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German Pages 312 [311] Year 2017
A LT E R T U M S W I S S E N S C H A F T E N / ARCHÄOLOGIE
Perdikkas II. – Retter Makedoniens Sabine Müller
Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur
Sabine Müller Perdikkas II. – Retter Makedoniens
Altertumswissenschaften /Archäologie, Band 6
Sabine Müller
Perdikkas II. – Retter Makedoniens
Verlag für wissenschaftliche Literatur
Umschlagabbildung: Perdikkas II., Tetrobol, 437/6–432/1 v. Chr., Raymond 209, second ser., 2,44 g; Av. Reiter mit Petasos im Nacken und drei Speeren (einer vermutlich nachgraviert) auf nach re. schreitendem Pferd, darunter Strauch, im Perlkranz, mehrere Partien im Stempel korrodiert, u.a. zwischen Schweif und Hinterhand des Pferds (Foto: U. Klöppel, Aarbergen)
ISBN 978-3-7329-0208-8 ISBN (E-Book) 978-3-7329-9605-6 ISSN 1863-4397 © Frank & Timme GmbH Verlag für wissenschaftliche Literatur Berlin 2017. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Herstellung durch Frank & Timme GmbH, Wittelsbacherstraße 27a, 10707 Berlin. Printed in Germany. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. www.frank-timme.de
Für Gerhard Wirth
Inhaltsverzeichnis
Danksagung ..................................................................................................... 11 I
Einleitung ................................................................................................ 13 Perdikkas II. – then and now .............................................................................. 13 Forschungsstand .................................................................................................. 15 Intention................................................................................................................ 27
II
Quellen zu Perdikkas .............................................................................. 31 Die Temeniden und das Problem der dominierenden kulturfremden Sicht............................................................................................. 31 Perdikkas bei Thukydides ................................................................................... 33 Perdikkas bei Platon ............................................................................................ 38 Weitere Quellen zu Perdikkas ............................................................................ 42 Perdikkas im griechisch-römischen literarischen Nachleben ....................... 45
III
Perdikkas’ makedonisch-temenidischer background ........................... 49
Makedonien und die Temeniden ...................................................................... 49 Perdikkas’ Großvater Amyntas I., Dareios I. und Hippias ............................ 66 Perdikkas’ Vater Alexander I., die Perser und die Griechen ......................... 76 IV
Perdikkas’ Frühzeit ................................................................................. 85
Perdikkas’ „dunkles Zeitalter“ ............................................................................ 85 Perdikkas II., seine Geschwister und die Bedeutung ihrer Namen............... 86 Kontroversen um Perdikkas’ Regierungsdauer ............................................... 99 Perdikkas und die angebliche Reichsteilung .................................................. 103 Thukydides und Philipps ἀρχή ........................................................................ 107 Platon und Alketas’ ἀρχή .................................................................................. 111
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Totgesagte leben länger? Ein Gedankenspiel ................................................. 115 Die temenidische Aufstiegsgeschichte und die Vorgabe der ungeteilten Herrschaft ................................................................................ 118 Perdikkas und Histiaia ...................................................................................... 121 V
Perdikkas und/versus Athen ................................................................. 125 There must be some way out of here… ............................................................ 125 Amphipolis: Dreh-, Angel- und Knackpunkt athenisch-temenidischer Beziehungen ........................................................... 126 Perdikkas, der Bruderstreit und Athens Beitrag ........................................... 133 Perdikkas, Athen und die chalkidischen Städte ............................................ 136 Frieden, Friedensbruch und die Frage nach dem Verantwortlichen ......... 141 Athen, Perdikkas, Sitalkes und die mysteriösen Versprechungen.............. 148 Sitalkes’ Makedonien-Expedition.................................................................... 155 Perdikkas und Methone .................................................................................... 164 Perdikkas und die Übereinkunft mit Sparta .................................................. 167 Perdikkas, Brasidas und der erste Lynkestis-Zug.......................................... 171 Vom Traum zum Trauma Athens: Amphipolis............................................ 174 Der zweite Lynkestis-Zug oder: Thukydides’ Abqualifizierung von Perdikkas als Feldherr ....................................................................................... 179 Friedensschluss und Ruderholz ....................................................................... 192 Perdikkas und Nikias ........................................................................................ 196 Hermippos, Perdikkas, Lügen auf Schiffen und Gesichter des Kriegs ....... 201 Perdikkas, Argos, Thukydides und kinship ties ............................................. 207 Perdikkas, Aristophanes und Die Vögel ......................................................... 216 Perdikkas’ Ende und Erben .............................................................................. 224 Bleibendes Konfliktpotential: Amphipolis und Olynthos ........................... 227 Alexander I. und Perdikkas II. im griechischen Diskurs um Amphipolis unter Philipp II................................................................................................... 228
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VI Perdikkas’ Kulturförderung und „Legende“........................................... 241 Perdikkas und die Patronage von Kunst und Wissenschaft ........................ 241 Perdikkas und Hippokrates .............................................................................. 243 Perdikkas und Lukian........................................................................................ 249 Hinweise auf eine Perdikkas Romance? .......................................................... 251 Hippokrates, Asklepios und Ep. 95 AB des Mailänder Papyrus ................. 256 Hippokrates, Perdikkas und das Liebesmotiv ................................................ 260 VII Fazit ....................................................................................................... 261 VIII Bibliographie ......................................................................................... 263 IX
Appendices ............................................................................................ 298
Appendix 1 – Zeittafel ....................................................................................... 298 Appendix 2 – Herrscher der Temeniden ........................................................ 302 Appendix 3 – Perdikkas’ Familie ..................................................................... 303 Appendix 4 – Abbildungen .............................................................................. 304 X
Index ...................................................................................................... 307
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Danksagung
Mein allerherzlichster Dank für die Möglichkeiten der Diskussion und hilfreiche Unterstützung geht an erster Stelle an Francesca Angiò, Waldemar Heckel, Johannes Heinrichs, Daniel Ogden, Frances Pownall, Gerhard Wirth, Yannis Xydopoulos und Michael Zahrnt. Des Weiteren gebührt mein ganz herzlicher Dank Sulo Asirvatham, Liz Baynham, Beth Carney, Tim Howe, Bruno Jacobs, Ulrich Klöppel, Marek Jan Olbrycht, Sarina Pal, Olga Palagia, Yossi Roisman, Inga Rost, Giuseppe Squillace, Kai Trampedach und Josef Wiesehöfer. Außerdem danke ich herzlich Meli Reiter und Fyona Fugensi für die Hilfe bei der Literaturbeschaffung. Ein ebenso herzlicher Dank gilt Astrid Matthes und André Horn für die nette Zusammenarbeit und ihre Geduld bezüglich meines Manuskripts.
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I
Einleitung
Perdikkas II. – then and now Zu seiner Zeit war Perdikkas II. (ca. 450 – ca. 413)1 eine bekannte Figur in der Politik der Mittelmeerwelt. Seine Herrschaft fiel in eine ereignisreiche Spanne. Unter seinem Großvater und Vater hatte das Temenidenreich zeitweilig unter persischer Oberhoheit gestanden, von der Perdikkas’ Familie profitiert hatte. Nach den Niederlagen der persischen Truppen in Hellas 480/79 und ihrem Rückzug stießen die Athener in das hinterlassene Einflussvakuum im nordgriechischen Raum vor. Damit geriet das Temenidenreich in den Radius der Interessenszonen der Athener, die sie weiter ausbauten und damit zu ihm in Konflikt gerieten. Perdikkas war in die Auseinandersetzungen des Peloponnesischen Kriegs involviert und trug als Bündnispartner Mitverantwortung für ein politisches Trauma der Athener, das ihre Führungskreise noch im Jahrhundert danach beschäftigte: den Verlust ihres geostrategischen Trumpfasses Amphipolis. Unmittelbar davon betroffen war auch Thukydides. Er bekam die Schuld und musste in Folge in die Verbannung gehen. Es verwundert wenig, dass Thukydides’ Darstellung von Perdikkas in seinem daraufhin entstandenen Geschichtswerk seine Tendenzen hat. Athens ambitionierte Politik in Nordgriechenland setzte das Temenidenreich jedoch nicht nur unter Druck, sondern verlieh ihm zugleich auch strategische Relevanz. Als Repräsentant seines Reichs und seiner Führungskreise wurde Perdikkas zu einer politischen Marke, die von den Athenern, ihren Bündnispartnern und ihren Gegnern beachtet wurde. Ein Indikator für Perdikkas’ Präsenz im athenischen zeitgenössischen Diskurs ist seine Erwähnung in der attischen Komödie – wenngleich als Gegenbild: als Spezialist für Lug und Trug, dessen Schliche offenbar einen eigenen terminus technicus generierten.2 In seiner Zeit über die Reichsgrenzen hinaus bekannt, fiel der Schatten des Vergessens bereits in der Antike über Perdikkas’ Angedenken, was sich fortsetzte. Eine Blüte findet sich im 6. Jh. bei Jordanes’ Getica. Im Zuge seiner ............................................ 1
Wenn nicht anders angezeigt, beziehen sich alle folgenden Jahreszahlen auf Ereignisse v. Chr.
2
Hermippos, F 63 K-A (= Athen. 1,27 E-28 A); Aristoph. Av. 768; eventuell auch Aristoph. Av. 1292. Vgl. Kap. V.
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Glorifizierung der Goten berichtet er über (faktische und als solche gedeutete) Kriegserfolge ihrer Ethnien.3 Gemäß seiner Gleichsetzung „Thraker – Geten – Goten“4 listet er auch einen Sieg des Odrysenherrschers Sitalkes über Perdikkas auf. Dabei kann nicht nur von Sieg keine Rede sein.5 Jordanes identifiziert Perdikkas auch noch als den gleichnamigen Offizier Alexanders III.,6 Perdikkas, Sohn des Orontes, aus Orestis.7 Es zeugt für die überwuchernde Dominanz der Alexandergeschichte, dass ab einem gewissen Zeitpunkt mit Perdikkas aus Makedonien primär der Nicht-Temenide Perdikkas assoziiert wurde.8 Eine Rezeptionssparte, die zumeist am Rand des Blickfelds liegt, doch gewisse Einblicke in Bekanntheitsgrade in Rom geben kann, sind stadtrömische Sklavennamen. Heikki Solin listet unter den Namen makedonischer Herrscher Alexander, Amyntas, Philipp und Arrhidaios, aber keinen Perdikkas.9 Von den Namen von Perdikkas’ prominenten griechischen Zeitgenossen fanden Alkibiades (anscheinend ein recht beliebter stadtrömischer Sklavenname), Perikles und Brasidas (jeweils einmal gelistet), Eingang in die Welt der Namensgebung römischer Unfreier.10 Aktuell gehört Perdikkas II. zu den fast vergessenen Temeniden –11 ein Stiefkind der Forschung, überschattet von Philipp II. und Alexander III., die das Interesse bündeln. Perdikkas ist zu einer solchen Randgestalt geworden, dass er mitunter mit Perdikkas I. oder Perdikkas III. verwechselt12 oder bei ............................................ 3
Vgl. Gardiner-Garden 1989, 38, A. 48; auch Iliescu 1971, 138, m. A. 11, 12–14. Jordanes erwähnte etwa Decebalus’ Erfolg gegen Domitian, aber Trajans folgenden Sieg nicht (Get. 76–78).
4
Iliescu 1971, 138, A. 11.
5
Thuk. 2,100,3–101,5. Vgl. Loukopoulou/Psoma 2007, 146. Sitalkes erreichte in Makedonien nichts von Bedeutung und trat zu Perdikkas in Verhandlungen. Vgl. Kap. V.
6
Jordanes, Get. 66. Offenbar vermischte er Thukydides mit Dio Chrysostomos, eine seiner häufig benutzten Quellen, vgl. Gardiner-Garden 1989, 38. Zu Perdikkas’ einflussreicher Stellung nach Alexanders Tod, auf die Jordanes anspielt: Diod. 17,117,3–4; Curt. 10,6,5; Just. 12,15,12; LM 112 (angeblich – was auf Perdikkas’ eigene Propaganda zurückzuführen sein mag – überreichte Alexander ihm auf dem Sterbebett seinen Siegelring – wobei man sich fragt, ob es der makedonische oder der persische war, dessen Verwendung Curt. 6,6,6 bezeugt); Diod. 18,23,2: Perdikkas’ prostasia.
7
Zu ihm vgl. Heckel 2016, 153–188; Heckel 2013; Heckel 2006, 197–202; Rathmann 2005; Geyer 1937c; Hampl 1934, 83–87.
8
Dabei zählte er nicht einmal zu den Begründern der Diadochenreiche.
9
Vgl. Solin 1996, 240–252.
10
Vgl. Solin 1996, 239–240. Es sind insgesamt 10 Träger des Namens Alcibiades gelistet.
11
Yannis Xydopoulos teilte mir in einer Mail vom 24.04.17 mit, dass Perdikkas auch in der Chalkidike, einem seiner „Hauptkampforte“, heutzutage vergessen sei. Für diese Information bedanke ich mich herzlich.
12
So bezeichnet Howland 2004, 201 ihn als Begründer der makedonischen Temenidendynastie (= Perdikkas I., vgl. Geyer 1937a) und zitiert Hdt. 8,137–139 zusammen mit Thuk. 1,75,2–5; 4,82,1 als Belegstellen für ihn. Somit verschmilzt er Perdikkas II. und Perdikkas I. miteinander. Dies geschieht ebenso bei Mynott (ed.) 2013, 642, der Alexander I. als Vater von Perdikkas I. be-
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Abrissen der Temenidengeschichte einfach ausgelassen wird.13 Nicht einmal der Umstand, dass eine literarische Berühmtheit wie Thukydides über ihn berichtete, ändert etwas an dieser Marginalisierung. Dies wertet Perdikkas’ politische Leistung und historische Bedeutung für Makedonien zu Unrecht ab. Die Entwicklung von Reich und Dynastie unter Philipp II. und Alexander III. in ihrer Komplexität ist ohne die von ihren Vorgängern geprägten Strukturen und Traditionen nicht zu verstehen. Unter Alexander I. und Perdikkas erfuhren sie entscheidende Ausprägungen.
Forschungsstand Es existiert keine Monographie zu Perdikkas, nur eine überschaubare Zahl von Aufsätzen oder Kapiteln in Gesamtdarstellungen.14 Seine Rezeption ist ambivalent: Entweder wird seine Leistung gepriesen, Makedonien gegen die athenischen Kontrollbestrebungen verteidigt zu haben, oder er wird als schwacher Herrscher und politischer Wendehals dargestellt, der das Reich heruntergebracht habe. Eine frühe Anerkennung erfuhr Perdikkas durch den irischen Historiker Thomas Leland in dessen History of the Life and Reign of Philip King of Macedon, the Father of Alexander (Erstauflage 1758). Inspiriert von seiner Übersetzung der demosthenischen Reden gegen Philipp und von dem zeitgenössischen Bündnis zwischen Britannien und Preußen unter Friedrich II. beschwor Leland ein idealisiert-verklärtes Bild Philipps II. als Prototyp des aufgeklärten absolutistischen Herrschers: hochgebildet, fähig, klug, zielstrebig, zugänglich ........................................................................................................................................................................... zeichnet. Bei Gauger/Gauger 2010, 259 wird im Index auf Perdikkas I. bei Theopomp., BNJ 115, F 279 verwiesen. Das Fragment bezieht sich indes auf Perdikkas II. Im Index wird zudem auf Perdikkas II. für T 7 und F 289 verwiesen, während es in beiden Fragmenten um Perdikkas III. (365–360/59) geht. 13
So bei Blažek 2005, 23, der in einem kurzen Abriss über bedeutende historische Ereignisse im Temenidenreich auf Alexander I. gleich Archelaos folgen lässt.
14
Aufsätze zu Perdikkas und den griechischen Poleis: Chambers 1999; Chambers 1993; Chambers 1986; Cole 1977; Hoffman 1975a; Cole 1974; Papastavrou 1959/60; Papastavrou 1957. Aufsätze zu Perdikkas und thrakischen Ethnien: Vasilev 2011b; Tačeva 1993; Mihailov 1977. Lexikonartikel: Worthington 2013; Hammond 2012, 1105; Zahrnt 2000, 535; Volkmann 1972, 622; Geyer 1937b, 590–602. Kapitel in Gesamtdarstellungen zur temenidischen Geschichte: Müller 2016, 141–163, 365–373; Giuliodori 2004, 42–61; Borza 1990, 132–166; Errington 1990, 15–24; Hammond/Griffith 1979, 115–136; Geyer 1930, 50–83; Abel 1847, 169–189; Casson 1926, 181. Erwähnungen in: Psoma 2014, 134–137; Psoma 2011, 113–115; Roisman 2010a, 146–154; Zahrnt 2009, 9; Archibald 1998, 118–121; Hatzopoulos 1996a, 174–179; Badian 1993, 172–185, 239– 244; Wirth 1985, 20–21; De Ste. Croix 1972, 80–81. Zu Perdikkas bei Thukydides vgl. Zahrnt 2006a, 593–597; Badian 1993, 174–179; Lang 1995, 52. Zu Perdikkas in der Zweiten Sophistik: Asirvatham 2017, 289. Zu Perdikkas’ Münzprägung: Heinrichs 2012, 129, 131; Psoma 2009b; Psoma 1999a; Raymond 1953, 136–166; Gaebler 1935, 153–155.
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und charmant.15 Dieses Ideal strahlte auch auf Philipps Vorgänger ab. So pries Leland Alexander I. in den höchsten Tönen, über den er behauptete, er habe als Jugendlicher in einer Vorform der Kavalierstour in Hellas studiert,16 und urteilte über Perdikkas: „A kingdom thus circumstanced, required a prince of vigour and abilities: and Perdiccas seems to have inherited all the virtues of his father. He supported himself against his rivals and neighbouring enemies: and, by his art and policy, made both Athens and Lacedemon serve to strengthen his power, at the time when he appeared, and professed, to assist them in the establishment of their own (…) In all these conflicts, Perdiccas had a considerable share; and appears to have acted a part, which the interest of his own kingdom recommended; but which, by no means, discovered a strict and honourable adherence to his engagements”.17
Diese positive Beurteilung hängt ursächlich mit Lelands düsterem Bild von Hellas zusammen, das er in selektiver Wahrnehmung aus Demosthenes’ Reden herauslas. Leland riss negative Elemente – athenische Passivität und Ineffektivität; Verrat innerhalb der polis durch Philipps bestochene „Agenten“; griechische Zerstrittenheit – aus dem Kontext von Demosthenes’ Argumentationen und setzte sie für die Gesamtlage in Hellas absolut.18 Konsequenz war die Darstellung griechischer Geschichte als eines einzigen Chaos, geprägt von Kleinkriegen, Korruption und Verweichlichung – ein Verfall, der seit dem Ende der Perserkriege eingerissen sei.19 Athen sei die Spitzenposition in punkto Deka-
............................................ 15
Leland 1761, I, 47, 93, 97, 188; 1775, II, 469, 471.
16
Leland 1761, I, 12. Davon zeugt keine antike Quelle. Leland leitet dies aus Hdt. 5,22,2 und Just. 7,2,14 ab: Alexanders Teilnahme an den olympischen Spielen. Es spricht angesichts der politischen Entwicklungen jedoch einiges dafür, dass sein Auftritt erst in seine Rechtfertigungskampagne nach dem Xerxeszug fiel, nicht in seine Jugend, vgl. Müller 2014a, 157; Müller 2011b, 112; Sprawski 2010, 129, 142; Kertész 2005; Rosen 1987, 31; Rosen 1979, 7; Geyer 1930, 47–48. In jedem Fall geht Leland bei dem Studium der schönen Künste in Hellas offenbar von der paideia von Adelssöhnen seiner Zeit aus. Er nennt Alexander I.: „A prince of genius and renown, admired in Greece, beloved and revered in his own kingdom, and respected by the Persians” (1761, I, 13).
17
Leland 1761, I, 14, 19.
18
Leland 1761, I, 129–130.
19
Leland 1761, I, 80. Philipps Sieg bei Chaironeia und die Etablierung der makedonischen Hegemonie über Hellas wird als ein notwendiges Aufräumen mit dem Chaos dargestellt, eine dringend gebotene Durchsetzung von Ordnung, Zucht und Disziplin – „preußische Tugenden“ (1761, I, 79, 121, 186–187).
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denz zugekommen: „It was one great corruption in the state of Athens”.20 Bei dieser Sicht Athens verwundern Lelands Sympathien für Perdikkas nicht. In seiner Monographie Makedonien vor König Philipp (1847) zeichnete Otto Abel ein pessimistisches Bild von Perdikkas’ Regierung, dem er Versagen in grundlegenden Aspekten seiner Herrschaft bescheinigte. Das Reich, das zuerst zwischen ihm und seinen Brüder geteilt gewesen sei, sei Athen gegenüber tributabhängig geworden.21 Als Feldherr habe Perdikkas in Obermakedonien versagt, als Bündnispartner auch nichts getaugt: Athenischer Alliierter sei er nur dem Namen nach gewesen, ohne wirklich etwas für Athen zu tun.22 Noch vernichtender fiel das Urteil von Stanley Casson in Macedonia, Thrace and Illyria (1926) aus: Perdikkas sei ein völlig anderes Kaliber als sein fähiger Vater Alexander I. gewesen und habe sich durch gar nichts ausgezeichnet – ein regelrechter Loser.23 Man fühlt sich an den Topos des aus der Art geschlagenen Sohns eines versierten Vaters erinnert, der im westlichen kulturellen Gedächtnis so wirkmächtig die Rezeption von Xerxes prägt.24 In Makedonien bis zur Thronbesteigung Philipps II. (1930), immer noch ein Standardwerk, rehabilitierte Fritz Geyer Perdikkas, insbesondere in Auseinandersetzung mit Abel, aber auch mit Casson.25 Geyer bescheinigte dem Makedonenherrscher, „von nicht geringer staatsmännischer Begabung“26 gewesen zu sein. Sein Fazit fiel entsprechend positiv aus: „Die Bedeutung des Perdikkas liegt jedoch auf dem Gebiet der äußeren Politik. Mit Erfolg hat er sich zwischen den kämpfenden griechischen Großmächten ............................................ 20
Leland 1761, I, 131. Er schildert ein komplettes Dekadenzszenario: Die politischen Organe seien schwach und ineffektiv gewesen, die Politiker zum großen Teil korrupt, die Militäroperationen seien von habgierigen Condottieres geleitet worden und der Nachwuchs habe vergnügungssüchtig nur im Theater abgehangen und sich auf unsittliche Weise mit Schauspielern amüsiert (1761, I, 84, 86, 101). Ein Echo findet sich im poetischen Vorwort, ein hagiographisches Lob auf Lelands Werk in Gedichtform, verfasst von seinem Freund, Reverend Samuel Madden, der an den antiken Griechen kein gutes Haar lässt: Bei der Betrachtung römischer Antiquitäten könne der Connaisseur etwas lernen, griechische Geschichte dagegen sei nichts als Chaos: „No Marks distinct of Tribes and Dates has us’d“ (1761, I, xiv).
21
Diese Behauptung ist nicht zu verifizieren. Sie beruht auf späteren rhetorischen Übertreibungen (Dem. 3,24; [Dem.] 7,12; 11,16), vgl. Borza 1987, 44; Geyer 1937b, 592–593. Pace Hammond/Griffith 1979, 132–133.
22
Vgl. Abel 1847, 169–171, 186–189.
23
Vgl. Casson 1926, 181.
24
Etwa bei Plat. Nom. 694 C- 696 A. Zur Dekonstruktion dieses Topos’: Stoneman 2015, 1–5; Wiesehöfer 1999, 32–33.
25
Zu Casson vgl. Geyer 1930, 77, A. 2: „Die Charakterisierung Cassons (S. 181) wird Perdikkas nicht gerecht“.
26
Geyer 1930, 77.
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gehalten und schließlich mit Befriedigung als Ergebnis seiner geschickten Diplomatie die Schwächung der Stellung Athens feststellen können (…) Als er starb, war (…) Makedonien ein Machtfaktor, mit dem auch Sparta und Athen rechnen mussten.“27
Auch in seinem RE-Artikel zu Perdikkas II. (1937) bekräftigte Geyer dies: „Er hinterließ sein Reich gefestigt; seine geschickte Politik hatte Makedonien zu einem Machtfaktor gemacht, mit dem auch Sparta und Athen rechnen mussten“.28 Indes merkt man selbst bei Geyer die Schwierigkeit, sich von der athenischen Sprachregelung zu lösen. So fand er es nötig, Perdikkas’ Bündniswechsel zu entschuldigen, und stellte dabei ziemliche Klimmzüge an: „Wenn er zur Erreichung dieses Zieles auch vor Wortbruch und plötzlichem Parteiwechsel nicht zurückschreckte, so darf man ihm dies nicht zu sehr verargen. Einmal ist auch die Politik der griechischen Staaten durchaus nicht frei von Doppelzüngigkeit, und dann musste er zu solchen Mitteln greifen, wenn er seine Interessen verteidigen wollte, da seine Macht zu offenem Kampfe nicht ausreichte“.29
Auch die Rechtfertigung, „er war es nicht gewohnt, sich in seinen Handlungen durch Verträge beeinflussen zu lassen“,30 wirkt weit weniger positiv als sie sicherlich gemeint gewesen war. So ist trotz des insgesamt sehr differenzierten und reflektierten Urteils, das die makedonische Situation entsprechend berücksichtigt, noch der überlagernde Schatten der athenischen Sprachregelung erkennbar, mit dem es sich auseinanderzusetzen gilt. Im Anschluss an Geyer beurteilte auch Franz Hampl in seiner Untersuchung zum König der Makedonen (1934) die Politik Perdikkas’ – geschildert als gänzlich autonome persona agens – positiv, „die in ihrer schillernden, bald athenerfreundlichen, bald zurückhaltenden, bald spartanerfreundlichen Art wohl nur auf die persönliche Initiative des klugen Königs, nicht auf die der makedonischen Heeresversammlung zurückgehen kann.“31
............................................ 27
Geyer 1930, 77.
28
Geyer 1937a, 602.
29
Geyer 1930, 77.
30
Geyer 1930, 72.
31
Hampl 1934, 21.
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Henry D. Westlake billigte Perdikkas in Individuals in Thucydides (1968) kein eigenes Kapitel zu.32 Kam der Makedonenherrscher zur Sprache – dies primär im Abschnitt über Brasidas –, übernahm Westlake die rein griechische Perspektive, ohne Berücksichtigung der makedonischen Agenda. In Konsequenz galt Perdikkas als „always an uncomfortable and unreasonably demanding ally”, der sich unangemessen benommen und „the Peloponnesians like mercenaries“ behandelt habe.33 Zudem konstatierte Westlake bezüglich Thukydides’ Gesamtporträt von Perdikkas, es sei „little more than a bare factual summary“,34 was bedeutet, dass sämtliche Negativtendenzen und Topoi als Fakten anerkannt wurden. Dies erweist sich beim Studium von Thukydides’ Anlage seines Perdikkas-Porträts als äußerst problematisch. Charles F. Edson lobte in seinem Aufsatz zu Early Macedonia (1970) Perdikkas’ politische Leistung, wenn er auch deren Effekt etwas zu hoch anzusetzen scheint: „But Perdiccas knew how to exploit the crisis of the Peloponnesian War for his own ends and by a masterly policy of tergiversation between the two combatants brought about the ruin of the Athenian empire on the Macedonians coasts (…) His son and successor Archelaus reaped the fruits of this father’s policy”.35
In seiner einflussreichen Schrift The Origins of the Peloponnesian War (1972) kam Geoffrey de Ste. Croix auf ganze neun Bündniswechsel von Perdikkas, „at first sight one of the most slippery characters known to history“,36 gegenüber Athen – die er indes nicht belegte. Er attestierte Perdikkas aber, er habe dies „with the best of patriotic motives, to preserve the freedom and independence of his country“ getan.37 Aus den vorhandenen Quellen lässt sich eine Abkehr von Perdikkas von einem Bündnis mit Athen jedoch nur vier Mal fassen, nicht ............................................ 32
David Gribble, der sich 2006 mit Individuals in Thucydides – mit entsprechender Problematisierung des Begriffs Individuals – beschäftigte, legt den Fokus auf athenische und spartanische Protagonisten und behandelt Perdikkas ebenfalls nicht. Vgl. Gribble 2006, 439–468. Er stellt fest, dass Thukydides Individuen nicht per se darstelle, sondern stets gebunden an ihre militärischen und politischen Rollen (2006, 440).
33
Westlake 1968, 151. Immerhin bezahlte Perdikkas erst die Hälfte, später ein Drittel des Unterhalts für Brasidas’ Truppen (Thuk. 4,83,5), 1700 Mann. Doch auch Borza 1987, 43–44 beurteilt die offenbar zuvor mit Sparta vereinbarte militärische Hilfe gegen Arrabaios von Lynkestis (Thuk. 4,79,2. 83,5) als Ausnutzung der „Freundschaft“ mit Brasidas.
34
Westlake 1968, 316.
35
Edson 1970, 35.
36
De Ste. Croix 1972, 80.
37
Vgl. De Ste Croix 1972, 80.
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neun Mal. Eventuell lässt sich die Zählung damit erklären, dass jeweils Allianz und Bruch der Allianz mit Athen gerechnet wurden. Im Artikel des Kleinen Pauly zu Perdikkas (1972) bewertete Hans Volkmann Perdikkas positiv als Herrscher, der das Aufkommen eines mächtigen Gegners im thrakisch-makedonischen Raum verhindert und Makedonien als „Machtfaktor in der griechischen Politik“ etabliert habe.38 J.W. Cole stellte Perdikkas in den Mittelpunkt von zwei Spezialstudien 1974 und 1977 zu seiner Rolle im Peloponnesischen Krieg. Auch er folgte dem athenischen Diktum und unterstellte ihm nicht nur als Politiker, sondern auch als Handelspartner Unehrlichkeit. Als Quelle zitierte er den attischen Komödiendichter Hermippos: „In any case Perdikkas’ word or oath was notoriously not his bond, and it is unlikely that he would have been deterred by a mere treaty clause from doing what the clause forbade him to do if he thought it in his own or his country’s interests“.39 Insgesamt fällte er ein ambivalentes Urteil über seine Politik: „Perdiccas, without being possessed by Alexander’s dynamism, is a true son in his determination to run with the fox and hunt with the hounds. Such a policy may make it difficult to gain much, but it also makes it hard to lose all”.40
Donald Kagan betrachtete Perdikkas in The Archidamian War (1974) aus rein athenischer Perspektive, ohne eine nähere Berücksichtigung makedonischer Zwänge. Er sei „a most untrustworthy ally“, „unrelieable“, „treacherous“, „difficult“ und „shrewd“ gewesen,41 dem stets die Schuld für Vertragsbrüche zugekommen sei. Diese Sichtweise setzte sich in The Peace of Nicias and the Sicilian Expedition (1981) fort, wenn „the renegade Perdiccas“ vorwiegend als Schuldiger für das Scheitern von Nikias’ Politik in Nordgriechenland erscheint – eine Übernahme von Thukydides’ Worten (5,83,4).42 Der Ansatz des fiktiven (zudem negativen) Persönlichkeitskonstrukts zeigt sich auch anhand von Kagans Erklärung, warum Perdikkas mit dem spartanischen Feldherrn Brasidas gebrochen und wieder ein Bündnis mit Athen geschlossen habe. Nicht politische
............................................ 38
Volkmann 1972, 622.
39
Cole 1977, 31, m. A. 18.
40
Cole 1974, 64.
41
Kagan 1974, 106, 63, 106, 289, 291, 122.
42
Kagan 1981, 144. Ebenso: Andrewes 1992, 441.
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Erwägungen hätten ihn dazu bewogen, sondern persönliche Ressentiment: Er habe sich über Sparta geärgert.43 Richard Hoffman beschäftigte sich 1975, ausgehend von seiner Arbeit mit dem inschriftlichen Fragment eines Friedensvertrags zwischen Perdikkas und den Athenern (IG I3 89),44 mit ihrem Verhältnis. Ein Fokus lag auf der Bedeutung des makedonischen Schiffsbauholzes. Hoffman bewertete Perdikkas’ Position bei den Verhandlungen zu optimistisch und folgte zudem bezüglich der Darstellung von Perdikkas’ angeblicher Tendenz zum blitzschnellen Bündnisbruch der athenischen Sprachregelung.45 Nicholas G.L. Hammond fällte im zweiten Band des Standardwerks A History of Macedonia (1979) ein Urteil mit überraschend negativem Nachhall. Mit Anklängen an die athenische Sprachregelung resümierte er: „In duplicity he had been the equal of Athens and Sparta, and he could fill his ships with lies as well as with timber, as Hermippus wrote in Phormophoroi. On the whole, he succeeded remarkably well in playing one side off against the other and so maintaining his independence. But Thucydides was correct to censure him for breaking with Sparta through his anger against Brasidas (…) for from then on he had no one to employ against Athens, and he was foolish to suppose that Argos could be able to help him. In effect he put himself twice at the mercy of Athens, and he left his country impoverished and probably divided”.46
Überdies liest Hammond aus Thukydides’ Schilderungen eine persönliche Bekanntschaft mit Perdikkas heraus, die den Historiographen in seiner unschmeichelhaften Meinung bestärkt habe. Deswegen habe Thukydides mit trockenem Humor – für den der Historiograph nicht gerade bekannt ist –47 das eine Mal so hervorgehoben, bei dem Perdikkas ein Versprechen gehalten habe.48 ............................................ 43
Vgl. Kagan 1981, 140, m. A. 661. Vgl. Kagan 1974, 291: Perdikkas wird wie eine Diva dargestellt: launenhaft und schwierig im Umgang. Auch Sitalkes, der odrysische Herrscher, für eine Zeit Athens Verbündeter, wird aus athenischer Perspektive beschrieben. So erinnert die Bewertung von Kagan 1974, 106, „Sitalces, however, had behaved well in the matter of the Peloponnesian ambassadors” (gemeint ist Hdt. 7,1,37,1–3; Thuk. 2,67,1–3), an einen Hund.
44
Vgl. Hoffman 1975b.
45
Vgl. Hoffman 1975a, 368, 371.
46
Hammond/Griffith 1979, 134. Etwas positiver fiel seine – wenn auch stark verknappte – Darstellung im OCD aus, vgl. Hammond 2012. Allerdings fielen dort Beurteilungen auch weg. Auch in The Macedonian State. The Origins, Institutions and History (1989), 71 reiht er Perdikkas in “A Period of Weakness 452–359” ein.
47
Vgl. Will 2015, 113–114.
48
Vgl. Hammond/Griffith 1979, 137 mit Bezug auf Thuk. 2,101,6: Als Perdikkas dem Odrysen Seuthes seine Schwester zur Frau gab.
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James T. Chambers machte sich in drei Aufsätzen zu Perdikkas (1986, 1993, 1999) zur Aufgabe, das Bild einer relativen Bedeutungslosigkeit von Herrscher und Reich im zeitgenössischen Nordgriechenland zu widerlegen. Dabei verfiel er ins andere Extrem und schrieb Perdikkas die maßgebliche Verantwortung für den Ausbruch des Archidamischen Kriegs, den Abschluss des Nikiasfriedens, Antagonismus zwischen Nikias und Alkibiades und sogar für die Sizilische Expedition zu.49 Überdies operierte auch er mit dem konstruierten Psychogramm Perdikkas’, der wegen „personal humiliation and hatred of Brasidas“ zu Athen übergegangen sei.50 Eugene N. Borza betonte in seinem Standardwerk In the Shadow of Olynthus (1990) sachlich „the importance of Perdikkas’ historical impact“, zudem „his place as a Macedonian monarch who, with but the slimmest of resources and at little cost in troops or territory, was able to maintain independent Argead rule in the kingdom“.51 Malcolm Errington bescheinigte Perdikkas in A History of Macedonia (1990), dass seine oszillierende Politik der Bewahrung des Reichs gedient habe, konstatierte aber zugleich, dass er ein gefährliches politisches Spiel getrieben habe, indem er die auswärtigen griechischen Kräfte für innermakedonische Belange zu instrumentalisieren versucht habe. Insgesamt beurteilte er Perdikkas’ Herrschaft als eine Schwächephase des Reichs.52 Ernst Badian widmete sich in einem Kapitel in From Plataea to Potidaea (1993) kritisch-differenziert den Tendenzen von Thukydides’ PerdikkasPorträt. Der griechische Historiograph habe den makedonischen Herrscher konsequent als unzuverlässigen Bündnispartner und Negativexempel eines Makedonen im Kontrast zu seinem Sohn Archelaos als dem „gutem Makedonen“ dargestellt.53 Michael Zahrnt kam in seinem DNP-Artikel zu Perdikkas (2000) ebenfalls zu einem differenzierten Ergebnis: „Perdikkas II. (…) bewahrte (…) durch geschicktes Lavieren zwischen Athen und Sparta seine Unabhängigkeit und hinterließ seinem Sohn Archelaos ein ge-
............................................ 49
Gegen solche Thesen wendet sich Badian 1993, 172.
50
Chambers 1993, 328–335; Chambers 1986, 145.
51
Borza 1990, 159.
52
Vgl. Errington 1990, 19.
53
Vgl. Badian 1993, 214, A. 13.
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festigtes Reich (…) Unter P. wurde Makedonien zu einem Machtfaktor in der griech. Politik“.54
Gerade in Studien zu athenischer Geschichte oder griechischen Quellen, in denen Perdikkas erwähnt wird, dominiert bis heute das Image des betrügerischen Wendehalses. In ihrer Analyse von Hermippos’ Fragment 63 (2000) kommt etwa Dwora Gilula zu dem Schluss: „The mention of Perdiccas’ unreliability is not much of help for the dating of the fragment, because he changed sides several times”.55 Holly Francesca Giuliodori bewertete Perdikkas’ Leistung in ihrer Dissertation zu Foreign Policy of Macedon c 513 to 346 BC (2004) dagegen positiv: „all of Perdiccas’ changes of alliance (…) were made either as a direct result of hostile behaviour from Athens or with a clear intention of ensuring the security of Macedon (…) through this policy he was ultimately successful in safeguarding his kingdom and throne“.56
Axel Niebergall erwähnte Perdikkas in seiner Dissertation über Territorialstaatliche Entwicklungen in Nordgriechenland (2004) zwar anerkennend, bewahrte aber ebenfalls das Image des notorischen Bündniswechslers: „Seine unter großen Anstrengungen betriebene Politik hatte sich aber trotz der Frustration und Feindseligkeit seiner stetig wechselnden Partner letztendlich als erfolgreich erwiesen: Weder war Perdikkas durch eine athenische Marionette ersetzt noch sein Königreich in den Wirren der ersten Phase des Peloponnesischen Kriegs aufgerieben worden“.57
Sachlich-analytisch legte Roger Brock in einem Aufsatz zu Athens, Sparta and the Wider World (2006) dar, dass der Ruf von Perdikkas’ Doppelzüngigkeit die athenische Sprachregelung sei, die als Reaktion auf seine Bemühungen, sein ............................................ 54
Zahrnt 2000, 535. Siehe auch Zahrnt 2009, 9: Er bewahrte seinem Reich erfolgreich die Autonomie.
55
Gilula 2000, 79.
56
Giuliodori 2004, 42. Indes kam auch sie nicht am Tribut an die vorherrschende Beurteilung von Perdikkas vorbei: Bezüglich seines Bruchs mit Brasidas konstatierte sie „personal reasons“ des Herrschers (2004, 42). Damit taucht erneut das Konstrukt des Negativbilds eines böswilligen Politikers auf, der sich von seinen Emotionen und Befindlichkeiten lenken lässt anstatt nach politischer Räson und für das Wohl der Reichsbevölkerung zu handeln. Solche Behauptungen gehen auf antike Strategien der Diskreditierung politischer Gegner zurück, die politische Gründe ausblenden und den Fokus auf vermeintliche persönliche Motive richten.
57
Niebergall 2004, 23.
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Reich autonom zu halten, zu deuten sei. Die Athener hätten ihn selbst durch ihre Politik ihren Gegnern in die Arme getrieben.58 P.J. Rhodes wertete in A History of the Classical Greek World (2006) die Regierungsleistungen von Alexander I. und Perdikkas pauschal ab, indem er unter unkritischer Berufung auf Thukydides’ – problematische –59 Lobeshymne auf Archelaos konstatierte: „under whom Macedon became greater than under any of his predecessors“.60 Perdikkas hingegen erscheint generalisierend als der notorisch zwischen Sparta und Athen pendelnde Bündniswechsler.61 David Fearn ging 2007 von einem solchen Ruf der Unzuverlässigkeit Perdikkas’ aus, dass er Herodots Publikum zuschreibt, in der temenidischen (eigentlich archetypisch heldenhaft gezeichneten) Gründerfigur Perdikkas I. auch einen Betrüger und Lügner erkannt zu habe: Nomen est omen.62 Im Kommentar zu Hermippos’ Komödienfragmenten (2008) hebt Christophoros Gkaras ähnlich als generelles Faktum „die charakteristische Unzuverlässigkeit des Königs von Makedonien“63 hervor. Joseph Roisman würdigte Perdikkas hingegen differenziert und fundiert in einem Kapitel zu Makedonien in klassischer Zeit (2010): „He was surely a survivor, both personally and as a defender of Macedonia. The fact that he could spoil an Athenian campaign in 417 shows both Athens’ decline and the growth of Perdiccas’ regional power. Yet success tended to be transient in Macedonia in the classical age“.64
Dagegen charakterisierte Miroslav Vasilev Perdikkas in seinem Aufsatz zu The Military-Political Campaign of Sitalces against Perdiccas II and the Chalcidians (2011) als „known for his inconsistency as regards his engagements and liabilities“.65 Hervorheben ist Selene Psomas fundierte, differenzierte Behandlung von Perdikkas’ Politik auf der Chalkidike in ihren Aufsätzen zu The Kingdom of ............................................ 58
Vgl. Brock 2006, 93.
59
Thuk. 2,100,2. Zur Problematik siehe Müller 2016, 165; Hatzopoulos/Paschidis 2004, 800, 806 (in Bezug auf Befestigungsanlagen); Badian 1993, 241, A. 13.
60
Rhodes 2006, 131.
61
Vgl. Rhodes 2006, 111: „Perdiccas continued to shift between Athens and the Peloponnesians in his allegiance“.
62
Vgl. Fearn 2007, 123.
63
Gkaras 2008, 137.
64
Roisman 2010a, 154.
65
Vasilev 2011b, 35.
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Macedonia and the Chalcidean League (2011) und Athens and the Macedonian Kingdom from Perdikkas II to Philip II (2014). Sie stellte heraus, dass erst Athens expansive Politik im Norden Perdikkas und die chalkidischen Städte zusammenbrachte und die Abfallbewegungen vom Seebund nicht Perdikkas’ angeblichen Intrigen, sondern dem athenischen Druck auf die Städte geschuldet gewesen sei.66 In mehreren Spezialaufsätzen behandelte sie zudem seine Münzprägung und deren Einfluss auf die chalkidischen Gebiete sowie seine Dynastiepolitik.67 In seiner Thukydides-Edition von 2013 folgte Jeremy Mynott dem altbekannten, zementierten Image von Perdikkas als notorischem Bündniswechsler, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit „his propensity for changing sides at short notice“ unter Beweis gestellt habe und „switched sides opportunistically many times in the course of the war“.68 Der Schluss lautet: „one is inclined to say that he left sides without ever really joining them.”69 In Folge von Geoffrey de Ste. Croix zählte er ganze neun Bündniswechsel von Perdikkas.70 In einem Abriss zur temenidischen Geschichte in By the Spear: Philip II, Alexander the Great and the Rise and Fall of the Macedonian Empire (2014) betonte Ian Worthington die wechselseitige Angespanntheit der Beziehungen zwischen Griechen und makedonischen Herrschern. Als ein Beispiel nannte er Perdikkas, deutlich als rasanter Bündniswechsler charakterisiert: „Perdiccas II had flip-flopped so often between Athens and Sparta that he was never trusted by either of the two cities.“71 Im Falle Spartas kann man das allerdings nicht sagen; es scheint sich um eine Projektion der athenischen Sprachregelung auf die Spartaner zu handeln.72 Geoffrey Hawthorn entwarf in Thucydides on Politics: Back to the Present (2014) ebenfalls ein positives Porträt Perdikkas’, indem er die Hintergründe für dessen wechselnde Bündnisse erläuterte und ihm politisches Talent bescheinigte: ............................................ 66
Vgl. Psoma 2011, 113–115. Vgl. ebenso Psoma 2014, 137.
67
Vgl. Psoma 2015b; Psoma 2014; Psoma 2009a; Psoma 2009b.
68
Mynott (ed.) 2013, 36, A. 1; Ii.
69
Mynott (ed.) 2013, 36, A. 1.
70
Vgl. Mynott (ed.) 2013, 36, A. 1; Ste Croix 1972, 80.
71
Worthington 2014, 16. Vgl. Worthington 2013: „His reign is characterized by his intention to expand Macedonia’s influence over its neighbors and by inconsistency in his relations with the powerful Greek cities of Athens and Sparta”.
72
Vielmehr schloss sich Perdikkas 418/7 einem Bündnis Spartas und Argos’ an: Thuk. 5,80,2. 416 sollen die Spartaner dann – wenn auch vergeblich – an die Chalkidier appelliert haben, Perdikkas gegen Athen beizustehen: Thuk. 6,7,4. Von einer allgemeinen negativen Haltung Spartas zu Perdikkas zeugt dies nicht gerade.
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„Perdiccas reveals as sharply and consistently as anyone in Thucydides’ story and perhaps understood more acutely than anyone the intricate and shifting relations between necessity, interest, circumstance and opportunity.“73
Allerdings bekommt diese Einschätzung eine topische Färbung, die an griechische Negativwertungen erinnert, wenn Hawthorn Makedonien unter Perdikkas als nicht „conventionally civilized“ und sogar als antike Bananenrepublik charakterisiert.74 Somit entsteht der problematische Eindruck, Perdikkas’ Geschick sei vor allem deswegen zu preisen, weil er als eine Ausnahme unter den vermeintlich unzivilisierten makedonischen Horden im vorsintflutlichen Chaos herausgeragt habe. Sachlich und neutral schilderte Hugh Bowden in Alexander the Great. A Very Short Introduction (2014) die Situation des Temenidenreichs unter Perdikkas: „His reign was characterized by frequent threats from his neighbours, dealt with a combination of limited military action, not always successful, and negotiation.”75 Erin Garvin konstatierte in einem Lexikonartikel zu Makedonien (2016), Makedonien sei unter Perdikkas an der Peripherie der griechischen Welt geblieben, vollauf beschäftigt mit innerdynastischen Fehden und einer thrakischen Invasion.76 Irritierenderweise werden die athenischen Interventionen nicht erwähnt. Ein (zu) dunkles Bild vom Temenidenreich wurde zudem gezeichnet, da Garvin nach der Darstellung eines in Randlage um seine Existenz ringenden, instabilen Reichsgebildes unter Perdikkas erklärte, gerade dessen Regierungszeit biete „the best picture of the Macedonian monarchy“.77 Insgesamt wiegt bei Perdikkas’ Beurteilung in der Forschung die athenische Sprachregelung schwer. Perdikkas gilt – gleichermaßen in positiven wie negativen Bewertungen – als Taktierer, dessen politische Handlungen oft genug aus persönlichen Motiven resultierten und der in schwindelerregender Geschwin............................................ 73
Hawthorn 2014, 136.
74
Hawthorn 2014, 136, A. 8. Er übernimmt dabei die problematische Einschätzung von Morris, I. (2010), Why the West Rules – For Now: The Patterns of History and What They Reveal about the Future, London, 268: „Macedon was a sort of ancient banana republic, rich in resources (especially timber and silver) but chaotic.” Nicht nur der erste Teil des Zitats ist kritisch zu sehen, auch die Behauptung vom angeblichen Reichtum Makedoniens kann keineswegs stehen bleiben. Vgl. Kap. II.
75
Bowden 2014, 18. Ebenso differenziert: Pownall 2017, 218.
76
Vgl. Garvin 2016, 350–351. Es stellt sich die Frage, ob damit die Marginalisierung, die innertemenidischen Fehden oder die Probleme mit thrakischen Ethnien gemeint sind. Zudem ist die Quellenarmut zur Herrschaft Perdikkas, gerade zu den Strukturen von Reich und Herrschertum, beträchtlich.
77
Vgl. Garvin 2016, 351.
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digkeit die Bündnispartner wechselte.78 Dies ist stark übertrieben und berechnet seine jahrzehntelange Regierungsdauer und die Tendenzen in Thukydides’ – zudem lückenhafter – Darstellung von Perdikkas nicht genügend ein.
Intention Die vorliegende Studie zur politischen und kulturellen Geschichte des Temenidenreichs unter Perdikkas ist nicht als Herrscherbiographie angelegt, sondern behandelt problemorientiert die Schlüsselaspekte der – lückenhaft überlieferten – Außen-, Innen- und Dynastiepolitik des Temenidenreichs unter seiner Regierung. Dabei spielt zwangsläufig, vorgegeben auch durch die Quellenlage, die Interaktion zwischen Makedonien und den griechischen Poleis, insbesondere Athen, eine Hauptrolle. Intention ist, die historische Relevanz und die Implikationen von Perdikkas’ Regierung für das Temenidenreich herauszuarbeiten. Die politischen Anstrengungen von Perdikkas und seinen Führungsleuten, konkurrierende Kontrollansprüche von unterschiedlichen Seiten abzuwehren und die Selbständigkeit des Reichs und die temenidischen Handlungsräume zu erhalten, ohne deren Erfolg die makedonische Geschichte anders ausgesehen hätte,79 stehen zur Analyse. Exemplarisch für die Bedeutung von Perdikkas’ Herrschaft sei angeführt, dass aus seiner Regierungszeit der früheste inschriftlich erhaltene Friedensvertrag mit einem Temeniden als Vertragspartner stammt.80 Das Dokument gibt Einblicke in die offizielle Wahrnehmung von Herrscher und Makedonen und in Aspekte makedonischer Onomastik.81 Auch ist Perdikkas der erste Temenide, dessen Erwähnung in der attischen Komödie fassbar ist. Dies sind nur zwei Schlaglichter auf seine Herrschaftszeit, in der sich wegweisende Ereignisse für die Makedonen zutrugen. Intention ist zudem, das durch die athenischen Sprachregelung geprägte Image von Perdikkas als eines betrügerischen Taktierers zu dekonstruieren, das in der Moderne teilweise noch übersteigert erscheint. So wird die Anzahl ............................................ 78
Vgl. etwa Worthington 2014, 16; Worthington 2013a; Psoma 2013; Roisman 2010a, 148; Mari 2011, 89, A. 29; Gkaras 2008, 137; Fearn 2007, 123–124, m. A. 57; Spence 2002, 258; Borza 1990, 141, A. 23.
79
Liz Baynham teilte mir mit, dass Brian Bosworth Perdikkas II. für einen der am meisten unterschätzten Temeniden gehalten habe, der seine eigene Spezialstudie verdient habe. Ich danke ihr sehr herzlich für diese Information.
80
IG I3 89. Vgl. Carney 2016, 19.
81
Vgl. Masson 1998, 118: einige Namen sind ein harpax.
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von Perdikkas’ Bündniswechseln mitunter übertrieben,82 als Ausdruck von „his devious nature“ gedeutet,83 und von unterlassener Hilfeleistung für Athen gesprochen, wenn die Quellen gar kein solches Hilfegesuch bezeugen.84 Seinen Alliierten wird nachgesagt, sie hätten die Übersicht über seine Manöver verloren.85 Seitenwechsel gilt als sein „special feature“.86 Perdikkas wird zugeschrieben, Verträge schon mit der Intention abgeschlossen zu haben, sich nicht daran zu halten,87 einen der schnellsten Vertragsbrüche aller Zeiten hingelegt zu haben,88 sozusagen als Rekordhalter, und seine Bündnispartner nicht nur an der Nase herumgeführt, sondern auch unmäßig fordernd behandelt zu haben.89 Entsprechend wird seine Politik als „exceedingly devious“ charakterisiert,90 was teilweise auch auf die Makedonen an sich übertragen wird.91 Perdikkas gilt als „treacherous“,92 „slippery“,93 „renegade“,94 „mercurial“,95 „most untrustworthy“,96 „volatile“,97 unstet98 und opportunistisch.99 Bei letzterer Zuschreibung fragt man sich, was vom Herrscher eines um seine Selbständigkeit kämpfenden Reichs eigentlich erwartet wird und inwieweit die politische Konkurrenz anders handelte. In jedem Fall ist es Zeit, dieses konstruierte Image von Perdikkas ad acta zu legen. Bei einer Regierungszeit von um die vierzig Jahren erscheint die Zahl seiner Bündniswechsel weder verwunderlich noch exorbitant hoch, zumal fast ............................................ 82
Vgl. Mynott (ed.) 2013, 36, A. 1; De Ste. Croix 1972, 80.
83
Mattingly 1961, 165, bezogen auf seinen Versuch, die pierische Küstenstadt Methone auf seine Seite zu bringen. Ähnlich Lendon 2010, 327 in Bezug auf die Anbahnung einer Heiratsverbindung seiner Schwester mit dem Odrysen Seuthes: „the devious Perdiccas“.
84
Vgl. Kagan 1974, 106 zum Angriff auf Spartolos (Thuk. 2,79). Siehe Gomme 1956, 248 zur Möglichkeit, dass gar nicht danach gefragt wurde (bezogen auf Sitalkes, den Kagan auch im selben Kontext der unterlassenen Hilfeleistung beschuldigt).
85
Worthington 2014, 16.
86
Zahrnt 2006a, 591.
87
Vgl. Cole 1977, 31, m. A. 18; Geyer 193, 72.
88
So Hoffman 1975a, 371. Vgl. Alexander 1963, 69; Gomme 1945, 216.
89
Vgl. Westlake 1968, 151. Siehe auch Borza 1987, 43–44; Kagan 1974, 291.
90
Kraay 1976, 143.
91
Vgl. Tritle 2010, 254 zu Perdikkas’ Seitenwechsel 423/2: „in true Macedonian fashion perhaps“.
92
Kagan 1974, 108.
93
De Ste. Croix 1972, 80.
94
Kagan 1981, 144. Ebenso: Andrewes 1992, 441.
95
Borza 1987, 44.
96
Kagan 1974, 106.
97
Zahrnt 2006a, 596.
98
Vasilev 2011, 35.
99
Vgl. Kraay 1976, 143.
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zwanzig Jahre davon in turbulente Kriegszeiten fielen: Er war, soweit fassbar, zweimal mit Sparta – davon einmal in einer Koalition mit Argos – und fünf Mal mit Athen alliiert. Einmal erfolgte auch eine Entsendung einer Hilfstruppe für eine spartanische Kampagne, deren formaler Hintergrund jedoch unklar ist. Die Bündniswechsel reflektieren die politische Situation, die angespannte Lage in Nordgriechenland seiner Zeit und nicht zuletzt auch das athenische Taktieren.100 So waren es offenbar zweimal die Athener, die ihm als ihrem Bündnispartner in den Rücken fielen. Auch mit der Vertragstreue des spartanischen Feldherrn Brasidas machte Perdikkas einmal missliebige Erfahrungen.101 Die Studie gliedert sich folgendermaßen: Im nächsten Kapitel wird die Quellenproblematik erörtert, im zweiten folgt ein Überblick über die Strukturen von Perdikkas’ Reich, über seine Position als Herrscher und seine Handlungsräume sowie über die Politik von Amyntas I. und Alexander I., seiner unmittelbaren Vorgänger. Daran schließen sich Überlegungen zur kaum belegten Frühzeit von Perdikkas. Dabei wird gegen die dominierende Vorstellung von einer anfänglichen Teilung des Reichs zwischen ihm und zwei seiner Brüder argumentiert. Das fünfte Kapitel – aufgrund der Quellenlage das umfangreichste – widmet sich den spannungsgeladenen Beziehungen zwischen Athen und dem Temenidenreich mit ihren jeweiligen Bündnispartnern im thrakischmakedonischen Raum. Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit Perdikkas’ Politik der Förderung von Kultur und Wissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Legendenbildung um seine angebliche Heilung durch Hippokrates von Kos, beschlossen von einem Gesamtfazit. Zur Terminologie ist zu sagen, dass entgegen des in der Forschung dominierenden Begriffs Argeaden für die makedonische Herrscherfamilie von Temeniden gesprochen wird, da Herodot und Thukydides, die beiden literarischen Hauptzeugen für Perdikkas’ Welt – seine Regierungszeit und die seines Vaters und Großvaters – von Τημενίδαι reden.102
............................................ 100 Auch Athen konnte schnell Bündnisse wechseln, vgl. Mosley 1974, 43. 101 Vgl. Kap. V. 102 Hdt. 5,22,1; Thuk. 2,99,3. Obwohl die Benennungen als Argeaden und Herakliden zuerst in hellenistischer Zeit belegt sind (Satyros, BNJ 631 F 1 (Ἡρακλεῖδαι); Poseid. Ep. 31 AB, 1.3 (Ἀργεάδαι); noch später: Strab. 7, fr. 11; Paus. 7,8,9; App. Syr. 63), könnten sie auch schon zuvor in Gebrauch gewesen sein.
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II
Quellen zu Perdikkas
Die Temeniden und das Problem der dominierenden kulturfremden Sicht Der problematischen Quellenlage ist es zu verdanken, dass die athenische Sprachregelung zu Perdikkas dominiert. Es fehlt am Gegengewicht einer makedonischen Berichterstattung. Dieses Problem der fehlenden makedonischen literarischen Quellen stellt sich allgemein für die Geschichte des temenidischen Makedoniens. Eugene Borza verortet die Makedonen daher „among the silent peoples of the ancient Mediterranean.“103 Die Stille hat auch das Wissen über die Sprache der Makedonen weitgehend überlagert, die als „Trümmersprache“104 gilt, deren Herkunft und Charakter schwer zu fassen ist.105 Epigraphische Zeugnisse sind (trotz Neufunden) nicht zahlreich.106 Auch die Erwähnungen oder Glossen in späteren, nichtmakedonischen literarischen Quellen gewähren wenig Einblicke.107 Sporadisch gibt es literarische Hinweise auf phonetische makedonische Charakteristika im Unterschied zum Griechischen,108 etwa die Aussprache von β anstelle von φ,109 ............................................ 103 Borza 1999, 5. 104 Haebler 1999. 105 Grundsätzlich geht es darum, ob es sich um eine selbständige indogermanische Sprache handelt oder ob sie in Abhängigkeit zu Nachbarsprachen (Illyrisch, Thessalisch, Thrakisch beziehungsweise Griechisch) gesehen wird: Méndez Dosuna 2012; Blažek 2005, 24; Hatzopoulos 1999; Borza 1999, 41–43; Haebler 1999; Kalléris 1954, 20–30. In seinem Standardwerk sprach sich Buck 1910, 9, 288 dafür aus, Makedonisch nicht als „one of the Greek dialects in the ordinary sense“ zu sehen. Siehe auch Buck 1908, 103. Siehe Crespo 2012 zur Frage, ob die Lehnwörter nicht-griechischen (thrako-phrygischen) Ursprungs seien oder sich durch makedonische Lautverschiebungen ergeben hätten. Crespo argumentiert für letzteres und verweist zudem auf die linguistische Vielfalt in Makedonien. Zur Vermutung, aufgrund einer früheren phrygischen Besiedlung des Gebiets im 2. Jt. v. Chr. (vor der Übersiedlung der Phryger nach Kleinasien) sei eine Verwandtschaft zu sehen, wie Isoglossen belegen würden: Blažek 2005, 16–22; Brixhe 2008, 69–71; Brixhe 2002, 246–247; Brixhe 1994, 166; Brixhe/Lejeune 1984. 106 Vgl. Panayotou 2007, 436 (99% der Texte seien in koine verfasst; der makedonische Dialekt sei vor allem eine gesprochene Sprache gewesen); O’Neil 2006, 192–193, 200; Haebler 1999. 107 Vgl. Méndez Dosuna 2012, 281; Crespo 2012; Quiles/López-Menchero 2011, 125; Rhodes 2010, 66; Panayotou 2007, 433, 436; O’Neil 2006, 197–200; Blažek 2005, 23–24; Archibald 2000, 215; Haebler 1999; Borza 1999, 18–19. Siehe SEG 28, 556; SEG 42, 470. Siehe für die ältere Forschung Buck 1955, 151; Kalléris 1954, 53–57. Erschwerend kommt hinzu, dass die Makedonen ihre Inschriften ab dem 4. Jh. v. Chr. in Attisch und koine-Griechisch publizierten, vgl. O’Neil 2006, 206–207. Vgl. Panayotou 2007, 440. 108 Plut. Alex. 51,4 (vgl. Bosworth 1996, 30; Hammond 1994, 137); Curt. 6,9,34–36 (vgl. Atkinson 1994, 234; Hammond 1994, 136); Plut. Eum. 14,5 (vgl. Hammond 1994, 138); Athen. 3,122. Gerade die Erwähnung der makedonischen Sprache bei Curtius (im Kontext des Prozesses von
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ebenso wie Hinweise auf eine teilweise andere Aspiration.110 Für das 4. Jh. v. Chr. ist literarisch belegt, dass die höfische Oberschicht Makedoniens Griechisch sprach und die Truppensprache koine, die griechische Gemeinschaftssprache, war. Daher wird angenommen, dass das Makedonische davon überlagert wurde.111 Onomastische Studien bestätigen, dass Makedonien sich in diesem Zeitraum griechischen Einflüssen noch mehr öffnete, wenn auch zugleich onomastische Traditionen bewahrt wurden.112 Perdikkas trug einen charakteristisch makedonischen Namen.113 Aktuell wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass die Makedonen einen nordgriechischen Dialekt sprachen, der mit dem Nordwestdorischen eng verwandt und von spezifisch makedonischen Lautbildungen durchsetzt gewesen war.114 Die Annahme, auf Curtius’ problematischem Zeugnis beruhend,115 dass dieser makedonische Dialekt für Griechen kaum oder zumindest schwer verständlich gewesen sei,116 wird eher bezweifelt.117 ........................................................................................................................................................................... Philotas) gilt zumeist als Erfindung, ein Stilmittel, um Alexander noch negativer dastehen zu lassen, vgl. Kapetanopoulos 1999, 118, 128; Devine 1979, 154–155. 109 Plut. mor. 292 E. Ein Makedone hätte somit „Bilipp“ statt „Philipp“ gesagt. Vgl. Quiles/LópezMenchero 2011, 127. Zu weiteren Hinweisen auf sprachliche Eigenheiten: Plut. Pyrrh. 2,1; 11,4; Strab. 7,7,8 (sie sprächen ähnlich wie die Epeiroten); Paus. 4,29,3 (an der Sprache seien die Makedonen zu erkennen); Liv. 31,29,15 (sie sprächen wie Aitoler und Akarner). Vgl. Crespo 2012; Quiles/López-Menchero 2011, 126; Panayotou 2007, 435; Borza 1999, 43. 110 Vgl. Méndez Dosuna 2012; Hatzopoulos 2000, 115. So seien etwa auch die Namen Stadmeas, Bordinos, Byrginos und Gaiteas makedonische phonetische Varianten der griechischen Namen Stathmeas/Stathmias, Portimos, Phyrkinos und Chaiteas/Chaiton gewesen. Vgl. Hatzopoulos 2000, 114. Siehe auch Masson 1998, 118. 111 Vgl. Quiles/López-Menchero 2011, 125; Panayotou 2007, 436. 112 Vgl. Hatzopoulos 2000, 106. 113 Vgl. Hatzopoulos 2000, 113, 116 (Einreihung in die Kategorie: Namen mit klarer griechischer Etymologie, die als landesüblich gelten können). Die These, Perdikkas leite sich vom illyrischen Begriff für Pferd ab (so Rosen 1978, 15: von *ikkas; angeblich sei Perdikkas damit gleichbedeutend mit Philippos), gilt als überholt. Vgl. Zahrnt 1984, 366–368. Hoffmann 1906, 131–132 nennt ihn eine Koseform von Περι-δίκαιος. Siehe auch Fraser/Matthews 2005, 278; Pape/Benseler 1959, 1172. Überwiegend wird angenommen, dass der Name Perdikkas auf den griechischen Stamm πέρδιξ zurückgeht. Vgl. Masson 1998, 119; Pape/Benseler 1959, II, 1172. Als weitere typisch makedonische Namen gelten etwa Alketas, Botres/Botrys und Laandros. Vgl. Hatzopoulos 2000, 113–114. 114 Vgl. Worthington 2014, 22; Méndez Dosuna 2012; Hatzopoulos 2011, 60–62; Quiles/LópezMenchero 2011, 126; Engels 2010, 95; Hatzopoulos 2007; Panayotou 2007, 433, 435; O’Neil 2006, 206–210; Haebler 1999; Masson 1996, 906; Hammond 1994; Hammond 1989, 12–15, 125; Wirth 1985, 19; Hammond/Griffith 1972, 39–54; Geyer 1930, 34 (nicht verifizierbarer, aber anschaulicher Vergleich mit Holländisch, Friesisch oder Oberbayrisch). Zu Isoglossen des Makedonischen, Thessalischen und Epeirotischen vgl. Hatzopoulos 2000, 113. 115 Curt. 6,9,35. 116 Vgl. Hammond 1959, 516; Buck 1908, 103. 117 Vgl. O’Neil 2006, 206–210. Basis ist allerdings die Schriftform. Man ist sich nicht sicher, wie es mit der Verständlichkeit aussah, wenn Makedonisch gesprochen wurde. Vgl. Quiles/LópezMenchero 2011, 125.
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Es wird angenommen, dass die Makedonen bis zum 4. Jh. v. Chr. keine eigene Historiographie oder schriftlich fixierte, verbindliche Herrscherlisten hatten.118 Erst mit dem Aufstieg Makedoniens unter Philipp II. entstand wohl eine eigene Geschichtsschreibung.119 Insofern fällt Perdikkas’ Regierungszeit in die „proto-historiographische“ Epoche Makedoniens. Mit zeitgenössischen schriftlichen Informationen aus makedonischer Perspektive ist nicht zu rechnen. Dies wird schon für die antiken Autoren im 4. Jh. v. Chr., die Makedonika verfassten und die temenidische Frühgeschichte einbezogen, ein Problem gewesen sein.120 Griechische und römische Autoren, oft aus späterer Zeit, dabei teilweise mit beträchtlichem zeitlichen Abstand, prägen die literarische Sicht auf das Temenidenreich. Die Problematik liegt auf der Hand. Die kulturelle Fremdsicht der nicht-makedonischen Autoren legt sich zumeist wie ein Filter über die Berichte und wirkt formend, oftmals tendenziös.121 Als weitere überlagernde Faktoren kommen die jeweilige Darstellungsintention eines Autors und sein sozio-kultureller und zeitpolitischer Hintergrund hinzu.
Perdikkas bei Thukydides Die historiographische Hauptquelle zu Perdikkas’ Herrschaft stammt von Thukydides, somit von einem Angehörigen der politischen Kraft, die Perdikkas am meisten Probleme verursachte: Athen.122 Thukydides’ Rang als Historiograph führt dazu, dass seine Sprachregelung zu Perdikkas zumeist als glaubwürdig gilt und übernommen wird. Indes sind entscheidende Abstriche bei seiner Darstellung von Perdikkas zu machen.123
............................................ 118 Vgl. Sprawski 2009, 3; Zahrnt 1984, 327. Hintergrund ist die Uneinigkeit über die Regierungsdauer Perdikkas’ II. bei Historiographen des späten 4./frühen 3. Jhs. v. Chr., selbst bei denjenigen mit einem makedonischen Hintergrund (Athen. 5,217 D-E). 119 Vgl. Zahrnt 1984, 327–328: mit dem Hinweis auf ein Warnsignal: „Je weiter die Autoren von den zu beschreibenden Ereignissen entfernt sind, desto umfangreicher wird ihre Darstellung“. Die Werke der griechischen Makedonika-Autoren sind überdies verloren. 120 Vgl. Zahrnt 1984, 328 121 Vgl. Roisman 2010a, 145: „those written accounts were either not well-informed or they were hostile, and occasionally both”. 122 Vgl. Geyer 1937b, 600 zu Athen: „in dem er ja doch seinen Hauptfeind sehen musste”. 123 So verweist aktuell Fragoulaki 2016, 114 auf die Mischung von „a wry and detached analysis of the factors (…) and (…) astonishing pathos and emotionality“. Zudem erinnert sie daran, dass Thukydides’ enargeia und pathos in der Antike gepriesen wurden (Plut. Nik. 1,1).
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Die auf eine antike Tradition zurückgehende Vermutung, Thukydides sei persönlich unter Perdikkas’ Nachfolger Archelaos am temenidischen Hof gewesen,124 ist eher kritisch zu sehen.125 Es könnte sich, ebenso wie bei der Tradition, Herodots habe den Temenidenhof besucht, um eine Interpolation aus hellenistischer Zeit handeln, um berühmte Literaten mit den Temeniden als Kulturförderer zu verbinden, in deren Spuren die hellenistischen Herrscher zu wandeln vorgaben.126 Auch die moderne These, Thukydides habe Perdikkas persönlich gekannt,127 lässt sich nicht verifizieren. Bei Thukydides wird Perdikkas nur dann erwähnt, wenn er Athens politische Wege kreuzte, primär im Kontext seiner Involvierung in den Peloponnesischen Krieg.128 Entsprechend bewertet Thukydides ihn auch gemäß seiner Politik Athen gegenüber. Makedonien, das Temenidenreich, die Dynastie oder Perdikkas’ Herrschaft per se interessierten Thukydides nicht und er nahm es auch nicht von seinem Publikum an. Die Perspektive ist somit begrenzt, auch wenn Thukydides für die Gelegenheiten, wenn er über Makedonien schreibt, eine Chronologie von Ereignissen liefert, wie sie für die temenidische Geschichte erst wieder für die Zeit Philipps II. fassbar wird. Dennoch ist Perdikkas’ Herrschaft nur lückenhaft erfasst:129 für Ereignisse in den Jahren 433–431, 429, 424–422, und kurze Schlaglichter auf 418–416 und 414. Simon Hornblower stellt bezüglich Thukydides’ Einführung von Perdikkas in seiner Geschichtsschreibung fest: „It is remarkable that Th. introduces him casually, without even explaining until the following ch. that he was king of Macedon. Th. never evaluated him like his son Archelaos (ii.100): we are simply left to infer from the narrative that Perdikkas was an unreliable ally.”130 Thukydides’ persönliche Verwicklung in die Geschehnisse im thrakischmakedonischen Raum erweist sich als ein zweischneidiges Schwert: Einerseits war er in einer sehr guten Ausgangslage, um Informationen für seine Schrift ............................................ 124 Marcellinus, Vit. Thuk. 29–30 (zurückgehend auf Praxiphanes). Vgl. Canfora 2006a, 19; Canfora 2006b, 723; Carney 2003, 51, A. 17. Geglaubt von Badian1993, 243, A. 27. 125 Borza 1990, 174 sieht es als möglich an. Ebenso Fragoulaki 2013, 245. 126 Suda s.v. Herodotos (η 536 Adler). Vgl. Priestley 2014, 34–42, die auf die Ptolemäer als Initiatoren verweist. 127 Vgl. Whitehorne 1994, 9; Hammond/Griffith 1979, 137. Munro 1919, 128 vermutete, Thukydides habe ihn bei der Friedensverhandlung zwischen Athen und Perdikkas, vermittelt von Sitalkes, getroffen. 128 Vgl. Roisman 2010a, 145. 129 Vgl. Rhodes 2006, 122: „Thucydides had a narrow view of what should be included in a history of the Peloponnesian War“. 130 Hornblower 1991, 99–100. Zu Perdikkas’ Darstellung bei Thukydides insgesamt urteilt Westlake 1968, 316: „little more than a bare factual summary“. Dies ist allerdings zu relativieren, hieße es doch, die ganzen Negativtendenzen und Topoi als authentisch zu betrachten.
