herabstürzten. Als der Vater dies hörte, belagerte er Athen und bestrafte es mit der folgenden besonders harten Strafe: Er verurteilte nämlich das Volk dazu, dass es ihm in jedem Jahr sieben Bürger als Tribut nach Kreta schicke, die der Minotaurus, der ein sehr grausames Ungeheuer war, dann verschlänge. Moralisierung Sag es im Literalsinn gegen die Neider: Diese können diejenigen, die besser und klüger sind als sie, nicht ertragen; vielmehr sinnen sie oft auf deren Tod. Oder sag allegorisch, dass Minos Gottvater ist, der seinen Sohn in die Welt schickte. Aber weil er die Pharisäer und Schriftgelehrten an Tugenden und Weisheit übertraf, waren sie auf ihn neidisch und

7 Fabula vicesima septima VII,29 LLo1Lo2Ep; VII,23 V2B; VII,30 V4; VII,24 Tr. 1 – 2 in diversos . . . id est BTr; in diversos, id est Lo2V2; in scopulos, id est Ep; om. GLLo1V4. 3 Num. 21 Num. 12 G. 8 Minos, civitatis GLo2V4; Minos Lo1Lo2V2BTrEp. 9 Androgeum V4Ep; Androcheum GLo1 Tr; Androchenum B. 10 erudiendum Lo1Lo2V2BTrEp; erudendum G; instruendum V4. 14 precipitarent add. sicut et fecerunt Ep. 15 et add. captamque civitatem Ep. 23 eorum G; circa eorum L; in eorum Lo1Lo2V2V4BTrEp. 24 allegorice Lo1V2V4BTrEp; aliter G.

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et mortis supplicio tradiderunt, quapropter eorum civitatem per Titum et Vespasianum destruxit et, ut a Minotauro, id est diabolo, perpetuo devorarentur, ipsos condemnavit, Is. 63: Ipsi ad iracundiam provocaverunt et afflixerunt spiritum eius usque ibi debellavit eos. 537

verurteilten ihn zum Tode. Deshalb zerstörte er ihre Stadt durch Titus und Vespasian, und er verurteilte sie dazu, dass sie auf ewig vom Minotaurus, d.h. vom Teufel, verschlungen würden, Is. 63,10: ›Sie reizten ihn zum Zorn und betrübten seinen Geist‹ bis dahin ›bezwang er sie.‹ 537

Fabula vicesima octava 538

Achtundzwanzigste Erzählung 538

Sithonis mulier 539 civitatem suam, scilicet Arnem, nec non et patriam prodidit et vendidit et inde aurum non modicum reportavit. Propter quod in monedulam est mutata, que semper aurum diligit et abscondit. 540

Eine Frau aus Sithon, 539 nämlich Arne, verriet und verkaufte ihre Stadt und auch ihr Heimatland und erhielt dafür eine nicht unbedeutende Menge Gold. Deshalb wurde sie in eine Dohle verwandelt, die stets Gold liebt und versteckt. 540

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Allega contra avaros, qui patriam paradisi et animam pro auro dant. Propter quod in monedulas, que aurum diligunt, mutari dicuntur, inquantum monedulis se conformant.

Moralisierung Wende dies gegen die Habgierigen, die die paradiesische Heimat und ihre Seele für Gold hingeben. Man sagt, dass sie deshalb in Dohlen verwandelt werden, die Gold lieben, sofern sie sich wie Dohlen verhalten.

Fabula vicesima nona 541 Eacus filius Iovis civitatem Eginam habuit, cui Iuno irata pestilentiam immisit et quasi totum populum eius consumpsit. Quod videns Eacus dolore commotus rogavit Iovem, quod tantam sibi daret copiam civium, quantam in quercu propinqua vidit multitudinem formicarum. Ille igitur formice in homines sunt mutate, qui Myrmidones a sua prima origine sunt appellati. Qui scilicet more formicarum facti sunt homines parci victus et laboris patientes omnes-

Neunundzwanzigste Erzählung 541 Aeacus, der Sohn Jupiters, herrschte über Aegina. Da Juno ihm zürnte, schickte sie die Pest und vernichtete fast sein ganzes Volk. Als Aeacus dies sah, bat er in seinem Schmerz Jupiter, dass er ihm eine solche Menge Bürger gebe, wie die Menge der Ameisen, die er in der nahen Eiche sah. Jene Ameisen verwandelten sich dann also in Menschen, die nach ihrem eigentlichen Ursprung Myrmidonen genannt werden; denn diese sind Menschen, die nach Art der Ameisen sparsam mit Nahrung und

8 Fabula vicesima octava VII,30 LLo1Lo2Ep; VII,24 V2B; VII,25 Tr; VII,28–31 deest V4. 20 Fabula vicesima nona VII,31 LLo1Lo2Ep; VII,25 V2B; VII,26 Tr. 9 Sithonis Sithonis impia mulier Ep; Sythomis G; Sichonis Lo1; Syconis V2; Ficonis B; Michenis Tr. 12 monedulam LLo1Lo2TrEp; monedellam G; monedula V2B. 14 Moraliter G in marg. 17 monedulas cet. codd. Ep; monedelas G. 18 monedulis cet. codd. Ep; monedelis G. 21 Eacus B; Aeacus Ep; Eatus G; Eachus Lo1; Enacus V2. 30 facti sunt Lo1Lo2BTrEp; sunt facti sunt G. 31 parci Lo1Lo2V2BEp; parvi G; pauci Tr.

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que veniunt ad palatium regis suum dominum salutantes, cum mane surgeret. Qui de tam nobili civium multitudine miratus Iovi gratias dignas egit. 5

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Moraliter Eacus filius Iovis est dei filius. Civitas ista significat ecclesiam militantem, que a principio fuit peccati pestilentia orbitata civibus, id est personis bonis, totaliter vacuata. Verumtamen formice, id est peccatores, in quercu, id est in fide crucis, manentes in homines, id est in personas iustas et rationales, sunt mutati et per constantiam et doctrinam ecclesie sunt milites effecti sicut de se et suis similibus dicebat Apostolus Cor. 10: Non secundum carnem ambulamus, arma enim militie nostre non sunt carnalia. Fabula tricesima 542

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arbeitsam sind, und alle kommen zum königlichen Palast, um ihren Herrn zu grüßen, wenn er morgens aufgestanden ist. Dieser staunte über die Menge so edler Bürger und stattete Jupiter den angemessenen Dank ab.

Cephalus Eolides uxorem habuit Procrin dictam genere Erechthei regis Atheniensis, cuius sororem Orithyian ab Aquilone diximus raptam et duobus pennatis atque plumatis pueris impregnatam. 543 Ista ergo Procris pulcerrima tantum fuit a Cephalo predilecta, quod dea Aurora ab eo fuit contempta, que tamen ipsum rapuerat et dili-

Moralisierung Aeacus, der Sohn Jupiters, ist der Gottessohn. Die Stadt bedeutet die kämpfende Kirche, die, anfangs durch die Pest der Sünde verwaist, gänzlich leer war von Bürgern, d.h. von guten Menschen. Doch die Ameisen, d.h. die Sünder, die sich an der Eiche, d. h. im Glauben an das Kreuz, aufhielten, wurden in Menschen verwandelt, d.h. in gerechte und vernunftbegabte Wesen, und wurden durch Standhaftigkeit und Lehre zu Kämpfern für die Kirche, wie der Apostel von sich und den ihm ähnlichen Menschen 2. Cor. 10,3 f. sagt: ›Nicht dem Fleisch entsprechend wandeln wir, denn die Waffen unseres Kriegsdienstes sind nicht fleischlich.‹ Dreißigste Erzählung 542 Der Enkel des Aeolus Cephalus hatte eine Gattin mit Namen Procris aus dem Geschlecht des athenischen Königs Erechtheus, deren Schwester Orithyia – wie wir berichteten – von Aquilo geraubt wurde und von ihm mit zwei gefiederten und geflügelten Knaben geschwängert wurde. 543 Jene Procris also war sehr schön und wurde von Cephalus in solchem Maße geliebt, dass die Göttin Aurora von ihm verschmäht wurde, obwohl diese ihn geraubt und ihm

19 Fabula tricesima VII,32 LLo1Lo2Ep; VII,26 V2B; VII,27 Tr. 2 surgeret LLo1TrEp; surgunt GLo2; surgerent B. 14 milites Lo1V2BTrEp; viventes G. 15 de Lo1V2BTrEp; om. G. 16 Cor. 10 Cor. 5 G. 16 – 17 ambulamus GLLo1Lo2; ambulemus V2; militamus Ep/Vulg. 20 Eolides Ep; Colides GLo1V2BTr. 20 Procrin V2Ep; Pocrim GB; Pocrin Lo1Tr. 21 Erechthei Erithei G; Eructei Lo1; Erictei BEp; Eryctey Tr. 22 – 24 cuius . . . impregnatam GB; om. Lo1V2TrEp. 22 Orithyian coni.; Ericie G; om. nomen Lo1V2BTrEp. Cf. Ov. Met. 6,707. 24 – 25 Ista . . . Pocris B; ista ergo poetis G; que al. mss. et Ep. 26 Aurora Lo1BEp; aurea GTr.

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gere proposuerat. Sed Procrin, quam de novo duxerat, plus amavit et pre amore factus zelotypus temptare voluit, si esset pudica. Favente igitur Aurora, quam contempserat, iste faciem et formam mutavit et se alienum simulans domum propriam introivit. Qui cum Procrin ardentissime solicitasset et illa diutissime et fortissime denegasset, tandem tanta cepit promittere, quod eam dubitare coegit. Quod videns Cephalus fictam figuram deposuit et se maritum eius esse ostendit. Pro quo Procris occulte fugiens omne genus hominum horrere cepit; et per montes diu vagavit et Diane in venatione associata tandem a Cephalo excusante, dolente et tabescente recuperata est et telum, quod sibi Diana dederat, in signum amoris perpetui marito dedit. Moraliter

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Istud applica contra suspiciosos maritos, qui sunt zelotypi et incipiunt de uxoribus querere. Et sic quandoque multa inveniunt, que non sunt utilia scire. Ideo dicitur Eccli. 3: Non est tibi necessarium ea, que abscondita sunt, videre oculis tuis et in supervacuis rebus noli scrutari. Vel dic, quod non est aliqua mulier ita casta, quin precibus et muneribus vacillare cogatur.

ein Liebesverhältnis vorgeschlagen hatte. Doch er liebte Procris mehr, die er erst kurz zuvor geheiratet hatte, und aus Liebe wurde er eifersüchtig und wollte nun prüfen, ob sie ihm treu sei. Mit Hilfe Auroras, die er verschmäht hatte, verwandelte er also sein Gesicht und seine Gestalt und, indem er sich als Fremder ausgab, betrat er sein eigenes Haus. Nachdem er Procris aufs glühendste bedrängt und jene sehr lange und äußerst heftig abgelehnt hatte, begann er schließlich so viel zu versprechen, dass er sie zum Zweifeln brachte. Als Cephalus dies sah, legte er seine Truggestalt ab und gab sich als ihr Ehemann zu erkennen. Deshalb floh Procris heimlich und begann, das gesamte Menschengeschlecht zu verabscheuen. Sie streifte lange durch die Berge und schloss sich Diana bei der Jagd an. Schließlich wurde sie von Cephalus, der sich entschuldigte und traurig und abgehärmt war, zurückgewonnen, und sie gab ihrem Ehemann den Speer, den ihr Diana geschenkt hatte, als Zeichen ihrer ewigen Liebe. Moralisierung Wende dies gegen misstrauische Ehemänner, die eifersüchtig sind und über ihre Ehefrauen Nachforschungen anzustellen beginnen. Und so finden sie bisweilen vieles heraus, das zu wissen nicht von Nutzen ist. Deshalb heißt es Eccli. 3,23f.: ›Nicht musst du das, was verborgen ist, mit deinen Augen sehen, und erforsche nicht überflüssige Dinge.‹ Oder sag, dass es keine noch so keusche Frau gibt, die nicht mit Bitten und Geschenken ins Wanken gebracht werden könnte.

1 quam Lo1V2BTrEp; que G. 13 hominum hoiminum G, sed corr. 16 tabescente G; cogente Lo1 Tr; rogante V2; volente B; veniam deprecante Ep. 18 marito coni.; marito sibi G; sibi Lo1V2BTr; ipsi Ep. 22 querere Lo1V2BTrEp; conqueri G. 25 in codd. et Ep/Vulg.; om. G. 27 non om. G, sed add. supra lin.

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Fabula tricesima prima 544

Einunddreißigste Erzählung 544

Cum Procris fugitiva fugisset et cum Diana stetisset in silvis et tandem ad Cephalum redisset coniugem suum, marito suo dedit quoddam telum, quod sibi Diana dederat. Cuius mirabilis erat virtus: ad quodcumque enim animal mittebatur, inevitabiliter evolabat ipsumque sine defectu aliquo occidebat et tandem ad manum mittentis redibat. Ipsa tamen proprio telo fuit occisa. Accidit enim, quod cum Cephalus omni die ad silvas pro venatione iret et calefactus auram pro refrigerio vocaret in ista verba: ›Aura, aura! Veni, veni!‹ 545 multociens replicaret, audivit quidam rusticus hec et credens, quod aliquam iuvenculam vocaret, illud uxori sue Procri rettulit. Que facta zelotypa illud probare voluit et mane virum ad venationem sequens sub foliis se abscondit. Vir igitur de venatione fatigatus auram pro refrigerio vocans Procrin inter ramos et folia susurrantem audivit. Qui eam feram credens telum emisit et dominam propriam interfecit; et ad manum Cephali revolavit. Ipsa ergo moriens maritum suum excusatum habuit, et ipse tristabilem casum videns telum semper secum portabat et quotiens casum meminerat, dure flebat.

Als Procris in der Flucht davongeeilt war und sich bei Diana in den Wäldern aufgehalten hatte und schließlich zu Cephalus, ihrem Gatten, zurückgekehrt war, gab sie ihrem Ehemann einen Speer, den ihr Diana geschenkt hatte. Dieser hatte eine wunderbare Eigenschaft: Er flog nämlich unentrinnbar zu jedem Lebewesen, auf das er abgeschossen wurde, und tötete es, ohne im mindesten abzuirren, und kehrte zuletzt in die Hand desjenigen zurück, der ihn geschleudert hatte. Doch sie selbst wurde mit ihrem eigenen Speer getötet. Es geschah nämlich, dass, weil Cephalus jeden Tag zur Jagd in die Wälder ging und erhitzt die Luft zur Abkühlung mit folgenden Worten herbeirief: ›Aura, Aura [Luft, Luft]! Komm! Komm!‹, 545 und er dies mehrfach wiederholte, ein Bauer es hörte und, weil er glaubte, dass er ein anderes junges Mädchen gerufen habe, jene Worte seiner Gattin Procris berichtete. Diese wurde eifersüchtig, sie wollte das prüfen und folgte deshalb früh morgens ihrem Mann zur Jagd und versteckte sich im Gesträuch. Als ihr Ehemann nun, ermüdet von der Jagd, die Luft [Aura] zur Abkühlung herbeirief, hörte er Procris zwischen den Zweigen und Blättern rascheln. Da er sie für ein wildes Tier hielt, schickte er seinen Speer los, und der Speer tötete seine eigene Herrin und flog zur Hand des Cephalus zurück. Im Sterben aber erkannte sie die Unschuld ihres Ehemanns an, und er selbst sah, wie traurig der Unglücksfall war, und er trug den Speer fortan stets bei sich und weinte bitterlich, sooft er sich an das Unglück erinnerte.

1 Fabula tricesima prima VII,33 LLo1Lo2Ep; VII,27 V2B; VII,28 Tr. 21 Procrin Procrim Ep; Procrum G; Pocrin Lo1.

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Moraliter

Moralisierung

Istud applicatur contra mulieres suspiciosas, que nituntur suos explorare maritos. Quod cum faciunt, inevitabili telo, id est inenarrabili zelo, leduntur. Vel dic contra delatores verborum, qui odia et suspiciones suscitant et tandem pericula et mortem parant. Vel dic, quod tale telum est amor, qui a Diana, id est Luna, que sepissime soli coniungitur, dicitur dari pro eo, quod ex coniunctione et frequentia nimia solet amor in hominibus generari. Igitur amor est telum inevitabile, quia pro certo nullus est, qui possit evitare, quin diligat vel diligatur ab aliquo. Amor etiam in morem istius teli reciproce est nature: qui postquam ad aliquem vulnerandum vel diligendum missus fuerit, ad eum, qui illum misit, statim redit. Naturale enim est, quod, si aliquis aliquem dilexerit, quod ab ipso similiter diligatur. Ideo dicit Seneca: Docebo, inquit, te breve amatorium sine carmine: ama, si vis amari. 546 Vel dic, quod tale telum est bonus obediens, qui infallibiliter vadit ad exsequendum opus sibi iniunctum a suo superiore et statim redit ad manum mittentis, ut verum exhibeat se paratum, ut de bonis mittentibus dicatur illud Iob 38: Numquid mit-

Dies wird gegen misstrauische Ehefrauen angewendet, die ihren Ehemännern nachzuspüren versuchen. Weil sie dies tun, werden sie von einem unentrinnbaren Speer, d.h. von unbeschreiblicher Eifersucht, verletzt. Oder sag es gegen die Denunzianten, die Hass und Misstrauen erzeugen und schließlich Gefahren und Tod bereiten. Oder sag, dass solch ein Speer die Liebe ist, die deshalb als Gabe der Diana, d. h. des Mondes gilt, der sich sehr oft mit der Sonne verbindet, weil sich gewöhnlich aus der Verbindung und ihrer allzu großen Häufigkeit des Treffens bei den Menschen Liebe entwickelt. Also ist die Liebe ein unentrinnbarer Speer, da es gewiss niemanden gibt, der vermeiden kann, dass er liebt oder von einem anderen geliebt wird. Auch die Liebe ist nach Art dieses Speeres von wechselseitiger Wirkung: Nachdem sie ausgeschickt worden ist, um jemanden zu verwunden oder zu lieben, kehrt sie sogleich zu demjenigen, der sie schickte, zurück. Natürlich ist es nämlich, dass einer, wenn er einen anderen liebt, von ihm auf ähnliche Weise wiedergeliebt wird. Deshalb sagt Seneca: ›Ich werde dich ein kurzes Liebesmittel ohne Zaubersprüche lehren: Liebe, wenn du geliebt werden willst.‹ 546 Oder sag, dass solch ein Speer ein guter Diener ist, der gehorcht, der sich unfehlbar aufmacht, das Werk auszuführen, das ihm von seinem Vorgesetzten aufgetragen wurde, und der sogleich zur Hand desjenigen zurückkehrt, der ihn geschickt hat, so dass er sich wirklich als bereit zeigt, wie es von guten Menschen, die jemanden ausschicken, Iob 38,35 heißt: ›Entsendest du

29 – 30 mittentibus GLLo1Lo2Tr; obedientibus B; mittentibus et obedientibus Ep.

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tes fulgura et ibunt et revertentia dicent tibi: Assumus? Vel dic, quod tale telum est verbum detractorium; illud vero irrevocabiliter interficit, inquantum fama, quam aufert, vix aut numquam possit restitui seu revocari.

die Blitze, dass sie hingehen und zurückkommen und sagen: Wir sind da?‹ Oder sag, dass ein solcher Speer das Wort von Verleumdern ist; jenes aber tötet unwiderruflich, sofern der gute Ruf, den es zerstört, kaum je oder niemals wiederhergestellt oder zurückgefordert werden kann.

5 aufert Lo1V2BTrEp; om. G.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

Liber octavus

Buch 8

Iam nitidum retegente diem etc. 547

Schon eröffnet der Morgenstern den strahlenden Tag etc. 547

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Minos filius Iovis rex erat Cretensium et in vindictam filii sui Athenis interfecti obsedit Alcathoen, scilicet civitatem Atheniensibus subiectam et confoederatam, ubi scilicet Nisus rex tunc dominabatur. Habebat iste Nisus rex in capite quendam crinem aureum, regis et regni fatalem. 549 Fatatum enim erat, quod, quamdiu ille crinis ipsius capiti inhereret, ipse rex viveret et regnum tutum ab hoste maneret. Dempto vero crine necesse erat, regem mori et sic faciliter posse regnum capi. Rex autem Nisus habebat filiam nomine Scyllam, que quadam die altam turrem ascendens Minoem extra pugnantem contra patrem et patriam videns exarsit in amore eius et, ut sibi facilius complaceret, crinem aureum de capite patris dormientis abscidit. Et sic interfecit patrem patriamque prodidit et regnum et crinem ad Minoem deportavit et in eius manibus crinem dedit et, ipsam ut uxorem duceret, imploravit. Minos vero cum esset iustus, tantum facinus abhorruit crine tamen sumpto regnum et civitatem sumpsit, legibus populo impositis ad patriam propriam navigavit. Cum quo tamen Scylla vellet recedere, ipsam abominans dixit Minos: Dii

Erste Erzählung 548 Minos, Jupiters Sohn, war König der Kreter und belagerte aus Rache für seinen in Athen getöteten Sohn Alcathoe [Megara], eine Stadt, die den Athenern untertan und mit ihnen verbündet war, wo damals König Nisus herrschte. Dieser König Nisus hatte auf seinem Kopf ein goldenes Haar, das für den König und sein Reich schicksalsträchtig war; 549 denn es war prophezeit worden, dass, solange jenes Haar sich auf seinem Kopf befinde, der König selbst lebe und sein Reich vor dem Feind sicher bleibe. Bei Verlust des Haares aber war es unumgänglich, dass der König stürbe und sein Reich dann leicht einzunehmen wäre. König Nisus hatte aber eine Tochter namens Scylla, die eines Tages einen hohen Turm bestieg und Minos erblickte, der außerhalb gegen ihren Vater und ihre Heimat kämpfte, und sie entbrannte in Liebe zu ihm. Um ihm leichter zu gefallen, schnitt sie das goldene Haar vom Kopf ihres schlafenden Vaters ab. Und so tötete sie ihren Vater, verriet ihre Heimat und überbrachte die Herrschaft und das Haar Minos. Sie legte das Haar in seine Hände und flehte ihn an, sie zu heiraten. Da Minos aber gerecht war, schreckte er vor einem solch großen Verbrechen zurück, nahm aber dennoch das Haar an, übernahm die Herrschaft und die Stadt, gab dem Volk Gesetze und segelte in seine eigene Heimat zurück. Weil Scylla aber mit ihm fortgehen wollte, sagte Minos, der sie ver-

4 Iovis add. et Europae Ep. 6 Alcathoen Alchatoe GV2V4Tr; Alcharoe Lo1; Alchithoe B; Alchato Ep. 10 aureum GLo1Pa8V4BTr; purpureum Ep. 10 regis et regni GLo2Pa8V2BTr; regis et regis V4; sibi et regno Ep; om. LLo1. 26 abhorruit abhorurit G. 26 crine cre crine G, sed del. cre. 28 patriam add. scilicet Cretam Ep. 30 Minos Minos lac., sed pos. in marg. versus G.

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te submoveant, o nostri infamia secli, orbe suo tellusque tibi pontusque negetur. 550 Ista igitur cum ad patriam, quam prodiderat, redire non auderet – Minos ipsam et eius facinus abominans –, in mare se posuit et carine navis inhesit. Pater autem eius Nisus in halietum 551 mutatus fuit, qui ipsam sic herentem laniare temptavit. Ipsa vero in cirim 552 sive alaudam mutatur, que usque hodie ab halieto impugnatur. Moraliter

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Dic, quod Nisus iste significat intellectum sive rationem, que in civitate anime noscuntur imperare. Capilli illius sunt virtutes, sed potissime crinis fatalis aureus est caritas, que est virtus aurea. Que fatalis est, quia, quamdiu in capite nostre intentionis fuerit, nec pater eius, scilicet ratio, per peccatum moritur, nec regnum anime expugnatur. Filia ista est concupiscentia vel voluntas. Minos vero est diabolus sive mundus. Quando igitur accidit, quod Minos rex Cretensis, id est diabolus rex inferni, per temptationes diversas obsidet anime civitatem, plerumque convenit, quod voluntas sive concupiscentia voluntarie machinantur per peccatum patriam et patrem, id est rationem et animam, sibi tradere et in sui concubitus per vitiorum complacen-

abscheute: ›Mögen die Götter dich von ihrem Erdkreis vertilgen, du Schande unseres Jahrhunderts, und mögen Land und Wasser dir versagt bleiben!‹ 550 Da sie es nun nicht wagte, in ihre Heimat, die sie verraten hatte, zurückzukehren, Minos sie und ihre Tat aber verabscheute, stürzte sie sich ins Meer und hängte sich an den Schiffskiel. Ihr Vater Nisus war jedoch in einen Fischadler 551 verwandelt worden, der versuchte, sie, wie sie so hing, zu zerfleischen. Sie aber wurde in eine Ciris oder eine Lerche verwandelt 552 , die bis heute vom Fischadler bekämpft wird. Moralisierung Sag, dass Nisus die Vernunft oder den Verstand bedeutet, von denen man weiß, dass sie in der Stadt der Seele herrschen. Seine Haare sind die Tugenden, aber vor allem ist das schicksalhafte goldene Haar die Liebe, die die goldene Tugend ist. Sie ist schicksalhaft, weil, solange sie sich auf dem Kopf unserer Absicht befindet, weder ihr Vater, nämlich der Verstand, durch Sünde stirbt, noch das Reich der Seele erobert wird. Die Tochter ist die Begierde oder der Wille. Minos aber ist der Teufel oder die Welt. Wenn es also geschieht, dass der kretische König Minos, d.h. der Teufel, der König der Unterwelt, durch verschiedene Versuchungen die Stadt der Seele belagert, kommt es häufig vor, dass der Wille oder die Begierde durch Sünde freiwillig darauf sinnen, ihm das Vaterland und den Vater, d. h. den Verstand und die Seele, zu übergeben und mit Wohlgefallen an den Lastern in den Beischlaf mit ihm einzuwilli-

12 – 328,16 Dic . . . Samson pos. infra post complacere B. 1 nostri LLo1Pa8BEp; patri GLo2V4Tr. 1 secli cet.; sceli G. 2 tibi Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 5 abominans . . . posuit exhorrens et eam relinquens navigaret, illa violentam, ut dicit Ovidius, transit in iram et in mare se proiecit. Ep. 9 cirim V4Ep; cursu G; currum Lo2; om. LLo1Pa8Tr. 15 aureus codd.; aureus vel purpureus Ep. 27 per . . . patrem Ep; peccatum et patriam GV2B; per peccatum et patrem LPa8; peccatum et patrem Lo1 V4; patrem et patriam Lo2Tr. 29 sui concubitus GLo1Lo2Pa8BTr; sui concubitum V2; suum concubitum Ep.

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tiam consentire. Ista igitur est, que fatalem crinem, id est caritatem radit, et sic rex, id est ratio, mortem incurrit et Minos, id est diabolus, regnum anime per vitia capit, Cor. 13: Si caritatem non habuero, nihil sum. 553 Propterea talis mala filia bene figurata videtur in Dalila, que caput Samsonis totondit; et statim spiritus dei ab eo recessit et fortitudinem amisit et a Philisteis captus fuit, Iud. 16. Quia procul dubio mala uxor vel filia, id est mala voluntas, vellus caritatis et virtutum eradicat et tunc fortitudo mentis perdit et spiritus sanctus evaporat et in talibus Philistinorum populus, id est diabolorum et vitiorum, dominatur. Iud. 16: Phylistim super te Samson. Vel dic exemplariter contra multos, qui horrenda crimina non verentur committere ad finem, quo possint magnatibus complacere. Qui utilitatem, quam inde consequi possunt, libenter recipiunt, sed nihilominus crimen abominantur et factores criminis vilipendunt. Et sic fit, quod tales pessimi, unde premium speraverunt, vituperium plus incurrunt, unde Esop [Gualterus Anglicus]: Displicet imprudens, unde placere studet. 554 Exemplum habemus de illo, qui fecit bovem ereum in Orosio, 555 de illis, qui occiderunt Darium in Alexandro, de illis, qui occiderunt Isboseth 2. Reg. 4. Quia scilicet

gen. Sie also ist es, die das schicksalhafte Haar, d. h. die Liebe, abschneidet, und so fällt der König, d.h. der Verstand, dem Tod anheim und Minos, d. h. der Teufel, übernimmt durch Laster das Reich der Seele, 1. Cor. 13,2: ›Wenn ich die Liebe nicht hätte, wäre ich nichts.‹ 553 Deshalb scheint eine solch schlechte Tochter gut in Dalila präfiguriert zu sein, die den Kopf Samsons geschoren hat; und sogleich wich der Geist Gottes von ihm, und er verlor seine Stärke und wurde von den Philistern gefangen genommen Iud. 16,19–21. Denn ohne Zweifel vernichtet eine schlechte Frau oder Tochter, d.h. der böse Wille, die Haare der Liebe und der Tugenden, dann geht die Stärke des Geistes verloren, der Heilige Geist entschwindet wie Dunst, und es herrscht über solche das Volk der Philister, d.h. Teufel und Laster, Iud. 16,12.14.20: ›Die Philister sind über dir, Samson.‹ Oder sag es im Beispiel gegen viele, die sich nicht davor scheuen, schreckliche Verbrechen zu begehen, um dadurch den Großen zu Gefallen sein zu können. Diese nehmen gern den Nutzen an, den sie daraus ziehen können, verabscheuen aber das Verbrechen nichtsdestoweniger und verachten die Täter des Vergehens. Und so geschieht es, dass solche nichtswürdigen Menschen mehr Tadel ernten, wo sie eine Belohnung erhofften. Daher sagt [Ps.-]Aesop: ›Der Törichte erregt Missfallen, wo er zu gefallen sucht.‹ 554 Ein Beispiel haben wir bei Orosius 555 von jenem, der einen ehernen Stier anfertigte, bei Alexander von jenen, die Darius töteten, von jenen, die Isboseth töteten, 2. Reg. 4,5ff. Weil

2 radit Lo1Pa8V2BTrEp; vidit G. 5 habuero Lo1Pa8V4BTrEp; habui G. 7 Dalila Dalida GLo1BTrEp. 10 Iud. 16 Iudicum 16 Ep; om. GLo1Pa8V4BTr. 13 spiritus sanctus Lo1V4BTrEp; spiritus suus G; (fortitudinem . . .) spiritum sanctum Pa8. 15 – 16 Philisthiim Vulg.; Phylistim G; Philistini Ep. 18 crimina Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 24 speraverunt LLo1Lo2Pa8V4; superaverunt G; speraverant BEp; credunt Tr. 25 incurrunt LLo1V2V4TrEp; incurerunt G; incidunt Pa8; incurant B. 26 studet GBTr; putat Lo1Pa8V2 V4Ep. 29 in Alexandro GLo1Lo2V4BTr; in gestis Allexandri Pa8; in vita Alexandri Ep. 30 Isboseth Myfiboseth G; Isboseth dormientem Ep. 30 2. Reg. 4 BEp; Reg. 3 GV4Tr.

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Phalaris tyrannus artificem bovis enei primum in eo combussit, Alexander interfectores Darii super sepulcrum eius suspendit, 556 David illos, qui Isboseth in eius favorem necaverant, interfecit, Eccli. 7: Ne impie agas multum, ne moriaris tempore non tuo. Preclusa igitur utraque via tales proditores in alaudam mutantur; pater vero occisus, id est ipse, quem offenderunt, eis in halietum mutatur, inquantum odium perpetuum ab eo contra tales concipitur et habetur. Vel dic contra malam mulierem, que non veretur horribilia committere et contra patriam et parentes mala machinari, ut possit suum malum desiderium adimplere et suis corruptoribus complacere. Fabula secunda 557

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Civitas Alcathoe habebat turrem, super quam Apollo per aera volans citharam suam posuerat, sonusque cythare turri inheserat, ita quod turris mirabiliter resonabat et modico ictu lapidis mirabilem sonum dabat. Scylla igitur, filia Nisi regis, de qua dictum est, 558 cum illam turrim sono turris delectata sepe ascendit, vidit Minoem regem armatum, qui civitatem totis viribus obsidebat. Cuius amore succensa patrem prodidit et civitatem.

nämlich der Tyrann Phalaris den Schöpfer des ehernen Stieres als ersten in diesem verbrannte, Alexander die Mörder des Darius über dessen Grab aufhängte, 556 David jene tötete, die Isboseth seiner Gunst wegen ermordet hatten, gemäß Eccl. 7,18: ›Handle nicht allzu frevelhaft, damit du nicht vor deiner Zeit stirbst.‹ Wenn also beide Wege solchen Verrätern versperrt sind, werden sie in eine Haubenlerche verwandelt. Der getötete Vater aber, d.h. der, den sie verletzten, wird ihnen in einen Fischadler verwandelt, sofern von ihm beständiger Hass gegen solche erzeugt und genährt wird. Oder wende es gegen eine schlechte Frau, die sich nicht scheut, schreckliche Dinge zu begehen und gegen ihre Heimat und ihre Eltern Böses zu ersinnen, um ihr böses Verlangen erfüllen und ihren Verführern gefallen zu können. Zweite Erzählung 557 Die Stadt Alcathoe hatte einen Turm, auf dem Apollo auf seinem Flug durch die Lüfte seine Kithara abgelegt hatte, und der Klang der Kithara blieb im Turm hängen, so dass der Turm auf wunderbare Weise ertönte und durch leichten Schlag mit dem Stein einen wunderbaren Ton von sich gab. Da also Scylla, die Tochter des Königs Nisus, von der schon die Rede war, 558 sich am Klang des Turms erfreute und deshalb jenen Turm oft bestieg, sah sie den König Minos in Waffen, der die Stadt mit all seinen Streitkräften belagerte. In Liebe zu ihm entbrannt, verriet sie ihren Vater und ihre Stadt.

1 Phalaris V2TrEp; Phalus GV4; Phararis B. 1 enei Pa8V2V4BTr; enee GLLo1Lo2; erei Ep. 5 Eccli. 7 Eccli. 3 G. 7 tuo Lo1Pa8V4TrEp; tuto G; om. B. 8 in alaudam Lo1Pa8V4TrEp; in laudem G; in alandam B. 19 Alcathoe Alchatoe codd. et Ep.

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Dic, quod turris ista significat seculi altas dignitates, in quibus semper resonat lyra Apollinis, id est sonitus adulatorum. Quicumque igitur illuc ascendit, ut tali sono delectetur et a vanis laudibus commendetur, necesse est, ut a Minoe, id est diabolo, per vitia corrumpatur et quod civitas anime sibi tradatur et a temptationibus superetur. Vel dic contra iuvenculas, que in melodiis delectantur, et dum ad loca, ubi sunt melodie, vadunt et Apollinis citharam, id est histrionum cantus et solacia, attendunt, sepe fit, quod Minoem, id est aliquem iuvenem temptantem, vident. Quem immoderate diligunt, ita quod civitatem mentis et castrum corporis sibi tradunt. Et ideo fatuum est delectari in talibus, sed quelibet persona bona debet dicere Am. 5: Aufer a me tumultum carminum tuorum, cantica lyre tue non audiam.

Sag, dass dieser Turm die hohen irdischen Würdenämter bedeutet, in denen stets die Kithara Apolls, d.h. der Klang der Schmeichler, tönt. Jeder also, der dorthin aufsteigt, um sich an diesem Klang zu erfreuen und von eitlen Lobreden empfohlen zu werden, wird zwangsläufig von Minos, d.h. dem Teufel, durch Laster verdorben, er wird diesem dann die Stadt der Seele übergeben und wird den Versuchungen erliegen. Oder wende es gegen die jungen Mädchen, die sich an Musik erfreuen. Und während sie an Orte gehen, wo Melodien erklingen, und sie ihre Aufmerksamkeit auf die Kithara Apolls, d. h. auf den Gesang und den Trost der Schauspieler, richten, geschieht es oft, dass sie Minos, d.h. irgendeinen jungen Mann, sehen, der sie in Versuchung führt. Diesen lieben sie über die Maßen, so dass sie ihm die Stadt ihres Geistes und die Burg ihres Körpers übergeben. Und deshalb ist es dumm, sich an solchen Dingen zu erfreuen, vielmehr muss eine jede gute Person sagen, Am. 5,23: ›Nimm weg von mir den Lärm deiner Lieder, den Klang deiner Leier will ich nicht hören.‹

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Cum Minos rex Cretensis in obsidione Athenarum vacaret, Pasiphae uxor eius filia Solis taurum pulcerrimum insano amore dilexit eiusque copulam concupivit. Quapropter vaccam ligneam per Dedalum lignarium artificem fieri fecit, quam pelle vacce

Dritte Erzählung 559 Als sich der kretische König Minos bei der Belagerung Athens aufhielt, liebte seine Gattin Pasiphae, die Tochter Sols, einen wunderschönen Stier in wahnsinniger Leidenschaft und begehrte die Vereinigung mit ihm. Deshalb ließ sie durch Daedalus, einen kunstfertigen Zimmermann, einen

2 – 9 Dic . . . superetur pos. post Vel . . . audiam B. 5 ascendit GLo2Pa8V4B; ascenderit LLo1Tr; ascenderet Ep. 5 ut Lo1Lo2Pa8V4TrEp; vel GB. 8 anime a anime G, sed del. -a-. 10 Vel add. Moraliter ante vel G. 11 sunt Lo1V2V4BEp; fuerunt G; om. dum . . . est Tr. 12 citharam Lo1V2V4BEp; om. G. 19 Am. 5 Amos 5 LLo1Ep; om. GLo2Pa8V4BTr. 23 Cum GPa8Tr; dum LLo1V2V4BEp; unde Lo2. 24 Pasiphae Ep; Phasiphis G; Phis (?) V2; Pasiphis V4; Pasiphys B; Pasyphes Tr. 25 taurum tarum G, sed add. -u- supra lin.

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recenter occise induens et se infra ligna illa applicans taurum ad copulam invitavit et Minotaurum in ea genuit, qui semivir et semibos nascens mirabile monstrum fuit. Minos igitur rediens novitate monstri attonitus pro celanda verecundia sua fecit fieri arte Dedali labyrinthum, scilicet diversis ambagibus flexuosum, in quo quilibet intrare poterat, sed amplius regredi nesciebat. Ibi ergo Minotaurum inclusit et cum corporibus Atheniensium, quos bello ceperat, enutrivit. Quos sorte ductos in labyrinthum mittebat et eos Minotaurus protinus devorabat. – Nota horrendam impudicitiam mulieris detestabili agitata libidine, que bruti copulam potuit appetere. Propter quod dicitur Eccli. 17: Quid iniquius, quam quod caro et sanguis revelavit. 560 Moraliter

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Dic moraliter, quod talis regina est anima, que viro suo Christo ab ea per peccatum elongato non cessat cum tauro, id est diabolo, fornicari et ab eo monstruosis partubus et affectibus impregnari.

hölzernen Stier anfertigen, die sie mit dem Fell einer kürzlich getöteten Kuh überzog. Sie legte sich dann unter das Holz und lud den Stier zum Beischlaf ein, und er zeugte mit ihr den Minotaurus, der, halb Mensch und halb Stier, ein erstaunliches Ungeheuer war. Bei seiner Rückkehr war Minos wegen der Neuartigkeit des Ungeheuers bestürzt und ließ, um seine Schande zu verbergen, durch die Kunst des Daedalus ein Labyrinth bauen, das durch verschiedene Irrwege krümmungsreich angelegt war: jeder konnte es betreten, fand aber dann den Rückweg nicht mehr. Dort schloss er nun den Minotaurus ein und ernährte ihn mit den Körpern der Männer aus Athen, die er im Krieg gefangen genommen hatte. Die, die durch Los ermittelt waren, schickte er in das Labyrinth, und der Minotauros verschlang sie sogleich. – Nimm die schreckliche Unzucht einer Frau wahr, die, von verabscheuenswerter Lust angetrieben, den Beischlaf mit einem Tier suchen konnte. Deshalb heißt es Eccli. 17,30: ›Was ist verwerflicher als das, was Fleisch und Blut offenbart haben.‹ 560 Moralisierung Deute moralisch, dass eine solche Königin die Seele ist, die, da ihr Mann Christus wegen ihrer Sünde von ihr fern ist, nicht aufhört, mit einem Stier, d.h. dem Teufel, Unzucht zu treiben und von ihm in monströsen Zeugungen und Gefühlen, schwanger zu werden.

1 infra GLo1Pa8V4Tr; intra BEp. 2 taurum ad copulam Ep; copulam GLLo1V4Tr; ad copulam V2; taurum horrendam ad copulam B; om. Pa8. 4 fuit LLo1Pa8BEp; fecit GLo2Tr; om. fuit (fecit) . . . verecundia sua V4. 6 fieri Lo1Lo2TrV4BEp; om. GPa8. 7 labyrinthum Ep; lambarintum G; laberinchum L; laberinthum Lo1Lo2V2BTr; laborinthum Pa8V4. 11 ceperat vicerat et ceperat Ep. 12 ductos Lo1Lo2V2V4BTr; ductis G; om. et cum . . . mittebat Pa8. 12 labyrinthum Ep (labyrinthum domum Ep); lambaritum G; laberinchum L; laborinthum Lo1V4; laberintum Lo2V2BTr; om. Pa8. 14 impudicitiam Lo1Pa8V2V4BEp; pudicitiam G; malitiam Tr. 16 copulam Lo1Pa8V4BTrEp; copula G. 17 iniquius GLo1Pa8V4BTr; nequius Ep/Vulg. 17 quam quod Lo2Pa8V2V4BTrEp; quam GLLo1. 18 revelavit GLo2Pa8V2V4B; revelaverit LLo1Tr; excogitavit Ep, add. quasi diceret nihil. 23 partubus LLo1Lo2V4Ep; partibus GBTr.

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Vel dic, quod, quando Minos, id est prelatus, ab uxore, id est ecclesia sibi commissa, diutius elongatur, solet talis uxor, id est talis ecclesia, tauro, id est diabolo, per peccata et errores se supponere et Minotauros, id est malos subditos, in se concipere, qui carnes humanas, id est substantias aliorum, solent devorare. Absentia enim prelati multorum est causa malorum. Fabula quarta 561 Cum nobiles Athenienses sorte ducti darentur ad devorandum Minotauro a Minoe victore, evenit sorte, quod Theseus, filius Egei regis Athenarum, duci deberet ad labyrinthum, ut ab illo semibove devoraretur. Iste Theseus cum esset pulcer et fortis, dilectus est ab Ariadne, filia Minois, et pacto sibi coniugio docuit eum consilio Dedali, quod globum fili et picem secum portaret et cum intraret per ambages labyrinthi, filum explicaret, picem vero in os monstri proiceret; quam cum masticaret et pix ipsius dentibus inhereret, ipsum interficeret. Que omnia cum Theseus fecisset, caput Minotauri amputavit et mediante filo rediit. Qui navem ascendens et Ariadnen secum duxit, sed eam dormientem in Dia 562 insula di-

Oder sag, dass, wenn Minos, d.h. ein Prälat, von seiner Gattin, d.h. seiner ihm anvertrauten Gemeinde, länger fern gehalten wird, eine solche Gattin, d. h. eine solche Gemeinde, sich durch Sünden und Irrlehren unter einen Stier, d.h. unter den Teufel, zu legen und ›Minotauren‹, d.h. schlechte Untergebene, in sich zu empfangen pflegt. Diese verschlingen dann gewöhnlich menschliches Fleisch, d.h. den Besitz anderer. Denn die Abwesenheit des Prälaten ist Ursache vieler Übel. Vierte Erzählung 561 Als adlige Athener durch das Los ausgewählt und von dem siegreichen Minos dem Minotaurus zum Fraß gegeben wurden, geschah es durch das Los, dass Theseus, der Sohn des Aegeus, des Königs von Athen, zum Labyrinth gebracht werden musste, um von jenem Halbstier verschlungen zu werden. Da eben jener Theseus schön und tapfer war, verliebte sich Ariadne in ihn, die Tochter des Minos, und, nachdem sie sich die Ehe versprochen hatten, lehrte sie ihn auf den Rat des Daedalus hin, dass er ein Wollknäuel und Pech mitnehmen und nach dem Eintreten in die Irrwege des Labyrinths den Faden entrollen, das Pech aber in das Maul des Ungeheuers schleudern und es damit töten solle, wenn es dieses kaue und das Pech an seinen Zähnen hafte. Als Theseus alles so ausgeführt hatte, trennte er das Haupt des Minotaurus ab und kehrte mit Hilfe des Fadens zurück. Er bestieg sein Schiff und nahm Ariadne mit sich, ließ die Schlafende aber auf der Insel Dia 562 zu-

14 – 15 labyrinthum Ep; lambaritum G; laberintum V2; laborintum V4; labarintum Tr. 17 Ariadne Ep; Adriagne GV2V4B; Adriagues Lo1; Adriana Tr. 20 per GLo1Pa8V4BTr; om. Ep. 22 quam . . . masticaret Pa8 V2V4BTrEp; quod cum masticaret Lo1; om. ut . . . inhereret G. 23 ipsum interficeret GB; caput abcideret Lo1; om. Pa8V4TrEp. 26 Ariadnen Ep; Adriagnem GV2V4; Adriaguem Lo1; Adriagne B; Adrianam Tr. 26 duxit V2V4BTr; ducens G. 27 Dia Ov. Met. 8,174; Chyo G; Cyo B; Chio V2V4TrEp. Cf. Anm. 562.

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misit et federa dirupit. Cum autem Ariadne evigilasset et de Theseo conqueretur, Bacchus de India victor rediens et sibi compatiens ipsam in uxorem accepit et tandem in celo deificavit.

rück und brach das Bündnis. Als Ariadne aber erwacht war und sich über Theseus beklagte, hatte Bacchus, der siegreich aus Indien zurückkehrte, Mitleid mit ihr, nahm sie als seine Gattin an und vergöttlichte sie schließlich im Himmel.

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Dic, quod iste Minotaurus potest figurare diabolum vel infernum vel mortem, qui consueverunt homines devorare. Mors enim corpora devorabat, infernus et diabolus animas manducabant. Sors enim humane nature talis erat condicionis, quod successive ad istos Minotauros Athenienses victi a Minoe, id est Lucifero, in limbum ad Adam mittebantur et ab ipso, quoad corpus et animam, devorabantur, Eccli. 21: Dentes leonis dentes eius ad interficiendum animas hominum. Igitur talia animalia in labyrintho diversarum ambagum et in profundo diversarum difficultatum a principio constituta, quia scilicet, postquam illic aliquis gradiebatur, nequaquam ut communiter revertebatur, Sap. 2: Non est agnitus, qui reversus fuerit ab inferis. Sed Theseus, filius regis, id est Christus, filius dei patris, sorte mortalitatis, quam acceperat, necesse habuit ad istos Minotauros descendere, sed ibi non potuit remanere, quia mediante filo divinitatis et pice humanitatis ista monstra, id est mortem, diabolum et infernum superavit, et inde per resurrectionem liber exiit et victor revenit. Ariadnen autem, fi-

Moralisierung Sag, dass dieser Minotaurus den Teufel oder die Hölle oder den Tod bedeuten kann, die die Menschen zu verschlingen pflegen. Der Tod verschlang nämlich die Körper, die Hölle und der Teufel fraßen die Seelen. Das Los der menschlichen Natur war nämlich so beschaffen, dass nacheinander die von Minos, d.h. von Luzifer, besiegten Athener zu diesen ›Minotauren‹ in den Limbus zu Adam geschickt und von ihm mit Körper und Seele verschlungen wurden, Eccli. 21,3: ›Ihre Zähne sind wie die eines Löwen, die Seelen der Menschen zu töten.‹ Solche Tiere sind also im Labyrinth der verschiedenen Irrwege und im Abgrund der verschiedenen Schwierigkeiten von Beginn an angesiedelt; denn nachdem einer dort hineinging, kehrte er gewöhnlich keinesfalls zurück, Sap. 2,1: ›Keiner ist bekannt, der aus der Unterwelt zurückkehrte.‹ Aber Theseus, der Königssohn, d.h. Christus, der Sohn Gottvaters, musste durch das Los der Sterblichkeit, das er angenommen hatte, zu diesen ›Minotauren‹ hinabsteigen, er konnte dort aber nicht bleiben, da er mit Hilfe des Fadens der Gottheit und des Pechs des Menschseins diese Ungeheuer, d.h. den Tod, den Teufel und die Hölle, überwandt. Und von dort ging er durch die Auferstehung frei hinaus und kehrte als Sieger zu-

1 et . . . dirupit G; et federe fracto aliam superduxit Lo1; et phedram superduxit Lo2V4Tr; et phedram etiam superduxit B; et phedram superinduxit Pa8; et phedram sororem eius superduxit Ep. 1 Ariadne Ep; Adriagne GV2B; Adriagues Lo1; Adriagnes V4; Adriana Tr. 10 devorabat V2Tr; devorat GB; om. V4Ep. 14 Minoe TrEp; Minos G. 16 Eccli. 21 Eccli. 12 G. 19 labyrintho lambarinto G. 19 – 20 profundo Lo1Pa8V4BTrEp; profunda G. 20 difficultatum Lo1Pa8V4TrEp; facultatum GB. 22 gradiebatur GLo1Lo2; ingrediebatur Pa8V4BTrEp; agrediabatur V2; om. quia scilicet . . . gradiebatur L. 32 Ariadnen autem Ep; ad Adriagnem G; Adriaguem autem Lo1; Adriagne autem V2V4B; Adrianam autem Tr.

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liam Minois, id est humanam naturam, filiam Adam, que iacebat in limbo, secum duxit et ad patriam resumpta nave corporis remeavit. Unde cantatur in Hymno: Victor redit de barathro / tyrannum trudens vinculo. 563 Vel dic de ingratis, quia ista filia Minois modum occidendi Minotaurum Theseo et interitum evadendi docuit et ipse accipere eam in uxorem promisit et tamen cum alia navigavit. Ideo bene dicit Seneca: Memoria beneficiorum labilis, iniuriarum tenax. 564 Sed tales pie persone a deo remunerantur, nam frequenter accidit, ut quod ab ingratis hominibus denegatur, a liberalibus recompensatur. Ideo dicit Seneca: Ab altero expecta, alteri quod feceris. 565 Fabula quinta 566

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Cum Theseus mitteretur sorte ad confligendum cum Minotauro ab Athenis in Cretam, in navi sua ex mandato Egei patris sui regis Atheniensium, posuit vela nigra, precepitque filio et sociis suis Egeus, quod in reditu, si filius victoriam habuisset, in malo navis vela alba ponerent, ut a longe sciretur Athenis victoria cum rediret. Igitur cum Theseus occiso Minotauro victor rediret, socii sui obliti sunt vela nigra mutare. Egeus igitur rex qui de promontorio maris ipsorum

rück. Ariadne aber, die Tochter des Minos, d. h. die menschliche Natur, die Tochter Adams, die im Limbus lag, nahm er mit sich und segelte, nachdem er das Schiff des Körpers wieder bestiegen hatte, in die Heimat zurück. Daher wird im Hymnus gesungen: ›Der Sieger kehrt aus der Unterwelt zurück und schlägt den Tyrannen in Fesseln.‹ 563 Oder wende es gegen die Undankbaren, weil die Tochter des Minos Theseus die Art, den Minotaurus zu töten und selbst dem Tod zu entgehen, lehrte und er versprach, sie als Gattin zu nehmen und dennoch mit einer anderen davonsegelte. Deshalb sagt Seneca richtig: ›Die Erinnerung an Wohltaten ist flüchtig, an Ungerechtigkeiten zäh.‹ 564 Doch solch fromme Personen werden von Gott belohnt, denn häufig geschieht es, dass das, was ihnen von undankbaren Menschen versagt wird, von großzügigen wieder ausgeglichen wird. Deshalb sagt Seneca: ›Erwarte von dem anderen, was du dem anderen getan hast.‹ 565 Fünfte Erzählung 566 Als Theseus durch das Los von Athen nach Kreta geschickt wurde, um mit dem Minotaurus zu kämpfen, hisste er auf Befehl seines Vaters Aegeus, des Königs von Athen, auf seinem Schiff schwarze Segel. Und Aegeus wies seinen Sohn und seine Gefährten an, dass sie bei ihrer Rückkehr, wenn sein Sohn den Sieg errungen habe, am Mast des Schiffes weiße Segel hissen sollten, damit bei seiner Rückkehr in Athen von weitem der Sieg erkannt werde. Als nun Theseus nach der Tötung des Minotaurus als Sieger heimkehrte, vergaßen seine Gefährten, die schwarzen Segel auszutauschen. Der König Aegeus nun, der von einem Felsvorsprung

3 nave Lo1Pa8V4BTrEp; carne G. 9 interitum Lo1Pa8V4BTrEp; introitum G. 17 quod Lo1Pa8V4BTrEp; quit G. 24 in Lo1Lo2Pa8V4BEp; quod in GTr. 25 sciretur Pa8V2V4BTrEp; siretur G; viderent LLo1. 29 qui Pa8V2V4BTrEp; cum GLLo1. 29 promontorio BTrEp; promptorio GLo2Pa8; promuntario V2; promptuario V4.

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adventum speculabatur, cum vidisset vela nigra, filium mortuum credidit et ideo se statim in mare precipitans. De nomine suo equori nomen dedit, ita quod ex tunc ab Egeo rege ibidem submerso mare Egeum dictum fuit.

der Meeresküste aus ihre Ankunft erspähte, glaubte, als er die schwarzen Segel sah, sein Sohn sei tot, und stürzte sich deshalb sogleich ins Meer. Mit seinem Namen gab er dem Meer den Namen, so dass seitdem nach König Aegeus, der dort ertrank, das Meer das Ägeische genannt wurde.

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Duo vela navis sunt due anime affectiones vel etiam conversationes: una scilicet alba et alia nigra, una bona et alia mala, una spiritualis et alia carnalis. Igitur homo, si portat vela nigra, id est malam affectionem et conversationem inhonestam, signum procul dubio, quod Minotaurus, id est caro vel diabolus, prevaluit contra eum et quod talis est mortuus per peccatum. Econverso, quando portat alba vela, id est mundam conversationem et affectionem habet, signum est, quod huiusmodi bestiam superavit et quod de carne vel diabolo triumphavit, quia illi, qui contra istos prevalent, nigra vela in alba, id est malam affectionem in bonam mutare debent, Ez. 27: Byssus varia de Egipto texta est tibi in velum. Sed multi sunt, qui dato quod sint victores et boni, ipsi tamen obliviscuntur mutare vela, quia, dato quod secundum rei veritatem prevaleant contra diabolum et boni sint in intentione vel corde, ipsi tamen vela nigra male et insolentis conversationis nec dimittunt nec mutant, immo peccatores et

Moralisierung Die zwei Segel des Schiffes sind zwei Arten von Gesinnung der Seele oder auch Lebensformen: eine weiße nämlich und eine schwarze, eine gute und eine böse, eine geistliche und eine fleischliche. Wenn der Mensch also schwarze Segel trägt, d.h. eine schlechte Gesinnung und einen schändlichen Lebenswandel zeigt, ist dies ohne Zweifel ein Zeichen, dass der Minotaurus, d.h. das Fleisch oder der Teufel, über ihn die Oberhand behielt und dass ein solcher Mensch wegen seiner Sünde tot ist. Im Gegensatz dazu ist dies, wenn er weiße Segel trägt, d.h. einen reinen Lebenswandel und eine reine Gesinnung hat, ein Zeichen, dass er eine solche Bestie besiegte und über das Fleisch oder den Teufel triumphierte, weil jene, die gegen diese die Oberhand behalten, schwarze Segel in weiße, d.h. eine schlechte Gesinnung in eine gute, umwandeln müssen, Ez. 27,7: ›Buntes Leinen aus Ägypten wurde für dich zum Segel gewebt.‹ Aber es gibt viele, die, auch wenn sie siegreich und gut sind, dennoch vergessen, die Segel auszutauschen, da sie, angenommen dass sie gemäß dem wahren Sachverhalt die Oberhand gegenüber dem Teufel haben und gut in ihrer Absicht oder in ihrem Herzen sind, dennoch die schwarzen Segel des schlechten und unverschämten Lebenswandels weder aufgeben noch austauschen. Vielmehr scheinen sie Sünder und

1 speculabatur LLo1V2V4BTrEp; specularet G; spectabat Pa8. 11 carnalis LLo1Pa8V2BTr; temporalis G; corporalis Lo2V4Ep. 17 vela Lo2Pa8V4BTrEp; velum album LLo1; om. G. 19 huiusmodi V4Tr; huius GLLo1Lo2V2B; hanc Ep; om. Pa8. 24 tibi Lo1V2V4BTrEp; ter G.

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mortui esse videntur et pro eo, quod vela sue exterioris conversationis alicuius levitatis nigredine polluuntur, Bar. 6: Nigre sunt facies eorum a fumo, qui in domo fit. Egeus igitur pater talium, id est bonus prelatus, in mari amaritudinis submergitur per compassionem, quando videt vela nigra, id est malam conversationem et hoc, quia credit tales filios esse mortuos per culpam et malam intentionem. Ergo cum vita est conversatio mutanda et de nigredine in albedinem transferenda, bene ergo Eccl.: Omni tempore sint vestimenta tua candida. Fabula sexta 567

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Cum Dedalus fabrice artis super omnes industrior domum labyrinthi fecisset pro includendo Minotauro et diversas vias sibi invicem occurrentes nunc ad levam, nunc ad dextram declinantes, nunc ad fontes, nunc ad mare 568 exeuntes ibidem ordinasset, ita quod vix ad ostium redire sciret, tandem factum est, quod idem Dedalus ibidem est inclusus et a rege Minoe ibi perpetuo condemnatus. Cuius ratio fuit, quia Pasiphaen uxorem suam docuerat cum tauro concumbere et per eius consilium filia sua docuerat Theseum de labyrintho exire. Ipse tandem Dedalus cum Icaro filio suo inclusus miram evadendi industriam cogitavit: alas enim et pennas assumpsit et ipsas sibi in manibus

Tote zu sein, und zwar deswegen, weil sie die Segel ihres äußeren Lebenswandels mit der Schwärze einer Unbeständigkeit verschmutzen, Bar. 6,20: ›sind ihre Gesichter schwarz vom Rauch in ihrem Haus‹. Also geht Aegeus, der Vater solcher Menschen, d.h. der gute Prälat, im Meer der Bitterkeit durch Mitleid unter, wenn er die schwarzen Segel, d.h. den schlechten Lebenswandel, sieht, und dies, weil er glaubt, dass solche Söhne durch Schuld und eine schlechte Absicht tot sind. Also muss der Lebenswandel mit dem Leben verändert und von Schwarz in Weiß verwandelt werden. Richtig heißt es also Eccl. [9,8]: ›Zu jeder Zeit sei deine Kleidung weiß.‹ Sechste Erzählung 567 Als Daedalus, der in der Baukunst alle anderen an Tatkraft übertraf, das Gebäude des Labyrinths errichtet hatte, um den Minotaurus einzuschließen, und er dort verschiedene Wege hatte anlegen lassen, die einander kreuzten, bald nach links, bald nach rechts abbogen, ›bald zu Quellen, bald zum Meer‹ 568 führten, so dass er kaum zum Ausgang zurückzufinden wusste, geschah es schließlich, dass Daedalus selbst dort eingeschlossen wurde und von König Minos auf ewig dorthin verdammt wurde. Der Grund hierfür war, dass er dessen Gattin Pasiphae gelehrt hatte, mit dem Stier Beischlaf zu halten, und durch seinen Ratschlag dessen Tochter Theseus gelehrt hatte, aus dem Labyrinth zu entkommen. Schließlich ersann Daedalus, der mit seinem Sohn Icarus eingeschlossen war, eine bewundernswerte Zurüstung zu entkommen: Er nahm nämlich Flügel und Federn und band sie sich an Händen und Füßen

3 nigredine Lo1Pa8V4BTrEp; ingredire G. 11 – 12 et de . . . transferenda B; et de nigredine albedinem conferendam G; om. Lo1Lo2Pa8V4TrEp. 16 domum labyrinthi domum laborinti V2V4B; domum lambarinti G; labyrinthum Ep. 24 Pasiphaen Ep; Phasiphyn G; Pasiphim V2; Pasiphin V4B; Pasyphem Tr. 25 – 26 concumbere Lo1Lo2V4Ep; concubere GLPa8BTr. 27 Theseum Teseum G, sed add. -h- supra lin.

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et pedibus alligavit. Et sic ultra mare volavit et de terra recedens labyrinthum dimisit et exiit et Minois tyrannidem sic evasit et in patriam remeavit. 5

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an. Und so flog er über das Meer und entfernte sich vom Land, verließ das Labyrinth, ging heraus und entkam so der Gewaltherrschaft des Minos und kehrte zurück in die Heimat.

Moraliter Dic, quod Dedalus est peccator, quem Minos, id est diabolus, in labyrintho vitiorum, id est bonorum huius mundi, inclusit et ipsum in tot criminibus circumvolvit, quod viam rectam exeundi non invenit. Immo sepe fit, quod, ubi exire de labyrintho peccati vel mundi crediderit, ibidem fortius se immittit, Ps.: Viam civitatis habitaculi non invenerunt, quia quicumque in tale labyrinthum se immiscuerit vel implicaverit per malas consuetudines, exinde amplius vix exibit, Mt. 5: Amen dico tibi: Non exibis inde. Quid ergo faciet talis? Si vult exire, necesse est, quod alas contemplationis accipiat et quod sursum ad celestia per contemplationem evolet et ascendat et per contemptum mare fluctuosi seculi transeat. Sic enim poterit quis a labyrintho seculi vel peccati exire et a dominio diaboli prosilire, ut dicat illud Ps.: Si sumpsero pennas meas diluculo et habitavero in extremis maris etenim illuc manus tua deducet me.

Moralisierung Sag, dass Daedalus ein Sünder ist, den Minos, d.h. der Teufel, im Labyrinth der Laster, d.h. der Güter dieser Welt, einschloss und ihn in so viele Vergehen verwickelte, dass er den rechten Weg hinauszukommen nicht fand. Vielmehr geschieht es oft, dass er sich dort, wo er geglaubt hatte, aus dem Labyrinth der Sünde oder der Welt hinauszukommen, tiefer hineinbegibt, Ps. 106,4: ›Den Weg zur Stadt zu ihrer Wohnung fanden sie nicht.‹ Denn wer auch immer sich durch schlechte Gewohnheiten in ein solches Labyrinth hineinbegeben oder sich in ihm verirrt hat, daraus kaum mehr herausfinden wird, Mt. 5,26: ›Amen, ich sage dir, Du wirst von dort nicht herauskommen.‹ Wenn ein solcher hinausgehen will, was wird er also tun? Er muss Flügel der Betrachtung nehmen und durch die Betrachtung hinauf in den Himmel fliegen und aufsteigen und mit Verachtung das Meer der stürmischen Welt überqueren. So nämlich wird einer aus dem Labyrinth der Welt oder der Sünde herausgehen und aus dem Herrschaftsbereich des Teufels herausspringen können, wie jener Psalm 138,9f. sagt: ›Wenn ich in der Morgendämmerung meine Flügel nähme und am äußersten Rand des Meeres wohnte, führte mich deine Hand doch auch dorthin.‹

6 – 27 Dic . . . me pos. post in illo peribit B. 3 – 4 et . . . remeavit LLo1Lo2V2Tr; om. G; et patriam remeavit Pa8; et ad patriam remeavit V4; om. et de terra . . . remeavit LLo1. 7 labyrintho Ep; lambarinto G; al. codd. ut supra. 14 – 15 labyrinthum Ep; codd. ut supra. 18 Quid . . . talis Lo1Pa8V4Ep; talis ergo G; quid ergo faciet talis Daedalus B; quid igitur facient tales Tr. 18 Si vult GLo1BEp; qui vult Pa8V4; si volunt Tr. 20 celestia GLo1Pa8V4Tr; bona paradisi B; celestia regna Ep. 21 evolet et ascendat Pa8V4B; volet G; avolet et ascendat Lo1Ep; advolent et ascendant Tr. 22 transeat G; transeat et transcendat Lo1Pa8V4BEp; transeant Tr. 23 laborintho Ep; codd. ut supra. 23 – 24 seculi . . . prosilire Lo1Pa8V4Tr; libere prosilire G; seculi . . . transilire Ep.

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Vel dic exemplariter contra illos, qui excogitant labyrinthum, id est cautelas et involutiones contra alios, quia sepe fit divino iudicio, quod ipsi in idem periculum incidunt et, ubi alios involvere paraverant, ipsi cadunt, Eccli. 27: Qui fodit foveam, incidit in eam. Sic ad litteram de multis officialibus regum videmus. De quodam enim audivi, quod unum patibulum sumptuosum et curiosum fieri fecerat et perinde regi, cui serviebat, placuisse credebat. Iusto dei iudicio factum est, quod ipse primus fuit suspensus in eodem, et sic ipse de se ipso encenia prima dedit, 569 Eccli. tertio: Qui amat periculum, in illo peribit. Fabula septima 570

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Cum Dedalus et Icarus filius suus in labyrintho Cretensi inclusi essent et, ut evadere possent, volare disponerent et cum cera alas sibi quam plurimis plumis coaptarent, pater Dedalus filium Icarum edocebat et volandi certas regulas sibi dedit. Precipiebat enim, ne nimis cito volaret, ne forte fatigaretur, ne nimis alte, ne cera calore solis liquefieret vel ale ardore solis urerentur, ne nimis basse, ne ale humectate maris humore nimium gravarentur. Voluit igitur, ut medium iter teneret et patris vestigia sequeretur et quod nec huc nec illuc ad

Oder verwende es als Exempel gegen jene, die sich ein Labyrinth ausdenken, d.h. Fallen und Stricke gegen andere; denn es geschieht durch göttliches Urteil häufig, dass sie selbst in eben diese Gefahr geraten und selbst fallen, worin sie andere verstricken wollten, Eccli. 27,29: ›Wer [andern] eine Grube gräbt, fällt selbst in sie hinein.‹ So sehen wir es im buchstäblichen Sinn bei vielen königlichen Beamten: Ich hörte nämlich von einem gewissen Mann, dass er einen aufwändig und raffiniert gebauten Galgen anfertigen ließ und dem König, dem er diente, damit zu gefallen glaubte. Durch das gerechte Urteil Gottes geschah es, dass er selbst der Erste war, der an diesem aufgehängt wurde, und so führte er in eigener Person die erste Einweihung durch, 569 Eccli. 3,27: ›Wer die Gefahr liebt, kommt in ihr um.‹ Siebte Erzählung 570 Als Daedalus und sein Sohn Icarus im Labyrinth von Kreta eingeschlossen waren und, um entkommen zu können, zu fliegen beschlossen und sich mit Wachs Flügel aus möglichst vielen Federn zusammenfügten, belehrte der Vater Daedalus seinen Sohn Icarus und gab ihm feste Regeln für das Fliegen. Er schrieb ihm nämlich vor, nicht zu schnell zu fliegen, um nicht etwa zu ermüden, nicht zu hoch, damit das Wachs nicht von der Wärme der Sonne weich werde oder die Flügel durch die Hitze der Sonne verbrennten, nicht zu tief, damit die Flügel nicht vom Meereswasser benetzt und zu schwer würden. Er wollte also, dass er den Weg in der Mitte einhalte und der Bahn des Vaters folge und dass er weder hierhin noch

1 exemplariter Pa8V4TrEp; historialiter Lo1B; om. G. 2 labyrinthum Ep; codd. ut supra. 2– 3 involutiones Lo1Pa8V4TrEp; volutiones G; involutiones pericula et tribulationes B. 10 perinde LLo1 Lo2Ep; cum inde G; ut Pa8; proinde V2V4BTr. 13 encenia coni.; excenia V2V4B; exennia LLo1Lo2Tr; enxenia Ep; extremam G; om. Pa8. 15 peribit V4BTrEp/Vulg.; incidet G. 17 – 18 labyrintho Ep; lambarinto G; al. codd. ut supra. 20 alas . . . plumis coni.; sibi plurimas G; alas sibi quam plurimas LLo1Lo2BTrEp; alas sibi Pa8V4; alas sibi plurimas V2.

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stellas aspiceret, sed recte, mature, medie, continue post se iret, versus: Inter utrumque vola, medium tutissimus ibis. 571 Icarus igitur aeri expositus et novitate volandi illectus patris precepta contempsit et fortitudine et agilitate confisus patrem precedere voluit et plus debito accelerare et ita volavit alte, quod cera pennarum dissoluta in mare cecidit et submersus pelago nomen dedit, ita quod ex tunc mare Icarium dictum fuit, unde: Icarus Icarias nomine fecit aquas. 572 Moraliter

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Dic exemplariter contra filios inobedientes et presumptuosos, qui patres suos vel prelatos vel sapientes viros sequi nolunt nec eorum obedire mandatis, immo se ipsos fatue preponunt et ardua opera ultra vires facere et attentare presumunt, que ad finem deducere non possunt. Quibus potest dici illud Ex. 18: Stulto labore consumeris et ultra vires tuas est negotium. Tales etiam in suo alto volatu, scilicet in sue virtutis conatu vel in tali incepto statu, non diu solent perseverare, sed potius cadere et de assumpta gloria precipitem casum dare exemplo Roboam, qui patri Salomoni sapientissimo se preferens dicebat: Digitus meus minimus grossior est etc. Reg. 12, 573 sibi tamen male successit, quia populum divisit et re-

dorthin zu den Sternen aufschaue, sondern gerade, mit Bedacht, auf mittlerer Bahn und stetig ihm folge, entsprechend dem Vers: ›Fliege zwischen beiden, in der Mitte wirst du am sichersten sein.‹ 571 Als sich Icarus nun in der Luft befand, missachtete er, von der Neuheit des Fliegens fasziniert, die Vorschriften des Vaters und wollte im Vertrauen auf seine Stärke und Schnelligkeit dem Vater vorausfliegen und zu sehr beschleunigen, und er flog so hoch, dass das Wachs der Federn schmolz und er ins Meer stürzte und ertrank und so dem Meer seinen Namen gab, so dass es seither Icarisches Meer heißt. Daher [sagt Ovid]: ›Icarus gab den Icarischen Gewässern den Namen.‹ 572 Moralisierung Nutze dies als Beispiel gegen ungehorsame und anmaßende Söhne, die ihren Vätern oder Prälaten oder weisen Männern nicht folgen noch ihren Regeln gehorchen wollen, sich vielmehr dumm selbst höher schätzen und sich anmaßen, schwierige Taten, die ihre Kräfte übersteigen, zu vollbringen und zu versuchen, die sie aber nicht zum Ende führen können. Diesen kann jenes Wort Ex. 18,18 gesagt werden: ›Durch törichte Mühsal zehrst du dich auf und die Aufgabe übersteigt deine Kräfte.‹ Auch pflegen solche in ihrem hohen Flug, nämlich in dem Bemühen um Tugend oder in dem kaum erreichten Stand nicht lange zu bleiben, sondern eher zu fallen und von dem erworbenen Ruhm jäh abzustürzen nach dem Beispiel Roboams, der sich selbst höher schätzte als seinen Vater, den überaus weisen Salomon, und sagte: ›Mein kleiner Finger ist dicker‹ etc., 3. Reg. 12,10 573 ; er war jedoch ein schlechter Nachfolger, da er

1 – 2 recte . . . continue V2TrEp; recte, mature, medietate G; ratione mature medie continue Lo2; recte et mature, medio, continue V4; al. LLo1. 2 versus lac. G, sed add. in marg. 9 pelago Lo1Pa8V4BTrEp; pellego G; est in pelago et ei L. 10 Icarium V4; Icaricum G; Icareum V2Ep; Icharium Tr. 28 Reg. 12 Reg. 2 G.

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gnum amisit. Qui igitur vult volare vel spiritualiter per opera virtuosa vel temporaliter per potentiam secularem, medium debet tenere nec a mediocritate temperantie declinare. Patrem, id est maiores, sequi debet nec ab eorum exemplis et regulis deviare, quia, si basse nimis descendat, per nimiam sui status depressionem vel per nimiam terrenorum affectionem penne sue nobilitatis et potentie temporalis aggravabuntur et contemnentur, penne sue spirituales, id est virtutes et affectiones, fluctibus maris, id est deliciis seculi, deprimentur. Si etiam plus iusto per presumptionem vel superbiam se erigat et meliorem se aliis credat vel ultra sufficientiam persone altiorem statum querat, penne interiores, id est virtutes, solent comburi et penne exteriores, id est nobilitas et potentia mundialis, solent paulatim dissolvi et destrui. In moribus enim presumptuosi solent per peccatum cadere et in mari deliciarum finaliter immergi, in temporalibus etiam fastidiosi per infortunia deprimi et in mari tribulationum et amaritudinum suffocari. Ideo in persona Icarii talibus dicitur talis versus: Icare, nate, bibis, nam tu sine patre peribis. / Icarici facti memores estote, parati / iussa paterna pati, medium tenere beati. 574 Et breviter illud est verum, quia in omnibus plus valet medium

das Volk spaltete und das Reich verlor. Wer also entweder geistlich mithilfe tugendhafter Werke oder gemäß zeitlichen Werten mithilfe weltlicher Macht fliegen will, muss die Mitte einhalten und darf nicht vom maßvollen Mittelweg abweichen. Er muss dem Vater, d.h. den Älteren, folgen und darf nicht von ihren Beispielen und Regeln abweichen; denn wenn er zu tief hinabsteigt, werden die Federn seines Adelsstandes und der irdischen Macht, durch die Herabsetzung seines Standes und das Streben nach irdischen Dingen, beschwert und verachtet, seine geistigen Federn, d.h. Tugenden und Strebungen, werden durch die Meeresfluten, d.h. durch die irdischen Vergnügungen, herabgedrückt. Auch wenn er sich mehr als recht in Anmaßung oder Hochmut erhebt und sich für besser hält als andere oder über die eigene Fähigkeit hinaus einen höheren Stand erstrebt, werden gewöhnlich die inneren Federn, d.h. die Tugenden, verbrannt und die äußeren Federn, d. h. sein hoher Stand und die weltliche Macht, allmählich aufgelöst und zerstört. In ihrem Lebenswandel pflegen die Anmaßenden nämlich durch Sünde zu stürzen und im Meer der Vergnügungen schließlich unterzugehen, in ihren zeitlichen Gütern pflegen die Hochmütigen durch Unglück niedergedrückt und im Meer der Drangsale und der Bitterkeiten zu ersticken. Deshalb wird solchen Menschen in der Figur des Icarus in Versen dies gesagt: ›Icarus, mein Sohn, [er]trinkst du? Ohne deinen Vater nämlich versinkst du. Seid eingedenk der Tat des Icarus; bereit die väterlichen Befehle zu dulden, haben die Glücklichen die Mitte eingehalten.‹ 574 Und kurz gesagt ist jene Sentenz wahr, dass bei allen Dingen

4 a . . . temperantie Lo2V4Ep; a mediocritate temperante G; a medietate temperantie LLo1V2; a medio temperantie Pa8Tr; ad medietatem temperantie B. 7 si Lo1Pa8V4BTrEp; si de G. 11 contemnentur GLo1Pa8 V4BTr; conterentur Ep. 11 penne sue Lo1Pa8V4BTr; potentie sue G; penne eius Ep. 18 solent comburi et Pa8Ep; et GLo1V2BTr; solent et Lo2; solet comburi et V4. 26 versus lac. G, sed add. in marg.

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quam extremum, unde Boethius in libro de duabus naturis in Christo dicit: 575 Omnis, inquit, virtus in medio rerum decore collocata consistit; siquid enim vel ultra vel infra quam oportuerit fiat, a virtute distinguitur. Medietatem ergo virtus tenet, hoc ille. Fabula octava 576

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Perdix fuit quidam iuvenis, filius sororis Dedali, qui datus Dedalo ad erudiendum ipsum avunculum suum arte et scientia superavit, ita quod serre et circini primo usum invenit. Cui Dedalus invidens de arce Palladis ipsum precipitavit. Sed Pallas, dea sapientie, que semper favet ingeniis, ipsum in avem sui nominis, scilicet in perdicem, mutavit. Que sublimis casus sui memor alta non solet libenter ascendere, sed circa terram volare et in gleba nidum facere et circa terram undique volitare. 577 Igitur cum Dedalus submersum filium sepeliret, affuit Perdix, que Dedali luctu gaudebat et sibi suum infortunium insultabat. Dedalus igitur alas suas post maris transitum victimas in templo Apollinis postea consecravit, ubi et historiam Ariadnes depinxit, sed Icari historiam pre fletu depingere non potuit. 578

die Mitte besser ist als das Extrem. Daher sagt Boethius im Buch über die zwei Naturen in Christus: 575 ›Alle Tugend‹, sagt er, ›ist angemessen in der Mitte der Dinge gelegen; denn wenn etwas entweder höher oder tiefer steht, als es sein soll, hört es auf, Tugend zu sein. Die Tugend hält also die Mitte‹, so jener. Achte Erzählung 576 Perdix war ein junger Mann, ein Sohn von Daedalus’ Schwester, der Daedalus zur Ausbildung übergeben wurde und der seinen Onkel in Kunstfertigkeit und Wissen übertraf, so dass er der erste Erfinder im Gebrauch von Säge und Zirkel war. Da Daedalus ihn beneidete, stürzte er ihn von der Burg der Pallas hinab. Aber Pallas, die Göttin der Weisheit, die den Begabten stets gewogen ist, verwandelte ihn in einen Vogel seines Namens, nämlich in ein Rebhuhn. Dieses pflegt, eingedenk seines tiefen Sturzes, nicht gern in Höhen aufzusteigen, sondern in der Nähe der Erde zu fliegen, auf der Erde sein Nest zu bauen und überall nahe am Erdboden herumzufliegen. 577 Als nun Daedalus seinen ertrunkenen Sohn beerdigte, war auch das Rebhuhn [Perdix] anwesend, das sich an der Trauer des Daedalus erfreute und ihn wegen seines Unglücks verhöhnte. Daedalus nun weihte später seine Flügel nach der Meeresüberquerung als Opfergaben im Tempel des Apoll, wo er die Geschichte Ariadnes malte; aber die Geschichte des Icarus konnte er vor Weinen nicht malen. 578

1 libro cet. codd. et Ep; libro X G; libro VII V2. 2 in Christo Lo1V2TrEp; de Christo B; om. GV4. 3 in medio rerum Lo1V4BTrEp; in medio G; medium rerum Pa8. 5 quam oportuerit fiat B; aliquod pertinuerit G; quod oportuerit fiat Lo1V2Tr; aliquid oportuerit ut fiat V4; quod oportuerit sistere fiat Ep. 5 distinguitur G; discutitur BTr; dissentit Ep; disceditur Boethius. 6 virtus Lo1Pa8V4BTrEp; virtutis G. 11 – 12 ita . . . invenit V2V4Tr; sim. Lo1Ep; ita . . . invenit om. GPa8; om. avunculum . . . invidens B. 12 Cui Dedalus invidens Lo1Pa8V2V4TrEp; quem G; om. B. 12 arce Lo1V2V4BTr; arte G; arce, id est turri Ep. 14 ingeniis GLo1 Pa8BTrEp; ingeniosis V4. 16 mutavit add. et medio volavit in aere pennis Ep. 16 Que Lo1Pa8V4BTrEp; qui G. 18 gleba Lo1Pa8V4BEp; globa G; glebis Tr. 18 – 19 et circa . . . volitare GV2V4B; om. LLo1Pa8TrEp. Cf. Anm. 577. 25 Ariadnes coni.; Adriangne L; Adriagne Lo1Lo2V2V4B; Adriagnes Pa8; Adriane Tr; Andragei Ep; om. G. 25 Icari V4Ep; Icarii G; Icari filii sui Tr.

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Sic contingit sepe, quod aliquis ingenio et scientia alios excellit in curia principum et potentum, ita quod maiores et antiquiores sapientia et subtilitate antecedit; quare fit, quod quandoque arcem Palladis ascendit, id est dignitates et officia adipiscitur, quod videntes alii, quos superat, solent eidem invidere et per detractiones et accusationes ipsum solent ab alto deicere et, quod deponatur a statu et officio, procurare. Et sic fit, quod talis perdix efficitur dictus a perdendo, quia talis suum statum perdere comprobatur. 579 Qui pro certo, si sapiens est, debet alta loca, id est alta officia, vilipendere et locum humilem tenere. Quamvis enim status dignitatis sit nobilior, tamen status paupertatis est securior. Et ideo de paupertate loquens [Ps.-]Seneca libro ›De remediis fortuitorum‹ dicit sic: Non est in paupertate vitium, sed in paupere. Illa enim expedita est hilaris et tuta. Et sequitur: Eris expeditior in via et domi tutior. 580 Sed sepe contingit, quod talis Dedalus, id est talis invidus, qui alios per invidiam persequitur, ad similem infortunium venit filium vel amicum vel se ipsum perdens, Is. 33: Ve, qui predaris et cetera usque contemneris. 581

So geschieht es oft, dass einer sich am Hof von Fürsten und Mächtigen durch Begabung und Wissen vor anderen auszeichnet, so dass er Höherstehende und Ältere an Weisheit und Scharfsinn übertrifft. Dadurch kommt es vor, dass er bisweilen Pallas’ Burg besteigt, d. h. Würden und Ämter erreicht. Die anderen, die er überragt, sehen dies und pflegen ihn zu beneiden und sie pflegen ihn durch Verleumdungen und Anklagen von der Höhe herabzustürzen und dafür zu sorgen, dass er von Position und Amt abgesetzt wird. Und so geschieht es, dass ein solcher zu einem Perdix [Rebhuhn] wird, und seinen Namen von ›perdendo‹ (›Verlieren‹) empfängt, weil es gut geheißen wird, dass ein solcher seinen hohen Stand verliert. 579 Dieser sollte fürwahr, wenn er klug ist, hohe Positionen, d.h. hohe Ämter, gering achten und einen niedrigen Ort einnehmen. Obgleich nämlich der Stand der Würde vorzüglicher ist, ist der Stand der Armut doch sicherer. Und deshalb sagt [Ps.-]Seneca, als er in seinem Buch ›De remediis fortuitorum‹ über die Armut spricht, Folgendes: ›Nicht die Armut ist verkehrt, sondern der Arme. Jene ist frei, heiter und sicher.‹ Und weiter: ›Du wirst auf dem Weg unbeschwerter und zu Hause sicherer sein.‹ 580 Aber oft trifft es sich, dass ein solcher Daedalus, d.h. ein solcher Neider, der anderen mit seinem Neid nachstellt, ein ähnliches Unglück erleidet, indem er seinen Sohn oder einen Freund oder sein eigenes Leben verliert, Is. 33,1: ›Wehe dir, der du raubst‹ etc. bis zu ›wirst du verachtet werden.‹ 581

5 antecedit Lo2V2BTrEp; antecedunt GV4; excellit LLo1; antecellit Pa8. 6 arcem Pa8V2V4TrEp; arte G; artem LLo1Lo2; om. B. 7 officia Lo1Pa8V4TrEp; official G; beneficiorum sublimitates B. 7 adipiscitur coni.; adipiscuntur G; om. codd. et Ep. 8 alii Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 12 – 13 perdendo Pa8V2V4BTrEp; perpendo G. 13 quia G; eo, quod talis LPa8; pro eo, quod Lo2V2V4BTrEp. 19 – 20 fortuitorum Lo1Lo2Pa8 V4Ep; fortunorum G. 22 Et sequitur Pa8V4Tr; et semper G; sequitur Lo1Lo2V2Ep; sequens B.

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Neunte Erzählung 582

Cum Diana irata contra Oeneum, regem Calydonie, pro eo, quod omnibus aliis sacrificaverat et non sibi, aprum omnia blada vastantem in regno ipsius immisisset, factum est, quod Meleager cum Toxeo et Plexippo avunculis in venatione apri interesset. Atalanta etiam quedam puella nobilis, quam idem Meleager diligebat, in venatione interfuit, ita quod aprum ante omnes alios sagittavit; quem tandem Meleager interfecit, sed Atalante pellem et caput apri in insigne sagittationis misit. De quo dicti avunculi sui dolentes premium ab Atalante rapuerunt; quos Meleager interfecit et Atalante donum, quod sibi abstulerant, restituit et reduxit. Sic autem erat, quod, cum Meleager natus esset, tres sorores, que Parce dicuntur, ille scilicet dee infernales, que singulorum fata dictare dicebantur, torrem sive stipitem in igne conflagraverunt et vitam pueri nati tantum duraturam, quantum ille stipes duraret, ordinaverunt dicentes versus: ›Tempora‹ dixerunt ›eadem lignoque tibique / o modo nate damus.‹ 583 Que audiens mater lignum extinxit et annis pluribus reservavit et, quamdiu stipes integer perman-

Weil Diana auf Oeneus, den König Calydons, zornig war, da er allen anderen außer ihr geopfert hatte, und sie dafür einen Eber schickte, der alles Getreide in seinem Reich verwüstete, traf es sich, dass Meleager mit seinen Onkeln Toxeus und Plexippus an der Eberjagd teilnahm. Auch Atalanta, ein adliges Mädchen, das Meleager liebte, war bei der Jagd anwesend, so dass sie den Eber vor allen anderen mit dem Pfeil traf. Schließlich tötete ihn Meleager, gab aber Atalanta das Fell und den Kopf des Ebers als Siegespreis der Jagd. Darüber ärgerten sich die genannten Onkel und raubten Atalanta den Preis. Meleager tötete sie und sprach Atalanta das Geschenk, das sie ihr genommen hatten, wieder als ihr Eigentum zu und brachte es ihr zurück. Es war aber so, dass bei Meleagers Geburt drei Schwestern, die die Parzen heißen, jene Göttinnen der Unterwelt nämlich, von denen es heißt, dass sie das Schicksal der einzelnen Menschen diktieren, ein Holzscheit oder einen Stock im Feuer verbrannten und verfügten, dass das Leben des neugeborenen Jungen so lange dauern werde, wie jener Stock existiere, und sie sprachen die Verse: ›Wir geben dir‹, sagten sie, ›du Neugeborener, dieselbe Lebenszeit wie diesem Holz.‹ 583 Als seine Mutter dies hörte, löschte sie das Holz und bewahrte es viele Jahre auf. Und solange der Stock unbeschadet blieb, lebte Me-

2 Cum Diana Lo1Pa8V4BTrEp; Diana G. 4 blada GLLo1Lo2V2V4B; blanda Pa8; rura Tr; om. Lo2Ep. 6 Meleager Lo1BEp; Meleagrus G; Melleager Tr. 6 Toxeo et Plexippo Cozeo et Flexippo GV2B (et add. Thesci in marg. G); Theseo et Flexippo Lo1V4Tr; Theseo et Plexipo Ep. 7 – 8 Atalanta Athalanta GEp. 9 – 10 interfuit Lo1; fuit GPa8V4B; erat Tr. 11 – 15 sed . . . interfecit LLo1Lo2Pa8V2V4BTrEp; om. G. 13 dicti . . . sui LLo1Lo2Pa8V2V4BTr; Testiade scilicet Plexipus et Toxipus Ep; om. G. 16 abstulerant Lo1Pa8V2 V4BTrEp; abstulerat G. 20 fata Lo1Pa8V4BTrEp; facta G. 20 dictare Lo1Pa8V2V4TrEp; dicare G; om. B. 21 conflagraverunt Lo1V4Tr; confragraverunt G; conflaverant L; confragaverunt Lo2; consignaverant V2; consignaverunt B; posuerunt ad coburendum Ep. 23 – 25 dicentes . . . Que GV2BTrEp; dividentes enim tempora dixerunt, quod tam diu duraret, quamdiu duraret lignum, quod in igne iacuerat. Quod Lo1; et in ignem posuerunt dicentes dicentes: Tempora eadem ligno tibi nate damus. Quod Pa8; et in ignem posuerunt dicentes: Tempora dixerunt eadem, qui ligno que damus. Quod V4. 23 versus lac. G, sed add. in marg. 25 o modo V2Ep; modo GTr; amodo B; quomodo Lo2; om. Lo1Pa8V4; o modo Ov. Met. 8,455. 27 integer LPa8V4BTrEp; integra G.

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sit, Meleager vixit. Videns igitur mater fratres occisos per filium stipitem in ignem decrevit proicere, ut sic filium in vindictam fratrum posset occidere. Pugnante ergo in ea duplici affectu, materno scilicet et fraterno, tandem affectus fratrum prevaluit et stipitem in ignem posuit filiumque per stipitis combustionem combussit dicens istos versus: Ulciscor facioque nefas, mors morte pianda est. / In scelus addendum scelus est, in funera funus. 584 Sicut ergo stipes in igne cremabatur, sic Meleager in corpore cruciabatur, itaque utriusque vita simul finitur. Mater autem propria manu pre desperatione se occidit et regnum ad externorum manus devolvitur. Sorores vero Meleagri ipsum tristissime deplorantes in aves meleagrides mutantur, que adhuc omni anno secundum Plinium sepulcrum Meleagri frequentare dicuntur. 585 Moraliter

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Ista possunt exemplariter allegari, quoniam mala infinita fiunt propter mulierum amorem. Amor enim illius Atalante causa fuit, quare Toxeus et Plexippus sunt interfecti, Meleager combustus, mater eius occisa, regnum Calydonie dissipatum et sorores in aves mutate, id est in fugam converse. Ideo bene dicitur Eccli. 25: Plaga mortis mulier

leager. Als seine Mutter nun sah, dass ihre Brüder durch ihren Sohn getötet worden waren, beschloss sie, den Stock ins Feuer zu werfen, um so ihren Sohn aus Rache für ihre Brüder töten zu können. In ihr kämpften also zwei Gefühle, das der Mutter und das der Schwester; schließlich siegte die Bruderliebe und sie legte den Stock ins Feuer und verbrannte den Sohn durch das Verbrennen des Stocks, wobei sie jene Verse sagte: ›Ich räche und begehe zugleich ein Unrecht, Tod ist durch Tod zu sühnen. Es häufe sich Frevel auf Frevel, Bestattung auf Bestattung.‹ 584 Wie also der Stock im Feuer verbrannt wurde, so wurde Meleager in seinem Körper gequält, und so wird das Leben beider zugleich beendet. Die Mutter aber tötete sich vor Verzweiflung mit eigener Hand, und das Reich fiel in fremde Hände. Die Schwestern Meleagers aber, die ihn in sehr großer Trauer beweinten, wurden in Vögel, in Perlhühner [meleagrides], verwandelt, von denen es bei Plinius heißt, dass sie immer noch jedes Jahr das Grab Meleagers aufsuchen. 585 Moralisierung Dies kann als Beispiel angewandt werden, da ja aus Liebe zu Frauen unendliche Übel geschehen. Die Liebe nämlich zu jener Atalanta war der Grund, warum Toxeus und Plexippus getötet wurden, Meleager verbrannt, seine Mutter getötet, das Calydonische Reich vernichtet und die Schwestern in Vögel verwandelt wurden, d.h. sich der Flucht zuwandten. Richtig heißt es daher Eccli. 25,31: ›Eine nichtsnutzige Frau ist ein

8 – 9 istos versus BTr; istos lac. G; om. Lo1Pa8V4Ep. 9 facioque nefas Pa8V2V4Ep; fatioque G; scelera fratrum LLo1Lo2Tr. 10 est Ep; om. GLo1Pa8V4TrB; est Ov. Met. 8,483 12 cremabatur Lo1Lo2V2TrEp; cremebatur GPa8V4; crematur B. 14 finitur B; finiturur G; finita fuit Lo1Pa8V4TrEp. 14 – 15 pre desperatione Lo2Pa8V4BTrEp; om. GLo1. 15 – 16 externorum V2Pa8Ep; terrinorum G; externeorum LLo1; exteriorum V4BTr. 18 adhuc aduc G, sed add. -h- supra lin. 25 Toxeus et Plexippus Theseus et Flexippus G; om. Lo1V2V4BTrEp. 29 Eccli. 25 Eccli. 6 G.

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nequam; sequitur: A muliere initium peccati factum est. Vel dic allegorice de Christo, quia scilicet Meleager, id est Christus, a principio Atalantem puellam, id est humanam animam, voluit diligere, aprum, id est Luciferum, occidere et eum de celo trahere, duos avunculos suos, id est populum gentile et Iudaicum vel etiam Adam et Evam, interficere, id est mortales facere. Tandem vero mater sua, synagoga, ipsum mediante stipite crucis per mortem combussit et sic fratrum suorum, scilicet Adam et Eve, et mortem et peccatum in eius morte punivit et ita scelus scelere et mortem morte piavit. Regnum etiam Calydonie, id est Iudee, propter hoc periit et cessavit. Sorores vero Meleagri, Christi, id est anime devote, mortem eius amarissime lamentantur et ideo aves fiunt, inquantum nunc mentaliter, in fine vero personaliter ad celum volare noscuntur, Apoc. 12: Date sunt mulieri etc. 586 Vel dic de fato stipitis, quod per tres deas, que determinant vitam humanam, possumus intelligere naturaliter loquendo tres potentias anime sensitive, scilicet naturalem, vitalem et animalem, 587 per stipitem vero ab eis datum humidum radicale, quia tunc vita naturalis exstinguitur, quando igne caloris actualis stipes humidi radicalis ex toto consumitur. Vita enim nostra durat

tödlicher Schlag,‹ und weiter [V. 33]: ›Eine Frau brachte den Anfang der Sünde.‹ Oder sprich allegorisch von Christus, weil nämlich Meleager, d.h. Christus, von Beginn an das Mädchen Atalanta, d. h. die menschliche Seele, lieben, den Eber, d.h. Luzifer, töten und ihn aus dem Himmel ziehen wollte, seine beiden Onkel, d.h. das heidnische und das jüdische Volk oder auch Adam und Eva, töten, d. h. sterblich machen, wollte. Schließlich aber verbrannte ihn mit Hilfe des Kreuzessstabs seine Mutter, die Synagoge, durch den Tod, und so bestrafte sie in seinem Tod den Tod und die Sünde ihrer Brüder, nämlich Adams und Evas, und so sühnte sie das Verbrechen mit Verbrechen und den Tod mit Tod. Auch das Königreich Calydonien, d.h. Judäa, ging deswegen zugrunde und verschwand. Aber die Schwestern Meleagers, Christi, d.h. fromme Seelen, beklagen seinen Tod aufs Bitterste und werden deshalb Vögel, sofern man weiß, dass sie jetzt geistig, am Ende aber auch in ganzer Person in den Himmel fliegen, Apoc. 12,14: ›Gegeben wurden der Frau Flügel‹ etc. 586 Oder sag vom Schicksal des Stocks, dass wir unter den drei Göttinnen, die das menschliche Leben bestimmen, in physikalischer Deutung die drei Vermögen der sensitiven Seele verstehen können, nämlich das natürliche, das belebende und das fühlende, 587 unter dem Stock aber, der von ihnen überreicht wird, die [lebenerhaltende] Grundfeuchte, da dann das natürliche Leben ausgelöscht wird, wenn durch die feurige Wärme auch die Grundfeuchte gänzlich aufgezehrt wird. Unser Leben dauert

1 nequam GLo1Pa8V4BTrEp; nequa Vulg. 1 sequitur LLo1Lo2V2BTr; se lac. G; similiter V4; item ibi Ep. 1 – 2 initium peccati Lo1Pa8V4BTrEp; non tantum peccatum G. 14 morte LLo1V2V4TrEp; om. GB. 26 possumus V2Ep; possum GB; possunt V4Tr. 27 potentias Lo1Pa8V4BEp; potentie GTr. 31 caloris actualis Lo1Pa8V2V4; caloris lac. et G; caloris accidentalis Lo2BTrEp. 32 ex toto Lo1V2V4BTrEp; exto G.

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tantum naturaliter, quantum humidum radicale perseverat. 588 Vel dic, quod tres dee, que vitam gratie in homine limitant, sunt tres virtutes theologice, scilicet fides, spes et caritas. Stipes significat devotionem vel crucis considerationem. Tam diu ergo vita gratie in homine durat, quam diu stipes, id est fulcimentum devotionis vel crucis memoria, in eo perseverat. Nam si contingat per ignem carnalis vel mundialis concupiscentie istum stipitem deficere vel comburi, necesse est in nobis vitam gratie finiri et per vitia insurgentia terminari. Igitur servemus diligenter in nobis per memoriam stipitem crucis Christi et devotionis fulcimentum, ne per ignem concupiscentie comburamur et moriamur. Quod illud est per quod in vita gratie conservamur signum, Prov. 3: Lignum vite est his, qui apprehenderunt eam. Vel pone exemplariter, quod fraternus amor filialem quandoque excellit in aliquibus. Fabula decima 589

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Cum Iupiter et Mercurius mundum in specie humana lustrarent et in quadam villa neminem, qui eos vellet recipere, invenirent, tandem villam exeuntes venerunt ad quoddam tugurium coopertum straminibus, in quo Philemon et Baucis, pauperes

auf natürliche Weise nämlich nur so lange, wie die Grundfeuchte Bestand hat. 588 Oder sag, dass die drei Göttinnen, die das Leben der Gnade beim Menschen begrenzen, die drei theologischen Tugenden sind, nämlich Glaube, Hoffnung und Liebe. Der Stock bezeichnet die Frömmigkeit oder die Kreuzesandacht. So lange dauert also das Leben der Gnade im Menschen, wie der Stock, d. h. die Stütze der Frömmigkeit oder die Kreuzesandacht, in ihm andauert. Denn wenn es durch das Feuer fleischlicher oder weltlicher Begierde geschieht, dass dieser Stock seine Kraft verliert oder er verbrennt, muss in uns das Leben der Gnade enden und durch die aufsteigenden Laster beendet werden. Also lasst uns sorgfältig in uns durch die Erinnerung das Kreuzesholz Christi und so die Stütze der Frömmigkeit bewahren, damit wir nicht durch das Feuer der Begierde verbrannt werden und sterben. Das ist jenes Zeichen, durch das wir im Leben der Gnade bewahrt werden, Prov. 3,18: ›Denen, die sie [die Weisheit] ergriffen haben, gehört der Lebensbaum.‹ Oder stell es als Beispiel dafür hin, dass die Bruderliebe bei einigen manchmal die Kindesliebe übertrifft. Zehnte Erzählung 589 Als Jupiter und Mercur die Welt in menschlicher Gestalt durchwanderten und sie in einem Dorf niemanden fanden, der sie aufnehmen wollte, verließen sie das Dorf und kamen schließlich zu einer Hütte, die mit Stroh gedeckt war, in der Philemon und

1 naturaliter Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 1 – 2 humidum radicale Lo1Pa8V4TrEp; humidum radicalis G; contingit stipitem humidi radicalis sine consumptione durare B. 3 dee Lo1Pa8V4BTrEp; dee sunt G. 4 – 5 theologice theologiee G, sed corr. 9 devotionis . . . memoria Lo2Pa8V4TrEp; devotionis G; devotionis vel crucis Christi meditatio Lo1; devotionis vel crucis Christi memoria B. 10 per LLo1V2BTrEp; quod per GLo2Pa8V4. 11 – 12 istum . . . comburi LLo1Lo2V2BTr; istum stipitem comburi GEp; iste stipes comburitur Pa8. illum stipitem comburi V4. 13 vitam gratie Lo1Pa8V4BEp; vita nostra G; vita gratie Tr. 13 vitia vitaia G, sed corr. 14 diligenter Lo1Pa8V4BTrEp; digenter G. 21 – 23 Vel . . . aliquibus G; om. LLo1Lo2Pa8V2 V4BTrEp. 26 et Lo1Pa8V4BTrEp; etiam G. 30 Philemon Pilemon Ep; Palemon GLo1V2V4BTr. 30 Baucis Ep; Banci GLo1; Bauci V2Tr; Bauchi V4; Baudi B.

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senes et vetuli, morabantur. Qui deos secundum paupertatis sue possibilitatem dulciter receperunt et mensa posita pauperes cibos desuper posuerunt. Cumque in mensa cibi propter deorum comestionem non minuerentur, sed potius augerentur, cognoverunt eos esse deos et, cum vellent eis anserem occidere, Mercurius non est passus. Preceperunt ergo dii, quod isti de vicinia recederent, et statim villam et gentem, que eos recipere noluerunt, subverterunt et aquis diluvii submerserunt. Igitur cum dii dicerent Philemoni et Baucidi, quod peterent, quicquid vellent, rogaverunt deos, quod domus eorum templum fieret et quod ipsi sacerdotes eorum efficerentur et eis in templo iugiter deservirent et quod ipsis diis placeret, quod alter alteri non premoreretur, sed continue simul essent. Domus igitur ista facta est templum, in quo Philemon et Baucis Iovi et Mercurio diutissime servierunt. Et cum satis vixissent, in duas quercus iuxta templum mutati sunt, in quibus etiam quasi dii coluntur propter sanctitatem, quam prius habuerunt. Et nota, quod Ovidius describit pulcre conditionem et domum et statum pauperum personarum. Moraliter

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Istud exemplum expone, quomodo hospitalitas placet deo et inhospitalitas displicet et

Baucis, ein armes, altes Greisenpaar, lebte. Diese nahmen die Götter, wie es ihnen ihre Armut möglich machte, freundlich auf, bereiteten einen Tisch vor und stellten darauf ärmliche Speisen. Und weil die Speisen auf dem Tisch wegen des Verzehrs durch die Götter nicht weniger wurden, sondern sich eher noch vermehrten, erkannten sie, dass diese Götter waren. Als sie darauf für sie eine Gans schlachten wollten, ließ Mercur es nicht zu. Die Götter befahlen ihnen also, dass sie sich aus der Umgebung zurückzögen, und sogleich vernichteten sie das Dorf und seine Bewohner, die sie nicht hatten aufnehmen wollen, und ertränkten sie in den Wassern einer Sintflut. Als die Götter nun zu Philemon und Baucis sagten, dass sie erbitten sollten, was sie sich wünschten, baten sie die Götter, dass ihr Haus ein Tempel werde und sie selbst ihre Priester würden und ihnen im Tempel immerwährend dienten und dass die Götter zustimmten, dass der eine nicht vor dem anderen sterbe, sondern sie beständig zusammen blieben. Das Haus wurde also ein Tempel, in dem Philemon und Baucis Jupiter und Mercur sehr lange dienten. Und als sie lange genug gelebt hatten, wurden sie in zwei Eichen neben dem Tempel verwandelt, in denen sie auch wegen ihres heiligen Lebens, das sie vorher geführt hatten, wie Götter verehrt wurden. Und beachte, dass Ovid die Lage, das Haus und den Stand der armen Menschen auf schöne Weise beschreibt. Moralisierung Leg dies als Beispiel dafür aus, wie Gastfreundschaft Gott gefällt und wie ihm Un-

7 esse Lo1V2V4BTrEp; om. GPa8. 10 recederent add. et in ardua montis ascenderent Ep. 13 Philemoni Pilemoni Ep; Palemoni GLo1V2BTr; Palemon V4 13 Baucidi V2Ep; Bancidi G; Bauchi V4; Baudi B; Banci Tr. 15 fieret Lo1Pa8V4BTrEp; fierent G. 20 Philemon Pilemon Ep; Palemon GV2V4BTr. 21 Baucis Ep; Banci GLo1V2; Bauchi V4; Baudis B; Bauci Tr. 25 quam Lo1Pa8V4BTrEp; quod G. 26 – 27 et domum dupl. et domum G. 27 pauperum personarum Lo1Pa8V4BTrEp; pauperum G.