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zu sammeln und zeitgenössische Eindrücke wiederzugeben. Andererseits führte gerade diese Involvierung zur spezifischen Formung seiner Perspektive, die sich auf Perdikkas’ Bewertung niederschlug. Thukydides musste ihn nicht nur aus athenischer Sicht als ein Ärgernis betrachten, sondern auch in persönlicher Hinsicht: Perdikkas war einer der Mitbeteiligten an Athens Verlust der strategisch wichtigen apoikia Amphipolis 424/3 gewesen.131 Dieses Ereignis hatte Thukydides’ politische Karriere zerstört und sein zwanzigjähriges Exil bewirkt: Er hatte Amphipolis nicht rechtzeitig vor dem feindlichen Übergriff sichern können und war dafür in Athen verantwortlich gemacht worden.132 „Understandably enough, Thucydides (…) is particularly sensitive to this topic“.133 Hauptakteur war zwar der spartanische Feldherr Brasidas gewesen, aber Perdikkas, zu jener Zeit sein Verbündeter, unterstützte ihn.134 Dies konnte Thukydides kaum ausblenden, als er schrieb.135 So stilisiert er Brasidas’ verführerische Strahlkraft, in Kombination mit seinem militärischen Können – aber auch seinen demagogischen Schlichen –,136 so hoch, dass verständlich erscheint, warum Thukydides nicht erfolgreich sein konnte.137 Wenig subtil fällt ............................................ 131 Thuk. 4,104,4. Vgl. Zahrnt 2006a, 589; Zahrnt 2002, 54; Hammond 1989, 8. Vgl. Kap. V. 132 Thuk. 4,104,4–107,2. 108,1. Vgl. Tritle 2010, 98, 106; Zahrnt 2006a, 610; Heskel 1997, 17; KalletMarx 1993, 174. 133 Mari 2012, 328. 134 Thuk. 4,103,3. 107,3. Vgl. Roisman 2010a, 150–152; Zahrnt 2006a, 593–594; Hammond/Griffith 1979, 130. 135 Entgegen der Behauptung von Marcellin. Vit. Thuc. 26. Auch in der Forschung wird dies teils angenommen, vgl. Erbse 1989, 156–157; Powell 2013. Siehe dagegen Kallet-Marx 1993, 172– 173; Schneider 1974, 11–10. 136 Thuk. 4,108,5: Brasidas verlockte mit unwahren Reden. Vgl. Sinitsyn 2015, 58; Hawthorn 2015, 583: „effective diplomat and rhetorician, a remarkable military leader, a liar and insubordinate”. Pace Will 2009, 15, der grundsätzlich eine glorifizierende Würdigung von Brasidas als eines klugen Diplomaten und fähigen Militärs bei Thukydides sieht, weil er ihn als seinen direkten Widerpart vor Amphipolis nicht negativ habe darstellen können, um als Historiograph nicht parteilich-unglaubwürdig zu wirken. Zum ambivalenten Bild von Brasidas bei Thukydides siehe dagegen auch Prandi 2004, 92. Bei Diod. 12,74,2–3 ist der Nachruf ungetrübter. Als Quelle wird wohl Ephoros anzunehmen sein. Will 2015, 17–18 zufolge sei die Figur des Brasidas bei Thukydides, der Sparta wenig positiv darstellte, „der schöne Schein, hinter den sich das System der Harmosten verbirgt“: je leuchtender Brasidas geschildert sei, desto düsterer erscheine das Bild des zeitgenössischen Sparta. Ähnlich zuvor schon Gribble 2006, 466–467. 137 Thuk. 4,105,1–106,4. Vgl. Gribble 2006, 466–467; Kallet-Marx 1993, 172–176; Bauman 1990, 57–58. Zu seinem Brasidas-Bild vgl. Burns 2011, 521 (er reflektiere Tugendhaftigkeit – am tugendhaftesten sei aber Thukydides selbst, da er, anders als Brasidas, kein persönliches Ruhmstreben verfolgt habe); Roisman 2011, 343–344; Will 2009, 17; Leppin 1999, 76, A. 3; Hornblower 1996, 60–61 (Brasidas als Thukydides’ eigene Schöpfung). Der von Thukydides vermittelte Eindruck, Brasidas sei ein „untypischer“ Spartaner gewesen und habe teilweise eine eigene Agenda verfolgt, die von der spartanischen Führung mit Misstrauen, Eifersucht und Ablehnung beargwöhnt worden sei (Thuk. 4,108,7; vgl. Welwei 2006, 530; Hornblower 1996, 52; Lewis 1992, 428), ist als Konstrukt angefochten worden: Vgl. Bearzot 2004; Prandi 2004, 107, 110–113: „A me sembra si possa dire che nella maggiore parte delle sue iniziative a noi note, Brasida agì in
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Thukydides’ Behandlung des athenischen Generals Kleon aus, der wohl die treibende Kraft für seine Verbannung gewesen war.138 Kleon wird als unerträglicher Angeber, Übeltäter, Verleumder, schlechter Stratege und Feigling beschrieben.139 Brasidas diente erneut als Kontrastfolie – diesmal nicht, um ein Scheitern zu entschuldigen, sondern um Kleons Unfähigkeit hervorzuheben.140 Perdikkas erscheint bei Thukydides als skrupellos, unvertrauenswürdig und nicht sonderlich fähig – außer im Betrügen von Bündnispartnern.141 Die ........................................................................................................................................................................... sintonia con gli interessi primari di Sparta in quei momenti“ (2004, 111). Pace Geske 2005, 128– 129, A. 609, 151: Er wertet das Scheitern der Entsendung von Verstärkung an Brasidas als ein solches Zeichen. Allerdings hing dies damit zusammen, dass Perdikkas die Passage durch Thessalien dank seiner guten Verbindungen blockieren ließ. Es kann daher nicht als Beleg für die Haltung der spartanischen Führungsschicht gewertet werden. Ebenso gehen von einem Konflikt zwischen Brasidas und der spartanischen Führungsriege aus: Hornblower 1996, 269–271; Kallet-Marx 1993, 171; Lewis 1992, 428; Kagan 1974, 302–304; De Ste. Croix 1972, 153 (allerdings betont er, dass dies Thukydides’ Aussage sei, könnte demnach Skepsis andeuten); Meiggs 1972, 334. Zu Brasidas’ Mutter, Argileonis, in der Rezeption (Plut. mor. 240 C; Diod. 12,74,4), vgl. Cartledge 2003, 179–180. 138 Marcellinus Vit. Thuc. 46 benennt Kleon unmissverständlich als Ankläger. Vgl. Roisman 2011, 344; Tritle 2010, 256; Worthington 2010, 261; Zahrnt 2006a, 602; Bauman 1990, 60; Kagan 1974, 299. 139 Thuk. 3,36,6; 4,28,4–5; 5,7,2. 16,1. 10,9. Vgl. Lewis 1992, 430; Develin 1989, 138. Zu Kleon bei Thukydides vgl. Rusten 2006, 552–553, m. A. 15 (mit einem Vergleich zur Darstellung Kleons in attischer Komödie); Leppin 1999, 18; Bauman 1990, 60; Edmunds 1975, 197 (der Kleons Darstellung bei Thukydides als fast satirisch bezeichnet); Kagan 1974, 323–332; Westlake 1968, 60, 75 (die charakterlichen Defizite seien offengelegt worden). Dagegen bezeichnet Cawkwell 1997, 63–74 Kleons Porträt bei Thukydides als gemischt, auch wenn er konstatiert, Thukydides habe weder den Menschen Kleon noch dessen Politik gemocht. Will 2015, 113 verweist auf den Mangel an Lachen bei Thukydides: Einmal werde aber gelacht, als er schildert, wie die Athener über Kleons angeberisches Gerede spotteten (4,28,5). Zur signifikanten Szene von Kleons gescheitertem Angriff auf Amphipolis vgl. Hornblower 1996, 438. Bei Diod. 12,74,1-2 klingt das ganz anders, wohl basierend auf Ephoros, vgl. Hose 2006, 680. 140 Thuk. 5,7,2. Vgl. Will 2015, 179; Brown Ferrario 2014, 122; Gribble 2006, 449; Westlake 1968, 76. 141 Vgl. Psoma 2014, 137; Psoma 2013; Archibald 1998, 118; Badian 1993, 179, 242, A. 18. Siehe auch Asirvatham 2017, 289. In einer vielbeachteten Studie zu participial motivation bei Thukydides hat Lang 1995, 50, 52 herausgestellt, dass Perdikkas bei den sechs Protagonisten, die sich am meisten durch selbstbestimmte Motivation auszeichnen, die Thukydides deutlich als ihre Gedanken kennzeichnet, nach Brasidas, Nikias, Kleon, Demosthenes und Alkibiades auf Rang sechs liegt. Sie nennt folgende Passagen: Thuk. 1,57,4: Voller Sorge versuchte Perdikkas, dass es zum Krieg zwischen Athen und Sparta käme, und versuchte gleichzeitig, die Korinther wegen Poteidaia auf seine Seite zu bekommen; 1,57,5: Er sandte an die Chalkidier und Bewohner der Bottike, da er glaubte, im Bund mit ihnen leichter gegen Athen angehen zu können; 4,79,2: Perdikkas holte Brasidas, da er fürchtete, Athen würde zu mächtig, und wollte Arrabaios zudem unterwerfen; 4,83,1: Er wolle Arrabaios unterwerfen; 4,83,6: Er erkannte, dass er ungerecht (von Brasidas beim ersten Lynkestis-Zug) behandelt worden sei; 4,132,2; Er verhinderte den spartanischen Nachschub, weil er keine Spartaner mehr im Land haben wollte. Da Thukydides die geschilderten Motivationen der sechs Protagonisten als ihre persönlichen Entscheidungen charakterisiert, stellt sich die Frage nach seinen Quellen. Lang 1995, 50–51 vermutet, er habe teilweise gut informierte Gewährsleute gehabt, „personal sources“, auch im Falle von Perdikkas, zumindest was dessen Politik gegen Athen auf der Chalkidike betroffen habe. Betrachtet man allerdings die für ihn gezählten 6 Fälle von participial motivation genauer, fragt man sich, ob Insiderquellen wirklich dazu nötig waren. Natürlich konnte Thukydides nicht wissen, was in Perdikkas’ Kopf vorging und beim Kriegsrat mit seinen Ranghöchsten besprochen wurde. Vgl. Westlake 1968, 316. Die Ergebnisse wurden auf dem politischen und militärischen Parkett jedoch sichtbar und konnten von ihm entsprechend zurückgeführt, gedeutet und literarisch als Willenskundgebung des Herrschers dargestellt werden. Dazu brauchte es keine Insiderquellen. Anhand des
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politischen Hintergründe für seine Handlungen werden meist nicht genannt, die Informationslücken durch Hinweise auf Untreue und Betrug gefüllt.142 Signifikant für die Gesamtanlage von Perdikkas’ Porträt ist das Armutszeugnis, das Thukydides ihm bezüglich Militärpolitik und Kriegsführung ausstellt,143 den zentralen Legitimationsfaktoren eines Temeniden. Perdikkas versagt demnach in Sachen Truppenführung, Söldneranwerbung, Drill, Ausrüstung, Organisation und Befestigungsanlagen.144 Die Kavallerie, Kernstück des makedonischen Heers, ist gemäß Thukydides’ Darstellung zwar leistungsstark,145 hat jedoch eine Reform nötig.146 Die Infanterie ist ungenügend,147 das Heer insgesamt für Offensiven schlecht geeignet,148 die Truppen kommen meist zu spät oder gar nicht,149 erscheinen als undiszipliniert und fluchtaffin.150 Positive Kontrastfigur zum schlechten Feldherrn Perdikkas ist erstens wiederum Brasidas151 und zweitens Perdikkas’ eigener Sohn Archelaos. Geradezu in einer Umkehr des literarischen Topos vom guten Vater und missratenen Sohn stellt Thukydides Perdikkas’ Leistungen die von Archelaos entgegen, als er auf die Festungen in Makedonien zu sprechen kommt:152 ἦν δὲ οὐ πολλά, ἀλλὰ ὕστερον Ἀρχέλαος ὁ Περδίκκου υἱὸς βασιλεὺς γενόμενος τὰ νῦν ὄντα ἐν τῇ χώρᾳ ᾠκοδόμησε καὶ ὁδοὺς εὐθείας ἔτεμε καὶ τἆλλα διεκόσμησε τά [τε] κατὰ τὸν πόλεμον ἵπποις καὶ ὅπλοις καὶ τῇ ἄλλῃ παρασκευῇ κρείσσονι ἢ ξύμπαντες οἱ ἄλλοι βασιλῆς ὀκτὼ οἱ πρὸ αὐτοῦ γενόμενοι.
........................................................................................................................................................................... Beispiels der beschriebenen Gedankengänge von Kleon vor Amphipolis ist zu erkennen, wie Thukydides diese angeblichen Einblicke in die Handlungsmotive seiner Protagonisten nutzte, um sie negativ (wie in diesem Fall) oder positiv darzustellen. Vgl. Hornblower 1996, 438 zu Thuk. 5,7,1–3. Es handelte sich somit nicht zuletzt um ein Stilmittel der Charakterisierung, das entsprechend kritisch zu betrachten ist. 142 Thuk. 1,62,2; 2,80,7. 95,2. 101,5–6; Thuk. 4,79,1–2; 5,80,2. 83,4. 143 Thuk. 2,100,2. 144 Thuk. 2,100,2; 4,124,3–125,1. Badian 1993, 241, A. 13 verweist zudem darauf, dass athenische Truppen weder Pydna noch Beroia nehmen konnten, es mit der Verteidigungskraft makedonischer Städte demnach gar nicht so schlecht bestellt sein konnte. Dies bestätigt auch Thuk. 2,100,1 – obwohl er es zugleich ableugnet. Siehe auch Hatzopoulos/Paschidis 2004, 800, 806. 145 Thuk. 2,100,5; 4,124,3–4. Vgl. Sekunda 2010, 448. 146 Thuk. 2,100,2. 147 Thuk. 2,100,2. 148 Thuk. 4,125,1. 149 Thuk. 2,80,7; 4,125,1–2; 5,6,2. 83,4. 150 Thuk. 4,125,1. 151 Vgl. Nichols 2015, 98; Psoma 2014, 137. 152 Thuk. 2,100,2.
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Davon gab es nicht viele; die, die es nun in Makedonien gibt, wurden später von Archelaos gebaut, dem Sohn des Perdikkas, als er Herrscher wurde. Archelaos also erbaute gerade Straßen durch das Land, reorganisierte die Kavallerie, die Bewaffnung der Hopliten-Infanterie, und die Ausrüstung im allgemeinen, um das Land in eine stärkere Ausgangsposition für den Krieg zu bringen, stärker als jemals zuvor unter all den acht Herrschern, die vor ihm regiert hatten.153
Dieses Lob wird Archelaos weniger wegen seiner Verdienste um Makedonien als um Athen bekommen haben, da er den Wiederaufbau der Flotte nach der Sizilischen Expedition unterstützte.154 Auf heerespolitischem Gebiet wird Archelaos de facto „das Werk seiner Vorgänger Alexander und Perdikkas fortgeführt“ haben.155
Perdikkas bei Platon Platon erwähnt Perdikkas en passant im Gorgias und in der Politeia. In beiden Fällen sollte man sich vorsehen, die philosophischen Schriften als historiographische Quellen zu lesen. Im Gorgias wird Perdikkas von Gorgias’ Schüler Polos als Vater des vermeintlichen Übeltäters Archelaos vorgestellt, der diesem anscheinend die verbrecherische Ader vererbte: Perdikkas soll seinem Bruder ............................................ 153 Thuk. 2,100,2. Übers. H. Vretska. Vgl. Hornblower 1996, 375–376. Als authentisch bewertet durch Greenwalt 2015b, 42; Miron 2014, 129; Hatzopoulos 2011, 59; Roisman 2010a, 156; Zahrnt 2006a, 596–597; Leppin 1999, 64. Borza 1990, 166 stellt indes fest, dass Thukydides nicht behauptet, Archelaos sei ein militärisches Genie gewesen. Kritisch auch: Psoma 2014, 137. 154 IG I3 117; Andok. 2,1; Diod. 13,49,1. Vgl. Pownall 2017, 219; Hatzopoulos 2011, 60; Tritle 2010, 248; Zahrnt 2009, 9; Dalfen 2004, 271; Wirth 1985, 22; Hammond/Griffith 1979, 137–138. Zur Sizilischen Expedition und Wiederaufrüstung der Flotte: Thuk. 7,32–87; 8,1,2–3. 4,1. Badian 1993, 214, A. 13 stellt heraus, dass Thukydides Perdikkas als den „bösen Makedonen“ und Archelaos als den „guten Makedonen“ dargestellt habe. 155 Geyer 1930, 86. Zu Alexander I. vgl. Brunt 1976, 153. Er bezieht das hoch umstrittene Fragment von Anaximenes (BNJ 72, F 4) auf ihn. Siehe auch Badian 1993, 241, A. 13: „The Macedonian army does not appear to be more distinguished in its record after Archelaus than before (…) and here, under Perdiccas, we find Macedonian towns strongly fortified (…) I do not see reason to doubt that, whatever improvements Archelaus may in fact have made, he did not leave Macedon significantly stronger than he received it”. Ebenso Sekunda 2010, 448–449: Es gäbe keinerlei archäologische Untermauerung von Thukydides’ Behauptungen und bezüglich der Infanterie nimmt er eher einen Niedergang nach Perdikkas’ Zeit, unter Archelaos, an. Pace Hammond/Griffith 1979, 137 mit einer vorbehaltlosen Übernahme von Thukydides’ Darlegung. Bezüglich der Infanterie verteidigt auch Hampl 1934, 51 Perdikkas gegen Thukydides. Zur Kritik an Badians Thukydides-Analysen vgl. Meister 1999, 182. Indes sind Badians Darlegungen zu Thukydides’ tendenziösem Perdikkas-Porträt stimmig. Immerhin konnte eine thrakische Invasion mit einer Heeresstärke von angeblich über 100.000 Mann in Perdikkas’ Reich nichts erreichen, da sich die Makedonen, wie Thukydides selbst bezeugt, in Befestigungen zurückzogen, die standhielten (Thuk. 2,100,1). Vgl. Kagan 1974, 120.
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Alketas die ἀρχή weggenommen haben und – ebenso wie angeblich Archelaos – unrechtmäßig an die Macht gelangt sein.156 Indes wird Polos von Platon deutlich als unzureichender Redner und Polemiker charakterisiert, dem Sokrates folglich auch in keinem Punkt beipflichtet.157 Das Bild des perfiden temenidischen Verbrechergespanns von Vater und Sohn ist nicht als historische Information zu bewerten, sondern als literarisches Konstrukt, mit dem Platon aufzeigte, wie ungenügend Polos argumentieren konnte.158 Das Setting der Politeia ist das Haus des Polemarchos, Sohn des wohlhabenden metoikos Kephalos,159 zeitlich vor dem Hintergrund des Peloponnesischen Kriegs angesiedelt.160 Polemarchos wurde unter dem Regime der Dreißig um 403 ermordet.161 Ebenfalls anwesend ist sein Bruder Lysias, der entkommen konnte und Eratosthenes nach der Wiederherstellung der Demokratie als Verantwortlichen für den Tod seines Bruders zur Rechenschaft zog.162 Thema des Gesprächs ist die dikaiosyne in ihren komplexen Implikationen. Für Platons Rezipienten wird das Wissen, dass Opfer der Dreißig Teil der Runde waren, mitgeschwungen haben.163 Perdikkas’ Name fällt in einer Passage, in der Sokrates sich mit Polemarchos’ Konzept der dikaiosyne auseinandersetzt:164 ἀλλ᾽ οἶσθα, ἦν δ᾽ ἐγώ, οὗ μοι δοκεῖ εἶναι τὸ ῥῆμα, τὸ φάναι δίκαιον εἶναι τοὺς μὲν φίλους ὠφελεῖν, τοὺς δ᾽ ἐχθροὺς βλάπτειν; τίνος; ἔφη. οἶμαι αὐτὸ Περιάνδρου εἶναι ἢ Περδίκκου ἢ Ξέρξου ἢ Ἰσμηνίου τοῦ Θηβαίου ἤ τινος ἄλλου μέγα οἰομένου δύνασθαι πλουσίου ἀνδρός. ἀληθέστατα, ἔφη, λέγεις.
............................................ 156 Plat. Gorg. 471 A-D. 157 Plat. Gorg. 471 D; Plat. Gorg. 525 D. Vgl. Stauffer 2006, 63; Dalfen 2004, 275. 158 Siehe Kap. IV. 159 Vgl. Howland 2004, 179; Pappas 2003, 15–18. 160 Vgl. Pappas 2003, 16 mit der Datierung in die Zeit des Nikias-Friedens. 161 Lys. 12,17. 22–25. 162 Lys. 12,8–17. 163 Vgl. Howlandson 2004, 180, 190: „Plato, too, speaks for the dead“; Gifford 2001, 92. 164 Vgl. Pappas 2003, 35.
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„Aber weißt du wohl auch“, sagte ich, „auf wen vermutlich jener Ausspruch zurückzuführen ist, es sei gerecht, seinen Freunden zu nützen und seinen Feinden zu schaden?“ „Auf wen denn?“ fragte er. „Ich glaube, auf Periandros oder Perdikkas oder Xerxes oder den Thebaner Ismenias oder sonst einen von Machtbewusstsein erfüllten reichen Mann.“ „Sehr richtig“, erwiderte er.165
Erneut ist Perdikkas eine rhetorische Figur und Metapher; um temenidische Geschichte geht es nicht. Platons Sokrates verwendet ihn für sein Argument, mit dem er Polemarchos’ Definition in Zweifel zieht. Perdikkas’ Einreihung unter Xerxes, den Buhmann in der griechischen literarischen Tradition schlechthin,166 und Periandros, Tyrann von Korinth, dem Grausamkeit, Gattinnenmord und Leichenschändung nachgesagt wurden,167 spricht für sich. Zwar war die Rezeption von Periandros ambivalent, da er teilweise zu den Sieben Weisen gezählt wurde.168 Doch gerade Platon tut das ausdrücklich nicht.169 Nails charakterisiert Periandros in der Welt von Platons Schriften als „oppressive tyrant“.170 Entsprechend nennt Gifford Platons Auflistung „this gallery of illustrious rogues“,„a catalogue of famous and powerful autocrats (...) who wielded dictatorial power over a people“.171 Der thebanische Politiker Ismenias, auch in Platons Menon erwähnt,172 tat sich nach dem Ende des Peloponnesischen Kriegs als Vertreter einer gegen Sparta gerichteten Agenda des ............................................ 165 Plat. Polit. 336 A. Dagegen vgl. Xen. Mem. 2,3,14. 166 Vgl. Bridges 2015, 2 („the archetypal destructive and enslaving eastern king and (…) symbol of the exotic decadence, wealth and power of the Persian court“); Stoneman 2015, 1 („the villain of a heroic story of resistance“); Briant 1996, 531–533. Zu Platons Negativbild des Xerxes als verdorbener Sohn eines fähigen Vaters: Nom. 694 C-696 A. 167 Hdt. 5,92. Vgl. de Libero 1996, 163, 357. 168 Vgl. de Libero 1996, 158. 169 Plat. Prot. 342 E-343 B: Thales von Milet, Pittakos von Mytilene, Bias von Priene, Solon von Athen, Kleoboulos von Lindos, Myson von Chenai und Chilon von Sparta. Die vier Namen Thales, Pittakos, Bias und Solon wurden kanonisch, doch etwa Myson konnte durch Periandros ausgetauscht werden. Zu den Listen siehe auch Diog. Laert. 1,22. 34; Demetrios von Phaleron BNJ 228, F 1. 170 Nails 2002, 341. Bei Perdikkas heißt es: „promotet the revolt at Potidaea“. 171 Gifford 2001, 92. Vgl. Howland 2004, 201–202; Scott 1927, 452: „such famous tyrants“. 172 Plat. Menon 90 A.
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Anschlusses an Athen hervor, die 395 zum Bündnis führte.173 Ausgestattet mit persischen Geldern wurde seine faction zu einer der treibenden Kräfte im Korinthischen Krieg. 382, als er Polemarchos war,174 wurde er auf Betreiben seiner politischen Gegner, die wieder die Oberhand gewonnen hatten, hingerichtet.175 Platon kategorisiert ihn unter dem Typus des ambitionierten, machtstrebenden πλούσιος ἀνήρ,176 der sich damit in dieses Gruselkabinett (aus athenischer Sicht) einfügt. Als entscheidender Negativfaktor wird zumeist Ismenias’ Assoziation mit persischen Subsidien angesehen.177 Die Deutung der Passage ist uneinheitlich. Howland sieht den platonischen Sokrates als Vertreter eines Gegenentwurfs zu dem von Lysias in Gegen Erastosthenes entworfenen Verständnis von dikaiosyne und Behandlung von Feinden,178 Winspear sogar als Verfechter von „‚absolute pacifism‘ or non-resistance to evil“.179 Pappas, der herausstellt, wie ungewöhnlich eine solche Haltung für das antike griechische Denken wäre,180 interpretiert Sokrates’ Einwände in einem weiteren Rahmen. Er habe gegen Polemarchos’ Prämisse Stellung genommen, dikaiosyne als Konzept zu betrachten, und zudem die Unklarheit der Definition von philoi und echthroi angemahnt: „Because one may be mistaken about one’s friends, justice on this definition might mean helping the wicked and harming the good“.181 Vor dem Hintergrund des Peloponnesischen Kriegs als Setting des Gesprächs verdankt Perdikkas seine Nennung in dieser Reihe von Politikern, deren Namen für einen Athener keinen vertrauenswürdigen Klang hatten. Historischer Kern waren die makedonischen Verteidigungsmaßnahmen unter seiner Regierung gegen den athenischen Einfluss.
............................................ 173 Hell. Oxyrh. 12,1; 13,1; Xen. Hell. 3,5,1–6. Vgl. Gifford 2001, 92; Beck 1997, 95. 174 Xen. Hell. 5,2,25. 175 Xen. Hell. 5,2,35–36; Plut. Pelop. 5,2. Vgl. Beck 1997, 96–97. 176 Vgl. Gifford 2001, 93, A. 78, 96. Obwohl er gemäß Just. 5,9,8 Thrasybulos’ Kampagne unterstützt haben soll. Vgl. Bluck 1961, 346. 177 Sie werden in negativer Konnotation als Bestechung betrachtet, vgl. Howland 2004, 202 (Platon habe erst Vertreter politischer Macht aufgezählt, dann Ismenias als Vertreter von Macht durch Reichtum); Nails 2002, 339; Bluck 1961, 346: Ismenias sei als bestechlicher Condottiere dargestellt. Siehe auch Gifford 2001, 92, A. 78. Er nimmt zudem an, Ismenias sei, weil er Polemarchos gewesen sei, eher eine Schlüsselfigur für Polemarchos, es sei somit ein Wortspiel. 178 Vgl. Howland 2004, 191–206. 179 Winspear 1942, 221: ein antiker Vorläufer von Ghandi. 180 Vgl. Xen. Mem. 2,3,14. 181 Pappas 2003, 36–37.
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Weitere Quellen zu Perdikkas Bezüglich anderer literarischer Gattungen ist die Quellensituation ebenfalls nicht rosig. Im Gegensatz zu seinem Vater Alexander I., der von Bakchylides und Pindar besungen wurde,182 hinterließ Perdikkas’ Kulturpatronage keine Spuren in der griechischen Dichtkunst – dafür aber seine Außenpolitik in der attischen Komödie. Hermippos (in den 420ern) und Aristophanes (414) erwähnen ihn spöttisch als Spezialisten für Lug und Trug.183 Die knappen Seitenhiebe werfen schlaglichtartige Einblicke auf seinen Bekanntheitsgrad im öffentlichen athenischen Diskurs und sein – dem Genre geschuldet überspitzten – Image in Athen.184 Im 4. Jh. v. Chr. taucht Perdikkas in attischen Reden auf.185 Demosthenes behauptet in Gegen Aristokrates, er habe die Perser während ihres Rückzugs von Plataiai angegriffen, die persische Niederlage besiegelt und das athenische Bürgerrecht erhalten.186 In der pseudo-demosthenischen Rede Peri Syntaxeos ist es dagegen die ἀτέλεια.187 Bei diesen sonst nicht bezeugten Behauptungen handelt es sich erstens offenbar um eine Verwechslung mit Perdikkas’ Vater Alexander I. und zweitens um rhetorische Stilmittel in Gestalt geschichtlicher (Pseudo-)Exempel, welche die Argumente des Redners untermalen sollten. Es ging um Überzeugungskraft gemäß des „you all know“-topos,188 nicht um faktisches historisches Wissen. Auf der Suche nach der makedonischen Sprachregelung bleibt die Ausschau nach zeitgenössischen Inschriften, archäologischen Quellen und Münzen. Allerdings stößt man auch bezüglich des epigraphischen und archäologischen Materials an Grenzen. Makedonische Inschriften aus temenidischer Zeit sind rar, besonders vor dem 4. Jh. v. Chr.189 Aus Perdikkas’ Regierungszeit gibt es immerhin fragmentarisch erhaltene Inschriften von griechischer Seite, die Schlaglichter auf seine Politik werfen: ein Friedensvertrag zwischen ihm und Athen sowie die Methone-Dekrete aus den 420er Jahren, die Beschwerden ............................................ 182 Bakchyl. F 20 B; Pind. F 120 (Schol. Pind. Nem. 7,1a); F 121 (Dion. Hal. Dem. 26; 1,185 UsenerRadermacher). Vgl. Pownall 2017, 217–218; Hammond/Griffith 1979, 103. 183 Athen. 1,27 E-28 A. Vgl. Gkaras 2008, 137–138; Moreno 2007, xxiii 184 Aristoph. Av. 766–768. Vgl. Aristoph. Av. 1292. 185 Vgl. Kap. V. 186 Dem. 23,200. 187 [Dem.] 13,24. 188 Vgl. Ober 1989, 163–165. 189 Vgl. Rhodes 2010, 66; Archibald 2000, 215; Borza 1999, 18–19, 44. Dies gilt auch für die archäologische Evidenz. Allgemein dazu für die Temeniden siehe Palagia 2017.
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der Einwohner der Polis, ein Seebundmitglied, über ihn an die Athener beinhalten.190 Hinsichtlich der spärlichen archäologischen Quellen ist ein Siegespreis in Gestalt eines bronzenen Dreifußes zu nennen, datiert zwischen circa 460/50–425. Die Inschrift weist ihn als eine Trophäe der Spiele des argivischen Heraion aus.191 Miltiades Hatzopoulos zufolge war Perdikkas der Sieger, der ihn bekam.192 Da der Dreifuß im temenidischen Herrschergrab in VerginaAigai (Grab II) gefunden wurde, war er offenbar als temenidisches Familienerbstück in Ehren gehalten worden.193 In Relation zu den epigraphischen und archäologischen Quellen weniger karg sind die numismatischen Zeugnisse, besonders wichtige Belege für die temenidische Sprachregelung unter Perdikkas.194 Sie können Aufschluss über verschiedenartige Aspekte bieten: das Bildprogramm spiegelt Elemente der dynastischen Selbstdarstellung wider; (handels-)ökonomische Aspekte lassen sich aus dem Verbreitungsraum ableiten und das Gewicht kann Einblicke in die wirtschaftliche Lage des Reichs (teilweise auch in die politische Stabilität) geben. So hat Selene Psoma festgestellt, dass Alexander I. im Gegensatz zur irrigen Annahme, er sei seit dem Zugriff auf die bisaltischen Silberminen ein reicher Mann gewesen und habe gleichsam ausgesorgt, am Ende seiner Herrschaft das Gewicht seiner Silbermünzen reduzieren musste. Ebenso musste es Perdikkas zu Anfang seiner Regierung handhaben.195 Bezüglich des Bildprogramms ist eine Anlehnung an die Münzmotive der Prägungen seines Vaters zu erkennen.196 Perdikkas ließ Serien mit höherem Gewicht prägen, die in der Chalkidike umliefen. Sie zeigen auf dem Avers einen Reiter mit zwei
............................................ 190 IG I3 89; IG I3 61 (= ML 65; Syll.3 75; HGIÜ 104). Vgl. Kap. V. 191 SEG 29,652: „παρ’ hέρας Ἀργείας ἐμι τõν ἀϝέθλον – Ich bin von den Wettkämpfen der argivischen Hera“. Amandry 1980, 251 verweist darauf, dass die Inschrift von derselben Hand sei wie die Inschrift auf einem anderen bronzenen Siegespreis der argivischen Heraia, in Athen gefunden (vgl. SEG 11, 330). Vgl. Hornblower 2008, 204; Hornblower 1996, 72; Andronikos 1984, 165. 192 Vgl. Hatzopoulos 2011, 58. 193 Vgl. Carney 2016, 114. 194 Vgl. Kraay 1976, 143–144. 195 Vgl. Psoma 1999a. Vgl. Heinrichs 2012, 129, 132. Siehe auch Westermark 1989, 302; Kraay 1976, 143–144; Gaebler 1935, 154. Für den makedonischen Bereich war das offenbar kein Problem, der Umlauf ging weiter. Dagegen wurden für die chalkidischen Städte Münzen mit höherem Gewicht geprägt, wenn auch im gleichen Nominal-Wert. 196 Vgl. Tačeva 1992, 63; Raymond 1953, 89, 157; Gaebler 1935, 148–153. Zur Münzprägung Alexanders I. vgl. SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 1–2, 1–36; Nicolet-Pierre 2002, 188–189; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. I-IV, 1–81; Raymond 1953, 100–107; Gaebler 1935, 149–153. Zu Perdikkas’ Münzprägung allgemein: Heinrichs 2012, 129, 132; SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 2–3, 37–63; Nicolet-Pierre 2002, 190; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. IV-VI, 82–134; Psoma 1999a; Raymond 1953, 136–147; Gaebler 1935, 153–155.
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Speeren, auf dem Revers im inkusen Quadrat eine Löwenprotome.197 Laut Psoma wurden diese Münzen auch an die Soldaten seines spartanischen Verbündeten Brasidas ausgegeben.198 Im Inneren Makedoniens ließ Perdikkas Münzen mit reduziertem Gewicht – aber gleichem Nominalwert – prägen, die auf dem Avers ein Pferd und auf dem Revers einen Helm mit Federbusch im inkusen Quadrat zeigten.199 Alternatives Reversmotiv konnte die Protome eines Ebers sein,200 gemäß Hegesandros ein wichtiges Jagdtier für die Initiation makedonischer hochrangiger Jugendlicher.201 Die bisweilen aufscheinende Legende auf den Münzen lautete Π oder ΠΕΡ oder ΠΕΡΔΙΚ, jeweils für ΠΕΡΔΙΚΚΑ, (Münze) des Perdikkas.202 Schon sein Vater Alexander I. hatte mitunter seinen Namen oder ein Kürzel auf seine Münzen setzen lassen.203 Das Bildprogramm verwies demnach auf einen der primären Legitimationsfaktoren der Temeniden: militärische Qualitäten als berittener Jäger/Krieger – wobei das Pferd zugleich Statussymbol der Führungsschicht war –, symbolisch für den Eroberer und Landesschützer. Ihren Herrschaftsanspruch untermalten die Temeniden mit der Ideologie, die von Zeus auserwählten Herakliden und daher mit Kriegserfolgen am meisten gesegneten seiner Abkömmlinge zu sein. Es ist anzunehmen, dass dem Verweis auf das Kriegsglück implizit der besonde............................................ 197 Vgl. Greenwalt 2015a, 341; Heinrichs 2012, 129, 132; Psoma 2009b, 107–208, 111 (so wurden Exemplare davon in Olynthos gefunden; vgl. Nicolet-Pierre 2002, 190); Psoma 2009c, 8; SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 2–3, 47–61; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. V-VI, 106– 126; Kraay 1976, 144; Raymond 1953, pl. XIII, 176–245; Gaebler 1935, 154–155. Hammond/Griffith 1979, 120, A. 1 möchten in dem Reiter ein Porträt von Perdikkas selbst sehen. Dies ist jedoch ungewiss. Siehe Abb. 4. 198 Vgl. Psoma 2009b, 109–113. 199 Vgl. Greenwalt 2015a, 341; Heinrichs 2012, 129, 132; Psoma 2009b, 110; Psoma 2009c, 8; Psoma 1999a; SNG ANS 8: Macedonia II, pl. 2–3, 37–51; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. IV-V, 82–105; Kraay 1976, 144; Raymond 1953, 131–147, pl. XII-XV, Nr. 163–175; zur Form des Helms: Raymond 1953, 94, 113–114, 153. Das Pferd ist entweder laufend, springend oder galoppierend dargestellt. Vgl. Raymond 1953, 114. Die bei Gaebler 1935, 155, Nr. 12 genannte Münze mit dem Kopf des bärtigen Herakles mit Löwenexuvie auf dem Avers und Bogen und Keule im Quadratum incusum auf dem Revers, versehen mit der Legende ΠΕΡ, ist nicht Perdikkas II. zuzuschreiben, sondern Perdikkas III. Vgl. Heinrichs 2012, 131; Nicolet-Pierre 2002, 190 (Herakles sei erstmals unter Archelaos auf temenidischen Prägungen erschienen). Pace Raymond 1953, 60. Zu Amyntas’ III. Münzen mit bärtigem Herakles als Aversmotiv siehe auch Westermark 1989, 308–309 (vermutete Prägestätte: Aigai). Vgl. SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 5, 237–238; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. X, 237–239. 200 SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. VI, 131–133. Raymond 1953, 164 zweifelt etwas an der Zuschreibung an Perdikkas II. und erwägt als Alternative Perdikkas III. In dem Eber vermutet sie den kalydonischen Eber. 201 Athen. 1,18 A: Hegesandros zufolge durften nur die Makedonen ihr Essen liegend einnehmen, die schon einmal ein Wildschwein ohne Jagdnetz gefangen hatten; die anderen mussten sitzen. Vgl. Greenwalt 2015a, 348; Hatzopoulos 1994a, 93–94 (eine Angleichung an eine Frau). 202 Vgl. Nicolet-Pierre 2002, 190; Raymond 1953, 153, 156–157. 203 Vgl. Nicolet-Pierre 2002, 189. Siehe Abb. 2. Vgl. SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 1–2, 8–10, 22–23; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. II, 21, pl. III, 47.
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re Schutz durch den König der Götter, Zeus, war – ein ideologisches Motiv, das in der temenidischen Aufstiegsgeschichte betont wird.204
Perdikkas im griechisch-römischen literarischen Nachleben Nach seinen Auftritten bei Thukydides wird es ziemlich still um Perdikkas in der antiken Literatur. Seine Verwicklung in den Peloponnesischen Krieg wird sonst überhaupt nur von Diodor behandelt – und dies sporadisch und knapp. Nur wenige zusätzliche oder abweichende Informationen zum Bericht von Thukydides, der wohl diesbezüglich schon in der Antike als ziemlich alternativlos galt,205 sind zu finden, etwa dass Brasidas nach der Eroberung von Amphipolis Trieren auf dem Strymon bauen lassen wollte,206 oder dass Sitalkes bei seiner Makedonien-Expedition tatsächlich Perdikkas’ Neffen Amyntas als Gegenherrscher einzusetzen versucht, aber keine Resonanz erzielt habe.207 Ephoros gilt als Diodors diesbezügliche Hauptquelle.208 Ephoros benutzte Thukydides für seine Behandlung des Peloponnesischen Kriegs, ergänzte aber dessen Bericht, wo er es nötig fand, mit anderem Quellenmaterial.209 Ebenso enttäuschend wie vielleicht symptomatisch für Perdikkas’ Rezeption ist ein Blick in den Abriss der temenidischen Geschichte bei Pompeius Trogus.210 Seine moralisierenden Historiae Philippicae aus spätaugusteischer ............................................ 204 Hdt. 8,137–139. Vgl. Müller 2016a, 89–90. 205 Vgl. Hose 2006, 690. 206 Diod. 12,68,4. 207 Diod. 12,50,6. Für diesen Zug hatte Diodor oder Ephoros offenbar Zusatzmaterial zu Thukydides, denn er weicht in einigen Punkten von ihm ab: in punkto Truppenstärke: 170.000 statt 150.000 (Thuk. 2,95,1. 98, 3. 100,3; Diod. 12,50,3). Er erwähnt zudem wenigstens ein Erfolgserlebnis der odrysischen Seite auf dem Zug: die reiche Beute beim Plündern (Diod. 12,50,7). Diod. 12,51,2 zufolge war es Sitalkes (nicht, wie Thuk. 2,101,5–6 schreibt, dessen Neffe Seuthes), der sich mit Perdikkas auf das Ehebündnis einigte und zudem erwähnt er eine wechselseitige Verheiratung, während Thukydides nur von der Heirat zwischen Perdikkas’ Schwester Stratonike und Seuthes spricht. 208 Vgl. Pappas 2013; Hose 2006, 671–672, 679–680; Pownall 2005, 118. Zu Diodors Quellen und Vorgehensweise generell vgl. Rathmann 2016. 209 Vgl. Pappas 2013. Er zeigt auf, dass Ephoros Thukydides sorgfältig las und dann entschied, ob er den Bericht ergänzte, etwa durch die Zeugnisse von attischen Komödiendichtern oder anderes Quellenmaterial. Zudem habe er den Berichten seine eigene gedankliche Note verliehen. Vgl. auch Hose 2006, 677–680 (Ephoros habe andere Akzente gesetzt); Wirth 2005; Pownall 2004, 113–142. Zu Ephoros’ spezieller Perspektive als kleinasiatischer Grieche aus Kyme vgl. Heinrichs 1989, 169–170. 210 Als Vorbilder für Trogus gelten Ephoros (Strukturprinzip), Herodot (Motiv der Schicksalhaftigkeit) und Theopompos (Titel und Dekadenzschilderung), vgl. Levene 2006, 287. In Trogus’ Geschichte des Aufstiegs und Niedergangs von Reichsgebilden spielte die moderatio ihrer Herr-
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Zeit sind nur als Exzerpt Justins (3./4. Jh. n. Chr.) erhalten, der nach eigener Aussage alles wegkürzte, was ihm weder unterhaltsam noch beispielhaft vorkam.211 Dies muss viel gewesen sein, denn übrig blieb nur ungefähr ein Viertel.212 In den Epitome ist zur Regelung nach dem Tod Alexanders I. zu lesen: Per ordinem deinde successionis regnum Macedoniae ad Amyntam, fratris eius Menelai filium, pervenit. Gemäß der Nachfolgeordnung kam das makedonische Königtum dann an Amyntas, den Sohn seines Bruders Menelaos.213
Perdikkas fehlt komplett. Mit dem genannten Amyntas ist in einem flotten Zeitsprung von knapp einem halben Jahrhundert Amyntas III. (394/3–370/69) gemeint. Ob Justin mit seinen rigorosen Kürzungen der Schuldige ist,214 lässt sich nicht sagen. Die Inhaltsangabe zu Buch VII der Historiae Philippicae liefert mit der allgemeinen Angabe, es enthalte origines Macedonicae regesque a conditore gentis Carano usque ad magnum Philippum (die Ursprünge Makedoniens und seiner Könige von Karanos, dem Gründer der Ethnie, bis zum großen Philipp),215 keine Aufschlüsse. Eventuell hatte sich schon Trogus aufgrund
........................................................................................................................................................................... scher die entscheidende Rolle. In seinem Abriss der Geschichte Makedoniens sind entsprechend die früheren Temeniden noch keine Zerrbilder gemäß Tyrannentopoi, während Philipp II. als lasterhafter, hinterlistiger, skrupelloser Unhold nur noch von seinem völlig degenerierten Tyrannensohn übertroffen wird. Vgl. Müller 2014, 121–124; Bartlett 2014, 256; Baynham 1998, 33; Hammond 1993, 114–115; van Wickevoort Crommelin 1993, 59–62. Das Schlimmste kommt hier zum Schluss: Mit diesem finalen moralischen Tiefschlag endet folglich auch das Temenidenreich. Entsprechend lässt Trogus die Makedonen (kurzzeitig) erleichtert aufatmen, als der durchgedrehte, gemeingefährliche Tyrann das Zeitliche gesegnet hat (Just. 13,1,1–2,1). Alexanders Vermächtnis, wie ein Zankapfel unter seine Generäle geschleudert, beendet diese kurze Phase der Freude jedoch gleich wieder; es folgen die Diadochenkriege. Es ist signifikant für Trogus’ Perserbild (geprägt vom Hintergrund römischer Auseinandersetzungen mit den Arsakiden), dass bei ihm die Perser die einzigen sind, die über Alexanders Tod traurig sind, während sich die Makedonen freuen. 211 Just. Praef. 4: omissis his, quae nec cognoscendi voluptate iucunda nec exemplo erant necessaria. 212 Dies wird ersichtlich, da die Inhaltsangaben von Trogus’ Werk noch vorhanden sind. Zur anhaltenden Diskussion um die literarische Eigenleistung von Justin vgl. Borgna 2014. Aktuell herrscht die Tendenz vor, ihn als Literaten mit eigener Note anzusehen. Vgl. Borgna 2014; Schumacher 2000, 282–283; Yardley/Heckel 1997, 1–30; Yardley/Develin 1994, 4–6. 213 Just. 7,4,3. Eine ordo successionis gab es nicht im temenidischen Makedonien, vgl. Psoma 2012, 79– 80; Funke 2000, 164; Borza 1990, 135; Greenwalt 1989, 21–25; Wirth 1985, 16; Carney 1983, 261. 214 So Emberger 2015, 299, A. 299; Hammond 1991, 504–505, m. A. 28, der annimmt, eigentlich sei Amyntas II. gemeint gewesen. 215 Trog. Prol. 7.
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fehlender Informationen für die Herrscher zwischen Alexander I. und Amyntas III. kurz gefasst und Justin hatte die Passagen zusätzlich verknappt.216 Bei den sonstigen raren literarischen Erwähnungen von Perdikkas in der Folgezeit, bloßen Schlaglichtern, handelt es sich um folgende Themen: sein Sohn Archelaos und dessen angebliche Usurpation,217 der Besuch des berühmten Arztes Hippokrates an Perdikkas’ Hof,218 die unterschiedlichen Angaben zu seiner Regierungsdauer.219
............................................ 216 Aber auch Trogus selbst kann nicht ganz als Verantwortlicher ausgeschlossen werden: „Trogus’ chronology was careless and erratic“ (Yardley/Heckel 1997, 25). 217 Ael. Arist. 4,120,2. 218 Vita Hipp. sec. Sor. 5; Luk. Hist. Concr. 35; Suda s.v. Hippokrates (ι 564 Adler); Galen, Med. Phil. 3; Stob. 3,464. 219 Athen. 5,217 D-E. Athenaios kannte auch Hermippos’ Phormosphoroi, F 7 K-A, in dem Perdikkas als Lügenexporteur verspottet wurde: Athen. 1,27 E-28 A. Ansonsten spielen die frühen Temeniden in der Zweiten Sophistik kaum eine Rolle, vgl. Asirvatham 2017.
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III Perdikkas’ makedonischtemenidischer background Makedonien und die Temeniden Makedonien war mehr ein politischer als ein geographischer Begriff.220 Er bezog sich auf das Herrschaftsgebiet des jeweiligen Temeniden,221 der als Repräsentant von Reich und Bevölkerung der verschiedenen Landschaften galt.222 Die Ausdehnung hing von seinem Erfolg und seiner Durchsetzungsfähigkeit ab.223 Makedonien, somit in den Grenzen hybrid, hatte als Nachbarn Thessalien, Epeiros, Illyrien, Paionien und Thrakien. Perdikkas’ Familie wurde gemäß der Zeugnisse von Herodot und Thukydides Temeniden genannt, da sie ihre Genealogie auf den Herakliden Temenos, König von Argos, zurückführten.224 Ihr Aufstieg begann schätzungsweise um ............................................ 220 Vgl. Zahrnt 2002, 48; Archibald 2000, 220; Zahrnt 1984, 332, 352. Entsprechend konnte sich die Zuschreibung des Einflussgebiets von Städten in den antiken Quellen ändern, vgl. Hammond 1995, 120–121. Ein Beispiel ist Strepsa, eine Stadt in der westlichen Chalkidike und Mygdonia. Sie wird einmal als thrakisch (vor der makedonischen Eroberung), einmal als makedonisch (nach der makedonischen Eroberung) beschrieben, vgl. Edson 1955, 171. Ein anderes Beispiel nennt Zahrnt 1984, 332: Mygdonia, Anthemous, Krestonia und Bisaltia östlich des Axios und der Chalkidike wurden durch die makedonische Eroberung nicht mehr, wie zuvor, Thrakien zugerechnet. 221 Vgl. Zahrnt 2002, 52–54, 62. 222 Vgl. Psoma 2012, 82; Hatzopoulos 2011, 64; Zahrnt 2002, 52; Archibald 2000, 231; Anson 1985, 304. Siehe auch Garvin 2016, 350–351. 223 Vgl. Zahrnt 2002; Zahrnt 1984, 331–332. Siehe auch Hatzopoulos/Paschidis 2004, 797: „As Makedonia is simply the land of the Makedones, its extent followed Makedonian expansion.” 224 Hdt. 5,22,1; Thuk. 2,99. Vgl. Hdt. 5,22,2: Alexander I. bezeichnete sich selbst als Argaios, aus Argos stammend. Vgl. Just. 7,2,4. Zum Mythos um Temenos in Argos vgl. Piérart 1997, 325. Die Vorfahren der makedonischen Herrscher kommen darin signifikanterweise nicht vor. Es ist eine rege Streitfrage, ob die Griechen nur die Temeniden als Griechen anerkannten (vgl. Stoneman 2014, 6), ob sie dies überhaupt alle taten, und wie sie die Makedonen einstuften, die nicht zur Herrscherdynastie gehörten. Oft wird von einer Zwischenstufe von Griechen und „Barbaren“ ausgegangen, in welche die Makedonen einsortiert worden seien, vgl. Asirvatham 2008, 251; Hall 2001; Hornblower 1996, 391. Doch wird der Begriff barbaroi von den griechischen Autoren in unterschiedlicher Weise und je nach Kontext und Intention benutzt. Für eine Debatte um die Wahrnehmung der Ethnizität der Makedonen in griechischer Sicht sind diese jeweils an den Zusammenhang gebundenen Erwähnungen in den griechischen Quellen wenig instruktiv. So fällt das Wort barbaros zwar in Demosthenes’ Reden in Bezug auf Philipp II. und Makedonien (Dem. 1,3; 2,7–9; 2,18; 3,16; 9,31; vgl. Hammond 1989, 19), sogar mit der Äußerung, Philipp stehe noch unter einem barbaros. Doch war dies ein politisierter Gegenentwurf zum Ideal des athenischen Polis-Bürgers und im Kontext von Demosthenes’ politischer Agenda zu lesen. Vgl. Pownall 2005, 270–271. Wenn es politisch opportun war, wurde auch ein Temenide als Grieche vorgestellt: Beispielsweise als Aischin. 2,32 als Argument, dass Amphipolis anerkannterweise Athen gehörte, auf Amyntas III. verwies, der bei einer Versammlung „der Lakedaimonier und der übrigen Hellenen“ ein positives Votum abgegeben hatte. Ein anderes Beispiel ist die positive
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die Mitte des 7. Jhs. v. Chr.225 Grundstein war ihre Führungsrolle bei einer einschneidenden militärischen Unternehmung, der Eroberung von Siedlungsgebiet.226 Von wo die Temeniden kamen und ihren Zug starteten, ist umstritten.227 Ihr Anspruch auf eine griechische Herkunft aus dem peloponnesischen Argos war gemäß communis opinio ein propagandistischer Kunstgriff.228 Häufig wird angenommen, dass sie aus den obermakedonischen Berglandschaften kamen, laut Appian aus Orestis.229 In jedem Fall nahmen sie mit ihren Gefolgsleuten in den fruchtbaren makedonischen Tal-Ebenen um Pierien und Bottiaia der ansässigen Bevölkerung das Land weg, vertrieben sie und ließen sich dort nieder.230 Pierien und Bottiaia sind somit als Kerngebiet der temenidischen Herrschaft anzusehen, von dem die weitere Expansion ausging.231 Die kriegerische Anführungsposition der Familie bei der Ansiedlung war in mehrfacher Hinsicht bis zum Ende des Temenidenreichs grundlegend: Der Herrscher blieb der oberste Kriegsherr und Truppenführer, sein primärer Legitimationsfaktor waren kriegerische Erfolge, die ihm die Möglichkeit gaben, Beute zwecks Loyalitätserhalt zu verteilen, und die einflussreichsten Makedonen waren die hetairoi, seine Kampfgefährten, mit entsprechend hohen Heeresposten.232 ........................................................................................................................................................................... Stellungnahme des Speusippos für das Heraklidentum Philipps II. in seinem Sendbrief an Philipp. Vgl. Natoli 2004; Squillace 2004, 34–36. Der Brief gilt überwiegend als authentisch, vgl. Priestley 2014, 36; Sprawski 2010, 138; Squillace 2009, 39–40; Worthington 2008, 124, 121–122; Trampedach 1994, 139, A. 100; Markle 1976, 96 225 Vgl. Vasilev 2012, 50; Sprawski 2010, 130; Zahrnt 2009, 7; Fearn 2007, 83–84; Welwei 2000, 316; Borza 1990, 84; Wirth 1985, 19; Geyer 1937a. Zu Rekonstruktionen der Route vgl. Vasilev 2012, 45; Sprawski 2010, 128, 131–134; Zahrnt 2009, 7–8; Zahrnt 2006a, 590; Hatzopoulos 2003, 203– 211–212; Hammond 1989, 8–11; Wirth 1985, 16–17. 226 Welwei 2000, 317, 320. Siehe auch Archibald 2010, 330. Allgemein angedeutet von Aristot. Pol. 1311a. 227 Vgl. Sprawski 2010, 134; Zahrnt 2006a, 590. 228 Vgl. Vasilev 2012, 46; Hall 2002, 156; Iliadou 1998, 16–19; Daskalakis 1970, 155–161. Borza 1990, 81 zufolge folgten sie damit einem Trend des 5. Jhs. v. Chr., und auch noch im 4. Jh. v. Chr. war eine argivische Abkunft gefragt, vgl. Hornblower 1996, 71. 229 App. Syr. 63: Er spricht von Argos in Orestis. Als historisch akzeptiert von Kapetanopoulos 2013; Vasilev 2012, 42–43, 45; Hatzopoulos 2003, 212, 215–216; Wirth 1985, 16–17, 19; Edson 1970, 20; Geyer 1930, 12, 47–48. Entsprechend wird vermutet, dass die ursprüngliche Bedeutung von Makedones „Hochlandbewohner“ gewesen sein soll, vgl. Worthington 2014, 21; Engels 2010, 89; Hammond 1995, 124; Hammond 1989, 12; Wirth 1985, 16 (aus der Talperspektive betrachtet); Zahrnt 1984, 368; Anson 1984, 67–68 (Alternative: hochgewachsen). Die These einer illyrischen Herkunft der Temeniden, vertreten von Hammond/Griffith 1972, 433–434, basierend unter anderem auf problematischen onomastischen Schlussfolgerungen (vgl. Zahrnt 1984, 365–367 zur Kritik) ist wenig akzeptiert (etwa von Rosen 1978, 15). 230 Hdt. 8,127,1; Thuk. 2,99. Vgl. Sprawski 2010, 133; Tiverios 2008, 34, 52; Borza 1990, 87; Hammond 1989, 8–11; Zahrnt 1984, 357; Hammond/Griffith 1972, 191–197; Zahrnt 1971, 171–178; Edson 1970, 20–22. 231 Vgl. Hatzopoulos 1996a, 175; Hammond 1989, 3–10; Zahrnt 1984, 342, 345, 357. Zu Bottiaia vgl. Auch Xydopoulos 2017. 232 Vgl. Greenwalt 2015a, 338 mit der Betonung, dass Bezeichnungen wie strategoi, Archonten oder Ephoren fehlten. Siehe auch grundlegend Heckel 2003; Hammond 1989, 24, 54–56. Die kriegeri-
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Es gab zwei Teile Makedoniens, wobei die antiken Autoren in der Zuschreibung der Gegenden variieren können. Die antike Unterscheidung lautete κάτω und ἄνω.233 In der Forschung meint Niedermakedonien (κάτω) die Gebiete um den Olymp mit den fruchtbaren Ebenen von Bottiaia und Pierien bis an den Golf von Therme, der in temenidischer Zeit nach Westen hin weiter ins Landesinnere reichte.234 Obermakedonien (ἄνω) bezeichnet das gebirgige Hochland mit Pelagonia, Lynkestis, Eordaia, Almolpia, Elimeia und Orestis.235 Zur temenidischen Kontrolle kamen – mit umstrittener Datierung der Unterwerfung –236 Anthemous, Krestonia, Mygdonia und zeitweise, zumindest unter Alexander I.,237 Teile der Bisaltia hinzu.238 Die landschaftliche Teilung Makedoniens in Ober- und Niedermakedonien bedeutete bis zur Einigung unter Philipp II. auch eine politische Teilung.239 ........................................................................................................................................................................... sche Ausrichtung Makedoniens spiegelt sich auch, wenngleich teilweise überzogen, in der antiken griechischen und römischen Literatur wider: Just. 7,2,6; Mnesimachos F 7 K-A (ap. Athen 10,421 C); Aristot. Pol. 1324b (wer in Makedonien noch nie einen Gegner getötet hatte, habe gemäß des nomos statt eines Gürtels ein Pferdehalfter tragen müssen, vgl. Hatzopoulos 1994a, 88–93; Hammond/Walbank 1988, 180: typisch für die griechische Vorstellung des 4. Jhs. v. Chr. von den Makedonen). In diese Richtung geht auch die Tradition bei Polyain. 4,2,1, ein Vorläufer der Vorstellung von „Warmduschern“: Philipp II. hätte einen angesehenen Mann aus Tarent, der gerne warm badete, erklärt, nicht mal Frauen im Kindbett würden bei den Makedonen warm baden; der abgehärtete Makedone nähme kaltes Wasser. 233 Vgl. Hatzopoulos 2003, 206; Zahrnt 2002, 48–54 (zu den Vorstellungen von Makedonien bei Hesiod, Hekataios von Milet, Aischylos in den Persai, Herodot und Thukydides). Siehe auch Zahrnt 2011, 770; Zahrnt 1984, 341–345, 353. Kurz gefasst steht κάτω für das untere, die Küstengebiete und ἄνω für das obere, gebirgige Makedonien, vgl. Hornblower 1991, 374; Hammond/Griffith 1972, 436. 234 Vgl. Zahrnt 2011, 765; Zahrnt 1984, 334, 340; Edson 1970, 20–21. 235 Thuk. 2,99,1–2. Vgl. Worthington 2014, 14; Xydopoulos 2012b; Chatzinikolaou 2010, 193–222; Hatzopoulos/Paschidis 2004, 797; Zahrnt 2002, 52–53; Hammond 1989, 11–12; Hammond 1995a, 120–121; Wirth 1985, 16; Zahrnt 1984, 341, 345; Geyer 1930, 11. Tymphaia kam eine Sonderrolle zu; Eordaia zählte zwar geographisch zu Obermakedonien, galt administrativpolitisch aber als Teil von Bottiaia, somit Niedermakedonien, weil es zu den Kerngebieten temenidischer Kontrolle gehörte. Vgl. Chatzinikolaou 2010, 194; Hatzopoulos/Paschidis 2004, 797; Hornblower 1991, 375; Hammond 1989, 11. Zu Pelagonias autonomer Rolle vgl. Culasso Gastaldi 2000. 236 Ein zentraler Streitpunkt ist die Frage, inwieweit Thuk. 2,99 die Chronologie der temenidischen Eroberungen wiedergibt, demnach: Pierien, Bottiaia, das Gebiet am Axios, Mygdonia, Eordaia, Almolpia, Anthemous, Krestonia, Bisaltia, Obermakedonien. Pro: Zahrnt 1984, 331–365; Edson 1970, 27, A. 54; Hoffmann 1906, 257; Abel 1847, 143. Contra: Hammond/Griffith 1971, 437. Unter Alexander I. sind die Gebietsgewinne datiert von Zahrnt 1984, 344; Edson 1970, 26–27 (nach dem persischen Rückzug; in diese Zeit verortet er auch die Eroberung von Eordaia). 237 Inwieweit dies auch noch für Perdikkas galt, ist umstritten. Zahrnt 1984, 332 deutet es anhand von Thuk. 2,99,6. 238 Hdt. 5,17,2. Vgl. Zahrnt 1984, 342–343, 382; Hammond/Griffith 1972, 436; Edson 1970, 28. Wiederum ist die Datierung umstritten. 239 Philipp nutzte die Vertreibung der Illyrer unter Bardylis aus Obermakedonien, das sie zu Beginn seiner Herrschaft nach einem Einfall unter Perdikkas III. 360/59 in der Hand hatten (Diod. 16,2,4–5; Polyain. 4,10,1). Philipp bewog sie erst zu einem Waffenstillstand, um sich Handlungsspielraum für die Lösung anderer Probleme zu schaffen, griff sie dann erfolgreich an und vertrieb sie. Vgl. Howe 2017, 100–105. Da er nun mit einem Heer in Obermakedonien operierte,
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Während Niedermakedonien das Herrschaftsgebiet der Temeniden war,240 befanden sich die obermakedonischen Gebiete unter ihren jeweiligen Lokaldynasten nicht unter ihrer Kontrolle und gingen oftmals politisch nicht konform mit ihnen.241 Thukydides erklärt diese politische Teilung – trotz der übergeordneten ethnischen Zuordnung Makedones, die auch in der Außenwahrnehmung Bestand hatte –,242 indem er zwischen τὴν κάτω Μακεδονίαν, ἧς ὁ Περδίκκας ἦρχεν, Niedermakedonien, über das Perdikkas herrschte, und den obermakedonischen Gebieten wie Lynkestis oder Elimeia folgendermaßen unterscheidet: Letztere seien zwar ebenfalls von Makedonen bewohnt, hätten aber jeweils ihre eigene basileia.243 Diese Zweiteilung wird darauf zurückgeführt, dass die Makedonen vor der Reichsbildung an der Küste aus dem westlich gelegenen Bergland kamen, wo viele Makedonen auch geblieben seien.244 Da die obermakedonischen Lokaldynasten sich nicht an die Temeniden gebunden fühlten, waren sie ein stetiger Unsicherheitsfaktor.245 Ein besonders ........................................................................................................................................................................... nutzte er die Gunst der Stunde, um Obermakedonien seinem Herrschaftsbereich einzugliedern (Diod. 16,5,4–8,1). Vgl. Bosworth 2010, 101; Ellis 1981. 240 Vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 797; Hatzopoulos 1996a, 171. 241 Strab. 7,8. Eine Anekdote bei Xen. Hell. 5,2,38 beschreibt treffend, dass die obermakedonischen Lokaldynasten Bedrohungen der Temeniden nicht als ihre Sache ansahen: Unter Amyntas III., im Jahr 382, wies der spartanische Verbündete Teuletias, Bruder Agesilaos’ II., den Makedonenherrscher vor seiner Waffenhilfe an, die obermakedonischen Lokaldynasten mit Geld zu einem Bündnis zu bewegen. Zudem machte er Derdas II. von Elimeia klar, dass die drohende Gefahr (vonseiten der Chalkidier) auch für sein Gebiet bestand und er deswegen aktiv werden musste. Zur eigenen Münzprägungen obermakedonischer Lokaldynasten vgl. Psoma 2009c, 10, 12; Hatzopoulos/Paschidis 2004, 798; Liampi 1998, 5–10. Zu einer Münze Derdas’ II. siehe Abb. 5. Wartenberg 1998, 13–14, 16–17 schreibt Bronzemünzen, die auf dem Avers einen bartlosen Herakles-Kopf mit Löwenexuvie, auf dem Revers einen Adler auf Blitzbündel und die Legende ΦΙΛΩ zeigen, einem Philotas zu. Siehe Abb. 6. Sie identifiziert ihn mit dem Vater Parmenions, des berühmten Generals Philipps II. und Alexanders III. (zu ihm vgl. Heckel 2016, 44–59). Er sei in Pelagonia Lokaldynast gewesen. Akzeptiert von Psoma 2009c, 10. Dies ist allerdings reine Spekulation. Erstens ist ungewiss, ob die Legende sich auf den Namen Philotas bezieht (selbst eingeräumt von Wartenberg 1998, 16, obwohl die Variantenmöglichkeiten andererseits nicht allzu zahlreich sind), zweitens ist über den Vater von Parmenion nichts bekannt. Zu einem Stemma seines Hauses siehe Heckel 2016, Stemma IV. Er vermutet allerdings, dass Parmenion aus Obermakedonien stammen könnte, vgl. Heckel 2017, 72. Zugleich wendet er sich gegen die These von Worthington 2008, 34, Parmenion sei Paione gewesen (2017, 72, A. 32). Für eine paionische Abstammung Parmenions gibt es keine Quellenbelege. 242 Vgl. Hammond 1995. 243 Thuk. 2,99,1. Vgl. 2,99,6. (τῶν γὰρ Μακεδόνων εἰσὶ καὶ Λυγκησταὶ καὶ Ἐλιμιῶται καὶ ἄλλα ἔθνη ἐπάνωθεν, ἃ ξύμμαχα μέν ἐστι τούτοις καὶ ὑπήκοα, βασιλείας δ᾽ ἔχει καθ᾽ αὑτά). Vgl. Wartenberg 1998, 17; Hammond 1995, 121–122; Hornblower 1991, 374; Hammond 1989, 49–52; Zahrnt 1984, 341, 345 (eine Unterscheidung zwischen Makedonen und einem Herrschaftsgebiet Makedonia); Edson 1970, 22; Gomme 1956, 247–248. Siehe auch Xydopoulos 2007b, 13: „For Thucydides an ethnos’ political system was a fundamental criterion“. Zur Definition von ethnos siehe Xydopoulos 2007b, 2–3: eine Gemeinschaft in einem klar anerkannten, begrenzten Bereich, mit gemeinsamem Aufenthaltsort, Kult und substanziellen Nöten. Zu den Makedonen als ethnos vgl. Hatzopoulos 1996a, 321–322. 244 Vgl. Zahrnt 1984, 345. 245 Vgl. Edson 1970, 34.
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brisantes Problem war, dass die Gebiete einen Einfallskorridor für illyrische Ethnien darstellten,246 die unbequemsten der unmittelbaren Nachbarn der Temeniden. Zwar ist bei keinem der an Makedonien angrenzenden politischen Gebilde eindimensional von einer puren Feindschaft auszugehen, denn es gab mit allen Nachbargebieten Kulturkontakte und Kulturaustausch. Doch zeugen die Quellen von einer kontinuierlichen Bedrohung durch illyrische Einfälle.247 Kam es zu Allianzen zwischen obermakedonischen Dynasten und illyrischen Herrschern, bestand die Bedrohung einer Wegbereitung illyrischer Truppen ins temenidische Gebiet. Die Unterwerfung der obermakedonischen Dynastentümer war ein Dauerpunkt auf der temenidischen Agenda.248 Wie bewusst das Problem der Dualität Makedoniens wahrgenommen wurde, lässt sich vielleicht daran ablesen, dass bereits in der temenidischen Aufstiegsgeschichte, wohl unter Alexander I. initiiert und unter Perdikkas weiterverbreitet,249 eine Legitimation für die Kontrolle des Hauses über Nieder- und Obermakedoniens verankert ist.250 Die Schlüsselfrage lautet indes, wann die Temeniden jemals – vor Philipp II. – die Kontrolle über Obermakedonien erlangt hatten. Explizite Quellenaussagen fehlen. Einerseits wird vermutet, Alexander I. habe die Gebiete durch Xerxes bei dessen Aufenthalt in Makedonien 480 unterstellt bekommen.251 Alternativ wird angenommen, er habe sie nach dem Abzug der Perser erobert.252 Wann ............................................ 246 Strab. 7,4. Vgl. Greenwalt 2010a, 281–282. 247 Dies bereits für die mythische Frühzeit: Polyain. 4,1; Kallim. F 503 Pf. (= 381 Asper: zu den Mimallonen); Just. 7,2,5–12. Vgl. Carney 2015, 147; Greenwalt 2010a, 281; Amyntas III.: Diod. 14,92,3; Perdikkas III.: Diod. 16,2,4–5; Polyain. 4,10,1; Philipp II.: Diod. 16,5,4–8,1; Alexander III.: Plut. Alex. 11,3; Curt. 5,1,1. Auch gelegentliche temenidische Verbindungen nach Illyrien änderten daran wenig: Eurydike, die Mutter Philipps II., soll einer Tradition zufolge illyrische Wurzeln gehabt haben: Plut. mor. 14 B; Suda s.v. Karanos (κ 356 Adler). Zugleich stammte sie aus dem lynkestischen Haus: Vgl. Heckel 2016, Stemma II. Just. 9,7,5–7 bezeugt Verbindungen Alexanders III. nach Illyrien. 248 Vgl. Worthington 2008, 11; Loukopoulou/Psoma 2007, 145; Zahrnt 2006a, 591; Engels 2006, 20– 21; Zahrnt 2002, 57; Billows 1995, 3–4; Hatzopoulos 1996a, 463–464; Hammond 1995a, 121, 124–128; Carney 1980, 25. 249 Vgl. Vasilev 2014, 9; Sprawski 2010, 129; Patterson 2010, 171; Badian 2003, 245; Borza 1990, 80, 82–83; Wirth 1985, 19; Hammond/Griffith 1979, 3; Rosen 1978, 6; Geyer 1930, 37. Hammond/Griffith 1979, 98 zufolge habe Herodot diesen Gründungsmythos von Alexander I. selbst gehört – entweder in Griechenland oder in Eïon. Dies ist jedoch rein spekulativ. Ebenso problematisch ist die These, Herodot habe den temenidischen Hof besucht und daher von Alexander persönlich Informationen bezogen. So vertreten von Vasilev 2014, 9; Sprawski 2010, 129; Natoli 1994, 120; Hammond 1994, 133; Borza 1990, 80. Diese Annahme beruht auf einer problematischen Stelle in der Suda s.v. Hellanikos (Adler ε 739) voller Anachronismen und ist ungewiss. 250 Vgl. Kap. IV. 251 Vgl. Hammond 1989, 43–44; Hammond/Griffith 1979, 100, m. A. 2; Geyer 1930, 45–46; Abel 1847, 153–155. 252 Vgl. Zahrnt 1984, 363; Raymond 1953, 16.
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die temenidische Kontrolle wieder verloren ging, ist ebenfalls offen. Perdikkas hatte zu dem Zeitpunkt, als Thukydides ihn in seinem Geschichtswerk als persona agens einführt, über Lynkestis, Elimeia und Orestis keine Hoheit.253 Daher ist zwar aus der Gemeinsamkeit, Makedones zu sein, der Herrschaftsanspruch der Temeniden über die obermakedonischen Gebiete nachzuvollziehen,254 doch stellt sich die Frage, ob sie diesen vor Philipp II. überhaupt jemals hatten umsetzen können, wenn auch nur sporadisch oder partiell, oder ob es sich um einen rein ideologischen Anspruch handelte. Das obermakedonische Konfliktfeld beschäftigte auch Perdikkas: Er hatte Auseinandersetzungen mit Derdas von Elimeia und Arrabaios von Lynkestis, der prompt illyrische Söldner auf seine Gehaltsliste setzte.255 Perdikkas’ Versuche, die lynkestische Unabhängigkeit zu beenden, scheiterten.256 Auch über Elimeia gelang es ihm nicht. In einem Friedensvertrag zwischen Athen und Perdikkas tauchen obermakedonische Vertreter als Schwurzeugen auf und werden als basileis bezeichnet – Ausdruck ihrer politischen Eigenständigkeit trotz Zugehörigkeit zu den Makedonen.257 Zwar wurde versucht, die Gefahr durch Etablierung von personellen Netzwerken, die beide Teile Makedoniens überspannten, zu minimieren,258 doch blieb das Problem der Zweiteilung der
............................................ 253 Vgl. Hammond/Griffith 1972, 436 zu Thuk. 4,83,1. Thuk. 2,80,6 bezeugt, dass von Orestis ebenso wie von Perdikkas im Sommer 429 militärische Unterstützung für Spartas AkarnanienZug gesandt wurde. Das heißt nicht, dass es auf Perdikkas’ Geheiß geschah. Ebenso kann es eine unabhängige Entscheidung des Lokaldynasten von Orestis gewesen sein. Vgl. Zahrnt 2002, 57. Davon ist auszugehen, Die Erwähnung, dass der Lokaldynast Antiochos die Reiter schickte, ist vielmehr ein Beleg für die Eigenständigkeit der Orestis. 254 Vgl. Hammond/Griffith 1972, 439. 255 Thuk. 1,57,2–3 (Derdas); 4,79,2. 83,1–6; 4,124,1–128,1 (Arrabaios); 4,125,1 (Illyrer, von Perdikkas als eigentlichem Lohnherrn abspenstig gemacht). Vgl. Zahrnt 2002, 57; Culasso Gastaldi 2000, 73; Griffith 1935, 10. 256 Thuk. 4,124,1–128,1; IG I3 89. Die lynkestische Dynastenfamilie berief sich wie die Temeniden darauf, von Herakles abzustammen – über eine Abkunft von den Bakchiaden aus Korinth hergeleitet, die 655 durch Kypselos vertrieben worden waren: Strab. 7,7,8. Vgl. Heckel 2017, 68; Wirth 1985, 19; Habicht 1977, 513. 257 IG I3 89. Siehe auch Garvin 2016, 350–351; Psoma 2012, 75. 258 Mittel waren dabei Heiratsverbindungen oder Förderung von niedermakedonischen Gewährsleuten mit Ländereien und Verbindungen in obermakedonischen Gebieten. Vgl. Carney 2017, 141; Heckel 2017, 68–69; Wirth 1985, 18. Die höfischen factions werden auf beiden Seiten aus Vertretern beider Gebiete bestanden haben. Dies zeigt auch die Stellungnahme von Derdas von Elimeia für Perdikkas’ Bruder Philipp (Thuk. 1,57,2–3). In Pausanias, der Philipp auf athenischer Seite in Poteidaia unterstützte, vermutet der Scholiast zu Thuk. 1,61,4 einen Verwandten des Derdas. Vgl. Hornblower 1991, 105. Psoma 2014, 137 spricht von einem Cousin der Temenidenbrüder, ebenso wie Derdas. Siehe auch Heckel 2006, 190. Er vermutet für das 4. Jh. v. Chr., dass Parmenion, führender General unter Philipp II. und Alexander, Ländereien in Obermakedonien besessen habe, da er einige Truppen aus obermakedonischen Gebieten befehligte und mit Personen aus Tymphaia und Elimeia verbunden war.
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Makedonen Perdikkas’ Nachfolgern erhalten.259 Indes scheint es sich, wie Waldemar Heckel aktuell darlegt, in der Spätzeit des Temenidenreichs relativiert zu haben. So kann er in den Heeresstrukturen unter Alexander III. einen ausgeglichenen Anteil an ober- und untermakedonischen Vertretern feststellen, der sich auch auf die höfischen factions erstreckte.260 Die Politik der Netzwerketablierung, die beide Teile Makedoniens verband, führte somit doch zu einem Erfolg. Für die Zeit von Perdikkas war das Problem indes noch akut. Konkurrenz drohte den Temeniden auch vonseiten der benachbarten thrakischen Ethnien.261 Zwar handelte es sich ebenfalls um ambivalente Beziehungen, die neben kriegerischen Konflikten von Kulturaustausch und Allianzen beeinflusst waren,262 doch waren gerade die im 5. Jh. v. Chr. zur Hegemonialmacht aufgestiegenen Odrysen in der östlichen Rhodope ein Machtfaktor,263 den es auf temenidischer Seite im Auge zu behalten galt. Perdikkas erlebte wechselhafte Beziehungen mit der odrysischen Führungsspitze: Mit dem Herrscher Sitalkes war er erst verbündet, dann im Krieg. Mit dessen Nachfolger und Neffen Seuthes war er alliiert und durch Heiratspolitik verschwägert.264 Das Verhältnis zwischen Odrysen und Makedonen wurde durch ............................................ 259 Gerade die Dynasten in Lynkestis scheinen besonders vernetzt, einflussreich, ehrgeizig und schlecht einzuschränken gewesen zu sein. Noch Alexander III. musste sich am steinigen Anfang seiner Herrschaft damit abfinden, dass Alexander Lynkestes, Sohn des ehemaligen lynkestischen Lokaldynasten, eines der höchsten Kavalleriekommanden dank guter Beziehungen (zu Antipatros) zugeschanzt bekam (Arr. an. 1,25,2), obwohl er als einer der Drahtzieher der Ermordung von Alexanders Vater Philipp verdächtigt wurde: Arr. an. 1,25,1–2; Plut. mor, 327 C; Just. 11,2,2. Curt. 7,1,6 spricht sich zumindest für die Schuld von Alexander Lynkestes aus, ohne seine Brüder zu erwähnen. Zur These, Philipps Ermordung sei aus dem Konfliktpunkt der mit ihrer Unterwerfung hadernden Obermakedonen resultiert, vgl. Bosworth 1988, 25; Bosworth 1971, 102 (lynkestische Führungspersonen als Drahtzieher mit einem Mörder aus Orestis). Dagegen argumentiert aktuell Heckel 2017. 260 Vgl. Heckel 2017, 73–74. 261 Zu den verschiedenen Ethnien vgl. Graninger 2015, 23–25. 262 Vgl. Sprawski 2009, 3–4; Greenwalt 2015a, 343; Archibald 2010, 340 (Konflikte und zugleich soziale Gemeinsamkeiten, vgl. Archibald 2000, 212–213); Wirth 1985, 19; Cole 1975, 44; Edson 1970, 22. Orpheus soll bei Dion gelebt haben: Strab. 7,18. Zu Ähnlichkeiten in den politischen Strukturen vgl. Greenwalt 2015a, 337–340. 263 Thuk. 2,97,1–3. Vgl. Zahrnt 2015, 40; Miron 2014; Vasilev 2012; Archibald 1998, 93–95; Hammond/Griffith 1979, 115; Cole 1974, 58–59 264 Thuk. 2,95,1–2. 100,3. 101,5–6. Vgl. Carney 2017, 140. Zur weiteren Entwicklung der Kriege im 4. Jh. v. Chr.: Diod. 16,2,5–6 (Siege Philipps II. zwischen 358–341). Vgl. auch Xydopoulos 2010. Unter Alexander III. und Lysimachos (in seiner Satrapenzeit) kam es jeweils wieder zu Unruhen. Sein Gegenspieler war Seuthes III. vgl. Heckel 2006, 248. Nachdem es Lysimachos 323 nicht gelungen war, ihn zu bezwingen (Diod. 18,14,2–4; Paus. 1,9,6), glückte es ihm später (Diod. 19,73,8). Lund 1992, 29 spekuliert, dass ein Bündnis mit Seuthes III. besiegelt worden sei, indem Lysimachos in das Odrysenhaus 312 eingeheiratet habe. Mørkholm 1991, 83 stellt fest, dass Seuthes’ Münzen überprägt worden seien, vor allem von Bronzeprägungen Kassanders. Zu seinen Prägungen vgl. Gaebler 1935, 176–177. Dieser war der engste Verbündete von Lysimachos (Diod. 20,106,2–3; Just. 15, 2,12. Vgl. Heckel 2006, 81; Landucci Gattinoni 2003a, 64; Lund 1992, 55–57, 66–70) und soll ihm, als er noch keine eigene Münzprägestätte hatte (erst mit Ly-
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Athens Ansprüche in der thrakisch-chalkidischen Region verkompliziert. Die Athener versuchten, die thrakische und makedonische Seite gegeneinander auszuspielen, um beide zu schwächen.265 Perdikkas bekam die volle Wucht dieser Problematik zu spüren. Ein zentraler athenischer Interessenspunkt war der Zugriff auf die reichen Naturalressourcen (Edelmetall und Holz) im Strymongebiet. Das makedonische Holz galt aufgrund seiner Festigkeit als das beste Material für Schiffe und Ruder,266 das Athen für seine Flotte nötig hatte.267 Eigentümer und zugleich Geschäftsführer des Holzexports war der Temenidenherrscher.268 In punkto Organisation wird von einem kontrollierten Leasing-System ausgegangen, bei dem er entschied, wieviel und an wen exportiert wurde,269 dabei allerdings von den politischen Erfordernissen beeinflusst war. Leider verhindert der Quellenmangel Einblicke darin, wie die Bäume gezüchtet wurden. Auch über das Fällen und den Transport ist kaum etwas zu erfahren.270 Der Temenidenherrscher konnte auch im Sinne allianzförderlicher Distributionspolitik Schiffsbauholz verbilligt exportieren oder sogar verschenken.271 Zu den Verkaufserträgen sind zudem die Transitsteuern und Hafenzölle beim Export zu rechnen, die, zumindest in der späteren Temenidenzeit, verpachtet wurden.272 Ein athenisches Ehrendekret von 407/6 für Perdikkas’ Sohn Archelaos belegt, dass auch fertige, in Makedonien hergestellte Schiffe in den Piräus exportiert wur........................................................................................................................................................................... simacheia), seine eigenen in Pella und Amphipolis zur Verfügung gestellt haben, vgl. Psoma 2009c, 14–15; Thompson 1968, 164–165. Das Prägematerial musste Lysimachos sicherlich aber herbeibringen oder bezahlen (vgl. Müller 2017a, 125; pace Thompson 1968, 164, die ein Geschenk in Freundschaft annimmt). Zu den griechischen Legenden auf Münzen thrakischer Herrscher vgl. Aich 2006, 145–146: „Garantiemarken“ für den Handel. 265 Thuk. 1,100,3; 4,102,3. 108,1; Diod. 12,32,3. 68,2; Polyain. 6,53. Vgl. Kallet-Marx 1993, 111, 124. 266 Theophr. Hist. Plant. 4,5,5; 5,1,6; 5,2,1. Vgl. Thommen 2009, 42–43; Bissa 2009, 114, 124; McNeill 1992, 73; Borza 1990, 55; Borza 1987, 32; Cole 1978, 42; Hauben 1975, 52; Geyer 1930, 93. Siehe auch Michell 1940, 281–282. 267 Hdt. 5,23; Thuk. 4,108,1; Xen. Hell. 6,1,11; IG I3 90; IG I3 117. Siehe auch Theophr. Char. 23,4 (spöttisch). 268 IG I3 89; IG I3 117; Andok. 2,11. Vgl. Kremydi 2011, 160–161; Millett 2010, 484; King 2010, 379; Bissa 2009, 37, 114; Heinrichs/Müller 2008, 288, A. 32; Loukopoulou/Psoma 2007, 144–145; Aich 2006, 157; Blösel 2004, 128, A. 118; Billows 1995, 7; Chambers 1993, 326; Hammond 1989, 179; Borza 1987, 39, 51; Cole 1978, 42; Wallace 1970, 200, A. 13. Darauf verweist selbst für die Antigonidenzeit noch die Evidenz: Liv. 45,29,14 berichtet, dass nach der Niederlage unter Perseus der siegreiche römische Feldherr Aemilius Paullus den Makedonen verbot, Holz für Schiffe selbst zu schlagen oder andere Bäume fällen zu lassen. 269 Vgl. Millett 2010, 484; Bissa 2009, 114; Aich 2006, 157; Borza 1987, 40, 44, A. 424. 270 Vgl. Borza 1987, 36. 271 Andok. 2,10–16; Dem. 19,114. 145. 265. 272 Vgl. Aich 2006, 157; MacDonald 1981, 143. Bezeugt für die Zeit von Amyntas’ III.: Syll.3 135; für Perdikkas III.: [Aristot.] Oik. 1350 A (Verpachtung).
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den.273 Blackman wirft die Frage auf, ob dies nicht ohnehin das normale Procedere, zumindest in Kriegszeiten, gewesen sei, und verweist auf der Basis von archäologischen Funden zudem auf die Möglichkeit, dass (neben Rudern) auch gleich Anker mitgeliefert wurden,274 sozusagen ein Komplettpaket. Psoma nimmt an, dass schon Perdikkas ganze Schiffe bauen und exportieren ließ.275 Auf die Erträge aus den Edelmetallminen hatten ebenfalls die Temenidenherrscher Anspruch.276 Die Bergwerke wurden wohl direkt ausgebeutet.277 Kremydi erwägt aber auch eine zeitweilige Verpachtung von Schürfrechten.278 Es ist schwer einzuschätzen, auf welche Edelmetallminen und zu welchen Zeitpunkten die Temeniden Zugang hatten.279 Alexander I. hatte zeitweilig, nach aktueller Schätzung ab 477/6, Zugriff auf die bisaltischen Silbervorkommen.280 Er musste sie aber wohl erst zum Florieren bringen und wird die von Herodot erwähnte hohe Ertragssumme von einem Talent pro Tag nicht bis zum Ende seiner Regierung erwirtschaftet haben:281 Numismatische Forschungen zeigen, dass seine Silberprägungen spärlicher wurden, eventuell, weil die Minen erschöpft waren, und er und Perdikkas sogar gezwungen waren, das ............................................ 273 IG I3 117. Vgl. Fragoulaki 2013, 245; Hatzopoulos 2011, 59; Roisman 2010a, 155; Engen 2010, 50–56, 321; Greenwalt 1999, 175; Borza 1990, 163; Wirth 1985, 22; Hammond/Griffith 1979, 139; Geyer 1930, 93. 274 Vgl. Blackman 1990, 47–48. Er argumentiert, dass es im Piräus keine archäologischen Hinweise auf Vorrichtungen zum Schiffsbau gebe. Deswegen sei er skeptisch gegenüber der vorherrschenden These, es sei nur Rohmaterial nach Athen für den dortigen Bau geliefert worden (so Meiggs 1982, 228). Zudem seien Anker athenischer Trieren gefunden worden, die aus einem dunklen Stein bestanden, der nicht in Attika, sondern eher in Thessalien und auf der Chalkidike zu finden gewesen sei. Daraus schließt Blackman, dass die Anker zusammen mit den Schiffen nahe der Stelle des Holzschlags, in Makedonien, hergestellt worden seien. 275 Vgl. Psoma 2015a, 8–9. 276 Vgl. Kremydi 2011, 160–161; King 2010, 379; Faraguna 1998, 375–378; Billows 1995, 7; Hammond 1989, 179; Borza 1990, 54–55; Borza 1987, 39; Hampl 1934, 64. 277 Vgl. Bissa 2009, 37–38. 278 Vgl. Kremydi 2011, 161. 279 An Möglichkeiten nennen die Quellen: Hdt. 5,17,2 (Minen am Prasiassee und am Dysoron – nicht gesichert lokalisiert, vgl. Zahrnt 2002, 52); Strab. 7,34 (Goldgruben bei Krenides, die jedoch erst Philipp II. kontrollierte: Diod. 16,8,6–7). Vgl. Bissa 2009, 33–35; Billows 1995, 7; Borza 1982b, 8–12. Bezüglich der Edelmetallvorkommen in Zentralmakedonien wird davon ausgegangen, dass sie in der Antike wenig bis gar nicht ausgebeutet wurden. Vgl. Bissa 2009, 33; Borza 1990, 53. Philipp II. war der erste Temenide, der Goldmünzen prägte, vgl. SNG ANS 8 Macedonia II, 122–337; Nicolet-Pierre 2002, 192; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. X-XI, 252–260; LeRider 1996, 261; Kraay 1976, 145; Gaebler 1935, 162–164, Nr. 1–17. LeRider 1996, 261–265 geht von einem Beginn der Goldprägungen ab ca. Mitte der 340er Jahre aus. Siehe auch Aich 2006, 506. Vgl. zur Inbesitznahme der Minen und zum herrschaftlichen Eigentum an den Erträgen: Faraguna 1998, 375–378. 280 Vgl. Heinrichs 2017, 79, A. 1. Der Hinweis Herodots (8,116), der im Kontext des Perserkriegs noch einen bisaltischen Herrscher erwähnt, könnte auch für diese spätere Datierung sprechen. Siehe auch schon Zahrnt 1984, 362 (zusammen mit den Krestonen); Kaerst 1893, 1411. Contra Vasilev 2011b, 21, der die Eroberung der Bisaltia durch Alexander sehr spät, nach 460, setzt. 281 Hdt. 5,17.
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Gewicht ihrer Silbermünzen zu reduzieren.282 Perdikkas ging der Zugriff auf die bisaltischen Minen vermutlich ganz verloren.283 Teilweise wird dies allerdings schon für Alexander I. angenommen.284 Von der Vorstellung eines reichen, in Edelmetall schwimmenden Temenidenreichs ist daher Abstand zu nehmen.285 Auch der temenidische Handel mit Flottenbauholz berechtigt nicht zu einer solchen Annahme. Es spricht für sich, dass die Temeniden trotz der nötigen Ressourcen und (spätestens seit Archelaos, eventuell schon früher) Werftanlagen286 wohl ein paar (Handels-)Schiffe hatten, aber – bis zu Philipp II., der eine kleine Flotte begründete –287 keine eigene Kriegsflotte.288 Dies war sicherlich von den politischen Umständen, welche für die Probleme mit dem Zugang zum Meer sorgten,289 und den finanziellen Bedingungen diktiert. Makedonien konnte sich mit seinen wirtschaftlichen Erzeugnissen selbst versorgen, war aber kein reiches Land.290 Es oblag den Fähigkeiten des Herrschers ............................................ 282 Vgl. Heinrichs 2012, 129, 132; Psoma 1999a. Siehe zu Perdikkas auch Hammond/Griffith 1979, 119; Kraay 1976, 144. Contra Mari 2014b, 86. Für den makedonischen Bereich war das offenbar kein Problem, der Umlauf ging weiter. Dagegen wurden für die chalkidischen Städte Münzen mit höherem Gewicht geprägt, wenn auch im gleichen Nominal-Wert. Ähnlich verfuhr später Amyntas III., der für Makedonien Silbermünzen mit reduziertem Gewicht prägte. Vgl. Heinrichs 2012, 124. Zu Perdikkas’ Prägungen generell vgl. Heinrichs 2012, 129, 132; SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 2–3, 37–63; Nicolet-Pierre 2002, 190; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. IV-VI, 82–134; Psoma 1999a; Kraay 1976, 143–144; Raymond 1953, 136–147; Gaebler 1935, 153–155. Teilweise wird Polyain. 4,10,2 auf Perdikkas bezogen, vgl. Raymond 1953, 154, A. 16 (obwohl von ihm keine Bronzemünzen bekannt sind). Polyainos schreibt, Perdikkas sei im Krieg gegen Chalkis (gedeutet dann als im Kontext der Unterstützung der chalkidischen Abfallbewegungen gegen Athen) knapp an Geld gewesen und habe subaerate Bronzemünzen als Sold geprägt und die Soldaten hätten es akzeptiert, weil es temenidische Prägungen gewesen seien. Als alternativer Prägeherr gilt Perdikkas III. 283 Vgl. Kremydi 2011, 163; Zahrnt 2009, 8–9; Psoma 2009a, 270; Borza 1990, 140. Dagegen wird teilweise auch angenommen, dass Perdikkas die Bisaltia noch besaß, vgl. Vasilev 2011b, 21–22; Tačeva 1993, 1441–1443; Tačeva 1992, 69–74; Hammond/Griffith 1979, 115, 119–120, 122, 138 (eine Rückeroberung; Besitz von 445/4–435/4); Raymond 1953, 150. Es lässt sich aber nicht nachweisen, wie Perdikkas’ Besitzstand bezüglich der Bisaltia war. 284 Vgl. Psoma 2013a; Liampi 2005, 76–77; Hammond/Griffith 1979, 114–115 (er habe sie nach 460 an die Edoner verloren, aber in den 450ern zurückerobert). 285 Ebenso schon: Griffith 1935, 8. 286 Vgl. Greenwalt 1999; Hammond 1989, 32–35. 287 Dem. 4,22. 28–29 (Beleg für 351); 6,12. 36 (Beleg für 344); 7,16. Vgl. Worthington 2013b; Greenwalt 1999, 173; Hammond 1989; Wirth 1985, 51; Hauben 1976, 79; Hauben 1975, 52 (er datiert den Aufbau der Flotte auf 359). 288 Die These von Papastavrou 1959–60, 213–215, m. A. 2 (vgl. Papastavrou 1965, 18), wonach schon Perdikkas eine Kriegsflotte gehabt hätte, lässt sich nicht verifizieren. Hauben 1975, 52–53, A. 7 argumentiert zu Recht dagegen, indem er als Beleg den Umstand hervorhebt, dass Archelaos bei seiner Belagerung von Pydna Unterstützung durch eine athenische Flotte unter Theramenes brauchte (Diod. 13,49,1). Von eigenen makedonischen Schiffen erwähnt Diodor nichts. 289 Vgl. Hauben 1975, 51, m. A. 4. 290 Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 288; Greenwalt 1999, 173; Hammond/Griffith 1979, 99; Billows 1995, 5–7; Borza 1990, 49–53; Wirth 1985, 16; Borza 1982b. Pace Archibald 2000, 212. Es gab Acker- und Weideland mit Ziegen, Schafen und Pferden; produziert wurden Wolle, Leder, Ge-
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und seiner Führungskreise, aus diesen limitierten Mitteln das Optimum herauszuholen, somit mit einem mäßigen Blatt möglichst gut zu spielen. Im Gegensatz zu den Spannungen in den Beziehungen mit illyrischen und thrakischen Ethnien scheint es mit dem Nachbarn Epeiros weniger Probleme gegeben zu haben.291 Allerdings lassen sich direkte Kontakte auch erst für das 4. Jh. v. Chr. fassen. Für Perdikkas’ Zeit herrscht Ungewissheit, obwohl diplomatischer Verkehr anzunehmen ist.292 Eventuell gibt es einen indirekten Hinweis auf Verbindungen seines Nachfolgers Archelaos nach Epeiros: So ließ Euripides, der für Archelaos mit der Tragödie Archelaos eine Revision der temenidischen Gründungsgeschichte schrieb, darin den Urahn der Dynastie, Temenos, das Orakel von Dodona in Epeiros konsultieren.293 Kulturelle Gleichklänge lassen sich auch durch onomastische Studien feststellen: Miltiades Hatzopoulos verweist darauf, dass die meisten in Makedonien landesüblichen Namen, wie sie bei den makedonischen Schwurzeugen im Friedensvertrag zwischen Athen und Perdikkas aufscheinen, auch in Epeiros beliebt gewesen seien – ebenso wie in Thessalien.294 Die beste nachbarschaftliche Beziehung scheint ohnehin traditionell nach Thessalien bestanden zu haben. Schon die früheste fassbare mythische Geschichte über Makedonien aus dem 7. oder 6. Jh. v. Chr. verweist auf die Verwandtschaft zwischen Makedonen und Thessalern, deren Gebiete von einem Brüderpaar, den Zeussöhnen Makedon und Magnes (Namensgeber für Magnesia) besiedelt worden seien.295 Politisch finden sich Temeniden und führen........................................................................................................................................................................... treide, Wein, Früchte, Gemüse und Oliven. Seen lieferten Fische und Salz. Vgl. Millett 2010, 482, der auch noch Zinn als Ressource nennt. 291 Vgl. Hatzopoulos 1996a, 479, 496, der viele Gemeinsamkeiten zwischen Makedonen und Epeiroten konstatiert. Siehe auch Hammond 1989, 38–39. Von den epeirotischen Ethnien errangen die Molosser die Hegemonialstellung: Strab. 7,5. Meyer 2013 argumentiert gegen die traditionelle Meinung (vertreten etwa von Beck 1997, 135–144), es habe föderale Organisation in Molossien oder Epeiros gegeben: Dies habe es nicht gegeben, solange die Aiakiden (bis 232) geherrscht hätten. Vielmehr hätten Allianzbindungen an die herrschende Dynastie bestanden, die sich auf Achilles (über dessen Sohn Neoptolemos) zurückführten. Zu den Aiaikiden siehe Funke 2000. 292 Die Meldung bei Thuk. 4,80,6–7, dass sowohl Perdikkas als auch die Molosser Truppen für Sparta 429 sandten, ist zwar kein sicherer Beleg für eine gezielte Kooperation, da auch die von den Temeniden unabhängige Orestis Hilfe schickte, könnte aber durchaus auf enge Kontakte und eine Übereinkunft verweisen. 293 Hyg. Fab. 219. Vgl. Duncan 2011, 79. 294 Vgl. Hatzopoulos 2000, 112–113. Siehe auch Masson 1998, 120. 295 (Ps.)-Hes. Catal. Fr. 7,3. Vgl. Ziogas 2013, 39; Engels 2010, 90; Sprawski 2010, 130–131; Patterson 2010, 170; Zahrnt 2002, 49–50; Welwei 2000, 314; Hammond 1995a, 123; Hammond 1989, 3, 7, 12–13, 37–38. Zu kulturellen Gemeinsamkeiten vgl. Hatzopoulos 1996a, 479–496. Auch die Verhältnisse waren ähnlich: Makedonien und Thessalien stützten sich auf Landwirtschaft, Viehund Pferdezucht. Vgl. Aston 2012b, 248; Archibald 2000, 212–213; Morrison 1942, 62; Westlake 1935, 2–7, 21. Zu weiteren strukturellen und sozialen Gemeinsamkeiten vgl. Archibald 2000; Martin 1985, 64–65. Die thessalische Reiterei war berühmt und zählte zu den Eliteeinheiten der
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de thessalische factions im 5. Jh. v. Chr. auffallend häufig im Gleichklang: ob bei einem Hilfsangebot an den gestürzten athenischen Tyrannen Hippias,296 der Unterstützung für Xerxes’ Hellaszug oder der Haltung, den geschlagenen persischen Truppen unbeschadeten Rückzug durch ihre Gebiete zu gewähren.297 Bei der Unterstützung für Persien waren die Aleuaden die treibende Kraft, die einflussreichste Familie aus Larisa, neben Pherai und Pharsalos die führende Stadt Thessaliens.298 Zu den Aleuaden pflegten die Temeniden offenbar besonders enge Verbindungen,299 eine dauerhafte xenia.300 Marta Sordi spricht sogar von „la dinastia ‚sorella‘ di Macedonia“.301 Die Aleuaden förderten teilweise dieselben griechischen Künstler wie die Temeniden (Pindar oder Bakchylides), und leiteten ihre Genealogie auch auf Herakles zurück – wenngleich das Datum dieser Ableitung umstritten ist.302 Kulturelle Kontakte und Bündnisse spiegelten sich oftmals in der Adaption von Münzbildsymbolen des Alliierten wider. So übernahm Alexander I. für eine seiner Münzserien ein ........................................................................................................................................................................... griechisch-makedonischen Welt des 5. und 4. Jhs. v. Chr., vgl. Helly 1995, 193–278; Westlake 1935, 4. Zur Fruchtbarkeit Thessaliens vgl. Morgan 2003, 18–23; Blum et al. 1992, 163. Ein Streitpunkt ist, inwieweit der Titel des tagos, wie ihn der Tyrann Jason von Pherai als Oberhaupt des Thessalischen Bunds trug (Diod. 15,60,2; Xen. Hell. 6,1,8; vgl. Beck 1997, 404), makedonischen Ursprungs ist. Basierend auf einer Glosse bei Hesychios (ταγόναγα. Μακεδονική τις ἀρχή) wird dies etwa von Kalléris 1954, 266–268 angenommen: Es handle sich um eine makedonische Magistratur. Der Titel tagos ist in zwei makedonischen Inschriften (eine aus Beroia, die andere aus Mieza) erwähnt, doch stammen sie aus nach-temenidischer Zeit. Helly 1995, 26–27 argumentiert für eine spätere lokale Entwicklung des Titels in den Thessalien nahe gelegenen Gebieten. Zur Problematik des Titels tagos für Thessalien siehe auch Sprawski 2013c; Niebergall 2004, 13, A. 10; Morgan 2003, 130; Archibald 2000, 231; Martin 1985, 74–81. Pace Westlake 1935, 26, 30. 296 Hdt. 5,94. 297 Hdt. 7,6,2. 172,1. 130,3; 9,1. 58. 89,4; Paus. 7,10,2. Vgl. Helly 1995, 114–116; Westlake 1935, 30–31. 298 Vgl. Sprawski 2013; Roisman 2010a, 155; Graninger 2010, 308; Zahrnt 2009, 9; Sprawski 2005, 31–37; Decourt et al. 2004, 695–697; Blösel 2004, 123, m. A. 99; Morgan 2003, 22, 87; Sordi 2002, 452–453; Archibald 2000, 230; Beck 1997, 119–134; Sordi 1996, 37; Helly 1995, 112–118; Moustaka 1983, 70; Sordi 1958, 127, 132; Morrison 1942, 61–62; Westlake 1935, 8; Herrmann 1925, 6. 299 Hdt. 5,63; Thuk. 1,111,1. Vgl. Sprawski 2013; Graninger 2010, 309–319; Sprawski 2005, 31–36; Sordi 2002, 452; Beck 1997, 123; Sordi 1996; Sealey 1993, 78; Wirth 1985, 31. 300 Siehe Thuk. 4,132,2 allgemein zu thessalischen Gastfreundschaften von Perdikkas. Vgl. Aston 2012a, 43; Aston 2012b, 256; Graninger 2010, 310. 301 Sordi 1996, 37. 302 Pind. Pyth. 10,1–8. Vgl. Sprawski 2013; Aston 2012a, 57–58; Aston 2012b, 248; Morgan 2003, 23, 86; Sordi 1996, 37–38; Helly 1995, 112–113; Westlake 1935, 41. Zur Unklarheit über die Datierung dieser genealogischen Ableitung: Sprawski 2009, 2. Er vermutet sogar, dass sie erst ins 4. Jh. v. Chr. fallen könnte (in die Zeit Alexanders III.). Betrachtet man aber die Münzprägung von Larisa, könnte es früher im 4. Jh. v. Chr. (1. Hälfte) geschehen sein, denn in der Zeit taucht der Zeusadler auf dem Blitzbündel, ebenso wie bei den Temeniden, auf. Zur Herakles-Verehrung in Thessalien vgl. Moustaka 1983, 66–67, zudem zum Münzbild des Löwens mit einem zerbrochenen Speer, wie er auch auf teminidischen Münzen erscheint (etwa bei Perdikkas III.). Vgl. Heinrichs 2012; SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 5, 115–121; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. X, 240–250; Westermark 1989, 314; Gaebler 1935, 161, Nr. 2.
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Motiv der Prägungen Larisas: das Haupt des lokalen Heros Jason mit Hut.303 In der Zeit von Alexanders Enkel Archelaos finden sich thessalische Prägungen aus Larisa und temenidische Münzen im Gleichklang: Sie zeigen auf dem Revers einen Adler mit einem Blitzbündel.304 Gerade für Perdikkas spielten die guten Verbindungen nach Thessalien – wohl nicht nur zu den Aleuaden, sondern auch zu anderen factions in Larisa oder den Skopaden in Krannon –305 in der Zeit der Auseinandersetzungen im Kontext des Peloponnesischen Kriegs eine elementare Rolle: „an enormous and complicated web of such friendships and guest-friendships“.306 Thukydides zufolge war Perdikkas stets und überall in Thessalien mit führenden Leuten gut vernetzt.307 Hornblower geht davon aus, dass der Historiograph diesbezüglich verlässliche Informanten, eventuell Thessaler, hatte.308 Auf seine thessalischen Kontakte konnte Perdikkas sich anscheinend wirklich verlassen – ein ungewöhnlich stabiles Bündnisnetz in einer bewegten Zeit. Entsprechend sind für ihn und Archelaos Thessaler als philoi oder Mitglieder des Hofs bezeugt.309 Besonders eng scheint Perdikkas’ Verbindung mit seinem philos Nikonidas von Larisa gewesen zu sein, sicherlich ein Aleuade.310 Nikonidas ist eine der Ausnahmen, der von Perdikkas’ politischen Unterstützern überhaupt – und auch noch namentlich – genannt wird. Üblicherweise sind sie ins Dunkel getaucht. Morrison geht davon aus, dass Perdikkas’ Tod der Position der Aleuaden in Larisa geschadet habe.311 ............................................ 303 Vgl. Heinrichs 2017, 87–88; Moustaka 1983, 69 (zu Jason), 75 (zum Hut); Herrmann 1925, 9. Siehe auch Decourt et al. 2004, 697; Babelon 1907, 1011–1012, 1016. Zur thessalischen Münzprägung generell vgl. Martin 1985, 34–39. 304 SNG Cop. 505; SNG Alpha Bank 153. Zu Larisas Münzen vgl. Lorber 2008, 120; Kraay 1976, 115. Auf dem Avers erscheint das frontale Porträt des Aleuas, dem mythischen Urahn der Familie. Zu Aleuas siehe Morgan 2003, 21, 130; Archibald 2000, 230; Sordi 1996, 38; Helly 1995, 95– 96, 175–199; Westlake 1935, 27. Aston 2012a, 55 argumentiert, dass die legendäre Gestalt des Aleuas erst im 4. Jh. v. Chr. ausgestaltet, wenn nicht sogar erfunden worden sei. 305 Vgl. Morrison 1942, 63. Auch in den Städten selbst gab es divergierende factions. Zu Krannon und den Skopaden vgl. Decourt et al. 2004, 694–695. 306 Hornblower 1996, 186–187. Zu Perdikkas’ thessalischen Beziehungen: Thuk. 4,78,2–79,1. 83,5. 132,2. 307 Thuk. 4,132,2. Zu Pherai gibt es allerdings in der Zeit von Perdikkas keine direkten Belege. 308 Vgl. Hornblower 1996, 257–258. Er verweist auf die Authentizität der thessalischen Namen bei Thukydides. Vgl. Hornblower 2000, 136–137. 309 Perdikkas II.: Thuk. 1,62,2; 4,78,2 (Nikonidas); Archelaos: Aristot. Pol. 1311B (Hellanokrates, allerdings in einer problematischen Passage). 310 Thuk. 4,78,2. Siehe Morrison 1942, 63. Vgl. Hornblower 2000, 136–137: Nikonidas sei ein typisch thessalischer Name. 311 Vgl. Morrison 1942, 74. Er rekonstruiert, dass Hellanokrates, der ansonsten unbekannte Thessaler, der als einer von Archelaos’ Mördern gilt, Aleuade, ein Sohn von Nikonidas, gewesen sei. Nach Perdikkas’ Tod sei er mit anderen Vertretern einer pro-temenidischen Haltung in ausbrechenden Unruhen aus Larisa vertrieben worden und habe Zuflucht am makedonischen Hof gesucht. Er habe Archelaos umbringen wollen, nachdem dieser sein Versprechen nicht eingehalten
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Als Temenidenherrscher über „a complex web of social groups, cities, and other settlements“312 hatte Perdikkas eine Stellung als primus inter pares inne.313 Seine Position war prekär und in seinen Handlungsräumen vom Einfluss der führenden makedonischen Familien, miteinander verbunden in ihren Netzwerken, den factions, limitiert. Sie achteten streng darauf, dass es bei „flachen Hierarchien“ blieb.314 Es war in ihrem Interesse, dass kein Herrscher ein Übergewicht an Einfluss durch zu großen Machtzugewinn bekam, der ihm eine Position mit autokratischen Tendenzen erlaubt hätte. Genau dies geschah in Ansätzen unter Philipp II. und in voller Ausprägung unter Alexander III., der entsprechende Konflikte mit der alarmierten, gereizten makedonischen Oberschicht bekam.315 Der Herrschaftsanspruch von Perdikkas’ Familie leitete sich wie erwähnt, wie häufig bei der Entstehung monarchischer Reichsgebilde, aus der Anführungsposition bei der initialen Landnahme ab.316 Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, dass primärer temenidischer Legitimationsfaktor der militärische Erfolg war. Kriegsglück brachte Beute in verschiedener Form (Land, Weiden, Äcker, Städte, Nutztiere, Schmuck, Prachtgeschirr, Edelmetall, Waffen, Pferde, wertvolle Textilien), die Distributionspolitik an die Gefolgsleute ermöglichte, die genau dies als Gegenleistung für ihre Loyalität erwarteten.317 Daher baute der Temenidenherrscher seine Autorität auf Kriegserfolgen auf, die er beständig erringen musste, um sich die Akzeptanz durch die Möglichkeit der Vergabe von Posten, Ämtern, Kommanden, Land, Geld und anderen erstrebenswerten Belohnungen zu erhalten.318 Ein makedonischer Herrscher benötigte folglich Feldherrnqualitäten und Durchsetzungsvermögen. Ihm musste die Verteidigung, Sicherung und Erweiterung des Lands inklusive ........................................................................................................................................................................... habe, ihn wieder nach Larisa in eine Führungsposition zurückzuführen (Morrison 1942, 70, 75). Dies ist jedoch spekulativ. 312 Archibald 2000, 214. Die Kenntnis der makedonischen Administration unter den Temeniden wird durch den Quellenmangel erschwert. Zur regionalen administrativen Durchdringung siehe Archibald 2000, 231–232; Hatzopoulos 1996a, 219–220, 427–429, 477–496. 313 Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 289–291; Heckel 2008, 101; Hatzopoulos 1996a, 267, 334; Hoffman 1975a, 363. 314 Vgl. Greenwalt 2015a, 337–338; Anson 1985, 315–316; Geyer 1930, 91. 315 Vgl. Müller 2016a, 282–306; Heckel 2006, 12–16.; Wirth 1993, 253–376. 316 Vgl. Borza 1999, 14. Welwei 2000, 317, 320 spricht von einer „Herrschaft, die aus der Aktion heraus entstanden“ war. 317 Vgl. Faraguna 1998, 364, 365, 367 der drei Hauptfaktoren des temenidischen Loyalitätserhalts aufzählt: „ἑταῖροι, conquista militare, assegnazione di δωρεαί“ und die Verbindung zwischen „monarchia, guerra e ricchezza“ aufzeigt. Zum Wert von Weideland und Vieh in der Antike siehe Howe 2014; Howe 2008, 99–121. 318 Vgl. Greenwalt 2015a, 337: „legitimized by religion, military prowess and gifts“; Chaniotis 2005, 58; Austin 2000, 132; Mehl 2000, 32; Faraguna 1998, 367; Gruen 1985, 256.
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der Option auf materiellen Gewinn zugetraut werden. Eine militärische Ausbildung von Kindesbeinen an und frühzeitige Bewährung waren daher elementare Faktoren einer temenidischen paideia. Die primus inter pares-Position drückte sich insofern aus, als der Temenidenherrscher der oberste Feldherr, der oberste politische Entscheidungsfaktor, der Erste an den Quellen der loyalitätsstiftenden Distributionsgütern und derjenige mit dem meisten Eigentum in seiner vielfältigen Ausprägung war.319 Er war im Delegieren, Kommandieren und Schenken die oberste Hand – allerdings in enger, ihn oftmals limitierender Abstimmung mit den pares. Ein Friedensvertrag zwischen Perdikkas und Athen zeigt anhand einer (fragmentarischen) Liste von über 80 makedonischen Schwurzeugen,320 dass solche Verträge nicht seine Sache allein waren, sondern Angelegenheit „der Makedonen“, einer Auswahl aus führenden Repräsentanten der makedonischen Öffentlichkeit: Περδίκ]κο καὶ το͂ν ἄλλον Μακεδόνον̣.321 Der primus inter pares-Stellung entsprechend bezeichnete sich Perdikkas nicht als basileus.322 In Dokumenten und Münzlegenden taucht nur sein Name auf, bei Urkunden teilweise mit Patronym.323 Auch wenn in zeitgenössischer griechischer Literatur wie bei Herodot und Thukydides auf den Temenidenherrscher bezogen mitunter von basileus oder tyrannos die Rede ist oder spätere griechisch-römische Autoren, welche die hellenistischen Könige im Hinterkopf hatten, universell von basileus sprechen,324 war dies nicht die temenidische Eigenbezeichnung.325 ............................................ 319 Vgl. Griffith 1935, 8. Für die späten Temeniden sind auch die Funktionen des obersten Richters und obersten Priesters bezeugt, die sicherlich nicht erst in dieser Zeit aufkamen, sondern traditionell dem Herrscher oblagen. Vgl. Landucci Gattinoni 2003b, 201–202. Priesterfunktion: Curt. 10,7,2; Plut. mor. 179 E; Athen. 14,659 F. Vgl. Tsigarida 2002, 184; Hammond 1989, 22–23; Berve 1926, 385. Richterfunktion: Plut. mor. 178 F; Curt. 10,1,39–41; Plut. Alex. 42,2; Plut. mor. 178 F-179 C; Dem. 42,2–3. Vgl. Greenwalt 2015a, 347; Wirth 1985, 16; Anson 1985, 304. 320 IG I3 89, Z. 46. Vgl. Hatzopoulos 1996a, 329; Masson 1998, 115. 321 IG I3 89, Z. 26. Vgl. Hatzopoulos 1996a, 296, m. A. 2. Siehe auch Garvin 2016, 350–351. 322 Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 289–291; Hampl 1934, 57. 323 Vgl. Greenwalt 2015a, 338; Psoma 2012, 73, A. 2; Rhodes 2010, 36–37; Borza 1999, 12–14; Carney 1995; Bosworth 1993, 420–421; Wirth 1985, 16; Errington 1974; Hampl 1934, 64. Zu den Münzen: Nicolet-Pierre 2002, 189. Noch die attischen Redner nannten Philipp nur beim Vornamen. Pace Kalléris 1954, 116–118. 324 Hdt. 8,137,1 (tyrannos); Thuk. 1,57,2; 2,100,2 (basileus); 1,99,3 (basileuein). Vgl. Mitchell 2012, 1–3, m. A. 3: Gemeinsam sei den so bezeichneten politischen Akteuren, dass sie ihre Herrschaftsansprüche mit erblicher, kultischer oder militärischer Herausgehobenheit oder einer Kombination dieser Faktoren rechtfertigten. Siehe auch Martin 1985, 74–75. 325 Vgl. Troxell 1997, 97: Die Bezeichnung als basileus sei erst postum in der Diadochenzeit auf Münzen gesetzt worden; Hammond 1989, 69–70. Noch für Philipp II. und Alexander III. ist umstritten, ob sie den Königstitel für sich in Anspruch nahmen. Für Alexanders Spätzeit nehmen es an: Olbrycht 2015, 181; Price 1997, 174; Hampl 1934, 64. Siehe auch Psoma 2012, 73, A. 2. Schon ab Philipp II.: siehe Landucci Gattinoni 2003b, 210–224. Allerdings ist schwierig zu un-
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Eine fest gelegte Nachfolgeregelung wie die Primogenitur gab es im Temenidenreich offenbar nicht,326 auch wenn idealiter ein Sohn des vorangegangenen Herrschers nachfolgte.327 Unabdingbar war die Zugehörigkeit zum Temenidenhaus. Daneben entschieden Faktoren wie die Förderung durch den Amtsvorgänger, eigene Qualifikationen, reichs- und überreichsweite Netzwerke, matrilineares Prestige und Rückhalt in den Führungsschichten über seine Chancen.328 Für Perdikkas ist nicht zu erfahren, ob sein Vater ihm eine frühzeitige Förderung zukommen ließ, die ihn heraushob, etwa durch eine besondere Erziehung oder die Möglichkeit, sich durch Weihungen, administrative, diplomatische oder militärische Aktivitäten zu profilieren.329 Wer zum Zeitpunkt der Vakanz den meisten Rückhalt der maßgeblichen factions hinter sich hatte, konnte seine Nachfolge durchsetzen und wurde von der Heeresversammlung akklamiert.330 Ob er dann einen Thron bestieg, ist ungewiss – ein Thron ist erstmals für Philipp II. 336 bezeugt.331 Die Residenz der Temeniden befand sich in Aigai in Bottiaia.332 Den Aufstiegslegenden der Temeniden zufolge handelte es sich bei Aigai um ihre erste Stadtgründung bei der initialen Landnahme, ein programmatischer Akt ihres ........................................................................................................................................................................... terscheiden, welche Münzen noch aus Alexanders Spätzeit stammen und welche postum geprägt wurden. Zur epigrapischen Evidenz (mit einem ähnlichen Problem) vgl. Rhodes 2010, 36–37; Borza 1999, 14 m. A. 16 (Verweis auf SEG 34,664; SEG 36,626). Rhodes argumentiert, dass der basileus-Titel für Amyntas, den Neffen Philipps II., in einer Inschrift aus Lebadaia (SEG 44, 414; vgl. Heckel 2006, 23) eine Höflichkeitsfloskel sei und nichts mit einem formalen Titel zu tun hatte (zumal er wohl nie Herrscher war). In Alexanders erstem Brief an Chios (um 334) wird der Titel basileus verwendet (SIG3 283), aber uneinheitlich (in Z. 7 ist Alexander ohne Titel genannt). Zu einer Weihung für Athena Polias durch Alexander in Priene mit dem Königtitel vgl. Heisserer 1980, 143–145. Zur Problematik, inwiefern diese Titel zeitgenössisch sind, vgl. Bosworth 1993, 421; Hammond 1990, 175. Zum Titel basileus bei den Diadochen: Plut. Demetr. 18,1. Antigonos I. und Sohn Demetrios Poliorketes adaptierten ihn demnach 306. Gemäß Paschidis 2013, 121–141 ist er für Demetrios in Athen schon für 307 inschriftlich bezeugt. Der griechische Titel Königin (basilissa) ist inschriftlich zuerst für Phila, Frau von Demetrios Poliorketes, 306 bezeugt (SIG3 333; Ogden 1999, 19, 174; Macurdy 1932, 58–69. 326 Vgl. Psoma 2012, 79–80; King 2010, 378; Funke 2000, 164; Borza 1990, 135; Greenwalt 1989, 21–25; Wirth 1985, 16; Carney 1983, 261. 327 Vgl. Worthington 2014, 142–143. 328 Vgl. Müller 2014, 162–164. 329 Zu diesen Möglichkeiten für die Heraushebung eines gewünschten Nachfolgers in makedonischen Strukturen vgl. Psoma 2012, 74–76; Müller 2009a, 29–35; Fernández Nieto 2005. 330 Vgl. Hammond 1989, 60; Granier 1931, 20. Zur Heeresversammlung: Curt. 6,8,23–25. Zu einer Übersicht über die unterschiedlichen Ansätze der hoch umstrittenen Rolle und Kompetenzen der makedonischen Heeresversammlung vgl. Müller 2016a, 29–30; Chaniotis 2005, 62–64. Ihre Kompetenzen werden aktuell etwa komplett von Greenwalt 2015a, 337 negiert. Pace Hammond 1989, 60–62. 331 Diod. 16,92,5. 95,1. Vgl. Paspalas 2005, 86–87. 332 Diod. 7,16. Sie lag zwischen Beroia im Westen und Aloros im Osten. Im Süden lag die pierische Gebirgslandschaft. Vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 798; Hatzopoulos 2003, 205; Hammond 1997; Zahrnt 1984, 356.
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Gründervaters.333 Hatzopoulos betont daher: Die Makedonen „viewed their past in ‚urban‘ and not in ‚tribal‘ terms‘ (…), even in their legends“,334 was eventuell auch mit der künstlichen retrospektiven Formung zu tun haben könnte. Aigai wurde die Stätte der Grablege der temenidischen Herrscher335 und bewahrte den Status als besonderer Erinnerungsort und Austragungsplatz für Feste, nachdem die Residenz entweder unter Archelaos oder Amyntas III. nach Pella am Loudias-See verlegt worden war.336 Das größte und bedeutendste makedonische Zeus-Heiligtum, der als temenidischer Schutzpatron auch in Herodots Version der dynastischen Aufstiegsgeschichte Wunder bewirkte,337 befand sich in Dion,338 von Thukydides als polisma bezeichnet.339 Archelaos begründete dort eigene makedonische isolympische Spiele, die, unter der ideellen Schirmherrschaft von Zeus und den Musen, bis in die Zeit Alexanders III. gefeiert wurden.340 Weitere für Perdikkas’ Reich relevante Städte waren Beroia nahe Aigai, Hatzopoulos zufolge eine zumindest partiell befestigte Stadt.341 Besonders wichtig war zudem die makedonische Siedlung Pydna, aufgrund ihres Hafens.342 Unter Perdikkas war sie bereits befestigt.343 Indes ging sie den Temeniden zu einem unbekannten Zeitpunkt verloren: Archelaos musste sie 411/0 zurückerobern und verlegte sie daraufhin ein Stück von der Küstenlinie weg ............................................ 333 Diod. F 7,16; Just. 7,1–2,4; Paus. 9,40,8–9. Vgl. Greenwalt 2015a, 343–344; Hatzopoulos/Paschidis 2004, 798, 805; Hammond 1989, 3; Hammond/Griffith 1972, 156–157. Siehe auch Archibald 2010, 329–330. 334 Hatzopoulos 1996a, 464. 335 Just.7,2,2,-3. Vgl. Edson 1970, 21. 336 Es ist umstritten, welcher der beiden genannten Herrscher für den Umzug verantwortlich war, da es nicht explizit in den Quellen erwähnt wird. Unter Archelaos: Moloney 2014, 236; Worthington 2013b; Heinrichs 2012, 136; Roisman 2010a, 156; Engels 2006, 21; Bleckmann 1998, 27, A. 25; Weber 1993, 45; Borza 1990, 166–171; Wirth 1985, 22; Geyer 1930, 98; Ridgeway 1926, 1. Unter Amyntas III.: Hatzopoulos 1996a, 174–179, 471–472; Hatzopoulos/Loukopoulou 1987, 40–44. Akzeptiert von Psoma 2013; Zahrnt 2006b, 137. 337 Hdt. 8,137,3–138,2 (Brotwunder; Sonnenwunder; Flusswunder). Vgl. Müller 2016a, 87–90. 338 Just. 24,2,8; Diod. 17,16,3. Vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 800–801. Zu Dions Münzen, auf deren Avers der Kopf des Zeus erscheint, vgl. Demetriadi 1998. Sie vermutet, dass es sich um Prägungen für die Spiele handeln könnte, während in Dion ansonsten die temenidischen Prägungen umgelaufen seien. 339 Thuk. 4,78,6. 340 Diod. 17,16,3–4 (neun Tage nach der Anzahl der Musen); Arr. an. 1,11,1 (Verweis auf den isolympischen Charakter und irrtümliche Verortung in Aigai); Dem. 19,192–193; Dion Chrys. 2,2. Vgl. Kremydi-Sicilianou 2004, 19–20; Mari 2002, 59–60; Greenwalt 1999, 172; Mari 1998, 137–169; Scanlon 1997, 4–5; Geyer 1930, 100. 341 Vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 800: etwa der Teil mit der Akropolis. 342 Vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 806; Hauben 1975, 51, A. 4. 343 Zumindest wird ab 432 darauf geschlossen, abgeleitet vom athenischen Scheitern einer Einnahme (Thuk. 1,61,3), vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 806.
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ins Landesinnere.344 Hatzopoulos geht davon aus, dass Pydnas Loslösung erst zu Beginn von Archelaos’ Regierung erfolgte;345 Perdikkas hätte sie demnach noch besessen. Bedeutend war überdies die Küstenstadt Methone, die Thukydides an Makedoniens Grenze verortet.346 Da Methone nach 431 Mitglied des attischen Seebunds wurde,347 geriet die Polis zum Zankapfel zwischen Athen und dem Temenidenreich, das zusehends vom Meer abgeschnitten zu werden drohte.348 Entsprechende Schlüsselbedeutung kam Therme am Thermaischen Golf zu.349 Therme stand seit temenidischer Frühzeit unter Kontrolle der Dynastie, wurde 432 kurzzeitig von den Athenern annektiert, 431 aber wieder an Perdikkas zurückgegeben.350
Perdikkas’ Großvater Amyntas I., Dareios I. und Hippias Perdikkas’ Großvater Amyntas I. ist der erste Temenide, der – jenseits von mythisierten Anekdoten aus grauer Vorzeit –351 als historisch fassbare Gestalt auftritt. Berichterstatter ist Herodot und, von dessen – spärlichen – Aussagen abhängig, Trogus-Justin, der ein noch blasseres Bild von Amyntas zeichnet.352 Dessen Regierungsdaten lassen sich nur grob auf die 2. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. beziffern.353 Bezüglich der Beziehungen des Temenidenreichs zu Griechenland bietet nur Herodot die Information, dass Amyntas I. dem gestürzten athenischen Tyrannen Hippias nach dessen Vertreibung 510 eine helfende Hand bot: ............................................ 344 Thuk. 1,137,1; Diod. 13,49,1–2. Vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 806. 345 Vgl. Hatzopoulos 1996a, 470. 346 Thuk. 6,7,3. Vgl. Plut. mor. A-B (Eretria als Mutterstadt). Siehe West 2013; Hatzopoulos/Paschidis 2004, 804; Hammond 1998, 393; Zahrnt 1984, 352–353; Hammond/Griffith 1972, 425–426. 347 Vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 804 (430/29); Edson 1970, 24, 35. 348 IG I3 61 (= ML 65; Syll.3 75; HGIÜ 104). Vgl. Müller 2016a, 158–159; Psoma 2014, 137; Roisman 2010a, 148–149; Borza 1990, 148–149; Hauben 1975, 51, A. 4; Geyer 1930, 64–65. Millett 2010, 484 betont indes, dass dieser Faktor zumindest den Holzhandel nicht gefährdet habe, da schiffbare Flüsse wichtiger gewesen seien. 349 Von Herodot in Mygdonia lokalisiert: Hdt. 7,123,3. 124 (Basis für die persische Flotte 480). Vgl. Flensted-Jensen 2004, 818–819; Hornblower 1991, 104; Hauben 1975, 51. Hammond/Griffith 1979, 113, 115 (Verortung der temenidischen Kontrolle über Therme ab 510). Teilweise wird Therme als Vorläufer von Thessaloniki betrachtet oder etwas südlich davon lokalisiert, vgl. Flensted-Jensen 2004, 818; Zahrnt 1984, 335. Zur Lage Mygdonias vgl. Flensted-Jensen 2004, 810. 350 Thuk. 1,61,2; 2,29,6. Vgl. Flensted-Jensen 2004, 818–819. 351 Zu Argaios, Sohn Perdikkas’ I. (7. Jh. v. Chr.): Polyain. 4,1; zu Aëropos I. (6. Jh. v. Chr.): Just. 7,2,5–12. 352 Just. 7,2,13–4,1. 353 Vgl. Geyer 1930, 41.
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Ἱππίῃ δὲ ἐνθεῦτεν ἀπελαυνομένῳ ἐδίδου μὲν Ἀμύντης ὁ Μακεδόνων βασιλεὺς Ἀνθεμοῦντα, ἐδίδοσαν δὲ Θεσσαλοὶ Ἰωλκόν. ὁ δὲ τούτων μὲν οὐδέτερα αἱρέετο. Als Hippias sich von da wegbegab, bot ihm Amyntas, König der Makedonen, Anthemous an und die Thessaler boten ihm Jolkos an. Doch er nahm nichts davon an.354
Der konkrete Inhalt dieses Hilfsangebot ist umstritten. Einesteils wird darin eine Schenkung (dorea) des Gebiets an Hippias gesehen,355 andererseits „nur“ das Angebot einer Zufluchtsstätte,356 wahlweise vorübergehend oder als neuer Siedlungsort.357 Als Problem erweist sich die Unsicherheit, inwiefern das Gebiet in jener Zeit überhaupt schon unter temenidischer Kontrolle war.358 Diesbezüglich sind die Meinungen geteilt. Häufig wird die Einnahme von Anthemous erst in die Regierungszeit Alexanders I., teilweise nach dem Xerxeszug, datiert.359 Dies wirft die Frage auf, wie Amyntas Hippias in ein Gebiet einladen konnte, über das er gar keine Hoheit hatte. Teils lautet die Folgerung, Amyntas habe ihn zu einer gemeinsamen Eroberungsaktion aufgerufen,360 die Gunst der Stunde somit gleich zu seinem Gewinn nutzen wollen. Dagegen steht die These, Amyntas’ Angebot an Hippias beweise vielmehr, dass der makedonische Herrscher die Verfügungsgewalt über Anthemous besaß, sonst wäre die Offerte gar nicht möglich gewesen.361 Geyer vermutet einen strategischen Schachzug von Amyntas’ Seite: Rhaikelos habe in unmittelbarer Nähe zu Anthemous gelegen und sei, da sich in jener Zeit der Einfluss der Peisistratiden verflüchtigt habe, ein Ärgernis für das Temenidenreich gewesen. Amyntas habe Hippias Anthemous in der Hoffnung angeboten, er ............................................ 354 Hdt. 5,94,1. Vgl. Faraguna 1998, 368. Zur Lokalisierung (nördliche Chalkidike) vgl. Zahrnt 1996, 731; Hatzopoulos/Loukopoulou 1988, 25–28; Hammond/Griffith 1972, 190; Edson 1955, 171–172. Anthemous war zuerst der Name eines Gebiets mit Fluss, später der einer Stadt in der Region (Aischin. 2,27). Vgl. Zahrnt 1996, 731; Kalléris 1954, 96. 355 Vgl. Sears 2013, 57–58; de Libero 1996, 91; Tačeva 1992, 61; Borza 1990, 117–118; Casson 1926, 177. Hammond/Griffith 1972, 190 zufolge behandelte Amyntas Anthemous wie eine royale Domäne (mit Verweis auf Dem. 6,20). 356 Vgl. Müller 2016a, 108. 357 Vgl. Xydopoulos 2012a, 23–26; Hatzopoulos 1996a, 174. 358 Dafür argumentieren: Xydopoulos 2012a, 23–26; Sprawski 2010, 131; Hatzopoulos 2000, 106; Borza 1990, 117–118; Vokotopoulou/Koukouli-Chrysanthaki 1988, 27 (erst seit den 570ern); Hammond/Griffith 1972, 190–191; Geyer 1930, 41. 359 Vgl. Zahrnt 2009, 8; Edson 1955, 172. Dagegen vor Plataiai: Hammond/Griffith 1979, 99. 360 Vgl. Hatzopoulos 1996a, 174; Edson 1955, 186, A. 47; Papastavrou 1936b, 1–2. 361 Vgl. Xydopoulos 2012a, 23–26; Sprawski 2010, 131; Tačeva 1992, 61; Borza 1990, 117–118; Zahrnt 1984, 361; Hammond/Griffith 1972, 190–191 („a crown possession“).
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möge Rhaikelos unterwerfen.362 Dagegen argumentiert Xydopoulos, das doppelte Hilfsangebot von thessalischer und temenidischer Seite an Hippias zeige gerade, dass es noch einen deutlichen peisistratidischen Einfluss in jenen Gefilden gegeben habe.363 Hammonds Rekonstruktion nach wiederum war Amyntas’ Kontrolle über Anthemous so schwach und durch die benachbarten Edoner gefährdet, dass er sich durch Hippias und dessen persische Verbindungen eine Sicherung des Gebiets erhofft habe.364 Das parallele Angebot der Thessaler, Hippias Jolkos, den mythologisch stark aufgeladenen Ort, anzubieten,365 wird nicht als Einladung zu einer Eroberungsaktion gesehen, sondern als Beleg dafür, dass Jolkos unter thessalischer Kontrolle stand.366 Larisa gewann diese Verfügungsgewalt über Jolkos,367 somit werden federführend die Aleuaden gewesen sein.368 Da Hippias auf keins der Angebote einging, bevor er Schutz am Hof des persischen Großkönigs suchte,369 wird kein Licht auf den genauen Inhalt der Offerte geworfen. In jedem Fall war es eine deutliche Positionierung für Hippias und gegen seinen Sturz und die dafür Verantwortlichen in Athen. Eine solche Stellungnahme kam kaum aus dem Nichts; sie wird auf vorhandenen Beziehungen zu Hippias beziehungsweise seiner Familie, den Peisistratiden, basiert haben. Leider gibt es keine direkten Quellenbelege für eine solche temenidischpeisistratidische connection. Ein mittelbarer Hinweis könnte sich eventuell in ............................................ 362 Vgl. Geyer 1930, 41. 363 Vgl. Xydopoulos 2012a, 23–24. Siehe auch Sears 2013, 57–58 mit der Betonung des seit Peisistratos andauernden Einflusses im thrakischen Gebiet (insbesondere anhand Hdt. 1,64,1) und der Rolle Thrakiens für peisistratidische Politik („the first Athenian to use Thrace as a springboard to power“). 364 Vgl. Hammond 1989, 43; Hammond/Griffith 1979, 59. 365 Hdt. 5,94,1. Vgl. Aston 2012b, 263 (wobei sie Hippias mit seinem Vater Peisistratos verwechselt); Decourt et al. 2004, 719; de Libero 1996, 91; Hammond 1995b, 122, A. 8; Natoli 2004, 113; Borza 1990, 117; Wallace 1970, 199. Zu Hippias’ Sturz: Hdt. 5,62–65; Thuk. 6,59. Aus dem Namen Thessalos für Peisistratos’ Sohn (Thuk. 1,20,2) wird geschlossen, dass er bereits gute Beziehungen zu Thessalien gehabt habe, vgl. Morgan 2003, 23 (Hinweis auf eine xenia, da ein xenos seinen Sohn gemäß der lokalen Tradition benennen konnte); de Libero 1996, 91. Zu den Peisistratiden und Aleuaden vgl. Graninger 2010, 310. Die Peisistratiden hatten schon zuvor ein Bündnis mit den Thessalern gehabt und Hippias bereits einmal, gegen Sparta, militärisch unterstützt (Hdt. 5,63). Vgl. Morgan 2003, 23, 203. 366 Vgl. Decourt et al. 2004, 719; Martin 1985, 70. Er geht davon aus, dass es eine Entscheidung mit Mehrheit in ganz Thessalien gewesen sei, Hippias dies anzubieten. Vgl. Sordi 1996, 39. 367 Vgl. Jessen 1914, 764–765. Dies zeigt sich anhand des Münzbildprogramms: Larisa übernahm den Heros Jason, der eigentlich mit Jolkos und dem Fluss Anauros, wo er eine Sandale verloren hatte, assoziiert war. Vgl. Babelon 1907, 1011–1012, 1016. 368 Hdt. 7,6,2; 7,172,1; 7,130,3; 9,1; 9,58; Paus. 7,10,2. Zur guten Beziehung zu den Temeniden vgl. Sprawski 2013; Sprawski 2005, 31–36; Sordi 2002, 452; Beck 1997, 123; Sordi 1996, 37. 369 Hdt. 5,94; Thuk. 6,59,4. Er ging vielmehr über die Stationen Sigeion (wo es dank Peisistratos verwandtschaftliche Netzwerke gab, vgl. Sears 2013, 55) und Lampsakos. Vgl. de Libero 1996, 91–93.
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den Informationen zum zehnjährigen Exil von Hippias’ Vater Peisistratos vor seiner dritten Rückkehr nach Athen 546 verbergen. Währenddessen begab er sich in den thrakisch-makedonischen Raum.370 Laut Athenaion Politeia war er bei der Gründung von Rhaikelos am Golf von Therme beteiligt,371 sammelte dann im Pangaiongebiet östlich des Strymon finanzielle Mittel und warb Söldner für die geplante Re-Etablierung seiner Macht in Athen an.372 Herodot erwähnt, dass er Ressourcen im Strymongebiet erwarb,373 sicherlich aus thrakischen Silberminen,374 dies in Absprache mit den lokalen Ethnien.375 In dieser Zeit könnte es zu einer Kontaktaufnahme mit dem Temenidenhof gekommen sein, wobei ungewiss ist, von welcher Seite die Initiative ausgegangen sein könnte.376 Gastfreundschaftliche Bande mögen sich daraus entwickelt haben und erklären, warum Amyntas I. Peisistratos’ Sohn später helfen wollte.377 Loukopoulou und Psoma nehmen sogar an, dass man in Athen erst durch diesen Aufenthalt von Peisistratos auf Makedonien als Quelle für Bauholz aufmerksam geworden sei und sich deswegen ab jener Zeit ein Aufschwung bei den temenidischen Finanzen angebahnt hätte.378 Mari und Sears sehen eher ............................................ 370 Zum Exil: Hdt. 1,62,1. Das Datum der Ankunft in Thrakien ist nicht konkret einzuschätzen, vgl. Cole 1975, 42. Zum Datum der zweiten und dritten Machtübernahme in Athen vgl. DeBruyn 1995, 31–37. Zum Aufenthalt in Thrakien vgl. Mari 2014b, 54–58; Sears 2013, 52–59. 371 [Aristot.] Ath. Pol. 15,2. Vgl. Hdt. 1,64,1; Steph. Byz. s.v. Rhakylos. Peisistratos’ Rolle bei der Gründung von Rhaikelos – oikistes (vgl. Sears 2013, 56; Welwei 1992, 228; Berve, 1967, 50) oder nur beteiligt (vgl. de Libero 1996, 60, A. 92, 91; Cole 1975, 43) ist umstritten. Auch gibt es Differenzen über die Gründung selbst: ob sie eine Stadt oder eine Region bezeichne und wo sie lag. Vgl. Mari 2014b, 54, A. 4; Sears 2013, 56 (nahe dem modernen Thessaloniki); Lavelle 1992, 15 (zeitlich begrenzte Siedlung); Didiers 1987, 194–195 (identisch mit Dikaia). Zur Rolle Eretrias bei der Gründung von Rhaikelos vgl. Xydopoulos 2012a, 22; Archibald 1998, 113; Borza 1990, 116; Cole 1975, 43. 372 Vgl. Sears 2013, 56–57; de Libero 1996, 60, 81–82; Lavelle 1991, 319–320; Borza 1990, 117; Isaac 1986, 14; Rhodes 1981, 208; Hammond/Griffith 1979, 68; Cole 1975, 42–43; Hammond/Griffith 1972, 188; Geyer 1930, 41. 373 Hdt. 1,64,1. Vgl. Lavelle 2005, 116–134; Lavelle 1992, 22; Didiers 1987, 194; Isaac 1986, 14–15. Walker 2004, 189 vermutet, dass zumindest von Seiten Eretrias Interesse an Schiffsbauholz bestanden habe. 374 Die Goldminen lagen bei Krenides (Strab. 7,34; 7,42; siehe auch Bissa 2009, 35), vermutlich nicht in der Zone seines Zugriffs. Vgl. Lavelle 1992, 17–18, m. A. 44. Siehe auch Archibald 1998, 113. 375 Vgl. Sears 2015, 309–310; Bissa 2009, 36; Rabajiev 2007, 511; de Libero 1996, 60, A. 93; Lavelle 1992, 14–15; Borza 1990, 117; Isaac 1986, 15; Cole 1975, 43–44. 376 Vgl. Xydopoulos 2012a; Geyer 1930, 41. Pace Cole 1975, 42, A. 1, der nicht glaubt, dass die Temeniden zu jener Zeit schon einen solchen Aktionsradius gehabt hätten. 377 Vgl. Sears 2013, 58; Xydopoulos 2012a; Loukopoulou/Psoma 2007, 144, A. 5; Blösel 2004, 128, A. 117; How/Wells 1967, I, 55; Geyer 1930, 41. Pace de Libero 1996, 91, die keinen Beginn einer Freundschaft sieht. Ob Amyntas I. zu dieser Zeit schon geherrscht hatte oder noch sein Vater Alketas, ist unbekannt. 378 Vgl. Loukopoulou/Psoma 2007, 144. Borza 1987, 32 vermutet ebenfalls, dass Peisistratos bei dieser Gelegenheit auf das makedonische Schiffsbauholz aufmerksam geworden sei, sieht aber keinerlei Hinweise darauf, dass er davon habe Gebrauch machen wollen.
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allgemein den Startschuss für das ökonomisch motivierte Interesse Athens am Strymon- und Pangaiongebiet.379 In jedem Fall gab es schon in dieser frühen Zeit unter Amyntas I. eine Verbindung des makedonischen Herrscherhauses zu einem Mitglied der noch kurz zuvor führenden Familie Athens, Hippias. Das Exil des Peisistratos mochte der wenig prominenten kleinen Dynastie eventuell dazu verholfen haben. Einen noch bedeutenderen Schritt ging Amyntas I., als er um 513/10 die persische Oberhoheit anerkannte.380 Damit stellte er sich unter den Schutz Dareios’ I., des einflussreichsten Königs seiner Zeit. Im Kontext von Dareios’ (wenig erfolgreicher) Kampagne gegen die europäischen Sakā um 513 überschritt er den Bosporos, kam bis zum Istros und damit durch thrakische Gebiete.381 Diese wurden dann durch seinen Feldherrn Megabazos der persischen Herrschaft unterworfen.382 Die thrakische und auch paionische Akzeptanz der persischen Oberhoheit bedingte aufgrund der räumlichen Begebenheiten eine identische Forderung an den makedonischen Lokaldynasten. Eine Ablehnung war aus demselben Grund kaum durchzusetzen.383 Es ist ungewiss, ob die Perser die Makedonen überhaupt als spezifische Ethnie oder als einen weiteren thrakischen Verband mit einem eigenen Dynasten sahen. Um darüber Aufschluss zu gewinnen, müsste klar sein, inwiefern beziehungsweise unter welcher Bezeichnung die Makedonen in den inschriftlichen Länderlisten Dareios’ I. und Xerxes’ als Reichsangehörige aufscheinen. Dies ist aber ungewiss.384 Als ............................................ 379 Vgl. Mari 2014b, 54–55; Sears 2013, 52–59. Ebenso schon Edson 1970, 32. 380 Hdt. 5,18,1–2; Just. 7,3,1–3. Vgl. Lerner 2017, 11; Zahrnt 2015, 38; Vassileva 2015, 321; Xydopoulos 2012a; Zahrnt 2011, 761–765; Müller 2011, 110–111; Olbrycht 2010, 343–344; Zahrnt 2009, 8; Brosius 2003, 230; Zahrnt 2002, 51–52; Wiesehöfer 1999, 30; Zahrnt 1992, 245–246; Tačeva 1992, 59; Hammond 1989, 42–43; Wirth 1985, 20; Kienast 1973, 269; Geyer 1930, 42. Der Versuch, die makedonische Unterwerfung als unhistorisch zu verwerfen, weil die Schwankgeschichte bei Herodot unglaubwürdig ist (vgl. Erbse 1992, 101–103; Borza 1990, 102–103; Errington 1981, 140–143: wenn Alexander die Gesandten getötet habe, hätte keine Kunde von einer Unterwerfung nach Persien gelangen können), ist wenig überzeugend und hat sich auch nicht durchgesetzt. 381 Hdt. 4,89. Vgl. Lerner 2017, 8–9; Shabazi 1982, 232–235. Es war ein Zug, welcher der Grenzsicherung gegen nomadische Einfälle diente (Probleme erwähnt bei Hdt. 1,103–106. 201–214), vgl. Wiesehöfer 1999, 30. Zum Begriff Sakā für Skythen (Hdt. 7,54,2) vgl. Schmitt 2014, 242. Zur Diskussion um die Korrektheit einer Identifizierung der europäischen Skythen mit den Sakā paradraya vgl. Jacobs 1994, 257–260 (es sei nicht korrekt). 382 Hdt. 5,1–2. Vgl. Lerner 2017, 8–10; Zahrnt 2015, 38–39; Vassileva 2015, 320–321; Zahrnt 2011, 761; Boteva 2011, 745–746 (Argumentation gegen Hdt. 4,92, der von einer Unterwerfung auch der Odrysen spricht); Archibald 1998, 81–82, 84–87; Zahrnt 1997; Zahrnt 1992; Balcer 1988, 8– 13; Hammond 1980; Edson 1970, 25; Geyer 1930, 42. 383 Vgl. Geyer 1930, 42: „Nach der Besiegung der Thraker und Paionen wäre Widerstand ohne jede Aussicht gewesen“. Ähnlich: Zahrnt 2011, 765: Makedonien wäre zur Gegenwehr gar nicht fähig gewesen. 384 Vgl. Lerner 2017, 13–21; Sprawski 2010, 137. Zur Problematik der Identifizierung der Ethnien generell vgl. Badian 1994b, 112, A. 8; Balcer 1988, 6–9; Heinrichs 1987, 521.
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Problem erweist sich dabei das symbolische Wesen der Länderlisten in den achaimenidischen Inschriften: als mental map, welche „die ‚Welt‘ definieren“.385 Gemäß der – nicht unkritisierten –386 Mehrheitsmeinung waren die Makedonen mit den yaunā takabarā gemeint:387 Ionier (Griechen), die einen flachen Hut/Schild auf dem Kopf oder einen Hut, der wie ein Schild aussieht, tragen.388 Dies beziehe sich auf den Petasos oder den charakteristisch makedonischen flachen (Sonnen-)Hut mit breiter Krempe, die kausia.389 Allerdings könnten die Perser die Makedonen auch zusammen mit den thrakischen Ethnien unter Skudrā gelistet haben –390 wenn die Thraker unter Skudrā liefen,391 was aufgrund der Ungewissheit über den Inhalt des Begriffs Skudrā ebenfalls umstritten ist.392 Die Frage, worunter die Paionen fielen und inwieweit sie von den Persern als eigene Ethnie wahrgenommen wurde, ist ein zusätzlicher ungelöster Streitpunkt.393 Zudem bleibt noch die dritte Möglichkeit, dass die Makedo............................................ 385 Rollinger 2017, 198. Vgl. Lerner 2017, 15 (kein politischer Begriff, der eine Satrapie bezeichnete, sondern ein geographischer: „regional divisions whose primary purpose seems to have served as magnifying the authority of the sovereign“); Schmitt 2014, 162. Grundlegend: Jacobs 2003, 301– 343. 386 Vgl. Rollinger 2006, 387–388: takabarā bedeute „schildtragend“ (vgl. Schmitt 2014, 250: Petasos oder kausia tragend sei definitiv auszuschließen; Schmitt 1997, 102: „schildtragende Griechen“) als Anspielung auf die Kampftechnik der griechischen Phalanx im Sinne von: die Schilde zu den Köpfen hochheben. 387 DNa § 3. Vgl. Vgl. Heinrichs 2017, 86, A. 27; Knowles 2014, 19; Olbrycht 2010, 344; Engels 2010, 87; Zahrnt 1992, 250–251, 278–279; Hammond 1989, 12–13; Balcer 1988, 5; Heinrichs 1987, 521. 388 Vgl. Kent 1953, 185: „wearing the petasos”, abgeleitet von „bearing shields on their heads”. Ebenso: Heinrichs 2017, 85, A. 27; Lerner 2017, 16, 19; Lecoq 1997, 141. Vgl. Kuhrt 2002, 21; Klinkott 2001, 121–132; Briant 1996, 186, m. A. 6, 931–932; Hammond 1989, 12–13; Balcer 1988, 4–5. 389 Vgl. Olbrycht 2010, 344 (der Unterschied der dargestellten Hüte der yaunā takabarā auf den Reliefs in Persepolis zu den archäologischen Befunden zu kausia und Petasos habe stilistische Gründe); Janssen 2007, 44, A. 127; Zahrnt 1992, 247; Hammond 1989, 13; Heinrichs 1987, 521; Rosen 1978, 6–7. Für einen Petasos argumentieren: Janssen 2007, 44, A. 127; Badian 1994b, 112, A. 8. Zur kausia: Athen. 12,535 F; 12,537 E; Plut. Alex. 54,5; Plut. Eum. 6,1; 8,7; Plut. Pyrrh. 11,6; Plut. Demetr. 41,6; Plut. Ant. 54,8; Plut. mor. 760 B; Strab. 15,1,63; Arr. an. 7,22,2; Diod. 17,7,3; Paus. 1,13,7; Val. Max. 5,1 ext. 4; Polyain. 5,44,5; Strab. 15,1,64. Vgl. Janssen 2007; SaatsoglouPaliadeli 1993, 122–134. Es ergibt sich das weitere Problem, dass die kausia erst für die temenidische Spätzeit und hellenistische Zeit belegt ist. 390 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 99; Hammond 1980, 58–59. 391 So aktuell bekräftigt von Lerner 2017, 13–21; Vgl. Heinrichs 2017, 86, A. 27. Erwähnt in DNa; DSe; DSm; DPe; XPh. Es habe allerdings wohl nicht dem entsprochen, was die Griechen unter „Thrakien“ verstanden hätten. 392 Vgl. Vassileva 2015, 322 (mit Hinweis zu einer verschwimmenden Linie in der persischen Wahrnehmung von Skythen und Thrakern); Tuplin 2010, 297; Archibald 1998, 83–84. Schmitt 2014, 244 argumentiert jedoch für die Übersetzung mit Thrakien, allerdings ohne eine genaue Lokalisierung: „wahrscheinlich ist Nordwest-Kleinasien (samt den europäischen Nachbargebieten) mit seiner ethnisch gemischten, u.a. thrakischen Bevölkerung gemeint“. 393 Paionen als Vertreter von Skudrā: Tuplin 2010, 298; Balcer 1995, 152; Archibald 1998, 84. Klinkott 2001, 132 vertritt dagegen die Minderheitenthese, mit den yaunā takabarā seien die Paionen gemeint. Warum die Paionen im Gegensatz zu den Makedonen als eigene Ethnie anerkannt wurden, bleibt offen.