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quomodo hospites a deo premiantur et avari subvertuntur. Dii, id est Christus et angeli, comperti sunt sub specie peregrinorum hospitari, ut sic probarent affectiones hominum, sicut patet de Loth et duobus angelis in Sodoma Gen. 19: Sodoma submersa est et Loth liberatus est. 590 Ideo dicit Apostolus ad Hebr. 13: Caritas fraternitatis maneat in vobis. Adverte tamen, quod cibus diis positus non dicitur minui, sed augeri, quia cibus et bona bonorum virorum, qui amore dei recipiunt pauperes et reficiunt indigentes et maxime deos, id est viros religiosos et devotos, ex hoc non minuuntur, sed, ut communiter videmus, sibi potius sufficiunt et augentur, Prov. 3: Da pauperibus et implebuntur horrea tua. Vel dic, quod Iupiter et Mercurius, id est deus et homo Christus, in mundum venit in villam, id est in populum Iudeorum; sed qui eum fidemque eius reciperet, non invenit. Quapropter ad pauperem domum gentilitatis declinans ibidem fuit receptus et de illa domo templum ecclesie fecit et ipsos pauperes gentiles gratiis et virtutibus indigentes sacerdotes, id est fideles et catholicos suos, fecit. Et ipsos per caritatem simul vivere voluit et per fortitudinem et perseverantiam in quercus seu robora commutavit,

gastlichkeit missfällt und wie Gastgeber von Gott belohnt und Habgierige vernichtet werden. Von den Göttern, d.h. Christus und den Engeln, weiß man, dass sie in Gestalt von Fremden als Gäste einkehren, um so die Gesinnung der Menschen zu prüfen, wie es bei Loth und den beiden Engeln in Sodom deutlich ist, Gen. 19: Sodom ging unter, und Loth wurde gerettet. 590 Deshalb sagt der Apostel Hebr. 13,1: ›Die brüderliche Liebe bleibe bei euch.‹ Bemerke jedoch, dass die Speise, die den Göttern vorgesetzt wurde, nicht weniger, sondern mehr geworden sein soll, da die Speise und die Güter guter Männer, die aus Liebe zu Gott Arme aufnehmen und Bedürftige erquicken und ganz besonders Götter, d.h. gottesfürchtige und fromme Männer, davon nicht vermindert werden, sondern, wie wir im allgemeinen sehen, ihnen vielmehr ausreichen und vermehrt werden, Prov. 3,10: ›Gib den Armen und deine Vorratskammern werden gefüllt werden.‹ Oder sag, dass Jupiter und Mercur, d.h. der Gottmensch Christus, in die Welt, in ein Dorf, kam, d.h. zum jüdischen Volk. Er fand aber niemanden, der ihn und den Glauben an ihn aufnahm. Deswegen stieg er hinab zum armseligen Haus der Heiden und wurde dort aufgenommen, und er machte aus jenem Haus den Tempel der Kirche, und die armen Heiden, die der Gnadenerweise und der Tugenden bedurften, machte er zu Priestern, d.h. zu seinen gläubigen Christen. Und er wollte, dass sie durch die Liebe zusammen lebten, und verwandelte sie durch Stärke und Beharrlichkeit in Eichen oder Eichenholz, Is. 54,10 f.:

10 positus GLo1V2B; appositus V4TrEp. 14 sed ut Lo2Pa8V4BTrEp (ut . . . sed Ep); sed G; sed potius LLo1. 15 sibi potius Lo2Pa8V2V4B; sibi non tamen G; eis potius TrEp; om. LLo1. 15 sufficiunt Lo2 Pa8BTrEp; sufficunt G; om. LLo1. 16 et Pa8V4BTrEp; sed G; om. LLo1. 20 – 21 sed qui eum Pa8V4Ep; qui eum qui G; qui eum LLo1Lo2V2BTr. 21 fidemque Pa8V2V4Tr; fidem GB; et fidem LLo1; scilicet fidem Lo2 Ep. 21 reciperet GLo2V4B; recipere vellet LLo1; recipere nollet V2Tr; reciperent Ep. 28 voluit fecit voluit G, sed del. fecit.

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Is. 54: Dixit miserator tuus dominus paupercula usque lapidem tuam. 591

›Es sprach dein Herr, der Mitleid hat: ›Du Arme‹‹ bis zu ›dein Stein.‹ 591

Fabula undecima 592

Elfte Erzählung 592

Erat quedam arbor altissima et antiquissima dee Cereri dedicata, in qua quedam nympha fuerat antiquitus commutata. Hanc igitur dryades, nymphe silvarum, frequentabant et in ea Cererem adorabant. Erat autem in partibus illis quidam tyrannus, qui Erysichthon dicebatur, qui omnia numina contemnebat. Nullam deorum esse potentiam predicabat. Iste ergo istam arborem cum securi temptabat precidere, de qua statim cepit sanguis fluere. Ipsa arbor cepit gemere nec propterea cessabat securi arborem scindere, immo quendam, qui eum arguebat, occidit et sic arborem ad terram deiecit et secuit et destruxit. Audita est ergo vox nymphe in arbore morientis et Erysichthoni mortem et periculum imprecantis. Ceres autem hoc videns contra Erysichthonem indignatur et ipsum novo mortis genere, scilicet fame, occidere protestatur. Vocavit igitur nympham et tradidit sibi currum suum, qui a draconibus per aera vehebatur, et misit eam querere Famem, que in locis siccis et lapidosis morabatur et glacialibus et ibi sub forma cuiusdam vetule sicce, pallide, tristis et hispide versabatur. Ista igitur Fames vocata a Cerere domum Erysichthonis dormientis intravit seque sibi per os, aures et nasum immisit et eum

Es gab einen riesigen, uralten Baum, der der Göttin Ceres geweiht war; in ihn war eine Nymphe in alter Zeit verwandelt worden. Diesen suchten nun die Dryaden, die Waldnymphen, auf und beteten an ihm Ceres an. Es gab aber in jener Gegend einen Tyrannen, Erysichthon mit Namen, der alle Gottheiten verachtete; er verkündete, dass die Macht der Götter nichtig sei. Er versuchte nun, diesen Baum mit dem Beil zu fällen, aus dem sogleich Blut zu fließen begann. Der Baum selbst begann zu klagen, aber Erysichthon hörte deswegen nicht auf, mit dem Beil den Baum zu spalten, vielmehr tötete er sogar jemanden, der ihn tadelte, und so warf er den Baum auf die Erde nieder, zerteilte und zerstörte ihn. Deshalb hörte man die Stimme der Nymphe, die im Baum starb und Erysichthon Tod und Untergang wünschte. Wie Ceres dies sah, geriet sie in Zorn gegen Erysichthon und schwor, ihn auf eine neuartige Todesart, nämlich mit Hunger, zu töten. Sie rief also eine Nymphe herbei und gab ihr ihren Wagen, der von Drachen durch die Luft gezogen wurde, und schickte sie aus, Fames [den Hunger] zu suchen. Diese hielt sich an trockenen, steinigen und eisigen Orten auf und lebte dort in Gestalt einer alten Frau, die verdorrt, bleich, verdrießlich und struppig erschien. Von Ceres gerufen, betrat Fames nun das Haus des schlafenden Erysichthon und drang durch den Mund, die Ohren und die Nase in ihn ein, blies

5 qua GLPa8V4BTr; quam Lo1V2Ep. 7 – 8 nymphe . . . frequentabant Lo1V2B; nimpham silvarum frequentabat G; id est nymphe silvarum frequentabant Ep; nympha silvarum frequentabant L; nympha silvarum frequentabat Lo2Pa8V4; frequentabant, que erant dee silvarum Tr. 8 in ea codd; add. sive sub ea Ep. 8 adorabant LLo1V2BTr; adorabat GLo2Pa8V4; adorabant choreasque ducebant Ep 10 Erysichthon Herisiconius G; Erisitonus V2; Eusutonius V4; Esotonus B; Enristemus Tr; Erisicthon Ep. 20 imprecantis LLo1Lo2 V4BEp; impetrantis G; interpretantis Pa8; inpetentis vel inserentis Tr. 30 Cerere Lo1Pa8V4BTrEp; Cererem G.

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inflavit et recessit. Vir autem tanta fame statim arripitur, quod etiam dormiendo comedere videbatur. Evigilans igitur cepit comedere et omnia, que habebat, consumere. Nihil tamen, quod comederat, ipsum poterat satiare, et factum est, quod brevi spatio, quicquit habebat, consumpsit et nihil preter quandam filiam, per quod posset vivere, habebat. Ista autem filia a Neptuno fuerat deflorata, qui ei tale donum dedit, quod quotiens volebat, se in figuram quamlibet convertebat. Hec igitur a patre vendebatur et statim, cum accepisset pretium, in alteram figuram mutabatur et sic vita patris famelica tenebatur. Sed finaliter ipsum tanta fames arripuit, quod propria viscera comedit et sic saturitate periit et defecit. Moraliter

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Per istum Erysichthonem impium et famelicum intelligo usurarios, per filiam suam proximos suos et familiares, per arborem viros iustos, per Cererem, deam frugum, rerum copiam, per famem avaritiam. Dic ergo, quod, quando in uno loco invenitur usurarius vel tyrannus, qui deos non colit, immo deos et sanctos contemnit et arbores diis dicatas, id est viros iustos, securi crudelitatis offendit, ipsos rapinis et iniuriis persequens sanguinem temporalis

in ihn hinein und zog sich wieder zurück. Der Mann aber wurde sogleich von einem solch großen Hunger erfasst, dass er auch im Schlaf zu essen schien. Sowie er aufwachte, begann er also zu essen und alles, was er hatte, zu verzehren. Nichts aber, was er gegessen hatte, konnte ihn satt machen, und so geschah es, dass er in kurzer Zeit seinen gesamten Besitz verzehrte und nichts hatte, von dem er leben konnte, außer einer Tochter. Dieser Tochter war aber von Neptun die Jungfernschaft genommen worden; er gab ihr dafür ein solches Geschenk, dass sie sich, sooft sie wollte, in eine beliebige Gestalt verwandelte. Sie wurde nun von ihrem Vater verkauft und verwandelte sich, sobald er den Kaufpreis bekommen hatte, sogleich in eine andere Gestalt, und so wurde das hungerleidende Leben des Vaters erhalten. Schließlich aber fiel ihn ein so großer Hunger an, dass er seine eigenen Eingeweide verschlang und so durch seine Sättigung zugrunde ging und starb. Moralisierung Unter diesem gottlosen und heißhungrigen Erysichthon verstehe ich Wucherer, unter seiner Tochter seine Verwandten und Freunde, unter dem Baum gerechte Männer, unter Ceres, der Göttin des Getreides, die Fülle an Besitz, unter dem Hunger die Gier. Sag also, dass, wenn sich an einem Ort ein Wucherer oder Tyrann findet, der die Götter nicht verehrt, vielmehr Götter und Heilige verachtet und die den Göttern geweihten Bäume, d.h. gerechte Männer, mit dem Beil der Grausamkeit verletzt, er diese durch Raub und Ungerechtigkeiten verfolgt und ihnen das Blut der irdischen Substanz

1 tanta Lo1Pa8V4BTrEp; tante G. 2 arripitur Pa8V2V4TrEp; aripuit G; erigitur LLo1; eripitur B. 8 – 9 per . . . vivere GTr; per quam . . . vivere Lo2; quod . . . vendere Lo2V2V4BEp; quod . . . comedere LLo1. 15 tenebatur GPa8V4; tuebatur Lo1Lo2V2BTr; tuebatur et alebat Ep. 29 persequens Pa8V4TrEp; per se GLo2; vexat et LLo1; persequitur V2B.

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substantie extrahit, ita quod ipsos plangere et gemere facit, Iob 24: De civitatibus fecerunt viros gemere et anime vulneratorum clamabunt. Sed tales miserabiliter puniuntur, quia Ceres, dea abundantie, id est ipsa eorum opulentia, facit eos per avaritiam famescere et nulla rerum abundantia sufficit, immo quanto plura accumulant, tanto magis avari et famelici fiunt. Ceres enim facit tales famelicos, quando rerum opulentia facit eos amplius cupidos. Quia, quanto eorum copia magis crescit, tanto famem avaritie plus accendit, unde Ovidius: Inopem me copia fecit. 593 Ez. 7: Animas suas non saturabunt et ventres eorum non implebuntur. Dato etiam quod filia talium, id est famuli et familiares, in diversas formas se mutent et per diversas fraudes nunc unum, nunc alium se figurant, ut magistros ditent et nutriant, ipsi tamen semper avari et famelici manent et tandem fame avaritie moriuntur et languent, Is. 5: Nobiles eorum interierunt fame et multitudo eorum siti exaruit. Fabula duodecima 594 Secundum fabulas poetarum tres persone fuerunt, que se in diversas formas et figuras, quas volebant, mutabant seu transformabant, scilicet Proteus, qui fuit deus vi-

entzieht, so dass er sie klagen und weinen macht, Iob 24,12: ›Sie machten die Männer aus den Städten klagen, und die Seelen der Verwundeten werden schreien.‹ Solche Menschen werden aber jämmerlich bestraft, weil Ceres, die Göttin der Fülle, d.h. ihr eigener Reichtum, sie in ihrer Gier hungern lässt und keine Fülle an Dingen ausreicht. Vielmehr werden sie umso habgieriger und hungriger, je mehr sie anhäufen. Ceres macht solche nämlich hungrig, wenn sie der materielle Reichtum noch gieriger macht. Denn je mehr ihr Besitz anwächst, desto mehr entzündet er den Hunger der Gier. Daher sagt Ovid: ›Der Reichtum hat mich arm gemacht.‹ 593 Ez. 7,19: ›Sie werden ihre Seelen nicht sättigen und ihre Bäuche werden nicht gefüllt werden.‹ Angenommen dass die Tochter solcher Menschen, d. h. die Diener und Verwandten, sich in verschiedene Gestalten verwandeln und durch verschiedene Betrügereien bald die eine Gestalt, bald eine andere annehmen, um die Meister zu bereichern und zu ernähren, bleiben diese selbst doch stets gierig und hungrig und sterben und siechen schließlich durch den Hunger der Habgier dahin, Is. 5,13: ›Ihre Vornehmen gingen durch Hunger zugrunde und eine große Zahl von ihnen verdorrte vor Durst.‹ Zwölfte Erzählung 594 Nach den Erzählungen der Dichter gab es drei Personen, die sich nach Wunsch in verschiedene Formen und Gestalten verwandelten oder veränderten, nämlich Proteus,

2 – 4 De . . . clamabunt Lo1Pa8V4BTrEp; om. de . . . et G. Cf. Vulg.: De . . . clamavit. 5 puniuntur Lo1V2 V4BTrEp; pununtur G; punientur Pa8. 7 – 8 nulla . . . sufficit GLo1; nulla rerum abundantia sufficientiam eis prestat Pa8V4Ep; (facit eos per) nullam rerum habundantiam sufficientiam acquirere V2B; (ut) nulla rerum abundantia eis sufficiat Tr. 12 crescit Lo1Pa8V2V4Ep; cressit G; cresit B. 16 filia fiaia G, sed corr. 22 Is. 5 Is. 14 G. 24 exaruit Lo1Lo2V2BEp; exaurit G; aruit Pa8V4; interiit Tr. 29 Proteus Ep; Prothus GB; Protheus V2V4; Procus Tr. 29 – 352,1 vivus GLo1Lo2Pa8BTr; unius V2V4; unus Ep. Cf. Ov. Met. 8,731: maris incola, Proteu.

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vus in mari, Achelous, qui fuit deus unius fluminis, filia Erysichthonis, quam Neptunus defloravit et, quod se posset mutare in omnes formas, concessit. Isti igitur nunc erant viri, nunc femine, nunc serpentes, nunc aves, nunc tauri, nunc equi, nunc flumina, nunc saxa et breviter, pro libito in formas varias se mutabant. Unde de ista filia Erysichthonis dicitur, quod, cum pater eius ipsam cuidam vendidisset et ipsa sequeretur emptorem et post ipsum iuxta litora maris iret, in virum subito se mutavit et in piscantem hominem cum linea in maris litore se convertit. Unde cum emptor se converteret et feminam, quam emerat, non videret sed solum hominem piscantem, petiit ab illo, si vidisset feminam sequentem. Qui cum responderet nullum in litore preter se vidisse, illusus rusticus recessit et ipsa in feminam remutata ad patris domicilium remeavit. Ipsa etiam quotiens sub una forma vel tauri vel cervi vendebatur a patre, statim in aliam formam mutata ad domum redibat. Moraliter Sic in mundo videtur esse tria genera personarum, que in eodem statu non perseverant, immo de figura in figuram, de condi-

ein Gott, der im Meer lebte, Achelous, der der Gott eines Flusses war, und die Tochter des Erysichthon, der Neptun die Jungfernschaft nahm und der er dafür zugestand, dass sie sich in alle Gestalten verwandeln könnte. Diese waren bald Männer, bald Frauen, bald Schlangen, bald Vögel, bald Stiere, bald Pferde, bald Flüsse, bald Steine, und kurz gesagt, sie verwandelten sich nach Belieben in verschiedene Gestalten. Daher heißt es von der Tochter des Erysichthon, dass sie, als ihr Vater sie irgendeinem verkauft hatte und sie dem Käufer folgte und hinter ihm am Meeresstrand herging, sich plötzlich in einen Mann verwandelte, und zwar in einen Fischer mit einer Angel am Meeresstrand wechselte. Als der Käufer sich umdrehte und die Frau, die er gekauft hatte, nicht sah, sondern nur einen Fischer, fragte er ihn, ob er die Frau gesehen habe, die ihm gefolgt sei. Als dieser antwortete, dass er niemanden am Strand außer ihm gesehen habe, zog sich der betrogene Bauer zurück, und sie selbst verwandelte sich wieder in eine Frau und kehrte in das Haus ihres Vaters zurück. Sooft sie auch, sei es in der Gestalt eines Stieres oder eines Hirsches, von ihrem Vater verkauft wurde, verwandelte sie sich sogleich in eine andere Gestalt und kehrte nach Hause zurück. Moralisierung So scheint es in der Welt drei Arten von Personen zu geben, die nicht in demselben Stand bleiben, vielmehr sich von Gestalt zu

1 in im G. 1 Achelous V2Ep; Acheleus G; Achelos B; Achellaus V4Tr. 1 – 2 unius Lo1V4BEp; vivus GLo2Tr; om. Pa8. 2 fluminis in fluminis G, sed del. in. 2 Erysichthonis Erisicthonis Driope nomine Ep; Heritonis G; Erisistonis V2; Eristonii V4; Crisitonis B; Eristonis Tr. 2 – 3 Neptunus codd. et Ep; Neuptunus G; Mercurius Tr. 7 flumina ffi flumina G, sed del. ffi. 9 Erysichthonis Erisicthonis Ep; Heritonis G; Erisistonis V2; Eristonii V4Tr; Crisitonis B. 13 cum linea cet. codd. et Ep; cum retibus in mano L. 14 litore Pa8V4BEp; litora GLo1Lo2V2; iuxta litus Tr; om. L. 18 preter GV2B; posse (videre) Lo2; post Pa8V4Ep; om. in litore . . . vidisse Lo1; responderet quod nullum viderat sequentem se Tr. 19 vidisse add. se tantum excepto Ep. 20 domicilium Lo1Pa8V4BEp; domiculum G; domum Tr. 21 quotiens Lo1Pa8V4BEp; quetiens G; om. ipsa . . . redibat Tr.

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cione in condicionem mutantur. Et isti sunt falsi amici et adulatores duplices et proditores sive inconstantes et perseverantie contemptores. Tales enim nunc videntur esse viri per fortitudinem, nunc femine per debilitatem, nunc tauri per superbiam, nunc agni per humilitatem, nunc serpentes per prudentiam, nunc oves per simplicitatem. Et breviter, tales sciunt condiciones suas varie transformare et in nulla stabilitatis constantia perdurare, ut, quando aliquis se credit habere feminam benignam et devotam et humilem, statim habebit de eis piscatorem, id est malitiosum et raptorem. Ideo bene dicitur Iob 14: Numquam in eodem statu permanet. Unde ipsi videntur facere illud Reg. 14: Commuta habitum. 595

Gestalt, von Situation zu Situation verwandeln. Und dies sind falsche Freunde, doppelzüngige Schmeichler und Verräter oder Unbeständige und Verächter der Beständigkeit. Solche Menschen scheinen nämlich bald aufgrund ihrer Stärke Männer zu sein, bald aufgrund ihrer Schwäche Frauen, bald durch Hochmut Stiere, bald durch Demut Lämmer, bald durch Klugheit Schlangen, bald durch Einfalt Schafe. Und kurz gesagt: solche wissen ihre Lage auf verschiedene Weise zu ändern und in keiner festen Beständigkeit zu bleiben, so dass, wenn einer glaubt, er habe eine gütige, fromme und demütige Frau, er sogleich von ihnen einen Fischer, d.h. einen Schurken und Räuber, erhält. Deshalb heißt es richtig Iob 14,2: ›Niemals bleibt sie in demselben Stand;‹ daher scheinen sie jenes zu tun nach 3. Reg. 14,2: ›Wechsle deine Kleidung.‹ 595

12 feminam Lo1Pa8V2V4BTrEp; feminam devotam G. 12 – 13 benignam . . . humilem G; benignam et humilem Lo1Pa8V2V4TrEp; benignam vel humilem personam B. 14 malitiosum GLLo1Pa8V4B; maculosus Tr; masculosum Ep. 16 – 17 unde . . . Reg. 14 unde ipsi videntur facere illud Reg. 13 G; faciunt ei illud Reg. 14 B; om. LLo1Lo2Pa8V2V4TrEp. 17 Commuta habitum B/Vulg.; Cum mutata habitu G; om. LLo1Lo2 Pa8V2V4TrEp.

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Que gemitus etc. 596

Warum der Gott seufzte etc. 596

Fabula prima 597

Erste Erzählung 597

Achelous, fluvius Calydonie, recepit hospitio suo Theseum, virum fortem, cui verba et historias plurimas enarravit. Sed cum iste Achelous sub crinibus capitis sui, qui erant de harundine, unum cornu fractum haberet, cepit Theseus inquirere causam. Qui gemendo dixit sibi quod, cum Oeneus rex Calydonie pulcerrimam haberet filiam, que Deianira dicebatur, sororem scilicet Meleagri, de quo supra dictum est 598 , voluit ipsam sibi Achelous, qui erat deus aquarum Calydonie, desponsare, sed Hercules 599 fortissimus noluit consentire, quin immo ipsam sibi voluit matrimonio copulare. Propter quod cum de verbis Achelous et Hercules venirent ad verbera, diu pugnatum est inter eos. Sed cum Achelous fortissimo Herculi prevalere non posset, sed pressus sub ipso iaceret, convertit se ad artes et sub ipso se mutans in anguem sub ipso Hercule est collapsus. Qui cum nec sic Herculis potentiam superaret, mutavit se in taurum; cuius cornua fortiter Hercules tenens ipsum ad terram compressit et unum cornu sibi fregit et eum superavit et puellam Deianiram iure prelii conquisivit.

Achelous, ein Fluss Calydoniens, nahm Theseus, den starken Mann, gastfreundlich auf; ihm erzählte er viele Reden und Geschichten. Weil aber dieser Achelous unter seinen Haupthaaren, die aus Schilf waren, ein abgebrochenes Horn hatte, begann Theseus nach dem Grund zu fragen. Jener sagte bekümmert zu ihm, dass er, Achelous, der der Wassergott Calydoniens war, sich mit Deianira verloben wollte – Oeneus, der König von Calydonien, hatte nämlich eine sehr schöne Tochter mit Namen Deianira, eine Schwester Meleagers, von dem oben die Rede war 598 –; der enorm starke Hercules 599 aber wollte dem nicht zustimmen, vielmehr wollte er sie selbst heiraten. Als deshalb Achelous und Hercules vom Reden zum Raufen übergingen, kämpften sie lange miteinander. Weil aber Achelous über den sehr starken Hercules nicht die Oberhand gewinnen konnte, sondern von ihm niedergedrückt unter ihm lag, verlegte er sich auf seine Kunstgriffe, verwandelte sich unter ihm in eine Schlange und zog sich unter diesem Hercules zusammen. Da er auch so nicht die Stärke des Hercules überwandt, verwandelte er sich in einen Stier; dessen Hörner hielt Hercules kraftvoll fest und drückte ihn auf die Erde, er brach ihm ein Horn und besiegte ihn und erwarb damit das Mädchen Deianira als Kampfpreis.

2 gemitus Lo2Pa8V4BEp; genitus GLLo1Tr. 4 Achelous GEp; Achelons Lo1; Achelaos V2V4; Acelons B; Achellaus Tr. Cf. supra VIII,12. 8 cornu Lo1Pa8V4BTrEp; cornum G. 16 quin B; quiin G, sed del. i; om. Lo1Lo2Pa8V4TrEp. 18 cum de BTrEp; in G; de LLo1Lo2V2V4; cum Pa8. 19 venirent Lo2V4 Ep; convenerunt GV2; devenerunt LLo1; venissent Pa8Tr; convenirent B. 19 ad verbera LV2V4BTr; ad verba GLo1Lo2Pa8; ad verberare Ep. 23 sub Lo2V4Ep; ab GPa8; desub V2BTr. 25 Herculis potentiam V2BTr; Herculem potentiam G; Hercule L; Herculem Lo1Lo2Pa8V4Ep.

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Moralisierung

Sic cum filia regis Calydonie, id est anima humana, filia dei patris, Acheloo cornuto, id est diabolo, fuisset per Ade peccatum coniuncta et sibi per complacentias vitiosas matrimonialiter copulata, Hercules, filius dei, cuius fortitudo est quasi rhinocerotis, 600 illum, qui nunc erat anguis per fallaciam, nunc fiebat taurus per proterviam, vicit et expugnavit et cornu sue potentie fregit et sic Deianiram, id est humanam naturam vel animam, ab eo liberavit et eam sibi per gratiam et gloriam copulavit, unde Ps.: Peccatorum confringam cornua etc.

Weil so die Tochter des calydonischen Königs, d.h. die menschliche Seele, die Tochter Gottvaters, mit dem gehörnten Achelous, d.h. mit dem Teufel, durch die Sünde Adams vereinigt und durch Beweise lasterhaften gegenseitigen Gefallens ihm ehelich verbunden war, besiegte Hercules, der Gottessohn, der die Stärke eines Rhinozerosses besitzt, 600 jenen, der bald durch Hinterlist eine Schlange war, bald durch Dreistigkeit ein Stier wurde; er unterwarf ihn und zerbrach das Horn seiner Kraft und befreite so Deianira von ihm, d.h. die menschliche Natur oder die Seele, und band sie mit seiner Gnade und der zukünftigen Herrlichkeit an sich. Daher heißt es Ps. 74,11: ›Ich werde die Hörner der Sünder zerbrechen‹ etc.

Fabula secunda 601 Cum Hercules Deianiram puellam, quam in uxorem acceperat, secum duceret et ad flumen veniens transire secure nequiret, vidit hoc Nessus, qui erat gigas et centaurus duplicis forme, equi scilicet et hominis mixtus. Qui ad portandum Deianiram se obtulit, ut sic Hercules facilius pertransiret. Nessus igitur, cum iam transisset cum Deianira ad alteram partem ripe, ipsam cognoscere voluit; sed Hercules emissa venenata sagitta, qua scilicet hydram serpentem occiderat, centaurum occidit. Qui dum moriebatur, camisiam quandam in sanguine suo iam per sagittam effuso venenatam intinxit et Deianire quasi incitamentum amoris dedit, et quod quicumque camisiam indue-

Zweite Erzählung 601 Als Hercules das Mädchen Deianira, das er zur Frau genommen hatte, mit sich führte und zu einem Fluss kam, den er nicht sicher durchqueren konnte, sah dies Nessus. Dieser war ein Riese und ein Centaur, von zweierlei Gestalt, nämlich halb Pferd und halb Mensch. Er bot sich an, Deianira zu tragen, so dass Hercules leichter hinüberkäme. Nachdem Nessus mit Deianira schon zum anderen Flussufer hinübergelangt war, wollte er sie vergewaltigen. Aber Hercules schoss einen vergifteten Pfeil ab, mit dem er die Hydra-Schlange getötet hatte, und tötete den Centauren. Im Sterben tauchte dieser ein Hemd in sein Blut ein, das bereits durch den vergifteten Pfeil herausgeflossen war, und gab es Deianira gleichsam als Mittel zur Verstärkung der Liebe und versicherte, dass jeder, der das Hemd anziehe, den

3 Acheloo Ep; Achelo G; Acheleo V2; Achelaus V4; Achelons B; Achellao Tr. 4 Ade GLo1Pa8V4BTr; ei Ep. 7 – 8 fortitudo . . . rhinocerotis GLo2Pa8V2V4BEp; fortitudo patris LLo1. 19 hoc Pa8V2V4BEp; hic G; ibi Tr; om. LLo1. 20 hominis add. corpore Ep. 24 – 25 ipsam cognoscere V2V4BTrEp; cum ipsa concubere G. 28 camisiam LLo1Pa8V4BTrEp; camisam G. 31 et quod Lo2Pa8V4TrEp; et GB. 31 camisiam Lo1V2 V4BTrEp; camisam G; camiseam Pa8.

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ret, ipsum dantem summe diligeret asseruit, et quod iratum maritum reconciliare posset, si in illam eum irasci contingeret, ipsi dixit. Igitur cum Hercules Iolen, Euryti regis filiam, superduceret, ipsam tantum diligebat, quod se vestibus Ioles et suis Iolem induebat. Deianira igitur volens sibi virum reconciliare vestem a Nesso datam Herculi per Lichan misit, quam cum induisset, statim venenum carnem eius usque ad ossa combussit vestisque venenata carnibus eius inhesit, quod amplius avelli nequit. Iste ergo cum inevitabiliter ureretur, montes ascendit, arbores magnas fregit et pre dolore impatiens in ignem se posuit. Ibique mortalitate consumpta a Iove patre suo in celum vehitur et stellificatus deorum consortio aggregatur conciliataque Iunone Hebe Iunonis filia in coniugem sibi datur. Moraliter Patet ex hoc, quod non est bonum uxorem extraneis committere, quia, dato quod videantur esse fideles, sepe contingit, quod opportunitate inventa nituntur luxuriam committere. Ex quo sepe contingit, quod Hercules, id est maritus, ipsos occidit. Ipsum autem maritum camisia venenata, id est

Geber überaus lieben werde, und sagte ihr, dass es den zornigen Ehemann wieder versöhnen könne, wenn er gegen sie in Zorn geraten sei. Als nun Hercules Iole, die Tochter des Königs Eurytus, zu seiner zweiten Frau nahm, liebte er sie so sehr, dass er Ioles Kleider anlegte und Iole seine Kleider anlegen ließ. Da Deianira sich nun mit ihrem Mann versöhnen wollte, schickte sie das Gewand, das sie von Nessus erhalten hatte, durch Lichas an Hercules. Als dieser es anzog, verbrannte das Gift sogleich sein Fleisch bis auf die Knochen, und das vergiftete Gewand haftete seinem Fleisch an, so dass es nicht mehr abzureißen war. Als er nun rettungslos verbrannte, stieg er in die Berge, zerbrach große Bäume und stürzte sich aus unerträglichem Schmerz ins Feuer. Und als er dort von seiner Sterblichkeit befreit ist, wird er von seinem Vater Jupiter in den Himmel gehoben; und er wird nach seiner Verstirnung in die Gemeinschaft der Götter aufgenommen und erhält, wieder mit Juno versöhnt, Hebe, die Tochter Junos, zur Gattin. Moralisierung Hieraus wird deutlich, dass es nicht gut ist, eine Ehefrau Fremden anzuvertrauen, weil es häufig geschieht, dass sie, angenommen sie erscheinen vertrauenswürdig, bei sich bietender Gelegenheit danach trachten, ihrer Zügellosigkeit nachzugeben. Daraus folgt oft, dass Hercules, d.h. ihr Ehemann, diese tötet. Aber das vergiftete Gewand, d.h. die eifersüchtige Ehefrau, ver-

1 diligeret Lo1Lo2Pa8V4TrEp; diligere GB. 3 – 4 si . . . dixit coni. e Pa8V4BTrEp; om. G. 4 Iolen Ep; Yolem GLo1BTr; Eolem V4. 4 Euryti Euriti TrEp; Eurici GLo1V4; Henrici V2B; Enrici V4. 9 per Lichan Ep; per Liceam G; plicatam Lo1V4Tr; per Licam B. 17 deorum Lo1Pa8V4BTrEp; deo G. 18 conciliataque Iunone V2TrEp; conciliatoque in nomine G; consilioque Iunonis LLo1; consiliatoque Iunone Lo2; consiliataque Iunone V4; conciliatam Iunone B; om. conciliataque . . . datur Pa8. 21 uxorem Lo1Pa8V4BEp; uxori G; uxores Tr. 22 extraneis Lo1Pa8V4BTrEp; extranea G. 22 – 23 videantur . . . fideles Lo1Pa8V4BTrEp; videatur . . . fidelis G. 24 nituntur Lo1Pa8V4BTrEp; nititur G. 26 maritus . . . occidit Lo1Pa8V4BTrEp; ipsius maritus occiditur G.

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uxor zelotypa, comburit et dolor et invidia ipsum angit. Vel dic moraliter, quod Hercules est animus, uxor eius caro. Ista est ergo, que viro suo, id est animo, dat camisiam venenatam, id est oblectamenta carnalia, quibus per temptationem uritur, ita quod finaliter in igne luxurie concrematur. Nessus, id est diabolus, non potest aliter Herculem, id est spiritum, per peccatum occidere quam uxori sue, id est carni, camisiam venenatam dare, ut sic mediante sensualitate vel carne possit animum per concupiscentiam urere et tandem per vitia concremare. Quod fuit bene figuratum Gen. 3. in serpente, qui primo mulieri obtulit pomum vetitum, qua mediante decepit virum. Quia vero serpens, id est diabolus, primo offert poma vetita, id est mundi et carnis oblectamenta, mulieri, id est sensualitati vel carni et ea mediante spiritui vel menti, uritur igitur primo animus veneno temptationis et tandem crematur ignibus infernalium tribulationum, Ez. 15: De igne egredientur et ignis consumet eos. Vel dic, quod Hercules, qui voluntarie se combussit, ut venenum, quod eum comburebat, evaderet, significat viros sanctos, qui, ut ignem venenosum, scilicet concupiscentiam carnalem et violentiam infernalem, evaderent, se in ignem tribulationum mundialium posuerunt voluntarie, ad mise-

brennt den Ehemann und Schmerz und Hass bedrängen ihn. Oder deute moralisch, dass Hercules der Geist ist, seine Ehefrau der Leib. Dieser ist es nun, der ihrem Mann, d. h. dem Geist, das vergiftete Gewand gibt, d.h. körperliche Freuden, mit denen er in der Versuchung entzündet wird, so dass er schließlich im Feuer der Zügellosigkeit völlig verbrennt. Nessus, d. h. der Teufel, kann Hercules, d.h. den Geist, nicht anders durch Sünde töten als seiner Frau, d.h. dem Leib, ein vergiftetes Gewand zu geben, so dass er so mit Hilfe der Sinnlichkeit oder des Leibes den Geist im Begehren entflammen und schließlich durch Laster verbrennen kann. Dies war gut präfiguriert in Gen. 3,1ff. in Gestalt der Schlange, die zuerst der Frau den verbotenen Apfel reichte, mit deren Hilfe sie dann den Mann täuschte. Da aber die Schlange, d.h. der Teufel, zuerst die verbotenen Äpfel, d.h. die weltlichen und körperlichen Freuden, der Frau, d.h. der Sinnlichkeit oder dem Leib, anbietet und mit ihrer Hilfe dann dem Geist oder Verstand, wird nun der Geist zunächst durch das Gift der Versuchung entzündet und schließlich durch die Feuer höllischer Qualen verbrannt, Ez. 15,7: ›Sie werden aus dem Feuer hervorgehen und das Feuer wird sie verzehren.‹ Oder sag, dass Hercules, der sich freiwillig verbrannte, um dem Gift, das ihn verbrannte, zu entrinnen, heilige Männer bedeutet, die, um dem giftigen Feuer, nämlich dem körperlichen Begehren und der höllischen Gewalt, zu entrinnen, sich freiwillig in das Feuer weltlicher Drangsale begeben

2 angit Lo1V2BTrEp; attingit G; anget Lo2Pa8V4. 5 animo Lo2Pa8V2V4BTrEp; anime GLLo1. 5 camisiam cet.; camisam G. 9 Herculem Lo1Pa8V4BTrEp; hominem G. 12 mediante Lo1Pa8V4BTrEp; mente G. 12 sensualitate GLo2Pa8V4Ep; tali uxore scilicet sensualitate V2BTr. 13 – 14 per . . . urere Lo1Lo2Pa8 V4BTrEp; concupiscere facere et ardere G. 14 tandem Lo1V2V4BTrEp; cum G. 17 decepit Lo1Pa8V2 V4BTrEp; occidit G. 19 mundi et carnis Lo1Pa8V4BEp; mundi G; mundi vel carnis Tr. 23 infernalium tribulationum Lo1Lo2Pa8V2V4Tr; infernalis tribulationis G; infernalium terribilium Ep; om. B. 23 – 24 Ez. 15 Is. 15 G. 29 ignem venenosum Lo1Pa8V4TrEp; venenum G.

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rias et poenitentias cucurrerunt et, quicquid carnalitatis venenose in eis erat, deposuerunt. Propter quod Iupiter, id est deus pater, eos in celis stellificavit et beatificavit et ibi Heben, que iuvenescere facit homines, id est eternam gloriam, tribuit, inquantum ipsos in gloria iuvenescere facit per immortalitatem, Iob 29: Gloria mea semper innovabitur, et in Ps.: Renovabitur ut aquile iuventus tua. Vel dic, quod quandoque simplices persone credunt aliqua facere zelo bono ad instinctum alicuius proditoris. De quibus veniunt postmodum multa mala, nam sicut Nessus sub colore recuperande amicitie tradidit vestem venenosam, ut invenenaret Herculem, sic proditores dant quandoque venena simplicibus familiaribus sub alieno colore, ut occidant dominos suos. Unde audivi de quodam religioso narrari, qui volens occidere abbatem suum, dedit pulverem venenatum cuidam nepoti abbatis, quem idem abbas sepe verberare consuevit, dicens, quod, si de illo pulvere in pulmentum abbatis, avunculi sui, poneret, ipsum summe diligeret nec eum amplius verberaret. Quod cum fecisset puer, mortuus est abbas, proditor autem abbas factus est. Qui cum dictum puerum ultra modum affligeret et puer de pulvere illo haberet, ad finem, quod amicitiam novi abbatis acquireret, in cibum eius de pulvere illo dudum ab eo sibi tradito posuit et sic idem proditor propriis armis periit et eius malitia in caput

haben, zu Mühsal und Reue eilten und alles, was an giftiger Fleischlichkeit in ihnen war, abgelegt haben. Deshalb verstirnt Jupiter, d.h. Gottvater, sie und segnet sie im Himmel und teilt [ihnen] dort Hebe zu, die die Menschen jung macht, d.h. die ewige Herrlichkeit, sofern er sie durch Unsterblichkeit in der Herrlichkeit verjüngt, Iob 29,20: ›Meine Herrlichkeit wird immer erneuert werden,‹ und in Ps. 102,5: ›Deine Jugend wird wie die des Adlers erneuert werden.‹ Oder sag, dass bisweilen einfältige Menschen etwas in gutem Eifer zu tun glauben nach Anstiftung durch einen Verräter. Daraus erwächst später viel Böses; denn, wie Nessus unter dem trügerischen Versprechen, die Zuneigung wiederzuerlangen, ein vergiftetes Gewand übergab, um Hercules zu vergiften, so geben Verräter bisweilen einfältigen Vertrauten unter einem falschen Versprechen Gift, um ihre Herren zu töten. So hörte ich von einem Mönch erzählen, der seinen Abt töten wollte und deshalb dem Neffen des Abts, den ebendieser Abt oft zu schlagen pflegte, ein Giftpulver gab; und er sagte, dass, wenn er von jenem Pulver etwas in die Speise des Abtes, seines Onkels, gebe, dieser ihn überaus lieben und ihn nicht mehr schlagen werde. Als der junge Mönch dies getan hatte, starb der Abt; der Verräter aber wurde Abt. Weil dieser den besagten jungen Mönch über die Maßen demütigte und der Mönch noch etwas von jenem Pulver hatte, gab er, um die Freundschaft des neuen Abtes zu erlangen, von jenem Pulver, das dieser ihm früher gegeben hatte, etwas in sein Essen, und so ging der Verräter selbst durch seine eigenen Waffen zugrunde, und seine Bosheit er-

1 poenitentias Lo1Lo2V2V4BTr; pennas G; penas Pa8; poenas Ep. 5 ibi GLo2Pa8V2V4B; illis LLo1Ep. 5 Heben Ep; Hebe GLLo1V2V4BTr; om. Pa8. 8 Iob 29 Iob 39 G. 19 Unde GLLo1Lo2V2BTr; ut Pa8V4 Ep. 29 – 30 affligeret afflugeret G, sed corr. 34 periit Lo1Pa8V4BTrEp; pro ut G. 34 – 359,1 et eius . . . redundavit Pa8V4Ep; sim. Lo1BTr; malitia eius expeciit expiravit G.

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proprium redundavit, 602 Eccli. 27: Facienti nequissimum consilium super eum revertetur. 603

goss sich über sein eigenes Haupt, 602 Eccli. 27,30: ›Der schlimmste Ratschlag wird auf den, der ihn erteilt, zurückfallen.‹ 603

Fabula tertia 604

Dritte Erzählung 604

Cum Deianira uxor Herculis sibi misisset vestem venenatam per Lichan, propter quam Hercules furibundus periret, Lichan quamvis se excusantem accepit et ter in aera rotatum in mare proiecit. Qui in maris scopulum mutatus fuit, qui adhuc in mari in forma humana apparere dicitur nauteque ipsum in Euboica regione Lichan nominant nec audent ipsum tangere, ac si tactum adhuc debeat advertere et sentire.

Da Deianira, die Gattin des Hercules, ihm durch Lichas ein vergiftetes Gewand geschickt hatte, durch das Hercules in Raserei zugrunde ging, ergriff er Lichas trotz seiner Entschuldigung, schleuderte ihn dreimal in der Luft herum und warf ihn ins Meer. Dieser wurde in einen Meeresfelsen verwandelt, der bis jetzt noch im Meer in menschlicher Gestalt erscheinen soll. Und die Seeleute in der euböischen Region nennen ihn Lichas und wagen nicht, ihn zu berühren, als ob er die Berührung noch bemerken und spüren müsste.

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Sic vere illi, qui Herculi, id est prelato vel principi, vestem venenatam, id est venenata verba, detractoria et accusatoria offerunt, ita quod contra alios ipsos furere faciunt, debent ab eis rotari et vilipendi et longe ab eis proici et fugari et in lapidem, id est in vilem et pauperem, commutari, Prov. 4: Amove a te os pravum et detrahentia labia longe fac a te!

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Fabula quarta 605 Ixion fuit quidam secretarius Iunonis, qui Iunonem de stupro interpellabat et ipsam importune vexabat. Iuno igitur ipsius im-

Moralisierung So müssen in der Tat jene, die Hercules, d.h. einem Prälaten oder Fürsten, ein vergiftetes Gewand, d. h. vergiftete Worte, Verleumdungen und Anklagen bieten, so dass sie sie gegen andere wüten lassen, von ihnen herumgeschleudert und erniedrigt werden und weit von ihnen fortgeschleudert und vertrieben und in einen Stein, d.h. in eine niedrige und elende Person, verwandelt werden, Prov. 4,24: ›Entferne von dir den bösen Mund und die verleumderischen Lippen schaffe weit von dir!‹ Vierte Erzählung 605 Ixion war ein gewisser persönlicher Rat Junos, der Juno ehebrecherische Anträge machte und sie unverschämt bedrängte.

2 – 3 revertetur GLo1Lo2V2; revertentur Pa8V4; redundabit B; devolvetur Ep/Vulg. 6 per Lichan per Licham Ep; per Liccam G; plicatam Tr; om. LLo1. 8 excusantem Lo1Pa8V4BTrEp; excusante G. 8 – 9 ter . . . mare V2; tunc in mare in aere rotatum G; inter aera elevatam et perrotatam in mare LLo1; inter aera rotatum in mare (mari V4) Lo2V4; ter ipsum in aere rotavit et in mari Tr; in aera rotatum in mare Ep; al. al. 12 Euboica Ep; Embaita G; Eboica Lo1; Emboyca V4B; Emoroyca (?) Tr. 13 nec audent Lo1Lo2Pa8V4TrEp; nonque G; non audetque B. 13 tactum Lo1Lo2Pa8V4BEp; tactu G; tactus Tr. 13 – 14 adhuc Lo1V4BTrEp; ad hunc G. 14 advertere Lo2Pa8V4Ep; avertere GV2B; om. advertere et LLo1. 22 Prov. 4 Prov. 7 G.

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portunitate fatigata nubem ad sui similitudinem composuit et ornavit et eam sibi supposuit. Cum qua concumbens centauros generavit. 606 Fuerunt autem centauri homines biformis nature, quia de equo et homine erant mixti. Qui centauri, id est ›gentauri‹, quasi de aura geniti dicebantur. 607 Istos Hercules occidit et quamvis duplicis essent nature et fortissimi, ipsos tamen viriliter interfecit. Ixion autem propter presumptionem, quam habuit Iunonem interpellando, in inferis est positus et, ut ibi in quadam rota volvatur perpetuo, condemnatus. Moraliter

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Iuno, dea divitiarum, 608 potest significare prosperam fortunam, que divitias administrat. Per Ixion secretarium intelligo divitem ambitiosum, qui Iunoni copulari desiderat, inquantum fortunam et gloriam summe optat et ad hoc importune laborat. 609 Per nubem intelligo mundi prosperitatem, que mentes obnubilat et luce sapientie et veritatis eos privat. Per centauros intelligo malos subditos et officiales, qui ex aura geniti dicuntur, inquantum ex vento et vana affectione generantur. Gemine dicuntur esse nature, scilicet equine, inquantum videntur luxuriosi, et humane ratione fragilitatis et inconstantie. 610 Dico ergo, quod, quando Ixion, id est ambitiosus, coniungi cum

Als Juno nun seiner Unverschämtheit überdrüssig war, schuf sie eine Wolke nach ihrem Ebenbild, schmückte sie und schob sie ihm unter. Als er mit dieser schlief, zeugte er die Centauren. 606 Die Centauren aber waren Menschen von zweifacher Natur, weil sie aus Pferd und Mensch zusammengesetzt waren. Diese wurden Centauren, d.h. ›Gentauri‹, genannt, da sie gleichsam mit der Luft gezeugt wurden. 607 Hercules tötete diese und, obgleich sie von zweifacher Natur und sehr stark waren, tötete er sie dennoch mannhaft. Ixion aber wurde wegen seiner Anmaßung, die er bei der Belästigung Junos zeigte, in die Unterwelt versetzt und dazu verurteilt, dort in einem Rad auf ewig gedreht zu werden. Moralisierung Juno, die Göttin des Reichtums, 608 kann das günstige Glück bezeichnen, das den Reichtum verwaltet. Unter ihrem persönlichen Rat Ixion verstehe ich einen ehrgeizigen Reichen, der sich mit Juno verbinden will, sofern er das Glück und den Ruhm über die Maßen wünscht und darauf rücksichtslos hinarbeitet. 609 Unter der Wolke verstehe ich den weltlichen Erfolg, der den Geist vernebelt und ihn des Lichts der Weisheit und der Wahrheit beraubt. Unter den Centauren verstehe ich schlechte Untergebene und Amtsträger, die ›aus Luft Gezeugte‹ heißen, sofern sie aus Wind und eitlem Streben hervorgehen. Man sagt, dass sie von zweierlei Natur sind, der des Pferdes nämlich, sofern sie unzüchtig erscheinen, und des Menschen wegen ihrer Hinfälligkeit und Unbeständigkeit. 610 Ich sage also, dass, wenn Ixion, d.h. der Ehrgeizige, mit Juno vereinigt zu werden wünscht,

2 eam Lo1V2V4BTrEp; ea G; eum Pa8. 20 ad hoc Lo1V2V4BTrEp; adhuc G; aduc Pa8. 28 – 29 humane . . . inconstantie V2; humane fragilitatis et inconstantie GLLo1Lo2; humane, inquantum inconstantes et perversi Pa8V4; humane, inquantum scilicet sunt fragiles et inconstantes Tr; humane, inquantum sunt inconstantes et perversi Ep. 29 quod Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 30 coniungi Lo1Pa8V2V4BEp; coniungitur GTr.

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Iunone, id est cum fortuna et gloria, desiderat, quandoque fit, quod Iuno, id est fortuna, nubem, id est mundi prosperitatem, parat, que more nubis inanis est et vacua et mentes obnubilat et obfuscat. Iste igitur cum tali nube, id est cum tali sibi commissa dignitate, fornicans centauros solet sibi, id est malos subditos, generare et eos ad beneficia et officia provocare, Mach. 9: Elegit sibi Bacchides viros impios et constituit eos dominos regionis. Sed tales finaliter ab Hercule, id est Christo, expelluntur et eradicantur. Ipse vero Ixion, pater talium, inferni suppliciis condemnatur. Vel dic, quod Iuno est superior prelatus, cui Ixion, id est ambitiosus, familiaris esse nititur, ita quod nubem alte dignitatis, in qua scilicet malos centauros, ut dictum est, generat, consequitur ab eodem. Sed procul dubio talis in inferno dicitur rota volvi, quasi scilicet ambitiosi, qui presumunt dignitates occupare, esse dicuntur in inferno pro eo, quod ardore dominandi continue cruciantur. Ambitiosi dicuntur etiam in rota involvi et continue cruciari pro eo, quod numquam solent mentaliter quietari; immo de officio ad officium, de dignitate ad dignitatem volvuntur et in nullo possunt animum figere, Eccli. 33: Precordia fatui quasi rota currus et quasi axis versatilis cogitatus

d.h. mit Glück und Ruhm, es bisweilen geschieht, dass Juno, d.h. der Erfolg, eine Wolke, d.h. den weltlichen Erfolg, gewährt, der nach Art einer Wolke nichtig und leer ist und den Geist vernebelt und verdunkelt. Dieser pflegt also Centauren, d.h. schlechte Untergebene, zu erzeugen und sie zu Pfründen und Ämtern zu rufen, wenn er mit einer solchen Wolke, d.h. mit einer solchen Würde, die ihm gegeben wurde, hurt, 1. Mach. 9,25: ›Bacchides erwählte sich gottlose Männer und machte sie zu den Herren des Landes.‹ Schließlich aber werden solche von Hercules, d.h. von Christus, vertrieben und ausgerottet. Ixion selbst aber, der Vater solcher Menschen, wird zur Höllenstrafe verurteilt. Oder sag, dass Juno ein höherstehender Prälat ist, mit dem Ixion, d.h. ein Ehrgeiziger, versucht, vertraut zu sein, so dass er die Wolke einer hohen Würde, in der er, wie gesagt, schlechte Centauren zeugt, von diesem erhält. Aber zweifellos soll ein solcher sich in der Hölle auf einem Rad drehen, wie bekanntlich die Ehrgeizigen, die sich anmaßen, hohe Ämter einzunehmen, in der Hölle sind, weil sie vom brennenden Verlangen zu herrschen beständig gequält werden. Von den Ehrgeizigen sagt man auch, dass sie deswegen auf dem Rad gedreht und beständig gequält werden, weil sie im Geist niemals zu ruhen pflegen; vielmehr werden sie von Amt zu Amt, von Würde zu Würde gedreht und können nirgends ihren Geist festmachen, Eccli. 33,5: ›Die Brust des Narren ist wie ein Wagenrad und wie eine bewegliche Achse sind seine Gedan-

15 – 24 Vel . . . cruciantur deest LLo1Lo2Pa8V2V4TrEp. 1 cum . . . gloria Lo2V2BEp; cum fortuna et gloriam GL; cum fortunam et gloriam Pa8Tr; fortuna et gloria V4. 5 Iste Lo1V2TrEp; isti GLo2; ille B; om. Pa8V4. 10 Bacchides Vulg.; Bachides Ep; Bacides G. 12 – 13 expelluntur et eradicantur Lo1Pa8V2V4BTrEp; expellentur et eradicentur G. 17 nubem nube G. 19 consequitur ab eodem G; et sequitur ab eodem B. 21 presumunt B; presentant G. 23 dominandi B; damnandi G. 28 volvuntur voluntur G, sed add. -v- supra lin. 30 versatilis Lo1Pa8V4BTrEp/Vulg.; versabilis] G.

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illius; et Ps.: Deus meus pone illos ut rotam. 611

ken,‹ und Ps. 82,14: ›Mein Gott, stelle sie auf wie ein Rad.‹ 611

Fabula quinta 612

Fünfte Erzählung 612

Iuno uxor Iovis invidens Herculi, quem ipse Iupiter in Alcmena genuerat, omnia difficilia solebat sibi precipere. Nam ipsum misit ad Hispaniam ad occidendum Geryonem, ad infernum ad educendum Cerberum, in Arcadiam ad superandum Hydram quinque capitum. Hercules autem ad omnia ivit et omnia complevit, ita quod Iuno citius fuit fessa precipiendo quam Hercules adimplendo.

Weil Juno, die Gattin Jupiters, Hercules feind war, den Jupiter mit Alcmene gezeugt hatte, pflegte sie ihm alle möglichen schwierigen Aufgaben zu befehlen. Sie schickte ihn nämlich nach Spanien, Geryon zu töten, in die Unterwelt, Cerberus herauszuführen, nach Arkadien, die fünfköpfige Hydra zu überwinden. Hercules aber ging alles an und erfüllte alles, so dass Juno schneller erschöpft war, Befehle zu erteilen, als Hercules, sie zu erfüllen.

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Sic in religione, dato quod Hercules, id est sapiens subditus, habeat prelatum pro noverca, qui scilicet sibi non cessat difficilia malitiose precipere, ipse tamen debet in omnibus obedire et eum obediendo patientia fatigare, ita quod ipse malus prelatus citius debet fatigari precipiens quam subditus obediens, Is. 40: Current et non laborabunt, ambulabunt et non deficient. Fabula sexta 613

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In Nemea silva erat quidam leo, qui omnia devastabat. Quem Hercules interfecit et in signum victorie de pelle leonis sibi vestem fecit, quam secum iugiter deportabat.

Moralisierung So auch in den Orden: angenommen Hercules, d.h. ein kluger Untergebener, hat einen Prälaten als ›Stiefmutter‹, der nämlich nicht davon ablässt, ihm bösartig schwierige Dinge zu befehlen, muss er ihm dennoch in allem gehorchen und ihn, indem er gehorcht, mit Geduld ermüden, so dass der schlechte Prälat im Befehlen schneller ermüden muss als der Untergebene im Gehorchen, Is. 40,31: ›Sie werden laufen und sich nicht abmühen, sie werden umhergehen und nicht ermatten.‹ Sechste Erzählung 613 Im nemeischen Wald gab es einen Löwen, der alles verwüstete. Diesen tötete Hercules und machte sich als Zeichen seines Sieges vom Löwenfell einen Überwurf, den er beständig an sich trug.

5 Alcmena V4Ep; Almene GB; Almena Lo1; Alcumenam Tr. 7 Geryonem Ep; Gorgonem GB; Gerionem V2 V4Tr. 8 educendum Lo1Pa8V4BTrEp; occidendum G. 9 Arcadiam Archadiam GLo1V2V4Ep. 9 Hydram Ep; Hydriam G; Ydram Lo1V4Tr; Yderam B. 17 qui scilicet Lo2Pa8V4BEp; quis LLo1; qui V2; quod Tr; om. G. 19 – 20 patientia LLo1Lo2Pa8V4Ep; impatientia GV2BTr. 22 Is. 40 Is. 4 G. 22 Current . . . laborabunt Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; Curunt et non labore G. 25 Nemea V2TrEp; venena G; vernena V4; Venita B.

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Moralisierung

Leo, cuius anhelitus fetet, 614 significat carnem, cuius anhelitus, suggestio scilicet et appetitus, sunt fetidi et immundi. Hercules igitur, id est quilibet bonus, sapiens et fortis debet istum leonem per abstinentiam domare. Pellem tamen eius, id est carnem et humane fragilitatis memoriam, debet sibi perpetuo retinere, quia, dato quod sapiens contra carnem prevaleat, pellem tamen, id est memoriam fragilitatis, secum portat. Figura Lev. primo, ubi dicitur, quod sacerdos, qui offert victimam holocausti, habebit pellem eius, id est ille, qui victimat carnem suam, debet retinere et habere pellem, id est proprie fragilitatis memoriam. 615 Vel dic, quod leo est superbia vel iracundia vel alia vitia, que multi virtutibus superant. Et tamen, quia primam malam conversationem quantum ad aliquos gestus non deserunt, videtur, quod adhuc pellem leonis secum ferunt, Iob 19: Pelli mee consumptis carnibus adhesit etc.

Der Löwe, dessen Atem stinkt, 614 bedeutet das Fleisch, dessen Atem, Verlockungen und Begehren nämlich, übelriechend und unrein sind. Hercules also, d.h. ein jeder, der gut, klug und stark ist, muss diesen Löwen durch Enthaltsamkeit zähmen. Sein Fell, d. h. das Fleisch und die Erinnerung an die menschliche Schwachheit, muss er jedoch für immer behalten, da der Weise trotz seiner Überwindung des Fleisches das Fell, d. h. die Erinnerung an die Schwachheit, gleichwohl mit sich trägt. Die Präfiguration dazu steht im Lev. 1,1ff., wo es heißt, dass ein Priester, der ein Brandopfer darbringt, dessen Fell besitzen wird, d.h. jener, der sein Fleisch opfert, das Fell, d.h. die Erinnerung an seine eigene Schwachheit, zurückbehalten und besitzen muss. 615 Oder sag, dass der Löwe Hochmut oder Zorn oder andere Laster bedeutet, die viele Menschen durch ihre Tugenden überwinden. Und weil sie dennoch die frühere schlechte Lebensweise in bestimmten Handlungen nicht verlassen, scheinen sie immer noch das Löwenfell mit sich zu tragen, Iob 19,20: ›Nach der Auszehrung des Fleisches, hing es [sc. mein Gebein] an meiner Haut‹ etc.

Fabula septima 616 25

Atlas gigas, qui celum humeris sustentabat, habebat arborem in quodam suo viridario, que poma aurea deferebat; quam tres filie sue, que Hesperides dicebantur, servabant et unum draconem, qui numquam

Siebte Erzählung 616 Der Riese Atlas, der den Himmel auf seinen Schultern trug, hatte einen Baum in seinem Garten, der goldene Äpfel trug. Diesen hüteten seine drei Töchter, die Hesperiden genannt wurden, und sie hatten zur Bewa-

3 – 4 anhelitus . . . sunt BTr; anhelitus suggestivus et appetitivus sunt GEp; anhelitus, id est suggestio et anhelitus et appetitus sunt V2; anhelitus suggestio et appetitus sunt V4. 7 domare Lo1Lo2Pa8V4B; devorare G; superare et domare Tr; domare vel devorare Ep. 8 memoriam Lo1Pa8V4BTrEp; momoriam G. 9 quia Lo1Pa8V2BTrEp; quod G. 11 memoriam Lo1Ep; timorem GLLo2V2B; terrorem Tr. 17 – 18 superbia . . . vitia GV4TrEp; superbia, iracundia vel etiam diabolus B. 18 multi GLo2V2 B; multis LLo1Pa8Tr; in multis Pa8; multipliciter V4; multi homines Ep. 22 Iob 19 Iob 29 G. 22 mee Lo1Pa8V4BTrEp; meo G. 25 gigas Lo1 Pa8V4BTrEp; gigans G. 26 quodam quoddam G. 28 Hesperides Ep; Hyspides G; Hospides Lo1; Hespides B; Experides Tr.

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dormiebat, ad pomorum custodiam secum habebant. Hercules autem dracone perempto poma rapuit. Cum autem Atlas ad bellum gigantum contra deos in Siciliam ivisset, Hercules fortissimus celum sustinuit loco eius et eius vicarius est effectus.

chung der Äpfel einen Drachen bei sich, der niemals schlief. Hercules aber bezwang den Drachen und raubte die Äpfel. Als Atlas jedoch in den Krieg der Giganten gegen die Götter nach Sizilien gezogen war, trug der überaus starke Hercules an seiner Stelle den Himmel und wurde sein Stellvertreter.

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Causa fictionis fabule videtur esse moralis, quia scilicet Atlas fuit summus astrologus et ideo celum sustinere dicitur pro eo, quod de celo et celestibus tractare fertur. Poma etiam aurea, id est auream sapientiam, 617 dicitur habuisse, quam custodierunt tres filie, id est tres cerebri cellule, et draco vigil, id est vigilans diligentia, dicitur custodisse. 618 Igitur Hercules ab ipsius viridario poma aurea sapientie acquisivit. Et ideo loco eius celum sustinuit, inquantum post ipsum in astrologia et in celesti scientia sapientissimus fuit. Sic igitur per Atlantem potest intelligi bonus doctor, per Herculem bonus discipulus, qui a bono doctore sapientiam addiscit, 619 ita quod post ipsum ad cathedram sublimatur; ita quod cuilibet tali discipulo potest illud dici Cant. 7: Omnia poma nova et vetera servavi tibi.

Moralisierung Der Grund für die Erdichtung der Fabula scheint ein moralischer zu sein, weil nämlich Atlas der größte Astrologe war, und deshalb sagt man, dass er den Himmel trug, da er der Überlieferung nach sich mit dem Himmel und den Gestirnen beschäftigt hat. Man sagt auch, dass er goldene Äpfel, d.h. eine goldene Weisheit, 617 gehabt habe, über die die drei Töchter, d.h. drei Gehirnzellen, wachten; und man sagt, dass ein wachsamer Drache, d.h. eine aufmerksame Umsicht, sie behütet hat. 618 Also erwarb Hercules aus seinem Garten die goldenen Äpfel der Weisheit. Und deshalb trug er an Atlas’ Stelle den Himmel, sofern er in der Astrologie und in der Wissenschaft vom Himmel nach ihm der Weiseste war. So kann also unter Atlas ein guter Lehrer verstanden werden, unter Hercules ein guter Schüler, der von dem guten Lehrer die Weisheit lernt, 619 so dass er nach ihm auf den Lehrstuhl erhoben wird; folglich kann einem jeden solchen Schüler jenes Wort aus Cant. 7,14 gesagt werden: ›Alle neuen und alten Äpfel habe ich für dich aufbewahrt.‹

2 – 3 dracone perempto G; dracone interfecto Lo1; dracone perdormito V4; dracone perdomito BTrEp; draconem artibus dormire fecit Pa8. 3 Atlas Athlas Lo1BTrEp; Athla G. 8 moralis codd.; moralis vel naturalis Ep. 14 – 15 draco . . . vigilans Tr; draco vigil id est vigili G; draco vigil id est vigilans ratio et Pa8V4; draco vigil id est vigiliis et Lo2Ep; draco vigil id est vigilis V2; draco vigil id est vigil B; draco vigilans id est LLo1. 17 sapientie Lo1Pa8V4BTr; scilicet sapientie G; om. Ep. 17 – 18 Et . . . sustinuit Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; om. G. 20 per Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 20 Atlantem Athlantem Ep; Ahlatem G. 23 post Lo1Pa8V4BTrEp; per G. 25 Cant. 7 Cant. 1o G.

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Achte Erzählung 620

Hercules dicitur vicisse Cerberum inferni ianitorem et Geryonem Hispanie pastorem. 621 Quorum erat forma triplex, quod Cerberus habebat tria capita in uno corpore, Geryon autem habebat tria corpora in uno capite.

Hercules soll Cerberus, den Torhüter zur Unterwelt, und Geryon, einen Hirten in Spanien, 621 besiegt haben. Deren Gestalt war dreifach, weil Cerberus drei Köpfe auf einem Körper hatte, Geryon aber drei Körper an einem Kopf.

Moraliter

Moralisierung

Ultra istam expositionem generalem, qua Cerberus sumitur pro terra pro eo, quod tres hominis substantias, scilicet carnem et sanguinem et ossa, devorare dignoscitur, Geryon autem fuit rex Hispanie, qui, quoniam habebat multa animalia, dictus fuit pastor et, quia habebat tria regna, dictus est tricorpor, 622 possumus aliter exponere et dicere, quod talia monstra nunc videntur esse in ecclesia. Sunt enim aliqui similes Cerbero, quia, dato quod non sint nisi una persona, ipsi tamen habent tria capita, id est tria beneficia et officia capitalia, figurati in illa bestia, que habebat decem capita, Apoc. 13. 623 Item ibi sunt his contrariis, pauperes scilicet et depressi, qui more Geryonis plura corpora sunt in uno capite, id est plures sunt, qui uno beneficio nutriuntur, quamvis cuilibet corpori et persone unum caput, id est unum beneficium, deberetur. Et istud est verum inter ecclesiasticos, quia unus quidem esurit, alius autem ebrius est; 624 quia sepe invenitur unus, qui plura beneficia habet, et multi, qui vitam suam ducunt ex uno. Hercules igitur, id est bonus prelatus, debet talia monstra de ecclesia tol-

Über die allgemeine Auslegung hinaus, nach der Cerberus als die Erde verstanden wird, weil man weiß, dass sie die drei Substanzen des Menschen, nämlich Fleisch, Blut und Knochen, verschlingt, und Geryon König von Spanien war, der, da er viele Tiere besaß, Hirte genannt und, weil er drei Reiche besaß, der Dreileibige genannt wurde, 622 können wir es anders auslegen und sagen, dass es solche Ungeheuer nun in der Kirche zu geben scheint. Es gibt nämlich einige, die dem Cerberus ähnlich sind, weil sie, obwohl sie nur eine Person sind, dennoch drei Köpfe haben, d.h. drei Pfründen und drei Hauptämter. Bildlich dargestellt sind sie in jener Bestie, die zehn Köpfe hatte, Apoc. 13,1. 623 Ebenso gibt es dort Menschen, die ihnen entgegengesetzt sind, nämlich Arme und Niedergedrückte, die nach Art des Geryon mehrere Körper an einem Kopf haben, d.h. es gibt etliche, die von einer Pfründe ernährt werden, obschon jedem Körper und jeder Person ein Kopf, d. h. eine Pfründe, zustünde. Und dies ist wahr unter Geistlichen, weil ›einer gewiß hungert, ein anderer aber trunken ist‹ [1. Cor. 11,21]; 624 denn man findet oft einen, der mehrere Pfründen hat, und viele, die ihren Lebensunterhalt aus einer ziehen. Also muss Hercules, d.h. ein guter Prälat, solche Ungeheuer aus der Kirche

3 Geryonem V4; Gorgonem G; Greionem B; Gerionem Lo1Tr; Gereonem Ep. 9 generalem GLo1V2V4BTr; historialem Ep; om. ultra . . . qua Pa8. 19 Cerbero Lo1Pa8V4TrEp; cerebro G. 22 – 23 decem capita GPa8 V2V4BTr; capita septem LLo1; septem capita et cornua decem Ep/Vulg. 27 cuilibet corpori et persone Pa8 V4; cuilibet persone G; cuilibet corpori, id est cuilibet persone Lo1BTrEp. 31 est add. Prime co. XI Ep.

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lere et inter personas huiusmodi moderare et diminutos cum superfluis adequare, Lev. 7: Cunctis filiis Aaron equaliter per singulos dividetur. 5

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Fabula nona 625 Diomedes fuit quidam tyrannus, qui equis suis dabat homines ad devorandum. Unde, cum Hercules domum eius intrasset et ut presepia plena corporibus vidit, abominans tantum facinus ipsum tyrannum accepit et propriis equis ad devorandum dedit et cum pena, quam aliis inflixit, ipsum interfecit. Moraliter

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Causa fabule dicitur ista, quia cum Diomedes tyrannus equos in exercitu velocissimos haberet et Greciam, cuius rex erat Hercules, infestaret, preclusit ei Hercules viam rapine. Quare cum non haberet, unde equos suos nutriret, substantiam ipsius consumpserunt et sic eum devoraverunt. Dic, quod sic dicitur Sap. 11: In quo peccat aliquis, pro hoc punietur, quia sepe fit dei iudicio, quod eadem pena quis affligitur, qua ab ipso alii affligebantur. Exemplum de Busiri tyranno, qui hospites, quos recipiebat, occidebat. 626 Qui cum Herculem recipisset et eum immo-

werfen und unter Personen dieser Art ausgleichen und die zu kurz Gekommenen an diejenigen, die im Überfluss leben, angleichen, Lev. 7,10: ›Allen Söhnen Aarons, und zwar jedem einzelnen, wird gleichmäßig zugeteilt werden.‹ Neunte Erzählung 625 Diomedes war ein Tyrann, der seinen Pferden Menschen zu fressen gab. Als Hercules nun dessen Haus betreten hatte und die Futterkrippen voller Leichen sah, packte er voller Abscheu vor einem so ungeheuren Verbrechen den Tyrannen selbst und warf ihn seinen eigenen Pferden zum Fraß vor; und so tötete er ihn mit der Todesart, die er anderen zugefügt hatte. Moralisierung Der Grund für diese Erzählung soll folgender sein: Weil der Tyrann Diomedes sehr schnelle Pferde in seinem Heer hatte und er Griechenland, dessen König Hercules war, angegriffen hatte, schnitt Hercules ihm den Weg zum Raubzug ab. Da er nichts hatte, womit er seine Pferde ernährte, brauchten sie sein Hab und Gut auf und verschlangen ihn sozusagen. Sag, dass es folgendermaßen in Sap. 11,17 heißt: ›Worin einer sündigt, damit wird er selbst auch bestraft werden‹; denn es geschieht oft durch Gottes Urteil, dass einer mit derselben Strafe bedacht wird, mit der er andere bedacht hat. Ein Beispiel ist der Tyrann Busiris, der seine Gäste, die er empfing, tötete. 626 Als dieser Hercules empfangen hatte und ihn op-

1 huiusmodi LLo1V4TrEp; huius beneficia G; huius Lo2Pa8V2B. 1 moderare modere G, sed add. -ar- supra lin. 2 diminutos GLLo1V4BTr; diminutas V2; divites Ep. 2 adequare adequare vel resecare Ep. 2 – 3 Lev. 7 Lev. 6 G. 3 Aaron Aaram G; om. Lo2Pa8V4. 3 equaliter GLLo1Lo2Pa8V2BTr; naturaliter V4; mensura aequa Ep/Vulg. 6 Diomedes Ep; Dionisius GLo1V2V4BTr. 7 Unde Lo1Lo2V4BTrEp; quam G; autem Pa8. 11 equis LLo1Lo2V4TrEp; equibus GB; equabus V2; om. Pa8.. 11 cum GLo1Lo2Pa8V2Tr; eum (sed om. ipsum) V4BEp. 14 fabule Lo1Pa8V4BTrEp; fabula G. 15 velocissimos G; velociores Lo1Lo2Pa8 V2V4BTr; multos et equites Ep. 18 Quare Lo1Pa8V4BTrEp; qui G. 21 Sap. 11 Sap. 7 G. 24 Busiri TrEp; Buride G; Buriri Lo1; Busiride V4.

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lare vellet, ab eo fuit occisus et propriis aris immolatus. Ideo dicit Seneca: Ab altero expecta, alteri quid feceris. 627 Vel dic, quod Diomedes significat mundi tyrannos, qui equis, id est stipendiariis, dant comedere carnes hominum laceratorum, id est substantias hominum miserorum, ita quod presepia talium equorum, id est talium oppressorum, cadaveribus, id est bonis, sunt plena. Sed sepe convenit, quod alius fortior eis prevalet contra eos et equos, id est stipendiarios et milites, sibi appropriat et assumit et substantias tyrannorum, qui alios privaverant, et bona ipsorum dirumpit sicut fit in Italia, ubi fortior tyrannus debiliorem vincit iuxta illud Lc. 11: Cum fortis armatus custodit etc. 628 Vel dic, quod Diomedes est diabolus, qui mediantibus equis suis, id est hereticis et mundi sapientibus, homines devorabat per errores. Qui tandem virtute Herculis, id est Christi, ipsis equis, id est philosophis iam conversis, ad devorandum datur, inquantum per ipsos contra ipsum predicatur.

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Hercules occidit Hydram in palude Echidne in Arcadia. 630 Que erat serpens multorum capitum, cuius talis erat virtus et natura, quod uno capite absciso alia duo nascebantur, ita quod ex ipsis suis vulneribus cre-

fern wollte, wurde er von ihm getötet und auf seinen eigenen Altären geopfert. Deshalb sagt Seneca: ›Erwarte von dem anderen, was du ihm, dem anderen, angetan hast.‹ 627 Oder sag, dass Diomedes die Tyrannen der Welt bedeutet. Diese geben ihren Pferden, d. h. ihren Söldnern, das Fleisch von zerfetzten Menschen zu fressen, d.h. das Hab und Gut elender Menschen, so dass die Futterkrippen solcher Pferde, d.h. solcher Unterdrücker, voll von Leichen, d.h. von Gütern, sind. Oft aber geschieht es, dass ein anderer, der stärker ist als sie, diese übertrifft und die Pferde, d. h. die Söldner und Soldaten, sich aneignet und in Besitz nimmt und das Vermögen der Tyrannen, die andere beraubt hatten, und ihre Güter zerstört, wie es in Italien geschieht, wo der stärkere Tyrann den schwächeren besiegt, gemäß jenem Wort aus Lc. 11,21: ›Wenn ein starker, bewaffneter Mann bewacht‹ etc. 628 Oder sag, dass Diomedes der Teufel ist, der mit Hilfe seiner Pferde, d.h. der Häretiker und der weltlichen Weisen, die Menschen durch Irrlehren verschlang. Dieser wird schließlich durch die Kraft des Hercules, d.h. Christi, seinen eigenen Pferden, d.h. den schon bekehrten Philosophen, zum Fraß gegeben, sofern diese gegen ihn predigen. Zehnte Erzählung 629 Hercules tötete die Hydra im Sumpf der lernäischen Echidna in Arcadien. 630 Diese war eine Schlange mit vielen Köpfen, die eine solche Fähigkeit und Natur besaß, dass, wenn man einen Kopf abschlug, zwei andere nachwuchsen, so dass es hieß, sie wüch-

16 – 17 Lc. 11 Ep; Mt. 12 G. 20 devorabat LLo1Lo2V2BEp; devorant G; devorat V4; vorabat Tr. 22 philosophis hereticis philosophis Ep. 26 palude Echidne coni.; palude Ethime G; palude Ethinie Lo1; palude Echinie V2; palude Ethimie V4; palude Heccine B; palude Erthimeine Tr; Lerna palude Ep.

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scere dicebatur. Hanc igitur Hercules virtute sua domuit et occidit.

sen aus ihren Wunden. Diese bezwang Hercules also dank seiner Kraft und tötete sie.

Moraliter

Moralisierung

Expone hoc de fide et ecclesia, que talis videtur nature esse, quod, cum ab aliquo tyranno leditur vel quando sua capita, id est persone sue, ei subtrahuntur, exinde efficitur fortior et exinde crescere comprobatur, sicut apparuit tempore tyrannorum: Qui dum unum martyrem detruncarent, statim duo vel tres loco ipsius resurgebant, sicut de filiis Israel dicitur Ex. 1, quod quanto plus opprimebantur, tanto magis crescebant. 631 Vel dic de hereticis, quod ita pullulatrix natura est, quod pro uno sublato duo nascuntur, si particulariter abscidantur. Ideo Hercules, id est bonus prelatus, debet tales simul ex toto exstirpare.

Leg dies auf den Glauben und die Kirche aus, die eine solche Natur zu besitzen scheint, dass sie, wenn sie von einem Tyrannen verletzt wird oder wenn ihre Köpfe, d.h. ihre Mitglieder, ihr genommen werden, daraus stärker hervorgeht und bewiesenermaßen daraus wächst, so wie es in Zeiten der Tyrannen deutlich wurde: Sobald sie einen Märtyrer enthaupteten, erhoben sich sogleich zwei oder drei an seiner Stelle, so wie es Ex. 1,12 von den Söhnen Israels heißt, dass sie ›desto mehr anwuchsen, je mehr sie unterdrückt wurden‹. 631 Oder sag von den Häretikern, dass ihre Natur so üppig wuchert, dass für einen, der ausgeschaltet wurde, zwei nachwachsen, wenn sie gleichsam nur teilweise beschnitten werden. Deshalb muss Hercules, d. h. der gute Prälat, solche zugleich von der Wurzel her ausrotten.

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Anteus fuit filius terre cum quo Hercules aliquando luctatus fuit et, quotiens ipsum ad terram prosternebat, fortior resurgebat, eo quod matrem suam tangebat. Virtute enim terre fortificabatur et, ubi victum ipsum crederet, fortior levabatur. Hercules autem cum hoc percepisset, elevavit eum in aerem et ipsum inter bracchia sua tam diu compressit, quod eum exanimavit. Et

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15 – 19 Vel . . . exstirpare GB; deest LLo1Lo2Pa8V2V4TrEp.

Elfte Erzählung 632 Antaeus war der Sohn der Erde, mit dem Hercules einst rang, und, sooft er ihn auf die Erde niederwarf, erhob er sich stärker, weil er seine Mutter berührte. Durch die Kraft der Erde wurde er nämlich gestärkt und, sobald Hercules ihn für besiegt hielt, erhob er sich stärker. Als Hercules dies aber begriffen hatte, hob er ihn in die Luft und drückte ihn zwischen seinen Armen so lange, dass er ihn tötete. Und so überwand

1 dicebatur Lo1V4BTrEp; videbatur GPa8. 1 Hanc Lo1Pa8V4TrEp; hunc G; quam B. 5 esse Lo1Pa8 V4BTrEp; om. G. 5 quod Lo1Pa8V4BTrEp; quia G. 12 Ex. 1 Exo. 11 G. 13 – 14 crescebant Lo2Pa8Ep; cresebantur G; multiplicabantur LLo1V2Tr. – Cf. quantoque opprimebant eos, tanto magis multiplicabantur et crescebant Vulg. 15 quod B; que G. 19 ex toto B; om. G. 19 exstirpare B; extripare G. 21 Anteus Antheus GLo1Lo2Pa8V4BTrEp. 26 crederet . . . levabatur GLo2V2V4; credebat, fortior ipsum reperiebat Tr; credebat Hercules, fortior se levabat Ep; om. et . . . levabatur Lo1; om. virtute . . . levabatur B.

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sic eum, quem in terra vincere non poterat, in aere superavit. 633

er den, den er auf der Erde nicht besiegen konnte, in der Luft. 633

Moraliter

Moralisierung

Istud inveni litteraliter de quodam rege Libye, qui in patria sua sepe ab Hercule victus fuerat et tamen recollecto exercitu iterum contra Herculem fortior veniebat. Quod videns Hercules ipsum in aerem, id est extra terram propriam ad terram aliam, vocavit et sic recollectione cessante ipsum penitus superavit. Sed moraliter dico, quod per Anteum intelligo hominem, qui terre filius dicitur, inquantum de terra naturaliter fuit factus et de terra genitus et nutritus, Eccli. 40: De terra facta sunt omnia etc. Per Herculem istum pugnantem intelligo diabolum hominem temptantem et superare et vincere cupientem. Si contingat, quod eum per temptationem vincat, non restat, nisi quod matrem suam, id est terram, possit tangere per considerationem, hoc est dictu terream fragilitatem et vilitatem suam attendere, quia ille a peccato faciliter surgit, qui per considerationem fragilitatis sue terram tangit, Cor. 12: Cum infirmor, fortior tunc sum, et Petrus primo [?]: Quando infirmitatem meam cognosco, considero; 634 quia secundum Bernhardum [Ps.-Rufinum]: Magna est firmitas apud deum, propriam infirmitatem agnoscere. 635 Sed Hercules, id est diabolus,

Im Literalsinn fand ich dies über einen libyschen König: In seiner Heimat war er oft von Hercules besiegt worden und zog dennoch, nachdem er sein Heer erneut gesammelt hatte, wiederum stärker gegen Hercules. Wie Hercules dies sah, rief er ihn in die Luft, d. h. auf fremdes Terrain außerhalb seines eigenen Landes, und überwandt ihn so vollständig, da ihm die Sammlung neuer Streitkräfte abgeschnitten war. Moralisch aber sage ich, dass ich unter Antaeus den Menschen verstehe, der der Sohn der Erde genannt wird, sofern er nach seiner Natur von Erde gemacht und von der Erde geboren und ernährt worden ist, Eccli. 40,11: ›Aus Erde ist alles gemacht worden‹ etc. Unter Hercules, der diesen bekämpft, verstehe ich den Teufel, der den Menschen versucht und ihn überwinden und besiegen möchte. Wenn es geschieht, dass er ihn durch Versuchung besiegt, bleibt nur noch übrig, dass er seine Mutter, d. h. die Erde, durch Betrachtung berührt, das meint sozusagen, dass er seine irdische Hinfälligkeit und Nichtigkeit wahrnehmen kann, weil der sich leicht aus der Sünde erhebt, der durch Betrachtung seiner Hinfälligkeit die Erde berührt, 2. Cor. 12,10: ›Wenn ich schwach bin, dann bin ich stärker,‹ und Petrus 1: ›Wenn ich meine Schwäche erkenne, gerate ich in Betrachtung‹, 634 da nach [Ps.-]Bernhard ›es bei Gott eine große Stärke ist, die eigene Schwäche zu erkennen.‹ 635 Hercules aber, d.h. der Teufel,

6 fuerat Pa8V4BTrEp; fuit GLo1. 8 in aerem Ep; in aere] GLo1Pa8V4BTr. 13 – 14 inquantum Lo2Pa8 V4BTrEp; inquantum cum G; om. hominem . . . nutritus LLo1. 15 Eccli. 40 Eccli. 3 G. 17 – 19 diabolum . . . cupientem Lo1Lo2Pa8V2BTrEp; diabolum qui hominem impugnat G. 17 – 18 hominem GLo2Ep; om. Lo1Pa8V2BTr. 19 eum Lo1Lo2V4BEp; cum G; ipsum Tr. 22 hoc est dictu LLo1V2Tr; hoc dictu G; hoc est dictum V4; id est B; hoc est Ep; om. Pa8. 22 terream GLV2; terrenam Pa8V4BTrEp. 26 Cor. 12 Cor. 13 G.

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hoc videns solet hominem sursum in aera, id est ad aliqua alta beneficia et officia, elevare et ipsum per superbiam erigere. Et sic solet sibi tactum terre, id est humilitatem vel proprie fragilitatis memoriam, tollere et per vitia faciliter occidere, Iob 30: Elevasti me et quasi super ventum me ponens elisisti me valde, quia spiritualis fortitudo perditur, cum quis a terra ista per superbiam elevatur, Ps.: Deiecisti eos, dum allevarentur. Vel dic, quod Anteus dicitur ab ›anti‹, quod est ›contra‹, et ›theus‹, quod est ›animus‹, 636 quia scilicet est naturaliter contra virtutes animi. Quem Hercules, id est homo sapiens, superat, quando ipsum per contemplationem elevat et a terra, id est a carne, separat et elongat. Vel dic, quod religiosus a prelato numquam perfecte corrigitur aut vincitur, nisi ante omnia a terra, id est ab amore terrestrium et carnalium, separetur et sursum ad amorem celestium elevetur. Immo, quotiens terram, id est terrena administrando, tangit, semper in malo fortior invenitur. 637

sieht dies und pflegt den Menschen hoch in die Luft zu heben, d.h. zu bestimmten hohen Pfründen und Ämtern, und ihn durch Hochmut aufzurichten. Und so pflegt er ihm die Berührung mit der Erde, d.h. die Demut oder die Erinnerung an die eigene Hinfälligkeit, zu nehmen und ihn durch Laster leichter zu töten, Iob 30,22: ›Du hast mich aufgehoben und mich heftig zerschmettert, indem du mich gleichsam über den Wind gesetzt hast.‹ Denn die geistige Stärke geht verloren, wenn einer durch Hochmut von der Erde emporgehoben wird, Ps. 72,18: ›Du hast sie zu Boden geworfen, indem sie in die Höhe gehoben wurden.‹ Oder sag, dass Antaeus von ›anti‹, d. h. ›gegen‹, und ›theus‹, d.h. ›Geist‹, abgeleitet wird, 636 weil er nämlich von Natur aus gegen die Tugenden des Geistes ist. Diesen überwindet Hercules, d.h. der weise Mensch, wenn er ihn durch Betrachtung emporhebt und von der Erde, d.h. vom Fleisch, trennt und entfernt. Oder sag, dass ein Ordensmann von einem Prälaten niemals richtig zurechtgewiesen oder besiegt wird, wenn er nicht vor allem von der Erde, d.h. von der Liebe zu irdischen und körperlichen Dingen, getrennt und empor zur Liebe zu den himmlischen Dingen erhoben wird. Vielmehr wird er sich, sooft er die Erde berührt, d.h. durch Ausübung irdischer Dinge, stets stärker im Bereich des Bösen befinden. 637

24 invenitur add. Notandum autem, quod istam fabulam applicat beatus Augustinus in quodam suo sermone de Christo, qui terram tangendo fortior surrexit, id est moriendo. Et est in sermone ferie secunde pasce, qui sic incipit: Non minus huc letare. Ubi istam fabulam tamquam veritatem Atlante, qui secundam licteras seculares quotiens terram tetigit, fortius resurgebat etc. Tr. Cf. Anm. 637. 1 aera arera G, sed corr. 12 – 13 et theus . . . animus G; est animus LLo1Lo2B; et eo, id est animus Pa8; et animus V2Tr; et eus animus V4; et heos, quod est virtus Ep. 13 – 14 contra virtutes V2V4Ep; contra virtutes animi G; contrarius virtuti LLo1; virtuti contrarius B; contra virtutem Tr. 16 a terra Lo1Pa8V4TrEp; atra G.

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Fabula duodecima 638

Zwölfte Erzählung 638

Cacus Vulcani filius fraudulenter circa litus Tiberinum habitans in quodam antro latebat. Iste furatus est boves Herculis et Euandri. Sed ne perciperetur, fecit ipsos retroversis vestigiis in antrum ambulare et fumum, ne videri possent, maximum ibi fecit. Et sic plures homines illudebat et boves subreptos celabat. Hunc Hercules de antro suo finaliter extraxit et extractum interfecit.

Cacus, der Sohn Vulcans, wohnte am Ufer des Tiber und verbarg sich hinterlistig in einer Höhle. Er raubte die Rinder des Hercules und des Euander. Um aber nicht ertappt zu werden, ließ er sie mit rückwärtsweisenden Spuren in die Höhle laufen und entfachte dort sehr dichten Rauch, damit sie nicht gesehen werden konnten. Und so täuschte er viele Menschen und verbarg die gestohlenen Rinder. Am Ende holte Hercules ihn aus seiner Höhle hervor und tötete ihn.

Moraliter

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Talis latro videtur esse diabolus, qui postquam Herculi, id est Christo vel prelato, furatus fuerit boves, id est fideles ecclesie subripuerit per peccatum, solet eos facere incedere vestigiis retroversis, quia tales sic furati et diaboli dominio subiugati nesciunt in via morum recte incedere, immo solent per obcecationem et per intentionem perversam passu retrogrado procedere. Sic iam sunt multi ita fraudulenti, quod, quamvis ad unam partem vadant, qui tamen videt et considerat eorum vestigia, id est opera et facta eorum perversa, credit eos ad contrariam partem ire, ita quod de talibus nescitur, quo debeant incedere, sicut patet de proditoribus, hereticis et falsis advocatis. Istos igitur Cacus, id est diabolus, in antro cautelarum celat, fumo superbie et hypocrisis eos obnubilat et obfuscat. Et sic necesse

Moralisierung Ein solcher Dieb scheint der Teufel zu sein, der, nachdem er Hercules, d.h. Christus oder einem Prälaten, die Rinder gestohlen, d.h. Gläubige der Kirche durch Sünde entrissen hatte, sie gewöhnlich mit rückwärtsweisenden Spuren einherschreiten lässt, weil solche, die so geraubt und in der Herrschaft des Teufels unterjocht sind, nicht auf dem Weg guten Lebens richtig einherzugehen wissen. Vielmehr pflegen sie durch Verblendung und eine verkehrte Absicht mit rückwärtsweisenden Schritt voranzugehen. So sind viele schon so hinterlistig, dass derjenige, der ihre Spuren, d. h. ihre verkehrten Werke und Taten, sieht und betrachtet, glaubt, dass sie, obgleich sie zu einer Seite gehen, in die entgegengesetzte Richtung gingen; folglich weiß man von solchen nicht, wohin sie gehen müssten, so wie dies bei Verrätern, Häretikern und trügerischen Anwälten deutlich ist. Diese verbirgt also Cacus, d.h. der Teufel, in der Höhle der Absicherungen, umnebelt und verdunkelt sie mit dem Rauch des Hochmuts und der Heuchelei. Und so ist

2 Cacus Lo1BEp; Catus G; Caccus Tr. 2 fraudulenter GLo1Pa8V4BTr; fraudulentus Ep. 3 Tiberinum B; Tibernium G; Tyberinum Ep; Tiburtum Lo1; Bertrinum Tr. 6 in antrum Lo1Pa8V4BEp; in antro Tr; om. G. 14 fideles Lo1Pa8V4BTrEp; filios G. 17 subiugati Lo1Pa8V4BTrEp; subicti G. 22 – 23 videt et considerat V2V4BEp; vident et considerant GLLo1Lo2; vident considerant Tr; considerat, id est videt Pa8.

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est, quod Hercules, id est bonus prelatus, eos extrahat, Ps.: In convertendo inimicum meum retrorsum ipsi infirmati sunt. 639

es notwendig, dass Hercules, d.h. ein guter Prälat, sie herauszieht, Ps. 9,4: ›Als sie meinen Feind zurückdrängten, wurden sie selbst geschwächt.‹ 639

Fabula decima tertia 640 5

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Cum Alcmene Herculem a Iove conceptum pareret, indignata Iuno partum voluit impedire, ita quod, cum iam septem diebus laborasset in partu, Galanthis ministra vidit Iunonem in ara stantem et genua comprimentem brachiis et sic Alcmene partum impedientem. 641 Galanthis ergo incepit dicere sibi, quod letaretur, quecumque esset, quia domina sua peperisset. Quo audito illa iunctas manus remisit et laxavit pavefacta et statim Alcmene Herculem parturivit. Igitur Galanthis videns, quod Iunonem deceperat, risit. Sed Iuno ipsam per capillos trahens in mustelam mutavit. Et quia ore mentiendo parientem iuverat, 642 ipsam, ut ore pareret, condemnavit. Et hec est causa secundum fabulas, quia mustela, sicut dicitur, ore parit. 643 Moraliter

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Dic exemplariter, quod caute quandoque fit ad illudendum illos, qui aliquod factum impediunt, illud negotium supponere iam esse

Dreizehnte Erzählung 640 Als Alcmene Hercules, den sie von Jupiter empfangen hatte, gebar, wollte die erzürnte Juno die Geburt verhindern, so dass, als Alcmene sich schon sieben Tage mit der Geburt abgemüht hatte, ihre Dienerin Galanthis Juno sah, die bei den Altären stand, die Knie mit den Armen zusammenpresste und so die Niederkunft Alcmenes verhinderte. 641 Also begann Galanthis ihr davon zu erzählen, dass sie, wer auch immer sie sei, sich freuen möge, weil ihre Herrin niedergekommen sei. Als Juno dies hörte, ließ sie vor Schreck die verschränkten Hände los und lockerte sie, und sogleich gebar Alcmene Hercules. Als Galanthis nun sah, dass sie Juno getäuscht hatte, lachte sie. Aber Juno packte sie an den Haaren und verwandelte sie in ein Wiesel. Und ›weil sie mit dem Mund durch ihre Lüge der Gebärenden geholfen hatte‹, 642 verurteilte Juno sie dazu, dass sie selbst durch den Mund gebären solle. Und dies ist nach den Mythen die Begründung dafür, warum das Wiesel, wie man sagt, durch den Mund gebiert. 643 Moralisierung Sag im Beispiel, dass es manchmal klug ist, um jene zu täuschen, die ein Geschehen verhindern wollen, ihnen vorzumachen, dass jenes Geschäft bereits abgeschlossen

5 Alcmene Ep; Almene GB; Almane V2; Alchmene V4; Alcumena Tr. 5 a Iove Lo1V2V4BTrEp; ex Iove Pa8; om. G. 7 cum Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 8 Galanthis Galantis GEp et al. 9 in ara stantem coni.; in antris stantem GLo1V2V4BTr; in antro stantem Pa8; ante fores domus in ara stantes Ep, om. in antris . . . partus Lo2. 10 brachiis Lo1Pa8V4TrEp; cum brachiis V2B; om. G. 10 partum Lo1Pa8V4BTrEp; partus G. 13 – 15 quia . . . pavefacta Ep; et statim attonita genua divisit Pa8; et statim attonita genua dimisit V4; om. GLLo2V2BTr. 15 statim Pa8V4TrEp; quod statim GLo2V2B. 16 Galanthis videns GPa8V4Ep; Galantis ergo hoc videns dixit, quod in vanum Iuno laboraret, quia Alcmene Herculem parturivit et tunc illa cessabat. Galantis autem videns LLo1. 19 parientem iuverat GV4BTr; parientem iuvasset Pa8; parturientem iuverat V2; parturientem nuntiaverat Ep. 24 – 373,12 Dic . . . consequetur codd. et Ep cum min. var. lect.; om. G.

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completum, ut hoc audientes, dum illud se posse impedire non credunt, cessando nocere illud impleri permittant. Sic faciunt periti advocati, qui ad fovendum partem suam multa fingunt contra partem adversam, que sequitur iustitiam et defendit. Propter quod advocatus bonus dicitur in mustelam mutari, inquantum contra basiliscum, id est contra malos homines, iuste advocando preliatur et inquantum ore videtur parere, dum per verba oris sui fructus iustitie consequetur. Dic, quod Iuno est diabolus, qui partum boni operis impedit. Sed Galanthis, id est bonus religiosus ore, scilicet per orationem, adiuvat et ore, per predicationem, parit. Est enim duplex officium oris hominis religiosi, scilicet oratio ad diabolum fugandum et predicatio ad alios pariendum et convertendum, Is. 66: Ego, qui alios parere facio, numquid non parturiam? dicit dominus. Fabula decima quarta 644

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Vulcanus faber Iovis fabricavit unum monile, quod erat infauste nature, quod dedit privigne sue, filie Martis et Veneris. 645 Cuius monilis erat tale fatum, quod, quicumque ipsum portaret, necessarie interiret, erat enim plurimis venenis infectum et ideo se portantibus fatalem dabat inter-

ist, damit sie, wenn sie das hören und nicht mehr glauben, es noch verhindern zu können, aufhören zu schaden und es geschehen lassen. So machen es die schlauen Advokaten, die zum Vorteil ihrer Partei vieles gegen die Gegenpartei erfinden, die der Gerechtigkeit folgt und sie verteidigt. Deshalb heißt es, dass der gute Advokat in ein Wiesel verwandelt wird, sofern er gegen den Basilisken, d.h. gegen schlechte Menschen, mit gerechter Verteidigung kämpft und durch den Mund gebiert, indem die Frucht der Gerechtigkeit durch die Worte seines Mundes nachfolgt. Sag, dass Juno der Teufel ist, der die Geburt eines guten Werks verhindert. Aber Galanthis, d.h. ein guter Geistlicher, hilft durch seinen Mund, nämlich durch das Gebet, und gebiert aus dem Mund durch die Predigt. Der Mund eines Geistlichen hat nämlich eine zweifache Aufgabe, und zwar das Gebet, um den Teufel zu vertreiben, und die Predigt, um andere zu gebären und zu bekehren, Is. 66,9: ›Doch ich, der ich andere gebären lasse, soll etwa nicht gebären? spricht der Herr.‹ Vierzehnte Erzählung 644 Vulcan, der Schmied Jupiters, stellte ein Halsband her, das unheilbringender Natur war. Dies gab er seiner Stieftochter, der Tochter des Mars und der Venus. 645 Die schicksalhafte Bestimmung dieses Halsbands war so, dass jeder, der es trug, sterben musste; es war nämlich mit vielen Giften getränkt und brachte deshalb seinen Trägern einen schicksalhaften Tod. Als nun

22 Fabula decima quarta IX,16 Ep. 13 qui Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 15 scilicet LLo1V4BTrEp; id est Pa8; om. G. 16 ore GLLo1Lo2V4B; ore, scilicet Tr; ore, id est Ep; om. Pa8. 16 per om. G, sed add. in marg.; id est per Ep. 21 numquid . . . parturiam LLo1; numquid parturiam G; numquid non pariam TrEp/Vulg.; numquit non parturiar V2; ipse non pariam B; om. Pa8V4. 21 dominus add. Et Apostolus apud Gal. 4: Filioli mei, quos iterum parturio Ep. 25 privigne GLo1Pa8V4BTr; Hermione privigne Ep. 25 filie GLLo1Lo2V4Tr; scilicet filie Pa8BEp.

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itum. Hoc ergo cum Amphiaraus deceptus ab uxore portaret ad bellum sperans, quod virtute monilis deberet obtinere victoriam, in via a terra absorptus est. Quod videns filius eius Alcmeon ipsam in vindictam patris occidit. 646 Avunculus autem eius ipsum in vindictam sororis, quam occiderat, interfecit. Et sic multas mortes et discordias monile Vulcani generavit. Moraliter Re vera tale monile videtur esse mundi prosperitas, quam Vulcanus, id est diabolus, privigne sue, id est anime peccatrici, fabricat fraudulenter, ut eam destruat et occidat. Huius enim est fatum mirabile et miserabile, quia communiter cuicumque illud monile conceditur, id est quicumque prosperitate mundi subarratur, necesse est, quod finaliter per infortunia patiatur. Venenis enim malarum concupiscentiarum est infecta et ideo persona, que portat eam, necesse est, quod a terra, id est a terrenis bonis, per avaritiam sit absorpta aut per superbiam et invidiam interfecta. Tales etiam infernus devorat. Et sic cuncta incommoda illud monile suis possessoribus parat, Num. 13: Terra, quam vidimus, devorat possessores suos.

Amphiaraus, getäuscht von seiner Gattin, dieses mit in den Krieg nahm, weil er hoffte, durch die Kraft des Halsbands den Sieg erringen zu können, wurde er auf dem Weg von der Erde verschlungen. Als sein Sohn Alcmaeon dies sah, tötete er sie [seine Mutter], um den Vater zu rächen. 646 Sein Onkel aber brachte ihn um, um seine Schwester, die jener getötet hatte, zu rächen. Und so verursachte das Halsband des Vulcan viele Todesfälle und Zerwürfnisse. Moralisierung In der Tat scheint ein solches Halsband der weltliche Erfolg zu sein, welchen Vulcan, d. h. der Teufel, hinterlistig für seine Stieftochter, d.h. für die sündige Seele, erschafft, um sie zu zerstören und zu töten. Seine Bestimmung ist nämlich wundersam und elend, da im allgemeinen jeder, dem jenes Halsband zugestanden wird, d.h. jeder, der durch weltlichen Erfolg verpflichtet wird, notwendig am Ende durch Unglück leiden muss. Er ist nämlich mit dem Gift schlechter Begierden getränkt, und deshalb muss die Person, die es trägt, von der Erde, d.h. von irdischen Gütern, durch Habgier verschlungen oder durch Hochmut und Neid getötet werden. Solche verschlingt auch die Hölle. Und so bereitet jenes Halsband seinen Besitzern alle Arten von Unglück, Num. 13,33: ›Die Erde, die wir gesehen haben, verschlingt ihre Besitzer.‹

1 Hoc Pa8V4Ep; hunc GLLo1Lo2V2B; om. Tr. 1 Amphiaraus Ep; Anpheus G; Amphius Lo1V2V4B; Araphus Tr. 4 in via . . . est LLo1Pa8V4TrEp; in viam acconca absortus est G; cum esset in via, a terra fuit (est V2) absortus Lo2V2B. 5 Alcmeon Ep; Almeon GLo1V2V4B; Alcumene Tr. 5 ipsam Ep; sororem matris GLo2 Pa8V2V4BTr; sororem Martis LLo1. 6 avunculus cet.; Phegeus avunculus Ep. 6 eius Lo1Pa8V4BTrEp; eius erat Iupiter et G; eius erat Iupiter Lo2. 11 – 12 prosperitas propsperitas G, sed corr. 22 a terra, id est LLo1 Pa8V4BTrEp; om. GLo2. 23 et Lo1Lo2V4BTrEp; autem G; om. per superbiam et Pa8. 27 quam vidimus Lo1 Lo2V2V4BTrEp; Terra, que videmus G; quam videmus Pa8; (terram) quam lustravimus Vulg. 27 suos add. Unde dicit Satyricus: ›Sed plures nimia congesta pecunia cura / strangulat‹. Et paulo post: ›Prima fere vota et cunctis notissima templis / divitiae, crescant, . . . / . . . sed nulla aconita bibuntur fictilibus.‹ Ep (Iuvenal., Sat. 10,12 f. et 23–26).