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nen zu den yaunā allgemein gezählt wurden, somit entweder nicht als Part der thrakischen Ethnien als Überkategorie liefen, oder, wie Vassileva anführt, ebenso wie die Thraker.394 Auch wenn die thrakische Unterwerfung eine Schlüsselrolle für die makedonische Akzeptanz der persischen Hoheit spielte, mag sie Amyntas I. gar nicht unwillkommen gewesen sein – gleichgültig, was die makedonische Nachkriegspropaganda später behauptete.395 Badian vermutet, dass die Unterwerfung seine Initiative gewesen sei.396 Die Verbindung zu den Achaimeniden stellte die temenidische Herrschaft auf eine eigenständigere Grundlage397 und verlieh der Dynastie ein back up gegenüber den anderen einflussreichen makedonischen Familien, zumal eine Heiratsverbindung zwischen Gygaia, Amyntas’ Tochter, und dem hochrangigen Perser Bubares, vielleicht einem Achaimeniden,398 folgte.399 Eine Heirat in die Kreise der persischen Führungsschichten oder sogar die Herrscherfamilie des größten Reichs jener Zeit musste für einen stets in seiner Position bedrohten und eingeschränkten primus inter pares wie Amyntas I. der große diplomatische Coup gewesen sein, der seine Machtbasis schlagartig erweiterte. In jedem Fall zahlte es sich für seine Familie aus.400 Aus ähnlichen Gründen schlossen sich wohl auch die Aleuaden den Achaimeniden im Rahmen von Xerxes’ Griechenlandfeldzug an.401 Die ............................................ 394 Vgl. Vassileva 2015, 322. 395 Die geschönte Nachkriegsversion findet sich bei Hdt. 5,18,2–20,5; Just. 7,3. Zur Bemühung von Amyntas und Alexander I. um Ansehen und Gunst bei den Persern siehe auch Hammond 1989, 42–43; Hammond/Griffith 1979, 59. 396 Vgl. Badian 1994, 113. 397 Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 293–295; Kraay 1976, 143. 398 Vgl. Badian 2004, 110–112, 116: Er war der Sohn des Megabazos (Hdt. 7,22,2), der in Thrakien operierte. 399 Hdt. 5,21–22; 8,136,1; Just. 7,8,9. Vgl. Carney 2017, 140, 143. Das Datum der Heirat ist umstritten (vgl. Zahrnt 1993, 245–246, A. 19; Brosius 2003, 230), wird aber mehrheitlich als identisch mit der Zeit der Unterwerfung und als deren direkte Folge gesehen, vgl. Müller 2016a, 117–118; Vassileva 2015, 321; Olbrycht 2010, 343; Hammond 1989, 42; Badian 1994, 109, 112; Borza 1990, 103, A. 15; Edson 1970, 25. Eine wenig schlüssige Minderheitenposition vertritt Errington 1981, 141 auf Basis der Leugnung der makedonischen Unterwerfung unter die persische Hoheit 513/10: Alexander habe die Ehe Gygaias zwischen 498–479 arrangiert. Allerdings spricht das Alter des gemeinsamen Sohns dagegen: Da er 480/79 v. Chr. die Gouverneursposition über eine Stadt in Kleinasien hatte (Hdt. 8,136,1), wäre er bei einem Eheschluss um 510 dafür im passenden Alter gewesen, vgl. Zahrnt 2011, 761, 763; Heinrichs/Müller 2008, 290, A. 39. 400 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 99; Zahrnt 1984, 361 (Ausdehnung in Almopia und Eordaia). So war es Hdt. 8,136,1 zufolge die Verwandtschaft mit den Persern – sicherlich die Heiratsverbindung –, die den persischen Feldherrn Mardonios veranlasste, Alexander im Xerxeszug zum Gesandten an die Griechen zu ernennen. Vgl. Ma 2009, 125. Einen Profit aus der persischen Hoheit für die Thraker vermutet auch Borza 1990, 144. 401 Vgl. Niebergall 2004, 14 (zum diesbezüglichen Rangkonflikt mit den Echekratiden, die zum Hellenenbund hielten); Morgan 2003, 87; Morgan 2001, 30–34; Sordi 1996, 41–42; Martin 1985,
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griechische ideologische Stilisierung der Perserkriege zum hellenischen Freiheitskampfs gegen drohende despotische Versklavung hat in den Hintergrund gedrängt, dass es vor den persischen Niederlagen in Hellas als vorteilhaft und prestigiös gelten konnte, sich mit der dominierenden Monarchie in der Mittelmeerwelt zu verbinden – gerade für Familien, die sich in politischen Gebilden gegenüber anderen Familien herausheben wollten. Der Sohn von Perdikkas’ Tante Gygaia und ihrem Mann Bubares hieß nach seinem Großvater mütterlicherseits Amyntas und wurde von Xerxes 480/79 mit der Kontrolle über eine Stadt in Kleinasien, Alabanda – oder Alabastra –402 betraut.403 Davon berichtet Herodot, der dies – wenn es nicht von kleinasiatischen Informanten kam – aus makedonischen Quellen haben könnte. Eventuell blieb die Karriere von Perdikkas’ Cousin Teil der temenidischen Familiengeschichte und wurde, durchaus als Prestigesymbol, tradiert – trotz der Leugnung von zumindest der loyalen Rolle Alexanders I. gegenüber Xerxes. Herodot bezeichnet Amyntas’ Stellung nach der Übergabe von Erde und Wasser als Μακεδόνων ὕπαρχος, hyparchos der Makedonen.404 Der Begriff meint einen persischen Gouverneur oder indigenen Lokaldynasten, welcher der achaimenidischen Zentralgewalt untergeordnet ist.405 Er kann, muss aber nicht in jedem Fall, einen Satrapen bezeichnen.406 Die Quellenlage ist wenig aufschlussreich, doch lässt sich von einem solchen persischen Eingriff in die makedonischen Strukturen nichts erkennen: Makedonien wurde nicht als Satrapie eingerichtet und Amyntas war kein persischer Satrap.407 Mehrheitlich ........................................................................................................................................................................... 34–36; Westlake 1935, 30–31 (Echekratiden als Gegner); Herrmann 1925, 5. Siehe auch Aston 2012b, 265–266. 402 Vgl. Xydopoulos 2012a. Ihm zufolge könnte es nicht, wie Borza 1990, 103, A. 15 vermutet, Herodots Fehler sein, der Alabanda fälschlich in Phrygien verortete habe, da sich Herodot in Kleinasien ausgekannt habe. Es sei stattdessen ein Fehler im Manuskript. 403 Hdt. 8,136,1 (in Phrygien). 404 Hdt. 5,20,4. Zur Bedeutung der Übergabe von Erde und Wasser vgl. Kuhrt 1988. 405 Teilweise wird darin eine abstufende Konnotation vermutet, vgl. Sprawski 2010, 138; Badian 1994, 114; Bichler 2000, 299, A. 113 (in Anlehnung an Rosen 1987, 27–28 wird eine Abstufung gegenüber dem Begriff στρατηγὸς καὶ βασιλεὺς Μακεδόνων, Heerführer und König der Makedonen, den Hdt. 9,44,1 für Alexander I. als Teilnehmer des Xerxeszugs verwendet, vermutet). Ebenso Tripodi 2007, 84: Erst diese Bewährung habe zu der Aufwertung in der Bezeichnung geführt. Ein Gegenargument wäre eventuell die Verwendung von basileus auch für den frühzeitlichen Herrscher in Obermakedonien im Gründungsmythos (Hdt. 8,137.1–138,1). Ohnehin ist eine solche Bewertung eine Frage der Perspektive. Für Amyntas brachte die Unterwerfung eine Stabilisierung seiner Position, vgl. Xydopoulos 2012a. 406 Vgl. Vassileva 2015, 323; Heinrichs/Müller 2008, 290, A. 41; Tripodi 2007, 84; Balcer 1988, 4–7. Pace Badian 1994, 114. 407 Vgl. Vassileva 2015, 321, 323 (auch Thrakien nicht); Zahrnt 2015, 38 („a vassal“); Zahrnt 2011, 765; Olbrycht 2010, 343; Heinrichs/Müller 2008, 289–290; Borza 1990, 293; Edson 1970, 25; Geyer 1930, 42. Contra Hammond/Griffith 1979, 58–59.
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wird von einer lockeren Handhabung der achaimenidischen Kontrolle über das Temenidenreich ausgegangen, auch aufgrund von dessen peripherer Lage.408 Die Priorität Makedoniens mag sich etwas relativiert haben, als Xerxes seinen Hellaszug vorbereitete und es zu einer wichtigen Zwischenstation wurde, doch lässt sich erneut nichts von persischen Repressalien fassen. Die achaimenidische Hoheit beschränkte auch offenbar die makedonischen Handelsbeziehungen zu den Griechen nicht. Den Export von Flottenbauholz nach Hellas, auch nach Athen, werden die Perser nicht unterbunden haben, selbst in der Phase der Kriegsvorbereitung nicht,409 die zudem stark von der Bemühung um eine diplomatische Lösung geprägt war.410 Xerxes benötigte einen wirtschaftlich stabilen Verbündeten, der ihm eine Stütze hinsichtlich der Truppenversorgung und des Winterlagers in Makedonien sein konnte, kein ausgeblutetes Reich, das nichts gewähren konnte.411 Gerade der Hinweis, dass sich Alexanders Schwager Bubares, betraut mit der Überwachung des Athos-Kanals,412 in der besten Position befand, um zu kontrollieren, was aus Makedonien exportiert wurde,413 bestätigt die These: Die persische Seite stoppte die Holzausfuhr nicht. Auch beließen die Achaimeniden dem angegliederten makedonischen Gebiet wohl, wie üblich, die eigene lokale Tradition, Kultur und kultische Praxis.414 Die persische Kontrolle fand Ausdruck in der Loyalität des Herrschers dem Großkönig und seinen Geboten gegenüber, fassbar durch Herodots Hinweise auf Tributpflicht und Heeresfolge.415 Diesen Maßgaben scheinen Amyntas und Alexander I. gefolgt zu sein – zu ihrem Vorteil; die ............................................ 408 Vgl. Vassileva 2015, 323; Xydopoulos 2012a, 24–27; Olbrycht 2010, 343; Heinrichs/Müller 2008, 289–290; Hammond 1989, 42–43; Hammond/Griffith 1979, 59; Anders sah dies mit Gebieten in Asien und nahe der Kernlande aus. 409 Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 288; Borza 1987, 41–42; Wallace 1970, 199. Pace Psoma 2015a, 2 (obwohl Psoma 2014, 134–135 ebenfalls davon auszugehen scheint); Zahrnt 2011, 771–772; Bissa 2009, 118; Meiggs 1982, 123–124. Gerade 483/2, unter einem persisch kontrollierten Makedonien, trafen in Athen reiche Holzlieferungen ein – sicherlich hauptsächlich aus Makedonien, vgl. Thommen 2009, 42; Loukopoulou/Psoma 2007, 144; Cole 1978, 42; Wallace 1970, 200, A. 13. Zudem hätten die Perser dann auch Ägypten und Phoinikien verbieten müssen, kriegsstrategische Güter wie Flachs und Papyrus für Segel und Takelage nach Athen zu exportieren. Das taten sie wohl nicht, wie die Funde großer Mengen von Athener Tetradrachmen in beiden Gebieten zu dieser Zeit belegen, vgl. Heinrichs/Müller 2008, 288, m. A. 30–32. 410 Hdt. 7,146–147. Vgl. Wiesehöfer 2013, 281–282. Contra Steinbrecher 1985, 127. 411 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 99. Mardonios verlegte das Winterlager 480 nach Makedonien (und Thessalien): Hdt. 8,126,2. Vgl. Hammond/Griffith 1979, 101. 412 Hdt. 7,22,2. 413 Vgl. Zahrnt 2011, 772. 414 Vgl. Rollinger 2017, 197. 415 Tribut: Hdt. 7,108,2; vielleicht verbrämt: Hdt. 5,22. Vgl. Sprawski 2010, 138; Brosius 2003, 230; Bichler 2000, 300, A. 117; Wiesehöfer 1999, 30; Badian 1994, 113–114; Rosen 1987, 29–30. Ungewiss: Paspalas 2006, 100.
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Anbindung an das Perserreich war ihr politisches Sprungbrett auf die Weltbühne. Die Beziehung zu Persien war eine Gemeinsamkeit zwischen Hippias und Amyntas und gilt als Schlüsselaspekt bei Amyntas’ Hilfsangebot.416 So wird einerseits vermutet, Amyntas habe sich in Eigeninitiative als treuer persischer Untergebener verdient machen wollen,417 andererseits, Dareios I. habe ihn damit beauftragt, Hippias Schützenhilfe anzubieten.418 In jedem Fall erhielt Hippias im Perserreich Aufnahme und Unterstützung: Die Athener wurden über Artaphernes, den Satrapen in Sardeis und Bruder Dareios’ I., (vergeblich) aufgefordert, ihn wieder als Tyrannen einzusetzen.419 Die Forderung stand im Einklang mit der einstigen athenischen Anerkennung der persischen Oberhoheit um 507/6: Im Konflikt mit Sparta hatten die Athener bei Artaphernes um ein Bündnis und Hilfe gebeten. Als Voraussetzung für militärische Unterstützung hatte er Erde und Wasser für seinen brüderlichen Großkönig verlangt. Den Athenern war das Malheur passiert, eingewilligt und sich damit dem Achaimenidenreich offiziell unterworfen zu haben – was man erst den Gesandten anlastete,420 später gar nicht mehr wahrhaben wollte und im kollektiven Gedächtnis ausblendete.421 Amyntas hatte mit der Entscheidung, die persische Hoheit über sein Reich zu akzeptieren, eine historische Marke gesetzt. Mit kurzer Unterbrechung stand das temenidische Makedonien für knapp drei Jahrzehnte unter persischem Einfluss. Es ist unbekannt, wann Amyntas starb und sein Sohn Alexander I. nachfolgte. Die Akklamation wird zumeist zwischen 500 und 498/5 verortet.422 ............................................ 416 Vgl. Xydopoulos 2012a, der beide Momente als entscheidend ansieht: die peisistratidischtemenidische Verbindung und die Beziehung zum Perserreich: Amyntas I. habe als Funktionär von Dareios I. gehandelt, auf dessen Wunsch hin. 417 Vgl. Wallace 1970, 199: „no doubt a part of a policy of accomodation with Persia“. Zur temenidisch-peisistradischen Verbindung siehe auch Sprawski 2010, 131, 141. 418 Vgl. Xydopoulos 2012a. 419 Hdt. 5,96. Zudem war Hippias beim Zug von Datis und Artaphernes und der Schlacht bei Marathon dabei: Thuk. 6,59,4; Hdt. 6,102. 107,2–3. 121. Vgl. Will 2010, 42; Vgl. Zahrnt 1992, 256–257; Lavelle 1991, 320, A. 16. Maria Brosius bestreitet indes, dass es eine ernsthafte Agenda gewesen sei, Hippias wieder als Tyrann einzusetzen. Weder die Perser noch er selbst hätten das ernsthaft beabsichtigt: Er sei schlichtweg zu alt gewesen: M. Brosius, Herodot und das athenisch-persische Bündnis von 508/7 v. Chr., Faszination Iran. Internationales Kolloquium zu Ehren von Josef Wiesehöfer, 03.-04.05.2016, Universität Innsbruck. 420 Hdt. 5,73. Vgl. Zahrnt 2011, 764; Wiesehöfer 1999, 30. 421 Vgl. van de Mieroop 2007, 289; Walser 1987. 422 Vgl. Badian 1994b, 112; Zahrnt 1992, 249; Zahrnt 1984, 347. Cole 1978, 38 datiert seine Geburt zwischen 530–527.
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Perdikkas’ Vater Alexander I., die Perser und die Griechen Zwischen 496–492, im Zuge der Ionischen Revolte, löste sich Makedonien, ebenso wie Thrakien, von der persischen Oberhoheit.423 Die vermutlich locker ausgeübte persische Hoheit mag dies erleichtert haben,424 doch die Form und Dimension der Loslösung sind ungewiss. Angesichts des politischen Profits des Anschlusses an das Perserreich für die Temeniden ist nicht anzunehmen, dass der Abfall die Initiative des Herrscherhauses gewesen war. Edson zufolge habe Alexander gar keine elaborierte Stellung gegen Persien beziehen müssen: „Even the Ionian revolt (…) although it presumably for a time freed the Macedonians from any immediate concern with Persian interference, did not cause the Argead kingdom openly to renounce Achaemenid rule“.425 Hammond argumentiert sogar, es habe niemals eine makedonische Loslösung von Persien gegeben: Wenn Alexander zum Rebellen geworden sei, hätte Xerxes ihn später nicht so gefördert.426 Allerdings kann Alexander zu diesem Schritt gezwungen worden sein, den er womöglich freiwillig nicht gegangen wäre.427 Bei seinem diplomatischen Geschick – das sich deutlich in seiner ideologischen Umkehr nach Plataiai zeigte und zuvor schon von Mardonios erkannt worden war, der ihn als Gesandten in persischen Diensten zu den Griechen schickte –428 wird es ihm nicht schwer gefallen sein, der persischen Regierung später die Gründe zu schildern und Vergebung zu erlangen. So ist anzunehmen, dass, ebenso wie bei der Unterwerfung zuvor, die thrakische Entscheidung eine unabwendbare Sogwirkung auf das benachbarte Makedonien gehabt haben wird. Thrakien wird auch im Abfallen der Vorreiter gewesen sein, dem die Makedonen folgen mussten, um keinen Konflikt in direkter Nachbarschaft zu riskieren.429 ............................................ 423 Vgl. Lerner 2017, 11; Vassileva 2015, 322; Zahrnt 2011, 765–767; Zahrnt 2009, 8; Wiesehöfer 1999, 30; Wirth 1985, 20; Wallace 1970, 199, m. A. 13; Geyer 1930, 43; Badian 1994b, 116; Zahrnt 1992, 250; Rosen 1987, 30–31; Walser 1984, 35. Wie sich dies ausdrückte, ist ungewiss. Geyer 1930, 43 vermutet, Alexander habe die Tributzahlungen eingestellt. 424 Vgl. Geyer 1930, 43. 425 Edson 1970, 25. 426 Hammond/Griffith 1979, 99. Dies erklärt indes Hdt. 6,44,1 nicht. 427 Pace Wiesehöfer 2017, 59. 428 Hdt. 8,136,1. 429 Eventuell mag der Hinweis bei Hdt. 9,89,4, dass die geschlagenen persischen Truppen nach Plataiai auf ihrem Rückzug durch Makedonien unbeeinträchtigt durchkamen und erst in Thrakien attackiert wurden, auch ein Licht auf die vorangegangene Situation werfen. Es könnte sein, dass die thrakische Unterwerfung unter die Perser stets brüchiger gewesen war als die makedonische, da der Temenidenherrscher aufgrund eines Eigeninteresses versuchte, Makedonien für die Achaimeniden bei der Stange zu halten. Lerner 2017, 12 geht indes davon aus, dass der Rückzug der Perser aus den thrakischen Gebieten nach 479 einen Zustand politischer Unruhen ausgelöst habe. Zu den Gründen des Rückzugs vgl. van de Mieroop 2007, 289.
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Ein innenpolitischer Faktor könnte zudem mitgewirkt haben: das Betreiben der makedonischen Führungsschichten. Sie könnten ihre Chance gewittert haben, ihrem Herrscher, der sich durch den persischen Rückhalt von der limitierten primus inter pares-Rolle ein Stück entfernt und damit ihre eigenen Mitspracherechte reduziert hatte, diese Stütze zu nehmen und seine Handlungsräume wieder zu beschneiden. Der Zeitpunkt könnte ihnen in die Hand gespielt haben: Alexander war noch relativ frisch an der Macht. In der stets prekären Anfangsphase war seine Position eventuell noch nicht gefestigt genug, um sich dem Ansinnen der Führungsschichten, kombiniert mit Thrakiens Haltung, zu widersetzen.430 Dies lässt sich aufgrund der Quellenarmut jedoch nicht verifizieren. Die abgefallenen thrakischen und makedonischen Gebiete wurden dem Perserreich 492 durch Mardonios, selbst ein Achaimenide,431 wieder angegliedert.432 Von makedonischen Widerständen ist ebenso wenig zu erfahren wie von persischen Strafen.433 Nach dieser persischen Intervention taucht Alexander in der Überlieferung als Xerxes’ hilfreicher Verbündeter auf. Er half ihm bei den Vorbereitungen des Hellaszugs, etwa bei der Anlage von Proviantspeichern,434 und gewährte militärische Unterstützung bei der Kampagne selbst.435 Er sicherte durch makedonische Garnisonen in böotischen Städten deren Loyalität zu Persien,436 trat als persischer Gesandter an die Griechen in Erscheinung und machte dabei für Xerxes’ Heer den Weg durch das Tempetal frei.437 Die makedonischen Truppen blieben bis zuletzt loyal. Nach der persischen Niederlage bei Salamis konnte Xerxes unbehelligt durch Makedonien zum Hellespont zurückkehren und einen Teil seiner kranken Soldaten in Ma............................................ 430 Vgl. Müller 2011, 111–112. Vor allem, wenn er erst, wie Hammond/Griffith 1979, 104 vermuten, um 495 nachfolgte. 431 Hdt. 7,5,1. 432 Hdt. 6,44,1; 7,9,2. 108,1. Vgl. Vassileva 2015, 322; Zahrnt 2011, 767; Zahrnt 2009, 8; Zahrnt 2002, 52; Wiesehöfer 1999, 30; Archibald 1998, 87– 88; Zahrnt 1992, 245, 248–249, 251, 278– 279; Balcer 1988, 13; Edson 1970, 25. 433 Vgl. Zahrnt 2011, 767; Edson 1970, 25. Auch von einer Statusänderung ist nichts zu hören. 434 Hdt. 7,25,2. 435 Hdt. 7,185,2; 9,31,5 erwähnt makedonische Truppen unter Xerxes’ Heer. 436 Hdt. 8,34. 437 Hdt. 7,143,3. Zahrnt 2011, 771, gibt zu bedenken, dass dies ganz im Sinne der Perser gewesen und Alexanders Reichsbevölkerung zugute gekommen sei: Das persische Heer sei nicht länger als nötig in seinem Land gewesen und habe Unkosten für die Versorgung verschlungen. Ob dies zutrifft, sei dahingestellt. Weitere Auftritte als Gesandter: Hdt. 8,136,1–2. 140–142,1 (allerdings durch Alexanders kaschierende Nachkriegs-Propaganda verzerrt). Siehe Müller 2016a, 123–124; Zahrnt 2011, 772–773; Ma 2009, 125; Rosen 1987, 29, 38; Tripodi 1986. Zur thessalischen Rolle bei der persischen Wegbereitung durch das Tempe-Tal vgl. Helly 1995, 114–116.
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kedonien zurücklassen. Mardonios legte sein Winterlager nach Makedonien.438 Von einer Desertion zur Gegenseite ist selbst bei der Schlacht von Plataiai 479 nichts bezeugt, während andere persische Verbündete ihre Haut zu retten versuchten.439 Auch der persische Rückzug unter Artabazos wurde laut Herodot in Makedonien nicht behindert.440 Angesichts dieser Haltung erscheint als diplomatische Meisterleistung, dass es Alexander gelang, sein Reich vor einer Strafaktion durch die Sieger zu retten, die streng auf die Ahndung von Medismos aus waren.441 Geschmeidig, wendig, raffiniert und offenbar gut vernetzt wusste er sich durch eine effektive Mischung aus Diplomatie, Stiftungspolitik, geformter Selbstdarstellung, öffentlicher Profilierung und sicherlich auch Bestechungsmanöver aus der Affäre zu ziehen.442 Leider gibt es nur wenige karge Schlaglichter auf seine Strategien, die zu diesem beachtlichen Erfolg führten. Vorhandene freundschaftliche Beziehungen zu athenischen und anderen griechischen Politikern, ein gutes Auskommen mit Delphi443 sowie verbilligte oder geschenkte Holzlieferungen werden geholfen haben. Alexanders Rechtfertigungskampagne, in der er sich als persischen Zwangsverbündeten und natural born Greek stilisierte,444 dem sogar der Sieg des Hellenenbunds bei Plataiai zu verdanken gewesen sei,445 sollte nicht die ............................................ 438 Hdt. 8,126,2. 439 Vgl. Hdt. 7,185,2 zu thebanischen Überläufern. 440 Hdt. 9,89,4. Siehe auch Zahrnt 2011, 774; Sprawski 2010, 140; Hammond/Griffith 1979, 101 (allerdings mit der Betonung, die makedonischen Kräfte hätten dies auch gar nicht bewerkstelligen können. Indes wäre dies in Kooperation mit den thrakischen Ethnien, welche die Perser angriffen, gegangen. Daher war es wohl ein bewusster Verzicht auf makedonische Übergriffe. Pace Geyer 1930, 45. Insgesamt zu Makedonien in den Perserkriegen siehe Zahrnt 1993. 441 Vgl. Zahrnt 2011, 766. 442 Vgl. Müller 2016a, 129–134. 443 Hdt. 8,121,2. Vgl. Müller 2016a, 130–134. 444 Zur unhistorischen Formung dieser Geschichten aus den Rechtfertigungszwängen in der Nachkriegszeit heraus vgl. Müller 2016a, 111–134; Zahrnt 2011; Hollmann 2005, 290–291; Badian 1994, 109–130; Hammond 1993, 497; Zahrnt 1992, 245–246, 248; Rosen 1987, 31; Hammond/Griffith 1979, 98–99. Hatzopoulos 1994a, 81–85 sieht hinter der Bankett-Anekdote bei der Unterwerfung (Hdt. 5,18,2–20,5; Just. 7,3) in dem Verkleidungsmotiv einen Beleg für die makedonische Sprachregelung, der diese Rechtfertigung entsprungen sei: Das Element deute auf einen kultisch-rituellen Hintergrund hin. 445 Hdt. 9,44–46; Plut. Arist. 15,2. Als unhistorisch abgelehnt von: Müller 2016a, 123–124; Zahrnt 2011, 773; Sprawski 2010, 139; Heinrichs/Müller 2008, 291; Blösel 2004, 124, m. A. 102; Zahrnt 1992, 248, A. 28; Natoli 2004, 78; Borza 1990, 110. Contra Psoma 2015a, 2; Bowie 2007, 224; Badian 1994, 118–119; Erbse 1992, 101; Edson 1970, 26; Geyer 1930, 45. Hammond/Griffith 1979, 98 zufolge habe Alexander selbst mit charmanter Überzeugungskraft Herodot diese Geschichte untergejubelt, was jedoch reine Spekulation ist. Sollte Alexander der spiritus rector dieser Episode sein (was wahrscheinlich ist), die vor Rechtfertigungspropaganda nur so strotzt, ist dies vom Grad der Unverfrorenheit in einem Atemzug mit seiner Stiftung seiner eigenen Statue
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Sicht auf den temenidischen Nutzen aus der persischen Oberhoheit trüben. Solche retuschierenden Nachkriegsinterpretationen der eigenen Rolle als passionierter, aber leider verhinderter Vertreter des Widerstands sind zeitlich übergreifende Phänomene. Xerxes’ Landschenkungen an Alexander, die Trogus-Justin erwähnt,446 sind in ihrer Historizität – wohl zu Recht – umstritten.447 Dennoch ist davon auszugehen, dass die persische Herrschaft den Temeniden Starthilfe bei der strukturellen Verfestigung und repräsentativen Ausgestaltung ihrer Stellung gegenüber den Eliten gab. „When it came to monarchy, the paramount prestige of the Persian court made it an inevitable model for lesser courts on its periphery”.448 Bei Rückschlüssen von archäologischen Funden auf persischen Einfluss aus der Zeit der Oberhoheit ist Vorsicht angebracht. Doch ist zu konstatieren, dass auf verschiedenen Ebenen mögliche Spuren der Orientierung am persischen Beispiel in Makedonien diskutiert werden.449 ........................................................................................................................................................................... in Delphi neben der griechischen Stiftung aus der Beute von Salamis zu nennen (Hdt. 8,121,1–2; vgl. Palagia 2017, 151). Ähnlich urteilt dazu Zahrnt 2011, 773–775. 446 Just. 7,4,1. 447 Vgl. Tačeva 1992, 59. Unhistorisch: Zahrnt 1992, 251; Zahrnt 1984, 362, 364–365; Momigliano 1934, 6 (eine spätere Fälschung zur Legitimation makedonischer Feldzüge nach Thrakien und in die Chalkidike). Historisch, aber mit verschiedenen Thesen, um welche Gebiete es sich handelte: Boteva 2011, 754 (Gebiete um Rhodope); Brosius 2003, 230–231; Hammond 1989, 43–44 (Elimeia, Orestis, Lynkestis); Rosen 1987, 33–35 (Krestonia, Bisaltia, Anthemous, östliches Mygdonia); Wirth 1985, 20 (Bottiaia und Strymongebiete); Hammond/Griffith 1979, 99–100 (Obermakedonien); Kray 1976, 142; Kienast 1973, 269–270; Edson 1970, 26; Geyer 1930, 46 (Elimeia, Orestis, Lynkestis, nach dem persischen Abzug verloren). 448 Spawforth 2007, 92. 449 Einen persischen Einfluss auf archäologische Zeugnisse makedonischer (höfischer) Kultur diskutieren: Paspalas 2000, 531–560 (Möbel); Boardman 2003, 241 (allgemein); Kawami 1986, 263, 266 (vermuteter Einfluss persischer Ziegen- und Hundeskulpuren auf makedonische Ziegen- und Hundedarstellungen); Barr-Sharrar 1986, 74–82 (Adaptionen persischer Formen bei makedonischen silbernen Trinkgefäßen; vgl. Drougou 2011, 182–184; Panagopoulou 2007, 322; Barr-Sharrar 1982, 131). Zu Vermutungen über den persischen Einfluss auf den temenidischen Hof: Kienast 1973, 247–273 (eventuelle Adaption der basilikoi paides und philoi). Zum mutmaßlichen Einfluss auf Handlungsräume temenidischer Frauen: Müller 2007, 265–267; Carney 2000, 15; Carney 1993, 318–319. Zur möglichen persischen Vorbildrolle bei der Adaption der Polygamie: Carney 2017, 140, 146; Müller 2015, 471, 474–475; Müller 2013a, 32; Ogden 2011, 92–94; Ogden 1999, 5–7; Greenwalt 1989, 22. Zum persischen Einfluss auf die Münzprägung: Heinrichs 2017, 79–98; Heinrichs/Müller 2008; Paspalas 2006, 99–100. Zum möglichen persischen Einfluss auf die Herrscherrepräsentation: Wiesehöfer 2017, 59–62. Zum persischen Einfluss auf Thrakien vgl. Vassileva 2015, 324–333 (es habe schon vor der Unterwerfung Kulturkontakte und Handel gegeben, aber der Einfluss sei intensiviert worden); Zournatzi 2000. Ob Alexander I. sich auch an den Hauptelementen der achaimenidischen Legitimation, maßgeblich ausgestaltet von Dareios I. und bewahrt durch Xerxes, orientierte, die allgemein für monarchische Strukturen (auch noch nach dem Xerxeszug) verwendbar waren, ist ungewiss. Es wären folgende: 1) königliche Abkunft (DB I § 3; XPa § 2); 2) göttliche Auserwählung und Schutz durch den höchsten Gott (DB I § 3; XPa § 2); 3) persönliche Exzellenz des einen Auserwählten (DB I § 13; XPh § 4c); 4) Herrschaftsrecht über eroberte Länder (z.B. DB I § 6; XPa § 4). Vgl. Rollinger 2017, 210– 213: Legitimation durch göttliche Sanktionierung, Abstammung und Tat. Bei der temenidischen Aufstiegsgeschichte in Herodots Version (8,137–139) handelt es sich um die essentiellen Elemente: 1) königliche, griechische und heraklidische Abkunft; 2) göttliche Auserwählung und
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Immerhin bieten numismatische Zeugnisse einen Hinweis. Der Beginn der temenidischen Münzprägung fiel in Alexanders Regierung und hing mit der Vorbereitung des Xerxeszugs zusammen.450 Er prägte Kleinmünzen für die makedonischen Soldaten, die mit dem Bau des Athoskanals und dem Anlegen von Marschrouten für das persische Heer und Versorgungsdepots in Makedonien beschäftigt waren und sich auf lokalen Märkten selbst versorgen mussten.451 In punkto Ikonographie orientierte sich Alexander ebenfalls partiell am persischen Vorbild. So kombinierte eine seiner Münzserien thrakische, chalkidische und persische Elemente bei dem nachhaltigen Avers-Image des „makedonischen Reiters“.452 Für die aus verschiedenen Inspirationsquellen schöpfende Figur stand unter anderem der wehrhafte Großkönig als Eroberer und Landesschützer auf achaimenidischen Münzen Pate.453 Die Waffen des makedonischen Reiters können variieren, doch besonders signifikant ist der akinakes, das persische Kurzschwert,454 das er auf den frühesten Prägungen deutlich betont in seiner Faust hält.455 Als goldenes Ehrengeschenk des Großkönigs konnte ein solcher akinakes an verdiente Funktionäre gehen,456 denen er als Statussymbole diente.457 Sollte auch Alexander eine solche Ehrengabe von Dareios oder Xerxes erhalten haben, könnte der Reiter entweder den Herrscher selbst,458 eine ideale Personifikation seiner Herrscherwürde oder ein Sinnbild temenidischer Herrscherqualifikationen darstellen,459 wobei auch eine ........................................................................................................................................................................... Schutz durch Zeus; 3) persönliche Exzellenz des einen Auserwählten; 4) Herrschaftsrecht über eroberte Länder (Nieder- und Obermakedonien). 450 Vgl. Heinrichs 2017, 91–95. Pace Tačeva 1992, 60, die vermutet, schon Amyntas I. habe für die Tributzahlung an die Perser Münzen geprägt, die eine Ziegenprotome auf dem Avers und das Quadratum incusum auf dem Revers gezeigt hätten. Indes konnten Tribute in Edelmetall an den Perserkönig auch in Barrenform erfolgen, vgl. Kuhrt 2010, 643. Zu Alexander I. als Initiator der temenidischen Münzprägung vgl. Greenwalt 2015a, 341; Kremydi 2011, 161–163; Nicolet-Pierre 2002, 189; Hammond 1989, 46; Hammond/Griffith 1979, 100, 104; Kraay 1976, 142–143; Edson 1970, 29; Raymond 1953, 85, 100–107. Siehe auch Knowles 2014, 16. 451 Hdt. 7,25,2. Vgl. Heinrichs 2017, 90; Heinrichs/Müller 2008, 287; Brosius 2003, 230. 452 Vgl. Heinrichs 2017, 80–88; Heinrichs/Müller 2008, 295–304; Seyer 2007, 100–102; Picard 1986. Zu den thrakischen Elementen: Greenwalt 2015a, 341; Nicolet-Pierre 2002, 189; Tačeva 1992, 63–69. 453 Vgl. Heinrichs 2017, 80, 84–87; Brosius 2003, 231. 454 Hdt. 3,118,2; 7,54, 2–3; Xen. an. 1,2,27; Curt. 3,3,18; Dem. 24,129; Anaximenes BNJ 72, F 15. 455 Vgl. Heinrichs 2017, 80, 84; Heinrichs/Müller 2008, 292–295. Siehe Abb. 1. 456 Hdt. 8,120 zu Xerxes; Xen. an. 1,2,27. 8,29. 457 Vgl. Heinrichs 2017, 84–85; Heinrichs/Müller 2008, 291; Kuhrt 1995, 689. Zu den Geschenken des Perserkönigs in Xerxes’ Zeit vgl. Stoneman 2015, 73–74. 458 Vgl. Heinrichs 2017, 80; Hammond 1989, 46, der zumindest bei den Oktodrachmen Alexanders I. annimmt, der Reiter zeige „clearly himself“. Pace Nicolet-Pierre 2002, 189: Man könne nicht von einem Porträt ausgehen. 459 Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 295; Carney 2002, 60–61; Price 1991, 10; Picard 1986, 75. Zum Reiter auf Alexanders größeren Nominalen vgl. Price 1991, 18–22.
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mehrdeutige Lesart mit fließenden Grenzen möglich ist. Nach der persischen Niederlage und dem Abzug musste die Ikonographie dem Wandel der Zeiten und der temenidischen Politik angepasst werden: Der akinakes des Reiters wurde erst diskret in eine Mantelfalte verwandelt und verschwand dann ganz.460 Wie einst sein Vater half auch Alexander einem athenischen Politiker auf der Flucht, der Schutz am persischen Hof fand: diesmal Themistokles.461 Als dieser wegen Landesverrats verurteilt wurde, kam er auf dem Weg nach Kleinasien in Pydna unter, laut Thukydides eine Stadt Alexanders.462 Inwiefern dies darauf verweist, dass Alexander seine guten Beziehungen zum Achaimenidenhof nie ganz kappte, auch wenn er gleichzeitig seine griechischen Verbindungen pflegte, ist offen. Als die persischen Truppen aus dem thrakisch-makedonischen Raum abzogen, kreisten schnell die Geier. Gestützt auf den impact der Siege im Xerxeszug rückten die Athener im Zuge der Aushebung der letzten persischen Stützpunkte nach. Von thrakischer Seite wird es ebenso Ambitionen gegeben haben, in das hinterlassene Kontrollvakuum vorzustoßen wie von makedonischer. Alexander operierte wohl parallel zu den Athenern im Strymongebiet. Zumeist wird angenommen, dass er zu ihnen in offene Konkurrenz trat und eine neue Phase der Feindseligkeiten heraufbeschwor.463 Dies ist aber nicht das wahrscheinlichste Szenario, nachdem Alexander sich mit allen Mitteln um eine Versöhnung mit den Athenern nach dem Xerxeszug bemüht und dabei offenbar auf offene Ohren gestoßen war.464 Er scheint nicht auf Konfrontationskurs gegangen zu sein, sondern in einem Übereinkommen mit den Athe............................................ 460 Vgl. Heinrichs 2017, 85–86; Heinrichs/Müller 2008, 291. 461 Thuk. 1,135,3.136,1–4. 137,3–138,4; Plut. Them. 23,1. Vorausgegangen war seine Verbannung durch das Scherbengericht Ende der 470er Jahre. Die Datierung der Flucht ist umstritten, vgl. Steinbrecher 1985, 16–29, der sie auf 467 ansetzt. Er erwähnt bei seiner Auflistung der Stationen der Flucht jedoch Pydna nicht. 462 Plut. Them. 25,3; Thuk. 1,137,1–2. Vgl. Sprawski 2010, 142; Zahrnt 2006a, 590; Blösel 1994, 126–129; Wirth 1985, 20; Hammond/Griffith 1979, 102. Gemäß Ps.-Them. Ep. 20,15 und Ep. 5,6 half ihm Alexander mit einem seiner Schiffe und ermöglichte ihm die Seepassage. Vgl. Doenges 1981, 34, 149, 282. Der Quellenwert dieser Pseudo-Episteln ist umstritten. Cole 1978, 48–49 vermutet, dass die beiden Männer sich getroffen und eine frühere Bekanntschaft vertieft hätten. Blösel 1994, 129, m. A. 121 hingegen argumentiert für eine Themistokles-feindliche Interpolation. Nach Thuk. 1,137,2 setzte er mit einem Frachtschiff über. Es ist aber keine Rede davon, dass es Alexander gehörte. 463 So gehen von Konkurrenz und quasi einem Wettrennen im Strymongebiet zwischen Alexander und Athen aus: Marx 2013b, 50; Mari 2014b, 87; Psoma 2014, 135–136; Picard 2006, 269–283; Whitehorne 1994, 15–16; Hammond/Griffith 1979, 102, 113–114. Zu Alexanders Gewinnen vgl. Psoma 2014, 135; Landucci 2013; Loukopoulou/Psoma 2007, 145, A. 8; Picard 2006, 269–283; Geyer 1930, 50. Zur Besiedlungsgeschichte des Strymongebiets vgl. Tiverios 2008, 66–72. 464 Vgl. Zahrnt 2011, 774–775.
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nern zugesehen zu haben, dass er seinem Reich so viel Gebiet zuschlug, wie sie (und die Thraker auf der anderen Seite) es zuließen.465 In jener Zeit mag er die westlich gelegene Bisaltia –466 deren temenidische Eroberung unterschiedlich datiert wird –467 oder wenigstens die Teile, in denen die Edelmetallvorkommen lagen, unterworfen haben.468 Vermutlich bedauerten die Athener später, ihm diesen Zugriff auf die Bergwerke gelassen zu haben.469 In der Zeit der Eroberung selbst scheint er jedoch mit Kimon als athenischem Vertreter ein Auskommen gehabt zu haben. Auch mit den thrakischen Ethnien wird ein Arrangement oder eine Kooperation vermutet.470 Jedenfalls gibt es keine Zeugnisse zu Konflikten mit thrakischen Ethnien, auch wenn dieses argumentum ex silentio gerade angesichts der kargen Evidenz nicht hieb- und stichfest ist. In der letzten Herrschaftszeit Alexanders war die athenische Kontrolle im nordgriechischen Raum noch im Ausbau begriffen. Die Regierung seines ............................................ 465 Auf ein Arrangement mit Kimon, der vor Eïon operierte, verweist zumindest die Behauptung bei Plut. Kim. 14,3, Kimons Gegner hätten ihm später (463/2, vgl. DeBruyn 1995, 64) vorgeworfen, er habe sich von Alexander bestechen lassen – somit alte Geschichten hervorgezerrt und umgedeutet. Vgl. Archibald 1998, 115; Raymond 1953, 108, 120. Edson 1970, 33 sieht auch einen Bezug zu den bisaltischen Minen. Zum Prozess vgl. DeBruyn 1995, 63–68; Bauman 1990, 28–31. Siehe auch Sears 2013, 73–74. Das scheint auf Theopompos gewirkt zu haben, der Kimon generell Profitgier und Hang zur Korruption unterstellt (BNJ 115, F 90). Vgl. auch Sears 2013, 74, A. 69. Blamire 1989, 156 verweist darauf, dass unklar sei, warum von Kimon eine feindliche Aktion gegen Alexander I. erwartet worden sei, und gibt als eine Möglichkeit an, dass dessen territoriale Expansion im Strymongebiet als Bedrohung athenischer Interessen gegolten habe. Hammond/Griffith 1979, 103 zufolge habe Kimon den Auftrag erhalten, Alexander von den bisaltischen Minen zu vertreiben. Ähnlich: Mari 2014b, 84–87: Konkurrenz zwischen ihm und Kimon um die Minen. Ebenso: Psoma 2014, 135–136. Etwas anders sieht es Sears 2013, 72: Kimons Erfolge seien so groß gewesen, dass viele Athener gedacht hätten, es reiche auch noch für ein Vorgehen gegen Makedonien. Knowles 2014, 21–22 vertritt die sehr gewagte These, in Funden von Münzen Alexanders I. das Bestechungsgeld für Kimon vermuten zu können. Dagegen gehen Meritt et al. 1950, 313 ebenfalls davon aus, Kimon habe Alexander die bisaltischen Silberminen ausbeuten lassen. Zu Kimons politischen Konzepten vgl. Steinbrecher 1985, 155–163. 466 Zur Lokalisierung vgl. Flensted-Jensen 2004, 810: westlich des unteren Strymonverlaufs. 467 Vor dem Abzug der Perser: Rosen 1987, 33–35 (Geschenk des Xerxes). Um 480: Zahrnt 1984, 363. Nach dem Abzug der Perser, in den frühen 470ern: Heinrichs 2017, 79, A. 1; Landucci 2013; Tačeva 1992, 59–60; Hammond/Griffith 1979, 99, 113; Edson 1970, 28; Kaerst 1893, 1411. Spätdatierung nach 460: Xydopoulos 2016; Psoma 2014, 136; Vasilev 2011b, 21; Kagan 1987, 21– 28. Sehr weit gefasst, zwischen 479–465: Knowles 2014, 18. Siehe auch Archibald 1998, 114. 468 Hdt. 5,17,2. Vgl. Heinrichs 2017, 79, A. 1; Zahrnt 1984, 362. Zahrnt 2009, 8 vermutet, er habe in dieser Zeit Gebietsgewinne wie die Bisaltia gemacht, aber in seinen letzten Jahren Verluste an den westlichen Ufern des Strymon erlitten. Vgl. Zahrnt 1984, 361–365. 469 Ähnlich: Archibald 1998, 115. 470 Vgl. Zannis 2014, 369–377, 409–420; Mari 2014b, 87; Kosmidou 2013, 15, 17, 23; Tačeva 1990, 71–72 (allerdings mit in die Kritik geratenen Interpretationen numismatischer Zeugnisse, vgl. etwa Vasilev 2011b, 20–21). Dagegen gehen Hammond/Griffith 1979, 113–114 zumindest von einer Konkurrenz mit den Edonern aus. Nicht in schriftlichen Quellen erwähnt, aber durch seine Münzprägungen bekannt ist der edonische Herrscher Getas, den Kraay 1976, 139 als Zeitgenossen Alexanders I. datiert. Getas prägte Münzen mit seinem Namen, basileus-Titel und Verweis auf seinen edonischen Zugehörigkeitskontext, die auf dem Avers einen nackten Hirten mit Petasos und zwei Stieren zeigten. Vgl. Raymond 1953, 118.
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Sohns fiel in die Hochphase athenischer Kontrolle in Nordgriechenland – mit entsprechenden Konsequenzen für die temenidischen Handlungsräume. Es ist zu betonen, dass die Probleme mit einem einflussreichen Herrschaftsfaktor im thrakisch-makedonischen Raum für die Temeniden offenbar nicht mit den Achaimeniden begannen.471
............................................ 471 Pace Hammond/Griffith 1979, 102 mit der These, für die Makedonen hätten die Athener die Perser als Bedrohung ihrer Freiheit ersetzt.
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IV Perdikkas’ Frühzeit Perdikkas’ „dunkles Zeitalter“ Es ist ein generelles Problem der Geschichte der Temeniden, dass sie zumeist erst nach Herrschaftsantritt in den antiken Quellen auftauchen.472 Auch Perdikkas’ Kindheit, Jugend und Frühzeit liegen im Dunkeln. Aus seiner athenischen Perspektive heraus wird Thukydides weder Interesse an Perdikkas’ Heranwachsen gehabt noch einen Sinn darin gesehen haben, davon im Rahmen einer Geschichte über den Peloponnesischen Krieg zu berichten. Für die Ausgestaltung seines Porträts von Perdikkas als eines unzuverlässigen Bündnispartners waren zudem keine Hintergrundinformationen über seinen Werdegang nötig. Auch für Thukydides’ Publikum wird Perdikkas nur dann von Belang gewesen sein, wenn er als makedonischer Herrrscher Athens politische Wege kreuzte. Grundzüge der höfischen paideia hochrangiger Makedonen sind zumindest für das späte Temenidenreich bekannt: Sie war militärischer, politischer, philosophischer und musischer Art, wobei der Fokus auf militärischpolitischen Erfordernissen lag.473 Vermutlich erhielt der junge Perdikkas eine vergleichbare Erziehung am Hof, im Kreis seiner Brüder und der Söhne der hochrangigen Führungskräfte, zu denen – als den zukünftigen Funktionären – er beizeiten nützliche Verbindungen knüpfen sollte. Er wird von Kindesbeinen an gelernt haben, zu reiten, mit verschiedenen Waffen zu kämpfen, zu jagen ............................................ 472 Selbst über die Jugend von Philipp II. und Alexander III., den prominentesten Vertretern, ist wenig bekannt. Bei Philipp II. ist es sein Geiselaufenthalt in Theben, dem ein äußerst knappes Schlaglicht auf zumindest diese Phase seiner Jugend zu verdanken ist: Diod. 15,67,4; Plut. Pelop. 26; Just. 7,5,3. Die angebliche illyrische Geiselhaft Philipps, die Theben vorangegangen sein soll (Diod. 16,2,2; Just. 7,5,1–2), scheint ein Irrtum der Quellen und chronologisch kaum praktikabel zu sein, vgl. Müller 2016, 218–219. Mündliche Bestätigung von Frances Pownall, der ich dafür herzlich danke. Pace Howe 2017, 99–100. Zudem erwähnt Aischin. 2,28 eine Szene, die jedoch stark rhetorisch überformt ist. Für Alexander III. ist etwas mehr, aber in der Summe doch wenig erhalten – vor allem angesichts des Umstands, dass wohl der Zugteilnehmer Onesikritos in seiner Schrift Πῶς ᾿Αλέξανδρος ἤχθη (Wie Alexander erzogen wurde) über seine Kindheit und Jugend schrieb. Es wird vermutet, dass Plutarchs – wenngleich häufig problematische, da retrospektiv verklärte – Informationen zu Alexanders Kindheit und Jugend auf Onesikritos zurückgehen, auch wenn er ihn nicht explizit zitiert. Vgl. Pédech 1984, 77, 98–99; Hammond 1983, 58; Hamilton 1969, LIII. Primäres Interesse hatte die Nachwelt an Alexander als Herrscher auf Feldzug – wahlweise als Leitfigur oder Negativexempel. Wenn schon der Werdegang dieser ikonischen Berühmtheit unter den Temeniden wenig interessierte, verwundert kaum, dass über Perdikkas keine Informationen zu finden sind. 473 Curt. 8,6,5.
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und sich militärisch-strategisches Know-How und Grundlagen des diplomatischen Umgangs anzueignen.474 Zudem wird er Möglichkeiten gehabt haben, sich öffentlich zu bewähren, etwa bei Feldzügen, administrativen, kultischen und diplomatischen Aufgaben und in der Repräsentationspolitik (Auftritte bei Feiern und Festspielen, Stiftungstätigkeit). Vermutlich wurde Perdikkas auch in höfischen Interna geschult, erhielt instruktive Einblicke in die Strukturen von Reich, factions und Gastfreundschaften und wurde eingeweiht, wem er vertrauen konnte und mit wem er sich gut zu stellen hatte. Ein solches Hoheitswissen wurde idealiter vom regierenden Herrscher selbst vermittelt. Es wäre interessant, zu wissen, was Alexander seinem Sohn hinsichtlich des Perserreichs geraten hat, doch gibt es keine Hinweise auf temenidisch-persische Kontakte während Perdikkas’ Regierungszeit – auch nicht auf Spannungen.
Perdikkas II., seine Geschwister und die Bedeutung ihrer Namen Für Alexander I. sind sechs Kinder belegt, eine Tochter und fünf Söhne.475 Inwiefern der bei Thukydides erwähnte Iolaos, den Perdikkas 432 als seine Stellvertretung am Hof einsetzte,476 ein sechster Sohn war, wie Psoma vermutet,477 ist ungewiss. Für keins der Kinder ist der Name der Mutter überliefert.478 Daher bleibt ungewiss, wie viele Frauen Alexander hatte und ob er bereits polygam lebte. Gesichert ist dies erst für Philipp II. mit seinen sieben Ehefrauen.479 Trogus-Justin zufolge praktizierte Philipp diese Polygamie regio more susceptos,480 ohne jedoch konkreter zu werden, ab wann sie temenidische Tradition war. Allerdings gibt es bei Philipps Vater Amyntas III. zumindest An............................................ 474 Vgl. Carney 2003. Zur Bedeutung der Jagd, auch als Vorbereitung für den Krieg, vgl. Greenwalt 2015a, 348; Hatzopoulos 1994a, 87–111. 475 Vgl. Borza 1990, 134. 476 Thuk. 1,62,2. Wo genau er ihn einsetzte, ist umstritten, aber der Hof ist die wahrscheinlichste Variante, vgl. Kap. V. Siehe auch Hatzopoulos 1987, 56–57; Hammond/Griffith 1979, 123, 134. 477 Vgl. Psoma 2015b, 16–17. 478 Zur Möglichkeit, dass die in der problematischen Quelle Vita Hipp. sec. Sor. 5 erwähnte Phila Alexanders Ehefrau war, siehe Kap. VI. Basierend auf Schol. Thuk. 1,57,3 (der Information, dass Derdas (wohl aus Elimeia) der Cousin von Philipp und Perdikkas war), geht Carney 2017, 141, A. 17 davon aus, dass eine Frau von Alexander I. aus Elimeia kam. 479 Athen. 13,557 B-E. Carney 2017, 140 geht davon aus, dass die Polygamie schon früher bei den Temeniden praktiziert wurde, aber Philipp dies in einer präzedenzlosen Dimension betrieben habe. 480 Just. 9,8,3.
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haltspunkte für eine polygame Praxis.481 Zumeist wird sie auch für seine Vorgänger bis Alexander I. inklusive angenommen,482 der häufig als diesbezüglicher Initiator gilt,483 entweder in Anlehnung an das achaimenidische Vorbild, von dem er in der ersten Phase seiner Regierung beeinflusst war,484 oder an das thrakische.485 Die Geburtsjahre von Alexanders Kindern sind ebenfalls ungewiss. Da es im temenidischen Makedonien keine Regelung einer Primogenitur gab, ist nicht gesagt, dass Perdikkas der Älteste war. Ein onomastischer Blickwinkel könnte eventuell helfen, zu rekonstruieren, wann er und seine Geschwister geboren wurden, unter der Prämisse, dass die Namensgebung mit der Politik ihres Vaters und den Zeitumständen zu tun hatte. Namen haben Symbolkraft, wecken Assoziationen und erinnern an archetypische Trägerinnen und Träger.486 Bei Herrscherfamilien reflektieren sie häufig Elemente eines politischen Programms, der dynastischen Selbstdarstellung und ideologischen Repräsentation. Sie konnten auch ein dynastisches Markenzeichen sein wie bei den Ptolemäern, bei denen der Name des Reichs............................................ 481 Just. 7,4,5. Für ihn sind sieben Kinder von zwei unterschiedlichen Frauen, Gygaia und Eurydike, bekannt, die sie vermutlich parallel und abwechselnd von ihm bekamen. Zu ihren Namen vgl. Psoma 2015b, 17. 482 Vgl. Carney 2017, 139–140; Bowden 2014, 17–18; Greenwalt 1989, 22. Zu einem Überblick siehe Ogden 1999, ix-xix. Ein anderer Beleg könnte Aelians Information sein, dass Menelaos (angeblich) als illegitimer Sohn Alexanders I. gegolten habe: „Μενέλαος ὁ Φιλίππου πάππος ἐς τοὺς νόθους ἐτέλει“ (Ael. VH 12,43). Dahinter könnte das Unverständnis monogam sozialisierter griechischer und römischer Autoren bezüglich polygamer Strukturen als häufiges Phänomen in antiker Literatur stecken. Ihre Hinweise auf illegitime Frauen neben einer Ehefrau eines Herrschers und legitime Sprösslinge neben unrechtmäßigen sind häufig Indikator für eine polygame Praxis, welche die Autoren missdeuteten. Vgl. Müller 2009a, 19. Der Begriff παλλακή beziehungsweise pelex oder pallacis wurde im Sinne von Konkubine – ohne Ehestand; zudem abgewertet, auf sexuelle Konnotation reduziert, noch degradierender: saltatrix, Tänzerin oder sogar scortum, Prostituierte – für Herrscherfrauen polygamer Systeme gebraucht. Die vermeintliche einzig legitime Ehefrau wurde dagegen als γυνή oder uxor bezeichnet. Vgl. Müller 2015, 475– 476. Entsprechend wurde auch ein terminologischer Unterschied bezüglich des Nachwuchses gemacht: Kinder von solchen irrtümlich als „Konkubinen“ charakterisierten Herrscherfrauen trugen dann die stigmatisierende Bezeichnung νόθος im Gegensatz zu γνήσιος. Deutlich wird dies etwa am Beispiel Alexanders III., der (angeblich) in den Geruch der Illegitimität geriet, als Philipp II. seine letzte Frau Kleopatra, hochrangiges Mitglied der in jener Zeit führenden höfischen faction um Attalos und Parmenion heiratete: Plut. Alex. 9,4–5; Athen. 13,557 D-E; Just. 9,7,3–5. Diese Abwertung des Status von Kindern aus polygamen Hofstrukturen bei griechischen und römischen Autoren war jedoch die unzutreffende Außensicht. In einem polygamen System waren die Kinder der Ehefrauen des Herrschers legitim. Zu griechischen Topoi zur Polygamie siehe auch Hammond 1989, 33. 483 Vgl. Bowden 2014, 17–18. 484 Vgl. Carney 2017, 139; Müller 2015, 472–473; Ogden 1999, 5–7; Greenwalt 1989, 22. 485 Vgl. Sears 2013, 66–67 mit Bezug auf Hdt. 5,5. Hammond 1956, 120, A. 3 nennt auch griechische Aristokraten der archaischen und klassischen Zeit, die aus politischen Zwecken mitunter polygame Ehen eingegangen seien, als Vorbilder. 486 Vgl. allgemein Morpurgo Davies 2000. Sie betont, dass sie intentional gegeben wurden und Gruppenzugehörigkeit vermitteln können.
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gründers, Ptolemaios, für jeden männlichen Erben zum „Siegel“ für die Zugehörigkeit zum Herrscherhaus wurde. Mit Namensgebung konnte man an bestehende Traditionen anknüpfen oder sich davon abgrenzen, Leitbilder aufzeigen und auf politische Erfolge oder genealogisches Prestige verweisen. So trugen etwa die Mitglieder der molossischen Aiakiden-Dynastie Namen, die an ihre Abkunft über Neoptolemos von Achilles erinnerte.487 Voranzuschicken ist, dass Thronnamen im Temenidenreich nicht üblich waren. Zwar gibt es die Minderheitenthese, dass Aëropos (399–396/5) den Thronnamen Archelaos angenommen habe,488 doch leitet sich dies von einem offenbaren Irrtum des Synkellos oder seiner Quellen ab.489 Die Legenden von Aëropos’ Münzprägungen lauten ΑΕΡΟΠΟ und belegen, dass er sich nicht Archelaos nannte.490 Auch mit Marchs Zuschreibung des Thronnamens Archelaos an Argaios, einen Prätendenten während der frühen Herrschaft Amyntas’ III.,491 basierend auf einem schwierig zu deutenden TheopomposFragment,492 begibt man sich aufs Glatteis: Es ist nicht einmal klar, ob Argaios überhaupt akklamiert wurde.493 Gesichert ist die Annahme eines temenidischen Thronnamens nur einmal, in der Endzeit des Reichs, der Ausnahmesituation nach dem Tod Alexanders III., in der in vielerlei Hinsicht mit bestehenden Traditionen gebrochen wurde. Um seine Legitimation aufzupolieren – was vor allem seinen Drahtziehern zugutekam –, wurde Alexanders mental retardierter Halbbruder Arrhidaios nach seiner Akklamation 323 mit dem Thronnamen Philipp versehen.494 Diese Reminiszenz an seinen erfolgreichen, ............................................ 487 Strab. 7,5. Vgl. Carney 2006, 16, 146, A. 81; Heckel 2006, 181. Die Mutter Alexanders III., bekannt unter ihrem (späteren) Namen Olympias, hieß Polyxena, ihr Vater Neoptolemos und ihre Geschwister hießen Troas und Alexander (Just. 7,6,10–11; 8,6,4–5). 488 Vgl. March 1995, 261, 264, 280. 489 Synkellos 494 (Archelaos), 500 (Aëropos). 490 Vgl. SNG ANS 8 Macedonia II, Nr. 76–87; SNG ANS 8 Macedonia I, pl. VII-VIII, Nr. 172–176; Gaebler 1936, 157, Nr. 1–4. Auch bei Diod. 14,37,6; Polyain. 2,1,17; 4,4,3 und Plut. Ages. 16,2 heißt er Aëropos. 491 Die Datierung seines Auftretens ist umstritten: Ende 390er oder 387–385: Diod. 14,92,3. Vgl. Zahrnt 2006b, 131, A. 12. 492 BNJ 115, F 29 (vgl. Shrimpton 1991, 219: „Argaeus … Concerning this man Theopompus also speaks in book I of the Philippica: ‘They call Archelaus [or: Argaeus and Pausanias sons of Archelaus?] both Argeaeus and Pausanias’?”. Vgl. March 1995, 280. 493 Vgl. Müller 2016a, 207–208; Borza 1990, 182. Zweifelnd auch: Zahrnt 2006b, 131, m. A. 12. 494 Curt. 10,7,7; Diod. 18,2,4; Arr. Succ. 1,1. Vgl. Psoma 2015b, 22; Heckel 2006, 53. Auch Arrhidaios’ frischgebackene Ehefrau Adea nahm einen neuen Namen an, der auf der identischen thematischen Ebene lag: Eurydike (Arr. Succ. 1,23; vgl. Psoma 2015b, 16), wie die Mutter Philipps II., die noch in dessen Regierung in der Kulturpolitik präsent gewesen war (Plut. mor. 14 C; Philipp ehrte sie auch mit einer Statue in seiner Familiengruppe im Philippeion, seinem Weihgeschenk an Zeus, im Hain von Olympia: Paus. 5,17,4. 20,10). Zu Adeas Laufbahn vgl. Heckel 2006, 4–5; Carney 1987. Namenswechsel von Herrscherfrauen als Meta-Ebene für ideologi-
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von den Makedonen verehrten Vater Philipp II. beinhaltete eine programmatische Referenz zu den „guten alten Zeiten“ – wohl mit kalkulierter nostalgischer Wirkung auf Kreise, die mit Alexanders Tendenz zur Autokratie und seiner Persienpolitik gehadert und ihren verlorenen Handlungsspielräumen nachgetrauert hatten. Ein temenidischer Thronname war indes eine Ausnahmeerscheinung. Zu makedonischen und temenidischen Namen gibt es bereits wegweisende Forschungsergebnisse. Miltiades Hatzopoulos unterteilt sie in vier Kategorien: 1) Namen mit klarer griechischer Etymologie, die aus phonetischen Gründen oder weil sie in der Antike fast nur in Makedonien zu finden seien als landesüblich gelten können; 2) panhellenische Namen, bei denen viele zugleich landesüblich und in Makedonien höchst beliebt waren; 3) „fremde“ Namen (etwa thrakische oder illyrische), 4) Namen ohne erkennbare griechische Etymologie, die jedoch einer anderen nicht-griechischen Sprachgruppe zugeordnet werden können.495 Der früheste epigraphische Beleg für makedonische Namen stammt aus der Zeit von Perdikkas, ein Friedensvertrag mit Athen, und listet nicht nur Namen von Temeniden, sondern auch von führenden Obermakedonen und anderen Makedonen auf.496 In einem Vergleich mit einer Inschrift aus dem 4. Jh. v. Chr., die eponyme Priester in Kalindoia nennt,497 stellt Hatzopoulos fest: „the onomastic habits of the Macedonians changed only marginally after during the century that separates them.“498 Elizabeth Carney konstatiert für die Namen von Temenidinnen: „the choice of politically significant names marked the comparatively public status of royal women“.499 Dies lässt sich auf die Namen der Söhne eines Temenidenherrschers übertragen, die auch als Projektionsflächen der politischen Selbstprofilierung dienten. Jedes verfügbare Mitglied des Hauses konnte einen Anteil an der Außendarstellung liefern. Selene Psomas Analyse der temenidischen Namensgebung ergibt folgende Regelfälle: Benennung nach Großeltern, Eltern, verdienten Vorfahren, toten ........................................................................................................................................................................... sche Repräsentation sind auch bereits unter der Herrschaft Philipps II. bekannt. Vgl. Psoma 2015b, 16, 22. Olympias für Myrtale, später (?) Polyxena: Plut. mor. 401 A-B. Vgl. Carney 2006, 95; Heckel 1981, 79–86; vielleicht Kleopatra als Eurydike auf Basis von Arr. an. 3,6,5, vgl. Heckel 2006, 89. Auch in diesen Fällen kann jedoch nicht von Thronnamen ausgegangen werden, die einen neuen Namen für den akklamierten Herrscher meinen. 495 Vgl. Hatzopoulos 2000, 103. Siehe auch Blažek 2005, 24. 496 IG I3 89. Vgl. Kap. V zum historischen Kontext. 497 SEG 36,626. Zur Lokalisierung von Kalindoia vgl. Tsigarida 2011, 151–152. 498 Hatzopoulos 2000, 103. 499 Carney 2006, 16. Vgl. Carney 2000, 62–63.
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Verwandten oder mythischen Figuren. Insgesamt sei es den Temeniden darum gegangen, auf ihre ruhmreiche Vergangenheit zu verweisen, auf ihre Verbindung zu Argos und dem argivischen Mythenkreis sowie auf ihre militärischen Erfolge.500 Wie die folgende Analyse – mit aller gebotenen Vorsicht angesichts des spekulativen Charakters – zeigen könnte, verstand es der gewiefte Politiker Alexander I., die repräsentative Nebenplattform der Namensgebung seiner Kinder zu nutzen, um seine Familie und seine eigene Regierungstätigkeit ins rechte Licht zu rücken. Er nannte einen seiner Söhne nach seinem Großvater Alketas – zudem ein charakteristisch makedonischer Name –,501 und einen nach seinem Vater, Amyntas. Gerade die Benennung des ersten Sohns nach dem eigenen Großvater und des zweiten nach dem Vater war ein in makedonischen Führungshäusern häufiges Modell.502 Alketas könnte der älteste und Amyntas der zweitälteste Sohn Alexanders gewesen sein. Ihre Namen reflektieren Alexanders Berufung auf seine Vorgänger, somit die Anerkennung ihrer politischen Leistungen. Über Alketas’ Herrschaft ist nichts bekannt; es bleibt ungewiss, worauf er rekurrieren konnte. Die Informationen zur Regierung Amyntas’ I. sind ebenfalls spärlich, doch neben seinem Hilfsangebot an den flüchtenden Peisistratiden Hippias war die Unterwerfung des Reichs unter die persische Oberhoheit einschneidend.503 Das Ereignis war so fest im kulturellen makedonischen und griechischen Gedächtnis verankert, dass es offenbar in Alexanders retuschierender Nachkriegspropaganda positiv für seinen Vater ausgedeutet werden musste. Bei Herodot, dessen Bericht vermutlich auf Alexanders Sprachregelung beruht, ist Amyntas als freundlich-bedachtsamer, väterlicher alter Herr dargestellt, der getreu seiner Aufgabe als Schützer von Reich und Bevölkerung aus Sorge um deren Sicherheit die persische Oberho-
............................................ 500 Vgl. Psoma 2015b, 18–19, 22. Von 28 ausgewerteten Namen seien 7 nach dem Großvater väterlicherseits vergeben worden, 2 nach dem Großvater mütterlicherseits, 4 nach dem Urgroßvater väterlicherseits, 2 nach dem Ururgroßvater väterlicherseits, 5 nach makedonischen Herrschern der Frühgeschichte, 4 nach anderen Verwandten (Onkel), 7 nach einem Bruder und 1 nach dem Vater, der da allerdings schon tot war: Alexander III. stand postum Pate für seinen Sohn Alexander IV. 501 Vgl. Hatzopoulos 2000, 113; Hatzopoulos 1996a, 212. 502 Vgl. Psoma 2015b, 18–19; Landucci Gattinoni 2009, 264; Landucci Gattinoni 2003a, 80–82. Auch im Achaimenidenreich gibt es Hinweise darauf, dass es bei den Geburtsnamen der Mitglieder des Königshauses – nicht bei den Thronnamen mit ihrer wiederum jeweils eigenen Programmatik – eine solche Tradition gab, vgl. Binder 2008, 98. So waren die Geburtsnamen von zwei von Xerxes’ Söhnen mit Amestris laut der griechischen Überlieferung Hystaspes und Dareios. 503 Vgl. Kap. III.
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heit akzeptiert.504 Trotz dieser Verteidigung aus der Retrospektive und dem Umstand, dass ein respektvolles Gedenken an den Vater auch in Hellas verstanden worden wäre, ist denkbar, dass Alexander nach Plataiai vermieden hätte, einem seiner Kinder einen Namen zu geben, der mit der Akzeptanz der persischen Oberhoheit assoziiert war. So wie Alexander den persischen akinakes aus der Faust des makedonischen Reiters von seinen Münzen verschwinden ließ und sich durch öffentliche Gesten als lupenreiner Grieche und Widerständler gegen die Perser inszenierte, könnte er auch onomastische Reminiszenzen an die Zeit der persischen Herrschaft vermieden haben. Wenn dies zuträfe, könnte Amyntas in der Zeit der persischen Oberhoheit geboren worden sein. Alexander kam zwischen 500–498/5 an die Macht. Ein Temenide war nach Schätzung von Greenwalt ungefähr mit Anfang zwanzig im heiratsfähigen Alter.505 Dies war aber sicherlich Schwankungen gemäß der politischen Notwendigkeit unterworfen, wenn im Rahmen von Allianzen verheiratet werden musste, was das Temenidenhaus hergab.506 Dennoch mochte Alexander nicht lange mit der Reproduktion gewartet haben. So ist vorstellbar, dass Alketas und Amyntas die beiden Ältesten waren und in der Zeit der persischen Herrschaft zur Welt kamen.507 Seine anderen drei Söhne nannte Alexander Perdikkas, Philipp und Menelaos, ebenfalls in Makedonien landesübliche und beliebte Namen.508 Die zwei ersteren waren mit der legitimierenden Aufstiegsgeschichte der Temeniden verbunden, die wohl Alexander verbreiten ließ:509 Perdikkas war der Gründer von Reich und Dynastie,510 Philipp I., Sohn des Argaios, sein Enkel.511 ............................................ 504 Hdt. 5,18. 505 Vgl. Greenwalt 1988, 95–97: Bei griechischen Mädchen war es üblicherweise 13–14 Jahre, bei Temenidinnen etwas später. 506 So gibt es ziemliche Schwankungen im späten Temenidenreich. Alexander III. ging seine erste Ehe hoch in seinen 20ern ein, um sich nicht durch einen Thronfolger die eigene Konkurrenz ins Haus zu holen. Seine Halbschwester Thessalonike war nicht verheiratet worden und wurde mit über 30 Jahren Kassanders Braut (Diod. 19,52,1. 61,2; Paus. 9,7,3; 8,7,7; Just. 14,6,13). Vgl. Carney 2017, 141. 507 Vielleicht ist der Parallelfall seiner Schwester ein weiterer Hinweis: Sie heiratete wohl in der Zeit der makedonischen Akzeptanz der persischen Herrschaft (Hdt. 5,21–22; 8,136,1; Just. 7,8,9) und nannte ihren Sohn auch Amyntas (Hdt. 8,136,1). Er war um 480/79 Stadtgouverneur in Kleinasien, was mit einem Geburtsdatum um 510 vereinbar wäre. Vgl. Zahrnt 2011, 761, 763. 508 Vgl. Psoma 2015b, 17; Hatzopoulos 2000, 113. Menelaos taucht als Name auch im Haus der lynkestischen Lokaldynasten im 4. Jh. v. Chr. auf, vgl. Habicht 1977, 512. 509 Hdt. 8,137–139. Vgl. Sprawski 2010a, 129; Badian 2003, 245; Borza 1990, 82–83; Wirth 1985, 19; Rosen 1978, 6; Geyer 1930, 37. 510 Hdt. 8,137,1. 511 Hdt. 8,139; Just. 7,2. Die Datierung seiner Regierungszeit ist schwer einzuschätzen, da die Quellenaussagen auseinandergehen.
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Somit waren es die Namen zum Gründungsmythos: Ausdruck der temenidischen Legitimation und Prädestination zur Herrschaft. Perdikkas bekam den bedeutendsten Namen der Familiengeschichte jener Zeit. Generell umgab den Namen einer Reichsgründerfigur ein besonderes Prestige, weckte Hoffnungen und Assoziationen mit einem Aufbruch in bessere Zeiten und mit Erfolg und war mit Zuschreibungen wie Gunst der Götter, Kriegstüchtigkeit, Klugheit und Handlungsstärke verbunden. Reichsgründer galten meist als Leitfiguren, deren Karrieren mit der Etablierung von Werten, Normen und Ordnungssystemen in Zusammenhang gebracht wurden. Wie bedeutsam die Symbolik des Namens des Reichsgründers war, lässt sich daran erkennen, dass es im Laufe der Zeit abweichende Varianten als Reaktion auf gewandelte Anforderungen gab.512 So dichtete Euripides unter der Patronage von Perdikkas’ Sohn Archelaos eine tragische Neuversion der Gründungsgeschichte und benannte den Reichsgründer nach seinem Mäzen.513 Die Heldentaten dieser Bühnenfigur Archelaos „must have been felt to be somehow reflected on his historical namesake“.514 Anscheinend hatte Archelaos von seinem Vater um die positiven ideologischen Effekte der Namensgleichheit mit der Gründerfigur gelernt. Die Streitfrage, ob der Adressat der temenidischen Aufstiegsgeschichte als „identity card“515 des Hauses primär die makedonische oder die griechische Welt war,516 scheint obsolet, wenn man davon ausgeht, dass beide angesprochen werden sollten – mit unterschiedlicher Akzentsetzung. Gegenüber den Makedonen stellte Alexander sein Haus als die göttlich auserwählte, von Zeus persönlich beschirmte, einzig herrschaftsfähige Familie dar, deren Expansionsleistung es zu verdanken war, dass dionysisch fruchtbares Siedlungsland zur Verfügung stand. Vielleicht war eine nachdrückliche Erinnerung daran, was seiner Familie zu verdanken war, gerade nach dem Xerxesfeldzug nötig geworden, da die Makedonen als Verbündete der Perser mitverloren hatten. Es ist möglich, dass Alexander deswegen den Unmut einiger makedonischer Kreise auf sich gezogen hatte. Dies erklärt auch die Bedeutung der Aufstiegsgeschichte gegenüber dem zweiten Adressaten, der griechischen Welt, in der ............................................ 512 Vgl. Müller 2016a, 85–104; Kapetanopoulos 2013. 513 Vgl. Harder 1985, 125–126, 129–139 (um 408/7). 514 Harder 1985, 129. 515 Koulakiotis 2017, 202. 516 Makedonen: Hatzopoulos 2003, 213, 218. Angedeutet von Carney 2015, 148–149. Griechen (dominierende These): Thomas 2013, 347; Vasilev 2012, 46, m. A. 26; Engels 2010, 90; Patterson 2010, 170–171; Hartmann 2009, 127–128; Welwei 2000, 314; Borza 1990, 81; Borza 1982a; Geyer 1930, 37. Zur Bedeutung des Mythos siehe auch Koulakiotis 2017, 202–203.
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den Kooperationspartnern der Perser ein Strafgericht drohte.517 Nach dem Xerxeszug war es für Alexander besonders angeraten, sich als Abkomme des hellenischen Wohltäters Herakles zu deklarieren – und damit zu suggerieren, dass er niemals ernsthaft auf persischer Seite gestanden haben konnte, sondern im Herzen stets bei den Mitbrüder im Hellenenbund gewesen sei.518 So erscheint möglich, dass Perdikkas und Philipp nach dem Xerxeszug in der Phase von Alexanders Rehabilitierungspolitik, geboren worden waren, in den mittleren und späteren 470er Jahren. Dazu passt die Vermutung von Fraser und Matthews, Perdikkas’ Geburt sei um circa 475 anzusetzen.519 Menelaos ist ein Name, der nicht für einen Temenidenherrscher bekannt ist.520 Psoma ist skeptisch, dass sich etwas über die Hintergründe seiner Benennung sagen lässt.521 Überlegungen kann man indes anstellen. Der Name Menelaos war im griechischen Gedächtnis untrennbar mit dem homerischen Epos verbunden: mit Agamemnons jüngerem Bruder Menelaos, Herrscher über Mykenai und Trojakämpfer.522 Es könnte sein, dass die Namensvergabe ............................................ 517 Vgl. Zahrnt 2011, 766. 518 Hdt. 9,44–46; Plut. Arist. 15,2. 519 Vgl. Fraser/Matthews 2005, 278, Nr. 3. Vgl. Cole 1977, 27: Ein Geburtsdatum vor den 490ern sei unwahrscheinlich. 520 Dennoch mag er dynastisches Potential gehabt und von anderen männlichen Mitgliedern des Hauses, die nicht auf den Thron kamen und aus der Überlieferung verschwanden, getragen worden sein. Vgl. Fraser/Matthews 2005, 229, Nr. 3; Tataki 1998, 368, Nr. 46. Menelaos, Sohn Alexanders I., ist der am frühesten bekannte Träger in Makedonien. Doch mag dies dem Quellenmangel geschuldet sein. Für die spätere Zeit listen Fraser/Matthews 2005, 229–230 43 Beispiele auf, meist ab dem 3. Jh. v. Chr. Einer der bekanntesten Träger des Namens war Menelaos, der Bruder Ptolemaios’ I. (Diod. 19,62,4; Plut. Demetr. 15,2; 16,4), vgl. Tataki 1998, 368, Nr. 48. Er bekam das hochrangige Amt des ersten eponymen Priesters des postumen Alexanderkults in Alexandria, den sein Bruder eingerichtet hatte, vgl. Müller 2009a, 248, A. 605. Von Interesse erscheint in diesem Kontext vielleicht, dass nach Satyros von Alexandria (BNJ 631, F 1) Ptolemaios’ und Menelaos’ Mutter, Arsinoë, eine Temenidin gewesen sei: Als Tochter des Bokros, Sohn des Meleagros, der ein Sohn von Amyntas I. gewesen sei, sei sie dessen Urenkelin. Insofern wäre Menelaos ein Name der temenidischen Familientradition. Indes ist die Historizität von Satyros’ Behauptung stark umstritten. In der Diadochenzeit war es ein legitimatorisches MustHave, sich eine Verbindung zum Temenidenhaus zuzulegen, um die fehlende royale Herkunft zu kaschieren. Von daher mag es sich um einen Fall von inventing traditions in der hellenistischen Zeit gehandelt haben. Vgl. Gambetti 2016. 521 Vgl. Psoma 2015b, 17: „we can’t say anything about the reasons for which this name was chosen.” 522 Vgl. Tausend 1992, 188 (das Menelaos widerfahrene Unrecht als Auslöser für die griechische Koalition vor Troja); Fletcher 1941, 7: Mykenai als homerisches Zentrum. Vgl. Kelly 1976, 8. Siehe allgemein Patzek 1992. Zu Agamemnon, Mykene und Argos vgl. Tausend 1992, 62 mit einer Diskussion der verschiedenen Auslegungen von Il. 2,108. Eine hohe Bedeutung der homerischen Epen, gerade der Ilias, in Makedonien, wird zumindest für das 4. Jh. v. Chr. angenommen, ebenso anekdotenhaft wie unrealistisch ausgedrückt bei Plut. Alex. 8,2. Zur Annahme einer „Homeric quality“ Makedoniens vgl. Greenwalt 2015a, 338; Psoma 2012, 86. Dagegen argumentiert aktuell Moloney 2015, dass dies eher eine literarische Zuschreibung als ein Reflex der makedonischen Kultur gewesen sei. Zahrnt 1984, 367 betont, dass den Makedonen zumindest Ende des 6. Jhs. v. Chr. die homerischen Epen nicht dasselbe bedeutet hätten wie den Griechen, vgl.
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vom tagespolitischen Geschehen inspiriert wurde, als Alexander einen Teil der von Argos vertriebenen Einwohner von Mykenai aufnahm.523 Die Datierung schwankt zwischen 468, 466/5 und 460.524 Diodor spricht von einem ἀνδαπόδισμός, einem Gewaltakt gegen eine Polis, der die Tötung der männlichen kriegsfähigen Einwohner und Versklavung der Frauen und Kinder durch die Argiver mit sich brachte.525 Es waren aber offenbar viele Mykenaier entkommen, die nach Kleonai, Keryneia und Makedonien gingen.526 Unter welchen Vorzeichen sie von Alexander aufgenommen wurden, ist umstritten. Hammond zufolge handelte Alexander dank kontinuierlich guter Beziehungen zu Argos in Abstimmung mit den Argivern.527 Wolff dagegen interpretiert die Übersiedlung nicht als argivische Maßgabe, sondern als Flucht.528 Es lässt sich nicht bestimmen, ob Alexander im Sinne von Argos oder gegenläufig handelte. In jedem Fall konnte er diese Flüchtlingsaufnahme repräsentationspolitisch nutzen und sich rühmen, Bewohner aus Mykenai aufgenommen zu haben, im griechischen Gedächtnis mit einer homerischen Färbung und Namen wie Menelaos assoziiert, den er dann seinem Sohn gab.529 Sollte Alexander im Einklang mit argivischen Wünschen agiert haben, konnte er dies zusätzlich als Manifest seiner Familienzugehörigkeit zur dynastischen „Heimat“ deklarieren. Handelte er entgegen argivischen Interessen, tat dies dem Link zum homeri........................................................................................................................................................................... Rosen 1978, 19. Isett 1980 spekuliert, warum es zur Namensgebung Alexander in Makedonien kam und nimmt ein griechisches Gastgeschenk in Gestalt einer Ausgabe eines homerischen Epos an Amyntas I. an. Doch sind dies Hypothesen. Zur Beliebtheit des Namens Alexander in Makedonien ab dem 4. Jh. v. Chr. siehe Tataki 2011, 234. 523 Paus. 7,25,6. Vgl. Piérart 2012; Wolff 2010, 177; Sprawski 2010, 141; Tomlinson 2006, 92. 524 Thuk. 1,10,1; Diod. 11,65,2–5; Paus. 2,16,5; 5,23,3; 6,25,6; 7,25,5–6; 8,27,1; Strab. 8,6,10. 19. Vgl. Wolff 2010, 177, 209; Tausend 1992, 101; Kelly 1976, 45. Zur Datierungsfrage vgl. Piérart 1992; Tomlinson 1972, 104. Als ein Problem erweist sich, dass Diodor die Zerstörung von Mykenai und Tiryns nach 368/7 setzt und als Voraussetzung für den argivischen Vorstoß die Schwächung Spartas durch den Helotenaufstand und ein Erdbeben nennt. Vgl. Wolff 2010, 39, 143, A. 799. Tomlinson 1972, 104–105 verweist auf die Datierung des Erdbebens in das Jahr 465, somit auf einen Anachronismus, und nimmt an, dass Diodors Quelle, eventuell Ephoros, solche Schlüsse gezogen habe, um zu erklären, warum Sparta Mykenai nicht zu Hilfe gekommen sei. Für eine Eroberung Mykenais 468 sprechen sich aus: Hansen 2006, 129; Hammond/Griffith 1979, 103. Dagegen sieht Tomlinson 1972, 104 in der Zeit eher den Beginn der Kampagne als das Ende. Das Gebiet Mykenais wurde unter Argos und seinen Verbündeten Kleonai und Tenea aufgeteilt. Vgl. Piérart 2004, 612; Jones 1987, 114. 525 Vgl. Hansen 2006, 53, 128–120; LSJ 128: „selling into slavery, enslaving“. Nicht immer war eine Zerstörung der Stadt miteinbegriffen. 526 Vgl. Hansen 2006, 129. Hammond/Griffith 1979, 103 zufolge ging der Großteil nach Makedonien. Siehe auch Wolff 2010, 177. 527 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 103. Ebenso: Wirth 1985, 21. 528 Vgl. Wolff 2010, 177. Ebenso gelte dies für Kleonai und Keryneia als Ziele. Entsprechend geht sie davon aus, dass Keryneia mykenische Flüchtlinge aufnahm, weil es verwandtschaftliche Beziehungen gegeben habe. 529 Zudem waren, wie Tataki 1994, 84 zumindest für die Folgezeit feststellt, zusammengesetzte Namen, die „laos“ beinhalteten, in Makedonien sehr beliebt.
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schen Erinnerungsort wenig Abbruch. Entsprechend sieht auch Geyer eine Bekundung von Alexanders propagiertem Zugehörigkeitsgefühl zu Hellas generell.530 Rein hypothetisch könnte man daher annehmen, dass Menelaos kurz nach Alexanders Aufnahme vertriebener Mykenaier geboren wurde und sein Name die väterliche Tat verewigte.531 Der Name der Tochter, Stratonike, war in hellenistischer Zeit für die makedonische Führungsschicht häufig,532 im Temenidenreich nicht. Alexanders Tochter ist der am frühesten bekannte Fall.533 Geht man von der Wortbedeutung aus, der Verbindung von στρατός (Heer) und νίκη (Sieg), somit „victory in military matters“,534 liegt die Erinnerung an einen Kriegserfolg nahe.535 Be............................................ 530 Vgl. Geyer 1934, 48. 531 Ein solcher Verweis auf die Hilfe für Mykenai mochte zudem abermals Alexanders philhellenische Inszenierung unterstrichen haben: Vgl. Kaerst 1893, 1412. Dagegen vermutet Cole 1978, 46–47 es habe etwas mit den Aktivitäten des Themistokles und einer vermuteten Verbindung zu Alexander zu tun. Belege lassen sich dafür nicht finden. Mykenai hatte in den Perserkriegen auf Seite des Hellenenbunds ein Aufgebot an die Thermopylen (80 Hopliten) geschickt und, zusammen mit Tiryns, eine Truppe aus 400 Mann für Plataiai gestellt, während Argos neutral geblieben war: Hdt. 7,148–152. 202,1. 204,1; 9,28,4; 9,31; Paus. 5,23,2. Vgl. Piérart 2012; Wolff 2010, 132, m. A. 797, 151; Piérart 2004, 603, 612; Kelly 1974, 81–82; Tomlinson 1972, 33. Auch wurde Mykenai auf der Schlangensäule erwähnt: ML 27; Syll.3 31. Pausanias zufolge sei dies der Grund für den Übergriff vonseiten Argos’ gewesen (2,16,5), doch ist dies eine simplifizierende Formung, eventuell aus der Retrospektive, welche die argivische Expansions- und Hegemonialpolitik in der Argolis legitimierend bemäntelte. Zu Argos’ Expansion vgl. Wolff 2010, 155, 143, 205; Hansen 2006, 129, Piérart 2004, 603, 612; Tomlinson 1972, 31. Nach der Einnahme von Mykenai folgte die argivische Eroberung von Tiryns. Vgl. Hansen 2006, 129; Piérart 2004, 615; Kelly 1974, 83; Tomlinson 1972, 104. Sollte es sich bei dem Gerücht über eine „Bestrafung“ Mykenais vonseiten Argos’ um einen Reflex zeitgenössischer Behauptungen gehandelt haben – etwa, wie auch vermutet wird, um argivische rechtfertigende Propaganda (so Wolff 2010, 143) –, wäre dies Alexander I. sicher zupass gekommen, um seine Kaschierung der Unterstützung Persiens abzurunden. 532 Vgl. Billows 1990, 17, A. 5. Er irrt sich mit dem Hinweis, Perdikkas’ Schwester sei die einzige Trägerin dieses Namens in der makedonischen Geschichte vor der Frau des Antigonos gewesen. Für Olympias ist ebenfalls bezeugt, sie habe zeitweise Stratonike geheißen (Plut. mor. 401 A-B), vgl. Carney 2006, 16; Carney 2000, 63. 533 Fraser/Williams 2005, 318, Nr. 5; Tataki 1998, 437, Nr. 37. Daher geht Edson 1934, 228 davon aus, dass Stratonike, die Frau des Antigonos Monophthalmos, einem temenidischen Zweig angehört habe. Siehe auch Heckel 2006, 32. 534 Carney 2006, 16. 535 Vgl. Psoma 2015b, 20. Dies wird auch für die zweite Temenidin angenommen, für die der Name bezeugt ist: Olympias, die Mutter Alexanders III. (Plut. mor. 401 A-B). Polyxena und Myrtale gelten zumeist als Namen ihrer Mädchenzeit, vgl. Carney 2006, 16; Heckel 2006, 181; Carney 2000, 62–63: somit vor ihrer Heirat mit Philipp II. Zu Myrtale als ihrem Kindernamen: Just. 2,7,13. Der Name Olympias gilt als Wahl Philipps, um den olympischen Sieg seines Wagenlenkers 356, dem Geburtsjahr Alexanders, ins rechte Licht zu rücken. Vgl. Carney 2006, 16. Alternativ wird angenommen, es sei ein Hinweis auf einen Sieg bei den makedonischen isoolympischen Spielen in Dion gewesen. Carney 2006, 16, 146, A. 84; Carney 2000, 63; Pomeroy 1984, 10 und Heckel 1981, 85 nehmen an, dass sie den Namen Stratonike selbst ausgesucht habe, eher wie ein Epithet, zur Erinnerung an den Sieg über Adea-Eurydikes faction 317/6, in der kurzen Zeit ihres aktiven Eingreifens in die Diadochenkämpfe in Makedonien. Sicherlich war damit auch eine Betonung von Olympias’ temenidischem Prestige impliziert, gerade weil es den Namen zuvor in der Dynastie gegeben hatte.
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sonders dreist – Alexander im Zuge seiner Nachkriegsrehabilitierungskampagne aber zuzutrauen – wäre eine Benennung einer Tochter im Andenken an die Schlacht von Plataiai. Alexanders Heer hatte zwar auf der gegnerischen Seite gekämpft und damit gar keinen Anteil am Sieg gehabt. In der manipulativen Umdeutung der Geschehnisse, die sicherlich auf seiner Propaganda beruhte, kam ihm jedoch, wie Herodot und Plutarch bezeugen, der Löwenanteil zu: Angeblich hatte er in einer Nacht-und-Nebelaktion Kopf und Kragen riskiert, um den griechischen Feldherren strategische Interna aus dem persischen Lager zu verraten, die zum hellenischen Schlachtensieg geführt hätten.536 Angesichts dessen, dass Alexander in Delphi ebenso frech wie strategisch geschickt sein Weihgeschenk neben die griechische Weihung aus der Perserbeute von Salamis (und Artemision) positionieren ließ – sich damit bewusst in den Windschatten der Sieger begab –,537 ist ohne weiteres denkbar, dass er auch den Sieg bei Plataiai mit dem Namen seiner Tochter verherrlichte und sich dabei eine Rolle anmaßte, die historisch unzutreffend, aber im Einklang mit seiner Nachkriegsrepräsentation war. Alternativ könnte jedoch ein Erfolg seiner späteren Expansionspolitik in den 470ern und 460ern,538 etwa in der Bisaltia oder in den ostmakedonischen Gebieten, gemeint gewesen sein.539 ............................................ 536 Hdt. 9,44–46; noch dramatischer: Plut. Arist. 15,2. Die Historizität der Episode wird zumeist abgelehnt, vgl. Müller 2016a, 122–124; Sprawski 2010, 139; Heinrichs/Müller 2008, 291; Blösel 2004, 124, m. A. 102; Zahrnt 1992, 248, A. 28; Natoli 2004, 78; Borza 1990, 110. Dagegen vgl. Badian 1994b, 118–119. 537 Hdt. 8,121,2. Vgl. Wiesehöfer 2017, 60; Müller 2016a, 130–132. Dabei bereiteten die Makedonen den Persern nicht einmal auf dem Rückzug durch Makedonien Probleme: Hdt. 9,89,4. Vgl. Hammond/Walbank 1979, 101. 538 Psoma 2015b, 20 geht von Siegen in Krestonia, Mygdonia und Bisaltia aus, deren Eroberungen sie insgesamt nach 480/79 setzt. 539 Überdies mag eine Assoziation mit einer aus der griechischen Mythologie bekannten Namensträgerin intendiert gewesen sein. Vier Namensträgerinnen wären zu diskutieren, vgl. Lyons 1997, 232. Stratonike (1), die Tochter des Porthaon, Königs in Pleuron und Mutter des Eurytos, war die Frau des Apollon-Sohns Melaneus: [Hes.] Cat. 26; Schol. Soph. Trach. 266. Eine besondere Beziehung der Temeniden zu Apollon lässt sich indes unter Alexander nicht feststellen und wird in der Forschung entweder erst unter Archelaos oder unter Philipp II. – im Zuge seiner Verwicklung als Verteidiger der Sache der delphischen Amphiktyonie im Dritten Heiligen Krieg – datiert (Diod. 16,35,1–37,3; Just. 8,2,2–6; vgl. Squillace 2009, 19–24). Stratonike (2) war als Mutter des boiotischen Stadtgründers Poimandros mit Achilles und dem Trojanischen Krieg assoziiert: Achilles verschleppte sie, weil Poimandros nicht gegen Troja in den Krieg ziehen wollte: Plut. mor. 299 C; Paus. 9,20,1. Sollte Stratonike nach Plataiai geboren worden sein, wäre eine Erinnerung an einen Kriegsverweigerer gegen eine östlich konnotierte Macht kontraproduktiv für Alexanders Selbstdarstellung gewesen – zumal auch noch die Assoziation mit Boiotien mitschwang. Dort hatte er im Perserfeldzug als Xerxes’ loyaler Helfer makedonische Garnisonen in die perserfreundlichen Städte gesetzt, um ihre Loyalität zu sichern (Hdt. 8,34). Daher würde eine Benennung nach Poimandros’ Mutter Stratonike allenfalls in dieser kurzen Zeitspanne Sinn ergeben, der jedoch auch nicht recht überzeugt. Die Verbindung mit Achilles wird im Temenidenhaus zudem erst in der Spätzeit relevant, durch die Eheverbindung Philipps II. mit Olympias, Mitglied der molossischen Aiakiden, die sich von Achilles herleiteten, vgl. Funke 2000, 19–97. Doch selbst daraufhin spielte Achilles in der Münzprägung keine Rolle. Vor allem
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Dies wäre eher anzunehmen, geht man davon aus, dass Stratonikes Heirat 429/8 mit dem odrysischen Herrscherneffen Seuthes einen vagen Hinweis auf ihr Alter geben könnte.540 Allerdings ist dieser Hinweis vermutlich sehr vage. Zwar setzt Greenwalt das übliche Heiratsalter von Temenidinnen auf etwas über 13–14 Jahre.541 Zudem wird argumentiert, falls Stratonike nicht unverhältnismäßig lange unverheiratet geblieben sei, könne sie als Braut nicht älter als Mitte zwanzig gewesen sein, wäre somit am Ende der Regierung Alexanders oder postum geboren.542 Eine feste Regel gab es aber nicht; Priorität hatten immer die politischen Begebenheiten, an welche die Heiraten angepasst wurden.543 So ist Flexibilität im Umgang mit dem Alter der Kandidatinnen (und ........................................................................................................................................................................... die römische Überlieferung betonte das Achilles-Thema bei Alexander, im positiv-verklärten wie im negativ-kontrastierenden Sinne. Vgl. Heckel 2015; Müller 2014, 121–122, 131–132, 141– 143, 220–221. Von daher ist auch Stratonike (2) vermutlich auszuklammern. In Frage käme vielleicht Stratonike (3), die Tochter des aitolischen Stadtgründers Pleuron und der Xanthippe, eine Enkelin mütterlicherseits des Doros, Urvater der Dorer und Sohn des Hellen (Apollod. 1,7,7). Aufgrund der Verbindung zu Hellen und der Peloponnes würde sie als Namenspatin für eine Tochter Alexanders im Zuge der Ausgestaltung der temenidischen Aufstiegsgeschichte mit dem Element der griechischen Herkunft aus Argos Sinn ergeben. Man könnte ihre Geburt dann ebenfalls in die Zeit nach dem Rückzug der Perser ansetzen. Eine Alternative wäre Stratonike (4), die Tochter des Thespios, König des in thebanischer Nachbarschaft befindlichen Thespiai, ein Gastfreund des Herakles, der einem lokalen logos nach mit all dessen Töchtern, Stratonike und ihren 48 oder 49 Schwestern, schlief – zur Krönung einer Version nach in einer einzigen Nacht: Apollod. 2,7,8. Dies bietet zwar abermals einen Link zu Boiotien, vor allem aber zu Herakles, dem temenidischen Urahnen (vgl. Huttner 1997, 65–85), dem sie auch einen Sohn, Atromos, schenkte. Damit bildet sie ein Element in der Geschichte der weit verstreuten und zahlreichen Herakliden, zu denen sich Alexander zählte. Daher, trotz aller bleibenden Ungewissheit, erscheint am ehesten möglich, dass Stratonike (4) Pate stand, sollte ein Anklang an eine mythologische Gestalt intendiert gewesen sein. Eine Hilfe für die grobe Datierung ihrer Geburt ist diese Vermutung allerdings nicht wirklich. 540 Thuk. 2,101,5–6. Vgl. Greenwalt 2015a, 340; Vasilev 2011b, 34; Zahrnt 1991, 1044–1045. 541 Vgl. Greenwalt 1988, 95–97. 542 Vgl. Hammond/Walbank 1979, 104. 543 So ließ Alexander III. seine Halbschwestern unverheiratet, um sich nicht ungebetene Thronkonkurrenz durch die Geburt von Neffen ins Haus zu holen. Vgl. Carney 1988. Nach seinem Tod war seine Halbschwester Thessalonike trotz ihres für eine Heiratspremiere fortgeschrittenen Alters (über 30) als legitimatorisches Bindemittel zum Temenidenhaus begehrt. Sie wurde von Kassander – laut Anklage seines Gegners Antigonos vor der Heeresversammlung gegen ihren Willen – geheiratet: Diod. 19,52,1. 61,2; Paus. 9,7,3; 8,7,7; Just. 14,6,13. Vgl. Carney 2017, 141; Psoma 2015b, 16–17; Heckel 2006, 265; Carney 2000, 155; Macurdy 1932, 44. Alexanders verwitwete Vollschwester Kleopatra, ebenfalls über 30, war noch zahlreicher umworben und als Trägerin dynastischen Prestiges so gefährlich, dass Antigonos sie 308 in Sardeis ermorden ließ, bevor sie sich zu ihrem Auserkorenen Ptolemaios auf den Weg machen konnte: Diod. 20,37,5–6. Zu Ptolemaios’ Werbung: Diod. 20,37,3. Vgl. Carney 2017, 141, 143–144; Heckel 2006, 90. Das plakativste Beispiel dafür, dass es bei Hochzeiten in makedonischen Machtstrukturen um das Primat der Politik ging, hinter dem Fragen nach Alter, teilweise sogar nach Fruchtbarkeit und ohnehin nach Erotik (ein irrelevanter Faktor für politische Ehen), zurücktraten, lieferte Ptolemaios II.: Um nach Problemen mit interner Thronkonkurrenz die Herrschaftsfähigkeit seiner Linie zu demonstrieren und den Thron gegenüber anderen Ansprüchen abzuschotten, heiratete er seine ältere, zweifach verwitwete Vollschwester Arsinoë, von der zu dem Zeitpunkt wohl kein Nachwuchs mehr zu erwarten war – worum es auch gar nicht ging. Vgl. Müller 2009a, 85–155. Zum Eheschluss: Mendesstele, Z. 10–11; Paus. 1,7,1; 9,31,1; Strab. 10,2,22; Theokr. Schol. 17,128. Eine Anekdote aus der frühen Diadochenzeit, überliefert bei Plutarch, mag zwar aus dem Reser-
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Kandidaten) anzunehmen. Dies bedeutet für Stratonikes Heirat mit Seuthes, dass sie keine sicheren Anhaltspunkte über ihr Geburtsdatum liefert. Es ist möglich, dass Stratonike Anfang zwanzig war, doch ebenso gut kann sie schon zuvor eine Ehe oder mehrere geführt haben und verwitwet gewesen sein. Da es sich, wie bei Heiraten in Herrscherhäusern üblich, um eine politische Verbindung handelte, die das Einvernehmen zwischen Seuthes und Perdikkas besiegeln sollte, war Stratonikes Jugendblüte nicht zwingend erforderlich.544 Was sie auszeichnete, war ihre temenidische Zugehörigkeit und engste Verwandtschaft mit dem Herrscher. Perdikkas benötigte zwecks Besiegelung des Bündnisses eine Vertreterin seines Hauses – wenn er nicht selbst bei den Odrysen einheiraten wollte, was Geyer als zusätzliche Maßnahme annimmt.545 Sollte Stratonike die derzeit einzig verfügbare Temenidin gewesen sein, konnte ihr Alter keine Relevanz haben – indes bis zu einem gewissen Grad. Offenbar gab es Altersgrenzen.546 Eine Braut von um die siebzig Jahren – sollte Stratonikes kurz nach der Schlacht von Plataiai geboren sein – wäre unwahrscheinlich. Zusammengefasst könnte man hypothetisch auf folgende Geburtszeiträume von Alexanders Kindern kommen: Alketas und Amyntas um 500/in den frühen 490ern, Perdikkas und Philipp in den 470ern nach Plataiai, Menelaos und Stratonike in den 460ern. Die zeitlichen Abstände würden zugleich nahelegen, dass sie verschiedene Mütter hatten, die jedoch im Dunkeln bleiben. ........................................................................................................................................................................... voir der tendenziösen Geschichten über Demetrios Poliorketes’ Hang zum Partyleben kommen, scheint aber dennoch treffend die politische Dimension makedonischer Heiraten in der Führungsschicht zu illustrieren: Der circa sechzehnjährige Teenager Demetrios Poliorketes, der antiken Tradition zufolge bildschön, soll sich gegenüber seinem Vater Antigonos Monophthalmos beklagt haben, er wolle die mehr als zehn Jahre ältere, bereits zweifach verwitwete Phila, Tochter der Grauen Eminenz Antipatros (Diod. 18,18,7: die älteste Tochter des Antipatros, Witwe des Balakros und Krateros), nicht heiraten. Antigonos habe ihn auf den politischen Vorteil verwiesen, dem er sich zu beugen habe: Plut. Demetr. 14,2–3; Comp. Demetr. et Ant. 1,3. Vgl. Carney 2000, 165. Es wird ein Geburtsdatum von ca. 336 für Demetrios angenommen, vgl. Heckel 2006, 109. Die Heirat besiegelte ein Bündnis des vor Perdikkas zu Antipatros geflüchteten Antigonos (Diod. 18,23,3–4) und fand um 320 statt. Vgl. Heckel 2006, 33. Demetrios Poliorketes, dessen entsprechende Sozialisierung vorauszusetzen ist, kam seiner Pflicht nach, formvollendet inklusive der Produktion von Nachwuchs: Diod. 19,59,3. Phila und er hatten die Tochter Stratonike und den Sohn Antigonos Gonatas zusammen. Entsprechend setzte er später auch seine eigene Tochter Stratonike für Heiratspolitik ein. Sie musste den wesentlich älteren Seleukos heiraten – älter als Demetrios, ihr eigener Vater, selbst. 544 Dies sieht auch Geyer 1937b, 597 so. 545 Vgl. Geyer 1930, 64. Diod. 12,51,2 erwähnt eine wechselseitige Verheiratung. 546 Ein Beleg wäre, dass keiner der Diadochen trotz des Strebens nach Einheirat ins Temenidenhaus um Olympias warb, die als Witwe Philipps II. und Mutter Alexanders III. an dynastischem Prestige nicht zu überbieten und zudem politisch weit vernetzt war: Just. 14,6,9–10; Diod. 19,11,2. Vgl. Mitchell 2012, 5; Carney 2000, 96–100. Archibald 1998, 119 geht indes davon aus, dass es sich bei Stratonike um eine Tochter des Perdikkas gehandelt habe. Dies steht jedoch im Widerspruch zu Thukydides’ Aussage – er spricht zweimal von Perdikkas’ ἀδελφή (2,101,5–6). Von der Schwester gehen aus: Roisman 2010a, 150; Carney 2000, 20; Zahrnt 1991; Hornblower 1991, 377; Billows 1990. 17, A. 5; Hammond/Walbank 1979, 104, 129.
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Kontroversen um Perdikkas’ Regierungsdauer Über Perdikkas’ Herrschaftsantritt ist nichts bekannt.547 Zumeist wird er auf ungefähr 454/0 datiert.548 Thukydides erwähnt Perdikkas erstmals für 433, als er bereits herrschte, zuletzt für 414.549 Sein Nachfolger Archelaos regierte schon 411/0, seine Akklamation wird meist auf 413 gesetzt.550 Bereits bei Historiographen des späten 4./frühen 3. Jhs. v. Chr., selbst mit makedonischem Hintergrund, herrschte Uneinigkeit über Perdikkas’ Regierungsdauer. Im 2. Jh. n. Chr. gibt Athenaios folgenden Überblick: Περδίκκας τοίνυν πρὸ ᾽Αρχελάου βασιλεύει, ὡς μὲν ὁ ᾽Ακάνθιός φησιν Νικομήδης, ἔτη ἓν καὶ τεσσαράκοντα, Θεόπομπος δὲ πέντε καὶ τριάκοντα, ᾽Αναξιμένης τεσσαράκοντα, ῾Ιερώνυμος ὀκτὼ καὶ εἴκοσι, Μαρσύας δὲ καὶ Φιλόχορος τρία καὶ εἴκοσι. Perdikkas nun herrschte vor Archelaos, gemäß Nikomedes von Akanthos 41 Jahre lang. Aber Theopompos spricht von 33 Jahren, Anaximenes von 40, Hieronymos von 38 und Marsyas, ebenso wie Philochoros, von 23.551
In den meisten Fällen handelt es sich um eine lange Herrschaftsdauer, insbesondere für einen Temeniden. Diese Dauerhaftigkeit spricht als Statement per se für den mehrheitlichen Konsens, der Perdikkas’ Regierung trotz der turbulenten Zeiten trug.552 ............................................ 547 Vgl. Borza 1990, 132–135. Hoffmann 1975, 364 geht von einer Ermordung Alexanders I. aus, der eine Phase der Unruhe gefolgt sei, die Perdikkas mit Konsolidierungspolitik habe füllen müssen, und verweist als Belege auf Curt. 6,11,26 und Plat. Gorg. 471 B. Allerdings ist von Konsolidierungsbemühungen in beiden Quellen keine Rede. De facto ist nichts über den Herrschaftswechsel und Perdikkas’ Anfänge bekannt. 548 Vgl. Worthington 2013a; Zahrnt 2006a, 590; Borza 1990, 134. 549 Thuk. 1,57,3; 7,9,1. 550 Vgl. Worthington 2013b. 551 Athen. 5,217 D-E (= BNJ 772 F 2; BNJ 115 F 279; BNJ 72 F 27; BNJ 154 F 1; BNJ 135–136 F 15; BNJ 326 F 126). Vgl. Borza 1990, 132–135; Hornblower 1981, 238–239; Geyer 1937b, 591. Die Diskrepanz setzte sich fort. So sprach Synkellos von 14 Jahren und Eusebios von 17 und von 24 Jahren. Vgl. Sprawski 2009. 552 Vergleicht man dies mit den Regierungsjahren der anderen Temenidenherrscher, bei denen man dies einigermaßen gesichert sagen kann, wird umso deutlicher, dass es eine Leistung für sich war, sich so lange zu halten. Perdikkas’ Vater Alexander I. regierte schätzungsweise zwischen 50 und 41 Jahren (vgl. Borza 1990, 134; Hammond/Griffith 1979, 103–104), Perdikkas’ Sohn Archelaos um die 14–15 Jahre, Perdikkas’ Enkel Orestes wurde wohl gleich ermordet, sein epitropos Aëropos herrschte 6 Jahre, Amyntas II. und Pausanias ein Jahr, Amyntas III. 24 Jahre, Alexander II. knapp 2 Jahre, Perdikkas III. um die 5 Jahre, Philipp II. 24 Jahre und Alexander III. 13 Jahre. Von den elf Genannten wurden (mindestens) sechs ermordet: Archelaos, Orestes, Amyn-
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Es kursierten demnach zwei unterschiedliche Traditionen über die Dauer von Perdikkas’ Regierungszeit: eine um die 40 Jahre und eine von 23 Jahren. Theopompos scheint den Mittelwert genommen zu haben – was auch immer seine Quellen waren.553 Er wusste in jedem Fall von der makedonischen Aufnahme der von Perikles vertriebenen Histiaier 446/5.554 Allerdings ist nicht klar, ob er Perdikkas deren Aufnahme zuschreibt. Das Fragment nennt den Namen des betreffenden Herrschers nicht. Sollte Theopompos dies als Perdikkas’ frühesten Regierungsakt angesehen und seinen Tod um 414/3 angesetzt haben, würde dies erklären, wie er zu der Zahl kam. Hammond vermutet, dass unter Philipp II. eine längere Dauer von Perdikkas’ Regierungsjahren die Sprachregelung gewesen sei. Alexander III. habe sie in einer Revision „which may reflect contemporary conditions“ verkürzt.555 ........................................................................................................................................................................... tas II., Pausanias, Alexander II. und Philipp II. (Archelaos: Aristot. Pol. 1311B; Diod. 14,37,6; Ael. VH 8,9; [Plat.] Alk. II 141D-E; Plut. mor. 768 F; Orestes: Diod. 14,37,6; Amyntas II.: Aristot. Pol. 1311 B; Pausanias: Diod. 14,89,2; Alexander II.: Marsyas, BNJ 135–136, F 11 ap. Athen. 14,629 D; Diod. 15,71,1; Plut. Pelop. 27; Just. 7,5,4–5; Philipp II.: Just. 9,6,3–5; Diod. 16,94,3; Ael. VH 3,45; Aristot. Pol. 1311B; Plut. Alex. 10,4.) Bei Alexander I. ist es aufgrund einer problematischen Information (Curt. 6,11,26) als Todesursache umstritten.Vgl. Tripodi 1984. Die bereits antiken Vergiftungsgerüchte um Alexander III. sind sicherlich Kolportage aus der Zeit der Diadochenkriege (Arr. an. 7,27,1–2; Just. 15,2,4–5; Plut. Alex. 77,3; Val. Max. 1,7, ext. 2). Vgl. Landucci Gattinoni 2009, 262–265; Heckel 2006, 79; Landucci Gattinoni 2003a, 81–85; Wirth 1989, 204– 208. Mindestens einer der gezählten 11 Temeniden starb auf dem Schlachtfeld (Perdikkas III.: Diod. 16,2,5; Polyain. 4,10,1), abermals wird auch Alexander I. teilweise dazu gezählt (vgl. Spence 2002, 36; Hammond/Griffith 1979, 103, 115). Alexander III. starb wohl infolge der andauernden Kriegsstrapazen und mangelnden Möglichkeiten des Auskurierens, vgl. Heckel 2006, 17; Wirth 1993, 376. Die temenidischen Mordopfer wurden überwiegend von Angehörigen ihres inner circle getötet, häufig den eigenen Verwandten: Orestes von seinem epitropos: Diod. 14,37,6; Pausanias von Amyntas III., einem entfernten Verwandten: Diod. 14,89,2; Alexander II. von Ptolemaios von Aloros, wohl auch einem Temeniden: Marsyas, BNJ 135–136, F 11 ap. Athen. 14,629 D; Diod. 15,71,1; Plut. Pelop. 27; Just. 7,5,4–5. 553 Hammond/Griffith 1979, 104, m. A. 2 zufolge liegt es daran, dass Theopompos „a headstrong individualist“ gewesen sei, dessen Variante seine persönliche Note dargestellt habe. Dies scheint als Erklärung für die Abweichung aber nicht ganz zu genügen. So fragt man sich nach dem Sinn einer Zahlenänderung in einem historiographischen Werk als persönlicher Note. Ebenso kritisch gesehen von Zahrnt 1984, 327, A. 13. Auch mit der Vermutung, dass ein Grund für die Differenz zumindest der Angaben von Theopompos und Anaximenes in ihrer (literarischen) Feindschaft liegen könnte, die ziemlich massive Formen angenommen haben soll, kommt man nicht weiter. Anaximenes soll unter Theopompos’ Namen ein Pamphlet publiziert haben, in dem er den Niedergang der griechischen Poliswelt Theben, Athen und Sparta ankreidete (BNJ 72, T 13). Vgl. Shrimpton 1991, 13. Er geht davon aus, dass Anaximenes aufgrund dieser „bitter rivalry“ seine eigenen Philippika geschrieben habe, um Theopompos’ Verriss von Philipp II. zu korrigieren. Es ist unwahrscheinlich, dass sich diese „Korrekturarbeiten“ auch auf die Regierungsjahre von Perdikkas bezogen haben sollten. 554 BNJ 115, F 387 (ap. Strab. 10,1,3). Vgl. Shrimpton 1991, 269. Strabon stellt diese Version des Theopompos einer anderen Version durch namentlich ungenannte Autoren gegenüber, die sagten, Histiaia sei eine apoikia der Athener vom Demos der Histiaier gewesen. Zur makedonischen Aufnahme der Histiaier vgl. Roisman 2010a, 146; Wirth 1985, 20. Zur Vertreibung durch Perikles: Thuk. 1,114,3 (ohne Erwähnung der Zuflucht in Makedonien); 7,57,2; 8,95,7 (Oreos); Diod. 12,7,1; Plut. Per. 23,4; SEG 10,3. Vgl. Lasagni 2012; Lasagni 2010, 373–377; McGregor 1982, 110. 555 Hammond/Griffith 1979, 104, A. 2.
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Welche zeitgenössischen Bedingungen dies waren und was es Alexander gebracht haben soll, die Herrschaftszeit von Perdikkas zu kürzen, bleibt indes offen.556 Als Schlüsselfigur mit Insiderwissen gilt Marsyas, in dem Marsyas von Pella, Sohn des Periandros, vermutet wird.557 Er war Antigonos Monophthalmos’ Halbbruder und soll mit Alexander III. zusammen erzogen worden sein.558 In Marsyas’ Makedonika von den Frühzeiten bis zu Alexanders Einmarsch in Syrien 331 floss Wissen ein, das er aus höfischen Archiven oder oral tradition höchster Kreise gehabt haben mochte.559 Er soll in der frühen Diadochenzeit am Hof seines Bruders in Phrygien geschrieben haben.560 Seine Angabe von 23 Regierungsjahren für Perdikkas, verortet wohl im zweiten Buch seiner Makedonika,561 gilt vielfach als die glaubwürdigste Angabe.562 Es wird vermutet, dass der Atthidographer Philochoros, ein schreibender mantis, vermutlich in der Zeit Antigonos Gonatas’,563 Marsyas’ Angabe gefolgt sei.564 Jedoch ist nicht sicher, dass Marysas die korrekten Zahlen hatte. Michael Zahrnt vermutet, dass es vor dem 4. Jh. v. Chr. keine schriftlichen makedonischen Aufzeichnungen zu ihren Herrschern gegeben habe.565 Sollte dies zutreffen, konnte Marysas auf keine hieb- und stichfesten Angaben zurückgreifen und wäre diesbezüg............................................ 556 Sollte die Vermutung dahinterstecken, es habe etwas damit zu tun, dass Alexander nicht aus der Linie Perdikkas’ und seines Sohns Archelaos stammte, sondern aus der von Perdikkas’ Bruder Amyntas (Synk. 500 (Dindorf); vgl. Roisman 2010a, 158; Borza 1990, 83; Hammond/Griffith 1979, 169; Geyer 1930, 111; über dessen Sohn Arrhidaios; Ael. VH 12,43 irrt sich mit der Ableitung von Menelaos), würde man sich fragen, warum eine solche Revision dann nicht schon unter Philipp II. stattgefunden hat. Zudem hätte es wenig gebracht, da Amyntas selbst nicht auf den Thron gekommen war. Überdies knüpfte bereits Amyntas III. an Perdikkas’ Linie an, indem er zwei seiner Söhne Alexander und Perdikkas nannte, vgl. Yardley/Heckel 1997, 83. 557 Als Alternative ist Marsyas von Philippi zu nennen, mit dem er häufig verwechselt wurde, und über den wenig bekannt ist. Vgl. Heckel 1980, 445. 558 Vgl. Harding 2008, 130; Hammond 1991, 501; Heckel 1980, 446–447, 453; Hammond/Griffith 1979, 104, m. A. 1 Sie hätten dann dieselbe Mutter und verschiedene Väter gehabt: Antigonos’ Vater hieß Philipp (Ael. VH 12,43; Diod. 21,1). 559 Vgl. Hammond 1991, 501, 506; Heckel 1980, 444–445. Es wird teilweise vermutet, dass auch Trogus-Justin sich für den Abriss der makedonischen Frühgeschichte auf Marsyas gestützt habe: Hammond 1991, 501, 505. Wahrscheinlicher ist aber, dass er Theopompos benutzte. 560 Vgl. Heckel 2006, 156; Heckel 1980, 447; Rosen 1979, 472. 561 Vgl. Heckel 1980, 453. Seiner Rekonstruktion zufolge lag Marsyas’ Fokus eindeutig auf der Zeitgeschichte und jüngeren Vergangenheit, vor allem der Regierung Philipps II., während die frühen Temeniden vom Gründervater Perdikkas I. bis Archelaos in den beiden ersten Büchern abgehandelt wurden. Bereits das dritte Buch beschäftigte sich mit dem Vater und den Brüdern Philipps II. („he is more appropriately a historian of Philip of Macedon“): 1980, 453–454, 462. 562 Vgl. Jones 2016; Harding 2008, 130; Hammond/Griffith 1979, 115. 563 Vgl. Jones 2016. 564 Vgl. Harding 2008, 130. 565 Vgl. Zahrnt 1984, 326–327. Akzeptiert von Sprawski 2009; Whitehorne 1994, 10 für die Temenidinnen.
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lich nicht glaubwürdiger als Theopompos, der noch vor ihm schrieb und sich zeitweilig am Hof Philipps II. aufgehalten hatte, oder Anaximenes von Lampsakos, der ebenfalls unter Philipp II. zu den höfischen Kreisen gehörte. Einen großen Unterschied zu den 23 Jahren stellen die Zahlen bei Theopompos mit 33 Jahren, Hieronymos von Kardia mit 38, Anaximenes mit 40 und Nikomedes von Akanthos mit 41 dar, wie auch im Marmor Parium aufgelistet.566 Da sie näher an den in der Forschung geschätzten Zahlen liegen,567 gilt alternativ Anaximenes von Lampsakos, dem ein Interesse an Chronologie zugeschrieben wird, als der glaubwürdigste Informant.568 Eine dritte Richtung sieht in Nikomedes von Akanthos aus der nördlichen Chalkidike die vertrauenswürdigste Quelle, da er als Zeitgenosse Philipps II. und als einer der Pioniere für die Abfassung von Makedonika gilt.569 Als Grund für die auseinanderdriftenden Angaben wird entweder allgemein eine Verwirrung bezüglich temenidischer Regierungsdaten570 oder spezifisch bezüglich des Beginns von Perdikkas’ Alleinherrschaft vermutet.571 Abel zufolge habe Theopompos sich mit den 33 Jahren auf 448–436 bezogen (die Abel in eine gemeinsame Herrschaft von Perdikkas und Philipp 448–436 und eine Alleinherrschaft des Perdikkas 436–413 teilt),572 während Marsyas nur die Zeit von Perdikkas’ Alleinherrschaft mit 23 Jahren berechnet habe.573 Diese Erklärung basiert allerdings auf der Prämisse einer Reichsteilung, die es nicht gegeben haben wird. Zudem hätte Perdikkas seine Regierungsjahre in jedem Fall von Anfang an gezählt. Entsprechend setzen Nikomedes von Akanthos, Anaximenes von Lampsakos und Hieronymos den Tod Alexanders I. auf 454 und zählen Perdikkas als unmittelbarem Thronfolger.574 Nikomedes’ Schaffensperiode fiel in die Zeit Philipps II., die von Anaximenes in die Regierung Philipps II. und Alexanders III., ähnlich wie die Wirkungszeiten von Theo-
............................................ 566 Marmor Parium 239 A 58. 567 Vgl. Hornblower 1981, 239. 568 Vgl. Williams 2015; Hornblower 1981, 238–239. 569 Vgl. Sprawski 2009; Zahrnt 1984, 326. Er soll von der mythischen Frühzeit an die Geschichte behandelt haben. 570 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 201. 571 Vgl. Sprawski 2009, 3; Hammond/Griffith 1979, 103–104 (zumindest seit Nikomedes’ Zeit). Siehe auch Jones 2016; Sprawski 2009; Borza 1990, 134 deutet dies zumindest an. 572 Vgl. Abel 1847, 170. 573 Vgl. Abel 1987, 169. 574 Vgl. Abel 1847, 164.
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pompos. Hieronymos von Kardia schrieb in der frühen Diadochenzeit und stand wie Marsyas dem Hof von Antigonos und Demetrios nahe.575 Marsyas’ Abweichung könnte eventuell daran liegen, dass er, ein in Pella von griechischen Lehrern erzogener576 Intellektueller am Hof seines Halbbruders, der den Startschuss zur antigonidischen Förderung der Produktion historischer Literatur gab,577 „in un contesto che favoriva la valorizzazione del passato e la continuità con Macedone“,578 sich nicht auf – vermutlich karge, disparate – makedonische Quellen bezog. Er mag vielmehr griechische Historiographie herangezogen und Perdikkas’ Regierungsjahre anhand von Thukydides’ Schrift errechnet haben.579 Als Thukydides Perdikkas erstmals für 433 erwähnt, lässt er über seine Vorgeschichte nur verlauten, er sei zuvor ein symmachos kai philos Athens gewesen,580 wofür Marsyas und ihm folgend Philochoros einige Jahre angesetzt haben mochten.581 Letztlich lässt sich jedoch nicht sagen, wie es zu den verschiedenen Angaben kam. Nikomedes von Akanthos, Anaximenes von Lampsakos und Hieronymos kamen mit ihren Angaben Perdikkas’ Regierungsdauer am nächsten.
Perdikkas und die angebliche Reichsteilung Am Anfang von Perdikkas’ Herrschaft scheint ein Forschungsmythos zu stehen. So dominiert die Vermutung, dass er nicht von Beginn an Alleinherrscher gewesen sei, sondern sich mit Alketas und Philipp das väterliche Erbe geteilt habe.582 Über die Hierarchie der Brüder in diesem Konstrukt herrscht keine ............................................ 575 Vgl. Zahrnt 1984, 327; Hammond/Griffith 1979, 104. 576 Vgl. Heckel 1980, 447. 577 Vgl. Heckel 1980, 446. Zudem gehörte Nearchos auch zu Antigonos’ und Demetrios Poliorketes’ faction (Diod. 19,69,1). Vgl. Heckel 2006, 173; Rosen 1979, 472–475. 578 Bucciantini 2015, 153. 579 Vgl. Heckel 1980, 448 zu Marsyas: „he knew well, and was deeply interested in, the political affairs of mainland Greece“. 580 Thuk. 1,57,3. 581 Vielleicht bis zur Gründung von Amphipolis 437/6 als wichtiges Ereignis. Da Thukydides von keiner feindlichen makedonischen Reaktion berichtet, könnte Marsyas davon ausgegangen sein, dass Perdikkas als Verbündeter zu dieser Zeit schon an der Macht war. 582 Vgl. Psoma 2015b, 16 (zumindest für Philipp); Psoma 2012, Natoli 2004, 36, A. 78; Giuliodori 2004, 43 („It is evident from our ancient sources that a new system of rule had, either before the death of Alexander or soon after it, been put in place”); Zahrnt 2002, 56 (zu Philipp); Hatzopoulos 1996a, 468 (zu Philipp); Borza 1990, 135–134 (obwohl er zugleich konstatiert: „There is no evidence to suggest that the designated successor was other than Perdiccas“); Chambers 1986, 139; Wirth 1985, 21; Hammond/Griffith 1979, 122; Cole 1974, 55–57; Volkmann 1972, 622;
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Einigkeit. Sie gelten entweder als paritätisch oder Perdikkas wird die übergeordnete Position zugeschrieben.583 Oft wird in dieser Teilung eine letzte Regelung Alexanders gesehen, um das Reich administrativ fester in den Griff zu bekommen.584 Dagegen geht Hammond davon aus, dass Alexander so plötzlich gestorben sei, dass die Heeresversammlung angesichts der Rivalitäten zwischen den Brüdern die drei ältesten als Herrscher ausgerufen und das Reich unter ihnen aufgeteilt habe.585 Allerdings beruht diese These erstens auf einer problematischen Stelle bei Curtius, wonach Alexander ermordet worden sei.586 Es ist unklar, inwieweit nicht Alexander II. gemeint war und ob der Angabe überhaupt zu trauen ist.587 Zweitens stellt sich die Frage, wie unerwartet der Tod eines zwischen siebzig und achtzig Jahre alten Herrschers gewesen sein mag.588 Drittens sind die Kompetenzen und Handlungsspielräume der makedonischen Heeresversammlung umstritten.589 Es besteht somit Ungewissheit, inwieweit sie einen solchen Umsturz der bestehenden Herrschaftstradition
........................................................................................................................................................................... Geyer 1937, 561; Geyer 1930, 50. Zu den Brüdern: Philipp (Thuk. 1,57,3; 2,95,2; 2,100,3); Alketas (Plat. Gorg. 471 B; IG I3 89; Ael. VH 2,41); Menelaos (Just. 7,4,3; Ael. VH 12,43; IG I3 89). 583 Für Perdikkas’ Hoheit argumentieren: Giuliodori 2004, 43; Borza 1990, 135; Cole 1974, 56. Es spricht wiederum für sich, dass, wie Borza 1990, 135 bemerkt, nichts bekannt ist, wo Perdikkas und Alketas ihr angebliches Teilreich hatten. 584 Vgl. Giuliodori 2004, 43–44; Billows 1995, 85; Borza 1990, 134–135; Cole 1974, 56–57; Geyer 1937, 561; Geyer 1930, 51. Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, wie Alexander I. eine solche Neuregelung hätte durchsetzen wollen. In den monarchischen Strukturen des Temenidenreichs waren keine Herrschertestamente üblich. Schriftlich fixierte Nachfolgeregelungen wären an den praktischen Gegebenheiten vorbeigelaufen. Wer im entscheidenden Moment nach Ableben des Herrschers die Mehrheit der maßgeblichen Clans hinter sich hatte, konnte sich durchsetzen. Vgl. Hammond 1989, 60; Granier 1931, 20. Diese Konsensfindung richtete sich jedoch nach dem politischen Tagesgeschehen, war im Vorhinein schlecht abzuwägen und erst recht nicht festzuschreiben. Die Temeniden waren sich dessen bewusst. Es ist daher problematisch, anzunehmen, Alexander I. habe vor seinem Tod noch eine gewandelte Reichsorganisation beschließen können. 585 Vgl. Hammond 1989, 71 (die Heeresversammlung habe später Philipp und Alketas abgesetzt und Perdikkas ab 440 zum alleinigen Herrscher berufen); Hammond/Griffith 1979, 115 (für das „Teilreich“ wird von „principality“ gesprochen). 586 Curt. 6,11,26. 587 Zu einer Übersicht der verschiedenen Positionen vgl. Borza 1990, 133–134; Tripodi 1984, 1266– 1268. Es sei Alexander I. gemeint, argumentieren: Hammond 1989, 71; Tripodi 1984, 1265; Hammond/Griffith 1979, 103, m. A. 4, 115. Dagegen spricht sich für Alexander II. aus: Giuliodori 2004, 43, A. 5. Über die Todesursache Alexanders I. wird verschiedentlich spekuliert. Mord wird akzeptiert von: Whitehorne 1994, 16; Edson 1982, 18; Hoffmann 1975, 364; Edson 1970, 34; Abel 1847, 157–158. Siehe Hammond/Griffith 1979, 103 mit einer kombinierten These: Ermordung im Kampf. Zu einer natürlichen Ursache: Kaerst 1893, 1412. Zu Tod auf dem Schlachtfeld: Spence 2002, 36; Hammond/Griffith 1979, 103 (Variante: Ermordung in der Schlacht, 115). 588 Vgl. Tripodi 1984, 1267 (ein natürlicher Tod sei wahrscheinlich). Ähnlich: Borza 1990, 134, A. 4. 589 Zur Problematik und den verschiedenen Forschungspositionen vgl. Müller 2016a, 29–30; Chaniotis 2005, 62–64; Müller 2003, 17–21
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überhaupt beschließen konnte. Hammonds These hat daher keine mehrheitliche Akzeptanz gefunden.590 Abel traute dem ausgefuchsten Politiker Alexander eine solch konfliktträchtige Neuregelung ebenfalls nicht zu, entwarf aber eine alternative Rekonstruktion.591 Ihm zufolge habe 454–448 Alketas alleine regiert und sei dann von Perdikkas und Philipp verdrängt worden, die sich das Reich von 448–436 geteilt hätten. Nachdem Perdikkas Philip gestürzt habe, habe er von 436 bis zu seinem Tod 413 alleine regiert.592 Die Frage, warum die beiden anderen Brüder, Amyntas und Menelaos, leer ausgegangen sein sollen, wird selten behandelt.593 Wenn doch, sind die Erklärungsansätze schwer nachzuvollziehen. So gilt Amyntas auf Basis einer Notiz bei Synkellos als ein nach Ruhe und Frieden außerhalb des öffentlichen Lebens strebender „Privatmann“, der sich aus den dynastischen Angelegenheiten zurückgezogen habe.594 In den von personellen Netzwerken durchzogenen politischen Strukturen Makedoniens war es für ein Mitglied der Führungsschicht, insbesondere des Herrscherhauses, allerdings schlecht möglich, die politische persona gänzlich abzulegen und „Privatier“ zu werden. Gerade ein Temenide war mit der Rolle und Rollenerwartung versehen, die Dynastie als pars pro toto zu repräsentieren. Selbst wenn Amyntas im Streit zwischen Philipp und Perdikkas für keinen seiner Brüder Partei ergriffen ............................................ 590 Giuliodori 2004, 43, A. 6 erachtet das vorgeschlagene Szenario mit der Heeresversammlung als möglich. Auch Whitehorne 1994, 16 scheint sich anzuschließen. Ansonsten lässt sich wenig Akzeptanz der These feststellen. 591 Vgl. Abel 1847, 170. Roisman 2010a, 146 stellt zu Recht fest: „It was a recipe for trouble“. Auch der Verweis von Geyer 1937b, 561 auf eine frühneuzeitliche Analogie, „den Großen Kurfürsten von Brandenburg“, macht es nicht wahrscheinlicher. 592 Vgl. Abel 1847, 170. Ähnlich: Momigliano 1934, 16–17. 593 Giuliodori 2004, 43 nennt sogar die Möglichkeit (ohne eine Quellenbasis), dass alle der Brüder ein Teilreich bekommen hätten. Das Argument, Alexander I. „was unusually well supplied with sons“ (2004, 43) ist nicht zwingend. Amyntas III. hatte sogar sechs Söhne und von einer Reichsteilung ist nichts bekannt. Zudem ist gar nicht klar, wie ungewöhnlich es zu Alexanders Zeit war, fünf Söhne zu haben, da nicht bekannt ist, wie viele Geschwister er selbst oder wie viele Brüder sein Vater Amyntas I. gehabt hatte. Zudem ist an Giuliodoris Argumentation auch problematisch, dass sie die angeblichen Teilreiche der Brüder von Perdikkas mit den autonomen Dynastentümern in Obermakedonien vergleicht „whom his father had permitted to retain their positions“ (2004, 44). Der Vergleich ist problematisch, da er unterschiedliche Herrschaftsverhältnisse und -strukturen ineins setzt. 594 Synk. 500 (Dindorf): „Ἀμύντας δὲ πάντα τὸν βίον ἰδιωτικῶς ζήσας“. Vgl. Psoma 2015b, 16; Psoma 2012, 75; Whitehorne 1994, 16; Goukowsky 1991, 50; Borza 1990, 135, A. 7; Hammond/Griffith 1979, 115, A. 2. Abel 1847, 169 schlug dagegen vor, in Amyntas einen unehelichen Sohn Alexanders I. zu sehen, der deswegen keine Herrschaft bekommen habe. Diese These ist nicht minder problematisch. Amyntas war nach dem Vater von Alexander I. benannt, was als ein dynastisches Label für seine Anerkennung durch Alexander spricht. Von einem illegitimen Status ist nicht auszugehen. Hammond/Griffith 1979, 115, A. 2 wollen dagegen auf Basis von Ael. VH 12,43 in Menelaos einen illegitimen Sprössling sehen. Die ganze Passage ist indes problematisch. Zudem ist Menelaos als eindeutig legitim in der Liste der temenidischen Schwurzeugen in IG I3 89 aufgeführt.
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hätte, wäre dies schon eine politische Stellungnahme mit entsprechenden Konsequenzen gewesen. Es wird einen anderen Grund haben, warum für Menelaos und Amyntas kein Teilreich bezeugt ist: Weil es nie eine offizielle Aufteilung des Gesamtreichs gegeben hat, auch zwischen Alketas, Philipp und Perdikkas nicht. Eine solche Konstellation widersprach den auf eine Alleinherrschaft ausgerichteten politischen Strukturen.595 Spaltungen ergaben sich höchstens zeitweilig aus innerdynastischen Konflikten, aber auch dann kam es nicht zur Vergabe von Teilreichen. Die einzig bekannte Abweichung von der Regel, dass es nur einen Herrscher geben konnte, fällt in eine Ausnahmesituation, in der die temenidische Familie bereits die Kontrolle verloren hatte und ihrem Ende entgegenging: Nach dem Tod Alexanders III., der mit seiner Nachfolgefürsorge aus Absicherungsgründen zu spät begonnen hatte, um sie noch auf sichere Bahnen bringen zu können,596 kam es zum Präzedenzfall einer Doppelherrschaft seines regierungsunfähigen Halbbruders und seines postum geborenen Babysohns. Diese Notlösung in einer Umbruchszeit, in der die faktische Herrschaft von Nicht-Temeniden ausgeübt wurde, kann aber erstens nicht als repräsentativ gelten, war zweitens rein formeller Art und beinhaltete drittens auch keine Vergabe von Teilreichen an die beiden Herrscher.597 Zuvor wurde das temenidische Reich traditionell als ein Gesamtgebilde von einem Herrscher regiert, wie die makedonischen Herrscherlisten bei Perdikkas’ Zeitgenossen Herodot, ebenso wie bei den späteren Autoren Eusebios, ............................................ 595 Siehe auch Trampedach 1994, 95: Teilreiche gab es im temenidischen Makedonien nicht. Er erläutert dies am Beispiel der These, Perdikkas III. habe seinem jüngeren Bruder Philipp II. ein Teilreich gegeben, was er zurückweist. Neben dem Argument, dass eine solche Reichsteilung in den temenidischen politischen Strukturen nicht verankert war, führt er zudem an, dass Perdikkas III. nicht habe gewiss sein können, dass sein Bruder ihm gegenüber loyal geblieben sei (Information im persönlichen Gespräch vom 19.07.2017, für das ich Herrn Trampedach herzlich danke). Zur Verfassungsform vgl. Anson 1985, 303–304, 315–316. 596 Es ist ihm nicht anzulasten. Betrachtet man Alexanders prekäre Position innerhalb der makedonischen Strukturen zu Beginn seiner Regierung und die kontinuierlichen Schwierigkeiten mit makedonischen Kritikern, ist es nur verständlich, dass er sich in einem Sohn keine Konkurrenz aus dem eigenen Haus schaffen wollte, bevor er seine Autorität nicht auf einer breiten Einflussbasis etabliert hatte. Dies glaubte er offenbar nach der Rückkehr vom Indienfeldzug ansatzweise erreicht. Er wird sich um diese Zeit mit seinen drei Frauen um die Produktion von Nachkommen gekümmert haben, doch kam sein Tod zu früh, um den Nachwuchs auf sichere Bahnen lenken zu können. 597 Auch die Behauptung bei Just. 16,1,2, nach dem Tod Kassanders in Makedonien sei dessen Reich unter seinen drei Söhnen aufgeteilt worden (quod post mortem mariti in divisione inter fratres regni), kann nicht als Beispiel gelten. Erstens widerspricht Trogus-Justin sich selbst, indem er von der kurzzeitigen Herrschaft Philipps IV. nach Kassanders Tod spricht (16,1,1, vgl. Heckel 2006, 81), zweitens wird angenommen, dass Kassanders Witwe Thessalonike nach Philipps Tod als Regentin einsprang, so dass die Tradition der Reichsteilung ohnehin mit Vorsicht zu betrachten ist. Drittens handelte es sich überdies um die Diadochenzeit, in der es zu vielfältigen Brüchen mit der temenidischen Tradition kam.
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Synkellos und Porphyrios, zeigen. Perdikkas’ angebliche Co-Herrscher Alketas und Philip tauchen weder dort auf noch sind unter ihrem Namen geprägte Münzen bekannt.598 Dies erscheint als signifikant; üblicherweise begannen Temeniden sofort nach Regierungsantritt mit eigenen Prägungen. Selbst so kurzlebige Herrscher wie Pausanias und Amyntas II., die in der turbulenten, kriegsgeschüttelten Spanne zwischen 399–394/3 jeweils nur ungefähr ein Jahr regierten, sorgten für eigene Prägungen.599 Doris Raymond betont, dass Perdikkas sofort nach dem Tod Alexanders, von ihr geschätzt auf ca. 454/1, zu prägen begann, und es keinen Hinweis gebe, dass er jemals die Kontrolle über die Münzprägung verloren hätte: Von Anfang an sei er damit als alleiniger Herrscher ausgewiesen.600 Wie schwierig für ihn die Phase seiner Herrschaftsetablierung war und wie viele Befürworter eines seiner Brüder verprellt waren, lässt sich nicht sagen.601 Das Resultat war, dass Perdikkas sich durchsetzte, was bedeutet, dass er die Mehrheit der einflussreichen Führungskräfte hinter sich hatte.
Thukydides und Philipps ἀρχή Als ein Beleg für die Reichsteilung gilt Thukydides’ Erwähnung einer ἀρχή Philipps in Ostmakedonien.602 Philipp und nach ihm sein Sohn Amyntas nutzten sie als Operationsbasis im Kampf gegen Perdikkas.603 Über die genaue ............................................ 598 Vgl. Cole 1974, 56; Geyer 1937b, 591; Geyer 1930, 51. Zu Perdikkas’ Münzen: SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 2–3, 37–63; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. IV-VI, 82–134; Raymond 1953, 136–147; Gaebler 1935, 153–155. 599 Vgl. Heinrichs 2012, 134; Gatzolis 2010, 188–190; SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 4, 82–84 (Amyntas II.); pl. 4, 85–86 (Pausanias); SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. VII-VIII, 177–181 (Amyntas II.), pl. VIII, 182–184 (Pausanias); Westermark 1989, 311 (Amyntas II.), 311–312 (Pausanias); Gaebler 1935, 157–158 (Amyntas II.), 158–159 (Pausanias). 600 Vgl. Raymond 1953, 17, 134, 148–150. Zudem weist sie die ältere These zurück, Tetradrachmen mit Α seien Alketas zuzuschreiben: Sie seien Prägungen Alexanders I. Auch argumentiert sie, dass ein Gegenherrscher sich mehr Mühe gegeben hätte, deutlich erkennen zu lassen, wer der Prägeherr war, so dass keine Verwechslung mit einem vorangegangenen Herrscher hätte vorkommen können. Die These von Hammond/Griffith 1979, 120, wonach Perdikkas nicht sofort als alleiniger Herrscher anerkannt worden sei und daher nur die Legende Π oder ΠΕΡ auf seine Münzen gesetzt habe, erst nach Beendigung des Bruderstreits ab 435 ΠΕΡΔΙΚ, kann nicht überzeugen. Gleichgültig, wie abgekürzt sein Name war – die Buchstaben wiesen ihn als Prägeherrn und damit Herrscher aus, nicht seine Brüder. Auch Carney 2017, 140 scheint davon auszugehen, dass Perdikkas von Anfang an alleine geherrscht hatte: Sie bezeichnet seine Brüder als diejenigen, die keine Herrscher geworden seien. 601 Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass sich solche Unruhen jahrzehntelang, von ca. 450 bis 431, hingezogen haben sollen (so Hammond/Walbank 1979, 115; ähnlich: Bowden 2014, 18). 602 Thuk. 2,100,3. Vgl. Psoma 2015b, 16; Roisman 2010a, 146; Zahrnt 2006a, 591; Hatzopoulos 1996a, 174–175; Cole 1974, 55–57; Meritt et al. 1950, 317. 603 Thuk. 2,100,3.
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Lokalisierung herrscht keine Einigkeit.604 Grundsätzlich ist zu fragen, was Thukydides in diesem Zusammenhang mit dem Begriff ἀρχή meint, ein Schlüsselwort bei ihm,605 das er in seinem Werk unterschiedlich einsetzt.606 Der modernen Rekonstruktion nach handelte es sich in diesem Kontext um ein Teilreich, in dem Philipp einst rechtmäßig eingesetzt, von Perdikkas aber verdrängt worden sei und sich dagegen aufgelehnt habe.607 Diesen Tathergang beschreibt Thukydides aber nicht; er ist eine moderne Rekonstruktion. Von der Vorgeschichte, wie und wann Philipp zu seiner ἀρχή kam und sie wieder verlor, ist nichts zu erfahren. Nur indirekt ist zu erschließen, dass Philipp in der Position des Geflüchteten war, der wohl Aufnahme bei einem seiner späteren Helfer gefunden hatte – vielleicht erst bei Derdas von Elimeia, danach beim odrysischen Herrscher Sitalkes.608 Ebenso bleibt unklar, welche Kompetenzen mit dieser ἀρχή für Philipp verbunden gewesen waren. Signifikant ist, dass es Philipp und später dessen Sohn Amyntas im Kampf gegen Perdikkas offenbar nicht um ein Teilreich, sondern um die Gesamtherrschaft ging: Thukydides und Diodor sprechen von basileia, nicht arche, offenbar im Unterschied zu dem, was Thukydides zuvor als Philipps arche bezeichnet hatte.609 Auch die Mehrheit der Befürworter der Reichsteilungs-These geht davon aus, dass Philipp und Amyntas die Gesamtherrschaft wollten, nicht bloß ein Teil davon.610 Ein solches Streben nach dem Gesamtreich entsprach den ............................................ 604 Vgl. Vasilev 2011b, 18, 32 (das Gebiet des westlichen Ufers des Axios bis Pella); Zahrnt 2006a, 591 (der Raum am westlichen Axios); Hatzopoulos 1996a, 174–175 (inklusive Mygdonia, Krestonia und Anthemous); Billows 1994, 85 (zwischen Strymon und Axios); Badian 1993, 173 („somewhere along the Axius river“); Borza 1990, 134 (Amphaxitis); Gomme 1956, 248 (das Gebiet auf beiden Uferseiten des Axios). 605 Zentral ist natürlich das Motiv der ἀρχή der Athener. Vgl. Will 2015, 207–208; Meister 1999, 182–183. Zu weitergehender negativer Konnotation vgl. Fisher 1992, 392. Spezifisch zur ἀρχή der Athener zur See siehe Kopp 2017, 77–82. 606 Vgl. von Essen 1887, 52. Betant 1969, I, 150–153 listet im Lexicon Thucydideum die Erwähnungen von ἀρχή, initium – fundamenta – antiquitus – initio – principio – omnino, b) magistratus; c) imperium und d) principatus, imperium auf. Der Hinweis auf Philipps ἀρχή wird unter letztere Kategorie gereiht, welche die meisten Beispiele umfasst, die allerdings heterogene Abhängigkeitsverhältnisse betreffen. 607 Vgl. Natoli 2004, 36, A. 78; Zahrnt 2002, 56; Giuliodori 2004, 43; Zahrnt 2000; Badian 1993, 173, 180–181, 183; Hammond/Griffith 1979, 134. Akzeptiert als Philipps Teilreich auch von Psoma 2015b, 16. 608 Vgl. Badian 1993, 173 zur Vermutung, Derdas habe ihn aufgenommen. 609 Thuk. 2,95,2 (Philipp); Thuk. 2,95,3; Diod. 12,50,4. 6 (Amyntas). Vgl. Psoma 2015a, 3; Psoma 2014, 136; Zahrnt 2002, 56, A. 30; Hammond/Griffith 1979, 127–128 zu Amyntas. Pace Badian 1993, 173, der davon ausgeht, Philip habe nur in seiner einstigen ἀρχή wieder eingesetzt werden wollen, ebenso wie Hatzopoulos 1996a, 175. 610 So etwa Psoma 2011, 114: „Perdiccas realized that Athenian plans for the north included a weak Macedonian kingdom ruled by a different member: Philip“. Vgl. Psoma 2015a, 3; Zahrnt 2006a, 593 zu Amyntas; Billows 1994, 85; Borza 1990, 135.
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temenidischen Herrschaftsstrukturen. Ein niedriger gestecktes Ziel wäre für einen Prätendenten unüblich gewesen, wie die Fälle von Thronkonkurrenz gegen temenidische Herrscher zeigen.611 Es stellt sich die Frage, was Philipps ἀρχή bei Thukydides war, wenn es sich nicht um ein Teilreich handelte. Das Problem ist, dass es an Quellen mangelt, die Aufschluss über die Verwaltungsorganisation des Reichs in der frühen Temenidenzeit geben. So bleibt es zwangsläufig bei Spekulationen.612 Eine Möglichkeit ist, dass es sich um eine royale Domäne gehandelt haben könnte, die Philipp in Perdikkas’ Auftrag übersah.613 Eine analoge Situation wird in der temenidischen Spätzeit für Perdikkas III. vermutet, der seinem jüngeren Bruder Philipp, dem späteren Philipp II., ein Stück Land (chora) gegeben haben soll, das er übersah und darin ein eigenes Heer gehabt haben soll.614 Die Tradition ist allerdings problematisch: anekdotenhaft und überlagert von Tendenzen der Selbstbeweihräucherung der platonischen Akademie, die sich den Aufstieg Makedoniens auf die eigene Fahne schrieb.615 Billigt man dem Zeugnis dennoch zumindest einen historischen Kern zu, wird dahinterstehen, dass Perdikkas III. Philipp eine royale Domäne zur Verwaltung, Leitung, Überwachung dortiger Rekrutierungen oder in der Funktion des Grenzschutzes gegen die Illyrer anvertraut haben könnte.616 Als besonderer Vertrauensträger wurde ............................................ 611 Argaios versus Amyntas III.: Diod. 14,92,3; zur Datierung vgl. Zahrnt 2006b, 131, A. 12. Pausanias, unter der Vormundschaftsherrschaft von Ptolemaios von Aloros, 368/7: Aischin. 2,27–29; Schol. Aischin. 2,27; Diod. 16,2,5; 5 Prätendenten gegen Philipp II. 360/59: Diod. 16,2,5–6; Theopompos BNJ 115 F 29. 612 Es könnte auch Konsequenz einer Patt-Situation der factions in der prekären Phase des Herrscherwechsels gewesen sein, als Perdikkas und Philipp eine weitgehend gleich starke Anhängerschaft hatten – Philipp eher in Ostmakedonien, Perdikkas in Zentralmakedonien. Dieses Szenario ist allerdings weniger wahrscheinlich, weil der Konflikt sich dann erstaunlich lange, von 454/50 bis 433 hingezogen hätte. Dagegen argumentiert Cole 1974, 57, Perdikkas habe den Streit zwar in den Untergrund drängen können, er sei aber bei Athens Eingreifen erneut aufgeflammt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Konflikt jüngeren Datums war. Politische Divergenzen mögen dazu geführt haben, dass Philipp plante, Perdikkas zu stürzen. 613 So vermutet von Hatzopoulos 1996a, 175–179, allerdings verbunden mit der Vorstellung von einem autonomen Teilreich. Perdikkas besaß selbst royale Domänen am Bolbe-See, in die er Siedler senden konnte: Thuk. 1,58,1–2; Diod. 12,34,2. Vgl. Zahrnt 2006a, 591; Zahrnt 2002, 55, A. 27; Hammond 1995a, 122, A. 8; Zahrnt 1971, 49–52; Geyer 1930, 56–57. 614 Athen. 11,508 E-F. Athenaios zitiert Karystios von Pergamon, der Speusippos’ Behauptungen zum Ruhm der Akademie wiedergibt, der Platonschüler Euphraios von Oreos habe als Berater am temenidischen Hof Perdikkas III. dazu bewogen, Philipp das Landstück zu geben, auf dem er das Herrschen üben und ein stehendes Heer halten konnte. 615 Athen. 11,506 F; Speus. Phil. 12: Platon habe die Grundlage für die Herrschaft Philipps II. gelegt. Vgl. Trampedach 1994, 93, 95. 616 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 188, 207: Philipp habe eine Region vor den Illyrern schützen sollen, wenn nicht lediglich gemeint gewesen sei, dass er auf einer herrschaftlichen Domäne leben durfte.