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Fabula decima quinta 647

Fünfzehnte Erzählung 647

Dryope, consanguinea Ioles, uxoris Herculis, dum flores de aquatico loco colligeret, ut filium, quem portabat in brachiis, floribus oblectaret, vidit subito de ruptura floris sanguinem distillare. Quedam enim nympha, que dudum Priapi libidinem fugerat, fuerat in loco illo mutata in florem. Ista igitur in illam arborem mutatur et subito pedibus in radicem conversis, brachiis in ramos transmutatis, cortice ipsius obducitur, et sic tota in arborem figuratur. Et sic dicto vale patri Euryto, sorori Iole, Andremoni coniugi et lactanti filio Amphisso et in arboris effigie commutatur. Cumque preter humanam faciem omnia transissent in arborem, istam parentes dulciter osculabantur. Mater igitur adhuc loquens puerum iubet nutriri et, quod sub sua arbore lactaretur et biberet quodque adhuc matrem salutet in arbore quodque a colligendis floribus et frequentandis caveat, precepit erudiri. Versus:

Während Dryope, eine Verwandte von Iole, der Gattin des Hercules, Blumen an einem sumpfigen Ort pflückte, um ihren Sohn, den sie auf ihren Armen trug, mit Blumen zu erfreuen, sah sie plötzlich Blut aus der abgebrochenen Blüte tropfen. Denn eine Nymphe, die früher vor dem Begehren des Priapus geflohen war, war an jenem Ort in eine Blume [den Lotus] verwandelt worden. Sie [Dryope] wird nun in den gleichen Baum verwandelt, und ihre Füße werden plötzlich in die Wurzel umgewandelt, die Arme werden zu Zweigen, und sie wird von seiner Rinde überzogen. Und so wird sie nach dem Abschied vom Vater Eurytus, der Schwester Iole, ihrem Gatten Andremon und ihrem Sohn Amphissos, der noch Säugling ist, ganz in die Gestalt eines Baumes verwandelt. Als alles außer ihrem menschlichen Angesicht in einen Baum übergegangen war, küssten ihre Eltern sie sanft. Die Mutter [Dryope], die immer noch sprechen konnte, trug ihnen auf, den Jungen aufzuziehen, und sie schrieb vor, dass er unter ihrem Baum gestillt werde und trinke und dass er so zu erziehen sei, dass er weiterhin die Mutter im Baum grüße und dass er sich davor hüte, Blumen zu pflücken und aufzusuchen.

1 Fabula decima quinta IX,14 Ep. 2 Dryope Ep; Driope GLo1; Dricepe B; Deiope Tr. 3 aquatico loco GLo1Pa8V4BTr; aquatica lotho arbore Ep. 6 floris flo G, sed add. -ris in marg. 7 nympha GLo1Pa8V4BTr; nympha Lothos nomine Ep. 7 Priapi Lo1BTrEp; Priarpi G, sed exp. -r-. 7 – 8 libidinem fugerat G; fugiens obscoena Ep. 8 florem G; arborem Ep, add. servato nomine prisco. Hoc viso dicta Driope perterrita. 11 in ramos Lo1Pa8V4BTrEp; in ramis G. 11 – 12 cortice . . . obducitur GLo2V2V4BTr; cortice ipsius corpus obducitur LLo1; et in corticem pelle mutatis frondes caput omne tegebat Ep. 12 – 14 Et sic . . . Amphisso LLo1Lo2Pa8V2V4BEp cum min. var. lect.; om. GTr. 15 arboris effigie GLo1Lo2Pa8V4; arboris effigiem BEp; lotonis arboris effigie V2; om. et in arboris . . . stipite mater Tr. 20 biberet GLo1Lo2V2; bibet L; viveret V4; bibat B; luderet Ep; om. Tr. 20 adhuc GLo1Pa8V2V4B; om. EpTr. 21 – 22 a . . . frequentandis caveat Lo1Pa8V2B (stagnis cavet B); ad colligendum flores et frequentandum caveat G; a colligendis floribus et frequentandum caveat V4; in colligendis floribus et frequentandis locis acquaticis caveret Ep; om. Tr. 23 Versus add. G in marg.; versus Ovidii V4; unde Ovidius Ep.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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Lac facitote bibat nostraque sub arbore ludat. Cumque loqui poterit, matrem facitote salutet. Et tristis dicat: latet hoc in stipite mater. 648

›Lasst ihn seine Milch trinken und unter meinem Baume spielen. Und wenn er dann sprechen kann, lasst ihn seine Mutter begrüßen und traurig sagen: ›In diesem Stamm ist die Mutter verborgen.‹‹ 648

Moraliter

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Istud potest exponi exemplariter, quod iste nymphe vel persone, que personas alias dudum in arbores mutatas, id est pauperes et miseros effectos, frangunt et ledunt vel temporalem substantiam tollunt, iusto dei iudicio ipsi sub simili sorte arboris figuram induunt et pauperes tandem fiunt, inquantum faciem humanam, id est substantiam et mundi prosperitatem, post hec perdunt sicut videtur convenire, Mt. 7: Eadem mensura, qua mensi fueritis, metietur vobis etc. Vel dic illud contra personas iuvenculas, que, dum flores volunt colligere et se mundi divitiis et deliciis delectare et stagna aquarum, id est deliciarum, frequentare, solent quandoque faciem humanam, id est rationem et gratiam, perdere et corticem male conversationis induere et in arbores, id est in malas et insensibiles personas, per vitia se mutare.

Moralisierung Dies kann beispielhaft so ausgelegt werden, dass diese Nymphen oder Personen, die andere Personen, die lange in Bäume verwandelt waren, d. h. Arme und Elende, zerbrechen und verletzen oder ihnen das irdische Hab und Gut wegnehmen, durch das gerechte Urteil Gottes selbst unter einem ähnlichen Schicksal die Gestalt eines Baumes annehmen und schließlich arm werden, sofern sie danach ihr menschliches Gesicht, d. h. ihr Hab und Gut und den weltlichen Erfolg, verlieren, wie hierauf zu passen scheint Mt. 7,2: ›Mit demselben Maß, mit dem ihr gemessen habt, wird euch zugemessen werden‹ usf. Oder sag jenes gegen junge Mädchen, die, während sie Blumen pflücken und den Reichtum und die Freuden der Welt genießen und Wassertümpel, d.h. solche Freuden, aufsuchen wollen, manchmal ihr menschliches Gesicht, d.h. den Verstand und die Gnade, zu verlieren und die Rinde einer schlechten Lebensweise anzulegen und sich durch Laster in Bäume, d.h. in schlechte und gefühllose Menschen, zu verwandeln pflegen.

26 mutare add. Marci viiio Video homines velud arbores Pa8V2V4; add. Sicut ad litteram videmus de multis religiosis personis, que dum stagnum deliciarum frequentant et flore mundane prosperitatis affectunt, subito fit, quod pedes suarum affectionum radices efficiuntur, inquantum terre 5 latet LLo1Lo2Pa8V2V4Ep; lactet G; om. BTr. 5 hoc in stipite Ep sec. Ov. Met. IX,379; hac sub arbore GLLo1 Lo2Pa8V2V4B; om. Tr. 8 personas alias Lo1; alias Ep; alios B; om. GLo2Pa8V2V4Tr. 9 mutatas, id est LLo1 Lo2V2TrEp; mutant, id est qui G; mutatas et V4; mutatos B. 10 ledunt GPa8; ledunt et extrahunt Lo2V2V4 Tr; ledunt et sanguinem extrahunt Lo1BEp. 16 sicut . . . convenire G; sicut communiter videtur Lo2V2V4Ep; sicut enim communiter videtur illi, qui pauperes et depressos, qui alias prosperitate ceciderant, solent ledere plerumque consueverunt ad similem causam venire B; sed convenienter videtur Tr; om. sicut . . . convenire LLo1Pa8 20 delectare LLo1Pa8V4BEp; delectari GLo2Tr. 20 – 21 aquarum, id est Pa8V4Ep; om. GLLo1Lo2 V2BTr. 21 – 22 solent quandoque Lo1Pa8V4BTrEp; solentque G. 24 arbores Lo1V4BTrEp; arboris G.

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LIBER IX

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Fabula decima sexta 649

Sechzehnte Erzählung 649

Cum Iole, uxor Herculis, post deificationem eius nupsisset Iolao iam seni, Hercules deificatus et Hebe, unice Iunonis filie, in celo matrimonialiter sociatus rogavit Heben, uxorem suam, que scilicet de senibus iuvenes facit, quod Iolaum, maritum uxoris, iuvenescere faceret, ut sic matrem et filium et uxorem melius defenderet et iuvaret. Quod et factum est.

Als Iole, die Gattin des Hercules, nach seiner Vergöttlichung den schon alten Iolaus [den Sohn des Hercules] geheiratet hatte, bat der vergöttlichte und mit Hebe, der einzigen Tochter Junos, im Himmel ehelich verbundene Hercules, Hebe, seine Gattin, die nämlich aus alten Menschen junge macht, dass sie Iolaus, den Mann seiner Gattin, jung mache, so dass er Mutter und Sohn und Gattin besser verteidige und ihnen helfe. Dies geschah auch.

Moraliter

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Hercules deificatus significat viros sanctos iam in celo beatificatos et iam Hebe, id est beate virgini, presentialiter copulatos. Supponendum ergo est, quod isti sursum deum et beatam virginem pro amicis suis, quos in mundo reliquerunt, deprecantur, ut ad iuventutem virtutum relicto culpe senio reducantur. Specialiter autem presumendum est eis esse curam de successoribus suis et de maritis uxorum suarum, id est prelatis ecclesiarum, quos in mundo tenuerant, dum vivebant, et de filiis, id est subditis derelictis. Iuventutem ergo, id est virtutem et morum honestatem, suis bonis successori-

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et bonis terrenis per avaritiam colligantur. Ipsi etiam vestiuntur cortice male conversationis et in eis solum apparet facies hypocrite fictionis et lingua ficte locutionis, que finaliter perduntur per totalem occupationem iniquitatis et corruptionis. Et sic ex toto arbores fiunt per indevotionem et obstinationem, Marc. *** Video homines velut arbores. B. Cf. Marc. 8,24. 1 Fabula decima sexta IX,15 Ep.

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Moralisierung Der vergöttlichte Hercules bedeutet heilige Männer, die schon als Selige in den Himmel gehoben und mit Hebe, d.h. mit der seligen Jungfrau, schon von Angesicht zu Angesicht verbunden sind. Anzunehmen ist also, dass diese im Himmel Gott und die selige Jungfrau für ihre Freunde, die sie in der Welt zurückgelassen haben, bitten, dass sie nach Verlassen der alten Schuld zur Jugend der Tugenden zurückkehren. Insbesondere aber müssen sie sich der Sorge um ihre Nachfolger und die Ehemänner ihrer Gattinnen annehmen, d.h. um die Prälaten der Gemeinden, die sie selbst zu Lebzeiten in der Welt geleitet hatten, und um die Söhne, d.h. die von ihnen zurückgelassenen Untergebenen. Sie erwirken also Jugend, d.h. Tugend und sittlich guten Lebenswandel, für ihre guten Nachfolger, damit diese an-

2 Iole Ep; Yole Pa8; Hyoles G; Yoles Lo1V2V4BTr; Eoles Lo2. 3 Iolao TrEp; Yolao Herculis GLLo1V2B; om. Lo2; Yolao (Yalo V4) filio Herculis et ipse iam efficitur (efficeretur Pa8) vetulus, rogavit Hercules . . . Pa8V4. 5 Heben Ep; Hebe GLLo1V2V4B; Hebem Pa8Tr. 17 reliquerunt BEp; relinquerat GLo2; relinquerunt Tr; reliquerant LLo1Pa8V2V4. 18 virtutum GB; id est ad virtutem Lo2Pa8V4Ep; id est virtutem LLo1V2Tr. 24 – 25 virtutem et morum GLLo1B; virtutem eternorum Lo2; morum virtutem et V4Ep; ad virtutem morum Tr; om. Pa8.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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bus impetrant, ut alios melius protegant et defendant, Ps.: Renovabitur ut aquile iuventus tua.

dere besser beschützen und verteidigen, Ps. 102,5: ›Deine Jugend wird wie die des Adlers erneuert werden.‹

Fabula decima septima 650

Siebzehnte Erzählung 650

Tithonus, maritus Aurore, filie Pallantis, pre nimia senectute in cicadam 651 est mutatus.

Tithonus, der Gatte Auroras, der Tochter des Pallas, wurde wegen seines allzu hohen Alters in eine Zikade 651 verwandelt.

Moraliter

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Istud dic contra senes garrulos, quia hodie videmus, quod illi, qui in diutina senectute vivunt, efficiuntur cicade, id est garrulosi, pre ceteris. Unde videtur talibus, quod omnia verba debeant esse sua et quod nulli preter eos deberent loqui, Eccli. 32: Loquere, tu maior natu. Fabula decima octava 652 Iupiter tres filios habuit, scilicet Eacum, Rhadamanthum et Minoem. Qui quia in hoc mundo fuerunt iudices iustissimi, constituit eos iudices Iupiter in inferno, ut scilicet ibi de animarum meritis iudicarent et unicuique premia vel penas assignarent. Moraliter

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Si vis allega, quod quandoque virtutes sue etiam homini sunt damnose, quia scilicet illi, qui meliores et iustiores inveniuntur, in inferis ad iudicandum ponuntur, id est laboriosis operibus pre ceteris deputantur, Eccl. septimo: Noli esse multum iustus.

Moralisierung Sage dies gegen geschwätzige Alte, da wir heute sehen, dass jene, die ein hohes Alter erreicht haben, mehr als andere zu Zikaden, d.h. geschwätzig, werden. Daher erscheint es solchen richtig, dass alles, was gesagt wird, von ihnen sein müsse und dass niemand außer ihnen sprechen dürfe, Eccli. 32,4: ›Sprich, der du von Geburt älter bist.‹ Achtzehnte Erzählung 652 Jupiter hatte drei Söhne, nämlich Aeacus, Rhadamanthus und Minos. Da diese in dieser Welt sehr gerechte Richter waren, setzte Jupiter sie zu Richtern in der Unterwelt ein, damit sie dort über die Verdienste der Seelen urteilten und einem jeden Lohn oder Strafen zuwiesen. Moralisierung Wenn Du willst, wende es darauf an, dass bisweilen dem Menschen seine Tugenden auch schaden können, weil nämlich jene, die für besser und gerechter befunden werden, in die Unterwelt zum Urteilen abgestellt, d.h. vor den übrigen für mühsamere Arbeiten bestimmt werden, Eccl. 7,17: ›Sei nicht zu gerecht.‹

2 aquile Lo1Pa8V4BEp; aquila GTr. 5 Tithonus V4; Tircius vel Ticonus G; Titonus Lo1; Citonus V2; Tyconus B; Tytonus TrEp. 14 natu add. Et ideo dicitur alibi: O sola fortes garrulitate senes Ep. 16 Eacum Ep; Eacon G; Cacum V2B; Yacum Lo1V4Tr. 17 Rhadamanthum Radamantum Ep; Rodomanthon G; Yatamentem Lo1; Redamantem B; Rodomantem Tr. 19 – 20 ut . . . et Lo1Pa8V4BTrEp cum min. var. lect.; om. scilicet . . . et G.

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LIBER IX

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Vel dic, quod illi, qui ita iusti sunt, quod sine pietate iudicant, digni sunt, ut in inferno iudices fiant.

Oder sag, dass jene, die so gerecht sind, dass sie ohne Nachsicht richten, würdig sind, in der Unterwelt Richter zu werden.

Decima nona Fabula 653

Neunzehnte Erzählung 653

Byblis filia Mileti superbi Caunum fratrem suum, cum enormi et malo amore dilexit, quod, cum ipse consentire nolet sceleri, ipsa lacrimando in fontem sui nominis mutata fuit.

Byblis, die Tochter des hochmütigen Miletus, liebte Caunus, ihren Bruder, mit übermäßiger und unrechter Liebe, dass sie, weil er dem Verbrechen nicht zustimmen wollte, durch ihr Weinen in eine Quelle ihres Namens verwandelt wurde.

Moraliter Allega historice contra innaturalem amorem, quem quilibet debet refugere, etiam si videat malam consanguineam deperire pre lacrimis.

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Fabula vicesima 654 Ligdus rex uxorem habuit nomine Telethusam; que cum esset pregnans et prope partum, precepit ei rex, quod, si pareret filium, quod eum reservaret, si autem filiam, ipsam protinus enecaret. Cum autem tempus partus instaret et ipsa anxia esset, quid faceret, apparuit ei dea Isis cum maiestate et claro comitatu suorum et precepit, quod audacter servaret, quicquid de ea nasceretur. Peperit igitur filiam et filium se finxit peperisse et sic sub dissimulato habitu usque ad annos nubiles filiam pro filio educavit. Sed cum tempus instaret, quod rex de mari-

Moralisierung Wende dies im Literalsinn gegen die unnatürliche Liebe an, die ein jeder meiden muss, auch wenn er eine frevlerische Blutsverwandte vor Tränen zugrunde gehen sieht. Zwanzigste Erzählung 654 König Ligdus hatte eine Gattin namens Telethusa. Als diese schwanger war und kurz vor der Niederkunft stand, befahl ihr der König, dass sie, wenn sie einen Jungen gebäre, diesen behalten, wenn aber eine Tochter, sie diese sogleich töten solle. Als aber der Termin der Geburt bevorstand und sie in Sorge war, was sie tun solle, erschien ihr die Göttin Isis in ihrer Majestät und mit der glänzenden Begleitung ihres Gefolges und befahl ihr, mutig zu behüten, was auch immer sie gebäre. Sie gebar also eine Tochter und gab vor, einen Sohn geboren zu haben, und so erzog sie unter falscher Kleidung die Tochter als Sohn bis zum heiratsfähigen Alter. Als aber die Zeit gekommen war, dass der König die Verhei-

5 filia . . . superbi GLo1Lo2Pa8V4BTr; filia Mileti, filii Phoebi Ep. 5 Caunum Ep; Taurum G; Cannum Lo1V2 V4; Canum Tr. 8 in fontem dupl. in fontem G. 11 innaturalem LLo1Pa8V4Tr; naturalem GB; criminalem et incestuosum Ep. 16 – 17 Telethusam Theletusam GEp; Thelestusam Lo1; Thelecusam V2; Celecusam V4; Telesmam Tr. 22 maiestate Lo1Pa8V4BTrEp; magestate G. 23 claro . . . suorum LLo1V2; clara comitiva sororum G; claro comitatu suarum Pa8; claro comitato suorum V4; claro comitatu servorum Tr; claro comitatu sacrorum Ep. 26 dissimulato disimulatio G, sed exp. -i-.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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tando filio faceret mentionem, gemebunda mater hoc impediebat iugiter et iuventutem nimiam allegabat. Cum vero Iphis finaliter coniungeretur Ianthe, filie Dictei, et ambe filie ante diem nuptiarum simul per aliqua tempora nutrirentur, exarsit virgo in virginem et filia, que puer credebatur, aliam sic ardenter amabat, quod, quidquid faceret, nesciebat, cum se appetere illud, quod erat sibi naturaliter impossibile, apparebat. Die igitur nuptias precedente mater cum Iphi ante aras Isidis provolvitur, que sibi statim apparens ipsam benigne consolatur. Iphis vero que primo erat puella, mutatur in puerum et sic tute traditus est ad matrimonium, unde versus: Dona puer solvit, que femina voverat Iphis. 655 Moraliter

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Dic, quod talis rex, qui non vult habere filias, id est personas imperfectas, est Christus. Uxor autem eius est bonus prelatus sibi spiritualiter copulatus et in eodem regimine ecclesie secum quasi matrimonialiter coniugatus. Quia diabolus precipit servari feminas et non viros, id est malos et non bonos, exemplo pharaonis, Ex. 2, 656 Chri-

ratung des Sohnes zur Sprache brachte, verhinderte dies die klagende Mutter beständig und machte die allzu große Jugend geltend. Als aber Iphis schießlich mit Ianthe, der Tochter des Kreters [Telestes], verlobt wurde und beide Töchter vor dem Tag der Hochzeit für einige Zeit zusammen erzogen wurden, entbrannte die Jungfrau in Liebe zur Jungfrau, und die Tochter, die für einen Jungen gehalten wurde, liebte die andere so heftig, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte, da klar war, dass sie anstrebte, was ihr von Natur unmöglich war. Am Tag vor der Hochzeit wirft sich also die Mutter mit Iphis vor den Altar der Isis, die ihr sogleich erscheint und sie gütig tröstet. Iphis aber, die zuerst ein Mädchen war, wird in einen Jungen verwandelt und wird so sicher zur Eheschließung geführt. Daher der Vers: ›Als Knabe hat Iphis seine Weihegabe dargebracht, die er als Mädchen gelobt hatte.‹ 655 Moralisierung Sag, dass ein solcher König, der keine Töchter haben will, d. h. keine unvollkommenen Personen, Christus ist. Seine Gattin aber ist ein guter Prälat, der ihm geistlich zugehört und in der Leitung der Kirche mit ihm gleichsam ehelich verbunden ist. Weil der Teufel befiehlt, dass Frauen behalten werden und nicht Männer, d. h. Böse und nicht Gute, nach dem Beispiel des Pharao, Ex. 2,15 ff., 656 möchte Christus aber, dass

3 Iphis Ep; Ysis GV4; Iffis Lo1; Yffe Tr; add. sic enim vocabatur dicta filia Ep. 4 coniungeretur add. id est desponsaretur Ep. 4 Ianthe Ep; Lance GV4; Iante Lo1; Lante V2; Yante B; Lantis Tr. 4 Dictei GPa8V2V4B; Duttei L; Duccei Lo1; Eructei Lo2; Eristei Tr; Dictei Teleste Ep. Cf. Ov. Met.9,717: Dictaeo nata Teleste. 5 ante . . . nuptiarum Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 6 nutrirentur Lo1Pa8V4BTrEp; morarentur G. 7 credebatur add. scilicet Iphis Ep. 10 apparebat add. nec minus ipsam econtrario diligebat Ianthe Ep. 11 mater LLo1 V2BTrEp; om. G. 11 Iphi V2TrEp; Isi GLo2V4B; Iffis LLo1. 12 – 13 que . . . consolatur codd. (consolabatur G); et ut fierat opem deprecatur. Nec mora Ep. 13 apparens Lo1Pa8V4BTr; apperiens G. 15 tute GLo1 Pa8BTr; tutus V4; Ianthe Ep. 16 versus lac. G, sed add. in marg. 20 id est . . . imperfectas Lo1Lo2Pa8 V4BTrEp; om. G. 22 – 23 et in . . . regimine Pa8V4BTrEp; et in exordium regine G; et in . . . regine Lo1; et in regimne Ep. 23 matrimonialiter Lo1Pa8V4BTrEp; mater matrimonialiter G. 26 pharaonis Lo1V2V4TrEp; pharonis GLo2; om. B; om. quia . . . 2 Pa8.

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LIBER IX

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stus vero vult, quod femine, id est mali, interficiantur et de successione regni, id est ecclesie, penitus per matrem, id est per prelatum, tollantur, Num. 31: Cur feminas reservastis? masculi, id est boni, reserventur et ad regni hereditatem vivi preserventur, Reg. 18: Custodite mihi puerum Absalom. Quid igitur debet prelatus facere, si filiam et non filium parturiret terre? Debet in ara dee Isidis, id est beate virginis, per devotionem supplicare et orationum sacrificia facere et sic contingat, quod filiam in filium commutabit et nullatenus occidetur, sed ad hereditatem admittetur, Gal. quarto: Si filius, et heres per deum. Vel dic, quod ista mater est ecclesia, et expono per omnia sicut supra.

Frauen, d.h. die Bösen, getötet werden und von der Nachfolge im Reich, d.h. in der Kirche, durch die Mutter, d. h. durch den Prälaten, vollständig ausgeschlossen werden, Num. 31,15: ›Warum habt ihr die Frauen gerettet?‹, die Männer, d.h. die Guten, sollen gerettet und für das Erbe des Reiches lebendig erhalten werden, 2. Reg. 18,12: ›Beschützt mir den Knaben Absalom.‹ Was also muss der Prälat tun, wenn er dem Land eine Tochter und nicht einen Sohn gebäre? Er muss am Altar der Göttin Isis, d.h. der seligen Jungfrau, mit Hingabe flehen und Gebetsopfer darbringen, und so geschieht es, dass er die Tochter in einen Sohn verwandeln wird und sie keineswegs getötet, sondern zum Erbe zugelassen wird, Gal. 4,7: ›Wenn Sohn, dann auch Erbe durch Gott.‹ Oder sag, dass diese Mutter die Kirche ist, und ich lege es in allem wie oben aus.

16 – 17 Vel . . . supra deest Pa8B. 4 Num. 31 Num. 13 G. 6 regni G; beneficorum LLo1Lo2V2BTr; beneficiorum Pa8V4Ep. 6 vivi preserventur G; admittantur LLo1V2; admittuntur BTr; reserventur Lo2; perveniant Pa8V4Ep. 7 Reg. 18 Reg. 78 G. 8 – 9 filiam et non filium cet.; filium et non filiam G. 9 terre add. id est, qui in ecclesia sua habet personas imperfectas LLo1V2Tr; add. id est . . . imperfectas et inutiles B. 11 orationum oronum G. 17 sicut supra Lo2V2Ep; sicut ut snpra G; sicut presens LLo1; prosequere ut supra V4; sicut prius dictum est et cetera. Et sic fuit liber 9 Tr.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

Liber Decimus

Buch 10

Inde per inmensum etc. 657

Von dort schreitet Hymenaeus [. . .] durch den unermesslichen Äther etc. 657

Fabula prima 658

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Cum Orpheus, vates summus inter vates musicos filius Solis, accepisset Eurydicen et ipsa cum sociabus suis quadam die flores colligeret, accidit, quod serpens in pede ipsam momordit et ipsa venenata decessit. Dolens igitur Orpheus de nova nupta iam mortua ausus est ad inferos et ad opaca regna descendere. Ibique tam dulciter cepit lyram tangere, quod exsangues anime plorare ceperunt. Tantalus oblitus est famis et sitis, Ixion pretermisit rotari, Sisyphus suum revolvere saxum et Belides dolium suum reimplere. Igitur cum propter dulcedinem sui cantus omnia numina inferni turbarentur, Eurydice uxor sua ei redditur adiuncto tamen pacto, quod, si retro respiciat, quousque exierit de inferno, protinus perdet eam et ad inferos iterum revertetur. Cum igitur simul incederent et Eurydice sequeretur, Orpheus amoris impatiens, quin retro ad Eurydicen respiciat, se non poterat continere. Quod ut factum est, statim ad infernum est relapsa et sic miser mulieris concesso munere non letatur. Quod videns Orpheus iterum descendit ad Tartara. Sed

Erste Erzählung 658 Als Orpheus, der größte Seher unter den musischen Sehern, der Sohn des Sol, Eurydice zur Frau genommen hatte und sie mit ihren Gefährtinnen eines Tages Blumen pflückte, geschah es, dass eine Schlange sie in den Fuß biss und sie an dem Gift starb. Aus Trauer um seine ihm frisch vermählte und schon verstorbene Braut wagte Orpheus es, zu den Toten und in das Schattenreich hinabzusteigen. Und dort begann er so lieblich die Lyra zu schlagen, dass die blutlosen Geister zu weinen begannen. Tantalus vergaß seinen Hunger und Durst, Ixion unterließ es, sich zu drehen, Sisyphus seinen Stein zurückzurollen und die Beliden ihr Fass wieder zu füllen. Da nun wegen des Wohlklangs seines Gesangs alle Gottheiten der Unterwelt sehr bewegt waren, wurde ihm seine Gattin Eurydice zurückgegeben, allerdings unter der Bedingung, dass er, wenn er sich vor Verlassen der Unterwelt umschaue, sie sogleich verliere und sie zu den Toten wieder zurückkehre. Als sie sich nun zusammen auf den Weg machten und Eurydice nachfolgte, konnte Orpheus, ungeduldig vor Liebe, nicht an sich halten, sich nach Eurydice umzuschauen. Sobald dies geschah, sank sie sogleich in die Unterwelt zurück, und so erfreute sich der Unglückliche nicht an dem ihm gewährten Geschenk seiner Frau. Als Orpheus dies sah, stieg er noch einmal hinab in die Unterwelt. Weil aber Cerberus

5 Solis Lo1Pa8V4BTrEp; solus G. 5 Eurydicen Euridicen V2V4Ep; Erudicem GLo1; Eradicen B; Euridicem Tr 6 die add. per herbas vagabunda Ep. 8 decessit GLLo1V2V4B; discessit Pa8TrEp. 12 lyram tangere GLo1Lo2Pa8V2BTr; canere et lyram tangere V4; tangere lyram et tam melodiose canere Ep. 14 Ixion V2V4 TrEp; Ision GB; Yxion Lo1. 15 saxum GLo2Pa8V4BTr; add. ac etiam Titius iecur Lo1; add. volucres Tytii carpere iecus Ep. 17 numina Lo1Pa8V4BTrEp; intima G. 17 – 18 turbarentur codd.; ad pietatem provocasset Ep. 23 impatiens add. cum tamen iam prope exitum inferni essent Ep.

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LIBER X

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quia Cerberus ipsum non permisit intrare, postquam in ripa septem diebus fuisset et ibi cecinisset et plura carmina confecisset, desolatus et flebilis et vacuus ab inferis est reversus.

ihn nicht eintreten ließ, kehrte er, nachdem er sich am Fluss sieben Tage aufgehalten und dort gesungen und viele Lieder komponiert hatte, verzweifelt und unglücklich und allein von den Toten zurück.

Moraliter

Moralisierung

Dic allegorice, quod Orpheus filius Solis est Christus filius dei patris, qui a principio Eurydicen, id est animam humanam, per caritatem et amorem duxit ipsamque per substantialem prerogativam a principio sibi coniunxit. 659 Quam serpens, id est diabolus, noviter nuptam, id est de novo creatam, dum flores colligeret, id est de pomo vetito appeteret, per temptationem momordit et per peccatum occidit et finaliter ad infernum transmisit. Quod videns Orpheus, id est Christus, in infernum personaliter voluit descendere et uxorem suam, id est humanam animam, rehabere. Et sic ipsam de regno tenebrarum ereptam ad supera secum duxit dicens illud Cant. 2: Surge amica mea et veni! Vel dic, quod Orpheus est peccator, qui scilicet morsu serpentis, id est diaboli temptatione, uxorem suam, id est animam, perdit, dum indiscrete ad colligendum flores, id est ad congreganda fluxibilia temporalia, intendit. Sed quandoque spiritualiter recuperat, quando ad inferos per considerationem descendit et per orationem dulciter modulatur. Solus enim timor infernalis supplicii facit de vitiis penitere et facit uxorem per gratiam rehabere et maxime, si melodiam orationis devote cum hoc contingerit resonare. Verumtamen multi sunt, qui quan-

Deute allegorisch, dass Orpheus, der Sohn der Sonne, Christus, der Sohn Gottvaters, ist, der von Beginn an Eurydice, d.h. die menschliche Seele, durch seine große Liebe zur Frau nahm und sie durch ihren uranfänglichen Wesensvorrang mit sich verband. 659 Die Schlange, d.h. der Teufel, biss mit seiner Versuchung die frisch Vermählte, d. h. die neu Erschaffene, als sie Blumen pflückte, d. h. nach dem verbotenen Apfel griff, und tötete sie durch Sünde und schickte sie schließlich in die Hölle. Als Orpheus, d. h. Christus, dies sah, wollte er in eigener Person in die Hölle hinabsteigen und seine Gattin, d. h. die menschliche Seele, zurückerhalten. Und so führte er sie, nachdem er sie dem Reich der Finsternis entrissen hatte, mit sich hinauf mit jenem Wort aus Cant. 2,10: ›Steh auf meine Freundin und komm!‹ Oder sag, dass Orpheus ein Sünder ist, der seine Gattin, d. h. seine Seele, durch einen Schlangenbiss, d.h. durch die Versuchung des Teufels, verliert, während sie sich unbesonnen anschickt, Blumen zu pflücken, d. h. vergängliche Güter zu sammeln. Aber bisweilen erlangt er sie geistig wieder, wenn er in der Betrachtung zu den Toten hinabsteigt und im Gebet süß tönt. Allein die Furcht vor der Höllenstrafe bewirkt nämlich, die Laster zu bereuen und die Gattin durch Gnade wiederzuerlangen, und zwar besonders, wenn es zugleich gelingt, die Melodie des Gebets andächtig ertönen zu lassen. Gleichwohl gibt es viele,

29 quandoque GLo2V4; add. uxorem, scilicet animam Lo1; add. pro certo tunc ipsam V2; ipsamque B; eam Tr; ipsam Ep; om. Pa8. 34 – 35 melodiam Lo1Pa8V4BTrEp; melodia G.

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doque retro ad amorem temporalium respiciunt et tamquam canis ad vomitum mentaliter revertuntur 660 et ipsam uxorem recuperatam, id est animam, nimis diligunt, ita quod concupisentiis eius favent et ad ipsam mentis oculos retrovertunt et ipsam iterum amittunt et eam iterum infernus recipit, Io. 12: Qui amat animam suam, perdet eam. 661 Vel dic etiam litteraliter, quod sepe fit, quod homo uxorem vel filium, quem indiscrete diligit et ipsos non castigat, perdit et ipsorum perditionis tam spiritualis quam temporalis causa existit, Eccli. 30: Lacta filium tuum et paventem te faciet, lude cum illo et contristabit te. Fabula secunda 662

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Orpheus videns, quod uxorem recuperatam perdiderat et eam bis mori viderat, incepit abhorrere copulam omnem mulieris. Sedit ergo super montes, ubi nulla erat umbra et incepit dulciter canere lyra sua. Arbores autem, que circa eum erant, audita cithara, que tam dulciter resonabat, catervatim ruentes ad audiendum vatis melodiam confluebant et iuxta ipsum per ordinem se ponebant, ita quod circa ipsum nemus densissimum faciebant, similique causa etiam saxa et lapides cum arboribus ibidem insimul convenerunt. Mulieres autem ipsum canentem et omnem mulieris concubitum contemnentem videntes contra eum

die bisweilen zurückschauen zur Liebe zu irdischen Dingen und geistig wie ein Hund zum Erbrochenen zurückkehren 660 und die zurückgewonnene Gattin, d. h. die Seele, zu sehr lieben, so dass sie ihren Begierden nachgeben und zu ihr die Augen des Geistes zurückwenden und sie dadurch wiederum verlieren und die Unterwelt sie wieder aufnimmt, Io. 12,25: ›Wer seine Seele liebt, wird sie verlieren.‹ 661 Oder sag auch im Literalsinn, dass es oft geschieht, dass ein Mensch seine Gattin oder seinen Sohn, die er unbesonnen liebt und die er nicht züchtigt, verliert und so selbst der Grund für ihren Verlust ist, sowohl geistlich als auch weltlich, Eccli. 30,9: ›Verwöhne deinen Sohn, und er wird dich fürchten lehren, spiel mit ihm, und er wird dich betrüben.‹ Zweite Erzählung 662 Wie Orpheus sah, dass er seine zurückgewonnene Gattin wieder verloren und sie zweimal sterben gesehen hatte, begann er, jede Verbindung mit einer Frau zu verabscheuen. Also saß er auf den Bergen, wo es keinen Schatten gab und begann, süß auf seiner Lyra zu spielen. Die Bäume aber, die um ihn herum standen, strömten beim Hören der Kithara, die so süß klang, scharenweise zusammen, um das Spiel des Sehers zu hören und sie stellten sich bei ihm geordnet auf, so dass sie um ihn herum einen sehr dichten Wald bildeten. Und aus dem gleichen Grund kamen auch zugleich mit den Bäumen die Felsen und Steine dort zusammen. Die Frauen aber sahen ihn singen und jeglichen Verkehr mit einer Frau verschmähen, und sie gingen gegen ihn vor

7 – 8 Io. 12 Io. primo G. 10 – 11 indiscrete V4BTrEp; om. G. 13 temporalis GLo1Pa8V4BTr; corporalis Ep. 19 copulam omnem mulieris G; consortium et coniugium mulierum LLo1; coniugium mulierum Lo2; copulam coniugii seu omnem mulierem Pa8; copulam coniugii seu omnium mulierum V4; copulam omnium mulierum BTrEp; om. abhorrere . . . incepit V2. 23 – 24 catervatim ruentes Lo1Lo2Pa8V2V4Ep; catervatim G; catervatim montes B; catervatim venientes Tr. 24 – 25 melodiam meldodiam G, sed corr.

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venerunt et lignis et lapidibus ipsum occidere voluerunt. Lapides autem contra eum proiecti dulcedine cantus sui stabant in medio et vatem tangere non audebant, sed eum potius adorabant. Ipse autem mulieres clamores fecerunt in tantum, quod saxa proiecta cantum lyre amplius audire nequiverunt, quapropter usque ad vatem veniunt et eum nequiter occidunt. Caput autem Orphei a Ciconibus in flumine proicitur, quod, cum draco vellet comedere, statim in lapidem mutatur. 663 Ipse autem mulieres, que ipsum occiderant, a Phebo in arbores transformantur et sic a Phebo mors vatis et filii graviter punitur. Moraliter

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Orpheus significat predicatorem et divini verbi carminum dictatorem, qui de inferis, id est de mundo, veniens debet montem scripture vel religionis ascendere et carmina et melodiam sacre scripture canere et ad se, id est ad statum penitentie vel fidei, saxa vel arbores, id est insensibiles et induratos peccatores, trahere et ex eis verbi divini dulcedine populum aggregare. Mulierum copulam debet fugere et earum amplexus penitus abhorrere et contra ipsarum malitias predicare. Quapropter sepe fit, quod mulieres tales predicatores odiunt et eos per infamiam occidunt et contra eos lapides, id est verba detractoria, iaciunt. Sepe enim fit, quod predicatores, qui contra malas mulieres predicant, ab ipsis infamiam reportant, Reg. 11: Depravatum est cor eius propter mulieres.

und wollten ihn mit Holzscheiten und Steinen töten. Die Steine aber, die auf ihn geworfen wurden, blieben wegen des Wohlklangs seines Gesangs in der Mitte stehen und wagten nicht, den Seher zu berühren, sondern beteten ihn geradezu an. Aber die Frauen machten so viel Lärm, dass die geworfenen Steine den Klang der Lyra nicht mehr hören konnten. Deshalb kommen sie bis zum Seher und töten ihn auf schändliche Weise. Das Haupt des Orpheus aber wird von den Ciconen in einen Fluss geworfen; als eine Schlange es fressen wollte, wird sie sogleich in Stein verwandelt. 663 Die Frauen selbst jedoch, die ihn getötet hatten, werden von Phoebus in Bäume verwandelt, und so wird von Phoebus der Tod seines Sehers und Sohnes schwer bestraft. Moralisierung Orpheus bedeutet den Prediger und Verfasser von Liedern des göttlichen Wortes, der, aus der Unterwelt, d. h. aus der Welt, kommend, den Berg der Schrift oder der Religion besteigen muss und die Lieder und die Melodie der Heiligen Schrift singen und Steine oder Bäume, d.h. empfindungslose und verhärtete Sünder, zu sich, d.h. zum Stand der Buße und des Glaubens, ziehen und aus ihnen durch die Süße des göttlichen Wortes ein Volk sammeln muss. Die Verbindung mit Frauen muss er meiden und vor ihren Umarmungen gänzlich zurückschrecken sowie gegen ihre Bosheiten predigen. Deshalb geschieht es oft, dass Frauen solche Prediger hassen und sie durch Schande töten und auf sie Steine, d.h. Verleumdungen, werfen. Oft kommt es nämlich vor, dass Prediger, die gegen böse Frauen predigen, von ihnen Schande erleiden, 3. Reg. 11,4: ›Verdorben ist sein Herz wegen der Frauen.‹

10 – 11 quod . . . vellet Lo1Pa8V4BTrEp; quod cum draco eum vellet G. libro sequenti Ep. 34 Reg. 11 Reg. 2 G.

15 punitur add. ut diffuse patet in

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Vel dic, quod Orpheus significat bonos, sanctos et doctores primitive ecclesie, qui dulcedine cantus sui, id est predicationis, saxa, id est corda dura, arbores, id est insensibiles et infideles, ad fidem ecclesie vocaverunt et magnam silvam, id est magnam turbam hominum, circa se collegerunt. He igitur mulieres, id est tyranni et principes crudeles, ministros suos tamquam lapides ad eos occidendos mittebant. Sed ipsi ministri quandoque audito sono predicationis ad pedes ipsorum cadebant et una cum ipsis martyrium sustinebant. Sed invalescente tyrannorum sevitia martyres occiduntur et tamen post mortem facere miracula comprobantur. Quibus visis eorum persecutores propter stuporem immobiles quasi lapides sunt effecti, Ex. 15: Fiant immobiles quasi lapis.

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Rusticus quidam fuit socius Herculis. Qui videns Cerberum canem inferni cum tribus capitibus serpentibus crinitis per Herculem foras extractum, tantum timuit, quod in lapidem est mutatus. Moraliter

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Cerberus est mors, qui canis inferni dicitur, pro eo quod numquam satiatur et ipsi inferno, ad quem animas mittit, famulatur, Hab. 2: Ipse quasi mors non adimpletur. Crinitus serpentibus dicitur pro eo, quod in morte de medulla hominis serpentes secun-

Oder sag, dass Orpheus die Guten, die Heiligen und die Lehrer der frühen Kirche bedeutet, die durch den Wohlklang ihres Gesangs, d. h. ihrer Predigt, Felsen, d. h. harte Herzen, Bäume, d. h. Unvernünftige und Ungläubige, zum Glauben der Kirche riefen und einen großen Wald, d.h. eine große Menschenmenge, um sich versammelten. Also schickten die Frauen, d.h. Tyrannen und grausame Fürsten, ihre Diener wie Steine, um sie zu töten. Aber bisweilen fielen die Diener, wenn sie den Klang der Predigt gehört hatten, vor ihren Füßen nieder und erduldeten zusammen mit ihnen das Martyrium. Aber wenn die Grausamkeit der Tyrannen zunimmt, werden Märtyrer getötet und bewirken dennoch auch nach ihrem Tod noch Wunder. Bei deren Anblick sind ihre Verfolger durch ihr Staunen starr wie Steine geworden, Ex. 15,16: ›Sie werden bewegungslos wie ein Stein.‹ Dritte Erzählung 664 Ein gewisser Bauer war Gefährte des Hercules. Als dieser den Cerberus, den Hund der Unterwelt, mit den drei Köpfen und ihren Schlangenhaaren sah, der von Hercules nach draußen gezogen wurde, fürchtete er sich so sehr, dass er in einen Stein verwandelt wurde. Moralisierung Cerberus ist der Tod, der Hund der Hölle genannt wird, weil er niemals gesättigt wird und selbst der Hölle dient, in die er die Seelen schickt, Hab. 2,5: ›Wie der Tod wird er selbst nicht satt werden.‹ Er soll Schlangenhaare haben, da nach Pythagoras im

10 occidendos Lo1Lo2Pa8V4BEp; occidentes G; occidendum Tr. 13 una cum G; credentes cum Ep; om. LLo1Pa8V4Tr; al. B. 14 invalescente Pa8V4BTrEp; etiam valescente G; om. LLo1 14 sevitia Pa8V4TrEp; malitia G; strepitu B; om. Lo1. 23 serpentibus crinitis coni.; serpentinis et crinitis G; qui serpentibus erat crinitus Lo1Pa8V4BEp; que erant ser serpentibus crinita Tr. 28 – 29 ipsi inferno Lo1Pa8V4BTrEp; ipse in inferno G. 30 Hab. 2 Hab. 3 G.

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dum Pythagoram nascuntur vel quia carnes humane a serpentibus devorantur, 665 Eccli. 10: Homo cum mortuus fuerit, hereditabit serpentes et vermes. Tria capita habet pro eo, quod aufert a nobis carnem, sanguinem et ossa vel pro eo, quod facit homini tria damna, id est aufert ei amicos, vitam et bona temporalia. Istas ergo conditiones quicumque considerat, mente lapideus efficitur, inquantum obstupescit et timet et frigescit et insensibilis efficitur, inquantum sensus suos a vanis appetitibus abstrahit, Iob 41: Cor eius indurabitur quasi lapis. Vel dic, quod Cerberus est avarus, qui canini et insatiabilis appetitus esse dicitur, qui serpentibus est crinitus, id est malitiis, et tribus capitibus munitus, id est tribus avaritie vitiis, que sunt cupiditas sive ardor in acquirendo, parcitas in servando, timor in deperdendo. Stupendum est ergo tales et eorum condiciones terribiles attendere et videre, Sap. 2: Gravis est etiam nobis ad videndum. 666 Fabula quarta 667

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Lethea coniunx Oleni pretulit se Iunoni ipsam contumeliis et contumaciis infestans; de qua cum Iuno marito suo Oleno conquereretur et ipsam ille negligeret corrigere et

Tod aus dem Mark des Menschen Schlangen geboren werden oder da des Menschen Fleisch von Schlangen verschlungen wird, 665 Eccli. 10,13: ›Wenn der Mensch tot ist, wird er Schlangen und Würmer erben.‹ Er hat drei Köpfe, weil er uns das Fleisch, das Blut und die Knochen nimmt oder weil er dem Menschen drei Schäden zufügt, d.h. er nimmt ihm die Freunde, das Leben und die irdischen Güter. Jeder der diese drei Lebensbedingungen betrachtet, versteinert also im Geist, sofern er erstarrt, sich fürchtet, erkaltet und gefühllos wird, soweit er seine Sinne aus den eitlen Trieben herauszieht, Iob. 41,15: ›Sein Herz wird hart werden wie ein Stein.‹ Oder sag, dass Cerberus ein Geizhals ist, der einen hündischen und unersättlichen Appetit hat, wie bekannt ist, der Schlangenhaare, d. h. Übel, mitführt und mit drei Köpfen, d.h. mit den drei Lastern der Habgier, bewehrt ist. Diese sind die Begehrlichkeit oder der brennende Eifer beim Erwerb, die Sparsamkeit beim Bewahren, die Furcht zu verlieren. Auf solche Laster also und ihre schrecklichen Erscheinungsformen seine Aufmerksamkeit zu richten und sie zu sehen, muss einen erstarren lassen, Sap. 2,15: ›Lästig ist es für uns, ihn zu sehen.‹ 666 Vierte Erzählung 667 Lethea, die Gattin des Olenus, hielt sich für schöner als Juno und beleidigte sie mit Schmähungen und Trotz. Als Juno sich bei ihrem Mann Olenus über sie beklagte und

24 – 388,23 Fabula quarta codd. et Ep (textus sec. Lo1V4Ep); deest G. 1 Pythagoram V4Ep; Pictagoram GLo1V2; Pyctagoram Tr. 1 quia om. G, sed add. in marg. 9 considerat Pa8V2V4BTrEp; consideat G; aspexerit LLo1. 9 mente LLo1Pa8V2V4Tr; mons G; merito B; al. Lo2Ep. 12 vanis GV2V4B; variis LLo1Lo2Pa8TrEp. 12 – 13 Iob 41 Cor. 40 G. 14 quod om. G, sed add. supra lin. 15 canini . . . esse dicitur GLo1Pa8V4B; caninum habet appetitum et insatiabilem Tr; canis est inferni, id est insatiabilis appetitus Lo2Ep. 20 in deperdendo Lo1V4BTrEp; in om. GPa8. 26 contumeliis et contumaciis Ep; convitiis Lo1; contumeliis et vitiis V4. 28 et ipsam ille Ep; qui tum ipsam Lo1; et ipse eam V4.

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deae etiam durius responderet, irata Iuno utrumque in lapidem mutavit. Moraliter

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Applica contra prelatos carnales, qui scilicet suam uxorem, id est carnalem parentelam, protervam et iniquam et contra Iunonem, id est contra deum, multa contumeliose agentem nolunt corrigere nec etiam diurnis monitis obtemperando ipsos de suis vitiis castigare; ideo contingit saepe, quod Iuno, id est deus, ambos mutat in lapides, inquantum maiores et minores et prelatum deprimit et eos facit miseros et impotentes, Eccl. 30: Lacta filium et paventem te faciet. 668 Et de talibus malis prelatis dicitur Ez. 3: Fili hominis speculatorem dedi te domui Israel. Et audies de ore meo verbum et annuntiabis eis ex me. Si dicente me ad impium: ›Morte morieris‹, non annuntiaveris ei neque locutus fueris, ut avertatur vir a via sua pessima et vivat, ipse impius in iniquitate sua morietur, sanguinem autem eius de manu tua requiram. Fabula quinta 669

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Attis, puer speciosissimus, cum diligeretur a Cybele matre deorum, promisit ei se num-

er es daraufhin versäumte, sie zur Rede zu stellen, vielmehr der Göttin noch unverschämt antwortete, wurde Juno zornig und verwandelte beide in Steine. Moralisierung Wende dies gegen die weltlich gesinnten Prälaten an, die ihre Gattin, d. h. ihre ebenfalls weltlich gesinnte Verwandtschaft, die aufsässig und schlecht ist und gegen Juno, d.h. gegen Gott, Schmähungen ausstößt, nicht zurechtweisen und auch nicht mit täglichen Ermahnungen von ihnen Gehorsam einfordern und ihr Fehlverhalten streng tadeln wollen. Es geschieht dann oft, dass Juno, d.h. Gott, beide in Steine verwandelt, sofern er die Höhergestellten und die Untergebenen wie auch den Prälaten herabsetzt und sie elend und machtlos werden lässt, Eccl. 30.9: ›Verwöhne deinen Sohn und er wird dich fürchten lehren.‹ 668 Und über solche schlechten Prälaten heißt es Ez. 3,17f.: ›Menschensohn, als Aufseher habe ich dich dem Haus Israel gegeben. Und du wirst aus meinem Mund eine Botschaft hören und wirst sie ihnen in meinem Namen verkünden. Wenn ich aber zum Gottlosen sage: Du wirst des Todes sterben, und du es ihm nicht verkündet und auch nicht gesagt hast, dass der Mann von seinem sehr schlechten Weg umkehre und lebe, dann wird der Sünder in seiner Sünde sterben, aber sein Blut werde ich von deiner Hand fordern.‹ Fünfte Erzählung 669 Weil Attis, ein sehr gut aussehender junger Mann, von Cybele, der Göttermutter, ge-

24 Fabula quinta X,4 G. 5 id est Lo1; om. V4Ep. 6 protervam et iniquam Lo1V4; rebellem et malam Ep. 8 etiam V4Ep; om. Lo1. 10 ideo fit Lo1V4; ideo contingit Ep. 17 – 23 audies . . . requiram V4Ep; etc. usque requiram Lo1. 25 Attis Athis GLo1V2V4BTr; Atis Ep. 25 diligeretur Lo2Pa8V2V4TrEp; diligetur GLo1B; deligeretur L. 26 Cybele V2V4BTr; Cibale G; Cibele Lo1Ep.

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quam alteri coniungendum. Qui fidem frangens concubuit cum Sagaritide nympha. De qua cum a Cybele pluries increparetur, puer ad satisfactionem sui sibi precidisse genitalia dicitur. Cui Cybeles compatiens ipsum in pinum mutavit, 670 ita quod ex tunc pinus Cybeli dedicata est. Moraliter

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Nota hic, quod non est bonum iuvenes nimis obiurgare, quia, cum sint fragilis conditionis, quandoque moventur ad aliquid inutile faciendum. Nec etiam bonum est, quod puer vetule coniungatur, quia non vult sibi fidem conservare, sed cum iuvenculis et nymphis potius habitare. Dic allegorice, quod mater deorum est ecclesia, que illos, qui propter fidem, quam sibi non servaverunt, id est peccata, que commiserunt, seipsos spiritualiter castrant votum castitatis emittendo, solet in pinus, id est in altas personas, facere et eos sibi specialiter vendicare. Vel dic, quod mater deorum est mater dei et hominis, que innocentes sibi per amorem coniungit, qui per castitatem se castrant et per liquorem pietatis, quem emittunt, in pinum se mutant, ita ut beata virgo dicere possit illud Is. 60: Abies, buxus et pi-

liebt wurde, versprach er ihr, sich niemals mit einer anderen zu verbinden. Doch er brach die Treue und schlief mit der Nymphe Sagaritis. Als er wegen dieser mehrfach von Cybele getadelt wurde, soll sich der junge Mann, um ihr gegenüber Genugtuung zu leisten, seine Geschlechtsteile abgeschnitten haben. Weil Cybele mit ihm Mitleid hatte, verwandelte sie ihn in eine Pinie, 670 so dass die Pinie seitdem der Cybele geweiht ist. Moralisierung Merke hier an, dass es nicht gut ist, junge Leute zu sehr zu tadeln, da sie, weil sie von schwacher Natur sind, bisweilen dazu gebracht werden, etwas Unnützes zu tun. Auch ist es nicht gut, dass sich ein junger Mann mit einer alten Frau verbindet, da er ihr die Treue nicht bewahren, sondern lieber bei jungen Mädchen und Nymphen bleiben will. Deute allegorisch, dass die Göttermutter die Kirche ist, die diejenigen, die sich wegen des Glaubens, den sie ihr nicht bewahrten, d.h. der Sünden, die sie begingen, selbst durch Ablegung des Keuschheitsgelübdes geistlich kastrieren, zu Pinien, d.h. zu hochstehenden Personen, zu machen und sie in besonderer Weise für sich in Anspruch zu nehmen pflegt. Oder sag, dass die Göttermutter die Mutter Gottes und des Menschen ist, die Unschuldige durch Liebe an sich bindet. Diese kastrieren sich in Keuschheit und verwandeln sich durch den Tau der Frömmigkeit, den sie abgeben, in eine Pinie, so dass die selige Jungfrau jenes Wort aus Is. 60,13 sagen kann: ›Tanne, Buchsbaum und Pinie

2 Sagaritide V2; Sagaricide G; Agarende Lo1; Sagaricidem B; Gagancide Tr; Gaganitide V4Ep. 11 moventur Lo1Pa8V4BTrEp; mutantur G. 17 illos . . . propter fidem Lo1Pa8V2V4; illos . . . per fidem GB; pueros speciosissimos per fidem sibi catholicam copulavit, qui propter fidem Lo2TrEp. 20 solet Lo1Pa8V4BTrEp; solent G. 20 pinus Lo2Pa8V2V4BTrEp; pinis G; pinos LLo1. 22 specialiter GLo2V2V4BEp; spiritualiter LLo1Tr; sensualiter Pa8. 23 mater deorum LLo1Lo2V4BTrEp; mater dearum Pa8; om. G. 26 quem Lo1Lo2Pa8 V4BTrEp; quam G. 28 Is. 60 Is. 67 G. 28 buxus Lo1Pa8V4TrEp; brucus G; om. B.

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nus venient ad ornandum locum sanctificationis mee.

werden kommen, um den Ort meiner Heiligung zu schmücken.‹

Fabula sexta 671

Sechste Erzählung 671

Cyparissus, puer multum dilectus a Phebo, cum cervum sibi in pignus amoris a Phebo datum casu occidisset et ex hoc mori vellet, in arborem sui nominis mutatur. Que etiam arbor funesta nunc a lugentibus in mortuorum obsequiis ministratur, 672 unde Ovidius: ›Lugebisque alios aderisque dolentibus‹ inquit. 673

Als Cyparissus, ein Knabe, der sehr von Phoebus geliebt wurde, aus Zufall einen Hirsch getötet hatte, den ihm Phoebus als Liebespfand gegeben hatte, und er deswegen sterben wollte, wurde er in einen Baum seines Namens verwandelt. Dieser wird auch jetzt noch von Trauernden bei Totenfeiern als Trauerbaum verwendet. 672 Daher Ovid: ›Du wirst andere betrauern und Trauernden beistehen, sagte er [sc. Apoll].‹ 673

Moraliter

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Dic, quod Phebus illos, quos plus diligit, in lugubres arbores mutat, inquantum scilicet amicos suos ad cogitandum de morte et ad flendum invitat, Eccli. 38: Fili, super mortuum produc lacrimas et quasi dira passus. Fabula septima 674

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Ganymedes, Phrygius sive Troianus, puer pulcerrimus in tantum a Iove dilectus est, quod ab ipso mutato in aquilam fuit raptus et in celo stellificatus est et pincerna deorum effectus. Et illud est signum, quod aquarius dicitur, quia aquas super deorum manus effundere dicitur.

Moralisierung Sag, dass Phoebus diejenigen, die er besonders liebt, in Trauerbäume verwandelt, sofern er nämlich seine Freunde über den Tod nachzudenken und zu weinen einlädt, Eccli. 38,16: ›Mein Sohn, vergieß Tränen über den Toten wie einer, der Schreckliches erlitt.‹ Siebte Erzählung 674 Ganymed aus Phrygien oder Troja, ein sehr schöner Knabe, wurde so heftig von Jupiter geliebt, dass er von ihm, der sich in einen Adler verwandelt hatte, geraubt, im Himmel verstirnt und zum Mundschenk der Götter gemacht wurde. Und dies ist das Sternzeichen, das Wassermann genannt wird, weil es heißt, dass er das Wasser über die Hände der Götter gießt.

3 Fabula sexta X,5 G. 18 Fabula septima X,6 G. 4 Cyparissus V2Tr; Ciparissus GLo1B; Caparissus V4; Cyparissus, qui cupressus Ep. 8 funesta Lo1Lo2 Pa8V4BEp; zinestra G; mesta Tr. 16 – 17 Fili, . . . passus Lo1Pa8V2BTr; om. Fili G; incipe plorare. Unde Ovidius de isto ait: ›Munusque supremum / Hoc petit a superis, ut turpe lugeat omni.‹ [Ov. Met. X,134 f.] Ep. 19 Phrygius sive Troianus Frigius sive Troianus Ep; filius Frigii Trois GV2B; filius Frigii LLo1; filius Frigii Troida Pa8; filius frigii Troiani V4; filius Phygie Tr. 21 – 22 mutato . . . et V2V4BEp; mutata est in aquilam et raptus G; mutatus fuit in aquilam et raptus LLo1Tr; mutatus in aquilam fuit raptus et Pa8.

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Moralisierung

Ista aquila significat limpitudinem sapientie, Ganymedes significat Iohannem evangelistam, iuvenem gratiosum, quia scilicet aquila 675 , id est subtilitas et claritas, ipsum rapuit in celum, inquantum ipsum loqui de celestibus alte fecit. Pincerna vero deorum, id est prelatorum et virorum iustorum, efficitur, inquantum aqua sapientie et gratie ab ipso effunditur et hauritur. Vel aquila est Christus, qui istum puerum dilexit, inquantum eum in celum portavit, Os.: Puer Israel et dilexi eum.

Jener Adler bedeutet das klare Fließen der Weisheit, Ganymed bedeutet den Evangelisten Johannes, einen begnadeten jungen Mann, weil nämlich der Adler, 675 d. h. der Scharfsinn und die Klarheit, ihn in den Himmel emporriss, sofern er ihn erhaben über die himmlischen Dinge sprechen ließ. Er wird also der Mundschenk der Götter, d.h. der Prälaten und der gerechten Männer, sofern das Wasser der Weisheit und der Gnade von ihm ausgegossen und geschöpft wird. Oder der Adler ist Christus, der diesen jungen Mann liebte, sofern er ihn in den Himmel trug, Os. 11,1: ›Israel war ein Knabe, und ich liebte ihn.‹

Fabula octava 676 15

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Hyacinthus dicitur fuisse puer nimis dilectus a Phebo. Qui cum eo ludens ad discum proiciendum ad terram ex disci percussione periit, sed ipsum Phebus in florem celestem mutavit, qui ex tunc hyacinthus dictus fuit. 677 Moraliter 678

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Istud potest allegari contra iuvenes lascivos, qui indiscrete ludunt et ideo sepe fit, quod propter ludos, quos exercent, pereunt. Et sic quasi in flore iuventutis, loquendo si-

Achte Erzählung 676 Hyacinthus soll ein Knabe gewesen sein, der von Phoebus über die Maßen geliebt wurde. Als er mit ihm Diskuswerfen spielte, wurde er durch den Schlag des Diskus getroffen und starb; doch Phoebus verwandelte ihn in eine himmlische Blume, die seitdem Hyazinthe genannt wurde. 677 Moralisierung 678 Dies kann gegen übermütige junge Männer angeführt werden, die unbesonnen spielen; und deshalb geschieht es oft, dass sie wegen der Spiele, die sie treiben, zu Tode kommen. Und so werden sie gleichsam in der Blüte der Jugend, im Bild gesprochen, zu

14 Fabula octava X,7 G. 2 – 3 limpitudinem sapientie LLo1V2V4BTr; limpidinem scientie GLo2; limpitudinem sicut Ep. 3 Ganymedes Ganimedes Lo1Lo2Pa8V4BEp; Granimedes G; Ganimedem Tr. 4 iuvenem gratiosum GB; pulcrum iuvenem et gratiosum Lo1Pa8V4; iuvenem gratiosissimum et speciosum et multum dilectum a Iove, id est a Christo Tr; iuvenem et gratiosum Ep. 4 quia Lo1Pa8V4BEp; qui GLo2; om. Tr. 9 aqua Lo1Pa8V4BEp; aquam GLo2; aque Tr. 15 Hyacinthus Iacintus GB; Iacinctus Lo1V2V4; Iacinthus Ep. 17 disci dichi G, sed add. -ssupra. lin. 22 iuvenes iuvenenes G, sed del. -ne-. 25 quasi LPa8V4; quia GLo2V2BTrEp.

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militudinarie, flores fiunt, Iob 14: Quasi flos egreditur et fugit velut umbra.

Blumen, Iob 14,2: ›Wie eine Blume wächst er empor und flieht wie ein Schatten.‹

Fabula nona 679

Neunte Erzählung 679

Pulli Cerastes fuerunt quidam, qui hospites suos in ara Veneris immolabant. 680 Quapropter Venus indignita ipsos in tauros cornutos mutavit et sic Cerastes, id est cornutos, vocavit; ›ceras‹ enim grece, ›cornu‹ latine dicitur. 681

Die finsteren Cerasten waren Leute, die ihre Gäste auf dem Altar der Venus opferten. 680 Deshalb verwandelte die entrüstete Venus sie in gehörnte Stiere. Griechisch ›ceras‹ heißt nämlich ›cornu‹ (›Horn‹) im Lateinischen. 681

Moraliter

Moralisierung

Istud dic contra immundos sodomitas, qui scilicet in ara Veneris, id est in officio luxurie, homines immolant, inquantum ipsos immunde pertractant. Et ideo istos in tauros Venus mutare dicitur pro eo, quod luxuria facit eos vivere bestialiter et facit eos brutales. 682 Vel dic, quod Cerastes sunt mali iudices et principes vel prelati, qui scilicet hospites, id est subditos, in ara Veneris immolare dicuntur, inquantum ipsorum subditorum substantias in luxuriis et superfluitatibus expendere dignoscuntur. Istos igitur Venus mutat in tauros, inquantum occasio luxurie nutriende facit eos raptores crudeles et protervos. Vel dic, quod isti sunt illi, qui hospites, id est illas mulieres, quas in specie hospitalitatis recipiunt, Veneri immolant et per luxuriam seducunt. 683 Qua de causa tauri,

Sag dies gegen unreine Sodomiten; denn sie opfern auf dem Altar der Venus, d. h. im Dienst sexueller Ausschweifung, Menschen, sofern sie sie unzüchtig berühren. Und deshalb heißt es, dass Venus solche in Stiere verwandelt, dafür dass die Ausschweifung sie wie Tiere leben lässt und sie grausam macht. 682 Oder sag, dass die Cerasten böse Richter und Fürsten oder Prälaten sind; denn von ihnen heißt es, dass sie Gäste, d.h. ihre Untergebenen, auf dem Altar der Venus opfern, sofern sie – wie bekannt ist – den Besitz ihrer eigenen Untergebenen für Ausschweifungen und überflüssige Dinge verbrauchen. Diese verwandelt Venus also in Stiere, sofern die Gelegenheit, ein Luxusleben zu führen, sie zu grausamen und unverschämten Räubern macht. Oder sag, dass dies diejenigen sind, die Gäste, d. h. jene Frauen, die sie unter dem Schein der Gastfreundschaft aufnehmen, der Venus opfern und durch Ausschweifung verführen. 683 Deshalb werden

3 Fabula nona X,8 G. 18 – 393,2 Vel dic . . . populorum GB; deest LLo1Lo2Pa8V2V4TrEp. 1 Quasi Lo1Pa8V4BTrEp; qua G. 4 Pulli GLo2V4Tr; pueri LLo1; populi Pa8Ep; rustici Lo2V2B. 5 Veneris Iovis vel Veneris Ep. 7 – 8 et . . . vocavit LLo1Pa8V4BTrEp; om. G. 7 – 8 cornutos LLo1V4BTr; cornutos eos Pa8 Ep. 8 ceras Ep; ceres GLo2Pa8V4B; cetos Pa8; ceros V2Tr. 17 brutales add. Contra dictum Psalmiste: Nolite fieri sicut equus et mulus V4; add. Contra quos Ps. dicit: Nolite fieri sicut equus et mulus etc. Ep.

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id est bestiales et violenti fiunt, Ps.: Congregatio taurorum in vaccis populorum.

sie Stiere, d.h. tierisch und gewalttätig, Ps. 67,31: ›Eine Gruppe von Stieren bei den Kühen der Völker.‹

Fabula decima 684

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Pygmalion fuit quidam subtilissimus factor imaginum, qui, quia Propoetides meretrices 685 se divulgantes turpiter videbat, omnem contactum muliebrem abhorrebat et matrimonium fugere proponebat. Accidit autem, quod iste de ebore quandam sculpsit imaginem femineam adeo pulcram, quod nulla vera mulier tam pulcra potuit inveniri. Cuius speciositatem considerans in amorem eius rapitur in tantum, quod ipsam imaginem eburneam mense et lecti sociam fecit et cum ipsa, ac si viveret, iocabatur. Igitur cum iste quadam die ad festa ad templum Veneris ivisset et imaginem suam dimisisset in lecto, in corde suo rogabat Venerem, ut imago sua vera virgo esset. Ad domum igitur suam rediens more solito ebur amplexaturus lectum ingreditur. Qui ut ipsam tetigit, cor palpitans et caro calida presentitur. Quod admirans dum osculum vellet dare, cepit more verecundie virginalis solite imago subterfugere et ipsum verbis increpare. Videns igitur Pygmalion ebur in virginem transmutatum et se a Venere exauditum, ipsam in uxorem accepit. Veneri vota dedit et in virgine eburnea Pa-

Zehnte Erzählung 684 Pygmalion war ein künstlerisch sehr begabter Bildhauer. Weil dieser Dirnen, die Propoteiden [auf Zypern], 685 sah, die sich auf schändliche Weise öffentlich feilboten, verabscheute er jeden weiblichen Kontakt und nahm sich vor, die Ehe zu meiden. Es geschah aber, dass jener aus Elfenbein ein weibliches Bildnis schnitzte, so schön, dass keine echte Frau von gleicher Schönheit gefunden werden konnte. Während er ihre Schönheit betrachtete, verliebte er sich so sehr in sie, dass er dieses Elfenbeinbildnis zu seiner Tisch- und Bettgefährtin machte und mit ihr scherzte, als ob sie lebte. Als er nun eines Tages zum Fest in den Tempel der Venus gegangen war und sein Bildnis auf dem Bett zurückgelassen hatte, bat er in seinem Herzen Venus, dass seine Skulptur eine echte Jungfrau sei. In sein Haus zurückgekehrt, bestieg er wie gewöhnlich das Bett, um die Elfenbeinfigur zu umarmen. Wie er sie berührte, ist ein pochendes Herz und warmes Fleisch zu spüren. Er wunderte sich darüber und, als er ihr einen Kuss geben wollte, begann die Figur sich nach Art üblicher jungfräulicher Scheu zu entziehen und ihn mit Worten zu tadeln. Wie Pygmalion also sah, dass das Elfenbein in eine Jungfrau verwandelt und er von Venus erhört worden war, nahm er sie zur Frau. Venus gab er Weihegeschen-

3 Fabula decima X,9 G. 1 et B; etiam G. 4 Pygmalion G; Pigmalion TrEp; Pigmaleon Lo1V4BTr; 5 quia LLo1Lo2V4BEp; om. GPa8Tr. 5 – 6 Propoetides meretrices corr.; Propetides meretrices Lo2V2V4BEp; meretrices G; Propedites meretrices LLo1; perpendens meretrices Pa8Tr. 8 et . . . proponebat V2B; et matrimonialiter fugere proponebat G; omnem mulierem fugere proponebat Tr; om. Lo1Lo2Pa8V4Ep. 13 amorem Lo1Pa8V4BTrEp; amore G. 19 virgo Pa8V4BTrEp; imago G; al. LLo1 (in veram virginem mutaretur). 23 presentitur GLo1V2 V4BTr; presentatur Pa8; sentitur Ep. 24 cepit add. erubuit virgo coepitque Ep. 25 solite G; om. Lo1Pa8 V4BTrEp. 25 subterfugere Lo1Pa8V4BTrEp; subtus fugere G. 28 exauditum Lo1Pa8V4BTrEp; transmutatum exauditum G.

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phum, quendam nobilem puerum, generavit, a quo Paphos insula nomen accepit. Moraliter

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Per istum pictorem intelligo religiosum predicatorem, qui scilicet animam scit sculpere et pingere, correctionibus et virtutibus adornare. Per istam puellam eburneam intelligo quamlibet sanctimonialem, que eburnea dicitur pro eo, quod anima casta, alba, frigida, ponderosa et honesta esse debet. Sed sepe contingit, quod aliquis Pygmalion, id est aliquis bonus religiosus, proponit perpetuo nec mulierem tangere nec carnales amplexus appetere, et talis convertit se ad imagines eburneas faciendas, id est ad beginas, sanctimoniales et matronas in castitate et sanctitate informandas et in moribus spiritualibus sculpendas. Unde accidit, quod quandoque unam inter ceteras sibi eligit, quam sociam vel filiam suam dicit et eam bono et casto animo associat atque tangit. Sed pro certo tandem accidit, quod Venus, dea luxurie, id est carnis concupiscentia, interponit inter eos partes suas ipsamque imaginem mortuam convertit in vivam et ipsam castam mulierem facit carnis stimulos sentire et eam mutat de bona in fatuam. Ipse etiam Pygmalion, id est predicator, hec a Venere expetit et istam mutationem appetit et carnis stimulos simul sentit. Sic ergo, cum more solito

ke und mit der ›elfenbeinernen‹ Jungfrau zeugte er Paphus, einen vornehmen Knaben, von dem die Insel Paphos ihren Namen erhielt. Moralisierung Unter diesem Bildhauer verstehe ich den frommen Prediger, der die Seele zu schnitzen und zu bemalen, durch Zurechtweisungen und Tugenden zu schmücken weiß. Unter diesem elfenbeinernen Mädchen verstehe ich eine Nonne, die elfenbeinern genannt wird, weil ihre Seele keusch, rein, beherrscht, würdig und ehrbar sein muss. Oft geschieht es aber, dass ein Pygmalion, d.h. ein guter Ordensmann, sich für immer vornimmt, weder eine Frau zu berühren noch nach körperlichen Umarmungen zu streben, und ein solcher wendet sich der Herstellung elfenbeinerner Bildnisse zu, d.h. der Bildung von Beginen, Nonnen und ehrbaren Frauen in Keuschheit und Heiligkeit und der Formung in geistlicher Lebensführung. Dabei kommt es bisweilen dazu, dass er sich eine unter den übrigen auswählt, die er seine Gefährtin oder Tochter nennt und mit ihr in gutem und keuschem Sinn Umgang pflegt und sie berührt. Aber sicher geschieht es schließlich, dass Venus, die Göttin der Ausschweifung, d.h. das körperliche Begehren, ihres Amtes zwischen ihnen waltet und das tote Bildnis in ein lebendiges umwandelt und die keusche Frau die körperlichen Reize spüren lässt und sie von einer guten in eine törichte Frau verwandelt. Auch Pygmalion selbst, d.h. der Prediger, begehrt dies von Venus und verlangt nach dieser Verwandlung und fühlt zugleich die körperlichen Reize.

4 pictorem GLo1Pa8V4B; factores imaginum Lo2; factores Tr; factorem imaginum Ep. 7 adornare GPa8 V4B; ornare Lo1V2Tr; om. Lo2Ep. 13 – 14 proponit . . . tangere GLo2Pa8V4TrEp; renuit perpetuo consortium muliebre LLo1. 13 nec Lo2Pa8V4TrEp; non B; om. G. 21 animo LLo1V2BTr; anima G; amore Pa8V4; animo et amore Ep. 24 interponit inter eos B; interponit inter eas G; se interponit et ipsam Lo1Pa8V4TrEp. 25 – 26 mortuam convertit Lo1Pa8V4TrEp; om. G.

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ad colloquia redeunt, simul se mutatos inveniunt, ita quod illa, que fuerat eburnea, fit carnea, ille, qui mulieres solebat horrere, incipit carnis spurcitiam appetere. Isti ergo carnales facti mutuo se accipiunt et quandoque fit, quod filios generant et producunt. Non est ergo tutum bono religioso cum mulieribus nimiam familiaritatem contrahere vel e contrario, quia, dato quod a principio mala intentio non interveniat, solet tamen faciliter post succrescere. Bene ergo consulitur Eccli. 9: Averte faciem tuam a muliere compta etc. usque exardescit, 686 et ibidem dicitur: Virginem non conspicias, ne forte scandalizeris in decore illius. Fabula undecima 687

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Cinyras fuit quidam rex, qui filiam habuit Myrrham, virginem admodum speciosam. Ista igitur insano amore patrem diligens, sed de concubitu desperans secum flendo de pulcritudine disputabat et nunc pro se, nunc contra se allegabat et prohibitionem paterni concubitus in nature et deorum invidiam retorquebat. Cum ipsa ergo pre desperatione vellet se suspendere, nutrix eius causam sui doloris cognoscens apponere

So finden sie sich also, wenn sie nach gewohnter Weise zu ihren Gesprächen zusammenkommen, zugleich verwandelt, so dass jene, die elfenbeinern war, Fleisch wird, jener, der Frauen zu verabscheuen pflegte, die Unreinheit des Fleisches zu erstreben beginnt. Und so gleichsam Fleisch geworden, verbinden sie sich miteinander, und bisweilen geschieht es, dass sie auch Kinder zeugen und bekommen. Also ist es nicht sicher für einen guten Ordensmann, zu große Vertraulichkeit mit Frauen einzugehen oder umgekehrt; denn mag auch zu Beginn eine schlechte Absicht nicht gegeben sein, so pflegt sie sich später doch leicht zu entwickeln. Ein guter Rat wird in Eccli. 9,8f. erteilt: ›Wende deinen Blick von einer schön zurechtgemachten Frau ab‹ etc. bis zu ›entflammt.‹ 686 Auch wird dort gesagt [Eccli. 9,5]: ›Schau kein junges Mädchen an, damit du nicht etwa durch seine Schönheit verführt wirst.‹ Elfte Erzählung 687 Cinyras [der Sohn des Paphus] war ein gewisser König, der Myrrha, eine ausnehmend schöne junge Frau, zur Tochter hatte. Da diese nun mit wahnsinniger Liebe ihren Vater liebte, aber an der Möglichkeit eines Beischlafs verzweifelte, erwog sie bei sich, über ihre Schönheit weinend, Gründe und Gegengründe und führte bald Gründe für sich, bald gegen sich an und schob das Verbot väterlichen Beischlafs auf den Neid der Natur und der Götter. Als sie sich nun aus Verzweiflung erhängen wollte, erkannte ihre Amme den Grund ihres Schmerzes und

16 Fabula undecima X,10 G. 5 facti GB; sic effecti V2; sic V4Ep; sic facti Tr; om. LLo1Lo2Pa8. 8 nimiam familiaritatem Lo1Pa8V4TrEp; om. GB. 9 vel e contrario Lo2V2; om. G; vel econtra LLo1Pa8; vel econverso V4Ep; vel econtrario mulieribus cohabitare B; vel econverso scilicet mulieri cum religiosis etc. Tr. 9 – 11 quia . . . succrescere GB; om. LLo1Lo2Pa8V2V4TrEp. 10 non om. G, sed add. in marg. 13 compta Pa8V2V4BTrEp; compreta G; om. LLo1. 17 Cinyras Cynara G; Cyna Lo1V2Tr; Cynarus V4; Cinera B; Cinaras Ep. 18 Myrrham Mirrham Ep; Mirram GLo1V2BTr; om. V4. 21 de pulcritudine G; uberime LLo1; pulcritudine Pa8V4; pulcerrime Lo2 V2BTrEp. 22 contra q contra G, sed del q. 23 paterni al. codd. et Ep; patrini G.

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remedium repromisit. Regina igitur quadam die absente nutrix patrem de tradenda sibi quadam puella alloquitur; ipsam tamen nullo modo velle videri attestatur. Et sic fit, quod patre ignorante filia pluries sibi supposita ab eo impregnatur. Rex tamen lapsu temporis cognoscens filiam pre facti turpitudine fit insanus et evaginato gladio sequitur fugientem. Myrrha vero proprium crimen abhorrens deos, ut ipsam commutent in arborem, interpellat, ne forte, si in mundo remaneat, vivos inficiat vel, si moriens descendat ad inferos, mortuos corrumpat. Myrrha ergo pregnans in sui nominis arborem mutatur, que pre doloris amaritudine guttam amarissimam stillat. Puer vero prius genitus infra ipsum lignum sub cortice perficitur et tandem completo tempore in arbore parturitur; qui puer Adonis nuncupatur. Moraliter 688

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Iste rex significat Christum vel prelatum, cuius uxor sibi immediate coniuncta significat quemlibet ecclesiasticum, mala ergo et impudens filia significat ambitiosum. Igitur dico, quod plerumque accidit, quod aliqua mala filia, id est aliqua persona ambitiosa, summe cupit patri suo, Christo, in aliquo beneficio ecclesiastico coniugari et ad eius conubium exaltari. Qui quamvis imperfectione meritorum suorum et contra dictamen

versprach ihr, ein Heilmittel zu beschaffen. Als die Königin nun eines Tages abwesend ist, spricht die Amme den Vater an, dass sie ihm ein Mädchen zuführen werde; sie bekräftigt aber, dass es in keiner Weise gesehen werden wolle. Und so geschieht es, dass sich ohne Wissen des Vaters die Tochter ihm mehrmals beigesellt und von ihm schwanger wird. Als der König jedoch nach einiger Zeit seine Tochter erkennt, wird er wegen der Schändlichkeit der Tat wahnsinnig, und er zieht sein Schwert und verfolgt die Fliehende. Myrrha aber schaudert vor ihrem eigenen Verbrechen und bittet die Götter inständig, sie in einen Baum zu verwandeln, damit sie nicht etwa, wenn sie in dieser Welt verbleibe, die Lebenden beflecke oder, wenn sie sterbe und in die Unterwelt hinabsteige, die Toten entehre. Also wird die schwangere Myrrha in den Baum ihres Namens verwandelt, der aus Bitterkeit des Schmerzes sehr bittere Tränen vergießt. Der Knabe aber, der vorher gezeugt wurde, wächst im Holz unter der Rinde heran und wird schließlich nach Vollendung der Zeit aus dem Baum geboren; dieser Knabe wird Adonis genannt. Moralisierung 688 Dieser König bedeutet Christus oder einen Prälaten, seine Gattin, die ihm unmittelbar verbunden ist, bedeutet irgendeinen Kirchenmann, die schlechte und schamlose Tochter nun bezeichnet einen Ehrgeizigen. Also sage ich, dass es meist geschieht, dass eine schlechte Tochter, d.h. eine ehrgeizige Person, stark danach verlangt, mit ihrem Vater, Christus, in einem kirchlichen Lehen verbunden und zur Ehe mit ihm erhöht zu werden. Obgleich dieser aufgrund der Unvollkommenheit seiner Verdienste und ge-

1 repromisit G; promisit Lo1Pa8V4BTr; ei promisit Ep. 2 patrem Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 14 – 15 arborem Lo1Pa8V4BTrEp; arbore G. 19 Adonis Ep; Adonides GLo1V2V4BTr. 25 impudens Lo1Lo2Pa8V4Ep; imprudens G; impudica BTr.

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rationis hoc posse vel debere fieri desperet, solet tamen, quando videt, quod mater sua est absens, id est quod prelatus est mortuus et quod vacat aliqua sedes vel beneficium, statim solet se occulte subponere et in patris lecto, id est in ecclesia Christi, ingerere et per auxilium nutricis, id est per adiutorium alicuius mali favoris, ibi prece vel precio subintrare. Sed pro certo talis a patre, id est a Christo, eicitur et tribulationibus et infortuniis fatigatur. In Myrrham ergo, que est amarissima, debet mutari pro eo, quod finaliter, qui sic intrat ecclesiam, solet amaritudinibus flagellari et in amaritudinem terminari et in arborem, id est miserum et pauperem, transformari, ita quod talis finaliter potest dicere: Vocate me Mara, id est amaram, quia amaritudine replevit me omnipotens. Ruth. primo. Vel, quod ista filia significat animam peccatricem, que Cinyre, id est diaboli, dicitur esse nata, quia pro certo ista ab isto patre suo, diabolo, cum quo fornicata est, et male delectata et vitiis impregnata fuit. Finaliter ab isto persequitur et mortis et inferni tribulationibus impugnatur. Et sic fit, quod in Myrrham, id est amaritudinem, vertitur, inquantum in inferno condemnatur. Ista tamen sic mutata et mortua existens parturit, inquantum errores et vitia

gen das Urteil des Verstandes daran verzweifelt, dass dies geschehen kann oder darf, pflegt er dennoch, wenn er sieht, dass seine Mutter abwesend ist, d.h. dass der Prälat gestorben ist und dass ein Amt oder ein Lehen frei ist, sogleich sich heimlich beizugesellen und sich im Bett des Vaters, d.h. in der Kirche Christi, aufzudrängen und sich mit Hilfe einer Amme, d.h. mit Unterstützung einer schlechten Begünstigung, dort durch Bitten oder Bestechung einzuschleichen. Ganz sicher aber wird ein solcher vom Vater, d.h. von Christus, hinausgeworfen und durch Leiden und Unglück ermüdet. Deshalb muss er also in eine Myrrhe, die sehr bitter ist, verwandelt werden, weil der, der so in die Kirche eintritt, schließlich mit Bitterkeit geschlagen zu werden und in Bitterkeit zu enden wie auch in einen Baum, d.h. in einen Elenden und Armen, verwandelt zu werden pflegt, so dass ein solcher Mensch zuletzt sagen kann: ›Nennt mich Mara, d.h. die Bittere, da mich der Allmächtige mit Bitterkeit erfüllte,‹ Ruth. 1,20. Oder sag, dass die Tochter eine sündige Seele bedeutet, die man als Tochter des Cinyras, d.h. des Teufels, verstehen kann, weil sie in der Tat von ihrem Vater, dem Teufel, mit dem sie gehurt hat, in verwerflicher Weise vergnügt und mit Lastern geschwängert worden ist. Am Ende wird sie von ihm verfolgt und mit den Qualen des Todes und der Hölle bekämft. Und so kommt es dazu, dass sie in eine Myrrhe, d.h. in Bitterkeit, verwandelt wird, sofern sie in der Hölle schuldig gesprochen wird. Sie wird jedoch so verändert und gebiert, bereits tot, sofern sie ihre Fehler und Las-

1 vel Lo1V4BTrEp; om. G. 4 aliqua Lo1V2V4BTrEp; aplica G. 5 solet GLo2Pa8V4BTr; om. LLo1Ep. 9 subintrare Lo1Pa8V4BTrEp; subincohare G. 17 Mara Ep; Marath GLo2V2V4B; Maram Pa8; Mirra Tr; om. Mara id est LLo1. 18 amaritudine Lo1Pa8V4TrEp; amaritudinem G; om. B. 21 – 22 diaboli . . . nata Lo2 V2BEp; que scilicet cum patre, id est diabolo, dicitur esse nata G; dicitur esse filia et nata Pa8; diaboli, dicitur esse filia et nata V4; om. LLo1Tr. 25 mortis LLo1Pa8V2BTr; morte G; moritur V4; morti Lo2; morti (. . . exponitur) Ep.

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post mortem mittit ad alios per mala documenta et exempla, que dimisit. Tunc enim puer de matre mortua in arborem conversa extrahitur, quando peccatum ex mortuis dictis et exemplis concipitur et per imitationem ad alios fertur. Vel dic, quod, quando deus pater persequitur tribulationibus malam filiam, id est personam peccatricem, solet plerumque in myrrham mutari, id est per penitentiam in amaritudinem converti. Ista autem sic mutata et iam tribulationibus arbor effecta medicinalis solet pulcrum filium, id est bonum opus, desub cortice humilitatis parere et liquorem medicinalem, quem myrrha dicitur fundere, id est bonam doctrinam vel eleemosynam distillare, Cant.: Manus mee distillaverunt myrrham probatissimam. 689 Vel dic, quod ista est beata virgo, que scilicet in myrrham, id est in amaritudinem, est mutata et in odoris fragrantiam conversa, Eccli. 24: Quasi myrrha electa dedi suavitatem odoris etc. 690 Ista ergo a patre suo filium concepit, scilicet Christum, et ipsum infra lignum et corticem, id est infra uterum castum et intactum sine corruptione continuit et eum postea non caro, sed lignum existens, id est non carnalis, sed virgo permanens parturivit, Is. 7: Ecce virgo concipiet etc. 691 Figurata in virga Aaron, que sicca floruit. 692

ter nach dem Tod durch schlechte Zeugnisse und Beispiele, die sie ausgesandt hat, an andere schickt. Dann nämlich wird ein Knabe aus der toten Mutter, die in einen Baum verwandelt wurde, herausgezogen, wenn die Sünde aus toten Worten und Beispielen empfangen und durch Nachahmung an andere weitergegeben wird. Oder sag, dass, wenn Gottvater eine schlechte Tochter, d.h. eine sündige Person, mit Leiden verfolgt, sie in der Regel in eine Myrrhe verwandelt wird, d. h. durch Reue zu Bitterkeit wird. Da diese aber so verwandelt und nun durch Leiden zu einem Heilbaum geworden ist, pflegt sie einen schönen Sohn, d.h. ein gutes Werk, unter der Rinde der Demut zu gebären und eine heilsame Flüssigkeit, die die Myrrhe aussondert, wie man weiß, d. h. eine gute Lehre oder Almosen, auszuträufeln, Cant. 5,5: ›Meine Hände troffen von bester Myrrhe.‹ 689 Oder sag, dass diese die selige Jungfrau ist; denn sie ist in eine Myrrhe, d. h. in Bitterkeit verwandelt, und strömte einen wohlriechenden Duft aus, Eccli. 24,20: ›Wie eine erlesene Myrrhe gab ich einen köstlichen Duft ab.‹ 690 Diese empfing also von ihrem Vater einen Sohn, nämlich Christus, und hielt ihn zwischen Holz und Rinde, d.h. in ihrem keuschen und unberührten Schoß, der unversehrt war, umschlossen, und später gebar sie ihn, obwohl sie nicht Fleisch, sondern Holz war, d.h. nicht geschlechtlich verkehrte, sondern Jungfrau blieb, Is. 7,14: ›Siehe, eine Jungfrau wird empfangen‹ etc. 691 Präfiguriert war sie durch den Stab Aarons, der vertrocknet war und dann doch blühte. 692

2 dimisit Lo1Pa8V4BTrEp; dixit G. 4 mortuis GLo1Lo2Pa8V2V4Tr; mortui Ep. 6 fertur Lo1Pa8V2V4BTrEp; convertitur G. 14 desub G; sub Lo1Pa8V4TrEp; de B. 15 – 16 quem . . . fundere Lo2Pa8V4Ep; qui mirra dicitur GV2BTr; stillare Lo1. 17 Cant. Can. lac. G. 17 mee Lo1Pa8V4BTrEp; mea G. 18 probatissimam GLo1Pa8V4; add. et digiti mei pleni myrrha probatissima BTrEpVulg. 19 ista ista filia Ep. 20 scilicet de patre concepit et Ep. 20 in myrram . . . in amaritudinem Lo1Lo2V4Tr; in mirra, id est in amaritudine G. 21 fragrantiam Lo1V2Tr; fragrantia GLB; fragantiam Lo2Ep; flagrantiam Pa8. 31 floruit add. Num. 17. Ep.

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Zwölfte Erzählung 693

Adonis fuit filius arboris Myrrhe ita pulcer, quod Venus ipsum dicitur amasse. Vulnerata enim fuit quadam die telo Cupidinis filii sui matrem incautius osculantis. Quapropter videns Adonidem in ipsum dicitur exarsisse. Relicto ergo officio suo circa istum solum cepit vacare, templa sua nec non et celum dimittere, istum osculari et pectinare conatur. Igitur cum iste esset venator, monebat eum Venus, quod apros et leones non invaderet, sed solum cervos, damulas et lepores infestaret. Docebat enim ipsum contra fugantes esse audacem, contra vero feras audaces esse fugacem, versus: Nam sicut inquit: ›In audaces non est audacia tuta‹. 694 Sed ipse tandem horum documentorum immemor, sed proprie virtutis memor aprum insurgentem invadit, qui ipsum dentibus laniat et occidit. Cui tandem Venus condolens ipsum in florem mutavit. Hunc ergo, quia mulieres gentiles in flore iuventutis mori viderunt, flere annuatim decreverunt ipsumque revicturum postea crediderunt sicut videtur invenire in sacra scriptura, Ez. 8, ubi dicitur, quod vidit mulieres plangentes Adonidem. 695

Adonis, der Sohn des Myrrhenbaums, war so schön, dass Venus sich in ihn verliebt haben soll. Sie war nämlich eines Tages vom Pfeil ihres Sohnes Cupido verletzt worden, als er seine Mutter zu unvorsichtig küsste. Deshalb sei sie – heißt es –, als sie Adonis sah, für ihn entflammt. Sie ließ also ihre Aufgaben hintan und begann, sich allein ihm zu widmen, ihre Tempel und auch den Himmel zu vernachlässigen. Sie versuchte, ihn zu küssen und zu kämmen. Da er nun ein Jäger war, ermahnte ihn Venus, dass er Wildschweine und Löwen nicht angreife, sondern nur Hirsche, kleine Rehe und Hasen jage. Sie lehrte ihn nämlich, gegenüber fliehenden Tieren kühn, gegenüber kühnen Tieren aber flüchtig zu sein. Denn, wie sie ›sagte: Gegenüber Mutigen ist Mut nicht sicher.‹ 694 Er aber beherzigte diese Lehren schließlich nicht, sondern griff im Vertrauen auf seine eigene Kraft einen gegen ihn hervorbrechenden Eber an, der ihn dann mit seinen Hauern verletzte und tötete. Venus betrauerte ihn und verwandelte ihn schließlich in eine Blume. Weil ihn Frauen des Landes in der Blüte seiner Jugend sterben sahen, beschlossen sie nun, ihn jährlich zu beweinen, und sie glaubten, er werde später wieder leben, wie man es wohl in der Heiligen Schrift findet, wo es Ez. 8,14 heißt, dass ›er Frauen Adonis beweinen‹ sah. 695

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Si autem vis, illud primum dic, quod Cupido volens osculari matrem ipsam vulneravit, et allega contra consanguineos, qui ni-

Moralisierung Wenn du aber willst, sag zuerst, dass Cupido, der seine Mutter küssen wollte, sie verletzte, und leg es gegen Verwandte aus, die 1 Fabula duodecima X,11 G. 2 Adonis Lo2V2BTrEp; Adonides GLLo1Pa8V4. 9 – 10 pectinare Lo2Pa8V4BTrEp; preamare G; osculari pre omnibus LLo1. 10 conatur G; desiderabat Lo1; om. Pa8V4BTrEp. 15 versus add. in marg. G. 19 insurgentem Lo1Pa8V4BTr; surgentem G; ingentem Ep. 29 – 30 quod Cupido . . . matrem GB; Cupido, qui osculans matrem LLo1Pa8V4; Cupido osculans matrem Lo2V2TrEp. 31 consanguineos LLo1Lo2Pa8V4 TrEp; sanguineos GB. 31 – 400,1 nimis familiariter LLo1Lo2Pa8V4TrEp; nimis GB.

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mis familiariter consanguineas osculantur, quia sepe fit, quod inde per appetitum luxurie ipse consanguinee vulnerantur, ita quod Adonidem, id est aliquem extraneum, occasione temptationis diligere sepius comprobantur. Vel dic, quod secundum malitiam mundi homo non debet contra fortes leones et apros, id est mundi potentes et tyrannos, lites et bella gerere, quin immo tutius est cervos et lepores, id est fugaces et pauperes, impugnare. Illi enim, qui contra mundi potentes insurgunt, quandoque ab ipsis occiduntur et opprimuntur. Et sic in florem mutari dicuntur, inquantum more floris decidunt et succumbunt, ita aliis fletus et suspirii causa fiunt, 696 Ps.: Exterminavit eum aper de silva. Fabula decima tertia 697

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Atalanta Schoenei 698 filia nympha pulcerrima ex responso deorum habuit, quod vita caritura esset, si alicui nuberet. Quo territa coniugium fugiebat et silvas et invia frequentabat. Verum quia velocissima erat cursu, statuit, ut, quicumque eam in coniugem habere vellet, prius cum ipsa cursu contenderet et, si eam posset superare, eius connubio frueretur, si vero superatus ab ipsa existeret, capite truncaretur. Cum igitur iam plures sub hac lege eius

ihre weiblichen Blutsverwandten mit zu heftiger Vertrautheit küssen, weil es oft geschieht, dass davon aus dem sexuellen Verlangen die Verwandten selbst verletzt werden, so dass sie, wie die Erfahrung lehrt, zu oft in einer sich bietenden Versuchung einen Adonis, d.h. einen Fremden, lieben. Oder sag, dass laut der Bosheit der Welt der Mensch nicht gegen starke Löwen und Eber, d.h. gegen weltliche Herrscher und Tyrannen, Auseinandersetzungen und Kriege führen soll, da es ja viel sicherer ist, Hirsche und Hasen, d. h. Flüchtende und Arme, anzugreifen. Jene nämlich, die sich gegen die weltlichen Herrscher erheben, werden bisweilen von ihnen getötet oder unterdrückt. Und so heißt es, dass sie in eine Blume verwandelt werden, sofern sie nach Art einer Blume abfallen und unterliegen und so für andere Grund zum Klagen und Seufzen werden 696 , Ps. 79,14: ›Der Eber vertrieb ihn aus dem Wald.‹ Dreizehnte Erzählung 697 Atalanta, die Tochter des Schoeneus 698 , eine sehr schöne junge Frau, wusste aus einer Auskunft der Götter, dass sie ihr Leben verlieren werde, wenn sie jemanden heirate. Davon erschreckt, mied sie die Ehe und hielt sich meist in Wäldern und unwegsamen Gegenden auf. Weil sie aber überaus schnell im Lauf war, setzte sie fest, dass, wer auch immer sie zur Gattin haben wolle, zuerst im Wettlauf gegen sie antreten müsse und, wenn er sie besiegen könne, sich der Vermählung mit ihr erfreuen dürfe; wenn er aber von ihr besiegt werde, würde er geköpft werden. Nachdem also schon viele unter dieser Bedingung die

19 Fabula decima tertia X,12 G. 1 consanguineas Pa8V2V4BTr; consanguinas G; consanguineos LLo1Ep. 4 Adonidem codd. et Ep; Adonide G. 4 aliquem extraneum Lo1Pa8V4BTrEp; aliquam extraneam G. 20 Atalanta Athalanta TrEp; Athlanta GLo1V2V4; Athalantam B. 20 Schoenei coni. cf. Schoeneia Ov. Met. 10,609; Cynei GLo1V2TrV4; Cyney LLo1; Cinei Lo2; Ciney B; Cenei Ep. 21 vita viva seipsa Ep. 29 ab ab a G, sed del. a.

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connubia petissent et victi capita perdidissent, affuit Hippomenes iuvenis pulcerrimus, nepos Neptuni, qui lege contempta cursu contendit cum virgine; et eius motus specie sperat insuperabilem superare. Virgo autem sue audacie et pulcritudinis compatiens suum dissuadebat coniugium et, utrum vinci se permittat ab eo, deliberat in se ipsa. Hippomenes etiam ad Veneris fugit oracula et eius in hoc negotio petit opem. Venus ergo miserta iuvenis a casu secum tria poma aurea deferebat, que scilicet in arbore sua ante templum suum Damasci constituta colligerat. Que iuveni largitur benigniter ipsumque, qualiter uteretur eisdem, instruit et informat. Igitur ambo simul cursum arripiunt, sed statim virgo iuvenem preteriit fatigatum. Qui vinci metuens primum pomum proiecit in obliquum; quod admirans virgo ad pomum divertitur e stadio et sic transeundi spatium sibi dedit. Cum ergo hec iam ter fecisset et propter poma aurea virgo de semita divertisset pondusque pomorum ipsam non modicum onerasset, iuvenis primo venit ad terminum et sic optatum acquisivit conubium. Verum quia iste ingratus nulla Veneri pro tanto beneficio thura dedit, ipsum tanto ardore libidinis percussit, quod in templo Cybeles matris deorum concubuit cum uxore. Propter

Ehe mit ihr angestrebt und besiegt um ihren Kopf gebracht wurden, erschien Hippomenes, ein ausnehmend schöner Jüngling, ein Enkel des Neptun, der sich nichts aus der Bedingung machte und sich im Wettlauf mit der jungen Frau maß; überwältigt von ihrer Schönheit, hoffte er die Unbesiegbare zu besiegen. Die junge Frau aber hatte Mitleid mit seiner Kühnheit und Schönheit und riet von der Ehe mit sich ab, und sie erwog bei sich, ob sie zulassen solle, von ihm besiegt zu werden. Hippomenes suchte auch Zuflucht beim Orakel der Venus und erbat sich ihre Hilfe bei dieser Aufgabe. Venus, die Mitleid mit dem Jüngling spürte, hatte zufällig drei goldene Äpfel bei sich, die sie nämlich bei ihrem Baum, der vor ihrem Tempel in Damascus gepflanzt war, aufgesammelt hatte. Großzügig schenkte sie diese dem Jüngling und belehrte und unterrichtete ihn darüber, wie er sie benutzen solle. Also begannen beide zugleich den Lauf, aber sehr bald ließ die Jungfrau den ermüdeten Jüngling hinter sich. Weil dieser fürchtete, besiegt zu werden, warf er den ersten Apfel zur Seite. Da die Jungfrau diesen bewunderte, wandte sie sich von der Bahn ab zum Apfel und gab ihm so Platz zum Überholen. Als er dies nun dreimal gemacht hatte und die Jungfrau wegen der goldenen Äpfel vom Weg abgekommen war und das Gewicht der Äpfel sie nicht wenig belastet hatte, kam der Jüngling zuerst ans Ziel und erlangte so die erwünschte Ehe. Weil der undankbare junge Mann aber Venus keinen Weihrauch für ihre so große Wohltat spendete, schlug sie ihn mit einem so brennenden Liebesverlangen, dass er mit seiner Gattin im Tempel der Göttermutter Cybele den Beischlaf vollzog. Deshalb ver-

1 victi Pa8V2V4BEp; victa G; vitti Lo1; multi Tr. 2 Hippomenes Ep; Ypomenes GLLo1Lo2Pa8V4BTr. 5 specie Lo1Lo2Pa8V2V4BTrEp; spem GL. 10 eius Lo1Lo2V2BTrEp; ei G; al. Pa8V4. 13 Damasci in agro Damasceno Ep. 23 de semita Lo1V4BTrEp; de mita G; a semita Pa8. 29 – 30 matris Lo1Pa8V4BTrEp; matres G.

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quod ipsos ambos Cybeles in leones mutavit et suo curru subiugavit. Et quia luxuriose egerant, ipsos nature fornicarie fecit, quod leo cum parda et pardus cum leena adulteria committerent ordinavit. 699

wandelte Cybele die beiden in Löwen und spannte sie vor ihren Wagen. Und weil sie unzüchtig gehandelt hatten, gab sie ihnen eine Huren-Natur und bestimmte, dass der Löwe mit dem weiblichen Panther und der Panther mit der Löwin Ehebruch begehe. 699

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Applica hoc contra luxuriosos iuvenculos: Constat enim, quod sepe fit, quod aliqua nobilis domicella a pluribus requiritur et ab ipsis insequitur et rogatur. Verum quia ista honorem suum diligens ante eos fortiter currit et fugit, occasiones evitans ipsorum libidini taliter contradicit, quod nullus eam apprehendit. Immo multi sunt, qui per eam mentaliter occiduntur, dum, quia eam non possunt assequi, stimulis Veneris cruciantur, 2. Mach. 4: Cursu pertransiit terram. 700 Sed finaliter Hippomenes venit, id est aliquis pulcer iuvenis, cuius speciositas placet nymphe in tantum, quod etiam ipsa quasi proponit, quod vinci ab eo se permittat et quod fugam et cursum suum retardet ante iuvenem, ut precedat. Ipse etiam ad poma aurea, id est ad dona et munera, proicienda se vertit; que dum virgo recipit, paulatim a cursu contradictionis et fuge se deflectit. Sic ergo fit, quod avaritia suffragante et concupiscentia stimulante et Venere, id est luxuria, mediante virgo a iuvene vincitur et eius concubitu subarratur, quia pro certo mu-

Moralisierung Wende dies gegen unzüchtige junge Männer an. Es steht nämlich fest, dass es oft geschieht, dass ein vornehmes Mädchen von mehreren umworben und von ihnen verfolgt und um ihre Hand gebeten wird. Weil sie aber ihre Ehre liebt, läuft sie kraftvoll vor ihnen fort und flieht und meidet Gelegenheiten. Auf solche Weise widersteht sie ihrem Begehren, dass keiner sie bekommt; vielmehr gibt es viele, die durch sie geistig getötet werden, wenn sie, weil sie sie nicht einholen können, vom Stachel der Liebe gequält werden, 2. Mach. 14,45: ›Im Lauf durchschritt sie das Land.‹ 700 Schließlich aber kommt Hippomenes, d.h. irgendein schöner junger Mann, dessen Wohlgestalt der jungen Frau so sehr gefällt, dass sie sich sogar gleichsam vornimmt, sich von ihm besiegen zu lassen und die Flucht und ihren Lauf vor dem Jüngling zu verlangsamen, so dass er vorausläuft. Er greift auch dazu, goldene Äpfel, d. h. Gaben und Geschenke, hinzuwerfen; während die Jungfrau diese annimmt, wendet sie sich allmählich vom Lauf des Widerspruchs und der Flucht ab. So geschieht es nun, dass die Jungfrau mit Unterstützung der Habgier und unter Anstachelung des Begehrens und mit Hilfe der Venus, d.h. der Zügellosigkeit, vom Jüngling besiegt wird und sich mit ihm im Beilager verbindet, da die

2 – 5 Et . . . ordinavit codd. et Ep; om. Tr. 3 egerant LLo1Lo2V2B; egerat G; egerunt Pa8V4Ep; om. Tr. 4 quod GV2B; ita quod V4Ep. 7 iuvenculos GLo2V2Tr; iuvenes Lo1B; iuvenculas Pa8V4; iuvenes et iuvenculas Ep. 17 2. Mach. 14 2. Ma. 4 G. 24 proicienda GLLo1V2BTr; om. Lo2Pa8V4Ep. 25 que Lo1Pa8 V2V4BTrEp; quia G.

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lier, que ad poma aurea, id est ad dona et munera, se deflectit, diu non potest fugere, immo cursum et fugam sistit et finaliter consentit. Gal. 5: Currebatis bene, quis vos impedivit? Finaliter tales in leones mutantur, inquantum adulteria committendo more leonum anhelitu fetent, 701 eo quod turpiter diffamantur. Et hoc potissime verum est de malis ecclesiasticis, qui scilicet in templo matris deorum, id est in ecclesia, que est mater sanctorum – Gal. 4. Ierusalem, que est mater nostra – impudice se habent, quia scilicet isti leones dici possunt, inquantum per infamiam summe fetent. Vel dic, quod ista nympha est anima, quam Hippomenes, id est diabolus, temptationibus non cessat persequi, ut scilicet ipsam per malos consensus capiat et pudicitiam gratie sibi tollat. Ipsa tamen quandoque taliter per dissensum peccata fugit et per bona opera currit, quod ad ipsam diabolus non attingit, sed pro certo, quando videt, quod ipsam superare non potest, tria poma aurea, id est tria mundi bona, scilicet divitias, delicias et honores, sibi solet offerre. Et sic, dum circa ista anima solet vacare, necesse habet a cursu bonorum operum se tardare. Sic ergo fit, quod mediante isto triplici pomo, id est triplici mundi bono, istam per avaritiam quantum ad divitias, per luxuriam quantum ad delicias et per superbiam quantum ad eminentias consequitur et eidem per vitia coniugatur et sic sua spi-

Frau, die sich goldenen Äpfeln, d.h. Gaben und Geschenken, zuwendet, gewiss nicht lange fliehen kann, vielmehr den Lauf und die Flucht verlangsamt und schließlich einstimmt, Gal. 5,7: ›Gut seid ihr gelaufen, wer hinderte euch?‹ Schließlich werden solche in Löwen verwandelt, sofern sie durch Ehebruch nach Art der Löwen von ihrem Atem übel riechen, 701 weil sie schändlich verunglimpft werden. Und dies bewahrheitet sich besonders bei schlechten Geistlichen, die nämlich im Tempel der Gottesmutter, d.h. in der Kirche, die die Mutter der Heiligen ist – Gal. 4,26: ›Ierusalem, welche unsere Mutter ist‹ –, sich schamlos verhalten; denn sie können Löwen genannt werden, wenn sie durch Schande äußerst übel riechen. Oder sag, dass diese Jungfrau die Seele ist, die Hippomenes, d. h. der Teufel, unaufhörlich mit seinen Versuchungen verfolgt, so dass er sie durch Verderben bringende Zustimmung fängt und ihr die Reinheit des Gnadenstandes nimmt. Dennoch vermeidet sie bisweilen durch Verweigerung die Sünden auf eine solche Weise und läuft durch gute Werke, dass der Teufel sie nicht erreicht, sondern ihr tatsächlich, wenn er sieht, dass er sie nicht überwinden kann, drei goldene Äpfel, d.h. drei weltliche Güter, nämlich Reichtum, Vergnügungen und Ehren, anzubieten pflegt. Und wenn die Seele sich diesen wiederholt zuwendet, muss sie sich im Lauf guter Werke verlangsamen. So geschieht es also, dass er sie mit Hilfe dieses dreifachen Apfels, d.h. dieses dreifachen weltlichen Gutes, durch Habgier zu Reichtum, durch Unzucht zu Vergnügungen und durch Stolz zu hohen Ehren verführt und sich durch diese Laster

12 habent LLo1V2BTrEp; habuit GLo2V4; habet Pa8. 15 nympha est anima Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 18 consensus GV2B; affectus LLo1; concupiscentias Pa8Ep; concupiscentiam V4; consensum Tr; om. Lo2. 20 per dissensum peccata Lo1Lo2Pa8Ep; per descensum peccati G; per discensum peccata L; per dissensum peccati V2V4; per discesum peccati B; peccata per discessum Tr. 32 eminentias Lo1V4BTrEp; dementias G.

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ritualis virginitas violatur. Unde de diabolo potest dici illud Prov. 1: Pedes eius ad malum currunt etc. usque sanguinem. 702

2 Prov. 1 Prov. 2 G.

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mit ihr verbindet; und so wird ihre geistige Jungfräulichkeit verletzt. Daher kann jenes Wort Prov. 1,16 vom Teufel gesagt werden: ›Seine Füße laufen zum Bösen‹ etc. bis zu ›Blut‹. 702

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Carmine dum tali silvas etc. 703

Während [. . .] mit solchem Gesang die Wälder etc. 703

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In isto libro ait primo Ovidius de morte Orphei et mutatione mulierum, que eum occiderunt. Sed de hoc dictum est libro precedenti 705 , transeundum est ergo ad fabulas consequentes. Midas fuit quidam rex Phrygie. Accidit ergo, quod Silenus Bacchi sacerdos et alumnus a ruriculis Phrygie 706 ebrius et titubans inventus ad Midam regem spe prede ducitur. Sed Midas, qui etiam sacerdos Bacchi fuerat, eum honorabiliter festivavit, propter quod Bacchus ei, quod, quidquid vellet petere, et fieret, repromisit. Midas igitur a Baccho petiit, quod, quicquid tetigerit, aurum fiat. Cui Bacchus annuens, quicquid tangebat rex, in auri substantiam statim mutatur. Igitur Midas tangit domos, herbas, arbores, saxa et omnia in aurum mutabantur, ita quod cuncta, que erant in patria sua, rutilare colore auri videbantur. Finaliter ergo fatigatus in tangendo cepit famescere, sed cum cibum vel vinum dentibus vel labiis tangeret, cepit similiter aurum esse, ita quod donum suum fami sue non poterat subvenire. Quapropter videns se male rogasse de tollendo dono, quod indiscrete ro-

Erste Erzählung 704 In diesem Buch spricht Ovid zuerst vom Tod des Orpheus und von der Verwandlung der Frauen, die ihn töteten. Aber das ist schon im vorangegangenen Buch behandelt worden, 705 wir können daher nun zu den folgenden Erzählungen übergehen. Midas war König von Phrygien. Es geschieht nun, dass Silenus, ein Priester und Jünger des Bacchus, von phrygischen Bauern 706 trunken und schwankend aufgefunden, in der Erwartung von Gewinn zu König Midas geführt wird. Midas, der auch ein Priester des Bacchus gewesen war, empfing ihn aber in Ehren zum Festmahl; deshalb versprach ihm Bacchus, dass, was auch immer er erbitten wolle, auch geschehe. Also erbat Midas von Bacchus, dass alles, was er berührte, zu Gold werde; dies gestand Bacchus ihm zu: Alles was der König berührte, verwandelte sich sogleich in Gold. Also berührte Midas Häuser, Gras, Bäume, Steine, und alles wurde in Gold verwandelt, so dass alles, was sich in seiner Heimat fand, von der Farbe des Goldes rötlich zu glänzen schien. Schließlich nun wurde er vom Berühren müde und begann Hunger zu spüren. Aber als er die Speise mit seinen Zähnen oder den Wein mit den Lippen berührte, begann es ebenso zu Gold zu werden, so dass sein Geschenk seinen Hunger nicht stillen konnte. Weil er sah, dass er einen schlechten Wunsch geäußert hatte, bat er Bacchus um die Aufhebung des

5 – 6 occiderunt add. in arbores et de dracone, qui caput eius devorare voluit, in lapidem mutato Ep. 9 Phrygie Frigie G. 10 Silenus Ep; Tillenus G; Cillenus Lo1V2; Chillenus V4; Cylenus B; Celeus Tr. 11 a ruricolis Frigie LLo1V2B; auriculus frigiis G; om. Lo2TrEp. 12 spe B; sepe G; specie LLo2Pa8V4Ep; sub specie Lo1. 14 festivavit LLo1Ep; festinavit GLo2V4BTr; tractat Pa8. 15 – 16 petere et fieret coni.; peteret et fieret GB; petere impetraret LLo1; petere, ut fieret Lo2Ep; peteret et quod fieret Pa8V2V4; peteret, quod fieri Tr. 16 repromisit GLo2V2V4BTrEp; promisit LLo1Pa8. 26 aurum dem aurum G, sed del. dem.

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gaverat, Bacchum exorat et dictum est sibi, quod in Pactolo fluvio se immergat. Quod cum fecisset, virtus aurea in fluvio mansit, ita quod ex tunc arenas aureas generavit. Midas ergo, cui divitie optate tanta mala fecerant, ex tunc cepit divitias perhorrere et rura vagabundus incolere et animalia frequentare. Moraliter

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Dic, si vis, causam litteralem fabule ortum sumpsisse ab ebriosis: Midas enim sacerdos Bacchi, id est vini, dicitur fuisse, inquantum aliquando supponitur ultra modum bibisse. Et ideo Silenum titubantem honorat, quia ebrius ebrium amat. Sed virtute Bacchi, id est vini, quicquid tangitur, aurum efficitur, inquantum vir ebriosus se esse divitem imaginatur et quicquid ab eo aurum reputetur, Prov. 31: Bibant et obliviscantur egestatis sue. Vel dic proprie contra avaros, qui nihil sciunt a deo petere nisi aurum. Et ideo plerumque fit, quod deus talem fortunam dat avaro, quod in omnibus, que facit, lucratur et sic, quicquid tangit, in aurum mutare dicitur, quia scilicet de quocumque negotio se intromittit vel artificio advenit sibi auri lucrum. Quin immo sepe fit, quod proprios cibos in aurum vertit, inquantum ad saturitatem non audet comedere, sed potius cibos

Geschenks, das er unüberlegt erbeten hatte, und ihm wurde gesagt, dass er im Fluss Pactolus untertauchen solle. Nachdem er dies getan hatte, blieb die goldschaffende Kraft im Fluss, so dass dieser seitdem goldenen Sand hervorbrachte. Midas nun, dem der erwünschte Reichtum so viel Übel gebracht hatte, begann von da an, Reichtum zu verabscheuen, sich ohne feste Bleibe auf dem Land aufzuhalten und die Gesellschaft der Tiere zu suchen. Moralisierung Sag, wenn du willst, dass der Grund der Erzählung im Literalsinn seinen Ausgang von den Trunkenen genommen hat: Midas soll nämlich der Priester des Bacchus, d.h. des Weines, gewesen sein, sofern unterstellt wird, dass er einst über das Maß hinaus getrunken habe. Und deshalb ehrt er den wankenden Silen, weil der Trunkene den Trunkenen liebt. Aber durch die Kraft des Bacchus, d.h. des Weines, wird alles zu Gold, was man berührt, sofern ein betrunkener Mann sich einbildet, reich zu sein, und alles Mögliche von ihm für Gold gehalten wird, Prov. 31,7: ›Sie sollen trinken und ihre Armut vergessen.‹ Oder wende es im eigentlichen Sinn gegen die Gierigen, die von Gott nichts außer Gold zu verlangen wissen. Und deshalb pflegt es zu geschehen, dass Gott dem Habgierigen ein solches Los gibt, dass er in allem, was er macht, einen Gewinn erzielt und dass er, was auch immer er berührt, sozusagen in Gold verwandelt; denn ihm fällt durch jede Tätigkeit, auf die er sich einlässt, oder durch ein Geschäft ein Goldgewinn zu. Ja, oft geschieht es sogar, dass er seine eigenen Speisen in Gold umwandelt, sofern er es nicht wagt, bis zur Sättigung zu es-

2 Pactolo Lo1V2Ep; Patulo G; Futeolo V4; Paceolo B; Platelo Tr. 7 animalia GLLo1V2BTr; avia Ep. 14 Silenum Titilenum G, sed del. ti-. 16 tangitur add. G in marg. 18 quicquid GLo1V2BTr; quodlibet Pa8V4Ep. 25 mutare GLo1Pa8V2Tr; mutari Lo2V4BEp. 27 auri GLo1Lo2Pa8V4BTr; aurum, id est Ep.

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vendit, et ita fit, quod fames avaritie semper augetur et tamen propter auri acquisitionem nullatenus satiatur, Eccli. 31: Multi dati sunt in auri casus et facta est in specie illius perditio illorum. Igitur talis videns, quod ista non satiant, sed avaritiam plus inflammant, solet donum contrarium, scilicet paupertatem vel divitiarum contemptum, appetere. Quod quandoque deus sibi dat, ita quod cessat in divitiis delectari. Isti ergo in flumine scripture vel religionis aliquotiens abluuntur et ibi amore auri penitus exuuntur. Et ex tunc iam Christi pauperes effecti in mundo sine divitiis conversantur dicentes illud Mt. 19: Ecce nos relinquimus omnia etc. Quod ad litteram multis accidit, sicut patuit de illo philosopho, qui cuncta, que habuit, auro vendidit, quod tandem in massa positum, ne sibi ad philosophandum noceret, in mari proiecit. 707 Fabula secunda 708

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Midas rex iam factus ruricola inter Pana, Satyrum deumque pecudum, et Phebum, qui de musica disputabant, et Phebus cum cithara, Pan vero cum pastorali instrumento canebat, fit iudex. Sed cum omnes audientes magis commendassent melodiam Phebi citharoedi, iste solus Pana melius cecinisse iudicabat. Propter quod indignatus Phebus

sen, sondern eher Speisen verkauft, und so geschieht es, dass der Hunger seiner Gier immer größer wird und er dennoch wegen des Golderwerbs keineswegs satt wird, Eccli. 31,6: ›Viele sind wegen des Goldes gefallen und ihr Untergang wurde vor sein Angesicht gebracht.‹ Weil also ein solcher Mensch sieht, dass erworbene Güter nicht sättigen, sondern die Habgier nur heftiger entflammen, pflegt er eine gegenteilige Gabe, nämlich Armut oder die Verachtung von Reichtum, anzustreben. Bisweilen gibt Gott ihm dies, so dass er aufhört, sich an Reichtum zu erfreuen. Diese Menschen werden also im Fluss der Schrift oder der Religion einige Male gewaschen und dort von der Liebe zum Gold vollständig befreit. Und nachdem sie nun zu den Armen Christi gemacht wurden, halten sie sich fortan in der Welt ohne Reichtum auf, indem sie jenes Wort Mt. 19,27 sagen: ›Siehe, wir verlassen alles‹ etc. Dies passiert in buchstäblichem Sinn vielen, wie es an jenem Philosophen klar wurde, der alles, was er hatte, für Gold verkaufte und dieses schließlich aufhäufte und es ins Meer warf, damit es ihn nicht am Philosophieren hindere. 707 Zweite Erzählung 708 Als er nun auf dem Lande lebte, wurde König Midas Richter zwischen Pan, einem Satyr und Hirtengott, und Phoebus; sie stritten über die Musik, und Phoebus spielte auf der Kithara, Pan dagegen auf einem Hirteninstrument. Aber obwohl alle Zuhörer die Melodie des Kitharaspielers Phoebus mehr gepriesen hatten, urteilte er [Midas] allein, dass Pan besser gespielt habe. Deshalb gab ihm der erzürnte Phoebus Eselsohren.

6 avaritiam V2; avaritia GTr; avaritiis V4Ep. 7 inflammant V2V4Ep; inflammat G; inflammantur Tr. 7 contrarium Lo1Pa8V4TrEp; contrium G; om. Igitur . . . isti B. 11 flumine Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 15 Mt. 19 Ep; Mt. 9 G. 22 Pana Ep; Pan GLo1BTr. 25 cum . . . instrumento GV2; pastor cum alio instrumento V4; cum pastorali instrumento hoc est cum fistula Tr; cum pastorali instrumento id est calamis agrestibus Ep; om. B.

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aures asini sibi dedit. Quas cum diu celasset, tandem servus suus, qui sibi crines parabat, hoc vidit, sed, quod ipsum non revelaret, iuramento sibi firmavit. Secretum igitur diu celare volens et tamen illud dicere summe appetens foveam profundam fecit, in cuius fundo quasi murmurando dixit et tandem terra operuit et sic celare se secretum estimavit. Sed de illa fovea harundo nascitur, ex qua, cum quidam pastor a casu fistulam faceret, nihil aliud canere poterat, nisi quod Midas aures asininas habebat. Et sic, ubi celandum putabatur, fuit publicatum. Moraliter Applica hec contra rudes et bestiales, qui plus approbant cantum pastoris ruricole quam Apollinis celicole et plus approbant terrenorum advocatorum dicta quam celestium doctorum. Magis eis placent ea, que dicunt et faciunt homines bestiales, quam que agunt sancti et homines spirituales, sicut patet de multis rusticis, qui plus suis similibus applaudunt quam sapientibus. Et propter hoc aures asini habere dicuntur, inquantum iudicare de rebus asinine et bestialiter comprobantur, Cor. 2: Animalis homo non percipit, que dei sunt. Ideo dicitur Eccli. 8: In auribus insipientium ne loquaris! Non enim poterunt diligere, nisi que eis placent. Residuum etiam allega et dic, quod nihil occultum, quod non reveletur, quia scilicet, dato quod aliquis aliquod secretum

19 advocatorum Lo1Lo2V2BTrEp; om. GPa8V4. doctorum V4. 29 Eccli. 8 Ep; Eccli. lac. G.

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Nachdem er diese lange verborgen hatte, sah dies schließlich sein Diener, der ihm die Haare pflegte; doch der versicherte ihm mit einem Schwur, dass er ihn nicht verraten werde. Zwar war jener lange gewillt, das Geheimnis zu verbergen, und doch spürte er ein sehr starkes Verlangen danach, es zu erzählen. Er grub also eine tiefe Grube, an deren Grund er es gleichsam murmelnd aussprach und es schließlich mit Erde überdeckte; so meinte er, das Geheimnis zu verbergen. Aber aus jener Grube wächst ein Schilfrohr und, als ein Hirte daraus zufällig eine Flöte machte, konnte sie nichts anderes flöten, als dass Midas Eselsohren habe. Und so wurde es gerade an dem Ort öffentlich, wo er es verbergen zu können glaubte. Moralisierung Führe dies gegen grobe und tierhafte Menschen an, die den Gesang eines Hirten vom Lande höher schätzen als den des Himmelsbewohners Apoll und mehr die Worte irdischer Anwälte als die der Gottesgelehrten. Ihnen gefällt mehr, was naturhafte Menschen sagen und machen, als was Heilige und geistige Menschen tun, wie es sich an vielen ungebildeten Leuten zeigt, die mehr den ihnen Gleichgesinnten applaudieren als den Weisen. Und deswegen heißt es, dass sie Eselsohren haben, insofern sie nachweislich über Dinge eselsmäßig und irdisch urteilen, 1. Cor. 2,14: ›Der naturhafte Mensch begreift nicht, was Gottes ist.‹ Deshalb heißt es [Prov. 23,9]: ›Sprich nicht in die Ohren von Toren!‹ und Eccli. 8,20: ›Sie können nämlich nichts lieben, außer was ihnen gefällt.‹ Führe noch ein Übriges an und sag, dass nichts verborgen ist, was nicht aufgedeckt wird; denn angenommen, dass jemand ein Geheimnis unter der

20 doctorum LLo1Pa8BTrEp; dictorum GLo2; dictorum et

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sub terra, id est per cautas excusationes, operuerit et sic perpetuo celandum crediderit, contingit tamen, quod aliqua fistula, id est aliqua garrula persona, illud canet et dicet. Immo multe fistule aut multi garruli sunt, qui non possunt dicere nisi illud, quod ad confusionem aliorum contingit eos scire. Vel dic de proditore: Si quis dominum suum prodiderit, unde non sperat, veniet, qui hoc aliis revelabit. Fatuum est igitur, secretum aliquod alicui dicere; dato quod quis ipsum terre, id est alicui simplici persone, credit dicere, ipse tamen continere non poterit, quin illud aliis revelet et debeat fistulare. Bene ergo dicitur: Si, inquit, secretum esse volueras, mihi certe narrare non debueras, 709 Prov. 25: Secretum extraneo non reveles. Fabula tertia 710 Cum Laomedon, rex Phrygie, vellet edificare Troiam, Phebus et Neptunus humanam induentes imaginem pacto sibi auro ad menia muros eius edificaverunt. 711 Sed peracto opere Laomedon pactum negavit et aurum, quod iuraverat, reddere recusavit. Propter quod Neptunus aquas maris usque ad muros urbis adducens terram adiacentem operuit et agricolas fructibus privavit. Ad quod piandum oportuit, quod Hesio-

Erde, d.h. durch sorgsame Vorkehrungen, bedeckt hat und dann glaubt, es müsse auf immer verborgen bleiben, so geschieht es dennoch, dass eine Flöte, d. h. eine geschwätzige Person, jenes aussingt und ausspricht. Allerdings gibt es ja viele Flöten oder viele Schwätzer, die nichts sagen können außer dem, das sie zur Verwirrung anderer zufällig wissen. Oder sprich von dem Verräter: Wenn einer seinen Herrn verraten hat, wird einer kommen, von wo er es nicht erwartet, der dies anderen offenbart. Dumm ist es also, ein Geheimnis jemandem mitzuteilen; gesetzt dass er glaubt, dies der Erde, d. h. einer einfachen Person, zu erzählen, wird jene es dennoch nicht bei sich behalten können, ohne es anderen zu offenbaren und auf der Flöte spielen zu müssen. Richtig ist es also, wenn er sagt: ›Wenn du gewollt hättest, dass es ein Geheimnis bleibt, hättest du es mir keinesfalls erzählen dürfen,‹ 709 Prov. 25,9: ›Du sollst ein Geheimnis keinem Fremden verraten!‹ Dritte Erzählung 710 Als Laomedon, der König von Phrygien, Troja erbauen wollte, nahmen Phoebus und Neptun menschliche Gestalt an und bauten seine Mauern nach Vereinbarung eines Goldbetrags als Lohn für die Mauern. 711 Nach vollendeter Arbeit aber bestritt Laomedon die Abmachung und weigerte sich, das Gold, das er versprochen hatte, zu übergeben. Deswegen führte Neptun die Wasser des Meeres bis an die Stadtmauern heran, bedeckte das umliegende Land und verdarb den Bauern ihre Feldfrüchte. Um dies zu sühnen, musste Hesione, die Toch-

4 garrula LLo1Lo2V2BEp; garulosa Tr; om. GPa8V4. 21 Laomedon Lo1V4TrEp; Laumedon G; Laomedonta V2B. 23 – 24 auro ad menia coni.; cf. aedificat muros pactus pro moenibus aurum Ov. Met. 11,204; auro amenio G; modium auri LLo1; auri modio V2; auro a meno V4; aurum modio B; auro ameno Tr; auro a Laomedonte Ep. 28 terram Lo1Pa8V4BTrEp; Troiam G. 30 piandum Lo2Pa8V4BTrEp; priandum G; expiandum Lo1.

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ne, filia Laomedontis, monstris marinis devoranda traderetur et quod super ripam maris devoranda a bestiis ligaretur. Cum igitur Laomedon promississet Herculi equos vento velociores et nive candidiores, si a monstris filiam liberaret, sed, cum Hercules hoc fecisset, negavit promissum Laomedon, quare Hercules occulte Troiam ingrediens ipsam destruxit, Laomedontem occidit bis periuratum et Hesionem Telamoni socio suo dedit pro servitio in uxorem. Moraliter

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Hec allega contra ingratos qui, dum indigent auxilio hominum, multa solent promittere, sed, quando negotia eorum facta sunt, nihil volunt solvere. Quapropter deus et mundus ipsos solent tamquam ingratos affligere, Eccli. 29: Donec accipiant, osculantur manum dantis. Vel dic allegorice, quod ista numina deum et angelos significant, que a principio Troiam, id est mundum tamquam civitatem, edificaverunt et pro salario aurum, id est fidem et caritatem, a rege huius civitatis, id est ab homine, petierunt. Sed quia iste rex, scilicet Adam, fidem fregit, dum in pomo peccavit et sic aurum promissum non restituit, sed negavit, quapropter fluctibus maris, id est amaris tribulationibus, fatigatus extitit et filia sua, id est humana natura, monstris maris, id est demonibus, data fuit. Sed pro certo Hercules, id est Christus,

ter des Laomedon, Meeresungeheuern zum Fraß ausgeliefert und über dem Meeresufer angebunden werden, so dass sie von den Ungeheuern verschlungen werden konnte. Laomedon hatte nun dem Hercules Pferde, schneller als der Wind und weißer als Schnee, versprochen, wenn er seine Tochter von den Ungeheuern befreie, aber Laomedon verweigerte das Versprochene, als Hercules dies ausgeführt hatte. Daher betrat Hercules heimlich Troja und zerstörte es, tötete den zweimal meineidig gewordenen Laomedon und gab Hesione seinem Gefährten Telamon für dessen Dienst zur Frau. Moralisierung Wende dies gegen die Undankbaren an, die vieles zu versprechen pflegen, solange sie die Hilfe der Menschen brauchen, wenn ihre Angelegenheiten aber ausgeführt worden sind, keinen Lohn dafür geben wollen. Deshalb pflegen Gott und die Welt solche gleichsam Undankbaren heimzusuchen, Eccli. 29,5: ›Solange sie empfangen, küssen sie die Hand des Gebers.‹ Oder sag allegorisch, dass solche Götter Gott und die Engel bedeuten, die am Anfang Troja, d. h. die Welt, wie eine Stadt aufbauten und als Lohn Gold, d. h. Glauben und Liebe, vom König dieser Stadt, d.h. vom Menschen, forderten. Weil aber dieser König, nämlich Adam, die Treue brach, als er an dem Apfel sündigte und so das versprochene Gold nicht herausgab, sondern verweigerte, wurde er deshalb durch Meeresfluten, d.h. durch bittere Heimsuchungen, müde gemacht, und seine Tochter, d.h. die menschliche Natur, wurde Meeresungeheuern, d.h. den Dämonen, überlassen. Gewiss aber befreite sie Hercules, d.h. Chri-

4 promisisset Lo1Pa8V4BTrEp; promisssset G. 5 si LLo1Lo2V2BTrEp; ubi G; ut Pa8V4. 6 liberaret Lo1Pa8 V4BTrEp; liberavit G. 9 Laomedontem BTrEp; Leomedontem G. 10 Telamoni Ep; Thelamoni Tr; Telemoni G; Thelemoni Lo1B. 21 significant Lo1V2V4TrEp; significat GB. 22 – 23 mundum . . . civitatem GPa8V4; mundi civitatem LLo1Lo2V2BTrEp. 24 caritatem Lo1Pa8V4BTrEp; civitatem G.

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per incarnationem veniens ipsam liberavit et equos veloces et candidos, id est viros fideles et innocentes, pro salario inde speravit. Sed quia Troia, id est mundus, ipsos reddere renuit, ideo finaliter ipsam in iudicio destruet et totaliter dissipabit et Hesionem liberatam, id est humanam naturam redemptam, Telamoni, id est deo patri, perpetuo commendabit. Fabula quarta 712 Cum Peleus, frater Telamonis, amaret Thetidem et ei vim inferre pararet, sed non posset pro eo, quod in varias formas se mutaret, edoctus a Proteo, quomodo hanc posset tenere. Ipsam laqueis implicat et sic eam tenuit et cum ea concubuit et Achillem fortissimum in ea generavit. Moraliter

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stus, der in der Inkarnation kam, und erhoffte sich daher als Lohn schnelle und weiße Pferde, d. h. gläubige und unschuldige Männer. Aber weil Troja, d.h. die Welt, es ablehnte, diese zu übergeben, wird er sie schließlich in seinem Gericht zerstören und sie vollständig vernichten und die befreite Hesione, d.h. die erlöste menschliche Natur, Telamon, d. h. Gottvater, für immer übergeben.

Sic vere predicator vel prelatus, quando videt aliquam personam cautam, vanam et sub tot vitiis et dissolutionibus conditionem suam occultantem, quod non potest eam comprehendere vel corrigere nec Achillem, id est Christum, in ea per gratiam generare, debet, dum dormit, id est dum non advertit, laqueos regularis discipline ponere circa ipsam et sic ipsam spiritualiter impregnare. Vel dic de diabolo, qui animam cautam et se ab ipso diversimode occultantem, dum a casu dormit, id est dum in mundo delectatur, laqueis diversarum concupiscentiarum

Vierte Erzählung 712 Weil Peleus, der Bruder Telamons, Thetis liebte und er sich anschickte, ihr Gewalt anzutun, aber dies nicht konnte, weil sie sich in verschiedene Gestalten verwandelte, wurde er von Proteus belehrt, wie er sie festhalten könne. Er legte ihr Fesseln um und hielt sie so fest und schlief mit ihr und zeugte mit ihr den sehr starken Achill. Moralisierung Wenn so in der Tat ein Prediger oder Prälat eine listige und eitle Person sieht, die unter so vielen Lastern und Zügellosigkeiten ihren Zustand verbirgt, dass er sie nicht ergreifen oder verbessern kann und auch nicht Achill, d. h. Christus, durch die Gnade mit ihr zeugen kann, muss er, während sie schläft, d. h. während sie nicht Acht gibt, Fesseln der Ordensdisziplin um sie legen und sie so geistig schwängern. Oder sprich vom Teufel, der eine Seele, die vorsichtig ist und sich vor ihm auf verschiedene Weise verbirgt, während sie zufällig schläft, d.h. während sie sich in der Welt vergnügt, mit Fesseln verschiedener

5 ipsam Lo1V4BTrEp; ipsos G; ipsum Pa8. 7 liberatam Lo1Pa8V4BTrEp; libatam G. 11 Peleus Ep; Pelleus G; Phebus Tr. 11 Telamonis Ep; Thelomonis G; Thelemonis Lo1B; Thelamoni Tr. 11 – 12 Thetidem Ep; Tetidem GLo1B; Europam Tr. 14 Proteo Ep; Phebo G; Protheo Lo1V2V4BTr.. 23 comprehendere comprendere G, sed. add. -he- supra linea. 30 a casu Lo1Lo2BTrEp; ac lac. G; autem V4; om. Pa8. 31 – 412,1 diversarum concupiscentiarum malarum Lo1Lo2Pa8TrEp; divers***rum mal***rum, temptationum et concupiscentiarum G (diversorum malorum G, sed eras. -o-); diversarum complacentiarum malarum V2B; diversarum concupiscentiarum V4.

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malarum ipsam alligat et sic fetu peccati ipsam spiritualiter impregnat, Iac. prima: Concupiscentia cum conceperit, parit peccatum.

böser Begierden fesselt und sie so mit der Frucht der Sünde geistig schwängert, Iac. 1,15: ›Wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde.‹

Fabula quinta 713

Fünfte Erzählung 713

Mercurius genuit Autolycum, quem docuit de nigris alba et de albis nigra facere. 714 Iste igitur erat latro et, si aliquam rem nigram furabatur, statim ipsam in albam convertebat et sic dominus eius ipsam nullatenus cognoscebat.

Mercur zeugte Autolycus, dem er beibrachte, aus Schwarz Weiß und aus Weiß Schwarz zu machen. 714 Dieser war nun ein Dieb und, wenn er einen schwarzen Gegenstand stahl, verwandelte er ihn sogleich in einen weißen, und so erkannte ihn dessen Besitzer nicht mehr wieder.

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Talis est diabolus, qui, postquam aliquam animam furatus fuerit per peccatum, solet colorem eius, id est eius conversationem, immutare et de alba nigram facere et de sancta turpem, ut possit eius memoriam a domino Ihesu Christo penitus amovere. 715 Vel dic, quod talis est adulator vel hereticus, qui ita sciunt se et facta sua palliare, quod unum faciunt aliud apparere, Is. 5: Ve, qui dicitis bonum malum etc. 716 Hic ponit Ovidius mutationem Dedalionis in accipitrem, lupi in marmor, Esaci in mergum, de morte Phorbacis, de morte filiorum Hectoris, de quibus ad presens non videtur aliquid esse dicendum. 717

Moralisierung Ein solcher Räuber ist der Teufel, der, nachdem er eine Seele durch Sünde geraubt hat, ihre Farbe, d. h. ihren Lebenswandel, zu verändern und aus einer weißen Person eine schwarze und aus einer heiligen eine schändliche zu machen pflegt, so dass er die Erinnerung an sie bei ihrem Herrn Jesus Christus völlig auslöschen kann. 715 Oder sag, dass ein solcher ein Schmeichler oder Häretiker ist, der sich und seine Taten so zu verhüllen weiß, dass er eine Sache als eine andere erscheinen lässt, Is. 5,20: ›Wehe euch, die ihr Gutes böse nennt‹ etc. 716 Hier erzählt Ovid die Verwandlung Daedalions in einen Habicht, des Wolfes in einen Marmorstein, des Aesacus in einen Tauchervogel, über den Tod des Phorbas und über den Tod von Hectors Söhnen, über die an dieser Stelle nichts gesagt werden soll. 717

23 – 27 Hic . . . dicendum XI,6 Tr. 6 Autolycum cf. Ov. Met. 11,313; Anthilocum G; Bicicolimi Lo1; Anchilocum B; Bellicosum Tr; Antilochum Ep. 7 facere add. Anthilocus fur mutabat res nigras in albas, nam similis patri suo Mercurio, qui fur etc. Lo2 in marg. 8 si Lo1Lo2V2BTrEp; dum GV4; quando Pa8. 21 Is. 5 Ep; Is. 8o G. 21 – 22 Ve, qui Lo1Pa8V4BTrEp; Ut quid G. 23 – 27 Hic . . . dicendum LLo1Lo2Pa8V2V4BEp (textus sec. V4Ep); om. G. 23 – 24 Dedalionis Ep; Dydalionis V4; Dedaleonis Lo1V2; Dedadelonis B; Deucealionis Tr.

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Sechste Erzählung 718

Cum Ceyx fratrem suum Dedalionem immutatum in accipitrem videns quam plurimum terreretur, voluit placare numina et contra voluntatem uxoris sue Alcyone mare navigaturus intravit, ubi una cum navibus et comitiva periit, ita quod nec unus ex eis remansit. Cum ergo Alcyone uxor sua pro ipso continue sacrificaret Iunoni, mandavit Iuno per Iridem nuntium suum Somno deo dormientium, cuius domus erat in quodam antro secreto ab omni tumultu semoto, quod unum de somniis suis ad Alcyonem mitteret, quod se in Ceycis periclitantis speciem transformaret et sic uxorem de viri obitu et naufragio informaret, quod et factum est. Quapropter Alcyone mane ad litus maris veniens corpus viri submersi ad litus fluctuando appropinquare vidit. Que dolore tacta statim super ipsum in mare se proiecit. Dii autem utriusque miserti ipsos in aves, que vocantur alcyones, mutaverunt, que adhuc mare frequentant et in mari super aquam nidum faciunt et ibidem pullificant. 719

Als Ceyx sah, dass sein Bruder Daedalion in einen Habicht verwandelt war, und furchtbar erschreckt wurde, wollte er die Götter besänftigen, und er ging gegen den Willen seiner Gattin Alcyone aufs Meer, um es zu durchsegeln; dort ging er zusammen mit seinen Schiffen und seiner Begleitung unter, so dass nicht einer von ihnen übrig blieb. Als nun seine Gattin Alcyone für ihn beständig Juno Opfer brachte, befahl Juno durch Iris, ihre Botin, Somnus, dem Gott der Schlafenden, dessen Haus sich in einer abgelegenen Höhle fern von jeder Unruhe befand, dass er einen von seinen Träumen zu Alcyone schicke, der sich in die Gestalt des in Gefahr befindlichen Ceyx verwandeln und so der Gattin den Tod des Mannes und den Schiffbruch mitteilen sollte, was auch geschah. Deshalb kam Alcyone morgens an den Meeresstrand und sah, wie der Leichnam ihres ertrunkenen Mannes mit der Flut an den Strand getrieben wurde. Von Schmerz ergriffen warf diese sich sogleich ins Meer auf ihn. Weil die Götter aber mit beiden Mitleid hatten, verwandelten sie sie in Vögel, die Alcyonen [Eisvögel] genannt werden, die bis heute das Meer aufsuchen und im Meer über dem Wasser ihr Nest bauen und dort ihre Jungen aufziehen. 719

Moraliter Sic vere facit anima, uxor Christi, quando videt, quod vir suus, dei filius, navem cru-

Moralisierung So macht es wahrlich die Seele, die Gattin Christi, wenn sie sieht, dass ihr Mann, der Gottessohn, das Kreuzesschiff besteigt, 2 Ceyx Ep; Ceis G; Ceyis V2; Ceys Lo1B; Theys Tr. 2 Dedalionem V2BEp; Dedalon G; Dedaleonem Lo1; Dydalionem V4; Deucalionem Tr. 3 in accipitrem videns LLo1Lo2V2Pa8Ep; vidisset in ancipitrem videns G; videret in accipitrem V4; in ancipitrem vides B; vidisset in accipitrem Tr. 4 terreretur, voluit LLo1V2BTr; terrere voluit G; terreretur volens Lo2Pa8V4Ep. 4 numina Lo1Lo2Pa8V4BEp; iniuriam G; Minervam Tr. 6 navigaturus Lo1Pa8V2V4BTrEp; vagatura G. 10 nuntium suum Lo1Lo2V2BTr; nuntium suum si G, sed corr. et del. si; nuntiam suam Pa8Ep; om. V4. 14 Ceycis Ceys G. 22 alcyones LLo1Lo2V4Ep; alitiones G; alchiones Pa8; altiones BTr. 24 aquam GLo1Pa8V4BTr; harenam Ep. 27 quando Lo1Pa8V4TrEp; quia G; que B.

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cis ascendit, ubi periclitatus et mortuus fuit. Cum videt et considerat ipsum mortuum, debet se super ipsum et in ipso mari, id est in amaritudine penitentie et contritionis, per devotionem ponere et cum eo facto ave in resurrectione et ascensione similis avis similitudinem induere et per contemplationem volare et ascendere, ut sic sibi dicatur illud Ps.: In mari via tua et semite tue et cetera. Fabula septima 720

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Polymnestor erat quidam rex prope Troiam; cui Priamus, rex Troianus, bellis Grecorum lacessitus quendam parvulum filium suum cum magno auri pondere educandum commisit. 721 Qui Priamo cum filiis suis consumpto et urbe succensa ductus auri cupidine puerum occidit et in mare proiecit. Cuius corpus ad conspectum regine Hecube, matris pueri, que scilicet captiva ducebatur a Grecis, per mare deducitur. Que statim comperto filio et cognita Polymnestoris perfidia ad eum vadit, se sibi velle loqui asserit et se velle sibi magnam auri quantitatem tradere ad reservandum filio fingit. Qui omnia se pro filio servaturum fideliter repromittit. Sed Hecuba cum aliis matronis Troianis concaptivis pre dolore filii prodito-

wo er in Gefahr geriet und starb. Wenn sie seinen Leichnam sieht und betrachtet, muss sie sich in Frömmigkeit auf ihn und in das Meer selbst, d.h. in die Bitterkeit der Reue und der Zerknirschung, werfen und mit ihm, nachdem er in der Auferstehung und Himmelfahrt ein Vogel wurde, entsprechend einem Vogel ähnlich werden und durch Betrachtung fliegen und aufsteigen, so dass ihr jenes Wort Ps. 76,20 gesagt wird: ›Im Meer liegen dein Weg und deine Pfade‹ etc. Siebte Erzählung 720 Polymnestor war ein gewisser König in der Nähe von Troja; ihm übergab Priamus, der trojanische König, seinen kleinen Sohn zusammen mit einer großen Menge an Gold zur Erziehung, weil ihn der Krieg mit den Griechen in Bedrängnis brachte. 721 Als Priamus zusammen mit seinen Söhnen gefallen und die Stadt niedergebrannt war, tötete jener, verführt von der Begierde nach Gold, den Jungen und warf ihn ins Meer. Seine Leiche wurde vom Meer vor die Augen von Königin Hecuba, der Mutter des Jungen, getrieben, die nämlich als Gefangene von den Griechen abgeführt wurde. Als sie ihren Sohn erkannt und die Wortbrüchigkeit des Polymnestor durchschaut hat, geht sie sogleich zu ihm, erklärt, dass sie ihn sprechen wolle, und gibt vor, dass sie ihm eine große Menge Gold zur Aufbewahrung für ihren Sohn geben wolle. Dieser verspricht, alles für den Sohn getreulich aufzubewahren. Aber Hecuba greift zusammen mit den anderen mitgefangenen trojanischen Frauen aus Schmerz über den Sohn, der verrä-

11 Fabula septima XI,6 (7) V4; XI,8 Tr; XIII,3 Ep. – Cf. Anm. 723. 5 cum . . . ave LLo1V4Ep; cum eo nave facta G; cum eo ave facta V2B. 6 similis G; et sic Lo2; simili B; similibus Tr; simul renovari et sic Ep; om. LLo1Pa8V4. 9 Ps. Ep; Hab. 3 G. 12 Polymnestor Ep; Polidorus GLo2Pa8V4BTr. 21 per mare deducitur GLLo1V2BTr; per mare ducitur B; per mare fluctuando apparuit Pa8 V4Ep. 22 Polymnestoris Ep; Polidori GLo2Pa8V4BTr; Pallidori L; Palliodori Lo1. 25 filio Lo1Pa8V4BTrEp; fili G. 26 Qui Lo2Pa8V4TrEp; que GLLo1V2B.

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rie occisi Polymnestorem cum unguibus aggreditur, ita quod in vindictam filii ab ipsa et a matronis iugulatur. Tandem vero Hecuba dolore filie sue Polyxene, quam Greci sacrificaverunt anime et sepulcro Achillis, in canem fuit mutata et a Grecis lapidibus interempta. 722 Quod scilicet nihil aliud fuit, nisi quod dolore filie in rabiem fuit versa. Que cum Grecis conviciaretur, ab ipsis fuit lapidata. Moraliter

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Allega primum contra perfidos, qui, ubi vident alicui sibi commisso et in eis confidenti aliquod infortunium accidere, patrem et patriam perdere, solent et sibi fidem frangere et ipsum morti quandoque tradere, ne aurum, quod pro eo acceperunt, oporteat reddere, Eccli. 31: Lignum offensionis est aurum. Isti etiam nondum satiati adhuc aliud aurum accipere volentes multa fingunt et dissimulant, sed finaliter Troiane matrone, id est boni viri, istos cognoscunt et eos vituperant et impugnant. Proditor enim, qui cupiditate auri alios morti tradit, suum finaliter reportat premium et numquam de acquisito acquirit gaudium. 723

terisch getötet worden ist, Polymnestor mit ihren Fingernägeln an, so dass er aus Rache für den Sohn von ihr und von den Frauen getötet wird. Schließlich aber wurde Hecuba aus Schmerz um ihre Tochter Polyxena, die die Griechen der Seele und dem Grab Achills opferten, in einen Hund verwandelt und von den Griechen mit Steinen getötet. 722 Dies war nämlich nichts anderes, als dass sie aus Schmerz um ihre Tochter wahnsinnig wurde. Weil sie die Griechen schmähte, wurde sie von ihnen gesteinigt. Moralisierung Wende dies zuerst gegen die Treulosen an: Sowie diese sehen, dass einem, der ihnen anvertraut wurde und der ihnen vertraut, irgendein Unglück zustößt und er Vater und Vaterland verliert, pflegen sie ihm sowohl die Treue zu brechen als auch ihn manchmal zu töten, um das Gold, das sie für ihn erhalten haben, nicht zurückgeben zu müssen, Eccli. 31,7: ›Das Holz des Anstoßes ist Gold.‹ Auch erfinden und verheimlichen diese vieles, solange sie noch nicht gesättigt sind, weil sie noch mehr Gold erhalten wollen. Doch schließlich durchschauen die trojanischen Frauen, d.h. gute Männer, diese und tadeln und bekämpfen sie. Denn der Verräter, der andere wegen seiner Goldgier sterben lässt, erhält schließlich seinen Lohn und erwirbt niemals Freude an dem Erworbenen. 723

4 dolore add. dolore nimio tam . . ., . . . Achilis, quam filii sui Polydori sic nequiter interfecti Ep. 9 conviciaretur latrando convitiaretur Ep. 12 ubi Lo1Pa8V4BEp; ut GTr. 13 alicui sibi commisso Lo1Lo2 Pa8V4B; aliquid sibi commissum G; aliquod commissum Tr; alicui ipsis commissum Ep. 13 – 14 confidenti Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; consideranti G. 15 perdere Lo1Lo2Pa8V4BTr; prodere G; om. patrem . . . perdere Ep. 15 sibi Lo1Lo2Pa8V4BTr; et sibi G; ipsi Ep. 17 oporteat Lo1V4Tr; oporteant G. 19 nondum G; nec dum B; isti . . . dissimulant om. LLo1Lo2Pa8V4TrEp. 21 – 23 sed finaliter . . . impugnant GB; pos. post gaudium LLo1Lo2Pa8V4Ep.

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Liber duodecimus

Buch 12

Nescius assumptis etc. 724

Ohne zu wissen, dass Aesacus Flügel bekommen hatte etc. 724

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In hoc libro duodecimo paucas fabulas tangit [Ovidius], quia de bello Troiano pro maiori parte procedit historice. Dic ergo hic, quod Hecuba regina Troie uxor Priami pregnans erat de Paride et visum est ei in somnis, quod facem igneam pariebat. Ex quo cognitum fuit, quod iste erat, propter quem Troiam succendi et destrui opportebat. Propter quod ipsum Priamus occidi mandavit, sed mulier occulte ipsum nutriendum pastoribus dedit. Qui adultus quendam taurum sibi vendicans sibi coronam fecit, 726 sed Mars in taurum conversus taurum ipsius vicit; cui Paris coronam tauri sui in signum victorie dedit; propter quod Paris a paritate iudicii dictus fuit, qui alias Alexander dicebatur. Moraliter

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Istud dic historialiter et primo contra indiscretam pietatem: Ista enim mulier misericordia mota Paridem occidi impedivit et tamen propter eum destructa fuit Troia, quod nullatenus futurum esset, si ad mandatum patris interfectus fuisset – secundum [Ps.-]

Erste Erzählung 725 In diesem zwölften Buch streift er [Ovid] nur wenige Fabelgeschichten, weil er für den Trojanischen Krieg überwiegend historisch vorgeht. Sag hier also, dass die trojanische Königin Hecuba, die Gattin des Priamus, mit Paris schwanger war und sie im Traum sah, dass sie eine brennende Fackel gebar. Daraus schloss man, dass er der Grund dafür war, dass Troja in Brand gesteckt und zerstört werden musste. Deshalb gab Priamus den Befehl, ihn zu töten; aber seine Frau übergab ihn heimlich an Hirten, die ihn aufziehen sollten. Als Erwachsener beanspruchte er einen Stier für sich und fertigte einen Kranz für ihn an. 726 Aber der in einen Stier verwandelte Mars besiegte seinen Stier; diesem gab Paris als Zeichen des Sieges den Kranz seines Stieres. Deshalb wurde er, der sonst Alexander hieß, nach der Unparteilichkeit des Urteils ›Paris‹ genannt. Moralisierung Wende dies historisch, und zwar zuerst gegen die unbesonnene Mutterliebe; denn diese Frau verhinderte aus Mitleid, dass Paris getötet wurde, und so wurde Troja doch seinetwegen zerstört, was keineswegs geschehen wäre, wenn er nach dem Befehl des Vaters getötet worden wäre – nach

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6 historice add. Et textus ait: ›Desinit [recte: defuit] officio Paridis presentia tristi / postmodo qui rapta longum cum coniuge bellum / attulit in patriam.‹ Dicamus igitur primo, quod sicut alibi plenius legitur. Ep. 2 assumptis Lo1Lo2Pa8V4Ep; assumptus GLBTr. 4 – 5 tangit GLo2V2V4BTr; tangit Ovidius LLo1Pa8Ep. 14 nutriendum Lo1Pa8V4BTrEp; mittendum G. 18 tauri sui in Lo1Pa8V4TrEp; tauri ideo G; tauri sui Pa8; in Tr. 19 – 20 dictus fuit Lo2Pa8V4BTrEp; fuit G; dicitur LLo1V2. 21 Moraliter Moralis G.

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LIBER XII

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Hugonem: Genus misericordie est malos occidere. 727 Ex quo enim pater, id est deus vel lex, aliquem decreverit propter causam legitimam occidendum vel puniendum, non est parcendum sibi, maxime quando mors eius redundat ad patriam liberandam, Io. 11: Melius est, ut homo moriatur, quam quod tota gens pereat. Residuum allega historice, quod Paris est bonus iudex, qui in iudiciis debet pariter et equaliter se habere, personam non accipere, taurum suum, id est amicos vel notos, aliis non preferre. Immo, si contra eos iuste prevaleant, ipsi extraneo coronam victorie debet dare, Deut. 25: Quem iustum esse perspexerint, victorie palmam dabunt. 728 Fabula secunda 729

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Cum tres dee de nuptiis venirent, ubi omnes dee preter deam Discordie fuerant invitate, scilicet Iuno dea divitiarum et Pallas dea sapientie et Venus dea delectationis, quas Mercurius conducebat, Discordia indignata, quia vocata non fuerat, voluit inter deas litigium generare et Grecorum et Troianorum controversiam facere et regnum Troianorum delere. Accepit ergo quoddam pomum aureum, in quo scriptum erat: ›Pulcriori detur‹, 730 ipsumque in via dearum proiecit et statim abiit. Cum igitur dee in-

[Ps.-]Hugo: ›Eine Art des Mitleids besteht darin, Böse zu töten.‹ 727 Daher beschloss nämlich der Vater, d.h. Gott oder das Gesetz, dass aus einem legitimen Grund jemand zu töten oder zu bestrafen ist; er darf nicht geschont werden, besonders wenn sein Tod darüber hinaus noch zur Befreiung der Heimat führt, Io. 11,50: ›Besser ist es, dass ein Mensch stirbt als dass das ganze Volk zugrundegeht.‹ Das Übrige füge im Literalsinn an: dass Paris ein guter Richter ist, der sich in seinen Urteilen unparteiisch und gerecht verhalten soll, nicht auf die Person achten darf und seinen Stier, d.h. seine Freunde oder Bekannten, anderen nicht vorziehen darf. Vielmehr muss er, wenn sie gegenüber diesen [den Freunden] zu Recht den Vorzug verdienen, dem Fremden den Siegeskranz geben, Deut. 25,1: ›Dem, den sie als einen Gerechten erkennen, werden sie die Siegespalme geben.‹ 728 Zweite Erzählung 729 Als die drei Göttinnen von der Hochzeit [des Peleus und der Thetis] kamen, zu der alle Göttinnen außer der Göttin der Zwietracht eine Einladung erhalten hatten, nämlich Juno, die Göttin des Reichtums, Pallas, die Göttin der Weisheit, und Venus, die Göttin der Lust, die Mercur zusammenführte, wollte die beleidigte Discordia, weil sie nicht eingeladen worden war, Streit zwischen den Göttinnen stiften und einen Konflikt zwischen den Griechen und Trojanern erregen sowie das Reich der Trojaner zerstören. Sie nahm also einen goldenen Apfel, auf dem geschrieben stand: ›Er soll der Schönsten gegeben werden‹, 730 warf ihn den Göttinnen in den Weg und ging so-

14 ipsi extraneo GLo2V4Tr; illis Lo1; ipsi B; ipsis iustis licet extraneis Ep; om. L. 15 Deut. 25 Deutero. 22 G. 15 Quem V2BTrEp/Vulg.; cui GLo1Pa8V4; qui LLo2. 15 – 16 perspexerint Lo1Pa8V4BTrEp; perspexerit G. 18 nuptiis GLo1Lo2Pa8V4BTr; nuptiis Pelei et Thetidis Ep. 27 – 28 pulcriori GLo1Lo2Pa8V4BTr; pulchrrime [sic] Ep.

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ter se de pulcritudine contenderent et quelibet pulcriorem se diceret pomumque requireret, tandem vocatus est Paris, ut inter deas de pulcritudine iudicaret. Quarum cum Iuno sibi promitteret, quod faceret ipsum cunctis potentiorem, Pallas sapientia doctiorem, Venus vero sibi afferet uxorem totius Grecie pulcriorem, si tamen pro ea iudicaret, ipse tandem quamlibet nudam prospiciens iudicavit pro Venere et pulcriorem censuit et pomi dominam iudicavit. Propter quod Venus Helenam sibi dedit, propter cuius raptum Troianum regnum penitus fuit destructum. 731 Moraliter Per istas tres deas sic pacifice conviventes intelligo bonos et iustos in patientia conversatos. Per deam discordie intelligo invidos, qui, quando non vocantur, indignantur et seminare inter ipsos discordiam delectantur. Tales consueverunt inter alios pomum discordie proicere et verbum detractionis dicere et aliquam equiparationem inter aliquos facere et sic litigium procurare, ex quo regia vel patria perit, Eccli. 28: Susurro et bilinguis maledictus, multos enim turbat pacem habentes. Vel dic, quod tres dee secundum Fulgentium 732 significant tria genera personarum, scilicet sapientes, divites, deliciis affluentes, quia, cum quisquis istorum alte-

gleich fort. Als nun die Göttinnen untereinander über ihre Schönheit stritten und eine jede sagte, sie sei die Schönste, und den Apfel verlangte, wurde schließlich Paris gerufen, damit er unter den Göttinnen ein Urteil über ihre Schönheit abgebe. Als von diesen Juno ihm versprach, dass sie ihn mächtiger als alle anderen, Pallas, dass sie ihn durch Weisheit gelehrter machen würde, Venus aber, dass sie ihm die schönste Gattin von ganz Griechenland bringen würde, wenn er zu ihren Gunsten urteile, entschied er schließlich, als er eine jede nackt sah, für Venus; er beurteilte sie als die Schönste und bestimmte sie zur Herrin des Apfels. Deshalb gab ihm Venus Helena, wegen deren Raub das trojanische Reich vollständig zerstört wurde. 731 Moralisierung Diese drei Göttinnen, die so friedlich zusammenleben, deute ich auf die Guten und Gerechten, die in Frieden miteinander verkehren. Die Göttin der Zwietracht deute ich auf die Neider, die, wenn sie nicht einbezogen werden, zürnen und sich daran erfreuen, unter jenen Guten Zwietracht zu säen. Solche Leute pflegen zwischen die anderen den Apfel der Zwietracht zu werfen, Verleumdungen auszusprechen, eine Konkurrenz unter einigen Gleichgestellten herzustellen und so für Streit zu sorgen, wodurch das Königreich oder die Heimat untergehen, Eccli. 28,15: ›Verflucht sei der Ohrenbläser und Doppelzüngige, denn er verwirrt viele, die in Frieden leben.‹ Oder sag, dass die drei Göttinnen nach Fulgentius 732 drei Arten von Personen bezeichnen, nämlich Weise, Reiche und die, die im Überfluss von Vergnügungen leben. Denn, wenn ein jeder von diesen sich dem

6 – 7 sapientia doctiorem GV4; sapientiam LLo1; sapientie decorem Lo2Tr; sapientie doctorem Pa8; sapientiorem Lo2V2BEp. 7 afferet G; promisit LLo1; offert V2V4Tr; offeret BEp. 25 Susurro Lo1Pa8V4BTrEp; sursuro G. 26 turbat Pa8; turbant G; etc. V2; turbavit V4Ep/Vulg.; om. LLo1BTr (om. maledictus . . . habentes).

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ri se preferat et pomum aureum, id est gloriam et honorem, sibi deberi dicat et pulcriorem et meliorem se esse dicat – ut sapientes se divitibus et iuvenibus preferant, divites deliciosis et sapientibus se rectores esse dicant, iuvenes vero deliciose viventes se duobus aliis anteponunt divitias et sapientiam vilipendentes –, accidit, quod Paris iuvenis inter istas iudicat et voluptuosam vitam eligens Veneri pomum dat et vivere in deliciis beatius asserit. Iuvenes vero stulti, qui in Paride designantur, videntur dicere illud Eccli. 2: Melius est comedere et bibere et ostendere anime sue bonum etc. Vel dic, quod pomum discordie significat bona temporalia. Que pro certo qui habent, vix possunt pacifici esse, quia ipsa quilibet vult habere. Ista igitur sunt, que discordiam seminant et que suis possessoribus lites parant et finaliter bella et destructiones faciunt. Dea et domina discordie est avaritia, qua nil potest melius inter homines dissensiones facere, Gen. 13: Erat possessio eius nimia et nequibant habitare communiter. Vel dic, quod tres dee sunt tres anime vires: Pallas est ratio, que habet sapientiam, Iuno est memoria, que habet divitias scientiarum, Venus est voluntas que est domina deliciarum. Paris vero peccatores et fatuos significat, qui scilicet voluntati obediunt et alias vires anime contemnunt et memoriam

anderen überlegen glaubt und sagt, dass ihm der goldene Apfel, d. h. Ruhm und Ehre, gebührten, und behauptet, dass er schöner und besser sei – wie die Weisen sich höher schätzen als die Reichen und Jungen; die Reichen sagen, dass sie denen, die der Lust frönen, und den Weisen überlegen seien, die Jungen aber, die in Vergnügungen leben, sich über die anderen beiden erheben und Reichtum und Klugheit geringachten –, da geschieht es, dass Paris, ein junger Mann, zwischen diesen urteilt und das lustvolle Leben wählt und er deshalb Venus den Apfel übergibt und erklärt, in Vergnügungen glücklicher zu leben. Die dummen jungen Leute aber, die in Paris dargestellt werden, scheinen jenes Wort aus Eccl. 2,24 zu sagen: ›Besser ist es zu essen und zu trinken und seiner Seele Gutes zu tun‹ etc. Oder sag, dass der Apfel der Zwietracht die weltlichen Güter bedeutet. Diejenigen, die diese besitzen, können gewiss kaum in Frieden leben, weil sie ein jeder haben möchte. Diese also sind es, die Zwietracht säen und die ihren Besitzern Streit bereiten und schließlich Kriege und Zerstörung verursachen. Die Göttin und Herrin der Zwietracht ist die Habgier; nichts kann leichter Uneinigkeit unter den Menschen schaffen als sie, Gen. 13,6: ›Ihr Besitz war zu groß, und sie konnten nicht gemeinsam zusammenwohnen.‹ Oder sag, dass die drei Göttinnen die drei Kräfte der Seele sind: Pallas ist die Vernunft, die die Weisheit besitzt, Juno ist das Gedächtnis, das den Reichtum der Wissenschaften hat, Venus ist der Wille, der der Herr der Lüste ist. Paris aber bedeutet die Sünder und die Törichten, die dem Willen gehorchen und die anderen Kräfte der See-

3 – 4 sapientes Ep; potentes GLo1Pa8V4Tr; mundi sapientes B. 5 divites . . . esse coni. e codd.; dicentes deliciosos et sapientes se rectores G; divites deliciosis et sapientibus meliores BEp; al. al. 10 dat Pa8TrEp; dedit GLo2V2V4; donat LLo1B. 15 – 16 pomum . . . significat GLo1Lo2Pa8V4BTr; om. vel . . . possunt V2; om. vel . . . significat Ep. 22 qua nil Ep; que non GLo1Lo2V4Tr; que re vera non V2B; et que non Tr; que Pa8. 24 possessio G et codd.; substantia Ep/Vulg. 24 nimia G et codd.; multa Ep/Vulg.

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et rationem recusant sequi et pomum cordis concupiscentie sue prestant. Propter quod licet Helenam et pulcras mulieres quandoque obtineant tamen guerras et bella excitant. Ideo bene dicitur Eccli. 18: Si prestes anime concupiscentias eius, faciet te in gaudium inimicis tuis. Et bene dicitur ibidem: Post concupiscentias tuas ne abieris et a voluntate tua avertere! Fabula tertia 733 Cum Greci navigarent ad Troiam delendam, arrestati sunt a ventis contrariis, ita quod ultra procedere non valebant. Quod utique faciebat Diana, quia cervam eius in silva Aulida necaverunt. Decretum est, quod ira dee virgineo sanguine placaretur, et sic fatatum erat, quod Iphigenia virgo, filia Agamemnonis, eligeretur et Diane immolaretur. Cui dea compatiens ipsam de ara rapuit et loco eius cervam supposuit. Qua immolata prosperos ventos dedit. Moraliter

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Dic, quod dea irata est divinitas contra genus humanum indignata pro eo scilicet, quod cerva eius, id est humana natura, a primis parentibus fuerat per morsum vetitum interfecta. Propter quod omnes in mari huius mundi arrestati eramus nec ad occu-

le verachten und sich weigern, dem Gedächtnis und der Vernunft zu folgen, und die den Apfel des Herzens ihrer Begierde gewähren. Deshalb kommt es vor, dass sie bisweilen Helena, und so auch schöne Frauen, erhalten und gleichwohl Kriege und Kämpfe erregen. Daher heißt es richtig Eccli. 18,31: ›Wenn du der Seele ihre Begierden gewährst, wird sie dich zum Vergnügen deiner Feinde machen.‹ Auch heißt es dort richtig [Eccli. 18,30]: ›Folge nicht deinen Begierden und wende dich von deinem Willen ab!‹ Dritte Erzählung 733 Als die Griechen lossegelten, um Troja zu zerstören, wurden sie von Gegenwinden aufgehalten, so dass sie nicht weiter vorankommen konnten. Dies bewirkte ganz sicher Diana, da sie ihre Hirschkuh im Wald von Aulis getötet hatten. Man entschied, dass der Zorn der Göttin durch jungfräuliches Blut besänftigt werde, und so wurde die Prophezeiung gegeben, dass die Jungfrau Iphigenie, die Tochter Agamemnons, ausgewählt und der Diana geopfert werde. Aus Mitleid mit ihr entrückte die Göttin sie vom Altar und ersetzte sie durch eine Hirschkuh. Nach deren Opferung schickte sie günstige Winde. Moralisierung Sag, dass die zornige Göttin die Gottheit ist, die dem menschlichen Geschlecht zürnt, weil nämlich ihre Hirschkuh, d. h. die menschliche Natur, von den Stammeltern durch den verbotenen (Apfel-)Biss getötet worden war. Deshalb waren wir alle im Meer dieser Welt festgehalten worden

3 pulcras Lo1Pa8V4BTrEp; plures G. 4 tamen cet.; et tamen G. 5 Eccli. 18 Eccli. 28 G. 6 concupiscentias GLo1Pa8V4TrEp; om. B. 8 ne abieris GV4; non abieris LLo1Lo2V2Tr; non eas Pa8Ep/ Vulg.; om. B. 9 avertere LLo1Lo2V2TrEp; advertaris G; averte B; om. Pa8V4. 15 Aulida GV2V4B; Athilida Tr; Aulidis Ep; om. Lo1. 17 Iphigenia Effegenia GTr; Effegena V2; Effigenia V4; Ephigenia Ep. 17 filia dupl. filia G. 17 – 18 Agamemnonis Agamenonis GLo1V4TrEp; Agameonis V2.

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pandum civitatem paradisi procedere poteramus. Necesse igitur fuit, quod divinitas sanguine virgineo placaretur et quod Iphigenia, id est Christi humanitas, occideretur. Sed per naturam divinam tandem rapitur et a morte liberatur. Cerva vero, id est gens Iudaica, loco eius, id est propter mortem eius, occiditur et sic offensa divinitas placatur, Is. 43: Dedi Egyptum, Ethiopiam et Saba pro te. Fabula quarta 734

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Cygnus fuit quidam miles fortis in exercitu Troianorum, qui nullo ferro poterat vulnerari. Hunc igitur Achilles fortissime strinxit et sic inter eius brachia exspiravit. Neptunus pater suus ipsum mutavit in cygnum. Cum Achilles ipsum de armis suis spoliare vellet, de ipsis cygnus candidus exivit. Moraliter

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Dic, quod tales sunt multi, qui ab Achille, id est a deo vel prelato, vinci seu vulnerari nequeunt per contritionem, quamdiu ferro, id est tribulatione, eos percutiunt. Neptunus, id est diabolus, pater eorum tantam duritiem obstinationis eis tribuit, quod tormenta vel arma tribulationum vilipendunt, Iob 41: Quasi stipulam in lapides funde. 735 Et ideo Achilles, prelatus, debet illum per dulcem caritatem inter brachia stringere et

und konnten nicht weiter vorankommen, um die Stadt des Paradieses einzunehmen. Es war also notwendig, dass die Gottheit durch jungfräuliches Blut besänftigt und dass Iphigenie, d.h. die menschliche Natur Christi, getötet wurde. Aber schließlich wird er durch die göttliche Natur entrückt und vom Tod befreit. Die Hirschkuh aber, d. h. das jüdische Volk, wird für ihn, d. h. wegen seines Todes, getötet, und so wird die beleidigte Gottheit besänftigt, Is. 43,3: ›Ich gab Ägypten, Äthiopien und Saba für dich.‹ Vierte Erzählung 734 Cygnus war ein starker Soldat im Heer der Trojaner, der durch keine Waffe verwundet werden konnte. Also presste Achilles diesen sehr fest, und so hauchte er zwischen dessen Armen seinen Geist aus. Sein Vater Neptun verwandelte ihn in einen Schwan. Als Achilles ihn seiner Rüstung berauben wollte, stieg aus ihr ein weißer Schwan empor. Moralisierung Sag, dass es viele solche gibt, die von Achill, d. h. von Gott oder einem Prälaten, nicht durch Reue besiegt oder verwundet werden können, so lange sie sie mit einem Schwert, d.h. mit bedrängender Not, schlagen. Ihr Vater, Neptun, d. h. der Teufel, verleiht ihnen eine so große starre Verstocktheit, dass sie Folter oder Waffen der Bedrängung gering schätzen, Iob 41,19f.: ›Wie einen Strohhalm die Steine der Schleuder [. . .].‹ 735 Und deshalb muss Achill, der Prälat, jenen durch milde Zuwendung in sei-

11 Fabula quarta XII,5 Ep. 2 – 3 divinitas . . . placaretur coni.; divinitatem . . . placaretur G; placaretur LLo1V2BTr; divinitatem . . . placaremus Lo2Pa8V4Ep. 4 Iphigenia Effigenia G. 10 Saba Sabba G. 12 miles Lo1Pa8V4BTrEp; misex G. 15 – 16 Neptunus V4Ep; Neuptumpnus G; Neptumnus V2. 16 ipsum cet.; ipsum in avem sui nominis, hoc est Ep. 21 deo GLo1Pa8V4B; domino Ep; om. deo vel Tr. 27 Iob 41 Iob 4 G. 27 stipulam Lo1V2 V4BTrEp; stipula G. 27 lapides Pa8V4Ep; cervo G.

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amplexum amoris et pietatis ostendere. Et sic quandoque eum poterit superare et in cygnum candidum, id est in virum innocentem et mundum, totaliter transmutare, quia plerumque fit, quod iste, qui ferro dure correctionis non vincitur, amplexu dulcis dilectionis convertitur, ita quod finaliter in cygnum, id est in virum spiritualem, mutatur. 736 Vel dic, quod Achilles significat tyrannos, qui martyres, quos Neptunus deus maris fecit ferreos, id est per eorum tribulationes invincibiles, finaliter occidit, ita quod cygnus candidus de eorum armis, id est de corporibus eorum, evolat. Fabula quinta 737

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Ceneus fuit quidam miles in bello Lapitharum contra Centauros, qui primo fuit quedam puella dicta Cenis, filia Elati. Que dum iuxta mare pergeret, Neptunus eam defloravit. Quo facto quicquid petere vellet, imperavit. Qua petente quod de cetero tale quid pati nequeat, conversa est in virum fortem, qui Ceneus est vocatus. Cui etiam Neptunus tale donum contulit, ut scilicet nullo ferro penetraretur et quod nullis armorum ictibus lederetur. Moraliter

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Istud applica de multis, qui primo sunt femine, id est molles et feminei. Sed Neptu-

nen Armen drücken und eine Umarmung mit Liebe und Freundlichkeit zeigen; und so kann er ihn bisweilen besiegen und gänzlich in einen weißen Schwan, d.h. in einen unschuldigen und reinen Mann, verwandeln. Denn es geschieht vielfach, dass der, der durch das Schwert der harten Zurechtweisung nicht besiegt wird, durch die Umarmung milder Liebe bekehrt wird, so dass er schließlich in einen Schwan, d.h. in einen geistlichen Menschen, verwandelt wird. 736 Oder sag, dass Achill die Tyrannen bezeichnet, die die Märtyrer, die der Meeresgott Neptun eisern, d.h. durch ihre Leiden unbesiegbar machte, schließlich töten, so dass ein weißer Schwan aus ihrer Rüstung, d.h. aus ihrem Körper, emporfliegt. Fünfte Erzählung 737 Caeneus war ein Soldat im Krieg der Lapithen gegen die Centauren, der zuerst ein Mädchen namens Caenis, eine Tochter des Elatus, war. Während diese am Strand entlang ging, entjungferte Neptun sie. Danach forderte er sie auf zu erbitten, was sie wolle. Auf ihre Bitte, kein weiteres Mal etwas derartiges erleiden zu müssen, wurde sie in einen starken Mann verwandelt, der Caeneus genannt wurde. Diesem gab Neptun noch ein solches Geschenk, dass er von keinem Schwert durchbohrt und von keinen Waffenschlägen verletzt werden konnte. Moralisierung Wende dies auf die vielen an, die zuerst Frauen sind, d.h. weich und weibisch. Nep-

16 Fabula quinta XII,5 Ep. 4 totaliter G; occasionaliter Lo1Pa8V4BTrEp. 12 – 13 ferreos . . . tribulationes Pa8V4; ferreos . . . tribulationis G; ferreos tribulatione Lo1; ferreos tribulationis V2; ferro tribulationis BTrEp. 15 corporibus Lo1V4Pa8 TrEp; cordibus G; anima B. 17 Ceneus Lo1B; Cyneus GV2V4Tr; Caeneus Ep. 17 – 18 Lapitharum Ep; Laphicarum GV2; Laphicorum B; Laphitarum Lo1Tr. 19 Elati corr.; Elatis GLo1TrEp; Elacis V2; Elates V4; Elachis B. 20 Neptunus Lo1V4Ep; Neuptumnus G; Neptumnus V2. 21 Quo facto LLo1Lo2V2TrEp; que G. 24 Ceneus Lo1BEp; Cineus G; Cyneus Tr.

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nus, deus maris, id est deus pater vel spiritus sanctus, cum ipsis per gratiam cohabitat et in viros, id est in personas fortes et stabiles, eos mutat, quos nullum ferrum, id est nulla tribulatio, per impatientiam penetrat, sicut de apostolis et martyribus apparuit post adventum spiritus sancti. Qui ante eius adventum fuerunt feminis debiliores et post quibuscumque constantibus fortiores, Cor. 13: Cum autem factus sum vir, evacuavi ea, que erant parvuli. Fabula sexta 738

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Ceneus miles fortis, quem Neptunus fecerat ferro invincibilem et impenetrabilem, cum esset in quibusdam nuptiis et ibidem quidam centauri, qui nature erant duplicis et in nube erant geniti, ut dictum est 739 , interessent et sponsam rapere disponerent, ipse solus plures ex eis interfecit. Centauri autem videntes, quod istum vincere non valebant, montes ascendunt et arbores integras deferentes tantam structuram lignorum super eum proiecerunt, quod ipsum non ferro, sed pondere peremerunt. Moraliter Sic etiam fit, quod ex dono dei habent aliqui fortitudinem, ita quod nullo ferro temptationis a centauris, id est demonibus, nequeunt superari. Sed isti centauri hoc videntes solent onus infinitum diversorum negotiorum, officiorum et terrarum super eum proicere et sibi prosperitates seculi procurare, et sic fit, quod quandoque di-

13 Ceneus Lo1BEp; Cineus G; Cyneus Tr.

tun aber, der Meeresgott, d.h. Gottvater oder der Heilige Geist, wohnt mit ihnen durch Gnade zusammen und verwandelt sie in Männer, d. h. in starke und standhafte Personen, die kein Schwert, d.h. keine Bedrängnis, in Schwachheit durchbohrt, wie dies bei den Aposteln und Märtyrern nach der Ankunft des Heiligen Geistes offenbar war. Diese waren vor seiner Ankunft schwächer als Frauen und nachher stärker als jeder standhafte Mann, 1. Cor. 13,11: ›Als ich aber zum Mann wurde, legte ich die Dinge ab, die einem Kind gemäß waren.‹ Sechste Erzählung 738 Als der starke Soldat Caeneus, den Neptun für das Schwert unbesiegbar und undurchdringbar gemacht hatte, auf einer Hochzeit war und dort auch einige Centauren, die von zweifacher Natur und, wie schon gesagt, 739 in einer Wolke gezeugt waren, zugegen waren und planten, die Braut zu rauben, tötete er allein mehrere von ihnen. Als aber die Centauren sahen, dass sie ihn nicht besiegen konnten, stiegen sie auf die Berge und trugen ganze Bäume herunter und warfen einen so großen Haufen Holz auf ihn, dass sie ihn nicht mit dem Schwert, sondern mit dem Gewicht töteten. Moralisierung So geschieht es auch, dass einige durch Gottes Gabe Stärke besitzen, so dass sie durch kein Schwert der Versuchung von Centauren, d. h. von Dämonen, überwunden werden können. Wenn aber diese Centauren das sehen, pflegen sie eine unendliche Last unterschiedlicher Aufgaben, Ämter und Länder auf ihn zu werfen und ihm weltliche Glücksgüter zu verschaffen. Und so geschieht es, dass sie ihn biswei-

27 nullo Lo1Pa8V4BTrEp; nula G.

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versis vitiis sub isto onere istum suffocant, quem alias vincere non valebant. Non est igitur tutum, quod iustus homo talia onera sibi permittat imponi, sub quibus sepe visi sunt fortissimi succumbere, Ex. 18: Ultra vires tuas est negotium et non poteris sustinere. Fabula septima 740

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Cum Greci mille navibus ad Troiam capiendam in Phrygiam transfretarent, fatatum est, quod, qui primus exiret de navibus, debebat mori. Protesilaus autem primus exivit, qui statim occisus occubuit. Quod cum audisset Laodamia uxor eius, que domi apud Phylacidem remanserat et viri imaginem in eius memoriam sibi fecerat, amplexando dictam imaginem exspiravit. Moraliter

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Nota hic de affectu bone mulieris, que imaginem, id est imaginationem, de viro suo in corde retinet, ne amorem extraneum admittat, ita quod sepe visum est, quod audita morte viri pre doloris amaritudine mulier mortem subiit. Nota etiam contra illos, qui volunt in factis armorum alios propter vanitatem precedere, ut se melioribus preferant, quia talibus solet male succedere.

len durch verschiedene Laster unter dieser Last ersticken, ihn, den sie sonst nicht hätten besiegen können. Also ist es nicht ungefährlich, dass ein gerechter Mensch sich solche Lasten auferlegen lässt, denen man oft äußerst starke Menschen hat erliegen sehen, Ex. 18,18: ›Die Aufgabe übersteigt deine Kräfte, und du kannst sie nicht meistern.‹ Siebte Erzählung 740 Als die Griechen mit tausend Schiffen nach Phrygien übersetzten, um Troja einzunehmen, erhielten sie die Prophezeiung, dass der Erste, der aus den Schiffen steige, sterben müsse. Protesilaos aber stieg als Erster aus; er wurde sogleich niedergestreckt und starb. Als dies Laodamia, seine Gattin, hörte, die zu Hause bei Phylacides geblieben war, und sich ein Bildnis ihres Mannes zur Erinnerung gemacht hatte, verschied sie, das genannte Bild in den Armen. Moralisierung Mach hier einen Verweis auf die Zuneigung einer guten Gattin, die ein Bild, d.h. eine Vorstellung, von ihrem Mann in ihrem Herzen behält, um nicht eine fremde Liebe zuzulassen; so hat man oft gesehen, dass eine Frau auf die Nachricht vom Tod ihres Mannes hin aus bitterem Schmerz starb. Mach auch einen Verweis auf jene, die aus eitler Ruhmsucht andere in Waffentaten übertreffen wollen, um Besseren zuvorzukommen; denn solchen pflegt es schlecht zu ergehen.

8 Fabula septima XII,4 Ep. 1 suffocant Lo1Pa8V4BTrEp; suffocare G. 4 sub quibus sepe LLo1Lo2Pa8; sub cuius spe G; quibus sepe BTrEp. 5 ultra Lo1Pa8V4BTrEp; utrum G. 10 Phrygiam Ep; Frigiam G. 10 transfretarent Lo1V4BTrEp; transfetarent G. 12 Protesilaus Ep; Protheselaus GLo1V2B; Prothelaus V4; Prothesilaus Tr. 14 Laodamia Laodomia GEp; Laomedia Lo1; Laudemia B; Leomedia Tr 15 Phylacidem B; Philatidem G; Philacidem Lo1; Phylotidem Tr; Philocidem Ep. 21 ne cet.; me G.

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Achte Erzählung 741

Helena restituta Menelao viro suo post destructionem Troie debuit immolari ad expiandum crimen uxoris Herculis 742 , que cum filiis concubuerat. Sed ipsam Iupiter ab aris rapuit et in celo in stellam pessimam transmutavit. Que adhuc periculum navigantibus minatur, sicut viva fuit causa periculi Grecis et Troianis pugnantibus. 743 De ista stella facit mentionem Solinus, ubi agit de sanguine menstruoso. 744

Als Helena nach der Zerstörung Trojas ihrem Ehemann Menelaos wiedergegeben worden war, sollte sie geopfert werden, um das Verbrechen der Gattin des Hercules 742 zu sühnen, die mit den Söhnen Unzucht getrieben hatte, Jupiter aber riss sie vom Altar fort und verwandelte sie im Himmel in einen sehr unheilbringenden Stern. Dieser verkündet den Seeleuten noch heute Gefahren, so wie sie zu ihren Lebzeiten für die kämpfenden Griechen und Trojaner die Ursache für Gefahr war. 743 Diesen Stern erwähnt Solinus an der Stelle, wo er über das Menstruationsblut handelt. 744

Moraliter

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Istud applica, quod Iupiter, id est diabolus, Helenam, id est aliquem peccatorem, ab immolatione, id est a periculo mortis, eripuit et ipsum in celo, id est in aliquo alto officio, ponit et sic stellam periculosam, id est pessimum hereticum vel prelatum seu principem, ipsum facit, ita quod navigantibus, id est subditis, sub ipso transeuntibus causa periculi extitit, inquantum multipliciter subvertit eos, Apoc. 8: Nomen stelle Absinthium. Fabula nona 745

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Memnon rex fuit filius Aurore, filie Iovis et Palladis, qui in bello Troiano occisus fuit. Sed cum in rogo poneretur, ut combureretur et sepeliretur, corpus eius in aviculas

Moralisierung Wende dies so an, dass Jupiter, d. h. der Teufel, Helena, d.h. einen Sünder, vor der Opferung, d. h. aus Todesgefahr, rettet und ihn in den Himmel, d.h. in ein hohes Amt, setzt und ihn so zu einem gefährlichen Stern, d.h. zu einem schlimmen Häretiker oder Prälaten oder Fürsten, macht, so dass er Seeleuten, d.h. seinen Untergebenen, die unter ihm einhergehen, zur Ursache für Gefahr wird, sofern er sie auf vielfältige Weise zugrunde richtet, Apoc. 8,11: ›Der Name des Sterns lautet Absinth.‹ Neunte Erzählung 745 König Memnon war der Sohn der Aurora, der Tochter des Jupiter und der Pallas. Dieser wurde im Trojanischen Krieg getötet. Als er aber auf den Scheiterhaufen gelegt wurde, um verbrannt und bestattet zu werden, wurde sein Körper in kleine Vö-

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1 Fabula octava XIV,13 Ep. 24 Fabula nona XIII,4 Ep. 3 Troie add. sicut alibi legitur Ep. 5 ab aris om. Ep, sed hab. in specie aquile. 8 viva V2B; viri GLo2; hec enim LLo1; vivens Lo2Ep; om. Pa8Tr. 16 aliquo alico G, sed corr. -quo supra lin. 22 Apoc. 8 Apoc. 9 G. 25 Memnon Ep; Menon GB; Menen Lo1; Mennon Tr. 25 filie dupl. filie G.

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transmutatum est, que Memnonides nuncupantur. Que adhuc omni anno ad sepulcrum Memnonis in magna quantitate evolant et contra se invicem preliantur et se ipsas occidere comprobantur. Istud autem non est tam fabula quam historia. Plinius enim historice narrat, quod iste aves ad tumulum Memnonis de Ethiopia evolant et se pugnando perimunt et cruentant. 746 Quod autem corpus eius in avem mutatum sit, non historia, sed fabula dici potest. 747 Moraliter

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Iste Memnon potest significare Christum, qui fuit filius Aurore, id est beate virginis, quia, quando iste in bello Troiano, id est in prelio crucis, fuit occisus et in igne passionis combustus, de ipso mirabiliter fuerunt aves, id est viri spirituales, geniti et potissime fideles milites et robusti, qui ad sepulcrum eius debent ad preliandum accedere et pro ipso se morti exponere. 748 Quod etiam de martyribus potest dici, qui ex Christi corpore mortuo nasci dicuntur pro eo, quod inde exemplariter ad mortis prelium animantur.

gel verwandelt, die Memnonides [Vögel des Memnon] heißen. Diese fliegen bis heute jedes Jahr in großer Anzahl zum Grab des Memnon und kämpfen miteinander, und es wird bezeugt, dass sie sich gegenseitig töten. Dies ist aber nicht so sehr Fabula als ein historisches Ereignis; denn Plinius erzählt historisch, dass diese Vögel aus Äthiopien zum Grabhügel des Memnon fliegen und sich im Kampf töten und mit Blut beflecken. 746 Dass aber sein Körper in einen Vogel verwandelt wurde, kann man nicht als ein geschichtliches Faktum, sondern nur als eine fabulöse Erzählung bezeichnen. 747 Moralisierung Dieser Memnon kann Christus bedeuten, der der Sohn der Aurora, d.h. der seligen Jungfrau, war; denn als er im Trojanischen Krieg, d.h. im Kreuzeskampf, getötet und im Feuer der Passion verbrannt worden war, wurden aus ihm auf wundersame Weise Vögel erschaffen, d.h. geistliche Männer, und zwar besonders treue, starke Soldaten, die, um zu kämpfen, zu seinem Grab kommen und sich für ihn dem Tod aussetzen müssen. 748 Dies kann man auch von den Märtyrern sagen, die, wie man sagen kann, aus dem toten Körper Christi geboren sind, weil sie von dort beispielhaft für den Todeskampf beseelt werden.

1 Memnonides Ep; Menoyde GLo1V2V4Tr; Menoide B. 3 Memnonis Ep; Menonis GLo1. 6 tam fabula quam historia V2V4BTrEp; causa fabule quam historie G; fabulosum est, sed historicum LLo1; om. Pa8. 20 debent Lo1Pa8V4BTrEp; dicunt G.

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Liber decimus tertius

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Consedere duces etc. 749

Platz genommen haben die Fürsten etc. 749

Fabula prima 750

Erste Erzählung 750

Cum Greci preliarentur contra Troianos, inter Grecos erat Ulixes sapientissimus, fortis et audax patiensque laboris. Qui videns exercitum otiosum ludum scacorum et alearum invenit. Voluit sic milites occupari, ut a seditionibus servarentur. Istum igitur Palamedes prodidit; quia cum contra Troianos ire nolet, immo stultum se esse simularet et in argumentum stultitie sal seminaret, Palamedes ante boves filium dicti militis poni fecit. A quo, dum pater aratrum diverteret, cognitus est, quod insanus non esset; quare cum aliis ductus fuit ad bellum Troie per violentiam.

Als die Griechen gegen die Trojaner Krieg führten, befand sich unter den Griechen der klügste wie auch starke, kühne und Mühen erduldende Odysseus. Als dieser das Heer untätig sah, erfand er das Schach- und Würfelspiel. Er wollte, dass die Soldaten so beschäftigt wären, um sie vor Aufruhr zu bewahren. Diesen entlarvte nun Palamedes; denn da er nicht gegen die Trojaner ziehen wollte, vielmehr vortäuschte, wahnsinnig zu sein, und zum Beweis seines Wahnsinns Salz säte, ließ Palamedes den Sohn des genannten Kriegers vor die Rinder stellen. Indem der Vater den Pflug von ihm wegwendete, erkannte man, dass er nicht wahnsinnig war. Deshalb wurde er unter Zwang zusammen mit den anderen in den Trojanischen Krieg geführt.

Moraliter

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Allega, quod natura in periculo numquam mentitur et, quicquid in aliqua causa dissimuletur, in necessitate tamen numquam potest celare, quin proprium sanguinem habeat defensare, Is. 49: Numquid potest mulier oblivisci infantem suum?

Moralisierung Führe an, dass die Natur in Gefahr niemals lügt und dass sie, was auch immer bei einer Sache vorgetäuscht wird, in einer Notlage dies niemals verbergen kann, vielmehr das eigene Blut beschützen muss, Is. 49,15: ›Eine Frau kann doch nicht etwa ihr Kind vergessen?‹

3 prima add. In hoc 13. Ovi. primo tractat litem ortam inter Ulyssem et Aiacem propter arma Achillis et qualiter Ulysses dicta arma obtinuit. Sed ad historias veniamus. De Ulysse dicitur quod Ep. 5 Ulixes Lo1V2V4BTr; Ulisses GEp. 9 – 10 Istum . . . quia GTr; om. Ep, sed hab. Ad quod quidem bellum invitus iverat dictus Ulysses. Nam ut hoc devitaret [coni. ex denitaret], id est. 9 – 10 Palamedes TrEp; Palamides GLo1V2V4B. 12 stultitie add. terram sterilem aravit et Ep. 12 – 13 Palamedes Palamides G; Palamedes autem, ut sciret veritatem, utrum esset insanus an non, ante aratrum et Ep. 15 cognitus GLo1 Lo2V4B; cognitum TrEp. 15 – 16 quare codd.; et cum hoc Palamedes prodidisset Ep. 21 numquam non numquam G, sed corr. 22 celare GLLo1Lo2V2B; celari Pa8Tr; quis celare V4; se celare Ep.

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Fabula secunda 751

Zweite Erzählung 751

Palamedes semper fuit exosus Ulixi pro eo, quod ipsum deprehenderat, quando furorem fingebat. Ideo volens se vindicare aurum multum sub lecto eius abscondit et tandem quasdam falsas litteras scripsit, ubi ex parte Priami Palamedi mandaretur, quod vel Grecos proderet vel aurum, quod erat sub lecto, restitueret. Et dictas litteras cuidam interfecto supposuit, que invente ad principes deferuntur. Interim Palamedes tamquam proditor accusatur. Qui cum ab Ulixe consilium peteret, consuluit sibi, quod fortiter negaret, quod etiam se morti obligaret, si illud aurum sub lecto suo umquam repertum esset. Quo facto aurum queritur et sub lecto Palamedis invenitur, qui a proceribus condemnatur et per Ulixem morti traditur. 752

Palamedes war Odysseus stets verhasst, weil er ihn überführt hatte, als er seinen Wahnsinn vortäuschte. Deshalb wollte er sich rächen und versteckte eine große Menge Gold unter dessen Bett und schrieb schließlich einen gefälschten Brief, in dem Palamedes von Seiten des Priamus aufgetragen wurde, entweder die Griechen zu verraten oder das Gold, das sich unter seinem Bett befand, zurückzugeben. Und eben diesen Brief schob er einem Getöteten unter, und er wurde gefunden und zu den Fürsten gebracht. Unterdessen wurde Palamedes als Verräter angeklagt. Als er bei Odysseus Rat suchte, gab dieser ihm den Rat, er solle dies entschlossen abstreiten und erklären, er wolle des Todes sein, wenn sich jenes Gold jemals unter seinem Bett fände. Dies tut er, und man sucht das Gold und es wird unter dem Bett des Palamedes gefunden. Dieser wird von den den Heerführern verurteilt und durch Odysseus dem Tod übergeben. 752

Moraliter Istud potest dici contra fraudes et malitias proditorum, qui per multas vias solent damna et mortes hominum procurare et non dubitant animam propriam perdere. Vel etiam potest dici, quod fatuum est, quod homo illi, cui nocuit, se committat vel ab eo consilium petat, sicut in fabula serpentis dicitur: 753 Quem cum rusticus percussisset et ille locutus misericordiam petisset, rusticus ab eo petiit, si bonum erat adhuc seminare. Qui respondit, quod sic;

Moralisierung Dies kann gegen die Betrügereien und üblen Taten von Verrätern gesagt werden, die auf vielen Wegen für Schaden und Tod von Menschen zu sorgen pflegen, und nicht zögern, ihre eigene Seele zugrunde zu richten. Oder es kann auch gesagt werden, dass es unvernünftig ist, dass ein Mensch sich demjenigen, dem er Schaden zugefügt hat, anvertraut oder bei ihm Rat sucht – wie es in der Erzählung von der Schlange heißt: 753 Als ein Bauer diese geschlagen und jene gesprochen und um Mitleid gebeten hatte, suchte der Bauer von ihr zu erfahren, ob es gut wäre noch zu säen. Diese antwor-

7 ubi codd.; om. Ep. 7 mandabatur Pa8V4; mandarentur G; mandavit LLo1; mandaretur Lo2; mandatur V2B; mandabat Tr; mandando Ep. 23 procurare Lo1Pa8V4BTrEp; pcurare G. 24 dubitant Pa8V2V4BTrEp; dibitant G; curant LLo1. 26 homo Lo1Pa8V4BTrEp; om. G.

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verumtamen inquit: Cui malefeceris, non credas. Seminavit igitur rusticus et prospere successit, propter quod serpentem duxit et lacte eum pavit. Alio etiam anno et alio rusticus idem a serpente petebat et in omnibus, que consulebat serpens, lucrum et prosperitatem inveniebat. Serpens autem, quod cui malefecerat non crederet, repetebat. Accidit autem, quod serpens quasi domesticus factus occasione inventa filium rustici occidit et tunc rustico dixit, quod in nullo sibi, quem casu leserat, credere debuit, quia, dato quod inimicus videatur reconciliari, quandoque tamen, si locum invenerit, ad vindictam prorumpit. Ideo bonum est proverbium, quod dicitur: A muliere repudiata et ab inimico reconciliato libera nos, domine 754 , quia Eccli. 12 dicitur: Non credas inimico tuo in eternum sicut enim aeramentum eruginat nequitia illius. Et si humiliatus vadat curvus, abice animum tuum et custodi te ab illo; et sequitur post: In oculis tuis lacrimabitur inimicus et, si invenerit tempus, non satiabitur sanguine tuo. Tertia Fabula 755 Cum Ulixes navigaret ab insula Samos, unde erat versus Troiam vel econtrario, accepit ventum mutuo ab Eolo, rege ventorum, quem inclusit in utribus. Cuius virtute ve-

tete, dass es so sei; gleichwohl aber sagte sie: Glaube nicht demjenigen, dem du Böses getan hast. Also säte der Bauer, und es glückte nach Wunsch; deshalb nahm er die Schlange mit sich und fütterte sie mit Milch. Nun erfragte der Bauer Jahr um Jahr dasselbe von der Schlange, und aus allem, was die Schlange riet, erwuchs ihm Gewinn und Reichtum. Die Schlange aber wiederholte, er solle niemandem glauben, dem er Böses getan habe. Es geschah aber, dass die Schlange, geradezu zum Haustier geworden, bei sich bietender Gelegenheit den Sohn des Bauern tötete, und dem Bauern sagte sie dann, dass er ihr, die er zufällig verletzt habe, nicht hätte glauben dürfen; denn, mag auch ein Feind scheinbar versöhnt sein, lässt er sich dennoch bisweilen zur Rache verleiten, wenn er eine Gelegenheit findet. Deshalb ist das Sprichwort richtig, das heißt: ›Von einer verschmähten Frau und von einem versöhnten Feind befreie uns, o Herr,‹ 754 denn es heißt Eccli. 12,10 f.,16: ›Glaube nie deinem Feind, denn so wie Erz rostet seine Verdorbenheit. Und wenn er demütig gebeugt umhergeht, lass deinen Mut fahren und hüte dich vor ihm.‹ Und es folgt später [Eccli. 12,16]: ›Mit deinen Augen wird der Feind weinen, und doch wird er, wenn er eine Gelegenheit findet, sich nicht genug an deinem Blut sättigen.‹ Dritte Erzählung 755 Als Odysseus von der Insel Samos fortsegelte, von wo er sich nach Troja oder in die Gegenrichtung wandte, empfing er leihweise von Aeolus, dem König der Winde, Wind, den er in Schläuche einschloss.

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25 Fabula tertia XIV,5 Ep. 11 – 12 in nullo V2BEp; inutiliter GV4Tr; inutile . . . esset L; inutile . . . erat Lo1. 20 aeramentum Pa8V4Ep; atramentum G; om. LLo1V2BTr. 21 abice GPa8V4Ep; adice Vulg.; om. Lo1Lo2V2BTr. 23 tuis GPa8V2Ep; suis Vulg.; om. Lo1Lo2V2BTr. 23 lacrimabitur V4; lacrimaburitur G; lacrimabit Pa8; lachrimatur Ep/Vulg.; om. Lo1Lo2V2BTr. 26 ab LLo1V2BTrEp; sub GPa8; super V4.

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hebatur ad portum. Socii autem sui aurum in utribus esse credentes ipsos aperuerunt et vento evanescente naves retrocedere ceperunt et ab introitu portus ad locum, unde venerant, redierunt. Nota, quod Eolus fuit rex novem insularum et dictus est ventos in sua potestate tenere et in antro residere dicitur, quia naturale est, ut loca concava plena sint ventis. Regnum ei Iuno fingitur dedisse, quia motus Iunonis, id est aeris, ventos creat, quibus Eolus preest. 756 Moraliter

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Dic moraliter, quod rex ventorum est diabolus, qui est rex super omnes filios superbie, Iob 41. Iste enim est, qui ventum vanitatis et superbie suis sequacibus et maxime nobilibus bella Troiana querentibus administrat et portum mundane glorie tali mediante vento procurat. Sed illi, qui in utribus aurum querunt, id est nobiles, qui aurum aggregare contendunt, de portu mundane glorie retrocedunt et quantum per vanitatem armorum navigaverunt, tantum per avaritiam, si eam quesierint, a stadio mundane glorie se divertunt. Vel dic, quod rex iste, qui ambulat super pennas ventorum, nobis dedit ventum spiritus sancti vel glorie in utribus nostri cordis,

Durch dessen Kraft gelangte er bis zum Hafen. Weil seine Gefährten aber in den Schläuchen Gold vermuteten, öffneten sie sie, und durch den entweichenden Wind wurden die Schiffe allmählich zurückgetrieben und kehrten vom Eingang des Hafens wieder an den Ort zurück, woher sie gekommen waren. Merke, dass Aeolus der König von neun Inseln war und die Winde in seiner Macht gehalten haben soll. Und er soll sich in einer Höhle aufgehalten haben, weil es natürlich ist, dass Wölbungen voll von Winden sind. Sein Reich soll ihm Juno gegeben haben, weil die Bewegung Junos, d. h. der Luft, Winde erschafft, die Aeolus befehligt. 756 Moralisierung Sag in moralischer Deutung, dass der König der Winde der Teufel ist, welcher ›der König über alle Söhne des Hochmuts ist‹, Iob 41,25. Dieser nämlich ist es, der den Wind der Eitelkeit und des Hochmuts seinen Anhängern und besonders den Adligen, die trojanische Kriege suchen, zur Verfügung stellt und den Hafen weltlichen Ruhms mit Hilfe eines solchen Windes verwaltet. Aber jene, die in den Schläuchen nach Gold suchen, d.h. die Adligen, die danach streben, Gold anzuhäufen, entfernen sich vom Hafen des weltlichen Ruhms, und je weiter sie mit der Nichtigkeit der Waffen gesegelt sind, desto weiter entfernen sie sich durch die Habgier von der Bahn des weltlichen Ruhms, wenn sie nach ihm streben. Oder sag, dass dieser König, ›der auf den Flügeln der Winde wandelt‹ [Ps. 103,3], uns in den Schläuchen unseres Herzens

2 ipsos add. prede cupidine capti dictos Ep. 6 – 12 Nota . . . preest G; om. B; cet. codd. et Ep prolixius: cf. Anm. 756. 8 antro codd. et Ep; atro G. 9 sint codd. et Ep; sit G. 16 Iob 41 Iob 40 G. 16 – 17 ventum . . . superbie Lo2V2BTrEp; vento . . . superbie GPa8V4; vanitates et superbiam LLo1. 29 glorie GLo1Lo2Pa8 V4; gratie V2BTrEp.

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ut spiritus bonus deducat nos in terram rectam. Si contingat, quod avaritia utrem cordis nostri perforet et quod aurum investiget, statim ventus, id est spiritus sancti flatus, a cordibus evanescit et a portu salutis anime navis retrocedit, quia, qui aurum invenire nititur, a profectu sui itineris impeditur, Prov. 16: Posside sapientiam, quia melior est auro. Fabula quarta 757 Ulixes cum per mare navigaret, vidit domum Circes. Circe autem filia Solis erat, que cantibus et artibus prepollebat sic, quod homines, in quascumque formas volebat, commutabat. Misit ergo illuc Ulixes aliquos de sociis suis, ut victualia acciperent et iter peterent. Quos ut vidit Circe, cum gaudio visa est eos recipere: vinum offert et ad mensam facit sedere. Ut autem potum eius aliquantulum attigerunt, inceperunt corpora horrescere setis, formam porcorum induere et in porcos fuerunt penitus transmutati et in tecto regine Circes cum aliis porcis sunt inclusi. Ulixes vero videns socios non redire ad terram applicat et statim pro petendis sociis regiam domum intrat. Ubi cum potus offeretur, bibere noluit et mutationis periculum sic evasit. Cum igi-

den Wind des Heiligen Geistes oder der Herrlichkeit gab, damit der gute Geist uns zum richtigen Land führe. Wenn es geschieht, dass Habgier den Schlauch unseres Herzens durchbohrt und sie nach Gold sucht, entweicht der Wind, d.h. das Wehen des Heiligen Geistes sogleich aus den Herzen, und das Schiff unserer Seele entfernt sich vom Hafen des Heils, weil, wer danach strebt, Gold zu finden, am Fortschreiten auf seinem Weg gehindert wird, Prov. 16,16: ›Besitze Weisheit, weil sie besser ist als Gold.‹ Vierte Erzählung 757 Als Odysseus über das Meer segelte, sah er das Haus der Circe. Circe aber war die Tochter des Sol, die so ausgezeichnet in Zaubergesängen und Zauberkünsten war, dass sie Menschen in jede beliebige Gestalt nach Wunsch verwandelte. Odysseus schickte also einige von seinen Gefährten dorthin, um Lebensmittel zu erhalten und nach dem Weg zu fragen. Sobald Circe diese sah, schien sie sie mit Freude zu empfangen: Sie bietet Wein an und lässt sie sich an den Tisch setzen. Sobald sie aber an ihrem Getränk ein wenig nippten, fingen ihre Körper an von Borsten rauh zu werden, die Gestalt von Schweinen anzunehmen, und sie wurden vollständig in Schweine verwandelt und im Haus von Königin Circe mit den anderen Schweinen eingeschlossen. Als Odysseus aber sieht, dass seine Gefährten nicht zurückkehren, geht er an Land und betritt sogleich das königliche Haus, um seine Gefährten zurückzufordern. Als ihm dort ein Trank angeboten wurde, lehnte er ab zu trinken und entging so der Gefahr der Verwandlung. Weil er

10 Fabula quarta XIV,6 Ep. 12 Circe Pa8V2Ep; Circes GLLo1Lo2BTr; Cirtes V4. 20 attigerunt Lo2V2V4BEp; attingerunt GTr; gustaverant L; gustaverunt Lo1. 21 horrescere Lo2Pa8V2V4TrEp; horscere G; om. horrescere setis LLo1. 21 – 22 formam . . . induere LLo1Lo2Pa8TrEp; indui formam GLo2V2V4; se disindui et formam B.

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tur ipse esset sapiens et astutus et eloquio facundus, tantum scivit cum Circe conferre, quod ipsum in virum accepit et socios suos ad formam humanam reduxit. Et tandem cum per annum mansisset ibidem, ad patriam cum sociis remeavit ipsamque pregnantem de Telegono gravidam reliquit; qui tandem ipsum Ulixem patrem suum ignoranter occidit. Ista tamen non videntur fabulariter scripta secundum Augustinum ›De civitate dei‹ 758 , sed historialiter. Moraliter

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Circe potest significare mundi prosperitatem, que filia Solis dicitur, quia omnis prosperitas a sole, id est a deo, dispensative nascitur. In maris etiam insula dicitur regere, quia ista in mari huius mundi solet tantummodo locum habere. Ista igitur est, que hominum facies, figuras et condiciones mutat ipsosque de hominibus in porcos, id est de rationabilibus in voluptuosos, transformat. Unde etiam sepe factum est, quod socii Ulixis, id est fratres Christi, videlicet viri ecclesiastici et religiosi, cum ad domum Circes, id est ad mundi prosperitatem, veniunt et de potu deliciarum bibunt, in porcos, id est in voluptuosos, transformantur et figuram humanam, id est usum rationis humane, per vitia perdunt. Verumtamen Ulixes, id est vir prudens et iustus, quando a potu deliciarum carnalium nimie delectationis precavet, et isti potest coniun-

aber klug, listig und eloquent war, wusste er soweit mit Circe übereinzukommen, dass sie ihn zum Mann nahm und seinen Gefährten die menschliche Gestalt zurückgab. Und nachdem er dort schließlich für ein Jahr geblieben war, kehrte er mit seinen Gefährten in seine Heimat zurück und ließ sie schwanger, in der Erwartung ihres Sohnes Telegonus, zurück; dieser tötete schließlich unwissentlich seinen Vater Odysseus. Diese Erzählungen aber scheinen nach Augustins ›De civitate dei‹ 758 nicht als Fabeln, sondern als historische Ereignisse aufgeschrieben zu sein. Moralisierung Circe kann den weltlichen Reichtum bedeuten, der Tochter der Sonne genannt wird, weil jeder Reichtum von der Sonne, d.h. von Gott, aus seiner Zuteilung erwächst. Auch soll sie auf einer Meeresinsel regieren, da sie nur im Meer dieser Welt ihren Ort zu haben pflegt. Sie also ist es, die das Angesicht, die Gestalt und den Stand der Menschen verwandelt und sie von Menschen in Schweine, d.h. von Vernünftigen in Lasterhafte, umformt. Daher ist es auch oft geschehen, dass die Gefährten des Odysseus, d.h. die Brüder Christi, nämlich Kirchenmänner und Geistliche, wenn sie zum Haus der Circe, d.h. zu weltlichem Reichtum, kommen und vom Trank der Vergnügungen trinken, in Schweine, d. h. in Lasterhafte, verwandelt werden und ihre menschliche Gestalt, d.h. den Gebrauch des menschlichen Verstandes, durch die Laster verlieren. Dennoch kann Odysseus, d.h. der kluge und gerechte Mann, wenn er sich vor dem Trank allzu großen Vergnügens an körperlichen Genüssen hütet, auch mit ihr ver-

7 de GLo1Pa8V2V4BTr; et Ep. 16 maris Lo1Pa8V4TrEp; mari GB. 20 ipsosque LPa8V4BTrEp; ipsisque G. 26 veniunt V4Ep; venerint GLo1V2BTr. 26 potu Lo1Pa8V4BEp; portu G. 26 bibunt V4Ep; biberint GLo1V2BTr. 27 – 28 transformantur V4Ep; transformati erunt] GLo1V2BTr. 29 perdunt V4Ep; perdiderint G; perdent Lo1V2BTr.