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demnach für ein Gebiet in prekärer Lage ein anderer Temenide, der jüngere Bruder, eingesetzt. Analog mochte im Jahrhundert zuvor Philipps ostmakedonische ἀρχή eine geostrategische Bedeutung eingeräumt worden sein,617 die es Perdikkas nahelegte, sie einem nahen Familienmitglied zum Schutz anzuvertrauen. Thukydides verweist indirekt mit dem Hinweis darauf, dass das odrysische Heer unter Sitalkes bei seiner Invasion nach Makedonien von Thrakien aus über Doberos durch dieses Gebiet ging.618 Als sich Philipp als illoyale Fehlfarbe herausstellte, wurde ihm die Verantwortung wieder entzogen.619 Ob es ein von ihm initiierter Putschversuch gegen seinen Bruder war, durch den er missliebig wurde, oder eine andere Form von Insubordination, ist ungewiss. Alternativ könnte man davon ausgehen, dass Philipp auch ohne royale Domäne in dem Gebiet seine Netzwerke hatte, eventuell, da er in eine der führenden lokalen Familien eingeheiratet hatte. Seine ἀρχή war demnach seine Operationsbasis, in der er Perdikkas’ Einfluss unterminiert hatte, um seine eigenen Ambitionen (Putsch?) zu verfolgen. In summa war Philipps ἀρχή kein Teilreich. Das Resultat, auf das Thukydides sich wohl mit dem komplexen Begriff ἀρχή bezieht, war Philipps Unterlaufen von Perdikkas’ Kontrolle in einem lokal begrenzten Gebiet als seiner Ausgangsbasis für weitere Ambitionen. Perdikkas hatte offenbar erfolgreiche Gegenmaßnahmen ergriffen. Da Philipp sich selbst ins Aus geschossen hatte, wird er das Reich verlassen haben. Bei seiner Rückkehr strebte er nach dem Sturz seines Bruders und der Gesamtherrschaft – vielleicht, wie bereits zuvor.
............................................ 617 Zu einer solchen strategischen Brisanz vgl. Giuliodori 2004, 43. 618 Thuk. 2,100,3. 619 Die Herrschaftsstrukturen sind zwar andere, aber im Achaimenidenreich war es üblich, Brüder des Herrschers, die in der Nachfolgefrage leer ausgegangen waren, mit hochrangigen Satrapien oder Kommanden zu entschädigen. Ein Beispiel für leitende Kommanden ist Mardonios, der General Dareios’ I., sein Neffe: Hdt. 6,43,1; 7,5,1. Erhofft war, dass eine solche Anerkennung für Loyalität statt Opposition garantierte. Dies erwies sich oft genug als ein Trugschluss, doch zeitigte die Methode auch Erfolge, so dass sie beibehalten wurde. Später im Arsakidenreich wurde eine vergleichbare Strategie des Loyalitätserhalts bei Söhnen des Großkönigs, die nicht auf den Thron gekommen waren, angewandt, vgl. Hartmann 2015, 306; Brosius 2006, 115–117. Eventuell handelt es sich im Fall von Philipp zumindest um einen ähnlichen zusätzlichen Hintergedanken, mit ihm diese ἀρχή zugedacht wurde. Sie sollte ihn damit aussöhnen, dass er in der Nachfolgefrage den Kürzeren gezogen hatte.
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Platon und Alketas’ ἀρχή Der zweite Beleg für die vermeintliche Reichsteilung, ein Hinweis auf Perdikkas’ Einzug von Alketas’ ἀρχή, findet sich in Platons Gorgias. Der Kontext ist die Argumentation von Polos, Schüler des Sophisten Gorgias, gegen Sokrates’ Position, Glück (eudaimonia) könne nur durch Tugend und philosophische Einsicht erlangt werden, Unrechttun führe zu Unglück.620 Als Gegenbeispiel nennt Polos Archelaos’ Werdegang: ἀλλὰ μὲν δὴ πῶς οὐκ ἄδικος; ᾧ γε προσῆκε μὲν τῆς ἀρχῆς οὐδὲν ἣν νῦν ἔχει, ὄντι ἐκ γυναικὸς ἣ ἦν δούλη Ἀλκέτου τοῦ Περδίκκου ἀδελφοῦ, καὶ κατὰ μὲν τὸ δίκαιον δοῦλος ἦν Ἀλκέτου, καὶ εἰ ἐβούλετο τὰ δίκαια ποιεῖν, ἐδούλευεν ἂν Ἀλκέτῃ καὶ ἦν εὐδαίμων κατὰ τὸν σὸν λόγον. νῦν δὲ θαυμασίως ὡς ἄθλιος γέγονεν, ἐπεὶ τὰ μέγιστα ἠδίκηκεν: ὅς γε πρῶτον μὲν τοῦτον αὐτὸν τὸν δεσπότην καὶ θεῖον μεταπεμψάμενος ὡς ἀποδώσων τὴν ἀρχὴν ἣν Περδίκκας αὐτὸν ἀφείλετο, ξενίσας καὶ καταμεθύσας αὐτόν τε καὶ τὸν ὑὸν αὐτοῦ Ἀλέξανδρον, ἀνεψιὸν αὑτοῦ, σχεδὸν ἡλικιώτην, ἐμβαλὼν εἰς ἅμαξαν, νύκτωρ ἐξαγαγὼν ἀπέσφαξέν τε καὶ ἠφάνισεν ἀμφοτέρους. καὶ ταῦτα ἀδικήσας ἔλαθεν ἑαυτὸν ἀθλιώτατος γενόμενος καὶ οὐ μετεμέλησεν αὐτῷ, ἀλλ᾽ ὀλίγον ὕστερον τὸν ἀδελφόν, τὸν γνήσιον τοῦ Περδίκκου ὑόν, παῖδα ὡς ἑπτέτη, οὗ ἡ ἀρχὴ ἐγίγνετο κατὰ τὸ δίκαιον, οὐκ ἐβουλήθη εὐδαίμων γενέσθαι δικαίως ἐκθρέψας καὶ ἀποδοὺς τὴν ἀρχὴν ἐκείνῳ, ἀλλ᾽ εἰς φρέαρ ἐμβαλὼν καὶ ἀποπνίξας πρὸς τὴν μητέρα αὐτοῦ Κλεοπάτραν χῆνα ἔφη διώκοντα ἐμπεσεῖν καὶ ἀποθανεῖν. τοιγάρτοι νῦν, ἅτε μέγιστα ἠδικηκὼς τῶν ἐν Μακεδονίᾳ, ἀθλιώτατός ἐστιν πάντων Μακεδόνων, ἀλλ᾽ οὐκ εὐδαιμονέστατος, καὶ ἴσως ἔστιν ὅστις Ἀθηναίων ἀπὸ σοῦ ἀρξάμενος δέξαιτ᾽ ἂν ἄλλος ὁστισοῦν Μακεδόνων γενέσθαι μᾶλλον ἢ Ἀρχέλαος. Aber wie soll er denn nicht ungerecht sein? Ihm stand ja von der Herrschaft, die er jetzt hat, nichts zu, da er von einer Frau stammt, die eine Sklavin des Alketas war, des Bruders des Perdikkas. Und von Rechts wegen war er Sklave des Alketas, und wenn er das Gerechte tun wollte, wäre er Sklave des Alketas und er wäre deiner Behauptung nach glücklich. Nun aber ist er in erstaunlichem Ausmaß unglücklich geworden, nachdem er das größte Unrecht begangen hat. Zuerst hat er seinen Herrn und Onkel eingeladen unter dem Vorwand, er werde ihm die Herrschaft zurückgeben, die Perdikkas ihm weggenommen hatte. Er hat ihn ............................................ 620 Plat. Gorg. 469 B.
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als Gast bewirtet und betrunken gemacht, ihn und dessen Sohn Alexander, seinen eigenen Cousin, fast gleich alt wie er. Dann hat er sie in einen Wagen geworfen, ist in der Nacht mit ihnen herausgefahren, hat sie beide abgeschlachtet und verschwinden lassen. Und nachdem er dieses Unrecht begangen hatte, hat er nicht gemerkt, dass er ganz unglücklich geworden war, und es hat ihn auch nicht gereut. Sondern etwas später hat er seinen Bruder, den legitimen Sohn des Perdikkas, einen Jungen von ungefähr sieben Jahren, dem von Rechts wegen die Herrschaft zukam – Archelaos wollte nicht glücklich werden dadurch, dass er den Knaben rechtmäßig aufzog und ihm die Herrschaft übergab, sondern er warf ihn in einen Brunnen und ließ ihn ertrinken. Zu seiner Mutter Kleopatra sagte er, er sei einer Gans nachgelaufen, hineingefallen und ums Leben gekommen. Und jetzt also, weil er von allen Leuten in Makedonien das größte Unrecht begangen hat, ist er der Unglücklichste aller Makedonen und nicht der Glücklichste. Und vielleicht gibt es einen Athener, bei dir angefangen, der lieber irgendein anderer Makedone sein möchte als Archelaos.621
Die Aussagen können nicht prima facie als historische Fakten gelten. Erstens handelt es sich um ein fiktives Gespräch vor einer Kulisse der Zeitlosigkeit.622 Zweitens ist es nicht Platons eigenes Urteil über Archelaos, sondern das einer seiner Dialog-Figuren.623 Drittens hat es die Form eines rhetorischen Exempels, keines historiographischen Exkurses.624 Viertens könnte Archelaos in dieser Passage teilweise Chiffre für zeitgenössische athenische Akteure sein.625 ............................................ 621 Plat. Gorg. 471 A-D. Übers. n. J. Dalfen. Vgl. Athen. 11,506 D-E; Ael. Arist. 4,120,2. Der Scholiast zu Aelius Aristides behauptet, Perdikkas habe Alketas ins Exil getrieben (impliziert ist: zu Beginn seiner Herrschaft). Sollte IG I3 89 den Friedensvertrag zwischen Athen und Perdikkas 432 darstellen, wie mehrheitlich vermutet, ist dies zu bezweifeln, da Alketas darin an vorderer Stelle als Schwurzeuge erscheint. Zu Polos’ Rede über Archelaos vgl. Natoli 2004, 36, A. 78; Giuliodori 2004, 43; Borza 1990, 135, A. 7; Hammond/Griffith 1979, 134; Abel 1847, 166–170. Es handelt sich um eine der meist diskutierten Passagen in der Temenidenforschung. Vielfältige Schlüsse werden gezogen: zum Status von Archelaos und seiner Mutter: Kaerst 1895a, 446 (hält den Sklavenstand für authentisch); zur temenidischen Polygamie: Müller 2015, 472–473; King 2010, 377; Whitehorne 1994, 19–20; zu Vormundschaft und Nachfolgeregelung im Temenidenreich: Kaerst 1895a, 446 (Archelaos sei nur als epitropos für den siebenjährigen Halbbruder vorgesehen gewesen); zum Regierungsbeginn von Perdikkas (Psoma 2012, 75–76; Abel 1847, 166–170) sowie von Archelaos (Moloney 2014, 239–240; Psoma 2012, 76; Duncan 2011, 79; Roisman 2010a, 157; Matthiessen 2002, 257; Kaerst 1895a, 446); zu Platons Informationen zu Makedonien: Greenwalt 2010b, 155 (vermeintlicher Beleg für Platons Kenntnisse von makedonischem Hofklatsch). 622 Vgl. Vickers 1994, 88 (zwischen 427–405). Darauf verweisen auseinanderdriftende Daten. Gesprächsteilnehmer sind neben Sokrates und Polos dessen Lehrer Gorgias und der Athener Kallikles. Thema ist die rechte Lebensweise. 623 Vgl. Plochmann/Robinson 1988, 84. Pace Aston 2012b, 257; Hornblower 1991, 376. 624 Zur Fiktionalität des Gesprächs vgl. Dalfen 2004, 118–122. 625 Vgl. Vickers 1994, 88–90, 98, 110: Es sei eigentlich um Alkibiades und dessen Karriere gegangen, der mit Archelaos assoziiert werden konnte, weil Alkibiades in Athen die euergesia für ihn
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Fünftens stellt Platon Polos als rhetorisch wenig versierten,626 unglaubwürdigen Redner dar.627 In seiner schlecht strukturierten, unlogischen und polemischen Ausführung verstolpert er sich so,628 dass Sokrates, bei Platon die entscheidende Instanz, erwidert, er stimme ihm in nichts (οὐδέν) zu,629 und am Dialogende seine Zweifel erneut bekräftigt.630 Dies wird nicht von ungefähr kommen, da in Athen ein positives zeitgenössisches Bild von Archelaos vorherrschte, wie seine Ehrung als euergetes, der Athens Bürgerschaft mit Schiffsbauholz geholfen hatte, und seine Lobpreisung durch Thukydides zeigen.631 Polos’ Rede ist demnach als Inversion zu lesen: Sie zeugt nicht von makedonischen historischen Fakten,632 sondern im Gegenteil davon, welche Behauptungen über Archelaos und seinen Werdegang in Platons Augen als unglaubwürdig galten und Polos somit als Scharlatan entlarvten. Dafür lieferte Polos reichlich Material; seine Ausführung strotzt vor logischen Brüchen: Als Sohn einer Sklavin wäre Archelaos ebenfalls unfrei gewesen, da der Status des Kinds dem der Mutter folgte. Dies unterstreicht Polos selbst, indem er ihn als Sklaven des Alketas, Eigentümer von Archelaos’ Mutter und somit auch ihres Kinds, bezeichnet. Als Unfreier wäre Archelaos nicht herrschaftsfähig gewesen: in seinen sozialen Räumen völlig begrenzt, Eigentum seines Sklavenhalters, ohne Waffenrecht, ohne Entscheidungsbefugnisse, und unfähig, legitimen ........................................................................................................................................................................... beantragt hatte (IG I3 117). Die Vorwürfe gegen Archelaos wie Hybris und Autoritätsmissbrauch glichen daher den topischen Anschuldigungen gegen Alkibiades. Zur äußerst problematischen Quellenlage zu Alkibiades vgl. Andrewes 1992, 443–444. In zweiter Bedeutungsebene interpretiert Vickers 1994, 110 Archelaos als einen sprechenden Namen mit Referenz zu Kritias, weniger als die historische Person des makedonischen Herrschers. 626 Plat Gorg. 448 D. Vgl. Dalfen 2004, 249, 276. Siehe auch Trampedach 1994, 162–163: Polos habe „Verständigungsprobleme“. 627 Plat. Gorg. 448 D; 471 D. Vgl. Stauffer 2006, 60–63; Plochmann/Robinson 1988, 84. 628 Vgl. Tarnopolsky 2010, 74; Stauffer 2006, 60–61; Dalfen 2004, 275–277; Plochmann/Robinson 1988, 82–84; Saxonhouse 1983, 147. Stauffer 2006, 61 wendet zu Recht ein: „Archelaus’ lineage, after all, was not that of a typical slave. Nor does Polus provide any evidence to prove a set of accusations that would be hard to verify”. Vgl. Moloney 2014, 234–235; Tarnopolsky 2010, 74: Das Sklaventum sei ein traditioneller topos in Reden zu Unrecht und Recht. Ael. VH 12,43 greift diese Kolportage in seiner problematischen Liste berühmter illegitimer Männer auf. Vgl. Müller 2015, 472–473; Ogden 1996, 218. Siehe auch Geyer 1930, 99 zur Unglaubwürdigkeit dieser Geschichte. Ebenfalls zu Zweifeln an „all this malignant gossip“: Harder 1985, 129–130. 629 Plat. Gorg. 471 D: καὶ μὴν οὐδέν γέ σοι τούτων ὁμολογῶ ὧν σὺ φῄς. Vgl. Stauffer 2006, 63; Dalfen 2004, 275–277; Plochmann/Robinson 1988, 82–84. 630 Plat. Gorg. 525 D: Es sei ungewiss, ob Polos’ Aussagen zu Archelaos zuträfen. Vgl. Dalfen 2004, 275. Vickers 1994, 110 sieht darin sogar die mitschwingende Frage, wer eigentlich der Tyrann im übertragenen Sinn sei: Archelaos oder Polos. 631 Thuk. 2,100,2; IG I3 117 (= ML 91; HGIÜ 150). 632 Vgl. Müller 2017b, 190–191; Roisman 2010a, 154. Von Beschreibungen wie Archelaos’ „outstanding efforts as a murderer“ (Whitehorne 1994, 28) ist daher Abstand zu nehmen. Siehe die Analyse bei Müller 2016a, 165–169.
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Nachwuchs zu produzieren.633 Entsprechend unlogisch ist auch der Mord zum Schluss: Als Sklave konnte Archelaos weder epitropos werden noch den kleinen Bruder als Konkurrenz betrachten; dessen Tötung wäre demnach sinnlos gewesen. Wie im Friedensvertrag zwischen Athen, Perdikkas II. und Arrabaios ersichtlich, in dem Archelaos unter den Schwurzeugen als Perdikkas’ legitimer Sohn aufgeführt ist,634 entstammte er einer rechtmäßigen Ehe.635 Polos’ Behauptung war eine rhetorische Übertreibung, um für seine These, auch ein Übeltäter könne glücklich werden, die Beweisfigur eines erfolgreichen Erzbösewichts zu schaffen.636 Platon zeigte Polos somit als fragwürdigen Redner, der das Ziel, Recht zu behalten, über Faktentreue stellte. Vor diesem Hintergrund ist auch Polos’ unschmeichelhafte Darstellung von Perdikkas zu deuten. Es ging nicht um die historische Person, sondern darum, dass Polos eine Linie des Unrechts aufzeigen wollte, in der Archelaos stand: Der kriminelle Sohn übertraf den verbrecherischen Vater. Die Behauptung, Perdikkas habe Alketas die ἀρχή weggenommen,637 ist mithin kein historischer Beleg für ein Teilreich, sondern ein rhetorisches Stilmittel des Polos. Mit ἀρχή meinte er entsprechend die Gesamtherrschaft.638 Eine besondere Pointe mag sein, dass Perdikkas sei............................................ 633 Vgl. Hermann-Otto 2009, 51–110; Garlan 1984. 634 IG I3 89. Vgl. Müller 2015, 473; Psoma 2012, 75; Müller 2009a, 19, A. 7; Whitehorne 1994, 21; Macurdy 1932, 16; Geyer 1930, 85. Die Reihenfolge der Schwurzeugen wird oft als Indikativ für ihren Rang am Hof angesehen: Nach Perdikkas folgen sein Bruder Alketas und danach Archelaos. Vgl. Psoma 2012, 75; Carney 2000, 259, A. 55; Whitehorne 1994, 20–21; Hammond/Griffith 1979, 134. Dies ist jedoch nicht gesagt, vgl. Ogden 1999, 6–7. 635 Ein weiterer Hintergrund von Polos’ Bezichtigung, Archelaos sei der Sohn einer Sklavin und somit illegitim, mag das Missverständnis polygamer Strukturen aus der Sicht monogamer Griechen sein: Wenn nur eine Frau die rechtmäßige Gattin sein konnte, waren die anderen Frauen folglich nicht in diesem Rechtsstatus und ihre Kinder illegitim. Dies war jedoch in polygamen Herrscherhäusern nicht der Fall. Vgl. Müller 2015, 472–473. So auch schon Whitehorne 1994, 19–20. 636 Vgl. Dalfen 2004, 275. 637 Plat. Gorg. 471 B (τὴν ἀρχὴν ἣν Περδίκκας αὐτὸν ἀφείλετο). Vgl. Cole 1974, 56; Geyer 1930, 51. 638 Vgl. Stauffer 2006, 62, A. 23. Das vermutete bereits Abel 1847, 166–170, der die Polos-Rede aber als authentisches historisches Dokument las. Zur Gegenargumentation vgl. Geyer 1930, 51. Unglaubwürdig ist auch, dass sich Alketas gemäß der Logik von Polos’ Geschichte protestlos in seine Entmachtung fügte, während der gesamten Regierungszeit seines Bruders stillhielt, aber sofort wieder Hoffnung schöpfte, als Archelaos ihm die Herrschaft anbot. Wie ein Sklave einen eigenen Hof haben und gar eine Herrschaftsübertragung vornehmen konnte, erschließt sich überdies nicht. Polos’ Fischen im Trüben wird durch das topische Motiv der Banketteinladung mit bösen Hintergedanken und des Ausschaltens der abgefüllten Konkurrenz nicht glaubwürdiger. Vgl. Dalfen 2004, 275 mit dem Verweis auf die Erzählung vom Satrapen Oroites bei Hdt. 3,120–129. Die Krönung bietet die krude Gänse-Story, vgl. Dalfen 2004, 275: „hier wird die Geschichte völlig suspekt“. Auch wenn sie teilweise wortwörtlich geglaubt wird, so von Whitehorne 1994, 21, der argumentiert, dass Kleopatras Rang am Hof so hoch gewesen sei, dass Archelaos ihren Sohn nicht einfach so habe umbringen können, sondern sich extra diese Lügen habe ausdenken müssen. Warum er ihn dann überhaupt ohne Folgen beseitigen konnte und trotz Lügen – die nicht einmal besonders ausgefeilt klingen – in Verdacht kam, erschließt sich aber nicht.
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nem angeblich unfreien Nachwuchs, Eigentum des vermeintlich entthronten Alketas, auch noch frech den herrschaftlichen Namen „Herr über ein Volk“ (Ἀρχέλαος) gab. In summa ist die Aussage von Polos, Platons unglaubwürdiger, polemisierender Dialogfigur, weder ein Beleg dafür, dass Alketas vor Perdikkas geherrscht noch dass er ein Teilreich besessen hatte.639 Aufgrund der aufgezeigten Anlage von Platons Polos-Porträt kann man dies vielmehr als Hinweis lesen, dass dem nicht so war.
Totgesagte leben länger? Ein Gedankenspiel Bei Polos’ Behauptung, Archelaos habe seinen jüngeren Halbbruder ermordet, verzichtet er auf eine Namensnennung, was Dalfen verdächtig findet.640 Auf den Namen geht nur der Scholiast zu Aelius Aristides ein, der sich auf jene Platon-Stelle bezog.641 Er nennt, von Hammond als sehr gut informiert gelobt,642 zwei verschiedene Namensmöglichkeiten: Alketas oder Meropos (Emendation: Aëropos). Hammond folgert daraus, dass Perdikkas noch zwei weitere Söhne gehabt habe: Alketas, Archelaos’ siebenjähriges Mordopfer, und Aëropos, der älter als Alketas gewesen sei.643 Allerdings ist diese Rekonstruktion nicht zu verifizieren. Ein Aëropos taucht nach Archelaos’ Tod 399 auf: Diodor zufolge wurde er Vormund (epitropos) für den unmündigen Orestes, Archelaos’ Sohn.644 Aëro........................................................................................................................................................................... Den Mord, nicht aber die Geschichte, betrachtet Carney 2000, 22 als glaubwürdig. Ebenso Giuliodori 2004, 64, die folgende Frage aufwirft: Wieso kam der Mordhergang ans Licht, wenn Archelaos ihn geheim hielt? 639 Stauffer 2006, 62, A. 23 zufolge handelte es sich um eine eindimensionale Simplifizierung komplexer Sachverhalte. Vermutlich war es nicht einmal das, sondern reine rhetorische Freiheit. Es ist auch kein Widerspruch, dass Platon Perdikkas in Polit. 336 A von Sokrates zur Untermauerung eines rhetorischen Arguments in negativer Konnotation in einem Atemzug mit verrufenen Gestalten des griechischen kulturellen Gedächtnisses wie Xerxes und Periandros von Korinth nennen lässt. Erstens kommt es jeweils auf den inhaltlichen Kontext an. Zweitens ist, wie bei Thuk. 2,100,1–2 zu sehen, eine kritische Sicht auf ihn und eine positive Wahrnehmung seines Sohns Archelaos kompatibel. 640 Vgl. Dalfen 2004, 275. Siehe auch die Skepsis von Cole 1974, 56. 641 Schol. Aristid. 46,120,2. Vgl. Ogden 2011, 94. 642 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 135–136. 643 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 135–136. An einen Sohn des Perdikkas namens Aëropos glaubt auch Psoma 2015b, 16. 644 Synk. 500 (Dindorf). Vgl. Lane Fox 2011, 216; Carney 1980, 25; Hammond/Griffith 1979, 168. Orestes war laut Diod. 14,37,6 noch ein Kind (παῖς), was immer dieser unkonkrete Begriff bedeutete. Jedenfalls wurde er noch nicht als regierungsfähig eingestuft. Allerdings wird teilweise bezweifelt, dass er sein Sohn war, vgl. Ogden 2011b, 94. Auch Synk. 500 (Dindorf) bestätigt je-
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pos ging über die Leiche seines Mündels und herrschte für sechs Jahre, bevor er starb, wohl eines natürlichen Tods.645 Zwar taucht Orestes auf den Herrscherlisten bei Eusebios für 3 beziehungsweise 4 Jahre als (nomineller) Herrscher auf,646 doch geht die Tendenz aktuell dahin, Aëropos’ sofortige Machtergreifung anzunehmen,647 zumal es keine Münzprägung unter Orestes’ Namen gibt.648 An einen epitropos wurden Herrschaftsaufgaben in Stellvertretung herangetragen. Die Ausübung der Herrschaft im Temenidenreich war ideologisch strikt an die Dynastie als einzig herrschaftsfähige Familie gebunden. Diese Grundvoraussetzung fand Konsens im Reich bis zu dessen Ende. Daher wurde ein solcher Posten kaum außerhalb der Dynastie vergeben. Es ist davon auszugehen, dass Aëropos Temenide war.649 Allerdings sind seine Verwandtschaftsverhältnisse umstritten; die Identifikation fällt verschieden aus: als Sohn von Perdikkas’ Bruder Philipp;650 als Vertreter des Dynastenhauses der Lynkestis, teilweise als Sprössling des Arrabaios;651 als Kind von Perdikkas und Simiche, ........................................................................................................................................................................... doch diese Verwandtschaftsbeziehung. Der Name Orestes scheint in Makedonien und Nachbargebieten im 5. Jh. v. Chr. nicht unüblich gewesen zu sein. Auch ein vornehmer Thessaler, Sohn des Echekratides, ist unter diesem Namen bekannt (Thuk. 1,111,1). Vgl. Morrison 1942, 61. Eventuell hatte Archelaos einen zweiten Sohn, den er nach seinem Urgroßvater Amyntas benannte (Aristot. Pol. 1311 B), doch ist die Identität dieses Amyntas umstritten. Er war vielleicht identisch mit dem kurzzeitigen Herrscher Amyntas II., vgl. Stylianou 1998, 37. Alternativ gilt er als Sohn des Menelaos, Archelaos’ Onkel, vgl. Roisman 2010a, 158; March 1995, 279; Borza 1990, 178; Wirth 1985, 22; Hammond/Griffith 1979, 168–169. Dies ist allerdings problematisch, da die Annahme auf Ael. VH 12,43 beruht, eine klischeelastige Aufzählung angeblich illegitim geborener Herrscher. 645 Diod. 14,37,6: τὴν δ᾽ ἀρχὴν διεδέξατο Ὀρέστης παῖς ὤν, ὃν ἀνελὼν Ἀέροπος ἐπίτροπος ὢν κατέσχε τὴν βασιλείαν ἔτη ἕξ; Synk. 500 (Dindorf). Über eine nicht natürliche Todesursache ist nichts zu erfahren. Vgl. Roisman 2010a, 158; Hammond/Griffith 1979, 170. 646 Euseb. I 229; Synk. 482, 494 (Dindorf). Vgl. March 1995, 264; Geyer 1930, 105–106. Die Gesamtzahl der Herrschaftsjahre käme dann mit Diodors Angaben von 6 Jahren knapp hin. Euseb. I 227 lässt auch Orestes weg und spricht von 6 Regierungsjahren des Aëropos. 647 Vgl. Müller 2016, 195–196; Anson 2013, 23–24. Auch Diodors Bericht geht dahin. Ähnlich auch: Euseb. I 227 (6 Jahre Regierung des Aëropos). Indes meint Stylianou 1998, 37, A. 106–107, dass Diodor sich darauf bezogen habe, dass Aëropos seine Regierungsjahre ab Archelaos’ Tod gezählt und Orestes unterschlagen habe. Das war zwar durchaus eine gängige Methode, muss aber nicht der Fall gewesen sein. Eventuell ließ Aëropos es nicht einmal auf die Akklamation seines Mündels ankommen. 648 Nach den Prägungen von Archelaos folgen die des Aëropos, vgl. Westermark 1989, 304–305, 310–311; Gaebler 1935, 157. Roisman 2010a, 158 sieht Orestes’ Unmündigkeit als Grund an. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass ein temenidischer Herrscher nach der Akklamation stets der Prägeherr war, ob er nun unmündig war oder nicht. Der epitropos konnte nicht einfach in seinem eigenen Namen prägen. Vgl. Geyer 1930, 107. 649 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 134–136, 170, 182; Wirth 1985, 22; Geyer 1930, 107. 650 Vgl. Mattingly 1996, 244. Zu einer Übersicht vgl. Hoffman 1975b, 100–102. 651 Vgl. Lane Fox 2011, 217; March 1995, 278; Goukowsky 1991, 47, 49–50 (ein Sohn des Arrabaios); Carney 1980, 25–26; Abel 1847, 205. Dies wird aufgrund seines Namens vermutet, den die Vertreter der These als in der Lynkestis geläufig charakterisieren. Doch Aëropos ist weniger in Lynkestis bezeugt als in anderen makedonischen Gebieten, vgl. Fraser/Matthews 2005, 8, die
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somit Archelaos’ Vollbruder;652 als Sohn von Perdikkas und einer anderen Frau, somit Archelaos’ Halbbruder.653 Über Aëropos’ Herrschaft ist zu wenig bekannt, um weitere Anhaltspunkte zu finden. Der Umstand, dass er in Synkellos’ Liste makedonischer Herrscher auch als Archelaos bezeichnet wird,654 geht sicherlich auf einen Irrtum zurück. Ebenso wenig kann die Anlehnung von Aëropos’ Münzbildprogramm an das von Archelaos beweisen, dass sie Brüder waren. Es zeigt nur, dass Aëropos es opportun fand, sich in seine Tradition zu stellen.655 Vom Namen seines Sohns und Nachfolgers ist auch wenig abzulesen: Pausanias, der nur knapp ein Jahr regierte,656 war einer der häufigsten Männernamen im temenidischen Makedonien überhaupt.657 Eine weitere Möglichkeit der Identifizierung von Aëropos bleibt noch, wurde jedoch wegen Polos’ Archelaos-Exkurs bei Platon bisher nicht erwogen. Hat man diese Passage jedoch erst einmal als unglaubwürdig gestaltete Schmährede mit Elementen der Inversion identifiziert, eröffnet sich folgende Alternative: Der epitropos Aëropos könnte Archelaos’ jüngerer Halbbruder Aëropos sein, der Sohn von Kleopatra und Perdikkas, das angebliche Mordopfer. Polos’ Behauptung wäre als glatte Lüge zu identifizieren. In dem Fall wäre Aëropos vermutlich an Archelaos’ Hof geblieben, wo sein Bruder versucht haben mag, ihn in seine faction einzubinden. In der höfischen Sphäre, am Puls des politischen Zentrums, hätte Aëropos jedenfalls Möglichkeiten und Zeit genug gehabt, Rückhalt bei den Führungskreisen sammeln können, um später seine eigene Akklamation durchzusetzen.
........................................................................................................................................................................... für die Lynkestis nur einen Namensträger nennen. Siehe auch Hoffmann 1906, 130–131. Zudem trägt einer der älteren Brüder der temenidischen Gründerfigur Perdikkas diesen Namen (Hdt. 8,137,1). Teilweise gilt der epitropos als lynkestischer Angehöriger eines temenidischen Nebenzweigs, vgl. Heckel 2006, 19; Bosworth 1980, 159; Hatzopoulos 1986, 289; Hammond/Griffith 1979, 17; Habicht 1977, 511–513; Berve 1926, 17. 652 Vgl. Roisman 2010a, 158, m. Fig. 8.1. Den Sohn von Kleopatra und Perdikkas listet er als dritte anonyme Größe auf. 653 Vgl. Psoma 2015b, 16–17; Fraser/Matthews 2005, 8, Nr. 2; March 1995, 278; Hammond/Griffith 1979, 169–170. Geyer 1930, 107 hält sich bedeckt: Er sei der nächste volljährige Agnat im Temenidenhaus gewesen. 654 Synk. 494 (Dindorf). Im Folgenden nennt er ihn wieder Aëropos: Synk. 500 (Dindorf). 655 Vgl. SNG ANS 8 Macedonia II, pl. 4, 76–81; SNG Greece 2,1 Alpha Bank Macedonia I, pl. VII, 172–176; Westermark 1989, 310–311; Gaebler 1935, 157. 656 Diod. 14,37,6; 14, 84,6; 14,89,2. Vgl. Borza 1990, 78; Geyer 1930, 109. 657 Vgl. Psoma 2015b, 19; Fraser/Matthews 2005, 276–277: 28 Träger für Makedonien; davon keiner aus Lynkestis und nur jeweils einer aus Elimeia (Nr. 20) und aus Orestis (Nr. 26); Tataki 1998, 399–401, Nr. 31–40, mehrheitlich aus dem 4. Jh. v. Chr.: Der Herrscher Pausanias ist Nr. 37; Hoffmann 1906, 133–134.
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Einer These zufolge war Perdikkas’ Frau Kleopatra identisch mit Archelaos’ gleichnamiger Frau.658 Er hätte demnach seine (noch junge) Stiefmutter, die Mutter des (angeblich) ermordeten Jungen, aus Legitimationsgründen geheiratet.659 Als Gründe für einen solchen endogamen Ehebund gelten, dass sie als Herrscherwitwe hohes Prestige besessen und Archelaos die Möglichkeit gegeben hätte, sich symbolisch in die Tradition seines Vaters zu stellen.660 Es ist schwierig, einzuschätzen, ob dies zutrifft.661 Nimmt man es hypothetisch einmal an, hätte Archelaos versucht, Mutter und Sohn in seine faction zu integrieren. Wäre dies so gewesen, würde sich als Ironie des Schicksals erweisen, dass Archelaos derjenige war, der ermordet wurde,662 während Aëropos ihn überlebte und selbst noch eine royale Karriere machte. Doch ist dies, wie gesagt, unsicher.
Die temenidische Aufstiegsgeschichte und die Vorgabe der ungeteilten Herrschaft Auch die Aufstiegsgeschichte der Temeniden bei Herodot,663 gemäß communis opinio Reflex der makedonischen höfischen Sprachregelung zurzeit von Alexander und Perdikkas,664 bestätigt, dass die Herrschaft in Makedonien einem ............................................ 658 Diod. 14,37,6. An die Stiefmutter glauben: Heckel 2017, 69; Psoma 2012, 76; Ogden 2011, 94; Whitehorne 1994, 22. 659 Vgl. Psoma 2015b, 16; Ogden 2011, 102; Ogden 1999, 8–10, 23–24; Whitehorne 1994, 22–23, 27–28 (eine Lynkestin, Tochter von Perdikkas’ Gegner Arrabaios); Carney 2000, 21–22; Kaerst 1895a, 446. Howe 2015 argumentiert in dieser Linie auch für Alexander III., der dies bei Kleopatra, der letzten Frau seines Vaters, versucht habe. 660 Dies würde zugleich auch bedeuten, dass es erstrebenswert war, an Perdikkas anzuknüpfen. Somit wäre anzunehmen, dass er bei den Führungskreisen zum Zeitpunkt seines Todes beliebt und angesehen war. Doch sind zu viele Fragezeichen bei dieser Rekonstruktion zu beachten, um irgendetwas gesichert sagen zu können. 661 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 169, A. 2 (unzutreffend). Noch schwieriger ist es bezüglich der Vermutung, sie sei eine Temenidin gewesen (so Carney 2000, 21–22). Whitehorne 1994, 22 verweist auf die Häufigkeit des Namens Kleopatra. Carney 2000, 22 argumentiert dagegen, dass er in Archelaos’ Zeit in Makedonien keinesfalls so häufig gewesen sei. Dies bestätigt zumindest die Liste bei Fraser/Matthews 2005, 194. Hatzopoulos 1996a, 212–213 bezeichnet ihn als einen typisch makedonischen Namen. 662 Aristot. Pol. 1311B; Diod. 14,37,6; [Plat.] Alk. II 141D-E; Ael. VH 8,9; Plut. mor. 768 F. 663 Hdt. 8,137–139. Vgl. Müller 2016, 87; Müller 2009b, 69–70; Bowie 2007, 225; Romm 1998, 127. Zur Bedeutung für die temenidische Selbstdarstellung vgl. Richter 2011, 110. Siehe Carney 2015, 149: „The tradition of the past Argead rule legitimized the present Argead ruler“. Zur Funktion solcher Ursprungsgeschichten allgemein vgl. Mac Sweeney 2014. 664 Vgl. Vasilev 2014, 9; Sprawski 2010a, 128–129; Patterson 2010, 171 (es könnte sich um oral tradition oder Informationen aus einem unbekannten Archiv handeln); Natoli 1994, 120; Hammond 1989, 3, A. 6; Geyer 1930, 40.
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Auserwählten zukam. Generell beinhaltet sie vier essentielle Motive: 1) eine Herkunft mit drei prestigiösen Facetten: erstens aus dem griechischpeloponnesischen Argos, berühmt für seine mythische Geschichte,665 zweitens vom Herakliden Temenos als Urahn und somit drittens von königlichem Geschlecht;666 2) göttliche Herrschaftsbestimmung durch Zeus als Schutzpatron;667 3) persönliche Exzellenz des einen Auserwählten; 4) Herrschaftsrecht über Ober- und Niedermakedonien.668 Von den drei Protagonisten, Gauanes und Aëropos und Perdikkas, liegt auf Perdikkas, dem Jüngsten, der Fokus: Er ist die persona agens, von Zeus auserwählt,669 und beherrscht die Situation geistesgegenwärtig durch Wort und Tat, die ihm die Herrschaftsübergabe beschert.670 Die dynastische Dimension kommt im rituellen Gestus der Herrschaftsannahme herein, weil Perdikkas in Eigeninitiative diese Entscheidung trifft und seine Brüder mitbedenkt, während sie nur staunend danebenstehen.671 Sollte im Hintergrund eine Referenz zur Aufstiegsgeschichte des Urahns Temenos gestanden haben, handelt es sich um eine entscheidende Ab............................................ 665 Diod. 12,75,5–6. 666 Hdt. 8,137,1; Diod. 12,75,6. Vgl. Patterson 2010, 171; Andronikos 1994, 38. Zu Temenos: Paus. 2,18,7; 3,1,5; Strab. 8,8,5; Theopomp. BNJ 115, F 393. Vgl. Bowie 2007, 226. Er war der Urenkel von Herakles’ Sohn Hyllos (Hdt. 6,52; 7,204). Vgl. Psoma 2013a. Herakles war zudem gerade seit dem 6. Jh. v. Chr. in Athen besonders beliebt gewesen, vgl. Goušchin 1999, 169. Gerade die Athener galt es zu überzeugen, dass die Temeniden Griechen – und keine medisierenden Griechen – gewesen seien. Argos war in den Perserkriegen nach Befragung des Orakels von Delphi neutral geblieben (Hdt. 7,148,3–149,1), obwohl es eine Tradition gab, wonach die Argiver mythisch mit den Persern assoziiert wurden (Hdt. 7,1,50. 151). 667 Vgl. Müller 2016a, 89–90. Zur Bedeutung des Zeus-Kults in Makedonien vgl. KremydiSicilianou 2004; Schwabl 1978, 1119–1126. Weit verbreitet und teils als makedonischen Ursprungs angenommen ist der Kult des Zeus Hypsistos, wohl in einer Retterfunktion. Vgl. Kloppenborg/Ascough 2011, 309; Schwabl 1978, 1119. Allerdings sind die Zeugnisse zumeist aus nach-temenidischer Zeit (siehe etwa SEG 46,744 aus Edessa; SEG 46,800 aus Pydna), vgl. Kloppenborg/Ascough 2011, 309; Chatzinikolaou 2010, 195–199. 668 Hdt. 8,137,1. 138,2. Vgl. Müller 2017b, 188. 669 Hdt. 8,137,3. Dies zeigt sinnbildlich das Brotwunder, die wundersame Verdopplung seines Brotes beim Backvorgang, die ihn unter den Mahlteilnehmern als führend heraushob, da alle Mitglieder der Tafelgemeinschaft die gleichen Portionen bekamen (analog bei Hdt. 6,57,1). Vgl. Müller 2016a, 87, 89; Rundin 1996, 208; Kleinknecht 1966, 140. Gegen die These von Greenwalt 2015a, 343, das Brotwunder sei Dionysos’ Wirken (vgl. Greenwalt 1994), ist Zeus anzunehmen, der auch für die anderen Wunder, die Perdikkas halfen, zuständig gewesen sein wird. Vgl. Müller 2017b, 187. Zu Perdikkas I. allgemein vgl. Geyer 1937a. 670 Hdt. 8,137,3–5. Der von der Gottheit verblendete basileus trat sein Herrschaftsrecht ab, das durch die Sonne, bildsymbolisch für den Glanz des göttlichen Segens, verkörpert wurde, die durch den Rauchfang auf den Boden seines Hauses schien. Als er den Brüdern diesen Sonnenschein als Lohn für ihre Hirtendienste anbot, war nur Perdikkas geistesgegenwärtig genug, die vermeintliche Spottgabe anzunehmen. Vgl. Müller 2016a, 87–90; Burkert 1998, 192: Seine Geistesgegenwart, im richtigen Moment das Zeichen zu erkennen und anzunehmen, impliziere, dass er die reale Macht gewann, auf die das Zeichen verwies. 671 Hdt. 8,137,5. Perdikkas spricht von „Wir“ und umrundet und schöpft mit seinem Messer das Sonnenlicht dreimal, für sich und seine beiden Brüder. Sie zeigen keinerlei Einsicht in die Situation oder Initiative. Vgl. Müller 2016a, 88.
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weichung: Temenos soll die Peloponnes zusammen mit seinen beiden Brüdern erobert und durch eine Verlosung – die Gleichrangigkeit implizierte –672 dreigeteilt haben.673 In der temenidischen Gründungsgeschichte kann von einer Gleichrangigkeit der Brüder ebenso wie von einer Reichsteilung keine Rede sein.674 Perdikkas ist der Auserwählte; seine Brüder sind seine Begleiter, Repräsentanten der Dynastie, die ihn unterstützen – weil er ihnen diesen Handlungsspielraum gewährt.675 Noch deutlicher machte die unter Archelaos entstandene Revision der Gründungsgeschichte durch Euripides die Rollenverteilung zwischen Herrscher und Brüdern: Der Reichsgründer, nunmehr Archelaos, Sohn des Temenos,676 ist, aus dem familiären Kontext der früheren Version gelöst, zum Einzelkämpfer geworden.677 Seine Brüder sind in Gegner umgewandelt worden, die ihn aus Argos vertrieben haben.678 Diese Zuspitzung auf die Einzelperson mit Referenz zum Wandermotiv des Mythos von der Geburt des Helden, mit dem Euripides durchaus operierte,679 kann dessen dichterischer Eigenleistung und dem Tragödiengenre geschuldet sein. Man sollte nicht zu viel bezüglich Archelaos’ Dynastiepolitik hineininterpretieren.680 Dennoch ist festzuhalten, ............................................ 672 Vgl. Il. 15,187–198 zur Aufteilung der Herrschaftsgebiete durch Los unter Zeus und seinen Brüdern. Zur Revision: Kallim. Hymn. 1,55–67. 673 Diod. F 7,14a. Die Verteilung durch Los fand zwischen Temenos (der Argos bekam), seinem überlebenden Bruder und den Söhnen des verstorbenen dritten Bruders statt. 674 Dies macht auch die These unwahrscheinlich, wonach die Brüder drei Ethnien oder Clans symbolisiert hätten, die sich in den Gebieten Elimeia (Gauanes), Lynkestis (Aëropos) und Zentralmakedonien (Perdikkas) durchgesetzt hätten, so Borza 1990, 84; Hammond/Griffith 1979, 30. In der neueren Forschung akzeptiert von Vasilev 2012, 46. Vgl. Vasilev 2011a, 103– 104. 675 Hdt. 8,137,1 macht es überdies deutlich, indem er die Herrschaft des Reichsgründers Perdikkas als tyrannis bezeichnet. In diesem Fall war sicherlich keine negative Konnotation intendiert, sondern ein wertfreier Begriff für eine archaische Form der Alleinherrschaft. Vgl. Welwei 2000, 315 (synonym für arche). Zur Diskussion des Terminus bei Herodot vgl. Scaife 1989, 130. Zu Herodots Verwendung von basileus vgl. Borza 1999, 13–14. Zu Herodots Bezeichnung der Temenidenherrscher siehe auch Zahrnt 2002, 52, A. 18. 676 Vgl. Harder 1985, 131. 677 Die Tragödie ist nur fragmentarisch erhalten, doch gilt Hyg. Fab. 219 als Reflex. Vgl. Moloney 2014, 240; Xanthakis-Karamanos 2012; Hammond/Walbank 1988, 481. Zu den Fragmenten, die auf zwei Papyri gefunden wurden (PHamb 118a; POxy. 3,419), vgl. Harder 1985, 139–144. Zur Problematik der Rekonstruktion vgl. Xanthakis-Karamanos 2012; Matthiessen 2002, 257. 678 Warum es zu Archelaos’ Vertreibung kam, ist unbekannt. Gegen die These, aufgrund einer Missdeutung seines Geburtsorakels, Archelaos habe, getreu seinem Namen, „Herr über ein Volk“ in Argos werden sollen, hätte es Streit gegeben, argumentiert Harder 1985, 132–132. Sie sieht Anklänge an einen anderen Sohn des Temenos, Agraios, der sich nicht mit seinen Brüdern gegen den Vater verschwören wollte (Paus. 2,28,3). 679 Gerade bei Euripides kam dieses Motiv häufig vor, vgl. Huys 1995. 680 Es ist zwar möglich, dass Euripides’ Mäzen Archelaos der Ansicht war, dass die helfenden Brüder in der Adlatus-Position im Gründungsmythos störten, weil sie von ambitionierten Verwandten als Legitimation für unerwünschtes Machtstreben ausgelegt werden konnten. Indes
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dass auch Euripides’ Version die temenidische Herrschaft als Sache eines Einzelnen zeigt – etabliert durch die Gründerfigur,681 und dies sicherlich im Sinne des temenidischen Patrons war.
Perdikkas und Histiaia Der früheste Hinweis auf Perdikkas’ Regierungstätigkeit fällt in die Zeit um 446/5 und betrifft die Zuwanderungspolitik: Vertriebene aus dem euboiischen Histiaia kamen nach Makedonien. Damit ist ein Aspekt verknüpft, der sich wie ein roter Faden durch Perdikkas’ Herrschaft zieht: das Verhältnis zu Athen. Der historische Kontext war ein Problem der Athener mit abtrünnigen Seebundmitgliedern in Euboia. Auch die im Norden gelegene Polis Histiaia, die als eines der Gründungsmitglieder des Seebunds gilt,682 war von Athen abgefallen.683 Der athenische Konterschlag unter Perikles kam rasch und hart. Die Bewohner wurden vertrieben und fanden in Makedonien Aufnahme, während Athen ihr Gebiet vereinnahmte: Θεόπομπος δέ φησι Περικλέους χειρουμένου Εὔβοιαν τοὺς ῾Ιστιαιεῖς καθ᾽ ὁμολογίας εἰς Μακεδονίαν μεταστῆναι, δισχιλίους δ᾽ ἐξ ᾽Αθηναίων ἐλθόντας τὸν ᾽Ωρεὸν οἰκῆσαι, δῆμον ὄντα πρότερον τῶν ῾Ιστιαιέων. Theopompos aber berichtet, dass die Histiaier, als Perikles Euboia unterwarf, gemäß einer Übereinkunft nach Makedonien ausgewandert seien, während 2000 Athener nach Oreos gegangen seien, um es zu besiedeln, was zuvor ein Demos der Histiaier gewesen war.684 ........................................................................................................................................................................... kann nicht zu viel aus den Fragmenten des Archelaos geschlossen werden.Vgl. Dalfen 2004, 276; Harder 1985, 129–130. Pace Moloney 2014, 239–240. 681 Interessant ist dabei auch das Motiv der Eltern: „the good qualities of noble parents are transferred to their children“ (Harder 1985, 213). In diesem Sinne ist auch eine verschlüsselte Ehrbezeugung für Archelaos’ Eltern implizit. Offenbar hatte Euripides nicht den Eindruck, als würde dies Archelaos missfallen. 682 Vgl. Lasagni 2012; Reber/Hansen/Ducrey 2004, 656. Histiaia ist auf den Tributlisten von 450/49 bis 447/46 verzeichnet. Sie zahlte 1000 Drachmen phoros. Zum emporion von Histiaia siehe Hansen 1997b, 84. 683 Meiggs 1972, 152–175 bezeichnet die Spanne der frühen 440er Jahre als eine Zeit der besonderen Probleme für Athen. 684 BNJ 115, F 387 (ap. Strab. 10,1,3). Williams 2015 vermutet, dies sei eine Passage aus Theopompos’ Bericht über die makedonische Intervention in Euboia und die Revolte Euboias 349/8 mit historischem Exkurs in Buch 24 gewesen. Strabon stellt diese Version von Theopompos einer anderen durch namentlich ungenannte Autoren gegenüber, die sagten, Histiaia sei eine apoikia
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Wo genau in Makedonien die Flüchtlinge angesiedelt wurden, ist nicht zu erfahren. Über den Inhalt und die Beteiligten an dieser ὁμολογία herrscht Uneinigkeit. Es ist ungeklärt, ob und wie Makedonien darin einbegriffen war oder ob die ὁμολογία sich nur auf ein Arrangement zwischen Euboia und Athen bezogen habe.685 Einerseits wird vermutet, Perdikkas sei zu jener Zeit mit Athen verbündet gewesen und habe die Histiaier in enger Abstimmung mit der Führungsspitze Athens aufgenommen.686 Über die Haltung am makedonischen Hof gegenüber dem athenischen Ansinnen herrscht wiederum Uneinigkeit. So geht Hoffman von einem „mutually profitable agreement with Pericles“ aus,687 ohne jedoch zu konkretisieren, worin die Gewinne für Perdikkas gelegen hätten. Dagegen steht die Annahme, es habe sich um eine athenische Repressalie gehandelt, der Perdikkas wenig entgegenzusetzen gehabt habe.688 Roisman zufolge war es eine weitere Maßnahme Athens unter Perikles, Makedonien in einen kontrollierenden Zangengriff zu nehmen.689 Hammond sieht einen kleinen Trost für Makedonien darin, dass Perdikkas in den Geflüchteten, „bitterly hostile to Athens“, loyale neue Reichsmitglieder und Rekruten für sein Heer gefunden hätte.690 Diametral zu der These, die Athener hätten den Makedonen die Aufnahme ........................................................................................................................................................................... der Athener vom Demos der Histiaier gewesen. Zur makedonischen Aufnahme der Histiaier vgl. Roisman 2010a, 146; Wirth 1985, 20; Geyer 1931, 53. Zur Vertreibung durch Perikles: Thuk. 1,114,3 (ohne Erwähnung der Zuflucht in Makedonien); 7,57,2; 8,95,7 (Oreos); Diod. 12,7,1; Plut. Per. 23,4; SEG 10,3. Vgl. Lasagni 2012; Lasagni 2010, 373–377; McGregor 1982, 110. Zur überlappenden Bezeichnung als Oreos (Aristoph. Pax. 1047, 1057) und Histiaia: Strab. 10,1,4. Nach dem Peloponnesischen Krieg bekamen die einstigen Bewohner die Stadt aber wieder zurück. Offenbar waren auch nicht alle Bewohner verdrängt worden, vgl. Lasagni 2010, 388, m. A. 169. 685 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 121: Sie habe die Zusicherung des sicheren Geleits der Histiaier nach Makedonien beinhaltet. 686 Vgl. Psoma 2014, 134, A. 8; Reber/Hansen/Ducrey 2004, 656; Borza 1990, 139 (ein Zeichen dafür, dass Perdikkas sich seit Regierungsbeginn in „a peaceful agreement with the Athenians“ befunden habe, das er als Erbe Alexanders I. deutet); Cole 1974, 58; Hoffman 1975, 364–365. Lasagni 2010, 374–377 verweist auf den Unterschied zur Behandlung von Eretria und Chalkis, mit denen die Unterwerfung vertraglich geregelt worden war, deutet die ὁμολογία als Verhandlung Athens mit euboiischen Repräsentanten über Histiaias Schicksal und weitgehend über die Köpfe der Betroffenen hinweg, ohne Raum für Makedonien als Mitsprachefaktor (mit Bezug auf IG I3 39 und 40) und schließt auf eine besondere Bedeutung Histiaias für das perikleische Athen. Indem sie den Vorgang als Deportation bezeichnet (vgl. Lasagni 2012; Lasagni 2010, 374), ist eine Absprache mit Perdikkas und dessen Einwilligung gegenüber Athen jedoch impliziert. Cawkwell 1997, 62 billigt den Histiaiern hingegen zu, noch glimpflich davongekommen zu sein, weil sie nach Makedonien gehen durften. 687 Hoffman 1975a, 364–365. 688 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 121–122, 148. 689 Vgl. Roisman 2010a, 146. 690 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 121–122, 148 (vor allem für die Hopliten), 163. Er zieht eine Parallele zur Aufnahme der Mykenaier durch Alexander I., die dieser auch zur Stabilisierung seiner eigenen Machtposition in den Städten genutzt habe.
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der Flüchtlinge auferlegt, steht die Vermutung, es habe sich um makedonische Eigeninitiative gehandelt. So geht Geyer von einer „symbolischen Handlung“ aus, mit der Perdikkas durch die Blume gezeigt habe, dass er nichts von Athen halte und um Gleichgesinnte werbe.691 Woodhead nimmt sogar an, dass die Athener Perdikkas vorher gar nicht auf dem Schirm gehabt hätten und erst durch diese Aktion auf ihn als potentiellen Konfliktfaktor aufmerksam geworden seien.692 Wie auch immer die Aufnahme der Vertriebenen zu interpretieren ist, bedeutete sie in jedem Fall einen Einschnitt in die Landschaft, in der sie angesiedelt wurden. Zum Einspruch blieb der makedonischen Seite wohl wenig Raum. Das athenische Umgreifen auf makedonische Einflusszonen entwickelte sich in den Folgejahren weiter. Eine friedliche Koexistenz wurde damit zur Illusion.
............................................ 691 Vgl. Geyer 1930, 53. Siehe auch Geyer 1937a, 593. Dagegen wenden sich Hammond/Griffith 1979, 121–122, A. 6: „which is not a point worth stating at all“. 692 Vgl. Woodhead 1952, 61. Allerdings ist fraglich, ob sein Vater und dessen Politik gar kein Begriff mehr in Athen waren.
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V
Perdikkas und/versus Athen
There must be some way out of here … Die Athener, die auf ihrer Führungsrolle im erfolgreichen Hellenenbund ihre Hegemonialansprüche aufbauten, drängten in den thrakisch-makedonischen Raum, als die Perser abzogen und die Kontrolle aufgaben. Dominierendes Element von Perdikkas’ Regierung war daher die Haltung zu Athen, die ihm Einmischung in die Innen- und Dynastiepolitik, militärische Konflikte und ein Ringen um den Erhalt seiner Handlungsräume einbrachte. Besondere Brisanz erhielt Perdikkas’ Bestreben, die eigenen Interessenszonen frei von athenischer Kontrolle zu halten, durch den Ausbruch des Peloponnesischen Kriegs. Vor diesem Hintergrund wurde die Chalkidike zu einem der Kriegsschauplätze, auf dem Sparta vorstellig wurde.693 Das Temenidenreich allein war keine substantielle Bedrohung für die athenische Position in Nordgriechenland. Einen Bedrohungsfaktor bot jedoch das Potential der Reichweite und Effektivität von Perdikkas’ Bündnispolitik.694 Seine Verbindungen reichten nicht nur nach Thessalien; er bemühte sich um Allianzen mit den chalkidischen Städten, Korinth, den thrakischen Odrysen und Sparta. Der Erfolg seiner Opposition zu Athen hing von der Stabilität seines Bündnissystems ab, das Athen in den turbulenten 430er und 420er Jahren solange Probleme bereiten konnte, wie es koordiniert ablief und die Bündnispartner an einem Strang zogen. Indes mangelte es an der Geschlossenheit dieses erhofften „Gegenblocks“, da die Abwehr des athenischen Einflusses der einzige gemeinsame Nenner der Beteiligten war. Sobald die anderen jeweiligen Eigeninteressen ins Spiel kamen, schieden sich die Geister und Wege. Dann waren Perdikkas und seine Führungsriege gezwungen, sich wieder Athen anzuschließen. Auf sich allein gestellt konnte das Temenidenreich dem athenischen Druck nicht trotzen. ............................................ 693 Allgemein vgl. Flensted-Jensen 2004, 810–812; Beck 1997, 146–154. Zur griechischen Besiedlung der Chalkidike vgl. Zahrnt 1971, 20–31. Gegen seine These, beim Χαλκιδικὸν γένος (Hdt. 7,185,2) gäbe es keine Verbindung zu Chalkis in Euboia (so Strab. 7,11; 10,1,8), sondern es handle sich um indigene ionische Griechen, wendet sich Knoepfler 1990, 115. Anhand einer Untersuchung des olynthischen Kalenders argumentiert er zugunsten einer euboiischen Herkunft. Darauf verweisen auch die frühen Prägungen von Olynthos, die, noch vor dem Bildprogramm mit Apollon und Kithara, als Symbol einen Adler mit Schlange (vgl. z.B. SNG Cop 234; SNG ANS 466) zeigten – wie die Münzen von Chalkis (vgl. z.B. Slg. Pozzi Nr. 3351). Vgl. Archibald 1998, 107. Zu den Edelmetallvorkommen in der Chalkidike vgl. Bissa 2009, 34. 694 Thuk. 1,57,5.
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Amphipolis: Dreh-, Angel- und Knackpunkt athenisch-temenidischer Beziehungen 437/6 trug sich ein einschneidendes Ereignis für Makedonien, Athen und ihre wechselseitigen Beziehungen zu: Die athenische apoikia Amphipolis wurde oberhalb der Mündung des Strymon gegründet.695 Die Rolle des oikistes, Indikator für eine relativ etablierte politische Position in Athen,696 hatte Hagnon, Sohn des Nikias, inne.697 Er bleibt jedoch trotz folgender Einsätze im thrakisch-chalkidischen Gebiet (vor Poteidaia 430 und beim Sitalkeszug 429),698 eine blasse Figur.699 Die Lage machte Amphipolis zu einem geostrategischen Trumpf-As.700 Die apoikia war ein Knotenpunkt, der Zugriff auf die lokalen Edelmetallminen701 und das als Flottenbaumaterial begehrte Holz der thrakisch-makedonischen Wäldern ermöglichte.702 Zudem erleichterte der Besitz von Amphipolis die politische Einflussnahme Athens in Thrakien und Makedonien und den Druck auf die Chalkidike.703 Michael Zahrnt vermutet, dass von Amphipolis aus die Steu............................................ 695 Thuk. 1,100,3; 4,102,3. 108,1; Diod. 12,32,3. 68,2; Polyain. 6,53. Die Gründung entsprach der athenischen Thrakienpolitik jener Zeit: Seit den 460ern hatten die Athener versucht, sich dort festzusetzen, erst mit der Kontrolle über Thasos, dann mit dem Avisieren des Strymongebiets. Vgl. Damyanov 2015, 299; Zahrnt 2015, 39–40; Mari 2014b, 76, 79–91; Sears 2013, 77; Stickler 2010, 238; Bissa 2009, 35–36; Flensted-Jensen 2004, 819; Borza 1990, 132; Pesely 1989, 195. Allgemein zu Amphipolis siehe Loukopoulou 2013; Koukouli-Chrysanthaki 2011; Papastavrou 1936a. 696 Vgl. Sears 2013, 77 („an important Athenian“), 78 mit Bezug zu Kratinos F 171 K-A (seine Familie sei archaioploutos gewesen); Pesely 1989, 194–195, 202. 697 Hagnon mag ebenfalls die Funktion eines strategos innegehabt haben, bezeugt von Polyain. 6,53; Steph. Byz. s.v. Ἁγνώνεια. Vgl. Develin 1989, 94–95. Akzeptiert von Mari 2012, 342, A. 52. Pesely 1989, 195 spricht dagegen von autokrator. Zudem verweist er darauf, dass Thuk. 4,102,3 impliziert haben könnte, dass Hagnon auch den Namen für Amphipolis habe aussuchen können, und vermutet eine gute Beziehung Hagnons zu Perikles: Pesely 1989, 194–195, 202 (vgl. Isaac 1986, 36; Kagan 1974, 121), die sich jedoch nicht verifizieren lässt. Kritisch dazu auch Sears 2013, 77. 698 Thuk. 2,58,1; 95,3; Diod. 12,46,2–6. Vgl. Pesely 1989, 199, 203–204. 699 Vgl. Mari 2012, 343; Mari 2010, 405–406. Siehe Traill 1994, 118–119 (Nr. 107380). 700 Powell 2013: „Athens’ strategic jewel in the north“. Vgl. Zahrnt 2006a, 607–608. 701 Hdt. 5,23,2; Thuk. 1,100,2 (Goldbergwerke); 4,108 (Holz). Vgl. Worthington 2012, 62; Bissa 2009, 35; Zahrnt 2006, 608; Billows 1994, 3; vgl. Kallet-Marx 1993, 176; Schmitz 1988, 94; Pesely 1989, 195; Isaac 1986, 24; Geyer 1930, 49. 702 Hdt. 5,23,2; Thuk. 4,108,1. Noch bezeugt bei Liv. 45,29,14. Vgl. Sears 2015, 311; Psoma 2015a, 3; Psoma 2014, 134; Tritle 2010, 17; Stickler 2010, 241; Bissa 2009, 35–36, 121–123, m. A. 24; Samotta 2010, 49; Reed 2003, 20; Dreher 1995, 277; Chambers 1993, 326–327; Kallet-Marx 1993, 174–175; Lewis 1992, 427; Borza 1990, 133, 137; Pesely 1989, 195; Schmitz 1988, 120; Borza 1987, 43; Isaac 1986, 35–36; Hoffmann 1975, 366; Kagan 1974, 293; Geyer 1930, 53–54. 703 Vgl. Sears 2015, 311; LaForce 2010, 553; Tiverios 2008, 71–72; Cartledge 2003, 188; Sealey 1992, 78: „a fleet operating near Amphipolis would be well placed to make Athenian power felt in Macedonia”; Borza 1990, 137; Pesely 1989, 195; Hammond/Griffith 1979, 122; Kagan 1974, 294; Alexander 1963, 65.
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erveranlagung für die chalkidischen Seebundmitglieder vorgenommen wurde.704 Als Athens Schlüsselpunkt in Thrakien war die apoikia in ihrer politischen und ökonomischen Relevanz für ihre Mutterstadt kaum hoch genug einzuschätzen. Wie essentiell wichtig der Zugriff Athens auf Schiffsbauholz, gerade in Kriegszeiten war, ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Flotte, Essenz des primären athenischen Herrschaftsinstruments,705 des Seebunds,706 instand zu halten.707 Aufgrund des fehlenden archäologischen Materials – vorhanden sind nur antike Schiffshäuser, keine Trieren selbst –708 sind Rekonstruktionen schwierig. Geschätzt wird, dass eine athenische Triere mit ungefähr 170 Ruderern besetzt war, die jeweils ein Ruder um die 4 bis 4,22 m Länge führten,709 wobei sie gestaffelt in drei Reihen übereinandersaßen.710 Für jedes einzelne Ruder war ein ganzer Baum von stabiler Qualität erforderlich.711 Ruder brachen bei Seekämpfen leicht; eine Triere hatte daher zusätzlich noch Ersatzruder an Bord.712 Anhand des geschätzten Umfangs der athenischen Flotte zu ihren Hochzeiten um die 200 bis 300 Trieren,713 laut Gabrielsen sogar bis zu 400,714 wird klar, wie viel Ruderholz gebraucht wurde, ohne die Instandhaltung und den Neubau von Schiffen mitzukalkulieren.715 In den regenreichen thrakisch-makedonischen Wäldern wuchs das Holz, das für den Schiffsbau am geeignetesten war, und wie es solches in Griechenland nicht gab.716 Die Holzressourcen in Kleinasien (Kilikien) oder dem Libanon waren anscheinend zu ............................................ 704 Vgl. Zahrnt 1971, 45. 705 Vgl. Raaflaub 2009, 97; Morrison et al. 2000, 3–4; De Ste. Croix 1972, 43. Zur Gründung des ersten attischen Seebunds: Thuk. 1,96–97,1; Plut. Arist. 25,1. Vgl. Steinbrecher 1985, 52–66; Meiggs 1972, 459–464. Zur Organisation vgl. Schuller 1974, 54–61. 706 Vgl. Raaflaub 2016, 106–107 (von der deklarierten Schutzmacht zum Imperialisten); Raaflaub 2009, 94–97. Zu dieser Entwicklung des Seebunds vgl. auch Will 2015, 26–27; Steinbrecher 1985, 114–115. 707 Vgl. Bissa 2009, 117–118. 708 Vgl. Bissa 2009, 108–109; Blackman 1990, 45; Casson 1959, 93. 709 Vgl. Jordan 2000, 81–84 (zur Uneinheitlichung der Rudererzahl in der antiken Überlieferung; mitunter wird von 170 bis 200 ausgegangen, dann von weniger als 170); Morrison et al. 2000, 172; Casson 1971, 84; Casson 1959, 94. Bissa 2009, 108, A. 7 gibt 200 Ruderer an. Vgl. Chambers 1993, 326. 710 Vgl. Morrison et al. 2000, 111; Blackman 1990, 37, 42; Casson 1971, 84; Casson 1959, 93. 711 Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 288, A. 28; Morrison et al. 2000, 173, 246; Borza 1987, 34; Meiggs 1982, 119–130. 712 Vgl. Morrison et al. 2000, 111, 136. Borza 1987, 34 beziffert sie auf 30. 713 Vgl. Bissa 2009, 108; Morrison et al. 2000, 2, 267–273; Borza 1987, 34; Casson 1959, 95; Gomme 1956, 272–277. 714 Vgl. Gabrielsen 2008, 52–53. 715 Vgl. Bissa 2009, 112. Es wird angenommen, dass die leichten, wendigen Trieren höchstens um die 20 Jahre oder eher kürzer hielten, wenn sie nicht in der Schlacht zerstört wurden, vgl. Casson 1959, 98. 716 Vgl. Millett 2010, 484; Thommen 2009, 42; Borza 1987, 34.
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fern; Exporte aus Süditalien waren für die Athener offenbar auch keine gängige Alternative.717 Die antiken Quellen bezeugen jedenfalls einhellig, dass sie ihr Flottenbauholz aus den thrakisch-makedonischen Wäldern bezogen.718 Vor diesem Hintergrund erklärt sich, wieso gerade in Makedonien die Waffe der Sarissa, eine lange Lanze, geschätzt 4,25 bis zu 4,5 m,719 charakteristisch wurde. Makedonien als Land, wo feste, hohe Bäume wuchsen, war prädestiniert für die Entwicklung einer solchen Waffe, die für andere Ethnien das Problem der Abhängigkeit von Exporten bedeutet hätte. Die Datierung der Einführung der Sarissa ist indes umstritten. Von Diodors Äußerung, Philipp II. habe die Phalanx neu bewaffnet,720 wird zumeist abgeleitet, dass er der Initiator war,721 doch wird Diodor nicht so explizit. Alternativ wird vermutet, schon die Lanze des makedonischen Reiters auf den Münzen Alexanders I. sei ein Prototyp der Sarissa gewesen.722 Das Material stand jedenfalls schon in dieser Zeit zur Verfügung. Der Holzmagnat war der temenidische Herrscher.723 Dabei handelte er wohl nicht nur mit Athen, obwohl Athen der Hauptkunde gewesen sein wird.724 Indirekt könnte man aus der Bestimmung eines Friedensvertrags zwischen Athen und Perdikkas, in der er den Athenern ein Monopol auf die Lieferung von Ruderhölzern einräumte, folgern, dass sie zuvor nicht alleiniger Kunde gewesen waren.725 ............................................ 717 Pace Meiggs 1982, 124–125. 718 Xen. Hell. 6,1,11. Vgl. Psoma 2014, 134; Bissa 2009, 112; Thommen 2009, 42; Borza 1987, 33–34, 36. Für die Zeit nach dem Verlust von Amphipolis überlegt Wooten 2008, 4 bezüglich der Athener: „It is clear that they worked out some means of obtaining timber in the north, probably through trade“. Pace Psoma 2014, 134–137, die annimmt, dass es für Athen stets nur die makedonische Quelle gegeben habe. Von den möglichen Holzquellen in Süditalien, Thrakien, Kilikien und Syrien (vgl. Bissa 2009, 111) werden die Athener am ehesten auf die thrakischen Holzquellen zurückgegriffen haben, die am nächsten lagen. 719 Vgl. Anson 2010, 81–84; Sekunda 2010, 450; Worthington 2008, 27; Heckel 2008, 16. 720 Diod. 16,3,2–3. Vgl. Polyain. 4,2,10 zum Drill. Zu Diodors vagen Aussagen vgl. McQueen 1995, 65. 721 Vgl. Sekunda 2010, 450; Hatzopoulos 1996a, 268; Markle 1977, 333–339. Diese Richtung nimmt an, dass die Kavalleriesarissa erstmals in der Schlacht von Chaironeia 338 zum Einsatz gekommen sei, vgl. Markle 1978, 491. 722 Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 294–295. Siehe Abb. 1. Dagegen sieht Bosworth 2010, 100 die „UrPhalanx“ unter Alexander II. ohne Sarissa ausgestattet. 723 IG I3 89; Andok. 2,11. Vgl. Psoma 2014, 134; Psoma 2009a, 270; Bissa 2009, 37, 114; Heinrichs/Müller 2008, 288, A. 32; Blösel 2004, 128, A. 118; Billows 1995, 7; Cole 1978, 42; Wallace 1970, 200, A. 13. 724 Vgl. Cole 1977, 31; Cole 1974, 71. 725 Vgl. Reed 2003, 20, A. 30. Er rechnet mit Korinth als einem weiteren Kunden. Hammond 1989, 72 nimmt Chios und Rhodos an. Für die spätantigonidische Zeit bezeugt Polyb. 25,4,10 Holzlieferungen durch Perseus an Rhodos. Zu weiteren möglichen Kunden vgl. Bissa 2009, 112. Giuliodori 2004, 59–60 meint, die Klausel mit dem Ruderholz-Monopol sei eine Reaktion Athens auf Brasidas’ Bau von Trieren im Strymon gewesen (Diod. 12,68,4), für die sie makedonisches Holz annimmt.
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Der Umstand, dass keine thrakischen Maßnahmen gegen Athens Gründung im Strymongebiet überliefert sind – wie 497, als der milesische Tyrann Aristagoras mit der Besiedlung von Myrkinos scheiterte,726 und 465, als den Athenern der erste Festsetzungsversuch in Ennea Hodoi (Neun Wege) misslang –727, spricht für diplomatische Arrangements im Vorfeld.728 Hagnons Ehrerweisung gegenüber der lokalen Gottheit Rhesos,729 ebenso wie die Ansiedlung von Bewohnern aus der Gegend, unter anderem aus dem nahen Argilos,730 deutet auf eine solche Appeasement-Politik hin, die sicherlich notwendig war. Der Standort war strategisch zu wichtig für Athen, um eine erneute Vertreibung wie aus Ennea Hodoi zu riskieren.731 Indes ist über die thrakische Haltung zu diesem geostrategischen Coup Athens ebenso wenig überliefert wie zur Reaktion in Aigai. Thukydides schweigt sich aus. Dabei musste das Ereignis für Perdikkas einschneidend gewesen sein. Dies betraf erstens handelsökonomische Aspekte: Der bisherige Hauptkunde des Holzhandels streckte nun selbst die Hand nach der Ware aus – auch wenn unklar ist, wie ungünstig sich Amphipolis’ Gründung tatsächlich auf die Bilanzen des makedonischen Holzexports auswirkte.732 Zweitens hatte ............................................ 726 Die Edoner vereitelten diesen Plan: Hdt. 5,124–126; 6,1; 6,5; Thuk. 4,102,2–3; Diod. 12,68,1–2. Vgl. Sears 2015, 310–311; Damyanov 2015, 299; Mari 2014b, 61–68; Sears 2013, 77. 727 Thuk. 1,100,3 spricht von 10.000 Siedlern, die Athen gesandt habe. Sie wurden bei Drabeskos von edonischen und anderen thrakischen Ethnien geschlagen: Thuk. 4,102,2; Diod. 11,70,5; 12,68,2. Vgl. Mari 2014b, 57–61; Flensted-Jensen 2004, 819; Borza 1990, 138; Edson 1970, 33 (er vermutet Alexander I. als Drahtzieher; ebenso Raymond 1953, 120). Zur feindseligen Haltung der Edoner zu Athen vgl. Vasilev 2011b, 21. Zu Ennea Hodoi vgl. Mari 2014b, 68–73; Tiverios 2008, 71; Papastavrou 1936a, 9–10. Zu Schauergeschichten über persische Gräuel in Ennea Hodoi: Hdt. 7,114,1. 728 Vgl. Archibald 1998, 116; Cole 1974, 59. Er nimmt an, dass Athen irgendwelche Konzessionen angeboten haben musste. 729 Polyain. 6,53 (demnach habe Hagnon die Gunst des lokalen Gottes Rhesos für die Stadt zu beschwören versucht, indem er dessen Überreste aus der Troas gebracht habe, vgl. Marsyas von Pella BNJ 135–136, F 7). Vgl. Mari 2014a; Tiverios 2008, 72; Pesely 1989, 196, m. A. 27 (Ephoros als Quelle). Handlungsmodell mag Kimon gewesen sein, der bei der Besetzung von Skyros 476/5 Theseus’ Überreste gefunden haben wollte und nach Athen überführt hatte (Plut. Thes. 36; Plut. Kim. 8,7; Thuk. 1,98,2), die dort in einem von ihm gestifteten Schrein beigesetzt wurden (Paus. 1,17,2–6). Zur Deutung dieser programmatischen Handlung im Kontext der Zeit nach dem Abzug der Perser vgl. Goušchin 1999, 169–181. 730 Thuk. 4,103,3–4. 106.1. Vgl. Diod. 12,32,3 (weniger konkret: aus der Nachbarschaft). Vgl. Sears 2013, 78; Tiverios 2008, 72; Pesely 1989, 196; Hammond/Griffith 1979, 119. Zur Akkulturation von Thrakern in griechischen Städten allgemein siehe Damyanov 2015, 299–301. Zum oikistesKult: Hdt. 6,38,1. Vgl. Leschhorn 1984, 98–105, 149–151. Zu Argilos: Hdt. 7,115,1. Argilos gilt als Gründung von Andros, siehe Flensted-Jensen 2004, 810; Borza 1990, 136; Kagan 1974, 294. 731 Insgesamt ist bei den vielfältigen Beziehungen zwischen Athenern und thrakischen Ethnien von einer Gemengelage aus Konflikten und friedlichem Miteinander auszugehen.Vgl. Damyanov 2015, 298–300. 732 Ob andere Kunden in die Lücke rückten, wenigstens für Handelsschiffe – die jedoch weniger Ruderhölzer benötigten – ist nicht zu erfahren.