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gi et tamen morum mutationem et perditionem non timet. Sapiens enim bene potest cum Circe, id est cum mundi prosperitate, absque damno suo se coniungere, dum tamen a potu venefico, id est a carnis deliciis, studeat abstinere. Mutatos etiam in porcos, id est alios per mundi prospera depravatos, ad formam humanam revocat, quando ipsos verbis et exemplis ad usum rationis transformat. Et sic propter Circem patriam non perdit, quando non obstantibus prosperis ad patriam paradisi pervenire novit. Sed mali, qui nesciunt prosperitate bene uti, in bestias mutantur, boni vero et prudentes, quia bene et prudenter sciunt uti, nullis vitiis corrumpuntur, qualis erat apostolus, qui dicebat Phil. 4: Scio abundare, scio et penuriam pati. Quod exponens beatus Gregorius super Ez. sic dicit 759 , quod ille novit abundare et penuriam pati, quem nec in prosperitate superbia elevat, nec in necessitate cupiditas inflammat. Vel dic, quod Circe est diabolus, cuius potus est mundi prosperitas vel deliciarum ebrietas vel malarum scientiarum voluptas. Que qui biberint, fiunt porci, qui vero non tetigerint, fiunt sani. De illo calice dicitur figuraliter Ier. 25: Sume calicem vini furoris huius de manu mea et propinabis de illo cunctis gentibus, ad quas ego mittam te, et bibent et turbabuntur et insanient; et Ier.

bunden werden und fürchtet gleichwohl die Veränderung und den Verlust des guten Lebenswandels nicht. Der Weise kann sich nämlich gut mit Circe, d.h. mit dem weltlichen Reichtum, ohne Schaden seiner Person verbinden, doch nur solange er sich bemüht, sich vom Gifttrank, d.h. von den Freuden des Körpers, fernzuhalten. Auch stellt er die in Schweine Verwandelten, d. h. die anderen, die durch weltliche Erfolge verdorben wurden, in ihrer menschlichen Gestalt wieder her, wenn er sie mit Worten und Beispielen zum Gebrauch des Verstandes umbildet. Und so verliert er wegen Circe nicht die Heimat, wenn er, durch den Reichtum nicht behindert, zum Vaterland des Paradieses zu gelangen weiß. Die Bösen aber, die den Reichtum nicht gut zu nutzen wissen, werden in Tiere verwandelt, die Guten und Klugen aber, weil sie ihn gut und klug zu nutzen wissen, werden durch keinerlei Laster verdorben, nach Art des Apostels, der sagte Phil. 4,12: ›Ich weiß im Überfluß zu leben, ich weiß aber auch, Mangel zu erdulden.‹ In seiner Auslegung davon sagt der selige Gregor in ›Super Ezechielem‹, 759 dass ›jener im Überfluss zu leben und Mangel zu leiden weiß, den weder im Reichtum der Hochmut emporhebt, noch in der Not die Begierde entflammt.‹ Oder sag, dass Circe der Teufel ist, dessen Trank der weltliche Reichtum oder die Trunkenheit in Vergnügungen oder die Freude an bösen Künsten ist. Die, die ihn trinken, werden zu Schweinen, die ihn aber nicht berührt haben, werden gesund. Von jenem Kelch heißt es in figürlicher Rede Ier. 25,15 f.: ›Nimm den Kelch des Weins dieses Wahnsinns aus meiner Hand und du wirst allen Völkern, zu denen ich dich schicke, aus ihm zu trinken geben und sie werden

10 patriam GLLo1V2V4BTr; formam propriam Lo2Ep; om. Pa8. 11 – 12 prosperis prosperos G, sed corr. 15 quia . . . prudenter LLo1Lo2V4BTrEp; om. GV2. 17 Phil. 4 Eph. 6 G. 25 scientiarum GLo2Pa8V2 V4BTr; concupiscentiarum LLo1Ep. 28 Ier 25 Ier. 24 G. 30 quas Pa8V4Ep/Vulg.; quos G; om. LLo1Lo2 V2BTr. 31 – 434,1 Ier. 51 Ier. 28 G.

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51: Calix aureus Babylon in manu domini etc. usque commoti sunt. 760 Ac si diceret, quod illi, qui de calice prosperitatis potantur, faciliter a statu rationis moventur. Et iste calix aureus et calix furoris dicitur, quia, quamvis tamquam aurum sursum resplendeat, homines tamen sitibundos et ratione carentes facit. Fabula quinta 761

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Ulixes de Troiana destructione rediens ad quandam insulam applicuit, ubi Polyphemus gigas permaximus imperabat. Qui ita fortis et magnus erat, quod montes portabat, capillos capitis et humerorum ad modum silvarum habebat; 762 unum oculum gerebat in capite, quem ad modum lati clipei frons media continebat. Istum igitur dormientem Ulixes invenit et oculum suum sibi furatus fuit, quia quendam de sociis suis devoravit, et oculum furando ipsum excecavit. Post quem cecus Polyphemus discurrens montes et rupes post eum cepit proicere, sed ipse caute navem intrans cepit velociter navigare. Achemenides autem, unus de sociis Ulixis, ibi remansit, qui cum clamare non auderet propter gigantem, diu glandibus ibi vixit; sed navis Troiana postea navigans ipsum duxit. 763

trinken und verwirrt und wahnsinnig werden,‹ und Ier. 51,7: ›Babylon, der goldene Kelch in der Hand des Herrn‹ bis zu ›sie sind erschüttert worden.‹ 760 Als ob er sagte, dass jene, die aus dem Kelch des Reichtums trinken, sich leicht aus einem vernünftigen Zustand entfernen. Und dieser goldene Kelch wird auch Kelch des Wahnsinns genannt, weil er, obwohl er wie Gold aufstrahlen mag, die Menschen dennoch durstig macht und des Verstands beraubt. Fünfte Erzählung 761 Als Odysseus von der Zerstörung Trojas zurückkehrte, legte er an einer Insel an, auf der der gewaltige Riese Polyphem herrschte. Dieser war so stark und groß, dass er Berge tragen konnte; er hatte Haare auf dem Kopf und den Schultern wie einen Wald. 762 Er hatte ein Auge im Kopf, das wie ein breiter Rundschild die Mitte der Stirn einnahm. Odysseus traf ihn schlafend an und raubte ihm sein Auge, da er einen von seinen Gefährten verschlungen hatte, und durch den Raub des Auges blendete er ihn. Der blinde Polyphem lief ihm nach und begann, Berge und Felsen nach ihm zu werfen; er aber bestieg vorsichtig das Schiff und begann schnell fortzusegeln. Achaemenides jedoch, einer von den Gefährten des Odysseus, blieb dort zurück, weil er wegen des Riesen nicht zu rufen wagte; lange ernährte er sich dort von Eicheln. Aber ein trojanisches Schiff segelte später vorbei und nahm ihn auf. 763

9 Fabula quinta XIV,4 Ep. 1 Babylon GLo1Pa8V4BTr; Babylonis Ep. 2 commoti GPa8V4Tr; commote LLo1V2BEp/Vulg. 11 – 12 Polyphemus Ep; pi G; Poliphemus Lo1V4Tr; Polifemus B. 13 – 14 quod montes portabat LLo1Ep; quod post montes proiciebat G; quod post homines proiciebat Lo2B; quod homines deforabat Pa8; et montes portabat de loco ad locum Tr. 14 humerorum GLo1Lo2Pa8V4BTr; barbam Ep. 16 – 17 lati clipei Lo1Lo2 V2BTrEp; lati clipei latitudinem G; lati clipei latitudo Pa8; lati clipei latitudinis V4. 21 Post quem LLo1Lo2 V2BEp; postquam GPa8V4Tr. 24 Achemenides Achimenides GV2V4BEp; Acheimerides Lo1; Archimedes Tr. 26 qui cum Lo2V2BTr; quia cum GV4; qui Ep.

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Moraliter

Moralisierung

Per istum magnum rusticum videntur posse intelligi mundi principes et magnates, qui montes portare dicuntur pro eo, quod magna et ardua negotia habere probantur. Barbam etiam et capillos ad modum silvarum habere dicuntur pro eo, quod exterioribus possessionibus et divitiis dicuntur repleri. Sed isti, qui debent habere duos oculos, id est duplicem discretionem, scilicet spiritualem, qua vident deum et celestia, et corporalem, qua vident mundum et terrestria, isti unico videntur oculo esse contenti et sola mundi discretione dotati. Non enim habent oculum, quo deus videtur, sed solum habent oculum, quo mundus videtur. Sed Ulixes, id est diabolus, istum oculum, id est discretionem mundanam, solet eis auferre, quia quasi hodie inveniuntur totaliter ceci, Mt. 15: Ceci sunt et duces cecorum.

Unter diesem großen ungeschlachten Mann können wohl die weltlichen Fürsten und Vornehmen verstanden werden, von denen es heißt, dass sie Berge tragen, weil man weiß, dass sie große und schwierige Aufgaben erfüllen. Außerdem heißt es, dass sie einen Bart und Haare wie einen Wald haben, da sie über äußeren Besitz und Reichtum in Fülle verfügen. Diese aber, die zwei Augen haben sollten, d.h. ein zweifaches Unterscheidungsvermögen, nämlich ein geistiges, mit dem sie Gott und das Himmelreich betrachten, und ein körperliches, mit dem sie die Welt und die irdischen Dinge sehen, scheinen mit einem einzigen Auge zufrieden und allein mit dem weltlichen Unterscheidsvermögen ausgestattet zu sein. Sie haben nicht das Auge, mit dem Gott betrachtet wird, sondern sie haben allein das Auge, mit dem die Welt gesehen wird. Aber Odysseus, d.h. der Teufel, pflegt ihnen dieses Auge, d.h. die weltliche Unterscheidungsgabe, wegzunehmen; denn man findet sie heute gleichsam vollkommen erblindet, Mt. 15,14: ›Sie sind blind und Führer der Blinden.‹

Fabula sexta 764

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Polyphemus predictus amavit quandam marinam virginem, que Galatea vocabatur. Quam quia opprimere non poterat pro eo, quod statim in equora se mergebat, cepit eam humiliter rogare et promissis et carminibus exorare. Que omnia cum Galatea contemneret pro eo, quod Acin, iuvenem pulcerrimum, diligebat, ipse zelotypia ductus exploravit, quomodo ipsos simul loquentes

Sechste Erzählung 764 Der zuvor genannte Polyphem liebte eine Meerjungfrau, die Galatea hieß. Da er diese nicht überwältigen konnte, weil sie sogleich im Wasser untertauchte, begann er sie demütig zu bitten und mit Versprechen und Liedern anzuflehen. Da Galatea dies alles verschmähte, weil sie Acis, einen sehr schönen Jüngling, liebte, suchte er, von Eifersucht erfasst, herauszubekommen, wie er sie im Gespräch miteinander sehen kön-

21 Fabula sexta XIII,6 Ep; cf. XIV,4f. Ep. 11 – 12 vident . . . vident GV2V4; videant . . . videant TrEp. 14 dotati Lo1Pa8V4BTrEp; om. G. 20 Mt. 15 Mt. 12 G. 23 Galatea Ep; Galleata G; Galeata Lo1V2V4; Galacea B; Galata Tr. 28 Acin Achim GV2V4BTr; Achym Lo1; Acim Ep. 30 simul Lo1Lo2Pa8V2V4BTrEp; om. G.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

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videret. Quo quadam die comperto ubi et Galatea et Acim simul concumbere videt, montem super ipsos proiecit et Acin in mari oppressit, sed dei miseratio ipsum in fontem mutavit.

ne. Als er dies eines Tages in Erfahrung brachte, wo er Galatea und Acis miteinander schlafen sah, warf er einen Berg auf sie und erdrückte Acis im Meer; aber das Mitleid eines Gottes verwandelte ihn in eine Quelle.

Moraliter

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Dic, quod ista faciunt invidi: si enim alicuius amorem cupiunt acquirere et ille alterum plus diligat, sepe nituntur utrumque opprimere, utrique detrahere, utrumque diffamare. Fabula septima 765

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Penelope filia Icarii casta procos ipsam rogantes decipiebat, quia se cum eis nubere, cum telam, quam texebat, complere potuisset, promittebat. Ista tamen quicquid de die texebat, de nocte postea detexebat et quicquid in die fiebat, in noctis tenebris destruebat. Moraliter Allega istud contra hypocritas, qui quicquid de die faciunt, nocte destruunt, quia scilicet telam virtutum, quam faciunt in publico, destruunt in occulto et, quicquid com-

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Moralisierung Sag, dass dies die Neider tun: Wenn sie nämlich die Liebe von jemandem zu erlangen suchen und jener einen anderen mehr liebt, trachten sie oft danach, beide hart zu bedrängen, beide zu verleumden, beide zu diffamieren. Siebte Erzählung 765 Penelope, die Tochter des Icarius, täuschte die Freier, die um sie warben; denn sie versprach sie zu heiraten, wenn sie das Gewebe, das sie webte, habe vollenden können. Doch sie löste das, was sie am Tage gewebt hatte, später in der Nacht wieder auf und was sie am Tage gemacht hatte, machte sie in der Dunkelheit der Nacht zunichte. Moralisierung Wende dies gegen die Heuchler an, die, was auch immer sie am Tag herstellen, in der Nacht zerstören, weil sie das Gewebe der Tugenden, das sie in der Öffentlichkeit herstellen, im Verborgenen zunichte machen und, was auch immer sie in Anwesenheit

11 diffamare add. Vel dic, quod per Galatheam potes intelligere albam deam et dicitur a gala, quod est lac et theos, quod est deus vel dea, quasi dea lactea, id est alba. Per Acim intellige castitatem, per Polyphemum intellige plurimum corruptum vel foemineum. Et dicitur a poly, quod est pluralitas, et phoemos, quod est foemina, quasi plurimus foemineus, quia tunc dicitur Polyphemus Acim, id est corruptio castitatem interficere, quando corruptio praedominatur castitati. Ep. 12 Fabula septima XIV,8 Ep. 20 Moraliter add. Sic quelibet casta vero facere debet, id est que cum ab aliquo rogatur, debet insistere labori et non otio. Nam otia dant vitia. Pa8. 1 Quo GLLo1Lo2V2BTr; qui Pa8Ep. 1 quadam Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; quddam G. 13 Icarii Icarei G; Ycari Lo1; Icari V2V4BTrEp; add. et uxor Ulysses Ep. 13 procos Lo1Lo2BTrEp; per eos G; procaces L; proceres Pa8V2 V4. 14 nubere Lo1Pa8V4BTrEp; nubere diceret G. 16 promittebat Lo1Pa8V4BTrEp; complere permitebat G.

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ponunt in hominum apparentia bene operando, destruunt in ipsorum absentia turpia faciendo. Igitur deus, qui eorum conubium appetit, id est caritatem, ab eis deluditur, quia, cum tela sue perfectionis numquam ad complementum veniat, restat, ut se ipsis deus non iungat. Quod etiam de quibusdam dyscolis, qui aliquando bona faciunt, sed postea ad mala opera prorumpunt, potest dici illud Is. 38: Precisa est velut a texente vita mea. etc. Fabula octava 766

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Ulixes ex responsis deorum habuit, quod ipsum quidam filius suus debebat interficere. Quo territus loca abdita petiit et rem somniorum, quantum potuit, evitavit. Telegonus autem, filius Circes, de quo non precavebat, quia ipsum vel valde parvulum vel in matris adhuc utero dimiserat, iam factus adultus patrem de mandato matris querens ad Ulixis ianuam venit. Qui telum, quod portabat in manu, contra filium proiecit et aliquantulum eum lesit. Invalidus autem puer idem telum in Ulixem retorquens patrem ignarus occidit. Qui triduo supervivens et, quis erat, a iuvene querens ipsum esse filium suum et Circes cognovit. Et sic iuxta deorum responsa ignotus pater ab ignoto filio occubuit. 767

von Menschen durch gute Taten herstellen, in ihrer Abwesenheit durch schlechte Taten zerstören. So wird also Gott, der die Vermählung mit ihnen anstrebt, d. h. ihre Liebe sucht, von ihnen getäuscht, weil, da ja das Gewebe ihrer Vollkommenheit niemals zum Abschluss kommt, nur übrig bleibt, dass Gott sich nicht mit ihnen verbindet. Dies kann auch von einigen unausgeglichenen Menschen gesagt werden, die einmal gute Werke vollbringen, später aber zu bösen Taten aufbrechen, nach jenem Wort Is. 38,12: ›Mein Leben ist wie von einem Weber abgeschnitten‹ usf. Achte Erzählung 766 Odysseus erfuhr aus den Orakelsprüchen der Götter, dass einer seiner Söhne ihn töten werde. Davon erschreckt suchte er abgelegene Gegenden auf und vermied, soweit er konnte, die dem Traum entsprechende Gefahr. Telegonus aber, der Sohn der Circe, vor dem er sich nicht hütete, weil er ihn entweder als sehr kleinen Jungen oder noch im Bauch der Mutter zurückgelassen hatte, suchte nun als Erwachsener im Auftrag der Mutter den Vater, und er kam zur Tür des Odysseus. Dieser schleuderte den Speer, den er in der Hand trug, gegen seinen Sohn und verletzte ihn leicht. Der verletzte Junge aber warf denselben Speer zurück auf Odysseus und tötete unwissend seinen Vater. Dieser lebte noch drei Tage und erfragte von dem jungen Mann, wer er sei, und er erfuhr, dass er sein und Circes Sohn sei. Und so starb nach dem Spruch der Götter der nicht erkannte Vater durch den nicht erkannten Sohn. 767

12 Fabula octava XIV,7 Ep. 4 id est GV2B; et LLo1Lo2Pa8V4; per TrEp. 7 deus Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; dominus G. 9 – 10 potest . . . illud GLLo1Lo2B; de quibus conqueritur Pa8; de quibus conqueritur propheta V4; potest dici TrEp. 10 Is. 38 Is. 24 G. 13 habuit add. sicut alibi legitur Ep. 15 – 16 rem somniorum GLo2Pa8V2V4BTr; rem fati LLo1; comminationem deorum Ep. Cf. vim somniorum Dictys Cret., VI,15, S. 113. 16 – 17 Telegonus Thelegonus Ep; Thelogonus GLo1V4B; Thelogenus V2; Theologemus Tr. 26 iuvene Lo1Pa8V4BTrEp; Iunone G.

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Moraliter

Moralisierung

Applica illud ad occultam dei providentiam, quam nullus potest fugere, quia quantumcumque latuerit, et per modum et per viam, quam non sperat, necesse est illud, quod a deo ordinatum est, evenire, Prov. 21: Non est sapientia, non est prudentia, non est consilium contra deum.

Wende jenes auf die verborgene Vorsehung Gottes an, der keiner entfliehen kann, weil, so sehr er sich auch verbergen mag, geschehen muss, was von Gott bestimmt ist, und zwar auf eine Weise und mit Mitteln, die er nicht erwartet, Prov. 21,30: ›Gegen Gott gibt es keine Weisheit, keine Klugheit und keinen Ratschluss.‹

Fabula nona 768 10

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Idomeneus rex Crete ab obsidione Troie revertens et in mari periculum timens diis vovit, quod ad domum rediens, quidquid sibi primum occurreret, immolaret. Cum igitur filia sua sibi revertenti prima obviam occurrisset, ipsam iuxta quod promiserat immolavit. Simile huius habemus de Iephte Iud. 11. 769 Moraliter

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Tales sunt multi, qui filiam suam, id est animam, diis, id est demonibus, immolant, quando ipsos ab aliquo temporali periculo liberant. Avarus enim diabolo animam sacrificat per vitium cupiditatis, ut ipsum liberet a naufragio paupertatis, et sic de ceteris. Vel dic, quod extrema gaudii luctus occupat, nisi enim ista pre nimio amore et gaudio ad patrem cucurisset, mortua non

Neunte Erzählung 768 Als Idomeneus, der König Kretas, von der Belagerung Trojas zurückkehrte und die Gefahr des Meeres fürchtete, gelobte er den Göttern, das, was ihm bei seiner Rückkehr in sein Haus als Erstes entgegenkomme, zu opfern. Da nun seine Tochter ihm bei der Heimkehr als Erste entgegengelaufen war, opferte er sie gemäß seinem Versprechen. Etwas diesem Ähnliches kennen wir von Jephte Iud. 11. 769 Moralisierung Solche Menschen gibt es viele, die ihre Tochter, d.h. ihre Seele, den Göttern, d.h. den Dämonen, opfern, wenn diese sie aus einer Gefahr im Diesseits befreien. Der Habgierige nämlich opfert dem Teufel seine Seele durch das Laster der Gier, damit er ihn aus dem Schiffbruch der Armut befreie, und so ist es auch bei den Übrigen. Oder sag, dass ›die Freude in Trauer endet‹ [Prov. 14,13]; denn diese wäre nicht gestorben, wenn sie nicht in übergroßer Liebe und Freude dem Vater entgegen gelaufen

8 deum add. Vel dic de iustitia dei, pro eo Ulixes Palamedem proditorie fecit occidi, ideo permissum est, a proprio filio ut interficeretur, quod scriptum est per que peccavit homo, per hec condemnabatur. Tr. 9 Fabula nona XIV,12 Ep. 26 – 439,19 Vel . . . vestigia eius deest Tr. 5 sperat Pa8V4BTrEp; sperant G; speret LLo1Lo2V2. 13 – 16 Cum . . . immolavit] cet. codd. et Ep; om. B. 14 prima V2BEp; primo GTr; om. V4. 16 Iephte Iepte GV2TrEp; Repte V4.

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fuisset. Melius autem fecit rusticus, de quo legitur in Gestis Alexandri: 770 Qui cum deorum responsa quadam die de quadam civitate habuisset, quod, cui primo occurreret seu obviaret, ipsum occidere deberet, accidit, quod rusticum ducentem asinum primo obvium habuit, quem statim occidere voluit. Cui rusticus dixit se ipsum obvium non fuisse primum, sed asinum precedentem occidere debere. Quod gratum habens Alexander occidit asinum. Homo igitur, qui alios precedere appetit ex nimia acceleratione, aliquando premittitur, ut periculorum impetus caveatur. Quod etiam in moribus est verum, quia illi, qui ambiunt alios in honoribus precedere, solent maioribus periculis subiacere, propter quod dicitur Gen. 33: Precedat dominus meus servum suum et ego paulatine sequar vestigia eius. Fabula decima Diomedes fuit unus de Grecie regibus, qui contra Troianos venerant. Qui cum quadam die contra Eneam confligeret et dea Venus, que ipsum Eneam ab Anchise pastore conceperat, ipsum iuvaret et ipsum obductum nube defenderet, accidit, quod Diomedes Venerem vulneravit, 771 quam Mars in equis de manibus eius liberavit. Propter quod Venus uxorem Diomedis prostituit et publicam meretricem fecit 772 et, cum navigaret

wäre. Besser aber machte es der Bauer, von dem man in den ›Taten Alexanders‹ liest: 770 Als dieser [Alexander] eines Tages für eine Stadt den Orakelspruch der Götter erhalten hatte, dass er den, dem er zuerst begegne oder entgegen komme, töten müsse, geschah es, dass ihm ein Bauer, der einen Esel mit sich führte, zuerst entgegen kam. Diesen wollte er sogleich töten; aber der Bauer sagte ihm, dass er ihm nicht als Erster begegnet sei, sondern dass er den Esel, der vorangegangen war, töten müsse. Weil ihm dies willkommen war, tötete Alexander den Esel. Ein Mensch also, der danach strebt, andere zu übertreffen in übergroßer Eile, wird manchmal vorgeschickt, damit man sich vor den drängenden Gefahren hütet. Dies ist auch in sittlichen Dingen wahr, weil jene, die andere in Ehren(ämtern) zu übertreffen wünschen, gewöhnlich größeren Gefahren ausgesetzt sind. Deshalb heißt es Gen. 33,14: ›Mein Herr möge seinem Diener vorangehen, und ich werde langsam seinen Spuren folgen.‹ Zehnte Erzählung Diomedes war einer der Könige Griechenlands, die gegen die Trojaner gezogen waren. Als dieser eines Tages mit Aeneas kämpfte und die Göttin Venus, die eben jenen Aeneas von dem Hirten Anchises empfangen hatte, ihm half und ihn, verborgen in einer Wolke, verteidigte, geschah es, dass Diomedes Venus verletzte. 771 Auf seinen Pferden befreite sie Mars aus dessen Händen. Deshalb prostituierte Venus die Ehefrau des Diomedes und machte sie zu einer öffentlichen Dirne. 772 Und als er in seine

20 Fabula decima XIV,11 Ep. 12 qui Pa8V4Ep; om. GLo2; al. al. 12 – 13 ex . . . aliquando coni.; ex nimia acceleratione G; aliquando ex nimia acceleratione Pa8V4; quandoque ex nimia acceleratione Ep; om. LLo1Tr. 14 Quod Lo2Pa8V2V4BEp; qui G; unde hoc LLo1. 18 Gen. 33 Gen. 32 G. 22 venerant Lo2Ep; venerat GLo1Lo2V4Tr; erat L; iverunt V2B; om. Pa8. 23 contra Eneam Lo1Lo2Pa8V4TrEp; cum Eneam G; cum Enea B. 28 eius Lo1Pa8V4TrEp; om. G, sed add. in marg.

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in patriam suam, socios suos in aves mutavit. Que adhuc Diomedee aves dicuntur et Grecis applaudere et sepulcrum Diomedis frequentare noscuntur. 773 Iste autem Diomedes patriam suam pre verecundia uxoris prostitute adire noluit, sed in diversis regionibus divagavit. 774 Moraliter

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Dic, quod in religione vel ecclesia sunt bella Grecorum et Troianorum, id est bonorum et malorum, quia, sicut Eccli. 33 dicitur, contra malum bonum et contra vitam mors, sic contra virum iustum peccator. Per Diomedem intelligo viros castos, per Eneam filium Veneris iuvenes insolentes et luxuriosos. Est igitur verum, quod, quando viri iusti contra Venerem et filium, id est contra luxuriam et amicos suos, volunt pugnare, iuvenes reprehendere et eorum lasciviam abhorrere, sepe fit, quod Venus, id est lascivia, ipsos subtrahit. Fit autem sepissime, quod aliqui, qui ita acriter non considerata sua fragilitate in aliis Venerem impugnant, sibi ipsis a deo dimittuntur et a Venere et a carnis concupiscentia taliter impugnantur, quod eorum uxor, id est caro, fornicatur et luxuriosa efficitur et vitium, quod in aliis indiscrete iudicabant, in se ipsis experiuntur, ita quod apostate et vagabundi fiunt et pre confusione in patria manere verecun-

Heimat segelte, verwandelte sie seine Gefährten in Vögel. Diese Vögel heißen bis heute Vögel des Diomedes [Reiher], und man erkennt sie daran, dass sie den Griechen Beifall spenden und das Grab des Diomedes häufig besuchen. 773 Diomedes aber wollte aus Scham wegen der öffentlichen Entehrung seiner Ehefrau nicht in seine Heimat zurückkehren, sondern zog in verschiedenen Gegenden umher. 774 Moralisierung Sag, dass es in der Religion und in der Kirche Kriege von Griechen und Trojanern gibt, d.h. von Guten und Bösen, denn, wie es Eccli. 33,15 heißt, ›gegen das Böse steht das Gute und gegen das Leben der Tod und so auch gegen den gerechten Mann der Sünder.‹ Unter Diomedes verstehe ich keusche Männer, unter Aeneas, dem Sohn der Venus, unverschämte und zügellose junge Männer. Es ist nun wahr, dass es oft geschieht, wenn gerechte Männer gegen Venus und ihren Sohn, d.h. gegen die Unzucht und ihre Freunde, kämpfen, junge Männer tadeln und ihre Zügellosigkeit verabscheuen wollen, dass Venus, d. h. die Zügellosigkeit, sie sich unbemerkt davonmachen lässt. Es geschieht aber besonders häufig, dass einige, die, ohne ihre eigene Schwachheit zu bedenken, Venus bei anderen so heftig bekämpfen, selbst von Gott aufgegeben werden und von Venus, und das meint von der Begehrlichkeit des Fleisches, so stark bedrängt werden, dass ihre Ehefrau, d. h. ihr Leib, eine Hure und unzüchtig wird und dass sie bei sich selbst das Laster, das sie bei anderen gnadenlos verurteilen, ausüben, so dass sie abtrünnig und unstet werden und aus Verwirrung sich scheuen, in ihrer Heimat zu bleiben.

21 – 441,10 Fit . . . dederit deest Tr. 2 Diomedee LEp; Diomedie GLo1Lo2Pa8V4BTr. 12 vitam mors GLo1Pa8V4BTrEp; mortem vita Vulg. 24 dimittuntur GLLo1V2V4B; permittuntur Lo2Pa8Ep. 24 – 25 et . . . impugnantur GV2V4B; om. Ep.

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dantur. Socii tamen eorum aves fiunt, quando casum istorum videntes per contemplationem volant et ad deum, ne similiter pereant, se convertunt. Non igitur sunt filii Veneris ultra modum exasperandi, sed fragilitas nature est attendenda; carnis enim concupiscentia numquam per violentiam vincitur, sed solum dei gratia et bonis monitis et orationibus superatur, Sap. 8: Non ero continens, nisi deus dederit. 775 Fabula undecima 776

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Glaucus fuit quidam piscator. Qui cum quadam die pisces multos cepisset et eos iam mortuos in litore super herbam posuisset, factum est, quod ipsi pisces, ut herbam attigerunt, vivificati sunt et unus post alium in mare se misit. Ipse vero virtutem herbe admirans de ipsa herba gustare modicum voluit. Quam ut gustavit, statim in piscem est mutatus et in mare se misit et deus maris factus est. Qui in parte corporis anteriori formam humanam habet, in posteriori vero formam anguille. Glaucus etiam secundum alios 777 dicitur, quia colore glauco inter alios pisces decoratur. Moraliter Dic, quod iste piscator malum predicatorem designat, qui bene predicat, sed male vivit, quia sepe fit, quod per eius predica-

Ihre Gefährten werden jedoch zu Vögeln, wenn sie deren Fall sehen und in der Betrachtung fliegen und sich zu Gott wenden, um nicht auf ähnliche Weise zugrunde zu gehen. Man darf also die Söhne der Venus nicht allzu sehr gegen sich aufbringen, sondern muss auf die Schwachheit der Natur Rücksicht nehmen; die Begehrlichkeit des Fleisches wird niemals durch Gewalt besiegt, sondern wird allein durch Gottes Gnade und durch gute Ermahnungen und Gebete überwunden, Sap. 8,21: ›Ich werde nicht enthaltsam sein, außer wenn Gott es gegeben hat.‹ 775 Elfte Erzählung 776 Glaucus war ein Fischer. Als dieser eines Tages viele Fische gefangen und die schon toten Fische am Strand auf die Kräuter gelegt hatte, geschah es, dass die Fische, sobald sie die Kräuter berührten, lebendig wurden und einer nach dem anderen ins Meer sprang. Er aber, verwundert über die Kraft des Krauts, wollte von dem Kraut ein bisschen kosten. Sobald er es kostete, wurde er sogleich in einen Fisch verwandelt und sprang ins Meer und wurde so zu einem Meeresgott. Seine obere Körperhälfte besitzt eine menschliche Gestalt, die untere aber die Gestalt eines Aals. Auch wird er nach anderen Quellen 777 Glaucus genannt, weil er sich durch die blassblaue Farbe vor den anderen Fischen auszeichnet. Moralisierung Sag, dass dieser Fischer einen schlechten Prediger bedeutet, der gut predigt, aber schlecht lebt, weil es oft vorkommt, dass

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11 Fabula undecima XIII,7 Ep. 9 Sap. 8 Sap. 9 G. 15 est . . . ut V2BEp; est ut GV4; est quod pisces ut Tr. 15 – 16 attigerunt V2V4BEp; attingerunt G; tetigerunt Tr. 17 in . . . misit GV4; in mare se miserunt Ep; in mare salierunt V2B; mare intravit Tr. 20 et . . . misit G; et in mari se misit Pa8V4; om. Lo1V2BTrEp. 20 – 21 deus maris GPa8V4; immortalis et deus maris Lo1V2B; immortalis et deus marinus Ep; om. Tr.

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tionem pisces mortui, id est peccatores, vivificantur, Hab. primo: Facies homines sicut pisces maris. 778 Herbam doctrine eius tangunt et sic ipsi per gratiam vivi fiunt et in mare, id est in laborum amaritudinem, se immergunt. Ipse etiam Glaucus videns alios herba doctrine sue vivificatos quandoque herbam, cuius virtute vivificati sunt, scilicet doctrinam propriam, per executionem tangit, inquantum bonum, quod predicat, operatur. Et sic iste efficitur piscis maris, inquantum in virum sanctum, contritum et amarum per dei gratiam transformatur, Reg. 10: Mutatus est in virum alterum. Qui pro prima parte est homo per rationem et discretionem, in parte posteriori piscis per devotionem et coloris glauci per celestem conversationem. Vel dic, quod talis herba est penitentia seu caritas, que conversione mirabili de mortuis facit vivos et de hominibus facit deos et de peccatoribus iustos, Io. 1: Translati sumus de morte ad vitam, quoniam diligimus etc.

durch seine Predigt tote Fische, d.h. Sünder, lebendig werden, Hab. 1,14: ›Du wirst die Menschen wie die Fische des Meeres machen.‹ 778 Sie berühren das Kraut seiner Lehre und werden so selbst durch die Gnade lebendig und tauchen unter im Meer, d.h. in der Bitterkeit der Mühen. Auch Glaucus selbst sieht, dass andere durch das Kraut seiner Lehre lebendig werden, und bisweilen berührt er das Kraut, durch dessen Kraft sie lebendig geworden sind, nämlich seine eigene Lehre, durch praktische Ausübung, sofern er das Gute, das er predigt, auch tut. Und so wird er ein Meeresfisch, sofern er durch Gottes Gnade in einen heiligen, reuigen und ernsthaften Mann verwandelt wird, 1. Reg. 10,6: ›Er wurde in einen anderen Mann verwandelt.‹ Dieser ist im oberen Teil durch Vernunft und Unterscheidungskraft ein Mensch, im unteren Teil ein Fisch durch Frömmigkeit und von hellblauer Farbe durch den himmlischen Lebenswandel. Oder sag, dass ein solches Kraut die Reue oder die Liebe ist, die in einer wundersamen Bekehrung aus Toten Lebendige macht und aus Menschen Götter sowie aus Sündern Gerechte, 1. Io. 3,14: ›Wir wurden aus dem Tod ins Leben geführt, da wir ja lieben‹ etc.

19 – 24 Vel . . . etc. cet. codd. et Ep; deest Tr. 2 homines Lo1Pa8/Vulg.; hominis GLLo2V4BTrEp. 5 amaritudinem TrEp; amaritudine GV2V4B. 9 – 10 per . . . bonum GLo2V2V4BTr; om. LLo1; om. bonum Pa8Ep. 11 – 14 Et sic . . . transformatur GV2V4BEp; om. Tr. 12 in virum Lo1Pa8V2V4BEp; virum G. 24 etc. add. Explicit liber Methamorforsceos Ovidii 13 G; Explicit liber tertius decimus Tr; om. LLo1Pa8V2V4BEp.

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Buch 14

Iamque Giganteis iniectam faucibus Aetnen etc. 779

Und schon hatte der euböische Bewohner der wogenden Wasser den Aetna etc. 779

Fabula prima 780

Erste Erzählung 780

Scylla fuit quedam pulcerrima puella, quam Glaucus deus maris dilexit et cuius copulam verbis simplicibus exoravit. Que cum nullo modo consentiret, conquestus est Circe 781 incantatrici Glaucus rogans, quod in favorem suum Scyllam traheret et ad eius copulam inclinaret. Circe vero amorem suum Glauco presentavit et eum diligentius adamavit et, quod Scyllam contemneret, predicavit. Quod Glaucus non recipiens amorem Circes contemnit. Quo Circe indignata fontem, ubi Scylla se balneare consueverat, veneficiis infecit. Et sic, cum ad balneandum rediit, ab inguine inferius in canem mutata fuit et circumquaque capita canina latrantia habuit et sic eam monstrum marinum fecit. Vel secundum alios 782 ipsam in maris periculum transformavit: quod scilicet est lapis sub aqua, ubi fluctus reverberati latratus faciunt, ad quod naves applicate sepissime franguntur.

Scylla war eine sehr schöne junge Frau, die der Meeresgott Glaucus liebte und die er mit einfachen Worten bat, mit ihm eine Verbindung einzugehen. Da diese keineswegs zustimmte, beklagte sich Glaucus bei der Zauberin Circe 781 und bat sie, dass sie ihm Scylla gewogen mache, damit diese in eine Verbindung mit ihm einwillige. Circe aber gestand Glaucus ihre Liebe, und ihre Liebe steigerte sich noch und sie erklärte, dass er Scylla verachten solle. Diesen Rat nahm Glaucus jedoch nicht an und verschmähte die Liebe Circes. Darüber empört, vergiftete Circe die Quelle, in der sich Scylla gewöhnlich badete, mit ihren Zauberkünsten. Und so wurde sie, als sie zum Baden zurückkam, vom Unterleib an in einen Hund verwandelt und hatte ringsum bellende Hundeköpfe, und so machte sie [Circe] sie zu einem Meeresungeheuer. Oder nach anderen Autoren 782 verwandelte sie sie in eine gefährliche Stelle im Meer: Dies ist nämlich ein Fels unter Wasser, wo die zurückschlagenden Wellen ein Bellen verursachen und an den die Schiffe herangetrieben und sehr häufig zertrümmert werden.

Moraliter

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Ista possunt dici contra invidos detractores, qui per Circem possunt intelligi, quia, quando ab aliquo audiunt, quod Scyllam, id est aliquam personam, diligunt, statim

Moralisierung Dies kann gegen neidische Verleumder gesagt werden, die unter Circe verstanden werden können, weil sie gewöhnlich, wenn sie von jemandem hören, dass er Scylla, d.h. irgendeine Person, liebt, sogleich nei-

1 Liber decimus quartus Incipit liber 14 Metamorfosceos Ovidii. Rubricha G; 14i libri (fabula prima) Lo1; liber 14 Lo2; Decimus quartus Metamor. Pa8; 14us liber V2; Incipit quartus decimus Tr; Sequitur lib. XIIII Ep; om. LV4B. 5 Scylla Scilla GV2V4BEp; Cilla Lo1V4; Tilla Tr. 11 Circe Lo1Ep; Circes GV2BTr; Cirtes V4. 12 – 14 et eum . . . predicavit GLo1Pa8V4BTr; om. Ep. 22 maris periculum Lo1Pa8V4BEp; mare periculum G; maris pericula Tr. 30 diligunt GLLo1Pa8V4B; diligat Lo2V2Ep.

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solent invidere et se ingerere et offerre. Si vero ipsis in amore alii preferantur, solent indignari et contra illos, quos sibi preferri audiunt, invidia stimulari. Et ideo solent in fontem virtutum, in quo se balneant, veneficia detractionis et diffamationis proicere. Per que sepe fit, quod ipsos faciunt formam humanam, id est statum et prosperitatem, perdere et in monstrum marinum, id est in viles personas, mutari; ipsosque faciunt caninis capitibus, id est impugnationibus crudelibus, circumdari et eorum latratibus, id est minis et terroribus, deterreri. Ideo bene dicit [Ps.-]Seneca: Si nullos inimicos facit iniuria, multos tamen facit invidia. 783 Vel dic de malis consiliariis: a quibus cum consilium petitur, in quo et de quo de promotione vel utilitate alicuius agitur, sepe in se totum retorquere nituntur et promotionem alterius disconsulunt, ut sic citius ad illud bonum, de quo agitur, admittantur. Vel dic, quod ista Scylla, que habet formam humanam et capita canum in circuitu, potest significare aliquos superiores, qui, quamvis de se sint humani et benigni, habent tamen circa se multos canes, id est multas personas insatiabiles et mordaces. Quas Circe, id est diabolus, sibi incorporat et procurat, ut Glauco deo maris, id est ipsi deo patri, abominabiles eos reddat et ut

disch sind und sich aufdrängen und sich anbieten. Wenn ihnen aber andere in der Liebe vorgezogen werden, sind sie meist empört und werden gegen jene, von denen sie hören, dass sie ihnen vorgezogen werden, von Neid beherrscht. Und deshalb werfen sie gewöhnlich in die Quelle der Tugenden, in der diese sich baden, das Zaubergift der Verleumdung und der Diffamierung. Damit pflegen sie zu erreichen, dass diese ihre menschliche Gestalt, d. h. ihre Stellung und ihren Wohlstand, verlieren und in ein Meeresungeheuer, d.h. in verachtete Personen, verwandelt werden. Und sie bewirken, dass sie von Hundeköpfen, d.h. von grausamen Angriffen, umgeben werden und durch ihr Bellen, d. h. von Furcht erregenden Drohungen, erschreckt werden. Deshalb sagt [Ps.-]Seneca ganz richtig: ›Wenn das Unrecht keine Feinde schafft, so schafft doch der Neid viele.‹ 783 Oder sprich von schlechten Ratgebern: Wenn man von diesen einen Rat erbittet, bei dem und über den es um die Beförderung oder den Nutzen für einen anderen geht, suchen sie oft, das Ganze auf sich zurückzubeziehen, und sie raten von der Beförderung des anderen ab, so dass sie selbst so schneller zu jenem Gut, um das es geht, Zugang erhalten. Oder sag, dass diese Scylla, die eine menschliche Gestalt besitzt und Hundsköpfe ringsum, einige Obere bedeuten kann, die, wie menschlich und gütig sie von sich aus auch sind, dennoch um sich herum viele Hunde haben, d. h. viele unersättliche und bissige Personen. Diese verleibt sich Circe, d. h. der Teufel, ein und trägt dafür Sorge, dass er sie für den Meeresgott Glaucus, d.h. Gottvater selbst, verabscheuens-

2 alii Pa8V4Ep; alteri GTr; ipsius Lo1; alterius B. 7 Per que GLo1V2V4TrEp; propter quod Pa8B. 11 impugnationibus GLLo1Pa8V4Tr; impugnatoribus V2Ep; impugnantibus B. 13 terroribus LLo1Pa8V2 Tr; erroribus G; vitiis et terroribus Lo2Ep; minis et tribulationibus B. 17 et de quo GLo1Pa8V2V4B; om. TrEp.

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ipsis mediantibus innocentes offendat, ita quod quilibet talis superior possit dicere illud Ps.: Circumdederunt me canes multi et consilium etc. 784 5

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Fabula secunda 785 Charybdis fingitur fuisse quedam meretrix, que boves Herculis est furata. Quapropter ipsam in mare proiecit et in maris periculum mutata est, que adhuc Charybdis vocatur. Que adhuc primi latrocinii memor exsistit et naves transeuntes absorbet. Moraliter

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wert macht und dass er mit ihrer Hilfe Unschuldige belästigt, so dass ein solcher Obere jenes Psalmwort [21,17] sagen könnte: ›Mich umgaben viele Hunde und eine Schar [von Übelwollenden]‹ etc. 784

Istud applica contra banitos: qui, quando propter furta sua vel aliqua maleficia de patria eiciuntur, plerumque contingit, quod periculum aliis efficiuntur et ad absorbendum naves transeuntes, id est viatores, se convertunt, Ier. 51: Absorbuit me quasi draco etc. Fabula tertia 786 Troia capta Eneas fugiens et deos patrie patremque suum Anchisem secum deferens venit ad palatium Anii regis. Qui quinque filias habuerat, quarum mirabilis erat virtus, quia, quicquid tangebant, in bladum vel vinum vel oleum convertebatur pro voto. Quapropter Greci pro nutriendo suo exercitu ad ipsas rapiendas miserunt, sed, cum

Zweite Erzählung 785 Charybdis soll eine Dirne gewesen sein, die die Rinder des Hercules stahl. Deshalb warf er sie ins Meer, und sie wurde zu einer gefährlichen Stelle im Meer, die bis heute Charybdis heißt. Diese verharrt in der Erinnerung an ihren früheren Diebstahl und verschlingt die vorbeifahrenden Schiffe. Moralisierung Wende dies gegen Verbannte an: Wenn diese wegen ihrer Diebstähle oder sonstiger Übeltaten aus ihrer Heimat verbannt werden, geschieht es meist, dass sie für andere zu einer Gefahr werden und sich darauf verlegen, vorbeifahrende Schiffe, d.h. Wanderer, zu verschlingen, Ier. 51,34: ›Er verschlang mich wie ein Drache‹ etc. Dritte Erzählung 786 Nach der Einnahme Trojas floh Aeneas und nahm die Götter seiner Heimat sowie seinen Vater Anchises mit sich, und er kam zum Palast des Königs Anius. Dieser hatte fünf Töchter gehabt, die eine wunderbare Kraft besaßen; denn was auch immer sie berührten, wurde je nach Wunsch in Getreide oder Wein oder Öl verwandelt. Deshalb schickten die Griechen Leute aus, um sie für die Versorgung ihres Heeres zu rauben. Da sie aber nicht mitgehen wollten

20 Fabula tertia XIII,5 Ep. 4 consilium LLo1V2Tr; consi. G; concilium Vulg. 6 Charybdis Ep; Caribdis GLo1V2V4BTr. 10 – 11 exsistit V4; extstit G; rapinas exsequitur LLo1V2B; idem exsequitur Ep; existens Pa8 (om. et Pa8); rapinas assequitur Tr. 22 Anchisem Lo1V2Tr; Anchisam GBEp; Anchisen V4 23 Anii Lo1V4BTrEp; Avii GV2.

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ire nolent et milites vim inferre pararent, in columbas mutate fuisse feruntur.

und die Soldaten ihnen Gewalt androhten, wurden sie – so die Überlieferung – in Tauben verwandelt.

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Dic, quod tales filie significare possunt ecclesiasticos doctores, qui debent esse filie, id est femine propter mollitiem benignitatis, et debent esse filie regis Christi propter imitationem sue sanctitatis, unde Ps.: Delectaverunt te filie regum etc. 787 Dato igitur quod iste filie, id est isti doctores ecclesie, talis virtutis exsistant, quod, quicquid tangunt, id est auctoritates et exempla scripturarum et rerum, que accipiunt, in cibos doctrine per expositiones convertant, 788 ita quod panem, vinum et oleum, id est doctrinam solidiorem, dulciorem et leviorem inde faciant, 789 sepe tamen fit, quod diabolus istos nititur rapere per peccatum et eos ducere ad bellum Troianum, id est ad mundi negotia et tumultum, ut virtutem ingenii sui convertant in sapientie secularis usum. Sed isti nullo modo debent consentire nec panem filiorum canibus erogare, 790 immo debent columbe fieri, id est gemebundi, benigni, humiles et devoti, Is. 60: Qui sunt isti, qui ut nubes volant et quasi columbe ad fenestras suas? Sunt enim nubes alios per doctrinam irrigando et volant ad fenestras suas proprios eventus et non mundi negotia frequentando.

Moralisierung Sag, dass solche Töchter die Kirchenlehrer bedeuten können, die wegen ihrer Milde und Güte Töchter, d. h. Frauen, und wegen der Nachahmung seiner Heiligkeit Töchter des Königs Christus sein müssen; daher das Psalmwort 44,9f.: ›Die Königstöchter erfreuten dich.‹ 787 Wenn also auch diese Töchter, d.h. diese Lehrer der Kirche, eine solche Kraft besitzen, dass sie, was auch immer sie berühren, d.h. die Autoritäten und Beispiele der Schriften und Dinge, die sie behandeln, durch Auslegungen in nahrhafte Lehre umwandeln, 788 so dass sie daraus Brot, Wein und Öl, d. h. eine festere oder süßere und leichtere Lehre, machen, 789 geschieht es dennoch oft, dass der Teufel versucht, diese durch Sünde zu rauben und sie in den Trojanischen Krieg, d.h. zu weltlicher Geschäftigkeit und Betriebsamkeit, zu führen, damit sie die Kraft ihrer Begabung zur Anwendung in weltlicher Weisheit umkehren. Aber diese dürfen keineswegs zustimmen noch das Brot der Söhne für die Hunde verschwenden; 790 vielmehr müssen sie Tauben werden, d.h. seufzend, gütig, demütig und fromm, Is. 60,8: ›Wer sind diejenigen, die wie Wolken fliegen und wie Tauben zu ihren Fenstern?‹ Es gibt nämlich Wolken, die andere durch ihre Lehre bewässern, und sie fliegen [wie Tauben] zu ihren Fenstern, um ihre eigenen Ziele und nicht weltliche Geschäfte zu verfolgen.

6 id est femine LLo1; in femenino GLo2Pa8V2; et femine Tr; vel femine Ep. 7 propter Lo1PaV2V4BTr; p G; per Ep. 8 – 9 delectaverunt GV2B; dilexerunt Lo1Lo2Pa8V4TrEp. 10 ecclesie Lo2Pa8V2V4BTrEp; esse G; catholici LLo1. . 11 exsistant Lo1Pa8V4TrEp; exsistat GB. 17 sepe Lo1Pa8V2V4BTrEp; sed sepe G. 20 – 21 virtutem . . . sui Lo1Lo2Pa8V4BTr; veritatem ingenii sui G; virtutem suam Ep. 21 sapientie secularis GV2B; in sapientiam mundi LLo1; sapientie mundane Lo2V4Tr; sapientie humane Pa8Ep. 22 debent dupl. debent G, sed. corr. 27 Sunt GLo1Pa8V2V4B; sicut Lo2Ep; om. LLo1Tr. 29 proprios eventus Lo1Lo2Pa8V4 Ep; proprias conventus G; poprios contemptus B; om. Tr.

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Vel dic, quod tales filie significant quosdam avaros, quibus deus vel fortuna videtur concessisse, quod omnia, que tangunt, in segetes mutantur et omnia, que faciunt, in lucra vertuntur, sicut ad litteram patet de multis, quod, quidquid agunt, ad utilitatem evenit, Iob 21: Semen eorum permanet coram eis. 791 Amplius sepe fit, quod isti ita sunt avari, quod exinde exercitum bellantium, id est pauperum, numquam per eleemosynas nutrire volunt, sed potius in columbas, id est in luxuriosos et carnales, finaliter se convertunt, Iob 12: Abundant tabernacula predonum etc. Fabula quarta 792 Cum plures fuerint Sibylle, scilicet decem secundum aliquos, 793 Sibylla tamen, que dicta est Cumea, diutissime vixit, scilicet mille annis. Unde ipsamet narravit Enee, quod, cum ipsa esset iuvencula et Phebus suam virginitatem optaret precesque et munera promitteret, inter cetera precepit, quod ab illo peteret, quicquid vellet. Illa igitur plenum pugillum pulveribus accepit et tot sibi dari vite annos, quot erant ibi pulveres, supplicavit. Et sic, quia mille erant pulveres, mille annis postea supervixit. Verumtamen quia oblita fuerat a Phebo petere, ne corpus eius senectute consumeretur naturaliter, ad tam modicam pervenit mensuram, quod visu digna non iudicabatur, vox tamen eius mirabilis noscebatur. Ad istam

Oder sag, dass solche Töchter gewisse Habgierige bedeuten, denen Gott oder das Schicksal scheinbar zugestanden haben, dass alles, was sie berühren, in Getreide verwandelt wird und alles, was sie tun, zu Gewinn wird, wie es buchstäblich bei vielen deutlich wird, dass, was auch immer sie tun, zu ihrem Nutzen geschieht, Iob 21,8: ›Ihr Samen bleibt vor ihrem Angesicht.‹ 791 Ferner pflegen diese so habgierig zu sein, dass sie deshalb niemals ein Heer von Kriegern, d.h. von Armen, durch Almosen ernähren wollen, sondern sich am Ende eher in Tauben, d. h. in ausschweifende und fleischlich gesinnte Menschen, verwandeln, Iob 12,6: ›Die Zelte der Räuber quellen über‹ etc. Vierte Erzählung 792 Auch wenn es mehrere Sibyllen gab, nämlich zehn nach einigen Autoren, 793 lebte die Sibylle, die die Cumäische hieß, gleichwohl am längsten, nämlich tausend Jahre. Davon erzählte sie selber Aeneas: Als sie ein junges Mädchen war und Phoebus sie entjungfern wollte und er ihr Wünsche und Geschenke versprach, forderte er sie unter anderem auf, von ihm zu erbitten, was immer sie wolle. Da nahm sie also eine Handvoll Sand und bat darum, dass ihr so viele Lebensjahre gegeben würden, wie dort an Sandkörnern waren. Und so lebte sie noch tausend Jahre später, weil es tausend Sandkörner waren. Doch da sie vergessen hatte, von Phoebus zu erbitten, dass ihr Körper nicht auf natürliche Weise durch das Alter aufgezehrt werde, gelangte sie zu einer solch geringen Größe, dass sie unansehnlich erschien, ihre Stimme aber als wunder-

15 Fabula quarta XIV,3 Ep. 1 filie dupl. filie G, sed corr. 7 – 8 coram eis B/Vulg.; coram e*** G; cum eis Lo1Pa8V4TrEp. 10 – 11 eleemosynas elymosinas G; elemosinam Lo1; elemosinas BTrEp; om. Pa8V4. 16 Sibylle Ep.; Sibille G Lo1V2V4Tr; Scibille B. 17 aliquos add. et hoc Papias asserit Ep. 18 Cumea Ep; Cymea GV2; Tumea Lo1; Cyomea V4; Cunea B; Dynmea Tr. 19 annis codd.; annos Ep. 25 quot Lo1Lo2V4BTrEp; quod GPa8.

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igitur venit Eneas, cum iam septingentorum esset annorum. 794 Que ipsum ad videndum patrem suum Anchisem, qui de novo fuerat mortuus, ad infernum duxit et inde sanum et incolumen postea reduxit. Que quia opaca tenebrarum regna sibi ostendit, plurimas gratias egit. Moraliter

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Istud, si vis, potest dici contra quosdam, qui longam vitam desiderant et tamen de precavenda consumptione virtutum per crimina non advertunt. Unde fit, quod, quanto plus in mundo solent vivere, tanto quantitas suarum virtutum solet decrescere et per vitia retroire. Non debet igitur vita longa appeti, nisi etiam posset virtualis quantitas conservari et meritorum consumptio evitari, unde [Ps.-]B〈ernhardus〉 in ›Meditationibus‹: Cur, inquit, tanto desiderio vitam nostram appetimus, in qua quanto plus vivimus, tanto plus peccamus. 795 Fabula quinta 796

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Picus fuit quidam rex iuvenis pulcerrimus, qui quadam die venationi intentus a Circe, que herbas colligebat in agris, adamatus rogatusque per illam cursum equi noluit continere. Quapropter apri imaginem et

bar bekannt war. Zu ihr kam nun Aeneas, als sie schon 700 Jahre alt war. 794 Sie führte ihn in die Unterwelt, damit er seinen Vater Anchises, der kurz zuvor gestorben war, sehen konnte, und brachte ihn später von dort gesund und unverletzt zurück. Weil sie ihm die dunklen Schattenreiche zeigte, erwies er sich ihr gegenüber als außerordentlich dankbar. Moralisierung Wenn man will, kann man dies gegen solche Menschen vorbringen, die sich ein langes Leben wünschen und dennoch nicht darauf achten, sich vor der Aufzehrung der Tugenden durch Vergehen zu hüten. Daher geschieht es, dass, je länger sie gewöhnlich in der Welt leben, umso mehr die Menge ihrer Tugenden abzunehmen und durch Laster zurückzugehen pflegt. Also darf ein langes Leben nur angestrebt werden, wenn auch die Menge an Tugenden erhalten wird und die Aufzehrung von Verdiensten vermieden werden kann. Daher sagt [Ps.-]Bernhard in seinen ›Meditationen‹: ›Warum erstreben wir mit einem so großen Verlangen für uns das Leben, in dem wir doch, je länger wir leben, desto mehr sündigen.‹ 795 Fünfte Erzählung 796 Picus war ein sehr schöner junger König, in den sich, als er eines Tages bei der Jagd war, Circe, die Kräuter auf den Feldern sammelte, verliebte; entgegen ihrer Bitte wollte er aber den Galopp seines Pferdes nicht hemmen. Deshalb schuf sie das Scheinbild

22 Fabula quinta XIV,9 Ep. 1 septingentorum V2BEp; decem GLo2Pa8Tr; plurimum LLo1; 100 Lo2; xviiio V4. 3 Anchisem GLo1V2V4 Tr; Anchisam B; Anchisen Ep. 5 – 6 opaca Lo1Lo2Pa8V4BEp; optata GV2Tr. 7 gratias egit Lo1Lo2V2BEp; gentes subegit G; sibi gentes subicat Pa8; regiones et gentes subiecit V4; gratias sibi fecit Tr. 9 potest dici G; potes dicere V4; potest allegari TrEp; potest allegare B. 11 – 12 crimina GLo1Pa8V2V4Tr; vitia B; crementa Lo2Ep. 14 suarum Lo1Lo2V2BTrEp; aliarum GV4; om. Pa8. 18 – 21 unde . . . peccamus codd.; om. Ep.

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umbram induxit, quem versus se fecit currere, ut sic posset loquendi spatium cum eo obtinere. Cum Picus ab ea stimulatus in amorem eius nolebat consentire pro eo, quod filiam Iani, virginem pulcram et optime canentem, amabat, 797 Circe mutavit eum in avem, que etiam nunc picus dicitur, ita quod humana forma deposita plumas induit et in volucrem picum, qui linguam habet longissimam, transformatur. Est enim picus avis, que longum habet rostrum et ultra rostrum longissimam erigit linguam. De qua dicit vulgus, 798 quod inter formicas linguam suam ponit, quam ut formicis plenam senserit, retrahit et sic formicas, que lingue sue adheserant, devorat et consumit. Ista enim est avis, que pluviam presentit et eam clamando prenosticat et ostendit. Fac, si vis, duo: unum de fabula, que premittitur, et unum de naturali historia, que subsequitur. 799 Moraliter

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Dic ergo, quod Circe, dea venefica, significat diabolum vel peccatum luxurie, quia videlicet, quando videt regem Picum, id est aliquem virum religiosum vel iustum, virtutibus ornatum et honesta conversatione decorum venationique, id est bonorum operum debito, attentum, solet eum per temptationes ad suam copulam invitare et ad consensum alicuius vitii inclinare. Qui si forte tales temptationes contemnat et hoc eo, quod filiam bene canentem, id est bea-

eines Ebers, den sie auf ihn zulaufen ließ, und erzeugte neblige Dunkelheit, um so eine Gelegenheit zu erhalten, mit ihm zu sprechen. Als Picus, von ihr zur Liebe aufgefordert, nicht einstimmen wollte, weil er die Tochter des Janus, eine schöne junge Frau und sehr gute Sängerin, liebte, 797 verwandelte Circe ihn in einen Vogel, der auch jetzt noch Picus [Specht] heißt; so legte er, nach Ablegen der menschlichen Gestalt, Federn an und wurde in den Vogel Picus verwandelt, der eine sehr lange Zunge hat. Der Specht ist nämlich ein Vogel, der einen langen Schnabel hat und aus dem Schnabel streckt er eine sehr lange Zunge heraus. Von diesem sagt das Volk, 798 dass er seine Zunge zwischen die Ameisen legt; sowie er merkt, dass sie voller Ameisen ist, zieht er sie zurück und verschlingt und frisst so die Ameisen, die auf seiner Zunge hafteten. Dies ist nämlich der Vogel, der Regen erahnt und ihn mit Rufen vorhersagt und anzeigt. Mach, wenn du willst, zwei [Deutungen] daraus: eine aus der Fabula, die vorausgeschickt wird, und eine aus der Naturgeschichte, die nachfolgt. 799 Moralisierung Sag also, dass Circe, die Göttin der Zauberkünste, den Teufel bedeutet oder die Sünde der Unzucht; denn, wenn sie König Picus, d.h. einen frommen oder gerechten Mann, sieht, der ausgezeichnet ist mit Tugenden und schön durch einen ehrenhaften Lebenswandel sowie auf die Jagd bedacht, d. h. auf die Verpflichtung zu guten Werken, pflegt sie ihn durch Versuchungen zur Verbindung mit sich einzuladen und ihn für ein Laster zu gewinnen. Wenn dieser aber solche Versuchungen etwa verachtet, und zwar deshalb, weil er eine schön singen-

1 se GTrEp; eam V4 5 filiam Iani LLo1BTrEp; filiam suam iam G. 6 Circe Ep; Circes G. 12 erigit GPa8V4; excutit LLo1; exiit V2; exerit Lo2BTrEp. 13 vulgus Lo1Lo2Pa8V4BEp; Virgilius G; Ovidius Tr. 31 inclinare GV2B; incurvare Lo2Pa8V4TrEp; al. LLo1.

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tam virginem vel religionem, diligat, solet Circe, scilicet diabolus vel luxuria, formam humanam, id est aliquam mulierem, sibi opponere et eius umbram et pulcritudinem ante oculos sue mentis per malam complacentiam imprimere. Que pro certo aper dicitur, quia in iaculum, id est in peccatum luxurie, solet voluntarie se inferre. Quem cum per malum amorem insequitur, in picum cum lingua prolixa, id est in hominem vagum et verbosum, mutatur. Qui scilicet formicas, id est fatuas mulieres, lingua et verbis attrahit et plumas deliciarum appetit et exposcit et sic avis, id est levis et insolens, efficitur et humana forma, id est ratione et discretione, privatur. Igitur timenda veneficia Circes, id est diaboli vel luxurie, que sic possunt humanam formam et conversationem tollere et iustum in peccatorem mutare. Vel dic, quod Picus est adulator vel histrio, cui Circe, id est diabolus, formam humanam, id est discretionem et rationem, adimit et linguam, id est multiloquium, sibi concedit. Cum quo formicas, id est fatuos auditores, ad sui amorem attrahit, quos devorat et consumit. Talis pluvias prosperitatis prenosticat et ostendit.

de Tochter, d.h. die selige Jungfrau oder die Religion, liebt, stellt ihm Circe, nämlich der Teufel oder die Unzucht, gewöhnlich eine menschliche Gestalt, d.h. irgendeine Frau, in den Weg und prägt seinem geistigen Auge ihr schönes Trugbild in verderblichem Wohlgefallen ein. Diese Gestalt wird wahrhaftig ein Eber genannt, weil sie sich freiwillig in den Wurfspieß, d.h. in die Sünde der Unzucht, zu werfen pflegt. Wenn er diesem Trugbild durch schändliche Liebe nachfolgt, wird er in einen Specht mit einer langen Zunge, d.h. in einen unsteten und geschwätzigen Menschen, verwandelt. Dieser zieht nämlich Ameisen, d.h. törichte Frauen, mit der Zunge und mit Worten an, strebt nach den Federn des Genusses und fordert sie und wird so ein Vogel, d. h. leichtsinnig und unverschämt, und er wird seiner menschlichen Gestalt, d.h. des Verstandes und der Urteilsfähigkeit, beraubt. Die Zaubereien Circes, d. h. des Teufels oder der Unzucht, sind also zu fürchten, die so menschliche Gestalt und Lebenswandel aufheben und einen Gerechten in einen Sünder verwandeln können. Oder sag, dass Picus ein Schmeichler oder Schauspieler ist, dem Circe, d. h. der Teufel, die menschliche Gestalt, d.h. Urteilsvermögen und Verstand, nimmt und ihm eine Zunge, d.h. Geschwätzigkeit, verleiht. Damit verlockt er Ameisen, d. h. törichte Zuhörer, ihn zu lieben, die er dann verschlingt und frisst. Solch einer erkennt den Regen des Reichtums im Voraus und zeigt ihn an.

3 humanam G; apri Pa8; aliquam V4Ep; om. LLo1Lo2V2. 4 opponere GTrEp; apponere V4. 4 eius umbram V2BEp; per eius umbram GLo1Lo2Pa8V4Tr. 8 – 9 Quem cum V4; que cum G; quem dum V2B; quem tamen Pa8; quam umbram dum Ep; que . . . insequitur om. LLo1Tr. 9 malum Lo1Lo2Pa8V4BTrEp; malorum G. 13 plumas deliciarum Pa8V2V4Tr; plumas divitiarum G; plumam deliciarum B; pluvias deliciarum Ep.

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Sechste Erzählung 800

Cum Circe mutasset regem Picum in avem, socii eius milites et domicelli ipsum non videntes non sue mentis voluerunt in Circem irruere et eam propter sui domini mutationem occidere. Propter quod tremebunda cepit ad herbas et carmina recurrere et deorum potentiam invocare. Factum est igitur, quod statim in loco una magna silva apparuit et terra tremere cepit et arbores tunc palluerunt, herbe sanguinem fluxerunt, lapides raucos mugitus dederunt, serpentes de terra scaturierunt et tenues anime volaverunt. Quibus monstris attoniti iuvenes ceperunt pavere. Ipsa vero Circe virga sua cepit ora singulorum tangere et statim cuiuslibet mutata specie nulliusque manente imagine, fecit eos in formas varias figurari et in feras diversarum specierum fuerunt mutati.

Als Circe König Picus in einen Vogel verwandelt hatte, sahen ihn seine Gefährten, Soldaten und Diener, nicht, und außer sich wollten sie deshalb auf Circe losgehen und sie wegen der Verwandlung ihres Herrn töten. Deshalb begann sie zitternd ihre Zuflucht zu den Kräutern und Zaubersprüchen zu nehmen und die Macht der Götter anzurufen. Und so geschah es, dass an dem Ort sogleich ein großer Wald erschien und die Erde zu beben begann und die Bäume sich dann verfärbten, die Kräuter von Blut strömten, die Steine ein rauhes Muhen von sich gaben, Schlangen aus der Erde hervorquollen und körperlose Seelen umherflatterten. Von diesen Ungeheuern erschreckt, wurden die Männer von Furcht ergriffen. Circe selbst aber fing an, mit ihrem Zauberstab das Gesicht eines jeden einzelnen zu berühren und verwandelte dabei die Gestalt eines jeden, und keiner behielt sein Aussehen; damit bewirkte sie sogleich, dass sie verschiedene Gestalten annahmen und sich in wilde Tiere unterschiedlicher Arten verwandelten.

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Dicamus allegorice exponendo in bono, quod Circe, filia Solis, significat humanam naturam in Christo, que scilicet est ipsius solis filii dei filia, ab ipso scilicet genita et assumpta in Psalmo: Audi, filia, et vide et inclina aurem tuam, quia concupivit rex decorem tuum. Per ipsos autem, qui ipsam occidere temptaverunt, intelligo Iudeos, qui iniquas manus in Christi huma-

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Moralisierung Wir sagen in allegorischer Auslegung zum Guten [ad bonam partem], dass Circe, die Tochter Sols, die menschliche Natur in Christus bedeutet, die nämlich die Tochter Sols, des Gottessohns, ist; denn sie wurde von ihm gezeugt und angenommen, im Psalm 44,11f.: ›Höre, Tochter, und sieh und neige dein Ohr, weil der König deine Schönheit begehrt.‹ Unter denen aber, die sie zu töten versuchten, verstehe ich die Juden, die ihre ungerechten Hände an Christi

1 Fabula sexta XIV,10 Ep. 3 – 4 ipsum non . . . mentis GLo2V4 (non coni.); ipsum non invenientes LLo1V2BTr; ipsum videntes non sane mentis Pa8; ipsum requirentes et vocantes ubique et non invenientes reppererunt Circem, quae ipsum mutaverat in avem, a qua regem suum reposcentes Ep.

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nitatem iniecerunt, ita quod ipsum ad deum patrem recurrere coegerunt, quando dixit: Pater, si possibile est, transeat a me calix iste. 801 Quid ergo per potentiam huius Circes accidit? Nam in illa persecutione et morte terra cepit tremere et gemere, arbor, scilicet crucis, pallere, herba subiacens cepit sanguine Christi apparere cruentata, lapides scissi sunt et sic dederunt mugitus et anime sanctorum de sepulcro inferni ceperunt surgere, serpentes vero, id est demones, confracti potentia ceperunt inter homines discurrere. Predicti Iudei his visis in feras pessimas sunt mutati et formam humanam, id est statum, prudentiam et prosperitatem, quam tunc habuerant, perdiderunt et vagabundi et miseri per secula permanserunt, ut de populo Iudaico dicatur illud Dan. 4: Cor eius ab humano mutetur et cor ferae detur ei. Fabula septima 802

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Cum Eneas monitus petere antiquam matrem, id est Italiam, ibidem bellum gereret contra Turnum, Turnus naves Enee succendere voluit. Sed dea Venus, que mater Enee erat, prohibuit ipsasque naves in nymphas marinas mutavit, ita quod remi, malus et pertica transversalis manus et brachia facta

Menschsein legten, so dass sie ihn zwangen, zu Gottvater zurückzukehren, als er sagte [Mt. 26,39]: ›Vater, wenn es möglich ist, möge dieser Kelch an mir vorübergehen.‹ 801 Was geschah also durch die Macht dieser Circe? In jener Verfolgung und durch den Tod nämlich begann die Erde zu beben und zu seufzen, der Baum, des Kreuzes nämlich, begann seine Farbe zu verlieren, das darunterliegende Gras begann durch das Blut Christi blutig zu erscheinen, die Felsen wurden gespalten und gaben so dumpfes Dröhnen von sich, und die Seelen der Heiligen begannen sich aus dem Grab der Unterwelt zu erheben; die Schlangen aber, d.h. die Dämonen, die durch solche Macht zuschanden wurden, begannen sich unter den Menschen auszubreiten. Die genannten Juden wurden, als sie dies wahrnahmen, in schreckliche Tiere verwandelt, und sie verloren ihre menschliche Gestalt, d. h. ihren Stand, ihre Klugheit und ihren Reichtum, den sie damals gehabt hatten, und sie blieben durch die Jahrhunderte hin unstet und elend, so dass über das jüdische Volk jenes Wort Dan. 4,13 gesagt werden kann: ›Ihm soll das menschliche Herz genommen und das Herz eines wilden Tieres gegeben werden.‹ Siebte Erzählung 802 Weil Aeneas aufgefordert worden war, die alte Mutter aufzusuchen, d. h. Italien, und er dort gegen Turnus Krieg führte, wollte Turnus die Schiffe des Aeneas anzünden. Aber die Göttin Venus, die die Mutter des Aeneas war, verhinderte dies und verwandelte eben diese Schiffe in Meeresnymphen, so dass die Ruder, der Mast und die Querstange zu Händen und Armen, die

21 Fabula septima XIV,14 Ep. 4 Quid Lo1Lo2V2TrEp; quod G; om. Pa8V4. 6 arbor Lo1Lo2Pa8BTrEp; albor G; arbores V2V4. 12 potentia GLo1Lo2Pa8V4B; postea TrEp. 19 Dan. 4 Dan. 8 G. 22 Cum Eneas Lo1V2V4BEp; Eneas G. 23 ibidem V2V4BEp; et ibidem G.

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sunt, corde vero in venas et arterias abierunt, vela autem, quia erant linea et mollia, capillorum speciem induerunt. Iste igitur sunt nymphe, ut ait, que vagantur per maria. Et quia, dum erant naves, multa pericula erant passe, adhuc solent navibus periclitantibus subvenire et manus, ne pereant, supponere, nisi forte sint grece vel latine. Grecorum enim naves, cum et ipse Troiane fuerint, odiunt ipsasque, si possunt, destruunt et submergunt. Moraliter

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Dic, quod naves iste significant peccatores. Quos in mundi huius pelago per vitia naufragantes Turnus, id est diabolus, finaliter igne concupiscentie in presenti et in igne Gehenne in futuro nititur concremare. Sed quandoque fit per dei misericordiam, quod iste nymphe fiunt, id est bone et virtuose per gratiam vivificate. Que quia in primo statu peccati multa temptationis pericula passe fuerant, aliis naufragantibus per peccata et pereuntibus moventur ad compassionem, quia ille, qui est expertus in se vitiorum pericula, debet, dum ea recordatur, aliorum miseriis compati et eos a naufragio liberare, Hebr. 2: Per hec, que passus est et temptatus, didicit eis, qui temptantur, auxiliari. 803 Ideo dicitur Eccli. 31: Disce ex te ipso, que sunt proximi tui. 804 Verumtamen Grecos, id est demones, non debent

Taue aber zu Venen und Arterien wurden, die Segel jedoch nahmen, da sie aus Leinen und weich waren, die Form von Haaren an. Diese sind also Nymphen, wie er [Ovid] sagt, die durch die Meere ziehen. Und weil sie, solange sie Schiffe waren, viele Gefahren erduldet hatten, kommen sie gewöhnlich bis heute Schiffen in Seenot zur Hilfe und halten ihre Hände unter sie, damit sie nicht untergehen, außer es sind etwa griechische oder latinische Schiffe. Da sie selbst trojanische Schiffe waren, hassen sie nämlich die Schiffe der Griechen und zerstören und versenken sie, wenn sie es können. Moralisierung Sag, dass diese Schiffe Sünder bedeuten. Solche Menschen, die im Meer dieser Welt durch Laster Schiffbruch erleiden, versucht schließlich Turnus, d.h. der Teufel, jetzt im Feuer der Begierde und zukünftig im Höllenfeuer zu verbrennen. Aber zuweilen geschieht es durch Gottes Barmherzigkeit, dass diese zu Nymphen werden, d.h. durch Gnade zu Guten und Tugendhaften belebt werden. Da diese in ihrem früheren Stand der Sünde viele Gefahren der Versuchung erduldet hatten, empfinden sie Mitleid mit anderen, die durch Sünden Schiffbruch erleiden und untergehen, weil jener, der an sich selbst die Gefahren der Laster erfahren hat, in seiner Erinnerung daran durch das Unglück anderer mitleiden und sie aus dem Schiffbruch befreien muss, Hebr. 2,18: ›Durch das, was er erduldete und worin er versucht wurde, lernte er denjenigen zu helfen, die versucht werden.‹ 803 Deshalb heißt es Eccli. 31,18: ›Lerne von dir selbst, was gut für deinen Nächsten ist.‹ 804 Gleichwohl dürfen sie den Griechen, d.h. den Dämonen, und den Verdammten nicht helfen,

10 odiunt LLo1Lo2V2BTrEp; occidunt GLo2; om. Pa8V4. V2BTrEp; om. GLo2Pa8V4.

10 si Lo1Pa8V4BTrEp; sicut G.

14 in LLo1

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iuvare nec damnatos, Ier. 16: Non vadas ad plangendum neque consoleris eos.

Ier. 16,5: ›Nicht sollst du gehen, sie zu beklagen, und sollst sie auch nicht trösten.‹

Fabula octava 805

Achte Erzählung 805

Eneas combussit Ardeam civitatem in Italia, sed de cineribus civitatis avis, que ardea dicitur, est nata. Et sic ista civitas in volucrem fuit transformata. 806

Aeneas setzte die Stadt Ardea in Italien in Brand; aber aus der Asche der Stadt wurde ein Vogel geboren, der Ardea [Reiher] genannt wird. Und so wurde diese Stadt in einen Vogel verwandelt. 806

Moraliter

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Sic cum aliqua civitas vel aliqua congregatio comburitur vel punitur, sepe fit, quod inde nascitur ardea avis, id est aliqui viri iusti, quia malorum incineratio, id est punitio, est bonorum ortus et productio, quia visa pena malorum timor concipitur, per quem boni efficiuntur. Vel dic, quod de cineribus civitatis combuste, id est de materia humane damnationis, una avis, id est una sola sancta persona sine peccato, nascitur, quando solus Christus sine virili semine et sine crimine generatur et sic civitas in unam avem fuit conversa, quia tota humana natura fuit per avem, que Christus dicitur, reparata. Fabula nona 807

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Vertumnus, deus hortorum, quadam die videns pulcerrimam puellam Pomonam nomine hortorum culture vacantem, fructus, herbas et arbores mirabiliter componen-

Moralisierung Wenn eine Stadt oder eine andere Gemeinschaft verbrannt oder bestraft wird, so geschieht es oft, dass daraus der Vogel Ardea [Reiher] geboren wird, d.h. gerechte Männer, weil die Verbrennung, d.h. die Bestrafung von bösen Menschen, der Ursprung und das Auftreten guter Menschen ist; denn durch den Anblick der Bestrafung der Bösen erhebt sich Furcht, durch die sie gut werden. Oder sag, dass aus der Asche der verbrannten Stadt, d. h. aus der Materie menschlicher Verdammnis, ein einziger Vogel, d.h. eine einzige heilige Person ohne Sünde, geboren wird, da ja allein Christus ohne männlichen Samen und ohne Sünde geboren und so die Stadt in einen einzigen Vogel verwandelt wurde, weil die ganze menschliche Natur durch den Vogel, der Christus heißt, wiederhergestellt wurde. Neunte Erzählung 807 Vertumnus, der Gott der Gärten, sah eines Tages ein sehr schönes Mädchen mit Namen Pomona, die sich der Pflege von Gärten widmete und Früchte, Kräuter und Bäu-

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3 Fabula octava XIV,15 Ep. 24 Fabula nona XIV,16 Ep; XIV,9–12 deest B. 1 nec GLo1Pa8V4BTr; nec deflere Ep. 1 Ier. 16 Ier. 12 G. 1 vadas Lo1Pa8V2V4BEp; laudes G; vadat Tr. 11 – 12 aliqui . . . iusti Pa8V4BTrEp; aliquem virum iustum G; viri iusti Lo1. 25 Vertumnus V4Ep; Vercamus G; Vercomus Lo1; Vertomus V2; Velcomnis Tr. 26 Pomonam Ep; Pamonam G; Pomenam Lo1; Pomanam V2; Penonam V4; Ponioniam Tr.

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tem. Ultra modum dilexit eam, quapropter, ut ea frueretur, in diversas formas se mutabat et nunc hortolanus cum sarculo, nunc miles cum gladio, nunc bubulcus cum stimulo, nunc seccator herbarum cum falce, nunc piscator cum arundine ante conspectum virginis apparebat. Ad quem cum nec virgo intenderet, finaliter in anum mutatur et sic ad virginem intrat et, quod amori Vertumni assentiat, exemplis et inductionibus multipliciter exhortatur. Sicque factum est, quod puella credidit verbis vetule et sic anus in Vertumnum versa est et eius conubio usus fuit. 808 Moraliter Istud potest applicari contra malitiam vetularum, quia nihil periculosius iuvenculis quam talium consortium sociari et colloquium auscultare. Nullo enim modo possunt proci melius ad copulam puellarum attingere quam per vetulas verba sua venefica transmittendo. Sepe enim visum est, quod virgines aurum, argentum et quecumque preciosa vicerunt et tamen consilio vetularum vertebantur. Vetula enim est, de qua dicitur Eccli. 28: Lingua tua multos viros deiecit. 809 Vel dic, quod talis Vertumnus significat predicatorem, qui, ut virginem, id est ut

me auf wunderbare Weise anordnete. Er liebte sie über die Maßen, und deshalb verwandelte er sich, um sich an ihr zu erfreuen, in verschiedene Gestalten und erschien vor den Augen der jungen Frau bald als Gärtner mit der Gartenhacke, bald als Soldat mit dem Schwert, bald als Ochsentreiber mit dem Treibstecken, bald als Mäher von Gras mit der Sense, bald als Fischer mit der Angelrute. Da die Jungfrau ihn aber nicht beachtete, verwandelt er sich schließlich in eine alte Frau und tritt so auf die Jungfrau zu und ermuntert sie vielfältig durch Beispiele und Scheinargumente, dass sie der Liebe des Vertumnus zustimme. Und so kam es, dass das Mädchen den Worten der alten Frau glaubte; da verwandelte sich die Alte in Vertumnus, und der genoss die Vermählung mit ihr. 808 Moralisierung Dies kann gegen die Bosheit alter Weiber angeführt werden, weil nichts für junge Mädchen gefährlicher ist, als sich in Gesellschaft solcher Menschen zu begeben und auf ihre Reden zu hören. Auf keine Weise nämlich können Freier besser die Verbindung mit Mädchen erreichen, als wenn sie durch alte Frauen ihre vergifteten Worte übermitteln. Oft schien es nämlich, dass junge Frauen dem Gold, dem Silber und jedweder Kostbarkeit widerstanden und doch durch den Ratschlag alter Weiber umgestimmt wurden. Denn von einer alten Frau heißt es in Eccli. 28,16: ›Deine Zunge brachte viele Männer zu Fall.‹ 809 Oder sag, dass ein solcher Vertumnus einen Prediger bedeutet, der sich, um eine

28 – 456,20 Vel . . . undecimo deest Tr. 3 sarculo Lo1Pa8V4TrEp; surculo G. 7 quem Lo1Pa8V4TrEp; quam G. 9 amori LLo1Lo2V4Ep; amoris G; amore Pa8; amorem Tr. 10 Vertumni V4Ep; Vercomii G; Vercomi Lo1. 11 exhortatur LLo2Pa8V4TrEp; exoratur G. 19 auscultare Pa8V4TrEp; ascultare GLo1. 20 melius Pa8V4Ep; facilius LLo1V2; citius Tr; om. GLo2. 26 – 27 lingua . . . deiecit GLo2Tr; lingua tua mulieres vi deiecit Lo1; lingua tertia mulieres viratas deiecit etc. V2; lingua tertia mulieres fortes eiecit et privavit illas laboribus suis Ep.

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animam christianam, possit convertere, debet in formas varias quantum ad modum loquendi se mutare. Unde se debet militem ostendere loquendo severe fortibus, nunc vero agricolam loquendo simpliciter rudioribus, nunc bubulcum loquendo pungitive stultioribus, nunc piscatorem cum harundine loquendo vagabilioribus, nunc vetulam loquendo et conformando se dissimulative fragilioribus. Sic enim potest predicator animas acquirere et eas ad caritatis conubium inducere, cum se sciverit diversorum conditionibus conformare cum apostolo, qui dicebat ad Cor. 9: Omnibus omnia factus sum, ut omnes lucri faciam etc. Vel dic de diabolo, qui scit diversas formas induere et sub diversis temptationibus et simulationibus se mutare, ut homines decipiat: Angelus enim Sathane se transfigurat in Angelum lucis, Cor. undecimo. Fabula decima 810

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Iphis fuit quidam iuvenis in Cypro, qui virginem quandam dictam Anaxareten tanto amore dilexit, quod, cum illa nullo modo consentiret nec ipsius doloribus condoleret, quadam nocte ante ianuam eius se suspendit. Quod cum illa vidisset in crastino, tanto dolore affecta est, quod in imaginem saxe-

Jungfrau, d.h. um eine christliche Seele, bekehren zu können, in verschiedene Gestalten verwandeln muss, soweit es die Redeweise betrifft. Daher muss er sich als Soldat zeigen, wenn er streng mit den Starken spricht, bald aber als Bauer, wenn er einfach mit den Ungebildeten spricht, bald als Ochsentreiber, wenn er anstachelnd mit den eher Stumpfsinnigen spricht, bald als Fischer mit der Angel, wenn er mit den Unsteten spricht, bald als alte Frau, wenn er mit den Schwächeren spricht und mit Verstellung ihnen ähnlich wird. So kann der Prediger nämlich Seelen gewinnen und sie zur Vermählung mit der [göttlichen] Liebe führen, wenn er sich den Eigenschaften der verschiedenen Leute anzupassen weiß – mit dem Apostel, der sagte 1. Cor. 9,22: ›Ich bin allen alles geworden, um alle zu gewinnen‹ etc. Oder sprich vom Teufel, der verschiedene Gestalten anzunehmen und unter verschiedenen Versuchungen und Verstellungen sich zu verwandeln weiß, um die Menschen zu täuschen: ›Der Engel Satans verwandelt sich in den Engel des Lichts,‹ 2. Cor. 11,14. Zehnte Erzählung 810 Iphis war ein Jüngling auf Zypern, der eine Jungfrau mit Namen Anaxarete so sehr liebte, dass er sich, weil jene darauf keineswegs einging und auch kein Mitleid mit seinen Schmerzen hatte, eines Nachts vor ihrer Tür erhängte. Als jene dies am nächsten Morgen sah, empfand sie so großen Schmerz, dass sie in ein steinernes Bildnis verwan-

21 Fabula decima XIV,17 Ep. 8 loquendo vagabilioribus G; loquendo passione et attractione vagabundis Pa8; loquendo passione et 8 vetulam Lo1Pa8V2V4Ep; vetula G. attractione vagabilibus V4; loquendo inescative Ep; om. LLo1. 9 conformando Lo1Lo2V4Ep; confortando G. 9 dissimulative GLo1Pa8V4; assimilatione Lo2; assimulatione Ep. 16 scit Lo1Pa8V2V4Ep; sit G. 17 induere Lo1Pa8V2V4Ep; inducere G. 22 Iphis Ep; Yphis GV4; Ysis Lo1Tr. 23 Anaxareten Anaxarethen Ep; Anaxarathen G; Anaxaretam Lo1; Anaxeretem V2Tr; Anaxoraten V4.

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am mutata est, que adhuc ostenditur Salamine.

delt wurde, das bis heute in Salamis gezeigt wird.

Moraliter

Moralisierung

Dic allegorice, quod ista virgo est anima, iste iuvenis est Christus, qui amore ipsius anime in crucis patibulo est suspensus. Ista igitur hoc videns debet saxum pre dolore et compassione fieri et per mentis constantiam in imaginem saxeam transformari.

Sag allegorisch, dass diese Jungfrau die Seele ist, dieser junge Mann Christus, der aus Liebe zu dieser Seele am Kreuzesbalken erhängt wurde. Wenn sie dies nun sieht, muss sie aus Schmerz und Mitleid zu Stein werden und durch die Festigkeit ihres Herzens sich in ein steinernes Bildnis verwandeln.

Fabula undecima In isto libro decimo quarto fit mentio de deificatione Enee et Romuli: Eneas enim submersit se et, quia non fuit inventus, dicitur fuisse deificatus et in celo stellificatus. 811 Romulum etiam inimici sui occiderunt et ideo ceci populi, cum inveniri non posset, deificatum crediderunt. 812 Moraliter

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Applica, si vis, quod illi in mundo dii et magni hodie reputantur, qui deliciis submerguntur et qui vitiis occiduntur. Fabula duodecima

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Quando unus deus deorum fecerit aliquid, licet alteri displiceret, numquam illud revocare licebat, immo in eternum stare necessario permittebatur. Ipsum tamen fac-

Elfte Erzählung In diesem 14. Buch wird die Vergöttlichung des Aeneas und des Romulus erwähnt: Aeneas ertrank nämlich und, weil er nicht gefunden wurde, soll er vergöttlicht und im Himmel verstirnt worden sein. 811 Romulus töteten seine Feinde, und deshalb glaubten die verblendeten Völker, er sei vergöttlicht worden, da man ihn nicht finden konnte. 812 Moralisierung Wende dies so an, wenn du willst, dass heute in der Welt jene für Götter und Große gehalten werden, die in Vergnügungen versinken und die durch Laster getötet werden. Zwölfte Erzählung Wenn einer der Götter etwas verfügt hat, war es nie erlaubt, jenes wieder rückgängig zu machen, mochte es auch einem anderen missfallen; vielmehr ließ man zu, dass es notwendigerweise bis in alle Ewigkeit bestehen bleibe. Gleichwohl veränderte dieser

10 Fabula undecima XIV,18 Ep. 22 Fabula duodecima XIV,11 G; XIV,19 Ep; XIV,12 Tr. 1 que Lo1V2V4TrEp; quem G. 1 – 2 Salamine GLLo1Lo2V2; Salamene Lo2; Salamini . . . in templo Ep. 23 deus GLo2V4Tr; om. LLo1Pa8V2Ep. 24 licet GLo1Pa8V2V4Tr; quamvis Ep. 26 permittebatur GPa8V4; permittebat LLo1Lo2V2TrEp.

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tum quandoque in melius commutabat, unde [Ovidius]: Rescindere numquam diis licet acta deum. 813

jene Tat bisweilen ins Bessere. Daher sagt Ovid: ›Doch Götter dürfen nie Amtshandlungen von Göttern rückgängig machen.‹ 813

Moraliter

Moralisierung

Sic hodie non est honestum, ut illud, quod fecit unus prelatus, successor destruat, sed in melius illud convertat.

So ist es auch heute nicht ehrenhaft, dass, was ein Prälat geschaffen hat, sein Nachfolger zerstört, er soll es vielmehr weiter verbessern.

2 Ovidius Ep; om. GLo1Pa8V2V4Tr. 2 rescindere V2Ep; residere G; rumpere LLo1; om. Pa8V4. Lo2V2Ep; dicuntur GTr; deum, id est deorum LLo1; om. Pa8V4.

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Liber decimus quintus

Buch 15

Queritur interea quis tante etc. 814

Inzwischen geht man mit sich zu Rate, wer eine so schwere Last etc. 814

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Pythagoras usum carnium et quorumcumque animalium prohibebat et dissuadebat 816 dicens sic: Heu, quantum scelus est in viscera viscera condi. 817 Preponit etiam etatem auream etati presenti, quia tunc animalia tuta vivebant, cum nemo insidiaretur eisdem. 818 Probat etiam Pythagoras, sicut ponit Ovidius, 819 quod omnia sunt in mutatione et motu et quod omnia, que sunt, continue alterantur et hoc probat ex mutatione temporum 820 , etatum 821 et elementorum 822 , rerum et personarum 823 sicut pulcerrime deducitur ab eodem. De mutatione autem personarum ipse ponit, quod anime sunt immortales et quod de corporibus in corpora transeunt et sic nove persone fiunt. Unde et ipse dicit se fuisse Euphorbum, militem Troianum, occisum in bello Troiano ab Atride rege. 824 Nunc vero dicit se Pythagoram et, sic dicit, animam suam esse eandem, sed de corpore ad corpus mutatam. Quod licet sit erroneum, tamen est mirabile dictum. 825

Erste Erzählung 815 [Pythagoras über den Wandel der Dinge] Pythagoras verbot den Verzehr von Fleisch und von Lebewesen überhaupt und riet davon ab, 816 indem er Folgendes sagte: ›Weh! Welch schwerer Frevel ist es, Leib in Leib zu bestatten.‹ 817 Auch zieht er das goldene Zeitalter dem gegenwärtigen Zeitalter vor, weil damals die Tiere sicher lebten, da niemand ihnen nachstellte. 818 Pythagoras beweist auch, wie Ovid feststellt, 819 dass alles in Veränderung und Bewegung ist und dass alles, was es gibt, sich fortwährend verändert, und er beweist dies anhand der Veränderung der Tageszeiten 820 , der Jahreszeiten 821 und der Elemente 822 , der Dinge und der Personen 823 , wie es von ihm sehr schön hergeleitet wird. Über die Veränderung von Personen aber stellt er dar, dass die Seelen unsterblich sind und dass sie aus Körpern in Körper übergehen und so neue Personen werden. Daher sagt er selbst auch, er sei Euphorbus, ein trojanischer Soldat, gewesen, getötet im Trojanischen Krieg vom Atridenkönig. 824 Nun aber, sagt er, sei er Pythagoras, und – so sagt er – seine Seele sei dieselbe, aber von Körper zu Körper gewandert. Mag dies auch falsch sein, so ist es dennoch eine erstaunliche Aussage. 825

3 Fabula prima Pa8V2TrEp; deest G; XV deest B. 3 prima add. In hoc XV et ultimo lib. Metamorphoseos Ovidius primo ponit qualiter Numa Romulo successit. Postea tractat de doctrina Pythagore philosophi dicens, quod idem philosophus esus Ep. 4 Pythagoras Ep; Pictagoras GLo1V2Tr; Pitagoras V4. 4 usum GPa8V2V4; esum LLo1; usus Lo2Tr; esus Ep. 4 et GLo2Pa8V4Tr; etiam LLo1; om. Ep. 7 in viscera viscera Lo2Pa8V2V4Ep; in viscera GLLo1Lo2Tr. 7 Preponit Lo2V2V4TrEp; proponit G; preposuit LLo1. 10 Probat add. De mutatione mundi V2 in marg; Fabula prima Ep. 17 De mutatione De immortalitate anime V4 in marg. 21 Euphorbum Ep; Forbium GLo1V4Tr; Euforbium V2.

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De mutatione vero rerum particularium ipse ponit mirabilia. 826 Ponit enim, quomodo apes nascuntur de carnibus taurorum, vespe de carnibus equorum sepultorum, scorpiones de carnibus cancrorum marinorum, si ademptis brachiis sepeliantur sub terra, papiliones de carnibus erucarum seu tinearum hortorum, angues de medullis hominum mortuorum, rana de corruptione paludum et limorum. Ponit etiam, quomodo ursi nascuntur sine membris, apes sine pedibus et alis. Que tamen postea figurantur et in animalia perfecta transformantur. Ponit etiam, quomodo Phenix se renovat, quomodo hyena sexum mutat et quomodo chameleon de vento vivit, quomodo de lyncis urina pretiosus lapis venit, quomodo etiam natura radicem seu herbam marinam in corallum convertit. 827 Ponit etiam quomodo alique terre aliquando fuerunt insule sicut Tyrus, Antissa et Pharos civitates, que nunc insule esse desierunt et facte sunt terra firma. Econtrario autem alique terre aliquando fuerunt continue et firme sicut Zancle et Leucas, que tandem facte sunt insule marine mari circumcincte. 828 Ponit etiam, quomodo alique civitates sunt ex toto submerse aquis sicut sunt Helice et Buris civitates Achaie et etiam, quod quedam terre, que aliquando fuerunt plane, facte sunt montuose sicut accidit in Pitthea 829 Troezen. 830 Ultimo ponit de mu-

Von der Veränderung von Teilen der Dinge sagt er Erstaunliches. 826 Er führt nämlich an, wie die Bienen aus dem Fleisch von Stieren geboren werden, die Wespen aus dem Fleisch begrabener Pferde, Skorpione aus dem Fleisch von Meereskrebsen, wenn sie ohne Scheren in der Erde begraben werden, Schmetterlinge aus dem Fleisch von Raupen oder Würmern der Gärten, Schlangen aus dem Mark verstorbener Menschen, Frösche aus den Verwesungsresten von Sümpfen und Schlamm. Auch führt er an, wie Bären ohne Gliedmaßen geboren werden, Bienen ohne Füße und Flügel. Diese nehmen jedoch später ihre Gestalt an und werden in vollständige Tiere verwandelt. Auch führt er an, wie der Phoenix sich erneuert, wie die Hyäne ihr Geschlecht ändert und wie das Chamäleon vom Wind lebt, wie sich aus dem Urin des Luchses ein wertvoller Stein bildet, auch wie die Natur die Meereswurzel oder das Seegras in eine Koralle verwandelt. 827 Auch führt er an, wie einige Landstriche einst Inseln waren wie Tyrus, Antissa und Pharos, Städte, die nun aufgehört haben Inseln zu sein und festes Land geworden sind. Dagegen aber waren einige Länder einst zusammenhängend und fest wie Zancle und Leucas, die schließlich Meeresinseln wurden, vom Meer umspült. 828 Auch führt er an, wie einige Städte vollständig im Wasser versunken sind, wie es die achaischen Städte Helice und Buris sind, und auch, dass einige Länder, die einst eben waren, bergig wurden, wie dies bei Pittheus’ 829 Stadt Troezen 830 geschah.

14 – 461,17 Ponit etiam . . . ipse es XV,2 Ep. 1 – 2 De mutatione . . . mirabilia LLo1Lo2Pa8V4TrEp; De mutatione *** G in marg. 9 corruptione LLo1 Lo2Ep; scorpionibus corruptione G; scorpione Lo2V2V4Tr. 21 Tyrus Lo1V2Ep; Cyrus GTr; Thisus V4 21 Antissa Ep; Anchisa GV2V4; Anchysa Tr; Achila Lo1. 22 Pharos TrEp; Phares GLo1V2V4. 24 autem dupl. autem G, sed corr. 25 Zancle Arnele GLo1; Zarnele V4; om. Lo1Ep. 25 Leucas Ep; Leucada GLo1 Tr; Locada V4. 29 – 30 Helice Ep; Ylicem GLo1; Illicem V2; Elyce V4. 30 Buris Burem GLo1V4; Bure V2; Bura Ep. 32 – 33 Pitthea Troezen Phycea G; Phitea Lo1; Pichea V2; Phytia V4; Phytea Tr; Troezene Ep.

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tatione glorie civitatum, quomodo Thebe, Athene, Mycene et Troia fuerunt nobilissime et maxime civitates, de quibus tamen hodie vix remanet nisi nomen. 831 Finaliter ponit de proprietatibus mirabilibus quorundam fontium et aquarum sicut est fons Clitorius, Salmacis et alia similia; ex quibus omnibus varietatem et mutabilitatem rerum vult ostendere nature opera recitando. 832 Ex istis omnibus optime probat, quod omnia subsunt vanitati et quod nihil est stabile in hoc mundo, quia naturaliter et moraliter omnia videmus continue variari. Ideo de deo, qui solus est immutabilis, dicitur in Ps.: Mutabis eos et mutabuntur, tu autem idem ipse es. Fabula secunda 833

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Hippolytus fuit quidam miles, qui cum quadam die in curru suo iuxta mare transiret, subito mari intumescente foce et vituli cornuti cum aliis monstris apparuerunt. Quo territi equi Hippolyti fugierunt rotaque currus cadente et Hippolyto ad arborem adherente corpus ipsius penitus laceraverunt. Cum igitur ad inferos mortuus pervenisset et ibi illa opaca regna vidisset, affuit si-

Zuletzt führt er den Wechsel des Ruhms von Städten an, die wie Theben, Athen, Mycene und Troja überaus erhabene und sehr große Städte waren, von denen jedoch heute kaum mehr als der Name übriggeblieben ist. 831 Schließlich führt er die wundersamen Eigenschaften einiger Quellen und Gewässer an, so wie die Quelle von Clitorium, der Salmacis-See und andere ähnliche; aus all diesen will er die Vielfältigkeit und Wechselhaftigkeit der Dinge zeigen, indem er die Werke der Natur aufführt. 832 Aus allem diesem beweist er aufs beste, dass alles der Vergänglichkeit unterliegt und dass nichts in dieser Welt beständig ist, weil wir sehen, dass sich alles im Bereich der Natur und der Sitten fortwährend verändert. Deshalb heißt es von Gott, der allein unveränderlich ist, im Ps. 101,27f.: ›Du wirst sie verwandeln und sie werden verwandelt werden, du aber bist immer derselbe.‹ Zweite Erzählung 833 Hippolytus war ein Krieger; als dieser eines Tages in seinem Wagen am Meer entlangfuhr, schwoll plötzlich das Meer an und Seehunde und gehörnte Kälber erschienen zusammen mit anderen Ungeheuern. Davon erschreckt, flüchteten die Pferde des Hippolytus; und weil ein Wagenrad abfiel und Hippolytus an einem Baum hängenblieb, zerrissen sie seinen Körper vollständig. Nachdem er nun als Toter in die Unterwelt gelangt war und dort jenes Schat-

17 es add. Et Boetius in 3. De consolatione: Stabilisque manens das cuncta moveri. Et add. Ov. met. 15,418–421 et 454–455 Ep. 18 Fabula secunda Lo1Pa8V2Tr; XV,1 G; XV,3 Ep. 2 Mycene Micene Ep; Mithene G; Michine Lo1; Michene V2Tr; Mithine V4. 7 Clitorius Ep; Tricaris G; Clicarius Lo1; Clitarius V2; Chicarius Tr. 9 nature Lo1Pa8V2V4TrEp; natura G. 11 Ex codd.; x G. 13 – 14 moraliter GLo1V2V4Tr; om. Ep. 19 Hippolytus Ep; Ypolitus GLo1V2V4Tr. 21 mari Lo2Pa8V2V4Ep; mare GLLo1Tr. 22 Quo GLo2V2Tr; quibus LLo1Pa8V4; quo viso Ep. 23 fugierunt GPa8V4Tr; fugerunt LLo1 Lo2V2Ep. 27 opaca Lo1V2V4TrEp; optata G; om. Pa8.

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›OVIDIUS MORALIZATUS‹

bi Diana, que illum resuscitavit. Et pro eo, quod bis vir resurgendo extitit, ipsum Virbium nuncupavit.

tenreich gesehen hatte, erschien ihm Diana, die ihn wiedererweckte. Und weil er durch das Wiederauferstehen zweimal ein Mann [bis vir] war, nannte sie ihn ›Virbius‹.

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Talis est Christus, quia scilicet equi sui, id est Iudei, quos antiquitus freno discipline sue regebat, monstris mirabilium et miraculorum territi et maxime de novitate vituli de mari erumpentis, id est de resuscitatione Lazari de inferis resurgentis, ipsum adherentem arbori, id est cruci, laceraverunt et mortuum ad inferos transmiserunt. Diana tamen, id est divinitas, ipsum resuscitavit et sic Virbius pro eo, quod bis vires et vitam habuit, dictus fuit. Vel contra hypocritas, qui Virbii dici possunt pro eo, quod bis sunt mortui et bis vivi, inquantum sunt multotiens per inconstantiam recidivi, Iudas 1: Arbores autumnales bis mortue. 834 Vel dic de penitente, qui a curru gratie cadit, quando equus suus, caro scilicet vel affectus, per mala desideria ipsum trahit. Diana tamen, id est beata virgo, ipsum vivificat et merito Virbium vocat. Fabula tertia 835 Tages fuit primus inter augures, qui et istam scientiam adinvenit, qui scilicet de terra, id

Moralisierung Ein solcher ist Christus, da nämlich seine Pferde, d.h. die Juden, die er ehemals mit dem Zügel seiner Lehre lenkte, durch Ungeheuer erstaunlicher und wunderbarer Phänomene erschreckt wurden, und zwar besonders durch das Ungewöhnliche des Kalbes, das aus dem Meer hervorbrach, d.h. durch die Auferweckung des Lazarus, der aus der Unterwelt wiederkehrte. Die Juden also zerrissen ihn [Christus], der am Baum hing, d.h. am Kreuz, und schickten ihn tot in die Unterwelt. Diana jedoch, d.h. sein Gottsein, erweckte ihn wieder, und so wurde er ›Virbius‹ genannt, weil er Kräfte und Leben zweimal hatte. Oder [wende es] gegen die Heuchler, die ›Virbii‹ genannt werden können, weil sie zweimal tot sind und zweimal leben, sofern sie durch Unbeständigkeit oft wiederkehren, Iudas 1,12: ›Die Herbstbäume sind zweimal gestorben.‹ 834 Oder sprich vom Büßer, der vom Wagen der Gnade fällt, wenn ihn sein Pferd, das Fleisch nämlich oder die Leidenschaft, durch böses Verlangen zieht. Diana jedoch, d. h. die selige Jungfrau, macht ihn wieder lebendig und nennt ihn zu Recht ›Virbius‹. Dritte Erzählung 835 Tages war der erste unter den Auguren, der diese Wissenschaft auch erfand. Er war nämlich aus der Erde, d.h. aus einer schick-

26 Fabula tertia XV,2 GLo2; XV,4 Ep. 7 – 8 mirabilium . . . miraculorum GLo1Pa8V2V4; id est suorum mirabilium miraculorum Tr; mirabiliorum suorum Ep. 8 territi Lo1Pa8V4TrEp; tritis G. 16 hypocritas GPa8V4; apostatas Lo1V2TrEp. 18 – 19 per inconstantiam recidivi Lo2V2TrEp; recidivivi G; per inconstantiam redivivi LLo1; per inconstantiam morantur Pa8. 19 Iudas 1 Iudas 2 G. 22 equus Lo1Pa8TrEp; equsus G, sed del. -us; equs V2V4. 27 Tages Ep et Ov. Met.; Teges GLo1V2V4Tr.

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est de gleba fatali, sine hominis ministerio factus fuit. Rusticus enim quidam cum terram araret, subito vidit glebam terre, que se per se movebat. Que paulatine in humanum corpus formata est, ita quod homo vivens de terra se erexit, qui Tages dictus fuit; qui populum ad futuros casus inveniendos docuit. Moraliter

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Sic dic, quod Christus de terra, id est de virgine gloriosa, sine virili semine factus et in hominem miraculose transformatus, Eccli. 17: Deus creavit de terra hominem. De quo scilicet rusticus, id est gentilis populus, est miratus. Iste est igitur, qui homines docuit divinare et de futuris bonis et malis sic cogitare. Unde dictus est Teges [Tages], quia tegit fideles, Eccli. 34: Protector potentie, firmamentum virtutis, tegimen ardoris. Vel dic, quod illi, qui per se de terra creantur, id est de statu infimo eriguntur et per solam dei occultam veritatem ad statum debitum provehuntur, sunt hodie illi, qui de futuris per considerationem amplius coniecturant et per spirituale augurium inibi potius meditantur, Ps.: Cogitavi dies antiquos et annos eternos in mente habui, exemplo Joseph, qui sine consilio humano, sed solum dei providentia fuerat dominus Egypti, Gen. 44: An ignoratis, quod non sit

salsträchtigen Erdscholle, ohne menschliches Zutun geschaffen worden. Denn als ein Bauer die Erde pflügte, sah er plötzlich eine Erdscholle, die sich von selbst bewegte. Diese formte sich allmählich zu einem menschlichen Körper, so dass sich ein lebendiger Mensch aus der Erde aufrichtete, der Tages genannt wurde. Dieser lehrte das Volk, zukünftige Ereignisse herauszufinden. Moralisierung Sag so, dass Christus aus der Erde, d.h. aus der glorreichen Jungfrau, ohne männlichen Samen erschaffen und auf wundersame Weise in einen Menschen verwandelt wurde, Eccli. 17,1: ›Gott schuf den Menschen aus der Erde.‹ Darüber wunderte sich freilich der Bauer, d.h. das Heidenvolk. Dieser ist es also, der die Menschen lehrte zu weissagen und so über die zukünftigen guten und bösen Ereignisse nachzudenken. Daher wird er Teges [Tages] genannt, weil er die Gläubigen schützt, Eccli. 34,19: ›Beschützer der Mächtigen, Stütze der Tugend, Schutz vor der Glut.‹ Oder sag, dass jene, die von selbst aus Erde erschaffen werden, d.h. die sich aus einem niederen Stand erheben und allein durch die verborgene Wahrheit Gottes in den ihnen zukommenden Stand gehoben werden, heute diejenigen sind, die durch Betrachtung weiter in die Zukunft blicken können und durch geistige Weissagung darin besser in Nachsinnen verharren, Ps. 76,6: ›Ich habe an die alten Tage gedacht und hatte die ewigen Jahre im Sinn‹ – nach dem Beispiel Josephs, der ohne den Rat von Menschen, vielmehr allein durch die göttliche Providenz Herrscher über Ägypten wurde, Gen. 44,15: ›Wisst ihr etwa nicht,

10 de V4Tr; est GV2; e Ep. 13 Eccli. 17 Eccli. 15 G. 15 qui homines dupl. qui homines G. 17 Tages Ep et Ov. Met.; Teges codd. 18 Eccli. 34 Eccli. 25 G. 19 tegimen LLo1V2TrEp; regimen GPa8. 24 per considerationem Lo1Pa8V4TrEp; pro conscideratione G.

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similis mei in augurandi scientia? Quia illi, qui a deo solum et non ab homine promoventur, sunt meliores augures, id est melius de futuris et occultis dei iudiciis iudicantes. 836

dass niemand mir gleich ist in der Kunst des Weissagens?‹ Denn jene, die von Gott allein und nicht vom Menschen gefördert werden, sind die besseren Auguren, d.h. sie urteilen besser über die zukünftigen, noch verborgenen Urteile Gottes. 836

Fabula quarta 837

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Cum Romulus semel inter milites suos esset, hastam suam fixit in terram. Cuius ferrum statim mutatur in radicem ipsaque hasta floruit fructusque portavit et umbram insperatam transeuntibus fecit. Moraliter

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Talis lancea est crux Christi, quam Romulus, scilicet Christus, in terra ecclesie per fidem plantavit, ita quod flores gratie et fructus glorie nobis protulit et umbra eius, scilicet spes et fiducia, fideles dulciter recreavit, Ps.: Lignum, quod plantatum secus decursus aquarum, quod fructum suum dabit in tempore suo. 838 Vel dic, quod ista hasta est beata virgo, que scilicet sicca, id est incorrupta, florem virginitatis portat, fructum, filium dei, procreat et sub umbra fiducie sue peccatores confortat, figurata in virga Aaron, que sicca floruit et fructum fecit, 839 Ez. 17: Frondere feci lignum aridum.

Vierte Erzählung 837 Als sich Romulus einmal mitten unter seinen Soldaten aufhielt, stieß er seinen Speer in die Erde. Dessen Eisen wurde sogleich in eine Wurzel verwandelt, und der Schaft selbst blühte und trug Früchte und spendete den Vorübergehenden unverhofft Schatten. Moralisierung Eine solche Lanze ist das Kreuz Christi, das Romulus, nämlich Christus, durch den Glauben in die Erde der Kirche pflanzte, so dass es uns Blüten der Gnade und Früchte der himmlischen Herrlichkeit hervorbrachte und sein Schatten, nämlich Hoffnung und Zuversicht, die Gläubigen angenehm erquickte, Ps. 1,3, wie ›der Baum, der am herabströmenden Wasser gepflanzt wurde, der seine Frucht zu seiner Zeit bringen wird.‹ 838 Oder sag, dass dieser Speer die selige Jungfrau ist, die nämlich trocken, d.h. unbefleckt, die Blüte der Jungfräulichkeit trägt, die Frucht, den Gottessohn, gebiert und unter dem Schatten ihrer Zuversicht die Sünder stärkt – präfiguriert ist sie im Stab Aarons, der trocken war und dann blühte und Frucht trug, 839 Ez. 17,24: ›Ich ließ den verdorrten Baum Laub tragen.‹

6 Fabula quarta XV,3 GLo1Lo2; XV,5 Ep. 22 sicca Lo1Pa8V4TrEp; scica G.

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22 incorrupta GLPa8V4Tr; in corpore per Ep.

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Fünfte Erzählung 840

Cipus fuit rex Romanorum, qui, antequam ad regnum assumeretur, semel cum de preliis plurimis, que commiserat victorque extiterat, rediret ad urbem, casu in aquam respiciens vidit se cornutum. Quod cum tangendo manibus probasset, admirans vocavit predictum Tagetem, ut augurio diceret, quid hoc esset. Tages autem ipsum esse futurum regem asseruit. Et cornua lauro velavit ingrediensque urbem dixit fatatum esse civibus, quod ille, qui habebat cornua in exercitu suo, rex ipsorum esse debebat. Qui statim frontem discoperiens cornua ostendit et sic in urbe rex constitutus extitit.

Cipus war ein römischer König. Vor seinem Aufstieg zur Herrschaft, als er aus zahlreichen Gefechten, die er ausgetragen und siegreich bestanden hatte, zur Stadt zurückkehrte, sah er einst bei einem zufälligen Blick ins Wasser, dass er gehörnt war. Als er dies durch Tasten mit den Händen bestätigt fand, wunderte er sich und rief den oben genannten Tages herbei, damit er ihm prophezeie, was dies bedeute. Tages aber erklärte, dass er der zukünftige König werde. Und er verhüllte die Hörner mit Lorbeer und betrat die Stadt und sagte, dass den Bürgern prophezeit worden sei, derjenige, der in seinem Heer Hörner habe, solle ihr König sein. Er enthüllte sogleich seine Stirn und zeigte seine Hörner und war damit als König in der Stadt eingesetzt.

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Sic videtur inter nos accidere, quia ex hoc statim, quod aliquis victor fuerit, id est statim, quod aliquid famose fecerit, cornua superbie sue velat et consilio augurium, id est adulatorum, ad regna, id est ad alta mundi officia, temptat ascendere et se dignum ad regimen reputare. Dato enim quod cornua primo per humilitatem fictam velare dicatur, ipse tamen ad nihil aliud ambit nisi ut rex, id est ut rector, efficiatur vel prelatus, Hab. 3o : Cornua in manibus eius. Et breviter illud est verum, quod illi, qui victoriam de mundo, carne vel diabolo habuerunt vel qui de hostibus triumpharunt, fiunt finali-

Moralisierung So kommt es unter uns offenbar vor, dass von dem Zeitpunkt an, da einer siegreich gewesen ist, d. h. sowie er irgendeine große Tat vollbracht hat, er die Hörner seines Hochmuts sogleich verhüllt und durch den Rat der Auguren, d.h. der Schmeichler, versucht, zur Herrschaft, d. h. zu hohen weltlichen Ämtern, aufzusteigen und geltend zu machen, dass er für die Herrschaft würdig sei. Wenn es auch heißt, dass er die Hörner zunächst durch vorgetäuschte Demut verhüllt, strebt er doch nach nichts anderem, als dass er König, d.h. ein Leiter oder Prälat, wird, Hab. 3,4: ›Hörner in seinen Händen.‹ Und kurz gesagt, ist es wahr, dass die, die über die Welt, das Fleisch oder den Teufel gesiegt haben oder die über Feinde triumphierten, schließlich behörnt wer-

1 Fabula quinta XV,4 GLo1Lo2; XV,6 Ep. 27 eius add. De qua fictione humilitatis patet in isto Cippo, cui cum regnum permitteretur. Et add. Ov. Met. 15,586–589 Ep. 2 Cipus V4; Cyppus GV2Tr; Cippus Lo1Ep.

15 constitutus Lo1Pa8V2TrEp; constitus GV4.

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ter cornuti, id est arrogantes et superbi, ad appetendum regimen valde prompti, figurati in Moyse, qui quando de monte descendit pro eo, quod in consortio domini fuerat, facies sua cornuta apparuit, Ex. 34. Quia sepe fit, quod homo cornutus, id est elatus, efficitur, 841 quando se fuisse cum domino meditatur et quando se sanctum vel amicum domini gloriatur, Reg. 22: Venit Sedechias portans cornua ferrea. 842 Vel dic, quod cornua significant fortitudinem et virtutem ad hostes mentis et corporis impugnandum. Illi igitur, qui talibus cornibus sunt muniti, digni sunt ad regimen, id est ad prelaturam ecclesie et ad culmen eterne glorie sublimari, Ps.: Cornua peccatorum confringam et exaltabuntur cornua iusti. Fabula sexta 843

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Urbem Romanam gravissima illuvies et morborum pestilentia devastabat. 844 Quare Romani ad templum Delphos in Parnaso monte, qui est in orbis medio, sicut dicit Ovidius 845 , ubi colebatur Apollo et responsa verissima dabat, pro remedio legatos destinaverunt. Quibus Apollo respondit, quod filium suum Esculapium quererent et quod ipsum Romam ducerent et ibi eum colerent et contra morbum et pestem remedium invenirent. Igitur apud Epidaurum

den, d. h. anmaßend und hochmütig, und allzu erpicht darauf sind, die Herrschaft zu erlangen. Präfiguriert sind sie in Moses: als dieser vom Berg herabstieg, weil er sich in der Gemeinschaft mit Gott aufgehalten hatte, erschien sein Angesicht gehörnt, Ex. 34,30.35, da es oft geschieht, dass ein Mensch gehörnt, d.h. stolz, wird, 841 wenn er darüber nachsinnt, dass er mit dem Herrn zusammen war und sich rühmt, heilig oder ein Freund des Herrn zu sein, 3. Reg. 22,11: ›Es kam Sedechias, der eiserne Hörner trägt.‹ 842 Oder sag, dass die Hörner Stärke und Kraft bedeuten, um Feinde des Geistes und des Körpers zu bekämpfen. Jene also, die mit solchen Hörnern geschützt sind, sind würdig zur Herrschaft, d. h. zur Leitung der Kirche und zum Gipfel der ewigen Herrlichkeit, erhoben zu werden, Ps. 74,11: ›Ich werde die Hörner der Sünder zerbrechen, und die Hörner des Gerechten werden in die Höhe erhoben werden.‹ Sechste Erzählung 843 Eine gewaltige Seuchenpest verwüstete die Stadt Rom. 844 Deshalb schickten die Römer für ein Heilmittel Legaten zum Tempel nach Delphi auf dem Berg Parnaß, der sich in der Mitte des Erdkreises befindet, wie Ovid sagt, 845 wo Apollo verehrt wurde und höchst wahre Orakelsprüche gab. Diesen antwortete Apollo, dass sie seinen Sohn Aeskulap suchen, ihn nach Rom führen und ihn dort verehren sollten und so ein Heilmittel gegen die Krankheit und Pest finden könnten. Also schickte man nach Epidau-

19 Fabula sexta XV,5 GLo2V2; XV,7 Ep. 4 – 5 facies Lo1V2V4TrEp; facie G. 5 Ex. 34 Ep; om. GLo1Lo2Pa8V4Tr. 7 – 8 meditatur GLo1Lo2V4Tr; gloriatur Ep. 9 Reg. 22 Reg. 32 G. 9 – 10 Venit . . . ferrea GLo1Lo2Pa8V4Tr (Sedezias G); Fecit Sedechias sibi cornua ferrea Ep/Vulg. 20 gravissima Lo1Lo2TrEp; gravissimam GPa8V4. 20 illuvies coni.; ingluvies et GLo2Pa8V4Ep; om. LLo1V2; cf. lues Ov. Met. XV,626. 20 – 21 et . . . pestilentia GLLo1V2; om. Lo2Pa8V4Ep. 22 Delphos Lo1Lo2V4Tr; Delfes G; Delphas LPa8; Delphios V2; Delphicum Ep. 23 orbis LLo1Lo2Ep; urbis GPa8V2V4. 29 morbum GPa8; mortem LLo1Lo2V2Ep. 29 – 467,2 et . . . prolixa] om. V4. 30 Epidaurum V2TrEp; Epithaurum G; Epedauium Lo1.

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mittitur, ubi est Esculapius in forma humana, barba prolixa, manu dextra ad barbam extensa, et baculum agrestem quodam serpente circumdatum tenebat in sinistra. Qui in serpentem transfiguratus cum legatis Romanis navem ingrediens Romam ducitur templumque sibi inibi fabricatur. Et sic pestilentia, que prius urbem vastaverat, terminatur. Moraliter Dic allegorice, quod Apollo est deus, qui Rome, id est isti mundo, compatiens pro eo, quod peccati pestilentia vastabatur, filium suum Christum concessit hominibus, qui in serpentem, id est in corporalem hominem, transformatus ad Romam huius mundi venit seque colendum exhibuit et in templo ecclesie, quod sibi dedicatum est, se personaliter presentavit. Et sic per huius virtutem et ecclesiastica sacramenta peccati infirmitas curatur et spiritualis sanitas restauratur. Figuratus in virga Moysi, que proiecta in terram vertebatur in serpentem, quem Moyses timuit capere. 846 Caudam tamen eius precepto domini iussus est apprehendere; et quia virga virtutis filius dei dicitur, 847 dum de celo in terram proicitur, fit serpens, id est corporalis homo, quem tamen Moyses, id est Iudaicus populus, non recepit per fidem. In cauda tamen, id est in fine, ipsum apprehendet et credet quando omnis Israel salvus fiet.

1 ubi dupl. ubi G. hunc Pa8.

rus, wo sich Aesculap in menschlicher Gestalt [als Statue] befindet, mit langem Bart, mit zum Bart ausgestreckter rechter Hand und in der Linken hielt er einen Hirtenstab, der von einer Schlange umwunden war. In eine Schlange verwandelt, besteigt dieser mit den römischen Gesandten ein Schiff und wird dann nach Rom gebracht, und daselbst wird ihm ein Tempel errichtet. Und so wird die Pest, die zuvor die Stadt verwüstet hatte, beendet. Moralisierung Sag allegorisch, dass Apollo Gott ist, der mit Rom, d.h. mit dieser Welt, Mitleid hatte, weil sie von der Seuche der Sünde verwüstet wurde, und deshalb den Menschen seinen Sohn, Christus, gab, der in eine Schlange verwandelt, d.h. in einen körperlichen Menschen, in das Rom dieser Welt kam und sich zur Verehrung darbot und sich persönlich im Tempel der Kirche, der ihm geweiht wurde, zeigte. Und so wird durch seine Stärke und durch die kirchlichen Sakramente die Krankheit der Sünde geheilt und die geistige Gesundheit wiederhergestellt. Präfiguriert wird dies im Stab des Moses, der, auf die Erde geworfen, sich in eine Schlange verwandelte, die zu fangen Moses sich fürchtete. Ihm wurde jedoch durch den Befehl des Herrn aufgetragen, ihren Schwanz zu ergreifen [Ex. 4,2– 4]; 846 und weil der Stab der Macht Sohn Gottes genannt wird, 847 wird er, durch seinen Fall vom Himmel auf die Erde, eine Schlange, d.h. ein körperlicher Mensch, den aber Moses, d.h. das jüdische Volk, nicht im Glauben aufnahm. Jedoch wird er ihn am Schwanz, d.h. am Ende, ergreifen und glauben, wenn ›ganz Israel gerettet wird‹ [Rom. 11,26].

3 quodam V2V4TrEp; quoddam G.

28 quem Lo2V2V4TrEp; quam G; eum LLo1;

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Vel dic, quod Esculapius, qui fuit summus medicus et Solis filius, est prelatus, qui est medicus animarum et Solis, id est Christi, spiritualis filius et successor. Iste igitur debet habere barbam virilitatis et constantie, baculum severitatis et iustitie. Sed circa istum baculum debet involvi serpens sagacitatis et prudentie. Barbam tamen suam, id est virilitatem et animositatem seu strenuitatem, quam debet habere, tenetur sepe tangere, id est in mente habere, iuxta illud Senece: Cum maritum te cogitaveris, te virum cogita. 848 Et in proverbiis philosophorum narratur de Diogene, qui interrogatus, cur maiorem barbam habuisset, respondit: Ut subito eam tangendo virum me esse meminerim. 849 Altera vero manu baculum tenebat, ut scilicet iustitiam et prudentiam numquam spernat, Ex. 12: Baculos tenentes in manibus. Quia prelatus semper debet cogitare se esse virum, id est se habere officium viri et iustitiam semper in manu tenere. Vel dic, quod Esculapius, filius Solis, qui antiquitus pingebatur cum barba, Sol vero sive pater eius pingebatur inberbis, significat prelatos cupidos et avaros, qui super barbam, id est super divitias, solliciti esse noscuntur. Et ideo isti unam manum ad barbam semper dicuntur habere, inquantum de acquirendis divitiis summam curam

Oder sag, dass Aesculap, der der größte Arzt und Sohn des Sol war, ein Prälat ist, der ein Seelenarzt ist und geistiger Sohn und Nachfolger der Sonne, d.h. Christi. Dieser muss also einen Bart der Männlichkeit und Standhaftigkeit besitzen, einen Stab der Strenge und Gerechtigkeit. Aber um diesen Stab muss sich eine Schlange des Scharfsinns und der Klugheit winden. Seinen Bart, d.h. seine Männlichkeit und seinen Mut oder seine Tatkraft und Entschlossenheit, die er haben muss, oft zu berühren, d.h. im Sinn zu haben, ist er angehalten gemäß jenem Trostwort [Ps.-]Senecas [an einen trauernden Witwer]: ›Wenn du dich als Ehemann fühlst, fühle dich auch als Mann.‹ 848 Auch in den Sprüchen der Philosophen wird von Diogenes berichtet, der ›gefragt, warum er einen so langen Bart habe, antwortete: Um mich, wenn ich ihn berühre, sogleich daran zu erinnern, dass ich ein Mann bin.‹ 849 In der anderen Hand aber hielt er einen Stab, damit er die Gerechtigkeit und die Klugheit niemals geringachte, Ex. 12,11: ›Sie hielten Stäbe in den Händen.‹ Denn der Prälat soll immer bedenken, dass er ein Mann ist, d. h. dass er das Amt eines Mannes hat und die Gerechtigkeit immer in der Hand hält. Oder sag, dass Aesculap, der Sohn der Sonne, der von alters her mit einem Bart gemalt, Sol oder sein Vater aber bartlos dargestellt wurde, die gierigen und habsüchtigen Prälaten bedeutet, von denen man weiß, dass sie sich um den Bart, d.h. um Reichtum, bemühen. Und deshalb sagt man, dass sie immer eine Hand am Bart haben, sofern sie größte Sorgfalt auf den Erwerb von

12 maritum Lo2Pa8V2TrEp; mancum G; barbatum LLo1. 13 te GV4; id est LLo1; et Lo2V2TrEp; om. Pa8. 14 – 15 Diogene, qui interrogatus LLo1; Diogene GLo2Pa8V4; Diogene, quod interrogatus V2Tr; Diogene, quod cum peteret aliquis Ep. 16 subito GLo1Pa8V4Tr; saepius Ep. 19 Ex. 12 Ex. 21 G. 26 – 28 super barbam . . . solliciti esse Pa8; semper barbam, id est semper divitias solliciti G; barbati, id est in divitiis semper esse LLo1; super barba, id est super divitiis, solliciti esse V4Ep; barbam divitiarum prolixam habere Tr. – Var. lect. in V2: licet pater eorum, sol iustitie Christus, sine barba, id est sine divitiis, esse. V2. 29 dicuntur Lo1Lo2 Pa8V4Tr; dicunt G; noscuntur Ep.

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habent. Altera vero manu baculum cum serpente, id est rigorem iustitie cum cautelis malitie, ad alios exspoliandos extensa tenent. Sed quid? Pro certo, sicut ponit Valerius: 850 Cum Dionysius tyrannus semel per quandam civitatem transiret et Esculapii imaginem cum magna barba aurea depictam videret, predictam barbam rapuit et recepit asserens, quod indignum erat filium esse barbatum, ex quo pater eius Apollo fuerat sine barba. Sic vere tyranni moderni allegare videntur, quia pro certo non faciunt hodie conscientiam ab Esculapio, id est a prelatis et ecclesiasticis viris, barbam suam auream, id est temporales divitias, tollere dicentes, quod pater eorum Christus non habuit huiusmodi barbam, id est divitias, quia semper fuit pauper, Mt. 8: Vulpes foveas habent et aves celi nidum, filius autem hominis non habet, ubi caput suum reclinet. Isti igitur tyranni dato quod malam intentionem habeant, que ipsos nullo modo excusat, illud tamen est verum, quod indecens est imberbem patrem barbatos filios habere, id est sub Christo paupere discipulos divites militare, quia, sicut dicitur Eccli. 10: Qualis est rector civitatis, tales inhabitantes in ea.

Reichtum richten. In der anderen ausgestreckten Hand aber halten sie einen Stab mit einer Schlange, d. h. die Strenge der Gerechtigkeit gepaart mit der Vorsicht der Bosheit, um andere zu berauben. Aber was folgt daraus? Sicher dies, wie es Valerius [in einer Anekdote] darstellt: 850 Als der Tyrann Dionysius einmal durch eine Stadt zog und das Bildnis des Aesculap mit einem langen, goldenen Bart abgebildet sah, raubte er besagten Bart und nahm ihn an sich mit der Begründung, dass es unwürdig sei, dass der Sohn bärtig sei, da doch sein Vater Apoll bartlos gewesen war. So scheinen es sicher die gegenwärtigen Tyrannen geltend zu machen, da sie sich bestimmt heute kein Gewissen daraus machen, von Aesculap, d. h. den Prälaten und Kirchenmännern, ihren goldenen Bart, d.h. ihren weltlichen Reichtum, zu rauben mit der Erklärung, dass ihr Vater, Christus, keinen solchen Bart, d.h. Reichtum, hatte, weil er immer arm war, Mt. 8,20: ›Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel des Himmels ihr Nest, der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen könnte.‹ Mögen diese Tyrannen auch eine böse Absicht haben, die sie keineswegs entschuldigt, so ist jenes doch wahr, dass es unpassend ist, dass ein bartloser Vater bärtige Söhne hat, d.h. dass unter dem armen Christus reiche Jünger dienen, da, wie es Eccli. 10,2 heißt: ›Wie der Herrscher einer Stadt ist, so sind auch ihre Bewohner.‹

28 in ea add. Post hec tractat Ovidius de occisione Iulii et deificatione eiusdem et in laudibus Augusti terminat librum hunc ultimum Metamorphoseos. Unde pro eodem Augusto sic orat in fine: Tarda sit illa dies et nostro serior evo, Qua caput Augustum, quem temperat, orbe relicto, Accedat celo faveatque precantibus absens! (Ov. met. 15,868–870). Due vero sequentes historie seu fabule non habentur in textu Ep. 3 – 4 extensa tenent coni.; extensa GV4; exercet LLo1; tenet . . . exercet V2; extentam tenent Tr; tenent Ep. 4 – 5 Valerius Ep; Ovidius GLo1Lo2Pa8V4Tr. 11 – 16 Sic vere . . . eorum G; om. LLo1Lo2Pa8V2V4TrEp. 17 huiusmodi Lo1Pa8V4TrEp; huius mundi G; huius Lo2V2. 18 – 19 foveas Lo1Pa8V2TrEp; foveans G. 23 – 24 indecens Lo1Pa8V2TrEp; indocens G.

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Siebte Erzählung 851

Iupiter voluit rapere Thetidem deam aquarum; sed fatatum erat, si hoc fieret, filium maiorem se generaret, qui eum de regno expelleret. Quapropter ipsam Peleo in uxorem dedit, a quo tandem magnum Achillem concepit. Ad nuptias autem istorum omnes deas preter deam Discordiam Iupiter invitavit.

Jupiter wollte Thetis, die Göttin des Wassers, entführen; aber es war prophezeit worden, dass er, wenn dies geschehe, einen Sohn, der größer sei als er, zeugen würde, und dieser würde ihn aus der Herrschaft vertreiben. Deshalb gab er sie Peleus zur Frau, von dem sie schließlich den großen Achill empfing. Zu ihrer Hochzeit aber lud Jupiter alle Göttinnen außer der Göttin Discordia [Zwietracht] ein.

Moraliter Ista exponendo litteraliter secundum Fulgentium 852 per Iovem intelligitur ignis, per Thetidem aqua, per Peleum vero intelligitur terra; Peleus enim lutum interpretatur. Dic igitur, quod Iupiter, id est ignis, cum Thetide non vult coire, quia scilicet mixtio ignis et aque non potest invicem convenire, quin ex tali concubitu ignis perdat, inquantum aqua igni convincta ipsum suffocat et extinguit. Thetis igitur, id est aqua sive humor, cum Peleo, id est cum terra seu cum luto, contrahit et Achilles generatur, inquantum de terra et humore Iove, id est igne, adiuvante homo complete creatur. Omnes igitur dii ad nuptias veniunt, inquantum omnes planete et stelle in generationem hominis influunt et conveniunt. Sola vero discordia dicitur abesse, inquantum concordia elementorum in generatione hominis necessaria est.

Moralisierung Wenn man dies nach Fulgentius im Buchstabensinn auslegt, 852 wird unter Jupiter das Feuer verstanden, unter Thetis das Wasser, unter Peleus aber wird die Erde verstanden; denn Peleus wird als ›Lehm‹ interpretiert. Sag also, dass Jupiter, d. h. das Feuer, mit Thetis nicht zusammengehen will, weil nämlich Feuer und Wasser gemischt sich nicht miteinander vertragen können, da ja bei einer solchen Vereinigung das Feuer zugrunde geht, sofern das Wasser, dem Feuer verbunden, dieses erstickt und auslöscht. Thetis, d.h. das Wasser oder die Feuchtigkeit, kommt also mit Peleus, d.h. mit der Erde oder dem Lehm, zusammen und erzeugt Achilles, sofern mit Hilfe von Jupiter, d. h. dem Feuer, aus der Erde und der Feuchtigkeit ein Mensch vollständig erschaffen wird. Alle Götter kommen nun zur Hochzeit, sofern alle Planeten und Sterne auf die Erschaffung des Menschen Einfluss nehmen und in ihr zusammenkommen. Allein aber die Zwietracht, heißt es, sei abwesend, soweit die Eintracht der Elemente bei der Erschaffung des Menschen notwendig ist.

1 Fabula septima XV,6 GLo2V2; XV,8 Ep. 2 Thetidem V4TrEp; Tethidem G; Tetidem Lo1; Tetydem V2. 5 Peleo Lo1V4TrEp; Pelleo GV2. 11 litteraliter Lo1Pa8V4TrEp; historialiter GV2. 14 Peleus Tr; Pellos G; Peleos Lo1; Peles V2V4Ep. 14 lutum luttum G, sed corr. 15 – 16 cum Thetide GLLo1Pa8V4Ep; Thetidem (non vult) Tr.

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Si vis, expone ista moraliter et dic, quod Iupiter significat virum iustum, qui re vera cum Thetide, id est dea aquarum seu deliciarum seu vite voluptate non debet contrahere nec passim nubere, quia revera talem filium, id est temptationis vitium et talem concupiscentie fasciculum, posset gignere, quod eum faceret de regno anime et de virtute propria vacillare; aqua enim extinguit ignem et mundi voluptas et prosperitas iustum et virtuosum superat et subvertit. Dimittat igitur Iupiter, id est vir iustus, istam uxorem, id est mundi prosperitatem, Peleo sive luto, id est hominibus voluptuosis et carnalibus et lutosis, et numquam tradatur viris iustis et virtuosis. Ignis enim et aqua simul convenire nequeunt et iustitia et voluptas simul habitare non possunt, Ier. 16: Non sumes uxorem de loco isto. Fabula octava 853 Admetus rex Grecie Alcestim accepit uxorem. Qui cum infirmaretur et mori deberet, rogavit Apollinem, ut ei parceret et quod vitam sibi concederet. Respondit Apollo hoc nullo modo posse fieri, nisi aliquis de amicis eius mori pro eo vellet. Alcestis ve-

Wenn du willst, leg dies moralisch aus und sag, dass Jupiter den gerechten Mann bedeutet, der in der Tat nicht mit Thetis, d. h. mit der Göttin des Wassers oder des Genusses oder mit der Lebenslust, zusammengehen darf und sich auch nicht an beliebigen Orten mit ihr ehelich vereinigen soll, weil sie in der Tat einen solchen Sohn, d. h. das Laster der Versuchung und ein solches Bündel an Begierden, erzeugen kann, dass dies ihn in der Vorherrschaft der Seele und in der eigenen Tugend wankend macht; denn das Wasser löscht das Feuer aus und weltliches Begehren und Reichtum besiegen und vernichten einen gerechten und tugendfesten Mann. Also soll Jupiter, d.h. ein gerechter Mann, diese Gattin, d.h. den weltlichen Reichtum, Peleus oder dem ›Lehm‹, d.h. lasterhaften, fleischlichen und erdhaften Menschen, überlassen, und niemals soll sie gerechten und tugendfesten Männern übergeben werden. Denn Feuer und Wasser können sich nicht verbinden, und Gerechtigkeit und Begehrlichkeit können nicht zusammen wohnen, Ier. 16,2: ›Nimm keine Gattin von diesem Ort.‹ Achte Erzählung 853 Admetus, der König von Griechenland, nahm Alcestis zu seiner Gattin. Als dieser erkrankte und sterben sollte, bat er Apollo, dass er ihn schone und ihm das Leben gewähre. Apollo antwortete, dass dies keineswegs geschehen könne, wenn nicht einer seiner Freunde für ihn sterben wolle.

20 Fabula octava XV,7 GLo2V2; XV,9 Ep. 1 dic Lo1Lo2V4TrEp; dico G; om. Pa8. 2 significat . . . iustum Ep; significat . . . viros iustos LLo1; id est, vir iustus Pa8V4; id est, homo sapiens Tr; om. GLo2V2. 3 – 4 id est . . . voluptate G; id est cum aqua deliciarum LLo1; id est aqua deliciarum seu vite voluptate Pa8V4; dea aquarum, id est divitiarum et deliciarum Tr; id est aquarum seu deliciarum dea, scilicet cum voluptate Ep. 7 fasciculum Lo1Pa8V4TrEp; fasiculum G. 8 eum Lo1Pa8V4TrEp; cum G. 10 ignem LLo1TrEp; om. GLo2V2V4. 12 Iupiter . . . iustus LLo1Ep; vir iustus Iupiter G; vir iustus Pa8; Iuppiter, vir iustus Lo2V2; Iupiter Tr. 15 numquam GV4Tr; nusquam LLo1 Lo2V2; om. Pa8Ep. 17 iustitia G; iustus Lo1Pa8V4TrEp. 18 Ier. 16 Ier. 7 G. 21 Alcestim Alcestam Ep; Alcetam G; Alcestem Lo1; Alcete V2; Alteram V4; Altestam Tr. 22 infirmaretur cet. codd.; infirmeretur G. 26 pro eo Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 26 Alcestis Alcesta Tr; Aceta GV2; Alceste Lo1; Altera V4; Acesta Ep.

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ro uxor ipsius virum diligens pro viro morti se subiecit et ad inferos loco viri descendit. Hercules autem postea ad infernum descendens pro cane Cerbero extrahendo ipsam in inferis invenit et pietate motus ipsam extraxit et ad vitam reduxit. Moraliter

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Istud allega de affectu bonarum mulierum, que viros perfecte diligunt, ita quod amore ipsorum se morti exponerent. Iste igitur digne sunt, quod ab inferis, id est a purgatorio, Hercules, id est Christus, eas extrahat et propter fidem coniugalem, quam habent, ad gloriam secum ducat. Quod est hodie contra multas, que non solum pro viris mori nolunt, immo eorum mortem appetunt. Immo multe sunt, que dicunt se velle mori pro viris et in necessitate nolent pro eis aliquid sustinere. Sicut narratur 854 de quadam iuvencula, que magis dicebat se velle mori quam virum. Quod probare volens vir dixit, quod mors infra triduum erat ventura; cumque ipsa se mori pro viro velle diceret, sic factum est, quod vir unum vivum caponem deplumavit et abscondit, ipseque vir in latibulo se posuit et, quod morti, que erat ventura, nullatenus, ubi latebat, ostenderet, uxori prohibuit. Ut igitur capo nudus et deplumatus exiit, uxor ipsum esse mortem credidit et timens cepit clamare dicens: Non sum ille, non sum

Weil sie aber ihren Mann liebte, unterwarf sich seine Frau Alcestis für ihren Mann dem Tod und stieg anstelle des Mannes hinab zu den Toten. Später aber stieg Hercules in die Unterwelt hinab, um den Hund Cerberus herauszuholen, und fand sie in der Totenwelt und brachte sie, von ihrer Treue beeindruckt, heraus und führte sie ins Leben zurück. Moralisierung Wende dies auf die Zuneigung guter Ehefrauen an, die ihre Männer vollkommen lieben, so dass sie sich aus Liebe zu ihnen dem Tod aussetzen. Diese sind also würdig, dass Hercules, d.h. Christus, sie aus der Unterwelt, d. h. aus dem Purgatorium, herausholt und sie wegen ihrer ehelichen Treue, die sie besitzen, zur himmlischen Herrlichkeit mit sich führt. Dies richtet sich heute gegen viele, die nicht nur für ihre Männer nicht sterben wollen, vielmehr ihren Tod sogar wünschen. Es gibt vielmehr viele, die zwar sagen, dass sie für ihre Männer sterben wollen, in der Not aber nichts für sie auf sich nehmen wollen. So erzählt man von einer jungen Frau, 854 die sagte, lieber wolle sie sterben, als dass dies ihren Mann treffe. Da er dies prüfen wollte, sagte ihr Mann, dass der Tod in drei Tagen kommen werde. Und weil sie versicherte, dass sie für ihren Mann sterben wolle, so geschah es, dass der Mann einen Kapaun lebend rupfte und ihn versteckte. Und der Mann selbst versteckte sich und verbot seiner Frau, dem Tod, der kommen werde, zu zeigen, wo er sich verborgen hielt. Wie also der nackte und federlose Kapaun heraustrat, hielt ihn die Ehefrau für den Tod, und aus Furcht begann sie zu schreien und

1 morti Lo1Pa8V4TrEp; mori G. 8 mulierum Lo1Pa8V4TrEp; om. G. 23 ipsa ipsa ipa G, sed. corr. 25 vivum Ep; om. GLo1Lo2Pa8V4Tr. 26 se Lo1Pa8V4TrEp; om. GLo2. 29 deplumatus Lo1Pa8V4Ep; deplumatus G, in marg. deplumat; denigratus Tr.

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ille, quem petis locumque, ubi latebat vir, ostendit. Quod vir videns de latibulo egrediens uxorisque falsa promissa increpat, caponemque occidens comedit dicens, quod de illa morte non comederet, quam pro ipso incurrere nolebat. Vel dic, quod quandoque inventa est mulier, que pro viro moriebatur, sicut hic dicitur de Alcesta et sicut narrat Plinius ›De naturali historia‹ libro septimo de patre Gracchorum, quod, cum dixissent augures, quod necesse erat, quod ipse vel uxor eius interficeretur et alter superviveret pro eo, quod in domo sua duos serpentes prendiderat, voluit ipse, quod non uxor occideretur, quia uxor erat iuvenis, ipse vero senex. 855 Vel dic, quod Admetus rex Grecie est deus, cuius uxor est quelibet sancta virgo, que vere magis voluit mori per martyrium corporaliter, quam sponsus ipsius, scilicet deus, moreretur in cordibus hominum spiritualiter. Magis enim voluerunt sancte virgines pro fide mortem subire, quam fidem catholicam in aliquo deperire. Hercules igitur, scilicet Christus, istas de inferno eripuit et secum ad paradisum duxit, quia pro illo mortem subire nullatenus dubitabant di-

sagte: Ich bin nicht jener, ich bin nicht jener, den du suchst! Und sie zeigte auf den Ort, wo sich der Mann versteckte. Als der Mann dies sah, kam er aus dem Versteck heraus und tadelte seine Gattin wegen der falschen Versprechen. Und er tötete den Kapaun und aß ihn auf, wobei er sagte, dass sie von jenem Tod nicht mitessen dürfe, in den sie für ihn nicht geraten wollte. Oder sag, dass man bisweilen eine Frau fand, die für ihren Mann starb, wie es hier von Alcestis gesagt wird und wie es Plinius im siebten Buch seiner ›Historia naturalis‹ vom Vater der Gracchen berichtet. Weil die Auguren gesagt hatten, es sei nötig, dass er selbst oder seine Gattin getötet würde und nur einer von beiden überlebe, weil er in seinem Haus zwei Schlangen gefangen hatte, wollte er, dass er selbst, nicht seine Gattin sterbe, weil seine Gattin jung war, er aber ein alter Mann. 855 Oder sag, dass Admetus, der König Griechenlands, Gott ist, dessen Gattin eine jede heilige Jungfrau ist, die wahrhaftig lieber durch ein Martyrium körperlich sterben will, als dass ihr Gatte, nämlich Gott, in den Herzen der Menschen geistig stirbt. Die heiligen Jungfrauen wollten nämlich lieber für ihren Glauben den Tod auf sich nehmen, als dass der katholische Glaube in irgendjemandem abstürbe. Also riss Hercules, nämlich Christus, sie aus der Unterwelt heraus und führte sie mit sich ins Paradies, da sie keineswegs zögerten, für ihn den Tod auf

6 nolebat add. Multa alia sunt exempla Ep. 17 – 474,2 Vel . . . tota die deest V4. 11 Gracchorum Ep; Eracrorum G; Erathorum Pa8; Eraclorum V4; Eractorum Lo2Tr. – Var. lect. in LLo1: Vel dic quod aliquando vir pro uxore mori vult sicut dicit Plinius in ›Naturali Historia‹ libro 7 de quodam marito, quod cum dixissent. 15 voluit LLo1Ep; voluitque GLo2V2V4Pa8. 17 – 18 Admetus . . . deus Lo1Pa8V2Ep; Admetus est . . . G, sed del. est; Admetus est deus pater Tr.

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centes illud Ps.: Propter te mortificamur tota die.

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sich zu nehmen, indem sie jenes Psalmwort 43,22 sagten: ›Deinetwegen werden wir unablässig getötet.‹

1 – 2 tota die add. Et sequitur: Exsurge domine, adiuva nos et redime nos seu libera nos etc. Explicit Ovidius L; Et sequitur: Exsurge domine, adiuva nos et redime nos seu libera nos Lo1; Explicit. Expliceat ludere scriptor eat Lo2; add. Quapropter quia ydolis contradixerunt occisi sunt. Hercules autem id est Christus de inferno istas eripuit et secum ad Paradisum duxit et ad vitam eternam perduxit. Quam nobis patrare Christus similiter dignatur si mandata eius servamus et pro eo mori non dubitaverimus. Qui benedictus sit in secula seculorum. Amen. Allegorie Holkothi super ffabulas Ovidii metamor. expliciunt foeliciter. Pa8; Expliciunt fabule Ovidii in libro Methamorfoseos id est de transformatis V2; add. Extimati sumus ut oves occisionis. Deo gratias deo gratias semper deo gratias. Amen Tr (de colophone addito vide supra descriptionem manuscripti); add. Extimati sumus ut oves occisionis etc. Finiuntur moralitates librorum Metamorphoseos Ovidii editae a magistro Thoma Walleys anglico. De ordine fratrum predicatorum. Deo gratias. Impressum est autem hoc opus in aedibus Ascensianis anno domini Millesimo quingentesimo nono ad Idus Iulias Ep.

IV. KOMMENTAR ZUM ›OVIDIUS MORALIZATUS‹

Prologus/Prolog [1] 2. Tim. 4,4: et a veritate quidem auditum avertent etc. [2] Iud. 9,9–15. [3] 2. Reg. 14,9: Remisitque Ioas rex Israel ad Amasiam regem Iudae dicens: »Carduus Libani misit ad cedrum, quae est in Libano, dicens: ›Da filiam tuam filio meo uxorem.‹ Transieruntque bestiae agri, quae sunt in Libano, et conculcaverunt carduum.« [4] Ez. 17,1–6: Et factum est verbum Domini ad me dicens: Fili hominis, propone aenigma et narra parabolam ad domum Israel et dices: Haec dicit Dominus Deus: Aquila grandis magnarum alarum [. . .] venit ad Libanon et tulit medullam cedri [. . .]. [5] Hrabanus Maurus, De natura rerum, 15,2, PL 111, Sp. 419CD; vgl. Isidor, Etymologiae, hg. von Lindsay, 1911 u. ö., VIII 7,10 (im Folgenden zitiert: Isidor, Et. mit Buch, Kap. , Paragraph und Satz); nach Lactantius, Div. Inst. libri, I–II, hg. von Heck – Wlosok, 2005, I,11, 24 und 30, S. 45–47. Vgl. auch von Moos, Poeta und historicus im Mittelalter, 1976, S. 108–130. [6] Ebda. [7] Zu Vulcan vgl. unten Ov. mor. IV,2. [8] Zu Perseus und Atlas Ov. Met. 4,627–662; vgl. unten Ov. mor. IV,13: spirituelle Deutungen. [9] Gemeint ist, dass Berchorius im ›Reductorium morale‹ zuerst in 13 Büchern die enzyklopädischen Materien (im Anschluss an die Enzyklopädie des Bartholomaeus Anglicus) behandelt hat, dann im 14. Buch die Werke der Natur (›Naturae mirabilia‹) speziell folgen lässt und nun im 15. Buch die antiken Mythen erklären will. [10] Mt. 7,16. [11] Deut. 32,13. [12] Vgl. Exod. 3,22; 11,2; 12,35: die vasa aurea et argentea der Ägypter wurden in der exegetischen Tradition verstanden als das, was von den wissenschaftlichen, poetischen und moralischen Schätzen der Heiden für den usus der Christen brauchbar sei; dazu z. B. Augustinus, De doctrina christiana, hg. von Martin, 1962, S. 73f. [13] Ov. Met. 4,428: ipse docet, quid agam (fas est et ab hoste doceri).

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KOMMENTAR

[14] Berchorius nennt hier als seine Hauptquellen die ›Mitologiae‹ des Fulgentius, Alexander (= Mythologus Vaticanus III = Albericus von London), der auch mit Alexander Neckam in Verbindung gebracht wurde, und die ›Vergilii carminum commentarii‹ des Grammatikers Servius, die allerdings schon z.T. im Mythologus Vaticanus III verarbeitet sind. [15] Augustinus, De civ. dei, Lib. 2: Dieser Angabe mehrerer Handschriften entspricht keine passende Formulierung in dem Buch; näher käme De civ. dei, 4,8 oder 4,24; vgl. auch 18, 12f. Die für die Allegorese sonst ungewöhnliche Wendung rationem . . . assignare ist ev. von Thomas von Aquin übernommen, der sie häufig verwendet (z.B. Summa Theologiae, II 1 qu. 102 art. 4; art. 5: Horum autem ornamentorum quidam rationem litteralen assignant; qu. 103 art. 3: rationes litterales supra assignatae; u.ö.). [16] Cicero, De natura deorum, III,63: Magnam molestiam suscepit et minime necessariam primus Zeno post Cleanthes deinde Chrysippus, commenticiarum fabularum reddere rationem, vocabulorum cur quidque ita appellatum sit causas explicare. Dazu ebd. I,36 (Zeno) und I,40 (Chrysippus). [17] Eine Handschrift dieses Werks wurde Berchorius erst in Paris durch Philippe de Vitry zugänglich gemacht, so dass er manches daraus noch in die Spätfassung einarbeiten konnte; dazu Bd. 1, Kap. I. [18] Petrarca, Africa, Lib. III,136–262, hg., übers. und komm. von Huss – Regn, 2007 (im Folgenden zitiert: Petrarca, Afr. III mit den Versen). [19] Fulgentius, Mitologiae, hg. von Helm – Préaux, 2 1970 (im Folgenden zitiert: Fulgentius, Mit. mit Buch, Kap. und Seite); Alexander (= Albericus) wie Anm. 14 und Hraban wie Anm. 5. [20] Vgl. z.B. Mythologus Vaticanus III (= Albericus), De diis gentium, hg. von Bode, 1834, ND 1996, S. 152, Prooemium: Vocatur Jovis sive Juppiter in aethere, Juno in aere etc.; ebd. S. 154, III,1,5: [. . .] Saturnum etiam philosophi in figura temporis accipiunt etc.; ebd. S. 158, III,2,3: Cybele: terra; ebd. S. 171, III,5,1: Neptunus: aquarum elementum (im Folgenden zitiert: Myth. Vat. III mit Kap. und Abschnitt).

De formis figurisque deorum/Göttergestalten [21] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Hraban, De nat. rer. 15,6 (De diis gentium), PL 111, Sp. 426–436, hier Sp. 428CD; Fulgentius, Mit. I,2, S. 17 f.; Myth. Vat. III,1,1–8 (Hauptquelle des Götterkapitels); Petrarca, Afr. III,136–264, hier III,143–148. Im Folgenden wird jeweils die nächste Quelle genannt, nicht selten wird sie aber im einzelnen noch ergänzt. – Bedeutungszuschreibungen an den Gott durch Berchorius: ein schlechter Prälat, ein frommer, gerechter Prälat, Tyrannen, Völlerei, die Lebensweisheit: es ist unmöglich, der Bestimmung des Schicksals, d.h. Gottes, zu entfliehen. [22] Myth. Vat. III,1,1: Hunc maestum, senem, canum [. . .] filiorum suorum voratorem falcemque ferentem, draconem etiam flammivomum, qui caudae suae ultima devorat, in dextra tenentem inducunt; Petrarca, Afr. III,147 f. [23] Ebd.: [. . .] caput glauco amictu coopertum habentem; Petrarca, Afr. III,143 f. [24] Vgl. Fulgentius, Mit. I,2, S. 18; Myth. Vat. III,1,1 und 6.

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KOMMENTAR

[25] Vgl. Myth. Vat. III,1,7; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 428D, 432BC. [26] Vgl. zu Ops, Saturns Gattin, Fulgentius, Mit. I,2, S. 17; Myth. Vat. III,2,1 (mit Etymologie). [27] Myth. Vat. III,1,3: Addunt etiam, ideo maestum esse, quia sidus ejus tardissimum sit [. . .]. Zum Kontext der Planetengötter vgl. auch Blume u.a., Sternbilder des Mittelalters, Bd. 2, 2016 und oben Bd. 1, Kap. V. [28] Ebd. III,1,6: [. . .] quum vero retrogradus eat, esse nocuum, ideoque eum falcem habere. [29] Ebd. III,3,3 und III,1,8 f. zur stella Iovis und zum Sieg Jupiters über Saturn. [30] Vgl. unten De formis, Cap. 10. [31] Fulgentius, Mit. I,2, S. 18; Myth. Vat. III,5 f. [32] Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 428D. [33] Myth. Vat. III,1,6. [34] Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 428D; Myth. Vat. III,1,7. [35] Myth. Vat. III,1,2. [36] Berchorius weicht hier von Ovid ab, bei dem Philyra die Mutter des Chiron ist, vgl. Ov. Met. 2,676 und 6,126. [37] Myth. Vat. III,1,2: [. . .] fugatus Saturnus Italiam petiit, ibique a Jano, qui tunc regnabat, receptus, quum eum usum vinearum et falcis docuisset, in partem est admissus imperii sibique oppidum fecit. Hic itaque in agricultura magnum impendens exercitium et per annonae praerogationem ad se populos attrahens a ›saturando‹ Saturnus meruit appellari; Fulgentius, Mit. I,2, S. 17. [38] Vgl. Myth. Vat. III,1,4. [39] Ebd.: Caput tectum habet, ut tamquam senex et frigens contra frigus se munire et nos itidem admonere putetur. [40] Ps. 103,26: Illic naves pertransibunt, Leviathan, quem formasti ad ludendum cum eo. [41] Bonincontro Morigia, Chronicon Modoetiense ab origine Modoetiae usque ad annum MCCCXLIX, Lib. III, Cap. 38, in: Muratori, Ludovico Antonio (Hg.), Rerum Italicarum Scriptores, Mailand 1728, Bd. 12, Sp. 1152 f. Die Hs. Gotha (G) hat hier fol. 2rb am Rand eine Zeigehand – ein Lesehinweis, wie er sonst in der Hs. nicht vorkommt. [42] Hieronymus, Epistulae: Epist. 69,9 (Ad Oceanum), hg. von Hilberg, 1910, S. 696 dazu, wie Priester nicht sein sollen: Vinolentia scurronum est et comissatorum uenterque mero aestuans cito despumat in libidines; in uino luxuria, in luxuria uolupta, in uoluptate inpudicitia est. [43] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 428D–429A; Myth. Vat. III,3,1–5 und 4,1. – Bedeutungszuschreibungen an den Gott durch Berchorius: Gott, der gute Prälat oder Fürst, der obere Äther. [44] Petrarca, Afr. III,140–142; vgl. Myth. Vat. III,3,4 f. [45] Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429A; Myth. Vat. III, Prooem und 3,1. [46] Myth. Vat. III,3,1; Fulgentius, Mit. I,3, S. 18.

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[47] Petrarca, Afr. III,140 f.; Myth. Vat. III,3,2: Nam divum [. . .] potestas est Juppiter, quia ipse est aether, qui elementorum possidet principatum; hominum ideo, quia bona Jovialis stellae irradiatio honores hominibus tribuit. [48] Myth. Vat. III,3,3–4. Zur Kälte und Wärme von Edelsteinen Meier, Gemma spiritalis, 1977, S. 254–263, hier S. 260: Plinius, Nat. hist. 37,142 zum kalten Achat; Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XII,1, S. 514: im Nest des Adlers befinden sich zwei Steine, der Aetites für eine gute Brut und der Achat gegen Schlangen; besonders kalt ist der Chalazias: ebd. XVI,51; so auch Berchorius, Reduct. mor., XI,42, S. 428. [49] Myth. Vat. III,3,4 und Fulgentius, Mit. I,20, S. 31 zu Ganymed. [50] Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 430C. [51] Vgl. Ov. mor. X,7 und Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429A sowie Myth. Vat. III,3,5 und III,15,11. [52] Ganymed galt als der Sohn des phrygischen Königs Tros (nach diesem wurde Troja benannt); vgl. Ov. Met. 10,155: Rex superum Phrygii quondam Ganymedis amore / arsit [. . .]; vgl. Ov. mor. X,7. Im Jupiterkapitel hier wird er in G und den meisten übrigen Handschriften als Sohn des Königs der Titanen bezeichnet (s. App.), doch der Druck von 1509 stellt den Text nach der Quelle Myth. Vat. III,3,5 wieder her. [53] Myth. Vat. III,3,5: Sane Ganymedes in caelum juxta fabulam translatus ad ministerium poculorum adhibitus dicitur. Ganymedes signum, quod Aquarium dicimus, quod constat esse pluviosum, und ebd. III,15,11 (pincerna Jovis). [54] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429B.; Myth. Vat. III,3,3. [55] Vgl. Petrarca, Afr. III,140–142 und Myth. Vat. III,3,4. [56] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Petrarca, Afr. III,186–189; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 430B; Myth. Vat. III,11,10f. – Bedeutungszuschreibungen an den Gott durch Berchorius: weltliche, besonders kriegerische Fürsten und Tyrannen, die Zwietracht. [57] Zur Reihenfolge der sieben Planeten vgl. Myth. Vat. III,6,2 und Reg. s.v. Mars. [58] Petrarca, Afr. III,186–189: Necnon funerei post haec Mavors imago / Curribus insistens aderat furibunda cruentis / hinc lupus, hinc raucae stridentes tristia Dire; / Cassis erat capiti fugens manibusque flagellum. [59] Die Hss. bringen verschiedene Lesarten (ventrigeri, vectigeri u. ä.), nur Tr ist der Quelle nah: Solinus, Collect. rer. mem. 15,3, hg. von Mommsen, 1895, S. 83: Populis istis [Neuris] deus Mars est: pro simulacris enses coluntur; homines victimas habent. Es gibt keine weiteren Zeugnisse für die anderen rätselhaften Lesarten in der erreichbaren lat. Literatur (auch nicht im Variantenapp. Mommsens); vielleicht ist vectigeri (›Leute, die Stangen tragen oder führen‹) eine mögliche Lesart. [60] 1. Reg. 25,29: [. . .] porro anima inimicorum tuorum rotabitur quasi in impetu et circulo fundae. In der Kombination mit Eccli. 33,5 (quasi rota plaustri) wurde der Vers entsprechend verändert. [61] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 430CD; Myth. Vat. III,8; Fulgentius, Mit. I,12 und 17, S. 23 und 28; Petrarca, Afr.

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III,156–173. – Bedeutungszuschreibungen an den Gott durch Berchorius: jeder Gerechte, besonders der Prälat, ein schlechter Fürst oder Prälat, Christus. [62] Petrarca, Afr. III,156–173. [63] Vgl. Myth. Vat. III,8,4; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 430C. Das Apollo-Kapitel des Berchorius ist dadurch gekennzeichnet, dass es seine genannten Quellen eigenständig und vereinfachend verschmilzt, was das Aussehen und die Attribute sowie deren literale Bedeutung betrifft. [64] Das Brüten des Raben im Sommer berichtet Myth. Vat. III,8,14: Phoebi tutelae corvum deputant vel quod solus [. . .] contra rerum naturam in mediis fervoribus aestivis oviparos producit foetus; Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XII,10 und mit Hinweis auf Aristoteles Berchorius, Reduct. mor., VII,23, S. 186a. [65] Vgl. Myth. Vat. III,8,4. [66] Vgl. Iud. 15,4–5: [Samson] cepit trecentas vulpes caudasque earum iunxit ad caudas et faces ligavit in medio [. . .]. [67] Vgl. 1. Par. 15,28f. und den Cantus: Decantabat populus laudem. Alleluia. Et universa multitudo canebat legitime. Et David cum cantoribus citharam percutiebat in domo Domini. Et laudes Deo canebat. Alleluia, in: Corpus Antiphonalium Officii, hg. von Hesbert, Bd. 4, 1970, S. 102, Nr. 6400. [68] Ov. Met. 15,630f.: auxilium caeleste petunt mediamque tenentes / orbis humum Delphos adeunt, oracula Phoebi [. . .]; vgl. auch Ov. Met. 10,167f.: [. . .] et orbe / in medio positi caruerunt praeside Delphi. [69] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Fulgentius, Mit. II,1, S. 39f.; Myth. Vat. III,11,1–2; Petrarca, Afr. III,212–218. – Bedeutungszuschreibungen an die Göttin durch Berchorius: ein genussreiches, ausschweifendes Leben, der im Überfluss lebende Mensch; der Sohn Cupido: amor carnalis. [70] Vgl. Myth. Vat. III,11,18; s. auch Berchorius, Ov. mor. I,2. [71] Petrarca, Afr. III,219–223. [72] Vgl. Myth. Vat. III,10,4: Ponitur et Vulcanus pro igne obscoenae cupiditatis. Unde et Veneris fingitur maritus; s. ferner ebd. 10,5. [73] Vgl. Fulgentius, Mit. II,1, S. 36 f. und 39 f.: Terciam Uenerem uoluptariae uitae in similitudinem posuerunt etc. [74] Vgl. Fulgentius, Mit. II,1, S. 40. [75] Die drei Grazien, die als Begleiterinnen der Venus hier negative und positive Deutungen erhalten, werden nach der schon antiken Figuration ihres Gestus – zwei wenden sich zum Betrachter hin, eine wendet sich ab – ausgelegt; sie ist hier durch Fulgentius vermittelt. Das Venus-Bild im Treviso-Codex stellt sie ebenso dar (fol. 3v); s. dazu auch oben Caroline Smout Kap. II. 1. und Bd. 1, Kap. IV. 3. sowie Abb. 208 zu den Götterbildern. [76] Dieses Proverbium ist bei Seneca nicht belegt, vgl. aber Petrus Chrysologus, Sermonum Collectio, hg. von Olivar, Pars III, 1982, Sermo 174, S. 912: Amor ignorat iudicium, ratione caret, modum nescit; amor non accipit de inpossibilitate solacium, non recipit de difficultate remedium. Bautz, Chrysologus, Petrus, 1975, 2 1990, Sp. 1017–1118. Bernhard

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von Clairvaux, Liber de gradibus humilitatis et superbiae 14, hg. von Leclercq – Rochais, Bd. 3, 1963, S. 27: Amor vero, sicut nec odium, veritatis iudicium nescit. Hieronymus, Contra Iohannem. hg. von Feiertag, 1999, S. 8: Scribunt saeculi litterae, amantium caeca esse judicia; Jacobus de Cessolis, hg. von Köpke, 1879, S. 191 f.: Et ideo Theophrasti sententia fuit, amantium caeca esse judicia. Vgl. auch Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi, Bd. 7, 1998, S. 427, Nr. 448 f. Nicht nachgewiesen bei Engels, De formis, 1966, S. 24 oder sonst (z.B. bei Palmer, Bacchus und Venus, 2005, S. 236: »Das Seneca-dictum vermag ich nicht nachzuweisen.«). [77] Vgl. Ov. Met. 3,407 ff. [78] Rom. 11,25: Es geht um die endzeitliche Conversio Israels: [. . .] donec plenitudo gentium intraret et sic omnis Israel salvus fieret. [79] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, 429D–430B; Myth. Vat. III,9; Fulgentius, Mit. I,18, S. 29–31; Petrarca, Afr. III,174–178. – Bedeutungszuschreibungen an den Gott durch Berchorius: ein guter Prälat, ein ein guter Untergebener oder Diener. [80] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429D–430B; Fulgentius, Mit. II,18, S. 29 f.; Myth. Vat. III,9,4 f. [81] Petrarca, Afr. III,174–178, bes. 178. [82] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429D (Mercurius quasi medius currens) und 430A (furti magister); zu den Namen ähnlich auch Fulgentius, Mit. I,18, S. 29 (quasi mercium-curum) und Myth. Vat. III,9,3 (merces curantem). [83] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 430AB; Myth. Vat. III,9,8. [84] Ov. Met. 9,690–692: et regale decus; cum qua latrator Anubis, sanctaque Bubastis, variusque coloribus Apis, quique premit vocem digitoque silentia suadet. [85] Vgl. zum Folgenden Fulgentius, Mit. I,18, S. 30 (tantum celerius omnibus planetis currit etc.); Myth. Vat. III,9,3 und 5. [86] Ps. 22,4: Virga tua et baculus tuus ipsa me consolata sunt. [87] Wie an einigen anderen Stellen verbirgt sich hinter Seneca Martin von Braga, Formula vitae honestae, hg. von Barlow, 1950, hier S. 245: Cunctis esto [. . .] occultator virtutum sicut alii vitiorum, vanae gloriae contemptor et bonorum, quibus praeditus es, non acerbus exactor. Das Zitat wurde Seneca zugeschrieben – wie bei Berchorius – von Jacob von Vitry, Sermones vulgares, hg. von Longère, 2013, hier Sermo 29,6. [88] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 430D–431A; Myth. Vat. III,7,1–4; 8,3; Petrarca, Afr. III,224–231. – Bedeutungszuschreibungen an die Göttin durch Berchorius: die Jungfrau Maria, eine schlechte Frau, Habgier oder Raub. [89] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 434A; Myth. Vat. III,7,4; III,5,3 (zu den Arten der Nymphen im Neptun-Kapitel). [90] Zu der seit der Spätantike, insbesondere dem christlichen Latein, zunehmenden Konstruktion von habere mit Infinitiv zum Ausdruck von ›müssen‹ Stotz, Handbuch, IX,62,1– 4, Bd. 4, 1998, S. 325–327.

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[91] Vgl. Myth. Vat. III,7,2. [92] Cant. 1,3. – Cantus: In odore unguentorum tuorum currimus, adulescentulae dilexerunt te nimis; in: Corpus Antiphonalium Officii, hg. von Hesbert, Bd. 3, 1968, S. 276, Nr. 3261. [93] Cant. 1,2; vgl. Berchorius, Repert. mor., S. 75–77 zu den vielen positiven Auslegungen von Jugend in dem umfangreichen Artikel ›Adolescentia‹ auch diese negativen Bedeutungen der Jugend: luxuria, cupiditas, avaritia (S. 77). [94] In diesem Kapitel benutzte Quellen: Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 432A; Myth. Vat. III,10; Fulgentius, Mit. II,1, S. 37f. – Bedeutungszuschreibungen an die Göttin durch Berchorius: das Leben des Weisen oder die Weisheit, die ungeschaffene Weisheit (Gottes Sohn), Hochmut. [95] Minerva, aus dem Kopf Jupiters entsprungen und Göttin der Weisheit: Fulgentius, Mit. II,1, S. 37 f.; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 432A; Myth. Vat. III,10,1 f.; zu Gestalt und Attributen insbes. Petrarca, Afr. III,204–211 (und Fulgentius, ebd.). [96] Vgl. Fulgentius, Mit. II,1, S. 36f. zur Deutung des Paris-Urteils. [97] Vgl. Berchorius, De formis, Cap. 5. [98] Jac. 1,17: Omne datum optimum et omne donum perfectum desursum est, descendens de patre luminum. Dies ist ein biblisches Kernzitat der ps.-dionysischen Theologie und der Inspirationstheorie. [99] Publilius Syrus, Sententiae, hg. von Meyer, 1880, C 12, S. 24: Cuivis dolori remedium est patientia; Helinand de Froidmont, Sermones, PL 212, Sp. 684A; Walther – Schmidt, Proverbia, 1982, S. 475, Nr. 892a. [100] Zach. 4,11. Vgl. auch Zach. 4,3. [101] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Fulgentius, Mit. I,3, S. 18f.; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 431D mit Unterscheidung des Wissens der philosophi und der poetae; Myth. Vat. III,4; Petrarca, Afr. III,199–203. – Bedeutungszuschreibungen an die Göttin durch Berchorius: Maria, Ecclesia, der Reichtum. [102] Vgl. Fulgentius, Mit. I,3, S. 18 f. [103] Vgl. Myth. Vat. III,3,2 und 4,1. [104] Myth. Vat. III,4,1 (quia natura est aeris, ut per se nihil faciat). [105] Vgl. Myth. Vat. III,4,1 und 10. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 434A zu den Nymphen. [106] Vgl. Myth. Vat. III,4,6. [107] Zur bildlichen Darstellung Petrarca, Afr. III,199–203. [108] Apoc. 4,3: et, qui sedebat, similis erat aspectu lapidi iaspidi et sardino; et iris erat in circuitu sedis, aspectu similis smaragdo. Zum Regenbogen und seinen positiven, z.B. mariologischen und christologischen Auslegungen Berchorius, Repert. mor., S. 204–206, s. v. Arcus. [109] In seinem langen Artikel zum Pfau bringt Berchorius viele negative Deutungen, aber auch positive, z. B. auf die Mönche und guten Prälaten: Reduct. mor., VII,62, S. 212f. [110] Fulgentius, Mit. II,1, S. 38.

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[111] Fulgentius, ebd.: [. . .] uelato etiam capite Iunonem ponunt, quod omnes diuitiae sunt semper absconsae. [112] Apoc. 10,1; zu diesem Kapitel der Apocalypse vgl. dagegen die Auslegung des Berchorius, Reduct. mor., XVI,34,11, S. 233 f. mit den Deutungen des Engels auf den praelatus angelicus oder Christus. [113] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Isidor, Et. VIII,11 (De diis gentium), 59–68; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, 431A–C; Myth. Vat. III,2; Petrarca, Afr. III,232–241. – Bedeutungszuschreibungen an die Göttin durch Berchorius: die Religion und die Kirche. [114] Vgl. Berchorius, De formis, Cap. 1; vgl. Myth. Vat. III,2,1. [115] Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 431B nach Isidor, Et. VIII,11,63–65; Fulgentius, Mit. III,5, S. 65. [116] Myth. Vat. III,2,3: Haec leonibus fertur, ut evidenter ostendatur, maternam pietatem totum superare. Omnis enim feritas maternae subjacet affectioni [. . .]. Curru vehi dicitur, quod terra impendeat. Ideo sustinetur rotis, quia mundus rotatur et revolubilis est. Vgl. auch Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 431B. [117] Vgl. auch den langen Artikel ›terra‹ in Berchorius, Reduct. mor., XI,1, S. 416–420 (am Ende, S. 419 f.: metallis et lapidibus est foecundata); in den direkten Cybele-Quellen fehlt dieser Zug, nur Reichtum wird erwähnt. [118] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 431B: Quod turritam gestat coronam, ostendit superpositas terrae esse civitates, quas[i] insignitas turribus constat. So auch Myth. Vat. III,2,3; beide Quellen hier auch zu den Corybanten. [119] Myth. Vat. III,3,4 f. (hier: [Titanes] ab irata contra deos Terra ad ejus ultionem procreatos); dazu s. Berchorius, De formis, Cap. 2. [120] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Fulgentius, Mit. I,4, S. 19; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429B; Myth. Vat. III,5,1; Petrarca, Afr. III,149–155. – Bedeutungszuschreibungen an den Gott durch Berchorius: der Teufel, die Fürsten und Tyrannen. [121] Vgl. Fulgentius, Mit. I,4, S. 19. [122] Vgl. Myth. Vat. III,5,4. [123] Tritonen: Zu Triton und seinem Muschelhorn vgl. Ov. Met. 1,331 ff.; 2,8; 13,919. [124] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429B. [125] Vgl. Myth. Vat. III,5,1 und 4; Fulgentius, Mit. I,4, S. 19; Petrarca, Afr. III,152–155. [126] 2. Reg. 18,14. Vgl. die Auslegung des Berchorius, Reduct. mor., XVI,10,15, S. 99 f. [127] Vgl. 1. Petr. 2,5: [. . .] et ipsi tanquam lapides vivi domus spiritualis etc. [128] Ps. 31,9: Nolite fieri sicut equus et mulus, quibus non est intellectus; vgl. zu equus und mulus Berchorius, Reduct. mor., XVI,33, S. 356 f. und 66, S. 384. [129] Dan. 3,5: in hora, qua audieritis sonitum tubae et fistulae et citharae, sambucae et psalterii et simphoniae et universi generis musicorum, cadentes adorate statuam auream,

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quam constituit Nabuchodonosor rex. Vgl. zur Danielstelle Berchorius, Reduct. mor., XVI, 24,3, S. 169. [130] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: vgl. zu dem Gott Pan, der in einer digressio im Apollo-Kapitel behandelt wird, Myth. Vat. III,8,2; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 432D; Petrarca, Afr. III,194–198. – Bedeutungszuschreibungen an den Gott durch Berchorius: Christus, ein guter Prälat, grausame und gottlose Prälaten und Tyrannen. [131] Von diesem Kampf zwischen Pan und Amor berichten Myth. Vat. I,127 und Myth. Vat. II,60, hg. von Kulcsár, 1987, S. 144 f.: A poetis fingitur cum Amore luctatus et ab eo uictus, quia, ut legimus: ›Omnia vincit Amor‹ (vgl. Vergil, Ecl. X,69). Die Niederlage ist indirekt auch in der Syrinx-Geschichte erzählt (s. Ov. mor. I,17). [132] Quellen der Beschreibung und literalen Deutung sind hier vor allem Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 432CD; Vat Myth. II,60, hg. von Kulcsár, 1987, S. 144 f.; Myth. Vat. III,8,2; Fulgentius’ ›Mitologiae‹ enthalten keine Informationen zu Pan. [133] Dazu Is. 11.2 f.; vgl. Meyer – Suntrup, Lexikon der Zahlenbedeutungen, 1987, Sp. 480 f. [134] Dazu Apoc. 1,12–16; vgl. die Deutung auf Christus oder den Gerechten (z.B. Prälaten) Berchorius, Reduct. mor., XVI, 34,1, S. 225 f. [135] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Fulgentius, Mit. II,12, S. 52f. unter ›Dionisius‹, Myth. Vat. II,102, hg. von Kulcsár, 1987, S. 175 f. unter ›Liber‹; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429CD unter ›Liber‹; Myth. Vat. III,12, S. 52 f. unter ›Bacchus‹. – Bedeutungszuschreibungen an den Gott durch Berchorius: die Trunkenheit oder der Betrunkene, die Gnade Gottes und das Geistfeuer. [136] Die Nähe der Beschreibung zu Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429C ist groß; von Fulgentius, Mit. II,12, S. 52 f., und Myth. Vat. II,102, hg. von Kulcsár, 1987, S. 175 f. sind nur wenige Züge übernommen, etwa Jugend, Nacktheit, Tiger als Reittiere. [137] Plato und sein entsprechendes Werk werden nach Albericus genannt, der aber nur sagt, die Dichter hätten viele abergläubische Dinge erfunden: Plato ipse in libro, qui ›philosophos‹ inscribitur, testimonio est (Myth. Vat. III,5,2). Die Kulturleistung des Weinbaus wird dann Bacchus, des Ackerbaus Ceres zugeschrieben. Vgl. etwa zu Platos Dichterkritik in der ›Politeia‹ (392c ff.); dazu Feddern, Der antike Fiktionalitätsdiskurs, 2018, S. 384–389. – Bernardus Silvestris, Commentary on Martianus Capella’s De Nuptiis, hg. von Westra, 1986, S. 55 über die vier integumentalen Bedeutungen von Bacchus: die erste ist ad naturalem potentiam terre producendi vinum etc. [138] Myth. Vat. III,5,2 (im Neptun-Kapitel): [. . .] priscorum genus hominum, silvicaedi et pastores, rationes et potentias ad usum vivendi hominibus a divina gratia datas pro diis colebant, ut agriculturam, vindemiationem et id genus plurima. Deinde poetae lucri causa et favoris easdem scientias membratim effigiaverunt propriisque nominibus eas signaverunt, scientiam colendi agros Cererem, colendi vineas Bacchum nuncupantes; turpes etiam actus hominum, ut luxuriam et venerem inter deos venerantes. Sic quoque religionis superstitio exorta est. Anders als der Vat Myth. III nennt Berchorius hier nur Bacchus, nicht Ceres. [139] Vgl. Fulgentius, Mit. II,12, S. 52 f.; Myth. Vat. II,102, hg. von Kulcsár, 1987, S. 176.

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[140] Es handelt sich um den Berg Nysa, der nach der Amme des Bacchus (Dionysus) benannt ist. Vgl. Myth. Vat. III,12,4. [141] Ps. 106,27: Turbati sunt et moti sunt sicut ebrius, et omnis sapientia eorum devorata est. [142] Bei dieser positiven Deutung des Weinbegeisterten liegt die alte Vorstellung von der nüchternen Trunkenheit nahe: vgl. Lewy, Sobria ebrietas, 1929. [143] In diesem Kapitel benutzte mythographische Quellen: Fulgentius, Mit. I, 5–10, S. 20– 22; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429C (ganz kurz); Myth. Vat. II,12–23, hg. von Kulcsár, 1987; Myth. Vat. III,6; Petrarca, Afr. III,242–262. – Bedeutungszuschreibungen an den Gott durch Berchorius: der Teufel, ein schlechter, harter Fürst und Prälat, die Unterwelt als sein Reich. – Das umfangreiche Kapitel über den Unterweltsgott Pluto ist komplex: Es enthält nicht nur die Beschreibung und Deutung des Gottes, sondern entwirft ein detailreiches Bild der Unterwelt, ihrer Topographie und ihres Personals sowie schließlich der Strafen. Diese Elemente der Unterwelt entstammen einer heidnischen und christlichen spätantiken Tradition (Servius, Macrobius, Martianus Capella, Fulgentius), die Albericus von London (Myth. Vat. III) zusammengefasst und Berchorius schließlich in vereinfachter Form wiedergibt und dabei die christlichen Aspekte, die bei Fulgentius und Albericus schon angelegt sind, schärft. Dazu s. die entsprechenden Kapitel bei Korte, Unterwelt, 2011, S. 38–67, 153–160, 264–276, 306–316. [144] Vgl. Myth. Vat. III,6,1; Petrarca, Afr. III,246–248; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 429C (receptorem mortuorum). [145] Vgl. Petrarca, Afr. III,242–245 und 262; Fulgentius, Mit. I,6 (Tricerberus), S. 20; Myth. Vat. III,6,22. [146] Petrarca, Afr. III,244 f. (quem iuxta coniunx inamena sedebat etc.). [147] Vgl. Fulgentius, Mit. I,7, S. 20 f.; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 433D–434A; Myth. Vat. III,6,23. [148] Vgl. Fulgentius, Mit. I,8, S. 21; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 433CD; Myth. Vat. III,6,23. [149] Vgl. Fulgentius, Mit. I,9, S. 21 und vor allem Myth. Vat. III,5,5. Zur Phineus-Fabel mit dem Nahrungsraub durch die Harpyien Myth. Vat. I,27, hg. von Kulcsár, 1987, S. 13f. und Fulgentius, Mit. III,11, S. 79; s. auch unten Ov. mor. VII,1. [150] Die hier eigentlich störende Gleichsetzung von Harpyien und Furien ist übernommen aus dem Harpyien-Abschnitt des Neptun-Kapitels: Myth. Vat. III,5,5. [151] Der ganze Abschnitt über die vier Flüsse und den Sumpf Styx (Primus . . . putantur) ist mit nur geringfügigen Änderungen und wenigen Auslassungen wörtlich entnommen aus Myth. Vat. III,6,2–4. [152] Gemeint sind die bei Pozzuoli und nahe Baia und Neapel liegenden Phlegräischen Felder mit ihren Schwefeldämpfen. [153] Die Berufung auf die Quelle Seneca steht schon im Myth. Vat. III,6,3: Stygem refert Seneca in eo volumine, quo de sacris Aegyptiorum tractat, circa extremam Aegypti partem

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esse paludem limosam, papyris refertam transituque difficilem [. . .]. Haec palus, quae transeuntibus tristitiam gignit, Styx meruit appellari. Das Werk ›De situ et sacris Aegyptiorum‹ Senecas, ist nur im Fragment 12 erhalten, das bei Servius, Comm. in Aen. 6,154, überliefert ist (dazu M. Lausberg, IX. Geographische Schriften, in: Aufstieg und Niedergang der röm. Welt, Bd. II.36.3, S. 1932–1937, hier 1932 f.); daraus zitiert der Myth. Vat. III,6,3. [154] Auch die Quelle des Berchorius, der Myth. Vat. III,6,3, gibt hier nur apud quosdam theologos an. [155] Servius, Comm. in Aen. 6,640, hg. von Thilo – Hagen, 2 1986 lokalisiert das Elysium nach seinen Vorgängern entweder in der Unterwelt oder auf den Inseln der Seligen oder in der Mondsphäre; Berchorius zitiert zum Phlegethon und zur Reinigung der Seelen Myth. Vat. III,6,4: Eundem Phlegethontem nonnulli, qui a caelo infernum incipere autumant, Martis circulum dicunt, sicut et campos Elysios, quos apud inferos fabula constituit, circulum Jovis esse contendunt. Alii tamen, ut ait Servius, in insulis fortunatis Elysios esse credunt; lysis autem resolutio dicitur, quod videlicet illic animae maculis carnis resolutae beatitudine perfrui petantur. Vgl auch Remigius von Auxerre, Comm. in Mart. Cap. I,13,6, hg. von Lutz, 1962, S. 91f. [156] Berchorius nutzt in den folgenden Auslegungen stärker als sonst die bereits aus der antiken Mythographie stammenden Deutungen, und wendet sie dann in christliche Ethik. [157] Diese zweifache Deutung des Infernus, zum einen auf diese irdische Welt, zum andern auf die Hölle, ist in der Tradition bereits lange angelegt. Schon in der neuplatonischen Auslegung wird die Unterwelt als Ort des irdischen, gleichsam im Körper eingekerkerten Menschen (der Leib als Hades im Menschen) verstanden, wo er von Lastern gefährdet ist: dazu Servius, Cicero und Macrobius (›Somnium Scipionis‹): Korte, Unterwelt, 2012, S. 41–56. Bei dem Christen Fulgentius wird diese Überlieferung zum Infernus aufgenommen, aber christlich fundiert: Korte, ebd. S. 56 ff. Während Albericus dann relativ neutral die antiken Deutungen referiert, wird bei Berchorius der Infernus als jenseitiger Strafort wieder relevanter, was insbesondere an den Höllenstrafen und den gewählten Bibelstellen seiner dritten Auslegung klar wird. [158] Zu dieser Kurzfassung der Bedeutungen aus den Etymologien Myth. Vat. III,5,5 (Harpyien), III,6,23 (Parzen); vgl. auch Fulgentius, Mit. I,7–9, S. 20f. zu den drei Gruppen. [159] Vgl. Fulgentius, Mit. I,9, S. 21 f.; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 433D–434A; Myth. Vat. III,5,5 (unter Neptun). [160] Prov. 11,24: Alii dividunt propria et ditiores fiunt; alii rapiunt non sua et semper in egestate sunt. [161] Ps. 145,3: Nolite confidere in principibus, in homine, per quem non est salus. [162] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 433B–D; Myth. Vat. III,6,22 f. [163] Gregor der Große, Hom. in Matth. I,12,1. hg. von Étaix, 1999, S. 81: Ecce enim Redemptoris uoce decem uirgines, et omnes dicuntur uirgines, et tamen intra beatitudinis ianuam non omnes receptae, quia earum quaedam, dum de uirginitate sua gloriam foris expetunt, in uasis suis oleum habere noluerunt. [164] Ps. 30,13: Oblivioni datus sum, tanquam mortuus a corde. Factus sum tanquam vas perditum.

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[165] Totenofficium (3. Nocturn): Peccante me quotidie, et non me paenitentem timor mortis conturbat me, quia in inferno nulla est redemptio, miserere mei, Deus, et salva me; in: Corpus Antiphonalium Officii, hg. von Hesbert, Bd. 4, 1970, S. 342, Nr. 7368. [166] Mt. 8,12: Filii autem regni eicientur in tenebras exteriores: ibi erit fletus et stridor dentium. [167] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 433B–C; Myth. Vat. III,6,23 (tota humanae vitae dispositio). [168] Myth. Vat. I,175, hg. von Kulcsár, 1987, S. 69 und Myth. Vat. III,6,3; nicht bei Fulgentius, den Berchorius als Quelle nennt. [169] Vgl. Myth. Vat. III,6,3. [170] Zu den Unterweltsbüßern (Tityus, Tantalus, Sisyphus, Ixion, Beliden) in der Sedes Scelerata des Hades Ov. Met. 4,456–463; Myth. Vat. III,6,5 und 21. Die Geschichte berichtet bei Ovid von Junos Unterweltsgang für die Bestrafung Inos; vgl. auch Berchorius, Ov. mor. IV,17, wo die Strafen aber nicht erzählt werden. Dieselben Büßer erscheinen auch in Orpheus’ Gesang Ov. Met. 10,40 ff. [171] Die Beliden oder Danaiden (genannt nach dem Großvater Belus) sind die 50 Töchter des Königs Danaus, die, bis auf eine, in der Hochzeitsnacht ihre Männer ermordeten und zur Strafe in der Unterwelt Wasser in Fässer ohne Boden schöpfen mussten; vgl. Ov. Met. 4,462f. und 10,44. Die Mehrzahl unserer Handschriften setzt hier im Bezug auf sie in Unkenntnis der Geschichte ein qui masculinum statt que. [172] Neben Myth. Vat. III,6,5 weitere Quellen aus den mythographischen Schriften zu den Büßern: Fulgentius, Mit. II,15, S. 57 und II,14 f., S. 55 f.; Myth. Vat. I,12–14 und Myth. Vat. II,124–128, hg. von Kulcsár, 1987, S. 7 und S. 190–194; Myth. Vat. III,4,6. [173] Es liegt wohl ein freies Zitat von 1. Reg. 25,29 vor: [. . .] porro inimicorum tuorum anima rotabitur, quasi in impetu et circulo fundae. [174] Vgl. Seneca, Epist. mor. III,22,7, hg. von Préchac – Rosenbach, 3 1989, S. 180: Turpe est cedere oneri. Luctare cum officio, quod semel recepisti. [175] In BTr folgt die Beschreibung Vulcans dem Cybele-Kapitel, Kapitel 10, und dort steht in Tr so auch das Vulcan-Bild. – Die letzten drei Kapitel zum Gott Vulcan und den beiden Halbgöttern Hercules und Aesculap bringen knappe Beschreibungen der jeweiligen Gestalt mit Verweis auf ihre spätere Behandlung im ›Metamorphosen‹-Teil und ohne Auslegung. Genaue Quelle der Beschreibungen? – Mythographische Quellen zu Vulcan: Petrarca, Afr. III,190–193; Myth. Vat. II,39 f., 51; III,10,4 (unter Pallas/Minerva). [176] Berchorius, Ov. mor. IV,2 f. [177] Vgl. zu Hercules Myth. Vat. I,47–68 und 71 sowie Myth. Vat. II,172–183.186–192, hg. von Kulcsár, 1987, S. 23–30 und 231–239, 240–246; Myth. Vat. III,13; Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 430C. [178] Berchorius, Ov. mor. VII,13 und 22; IX,1–12; XV,8. [179] Zu Aesculap s. Myth. Vat. III,8,15 sowie Myth. Vat. I und II, Reg. s.v. Esculapius, hg. von Kulcsár, 1987, S. 360.

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[180] Berchorius, Ov. mor. XV,6. – Die aus Tr im App. abgedruckten zusätzlichen Texte zu Vanitas und Amor finden sich in der Handschrift Tr fol. 8v und Vanitas ist – wie die übrigen Götter vorher – illustriert.

Liber/ Buch 1 [181] Ov. Met. 1,1. [182] Vgl. Ov. Met. 1,313–415; bes. 381–415. [183] Vgl. Ov. Met. 1,401 f. [184] Vgl. Ov. Met. 1,414. [185] Vgl. Alan von Lille, Distinct., PL 210, Sp. 774 f., hier 775A: Dicuntur aliqui a Deo postpositi quos scilicet non respicit oculo misericordiae, unde: ›Pono eos deorsum,‹ id est postpono eos; dieselbe Vorstellung vom verstockten Menschen her gegenüber Gott bei Berchorius, Reduct. mor., II,29, S. 44 f. s. v. dorsum: Significat oblivionem, postpositionem [. . .], obstinationem etc. Vgl. Meier, Vergessen, Erinnern, Gedächtnis im Gott-Mensch-Bezug, 1975, S. 143–194. [186] Ps. 43,10: Nunc autem reppulisti et confudisti nos, et non egredieris, Deus, in virtutibus nostris; Is. 38,17: Ecce in pace amaritudo mea. Tu autem eruisti animam meam, ut non periret; proiecisti post tergum tuum omnia peccata mea. Zur Bekräftigung der Fabel (retro se proicere) und ihrer Auslegung (post dorsum) ist Is. 38,17 (post tergum) notwendig; es fehlt jedoch in einigen Hss. und im Druck (Ep). [187] Vgl. Ov. Met. 1,416–41. [188] Vgl. Ov. Met. 1,497–501. [189] Mt. 8,19: Et accedens unus scriba ait illi: Magister, sequar te quocumque ieris. [190] Alan von Lille, De planctu Naturae, 12,14, hg. und übers. von Wetherbee, 2013, S. 154: Quamvis enim Prudentia fantasticae adulationis plausibiles dedignetur applausus, tamen quia verae Famae haec est gloriosa proprietas, ut appetitores sui contemptat, appetat contemptores, Famam fugiendo consequitur, quam perderet insequendo. [191] Vgl. Ov. Met. 1,543–552. [192] Vgl. Ov. Met. 1,553–567. [193] Plinius behandelt den Lorbeer im 15. Buch seiner ›Historia naturalis‹ (XV,127–138); vgl. bes. XV,135: Laurus quidem manifesto abdicat ignes crepitu et quadam 〈de〉testatione, interaneorum etiam vitia et nervorum ligno torquente. Ti. principem tonante caelo coronari ea solitum ferunt contra fulminum metus. Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XVII,48, hg. von Ventura, 2007, S. 81: Hec sola arbor a vulgo creditur minime fulminari, unde fuit Apollini antiquitus consecrata. [194] Vgl. Ov. Met. 1,564 f.: Utque meum intonsis caput et iuvenale capillis, / tu quoque perpetuos semper gere frondes honores. [195] Johannes Chrysostomus, In sanctam crucem, PG 50, Sp. 819: Et si nosse desideras, carissime, virtutem crucis, et quanta possim ad ejus laudem dicere, audi:Crux Christianorum spes, crux resurrectio mortuorum, crux caecorum dux, crux desperatorum spes, crux

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errantium via, crux iniuria affectorum vindex, crux claudorum baculus, crux consolatio pauperum [. . .]. [196] Vgl. Ov. Met. 1,151–158. [197] Vgl. Ov. Met. 1,158–162. [198] Ov. Met. 1,160–162: Sed illa propago contemptrix superum saevaeque avidissima caedis et violenta fuit: scires e sanguine natos. [199] Ov. Met. 1,168. In GLo2V2B steht das Ovid-Zitat am Ende von Fab. 6, in V4Tr am Beginn von Fab. 7. [200] Vgl. Ov. Met. 1,163–171. [201] Ov. Met. 1,169 f. [202] Vgl. Ov. Met. 1,212–239. [203] Vgl. Ov. Met. 1,226–239. [204] Soph. 3,3: Principes eius in medio eius leones rugientes; iudices eius lupi vespere non relinquebant in mane. – Vgl. auch Mt. 7,15: Attendite a falsis prophetis, qui veniunt ad vos in vestimentis ovium, intrinsecus autem sunt lupi rapaces. [205] Vgl. Ov. Met. 1,583–600. [206] Responsorium der Matutin des 1. Advents, nach der ersten Lesung: Aspiciens a longe et ecce video Dei potentiam venientem et nebulam totam terram tegentem. Ite obviam ei et dicite, Nuntia nobis si tu es ipse qui regnaturus es in populo Israel. Vgl. Eccli. 24,6: Ego feci in caelis ut oriretur lumen indeficiens et sicut nebula texi omnem terram. Die Hss. sind unsicher, nennen Is. 6 oder 16; der Druck (Ep) führt mit Kenntnis des Responsoriums ein: Unde cantat ecclesia: Vidi etc. [207] Vgl. Ov. Met. 1,610–612. [208] Ps. 105,20 mit Verweis auf Moses-Geschichte vom goldenen Kalb Ex. 27. [209] Vgl. Ov. Met. 1,637–641 und 727–746. [210] Vgl. Ov. Met. 1,642–663. [211] Ov. Met. 1,660. [212] Ps.-Bernhard, De Meditationibus, PL 184, Sp. 489C; vgl. van der Bijl, Berchorius, Liber XV Cap. II, S. 42, Anm. [213] Vgl. Ov. Met. 1,634 und 664–721. [214] Ov. Met. 1,625 f. [215] Berchorius kombiniert die Bibelstellen Ez. 1,18 und Apoc. 4,6. Die Deutung stimmt überein mit der Auslegung von Apoc. 4,6 im Reduct. mor., XVI,34,4, S. 228. [216] Mercurs Verwandlung vom Mann zur Frau secundum poetas nicht nachweisbar, eine Verwechslung? Der Traktat ›De deorum imaginibus libellus‹ Cap. 6 übernimmt diesen Zug von Berchorius: s. Liebeschütz, Fulgentius Metaforalis, 1926, S. 119. [217] Prov. 11,9; Prov. 16,29. [218] Hier fügt die spätere Fassung klärend ein: Tangunt, dico, eos de sua iurisdictione laudando et eis omnia licere contra subditos asserendo. Iurisdictio enim est virga sompnifera

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que sensum et racionem ebetat, figurata [iuxta] Exo [7,20], ubi dicitur, quod virga, [qua] percussus fluvius, versus est in sanguinem; nach van der Bijl, Berchorius, Liber XV Cap. II, S. 44. [219] Vgl. Ex. 7,20: Fecerunt ita Moses et Aaron sicut praeceperat Dominus et elevans virgam percussit aquam fluminis coram pharaone et servis eius; quae versa est in sanguinem. – Vgl. Berchorius, Reduct. mor., XVI,2,4, S. 16 f. [220] Vgl. Io. 1,14. [221] Vgl. Ov. Met. 1,728–746. [222] Die Lesung der Handschriften quod Io, que primo fuerat vacca erepta de dominio Argi ivit etc. ist schwierig; der Druck (Ep) verändert deshalb den Text zu quod Io in vaccam mutata erepta de dominio Argi ivit etc. [223] Vgl. Ov. Met. 1,745 f. [224] Die Verstirnung der Io wird in den Metamorphosen eher indirekt erwähnt, sie findet sich mit dem entsprechenden Vers in Vat Myth. III,15,2 zum Sternzeichen Taurus: Alii dicunt, quod fuit vacca, in cujus forma fuit Io, filia Inachi fluvii; quae translata est in caelum in signum amoris Jovis. Unde Ovidius in Metamorphos: ›Nunc dea linigera colitur celeberrima turba‹ [Ov. Met. 1,747]. Et libro de Fastis ait: ›Vacca sit an taurus, non est cognoscere promptum‹; quia prior pars videtur, posterior vero non videtur. [225] Sap. 5,5; vgl. dazu Berchorius, Repert. mor., S. 123 f., wo er im Artikel ›Stellae‹ zuerst die ›stellae superiores‹, d.h. die Engel und Seligen im Himmel, behandelt neben den ›stellae inferiores, interiores‹ und ›exteriores‹. [226] Mt. 13,43 zum Jüngsten Tag: Tunc iusti fulgebunt sicut sol in regno Patris eorum. Vgl. auch Sap. 3,7: Fulgebunt iusti et tamquam scintillae in arundineto discurrent. Der Druck (Ep) verändert den Wortlaut entsprechend der Sap.-Stelle. [227] Vgl. Ov. Met. 1,689–712. [228] Hier passt die Auslegung, die die übliche Deutung des Schilfrohrs nutzt, besonders schlecht zur Fabel. Vgl. Berchorius, Reduct. mor., XII,6, S. 470, der überwiegend negative Auslegungen von arundo bringt aufgrund ihrer Eigenschaften (de facili frangit, arescit, ventis tribulationum concutitur etc.).

Liber/ Buch 2 [229] Ov. Met. 2,1. [230] Vgl. Ov. Met. 2,1–8. [231] Vgl. Ov. Met. 2,5–9. [232] Ps. 77,41 und 57: Et conversi sunt, et tentavrunt deum. – Et averterunt se, et non servaverunt pactum, quemadmodum patres eorum, conversi sunt in arcum pravum. Vgl. negative Bedeutungen des Bogens bei Berchorius, Repert. mor., S. 204–206, hier 204 f. (arcus humani vigoris, id est potentiae saecularis, qui scilicet est: Arcus fallibilis, frangibilis, damnabilis); die Auslegung im Ps.-Komm. Hugos von Saint-Cher, Postillae, 1645, Bd. 2, S. 206 zu Ps. 77,57 ist: Hoc potest dici de omnibus, qui exemplo malorum bonum, quod incoeperant, dereliquerunt; et de Clericis magis, qui suscepto ordine et voto facto incipiunt

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quasi mittere sagittas contra Diabolum, sed cito conversi et non servantes pactum Deum peccatis sagittant; ebenso die Mönche gegenüber ihren Prälaten: Reversi sunt, ut essent absque iugo, facti sunt quasi arcus dolosus. [233] Vgl. Ov. Met. 2,126–140. [234] Plinius (Nat. hist. XI,17,52) erörtert die Frage, ob der Bienenkönig einen Stachel habe und auch dass er von ihm keinen Gebrauch mache trotz seiner königlichen Macht. [235] Martinus Bracarensis (von Braga), Formula vite honestae, hg. von Barlow, 1950, Cap. 3 (zu magnanimitas/fortitudo), S. 241: Scito enim honestum et magnum vindictae esse genus ignoscere; Johannes de Fonte, Auctoritates Aristotelis, in: Hamesse (Hg.), Les Auctoritates Aristotelis, 1974, Opus 23, S. 282: Honestum et magnum est vindictae ignoscere. Diese Sentenz steht auch in der umfangreichen Sentenzensammlung, die Vinzenz von Beauvais (Spec. hist., 1624, VIII,102 ff.–IX,104, S. 309 ff., hier Cap. 103) aus Senecas Werken zusammengestellt hat, wo auch die von Berchorius benutzten ps.-senecanischen Schriften ›De moribus‹ und ›De remediis fortuitorum‹ ausgewertet sind. Zur Auswertung antiker Autoren im ›Spec. hist.‹ z. B. Schuler. Excerptoris morem gerere, 1995, S. 312–348. [236] Vgl. Seneca, De clementia, 1,11,2: Haec est in maxima potestate verissima animi temperantia et humani generis conprendens ut sui amor non cupiditate aliqua, non temeritate ingenii, non priorum principum exemplis corruptum, quantum sibi in cives suos liceat, experiendo temptare, sed hebetare aciem imperii sui. [237] Alanus ab Insulis, Summa de arte praedicatoria, PL 210, Sp. 112C: Praedicatio enim non debet splendere phaleris verborum, purpuramentis colorum, nec nimis exsanguibus verbis debet esse dejecta, sed Medium tenuere beati. Vgl. auch Walther, Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi ac recentiori aevi, Bd. II,2, 1964, S. 349, Nr. 14571; Kudla, Lexikon der lateinischen Zitate, 3 2007, Nr. 1861: Medium tenuere beati. [238] Vgl. Ov. Met. 2,103–121 und 150–209. [239] Vgl. Iud. 21,25: In diebus illis non erat rex in Israel, sed unusquisque, quod sibi rectum videbatur, hoc faciebat. [240] Vgl. Ov. Met. 2,210–328. [241] Vgl. Ov. Met. 2,296 f. [242] Zum gigas, der vom Himmel bis auf die Erde reicht, Ps. 18,6f. und Sap. 18,15f. sowie die Deutung auf Christus z.B. bei Rupert von Deutz, De victoria Verbi Dei, hg. von Haacke, 1970, S. 101: Quis enim alius gigas per incarnationem de celo descendit et superato mortis imperio cum victoria in celum ascendit, quod psalmista prophetico spiritu cecinit. [243] Vgl. Ov. Met. 2,340–355. [244] Vgl. Mt. 7,17–19: Sic omnis arbor bona fructus bonos facit, mala autem arbor fructus malos facit; non potest arbor bona fructus malos facere, neque arbor mala fructus bonos facere. Omnis arbor, quae non facit fructum bonum, exciditur et in ignem mittitur. [245] Vgl. Ov. Met. 2,355–366. [246] Ov. Met. 2,363–366. [247] Zu Electrum als Baumharz und Edelstein (electrum, succinum) mit den entsprechenden Eigenschaften sowie als Metalllegierung Berchorius, Reduct. mor., XI,69, S. 439.

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[248] Vgl. Cicero, De off. 2,43: [. . .] ficta omnia celeriter, tamquam flosculi, decidunt, nec simulatum potest quicquam esse diuturnum. [249] Vgl. Ov. Met. 2,367–380. [250] Zur Natur des Schwans vgl. den ausführlichen Artikel des Berchorius, Reduct. mor., VII,24, S. 189–191 (mit den auch hier genannten Deutungen). [251] Vgl. Ov. Met. 2,409–440. [252] Deut. 22,5: Non induetur mulier veste virili, nec vir utetur veste feminea. [253] Vgl. Ov. Met. 2,466–484. [254] 1. Reg. 10,6. Vgl. auch Dan. 4,30. [255] Vgl. Ov. Met. 2,485–495. [256] Vgl. Ov. Met. 2,496–506. [257] Vgl. Ov. Met. 2,506 f. [258] Vgl. Ov. Met. 2,527–530. [259] Gen. 37,1–36. [260] Vgl. Eccli. 11,23: Facile est enim in oculis Dei de subito honestari pauperem. [261] Vgl. Ov. Met. 2,495. [262] Vgl. Ov. Met. 2,533–547 und 598–632. [263] Ov. Met. 2,540f.: [. . .] lingua faciente loquaci, qui color albus erat, nunc est contrarius albo. (übers. von von Albrecht). [264] Thesaurus proverbiorum medii aevi, hg. von Singer u. a., Bd. 8, S. 217: Walter Map, De nugis curialium, 17; Albertus von Stade, Troilus II,605; Salimbene von Parma., Chron., 306. [265] Vgl. Ov. Met. 2,569–588. [266] Vgl. Ov. Met. 2,552–562. Vgl. Fulgentius, Mit. II,11, S. 51 mit Deutung auf die Verteidigung der virginitas mit Weisheit. Zum Erichthonius-Mythus und seiner Deutung Meier, Ovid-Rezeption in Text und Bild, 2006, S. 135–149. [267] Seneca rhetor, Controversiae 2,5,12, in: Oratorum et rhetorum sententiae, divisiones, colores, hg. von Håkanson, 1989, S. 108: Commisi muliebri garrulitati, quae id solum potest tacere, quod nescit. Zur Schwatzhaftigkeit von Frauen nach Theophrast vgl. Fortenbaugh, Quellen zur Ethik Theophrasts, 1984, S. 199, 211f. und Reg. s.v. gyné. [268] Vgl. Num. 21,6–9 und Io. 3,14. [269] Vgl. dazu Alan von Lille, Distinct., PL 210, Sp. 803B: Gigas, proprie Christus [. . .] quia sicut gigas duplicis substantiae est propter magnitudinem, ita Christus duplex fuit in substantia divinae et humanae naturae. [270] Apoc. 14,4: Hi sunt qui cum mulieribus non sunt coinquinati, virgines enim sunt. Hi qui sequuntur Agnum, quocumque abierit. Vgl. Berchorius, Reduct. mor., XVI,34,15, S. 237. [271] Num. 4,5–20, bes. 4,20. [272] Berchorius, Ov. mor. II,22.

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[273] Vgl. Ov. Met. 2,635–675. [274] Ov. Met. 2,660 f. [275] Vgl. Ov. Met. 2,629–634 und s. oben im Götter-Buch Kapitel 17 zu Aesculap. [276] Vgl. Ov. Met. 2,676–707. [277] Ov. Met. 2,695f.: hospes, tutus eas! lapis iste prius tua furta loquetur. [278] Zu diesen Eigenschaften des Wassers z.B. Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XIII (Einleitung), S. 553 (als ›Zitat‹ aus Basilius, Hexaemeron: keine wörtliche Übereinstimmung, aber vgl. Basilius, ebd. Hom. IIIf. zu Gen. 1,6–10); vgl. auch den umfangreichen Wasser-Artikel in Berchorius, Reduct. mor., VIII,1, S. 220–224, hier. S. 221b. [279] Vgl. Ov. Met. 2,760–832. [280] Ps. 9,30 bzw. 9 B,9. [281] Ps.-Caecilius Balbus, De Nugis 5,10,3 (Sokrates zugeschrieben): Quanta sunt felicium hominum gaudia, tanti sunt invidorum gemitus. Guido da Pisa’s Commentary on Dante’s Inferno, hg. von Cioffari, 1974, S. 163; vgl. auch Walther – Schmidt, Proverbia Sententiaeque, II/9, 1986, S. 260, Nr. 840d21e. [282] Vgl. Ov. Met. 2,833–875. [283] Kurzzitat aus Eph. 5,27, hier in der Auslegung, zuvor schon in der Fabelerzählung. [284] Ps. 44,11 f.: Audi, filia, et vide, et inclina aurem tuam; et obliviscere populum tuum et domum patris tui, et concupiscet rex decorem tuum [. . .]. [285] Vgl. 2. Reg. 13,10–14. [286] Mt. 10,36; Mi. 7,6. – Die Handschrift Pa8 gibt dazu einen Hinweis auf einen Ambrosius-Text, der diesen Gedanken ausführt: Ambrosius, Expos. ev. sec. Lucam, hg. von Adriaen, 1957, S. 40: Discite, uirgines, non circumcursare per alienas aedes, non demorari in plateis, non aliquos in publico miscere sermones etc.; s. auch den Apparat.