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sie politische Konsequenzen, denn das Temenidenreich war zunehmend von athenischen Einflusszonen umgeben.733 Nach der athenischen Kontrolletablierung auf der Chalkidike und entlang des Thermaischen Golfs durch eine aktive Anwerbungspolitik des Seebunds verstärkte sich die Zugriffsmöglichkeit, nunmehr aus der Richtung des Strymongebiets.734 Die Athener verhinderten somit makedonischen Einfluss auf die Chalkidike und rückten bedenklich nahe an Mygdonia und Bisaltia heran. Das konnte Perdikkas nicht recht sein: In Mygdonia, am Bolbe-See, lagen herrschaftliche Domänen von ihm.735 Bezüglich der Bisaltia ist unsicher, ob er noch Teile davon kontrollierte, die einst sein Vater erobert hatte – wahrscheinlich eher nicht.736 Athens Nähe kam jedoch in jedem Fall ungelegen, gleichgültig, ob er dort noch Herrschaftszonen hatte, deren Rückgewinnung anstrebte oder sie aufgegeben und sich mit den thrakischen Besitzern arrangiert hatte. Die Athener machten die Räume dicht für das Temenidenreich. Der Zugang zum Meer wurde immer begrenzter. Unter Alexander I. waren drei Häfen unter temenidischer Kontrolle gewesen: Pydna, Therme und Methone, die unter Perdikkas ins athenische Radar gerieten. In einer nicht genau abzuschätzenden zeitlichen Nähe zu Amphipolis’ Gründung737 etablierten die Athener Brea,738 von Stephanos von Byzantion unter Berufung auf Theopompos als thrakische polis bezeichnet.739 Brea wird unterschiedlich lokalisiert: einerseits im bisaltischen Raum nahe Amphipolis,740 aktuell jedoch mehrheitlich nahe Therme an der makedonischen Küste.741 Sollte dies zutreffen, hätten die Athe............................................ 733 Vgl. Roisman 2010a, 146; Hatzopoulos 1996b; De Ste. Croix 1972, 80; Geyer 1930, 53. Zu Athens Ausbreitung vgl. Sears 2015, 310–311; Hammond/Griffith 1979, 115–119. 734 Zu den chalkidischen Städten im Seebund vgl. Beck 1997, 150–151; Zahrnt 1971. 735 Zur Nähe von Amphipolis zum Bolbesee: Thuk. 4,103,1. Vgl. Psoma 2009a, 269; Zahrnt 1984, 342–343. Zu Perdikkas’ dortigen Domänen: Thuk. 1,58,2. Abel 1847, 158, A. 3 erklärt den mythologischen Hintergrund des Namens des Sees. 736 Dies verneinen: Kremydi 2011, 163; Zahrnt 2009, 8–9; Psoma 2009a, 270; Borza 1990, 140. Pace Vasilev 2011b, 21–22; Tačeva 1993, 1441–1443; Tačeva 1992, 69–74; Hammond/Griffith 1979, 115, 119–120, 122, 138 (eine Rückeroberung, er besaß sie eventuell zwischen 445/4–435/4). 737 Die Datierung schwankt zwischen den 440er und 430er Jahren. Vgl. Psoma 2009a, 269–270 (ungefähr zwischen 438/7–432); Borza 1990, 137 (ca. 446); Woodhead 1952, 61 (438); Tod 1948 Nr. 44, 88–90 (ca. 445). 738 IG I3 46 = SIG3 167 = ML 49. 739 Theopomp. BNJ 115, F 145. Zu Theopompos als Quelle für den Peloponnesischen Krieg vgl. Hose 2006, 680–683. 740 Vgl. Malkin 1984, 47; Zahrnt 1971, 17, A. 121. 741 Vgl. Asheri 1969, 337–340. So schon Woodhead 1952, 62. Akzeptiert von Psoma 2013b; Psoma 2009a, 267–268, 273; Tiverios 2008, 33–34; Flensted-Jensen 2004, 624; Talbert (ed.) 2000, 763; Alexander 1963, 65; Alexander 1962, 233–284: Die Gründung habe auch die im westlichen Teil der chalkidischen Küste gelegenen Städte aufgestört. Ebenso wie Amphipolis erscheint Brea nicht in den athenischen Tributlisten.
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ner einen Kontrollpunkt an dem temenidischen Hafen etabliert. Durch das athenische Einflussnetzwerk noch beengter wurde es für Perdikkas,742 als Methone, Einfallstor zum zentralen Temenidenreich mit seiner Residenz Aigai,743 um 431 dem Seebund beitrat.744 Überdies geriet Pydna 432 auf Athens Eroberungsagenda (wenn auch vergeblich), ebenso wie Therme, das die Athener Perdikkas 432 kurzzeitig entzogen.745 Die geschilderten geostrategischen Konsequenzen legen eine makedonische Abwehrhaltung gegenüber Amphipolis’ Gründung nahe. Dennoch ist umstritten, wie Perdikkas’ Reaktion aussah, weil Thukydides, als er Perdikkas in die Handlung am Vorabend des Peloponnesischen Kriegs einführt, von einer philia kai symmachia zwischen ihm und Athen vor 433 spricht.746 Bei Thukydides wäre allerdings nicht ungewöhnlich, dass er eine für den politischen Kontext wichtige Information, die Perdikkas’ Handeln näher erklären würde, eben seine Reaktion auf Amphipolis, ausließe. Einer Minderheitenthese zufolge begrüßte Perdikkas die athenische Präsenz im Strymongebiet als Mittel, um die Thraker zu schwächen und von den Naturalressourcen fernzuhalten.747 Dagegen wäre einzuwenden, dass nicht nur die Handlungsfreiheit der Thraker beeinträchtigt wurde, sondern auch die eigene. Eine Mittlerposition kommt der Annahme zu, Perdikkas und seine Führungskreise wären zwar verprellt, aber zu schwach zur Gegenwehr gewesen. Zum Wohl des Reichs hätten sie sich den überlegenen Athenern durch eben jene philia kai symmachia angeschlossen.748 Der Bündnissschluss als Reaktion auf Amphipolis’ Gründung lässt sich anhand von Thukydides’ zeit-
............................................ 742 Vgl. Borza 1990, 148–149. Edson 1970, 35 betont zudem, dass die Athener nun die Möglichkeit hatten, die makedonischen Kommunikationslinien in den Süden zu stören. 743 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 124; Edson 1970, 35. 744 Vgl. West 2013; Edson 1970, 35 (Beitritt 434): Gomme 1945, 214. Zur Datierung von Methones Beitritt in 432, vgl. Roisman 2011, 355. Für einen Eintritt nach 431 argumentieren: Hatzopoulos/ Paschidis 2004, 804; Woodhead 1952, 61. Mattingly 1961, 163 geht davon aus, dass Methone 431 beigetreten sei, nachdem die Allianz zwischen Athen und Perdikkas geschlossen worden war (Thuk. 2,29,6). Zwischen 432–431 angesetzt von Hammond/Griffith 1979, 125; Meiggs 1972, 546. 745 Thuk. 1,61,2–3. 746 Thuk. 1,57,3. Bezüglich der Frage, was philia kai symmachia in dieser Zeit bedeutete (vgl. Bauslaugh 1991, 88), definiert Bolmarcich 2010, 121: „philia may have been understood to be a relationship that went beyond mere alliance, perhaps an attempt to establish an effective relationship as well as a formal diplomatic one“. Psoma 2011, 113 sieht Perdikkas’ Status als Bündner Athens darauf begründet, dass er Flottenbauholz geliefert habe. 747 Vgl. Roisman 2010a, 147. Dagegen sieht Cole 1974, 60 Amphipolis als Ausdruck der athenischen Ambition, thrakische und makedonische Kräfte gegeneinander auszuspielen, um sie zu schwächen. 748 Vgl. Stickler 2010, 241; Woodhead 1952, 61. Auch Worthington 2013a scheint davon auszugehen.
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lich vager Angabe ξύμμαχος πρότερον καὶ φίλος ὤν jedoch nicht verifizieren; er kann auch in eine frühere Zeit gefallen sein. Die These überwiegt, dass die athenische Gründungsaktion eine Krise in den makedonischen Beziehungen zu Athen auslöste.749 Dabei wird in Teilen von einer Zerrüttung bereits seit den 440er Jahren durch das athenische Vordringen ausgegangen; Amphipolis’ Gründung gilt nur als ein weiterer Tiefpunkt.750 Mehrheitlich wird indes vermutet, dies sei der entscheidende Stein des Anstoßes gewesen, der die makedonischen Beziehungen zu Athen auf den Frostgrad abgekühlt habe. Die Athener hätten Makedonien erstens wirtschaftlich geschadet, als sie sich vom makedonischen Holzexport unabhängig gemacht hätten,751 und wären zweitens, von diesen handelspolitischen Zwängen befreit, in der Lage gewesen, noch energischer dem Reich gegenüber auftreten können.752 Perdikkas hätte zwar keine Allianz arrangieren können, um Amphipolis’ Gründung zu verhindern, doch das Verhältnis sei zerrüttet gewesen.753 Dies ist das plausibelste Szenario. Athen stand auf der Höhe der Macht, während das Temenidenreich erst eine Generation zuvor überhaupt die weltpolitische Bühne betreten hatte und zudem in seiner politischen Dualität ein fragiles Gebilde war. Widerstand war nur als Teil eines größeren Bündnissystems möglich, das Perdikkas in jener Zeit nicht aufweisen konnte. Daher ist anzunehmen, dass er und seine Führungsriege die Etablierung von Amphipolis mit zusammengebissenen Zähnen und in der Hoffnung auf eine baldige Wendung der Dinge hatten hinnehmen müssen. Die diplomatischen Beziehungen zu Athen werden deutlich belastet gewesen sein – was die weiteren Schritte Athens erklären mag. ............................................ 749 Vgl. Psoma 2013a; Giuliodori 2004, 48; Tritle 2010, 17: „the Athenians made a costly mistake in alienating a friend“; Spence 2000, 258; Borza 1987, 43; Chambers 1986, 140; Hammond/Griffith 1979, 122; 750 Vgl. Geyer 1930, 53–54; Hoffman 1975a, 365–366 (Verstimmung ab 445). Er begründet dies mit einer sehr problematischen Interpretation numismatischer Zeugnisse, beruhend auf einer These von Raymond 1953, 109–110, 154–155, wonach Perdikkas nach der Gründung von Amphipolis aufgehört habe, seine Münzen im attischen Standard zu prägen, um damit seine Widerstandshaltung gegen Athen anzuzeigen. Kritisch dazu auch Borza 1990, 138, A. 17. Standardwechsel sind primär Indikatoren für wirtschaftliche Prozesse. 751 Vgl. Psoma 2015a, 3: „a disaster for the kingdom’s revenues“; Psoma 2009a, 270; Chambers 1993, 327; Borza 1990, 139; Chambers 1986, 140. 752 Vgl. Psoma 2014, 134–137. Sie vemutet zudem, dass Philipp und Derdas, Perdikkas’ makedonische Gegner, als Zwischenhändler zur Verfügung gestanden hätten. Ebenso schon Geyer 1930, 53–54: Philipp habe sich an der Gründung von Amphipolis beteiligt und daher im Gegenzug Unterstützung erhalten. Zur Gründung Breas siehe Psoma 2013b; Psoma 2009a. 753 Vgl. Borza 1990, 140 (innenpolitisch gebunden durch Konflikte mit Philipp und Derdas). Meritt et al. 1950, 136 gehen auch von einem ersten Bruch zwischen Athen vor 433 aus (Gründe seien der auf 434 datierte Bund Athens mit Derdas und Philipp und die Eingliederung Methones in den attischen Seebund). Vgl. Cole 1974, 61. Auch Tritle 2010, 254 vermutet, dass schon mit der Gründung von Amphipolis der Bruch gekommen sei.
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Perdikkas, der Bruderstreit und Athens Beitrag Umgeben von athenischen Einflusszonen an der Küste und im Strymongebiet trat für Perdikkas das worst case scenario ein, als die Athener auch noch ihre Hand in innermakedonische und innertemenidische Angelegenheiten bekamen. Thukydides zufolge war dies der Schritt, mit dem sie es sich bei ihm als ihrem Bündnispartner verscherzten: ἐπολεμώθη δὲ ὅτι Φιλίππῳ τῷ ἑαυτοῦ ἀδελφῷ καὶ Δέρδᾳ κοινῇ πρὸς αὐτὸν ἐναντιουμένοις οἱ Ἀθηναῖοι ξυμμαχίαν ἐποιήσαντο. Es wurde Krieg gegen ihn geführt, weil die Athener mit seinem Bruder Philipp und mit Derdas, die gemeinsam seine Gegner waren, ein Bündnis geschlossen hatten.754
Angesichts des zuvor umrissenen athenischen Vordringens in Nordgriechenland, der Gründung von Brea755 und von Amphipolis,756 somit der Beschneidung der makedonischen Handlungsräume, wird diese Einmischung in innermakedonische Angelegenheiten nicht das auslösende Moment für die Ausrichtung gegen Athen gewesen sein. Thukydides schildert die Situation, als sie bereits eskaliert ist, ohne auf die vorangegangene Entwicklung einzugehen, die zu dieser Eskalation führte. Konsequenterweise ist Athens Handlungsmotiv, sich mit Perdikkas’ Gegnern zu verbünden, das Thukydides auch nicht erwähnt,757 wohl in der Abkühlung des makedonisch-athenischen Verhältnisses zu sehen. Perdikkas war den Athenern als Bündnispartner nicht mehr genehm. Entweder suchten sie nach einer förderungswürdigen Alternative oder – was eher der Fall gewesen sein mag – sie wollten ihn beschäftigen und kleinhalten.758 Da ein Bürgerkrieg ............................................ 754 Thuk. 1,57,3. Vgl. Stickler 2010, 237; De Ste. Croix 1972, 80. Borza 1990, 140 sieht dieses Bündnis als den entscheidenden Nagel zum Sarg für das Auskommen zwischen Athen und Perdikkas an. Diod. 12,342 stellt Perdikkas gleich als Feind der Athener im Kampf um das abgefallene Poteidaia vor, ohne einen Grund für diese Feindschaft zu nennen. 755 Dies sieht Psoma 2015a, 3 als den Tropfen an, der bei Perdikkas das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Vgl. Psoma 2014, 134–137; Psoma 2009a, 274. Sie betont den militärischen Charakter von Brea. 756 Cole 1974, 61 sieht in der Eingliederung Methones in den attischen Seebund den Grund, warum Perdikkas das Bündnis mit Athen aufgab, doch ist umstritten, ob es 433 schon absehbar war. 757 Roisman 2010a, 147 erwägt die Möglichkeit, dass Derdas und Philipp Athen gegen Sparta hatten helfen sollten und Perdikkas es fälschlich als Aktion gegen sich interpretiert habe. Damit war indes auf athenischer Seite zu rechnen 758 Vgl. Badian 1993, 174.
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sich dafür bestens eignete, unterstützten sie Philipp in seinen Ambitionen, Perdikkas als Herrscher ersetzen.759 Sie halfen somit, einen anscheinend zu dieser Zeit halbwegs unterdrückten innermakedonischen Brandherd neu zu entfachen.760 Es lässt sich leicht vorstellen, wie sich diese Aktion auf die Haltung von Perdikkas und seiner Führungsriege zu Athen auswirkte. Besondere Anstrengungen, Philipp an die Herrschaft zu bringen, werden die Athener nicht eingeplant haben.761 Sie wollten ihn benutzen, um einen schwachen makedonischen Herrscher zu haben – ob das nun ein vom Bürgerkrieg gebeutelter Perdikkas oder ein ihnen verpflichteter Philipp war, wird letztlich wenig gezählt haben – Hauptsache, er verhielt sich kooperativ. Ein späterer Vergleichsfall mag Athens Unterstützung des Prätendenten Argaios gegen den frisch akklamierten Philipp II. 360/59 sein.762 Die Athener sandten Argaios ein Hoplitenheer und eine Flotte.763 Vermutlich hatte er sie mit dem Versprechen gewonnen, ihnen Amphipolis zurückzugeben,764 wo seit Mitte der 360er Jahre makedonische Soldaten saßen.765 Prompt ließen die Athener Argaios in dem Moment fallen, als sich Philipp (vorerst) friedenswillig zeigte und die Truppen
............................................ 759 Thuk. 2,95,2–3 spricht von basileia, die erst Philipp und dann sein Sohn Amyntas wollten. Vgl. zu Amyntas Diod. 12,50,4. Zu Amyntas’ Streben nach der Gesamtherrschaft vgl. Psoma 2015a, 3; Psoma 2014, 136; Zahrnt 2002, 56, A. 30; Hammond/Griffith 1979, 127–128; Geyer 1937b, 596. Die Annahme, Philipp habe nur nach Einsetzung in eine besondere eigene Machtbasis, seine ἀρχή, gestrebt (vgl. Hatzopoulos 1996a, 175; Badian 1993, 173, 180, 242, A. 18, der Thukydides der Falschinformation beschuldigt; mit beiden Möglichkeiten: Gomme 1956, 241), geht auf die problematische Prämisse einer Reichsteilung zu Beginn von Perdikkas’ Herrschaft zurück, die es nicht gegeben haben wird. Siehe Kap IV. 760 Es erscheint als eine rein technische Argumentation, wonach sie sich nicht, wie Thukydides’ Formulierung ἐναντιουμένοις verrate, gegen das Bündnis mit ihm gerichtet hätten, weil es keine militärische Aktion, sondern nur politische oder diplomatische Opposition bedeutet habe. So Badian 1993, 172: „An alliance with them, therefore, did not constitute a breach of Athens’ friendship and alliance with Perdiccas. It might be an unfriendly gesture, indeed perhaps a warning, but it was technically correct. Perdiccas, by initiating actual hostilities, was the one technically in breach of the treaty“. In dem Moment, wo die Athener Philipps Thronambitionen unterstützten, wandten sie sich zwangsläufig gegen Perdikkas. 761 Dies meinen auch Meritt et al. 1950, 319. 762 Es ist ungewiss, wer Argaios war. Anhand seines Namens wird eine temenidische Zugehörigkeit vermutet. Zum Namen vgl. Hatzopoulos 1996a, 212. Es gibt die Vermutung, er sei mit Argaios, dem Prätendenten gegen Amyntas III. (Diod. 14,92,4), identisch. Vgl. Worthington 2008, 20; McQueen 1995, 65; March 1995, 282; Hammond/Griffith 1979, 175–176. 763 Diod. 16,2,5. 3,5. 764 Diod. 16,3,3. Vgl. Worthington 2008, 20; McQueen 1995, 64. 765 Aischin. 2,29; Diod. 16,3,3. Vgl. Welwei 2011, 369–370; Wirth 1985, 24. Worthington 2008, 20 ist unsicher, ob von einer Garnison ausgegangen werden kann oder nur von einer Präsenz makedonischer Soldaten.
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aus Amphipolis abzog.766 Das Störfeuer in den Beziehungen zwischen Perdikkas und Athen mag auch Amphipolis gewesen sein.767 Derdas, von Thukydides nicht weiter charakterisiert,768 war auf Philipps Seite. Da zwei spätere Lokaldynasten im obermakedonischen Elimeia Namensvettern waren,769 ist in ihm wohl der zeitgenössische elimeiische Dynast zu sehen.770 Philipp mag sich infolge des Konflikts mit seinem Bruder an Derdas’ Hof geflüchtet haben, da dessen Gebiet nicht Perdikkas’ Hoheit unterstand und er sich sicher fühlen konnte – solange Derdas es nützlich fand, ihn zu unterstützen. Anscheinend hatte Philipp überzeugende Argumente, eventuell Versprechen auf Geschenke und Privilegien, wenn er erst einmal temenidischer Herrscher war. Vielleicht fühlte Derdas sich auch von Perdikkas, der jedenfalls später versuchte, die benachbarte obermakedonische Lynkestis einzunehmen, bedroht.771 Falls Derdas Philipp an seinem Hof Zuflucht geboten haben sollte, konnte Perdikkas ein Auslieferungsgesuch gestellt und weitere Konsequenzen angedroht haben. Ebenso gut ist jedoch möglich, dass Derdas der Aggressor war, der eine Feindschaft vom Zaun brach, weil er sich von dem Bündnis mit Philipp Vorteile erhoffte. Ein Scholiast bezeichnet ihn als einen
............................................ 766 Diod. 16,3,3; Just. 7,6,6; Polyain. 4,2,17. Vgl. Hatzopoulos 1996a, 178–179. 767 Psoma 2014, 136 vermutet, Thukydides habe den Zusammenhang mit der Gründung von Amphipolis absichtlich bei der Erwähnung der Verfeindung von Perdikkas mit Athen herausgelassen. Philipp sei bei der Gründung von Amphipolis beteiligt gewesen. Das lässt sich jedoch nicht verifizieren. Seine Reaktion darauf wird indes günstiger gewesen sein als die seines Bruders. 768 Entweder ging er davon aus, dass er seinem Publikum bekannt war, oder dass er zu unbekannt und unbedeutend war, um weiter auf ihn einzugehen. Derdas taucht bei Thukydides auch danach nicht mehr auf. 769 Vgl. Fraser/Matthews 2005, 69; Pape/Benseler 1951, 283. Zu einem gleichnamigen Nachkommen unter Amyntas III.: Xen. Hell. 5,2,38; zu einem Derdas von Elimeia unter Philipp II.: Athen. 10,436 C; 12,557 C. Zum nicht-griechischen Charakter vgl. Hatzopoulos 2000, 106. Ein anderer Temenide, Amyntas ὁ μικρός (eventuell identisch mit dem kaum fassbaren Amyntas II.: Synk. 495; 500 (Dindorf); Euseb. I 229,17;) soll von einem Derdas umgebracht worden sein (Aristot. Pol. 1311 B). Es wird vermutet, dass er der Enkel von Derdas I., Perdikkas’ Gegner, gewesen war, vgl. March 1995, 277, A. 80. 770 Vgl. Zahrnt 2002, 57; Hornblower 1991, 100; Meritt et al. 1950, 317. Zu Elimeia: Thuk. 2,99,2. Vgl. Worthington 2014, 14; Chatzinikolaou 2010, 193–222; Zahrnt 2002, 52–53; Hammond 1995a, 120– 121; Hornblower 1991, 100, 374; Wirth 1985, 16; Geyer 1930, 11. Zu Ausgrabungsbefunden in den obermakedonischen Gebieten siehe Brécoulaki 2012, 237–243. Zu Kulten in Obermakedonien vgl. Chatzinikolaou 2010. Zu Bündnissen des pelagonischen Dynasten mit Athen im 4. Jh. v Chr. vgl. Culasso Gastaldi 2000. Zur eigenen Münzprägung der Lokaldynasten von Elimeia: Hatzopoulos/Paschidis 2004, 798; Liampi 1998, 5–10. An Münzbildmotiven des Derdas II. von Elimeia (Fraser/Matthews 2005, 69, Nr. 8) erscheinen: Av. jugendlicher Herakleskopf mit Löwenexuvie/Rv. Herakleskeule und Lanzenspitze; Legende: ΔΕΡΔΑ (Liampi 1998, Nr. 18a), siehe Abb. 5; Av. Reiter/Rv. Keule mit Speerspitze, Legende: ΔΕΡΔΑ (BCD Thessalien II 996); Av. Apollon/Rv. Reiter (BCD Thessalien II 999). Vgl. Psoma 2009c, 10; Wartenberg 1998, 15. 771 So auch vermutet von Badian 1993, 173–174.
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Cousin der verfeindeten Brüder,772 was angesichts der weiten Verzweigung der Temeniden möglich, aber nicht zu verifizieren ist.773 Perdikkas’ und Philipps andere Brüder, Amyntas, Menelaos und Alketas, treten in der Überlieferung zu dem Konflikt nicht in Erscheinung. Neutralität zu wahren erscheint in einer so brisanten dynastischen Angelegenheit schwer möglich. Vermutlich standen sie auf Perdikkas’ Seite. Indirekt könnte dies der Friedensvertrag zwischen Perdikkas und Athen belegen, sollte er aus der Zeit nach dem Bruderkrieg stammen. Zumindest Alketas und Menelaos sind mit Perdikkas zusammen als Schwurzeugen aufgeführt, somit in ihrer Rolle als den Herrscher unterstützende Repräsentanten der Dynastie präsent.774
Perdikkas, Athen und die chalkidischen Städte Perdikkas, „who never allowed grass to grow under his diplomatic feet“,775 und seine Führungsriege mussten für eine effektive Gegenwehr eine solide Allianz herbeiführen.776 Eine rege Gesandtentätigkeit wurde entfaltet: Botschafter gingen von Aigai nach Korinth, Poteidaia, Sparta und in die chalkidischen und bottischen Städte.777 Die große Chance hatte sich durch die Loslösungstendenzen der Seebundmitglieder an der chalkidischen Küste eröffnet, die einen Hebel boten, um eine Schneise in die athenische Einflusssphäre zu schlagen. Folgerichtig half Perdikkas 432 dabei, die Abfallbewegungen zu verstärken.778 Als Verantwortlicher darf er dennoch nicht gelten; sein Anteil sollte nicht übertrieben werden.779 Zwar betont Thukydides, dass er ein wichtiger ............................................ 772 Vgl. Hornblower 1991, 100; Borza 1990, 139; Hammond/Griffith 1979, 18; De Ste. Croix 1972, 80. 773 Akzeptiert von Roisman 2010a, 146. Er geht davon aus, dass Derdas ein Bündnis mit Alexander I. gehabt hatte. 774 IG I3 89, Z. 60–61. Zu dieser Rolle generell vgl. Hammond 1989, 23. 775 Cole 1974, 65. 776 Thuk. 1,57,5. 777 Thuk. 1,57,4–5. Vgl. Badian 1993, 172. An Sparta wandten sich auch die Einwohner von Poteidaia, vgl. Alexander 1963, 66. 778 Vgl. Roisman 2010a, 147; Zahrnt 2006a, 591; Spence 2000, 258; Beck 1997, 151–152; Baltrusch 1994, 65; De Ste. Croix 1972, 103; Meritt et al. 1950, 316. Zu den Chalkidiern siehe Psoma 2013b; Tiverios 2008, 33–53; Beck 1997, 145–161; Zahrnt 1971, 31–48, der dagegen argumentiert, dass es sich in dieser Zeit um einen Chalkidischen Bund gehandelt habe. Vielmehr seien die Chalkidier in autonome Poleis aufgesplittert gewesen. Archibald 1998, 118 verteidigt Perdikkas: Seine Handlungen seien keine anti-athenischen Handlungen gewesen, es war nur reine Diplomatie, welche die Autonomie der Seebundmitglieder nicht bedroht habe. Dies scheint indes etwas zu apologetisch; es ging darum, Athen die Kontrolle über die Poleis zu entziehen. 779 Wie Chambers 1986, 139–145 behauptet. Thuk. 1,57–58 erweckt auch diesen Eindruck.
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Faktor für das folgende kriegerische Geschehen gewesenn sei,780 und auch die Forschung sieht Perdikkas teilweise als maßgeblichen Auslöser.781 Doch sprang Perdikkas lediglich auf einen fahrenden Zug auf. Die Seebundmitglieder hatten eigene Gründe genug aufgrund ihres Verhältnisses zu Athen.782 Es waren innergriechische Konflikte, die zu dieser Entwicklung führten, wie Thukydides auch – trotz seines ostentativen Fingerzeigs auf Perdikkas – zu entnehmen ist: Eine Schlüsselrolle kam der korinthischen apoikia Poteidaia auf der Halbinsel Pallene zu, Seebundmitglied, Zwischenhandelsstation und günstiger Standort für Unternehmungen in Thrakien.783 Poteidaias Abfall stand am Ende einer Ereigniskette, die mit einem Konflikt zwischen Korkyra und Poteidaias Mutterstadt Korinth begonnen hatte. Die Athener hatten einem Hilfegesuch Korkyras Folge geleistet.784 Offenbar reagierte man entweder in Poteidaia auf die folgende Schlacht bei Sybota 433 nicht günstig oder die Athener befürchteten es zumindest und erhöhten prophylaktisch den Druck auf die Polis, um einen Abfall zu verhindern.785 Sie forderten die Ausweisung der korinthischen Aufsichtsbeamten, Stellung von Geiseln und das Schleifen der Mauern zur Seeseite – somit eine sichtbare, hochsymbolische Niederlegung des Schutzes.786 Der Tribut war zuvor schon mehr als das Doppelte (von 6 auf 15 Talente) heraufgesetzt worden.787 Die athenische Holzhammermethode erwies sich als kontraproduktiv; Poteidaia ging im Frühjahr 432 in die Revolte, bestärkt von Korinth und Perdikkas.788 ............................................ 780 Thuk. 1,57,2–5. 781 Vgl. Chambers 1986. 782 Vgl. Roisman 2010a, 147. 783 Thuk. 1,56,2. Vgl. Tiverios 2008, 41; Meister 1997, 66; Badian 1993, 139; Zahrnt 1971, 32, 42. Zur Besiedlungsgeschichte Pallenes vgl. Tiverios 2008, 34–44. 784 Thuk. 1,55,1–57,1. 6; Diod. 12,34,1–2. Vgl. Will 2015, 28, 33, 57–58; Psoma 2009a, 271; Welwei 2006, 526. 785 Thuk. 1,57,1. 6. 58,1. Alexander 1963, 64–65 liest daraus ab, dass Poteidaias (nicht von antiken Quellen überlieferte Reaktion auf den athenischen Einsatz) Indignation gewesen sei, was die Athener mitbekommen und deswegen den Zugriff verstärkt hätten. Zudem nimmt er an, dass auch die Einwohner Poteidaias über die Gründung von Brea und Amphipolis als athenische Kontrollstützpunkte nicht erfreut gewesen seien. 786 Thuk. 1,56,2; Diod. 12,34,1–2. Vgl. Tritle 2010, 27; Welwei 2006, 526; Beck 1997, 151; Zahrnt 1971, 49; Alexander 1963, 65–66. Damit sei die Wirtschaftskraft Poteidaias geschwächt worden. Siehe auch Schulz 2005, 116; Lewis 1992, 375–376; Cole 1974, 62; Geyer 1930, 58. Badian 1993, 139 betont die integrative Symbolik der Mauern: ein Zeichen von Poteidaias besonderem Status. Siehe auch Schuller 1974, 12–13. 787 Vgl. Zahrnt 2006a, 598: Mitte der 430er Jahre. 788 Thuk. 1,57,4–58,1; Dio. 12,34,2–3. Vgl. Psoma 2013b; Tritle 2010, 27; Meister 1997, 65–66; De Ste. Croix 1972, 80–81; Alexander 1963, 66. Für Perdikkas wird die Anbindung an Korinth und Sparta ein beruhigendes Polster gegen Athen gewesen sein, vgl. Cole 1974, 62.
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Die guten Beziehungen zwischen Poteidaia und dem Temenidenhaus mögen schon eine längere Geschichte gehabt haben. Darauf könnten die Münzbilder der frühesten temenidischen Prägungen verweisen, die unter Perdikkas’ Vater Alexander im frühen 5. Jh. v. Chr. begonnen wurden. Für den makedonischen Reiter, den er als nachhaltiges Bildmotiv in der temenidischen Prägung etablierte,789 war Johannes Heinrichs zufolge neben persischen und thrakischen Elementen auch der reitende Poseidon der Münzen Poteidaias eine der Inspirationsquellen.790 Athens Befürchtung, es könne sich eine allgemeine Abfallbewegung im thrakisch-chalkidischen Raum entwickeln, trat ein. Die Welle schwappte über das gesamte Siedlungsgebiet der Chalkidier – bis auf den Südteil Sithonias.791 Die athenische Achillesferse war bloßgelegt worden. In Perdikkas’ Interesse musste es sein, dass die Dynamik der Loslösungsbestrebungen sich fortsetzte. Dies sollte Athen beschäftigen und davon abhalten, weiterhin in seine Politik und sein Territorium einzugreifen.792 Die These, Perdikkas habe Athens Probleme mit Korinth „for his own expansionist aims“ nutzen wollen,793 ist zu relativieren. Sein Reich war in der Defensive, für eine Expansion fehlten ihm die Möglichkeiten; es ging vielmehr darum, den territorialen Bestand zu erhalten.794 Um ein Gegengewicht zum Bollwerk Athens im Bereich um den Kontrollpunkt Amphipolis zu schaffen, inspirierte er die Städtebewohner der Chalkidike und Bottike dazu,795 sich aus dem Seebund zu lösen, die Küste zu verlassen, ihre Siedlungen zu zerstören und ins Landesinnere zu ziehen. Dafür stellte er ihnen von seinem Land (τῆς ἑαυτου γῆς), den royalen Domänen, in Mygdonia beim
............................................ 789 Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 295–304; Seyer 2007, 100–102; Picard 1986. 790 Vgl. Heinrichs 2017, 79–87. Allerdings ist der makedonische Reiter bekleidet, im Gegensatz zu Poseidon Hippios auf den Münzen Poteidaias. Der makedonische Reiter stellt auch keine Gottheit da, wird daher nicht nackt abgebildet. Zum Poseidon Hippios auf den Münzen Poteidaias vgl. auch Alexander 1963, 58–59. 791 Vgl. Psoma 2001, 203–209; Beck 1997, 152–154; Zahrnt 1971, 50–52. Zur Besiedlungsgeschichte Sithonias vgl. Tiverios 2008, 45–50. 792 Thuk. 1,57,5. Allgemein zur Stasis in Seebundstädten vgl. Gehrke 1984. 793 Welwei 2006, 526. 794 Ein Bestreben nach territorialer Expansion ist auch auf chalkidischem Gebiet nicht bei Perdikkas zu sehen. Er wollte höchstens im Fall von Methone und Therme Städte zurückhaben, die zuvor unter temenidischer Kontrolle gewesen waren. Der einzige Unterwerfungsplan betraf die Lynkestis. 795 Bei dem als Bottike bezeichneten Gebiet handelt es sich um einen Landstrich der westlichen Chalkidike, dessen Einwohner einst in Bottiaia gelebt und im Zuge der temenidischen Landnahme vertrieben worden waren. Vgl. Tiverios 2008, 34, 52; Flensted-Jensen 2004, 811; Hornblower 1991, 101; Hammond 1989, 9–10; Zahrnt 1971, 171–178; Hammond/Griffith 1972, 191– 197. Zu ihrer Münzprägung vgl. Psoma 1999b.
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See Bolbe, Land zum Bebauen zur Verfügung (ἔδωκε νέμεσθαι).796 Die Neusiedler sollten offenbar eine Pufferzone zwischen seinem Reich und dem Radius des athenischen Amphipolis bilden, Mygdonia stärken und absichern. Es handelt sich um einen der frühesten Belege für eine χώρα βασιλική.797 Die Implikationen hinsichtlich des Eigentums- und Besitzrechts sind debattiert.798 Hatzopoulos stellt zu Recht als Voraussetzung fest, dass Perdikkas die Verfügungsgewalt über das Gebiet besaß und keine makedonischen Siedler dort ansässig waren, denen er damit ihr Zuhause weggenommen hätte. Es sei ein Beispiel von „annexation without incorporation“, eine Reserve eroberten Lands, das als herrschaftliche Domäne zur Distribution zurückgehalten und nun von Perdikkas effektiv genutzt worden sei.799 Zahrnt geht davon aus, dass er es nur für die Dauer des Kriegs zur Verfügung gestellt habe.800 Im gleichen Zug versuchte Perdikkas, Anstoß für die Stärkung der abgefallenen Chalkidier als eigenständige, von Athen unabhängige Kraft zu geben, als effektiver Quader seines angestrebten Bündnisblocks gegen den athenischen Einfluss. Er riet zu einem synoikismos – in Thukydides’ Worten anoikismos –, einem Zusammenschluss von Siedlungen, durch den Olynthos am Golf von Torone entscheidend erweitert wurde.801 Dies war der Ausgangspunkt von ............................................ 796 Thuk. 1,58,1–2; Diod. 12,34,2. Vgl. Psoma 2013b; Flensted-Jensen 2004, 811–812; Zahrnt 2006a, 591; Zahrnt 2002, 55, A. 27; Faraguna 1998, 368; Beck 1997, 152; Hatzopoulos 1996a, 468 (es sei auch darum gegangen, Philipps dortigen Einfluss zu unterminieren); Hornblower 1991, 103; Hammond/Griffith 1979, 123; Zahrnt 1971, 49–55; Geyer 1930, 56–57: „Perdikkas hatte mit großem Scharfblick erkannt, wie die Stellung Athens am wirksamsten erschüttert werden konnte“. Zur Lage Mygdonias vgl. Flensted-Jensen 2004, 810. In dem zugewiesenen Gebiet gründeten die Chalkidier Apollonia, südlich des Bolbe-Sees gelegen, vgl. Psoma 2011, 114; Psoma 2009a, 272, A. 52; maßgeblich: Hatzopoulos 1994b, 160, 169–170. 797 Vgl. Hampl 1934, 45, der davon ausgeht, Perdikkas habe es einst erobert. 798 Faraguna 1998, 387–388 unterscheidet zwischen χώρα βασιλική und χώρα Μακεδόνων. Hatzopoulos 1993, 580 nennt als dritte Kategorie noch die Territorien der Städte und der Verbündeten. Vgl. Hatzopoulos 1996a, 171. Häufig wird ein Vergleich zum Zeugnis Herodots gezogen, wonach Perdikkas’ Großvater Amyntas I. dem geflüchteten athenischen Ex-Tyrannen Hippias Anthemous angeboten habe (5,94,1). Vgl. Xydopoulos 2012a; Faraguna 1998, 368; Hatzopoulos 1996a, 174. Teilweise wird dies als eine Schenkung (dorea) des Gebiets an Hippias gedeutet. Vgl. de Libero 1996, 91. Dagegen vgl. Hornblower 1991, 103 mit Parallelisierung zu Hdt. 8,136,1: Es sei um die Vergabe der Einkünfte und Produkte des Lands gegangen. Es ist umstritten, ob Anthemous zu der Zeit überhaupt schon unter temenidischer Kontrolle stand. Vgl. Hatzopoulos 1996a, 174. Er argumentiert, dass Amyntas zu jener Zeit Anthemous noch gar nicht besessen habe, sondern sich von Hippias eine kombinierte Eroberungsaktion erhofft habe. Alternativ kann man das Angebot einer vorübergehenden Zufluchtstätte vermuten. Vgl. Kap. III. 799 Hatzopoulos 1996a, 174. Allerdings geht er davon aus, dass Perdikkas dieses Stück Land zu der Zeit an seinen rebellischen Bruder Philipp verloren hatte und sich von den Neusiedlern erhoffte, dass sie es für ihn zurückgewannen. Dies lässt sich jedoch nicht verifizieren. Zur Bestätigung, dass Perdikkas nur Land zur Besiedlung ausgeben konnte, über das er die volle Verfügungsgewalt besaß, vgl. Xydopoulos 2012. Zur Gründung Apollonia in Mygdonia vgl. Tsigarida 2011, 152. 800 Vgl. Zahrnt 2006a, 598; Zahrnt 1971, 48. Ebenso: Alexander 1963, 66; Hampl 1934, 29. 801 Thuk. 1,58,2; Diod. 12,34,2 (συνοικισθῆναι). Vgl. Psoma 2011, 115; Cahill 2002, 24, 35–37, 40– 41; Archibald 2000, 229–230 (sie betont, dass solche royalen Gründungsakte im Temenidenreich
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Olynthos’ Aufstieg zur führenden Stadt der Chalkidike.802 Zu diesem Zeitpunkt konnte Perdikkas nicht ahnen, welche Probleme er seinen Nachfolgern damit bescherte.803 Unter seiner Regierung deuteten sie sich indes schon an: Die Chalkidier fühlten sich ihm in der folgenden Zeit nicht wirklich verpflichtet.804 Doch es ging um die Politik des Moments und für den Augenblick ging seine Rechnung auf: Als die athenische Flotte, ausgesandt gegen Makedonien,805 an der thrakischen Küste eintraf, stand sie vor dem Problem des Zweifrontenkampfs:806 432 war der größte Teil der chalkidischen Städte vom Seebund abgefallen.807 Allerdings ging Perdikkas’ Rechnung noch nicht gänzlich auf. Die athenischen Feldherren beschlossen, sich zunächst ihrem ursprünglichen Auftrag zu widmen und den Einfall von Philipp und Derdas’ Brüdern in Perdikkas’ Reich zu unterstützen.808 Sie nahmen Therme ein und belagerten Pydna809 – wenn auch vergeblich.810 ........................................................................................................................................................................... selten gewesen und zumeist in Form eines synoikismos erfolgt seien. Indes war Perdikkas nicht der oikistes; er riet nur dazu); Goušchin 1999, 179 („both a political unification (…) and the strengthening of the town of Olynthos“; Archibald 1998, 118; Beck 1997, 161; Hornblower 1991, 102–103 (dies sei eigentlich die typische Initiative eines einflussreichen Herrschers gewesen, der Perdikkas jedoch nicht gewesen sei und es daher nur anregen habe können); Hoffman 1975a, 370; Zahrnt 1971, 49, 55–56 (Adaption des Begriffs anoikismos); Geyer 1937b, 594. Olynthos wird schon bei Hdt. 7,185 erwähnt. Abel 1847, 158 erklärt den Namen: Olynthos als Bruder des Rhesos (Apollod. 1,3,4). Zahrnt 1971, 46 verweist auf die Entwicklung: Olynthos sei zuvor nur eine von vielen chalkidischen Städten im Seebund gewesen und habe hinsichtlich Bedeutung, ersichtlich anhand eines Vergleichs der Tributzahlungen, hinter vielen anderen Poleis zurückgestanden. Siehe auch Tiverios 2008, 49–50. Cahill 2002, 37 sieht den anoikismos in unmittelbarer Abhängigkeit von der Vergabe des Lands am Bolbe-See, „made to avoid redistributing the territory around Olynthus to these new settlers, who otherwise would be landless”. 802 Thuk. 1,58,2. Vgl. Cahill 2002, 37–38; Zahrnt 1971, 66; Geyer 1937b, 594–595. Zur Münzprägung vgl. Cahill 2002, 43–44; Kraay 1976, 135. Zum Aufbau und Perdikkas’ entscheidender Rolle vgl. Zahrnt 1971, 79. 803 Besonders Amyntas III., vgl. Millett 2010, 472–474; Bissa 2009, 114–115; Zahrnt 2007; Cahill 2002, 41–44; Zahrnt 2006b; Hatzopoulos 1996a, 471. 804 Thuk. 4,83,3 (sie unterstützen Brasidas, als er gegen Perdikkas’ Willen im ersten Lynkestis-Zug mit Arrabaios verhandeln will); 6,7,4 (sie wollen Perdikkas nicht gegen einen athenischen Einfall zu Hilfe kommen, um die Sparta sie bittet). Die Probleme für die Temeniden von chalkidischer Seite nahmen erst ein Ende, als Philipp II. die Chalkidike 348 seiner Herrschaft unterstellte und Olynthos und den Chalkidischen Bund zerstörte. Vgl. Psoma 2011, 113: „The kingdom of Macedonia was responsible both for the creation of the Chalcidic League and for its destruction“. Cahill 2002, 48–49 unterstreicht indes, dass die Zerstörung nicht eine komplette war, sondern es auch danach Besiedlung gegeben habe: Dem. 9,26 sei übertrieben. 805 Thuk. 1,57,6. 59,2. 806 Thuk. 1,59,1; Diod. 12,34,4. Vgl. Zahrnt 2002, 54; Geyer 1937b, 594: im Mai 432. 807 Thuk. 1,59,1. Vgl. Meister 1997, 79. Zur Auswirkung der Abfallbewegung auf die chalkidische Münzprägung vgl. Figueira 1998, 127. 808 Thuk. 1,59,2–61, Diod. 12,34,3. 809 Thuk. 1,61,2–3. Vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 806; Zahrnt 1984, 330 (mit Hilfe von Philipp und Derdas); Hauben 1975, 51, A. 4. Thuk. 1,137,1 bezeugt, dass Pydna Alexander I. unterstanden hatte. Gomme 1945, 213 verweist auf den strategischen Vorteil, den die Athener durch die Besetzung Thermes gewonnen hätten: Die einfachste Route, über die Perdikkas Hilfe in die Chalkidike und nach Poteidaia habe schicken können, sei somit gekappt worden.
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Frieden, Friedensbruch und die Frage nach dem Verantwortlichen In dieser Situation kam es zu einem Friedensschluss mit Perdikkas – notgedrungen, wie Thukydides schreibt. Perdikkas’ Plan schien nun doch aufzugehen; die Athener brauchten freie Hand für die Belagerung Poteidaias, wohin korinthische Hilfe erging.811 Im Kontext des Rückmarschs der athenischen Truppen von Pydna nach Poteidaia sorgt eine umstrittene Passage bei Thukydides für erhebliches Rätselraten: „a well-known crux“.812 Demnach hätten die Athener auf dem Landweg nach Poteidaia erst noch einen – vergeblichen – handstreichartigen Einnahmeversuch unternommen.813 Gemäß der Lesart καὶ ἀφικόμενοι ἐς Βέροιαν κἀκεῖϑεν ἐπιστρέφαντες traf die Attacke Beroia, eine Stadt im Temenidenreich nahe Aigai.814 Dies hat für Stirnrunzeln gesorgt. Es konnte kaum als Klausel im Friedensvertrag enthalten sein, dass die Athener eine Stadt des Verbündeten angreifen durften. Somit wären sie die ersten gewesen, die den Friedensvertrag gleich wieder gebrochen hätten.815 Als Widerspruch dazu gilt Thukydides’ Aussage zu Perdikkas: ἀπέστη γὰρ εὐθὺς πάλιν τῶν Ἀθηναίων καὶ ξυνεμάχει τοῖς Ποτειδεάταις. er war umgehend wieder von den Athenern abgefallen und kämpfte auf Seiten der Poteidaier mit.816
Daher wird überwiegend Perdikkas als der Vertragsbrüchige gesehen.817 Sobald die Athener sein Reichsgebiet verlassen hätten, habe er schon die Seiten gewechselt.818 Teilweise wird auch noch gefolgert, er habe es deswegen beson........................................................................................................................................................................... 810 Thuk. 1,61,2. Vgl. Hatzopoulos 1996a, 175 (mit der Vermutung, Therme habe zu Philipps Einflusszone gehört); 466; Borza 1990, 142–143; Develin 1989, 101; Hammond/Griffith 1979, 113 (verorten die temenidische Kontrolle über Therme seit 510), 122, 124–125. Zu Kallias, dem neu eingetroffenen Strategen vgl. Hornblower 1991, 104; Gomme 1945, 213. 811 Thuk. 1,61,3. Vgl. Badian 1993, 174. Die Verstärkung aus athenischen Hopliten sollte bei der Belagerung Pydnas helfen, wurde aber nach Poteidaia gesandt. 812 Gomme 1945, 215. Siehe auch Hornblower 1991, 104–105. 813 Thuk. 1,61,4. 814 Vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 798, 800; Hatzopoulos 1996a, 108. 815 Badian 1993, 175; Geyer 1930, 57. 816 Thuk. 1,62,2. 817 Vgl. Zahrnt 2006a, 592; Kagan 1974, 63; Alexander 1962, 279, A. 35; Woodhead 1952, 5 Woodhead 1952, 58; Gomme 1945, 216–217; Geyer 1930, 57–59. 818 So: Hoffman 1975a, 371; Cole 1974, 63; Alexander 1962, 279, A. 35. Vgl. Gomme 1945, 216, 219.
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ders eilig gehabt, die Athener aus Makedonien herauszubekommen, sie geradezu hinausgedrängt.819 Poteidaia wird aber der eigentliche Grund gewesen sein, warum Eile bei den Athenern vorlag. Es spricht indes Bände für das dominierende Perdikkas-Bild in der Forschung (und das Vertrauen in Thukydides’ Aussagen über ihn), dass ihm eine solche Handlung zugetraut wird. Er figuriert damit als temenidischer Rekordhalter in der Anzahl und Schnelligkeit des Bündniswechsels. Um beide Aussagen von Thukydides in Einklang zu bringen, schlug W.G. Pluygers im 19. Jahrhundert eine Emendation vor, die auch zumeist in den Thukydides-Editionen übernommen wurde.820 Für καὶ ἀφικόμενοι ἐς Βέροιαν κἀκεῖϑεν ἐπιστρέφαντες sei zu lesen: καὶ ἀφικόμενοι ἐς Βέροιαν κἀκεῖϑεν ἐπι Στρέφαν.821 Die Athener seien somit von Beroia aus nach Strepsa, einer kleinen Stadt im westlichen Teil der Chalkidike und Mygdonia,822 abtrünniges Seebundmitglied,823 marschiert, hätten dort den vergeblichen Handstreich versucht und sich dann auf den Landweg nach Poteidaia begeben. Die Emendation hat die Diskussion nicht beendet.824 Es wurden einerseits Bedenken geäußert, dass die athenischen Soldaten eine umständliche Route gegangen seien, schneller wäre der Seeweg gewesen,825 andererseits, dass die Emendation zwar logistisch nachvollziehbar, aber unnötig sei.826 Eine alterna............................................ 819 So: Cole 1974, 63; Alexander 1962, 279, A. 35. 820 Vgl. Stork 2008, 229. Akzeptiert auch etwa von Psoma 2009a, 278–279; Hornblower 1991, 105; Hammond/Griffith 1979, 123; Hammond/Griffith 1972, 183; Woodhead 1952, 57. 821 Vgl. Gomme 1945, 216–217; Momigliano 1934, 20. 822 Zur Lokalisierung vgl. Flensted-Jensen 2004, 845–846; Borza 1990, 136, Hatzopoulos 1987, 22, 58; Edson 1955, 184. 823 Vgl. Flensted-Jensen 2004, 846; Badian 1993, 175; Edson 1970, 33; Edson 1955, 170; Meritt et al. 1950, 318; Gomme 1945, 216; Geyer 1930, 58. Zudem erwähnt bei Aischin. 2,27. Strepsa zahlte phoros gemäß den erhaltenen Tributlisten in den Jahren 454/3, 451–49, 448–39, 436–432 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 116–119. In den Listen für die unruhigen Jahre 432–429 fehlt Strepsa. Daher wird auf die Teilnahme an den Abfallbewegungen geschlossen. Vgl. Flensted-Jensen 2004, 846. 824 Ein weiterer Alternativvorschlag war: Ber(r)oia (bei Thuk. 1,61,4 Beroia, bei App. Syr. 57 Berroia) sei ein späterer Name für Poteidaia gewesen, vgl. dazu allgemein Mari 2014b, 91–100. Zu einer Übersicht vgl. Edson 1955, 170. Gomme 1951, 138 schlägt zudem vor, die Athener hätten Perdikkas in Beroia getroffen, um dort den Frieden mit ihm zu vereinbaren. Die Stelle sei im falschen Kontext platziert. Es erschließt sich aber erstens nicht, wieso der Verhandlungsort nicht die temenidische Residenz Pella sein sollte. Und zudem bleibt das Problem des athenischen Angriffs offen, zudem kombiniert mit den Fragen, auf welche Stadt und in welchem Kontext. 825 Vgl. Alexander 1962, 272 (selbst Strepsa erkläre die Route nicht); Woodhead 1952, 58; Gomme 1951, 137 (die Strecke sei zum größten Teil auf dem Seeweg bewältigt worden); Geyer 1930, 58. Sie hatten 70 Schiffe dabei, die nebenher an der Küste entlangsegelten (Thuk. 1,61,4). Gegen den Einwand, es hätten nicht genug Schiffe für eine Passage zur Verfügung gestanden, wurde zudem angeführt, dass es für einen Shuttle Service gereicht hätte, vgl. Badian 1993, 178; Gomme 1945, 218. 826 Vgl. Zahrnt 2002, 54–55, A. 27 (es lag an der damaligen weiten Westausdehnung des Thermaischen Golfs; der Text nach Beroia sei korrupt, die genaue Route daher nicht mehr zu rekonstru-
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tive Lösung sieht die Lesart Brea statt Beroia vor.827 Häufig wird die Emendation ganz verworfen. Ein Hauptargument lautet, dass der Scholiast auch καὶ ἀφικόμενοι ἐς Βέροιαν κἀκεῖϑεν ἐπιστρέφαντες gelesen habe.828 Um dennoch den Angriff der frisch mit Perdikkas verbündeten Athener auf eine seiner Städte zu erklären, konstruierte Geyer, Beroia sei zuvor von Derdas erobert worden und Perdikkas habe mit den Athenern im Friedensvertrag vereinbart, dass sie für ihn die Stadt zurückgewannen. Da dies gescheitert sei, habe er sich nicht mehr an die Allianz gebunden gefühlt.829 Thukydides macht nicht die leiseste Andeutung, die ein solches Szenario bestätigen würde. Badian zufolge ist Thukydides’ Bericht historisch, allerdings durch seine übliche Tendenz und Einsparung von Folgerungen geformt: Demnach wollten die Athener Beroia handstreichartig einnehmen, um Perdikkas, der sich durch den Frieden in Sicherheit gewiegt habe, durch die Besetzung einer Stadt nahe seiner Residenz mattzusetzen. Nach diesem fehlgeschlagenen Versuch hätten sie die Landroute nach Therme genommen.830 In Akzeptanz von Badians These lautet Hatzopoulos’ Übersetzung folgendermaßen: … they moved to leave Macedonia and after reaching Beroia and making from that point a sharp turn, and first attempting to but failing to take that place by storm, they continued their march towards Poteidaia by land.831
........................................................................................................................................................................... ieren), Hatzopoulos 1988, 54: das Heer sei erst westwärts nach Beroia, dann in östliche Richtung nach Strepsa gegangen; Edson 1955, 183; Meritt et al. 1950, 315, A. 62. 827 Vgl. Alexander 1963, 68; Alexander 1962, 283–285; Woodhead 1952, 59–62. Akzeptiert von Psoma 2009a, 278–279. Dagegen wendet sich Hornblower 1991, 105. 828 Vgl. Badian 1993, 175–176. Siehe auch Hatzopoulos 1996a, 108, A. 3; Hatzopoulos 1988, 55. Gomme 1945, 216 kritisiert ihn: Typischerweise würden Scholiasten geographische Probleme ignorieren. Zögernd gegenüber der Emendation auch: Flensted-Jensen 2004, 846. 829 Vgl. Geyer 1937, 594; Geyer 1930, 59. Kritisiert von Momigliano 1934, 20. 830 Vgl. Badian 1993, 178: „Had this succeeded, it would no doubt have removed Perdiccas as a potential antagonist for a long time. We must assume that the forced march along the land route was planned from the start (…) Thucydides, as often, enables us to gather the facts (provided we are willing not to blind ourselves to them) while expressing his own bias in his formulation”. Borza 1990, 143 behandelt das Problem nicht explizit, konstatiert aber en passant, dass die Athener auf dem Weg nach Poteidaia Städte (Plural) in Perdikkas’ Gebiet angegriffen hätten, die er nicht benennt. Anscheinend zählt er Pydna auch noch hinzu. Signifikant erscheint, dass er den Athenern zwar den Friedensbruch zuschreibt und ausführt, dass Perdikkas gute Gründe hatte, nach den gezeigten athenischen Feindlichkeiten von Athen abzufallen, ihm aber zugleich von Beginn an Unehrlichkeit unterstellt: „Rarely can one find a clearer example of a settlement made in bad faith by both parties“. Es ist aber bei Perdikkas gar nicht gesagt, ob er von Beginn an vorhatte, gleich wieder Poteidaia zu unterstützen. Athens Politik war indes nicht darauf ausgerichtet, es ihm als Bündner leicht zu machen. 831 Hatzopoulos 1987, 56.
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Ihm zufolge sei Perdikkas als symmachos der Athener auf der ersten Marschphase mitgezogen, dann aber durch Athens für ihn unerwartete Attacke auf Beroia gezwungen worden, Gegenvorkehrungen zu treffen. Er habe einen Aufseher in Makedonien zurückgelassen, sein Reich vorzeitig verlassen und sich in aller Hast, um den Athenern zuvorzukommen, nach Poteidaia auf die Gegenseite begeben.832 Roisman sieht die Athener ebenfalls als diejenigen an, die zuerst den Frieden brachen: „Opportunistic as ever, the Athenians may have tried shortly afterwards to capture Beroea in Perdiccas’ territory (…) No wonder, then, that Perdiccas decided to rejoin the rebels“.833 Diese Folgerungen erscheinen schlüssig. Demnach hatte Athen unmittelbar vor dem Kampf gegen Poteidaia noch einen potentiellen Störenfried unter Druck setzen wollen und daher den Frieden riskiert. Der Überrraschungseffekt für Perdikkas war ein einkalkulierter strategischer Vorteil gewesen. Eine weitere Information zur Zusammensetzung der athenischen Truppen auf dem Weg nach Poteidaia lässt aufhorchen. Neben 3000 eigenen Soldaten erwähnt Thukydides auch 600 makedonische Reiter unter Philipp und Pausanias.834 Die Identität von Pausanias – einer der beliebtesten Männernamen in Makedonien im 5. und 4. Jh. v. Chr. überhaupt – ist ungewiss. Gomme nennt ihn „the usual rebel Macedonian prince“,835 der Scholiast einen Verwandten des Derdas.836 Es wird einer seiner Brüder gewesen sein, die Thukydides bei Philipps Einfall in Perdikkas’ Reich erwähnt.837 Ob Derdas inzwischen gestorben oder andersweitig beschäftigt war, ist ungewiss.838 Relevant ist, dass die Athener Philipp immer noch unterstützten, weil sie vor Poteidaia seine Kavallerie einsetzen wollten.839 Von einem vorangegange............................................ 832 Vgl. Hatzopoulos 1987, 56–57. 833 Roisman 2010a, 147. 834 Thuk. 1,61,4: τρισχιλίοις μὲν ὁπλίταις ἑαυτῶν, χωρὶς δὲ τῶν ξυμμάχων πολλοῖς, ἱππεῦσι δὲ ἑξακοσίοις Μακεδόνων τοῖς μετὰ Φιλίππου καὶ Παυσανίου. 835 Gomme 1945, 216. 836 Schol. Thuk. 1,61,4. Akzeptiert von Geyer 1937b, 595. 837 Thuk. 1,59,2. 838 Vgl. Gomme 1945, 212. Pace Mattingly 1996, 243–244 mit der Vermutung, er sei ein Sohn Philipps gewesen. Siehe auch Gomme 1945, 218. Auch wenn es einen temenidischen Herrscher dieses Namens gab, den Vorgänger Amyntas’ III. (Diod. 14,82,2), ist das kein schlagender Beweis. Alexander 1962, 276–277 geht davon aus, dass Pausanias Derdas’ Bruder war, der jedoch noch gelebt habe. Er sei von Elimeia heruntergekommen, damit sie Perdikkas von verschiedenen Seiten hätten angreifen können, und Thukydides habe ihn nicht erwähnt, weil er den Fokus auf den Streit zwischen den temenidischen Brüdern gelegt habe. Für diese Rekonstruktion eines Schlachtplans gibt es keinen Beleg. Hornblower 1991, 105 geht auch von Derdas’ Bruder aus. 839 Dagegen vermutet Alexander 1962, 279, dass die Kavallerieeinheiten der Makedonen auf dem Landweg und die Athener zur See nach Poteidaia gelangt seien und sich Philipp und Pausanias erst vor der Stadt in Eigeninitiative als Mitkämpfer angeboten hätten. Indes geht er gleichzeitig
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nen Friedensschluss zwischen den verfeindeten Brüdern ist aber nirgendwo die Rede. Ohne Rücksicht auf den schwelenden Konflikt sollten somit Philipps und Perdikkas’ Reiter zusammen für athenische Interessen vor Poteidaia kämpfen. Die Konflikte waren vorprogrammiert. Dies wird kaum als athenische Maßnahme durchgegangen sein, beargwöhnte Bündnispartner besonders fest an der Hand zu nehmen. Es sah nach einem athenischem Doppelspiel und einer Behandlung von oben herab aus. Zudem erklären die Zahlenangaben auch vielleicht, warum die Athener es darauf ankommen lassen konnten, es sich mit Perdikkas wieder zu verscherzen: Philipp und Pausanias brachten 600 Reiter mit, Perdikkas hatte nur 200.840 Thukydides’ Hinweis, Perdikkas sei εὐθύς abgefallen,841 erklärt sich aus der vorangegangenen Politik Athens, deren Doppelmoral der Historiograph wiederum unkommentiert lässt. Es war folgerichtig, dass Perdikkas den Frieden abschrieb und zu seiner vorangegangenen Agenda zurückkehrte.842 Ihm die Schuld am Friedensbruch zu geben und daraus eine notorische Bündnisflucht abzuleiten, ist eine Verkehrung der Gegebenheiten. Zudem benötigte Perdikkas den Konsens seiner Führungsriegen. Es wird schwierig gewesen sein, Argumente für das Festhalten an einem Bündnispartner zu finden, der das Temenidenreich nicht auf Augenhöhe behandelte und unterschiedliche Maßstäbe in punkto Bündnistreue anlegte. Sollten die Athener beim Ausrücken aus Makedonien Beroia angegriffen haben, eventuell auch noch im Beisein von ........................................................................................................................................................................... davon aus, dass eine Attacke von drei Seiten auf Perdikkas geplant gewesen sei (mit Derdas aus Elimeia kommend). Da Philipp und Pausanias die Athener offenbar schon bei den Angriffen auf Pydna und Therme unterstützt hatten, wäre doch von einem andauernden Festhalten der Athener an Perdikkas’ innermakedonischen Gegnern auszugehen. 840 Thuk. 1,61,4. 62,3. Vgl. Sekunda 2010, 448. 841 Thuk. 1,62,2. Vgl. LSJ s.v. εὐθύς: straight, directly; Bétant 1969, I, 16–18. Thukydides benutzt εὐθὺς für Perdikkas mehrfach: als Perdikkas im spartanischen Lager erschien und Brasidas bei der Einnahme von Myrkinos, Galepsos und Oisyme half (Thuk. 4,107,3; vgl. Diod. 12,68,4, der Perdikkas nicht erwähnt; siehe Geyer 1937b, 598); als Perdikkas sich von Brasidas abwandte und mit Nikias zu verhandeln begann (Thuk. 4,132,1; vgl. Hornblower 1996, 407); als er sich gegen Athen mit Argos und Sparta verbündete (Thuk. 5,80,2; vgl. Geyer 1937b, 601). Anscheinend war es ein Stilmittel, um den Eindruck der notorischen Wechselhaftigkeit von Perdikkas zu verstärken. 842 Vgl. Cole 1974, 63: „his subsequent defection is possibly explicable in terms of Athens’ duplicity rather than his own“. Vgl. Roisman 2010a, 147; Giuliodori 2004, 50; Geyer 1937b, 595. Gomme 1945, 218 verweist auf das grundliegende Problem für Perdikkas: „Certainly it is not probable that Perdikkas allowed the cavalry of the rival princes to march through his kingdom”. Offenbar war er nicht gefragt worden. Hatzopoulos 1996a, 175 sieht einen weiteren Grund für das rasche Scheitern des Bündnisses auch darin, dass die Athener Therme genommen hatten, das er in Philipps Einflusszone verortet. Um sich Philipp mit seiner Kavallerie warmzuhalten, habe Athen Therme zu jenem Zeitpunkt nicht an Perdikkas zurückgegeben. Es spricht für sich, dass Kagan 1974, 63, der Perdikkas durchgehend als unzuverlässigen Intriganten darstellt und ihm stets die Schuld an Vertragsbrüchen mit Athen gibt, die Beroia-Episode und die damit verbundene Diskussion gar nicht erwähnt.
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Perdikkas und seiner Reiterei, war er vor Beroias Einwohnern, vor seiner eigenen Führungsspitze und vor den Augen von Philipps Gefolgsleuten düpiert worden. Sollten einige von Philipps Befürwortern den Abfall zu ihm erwogen haben, könnte sie das abgehalten haben. Der Landesschutz war eine elementare Funktion des temenidischen Herrschers. Obwohl die Athener bei ihrem Handstreich nicht erfolgreich gewesen waren, musste es Perdikkas’ Ruf abträglich sein, wenn sich herumsprach, dass seine Städte nicht einmal vor Einnahmeversuchen der eigenen Verbündeten sicher waren. Um seine Autorität im Reich und das Gesicht zu wahren, konnte er kaum anders, als wieder in die Opposition zu gehen.843 Daher ist in der Streitfrage, ob Perdikkas selbst vor Poteidaia mit seiner Kavallerie aufschien, wie sein Bruder für die Gegenseite,844 oder ob er einen bei Thukydides erwähnten Iolaos als Stellvertreter schickte,845 letzteres abzulehnen. Die Makedonen erwarteten von ihrem Herrscher, dass er die Feldzüge persönlich anführte und in erster Reihe mitkämpfte. Ein Temenide profilierte sich über diesen primären Legitimationsfaktor. Perdikkas musste bei diesem wichtigen Unterfangen der kombinierten Abwehr athenischer und innermakedonischer Angriffe Flagge zeigen –846 gerade weil sein Bruder auf der Gegenseite persönlich aufschien. In Bürgerkriegen war die Gefahr von Desertion groß; eigenes Auftreten konnte dabei den Ausschlag geben.847 Diesen Vorteil durfte Perdikkas seinem Bruder nicht lassen; seine Anwesenheit als Feldherr vor Ort wird daher vorauszusetzen sein. Der Hinweis, dass Philipp und Pausanias 600 Reiter bei sich hatten und Perdikkas 200,848 verweist überdies auf eine ............................................ 843 Die athenische Haltung gegenüber Philipp mochte auch ein entscheidendes Moment gewesen sein. Perdikkas’ Unterstützer, die sich im Bürgerkrieg für ihn stark gemacht hatten, konnten theoretisch befürchten (auch wenn dies wohl kaum in Athens Interesse gewesen wäre), dass Athen eine Versöhnung der temenidischen Brüder erzwang, worauf Philipps Funktionäre zurückkehrten und ihre eigene Einflussstellung schwächten. Ein Festhalten an der Allianz mit Athen schien daher wenig Nutzen für Perdikkas und seinen inner circle zu bringen. 844 Vgl. Giuliodori 2004, 50, A. 26: ohne eine Stellungnahme für eine der beiden Möglichkeiten; Hornblower 1991, 105. Perdikkas im Kommando: Borza 1990, 143; Hammond/Griffith 1979, 123; Alexander 1963, 69; Geyer 1937b, 595. 845 Vgl. Hornblower 1991, 105; Hoffman 1975a, 371; Cole 1974, 63. Auch Zahrnt 2006a, 592 scheint dies anzunehmen. 846 Zur Verknüpfung von Athens Krieg um das abgefallene Seebundmitglied mit dem innermakedonischen und innertemenidischen Konflikt: Thuk. 1,61,4. 62,2–3. 63,2. Vgl. Roisman 2010a, 147–148; Zahrnt 2006a, 592; Cole 1974, 63; Geyer 1937b, 595. Vgl. Mattingly 1996, 243–244. 847 Ein Beispiel ist die Schlacht bei Euia 317, als Truppen von Adea-Eurydikes faction zu Olympias und Polyperchon überliefen (Diod. 19,11,1–9; Polyain. 8,60; Just. 14,5,9–10; vgl. Carney 2000, 96–100). Ein weiteres Beispiel ist der Krieg zwischen Demetrios Poliorketes und Pyrrhos um Makedonien, als 288/7 Demetrios’ Soldaten in Scharen zu Pyrrhos übergelaufen sein sollen (Plut. Demetr. 44,6, indes mit topischer Tendenz). 848 Thuk. 1,61,4. 62,3. Vgl. Sekunda 2010, 448.
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problematische Lage, wenn auch unklar ist, wieviele von den Reitern Philipps abtrünnige ehemalige Reichsmitglieder von Perdikkas und wieviele Elimeia zugehörig waren. Allerdings kamen beide Reiterei-Einheiten gar nicht zum Einsatz, wie Thukydides zumindest berichtet, weil die Athener den Kampf so rasch für sich entschieden.849 In summa wird sich die Information, Ἰόλαον ἀνθ᾽ αὑτοῦ καταστήσας ἄρχοντα,850 darauf beziehen, dass Perdikkas Iolaos mit der Regelung der politischen Angelegenheiten während seiner Abwesenheit auf Kriegszug betraut hatte.851 Über Iolaos’ Identität gibt Thukydides keine weitere Auskunft. Angesichts der stellvertretenden Herrschaftsaufgaben, die ideologisch im Temenidenreich untrennbar mit der Dynastie als einzig herrschaftsfähig verbunden waren, wird es sich bei ihm um einen Temeniden gehandelt haben.852 Psoma hält ihn für einen sonst unbekannten weiteren Bruder von Perdikkas.853 Iolaos’ Berufung zeigt zugleich, dass Archelaos zu dieser Zeit noch nicht geboren oder zu klein gewesen war,854 um diese prestigiöse innenpolitische Stellvertreteraufgabe zu übernehmen. Philipp II. hatte sie, während er Perinthos und Byzantion belagerte, seinem Teenagersohn Alexander übergeben.855 Bei der Schlacht um Poteidaia mit dem siegreichen Ausgang für Athen soll ein politischer Aufstieg seine Schatten vorausgeworfen haben: Alkibiades, künftiges „new kid on the Athenian block“,856 war zusammen mit Sokrates unter den Kämpfern und wurde mit der aristeia für seinen tapferen Einsatz ausgezeichnet.857 Poteidaias Kapitulation kam erst später, 430/29, besiegelt durch die Entsendung athenischer Siedler.858 ............................................ 849 Thuk. 1,63,2. Perdikkas und sein Heer zogen sich mit den anderen Hilfstruppen für Poteidaia nach Olynthos zurück. Vgl. Hammond/Griffith 1979, 123; Alexander 1963, 69. 850 Thuk. 1,62,2. 851 Vgl. Hatzopoulos 1987, 56–57; Hammond/Griffith 1979, 123, 134. 852 Vgl. Hammond 1989, 23; Gomme 1945, 219. Er verweist auf die heraklidische Note des Namens. 853 Vgl. Psoma 2015b, 16–17. Sollte dies so gewesen sein, könnte er kurz danach gestorben sein, da er aus der Überlieferung verschwindet. 854 Dies wird vermutet bei Hammond/Griffith 1979, 134: Im Jahr 432 sei er ein Teenager gewesen. Vgl. Hammond 1989, 23. 855 Plut. Alex. 9,1–2: Stellvertretung in Makedonien. Auch wenn die Generäle den Teenager bei seiner ersten Statthalterschaft entscheidend gelenkt haben werden (vgl. Heckel 2006, 11), war es doch eine sichtbare Förderung des Sohns vonseiten Philipps. 856 Cartledge 2003, 191. 857 Plat. Symp. 220 D-E; Isok. 16,29–30; Plut. Alk. 7,5; Diog. Laert. 2,23. Vgl. Hamel 1998, 66–70; Hornblower 1991, 106; Gomme 1945, 219. Vgl. Planeaux 1999, 72–73. Hornblower 2010, 29 sieht Parallelen zwischen der Beschreibung der Schlacht um Poteidaia bei Thuk. 2,70,1–3 und der anderen Schlacht um Poteidaia bei Hdt. 8,126–128. 858 Thuk. 2,70,4; Diod. 12,46,6–7; ML 66. Vgl. Kallet-Marx 1993, 120–121; Alexander 1963, 69–75; Hammond/Griffith 1979, 124; Zahrnt 1971, 57.