Liber/ Buch 3 [287] Ov. Met. 3,1 f. [288] Vgl. Ov. Met. 3,3–13. [289] Vgl. Ov. Met. 3,14–94. [290] Es handelt sich um einen rituellen Akt; vgl. Ov. Met. 3,24f.: Cadmus agit grates peregrinaeque oscula terrae / figit et ignotos montes agrosque salutat. [291] Bei Ovid ist die Schlange nicht crocei coloris, sondern ist caeruleus und ater: Ov. Met. 3,38.63. [292] Der vielfach verwendete Ausdruck terra promissa oder noch häufiger (z.B. bei Augustin) terra promissionis, den hier auch die Mehrzahl der Hss. überliefert, bezieht sich auf das dem Volk Israel verheißene Land, zu dem Moses das Volk durch die Wüste führt, und allegorisch auf den Stand der Erlösung und das himmlische Reich. Vgl. auch Hebr. 11,9: terra repromissionis. [293] Mit diesem Abschnitt lässt der Druck 1509 (Ep) eine neue Fabel beginnen, was nach dem systematischen Wechsel von Erzählung und Deutung auch einleuchtet.

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[294] Vgl. Ov. Met. 3,28–34 und 101–126. [295] Vgl. Ov. Met. 3,101–126. [296] Vgl. Apoc. 12,3 f.; dazu bringt Berchorius, Reduct. mor., XVI, S. 235 f. in seiner Bibelauslegung heilsgeschichtliche und vor allem zeitgeschichtlich-moralische Deutungen: der Drache bedeutet z.B. diabolus, mali tyranni et principes saeculares, judices malitiosi, luxuriosi. [297] Vgl. Ov. Met. 3,138–199. [298] Vgl. Ov. Met. 3,174–197 und 206–252. [299] Vgl. Gen. 1,16: Fecitque Deus duo magna luminaria luminare maius ut praeesset diei et luminare minus ut praeesset nocti et stellas. [300] Tob. 1,21 (?): [. . .] quousque occiderent illum duo filii ipsius et fugerunt in montes Ararat. [301] Vgl. Ov. Met. 3,256–309. [302] Ov. Met. 3,281 f. [303] Vgl. Ov. Met. 3,310–315. [304] Ps. 77,57: Et avertunt se, et non servaverunt pactum, quemadmodum patres eorum conversi sunt in arcum pravum. Vgl oben Anm. 231. [305] Diese Erzählung steht nicht in den Metamorphosen; sie stammt aus dem Mythographus Vaticanus II,102, hg. von Kulcsár, 1987, S. 175: DE LIBERO Liber adulte factus etatis Indiam sibi subiugauit, inde reuertens cum in deserta et in extrema parte Libie teneretur ac siti laboraret exercitus, rogasse dicitur Iouem ut se aquam ei ostendendo patrem probaret. Mox ex harena aries apparuit qui pede eleuato monstrauit locum ubi fodiens aquam posset inuenire. Tunc aperta terra egressa est aqua largissima uel, ut alii dicunt, aries sibi apparuit quo duce Liber aquam inuenit. Inuenta autem aqua petiit Iouem ut arietem in astra transferret. In eo autem loco ubi aqua fluxit, templum constituit quod Iouis Ammonis dicitur, simulacrum etiam eius adiectis cornibus arietinis confectum est. Fingitur autem cornibus arietinis quod satis eius, que ibi dantur, in ululatu sunt responsa et obscuritate inuoluta. Dicitur autem Iuppiter Ammon eo quod in harena repertus est, ammoniam enim Greci harenam dicunt. [306] Vgl. Myth. Vat. III,3,9: Hic et [Jupiter] Ammon in Libya, id est arenarius ab arenis Libycis vocatur [. . .]. Ubi et ejus simulacrumcum capite arientino factum est, eo quod satis involuta ibidem dantur responsa. [307] Jacobus a Voragine, Legenda Aurea, Cap. 170: De sancto Clemente: [S. Clemens] profectus autem in insulam invenit ibi plus quam duo milia christianorum ibidem iam dudum ad secanda marmora damnatorum. [. . .] Et cum ab eis didicisset, quod a sexto miliario aquam suis umeris deportarent, dixit eis: »Oremus omnes dominum nostrum Iesum Christum, ut confessoribus suis fontem in isto loco ac venas aperiat [. . .].« Cumque oratione facta hinc inde circumspiceret, vidit agnum stantem, qui pede dextro erecto quasi locum episcopo ostendebat. Et intelligens dominum Iesum Christum esse, quem solus ipse videbat, perrexit ad locum et [. . .] accepto brevi sarculo levi ictu locum sub pede agni percussit, et statim maximus fons erupit et in fluvium crevit. (Legenda Aurea, hg. von Graesse, Breslau

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1890, S. 785 f., bzw. Neuausgabe von Häuptli, 2014, S. 2250/2252). Vgl. Martyrium S. Clementis, Cap. 21, PG 2, Sp. 630, bzw. Neuedition: Die Pseudoklementinen IV, hg. von Risch, 2008, S. 157 f.; ferner Passio S. Claementis, in: Mombritius, Sanctuarium seu Vitae Sanctorum, 1910, Bd. 1, S. 343 f.; auch Vinzenz von Beauvais, Spec. hist., 1624, X,53, S. 387a berichtet dieses Wunder in der Vita des hl. Clemens (X,52–54) und kommt als Quelle des Berchorius in Frage. [308] Vgl. Ov. Met. 3,605–686. [309] Ov. Met. 3,652 f. [310] Iob 30,21: Mutatus es mihi in crudelem et in duritia manus tuae adversaris mihi. Zu diesem Job-Zitat s. Berchorius, Repert. mor., S. 105 im Artikel ›Duritia, Durus‹: Quia revera, charissimi, nostris peccatis exigentibus sic fiet, quod ille, qui dulcissimus est et benignissimus, crudelis fiet et durissimus, ita quod quilibet damnatus poterit sibi dicere illud Job 30: ›Mutatus es [. . .]. Sic enim de Deo est sicut de Corallo‹ etc. Dies trifft auch für das Versagen der Lenker der Kirche zu. [311] Die Zwei-Wege-Situation hat in der europäischen Deutungstradtion eine reiche Geschichte seit Hercules am Scheideweg und Mt. 7,13f. zum breiten und engen, rechten und linken Weg, Weg der Tugenden und Weg der Laster: dazu Harms, Homo viator in bivio, 1970, S. 40–49, 250 ff. und passim; Deitmaring, Die Bedeutung von Rechts und Links in theologischen und literarischen Texten bis um 1200, 1969. [312] Vgl. Ov. Met. 3,511–530, 564–581 und 701–733. [313] Ov. Met. 3,517 f.: ›Quam felix esses, si tu quoque luminis huius / orbus‹ ait ›fieres, ne Bacchica sacra videres!‹ ‹ [314] Vgl. Ov. Met. 4,1–35 und 389–415. [315] Die erste Deutung weicht in Ep etwas ab, weil da nur die Pentheus-Fabula behandelt wird; die zweite Deutung findet sich in Ep IV,9. [316] Die Quelle des Berchorius ist hier Thomas von Aquin, Summa Theologiae I–II, q. 81 a. 1 co.: [. . .] quod est ex origine aliquem defectum habere, videtur excludere rationem culpae, de cuius ratione est quod sit voluntaria. Unde [. . .] ut philosophus dicit in III Ethic., nullus improperabit caeco nato, sed magis miserebitur. Thomas bezieht sich auf Aristoteles, Nikomachische Ethik, III,7, 1114a. Das Thomaszitat (bzw. Aristoteles) fehlt in den Handschriften BTr. [317] Vgl. Ov. Met. 3,324–331. Vgl. Myth. Vat. III,3,8. [318] Vgl. Ov. Met. 3,316–323 und 332–338. [319] Aus Myth. Vat. III 4,8, S. 169 wird der ganze Absatz zitiert. [320] Gellius, Noctes Atticae, X,17,1: Democritum philosophum in monumentis historiae Graecae scriptum est, virum praeter alios venerandum auctoritateque antiqua praeditum, luminibus oculorum sua sponte se privasse, quia existimaret cogitationes commentationesque animi sui in contemplandis naturae rationibus vegetiores et exactiores fore, si eas videndi inlecebris et oculorum impedimentis liberasset. Diese offenbar verbreitete Anekdote findet sich auch in einer Bernhard-Predigt des Jacobus de Voragine, Sermones, 220, zu Bernhard Sermo 1 (Druck: Venedig 1578).

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[321] Vgl. Ov. Met. 3,339–510. [322] Ov. Met. 3,347: [. . .] »si se non noverit« inquit. [323] Berchorius nennt die Narzisse purpurrot, obwohl Ovid, Met. III,509 f. die Blüte als safrangelb in der Mitte, von weißen Blütenblättern umstanden beschreibt, wie wir sie auch kennen. Bartholomaeus Anglicus, die enzykopädische Hauptquelle des Berchorius, verzeichnet die Narzisse nicht, ebensowenig das Pflanzenbuch des Reductorium. Isidor, Et. XVII,9,16 sagt aber: Narcissus herba fabulose inpositum nomen habet a quodam puero cuius membra in hunc florem transierunt, qui et nomen narcissi in appellatione custodit et decus puchritudinis in candore retinet foliorum. In der Deutung zitiert Berchorius die Schönheit der Braut Cant. 1,7.9 (Pulchrae sunt genae tuae); genae werden von Alan, Distinct., PL 210, Sp. 801D als rot bezeichnet (Cant. 4,3). [324] Vgl. Ov. Met. 3,356–401.

Liber/ Buch 4 [325] Ov. Met. 4,1. [326] Vgl. Ov. Met. 4,55–166. [327] Diese Erzählung steht nicht in den Metamorphosen; es findet sich jedoch eine Anspielung Ov. Met. 4,173: Iunonigenaeque marito. [328] Vgl. Hraban, De nat. rer. 15,6, PL 111, Sp. 432A. [329] Vgl. Myth. Vat. III,10,4. [330] Lc. 14,21: »Exi cito in plateas et vicos civitatis et pauperes ac debiles et caecos et claudos introduc huc.« [331] Vgl. 2. Reg. 4,4; diese Präfiguration erklärt Berchorius, Repert. mor., S. 314 im Artikel ›Claudus, Claudicare‹: Item talis claudus a propria haereditate, scilicet gratia et gloria avellitur, sicut de Miphiboseth dicitur 2. Reg. 4. et 9., quod cadens factus est claudus etc. [332] Vgl. Deut. 15,21: sin autem habuerit maculam et vel claudum fuerit vel caecum aut in aliqua parte deforme vel debile, non immolabitur Domino Deo tuo. [333] 2. Reg. 5,8: Proposuerat enim in die illa praemium, qui percussisset Iebuseum et tetigisset domatum fistulas et claudos et caecos odientes animam David idcirco dicitur in proverbio: Caecus et claudus non intrabunt templum. [334] Vgl. Ov. Met. 4,169–189; Myth. Vat. III,11,6; Fulgentius, Mit. II,7, S. 47. [335] Ov. Met. 4,189. [336] Vgl. Ov. Met. 4,190–255. [337] Clymene ist die Tochter der Tethys und die Mutter des Phaëthon und der Heliaden. Hier ist aber Clytië, die Tochter des Oceanus und der Tethys, gemeint. [338] Berchorius, Reduct. mor., XII,171, S. 529 f. verzeichnet in einem umfangreichen Artikel viele positive und einige negative Deutungen des Weihrauchs, zu denen hier in der Fabelauslegung noch neue hinzukommen. Die Logik der Erzählung fordert die einigermaßen befremdliche Deutung, die ewige Höllenstrafe der getäuschten Frau; dies hat vielleicht G zur Lesung ipsum, bezogen auf den Verführer, statt ipsam für die Frau veranlasst.

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[339] Vgl. Ov. Met. 4,234–270. [340] Vgl Isidor, Et. XVII,9,37: Heliotropium nomen accepit primo quod aestivo solstitio floreat, vel quod solis motibus folia circumacta convertat. Unde et a Latinis solsequia nuncupatur. Nam et sole oriente flores suos aperit, idem se reclaudit, cum sol occubuerit. Die späteren Handschriften V2BTr und der Druck Ep haben hier eine längere Version (nach Tr): Verumtamen Sole contra ipsam irato amplius eam diligere noluit, ipsa vero Solem immoderate diligens vexabat eum omni die nec cessabat ipsum respicere et ubicumque se vertebat ad ipsum oculos suos dirigebat, sed quia Sol sui non miserabatur, ideo ipsa in se marcuit et defecit et in florem, qui dicitur solsequium mutata fuit, qui scilicet adhuc solem sequitur et ubicumque se vertit ille Sol etiam flos se vertit; nach Ep: Ad hanc Sol postea non accessit nec [sed, Ep] Veneris modum ex tunc sibi fecit in illa. Unde pre dolore contabescens atque deficiens in florem, qui heliotropium vel solsequium dicitur, est conversa, qui adhuc solem sequitur adeo, ut quocumque sol se vertat, iste flos etiam se convertit. Vgl. Ov. Met. 4,256 ff. [341] Vgl. Ov. Met. 4,279 f. [342] Vgl. Ov. Met. 4,282. – Diese Fabula ist nicht eigenständig in Lo2; sie steht dort unter Fab. 6. [343] Ps. 103,30: Emittes spiritum tuum et creabuntur [omnia], et renovabis faciem terrae. [344] Vgl. Ov. Met. 4,285–388. [345] Caria ist keine Stadt, sondern die südlichste Landschaft Kleinasiens. Vgl. Ov. Met. 4,296f.: Ille etiam Lycias urbes Lyciaeque propinquos / Caras adit (›Er geht auch in Lyciens Städte und zu Lyciens Nachbarn, den Carern.‹). [346] Ov. Met. 4,320 f. und 328. [347] Da Berchorius auf die christologische Deutung und die zwei Naturen des Gottessohnes hinführen will, spricht er nicht von Doppelgeschlechtlichkeit, sondern von ›zwei Naturen‹; der Ovid-Text enthält hier das Wort natura nicht. [348] Vgl. Ov. Met. 4,607–611. [349] Hieronymus, Adversus Iovinianum 1,47, PL 23, Sp. 289: Fertur aureolus Theophrasti liber de Nuptiis, in quo quaerit, an vir sapiens ducat uxorem. Et cum definisset, si pulchra esset, si bene morata, si honestis parentibus, si ipse sanus ac dives, sic sapientem aliquando inire matrimonium, statim intulit: Haec autem in nuptiis raro universa concordant. Non est ergo uxor ducenda sapienti. [. . .] institores gemmarum sericarumque vestium si intromiseris, periculum pudicitiae est; si prohibueris, suspicionis injuria. Verum quid prodest etiam diligens custodia, cum uxor servari impudica non possit, pudica non debeat? Infida enim custos est castitatis necessitas; et illa vere pudica dicenda est, cui licuit peccare si voluit. Vgl. Fortenbaugh, Quellen zur Ethik Theophrasts, 1984, hier S. 106–108. [350] Vgl. Ov. Met. 4,772–785; 5,69 f.; Myth. Vat. III,14,1. [351] Diese Etymologie, offenbar von Berchorius gebildet, da sie in den einschlägigen Quellen nicht nachzuweisen ist, folgt der mittelalterlichen Methode der Expositio-Etymologie mit Wortteilung zur Bedeutungsfindung; dazu vgl. Klinck, Lateinische Etymologie, 1970, S. 138ff., bes. 151ff.; s. auch zur Silbenspaltung für solche Etymologien Doležalová, On Mistake and Meaning. Scinderationes fonorum in Medieval Artes memoriae, 2009, S. 26– 40.

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[352] Vgl. Ov. Met. 4,791–803. [353] Vgl. Ov. Met. 4,785–789 und 614–620. – Diese Fabula ist in Lo2 keine eigenständige Geschichte, sie schließt hier direkt an die Medusa-Erzählung an. [354] Fulgentius, Mit. I,21, S. 33. [355] Vgl. Ov. Met. 4,627–662. [356] Rom. 1,21 f.: Quia cum cognovissent Deum, non sicut Deum glorificaverunt aut gratias egerunt, sed evanuerunt in cogitationibus suis et obscuratum est insipiens cor eorum, dicentes enim se esse sapientes, stulti facti sunt [357] Vgl. 1. Reg. 25,1–37. [358] Vgl. Ov. Met. 4,663–739 und 5,1–235. [359] Plinius, Nat. hist. 9,11: Beluae, cui dicebatur exposita fuisse Andromeda, ossa Romae apportata ex oppido Iudaeae Iope ostendit inter reliqua miracula in aedilitate sua M. Scaurus longitudine pedum XL, altitudine costarum Indicos elephantos excedente, spinae crassitudine sesquipedali. – Vgl. Hartmann, Zwischen Relikt und Reliquie. Objektbezogene Erinnerungspraktiken in antiken Gesellschaften, 2010, S. 131 f. Diese antiquarische Notiz ist von den Schreibern der Handschriften und dem Anleger des Drucks 1509 wohl nicht verstanden worden, der Schreiber von V2 allerdings könnte mit seiner Wendung Iopen iudee V2 auf die Plinius-Stelle anspielen; s. Apparat. [360] Vgl. Ov. Met. 4,740–752. [361] Ähnliche Deutungen neben positiven auch im Steinbuch des Berchorius, Reduct. mor., XI,64, S. 433f. [362] Berchorius versetzt hier – etwas ungewöhnlich – den heilsgeschichtlich-typologischen Adam–Christus–Gegensatz Rom. 5,19 in die moralische Deutungsebene. [363] Vgl. Ov. Met. 4,563–603. [364] Hispania nur in der Gothaer Hs., Unsicherheit bei den übrigen (z.T. mit Lacunae), der Druck wie Ovid geben kein Land an; vgl. aber z.B. Hygin, Fab. 6, hg. von Marshall, 1993, S. 18: cum [. . .] uxore sua in Illyriae regionibus in dracones sunt conuersi. [365] Der Druck von 1509 (Ep) zitiert hier die Vulgata: Hebr. 2,18: In eo enim, in quo passus est, ipse temptatus potens est eis, qui temptantur, auxiliari. [366] Vgl. Ov. Met. 4,416–562. [367] Bei Ovid bittet Iuno die Furie Tisiphone um Hilfe (Ov. Met. 4,474.481).

Liber/ Buch 5 [368] Ov. Met. 5,1; der Vers fehlt in G.und z. B. in V4, nicht aber in Tr und Ep. [369] Vgl. Ov. Met. 5,269–293 [370] Die Feder, die Flügel und das Fliegen sind häufig Sinnträger für die Kontemplation, z.B. auch mit diesem Bibelvers im allegorischen Lexikon bei Alan von Lille, Distinctiones, PL 210, Sp. 897A: Penna, proprie. [. . .] Dicitur virtus vel contemplatio, unde Psalmista: Quis dabit mihi pennas sicut columbae.

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[371] Vinzenz von Beauvais, Speculum Historiale, 1624, XXV, Cap. 35, S. 1014b: Henricus rex Francorum obijt. Non multo post cometes longos et flammeos crines per inane ducens apparuit; de quo quidam monachus Malmesberiae, Elmerus nomine: «Venisti, inquit, venisti multis matribus lugende, dudum est, quod te vidi; sed nunc multo terribiliorem te intueor patriae huius excidium minantem.» Is erat litteris bene imbutus, aevo maturus; qui immanem audaciam in prima iuventute conatus fuerat. Nam pennas manibus suis et pedibus nescio qua arte innexuit, ut Dedali more volaret; et fabulam pro vero amplexus, collectaque a summo turris aura, spatio stadii unius et plus volavit. Sed venti et turbinis violentia simul et temerarii facti conscientia tremulus cecidit. Post hoc perpetuo debilis, crura effractus. Ipse vero ferebat fuisse causam ruinae suae, quod caudam suam in posteriori parte oblitus fuerat aptare; eigentliche Quelle ist Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, II,225, hg. von Mynors, 1998, S. 412–414: Eodem anno Henricus rex Francorum, miles strenuus et bonus, potionis haustu interiit. Non multo post, cometes stella, ut ferunt, mutationem regnorum pretendens, longos et flammeos crines per inane ducens apparuit: unde pulchre quidam nostri monasterii monachus, Eielmerus nomine, viso coruscantis astri terrore conquiniscens, ›Venisti‹, inquit, ›venisti, multis matribus lugende. Dudum est quod te vidi, sed nunc multo terribiliorem te intueor, patriae huius excidium vibrantem.‹ Is erat litteris, quantum ad id temporis, bene imbutus, aevo maturus, immanem audaciam prima iuventute conatus: nam pennas manibus et pedibus haud scio qua innexuerat arte, ut Dedali more volaret, fabulam pro vero amplexus, collectaque e summo turris aura, spatio stadii et plus volavit; sed venti et turbinis violentia, simul et temerarii facti conscientia, tremulus cecidit, perpetuo post haec debilis, et crura effractus. Ipse ferebat causam ruinae quod caudam in posteriori parte oblitus fuerit (Comm. II, 225, Bd. II, S. 211). Vinzenz’ direkte Quelle, die er auch nennt, ist Helinand von Froidmont, Chronicon a. 1060, PL 212, Sp. 953BC. [372] Apoc. 12,14: et datae sunt mulieri duae alae aquilae magnae ut volaret in desertum in locum suum ubi alitur per tempus et tempora et dimidium temporis a facie serpentis. [373] Vgl. Ov. Met. 5,346–424. [374] Zu gigas duplicis substantie, auch mit christologischer Deutung, z.B. Ambrosius, Hymnus ›Intende qui regis Israel‹ 5,5,19: geminae gigas substantiae, in: Ambroise de Milan, Hymnes, hg. von Fontaine, 1992, S. 275; Alan von Lille, Distinct., PL 210, Sp. 803B; vgl. oben II,18, Anm. 269. [375] Vgl. Ov. Met. 5,391–424. [376] Es ist der seltene Fall, dass eine moralische Deutung durch eine weitere antike Geschichte erläutert wird – wie hier durch den Raub Helenas; in der Regel wird nur ein alttestamentliches Beispiel gebracht. [377] Vgl. Gen. 34,1 f.: Egressa est autem Dina filia Liae ut videret mulieres regionis illius; quam cum vidisset Sichem filius Emor Evei princeps terrae illius adamavit et rapuit et dormivit cum illa vi opprimens virginem. – Der Druck 1509 (Ep) korrigiert den z. T. in den Handschriften mit falscher Personenzuweisung gebrachten bzw. sehr abgekürzten Hinweis; z. B. hat G: ab Emor oppressa fuit. [378] Vgl. Ov. Met. 5,554–563.

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[379] Zu den Sirenen, ihrer Gestalt, ihrem Gesang und ihrer Deutung mit Verweisen auf Plato und Macrobius: Myth. Vat. III,11,9. [380] Dazu Augustinus, Conf. VII,10,16, hg. und übers. von Bernhart, 3 1966, S. 336: Et inveni longe me esse a te [Deo] in regione dissimilitudinis; dazu Gilson, Regio Dissimilitudinis de Platon à Bernard de Clairvaux, 1947, S. 108–130; Courcelle, Les Confessions, 1963, S. 278–284 (mit weiterer Lit.); Sturlese, Regio dissimilitudinis, 1992, Sp. 479–481; den Gegenbegriff (Kontemplatio, Gottesnähe) entwickelt mit Bezug auf diese Tradition Beierwaltes, Regio Beatitudinis, 1981, S. 5–44 [381] Vgl. Apoc. 14,3: et cantabant quasi canticum novum ante sedem et ante quattuor animalia et seniores et nemo poterat discere canticum nisi illa centum quadraginta quattuor milia qui empti sunt de terra; enger angelehnt an die Antiphon: Cantabant sancti canticum novum ante sedem dei et agni et resonabat terra in voces illorum, in: Corpus Antiphonalium Officii, hg. von Hesbert, Bd. III, 1968, S. 92, Nr. 1759; dazu auch: Carmina Scripturarum scilicet Antiphonae et Responsoria ex sacro Scripturae fonte in libros liturgicos sanctae Ecclesiae Romanae derivata, hg. von Marbach, 1907, S. 533. Vgl. auch die abweichenden Deutungen des Verses: Berchorius, Reduct. mor., XVI, 34,15, S. 237. [382] Vgl. Ov. Met. 5,438–571. [383] Die beiden Deutungen der Fabel weisen auf zwei verschiedene Zeitenwechsel hin: Die erste Auslegung stellt den Wechsel der Zustände des Menschen dar (wie ihn auch die Mystiker beschreiben) zwischen Furcht und Sündenbewusstsein einerseits (in inferno) sowie Liebe und affektive Zuwendung andererseits (in celo); die zweite Auslegung beschreibt den heilsgeschichtlichen Wechsel der Zeiten sub lege und sub gratia: vor der ersten Ankunft, der Inkarnation Christi und nach dieser. Die sancti patres, die Erwählten der alten Zeit, werden aus der Hölle erlöst in der Höllenfahrt (Descensus) Christi, wie es auch viele Bilder darstellen. [384] So in Myth. Vat. III,3,1: Juppiter ergo quasi juvans pater nuncupatur; vgl. oben V,5. [385] Vgl. Ov. Met. 5,538–550. [386] Ov. Met. 5,537 f. spricht von sieben Kernen; Berchorius braucht in der zweiten Deutung die drei Kerne. [387] Ov. Met. 5,549: [. . .] foedaque fit volucris, venturi nuntia luctus, / ignavus bubo, dirum mortalibus omen. Vgl. Plinius, Nat. hist. X,34 f.; Isidor, Et. XII,7,39: Denique apud augures malum portendere fertur. Aus dem Vogelbuch des Berchorius, Reduct. mor., VII,15, S. 378: A cunctis aliis avibus impugnatur [. . .] et frequens ejus ululatus, secundum augures, de nocte praesagium est mortis. [388] Prov. 2,18: Inclinata est enim ad mortem domus eius, et ad impios semitae ipsius. Vgl. auch Iob 15,30: Non recedet de tenebris ramos eius arefaciet flamma et auferetur spiritu oris sui. [389] Vgl. Ov. Met. 5,346–356. [390] Statt der christlichen Formulierung de paradiso expellere wählt allein der Druck die humanistisch-antike Variante de celo. [391] Trinacria ist der älteste Name Siziliens, der nach der geographischen Tradition aus den drei Spitzen der Insel, den drei bergigen Landzungen herrührt (anders Berchorius

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hier). Vgl. dazu Ov. Met. 5,346ff. und z.B. Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XV,150, S. 701 f.: Sicilia a Sicano rege primo Sicania fuit nominata, deinde a Siculo Itali fratre Sicilia est dicta, quae antiquitus Trinacria dicebatur propter tria acria, id est promontoria, Pelorum, Pachydum et Lilybaeum. [392] Vgl. Ov. Met. 5,572–641. [393] Ov. Met. 5,636f.: Sed enim cognoscit amatas / amnis aquas [. . .]. [394] Vgl. Ov. Met. 5,642–661. [395] Zur Deutung des Luchses nach positiven und vor allem auch negativen Eigenschaften Berchorius, Reduct. mor., X,61, S. 379f. (ad malam partem: lynx est avarus, rapax et lupinus, versipellis et varius). [396] Am. 8,11: Ecce dies veniunt dicit Dominus et mittam famem in terram non famem panis neque sitim aquae sed audiendi verbum Domini. [397] Das Zitat aus der Parabola vom Sämann Lc. 8,5 verweist nicht nur auf die Bedeutung des Samens des Gotteswortes und des Glaubens, sondern zugleich auf das Predigen selbst. [398] Vgl. Ov. Met. 5,250–268; 294–317 und 662–678. [399] Vgl. Fulgentius, Mit. I,21, S. 33 und III,1, S. 60. [400] Vgl. Ov. Met. 5,670 ff.; zur Geschwätzigkeit der Elster und ihrer Fähigkeit, Menschensprache nachzuahmen, auch Berchorius, Reduct. mor., VII,65, S. 213 f. (quae ad modum hominis loqui docetur, hier positiv auf den Prediger gedeutet). Ausführlich auch zu ihrer Fähigkeit der Nachahmung menschlicher Sprache und ihrem schwarz-weißen Gefieder Thomas von Cantimpré, De nat. rer. X,104, hg. von Boese, 1973, S. 223: Pica alba et nigra avis est varietate distincta [. . .]. Latiores linguas habent, que sermonem imitantur humanum [. . .]. [401] Vgl. Ov. Met. 5,405 f. [402] Es liegt eine Attractio relativi vor (quorum statt qui). [403] Solinus, Collect. rer. memor., hg. von Mommsen, 1895, V,21, S. 52: Gelonium stagnum taetro odore abigit proximantes. [404] Ov. Met. 5,405 f. [405] Eccli. 34,24: Qui offert sacrificium ex substantia pauperum, quasi qui victimat filium in conspectu patris sui. [406] Tempora (Schläfen, der Kopf) war für fast alle Schreiber offenbar ein unbekanntes Wort, so dass sie auf temporaliter auswichen; da aber der Kontext auch die letzte Zukunft einbezog, fügten sie meist noch eternaliter hinzu. [407] Is. 34,3: Interfecti eorum proicientur, et de cadaveribus eorum ascendet fetor; dissolventur montes sanguine eorum. [408] In LLo1Lo2BTr sowie in Ep gibt es zwei Erzählungen zu den Palicen (Fabula 11 und 11a), in Pa8V2V4 sind beide Erzählungen unter Fabula 11 zusammengefasst, wobei Fab. 11 auf 11a folgt. – Als Quelle für die Palicen-Erzählung kommt infrage: Myth. Vat. II,57, hg. von Kulcsár, 1987, S. 142; vgl. auch Myth. Vat I,187, ebd. S. 73 f., beide Quellen ohne den

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stinkenden Sumpf, aber Myth. Vat. I, ebd. hat: Symethos fluvius est Sicilie haut longe urbe Catinensi, circa quem sunt Palici dei quorum talis est fabula: Ethnam nimpham [. . .]. [409] Dieser Kommentator der ›Metamorphosen‹ kann nicht nachgewiesen werden; [Ps.-]Lactantius Placidus und Arnulf von Orléans enthalten nichts zu den Palicen.

Liber/ Buch 6 [410] Ov. Met. 6,1. [411] Vgl. Ov. Met. 6,1–145. [412] Die sehr kurze negative Deutung der Arachne-Geschichte steht bei Berchorius vor dem Hintergrund eines sehr ausführlichen aranea-Kapitels in Reduct. mor., X,7, S. 322– 325 mit zahlreichen positiven und negativen Auslegungen der Eigenschaften der Spinne, die Berchorius aus der Naturkunde kennt: aus Plinius, Isidor, Aristoteles, Avicenna u.a., z.T. vermittelt durch Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XVIII,10. Der Vers Is. 59,5 wird ebenfalls in einer Deutung des Artikels ad malam partem verwendet, bezogen auf diejenigen, die sich in enormem Fleiß um weltliche Güter mühen, die ständig gefährdet sind wie das mit immer neuer Mühe hergestellte Spinnennetz (S. 322b). [413] Vgl. Ov. Met. 6,75–82. [414] Vgl. Myth. Vat. III,5,4. [415] Vgl. Ov. Met. 6,87–89. [416] Ez. 28,2.17: Fili hominis dic principi Tyri: Haec dicit Dominus Deus eo quod elevatum est cor tuum et dixisti Deus ego sum et in cathedra Dei sedi in corde maris cum sis homo et non Deus et dedisti cor tuum quasi cor Dei. [. . .] Et elevatum est cor tuum in decore tuo [. . .]; in terram proieci te. [417] Vgl. Ov. Met. 6,90–92. [418] Vgl. zum Kampf zwischen den Kranichen und den Pygmäen z.B. Plinius, Nat. hist. IV,44: [. . .] Gerania, ubi Pygmaeorum gens fuisse proditur; Catizos barbari vocabant creduntque a gruibus fugatos. [419] Vgl. Ov. Met. 6,93–97. [420] Berchorius zieht für die Deutung Eigenschaften der Störche aus der Naturkunde heran: z.B. Plinius, Nat. hist. X,61: Ciconiae quonam e loco veniant aut quo se referant, inconpertum adhuc est. E longinquo venire non dubium etc.; Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XII, 8, S. 528: Ciconiae maria transvolant et collecto agmine ad calidas regiones simul volant. [. . .] Haec auis serpentum ouis uescitur, et ex eis gratissimam escam deferens pullis, ut dicit Isidorus. [. . .] Quamuis autem uenenosa comedunt, ut ranas et serpentes et huiusmodi, uenenum tamen naturam earum non superat nec immutat; vgl. Berchorius, Reduct. mor., VII,20, S. 185–187, S. 187a Hinweis auf diesen Antigone-Mythos mit anderer Eigenschaft und Auslegung; beide Eigenschaften werden in dem Artikel mit nur leicht modifizierten Deutungen (Apostasie und Sünde) ebenfalls verwendet. Als warme Gegenden begreift der Exeget dann vor allem Frankreich, wo der frz. König den Mönchen besonderen Schutz gewährt (S. 386: protegere sicut facit communiter Rex Franciae, qui ecclesias et religiosos tenet in sua salvaguardia). – Die Auslegung der Zugvögel in der Fabel bezieht sich auf Mönche, die widerrechtlich das Kloster verlassen, eine Apostasie begehen, das heißt,

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sie wechseln ohne Genehmigung den Orden (in alias religiones fugiunt), obwohl dies nur beim Wechsel zu einem strengeren Orden erlaubt war (transitus ad religionem strictiorem oder arctiorem), Decret. Gregor., Lib. III, tit. 31, cap. 18; zu Detailfragen s. Anaclet Reiffenstuel, Ius canonicum universum, Editio tertia, Bd. 3, 1745, S. 853–857: ›De transeuntibus ad aliam religionem‹. Dazu Svec Goetschi, Klosterflucht und Bittgang: Apostasie und monastische Mobilität im 15. Jahrhundert, 2015, Kap. 6: Ordensübertritte und Apostasie. Während eine größere Zahl der Hss. religiones liest, hat ein kleinerer Teil die Lesart regiones/regionem (s. App.), was sich auf die Storcheneigenschaft der Wanderung, nicht auf das Signifikat ›Mönche‹ und ihren Ordenswechsel bezieht. Berchorius selbst kannte den Vorgang des Ordenswechsels genau, war er doch selbst mit päpstlicher Erlaubnis vom Franziskaner- zum Benediktinerorden übergetreten (s. Bd. 1, Kap. I,1). [421] Vgl. Ov. Met. 6,98–100. [422] Vgl. Ov. Met. 6,108. [423] In der Naturwelt sind es die Falken (accipitres), die die Wachteln (coturnices) in der Luft jagen, so dass diese sich vor ihnen fürchten und am Boden bleiben, wenn sie sie sehen (Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XII,2, S. 517–519: Hae aues [. . .] accipitrem timent, et quamdiu accipitrem vident, tamdiu de terra non surgunt. Berchorius, Reduct. mor., VII,19, S. 184 f., hier 184a). [424] Vgl. Ov. Met. 6,109–113. [425] Berchorius nutzt hier für die Deutung der Vergewaltigungen von Frauen durch Götter die ihm reich zu Gebote stehende Tierallegorese ad malam partem: Pferd – carnis lascivia, Schlange – malitia, Stier – superbia, Delphin – voluptas, Widder – cervicositas; vgl. Reduct. mor., X, S. 292–416 (De animalibus). [426] Vgl. Berchorius, Reduct. mor., VII,24, S. 189–191, hier 190b: [Cygnus] est avis exterius candidissima [. . .]. Sic hypocrita est exterius candidus, in apparentia gratiosus, sed niger interius in conscientia vitiosa.Weiß als Farbe der Keuschheit ist enorm verbreitet, hier ist sie vorgetäuschte castitas; dazu Meier – Suntrup, Lexikon der Farbenbedeutungen, s.v. candidus und albus. [427] Zu Mohammed: z. B. Embrico von Mainz (†1077), Vita Mahumeti, hg. von Cambrier, 1962; vgl. schon Eulogius von Cordoba, Memoriale sanctorum, PL 115, Sp. 767AB; s. auch die Werke des Petrus Venerabilis gegen den Islam bei Glei (Hg.), Schriften zum Islam. Petrus Venerabilis, 1985; Vinzenz von Beauvais, Spec. hist., 1624, XXV, 142 ff., hier 143, S. 1054: Wahre Propheten zeichnen sich durch ein gutes Leben aus (probitas vitae): In Machometo violentia fuit, qua se prophetam Dei praedicari faciebat, furto et rapacitate gaudens,igneque libidinis adeo fervens,ut etiam alienum thorum adulterio faedare tanquam Domino iubente non erubesceret etc. – Klueting, Quis fuerit Machometus?, 2008, S. 283– 306. [428] Fulgentius, Mit. III,1, S. 61 behandelt in der Geschichte von Bellerophon und der Chimäre die drei Arten der körperlichen Liebe; die zweite ist die der Satyrn: Ideo et Satyri cum caprinis cornibus depinguntur, quia numquam nouerunt saturari libidinem; danach Myth. Vat. III,14,5, S. 232: [. . .] libidinis expletio, quae per capram designatur, quia hoc animal in libidine promptissimum sit. Unde et Satyri etc.

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[429] Nicht in den Metamorphosen enthalten; die Figur des Fulius lässt sich auch sonst nicht nachweisen. Vgl. eine sehr verwandte Geschichte bei Boccaccio, Genealogie VII, 55 zum Fluss Asopus (nach Statius, Theb. 7, 319 ff.). [430] Vgl. Ov. Met. 6,114–125. [431] Filia Deodis ist Proserpina, denn Deo (Gen. eigentlich Deus) ist der Beiname der Ceres. Bei den zahlreichen Namen der folgenden Vergewaltigungen von Frauen durch Götter haben die Schreiber größte Schwierigkeiten; der Bearbeiter des Drucks (Ep) berichtigt einige und lässt den letzten ganz weg, offenbar weil er ihn nicht eruieren konnte. [432] Nach von Albrecht handelt es sich um eine gewisse Canace; ihr Vater Aeolus ist auch der Vater des Athamas, des Sisyphus und der Großvater des Cephalus; vgl. von Albrecht, Metamorphosen, S. 889. [433] Vgl. unten Berchorius, Ov. mor. VI,11; von Albrecht, Metamorphosen, S. 867: »In Gestalt des Enipeus soll Neptun nach Ovids (irriger) Meinung mit Iphimedeia, der Gemahlin des Aloeus, die thessalischen Riesen Otos und Ephialtes gezeugt haben.« [434] Vgl. Ov. Met. 6,116 f. [435] Zum raptus celi oder firmamenti, der doppelten Bewegung der Planeten s. Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., VIII,22, S. 396; Berchorius, Reduct. mor., V,22, S. 109–111, hier 110a: Planeta movetur duplici motu, proprio et improprio. Sed motus suus est ab Oriente in Occidentem; motus autem proprius e converso ab Occidente in Orientem. Et ille qui dicitur improprius, fit per raptum firmamenti, cujus cursum planeta sequitur omni die. Die Auslegung verweist auf psychologische und sozial-politische gegensätzliche Bewegungen. [436] Vgl. Ov. Met. 6,146–312. [437] Die Mutter Niobes ist Dione, Tochter des Atlas: Hygin, Fab. 9, hg. von Marshall, 1993, S. 21. [438] Zu den sieben Gaben des heiligen Geistes s. Is. 11,1 f. – eine Vorstellung, die in Texten und Bildern des Mittelalters überall präsent ist, dazu Meyer – Suntrup, Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, 1987, Art. Sieben: Septenare, Sp. 484f. [439] Hier spielt Berchorius auf eine Gruppe von sieben Tugenden an, die aber nicht näher bezeichnet ist: vgl. Meyer – Suntrup, Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, 1987, Art. Sieben: Septenare: Heptadische Tugendreihen, Sp. 486f. [440] Aus zwei ähnlichen, auf ›Babylon‹ bezogenen Bibelstellen, die beide in den Hss. nur abgekürzt zitiert sind (Is. 47,7–9: Et dixisti: In sempiternum ero domina, non posuisti haec super cor tuum neque recordata es novissimi tui et nunc audi haec delicata et habitans confidenter, quae dicis in corde tuo: ego sum et non est praeter me amplius, non sedebo vidua et ignorabo sterilitatem, venient tibi duo haec subito in die una, sterilitas et viduitas universa venerunt super te; Apoc. 18,7: Quantum glorificavit se et in deliciis fuit tantum date illi tormentum et luctum, quia in corde suo dicit: Sedeo regina et vidua non sum et luctum non videbo), sind Mischtexte entstanden, die dann auch falsche Bibelstellenangaben nach sich gezogen haben (z. B. Apoc. 7, 17, 18 oder 19 in GLLo1Pa8V4BTr); nur der Druck (Ep) zitiert die Stelle aus Apoc. 18,7 genau. [441] Vgl. Ov. Met. 6,185–192.

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[442] Is. 58,7f.: Frange esurienti panem tuum et egenos vagosque induc in domum tuam cum videris nudum operi eum et carnem tuam ne despexeris; tunc erumpet quasi mane lumen tuum et sanitas tua citius orietur et anteibit faciem tuam iustitia tua et gloria Domini colliget te. [443] Die handschriftliche Überlieferung lässt die Unstimmigkeit zwischen den Begriffspaaren caritas und gratia und caritas und humilitas stehen, im Druck (Ep) wird ausgeglichen zu caritas et gratia vel humilitas (s. App.). [444] Vgl. Ov. Met. 6,313–381. [445] Zu den Fröschen s. Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., VIII,89, S. 1107 f.; Berchorius, Reduct. mor., X,86, S. 397 mit Auslegung, z.B. auf Verleumder (detractores) wegen ihres Quakens. [446] Vgl. Ov. Met. 6,382–400. [447] Mich. 3,3: Qui comederunt carnem populi mei et pellem eorum desuper eos excoriaverunt et ossa eorum confregerunt et conciderunt sicut in lebete et quasi carnem in medio ollae. [448] Vgl. Ov. Met. 6,172 f. und 403–411; Myth. Vat. III,6,21. [449] Mich. 7,3; Hugo von St. Cher, Postillae in Bibliam, 1754, Bd. 5, fol. 199v schlägt für den unklaren Sinn der Stelle z.B. vor: Princeps postulat, id est, allegat quasi advocatus. Et nihilominus judex in reddendo est in eadem causa. Vel Princeps postulat, id est, per actionem munera extorquenda. Et judex in reddendo est, id est, taxat ipsemet quantum accipere velit. [450] Vgl. Ov. Met. 6,412–678; vgl. Myth. Vat. II,261, hg. von Kulcsár, 1987, S. 286. – Die Fabel VI,14 hat Lo2 an dieser Stelle und zählt damit doppelt. [451] Die Handschriften und der Druck von 1509 nennen das Land des Königs Tereus entweder Thracien oder – fälschlich – Creta, nur G hat eine Mischung der Traditionen: zuerst rex Cretum, dann als Ziel der Rückfahrt in Traciam (s. App.). [452] Dieser für den Textzusammenhang wichtige Satz ist in unseren Handschriften nur in Lo2 in margine überliefert – d.h. in einer aus Clairvaux stammenden Handschrift. Auch der Druck von 1509 (Ep), der von Johannes de Vepria aus einem Codex von Clairvaux zum Druck bearbeitet wurde, hat diesen Satz; dazu oben Kap. I,1. [453] Ov. Met. 6,654: ›Intus habes, quem poscis‹, ait. Den inkonzinnen Satz der Hss. vervollständigt der Druck (Ep) aus dem Ovidtext (6,652–655), Ep: Qui filium Itym petens, Itym huc accersite dixit; cui cum Progne responderet: Quem petis, intus habes etc. [454] Auch in der alten Naturkunde sind die Nachtigallen als besondere Sänger unter den Vögeln bekannt: Plinius, Nat. hist. X,81–85 (nicht bei Bartholomaeus Anglicus und Berchorius, Reduct. mor.). [455] Vgl. zum Wiedehopf Berchorius, Reduct. mor., VII,74, S. 218: Upupa est avis, quae fimo et stercoribus hominum nutritur [. . .]. Upupa est avis spurcissima, semper in fimo residens vel sepulchris. [. . .] Tales sunt luxuriosi [. . .]. Tales sunt spurcissimi et vilissimi, quia in actibus spurcissimis occupantur etc.

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[456] Os. 4,2: Maledictum et mendacium et homicidium et furtum et adulterium inundaverunt et sanguis sanguinem tetigit. [457] Ov. Met. 6,654. [458] Vgl. Ov. Met. 6,679–721. [459] Aus den Visionen Daniels (Dan. 7–12), hier die Vision der vier aus dem Meer aufsteigenden Tiere, von denen das dritte ein Parder mit vier Flügeln und vier Köpfen ist, Dan. 7,6: Post haec aspiciebam, et ecce alia quasi pardus; et alas habebat quasi avis quatuor super se. [460] Zu den Bedeutungen der Flügel ad malam und ad bonam partem, wie sie die Auslegung dieser Fabel zeigt, z.B. Alan von Lille, Distinct., PL 210, Sp. 696BCD s.v. ala.

Liber/ Buch 7 [461] Ov. Met. 7,1. [462] Vgl. Ov. Met. 7,1–4. – Da die Ordnung der Fabeln in Buch VII zwischen den Handschriften und im Druck häufig variiert (besonders in den Kurzfabeln ab VII,14), hat unser Text die Ordnung von G übernommen; Abweichungen der übrigen Textzeugen sind im Apparat angezeigt. [463] Vgl. Myth. Vat. II,21, hg. von Kulcsár, 1987, S. 108 f.: Ut autem canes Iovis dicerentur [sc. Harpyiae], hec est ratio, quia ipse ›Furie‹ esse dicuntur, unde etiam epulas perhibentur arripere, quod est Furiarum. [464] Vgl. Myth. Vat. III,5,5. [465] Myth. Vat. I,27, hg. von Kulcsár, 1987, S. 14: [Filii Boree] suos conuerterunt uolatus, quorum conuersio, id est strophe, nomen insulis dedit. [466] Fulgentius, Mit. III,11, S. 79: Fineus enim in modum auaritiae ponitur; a fenerando Fineus dictus est. Myth. Vat. III,5,6. [467] Myth. Vat. III,5,6: Sed ideo, ut dicit Fulgentius, Phineus caecus fingitur, quod omnis avarus sua non videt, nec usquam respicit habita; dieser von Berchorius wörtlich zitierte Satz ist bei Fulgentius nicht nachweisbar. Vgl. auch Myth. Vat. II,165, hg. von Kulcsár, 1987, S. 226. [468] Der metaphorische Ausdruck noverca dispensationis steht in den anderen Handschriften in dem Zitat aus Myth. Vat. III,5,6, das in G fehlt. [469] Horaz, Serm., I,1,96: Dives / ut metiretur nummos, ita sordidus, ut se / non umquam servo melius vestiret; und bei Fulgentius, Mit. III,11, S. 79: [. . .] ostendit uenerantium uitam rapinae inluuie esse sordidam. [470] Fulgentius, Mit. III,11, S. 79 bzw. Myth. Vat. III,5,6 sind hier wörtlich zitiert, nur hat die Berchorius-Überlieferung non umquam statt numquam und ein überflüssiges bonis (s. App.). [471] Iob 41,22: Sub ipso acumina testae, et sternit tribula super lutum. [472] Vgl. Ov. Met. 7,5–9 und 104–158.

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[473] Colchis ist eine Landschaft am östlichen Schwarzen Meer (nicht eine Insel im Mittelmeer); unsere Textzeugen nennen sie alle Colchos. [474] Der Ausdruck tenementum (›Gut‹) ist ein Terminus der mittelalterlichen Grundherrschaft; s. Blaise, Lexicon, 1975, s.v. tenementum. [475] Dares Phrygius, De excidio Troiae historia, hg. von Meister, 1873, S. 2–4, Cap. 1 f. [476] Der Sinn von subiecta patria ist unklar. Zu erwarten wäre subacta terra; die Hs. B fügt daher ein: in terra, id est subiecta patria. [477] Vgl. Ov. Met. 7,164–296. [478] Dazu Alan von Lille, Distinct., PL 210, Sp. 775BC: Per dracones daemonum malitia exprimitur. [479] Diese Erzählung ist nicht in den Metamorphosen enthalten. Die Ermordung und Zerstückelung des Bruders Absyrtus erzählt Ovid in Trist. III,9, bes. V. 25ff. [480] Gemeint sind Isabella von Frankreich (um 1295–1358), ihr Gatte, Edward II., König von England (ermordet 1327), und ihr Geliebter, Roger Mortimer (1287–1330), Baron von Wigmore, erster Earl of March, der 1330 vom Parlament verurteilt und von Edward III. hingerichtet wurde; vgl. dazu Phillips, Edward II., 2010, S. 526–613 (mit Lit.); Maddicott, Isabella von Frankreich, in: Lexikon des Mittelalters 5, Sp. 667f. – In LLo1Lo2V2V4BTrEp ist ein anderes Exempel aufgeführt: Die Gattin des Frankenkönigs Chilperich lässt ihren Mann durch ihren Geliebten, den Hausmeier Landericus, ermorden. V4 (fol. 208v) führt beide Exempla auf. Zu Chilperich vgl. Liber historiae Francorum, hg. von Krusch, 1888, Kap. 35, S. 302–304; Vinzenz von Beauvais, Spec. hist., 1624, XXI, Cap. 131. [481] Vgl. Ov. Met. 7,162–296. [482] Helice und Cynosura waren die Ammen Jupiters, die als Dank von ihm verstirnt wurden (als Großer und Kleiner Bär): Hygin, Astron., II,13, hg. von Viré, 1992, S. 40–42 (zu Helice als Jupiters Geliebter Myth. Vat. II,251, hg. von Kulcsár, 1987, S. 335, Supp. M E); als Großer Bär auch Ov. Met. 8,207 und Ov. Fasti III,107f. Als Amme des Bacchus wird Ino genannt, die von Juno aus Rache in den Wahnsinn getrieben wurde (vgl. Berchorius, Ov. mor. IV,16). Laut einer anderen Version wurde Bacchus von Nymphen in einer Höhle in Nysa aufgezogen (vgl. Berchorius, Ov. mor. III,6). Auch Amaltheia wird als Amme des Bacchus angeführt, die in eine Ziege verwandelt wurde (Hygin, Astron., II,13, ebd.). Die Verjüngung der Ammen wird auch bei Hygin erwähnt: Hygin, Fab. 182, hg. von Marshall, 2 2002, S. 152: [. . .] Iouis nutrices. quae nymphae Dodonides dicuntur (alii Naides uocant) 〈. . .〉 quarum nomina Cisseis, Nysa, Erato, Eriphia, Bromie, Polyhymno; hae in monte Nysa munere alumni potitae sunt, qui Medeam rogauerat, et deposita senectute in iuuenes mutatae sunt, consecrataeque postea inter sidera Hyades appellantur. [483] Vgl. Ps. 57,6: Quae non exaudiet vocem incantantium et venefici incantantis sapienter. [484] Zwar findet Pelias Erwähnung, dieser Teil der Erzählung steht jedoch nicht in den Metamorphosen. Vgl. Dares Phrygius, De excidio Troiae historia, hg. von Meister, 1873, Cap. I, S. 2 f.

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[485] Den Namen des Pelias, des Königs von Jolcus, Jasons Onkel, verwechseln unsere Handschriften mit Peleus, dem Sohn des Aeacus, der im Zusammenhang mit Minos’ Ankunft auf Aegina Ov. Met. 7,477 vorkommt. [486] Ov. Met. 5,242–249. [487] [Ps.-]Chrysostomus, Opus imperfectum in Matth., Hom. 39 ad Mt. 21,23, PG 56, Sp. 847: O invidia, quae sibi semper est inimica! Nam qui invidet, sibi quidem ignominiam facit, illi autem, cui invidet, gloriam parat; vgl. auch Mt. 27,18: Sciebat enim, quod per invidiam tradidissent eum. [488] Mit leicht varianter Formulierung Eccli. 27,29 f.: Qui foveam fodit, incidet in eam, et qui statuit lapidem proximo, offendet in eo, et qui laqueum alii ponit, peribit in illo. Facienti nequissimum consilium super ipsum devolvetur et non agnoscet, unde adveniat ei. [489] Vgl. Ov. Met. 7,297–349. [490] Vgl. Ov. Met. 7,394–397. [491] Creusa, auch Glauce genannt, ist die Tochter des Königs Creon von Korinth und Jasons zweite Gemahlin. [492] Plinius, Nat. hist. II,107–109.235: Namque et ignium, quod est naturae quartum elementum, reddamus aliqua miracula [. . .]. In urbe Commagenes Samosata stagnum est emittens limum, maltham vocant, flagrantem [. . .]. Similis est naturae naphthae: [. . .] profluens bituminis liquidi modo [. . .], ita ferunt a Medea paelicem crematam, postquam sacrificatura ad aras accesserat, corona igne rapto. [493] Vgl. Ov. Met. 7,358 und 11,19–60. Der Tod des Orpheus steht in den Metamorphosen im elften Buch, ein entsprechender Verweis auf das elfte Buch findet sich auch im Pariser Druck, in der Gothaer Hs. nicht. Gotha und einige andere Handschriften nennen Cepheus. Dieser war König von Aethiopien, Sohn des Belus, Bruder des Aegyptus, Danaus und Phineus, Ehemann der Cassiope und Vater der Andromeda. Er wird bei Ovid in Buch 4 und 5 erwähnt (Ov. Met. 4,738 und 5,12.42.44). Die hier erzählte Geschichte betrifft eher Orpheus als Cepheus. Zum Tod des Orpheus vgl. auch Berchorius, Ov. mor. X,2 mit Anm. 663. [494] Vgl. Ov. Met. 7,353–356. [495] Vgl. Ov. Met. 7,359 f. [496] Thyoneus ist eigentlich der Beiname des Bacchus nach seiner Mutter Thyone (= Semele); vgl. Ov. Met. 4,13. [497] Vgl. Ov. Met. 7,361. [498] Vgl. Ov. Met. 7,362. [499] Bei Hygin tötet Hercules seine Ehefrau und seine beiden Söhne, vgl. Hygin, Fab. 32, hg. von Marshall, 2 2002, S. 46 f.: Hercules eo interuenit et Lycum interfecit; postea ab Iunone insania obiecta, Megaram et filios Therimachum et Ophiten interfecit. Postquam suae mentis compos est factus, ab Apolline petiit dari sibi responsum quomodo scelus purgaret; cui Apollo sortem quod reddere noluit, Hercules iratus de fano eius tripodem sustulit, quem postea Iouis iussu reddidit, et nolentem sortem dare iussit.

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[500] Der antike Mythos kennt mehrere Figuren mit dem Namen Maera: Tochter des Proetus, Tochter des Atlas und Hund des Icarius: der letzte ist nach Hygin, Astron. II,4 (hg. von Viré, 1992, S. 22 f.) von Jupiter zum Hundsstern gemacht worden; Myth. Vat. II,79, hg. von Kulcsár, 1987, S. 156; eine ähnliche Version zum Hundsstern bei Berchorius, Ov. mor. XII,8. [501] Hymnus ›Rex gloriose martyrum‹ in: Daniel, Thesaurus hymnologicus sive hymnorum, canticorum, sequentiarum [. . .] collectio amplissima, 1973, Bd. 1, S. 248: Rex gloriose Martyrum, Corona confitentium, Qui respuentes terrea Perducis ad coelestia. Aurem benignam protinus Appone nostris vocibus [. . .].Tu vincis in Martyribus Parcendo Confessoribus, Tu vince nostra crimina, Donando indulgentiam. Gloria tibi, Domine, Qui surrexisti a mortuis, Cum Patre et sancto Spiritu, In sempiterna secula. Amen. [502] Vgl. Ov. Met. 7, 363 f. – Hierzu auch Ps.-Lactantius Placidus, Narrationes fabularum Ovidianarum, hg. von Magnus, 1914, S. 669: Er berichtet, die Frauen von Cos hätten sich für schöner als Venus gehalten und deswegen Hörner bekommen (in cornutas transfiguratae sunt). [503] Vgl. Ov. Met. 7,365–367. [504] Nicht bei Seneca nachzuweisen, vgl. aber Petrus Chrysologus, Sermonum collectio, hg. von Olivar, Pars III, 1982, Serm. 172 ›De invidia et hypocrisi‹, S. 1050 f.: Quis ibi malorum finis, ubi alterius bonum poena est alterius, ubi est aliena felicitas, malum multiplex: quot sunt prosperitates hominum, tot tormenta sunt inuidorum. Vgl. auch oben Anm. 280 und Walther – Schmidt, Proverbia Sententiaeque, II/9, 1986, S. 260, Nr. 840d21e: Quanta felicium hominum gaudia sunt, tanti invidorum gemitus. [505] Alan of Lille, De planctu Naturae, Cap. 14,7.9, hg. und übers. von Wetherbee, 2013, S. 166/168: Isti [individi] aut alienae famae serenitatem detractionis nubilo nubilare conantur, aut eiusdem gloriam sola taciturnitate furari; [. . .] prudentiae gloriam degloriet livor inglorius. (= PL 210, Sp. 469). [506] Vgl. Ov. Met. 7,369–370. – In Tr beinhaltet Fabula 16 außerdem die Erzählungen von Combe, Menephron, dem Enkel (?) des Cephisus und der Tochter des Eumelus (= VII 16– 19 G). In V2B schließen sich an diesen Abschnitt die Erzählungen von Combe, Menephron, dem Enkel (?) des Cephisus und der Tochter des Eumelus an (VII,15 V2B = VII,15–19 G); vgl. den Apparat. [507] Da Tauben die eheliche Treue halten, bilden sie hier wohl das Ziel der Verwandlung; Plinius, Nat. hist. X,104: Coniugi fidem non violant communemque servant domum; so auch Berchorius, Reduct. mor., VII,17, S. 180–183, hier 183a mit Hinweis auf Plinius: Inter columbas masculus et foemina quamdiu simul vivunt, fidem invicem sibi servant. [508] Vgl. Ov. Met. 7,382 f. [509] Vgl. Ov. Met. 7,386 f. – In Lo1Lo2V4Ep ist diese Fabula mit der Cephisus-Erzählung (= VII,18 G) zu einer Erzählung verschmolzen; in V2BTr ist es keine eigenständige Fabula; vgl. den App. [510] Hygin, Fab. 253, hg. von Rose, 2 1963, S. 156: Menephron [. . .] cum Bliade matre sua [contra fas concubuit]. [511] Vgl. Ov. Met. 7,388 f.

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[512] Zur phoca s. Ov. Met. 1,300; Berchorius, Reduct. mor., IX,45, S. 266 f. setzt sie mit bos marinus gleich: Istud est fortissimum animal, iracundum et animosum. [513] In Lo1Lo2V2V4Ep ist diese Fabel mit der Menephron-Erzählung verschmolzen; die Verwandlung des Enkels des Cephisus wird dort auf Menephron bezogen (keine eigenständige Fabula in BTr). [514] Vgl. Ov. Met. 7,390. In Lo2V2BTr ist dies keine eigenständige Fabula. [515] Bei Ovid betrauert Eumelus nicht seine Tochter, sondern seinen Sohn, der von Apollo in einen Vogel verwandelt worden war (Eumelique domum lugentis in aere natum, Ov. Met. 7,390); diesen hatte der Vater erschlagen, weil er ihn beim Opfern gestört hatte (so von Albrecht, S. 909). [516] Vgl. Ov. Met. 7,371–381. [517] Ov. Met. 7,380f.: Hyrie, seine Mutter, wusste von der Rettung und Verwandlung in einen Schwan nichts. Sie zerfloss in Tränen und wurde so zum See Hyrie. [518] Eccli. 4,36: Non sit porrecta manus tua ad accipiendum et ad dandum collecta. [519] In der Auslegung ist nicht klar, ob gegen Ovid die verweigerte Gabe als Gegengabe missverstanden ist oder ob – wie manchmal in Deutungen – die Personen vertauscht werden. In den Handschriften hat dies, zumal bei der sehr verwandten Schreibung der beiden Protagonisten, auch Schwierigkeiten bereitet. [520] Vgl. Ov. Met. 7,394–424. [521] Vgl. Ov. Met. 7,406–419; zum Unterweltsgang und der Zähmung des Cerberus durch Hercules sowie zur Genese der Pflanze Aconitum. – Die zwölf Taten des Hercules werden von Ovid nicht näher beschrieben, eine knappe Aufzählung findet sich im 9. Buch, eingefügt in die Erzählung vom Tod des Helden (seine Liebe zu Proserpina (?) erwähnt Ovid nicht). [522] Das Kraut aconita (so unsere Hss.) oder aconitum (die übliche Bezeichnung der Pflanze und Ep) nennt Isidor, Et. XVII,9,25 unter den giftigen Kräutern (ohne Etymologie); ausführlich aber Plinius, Nat. hist., hg. und übers. von König – Winkler, 1983, XXVII,4–9, S. 126–131 (mit der Entstehung der Pflanze – wie hier – aus dem Geifer des Cerberus, mit der Etymologie). [523] Apoc. 20,1f.: Et vidi angelum descendentem de caelo habentem clavem abyssi et catenam magnam in manu sua; et adprehendit draconem serpentem antiquum, qui est diabolus et Satans et ligavit eum per annos mille. [524] Vgl. Ov. Met. 7,399–401. [525] Ein wichtiges Motiv in dem langen Artikel zum Geier (vultur) ist das Fressen von rohem, auch verwestem Fleisch als Zeichen der luxuriositas in Berchorius, Reduct. mor., VII,75, S. 218–220, z.B.: Sic luxuriosi carnibus crudis, id est mulieribus per luxuriam satiantur. [526] Vgl. Ov. Met. 7,433 f. – Anscheinend sind hier zwei Mythen miteinander vermischt: Theseus fing den Stier von Marathon und opferte ihn Apollo; Heracles bändigte den Cretischen Stier und brachte ihn zu Eurystheus, durch den er dann wieder freigelassen wurde (vgl. Ov. Met. 9,186).

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[527] In Troja kämpfte Idomeneus, der Enkel des Minos, der bei den Helden im hölzernen Pferd war. Er hatte zu den Freiern Helenas gehört. [528] Vgl. 1. Sam. 1,10–28. [529] 1. Par. 29,14; zur Hand Gottes (manus dominica) bringt Berchorius, Repert. mor., S. 23–25 im Artikel ›Manus‹ auch diese Bedeutung der manus clementiae largitivae Gottes zur Geltung (S. 23 f.). [530] Vgl. Ov. Met. 7,438. – Procrustes ist der Beiname des Räubers Polypemon, der Reisende auf das sog. Procrustesbett legte; waren sie zu lang, hieb er ihnen die überstehenden Glieder ab, waren sie zu kurz, renkte er ihnen die Glieder aus; vgl. von Albrecht, S. 936. [531] Vgl. Ov. Met. 7,439–442. Die Geschichte passt zu Sinis (Ov. Met. 7,440–442), Cercyon wird bei Ovid nur kurz erwähnt (Cercyonis letum vidit Cerealis Eleusin, Ov. Met. 7,439). Cercyon ist eigentlich der Räuber, der die Fremden zum Ringkampf herausfordert und sie tötet. In Lo1V4Ep bildet Cercyon eine eigenständige Fabula. [532] Vgl. Ov. Met. 7,436 f.; in Lo1V4Ep ist dies eine eigenständige Fabula. Gemeint ist vielleicht Periphetes (›Keulenschwinger‹): Nachdem Theseus diesen getötet hatte, nahm er seine Keule an sich. Ovid spricht hier nur von einem Sohn des Vulcan, ohne ihn namentlich zu nennen (Ov. Met. 7,436 f.: tellus Epidauria per te clavigeram vidit Vulcani occumbere prolem). Der in der Gothaer Handschrift genannte Eritonius (Erichthonius) ist zwar ein Sohn des Vulcan, allerdings passt die Erzählung nicht auf ihn; vgl. die Erichthonius-Fabel oben II,18. Im Pariser Druck Ep wird Cacus genannt, ebenfalls ein Sohn des Vulcan, der aber von Hercules getötet wurde, indem er ihn mit seiner Keule erschlug. [533] Plinius, Nat. hist. 36,118, hg. und übers. von König – Hopp, 1992, S. 82 und 179 f.: Super omnia erit populi sedere ausi furor tam infida instabilique sede (›Über alles wird aber der Wahnsinn des Volkes gehen, der es gewagt hat, auf einem so unzuverlässigen und schwankenden Sitz Platz zu nehmen‹). Plinius meint hier die zwei drehbaren Holztheater – eine Einrichtung des Volkstribunen Curio († 49 v. Chr.) – die zu einem Amphitheater zusammengefügt werden konnten, dabei aber für die darauf sitzenden Zuschauer in der Drehung auf den Achsen besonders gefährlich sein konnten und auch Unfälle verursacht haben. [534] Vgl. Ov. Met. 7,443–447. [535] Num. 21,15: Scopuli torrentium inclinati sunt, ut requiescerent in Ar et recumberent in finibus Moabitarum. [536] Vgl. Ov. Met. 7, 456–458. [537] Is. 63,10: Ipsi autem ad iracundiam provocaverunt et adflixerunt spiritum Sancti eius et conversus est eis in inimicum et ipse debellavit eos. [538] Vgl. Ov. Met. 7,465–468. [539] Es handelt sich um Arne, die aus Sithon stammt, vgl. Ov. Met. 7,465f.: Arne Sithonis. – Laut Konstruktion – civitatem suam, scilicet Arnem – ist Arne auf civitas bezogen, entgegen Ovid hat Berechorius hier offenbar die gleichnamige Stadt in Böotien gemeint (vgl. Statius, Theb. 7,331).

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[540] Genau dieselben Eigenschaften und dieselbe Hauptbedeutung bringt der Artikel zur Dohle im Vogelbuch: Berchorius, Reduct. mor., VII,51, S. 208: Monedula dicitur, quasi monetum diligens. Ista enim teste Isidoro et Plinio aurum furatur et furatum abscondit [. . .]. Tales sunt avari [. . .]. [541] Vgl. Ov. Met. 7,517–660. Diese Fabel ist zusammengefasst mit der Erzählung von Arne als VII,31 in LLo1Lo2Ep; als VII,25 in V2B; ist Fabel VII,22 in Tr. [542] Vgl. Ov. Met. 7,686–756. [543] Die Erzählung von Boreas und Orithyia hat Ovid schon im 6. Buch der Metamorphosen (Met. 6,675–721) behandelt und so auch Berchorius, Ov. mor. VI,18. Den Verweis auf diese Erzählung im sechsten Buch haben hier in unseren Textzeugen nur die Handschriften GB. [544] Vgl. Ov. Met. 7,794–863. [545] Vgl. Ov. Met. 7,837. [546] Seneca, Ad Lucilium. Epistulae, hg. und übers. von Préchac – Rosenbach, 3 1989, Bd. 1, S. 50, Ep. 9,6: Hecaton ait, ›ego tibi monstrabo amatorium sine medicamento, sine herba, sine ullius veneficae carmine: si vis amari, ama.‹

Liber/ Buch 8 [547] Ov. Met. 8,1. [548] Vgl. Ov. Met. 8,6–151. [549] Vgl. Ov. Met. 8,8–10: Alcathoe, quam Nisus habet, cui splendidus ostro / inter honoratos medioque in vertice canos / crinis inhaerebat, magni fiducia regni. [550] Ov. Met. 8,97 f. [551] Zum Fischadler, (h)alietus, Berchorius, Reduct. mor., VII,4, S. 176a: Er ist ein streitbarer Vogel, der andere Vögel angreift. [552] Der Name ciris wird von Ovid Met. 8,150f. erklärt mit dem Hinweis auf griech. keíro, (die Haare) scheren. Zur Lerche, alauda, die mit Singen hoch aufsteigt, Berchorius, Reduct. mor., VII,5, S. 176a. [553] 1. Cor. 13,2: Et si habuero prophetiam et noverim mysteria omnia et omnem scientiam, et si habuero omnem fidem, ita ut montes transferam, caritatem autem non habuero, nihil sum. [554] ›Esop‹: Dazu Anonymus Neveleti (= Gualterus Anglicus?), Fabel 17; L’Esopus, hg. von Busdraghi, 2005, S. 80. Vgl. Walther, Proverbia sententiaeque Latinitatis Medii Aevi, Bd. II/1, 1963, S. 738, Nr. 93; s. auch von Moos, Fehltritt, 2001, S. 33, Anm. 127. [555] Orosius, Historiarum adversum paganos libri VII, hg. von Zangemeister, 1889, I,20. – Gemeint ist Perilaos, der für Phalaris (ca. 570–555 v. Chr. Tyrann der griechischen Kolonie Akragas) einen bronzenen Stier anfertigte, in dem Menschen über einem Feuer gebraten wurden. Quellen zu dieser beliebten, verbreiteten Geschichte wären: Aristoteles, Politik 5,10,13110b 28 und Rhetorik 2,20,1393b 5–8; Polyainos, Strategemata 5,1,1; Diodor 9,30; Pindar, Pythien 1,95; Cicero, De re publica 1,28,44 und Epistulae ad Atticum 7,12,2 und 7,20,2; Lukianos von Samosata, Phalaris; Ov. trist. 3,11,40 ff.

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[556] Es handelt sich um Darius III., der von Bessus (und Nabarzanes/Ariobarzanes) ermordet wurde. Quellen: Iulius Valerius [Polemius], Res Gestae Alexandri Macedonis, hg. von Rosellini, 2004, S. 120 f.: Ad hoc edictum multis quidem fletu res digna videbatur. sed enim Besas et Ariobarzanes, auctores scilicet caedis Darii, Alexandro sese obvios ferunt et professi facinus sponsionem praemii repetunt. tunc viros protinus comprehendi et quam editissimo in loco cruci suffigi iubet. quod cum praeter spem hominibus accidisset, patefecit rex dignum se suo nomine existimasse si quid de regia libertate subtraxerit, dum Dario modo ultio debita procuraretur. neque tamen hisce ipsis de periurio se reum fore, cum sublimes eos notissimosque omnibus fore edicto promiserit quos quidem facile sit visere in illo suggestu crucibus adfixos. tunc omnibus et oratio placuit et regis benignitas comprobata est. Vgl. auch Alexandreis, VII und VIII; zum Tod der Mörder durch Kreuzigung: VIII,354 f.; so auch Vinzenz von Beauvais, Spec. hist., 1624, IV,44, S. 129, beide jedoch ohne Nennung des Grabes des Darius. Die andere wichtige Alexander-Tradition des Mittelalters (Leo von Neapel) kennt die Köpfung der Mörder; das Aufhängen über dem Grab des Darius, das Berchorius hier nennt, berichtet der altfranzösische Prosa-Roman: Alexandres coumanda maintenant qu’il fussent pris et loiié et mené sor la tombe Daire et illuec fussent décolé. [. . .] Apres il fist decolerBisso et Barsanes et puis les fist prendre as fourques en haut por son sairement sauver (Der altfranzösische Prosa-Alexanderroman, hg. von Hilka, 1920, S. 137f.). Eine bekannte illuminierte Handschrift dieses Werks Berlin, Kupferstich-Kabinett der Sammlungen Preußischer Kulturbesitz, 78 C 1 (spätes 13. oder frühes 14. Jh.), zeigt das auch in der Miniatur. [557] Vgl. Ov. Met. 8,14–95. [558] Vgl. Berchorius, Ov. mor. VIII,1. [559] Vgl. Ov. Met. 8,136–138, vgl. auch 155–170. [560] Eccli. 17,30: Quid lucidius sole et hic deficiet aut quid nequius excogitabit caro et sanguis et hoc arguitur. [561] Vgl. Ov. Met. 8,170–182. [562] Dia ist der alte Name für die Insel Naxos, nah an der kretischen Küste; sie ist dem Bacchus heilig; vgl. Ov. Met. 3,636 f.,690. Die Hss. und der Druck von 1509 haben hier die Insel Chios. Die Überlieferung von Ov. Met. weist auch die Lesart Chian (= Dian) auf, die hier wohl zugrunde lag; vgl. Bömer, S. 616. Zur Geschichte auch Hyginus, Fab. 43, hg. von Marshall, 1993, S. 53: Ariadne [. . .] in insula Dia dormientem reliquit [. . .]. Ariadnes autem sororem Phaedram Theseus duxit in coniugium. [563] Sievers, Die Murbacher Hymnen, Hildesheim 1974 (ND der Ausgabe Halle 1874), Hymnus XXI,6, S. 50: Cum surgit Christus tumulo, / victor redit de baratro, / tyrannum trudens vinculo / et reserens paradysum. [564] Vgl. Seneca, De beneficiis 1,1,9, hg. von Hosius, 1914, S. 3: Nam cum ita natura conparatum sit, ut altius iniuriae quam merita descendant et illa cito defluant, has tenax memoria custodiat, quid expectat, qui offendit, dum obligat? [565] Seneca, Ad Lucilium. Epistulae, hg. und übers. von Préchac – Rosenbach, 3 1989, Bd. 2, S. 440, Ep. 94,43: Ab alio exspectes alteri quod feceris.

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[566] Diese Erzählung ist nicht in den Metamorphosen enthalten; vgl. aber Myth. Vat. II,148, hg. von Kulcsár, 1987, S. 209. [567] Vgl. Ov. Met. 8,155–222. [568] Ov. Met. 8,165. [569] Diese zeitgenössische Begebenheit von 1328 erwähnt Berchorius etwas genauer in seiner Bibelauslegung zum Buch Hester: Reduct. mor., XVI,5, S. 151b: Sicut enim Parisiis ille regis thesaurarius patibulum regium, quod cum magna diligentia pro sceleratis suspendendis paraverat, ipse in propria persona encaeniavit (mit Hinweis auf Eccli. 3,27 und 27,29). Die historische Quelle dieses Ereignisses ist: Chronique latine de Guillaume de Nangis avec les continuations [. . .], Nouvelle édition, hg. von Géraud, Bd. 2, 1843, a. 1327, S. 85: Circa fere idem tempus captus est Petrus Remigii principalis thesaurarius Karoli regis ultimo defuncti. Nam cum accusatus esset a multis super multimoda infideli dispensatione bonorum regalium pluriumque mobilium et immobilium, ita ut nonnulli et magni assererent valorem bonorum suorum ultra duodecim et amplius centum millia libras ascendere mirabili depauperatione, cumque haberet thesaurum innumerabilem, et requisitus esset de villicationis suæ sibi commissæ reddenda ratione, cum non haberet quid convenienter responderet, adjudicatus est ad suspendendum. Qui cum esset ad patibulum juxta Parisius, confessus est proditionem fecisse regi et regno in Vasconia. Unde et propter hanc confessionem, ad caudam quadrigæ quæ eum ad patibulum portaverat applicatus, statim de parvo patibulo usque ad magnum patibulum, quod ipse novum fieri fecerat, modumque faciendi et ordinem cum magna, ut dicitur, diligentia operariis tradiderat, trahitur, et primus ibidem suspenditur. Justum enim judicium est, laborantem de laborum suorum fructibus aliquid percipere. Suspensus est autem vigesima quinta die aprilis, quæ fuit dies beati Marci evangelistæ, quod fuit anno Mcccxxviii licet ejus captio fuisset anno xxvii aliquantulum post mortem Karoli regis. – Vgl. die Phalaris-Geschichte bei Berchorius, Ov. mor. VIII,1. [570] Vgl. Ov. Met. 8,183–235. [571] Dieses Zitat setzt sich aus zwei Ovid-Stellen zusammen: Aus der Daedalus-undIcarus-Erzählung ist der erste Teil entnommen (Ov. Met. 8.206: inter utrumque vola), aus der Phaethon-Erzählung der zweite Teil (Ov. Met. 2,137: medio tutissimus ibis). Vgl. auch Johannes Pauli, Schimpf und Ernst, 2014: Icare, nate, bibis, iam nunc sine patre peribis. / Iam tibi dixi bis: medio tutissime ibis. [572] Der Druck 1509 sagt: Unde Ovid. alibi. Vgl. Ov. Trist. III,4,21 f.: Qui fuit, ut tutas agitaret Daedalus alas, / Icarus inmensas nomine signet aquas?; ebd. Trist. I,1,90: Dum petit infirmis nimium sublimia pennis / Icarus, aequoreis nomina fecit aquis; s. auch Ov. Met. 8,235: [. . .] et tellus a nomine dicta sepulti. Vgl. auch unten in Anm. 577 Servius, Ad Aen. VI,14. [573] 3. Reg. 12,10; diesen hier verkürzten und etwas schwierigen Vers versteht Berchorius, Repert. mor., S. 58 f. im Artikel ›Digitus‹ positiv als digitus correctionis et justitiae, den der Gerechte gegen die Bösen gebraucht. [574] Vgl. Graziolo Bambaglioli, Il Commento all’ inferno, hg. von Rossi, 1998, S. 129: Ycare, nate, bibis: tu sine patre peribis / quod tibi dixi bis ›medio tutissimus ibis‹. / O cari nati, memores estote parati / iussa paterna pati, medium tenuere beati.

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[575] Boethius, The Two Natures of Christ, in: Tractates and Consolation, hg. von Stewart – Rand, 1918, S. 120: Omnis enim virtus in medio rerum decore locata consistit, siquidem vel ultra, vel infra quam oportuit fiat, a virtute disceditur: medietatem igitur virtus tenet. [576] Vgl. Ov. Met. 8,236–259. [577] Zum Rebhuhn und seinen Eigenschaften, die Berchorius hier nutzt: Ov. Met. 8,256– 258: non tamen haec alte volucris sua corpora tollit / nec facit in ramis altoque cacumine nidos; / praeter humum volitat; vgl. auch Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XII,30, S. 545: Est autem perdix [. . .] ideo debilis volatus, et in volando parum a terra se erigit, sed statim post paululum terram petit etc. Viele negative Bedeutungen des Vogels finden sich bei Berchorius, Reduct. mor., VII,59, S. 210 f. [578] Berchorius spielt hier an auf Vergil, Aen. 6,14–19 und 30–33: auf den Aufenthalt des Daedalus in Cumae und seine Bilder am Apollotempel, wo es zu Icarus heißt: Tu quoque magnam / partem opere in tanto, sineret dolor, Icare, haberes. / bis conatus erat casus effingere in auro, / bis patriae cecidere manus; vgl. dazu Servius, Comm., hg. von Thilo – Hagen, 2 1986, Bd. 2, S. 7, Ad Aen. VI,14: Icarus altiora petens [. . .] pennis solis calore resolutis mari in quod cecidit nomen Icarium inposuit. Daedalus [. . .] delatus est Cumae et templo Apollini condito sacratisque ei alis in foribus haec universa depinxit. [579] Dies scheint eine Ad-hoc-Etymologie zu sein; Isidor, Et. XII,7,63 (wie dann auch Bartholomaeus Anglicus) sagt: Perdix de voce nomen habet. [580] [Ps.-]Seneca, De remed. fort. 10,1–2 und 113, hg. von Haase, 1886, S. 451 und 453. [581] Is. 33,1: Vae, qui praedaris nonne et ipse praedaberis et qui spernis nonne et ipse sperneris, cum consummaveris depraedationem depraedaberis, cum fatigatus desieris contemnere contemneris. [582] Vgl. Ov. Met. 8,260–546; Myth. Vat. I,143 und II,167, hg. von Kulcsár, 1987, S. 59 und 227 f.; Hygin, Fab. 171 f., 174, hg. von Marshall, 1993, S. 143–146. [583] Vgl. Ov. Met. 8,454 f. [584] Ov. Met. 8,483 f. [585] Plinius, Nat. hist. X,74: Auctores sunt omnibus annis advolare Ilium ex Aethiopia aves et confligere ad Memnonis tumulum, quas ob id Memnonidas vocant. hoc idem quinto quoque anno facere eas in Aethiopia circa regiam Memnonis, exploratum sibi Cremutius tradit. simili modo pugnant Meleagrides in Boeotia. [586] Apoc. 12,14: Datae sunt mulieri alae duae aquilae magnae, ut volaret in desertum in locum suum, ubi alitur per tempus et tempora, et dimidium temporis a facie serpentis. [587] Zu diesen Kräften der anima sensitiva (vis naturalis, vitalis, animalis) z. B. Alcher von Clairvaux (?), De spiritu et anima, PL 40, Sp. 779–832; Norpoth, Der pseudo-augustinische Traktat De spiritu et anima, 1971; Merz, De spiritu et anima, 2003, S. 203. – Bonaventura, Collationes in Hexaemeron, hg. von Delorme, 1963, S. 7 f. (cor, a quo egreditur spiritus animalis, vitalis, naturalis). [588] Das humidum radicale, eine Bedingung des Lebens wie die Wärme, ist ein physikalisch-medizinisches Konzept aus der Antike, das durch die Vermittlung von Avicennas ›Canon‹ (z.B. an der Universität von Montpellier) in der westlichen Medizin die

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Vorstellung von Leben, Altern und Tod beeinflusst (zahlreiche Belege bei Raimundus Lullus, Thomas Migerius, Thomas von Aquin, Laurentius a Brundisio u. a.); dazu MacVaugh, The ›humidum radicale‹ in thirteenth-century medicine, 1974, S. 259–289. [589] Vgl. Ov. Met. 8,611–724. [590] Vgl. Gen. 19,23–28, bes. 28 f. [591] Is. 54,10 f.: Montes enim commovebuntur et colles contremescent; misericordia autem mea non recedet et foedus pacis meae non movebitur, dixit miserator tuus Dominus. Paupercula tempestate convulsa absque ulla consolatione, ecce ego sternam per ordinem lapides tuos (et fundabo te in sapphyris). [592] Vgl. Ov. Met. 8,728–878. [593] Ov. Met. 3,466. [594] Vgl. Ov. Met. 8,730–739; 852–874 und 879–882. [595] In Ep folgt hier noch ein Abschnitt mit Ovid-Zitaten.

Liber/ Buch 9 [596] Ov. Met. 9,1. [597] Vgl. Ov. Met. 9,1–88. [598] Berchorius, Ov. mor. VIII,9. [599] Die Reihe der folgenden Hercules-Geschichten hat eine Hauptquelle in Myth. Vat. III,13, 1–8; s. ferner Myth. Vat. I,38 und 47–69 sowie II,171–193, hg. von Kulcsár, 1987, S. 18, 23 ff. und 231 ff. [600] Christologische Deutungen des rhinoceros, ›belegt‹ durch Num. 23,22 und Deut. 33,17, finden sich im Tierbuch des Berchorius, Reduct. mor., X,85, S. 396 f., hier 396b; zur Deutung des starken Einhorns auf Christus Einhorn, Spiritalis Unicornis, 1976, S. 47 ff. u.ö. (zum Physiologus Nr. 22; Gregor, Moralia u.a.). [601] Vgl. Ov. Met. 9,101–272. [602] Dieses Exempel von den zwei vergifteten Äbten ist wohl aus einer Exempelsammlung entnommen; bislang kann ich es nur nachweisen in einer Soester Handschrift, die mehrere solcher Exempel mit verschiedenen Händen im Kontext von verwandten Texten (Caesarius von Heisterbach, Jacob von Vitry und Johannes Gobii Junior) enthält: Wissenschaftliche Stadtbibliothek Soest, Cod. 13, fol. 160v; zur Hs. von 1430–35 Michael, Die mittelalterlichen Handschriften der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Soest, 1990, S. 99– 102, hier. S. 101. [603] Eccli. 27,30: Facienti nequissimum consilium super ipsum devolvetur, et non agnoscet, unde adveniat illi. [604] Vgl. Ov. Met. 9,211–229. [605] Vgl. Ov. Met. 9,124; 4,461; 10,42; 12,504–506; Fulgentius, Mit. II,14, S. 55; Hygin, Fab. 33–36, hg. von Marshall, 1993, S. 47–49. [606] Vgl. Myth. Vat. III,4,6, S. 167: Ixion Iunonis coniugium petiit; illa nubem in speciem suam ornavit, cum qua Ixion coiens Centauros genuit.

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[607] In den mythologischen Quellen gibt es andere Etymologien, z.B. bei Fulgentius, Mit. II,14, S. 56 (centum armati), ebenso Myth. Vat. III,4,6; Berchorius bildet seine Etymologie wohl aus der Geschichte. [608] Vgl. Myth. Vat. III,4,5, S. 167: Iunonem nihilominus divitiarum quoque asseruit dominam; unde et cum sceptro eam depingunt, quod divitiae regnis sint proximae. [609] Es ist bemerkenswert, dass schon Plutarch in seinen ›Lebensbeschreibungen‹ die Bedeutung ›Ruhmsucht‹ für Ixion erwägt (am Beginn der Viten von Agis und Kleomenes): ›Nicht ohne guten Grund vermuten manche, dass die Sage von Ixion, der statt der Hera Nephele, die Wolke, umarmte, woraus die Kentauren entsprungen seien, auf Ruhmsüchtige gemünzt sei. Denn auch diese hängen wie einem Trugbild der wahren Tugend dem Ruhm nach und bringen nichts Echtes von anerkanntem Wert, sondern nur viel Unechtes, aus Gutem und Bösem Gemischtes zustande‹ (Plutarch, Große Griechen und Römer, übertr. von Ziegler, 1965, Bd. 6, S. 175). [610] Vgl. Berchorius, Reduct. mor., X,33, S. 357a, aus dem Artikel über das Pferd: Nota, quod dicit Avic. l. 5. quod equi super omnia animalia fervent ad coitum. Sic luxuriosi non possunt satiari etc., nach Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XVIII,38, S. 1057 (mit Verweis auf Aristoteles, De animalibus). [611] Die zweite Hälfte dieses Abschnitts gehört in den Hss. LLo1Lo2Pa8V2V4Tr und Ep zum vorigen Abschnitt, in GB erhält Juno eine neue Deutung, während die Auslegung von Ixion und den Centauren dieselbe bleibt. [612] Vgl. Ov. Met. 9,176–199, bes. 184 f. und 192 f. [613] Vgl. Ov. Met. 9,197. [614] Vgl. Berchorius, Reduct. mor., X,57, S. 376: Item isti [sc. leones] habent anhelitum foetidum et infectivum per malam suggestionem etc. [615] Vgl. Lev. 1,1–6. [616] Vgl. Ov. Met. 9,190 und 198. [617] Zu Gold = Weisheit vgl. Meier – Suntrup, Lexikon der Farbenbedeutungen, s.v. aureus, mit der verbreiteten Deutung auf Weisheit. [618] Zu den Hesperiden vgl. Myth. Vat. III,13,5: De hoc figmento subtilius sentit Fulgentius. Quattuor enim, ait, Hesperides dicuntur Aegle, Hesperis, Medusa et Phaethusa, quas nos Latine studium, intellectum, memoriam et facundiam dicimus. De horum horto aurea mala tollit Hercules, quia per has ad philosophiam pervenitur, etc.; vgl. Fulgentius, Continentia, hg. von Helm – Préaux, 2 1970, S. 97. [619] Vgl. Myth. Vat. III,13,4 f.: Docuit enim Atlas Herculem astronomiam. Unde et fingitur Hercules caelum sustinuisse ab Atlante susceptum, propter caeli videlicet scientiam traditam. Constat enim Herculem fuisse philosophum etc. [620] Vgl. Ov. Met. 9,184 f. [621] Vgl. Ov. Met. 9,184 f.: pastoris Hiberi / forma triplex. [622] Vgl. Myth. Vat. III,13,6. [623] Vgl. Apoc. 13,1: Et vidi de mari bestiam ascendentem habentem capita septem et cornua decem etc.

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[624] 1. Cor. 11,21: Unusquisque enim suam coenam praesumit ad manducandum. Et alius quidem esurit, alius autem ebrius est. [625] Vgl. Ov. Met. 9,194–196. [626] Zu Busiris vgl. Ov. Met. IX,183. Vgl. Hygin, Fab. 31 und 56, hg. von Marshall, 1997, S. 45 f. und 60 sowie Myth. Vat. I,65, hg. von Kulcsár, 1987, S. 29 und Myth. Vat. II,180, ebd. S. 238. [627] Seneca, Ad Lucilium. Epistulae, hg. und übers. von Préchac – Rosenbach, 3 1989, Bd. 2, S. 440, Ep. 94,43: Ab alio expectes alteri quod feceris. Vgl. Anm. 565 oben. [628] Lc. 11,21: Cum fortis armatus custodit atrium suum, in pace sunt ea, quae possidet, etc. [629] Vgl. Ov. Met. 9,192 f. [630] Die lernäische Schlange Hydra hielt sich in den Sümpfen von Lerna in der Argolis auf. Deren wie auch des Cerberus Mutter war Echidna; auf deren Namen spielen wohl unsere Handschriften an (wenngleich mit verderbten Namenformen), der Druck nennt dagegen den Sumpf Lerna. Ov. Met. 4,501 hat Echidna auch für die lernäische Schlange; vgl. ebd. 9,69.138 Lernaea echidna. [631] Ex. 1,12: Quantoque opprimebant eos, tanto magis multiplicabantur et crescebant. [632] Vgl. Ov. Met. 9,183 f. [633] Vgl. Myth. Vat. III,13,2 zum Kampf zwischen Hercules und Anteus (filius Terrae). [634] Das Zitat ist nicht biblisch, vgl. aber z.B. Cassiodorus Vivariensis Incertus, Expositio in Cantica Canticorum Cap. 1, PL 70, Sp. 1057BC: Bene autem feminino genere dicuntur: quia animae sanctorum, quo majoris fragilitatis sibi consciae sunt, eo amplius Christum diligunt. [635] Das Zitat ist bei Bernhard und Ps.-Bernhard nicht nachweisbar, der Gedanke ist jedoch verbreitet nach 2. Cor. 12; vgl. aber z.B. Ps.-Rufin, In Psalmos LXXV Commentarius, PL 21, Sp. 669B: Magna est utilitas servo Dei propriam infirmitatem recognoscere atque in suis viribus aut meritis nullam fiduciam habere. Tunc enim incipit adesse virtus divina, quando deficere incipit praesumptio humana; dazu zitiert 2. Cor. 12,9; vgl. auch Hraban, Comm. in libros IV Regum, PL 109, Sp. 127A: [. . .] ut ergo ea firmitatis dona habeat, et infirmitatem suam humiliter agnoscat; und 1276B: Confitere ergo infirmitatem, qui pervenire vis ad firmitatem; Richard von St. Victor, De statu interioris hominis, PL 196, Sp. 1146A: O quanta tunc erit hominis firmitas, o quanta est interim ejus infirmitas. [636] Myth. Vat. III,13,2 hat eine andere Etymologie (Graece antíon contrarium dicitur); Berchorius wählt eine Expositio-Etymologie, für die er auch das h von theus braucht. [637] Zu dieser Fabel und ihrer Deutung verweist die Hs. aus Treviso Tr (mit Zitat des Incipits) auf die entsprechende Predigt Augustins (s. App.), d. h. richtig auf Maximus von Turin, Sermones de tempore, Sermo 36, De eadem Paschalis solemnitate VIII, PL 57, Sp. 605B, 608AB: Non minus etiam nunc laetari debemus, fratres, quam hesterno laetati sumus [. . .] Refert autem et traditio saecularium litterarum hoc, quemdam in exercitio usque certaminis habuisse hoc genus virtutis ac roboris, ut quoties virium suarum amicam et nutricem terram impulsu adversarii contigisset, de solo surgens magis ac magis in adversarium praevaleret,

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ac sic dejectio prostrati, occasio fiebat triumphi. Dabat enim ei quodammodo infirmitas fortitudinem, lapsus palmam, ruina victoriam. Puto haec illi coelesti athletae, qui contra Jacob legitur fuisse luctatus, totum hoc illi justius aptari posse; aestimo haec illius personae verius convenire. Quia cum tempore in arena mundi cum publico hoste conflixit, qui ad hoc gessit, ut gloriosius surgeret, ad hoc cecidit, ut omnes levaret, qui adversarium effusus obruit, prostratus elisit, jacentemque hominem dejectus erexit, mortemque ei dum succumberet, perculit, ac mortuum, dum resurgeret, suscitavit. [638] Gemeint ist der Riese und Hirte Cacus; diese Erzählung steht nicht in den Metamorphosen. Vgl. Ovid, Fasti I,543–578; Livius, Ab urbe condita 1,7,5–7; Vergil, Aen. 8,185– 267. [639] Ps. 9,4: In convertendo inimicum meum retrorsum infirmabuntur et peribunt a facie tua. Vgl. auch Ps. 26,2. [640] Vgl. Ov. Met. 9,273–323. [641] Bei Ovid ist es Lucina, die die Geburt verhindert, da sie von Iuno bestochen wurde, vgl. Ov. Met. IX,292–301. [642] Vgl. Ov. Met. 9,323. [643] Die Einschränkung auf den Fabelbereich für die Geburtsart des Wiesels ist veranlasst durch die naturkundlichen Quellen: z.B. Bartholomaeus Anglicus, De propr. rer., XVIII,72, S. 1093: Falsa autem est illorum opinio, qui dicunt eam ore concipere et aure partum effundere; danach auch Berchorius, Reduct. mor., X,69, S. 386a. Zur Feindschaft zwischen Wiesel und Basilisk und der Überlegenheit des Wiesels Bartholomaeus, ebd. XVIII,15, S. 1023 f.; Berchorius, ebd. X,13, S. 332 f. mit heilsgeschichtlicher und moralischer Deutung. [644] Vgl. Ov. Met. 9,403–417, bes. 407 f. und 415–417. Zur komplizierten Geschichte, die hier nur in Teilen berichtet wird, von Albrecht, Metamorphosen-Übersetzung, S. 872f. Callirhoe, die zweite Ehefrau des Alcmaeon und Tochter des Flussgottes Achelous, bat Jupiter, ihre Söhne frühzeitig erwachsen werden zu lassen, um den Mord an Alcmaeon rächen zu können. [645] Es handelt sich um das von Vulcan geschmiedete Halsband seiner Stieftochter Harmonia, der Tochter des Mars und der Venus. Mit dem Halsband bestach Polyneikes (im Kampf um Theben) Eriphyle, die Tochter des Talaus und der Lysimache, Ehefrau des Sehers Amphiaraus und Mutter von Alcmaeon und Amphilochus. [646] Vgl. zu Amphiaraus, Eriphyle und Alcmaeon auch Hygin, Fab. 73, hg. von Marshall, 1993, S. 73. [647] Vgl. Ov. Met. 9,324–393. [648] Vgl. Ov. Met. 9,377–379. [649] Vgl. Ov. Met. 9,397–401. [650] Vgl. Ov. Met. 9,421 f. [651] Zur Verwandlung des Titonus in eine Zikade vgl. Myth. Vat. II,136, 221, hg. von Kulcsár, 1987, S. 36 f. und 260. Berchorius deutet vor allem den ›Gesang‹ des kleinen Tieres auf die Prediger: Reduct. mor., VII,18, S. 184.

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[652] Vgl. Ov. Met. 9,433–441. [653] Vgl. Ov. Met. 9,450–665. [654] Vgl. Ov. Met. 9,666–797. [655] Ov. Met. 9,794. [656] Ex. 2,15–22.

Liber/ Buch 10 [657] Ov. Met. 10,1. [658] Vgl. Ov. Met. 10,1–75. [659] Was Berchorius hier über das prälapsale Verhältnis des Menschen zu Gott und seiner Liebe sagt, beschreibt Thomas von Aquin mit demselben Begriff praerogativa für den durch Gnade wiederhergestellten Menschen: Summa contra gentiles, III, hg. und übers. von Allgaier – Gerken, 1996, S. 328, Cap. 150: [. . .] Sed specialis ratio divinae dilectionis ad illos consideratur quibus auxilium praebet ad hoc quod consequantur bonum quod ordinem naturae eorum excedit, scilicet perfectam fruitionem non alicuius boni creati, sed sui ipsius. Hoc igitur auxilium convenienter gratia dicitur, non solum quia gratis datur, ut ostensum est: sed etiam quia hoc auxilio homo speciali quadam praerogativa redditur Deo gratus. Unde et apostolus dicit, Ephes. 1,5 ›Praedestinavit nos in adoptionem filiorum, secundum propositum voluntatis suae, in laudem gloriae gratiae suae, in qua gratificavit nos in dilecto Filio suo.‹ [660] Prov. 26,11: Sicut canis, qui revertitur ad vomitum suum, sic imprudens qui iterat stultitiam suam; 2. Petr. 2,22: Contingit enim eis illud veri proverbii: Canis reversus ad suum vomitum, et sus lota in volutabro luti. [661] Ioh. 12,25: Qui amat animam suam, perdet eam; et qui odit animam suam in hoc mundo, in vitam aeternam custodit eam. Wie die Bibelstelle nutzt der Exeget hier den Doppelsinn von anima, das kreatürliche, sinnenverhaftete und das ewige, geistig-unvergängliche Leben; vgl. Alan von Lille, Distinct., PL 210, Sp. 700AB: [Anima] dicitur etiam vita per causam, quia anima est causa vitae, ut in Evangelio: ›Qui odit animam suam in hoc mundo‹, id est qui non curat de vita temporali intuitu Dei, consequitur vitam aeternam. [662] Vgl. Ov. Met. 10,76–82 und 11,1–84. Der Tod des Orpheus, bei Ovid am Anfang von Buch 11, wird hier angefügt, so dass die folgenden Fabeln auch nicht wie bei Ovid den Inhalt seines Gesanges bilden. [663] Bei Ovid verwandelt Apoll die Schlange in Stein (vgl. Ov. Met. 11,56–60). Dazu Berchorius, Ov. mor. VII,9. [664] Vgl. Ov. Met. 10,65–67. Zu Versteinerungen vgl. auch die Medusa-Erzählung (Ov. mor. IV,10). [665] Vgl. Ov. Met. 15,389 f. und s. auch Berchorius, Ov. mor. XV,1. [666] Sap. 2,15; durch Laster wie avaritia, invidia oder luxuria wird das Sehen, d. h. das richtige Urteil wie durch eine Brechung des Glases verfälscht: dazu Berchorius, Repert. mor., S. 200 im umfangreichen Artikel zu ›Videre‹: Sic vere charissimi, quando visus recti

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iudicii per aliquid delectabile frangitur tunc veritas cognitionis impeditur. [. . .] Dicunt enim invidi illud Sap. 2: Gravis est nobis ad videndum etc. [667] Ov. Met. 10,68–71. Die Fabel fehlt in G, ist aber vorhanden in LLo1Lo2Pa8V2V4BTrEp. [668] Vgl. Alan von Lille, Distinct., PL 210, Sp. 827: Lactare, proprie, delicate nutrire, unde in Parabolis: ›Lacta filium, et paventem te faciet.‹ [669] Vgl. Ov. Met. 10,103–105; Myth. Vat. III,2,2. [670] Die Pinie (hier nicht die Fichte) behandelt Berchorius ausführlich mit verschiedenen Eigenschaften, wie sie auch hier in der Deutung gebraucht werden (vor allem die Höhe und den Saft des Baumes), und bringt zahlreiche positive und negative Auslegungen: Reduct. mor., XII,117, S. 511 f.: Pinus est arbor magna, recta, levis [. . .] hieme et aestate habet folia virida etc.; zum Saft, den der Baum abgibt (ebd.): Pinus exterius habet durum corticem [. . .], interius autem humorem pinguam. Vgl. auch Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., Lib. XVII, hg. von Ventura, 2007, Cap. 121, S. 179–182 (ebenfalls mit zahlreichen Deutungen in den Randnoten). [671] Vgl. Ov. Met. 10,106–143. [672] Dies sagt die naturkundliche Tradition: die Zypresse ist immergrün, duftend, fest und unverweslich, sie ist daher auch geeignet für den Holzstoß eines Begräbnisses, ihr Wohlgeruch übertönt den Leichengeruch; vgl. Berchorius, Reduct. mor., XII,23, S. 476 (z. T. nach Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., Lib. XVII, hg. von Ventura, 2007, Cap. 24, S. 55–57 mit Deutungen in den Randnoten). [673] Ov. Met. 10,142. [674] Vgl. Ov. Met. 10,155–161; Myth. Vat. III,3,5 und 15,11; Berchorius, Ov. mor., De formis figurisque deorum, Cap. 2. [675] Der Adler ist das Symbol des Evangelisten Johannes. Die hier angesprochene herausgehobene Position dieses Evangelisten in der Erkenntnis des Himmlischen und der erhabenen Rede darüber wird in der mittelalterlichen Tradition insbesondere von dem Werk des Johannes Scotus Eriugena zum Prolog des Johannes-Evangeliums begründet: Jean Scot, Homélie sur le Prologue de Jean, hg. von Jeauneau, 1969, der S. 200 ff. einsetzt mit: Vox spiritualis aquilae [. . .]; uox altiuoli uolatilis, non aera corporeum uel aethera uel totius sensibilis mundi ambitum superuolitantis, sed omnem theoriam ultra omnia quae sunt et quae non sunt, citiuolis intimae theologiae pennis, clarissimae superaeque contemplationis obtutibus transcendentis etc. [676] Vgl. Ov. Met. 10,162–219. [677] Die Hyazinthe ist wie der Edelstein gleichen Namens von der Farbe des Himmels und des Purpurs; schon die Naturkunde weist auf diese Geschichte hin: Isidor, Et. XVII,9,15; Berchorius, Reduct. mor., XII,81, S. 494 f.: Nomen accepit a quodam iuvene sic dicto (anima quae est coelestis coloris). [678] Diese Auslegung der Fabel steht in LLo1Lo2V2V4BEp als erste Deutung bei der Cerasten-Erzählung: s. Anm. 681. [679] Vgl. Ov. Met. 10,220–237.

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[680] Bei Ovid (10,224 f.) ist es Jupiter Hospes, auf dessen Altar die Fremden geopfert wurden. [681] Die Cerasten sind eine gehörnte Völkerschaft auf Zypern; die Etymologie ihres Namens wird bei der Schlange cerastes gebracht, z. B. Isidor, Et. XII,4,18: Cerastes serpens dictus, eo quod in capite cornua habeat similia arietum; kérata Graeci cornua vocant. [682] Dies ist in LLo1Lo2V2V4BEp die zweite Deutung nach der Hyazinth-Auslegung: dazu oben Anm. 677. Der Text der folgenden Deutungen weicht in V2V4 geringfügig von der Version in Gotha ab. [683] Zu den Propoetiden Ov. Met. 10,221.238. [684] Vgl. Ov. Met. 10,243–297. [685] Die Propoetiden, sich prostituierende Frauen von Zypern, wie die Cerasten und Pygmalion, Bildhauer von Zypern, der in dieser Geschichte die Hauptfigur ist, sie alle sind nicht nur durch die Insel und ihren berühmten Venustempel verbunden, sondern es wird auch ein Gegensatz zwischen der Venus-Strafe der sie Verachtenden und dem Venus-Lohn für den sie Ehrenden aufgemacht: Er wird konkretisiert in der Versteinerung einerseits und der Vermenschlichung des Steins andererseits. [686] Eccli. 9,8 f.: Averte faciem tuam a muliere compta et non circumspicias speciem alienam, propter speciem mulieris multi perierunt et ex hoc concupiscentia quasi ignis exardescit. [687] Vgl. Ov. Met. 10,298–514. [688] Die vier Auslegungen der Myrrhe, zwei ad malam und zwei ad bonam partem, nutzen die wichtigsten Eigenschaften der Pflanze aus der Botanik: die Bitterkeit, in gutem und schlechtem Sinn, den heilenden Saft (liquor medicinalis) und den süßen Wohlgeruch; vgl. Berchorius, Reduct. mor., XII,98, S. 501. [689] Cant. 5,5: Manus meae stillaverunt myrrham, et digiti mei pleni myrrha probatissima. [690] Eccli. 24,20; zur Myrrhe und ihrer Bitterkeit wie ihrer Heilkraft Berchorius, Reduct. mor., XII,98, S. 501, auch zu diesem Bibelvers: Septem sunt myrrhae species, omnes tamen sunt animae medicinales, licet amarae. Sic tribulationes mundi etc. [691] Is. 7,14: Ecce virgo concipiet et pariet filium. Et vocabitur nomen eius Emmanuel. Die mariologisch-christologische Deutung dieses Verses ist omnipräsent. [692] Vgl. Num. 17,2–8, bes. 8. [693] Vgl. Ov. Met. 10,519–559 und 708–739. [694] Ov. Met. 10,544. [695] Die Blume Adonium (Adonisröschen) ist auch Plinius bekannt (Nat. hist. XXI,60), nicht aber Berchorius in seinem Pflanzenbuch. Adonis kommt auch in der Bibel vor, in Ez. 8,14, was Berchorius hier anzitiert, aber suggestiv in den Venus-Zusammenhang stellt. Hieronymus hatte dazu ausführlich und mit Bezug auf die Adonis-Fabel und die Venus-Verehrung auf Zypern Stellung genommen in: Comm. in Hiezech. III,8, hg. von Glorie, 1964, S. 99: Unde, quia iuxta gentilem fabulam in mense iulio amasius Veneris et pulcherrimus iuuenis occisus et deinceps reuixisse narratur, eundem iulium mensem eodem appellant nomine et anniuersariam ei celebrant solemnitatem, in qua plangitur a mulieribus quasi

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mortuus, et postea reuiuiscens canitur atque laudatur. consequenter que postquam principes et seniores domus israel quid fecerint in templo ac tenebris cubiculis que monstratum est, etiam mulierum uitia describuntur quae plangunt, amatorum societate priuatae, et exsultant si eos potuerint obtinere. et quia eadem gentilitas huiuscemodi fabulas poetarum, quae habent turpitudinem, interpretatur subtiliter, interfectionem et resurrectionem Adonidis planctu et gaudio prosequens, quorum alterum in seminibus quae moriuntur in terra, alterum in segetibus quibus mortua semina renascuntur, ostendi putat, nos quoque eos, qui ad saeculi mala et bona uel contristantur uel exsultant, mulieres appellemus, molli et effeminato animo, dicamus que plangere eos ›thamuz‹, ea uidelicet quae in rebus mundi putantur esse pulcherrima. [696] Die leichte Vergänglichkeit hat die Adonisblume mit der Anemone gemein (Windröschen, griech. ánemos ›Wind‹), an die Ovid hier bei der Namenerklärung offenbar denkt (Ov. Met. 10,735–739). [697] Vgl. Ov. Met. 10,560–707: Die Atalante-Geschichte wird bei Ovid als eingeschobene Erzählung der Venus in den Mund gelegt. [698] Zu Schoeneus, dem König von Böotien und Vater Atalantes, vgl. Myth. Vat. I,39 und II,59, hg. von Kulcsár, 1987, S. 18 f. und 143 f.; Schenos oder Scenos heißt hier die Stadt des Herrschers. [699] Zu dieser naturkundlichen Information Plinius, Nat. hist. VIII,42 und danach Isidor, Et. XII,2,10f.; so auch Bartholomaeus Anglicus, De prop. rer., XVIII,81 und Berchorius, Reduct. mor., X,78, S. 392: Pardus est animal libidinosum, et ideo cum leaena uxore leonis adulteratur et generat leopardum. Die Deutungen dieses Tieres sind durchaus negativ. [700] 2. Mach. 14,45: Et cum adhuc spiraret accensus animo surrexit, et cum sanguis eius magno fluxu deflueret et gravissimis vulneribus esset saucius, cursu turbam pertransiit. [701] Dazu s. oben Ov. mor. IX, Anm. 614. [702] Prov. 1,16: Pedes enim illorum ad malum currunt et festinant, ut effundant sanguinem.

Liber/ Buch 11 [703] Ov. Met. 11,1. [704] Vgl. Ov. Met. 11,85–146; Myth. Vat. III,10,8; Fulgentius, Mit. II,10, S. 50. [705] Dazu s. oben Ov. mor. X,2. [706] Vgl. Ov. Met. 11,91: ruricolae [. . .] Phryges. [707] Gemeint ist Crates von Theben, der Schüler des Kynikers Diogenes; vgl. Hieronymus, Epistulae, hg. von Hilberg, S. 529, Ep. 58,2,2 (Ad Paulinum presbyterum): Crates ille Thebanus, homo quondam ditissimus, cum ad philosophandum Athenas pergeret, magnum pondus auri abiecit nec putavit se posse et uirtutes simul et diuitias possidere etc.; vgl. auch Ders., Adv. Iovinianum. 2,9,9. [708] Vgl. Ov. Met. 11,146–193; Myth. Vat. III,10,7. [709] Paschasius Radpertus, De assumptione, hg. von Ripberger, 1985, S. 111: Si celatum esse uolebas teste conscientia, mihi narrare ante praesepium, ubi plurimum lacrimata es,

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non deberes. Der Brief ›Cogitis me‹ wurde lange Hieronymus zugeschrieben als Epist. IX (Ad Paulam et Eustochium de assumptione beatae Mariae Virginis), vgl. Ripberger, Der Pseudo-Hieronymus-Brief IX ›Cogitis me‹, 1962; s. auch Staubach, Regia sceptra sacrans, 2006, S. 91f. [710] Vgl. Ov. Met. 11,194–220. [711] Vgl. Ov. Met. 11,203f.: Mortalem induitur formam Phrygiaeque tyranno / aedificat muros pactus pro moenibus aurum; Myth. Vat. III,5,7. [712] Vgl. Ov. Met. 11,221–265. [713] Vgl. Ov. Met. 11,311–315. [714] Vgl. Ov. Met. 11,314 f.: candida de nigris et de candentibus atra / qui facere adsuerat [. . .]. Dazu auch Meier – Suntrup, Lexikon der Farbenbedeutungen, 2011, s.v. candidus, albus und niger. [715] Gott kann die Erinnerung an einen verstockten Sünder verlieren, ihn nicht mehr kennen; dazu Meier, Vergessen, Erinnern, Gedächtnis im Gott-Mensch-Bezug, 1975, S. 143ff. [716] Is. 5,20: Vae, qui dicitis malum bonum et bonum malum, ponentes tenebras lucem et lucem tenebras, ponentes amarum in dulce et dulce in amarum! [717] Ov. Met. 11,266–345; 346–409; 749–795; 413 f. [718] Vgl. Ov. Met. 11,410–748, besonders 650–748. [719] Zu diesen Eigenschaften des Eisvogels (alcyon/halcyon) z.B. Plinius, Nat. hist. X,89– 91; Berchorius, Reduct. mor., VII,6 (De halcyonibus); vgl. Harms, Der Eisvogel und die halkyonischen Tage. Zum Verhältnis von naturkundlicher Beschreibung und allegorischer Naturdeutung, 1975, S. 477–515 für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit (mit. Lit.). [720] Vgl. Ov. Met. 13,429–575; Myth. Vat. III,9,8. [721] In den Handschriften (oder bei Berchorius?) ist es anscheinend zu einer Verwechslung gekommen, die im Pariser Druck korrigiert wurde: Der Name des Königs lautet Polymestor, Polydor ist der Name des Kindes, vgl. Ov. Met. 13,430–432: [. . .] Polymestoris illic / regia dives erat, cui te commisit alendum / clam, Polydore, pater [. . .] [722] Vgl. Myth. Vat. II,253, hg. von Kulcsár, 1987, S. 282 und kurz Myth. Vat. III.9,8; s. auch Hygin, Fab. 209–211, hg. von Rose, 2 1963, S. 80f. [723] Statt der Fabula septima der Handschriften-Überlieferung (GLLo1Lo2Pa8V2V4BTr) hat Ep folgenden Text mit weitgehender Übernahme von Beschreibung und Deutung aus Robert Holcot, Super librum Sapientiae [Venedig 1509], Cap. 17, Lectio 191 [fol. 162v–163r]: Somnus habet tres filios speciales inter alios, quos numquam nisi ad reges et nobiles duces mittit. Primus vocatur Morpheus, secundus Icelus, tertius Phantasos. Morpheus habet suum officium, quod non effigiat in capite dormientis, nisi effigiem humanam cum gestu et loquela et caeteris pertinentibus ad naturam humanam. Icelus vero effigiationes creat brutorum volucrum et serpentum cum omnibus gestibus ad bestias pertinentibus, sed de humanis simulachris vel de inanimatis se nullatenus intromittit. Phantasos creat praecipue figuras inanimatorum, ut lapidum, montium vel domorum. Unde Ovidius: Excitat artificem simulatoremque figurae / Morphea. Non illo quisquam sollertius alter / Exprimit incessus vultumque sonumque loquendi. / Adiicit et vestes et consuetissima queque / Verba, sed hic

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solos homines imitatur, et alter / Fit fera, fit volucris, fit longo corpore serpens; / Hunc Icelon superi dicunt. Diversae tertius artis, / Phantasos ille in humum saxumque undamque trabemque, / Quae vacant anima fallaciter omnia transit. / Regibus hi ducibusque suos ostendere vultus / Nocte solent, populos alii plebemque pererrant. [Ov. Met. 11,634–645]. Vult Ovidius per hos tres filios Somni intelligere triplex genus sollicitudinis, quam inmittit diabolus in corda dormientium mundanorum per negligentiam vitae suae. Prima sollicitudo est circa honores et dignitates, secunda circa voluptates, tertia circa cupiditates. Primus igitur filius mittitur ad superbos, qui eis effigiat de nobilitate humana, de dignitatibus et honoribus, de pompa saeculari in vestitu, gestu, famulatu et equitatu. Et isti quatenus tales sint non curant multum de divitiis vel voluptate. Secundus filius mittitur ad libidinosos et non representat nisi ea, quae ad bruta pertinent. Dicit enim Aristoteles 3. Ethicorum, quod illa delectatio maxime vocatur exprobabilis, qua delectamur, non secundum, quod sumus homines, sed secundum, quod sumus animalia. Talibus enim gaudere et maxime ea diligere bestiale est. Iste filius creat in homine solicitudinem et curam carnis in desideriis et cibis et potibus venereis et quiete. Et isti non principaliter habent cordi honores vel divitias nisi ratio, sed tantummodo voluptatem. Tertius filius Somni mittitur ad cupidos. Iste facit hominem cogitativum circa inanimata maxime circa aurum, argentum et terrae mineras, quia si circa oves et boves sollicitatur hominem secundario, inquantum scilicet per talia est pecunia acquirenda. Et hi omnes per regem Somnum, id est peccatum, reguntur et mittuntur, Rom. 5,14: Regnavit mors ab Adam usque ad Moysen. Et iste somnus divitiarum, voluptatum et honorum vertetur finaliter in paupertatem, vilitatem et miseriam, unde Ps. 75,6: Dormierunt somnum suum, et nihil invenerunt omnes viri divitiarum in manibus suis. Et Prov. 20,13: Noli diligere somnum, ne te egestas opprimat. Hanc autem somniorum expositionem ponit Magister Robertus Holcot [Holcous Ep] lectione 192 circa finem. Anfang des 16. Jh.s ist das mythenreiche Werk Holcots also in Paris angekommen. Vgl. Robert Holcot, Super libros Sapientiae, Hagenau 1494, ND Frankfurt 1974; dazu Slotemaker – Witt, Robert Holcot, 2016, S. 162 ff.; Chance, Medieval Mythography, Bd. 2, 2000, S. 257 f.

Liber/ Buch 12 [724] Ov. Met. 12,1. [725] Diese Erzählung steht nicht in den Metamorphosen; aber s. Anm. 726. [726] Ovid, Heroides, 16,43 ff.; Hygin, Fab. 91, hg. von Marshall, 1993, S. 85; Dictys Cret., Bellum Troianum, III,26, hg. von Eisenhut, 2 1973, S. 68; dazu Eisenhut, Spätantike Trojaerzählungen, 1983. [727] Seneca, De beneficiis II,5,3, hg. von Préchac – Rosenbach, 1989, S. 150: Misericordiae genus est cito occidere; vgl. auch Seneca, De ira I,16,3, hg. von Bourgery – Waltz – Rosenbach, 1993, S. 130: Interim optimum misericordiae genus est occidere; Thomas von Aquin, Super II Ad Corinthios reportatio 11,1: Aliquando tamen necesse est malos occidere. [728] Deut. 25,1. – Vulgata: iustitiae statt victoriae: Si fuerit causa inter aliquos et interpellaverint iudices: quem iustum esse perspexerint, illi iustitiae palmam dabunt. [729] Diese Erzählung steht nicht in den Metamorphosen. Vgl. Hygin, Fab. 92, hg. von Marshall, 1993, S. 85 f.; Fulgentius, Mit. II,1, S. 36 f.; Myth. Vat. III,11,20.

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[730] Zum Parisurteil vgl. Excidium Troiae, hg. von Atwood – Whitaker, 1944, S. 3–5, bes. S. 3: Discordia vero, dea litis, ad ipsas nuptias vocata non est. Hec, dolore ducta, malum aureum subornavit, in quo scripsit: ›pulchriori dee donum.‹ etc.; vgl. Compendium historiae Troianae-Romanae, hg. von Simonsfeld, 1886, S. 239–251, hier 243 (Pulcriori debetur). [731] Über die Geschichte und ihre allegorischen Deutungen im Mittelalter handelt Ehrhart, The Judgment of the Trojan Prince Paris, 1987; zu Berchorius ebd. S. 94–102. [732] Die Auslegungen sind hier von Fulgentius, Mit. II,1, S. 36–40 sowie von Myth. Vat. III,11,23 angeregt. [733] Vgl. Ov. Met. 12,24–38. [734] Vgl. Ov. Met. 12,64–145. [735] Iob 41,19f. [736] Zum Schwan Berchorius, Reduct. mor., VII, 24, S. 189–190: die weiße Farbe des Vogels bedeutet die Reinheit (castitas), z. B. des Prälaten. [737] Vgl. Ov. Met. 12,168–209; Myth. Vat. III,6,25. In Ep ist diese Fabel nicht selbständig, sondern schließt unmittelbar an die Cygnus-Erzählung an. [738] Vgl. Ov. Met. 12,210–244 und 459–535; Myth. Vat. III,6,25; Myth. Vat. II,130, hg. von Kulcsár, 1987, S. 196. [739] Vgl. Berchorius, Ov. mor. IX,4. [740] Vgl. Ov. Met. 12,67–69; Ov. Her. 13,93–96; Hygin, Fab. 103 f., hg. von Marshall, 1993, S. 94f. [741] Diese Erzählung steht nicht in den ›Metamorphosen‹. Die Opferung und göttliche Rettung vollzieht sich wie die der Iphigenie. Vgl. Ps.-Plutarch, Parallela minora (Parallela Graeca et Romana), Cap. 35 (= Moralia 314c), hg. von Babbit, Bd. 4, S. 306 f.: Die zur Abwehr der Pest in Sparta als Opfer ausgeloste Helena wird durch einen Adler gerettet. – Plutarch war im Abendland zur Zeit des Berchorius wohl noch nicht verfügbar; vgl. Di Stefano, La découverte de Plutarque en occident. Aspects de la vie intellectuelle en Avignon au XIVe siècle, 1968; Weiss, Medieval and Humanist Greek, 1977, S. 204–226 ›Lo studio di Plutarco nel Trecento‹. [742] Vgl. Berchorius, Ov. mor. VII,13 und oben Anm. 500. Hier sind die Söhne die Übeltäter. [743] Vgl. Myth. Vat. III,3,8: Juxta altiorem denique scientiam vel opinionem stella Helenae deputata nociva tempestatumque procreatrix est. [744] Vgl. Solinus, Collect. rer. memor., hg. von Mommsen, 1895, I,57, S. 13: Habet plane illud in se solum salutare, quod avertit sidus Helenae perniciosissimum navigantibus. [745] Vgl. Ov. Met. 13,576–622. [746] Vgl. Plinius, Nat. hist. X,74: Auctores sunt omnibus annis advolare Ilium ex Aethiopia aves et confligere ad Memnonis tumulum, quas ob id Memnonidas vocant. Hoc idem quinto quoque anno facere eas in Aethiopia circa regiam Memnonis, exploratum sibi Cremutius tradit. Simili modo pugnant Meleagrides in Boeotia.

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[747] Zu dieser Terminologie und Abgrenzung von Geschichtlichem und Mythischem oder Fabulösem bei Berchorius s. oben Bd. 1, Kap. II, 3. und 4. [748] Die Deutung der Memnon-Geschichte auf Christi Kreuzigung und der Memnoniden, die immer wieder zu Memnons Grab fliegen, um dort zu kämpfen, auf die Kreuzritter im Heiligen Land, die auch zum Kampf und auch zum Martyrium dort bereit sind, rückt auf intelligente Weise eine passende historische Situation in den Blick.

Liber/ Buch 13 [749] Ov. Met. 13,1. [750] Vgl. Ov. Met. 13,35–39. [751] Vgl. Ov. Met. 13,56–60. [752] Hygin, Fab. 105, hg. von Marshall, 1993, S. 95f.; s. auch ebd. Fab. 95, S. 87. [753] Die Quelle dieser Fabel, die sog. Romulus-Extravaganten, erzählen die Fabel weit ausführlicher als Berchorius: Non expedit facile credere ei, cui mala ingeris, nam tandem nocebit. De hoc audi fabulam. Agricola ibat serere agrum, dum autem iret, conculcavit serpentem acriter, dixit ei serpens: Conculcasti me, o amice male! nihil lesus a me. Dico autem tibi, ne credas ei, cui malum facis [viele Jahre fährt der Bauer dann durch die Vorhersagen der Schlange gute Ernten ein, bis diese sich schließlich durch das Töten seines Sohns rächt]. Veniens autem pater ad serpentem ait ei: Inludisti, inquit, mihi et interfecisti filium meum dolose, at serpens de alta rupe infit: Non inquit, id dolose egi; sed quia tu lesisti me sine causa et nihil emendasti. Ego autem sepe dixi tibi, ut cui malum facis, ne credas. Docet fabula non leviter accommodare fidem his, quibus malefacis. Romulus-Extravaganten Fabula VIII ›De serpente et agricola‹, in: Steinhöwels Äsop, hg. von Österley, 1873, Fabel 88, S. 205 f.; mit ganz geringen Abweichungen auch abgedruckt aus der Hs. München, Bayer. Staatsbibl., Ms. Lat. 5337 bei Hervieux, Les fabulistes latins, Bd. 2, 2 1894, Fab. 34: ›De serpente et rustico‹, S. 280 f. – Zu diesem Fabel-Teilcorpus ungeklärter Provenienz vgl. Dicke, Äsop, 2004, Sp. 152 f.: ›Romulus-Extravaganten‹. – Die in dieser Fabel der Schlange zugeschriebene Sentenz (»Dico autem tibi ne credas ei, cui malum facis«) zitiert Berchorius gleichlautend wie im Ov. mor. auch in Reduct. mor., XVI,7,2, S. 75 (zu Iud. 3,15 ff.): Ideo bene dicit ille [?]: »Verumtamen cui malefeceris, non credas.« [754] Vgl. Walther – Schmidt, Proverbia sententiaeque. Nova series, Teil II/7, 1982, S. 15, Nr. 309: A muliere repudiata et ab amico reconciliato libera nos, Domine! [755] Vgl. Ov. Met. 14,223–232. [756] Diese in G knapp gefasste euhemeristische und physikalische Erklärung, die von Albericus stammt, haben die anderen Hss. und der Druck 1509 in ausführlicherer Zitation übernommen, ohne dass sie für die Auslegung genutzt wird (vielleicht ein früher Zusatz?): Myth. Vat. III,4,10 (nennt Varro als Quelle): Refert eum [Aeolum] Varro IX insularum regem fuisse, ex quarum nebulis et Vulcaniae insulae fumo praedicens futura ventorum flabra, ab imperitis creditus est in sua potestate ventos tenere. Sunt autem ipsae insulae post fretum Siciliae, quae ab ipso Aeolo [. . .] Aeoliae appellantur, licet et propria habent vocabula. [. . .] Physica autem ratione in antro Aeolus sedere fingitur, quia naturale est, ut loca concava plena sint ventis. Regnum ei Juno fingitur dedisse, quia motus aeris, id est Junonis, ventos

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creat, quibus praeest Aeolus.Vgl. auch Servius, Ad Aen. I,52, hg. von Thilo – Hagen, Bd. 1, S. 33f.: Aeoliam venit novem insulae, quae sunt post fretum Siciliae, appellantur Aeoliae ab Aeolo rege, Hippotae filio, licet habeant et propria nomina. Unde et Vergilius ait Aeoliam Liparen. Poetae quidem fingunt hunc regem esse ventorum, sed ut Varro dicit, rex fuit insularum, ex quarum nebulis et fumo Vulcaniae insulae praedicens futura flabra ventorum inperitis visus est ventos sua potestate retinere. [757] Vgl. Ov. Met. 14,241–307. Der Tod des Odysseus steht nicht in den Metamorphosen; vgl. dazu aber Hygin, Fab. 127, hg. von Marshall, 1993, S. 114 f. [758] Augustinus, De civ. dei XVIII,18: Proinde quod homines dicuntur mandatumque est litteris ab diis vel potius daemonibus Arcadibus in lupos solere converti, et quod ›Carminibus Circe socios mutavit Ulixi‹, secundum istum modum mihi videtur fieri potuisse, quem dixi, si tamen factum est. Vgl. auch ebd. XIV,241–307; eine genaue Parallele findet sich bei Augustin nicht. Zum Gegensatz von fabulariter und historialiter s. oben Bd. 1, Kap. II, 3 und 4. [759] Gregor, Homiliae in Hiez. Prophetam, II,7,16, hg. von Adriaen, 1971, S. 330: Quem ergo nec in abundantia superbia eleuat, nec in necessitate cupiditas irritat, nouit abundare, nouit penuriam pati. [760] Ier. 51,7: Calix aureus Babylon in manu Domini, inebrians omnem terram; de vino eius biberunt gentes et ideo commotae sunt. [761] Vgl. Ov. Met. 14,154–222. [762] Zum waldartigen Haar an Kopf, Bart und auf den Schultern: Ov. Met. 13,765f., 844– 846. [763] Zum Schicksal dieses Gefährten des Odysseus vgl. Ov. Met. 14,160 ff. [764] Vgl. Ov. Met. 13,740–897. [765] Diese Erzählung ist nicht in den ›Metamorphosen‹ enthalten; erwähnt wird Penelope in Zusammenhang mit Wollarbeit Ov. Met. 13,511; vgl. aber Hygin, Fab. 126, hg. von Marshall, 1993, S. 113 f. [766] Diese Erzählung ist nicht in den ›Metamorphosen‹ enthalten; vgl. aber Hygin, Fab. 127, hg. von Marshall, 1993, S. 114 f. [767] Dictys Cret., Ephemeris belli Troiani, VI,15, hg. von Eisenhut, 2 1973, S. 112 f. [768] Vgl. Ov. Met. 13,358. [769] Iud. 11,29–40. [770] Vgl. Valerius Maximus, Facta et dicta memor., VII,3,1, Ext. 1: Cum Alexander Macedonum rex sorte monitus ut eum, qui sibi porta egresso primus occurrisset, interfici iuberet, asinarium forte ante omnis obuiam factum ad mortem abripi imperasset, eo que quaerente quidnam se immerentem capitali supplicio innocentem que addiceret, cum ad excusandum factum suum oraculi praeceptum retulisset, asinarius, ›si ita est‹ inquit, ›rex, alium sors huic morti destinauit: nam asellus, quem ego ante me agebam, prior tibi occurrit‹. delectatus Alexander et illius tam callido dicto et quod ipse ab errore reuocatus erat, occasionem in aliquanto uiliore animali expiandae religionis rapuit. summa in hoc mansuetudo, in alterius regis equisone calliditas. Vgl. auch Iulius Valerius [Alexander Polemius], Res Gestae

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Alexandri Macedonis translatae ex Aesopo Graeco, hg. von Rosellini, 1998, ND 2004. Zu Valerius Polemius, Res gestae Alexandri Macedonis, Herzog – Schmidt (Hgg,), Handbuch der lat. Literatur, Bd. 5, 1989, S. 212–217. [771] Zur Verletzung der Venus durch Diomedes Vergil, Aen. 11,275–277; dazu Servius, Ad Aen. 11,277, hg. von Thilo – Hagen, Bd. 2, S. 513; Ov. Met. 15,769 und 806. [772] Zur Prostituierung der Aegialea, der Ehefrau des Diomedes, Servius, Ad Aen. 8,9, hg. von Thilo – Hagen, Bd. 2, S. 201: Diomedes revertens a Troia postquam repperit ira Veneris a se vulneratae uxorem apud Argos [. . .] turpiter vivere, noluit reverti ad patriam; danach auch Myth. Vat. I, 138, hg. von Kulcsár, 1987, S. 57. Vgl. Ps.-Ov. Ibis 349 f. [773] Vgl. zu den Diomedeae aves Plinius, Nat. hist. X,126f.; Servius, Ad Aen. 11,271, hg. von Thilo – Hagen, Bd. 2, S. 512 f.; Augustinus, De civ. dei, XVIII,18: Diomedeas autem volucres, quando quidem genus earum per successionem propaginis durare perhibetur, non mutatis hominibus factas, sed subtractis credo fuisse suppositas, sicut cerva pro Iphigenia, regis Agamemnonis filia (zu Iphigenies Rettung Hygin, Fab. 98, hg. von Marshall, 1993, S. 91); Berchorius, Reduct. mor., VII, 29, S. 192 f. zu den Diomedeae aves unter den Vögeln. [774] Vgl. Anm. 771 oben. [775] Sap. 8,21: Et, ut scivi quoniam aliter non possem esse continens, nisi Deus det, et hoc ipsum erat sapientiae scire, cuius esset hoc donum adii Dominum et deprecatus sum illum et dixi ex totis praecordis meis. [776] Vgl. Ov. Met. 13,898–968. [777] Vgl. Isidor, Et. XII,6,28: Glaucus a colore dictus, quod albus sit. Vgl. auch Berchorius, Reduct. mor., XIII, 1,7; Meier – Suntrup, Lexikon der Farbenbedeutungen, s.v. ›glaucus‹. [778] Der Großteil der Handschriften ist mit facies hominis statt facies homines auf das in diesem Zusammenhang der Verwandlung suggestive Missverständnis facies: ›Gesicht‹ statt facies: ›du wirst machen‹ gekommen.

Liber/ Buch 14 [779] Ov. Met. 14,1; der Vers fehlt in G und z. B. in Tr, nicht in V4 und Ep. [780] Vgl. Ov. Met. 14,1–74; Myth. Vat. III,11,8; Fulgentius, Mit. II,9, S. 49. [781] In den Hss. wechseln bei Circe die Deklinationsformen auch im selben Textstück (Circes, -is und Circe, -es oder Circe/a, -ae); hier wurde vereinheitlicht zu Circe, -es. [782] Vgl. Hygin, Fab. 199, hg. von Marshall, 1993, S. 167; Isidor, Et. XI,3,32; XIII,18,4. [783] [Ps.-]Seneca, Liber de moribus 1,26, hg. von Haase, 1872, S. 463: Id agas, ne quis merito tuo te oderit; et si nullos inimicos tibi faciat iniuria, multos tamen facit invidia. [784] Ps. 21,17: Quoniam circumdederunt me canes multi, concilium malignantium obsedit me. [785] Vgl. Ov. Met. 7,63 f.; 13,730 f.; 14,75; Myth. Vat. III,13,6. [786] Vgl. Ov. Met. 13,623–674. [787] Ps. 44,9 f.: [. . .] delectaverunt te filie regum in honore tuo. Astitit regina a dextris tuis in vestitu deaurato, circumdata varietate.

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[788] Dieses ist auch das Geschäft des Exegeten Berchorius, die Deutung ist damit auch eine Art Selbstbeschreibung. [789] Dazu auch Bd. 1, Kap. II. 4. und zur Speisemetaphorik Spitz, Metaphorik des geistigen Schriftsinns, 1972, S. 158 ff. [790] Vgl. Mt. 15,26: Qui [Iesus] respondens ait: Non est bonum sumere panem filiorum et mittere canibus. [791] Iob 21,8: Semen eorum [impiorum] permanet coram eis; propinquorum turba et nepotum in conspectu eorum. [792] Vgl. Ov. Met. 14,101–153. [793] Vgl. Papias Vocabulista, Elementarium, hg. von Mombricio, ND 1966, S. 318: [. . .] decem autem sibyllae a peritissimis auctoribus fuisse traduntur [. . .]. [794] Vgl. Ov. Met. 14,144 f.: [. . .] nam iam mihi saecula septem / acta vides, [. . .]. [795] [Ps.-]Bernhard von Clairvaux, Meditationes piissimae de cognitione humanae conditionis, Cap. 2,5, PL 184, Sp. 488B: Cur ergo tantopere vitam istam desideramus, in qua quanto amplius vivimus, tanto plus peccamus? Quanto est vita longior, tanto culpa numerosior. Quotidie namque crescunt mala et subtrahuntur bona: assidue variatur homo per prospera et adversa et ignorat quando moriatur. [796] Vgl. Ov. Met. 14,308–396. [797] Canens ist der Name der Tochter des Janus bzw. der Gattin des Picus (rara quidem facie, sed rarior arte canendi / unde Canens dicta est); vgl. Ov. Met. 14,338.381. Bei Berchorius wird – etwas verzwickt – in der Deutung das Trugbild des Ebers zu dem Trugbild einer begehrenswerten Frau. [798] Zeitlich später als Berchorius hat auch Boccaccio, Genealogie, VIII,10, hg. von Zaccaria, 1998, S. 850–852 die Information, dass der Picus mit der Zunge Ameisen fängt (beide berufen sich auf mündliche Quellen mit vulgo oder nonnulli dicunt): Est enim pico avi inter alias proprietates hec, ut cum habeat longissimam linguam, estivo tempore exquirit loca formicarum plena, et emissa inter eas lingua patitur eas illam conscendere et morsu prendere; tandem cum illam formicarum plenam sentit, retrahit et adherentes una secum formicas, ex quibus sic pastus evolat (S. 850). Aus einer spanischen Berchorius-Handschrift ist diese Information zitiert bei Paetz, Kirke und Odysseus: Überlieferung und Deutung von Homer bis Calderon, 2 2019, S. 64. [799] Die Naturgeschichte nimmt auf die Verwandlung des Königs Picus in den Vogel Specht Bezug: Berchorius, Reduct. mor., VII,66, S. 214; nach Plinius, Nat. hist. X,40f. Schon der Physiologus, Cap. 50 beschreibt den Specht und legt ihn aus (auf den Teufel). [800] Vgl. Ov. Met. 14,397–415. [801] Mt. 26,39: Et progressus Iesus pusillum, procidit in faciem, orans et dicens: Pater mi, si possibile est, transeat a me calix iste; verumtamen non sicut ego volo, sed sicut tu. [802] Vgl. Ov. Met. 14,527–565. – Die Verwandlung von Aeneas’ Schiffen in Nymphen des Meeres durch eine Epiphanie der Göttermutter Cybele, die sie vor dem Verbrennen schützt, beschreibt Vergil, Aen. 9,107–125.

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[803] Vgl. Hebr. 2,18: In eo enim, in quo passus est ipse temptatus, potens est eis, qui temptantur, auxiliari. [804] Vgl. Eccli. 31,18: Intellege proximi tui [que sunt proximi tui] ex te ipso. [805] Vgl. Ov. Met. 14,566–580; zur Stadt Ardea, dem Königssitz der Rutuler, und ihrem König Turnus in Latium Vergil, Aen. VII,409–412. [Ps.-]Lactantius Placidus, Narrationes Fab. Ov., hg. von Magnus, 1914, S. 708: Turno ab Aenea interempto Ardea urbs, regnum Turni, incendio in cinerem redacta, ex quo volucris emersa est, quae patrio eius nomine vocaretur a posteris Ardea. Bretzigheimer, Studien zu Lactantius Placidus, 1937. – Die ätiologische Erklärung des Vogels Ardea durch eine an den gleichlautenden Städtenamen angeschlossene Verwandlungsgeschichte ist offenbar eine Erfindung Ovids, die vielleicht angeregt wurde durch die Vergilverse Aen. VII,411f.: Locus Ardea quondam / dictus avis, et nunc magnum manet Ardea nomen. Die Möglichkeit, hier statt des Plurals von avus den metrisch allerdings unkorrekten Singular avis zu lesen, wurde bereits von Heyne erwogen, aber als wenig überzeugend verworfen: »Meo sensu hoc, ut Ardea avis iungatur, ludicrum aliquid in se habet. Manebo itaque in ratione ea, quae simplicissima est: Urbs olim dicta Ardea a maioribus.« (P. Virgilii Maronis Opera, hg. von Chr. G. Heyne, Editio altera, Bd. 3, Leipzig 1787, S. 56). Möglicherweise hat Ovid gerade das »ludicrum« zu seiner »fabula satis inepta« (Heyne ebd.) gereizt. – Vgl. auch Casali, Other voices in Ovid’s Aeneid, in: Knox (Hg.), Oxford readings in Classical Studies, 2006, S. 144–168, hier S. 159 ff. und Böhmer, Komm., 1986, S. 148 und 187. [806] Zum Vogel Ardea, ›Reiher‹, sehr kurz und ohne die hier gedeutete Geschichte s. Plinius, Nat. hist. X,164; XVIII,363; Isidor, Et. XII,7,21. Auch Berchorius, Reduct. mor., VII,10, S. 377f. und seine wichtige Quelle Thomas von Cantimpré, Liber De nat. rer., hg. von Boese, 1973, S. 180, V,6 f. haben die Verwandlung der verbrannten Stadt in einen Reiher trotz ihrer größeren Ausführlichkeit nicht. Servius, Ad Aen. 7,412, hg. von Thilo – Hagen, Bd. 2, S. 156f. kritisiert die historische Einordung Ovids als fabulös und schlägt die Zerstörung der Stadt durch Hannibal als Zeitpunkt der Verwandlung in den Vogel vor. [807] Vgl. Ov. Met. 14,622–697 und 765–771. [808] Ein typisches Exempel- und Novellenmotiv ist die Verführung durch die Vermittlung einer alten Frau oder in der Gestalt einer solchen. [809] Vgl. Eccli. 28,19: Lingua tertia mulieres viritas eiecit et privavit illas laboribus suis. Ein Teil der Handschriften schreibt lingua tua, andere Handschriften zitieren den Vers wörtlich. Zudem werden nach Vers 16 (multos) hier auch multos viros, also ›Männer‹, statt verheiratete ›Frauen‹ gesetzt. Lingua tertia ist in der Exegese dieser Stelle als die böse falsche Zunge gedeutet, z.B. bei Jacob von Vitry, Sermones vulgares, hg, von Longère, 2013, Sermo 11, S. 196, Sermo 23, S. 422. [810] Vgl. Ov. Met. 14,698–764. [811] Vgl. Ov. Met. 14,581–608. [812] Vgl. Ov. Met. 14,805–828; mit rationalen Argumenten untermauert Berchorius seine kritische Haltung gegenüber der Vergöttlichung historischer Personen, im rein mythologischen Bereich (fabula) nimmt er daran keinen Anstoß (z. B. bei Io I,16, Callisto II,14).

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[813] Ov. Met. 14,784 f. – Der Ovid-Vers, an den sich die Auslegung anschließt, gehört in eine Episode aus der Vorgeschichte der Apotheose des Romulus.

Liber/ Buch 15 [814] Ov. Met. 15,1. [815] Während Berchorius Ovids Beginn des 15. Buchs, die Nachfolge des Romulus durch Numa, weglässt (weil er das Historische hier wie am Schluss des 15. Buchs in der CaesarAugustus-Passage und vorher in der Weltschöpfung und der Trojageschichte in seinem Fabelwerk nicht berücksichtigen will), gibt der Druck Ep an dieser Stelle eine Einführung, die über Ovids Buchbeginn informiert, um dann auf den Kern der pythagoräischen Lehre vom Verbot des Fleischgenusses überzuleiten, einer Lebensregel, die, wie er sagt, im Goldenen Zeitalter eingehalten wurde, weil die üppige Natur ausreichend pflanzliche Nahrung bot, so dass die Tiere sicher leben konnten. Hierin ist das Grundkonzept des Werks, die Verwandlung, zentral; Ovid, Met. 1,1ff. leitet mit diesem Konzept der Transformation auch das Werk ein. Die lange Passage der pythagoräischen Lehre Ovids verkürzt Berchorius auf wenige Punkte, die er katalogartig und in neuer Anordnung präsentiert, der Druck Ep nähert die Reihenfolge wieder dem Ovid-Text an. Aufgrund der Eingangspassage über die pythagoräische Lehre, die hier wie bei Ovid den Grundgedanken des Werks, die Verwandlung, behandelt, damit aber von dem Schema von Fabel und Deutung abweicht, zeigen die Handschriften Unsicherheit in der Numerierung: einige Hss. und Ep zählen diesen Eingang als erste Fabel – dem schließt unser Text sich an, da auch an andern Stellen gelegentlich nicht gedeutete Fabeln gezählt sind –, die Gothaer Hs. beginnt erst bei der Hippolyt-Virbius-Geschichte mit der Zählung, die Hs. V4 hat gar keine Zählung im Buch 15. [816] Vgl. Ov. Met. 15,72–95 und 173–175. [817] Ov. Met. 15,88. [818] Vgl. Ov. Met. 15,96–103. [819] Vgl. Ov. Met. 15,165 f. und 178. [820] Vgl. Ov. Met. 15,179–198. [821] Vgl. Ov. Met. 15,199–213. [822] Vgl. Ov. Met. 15,237–251. [823] Vgl. Ov. Met. 15,214–236. [824] Vgl. Ov. Met. 15,156–172. [825] Als christlicher Autor muss Berchorius die Seelenwanderung ablehnen, zeigt für die Vorstellung jedoch auch Neugierde und Anerkennung. [826] Vgl. Ov. Met. 15,361–390; Vergil, Georg. 4,281–314. [827] Vgl. Ov. Met. 15,391–417. [828] Vgl. Ov. Met. 15,287–292. [829] Pittheus ist der Sohn des Pelops, des Königs von Troezen; bei Ovid heißt es Met. 15,296: prope Pittheam . . . Troezena.

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[830] Vgl. Ov. Met. 15,293–298. [831] Vgl. Ov. Met. 15,418–430. [832] Vgl. Ov. Met. 15,307–355. [833] Vgl. Ov. Met. 15,479–546. [834] Iudas 1,12 aus der Ankündigung von Gottes Strafe: Hi sunt in epulis suis maculae convivantes sine timore, semetipsos pascentes, nubes sine aqua, quae in ventis circumferuntur, arbores autumnales, infructuosae, bis mortuae, eradicatae. [835] Vgl. Ov. Met. 15,547–559. [836] Hier spielt Berchorius auf die prophetische Inspiration an, die auch im Mittelalter und besonders im Spätmittelalter viele Autoren in der Nachfolge der biblischen Propheten für sich in Anspruch nahmen; zum mittelalterlichen Inspirationskonzept gehörte die absolute Demut und der Beweis der eigenen Unfähigkeit; s. dazu die Mittelalterbeiträge in Meier – Wagner-Egelhaaf (Hgg.), Prophetie und Autorschaft. Charisma, Heilsversprechen und Gefährdung, 2014; Vauchez (Hg.), Prophètes et prophétisme, 2012, bes. zur Prophetie im 14. Jh. und dem Avignoneser Papsttum S. 99–125 (Vauchez). [837] Vgl. Ov. Met. 15,560–564. [838] Ps. 1,3 zum Gerechten (dem beatus vir): Et erit tanquam lignum, quod est secus decursus aquarum, quod fructum suum dabit in tempore suo, et folium eius non defluet; et omnia quaecumque faciet, prosperabuntur. Typologisch-christologisch ist dieser Baum des Lebens als Kreuzesbaum gedeutet worden wie hier und so auch in der Psalterillustration dargestellt. [839] Vgl. Num. 17,5.8: Quem ex his elegero, germinabit virga eius [. . .]. Sequenti die regressus [Moyses] invenit germinasse virgam Aaron. Zur entsprechenden Bedeutung von virga:Maria auch Berchorius, Reduct. mor., XII,173, S. 530 f. [840] Vgl. Ov. Met. 15,565–621. [841] Ungewöhnlich ist die Deutung der Moses-Hörner ad malam partem, auch wenn in der Exegese Horn/Hörner je nach Bibelstelle ad bonam oder malam partem gedeutet werden; vgl. etwa Alan von Lille, Distinct., PL 210, Sp. 752A–D (auch cornua = superbia). In diesem Fall war die Verhüllung der Hörner offenbar deutungslenkend. Zur Gefährdung durch superbia auch für den von Gott erwählten Moses s. Hrabanus Maurus, Commentaria in Exodum 2,9, PL 108, Sp. 87 (zu Ex. 18,13–27). [842] Vgl. 3. Reg. 22,11 und 24: Fecit quoque sibi Sedecias filius Chanaana cornua ferrea et ait: ›Haec dicit Dominus: His ventilabis Syriam, donec deleas eam‹. [. . .] Accessit autem Sedecias filius Chanaana [. . .]. [843] Vgl. Ov. Met. 15,622–744. [844] Zur Konjektur illuvies: Zur typischen Katastrophenbeschreibung gehören illuvies/ illuvio (Überschwemmung, Schmutz) und pestilentia; vgl. z.B. Hieronymus, Commentariorum in Joel liber unus, PL 25, Sp. 965C: Omnia enim mala, quae veteribus historiis continentur, et aut inundatione maris, aut illuvione fluminum, aut pestilentia, morbis, fame, bestiis, hostium vastitate hominibus acciderunt, his suppliciis, quae in die sunt reddenda judicii, non poterunt comparari. Hermannus Contractus, Chronicon a. 579, hg. von

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Pertz, MGH SS 5, 1844, S. 89: Magna aquarum inundatio et illuvies, fulmina et terrae motus, et prodigia sequens pestilentia Gallias aliasque provintias afflixere. Ebd. a. 592, S. 90: Inmensa pluviarum inundatio et inluvies facta, ingensque mortalitas subsecuta est. Ebd. a. 868, S. 106: Cometa visa, inundatio et illuvio magna facta, famesque et pestilentia ingens secuta est. Zur spätantiken Verbindung von Asclepius und der Pest in Rom sowie der Konnotation von illuvio und pestilentia s. (Ps.-)Apuleius, Asclepius, in: Apuleius, Opera, hg. von Moreschini, Bd. 3: De philosophia libri, 1991, S. 39–86, c. 26, S. 67: Cum haec cuncta contigerint, o Asclepi, tunc ille dominus et pater, deus primipotens et unius gubernator dei, intuens in mores factaque nefaria, voluntate sua, quae est dei benignitas, vitiis resistens et corruptelae omnium, errorem revocans, malignitatem omnem vel illuvione diluens vel igne consumens vel morbis pestilentibus 〈bell〉isque per diversa loca dispersis finiens ad antiquam faciem mundum revocabit, ut et mundus ipse adorandus videatur atque mirandus et tanti operis effector et restitutor deus ab hominibus, qui tunc erunt, frequentibus laudum praeconiis benedictionibusque celebretur. [845] Vgl. Ov. Met. 15,630 f. [846] Ex. 4,2 f.: Dixit ergo ad eum [Moysen]: Quid est quod tenes in manu tua? Respondit: Virga. Dixitque Dominus: Proiice eam in terram. Proiecit, et versa est in colubrum, ita ut fugeret Moyses. [847] Vgl. Ps. 109,2 (virga virtutis); vgl. Ambrosius, Expositio Psalmi CXVIII,3,24, hg. von Petschenig, 1913, S. 55: Denique iubente domino uirgam proiecit et facta est serpens et fugit ab ea; adprehendit caudam serpentis et facta est uirga, et adhuc non cognoscebat mysterium, quo declarabatur descensurum in terras dominum Iesum, qui cum se exinanisset, deponi in crucem et proici pateretur in tumulum, de quo secundum oracula legis resurgens in gloriam dei diuinaeque sedis regale consortium de serpente remearet. [848] [Ps.-]Seneca, De remed. fort., hg. von Haase, 16,8 1886, S. 457: ›Uxorem bonam amisi.‹ Non erubesces flere et intolerabilem vocare iacturam? Hoc unum deest, utrum illam lugeas an non, cum maritum te cogitaveris, et virum cogita. Zum Echtheitsproblem vgl. Newman, Rediscovering the De Remediis Fortuitorum, 1988, S. 92–107 (eine Ausgabe des Textes hat Newman 1984 in einer Qualifikationsarbeit erstellt, die nicht publiziert ist); von Petrarca z.B. wurde diese Schrift als echtes Seneca-Werk rezipiert. [849] Vgl. [Ps.-]Caecilius Balbus, De nugis philosophorum, hg. von Eduard Woelfflin, Basel 1855, S. 26f.: Lysander interrogatus, cur maiorem barbam libenter habuisset, respondit: Ut subinde eam tangendo virum me esse meminerim. Diogenes interrogatus, cur maiorem barbam haberet, respondit: Si mulier barbata ex alieno sexu portenti est signum, cur vir accusatur ex eo, cum barba naturae nomen videatur et gloriae. Zum Autor Diem, A Classicising Friar at Work: John of Wales’ Breviloquium de virtutibus, 2009, S. 75–104, hier bes. 82–85. [850] Vgl. Valerius Maximus, Facta et Dicta I,1, Ext. 3, hg. von Faranda, 1971 (ND 1987), S. 766: Idem Epidauri Aesculapio barbam auream demi iussit, quod adfirmaret non conuenire patrem Apollinem inberbem, ipsum barbatum conspici. [851] Vgl. Ov. Met. 11,221–265; Myth. Vat. I,204 und II,248 f., hg. von Kulcsár, 1987, S. 82, 276–282; Myth. Vat. III,11,20. [852] Vgl. Fulgentius, Mit. III,7, S. 70; Myth. Vat. III,11,21.

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[853] Diese Erzählung von Alcestis steht nicht in den ›Metamorphosen‹; vgl. aber Hygin, Fab. 50 und 51, hg. von Marshall, 1993, S. 57; Fulgentius, Mit. I,22, S. 33–35; Myth. Vat. I,91; II,177, hg. von Kulcsár, 1987, S. 39, 236; Myth. Vat. III,13,3. [854] Die Quelle der Geschichte war nicht nachzuweisen. Unklar ist auch, wie sie in die deutsche Schwankliteratur des 16. Jahrhunderts gelangte, s. Martin Montanus, Schwankbücher (1557–1566), hg. von Bolte, 1899, Wegkürzer Cap. 41, S. 105 f. Der Kommentar des Herausgebers, ebd. S. 579, verweist auf Laurentius Abstemius, Hecatomythium, Venedig 1495, Fabel Nr. 60. Dort erscheint jedoch der Tod in Person, und es fehlt das charakteristische Motiv der Hinterlist des Ehemanns, der seine Frau mit einem lebend gerupften Kapaun erschreckt; gerade dies ist aber der Clou bei Montanus und späteren Autoren. Obwohl die Admet-Fabula nicht ovidisch ist, sondern von Berchorius zugefügt wurde, hat man ihre Allegorisierung in kommentierte Ovid-Ausgaben des 16. Jahrhunderts wörtlich übernommen; s. etwa Metamorphoseon Pub. Ovidii Nasonis libri XV, Venedig 1549, S. 340. [855] Vgl. Plinius, Nat. hist. 7,122: Gracchorum pater anguibus prehensis in domo, cum responderetur ipsum victurum alterius sexus interempto: immo vero, inquit, meum necate, Cornelia enim iuvenis est et parere adhuc potest. hoc erat uxori parcere et rei publicae consulere; idque mox consecutum est. Vgl. auch Valerius Maximus, Facta et Dicta IV,6,1, hg. von Faranda, 1971 (ND 1987), S. 342–344: Ti. Gracchus anguibus domi suae mare 〈ac〉 femina deprehensis, certior factus ab aruspice mare dimisso uxori eius, femina ipsi celerem obitum instare, salutarem coniugi potius quam sibi partem augurii secutus marem necari, feminam dimitti iussit sustinuitque in conspectu suo se ipsum interitu serpentis occidi. itaque Corneliam nescio utrum feliciorem dixerim, quod talem uirum habuerit, an miseriorem, quod amiserit.

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V. ANHÄNGE

1. Bibelstellenregister (Prolog: Prol.; Götterbuch: G mit Kapitelnummer; Metamorphosen-Bücher: Buch mit römischer Nummer und Fabel mit arabischer Nummer) Genesis 1,16 1,16f. 3,1 3,1ff. 3,5 8,20 12,1 13,6 19,23–29 33,14 34,1f. 37,1–361–36 37,16 42,21 44,15 46,34 50,20 Exodus 1,12 2,9 2,15ff. 4,2–4 4,2f. 7,20 12,11 15,1.4 15,16 15,8 18,18 34,29

III,5 I,16 IV,11 IX,2 IV,14 III,1 IV,8 XII,2 VIII,10 XIII,9 V,3 II,14 V,5 III,9 XV,3 I,14 VII,6

IX,10 III,7 IX,20 III,11 XV,6 I,14 XV,6 II,5 X,2 VI,13 VIII,7; XII,6 XV,5

Leviticus 1,1ff. 7,10 19,16

IX,6 IX,8 III,14

Numeri 4,5–20 13,33 17,8 21,6–9 21,15 31,15 32,14

II,18 IX,14 X,11 II,18 VII,26 IX,20 I,6

Deuteronomium 4,24 III,7 8,15 IV,12 15,21 IV,2 16,19 II,21 22,5 II,10 22,10 IV,3 25,1 XII,1 28,53 VI,17 32,13 Prol. 32,25 G,14 Iudices 1,20 9,9ff. 16,12.14.20 16,19–21 21,25

X,11 Prol. VIII,1 VIII,1 II,4

1. Samuelis seu 1. Regum 1,10 ff. VII,24 2,8 II,14 10,6 II,11; XIII,11 18,9 II,22 25,1–37 IV,13 25,29 G,3; G,14 25,37 IV,13 2. Samuelis seu 2. Regum 1,1–16 II,16 4,4 IV,2 4,5ff. VIII,1 5,8 IV,2 13,11ff. II,23 13,17 IV,2 14,9 Prol. 18,12 IX,20 3. Regum 10,16 11,4 12,10 14,2 14,25f. 15,28 18,14 18,21 20,39 22,11

G,8 X,2 VIII,7 VII,11; VIII,12 G,8 G,1 G,11 IV,2 II,20 XV,5

535

ANHÄNGE

4. Regum 6,29 11,1 25,1–7

VI,16 VII,4 VII,1

1. Paralipomenon 15,28f. G,4 (?) 29,14 VII,24 2. Paralipomenon 17,12 VI,11 26,8 IV,12 Tobias 1,24

III,5

Iudith 6,15 14,16

I,2 I,14

Esther 7,10 Iob 12,6 14,2 19,20 21,8 21,32f. 24,12 24,13 26,5 29,20 30,21 30,22 31,38 34,24 37,8 38,30 38,35 39,27 40,6 40,13 41,15 41,19f. 41,21 41,25

536

VII,6

XIV,3 VIII,12; X,8 IX,6 XIV,3 G,14 VIII,11 VII,22 G,10 IX,2 III,9 IX,11 II,5 G,1 II,20 II,21; IV,10 VII,31 G,2 G,2 VII,26 I,1; II,18; IV,13; X,3 XII,4 VII,1 V,1; XIII,3

Psalmi 1,3 3,3 6,7 9,4 9.30 (9B,9) 10,9 10,27 17,11 18,7 18,44 19,8 21,17 22,4 30,13 31,9 33,20 35,13 37,5 43,10 43,22 44,9f. 44,11f. 44,15 45,15 48,9f. 49,1 54,7 57,6 58,7 67,18 67,31 71,6 71,15 72,18 74,11 76,6 76,20 77,15 77,41.57 77,57 79,14 80,13 81,6 82,14 82,17 90,13 95,5

102,5 XV,4 G,14 II,9 IX,12 II,22 II,22 XV,1 IV,12 G,7 IV,9 G,3 XIV,1 G,6 G,14 G,11 G,1 IV,2 V,7 I,1 XV,8 XIV,3 II,23; XIV,6 G,7 IV,9 G,14 I,7 V,1; V,4 VII,5 III,5 II,3 X,9 IV,9 VII,1 IX,11 IX,1; XV,5 XV,3 XI,6 III,8 II,2 III,7 X,12 VII,4 G,10; VI,16 IX,4 I,1 G,1; G,4 V,7; VI,10

103,3 103,26 103,30 104,30 105,20 105,38 106,4 106,26 106,27 119,4 136,1 138,8 138,9 138,9f. 139,12 145,3

IX,16; IX,2; VII,5 XIII,3 G,1; III,2 IV,7 VI,14 I,11; I,13 I,5 VIII,6 VI,11 G,13 G,4 G,14 V,5 V,4 VIII,6 II,16; V,10 G,14

Proverbia 1,14 1,16 1,22 2,17f. 2,18 3,10 3,18 4,24 7,4 7,26 8,11 11,9/16,29 11,24 13,20 13,25 14,13 14,20 16,16 17,28 19,7 20,1 20,28 21,30 23,9 23,29 23,29f. 24,11 25,8 25,9

IV,10 X,12 III,6 VII,8 V,6 VIII,10 VIII,9 IX,3 VII,2 III,3 VI,2 I,14 G,14 IV,16 G,14 XIII,9 II,13 XIII,3 I,15 III,5 G,13 II,18 XIII,8 XI,2 IV,17 G,13 IV,14 IV,3 XI,2

BIBELSTELLENREGISTER

27,22 29,12 30,15 31,4 31,7 31,14

I,6 G,3 G,14 G,13 XI,1 III,9

Ecclesiastes 2,24 3,1 5,9 6,2f. 7,17 7,18 9,8 10,20

XII,2 V,5 G,9 G,14 IX,18; VII,23 VIII,1 VIII,5 II,18

Canticum Canticorum 1,2 G,7 1,3 G,7 1,4 II,17 1,7.9 III,13 2,10 X,1 5,5 X,11 5,6 V,8 7,1 G,7 7,13 IX,7 Sapientia 2,1 2,15 2,21 2,24 5,5 5,9 5,19–21 8,21 11,17 18,16

V,6; VIII,4 X,3 II,22 VII,8 I,16 III,13 G,8 XIII,10 IX,9 I,5; II,6

Ecclesiasticus 1,1 1,27 3,22 3,22f. 3,23f. 3,27 4,32 4,36

G,8 G,14 V,1 II,18 VII,30 VIII,6 VI,9 VII,20

5,16f. 8,1 8,20 9,5 9,8f. 9,22 10,2 10,13 11,5f. 11,6 11,10 11,23 11,31 12,3 12,10 12,10f. 12,16 13,19 13,28 13,30 14,4 17,1 17,30 18,27 18,30 18,31 19,1 19,2 20,15 21,2 21,3 23,24 24,6 24,7f. 24,20 25,3 25,22.26 25,24 25,26 25,30 25,31 25,33 26,5 26,13 27,29 27,29f. 27,30 28,15 28,16

V,6 VI,15 XI,2 X,9 IV,10; X,4 G,6 XV,6 X,3 G,1 VI,12 I,2 II,14 VII,3 IV,5 VII,7 XIII,2 XIII,2 VI,13 III,14 IV,16 G,1 XV,3 VIII,3 G,8 XII,2 XII,2 G,13 G,13 VII,2 I,3 VIII,4 G,14 I,10 IV,13 X,11 G,14 IV,10 II,19 VII,4 VI,4 VIII,9 VIII,9 G,14 VII,3 VIII,6 VII,6 IX,2 III,3; XII,2 XIV,9

29,5 30,9 31,6 31,7 31,18 31,41f. 32,4 33,5 33,15 33,27 34,19 34,23 34,24 38,16 38,21 40,11 40,32

XI,3 X,1; X,4 XI,1 XI,7 IV,16; XIV,7 III,10 IX,17 G,3; IX,4 XIII,10 II,3 XV,3 I,9 I,9; V,11 X,6 G,14 IX,11 II,5

Isaias 3,16 5,8 5,13 5,20 6,2 7,14 14,11f. 14,12 14,13 14,20 19,18 23,10.16 26,19 28,16 28,19 28,27 30,10 30,21 33,1 34,3 34,9f. 38,12 38,17 40,31 43,3 46,10 47,7 48,4 49,15 51,9

VII,14 I,5 VIII,11 XI,5 G,6 X,11 VI,11 G,1 I,5; IV,14 II,5 II,1 G,5 G,2 IV,13 IV,16 G,14 G,4 I,7; II,3 III,4; VIII,8 V,11 G,14 G,14; XIII,7 I,1 IX,5 XII,3 G,14 VI,12 IV,14 XIII,1 III,2

537

ANHÄNGE

54,10f. 56,11 58,7f. 59,5 59,9 60,8 60,13 63,10 64,1 66,1 66,9 66,24

VIII,10 G,15 VI,13 VI,1 IV,5 VI,18; XIV,3 X,5 VII,27 IV,8 G,2 IX,13 G,14

Ieremias 2,27 2,32 6,13 6,23 7,18 7,26 9,4 14,3 16,2 16,5 25,15f. 30,16 31,22 51,7 51,34

G,5 G,14 G,7 G,4 G,14 I,6 II,23 III,2 XV,7 XIV,7 XIII,4 III,4 IV,8 XIII,4 XIV,2

Lamentationes 1,8 I,12 1,9 G,12 3,27 VII,2 3,53 V,7 4,8 II,17

538

Baruch 3,38 6,20

I,8 VIII,5

Ezechiel 1,10 1,11 1,18 3,17f. 5,10 7,19 8,14

G,2 G,4 I,14 X,4 G,1 VIII,11 X,12

IX,2 III,4 Prol. XV,4 III,4 VIII,5 VI,3 G,9

2,5 3,4

X,3 XV,5

Sophonias 3,3

I,9

Aggaeus 1,6 2,7

G,14 V,2

Zacharias 4,11 13,1

G,8 IV,8

7,6 8,4f. 11,37

G,12 G,11 XIV,6 G,11; G,14; III,3 VI,18 G,12 II,5

Osee 2,7 4,2 7,3 8,1 9,17 11,1 13,14

V,5 VI,17 G,6 VI,7 I,8 X,7 VII,22

Ioel 1,20

V,2

Amos 3,2 5,13 5,23 8,11

III,5; III,7 I,15 VIII,2 V,9

Michaeas 3,3 7,3 7,6

VI,15 VI,16 II,23

Nahum 3,8 3,13

G,9 II,7

Habacuc 1,14 2,3

Evangelium sec. Matthaeum 5,26 VIII,6 7,2 IX,15 7,6 II,23 7,16 Prol. 7,17–19 II,7 8,12 G,14 8,19 I,2; IV,5 8,20 II,18; XV,6 10,16 G,6; IV,16 10,21 VII,2 10,36 II,23 11,5 III,12 11,7 I,17 12,44 II,10 13,43 I,16 14,33 VII,13 15,14 XIII,5 19,14 G,2 19,21f. V,7 19,27 XI,1 21,43 III,7 22,20 G,4 23,10 IV,8 26,33 I,2 26,39 XIV,6 28,9 G,9

XIII,11 IV,8; IV,1

15,7 16,7f. 17,1–6 17,24 19,3 27,7 28,2.17 31,4 Daniel 2,33f.42 3,5 4,13 7,5

Machabaeorum 9,25 IX,4 2. Machabaeorum 14,45 X,13 (?)

BIBELSTELLENREGISTER

Evangelium sec. Marcum 16,17 III,3 Evangelium sec. Lucam 1,52 VII,25 2,35 IV,1 3,8 I,1 8,5 V,9; VII,2 9,58 II,18 11,21 IX,9 14,21 IV,2 22,27 II,3 Evangelium sec. Ioannem 1,11 III,5 1,14 I,14; III,5 8,44 G,4 9,41 III,10 11,50 XII,1 12,25 X,1 15,6 G,14 16,20 G,14 20,14 I,3 Actus Apostolorum 7,51 II,15 8,23 II,22 Epistola ad Romanos 1,21 IV,13 5,19 IV,15 11,25 G,5; III,11 11,26 XV,6 12,15 V,8 12,19 VII,19

1. Epistola ad Corinthios 2,14 V,9; XI,2 4,2 G,6 9,22 G,4; G,6; I,14; XIV,9 11,21 IX,8 12,22 VI,2 13,2 VIII,1 13,11 XII,5 2. Epistola ad Corinthios 4,4 G,11; II,17 10,3f. VII,29 11,14 XIV,9 12,10 IX,11 Epistola ad Galatas 2,20 VII,2 4,7 IX,20 4,16 III,12 4,26 X,13 5,7 X,13 5,17 IV,2; VII,8 6,9 IV,5 Epistola ad Ephesios Eph. 5,27 II,23 Epistola ad Philippenses 2,7 II,10 2,8 II,18 3,20 IV,13 4,12 XIII,4 2. Epistola ad Timotheum 2,3 III,2 4,2.5 G,6 4,4 Prol.

Epistola ad Hebraeos 2,18 IV,16; XIV,7 13,1 VIII,10 Epistola Iacobi 1,15 XI,4 1,17 G,8 1. Epistola Petri 2,5 G,11 1. Epistola Ioannis 3,1 II,3 3,14 XIII,11 4,1 III,6 5,7 V,7 Epistola Iudae 1,12 XV,2 Apocalypsis 1,12ff. 2,5 4,3 8,6 8,11 9,7 10,1 12,3 12,7f. 12,14 13,1 14,3 14,4 18,7 20,1f. 22,15

G,12 V,5 G,9 G,11 XII,8 II,8 G,9 III,3 G,10 V,1; VIII,9 IX,8 V,4 II,18 G,14; VI,12 VII,22 VII,26

539

ANHÄNGE

2. Namen- und Ortsregister [ ] namentlich nicht genannt ( ) Variante von Hs. Gotha * Text nicht in Hs. Gotha enthalten Aaron X,11; XV,4 Absalon G,11 Absyrtus (Arsiretus) VII,[4],8 Achelous (Acheleus) VIII,12; IX,1 Acheron (Atheron) G,14 Achaia (Achaya) V,8; XV,1 Achilles (Achiles) XI,4,7; XII,4; XV,7 Achimenides XIII,5 Acis (Achis) XIII,6 Acrisius (Cresus seu Acersus/Acrisus, Ceresus) IV,9; VI,8 Acteon (Achion) III,4,5 Adam VII,1,8,13; VIII,4,9; IX,1 Admetus XV,8 Adonis (Adonides) X,11,12 Aello (Atello) G,14 Africa Prolog Agamemnon (Agamenon) XII,3 Agenor II,23; III,1,2,4,6 Aglauros (Aglaura, Aglantes) II,18,22 Alcathoe (Alchatoe) VIII,1,2 Alcestis (Alceta) XV,8 Alcidamas VII,15 Alcmena (Alimena, Almene) VI,8; IX,5,13 Alcmeon (Almeon) IX,14 Alcyone (Alcione): 1) Gattin des Ceyx XI,6; 2) [Enkelin des Polypemon VII,23] Alexander 1) = Paris XII,1; 2) Alexander d. Gr. VIII,1; XIII,9 Allecto (Alecte) G,14 Alpheus V,8 Amam (= Hamam) VII,6 Amon II,23 Amor G,5,12 Amphiaraus (Anpheus) IX,14 Amphion VI,12 *Amphissos IX,15 Amphitryon (Amphitrion) VI,8 Anaxarete (Anaxarathe) XIV,10 Anchises (Anchisa) XIII,10; XIV,3,4 *Andremon IX,15 Androgeus (Androcheus) VII,27 Andromeda IV,14

540

Anglia I,3; VII,4 Anius (Avius) XIV,3 Anna VII,24 Anteus (Antheus) IX,11 Antigone VI,5 Antyopa (Anthiopa) VI,8 Antissa (Anchisa) XV,1 Anubis (Cinubis) G,6 Apollo (Appolo, cf. auch Phoebus) Prolog; G,4,5; VI,11,12,14,15; VIII,2,8; XI,2; XV,6,8 Aquilo VI,18; VII,1,30 Arachne (Aragnes) VI,1,10 Arcadia (Archadia) IX,5,10 Arcas (Archadius) II,13,[14] Ardea IV,9; XIV,8 Arethusa V,5,8 Argonaute VII,1 Argus G,6; I,14–17 Ariadne (Adriagne) VIII,4,8 Arne: 1) VII,28; 2) [Arne oder Canace, Tochter eines Aeolus VI,10] Ascalaphus V,6 Asteria VI,7 Atalanta (Athlanta) VIII,9; X,12 Athalia VII,4 Athamas (Adamas) IV,16 Athene III,12; VI,2,17,18; VII,21,27,30; VIII,1, 3,4,5; XV,1 Atlas (Athalas) Prolog; II,6; IV,10,13,14; IX,7 Atrides XV,1 Atropos (Antropos) G,14 Attis (Athis) X,5 Aulis XII,3 Aurora (Aurea) VII,30; IX,17; XII,9 Autolycus (Anthilocus) XI,5 Babylonia IV,1; VII,1 Bacchus (Bachus, cf. auch Liber) G,13; III,6– 10; IV,16; VI,10,17; VII,5,11; VIII,4; XI,1 Baje G,14 Baucis (Banci) VIII,10 Belides (Belludes) G,14; X,1

NAMEN- UND ORTSREGISTER

Berecyntia (Resinthia, Besithia) G,1,10 Beroe III,6 Bisaltes (Valpos) VI,10 Boeotia III,1; VI,12 Buris (Burem) XV,1 Busiris (Buris) IX,9 Byblis (Biblis) IX,19 Cacus (Catus) IX,12 Cadmus III,1,2; IV,15 Calais (Chatay; Talays) VI,18; VII,1 Calydonia VIII,9; IX,1 Callisto (Calistona) II,10–15 [Canens XIV,5] [Cassiope IV,14 (mater Andromede)] Caunus (Taurus) IX,19 Celeno (Zello; Zelono) G,14 Celium (Odium) G,1 Ceneus (Cineus; Cyneus) XII,5,6 Cenis XII,5 Centauri IX,4; XII,6 Cephalus VII,30,31 Cepheus IV,14 Cephisus (Sophisus) VII,18 Cerambus (Cerambius) VII,10 Cerastes X,9 Cerberus G,14; VII,22; IX,5,8; X,1,3; XV,8 Cercyon (Cercio) (= Sinis) VII,25 Ceres V,2,3,5,6,9; VI,10,16; VIII,11 Ceyx (Ceis) XI,6 Charybdis (Caribdis) XIV,2 Chios VIII,4; s. Dia Chiron (Ciron) II,19,20 Cinyras (Cynaras) VI,6; X,11 Cipus (Cyppus) XV,5 Circe (Circes) XIII,4,8; XIV,1,5,6 Citheron (Cytheron) III,10 Clemene s. Clytie Clemens, Hl. III,8 Clitorius (Tricaris) XV,1 Clotho G,14 Clytie (Clemene) IV,4,5 Cocytus (Conchitus) G,14 Colchis (Colcos, Colchos) VII,1,2 Combe (Cimbe) VII,16 Cornix II,17,18 Coronis (Coronides) II,16 Corythus (Corithus) VII,12 Creon (Teron) VII,8

Creta, Cretensis G,1,2; III,10; VII,27; VIII,1,3, 5,7; XIII,9 Creusa (Crerusa/Cerusa) VII,8 Cume XIV,4 (Sibylla Cumea) Cupido G,5; I,2; X,12 Curetes (Cyrothe; Cyrote) IV,7 Cyane (Cynee; Tyene) V,2,5 Cybele (Cibale; Sybele; Sibile, Cibeles) Prolog; G,1,10; X,5,13 Cyclopes G,2 Cycones X,2 Cygnus (Cignus; Cisnus) II,9; XII,4 Cyneus (= Schoeneius) X,13 Cynosura (Cinonosora) VII,5 Cyparissus (Ciparissus) X,6 Cyprus (Ciprus) XIV,10 Cythera V,3 Dalila (Dalida) VIII,1 Damascus X,13 Danae (Dana) IV,9; [VI,8] Daphne (Damphne) I,2–4 Darius VIII,1 David IV,2; VIII,1 Dedalion (Dedalon) XI,6 Dedalus VIII,3,4,6–8 Deianira IX,1–3 Delos (Deles) VI,13 Delphi (Delfes) G,4; XV,6 Democritus III,12 Deo (Dyo) (= Ceres) VI,10 Deucalion (Decaulio) I,1; VII,10 (Deuchalionee unde) Dia VIII,4; cf. Chios Diana (cf. auch Luna) Prolog; G,7; III,4,5; V,2, 8; VI,11–14; VII,30,31; VIII,9; XII,3; XV,2 Dicteus IX,20 Dina V,3 Diogenes XV,6 Diomedes IX,9; XIII,10 Dionysius XV,6 Dionysus (Dionisius) G,13 Discordia XII,2; XV,7 Dryades (Diades) G,7 Dryope IX,15 Eacus VII,29; IX,18 Echo III,13,14 Edoardus (= Edward II. v. England) VII,4

541

ANHÄNGE

Eetes (Oetes) VII,2–4 Egeus [VII,21]; VIII,4,5 Egina: 1) Nymphe VI,8; 2) Insel VII,29 Egyptus (Egiptus) Prolog; G,8,14; II,14; XV,3 Elatus XII,5 Elysium (Elyseum) G,14 Eneas G,14; XIII,10; XIV,3,4,7,8,11 Enipeus (Empeus) VI,10 Eolides (Colides) (= Cephalus) VII,30 Eolus: 1) Vater einer gewissen Canace oder Arne, des Athamas und des Sisyphus, Großvater des Cephalus VI,10; 2) Eolus rex quidam VII,14; 3) VII,19; 4) Beherrscher der Winde, Vater der Alcyone XIII,3 Ephialtes (Emphilones) VI,11 Epidaurus (Epithaurus) XV,6 Erechtheus (Eritheus) VI,17,18; VII,30 Erichthonius (Eritonius) [II,18]; VII,25 Eridanus (Herodianus) II,9 [Erigone VI,10 (filia Icari)] Erysichthon (Herisiconius) VIII,11,12 Esculapius G,17; II,20; XV,6 Eson VII,5,7 Ethiopia XII,9 Etna (Ethina) V,2,5,7 Euander IX,12 Euboia (Embaita) IX,3 Eumelus (Eumelius) VII,19 Euphorbus (Forbius) XV,1 *Eurytus IX,15 Europa II,23; III,1 Euryale (Furiale) IV,10 Eurydice (Erudice) X,1 Eurynome (Eurimene) IV,4 Eurytus IX,2 Eva VII,1,13; VIII,9 Fata G,14 Fortuna G,5 Francia Prolog Fulius VI,9 Furie G,14 Galanthis (Galantis) IX,13 Galatea (Galleata) XIII,6 Gallia (Galia) VII,26 Ganymedes (Ganimmodus) G,2; X,6

542

Gehenna XIV,7 Geryon (Gorgo) IX,5,8 Gigas/Gigantes G,10,14; I,5,6; II,6 und IX,7 (Atlas); V,2,7 (Typhoes); VII,25 [= Cercyon/Sinis]; XIII,5 (Polyphem) s. unten Glaucus XIII,11; XIV,1 Gorgo/Gorgones Prolog; G,8; IV,10–14,*14a; VII,6 Gracchi (Eracri) XV,8 Gratie G,5 Grecia VI,3; IX,9; XII,2; XIII,10; XV,8 [Harmonia IV,15] Harpyie (Harpie) G,14; VII,1 Hebe 1) Tochter der Iuno IX,2,16; 2) *Mutter der Palizen V,12 Hecate G,7 Hecuba XI,7; XII,1 Helena V,3; VII,13; XII,2,8 [Heliades II,7,8 (sorores Phaetontis)] Helice: 1) Amme des Bacchus VII,5 (Stilide); 2) Küstenstadt in Achaia XV,1 (Ylice) Hemus (Hemeus) VI,3 Hercules G,16; VI,8; VII,13,14,22,24; IX,1–13, 15,16; X,3; XI,3; XII,8; XIV,2; XV,8 Hermaphroditus (Hermafroditus) IV,8 [Hermione IX,14 (filia Martis et Veneris)] Hesione XI,3 Hesperides (Hyspides) IX,7 Hippomenes (Ypomenes) X,13 Hispania IV,13,14,15; IX,5,8 Hippolytus (Ypolitus) XV,2 Hyacinthus (Iacintus) X,8 Hydra (Ydria) IX,5 Hyrie VII,20 Ianthe (Lance) IX,20 Ianus G,1; XIV,5 Iason VI,18; VII,1–8 Icarius (Ycareus) XIII,7 Icarus: 1) (auch Icarius, Vater der Erigone) VI,10; 2) Sohn des Dedalus VIII,6,7 *Icelus XI,8 Ida IV,8 Idomeneus XIII,9 Iephte XIII,9 Ierusalem G,8; IV,2 Inachus I,10,12,13

NAMEN- UND ORTSREGISTER

India G,13; VIII,4 Ino IV,16 Invidia II,22 Io I,10–12,[13],14–16 Ioab G,11 Iohanna, Königin v. Frankreich Prolog Iohannes Evangelista X,7 Iolaus (Yolaus) IX,16 Iole (Hyoles) IX,2,15,16 Ioppe IV,14 Ioseph II,14; VII,6; XV,3 Iphigenia (Effegenia) XII,3 Iphimedeia (Ephygena) VI,[10],11 Iphis (Yphis) 1) Tochter des Ligdus und der Telethusa IX,20; 2) Einwohner von Cypern XIV,10 Iris G,9; XI,6 Isbelia (= Isabella v. Frankreich) VII,4 Isboseth VIII,1 Isis G,14; IX,20 Israel III,2; IX,10 Italia G,1,14; II,9; IV,9; IX,9; XIV,7,8 Itys (Ytis) VI,17 Iuno Prolog; G,1,8,9; I,10,11,14; II,11,12,14; III,6,7,12,14; IV,2,16; V,12; VI,3–6,13,14; VII,14,29; IX,2,4,5,13,16; XI,6; XII,2; XIII,3 Iupiter Prolog; G,1,2,8–10,14,15; I,5–12,14–17; II,5,9,12–14,23; III,1,2,6–8,12,14; IV,2,6,9, 10,13; V,5,6,11,12; VI,3,5,7–10,13,14,16; VII,1,12,13,15,23,29; VIII,1,10; IX,2,5,13,14, 18; X,7; XII,8,9; XV,7 Iupiter Hamon (pater Harenon) III,8 Ixion (Yxion; Ision) G,14; IX,4; X,1 Lachesis (Latesis) G,14 Laodamia (Laodomia) XII,7 Laomedon (Laumedon; Leomedon) VI,5; XI,3 Lapithe (Laphice) XII,5 Latona VI,12–14 Laus G,1 Lazarus XV,2 Leda VI,8 Lemnos (Lempnus) IV,2 Lerna (Ethime) IX,10 Lethe (Lonchitus; Lecheus) G,14 *Lethea X,4 Leucas (Leucada) XV,1 Leucothoe (Leuchotoe) IV,4,5 Liber Pater (= Bacchus) III,8,9

Libya (Libia) III,8; IV,12; IX,11 Lichas (Liccas, Liceas) IX,2,3 Ligdus (Ligelus) IX,20 Lilybeum (Bibeus) V,7 Liriope (Heurope) III,13 Loth VIII,10 Luna, cf. auch Diana G,7; VII,31 Lycaon (Licao) I,8,9; II,10,12,15 Lyncus (Linchus) V,9 Maria (auch: mater dei; beata virgo) G,9; III,1, 5; IV,8; V,8; VI,11–13; VII,13; X,5,11 Mars G,3,14,15; III,2,3; IV,3,15; IX,14; XII,1; XIII,10 Marsyas (Marsias) VI,15 Martius (Marcius) III,2,3 Mavors (Manors), cf. auch Mars G,3 Medea VII,2–8,21 Medusa (Medosa) IV,10–12 Megera G,14; IV,16 Melantho (Melancha) VI,10 Meleager (Meleagrus) VIII,9; IX,1 Memnon (Menon) XII,9 Menelaos XII,8 Menephron (Meophon) VII,17 Mennasus VI,10 Mera (Meta) VII,13; [XII,8 (uxor Herculis)] Mercurius G,6; I,14,17; II,21; IV,8,10,12; VII,19; VIII,10; XI,5; XII,2 [Mestra VIII,12 (filia Erysichthonis)] Midas XI,1,2 Mifibosech IV,2 Miletus IX,19 Minerva G,8; VI,2 Minos VII,24,27; VIII,1–4,6; IX,18 Minotaurus VII,27; VIII,3–6 Mnemonides (Mennonides) V,1 *Morphus XI,8 Moyses III,11; XV,5,6 Musa/Muse G,4; V,10 Mycene (Mithene) XV,1 Myrmidones (Mirmidones) VII,29 Myrrha (Mirra) X,10,11 Nabuchodonosor (Nabuchus) II,11; VII,1 Naiades (Laiades) G,7 Narcissus (Varcistus) G,5; III,13 Naxos (Naxion) III,9 Nemea (Venena) IX,6

543

ANHÄNGE

Neptunus (Neuptumpnus) Prolog; G,1,9,11; II,17; IV,3,11,16; VI,2,10,11; VII,24; VIII,11, 12; X,13; XI,3; XII,4–6 Nereides (Vethaides) G,7 Nessus IX,2 Nilus I,12,15,16 Niobe VI,12 Nisus VIII,1,2 Nysa III,7 Ocyroe (Cherion) II,19 Oeneus VIII,9; IX,1 Ocypete (Ocupite) G,14 *Olenus X,4 Ophus (Alphus) VII,16 Ops G,1,10 Orchamus (Ortavius) IV,4 Oreades (Oriodes) G,7 Oriens III,8 Orithyia (Ericia) VII,30 Orosius VIII,1 Orpheus VII,9; X,1,2; XI,1 Ortygia (Ortigia) V,8 Osiris G,14 Otus (Getus) VI,11 Pachynus (Pithinus) V,7 Pactolus (Patulus) XI,1 Palamedes (Palamides) XIII,1,2 Palici (Palasti) V,11; *11a Pallas: 1) G,8; II,17,18; III,2; IV,2,10–12; V,10; VI,1,2; VIII,8; XII,2,9; 2) Vater der Aurora IX,17 Pan G,12; I,17; XI,2 Pandion VI,17 Paphos (Paphus) X,10 Parce G,14; VIII,9 Paris, cf. auch Alexander V,3; XII,1,2 Parnasus (Pargasus) G,4; V,1; XV,5 Pasiphae (Phasiphis) VIII,3,6 Paulus Prolog Pegasus IV,12,13; V,10 Peleus (Pelleus) XI,4; XV,7 Pelias (Pelleus) VII,6–8,21 Pelops (Pellopes) VI,16 Penelope (Peenelope) XIII,7 Pentheus (Patheus) III,10 Perdix VIII,8 Periphas (Perifas) VII,23

544

Perseus Prolog; IV,9,10,12–14,15; VII,6 Pessinuntia (Pessumica) G,10 Petrus III,8 Phaethon (Pheton; Feton) II,3–5,7–9 Phalaris (Phalus) VIII,1 *Phantasos XI,8 Pharos (Phares) XV,1 [Phegeus IX,14] Phene (Phyneus) VII,23 Philemon (Palemon) VIII,10 Philomena (Phylomena) VI,17 Phineus: 1) Onkel der Andromeda IV,14 (Ymeus/Phymeus); 2) König in Thrakien VII,1 Phlegeton (Flegethon) G,14; V,6 Phoebus (Phebus), cf. auch Apollo I,2–4; II,16; III,1,2; VI,12,13; VII,18; X,2,6,8; XI,2, 3; XIV,4 Phoenix (Phenix) XV,1 Phocis (Phorcis) V,1 Phorcus (Forseus) IV,10 Phrygia (Frigia) VI,15; XI,1,3; XII,7 Phylacis (Philates) XII,7 Phyllius (Phylius) VII,20 Picus XIV,5,6 Pierides (Pyroides) V,10 Pierus (Pyreneus) V,10 Pisa V,8 Pitthea (Phycea) XV,1 Plexippus (Flexippus) VIII,9 Pliades VI,12 Pluto G,1,14; V,2–5,9 Polydectes (Policratus) VII,6 Polymnestor (Polidorus) XI,7 Polypemon (Poliphemenon) VII,23 Polyphemus (Poliphemus) XIII,5,6 Polyxena (Polixena) XI,7 Pomona (Pamona) XIV,9 Portunus (Porticum) G,11 Priamus XI,7; XII,1; XIII,2 Priapus IX,15 Procne (Progne; Prognes) VI,17 Procris (Pocris) VII,30,31 Procrustes (Procrustos) VII,25 *Prometheus Prolog Proserpina G,7,14; V,2–6,9; [VI,10]; VII,22 Proteus (Prothus) II,2; VIII,12; XI,4 Prothesilaus (Protheselaus) XII,7 Pygmalion X,10

NAMEN- UND ORTSREGISTER

Pygmea (Pigmea) VI,4 Pyramus (Piramus) IV,1 Pyreneus V,1 [Pyrrha I,1] Pythagoras (Pictagoras) XV,1 Pyton (Phyton, Pheton) G,4; I,2 Rhadamanthus (Rodomanthus) IX,18 Rhodope (Ropodes) VI,3 Roboam VIII,7 Rogerius (= Roger Mortimer) VII,4 Roma IV,14; XV,6 Romulus XIV,11; XV,4 Sagaris X,5 (Sagaritis nympha) Salamis XIV,10 Salmacis IV,8; XV,0 Salomon IV,10; VIII,7 Samos XIII,3 Samson IV,10; VIII,1 Samuel VII,24 Saturnus Prolog; G,1,2,10,14 Satyr (Satir) G,7; XI,2 Sciron (Chyrimon) VII,26 Scylla (Scilla) VIII,1,2; XIV,1 Sedechia, Sedecias (Sedochia) VII,1 Semele (Semelen) III,6,7 Sibylla (Sibilla) XIV,4 Sicilia (Cicilia) V,2,7,8,11; IX,7 Silenus (Tillenus) XI,1 Sirenes (Syrenes) V,4 Sisyphus (Bisiphus) G,14; X,1 Sithon 1) IV,6 (Sichon); 2) Stadt VII,28 (Sythom) Sodoma VIII,10 Sol G,2,4,10; II,1–5,8,9,16,19,20; IV,3–5; VII,2; VIII,3; X,1; XIII,4; XIV,6; XV,6 Somnus XI,6 Stheno (Stelion) IV,10 Strophades (Triphadas) VII,1 Styx (Stix) G,14; III,6,13; VII,15 Syrinx I,17 Tages (Teges) XV,3,5 Tantalus G,14; VI,12,16; X,1 Tartarus X,1 Telamon (Telemon; Thelomon) XI,3,4 Telchines (Telachini) VII,15 Telegonus (Thelogonus) XIII,4,8

Tellus (Cellus) I,3 Tereus VI,17 Terra G,2,10; [I,1 magna parens]; II,5; [IX,11 (Mutter des Anteus)] Thamar II,23 Thebe (Thebas) III,1; XV,1 Theletusa IX,20 Themis (Thenus) IV,13 [Theophane VI,10 (filia Bisaltis)] Theseus VII,21,22,24–26; VIII,4–6,9; IX,1 Thesiphone (Struphones) G,14 Thessalia (Tesalia) VII,2,3,5 Thetis (Tetis) Prolog; XI,4; XV,7 Thisbe (Tysbe) IV,1 Thracia (Tracia) VI,17,18 Thyoneus (Cioneus) VII,11 Tiber (Tybernius) IX,12 Tiresias (Tyrisie; Tyrasias) III,10–13 Titanus (Ticanus) (= Sol) G,1,2,10 Tithonus (Ticonus) IX,17 Titus VII,27 Tityus G,14 Toxeus (Cozeus) VIII,9 Trinacria (Trithimia) V,7 Triptolemus (Tritolomus) V,9 Tritones G,11 Troezen XV,1 Troia V,3; VII,24; XI,3,7; XII,1–3,7,8; XIII,1,3, 5,9; XIV,3; XV,1 Turnus IV,9; XIV,7 Typhoeus (Typhoe, Cifoe) V,2,7 Tyros (Cyrus) XV,1 Ulixes (Ulisses) XIII,1–5,8 Ventrigeri G,3 Venus G,1,5,8,13,15; I,2; IV,2–4; IV,8; V,2,3; VII,15; IX,14; X,9,10,12,13; XII,2; XIII,10; XIV,7 Vertumnus (Vercamus; Vercomius) XIV,9 Vespasianus VII,27 Victoria G,14 Virbius XV,2 Vulcanus Prolog; G,2,5,15; II,4; IV,2,3; VII,25; IX,12,14 Zancle (Arnele) XV,1 Zetes (Cetus) VI,18; VII,1 Zeus (Ethor) G,2

545

ANHÄNGE

3. Konkordanz der vorliegenden Edition mit der Hs. Gotha und dem Druck Paris 1509 Edition

Gotha (G)

Druck 1509 (Ep)

Prologus

1rv

1r–2r

De formis figurisque deorum

1v–8v

2r–17r

1. Saturnus

1v–2r

2r–3v

2. Iupiter

2rv

3v–4v

3. Mars

2v–3r

5rv

4. Apollo

3rv

5v–7r

5. Venus

4r

7r–8r

6. Mercurius

4rv

8r–9r

7. Diana

4v–5r

9rv

8. Minerva

5rv

9v–10v

9. Iuno

5v–6r

10v–11r

10. Cybele

6r

11v–12r

11. Neptunus

6rv

12rv

12. Pan

6v

12v–13r

13. Bacchus

7r

13rv

14. Pluto

7r–8v

13v–17r

15. Vulcanus

8v

17r

16. Hercules

8v

17r

17. Aesculapius

8v

17r

I 1: Deucalion und Pyrrha

9r

I,6 18v–19r

I 2: Apollo und Daphne,

9rv

I,7 19r–20r

I 3: Die Verwandlung Daphnes

9v

I,8 20r

I 4: Apollo und der Lorbeer

9v–10r

I,9 20rv

I 5: Die Giganten

10r

I,1 17v

I 6: Die zweite Generation

10r

I,2 17v–18r

I 7: Die Götterversammlung

10v

I,3 18r

I 8: Iupiter und Lycaon

10v

I,4 18rv

I 9: Lycaon

10v–11r

I,5 18v

I 10: Iupiter und Io

11r

I,10 20v

I 11: Die Verwandlung der Io

11r

I,11 20v–21r

I 12: Die verwandelte Io

11r

I,13 21v–22r

I 13: Io und Inachus

11v

I,14 22r

I 14: Argus und Mercur

11v

I,12 21rv

Metamorphoses moralizatae Liber I

546

KONKORDANZ

I 15: Die Rückverwandlung Ios

12r

I,15 22rv

I 16: Die Verstirnung Ios

12r

I,15 22rv

I 17: Syrinx

12rv

I,16 22v

II 1: Der Palast des Sol

12v

22v–23r

II 2: Proteus

12v

23r

II 3: Sol und Phaethon

13r

23rv

II 4: Phaethon und der Sonnenwagen

13r

23v–24r

II 5: Der Sturz Phaethons

13v

24rv

II 6: Atlas

13v

24v

II 7: Die Heliaden

13v

24v

II 8: Die Verwandlung der Heliaden

14r

24v–25r

II 9: Cygnus

14r

25rv

II 10: Callisto

14rv

25v

II 11: Die Verwandlung Callistos

14v

25v–26r

II 12: Callisto als Bärin

14v

26r

II 13: Callisto und Arcas

14v

26rv

II 14: Die Verstirnung

15r

26v

II 15: Lycaon und Callisto

15r

26v

II 16: Sol und Coronis

15r

26v–27r

II 17: Cornix

15v

27rv

II 18: Erichthonius

15v–16r

27v–28v

II 19: Ocyroe

16r

28v

II 20: Aesculap und Chiron

16r

28v–29r

II 21: Battus

16v

29r

II 22: Invidia

16v

29rv

II 23: Europa

17r

29v–30v

III 1: Cadmus

17r

30v

III 2: Cadmus und der Drache

17v

III,2f. 30v–31r

III 3: Cadmus säht die Drachenzähne

17v–18r

III,4 31rv

III 4: Actaeon

18r

III,5 31v–32r

III 5: Der Tod des Actaeon

18v

III,6 32rv

III 6: Semele

18v

III,7 32v–33r

III 7: Die Geburt des Bacchus

19r

III,8 33rv

III 8: Bacchus und Iupiter

19r



III 9: Die tyrrhenischen Fischer

19v

III,14 35v–36r

III 10: Pentheus und die Minyastöchter

19v–20r

III,13 35v; IV,9 40r

III 11: Tiresias

20r

III,9 33v–34r

III 12: Der Streit zwischen Iuno und Jupiter

20r

III,10 34rv

Liber II

Liber III

547

ANHÄNGE

III 13: Narziss und Echo

20v

III,11 34v–35r

III 14: Echo

20v

III,12 35rv

IV 1: Pyramus und Thisbe

21r

36r–37r

IV 2: Die Geburt von Minerva und Vulcan

21v

37r–38r

IV 3: Venus und Mars

21v

38r

IV 4: Sol und Leucothoe

21v–22r

38rv

IV 5: Clytie

22rv

38v–39r

IV 6: Sithon

22v

39r

IV 7: Die Cureten

22v

39r

IV 8: Hermaphrodit

22v–23r

39r–40r

IV 8a: Die Minyastöchter

[= III,10]

IV,9 40r

IV 9: Danae

23r

IV,12 40v–41r

IV 10: Perseus und die Gorgonen

23v

IV,13 41rv

IV 11: Medusa

23v

IV,14 41v–42r

IV 12: Pegasus

24r

IV,15 42r

IV 13: Perseus und Atlas

24rv

IV,16 42v–43r

IV 14: Perseus und Andromeda

24v

IV,17 43rv

IV 15: Die Entstehung der Korallen



IV,18 43v–44r

IV 16: Cadmus und Harmonia

IV,15 25r

IV,11 40v

IV 17: Ino

IV,16 25r

IV,10 40rv

V 1: Pyreneus

25v

44rv

V 2: Der Raub der Proserpina

26r

V,4 45v–46r

V 3: Venus und Proserpina

26r

V,7 46v

V 4: Die Sirenen

26rv

V,10 47v–48r

V 5: Die Suche der Ceres

26v

V,8 46v–47r

V 6: Ascalaphus

27r

V,9 47rv

V 7: Typhoes

27rv

V,3 47r

V 8: Arethusa

27v

V,11 48r

V 9: Triptolemus

27v–28r

V,12 48rv

V 10: Die Pieriden

28r

V,2 44v

V 11: Die Palicen

28r

V,5 46r

V 12: Die Palicen II



V,6 46rv

VI 1: Arachne

28v

48v

VI 2: Der Streit zwischen Minerva und Neptun

28v

49r

VI 3: Haemus und Rhodope

29r

49r

VI 4: Pigmea

29r

49rv

Liber IV

Liber V

Liber VI

548

KONKORDANZ

VI 5: Antigone

29r

49v

VI 6: Die Töchter des Cinyras

29r

49v

VI 7: Asterie

29r

49v

VI 8: Götter-Liebschaften I

29v

49v–50r

VI 9: Fulius

29v

50r

VI 10: Götter-Liebschaften II

30r

50rv

VI 11: Otos und Ephialtes

30r

50v

VI 12: Niobe

30v

50v–51r

VI 13: Latona

30v

51rv

VI 14: Die lykischen Bauern

31r

51v

VI 15: Apollo und Marsyas

31r

51v–52r

VI 16: Tantalus

31rv

52rv

VI 17: Procne, Philomela und Tereus

31v

52v–53r

VI 18: Boreas und Orithyia

32r

53r

VII 1: Die Argonauten und Phineus

32rv

53r–54r

VII 2: Das Goldene Vlies

33r

54rv

VII 3: Medea und Iason

33rv

54v–55r

VII 4: Medeas Brudermord

33v

55r

VII 5: Medea verjüngt Aeson

33v

55rv

VII 6: Pelias und Iason

34r

VII,7 55v–56r

VII 7: Medea tötet Pelias

34r

VII,6 55v

VII 8: Medeas Kindermord

34v

56rv

VII 9: Der Kopf des Orpheus

34v

56v

VII 10: Cerambius

34v

56v

VII 11: Thyoneus

35r

56v

VII 12: Corithus

35r

56v–57r

VII 13: Hercules und Maera

35r

57r

VII 14: Die Frauen von Cos

35r

57r

VII 15: Die Telchinen, Alcidamas u. seine Tochter

35v

VII,15f. 57rv

VII 16: Combe

35v

VII,17 57v

VII 17: Menephron

35v

VII,18 57v

VII 18: Der Enkel des Cephisus

35v

VII,18 57v

VII 19: Eumelus

35v

VII,19 57v

VII 20: Phyllius und Cygnus

35v–36r

VII,20 57v

VII 21: Medea, Aegeus und Theseus

36r

VII,22 58r

VII 22: Hercules und Cerberus

36rv

VII,23 58rv

VII 23: Phene und Periphas

36v

VII,21 57v–58r

VII 24: Minos und der Stier des Poseidon

36v

VII,24 58v–59r

VII 25: Procrustes, Cecyon, Periphetes

37r

VII,25–27 59r

VII 26: Sciron

37r

VII,28 59rv

Liber VII

549

ANHÄNGE

VII 27: Androgeus

37v

VII,29 59v

VII 28: Arne

37v

VII,30 59v–60r

VII 29: Aeacus und die Myrmidonen

37v

VII,31 60r

VII 30: Cephalus und Procris

38r

VII,32 60rv

VII 31: Der Tod der Procris

38r

VII,33 60v

VIII 1: Nisus und Scylla

38v–39r

61rv

VIII 2: Der Turm von Alchatoe

39r

61v–62r

VIII 3: Pasiphae

39r

62r

VIII 4: Ariadne und Theseus

39v

62rv

VIII 5: Der Tod des Aegeus

39v

62v–63r

VIII 6: Daedalus und Icarus

40r

63rv

VIII 7: Der Sturz des Icarus

40v

63v–64r

VIII 8: Perdix

40v

64rv

VIII 9: Atalante und Meleager

41r

64v–65r

VIII 10: Philemon und Baucis

41v

65rv

VIII 11: Erysichthon

42r

65v–66v

VIII 12: Gestaltenwandler

42v

66v–67r

IX 1: Achelous

42v

67r

IX 2: Nessus und Deianira

43rv

67r–68r

IX 3: Lichas

43v

68r

IX 4: Ixion

43v–44r

68rv

IX 5: Geryon, Cerberus und Hydra

44r

68v–69r

IX 6: Der Nemeische Löwe

44r

69r

IX 7: Die Äpfel der Hesperiden

44v

69r

IX 8: Geryon und Cerberus

44v

69rv

IX 9: Diomedes

44v–45r

69v–70r

IX 10: Hydra

45r

70r

IX 11: Antheus

45r

70rv

IX 12: Cacus

45v

70v

IX 13: Galantis

45v

70v–71r

IX 14: Das Halsband der Harmonia

46r

IX,16 71v–72r

IX 15: Dryope

46r

IX,14 71rv

IX 16: Iole

46r

IX,15 71v

IX 17: Tithonus

46v

72r

IX 18: Aeacus, Rhadamanthus und Minos

46v

72r

IX 19: Byblis

46v

72r

IX 20: Ligdus

47r

72v

Liber VIII

Liber IX

550

KONKORDANZ

Liber X X 1: Orpheus und Eurydice

47rv

72v–73v

X 2: Der Tod des Orpheus

47v–48r

73v–74r

X 3: Die Versteinerung eines Bauern

48r

74r

X 4: Lethea und Olenus



74rv

X 5: Attis

X,4 48rv

74v

X 6: Cyparissus

X,5 48v

74v

X 7: Ganymed

X,6 48v

74v–75r

X 8: Hyacinthus

X,7 48v

75r

X 9: Die Cerasten

X,8 49r

75r

X 10: Pygmalion

X,9 49r

75rv

X 11: Myrrha

X,10 49v

75v–76v

X 12: Venus und Adonis

X,11 50r

76v–77r

X 13: Atalanta und Hippomenes

X,12 50v

77rv

XI 1: Midas

51r

77v–78v

XI 2: Pan und Apollo

51v

78v–79r

XI 3: Laomedon

51v–52r

79r

XI 4: Peleus und Thetis

52r

79rv

XI 5: Autolycus

52r

79v

XI 6: Ceyx

52v

79v–80r

XI 7: Polydorus

52v

XIII,3 91v

[Somnus] (cf. Anm. 723)



XI,7 80rv

XII 1: Paris

53r

80v–81r

XII 2: Der Goldene Apfel

53rv

81rv

XII 3: Die Opferung der Iphigenie

53v

81v

XII 4: Cygnus

54r

XII,5 82rv

XII 5: Caeneus

54r

XII,5 82rv

XII 6: Der Tod des Caeneus

54r

82v

XII 7: Prothesilaos und Laodamia

54v

XII 4 81v–82r

XII 8: Helena

54v

XIV,13 89r

XII 9: Memnon

54v

XIII,4 91v–92r

XIII 1: Odysseus und Palamedes

55r

82v–91r (sic)

XIII 2: Odysseus’ Rache an Palamedes

55r

91rv

XIII 3: Der Sack des Aeolus

55v

XIV,5 94rv

XIII 4: Circe

55v–56r

XIV,6 94v–87r (sic)

XIII 5: Polyphem

56r

XIV,4 93v–94r

Liber XI

Liber XII

Liber XIII

551

ANHÄNGE

XIII 6: Galatea und Acis

56v

92v

XIII 7: Penelopes Weblist

56v

XIV,8 87rv

XIII 8: Telegonus

56v

XIV,7 87r

XIII 9: Idomeneus

57r

XIV,12 89r

XIII 10: Diomedes

57r

XIV,11 88v

XIII 11: Glaucus

57v

XIII,7 92v–93r

XIV 1: Scylla

57v–58r

93rv

XIV 2: Charybdis

58r

93v

XIV 3: Die Flucht des Aeneas

58r

XIII,5 92r

XIV 4: Die Cumaeische Sibylle

58v

XIV,3 93v

XIV 5: Picus

58v–59r

XIV,9 87v–88r

XIV 6: Die Gefährten des Picus

59r

XIV,10 88rv

XIV 7: Die Schiffe des Aeneas

59rv

XIV,14 89rv

XIV 8: Ardea

59v

XIV,15 89v

XIV 9: Vertumnus und Pomona

59v

XIV,16 89v–90r

XIV 10: Iphis

59v

XIV,17 90r

XIV 11: Die Vergöttlichung des Aeneas und des Rolumus

60r

XIV,18 90rv

XIV 12: Die Beständigkeit göttlicher Urteile

60r

XIV,19 90v

60rv

XV,1f. 90v–91v

XV 2: Hippolytus

60v–61r

XV,3 91v

XV 3: Tages

61r

XV,4 91v–92r

XV 4: Das Schwert des Romulus

61r

XV,5 92r

XV 5: Cippus

61rv

XV,6 92rv

XV 6: Die Pest in Rom

61v

XV,7 92v–93r

XV 7: Thetis und Peleus

62r

XV,8 93rv

XV 8: Alcestis und Admetus

62r

XV,9 93v–94r

Liber XIV

Liber XV XV 1: Pythagoras und verschiedene Metamorphosen

552

LITERATUR

4. Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen und Literatur Abkürzungen CC CM CCL CSEL GCS MGH Myth. Vat. Ov. Met. Ov. mor. Ps.PG PL Reduct. mor. Repert. mor. Vulg.

Corpus Christianorum. Series Latina. Continuatio Mediaevalis Corpus Christianorum. Series Latina Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Griechische christliche Schriftsteller Monumenta Germaniae Historica Mythographus Vaticanus (I, II oder III) Ovidius, Metamorphoses Berchorius, Ovidius moralizatus PseudoPatrologia Graeca, hg. von Jacques Migne Patrologia Latina, hg. von Jacques Migne Berchorius, Reductorium morale Berchorius, Repertorium morale Vulgata

Quellen/Textausgaben Abaelard: Petrus Abaelardus, Sic et non. A Critical Edition, hg. von Blanche Beatrice Boyer, Chicago 1977. Alanus ab Insulis (Alan of Lille), De planctu Naturae, in: Ders., Literary Works, hg. und übers. von Winthrop Wetherbee, Cambridge, Mass. – London 2013, S. 21–217. Alanus ab Insulis, Summa de arte praedicatoria, PL 210, Paris 1855, Sp. 109–198. Alanus ab Insulis, Distinctiones dictionum theologicalium, PL 210, Paris 1855, Sp. 685–1012. Albericus s. Mythographus Vaticanus III. Alcher von Clairvaux (?), De spiritu et anima, PL 40, Paris 1865, Sp. 779–832. Ambrosius Mediolanensis, Expositio evangelii secundum Lucam, hg. von Marcus Adriaen (CCL 14), Turnhout 1957, S. 1–400. Ambrosius Mediolanensis, Expositio in Psalmi CXVIII, hg. von Michael Petschenig (CSEL 62), Wien – Leipzig 1913. Ambrosius Mediolanensis: Ambroise de Milan, Hymnes, hg. von Jacques Fontaine, Paris 1992. Anonymus Neveleti (Gualterus Anglicus?), Fabulae s. Gualterus Anglicus. [Ps.-]Apuleius, Asclepius, in: Apuleius, Opera, hg. von Claudio Moreschini, Bd. 3: De philosophia libri, Stuttgart – Leipzig 1991. Aristoteles, Ethica Nikomachaea, in: Aristotelis Opera, Bd. 2, hg. von Emmanuel Bekker, Berlin 1831. Augustinus (Aurelius A.), De civitate dei, hg. von Bernhard Dombart – Alphons Kalb (CCL 47/48), Turnhout 1955. Augustinus (Aurelius A.), Confessiones/Bekenntnisse, Lat.-Dt., eingel., übers. und erläutert von Joseph Bernhart, München 3 1966. Augustinus (Aurelius A.), Confessionum libri 13, hg. von Lucas Verheijen (CCL 27), Turnhout 1981. Augustinus (Aurelius A.), De doctrina christiana, hg. von Joseph Martin (CCL 32), Turnhout 1962, S. 1–167. Augustinus (Aurelius A.), Enarrationes in psalmos, hg. von Eligius Dekkers – Johannes Fraipont (CCL 38–40), Turnhout 1956. Bambagioli, Graziolo, Il Commento all’ inferno di Dante, hg. von Luca Carlo Rossi, Pisa 1998. Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum, Frankfurt a.M. 1601, ND 1964.

553

ANHÄNGE

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