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Athen, Perdikkas, Sitalkes und die mysteriösen Versprechungen 431 erfolgte ein Friedensschluss zwischen Athen und Perdikkas.859 Die Athener erwarteten seine Hilfe bei der Rückgewinnung der abgefallenen Städte und gaben ihm dafür Therme, 432 annektiert, zurück (ἀποδοῦναι).860 Aus geostrategischen Gründen wird klar gewesen sein, dass Perdikkas darauf eingehen musste: Die Hafenstadt war von besonderer Wichtigkeit für sein Reich mit dessen stark limitierten Zugang zum Meer.861 Vermittler des Bündnisses waren der Odrysenherrscher Sitalkes862 und dessen Schwager Nymphodoros von Abdera.863 Im Vorfeld hatten die Athener sich Nymphodoros durch die Ernen............................................ 859 Thuk. 2,95,2. Vgl. Zahrnt 2015, 41; Sears 2013, 74–75; Müller 1997, 85 (Nr. 165); Kallet-Marx 1993, 111, 124–125; Develin 1989, 117: Phormion, der Kallias als Stratege ersetzt hatte, erhielt Perdikkas’ Hilfe: vgl. Sears 2013, 75; Welwei 2006, 529; Hornblower 1991, 106–107; Kagan 1974, 63. Vor Poteidaia wurde Phormion dann von Hagnon ersetzt (Diod. 12,46,2–6). Es herrscht Einigkeit darüber, dass er mit Hagnon, dem Gründer von Amphipolis, zu identifizieren ist, vgl. Mari 2012, 342; Pesely 1989, 199, 203. Er vermutet, gerade dessen vorangegangene Aktion mit Amphipolis habe Hagnon als geeignete Person nahegelegt. Vasilev 2011b, 17–18 vermutet, dass die Furcht vor der Koalition zwischen Athen und Sitalkes Perdikkas, von dem die Inititiative ausgegangen sei, zu dem Bündnis veranlasst habe. Zudem habe ihn die Sorge um die Perspektiven seines Neffen Amyntas, der am odrysischen Hof verweilte, dazu getrieben. Lewis 1992, 173 geht davon aus, dass der Aufstieg des Odrysenreichs einer der Faktoren gewesen sei, weswegen Athen auf die chalkidischen Bündner solchen Druck ausgeübt habe. Kelly 1982, 38 vermutet, dass diese Friedensbereitschaft auf athenischer Seite mit der Furcht vor einer feindlichen Attacke zur See zusammengehangen habe. Daher seien auch Gelder für einen Bau von 100 Reservetrieren freigegeben und Sitalkes sei mit ins Boot geholt worden. 860 Thuk. 1,61,2; 2,29,6 (Therme); 2,29,1. Vgl. Badian 1993, 179; Borza 1990, 145; Cole 1974, 64; Woodhead 1952, 57, A. 3. Hammond/Griffith 1979, 125 zufolge hätten die Athener Therme nur aufgegeben, weil sie zuvor das strategisch wichtigere Methone hinzugewonnen hätten. Akzeptiert von Borza 1990, 148. Laut Hatzopoulos 1996a, 175 sei diese athenische Rückgabe hingegen erst möglich geworden, als Athen Philipp aufgegeben hatte, zu dessen Einflusszone Therme gehört habe. Zahrnt 2006a, 592 wendet ein, dass aber von makedonischen Truppen bei der Einnahme Poteidaias und dem Kampf gegen die Chalkidier und Bottiaier nichts bei Thukydides erwähnt sei. Siehe auch Vasilev 2011b, 19, A. 18. Dagegen geht Roisman 2010a, 148 davon aus, dass er geholfen und sogar Methone an Athen gegeben habe, falls er es zu jener Zeit kontrolliert habe. Zur Dürftigkeit der Angaben von Thukydides zu diesem Friedensvertrag vgl. Müller 1997, 152. 861 Vgl. Vasilev 2011b, 19; Hauben 1975, 51; Cole 1974, 64; Geyer 1937b, 595. Zu Therme vgl. Flensted-Jensen 2004, 818–819. Vasilev 2011b, 18 vermutet, dass Perdikkas in den Verhandlungen auch gefordert habe, dass nicht nur Sitalkes, sondern auch die Athener die Unterstützung für Philipp aufgaben. Wie dem auch sei – daran hielt man sich sowieso nicht, wie die odrysische Schützenhilfe mit athenischem Segen 429 für Philipps Sohn Amyntas zeigte. 862 Zum Odrysenreich: Hdt. 7,137; Thuk. 2,97,1–3; Diod. 12,50,1–3. Es wurde von Sitalkes’ Vater Teres begründet und ging im Norden bis zum Istros. Sitalkes erweiterte es im Westen bis zum Nestos (wobei schwierig zu sagen ist, wie weit im Nestos-Tal, vgl. Archibald 1998, 120) und kam in seiner Interessenszone bis an den Oberlauf des Strymon, damit nahe an Athens Interessensgebiete. Zu den thrakischen Ethnien, die Sitalkes beherrschte, vgl. Graninger 2015, 23–24. Zum Aufstieg vgl. Zahrnt 2015, 40; Archibald 1998, 107–112; Hammond/Griffith 1979, 115; Cole 1974, 58–59. Vgl. Vassileva 2015, 324; Damyanov 2015, 301; Archibald 1998, 102–124. Zu den Odrysen und Dareios I. vgl. Boteva 2011, 740 (Argumentation gegen ihre Unterwerfung). 863 Zu ihm vgl. Vasilev 2011b, 15–16. Sheedy 2013, 39–46 vermutet, dass er identisch mit dem Münzmagistraten Nymphodoros aus Abdera sei, von dem Silbertetradrachmen bekannt sind.
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nung zum proxenos dienstbar gemacht864 und eine Allianz mit Sitalkes geschlossen.865 Seine Bündnisbereitschaft wird dadurch gefördert worden sein, dass sein Sohn Sadokos die athenische politeia erhalten hatte, um die gesamte Familie enger an die Polis zu binden.866 Die Athener konnten nicht ahnen, dass sie auf das falsche thrakische Pferd setzten – Sadokos sollte Sitalkes nicht nachfolgen. Thukydides, der in diesen Passagen seine Thrakien-Kenntnisse vorführt,867 betont, dass Sitalkes’ Vater Teres nichts mit Tereus, dem Mann der Athenerin Prokne, zu tun hatte.868 Es wird angenommen, dass er damit auf Gerüchte reagiert habe,869 die in Athen kursiert hätten, verbreitet von athenischen Befürwortern des odrysischen Bündnisses: Um den Athenern Sadokos als neuen Mitbürger angenehm zu machen, sei als „creative revision of myth in the cause of kinship diplomacy”870 eine genealogische Verbindung zwischen dessen Haus und der athenischen Vergangenheit kreiert worden.871 Dagegen wertet Sears ........................................................................................................................................................................... Gegen die traditionelle Datierung in die Zeit zwischen 473/70–449/8 setzt er die Münzen ca. 20 Jahre herunter auf 445. Abdera war eine der wichtigsten nordgriechischen Münzprägestätten neben Akanthos, Mende, Maroneia und Ainos, mit denen Athen verbündet war. Vgl. Kroll 2009, 200; Sheedy 2013, 43; Mattingly 1996, 2. Zur Lage und Geschichte von Abdera vgl. Rabadjiev 2007, 509. Zu den thrakischen Verbindungen siehe auch Youroukova 1989, 318. 864 Thuk. 2,29,1. 4–7. Vgl. Zahrnt 2015, 40; Damyanov 2015, 299; Sears 2013, 75; Archibald 1998, 118; Linforth 1931, 9; Munro 1919, 128. Zur Definition einer Proxenie und der Rollenerwartungen an einen proxenos vgl. Mack 2015, 1–4, 24–32. Wichtiger Punkt war dabei die Erwartungshaltung der Polis an den proxenos, sich weiterhin um ihr Wohl zu bemühen. 865 Thuk. 2,29,1; Diod. 12,50,3. Vgl. Vasilev 2011b, 15; Archibald 1998, 118; Müller 1997, 85–86, 152; Kallet-Marx 1993, 111, 124, A. 39; Hoffmann 1975, 374; Linforth 1931, 9. 866 Thuk. 2,29,5. Vgl. Sears 2013, 75; Archibald 1998, 118; Kagan 1974, 63; Geyer 1930, 60. Dem. 12,9 verwechselt Sadokos mit Sitalkes. Vasilev 2011b, 17 vermutet, dass Sitalkes kein athenisches Bürgerrecht bekam, weil er nicht darum gebeten habe. Borza 1990, 144 verweist darauf, dass die athenische Ausbreitung im nordgriechischen Raum auch Sitalkes aufgeschreckt und zu Sicherungsmaßnahmen veranlasst habe. 867 Thuk. 2,96–97. Vgl. Kallet-Marx 1993, 124–125; Badian 1993, 179. Zu Thukydides’ Tendenz zu dozieren, vgl. Will 2015, 163. Zu seiner Verbindung nach Thrakien vgl. Zahrnt 2006a, 589. 868 Thuk. 2,29,3. Vgl. Lerner 2017, 13. Pache 2001, 6 vermutet trotz seines Besitzes in Thrakien eine topisch unschmeichelhafte Sicht von Thukydides auf die Thraker. Vgl. dagegen die sehr differenzierte Analyse bei Xydopoulos 2007b, 9–14. Insgesamt zur griechischen Sicht auf die Thraker: Xydopoulos 2007a. Hornblower 2000, 135 sieht in der Passage einen Beleg für Thukydides’ Interesse an Etymologie. Zudem habe er seine Namenskenntnis als Medium der Wahrheitsbeglaubigung eingesetzt (2000, 139). 869 Vgl. Harder 1985, 131, A. 12. So auch schon Linforth 1931, 10: Thukydides richte sich damit nicht gegen Sophokles – die Fragmente von dessen Tereus verwiesen nicht auf eine solche Assoziation. Munro 1919, 128 deutet die Passage hingegen als Beleg für Thukydides’ persönlichen Verbindungen mit Thrakien und seine diesbezügliche fundierte Kenntnis. 870 Brock 2009, 158. Er sieht weniger den Aspekt, dass es sich um Thraker handelte, als den Umstand, dass Sitalkes ein Monarch war, als problematisch für die Präsentation des Bündnisses mit ihm gegenüber der athenischen Öffentlichkeit an. Allerdings wird es auch eine Rolle gespielt haben, dass es sich um Thraker gehandelt hat, Nicht-Griechen. 871 Vgl. Linforth 1931, 11. Er vermutet zudem, im Zuge dieser Propagandakampagne sei die Assoziation von Orpheus mit Thrakien besonders betont worden. Ähnlich schon Munro 1919,
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die Teres-Tereus-Parallele umgekehrt als athenische Schmähung: Thukydides, den Hornblower auch für einen einstigen Befürworter der athenischodrysischen Allianz hält,872 habe Sitalkes und Sadokos gegen die Behauptung verteidigt, sie stammten vom „savage Tereus“ ab.873 Sollte sich man sich in Athen ins Zeug gelegt haben, um den Mitbürgern das Bündnis schmackhaft zu machen, tat man sich, wie die Ereignisse zeigen sollten, allerdings schwer damit, den odrysischen Bündnispartner auch zu halten. Der Vorteil aus der Allianz für die Athener erschließt sich aus der Bedingung für Sitalkes, ihnen bei der Rückgewinnung der chalkidischen Städte zu helfen.874 Zudem werden sich die Athener in ihm ein Gegengewicht zu Makedonien erhofft haben – gleichwohl Perdikkas nun wieder ihr Alliierter war.875 Sitalkes’ mögliche eigene Expansionsambitionen, die zu Interessenskonflikten mit Athen geführt hätten, sollten wohl wiederum durch Perdikkas’ Einbindung blockiert werden.876 Von einer athenischen Gegenleistung für Sitalkes – außer dem „Vorschuss“ der Proxenie für Nymphodoros und der politeia für Sadokos – ist nichts zu erfahren.877 ........................................................................................................................................................................... 128. Siehe auch Ferguson 1949, 161 zu weiteren athenischen Konzessionen gegenüber dem thrakischen Bündner: dem Kult der thrakischen Göttin Bendis in Athen. Vgl. Sears 2013, 56, 75; Pache 2001, 6–10; Müller 1997, 86; Borza 1990, 144. Dagegen argumentiert Archibald 1998, 118, dies hätte nichts damit zu tun. Badian 1993, 242, A. 18 zufolge hätte der „Athener auf der Straße“ diese Annäherungspolitik an die Thraker nicht verstanden, weswegen sie dankbares Komödienthema geworden sei. 872 Vgl. Hornblower 1991, 286. Schon zuvor vermutet Munro 1919, 128, Thukydides sei bei dem Bündnisschluss zwischen Sitalkes, Perdikkas und Athen anwesend gewesen. Dies ist allerdings spekulativ 873 Sears 2013, 75. Tačeva 1992, 73 datiert das Gerücht später, in die Zeit von Sitalkes’ Makedonienzug 429. Da zu jener Zeit die Beziehung Athens zum Odrysenhaus ziemlich abgekühlt war, wäre dies stimmig, wenn das Gerücht eine Negativkonnotation gehabt hätte. Sollte die Teres-TereusParallele jedoch von athenischen politischen Kreisen initiiert worden sein, um den Athenern Sadokos im Sinne von kinship näher zu bringen, wäre sie früher, in die Zeit des Bündnisschlusses, zu setzen. 874 Thuk. 2,95,2; Diod. 12,50,3. Vgl. Zahrnt 2015, 41. Sears 2013, 75 stellt fest: „Thucydides is unusually explicit in recording the Athenian motives in these dealings, probably because of his own interest and expertise in this region“. Dagegen ist einzuwenden, dass Thukydides die athenischen Beweggründe für die Allianz auch als stilistisches Kontrastmittel benutzt haben könnte, um aufzuzeigen, wie wenig sich von den in Sitalkes gesetzten Hoffnungen erfüllte. Dies könnte eine Rechtfertigung für das athenische Verhalten gegenüber Sitalkes im Winter 429 sein. Siehe zudem Müller 1997, 152: „Die Angaben bei Thukydides sind so dürftig, dass man auf diesen Beleg schadlos verzichten kann.“ Die Angabe bei Diod. 12,50,3 ist noch karger 875 Thuk. 2,29,4. 95,2. Vgl. Archibald 1998, 118; Kallet-Marx 1993, 111; Hoffman 1975a, 372 (sie wollten Perdikkas „weak and busy“); Cole 1974, 59. Geyer 1937b, 595 zufolge spekulierten sie auch auf thrakische Unterstützung in Sachen Zugriff auf Schiffsbauholz. Brock 2006, 93 analysiert, die Athener hätten Perdikkas unter anderem mit diesem Bündnis geradezu in die Arme ihrer Gegner getrieben. 876 Vgl. Kallet-Marx 1993, 111, 124; Borza 1990, 147; Hammond/Griffith 1979, 124. 877 Entsprechend lauten die Folgerungen, Sitalkes habe von Athen über das reine Bündnis hinaus nichts bekommen: Vasilev 2011b, 16; Tačeva 1990, 381–382.
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Lückenhaft informiert Thukydides auch über Perdikkas’ Arrangement mit Sitalkes. Gerade dieser Aspekt war jedoch ein Knackpunkt für die weitere Entwicklung: Zwei Jahre später zog Sitalkes nicht nur gegen die chalkidischen Städte, sondern fiel mit athenischer Billigung plündernd in Makedonien ein. Dabei soll er versucht haben, Perdikkas durch Philipps Sohn Amyntas, Exilanten am Odrysenhof,878 zu ersetzen. Wie es zu dieser Wendung kam, erklärt Thukydides mit den Bündnisvereinbarungen zwischen Perdikkas und Sitalkes, die er für die makedonische Seite kryptisch schildert: ὅ τε γὰρ Περδίκκας αὐτῷ ὑποσχόμενος, εἰ Ἀθηναίοις τε διαλλάξειεν ἑαυτὸν κατ᾽ ἀρχὰς τῷ πολέμῳ πιεζόμενον καὶ Φίλιππον τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ πολέμιον ὄντα μὴ καταγάγοι ἐπὶ βασιλείᾳ, ἃ ὑπεδέξατο οὐκ ἐπετέλει. Perdikkas hatte ihm gewisse Versprechungen gemacht, wenn er ihn mit den Athenern versöhnte, als er am Anfang des Kriegs in Bedrängnis geraten war, und wenn er seinem verfeindeten Bruder Philipp nicht zur basileia verhelfe. Doch was er angekündigt hatte, hielt er immer noch nicht ein.879
Was hinter diesen leeren Versprechungen steckt, ist umstritten.880 Diodor erwähnt nichts davon und berichtet nur, Sitalkes sei mit Perdikkas verfeindet gewesen.881 Die Vermutungen, was Perdikkas zugesagt haben könnte, sind vielfältig: Geld,882 Land,883 Stillhalten gegenüber odrysischen Verbündeten,884 Aussöhnung mit Sitalkes’ Schützling Philipp und Rückführung.885 Dagegen steht die Annahme, dass es diese Versprechungen von Perdikkas gar nicht gegeben habe: Entweder gilt Thukydides als der Lügenbold, der sie „chiefly in ............................................ 878 Thuk. 2,95,2; Schol. Thuk. 2,95,2. Vgl. Vasilev 2011b, 18–19; Zahrnt 2006a, 592–593; Borza 1990, 145; Geyer 1937b, 595. Loukopoulou/Psoma 2007, 146 vermuten, dass die Athener Philipp die Flucht zu Sitalkes nahe gelegt hätten. 879 Thuk. 2,95,2. 880 Zu einem Überblick über die Positionen vgl. Vasilev 2011b, 19–20. Geyer 1930, 62 glaubt an die Existenz von Bedingungen, die Perdikkas nicht erfüllt habe, benennt sie aber nicht. Ebenso: Hammond/Griffith 1979, 123–124. Zahrnt 2015, 41 erwähnt die Versprechen von Perdikkas nicht. 881 Diod. 12,50,4. 882 Vgl. Vasilev 2011b, 24; Cole 1974, 65, A. 35; Geyer 1937b, 596. Die These basiert auf Schol. Thuk. 2,95,1, wonach Perdikkas Sitalkes Geld versprochen habe, wenn er seinen aufsässigen Bruder nicht bei einer Rückkehr nach Makedonien unterstützte. 883 Vgl. Tačeva 1993, 1441–1443; Tačeva 1992, 69–74: Es sei um odrysische Ansprüche auf bisaltische Gebiete gegangen, die einst an Alexander I. verloren gegangen seien. 884 Vgl. Chambers 1999, 220–221. 885 Vgl. Papastavrou 1957, 261.
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order to reinforce the picture of Perdiccas as an unreliable liar“886 erfunden habe, oder die Athener werden als die Schwindler gesehen, da sie ihre Beteiligung an Sitalkes’ Überfall auf Makedonien rechtfertigen wollten.887 Borza ist ebenfalls skeptisch, dass die Makedonen den Odrysen überhaupt etwas anzubieten hatten.888 Ob die Versprechungen nun literarische Stilmittel oder historisch waren – in jedem Fall zeigt die Passage erneut die Anlage von Thukydides’ PerdikkasPorträt: ein skrupelloser Taktierer, der griechische wie nicht-griechische Bündnispartner gleichermaßen betrog und gegenüber eingegangenen Verpflichtungen so hartleibig war, dass nur noch militärische Mittel halfen. Es stellt sich die Frage, inwieweit Thukydides’ prägnantes Bild spätere griechische Negativdarstellungen von Makedonen auf politischer Bühne beeinflusste wie Demosthenes’ Polemik, Philipp II. habe sein Reich nur durch Betrug hochgebracht und jeden seiner Bündner belogen.889 Ein anderes Beispiel ist Theopompos’ berüchtigte Charakterisierung von Philipps makedonischer Führungsriege: καὶ τὸ μὲν ἀληθεύειν καὶ ταῖς ὁμολογίαις ἐμμένειν οὐκ οἰκεῖον αὑτῶν ἐνόμιζον, τὸ δ᾽ ἐπιορκεῖν καὶ φενακίζειν ἐν τῷ σεμνοτάτῳ ὑπελάμβανον. Sie meinten, dass es nicht ihre Sache sei, die Wahrheit zu sagen und an Absprachen festzuhalten, sondern zählten zu ihren höchsten Idealen, falsch zu schwören und zu betrügen.890
Es könnte durchaus sein, dass Thukydides’ Bild des betrügerischen, abgefeimten Makedonenherrschers, vertreten auch in der attischen Komödie, eine gewisse Tradition der griechischen Darstellung von Temeniden und ihrer Füh............................................ 886 Badian 1993, 179, 243, A. 23. Akzeptiert von Archibald 1998, 118. 887 Vgl. Loukopoulou/Psoma 2007, 146. 888 Vgl. Borza 1990, 145. Sitalkes’ Reichtum wird zumindest in den Quellen als beeindruckend geschildert: Thuk. 2,97,3; Diod. 12,50,2. Das traf für die Makedonen nicht zu. 889 Dem. 1,3; 2,7–9. Vgl. Worthington 2012, 71–254; Müller 2010, 173–174; Worman 2008, 217; Koulakiotis 2006, 28–58; Pownall 2005, 270–271; Wirth 1985, 68, 74, 171 890 Athen. 6,260F-261 A. Übers. C. Friedrich. Interessanterweise findet man Ähnliches auch bei Trogus-Justins Charakterisierung der Parther im Arsakidenreich, denen unterstellt wird, treulos und der Wahrheit nur zugeneigt gewesen zu sein, wenn sie dem eigenen Vorteil diente: Just. 41,3,10: Fides dicti promissique nulla, nisi quatenus expedit. Dies erscheint noch ein wenig positiver als Theopompos’ Abqualifizierung von Philipps Höflingen, die niemals die Wahrheit sagten. Von diesem „Barbaren“-Topos in Theopompos’ Philippika, eine der Quellen von Trogus, mochte er sich inspiriert gefühlt haben.
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rungsschicht prägte, die auch auf die griechischen Porträts Philipps II. und Alexanders III. abfärbte. Thukydides’ Schuldzuweisung an Perdikkas für den Bündnisbruch und die folgenden Feindseligkeiten sind in ihrer Korrektheit umstritten.891 Grundsätzlich waren die zu stark divergierenden Interessen der Alliierten der Zündstoff, der das Bündnis absehbar zerstörte. Hinzu kam Athens Tendenz, ihre beiden Bündnispartner für sich arbeiten lassen und gleichzeitig gegeneinander auszuspielen. Von offensiven makedonischen Handlungen gegenüber Sitalkes ist nichts zu hören, gegenüber Athen sieht es etwas anders aus. Augenscheinlich hatte die makedonische Seite den Frieden riskiert: Im Sommer 429 hatte Perdikkas, nunmehr im Kontext des Peloponnesischen Kriegs, eine Truppe von 1000 Mann ins pro-athenische Akarnanien geschickt, um einen Einfall der Spartaner und ihrer Verbündeten unter dem Feldherrn Knemos zu unterstützen,892 der jedoch an der Einnahme der zentralen akarnanischen Stadt Stratos scheiterte.893 Der Hinweis, dass auch Orestis in Obermakedonien unter dem Lokaldynasten Antiochos eine Truppe von 1000 Mann als Hilfe für die Spartaner sandte,894 bedeutet nicht, dass dies auf Perdikkas’ Geheiß geschah. Es wird eine eigenständige Aktion gewesen sein.895 Thukydides stellt die Truppenentsendung als weiteren heimtückischen Akt von Perdikkas dar – hinter dem Rücken seiner athenischen Bündnispartner.896 Dieser charakteristische Zug der Hinterhältigkeit seines Perdikkas-Porträts kommt erneut bei einem späteren Bündnis von Perdikkas mit Sparta und Argos vor.897 In beiden Fällen ist unglaubwürdig, dass der langjährige Politiker Perdikkas sich eingebildet haben sollte, sein Handeln könnte den Athenern ............................................ 891 Roisman 2010a, 149 bezeichnet Sitalkes’ von Thukydides genannte Kriegsgründe, Perdikkas habe seine Versprechen nicht gehalten und Sitalkes wolle Athen in der Chalkidike helfen, als unzureichend. Cole 1974, 64 sieht die Gründe vor allem bei Perdikkas und seiner „determination to run with the fox and hunt with the hounds“. Geyer 1937b, 598 hingegen sieht die Schuld vor allem bei seinen Bündnern, die ihm genügend Gründe für den Abfall geboten hätten. Archibald 1998, 118 sieht die Kriegsinitiative bei Sitalkes und seinem Expansionsstreben. 892 Thuk. 2,80,7. Vgl. Borza 1990, 146; Cole 1974, 64. Kagan 1974, 108 deutet dies als Reaktion auf die gescheiterte athenische Einnahme von Spartolos in der Bottike (vgl. Flensted-Jensen 2005, 811): Angesichts dieses athenischen Misserfolgs habe Perdikkas Morgenluft gewittert. 893 Thuk. 2,80,8–82; Diod. 13,49,1–2. Vgl. Borza 1990, 146; Kelly 1982, 41. 894 Thuk. 2,80,6. 895 Vgl. Zahrnt 2002, 57. Da neben Orestis auch Epeiros beteiligt gewesen waren, spekuliert Roisman 2010a, 149 mit einem möglichen Zugzwang Perdikkas’. Vgl. Mattingly 1996, 243, A. 110: Lynkestis und Elimeia verhielten sich ruhig. 896 Thuk. 2,80,7. Vgl. Hammond/Griffith 1979, 124; Cole 1974, 64. 897 Thuk. 5,80,2.
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verborgen bleiben – zumal es sich in beiden Fällen um tagesaktuelle Kontexte handelte. Seine Hilfe für Knemos wird, ebenso wie das spätere Bündnis mit Argos und Sparta, ein bewusster Schritt gewesen sein, keine klammheimliche Nacht- und Nebel-Aktion in der illusorischen Hoffnung, Athen würde nichts mitbekommen.898 Was sich zwischen dem Friedensschluss 431 und dieser Sommer-Aktion zwischen Athen und Makedonien zugetragen und zu dieser Hilfsaktion geführt haben mochte, ist nicht bekannt. Es wird aber handfeste Gründe gegeben haben, warum man in Aigai beschlossen hatte, es nicht länger mit Athen zu halten. Eventuell hatte es damit zu tun, dass sich die innertemenidische Konkurrenz, erst Philipp, mittlerweile dessen Sohn, noch immer in Sicherheit bei Sitalkes wiegen konnte und weder er noch die Athener Anstalten einer Auslieferung an Perdikkas trafen, was vermutlich zu erwarten gewesen wäre. Die makedonischen Truppen kamen zwar laut Thukydides zu spät,899 doch wird schon die Entsendung als deutliches makedonisches Statement von den Athenern aufgefasst worden sein. Entsprechend gilt Sitalkes’ von Athen gebilligte Invasion ins Temenidenreich im Winter desselben Jahrs als Strafaktion für Perdikkas’ Parteinahme für Sparta.900 Dagegen wendet sich Hammond: Sitalkes habe eine Klausel des Bündnisvertrags von 431 erfüllt, in der er und die Athener – natürlich ohne Perdikkas’ Wissen – vereinbart hätten, ihn abzusetzen.901 Träfe dies zu, hätten von drei verbündeten Parteien gleich zwei von Anfang an falsch gespielt. Ein gewisses Doppelspiel von Sitalkes gegenüber Perdikkas ist nicht abzustreiten, da er sich trotz des Schwurs, Philipp nicht zu unterstützen, mit dessen Sohn Amyntas eine temenidische Reserve in der Hinterhand behalten hatte.902 Doch die zeitliche Nähe der makedonischen ............................................ 898 Vgl. Geyer 1930, 59: Perdikkas habe um die Zeit ohnehin keinen dauerhaften Frieden mit Athen gewollt. 899 Thuk. 2,80,7: ἔπεμψε δὲ καὶ Περδίκκας κρύφα τῶν Ἀθηναίων χιλίους Μακεδόνων, οἳ ὕστερον ἦλθον. Es scheint bezeichnend für Thukydides’ Darstellung der makedonischen Heeresqualität unter Perdikkas, dass er nur kurz anmerkt, die Makedonen seien zu spät gekommen. Perdikkas erweist sich damit nicht nur gegenüber den Athenern als hinterhältiger, sondern auch gegenüber den Spartanern als unnützer Bündner. Roisman 2010a, 149 bewertet dies als Glücksfall angesichts des Scheiterns des Unternehmens: Deswegen hätten die Athener darüber hinweggesehen. Anscheinend taten sie das jedoch nicht und unterstützten deswegen die Invasion des Sitalkes. Hoffman 1975a, 374 bezweifelt die Entsendung an sich. Dagegen hält Sekunda 2010, 448 sie für historisch. Giuliodori 2004, 53, A. 40 argumentiert für die Historizität, verweist aber darauf, dass man durch die Verspätung gehofft habe, nicht in den offiziellen Berichten erwähnt zu werden. Abermals ist dagegen zu sagen, dass Perdikkas und seine Führungsleute nicht so naiv gewesen sein können, zu glauben, ihre Entsendung wäre den Athenern nicht bekannt geworden. 900 Vgl. Loukopoulou/Psoma 2007, 146; Zahrnt 2006a, 592; Borza 1990, 146–147; Geyer 1930, 62. 901 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 123, 127–128. 902 Thuk. 2,95,3; Diod. 12,50,4. Vgl. Psoma 2015a, 3; Zahrnt 2002, 56–57, m. A. 30; Archibald 1998, 119; Badian 1993, 180; Hammond/Griffith 1979, 127–128; Hoffmann 1975a, 375.
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Hilfe für Knemos und Sitalkes’ Expedition, für die er einige Monate der Truppensammlung benötigt haben wird, spricht für den kausalen Zusammenhang. Athen aktivierte Sitalkes demnach, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: den renitenten Perdikkas entweder einzuschüchtern oder gleich stillzulegen und gegen die chalkidischen Aufständischen vorzugehen. Letzteres war wie erwähnt eine Vereinbarung des Bündnisses zwischen Sitalkes und Athen.903 Hinsichtlich der Antwort auf die Frage, wieso er sich in Sachen Perdikkas vor den athenischen Karren spannen ließ, führen Perdikkas’ leere Versprechungen – wenn es sie überhaupt gegeben hatte – nicht weiter. Odrysische Expansions- und Beuteinteressen bieten eine handfestere Erklärung, etwa im Strymongebiet –904 und erhellen, warum es zu Problemen mit Athen während der Expedition kam.
Sitalkes’ Makedonien-Expedition Im Winter 429 marschierte Sitalkes mit einem Heer von angeblich 150.000 (Thukydides) beziehungsweise 170.000 Mann (Diodor) und athenischer Eskorte von Norden her durch ostmakedonische Gefilde ein.905 Amyntas, Spross des wohl verstorbenen Philipps, soll Sitalkes’ Heer die Passage durch die Region, in der Philipp Einfluss hatte,906 erleichtert und ihm die Unterwerfung einiger Ortschaften beschert haben,907 anscheinend beflügelt von Sitalkes’ Zusage, ihn auf den temenidischen Thron zu bringen.908 Hatte das Heer jedoch nur annähernd die geschilderte Größenordnung, wird weniger die andauernde ............................................ 903 Thuk. 2,95,2; Diod. 12,50,3. Vgl. Zahrnt 2015, 41. 904 Vgl. Geyer 1930, 61. Ähnlich: Vasilev 2011b, 27–28. 905 Thuk. 2,95,1. 98, 3. 100,3; Diod. 12,50,3. Thukydides erklärt allerdings, dass sich viele von Sitalkes unabhängige Thraker in der Hoffnung auf Beute angeschlossen hatten. Vgl. Vasilev 2011b, 26–37; Tačeva 1993; Mihailov 1977. Archibald 1998, 119 sieht die Zahl als realistisch an, wenn man davon ausginge, dass es nicht die übliche Heeresgröße sei, sondern eine besondere Stärke, die ungefähr das Zehn- bis Hundertfache der normalen Truppenstärke betragen habe. Greenwalt 2015a, 339 akzeptiert die Zahl ebenfalls, ebenso schon Ferguson 1949, 161. Borza 1990, 146 spricht nur von einem gigantischen Heer. Vasilev 2011b, 27–28 hält die Zahlen hingegen für übertrieben, konstatiert aber, es sei grundsätzlich schon ein enorm großes Heer gewesen. Zahrnt 1971, 58 spricht jedenfalls von einem großen Heer. Zur athenischen Begleitung (Gesandte und Hagnon): Thuk. 2,95,3. Vgl. Vasilev 2011b, 33; Roisman 2010a, 149–150; Zahrnt 2006a, 593. 906 Thuk. 2,95,1. 100,3. 907 Thuk. 2,100,3. Vgl. Vasilev 2011b, 26–27, 32–33; Mattingly 1996, 243. 908 Thuk. 2,95,3: ἐπὶ βασιλείᾳ τῶν Μακεδόνων ἦγε; Diod. 12,50,6: ἐπὶ τὴν βασιλείαν. Vgl. Psoma 2015a, 3; Zahrnt 2006a, 593; Zahrnt 2002, 56–57, m. A. 30; Hammond/Griffith 1979, 127–128; Hoffmann 1975a, 375.
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Geltung seines Familienzweigs eine Rolle gespielt haben909 als der Einschüchterungseffekt, den auch Diodor anspricht.910 Diodors Quelle, wohl Ephoros,911 brachte offenbar zusätzliches Material zu Thukydides’ Bericht ein. So bietet Diodor zu Amyntas die Information, die Thraker hätten ihn in die basileia eingesetzt und die Städte mit Unterhandlungen und Gesandtschaften für sich zu gewinnen versucht. Doch niemand habe sie beachtet.912 Was man sich unter einer so traurigen Erhebung vorzustellen hat, ist ungewiss. Ein temenidischer Herrscher musste der Heeresversammlung vorgeführt und von ihr akklamiert werden.913 Es konnte nicht genügen, dass ein Invasor stichprobenartig per Botschafter um Einverständnis warb. Mitunter wird davon ausgegangen, dass Amyntas nur in der ehemaligen väterlichen ἀρχή eingesetzt werden sollte.914 Doch geht diese Vermutung von der problematischen Annahme einer einstigen Reichsteilung aus.915 Was auch immer mit Amyntas versucht wurde, um ihn als Alternative zu Perdikkas vorzustellen, traf auf keine weite Akzeptanz. Perdikkas’ Herrschaft war demnach selbst in dieser prekären Situation gefestigt. Amyntas verschwand danach komplett aus den Quellen. Sitalkes drang nach Zentralmakedonien vor und soll Mygdonia, Krestonia und Anthemous verwüstet haben.916 Der Gegner ließ sich nicht fassen; die Makedonen zogen sich in ihre Festungen zurück,917 die Reiterei folgte nach einigen Scharmützeln angesichts der thrakischen Überzahl ihrem Beispiel.918 Mit dieser Taktik waren sie gut beraten: „Perdiccas refused to panic and played
............................................ 909 So vermutet von Geyer 1937b, 596. 910 Diod. 12,50,5. 911 Vgl. Pappas 2013. 912 Diod. 12,50,6. 913 Just. 7,5,10. Vgl. Hammond 1989, 60; Hampl 1934, 12; Granier 1931, 20. 914 Vgl. Archibald 1998, 118 (Sitalkes habe nicht vorgehabt, Perdikkas zu stürzen); Hatzopoulos 1996a, 175; (rekonstruiert anhand der Route, dass Sitalkes Amyntas in die ehemalige Operationsbasis seines Vaters zurückführen wollte, „possibly no longer as a governor but as an independent prince“); Badian 1995, 181. Contra: Cole 1974, 60, A. 24, 65. 915 Zur Gegenargumentation siehe Kap. IV. 916 Thuk. 2,100,4. Etwas ungenauer: Diod. 12,50,7, der indes betont, dass sie reiche Beute gemacht hätten. Vgl. Zahrnt 2015, 41; Vasilev 2011b, 32–33; Lendon 2010, 398; Zahrnt 2002, 57; Spence 2000, 258; Kallet-Marx 1993, 127; Hammond/Griffith 1979, 129; Geyer 1930, 62–63. 917 Thuk. 2,100,1. Dies steht im Widerspruch zu Thukydides’ unmittelbar anschließendem Kommentar (2,100,2), dass die Befestigungen in Perdikkas’ Reich ungenügend gewesen seien. 918 Thuk. 2,100,1–4. Vgl. Diod. 12,50,5. Borza 1990, 147 überlegt, ob es sich um die Reiter aus der Orestis gehandelt habe, die, ebenso wie Truppen von Perdikkas, nach Akarnanien geschickt worden waren. Er bezeichnet sie als Verbündete des Herrschers. Diese Allianz ist aber nicht belegt.
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a waiting game“,919 auf das Sitalkes schließlich einging und Verhandlungen mit ihm begann.920 An dieser Wendung waren die Athener nicht unschuldig: Sie hatten Sitalkes hängenlassen. Die versprochenen athenischen Hopliten und Schiffe, welche die Aktion unterstützen sollten, blieben aus. Statt militärischer Schützenhilfe bekam Sitalkes nur Gesandte und Geschenke geschickt.921 Inwieweit mit den Geschenken extra versucht werden sollte, eine aus athenischer Sicht wahrgenommene thrakische Sitte aufzugreifen, von der Thukydides berichtet,922 um den sicherlich nicht erfreuten Bündner zu besänftigen, lässt sich nicht sagen. Sitalkes kam seinen Bündnisverpflichtungen gegenüber Athen insoweit nach, dass er laut Thukydides von 30 Tagen Feldzug insgesamt 8 den abgefallenen Seebundmitgliedern widmete. Es scheint aber wenig dabei herausgekommen zu sein, zumindest aus athenischer Sicht. Von mehr als Verheerungen in Bottike und auf der Chalkidike berichtet Thukydides nicht.923 Außer Plünderungen, die seinem eigenen Heer zugute kamen, erfüllte Sitalkes demnach keinen einzigen Punkt auf der athenischen Agenda – vielleicht angesichts der fehlenden athenischen Hilfestellung für ihre eigenen Belange nicht wirklich verwunderlich. Als in Thessalien Alarmbereitschaft ausgebrochen sein soll, Sitalkes durch die winterliche Jahreszeit Versorgungsprobleme bekam, keine militärischen Erfolge erzielte und wohl auch die Plünderungsmöglichkeiten ausgeschöpft waren, blies er zum Rückzug.924 Es lagen somit ausreichende Gründe zum Abmarsch vor, doch Thukydides führt ihn dennoch maßgeblich auf Perdikkas’ listenreiche Bestechungspolitik zurück: Er habe Seuthes, Sitalkes’ Neffen, heimlich dazu gebracht, seinen On............................................ 919 Vgl. Archibald 1998, 119. 920 Thuk. 2,101,1; Diod. 12,51,2. 921 Thuk. 2,101,1. Vgl. Vasilev 2011b, 27; Roisman 2010a, 150; Lewis 1992, 401; Geyer 1937b, 595. Zu Sitalkes und Athen vgl. Lendon 2010, 326–328; Kallet-Marx 1993, 124. Zu Sitalkes’ Politik vgl. Miron 2014. Vgl. Kallet-Marx 1993, 127: Sitalkes sei auf die athenische Flotte angewiesen gewesen. Kagan 1974, 122 verweist auf die Rolle der ausgebliebenen athenischen Flotte bei der Versorgungsknappheit, da man sich von den Schiffen eigentlich die Versorgungszufuhr erhofft habe. 922 Thuk. 4,97,3–4: Im Gegensatz zum Perserreich sei es bei den Thrakern üblich, dass der Herrscher mehr an Geschenken nahm als selbst gab. Vgl. Greenwalt 2015a, 339. Ansonsten spielen die Perser bei Thukydides insgesamt eine untergeordnete Rolle, auch wenn er einige charakteristische Topoi wie den Reichtum aufgreift, vgl. Wiesehöfer 2006, 665–667. 923 Thuk. 2,101,4–5; Diod. 12,50,7. 51,2. Papastavrou 1959–60, 196–197 nimmt an, es habe gerade die Gebiete betroffen, die Perdikkas um den Bolbe-See den Chalkidiern als Siedlungsland angeboten habe. 924 Thuk. 2,101,2–6; Diod. 12, 51,1–2. Vgl. Vasilev 2011b, 37 (aber es habe Sitalkes nicht die Autorität gekostet); Tačeva 1990, 382; Kagan 1974, 120; Zahrnt 1971, 58. Sitalkes’ Invasion hatte Athen letztendlich wenig gebracht, vgl. Müller 1997, 86; Lewis 1992, 401; Meritt et al. 1950, 311.
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kel zum Rückzug zu bewegen, indem er ihm die Hand seiner Schwester Stratonike und eine hohe Mitgift versprochen habe.925 Thukydides setzt maliziös hinzu, dass Perdikkas dieses eine Mal sein Wort auch gehalten habe (ὥσπερ ὑπέσχετο).926 Angesichts seiner eigenen Aussage, dass Sitalkes noch während des Kriegszugs mit Perdikkas in Verhandlungen getreten war – bezeichnenderweise, nachdem ihm die Athener die militärische Hilfe versagt hatten –,927 wirkt die Unterstellung, Perdikkas und Seuthes hätten hinterhältig-subversiv gehandelt, wenig überzeugend. Plausibler ist die Vermutung, dass Seuthes als Repräsentant seines Onkels mit Perdikkas verhandelte.928 Seine weitere Karriere scheint durch diese ehrenvolle Aufgabe vorgezeichnet: Als Sitalkes 424 starb, folgte Seuthes nach.929 Es mochte den Athenern nicht gefallen haben, dass es nicht ihr Protégé Sadokos war, sondern Perdikkas’ Schwager – auch wenn Seuthes danach nicht mehr im Spannungsfeld temenidisch-athenischer Beziehungen auftauchte.930 In Sitalkes wird das athenische Versäumnis der Entsendung von Hopliten und Schiffen genügend Zweifel an der Verlässlichkeit des athenischen Bündnispartners geweckt haben, um sich von der Allianz zu verabschieden.931 Da ............................................ 925 Thuk. 2,101,5–6. Vgl. Carney 2017, 140; Müller 2016a, 152–153; Greenwalt 2015a, 340; Mitchell 2012, 9; Vasilev 2011b, 34; Roisman 2010, 150; Zahrnt 2001; Carney 2000, 20; Hammond/Walbank 1979, 129. Cole 1974, 65, A. 36 verweist auf die Ähnlichkeit mit der herodoteischen Episode zu Alexander, Bubares und Alexanders Schwester Gygaia (Hdt. 5,21–22; Just. 7,3,7–9). Stratonike ist, wie Vanotti 2010, 450 feststellt, eine der wenigen Frauen, die überhaupt namentlich bei Thukydides erwähnt werden. Vgl. Hornblower 1991, 377. Diod. 12,51,2 zufolge war es Sitalkes, der sich mit Perdikkas auf das Ehebündnis einigte. Zudem erwähnt er eine wechselseitige Verheiratung. Geyer 1930, 64 erwägt daher, dass auch Perdikkas in die odrysische Herrscherfamilie eingeheiratet haben könnte. 926 Thuk. 2,101,6. Vgl. Gomme 1956, 249. 927 Thuk. 2,101,1. 928 Vgl. Vasilev 2011b, 35; Archibald 1998, 119–121: Sie schließt daraus, dass er sich der Gunst seines Onkels erfreut habe und schon in der Zeit als künftiger Nachfolger avisiert worden sei. Zudem habe er sicherlich bei dem Feldzug schon einen hohen Posten bekleidet. Vgl. Geyer 1937b, 597: keine Uneinigkeit, Sitalkes sei dem Rat seines Neffen gefolgt. Roisman 2010a, 150 zweifelt ebenfalls an Thukydides’ Darstellung und gibt als weitere Möglichkeit an, dass die Heirat schon zuvor geschlossen worden sei. Contra Lendon 2010, 327, der die Geschichte inklusive der topischen Tendenzen für bare Münze nimmt. Ebenso glauben an eine „Bestechung“ des Seuthes: Greenwalt 2015a, 340; Zahrnt 2015, 41; Spence 2000, 258; Hammond/Griffith 1979, 129; Cole 1974, 65 (als Bruder von Sitalkes bezeichnet); Kagan 1974, 122. 929 Thuk. 4,101,5. Er starb auf einem Feldzug. Vgl. Zahrnt 2015, 42; Peter 1997, 78; Archibald 1998, 120. Von Sadokos ist nichts mehr zu hören. Dem. 12,9 deutet Mord bei Sitalkes’ Tod an, aber Thukydides berichtet von einem Schlachtentod gegen die Triballer. Zu Seuthes I. und seinem Interesse für Finanzen vgl. Peter 1997, 78–83; Youroukova 1989, 318. 930 Vgl. Archibald 1998, 120–121. Sie vermutet, dass er eine andere politische Richtung eingeschlagen habe als Sitalkes. Siehe auch Mitchell 1997, 139–140; Peter 1997, 78. 931 Carney 2000, 20–21 wirft anhand der Heiratsverbindung allgemeine Fragen zur temenidischen Heiratspolitik auf: „Does the ‚alliance‘ empower the giver or the receiver of the bride?“. Zudem überlegt sie, inwiefern Initiativen vonseiten der Temenidinnen eine Rolle gespielt hätten, wofür es im Hellenismus Beispiele gibt, und ob es Unterschiede zwischen Strategien der Verheiratung
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die Verfolgung eigener Interessen offenbar mit den Athenern als Verbündeten nicht ging, die ihn nur vor ihren Karren spannen wollten, war die Aufgabe des Bündnisses folgerichtig. Die Schlüsselfrage ist, wieso die athenische Schützenhilfe überhaupt ausblieb. Laut Thukydides hatten die Athener nicht geglaubt, dass Sitalkes kommen würde.932 Dies scheint erneut eine um wesentliche Hintergründe reduzierte Information zu sein.933 Jenseits des Topos des unzuverlässigen „Barbaren“ stellt sich die Frage, seit wann die Athener schon auf Sitalkes gewartet hatten, was sie dazu veranlasst hatte, nicht mehr an sein Erscheinen glaubten, und wann die athenischen Hilfstruppen offiziell gestrichen worden waren. Teilweise wird vermutet, dass Athen bei der Belagerung von Spartolos im selben Jahr auf ihn gehofft hatte,934 wofür es jedoch keine Evidenz gibt,935 oder, dass man schon 431 mit ihm gerechnet hatte.936 Als weiterer Stein des Anstoßes gilt Sitalkes’ suboptimales Zeitmanagement: Der Aufmarsch ausgerechnet im Winter habe für Misstrauen und Zweifel am nötigen Engagement gesorgt.937 Allerdings könnte dies ungerechtfertigt sein. Wenn seine Expedition unter anderem der Strafzug für Perdikkas’ pro-spartanische Sendung im Sommer war, hätte dazwischen nicht viel Zeit gelegen. Die wenigen Monate wären ein angemessener Zeitraum gewesen, um ein Heer zu sammeln, das auch nur annähernd die beschriebene Größe hatte. Da es nicht als die reguläre odrysische Streitkraft zu sehen ist, musste Sitalkes es erst aus den ihm unterstehenden Gebieten zusammenziehen.938 Entsprechend berichtet Thukydides, ........................................................................................................................................................................... von männlichen und weiblichen Temeniden gegeben habe. Sie vermutet, Töchter seien überwiegend an Makedonen verheiratet worden, Söhne extern. Im Fall der Hochzeit zwischen Stratonike und Seuthes lief es offenbar zum Zeitpunkt der Verhandlungen auf eine win-win-situation hinaus: Seuthes bewährte sich als herrscherlicher Stellvertreter; Sitalkes, von Athen düpiert, näherte sich einem anderen von Athen Enttäuschten an; Perdikkas neutralisierte die akute odrysische Bedrohung. 932 Thuk. 2,101,2. 933 Vgl. Kagan 1974, 120. 934 Vgl. Kagan 1974, 107, 120. Er bezichtigt auch Perdikkas, den Athenern vor Spartolos nicht geholfen zu haben. Von einem solchen Hilfegesuch berichtet Thukydides jedoch nicht. Siehe Gomme 1956, 248 zur Möglichkeit, dass gar nicht danach gefragt wurde. Auch Zahrnt 1971, 58 setzt die Spartalos-Episode nicht mit einer unterlassenen makedonischen Hilfeleistung in Bezug. Kagan 1974, 120 argumentiert zudem, die Athener hätten zu jener Zeit versucht, ihre Truppen zum Schutz Attikas zu sammeln und keine großen Aufgebote nach Norden zu entsenden, auch wegen der Seuche. Cole 1974, 66 betont dagegen, dass die Auswirkungen der Seuche kein Argument seien. 935 Thuk. 2,79 erwähnt kein solches athenisches Hilfegesuch. 936 Vgl. Zahrnt 2006a, 600. 937 Thuk. 2,101,5. Vgl. Gomme 1956, 248. Archibald 1998, 119 hegt wiederum Misstrauen gegenüber Thukydides’ Zeitangabe: Im Winter hätte demnach Sitalkes überhaupt nicht mit athenischer Verstärkung rechnen können. 938 Auch Archibald 1998, 119 geht davon aus, dass dies mehrere Monate gedauert hätte.
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Sitalkes habe sich dann auf den Weg gemacht, als aus seiner Sicht alles vorbereitet war.939 Der Zeitfaktor ist demnach keine schlüssige Erklärung für das athenische Wendemanöver. Kallet-Marx vermutet „the lack of strong leadership in Athens in the absence of Perikles’ direction“ hinter dem Versäumnis, das die Athener die Sicherung der nördlichen Ägäis und thrakischen Gebiete gegen Revolten und Eingriffe von der Peloponnes gekostet habe.940 Carey denkt mehr an moralische Bedenken, die den Athenern gekommen seien: Es hätte ihrem Ansehen geschadet, wenn sie „barbarische“ Truppen gegen andere Griechen geführt hätten.941 Geyer erwägt sogar – recht unglaubhafte – Anwandlungen von Rücksicht gegenüber Perdikkas.942 Es scheint aber etwas anderes dahinterzustecken als ziel- und planlose Uneinigkeit oder Moralisierungstendenzen: Der athenischen Führungsspitze werden Bedenken gekommen sein, dass sie kontraproduktiv handelte und sich mit der Förderung von Sitalkes einen neuen, noch schlimmeren Störfaktor als Perdikkas im Norden aufbaute.943 Wenn es Sitalkes gelang, Perdikkas zu stürzen und das Temenidenreich unter Führung eines willfährig-abhängigen Amyntas an das Odrysenreich zu binden, war dies eine stärkere Konkurrenz im Strymongebiet und ein größerer Hemmschuh als es das bedrängte Temenidenreich gewesen war.944 Zumal es im Nachhinein nicht mehr wie ein guter Gedanke erschienen sein mag, Sitalkes mit einem großen Heer im eigenen Interessensgebiet operieren zu lassen und zu riskieren, dass er sich dort festsetzte. Einen solchen Preis konnten die Athener nicht zahlen. Diese Überlegungen werden dazu geführt haben, dass sie die Reißleine zogen. Dennoch zeigen die Entsendung von Gesandten und Geschenken, dass man Sitalkes nicht ganz als Verbündeten verlieren wollte. Allerdings muss klar gewesen sein, dass dies recht optimistisch gedacht war – Athens Haltung war zu deutlich geworden, um sie mit Grüßen und Gaben bemänteln zu können. ............................................ 939 Thuk. 2,98,1. 940 Kallet-Marx 1993, 125. 941 Vgl. Carey 1993, 259. Contra: Schuller 1974, 25. 942 Vgl. Geyer 1937b, 596. 943 Vgl. Sears 2015, 311; Vasilev 2011b, 16; Archibald 1998, 119; Lewis 1992, 401; Borza 1990, 147; Ferguson 1949, 161. Kagan 1974, 120–121 argumentiert gegen die These, gerade der große Aufmarsch an thrakischen Truppen habe den Denkanstoß bei den Athenern bewirkt (so Hammond 1989, 73): Sie hätten sich zuvor über die Militärstärke des Bündnispartners informiert. Dies würde implizieren, dass die Athener die odrysische Truppenstärke als ausreichend empfunden hätten, um nicht selbst noch Einsatz senden zu müssen. 944 Zudem mag Diod. 12,50,3 Befürchtungen Athens hinsichtlich der Chalkidike reflektieren, vgl. Archibald 1998, 119.
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Es mag auch einen Hinweis darauf geben, dass die Athener Sitalkes’ Ambitionen von Anfang an mit Misstrauen beäugt und eine Entsendung von Hilfstruppen ohnehin anheimgestellt hatten: Sitalkes wurde von Hagnon begleitet, dem oikistes von Amphipolis.945 Thukydides bezeichnet ihn als hegemon, der gegen die Chalkidier mitgeschickt wurde,946 demnach mit den eigentlich versprochenen athenischen Einheiten betraut, die nicht kamen.947 Die These, dass Hagnon die Invasion nach Makedonien leitete,948 ist abzulehnen. Sitalkes, als Herrscher der oberste Feldherr, wird seine eigenen Truppen selbst angeführt haben.949 Hagnon wird aufgrund seiner vorangegangenen Operationen im thrakischen Gebiet als „Experte“ für Thrakien gegolten haben,950 der in geographischer, topographischer, strategischer wie bündnis- und militärpolitischer Hinsicht den Durchblick, die nötigen Verbindungen und das Standing hatte, um auf mögliche Konflikte mit Sitalkes reagieren zu können. Hagnon war sicherlich als Kontrollfaktor und „Feuerwehrmann“ eingesetzt, vielleicht gerade in Hinsicht auf Sitalkes’ mögliche Ambitionen im Strymongebiet.951 Als der athenische Verdacht erhärtet wurde,952 übten sich die Athener in vornehmer Zurückhaltung hinsichtlich der militärischen Unterstützung. Sitalkes zuzuschreiben, er habe seine Versprechungen gegenüber den Athenern nicht gehalten und ihnen als Bündnispartner wenig gebracht,953 bedeutet, mit zweierlei Maß zu messen. Er mag bezüglich der Athener die gleichen Beschwerden gehabt haben.954
............................................ 945 Thuk. 2,29,3. Vgl. Müller 1997, 152. 946 Thuk. 2,95,3. Vgl. Mari 2012, 342, A. 55; Develin 1989, 121 (Nr. 1333): „It is a fair conclusion that he was a general“.Vgl. Sears 2013, 78–79; Archibald 1998, 119. 947 Vgl. Zahrnt 2006a, 593; Cole 1974, 65. So wohl auch von Pesely 1989, 204. Hoffmann 1975a, 375 sieht ihn als Berater des Sitalkes. 948 Vgl. Sears 2013, 79. Ihm zufolge habe Hagnon den Athenern damit die potentielle Nützlichkeit von Thrakern als Söldnern und Verbündeten aufgezeigt. Allerdings wird dies angesichts der griechischen Berichte über die Resultate des Zugs kaum gelungen sein, denn das Riesenheer erreichte demnach nichts Entscheidendes. Zur Frage, ob dies die Realität widerspiegelte, siehe Archibald 1998, 119–120. 949 Vgl. Archibald 1998, 119; Hammond/Griffith 1979, 127. 950 Sears 2013, 74 reiht Hagnon unter die „Thrace-Experts“, neben Dieitrephes und Thukydides. Siehe auch Kagan 1974, 121. 951 Pace Borza 1990, 145; Cole 1974, 65, mit der These, Hagnon sei als Vermittler zwischen Athen und Sitalkes an dessen Hof gewesen. Archibald 1998, 119 erklärt, Sitalkes habe Hagnon ausmanövriert. Allerdings ist nicht ganz klar, inwiefern. 952 Vgl. Vasilev 2011b, 27; Archibald 1998, 119; Hoffman 1975a, 375 (wenn auch übertrieben als Vendetta beschrieben). 953 So Müller 1997, 86. 954 Vgl. Cole 1974, 65. Zu seiner Situation siehe Archibald 1998, 118–119.
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Auffällig bleibt die Diskrepanz zwischen den geschilderten Heeresmassen und ihrer mangelnden Effektivität. Sitalkes marschierte demnach kraftstrotzend ein, konnte aber mit den über 100.000 Mann nichts wirklich ausrichten.955 Archibald glaubt, es sei zwar einerseits eine auf Show berechnete Einschüchterungsmethode gewesen, andererseits aber bezüglich des chalkidischen Zugs nicht so erfolglos wie dargestellt: Am unteren Strymon habe Sitalkes seinen direkten Einfluss ausdehnen können.956 Wie groß auch immer die Diskrepanz zwischen Ereignis und Narrative sein mag – sie bot Stoff für die attische Komödie.957 Aristophanes spöttelte in den 425 uraufgeführten Acharnern über die athenisch-odrysische Freundschaft: Er ließ Theoros, einen spesengierigen Gesandten, vollmundig berichten, wie er an Sitalkes’ Hof den Herrscher und dessen Sohn, den athenischen Neubürger Sadokos, als glühende Anhänger Athens erlebt habe: τοῦτον μετὰ Σιτάλκους ἔπινον τὸν χρόνον καὶ δῆτα φιλαθήναιος ἦν ὑπερφυῶς, ὑμῶν τ᾽ ἐραστὴς ἦν ἀληθὴς ὥστε καὶ ἐν τοῖσι τοίχοις ἔγραφ᾽, Ἀθηναῖοι καλοί‘. ὁ δ᾽ υἱός, ὃν Ἀθηναῖον ἐπεποιήμεθα, ἤρα φαγεῖν ἀλλᾶντας ἐξ Ἀπατουρίων, καὶ τὸν πατέρ᾽ ἠντεβόλει βοηθεῖν τῇ πάτρᾳ ὁ δ᾽ ὤμοσε σπένδων βοηθήσειν ἔχων στρατιὰν τοσαύτην ὥστ᾽ Ἀθηναίους ἐρεῖν, ὅσον τὸ χρῆμα παρνόπων προσέρχεται. Was war zu tun? Wir tranken mit Sitalkes, Und in der Tat, er ist ein Freund Athens, Wie keiner mehr, er ist geradezu Verliebt in euch und schreibt an alle Wände: ‚Die edlen Athener.‘ – Und sein Sohn, Dem wir das Bügerrecht geschenkt haben, er brennt, Mit euch am Schelmenfest eine Wurst zu essen, Und liegt dem Vater stündlich in den Ohren, ............................................ 955 Thuk. 2,101,6. Vgl. Zahrnt 2006a, 593, 600. 956 Vgl. Archibald 1998, 119–120. 957 Aristoph. Ach. 149–174. Vgl. Carey 1993, 259 mit dem Verweis auf den Spott über die Kluft zwischen thrakischer Truppenstärke und Truppenleistung: Aristophanes „has a good idea of what Sitalkes was worth in military terms“. Ebenso schon Gomme 1956, 248–249.
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Ein Heer zu senden, dass das Volk Athens Ausrufen soll: ‚Heuschrecken, welch ein Schwarm!‘958
Glaubwürdig an dieser Behauptung fand ein athenischer Zuschauer, sozialisiert mit „Barbaren“-Topik, wohl nur, dass am Hof eines thrakischen Herrschers ordentlich getrunken wurde. Vielleicht wirkten Sitalkes’ Athen-selige Graffiti auch deswegen so komisch, weil es die Tradition gab, nach der die Thraker alle illiterat gewesen seien.959 Insgesamt verspottet Aristophanes in den Acharnern die Gutgläubigkeit der Athener gegenüber den Versprechungen ihrer mit Spesen gut versorgten Gesandten, vor denen auch Dikaipolis als Korrektiv warnt.960 Tatsächlich entlarven sich die Thraker, die Theoros als Beweis mitgebracht hat, nur in dem Sinne als heuschreckenähnlich, als dass sie Dikaiopolis’ Knoblauch stehlen.961 Aristophanes spiegelt in Überzeichnung mit dieser komischen Szene wider, was man sich in Athen von Sitalkes erhofft und was man de facto bekommen hatte: Der Wunsch war ergebene Loyalität gewesen, versinnbildlicht in Theoros’ Behauptung über Sitalkes’ Lobesgraffiti auf die Athener.962 Bekommen hatte man aber leere Versprechungen von windigen athenischen Gesandten, die sich damit selbst hatten bereichern wollen.963 ............................................ 958 Aristoph. Ach. 141–150. Übers. O. Weinreich. Vgl. Archibald 1998, 96–97, 120. Müller 1997, 86 nimmt an, dass Aristophanes hier auf tatsächliche athenische Hoffnungen bezüglich des Bündnisses mit Sitalkes angespielt habe. Linforth 1931, 10 sieht gleichfalls darin den Beleg, wie massiv politische Kreise in Athen dieses Bündnis forciert hatten. Brock 2006, 94 nimmt an, der Spott habe sich vor allem über den athenischen Neubürger Sadokos ergossen. Vgl. Brock 2009, 158. 959 Vgl. Linforth 1931, 8. Vgl. Ael. VH 8,9 mit Bezug auf Androtion, der zwar Ende des 4. Jhs. v. Chr. behauptete, Orpheus könne als Thraker und somit Analphabet keine Gedichte verfasst haben, sich dabei wohl aber auf ältere Vorstellungen von thrakischer Unkultiviertheit bezog. Badian 1993, 242, A. 18 zufolge stieß die Annäherung an die Odrysen bei vielen Athenern auf Unverständnis, weshalb sie dankbares Komödienthema geworden sei. 960 Bowie 1982, 31: Sie seien zu leichtgläubig gegenüber xenikoi logoi, Schmeichelei und den Gesandten. Einen Vergleichsfall zu Theoros bieten die zwei Spesenbetrüger unter den athenischen Gesandten, die mit großer Show Pseudartabas, einen angeblichen Perser mit zweifelhaften Altpersisch-Kenntnissen und als Eunuchen verkleideten griechischen Komparsen, als Zeugen für vermeintliche großkönigliche Goldsendungen an Athen ausgeben (Aristoph. Ach. 99–106). Vgl. Brockmann 2003, 47, 83, 85. Dikaiopolis lässt sie auffliegen (Aristoph. Ach. 109–122). Vgl. Brockmann 2003, 96. Es sind Zweifel angebracht, dass sie jemals bis zum Achaimenidenhof gekommen waren. Die zweifelhaften persischen Worte lauten: ἰαρταμὰν ἐξάρξαν ἀπισσόνα σάτρα (Ach. 100), die zweite Verkündigung in gebrochenem Griechisch macht unmissverständlich klar, dass es kein Gold vom Perserkönig gibt (Ach. 104: οὐ λῆψι χρῦσο χαυνόπρωκτ᾽ Ἰαοναῦ). Vgl. Bridges 2015, 37; Delante Bravo 2009, 51–55; Olson (ed.) 2002, 105; Kloss 2001, 37; Sommerstein 1980, 162; Friedrich 1921, 94–97, 101. Zum Namen Pseudartabas vgl. Olson (ed.) 2002, 101. 961 Aristoph. Ach. 151–174. 962 Aristoph. Ach. 144–145. 963 Linforth 1931, 10 bezieht es indes primär auf enttäuschte Hoffnungen bezüglich des Bündnisses mit Sitalkes: „So by introducing a troop of rowdy Odomanti Aristophanes not only produces a comic situation but also shows what he thought Thracian cooperation meant.“ Dies wird zusätzlich dahinterstecken. Vgl. Archibald 1998, 120.
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Sitalkes’ und Sadokos’ Haltung zu Athen bleibt im Dunkeln, da Theoros offenbar gar nicht am odrysischen Hof gewesen war,964 scheint aber, um einen komischen Effekt zu gewährleisten, als gegenteilig zu der geschilderten Treue für Athen eingestuft worden zu sein.965
Perdikkas und Methone Perdikkas hatte Therme zurückerhalten und kämpfte zudem darum, die pierische Küstenstadt Methone wieder unter Kontrolle zu bekommen. Methone war ein Einfallstor nach Zentralmakedonien, ins Herz seines Reichs mit seiner Residenz, damit für die Athener nicht nur als „outlet for the nearby timberresource“966 interessant, sondern auch als potentielle Schleuse für subversive Kräfte, um Unfrieden zu stiften und Makedonien zu schwächen.967 Genau dies taten sie 416/5.968 Noch Philipp II. musste sich zu Beginn seiner Herrschaft mit einem Thronprätendenten auseinandersetzen, der über die Station Methone athenische Hilfe bekam.969 354 machte Philipp dieses Einfallstor dicht, was ihn ein Auge kostete.970 Die sogenannten Methone-Dekrete, vier fragmentarische athenische Beschlüsse auf einer Marmorstele, die im athenischen Dionysos-Theater gefunden wurde, erlauben Einblicke in das makedonische Ringen um Methone. Der jüngste Text stammt von 424/3, dem Jahr, in dem die Zusammenstellung beschlossen wurde. Davor sind in chronologischer Reihenfolge die älteren drei Dekrete gesetzt, die entweder von 430/29 oder 426 sowie von 424/3 datieren.971 ............................................ 964 Vgl. Brockmann 2003, 93–96: Theoros schildert das Wetter in Thrakien (Frost und Schnee), das dem im betreffenden Zeitraum in Athen geglichen habe, entlarve sich damit selbst, dass er gar nicht an Sitalkes’ Hof gewesen sei, aber dennoch die Spesen kassiert habe. 965 Vgl. Edmonds 1957, 305, A. 1: Hintergrund sei gewesen, dass die Bündnisse mit beiden Herrschern Athen wenig gebracht hätten. 966 Borza 1990, 149. Vgl. Roisman 2011, 355. 967 Vgl. Roisman 2011, 355; Borza 1990, 149; Wirth 1985, 44; Cole 1974, 66; Meritt 1944, 216; Hammond/Griffith 1979, 125. 968 Thuk. 6,7,3. Vgl. West 2013; Cole 1974, 70; Geyer 1937b, 602. 969 Diod. 16,3,5–6. Methone war 364/3 vom Athener Timotheos erobert worden, aber wohl kein Mitglied des zweiten attischen Seebunds geworden, vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 804; Dreher 1995, 26. 970 Diod. 16,34,5; Isok. Ep. 2,1–12; Dem. 4,4; 18,67; Gell. 2,27; Sen. Contr. 10,5,6; Demetr. eloc. 293; Strab. 8,6,15; Plin. NH 7,124; Plut. Alex. 3,2; Plut. mor. 307 D; Plut. Sert. 1,4; Athen. 6,248 F; Suda s.v. Karanos (κ 356 Adler); Just. 7,6,14; Luk. Hist. Conscr. 38; Theopompos, BNJ 115 F 52. 971 IG I3 61 (= ML 65; Syll.3 75). Übers. HGIÜ 104. Vgl. Müller 2016a, 158–159; Roisman 2011, 355–356; Roisman 2010a, 148–149; Millett 2010, 485; Bissa 2009, 204; Aich 2006, 155–157; Mattingly 1996, 69–85; Borza 1990, 148–150; De Ste. Croix 1972, 42; Mattingly 1961; Meritt et al.
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Ein Hauptthema sind die ausstehenden Tributzahlungen Methones an den Seebund, für die Zahlungsaufschub gewährt wurde. Die Geldknappheit steht im kausalen Zusammenhang mit Perdikkas’ Politik, über die sich Abgesandte Methones in Athen beklagten. Die Athener beschlossen den diplomatischen Protest.972 Gesandte sollten zu Perdikkas geschickt werden und … εἰπε͂ν δὲ Περδίκκαι ℎότι δοκε[ῖ δίκα] [ιο]ν ἐ͂ναι ἐᾶν Μεθοναίος τε͂ι θαλάττει χρε͂σθα[ι μεδὲ] [ἐχσ]ε͂ναι ℎορίσασθαι, καὶ ἐᾶν εἰσεμπορεύεσθ[αι καθ] [άπε]ρ τέος ἐ[ς] τὲ̣ν χόραν καὶ μέτε ἀδικε͂ν μ[έ]τε [ἀ]δ[ικε͂σ] [θαι] μεδὲ στρα[τ]ιὰν διὰ τε͂ς χόρας τε͂ς Μεθ[ο]ναίον [διά] [γεν ἀ]κόντομ [Με]θοναίον … Perdikkas erklären, dass man es [für rechtens] hält, die Methonaier die Seewege benützen zu lassen, [dass man sie nicht] behelligen [dür]fe und dass (Perdikkas) sie Handel treib[en] lassen solle ins Landesinnere [wie] bisher, (den Methonaiern) nicht Unrecht tun noch [Unrecht erleiden] solle und durch das Gebiet der Meth[o]naier kein Heer [führen solle ohne] Einverständnis der Methonaier.973
Offenbar war es die makedonische Strategie, die Wirtschaftskraft Methones durch eine Störung der Handelsgeschäfte zu schwächen und zusätzlich eine Einschüchterungspolitik mit gezielten Truppenaufmärschen zu betreiben.974 Als Crux erweist sich die Information, dass es Perdikkas gelungen sein sollte, Methones Seehandel zu sabotieren – ohne eine eigene Kriegsflotte.975 Der Aufbau einer temenidischen Flotte wird mehrheitlich erst unter Philipp II. datiert, der auch die makedonische Küste von athenischem Einfluss freiräumte.976 ........................................................................................................................................................................... 1950, 133–137; Meritt 1944, 216; Geyer 1930, 64–65. Der Sekretär Phainippos (Thuk. 4,118,11) ist für das Jahr des letzten Dekrets von 424/3 genannt. Zur Authentizität des Texts und auch der früheren Dekrete vgl. Sickinger 1999, 76–77. Die Stele wurde von einem Relief verziert, das eine auf einem Felsen sitzende Athena und eine Artemis zeigte, die sich die Hand reichten. Zur Diskussion um die Datierung des ersten Dekrets siehe Mattingly 1961, 154–161. Sie rangiert von 430, 430/29, 428/7 bis 426. 972 Vgl. Aich 2006, 155–157; Mosley 1973, 21, 35; Mattingly 1961, 164. 973 IG I3 61, Z. 18–23 (= ML 65; Syll.3 75; Übers. n. HGIÜ 104). Vgl. Aich 2006, 156; Mosley 1973, 35. Borza 1990, 149 vermutet, dass es beim Export vor allem um Holz gegangen sei. 974 Vgl. Mattingly 1996, 70; Geyer 1937b, 597–598. Millett 2010, 485 nimmt an, es sei um Holzhandel gegangen. 975 Roisman 2010a, 149. Zur fehlenden Flotte von Perdikkas siehe Hauben 1975, 52–53, A. 7, der auch überzeugend gegen die nicht zu belegende These von Papastavrou 1959–60, 213–215, m. A. 2 (vgl. Papastavrou 1965, 18) argumentiert, schon Perdikkas II. habe eine Kriegsflotte gehabt. Geyer 1937b, 597 spricht nur generell vom Stopp der Lebensmittelzufuhr. 976 Vgl. Greenwalt 1999, 173; Hammond 1989; Hauben 1976, 79; Hauben 1975, 52.
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Zuvor werden die Temeniden einige (Handels-)Schiffe zur Verfügung gehabt haben, aber es ist dennoch fraglich, ob dies für eine solche Aktion genügte und nicht andere Hilfe von befreundeten Flotteninhabern hinzukommen musste. Roisman erwägt daher, dass Perdikkas „Piraten“ – was auch immer unter diesem vielschichtigen Label zu verstehen ist – engagiert haben könnte.977 Die Datierung des ersten Dekrets hängt unter anderem an dem Passus, dass die Gesandten Perdikkas ausrichten sollten, die Athener würden ein wohlwollendes Urteil über ihn fällen, wenn die Soldaten bei Poteidaia ihn lobten (ε[ἰ]πὲ̣ν δὲ [Π]ερδίκκαι ℎότι ἐὰν ℎοι στρατι[ο͂ται] [ℎοι] ἐμ Ποτειδ[ά]αι ἐπαινο͂σι γνόμας ἀγαθὰς ℎέ[χσοσι] [περὶ] αὐτο͂ Ἀθε[ν]αῖοι).978 Allerdings gibt es zwei Deutungen dieses Winks mit dem Zaunpfahl: Entweder wird darin die Phase vor Belagerungsende (430/29) gesehen979 oder, gemäß Mattinglys Rekonstruktion, das Jahr 426: Die Soldaten hätten demnach zu einer Garnison gehört, die Athen nach dem Fall Poteidaias zugleich mit den Siedlern dort installiert hätte.980 Perdikkas’ Sabotage-Aktionen brachten Methone zwar offenkundig in finanzielle Schwierigkeiten, doch nicht unter seine Kontrolle zurück. Im Gegenteil, die Methode, Druck auszuüben, erwies sich – ebenso wie bei Athen gegenüber Poteidaia – als kontraproduktiv und verstärkte eher Methones Bindung an Athen. Da Methones Kassen sich nicht füllten und der Polis zusätzlich das Getreide ausging, hatte Athen die Gelegenheit, sich mit Zuckerbrot statt Peitsche als Schutzmacht zu profilieren: Die Athener erlaubten Methone, sich jährlich ein gewisses Quantum ihres eigenen Getreides aus dem Schwarzmeergebiet zu besorgen.981 Dafür erhielten die athenischen Aufsichtsbeamten in Byzantion, die hellespontophylakes, eine entsprechende Weisung.982 Mit einem vergleichbaren Getreide-Privileg wurde auch die Loyalität der nahe gelegenen ............................................ 977 Vgl. Roisman 2010a, 149. Zur Piraterie im Peloponnesischen Krieg vgl. de Souza 1999, 31–34, leider ohne eine Erörterung dieser Evidenz. 978 IG I3 61, Z. 27–29. 979 Vgl. Müller 1997, 152 zum Ende der Belagerung. Planeaux 1999, 73–76 zufolge blieben Sokrates und Alkibiades von 432 bis 429 in Thrakien und waren auch dort dabei. Darauf beziehe sich Plat. Charm. 153A. 980 Vgl. Mattingly 1961, 154–161. Er argumentiert unter anderem damit, dass es nicht glaubhaft sei, dass Perdikkas die Handelsblockade gegen Methone von 430/29 bis 426 trotz der athenischen Intervention durchgezogen habe, da 426 Athen abermals auf die Klagen Methones hin reagieren musste. Seine These wird akzeptiert von Hammond/Griffith 1979, 125: Perdikkas sei zu der Zeit nicht mit Athen im Krieg, sondern in einem „uneasy peace“ gewesen. 981 IG I3 61, Z. 35. Vgl. Aich 2006, 156; Mattingly 1996, 84. Daher sieht auch Schuller 1974, 75 weniger den Handel als die Versorgungssicherheit als Ziel der Methone-Dekrete. Michell 1940, 268 vermutet, dass Methone Getreide üblicherweise aus Makedonien bezogen hätte, eine Quelle, die Perdikkas blockiert habe. Dagegen wendet sich Bissa 2009, 204, die zudem annimmt, es habe sich um eine Dauerregelung mit dem Getreide aus Byzantion gehandelt. 982 IG I3 61, Z. 36–39.
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chalkidischen Stadt Aphytis, eine euboische Gründung am Isthmos von Pallene, erfolgreich bestärkt.983 Methone blieb somit ein gravierender Schwachpunkt an der pierischen Küste, was auch die offensichtliche Hartnäckigkeit erklärt, mit der Perdikkas versuchte, sie den Athenern abspenstig zu machen. Die athenische Instrumentalisierung des Hafens zu temenidischen Ungunsten sollte ihm Recht geben.
Perdikkas und die Übereinkunft mit Sparta Im Kontext des Peloponnesischen Kriegs griffen die Spartaner in den thrakisch-chalkidischen Raum ein, um den Einfluss des Seebunds unterminieren und sich den Bündnern als Alternative anzubieten.984 Offene Arme im Operationsgebiet gab es genug. Thukydides deutet mit dem Finger indes neben den chalkidischen Aufständischen wieder auf Perdikkas, als er ihn für das Jahr 424 erwähnt, in dem der spartanische Feldherr Brasidas mit seinen Truppen in der Chalkidike eintraf: ἐκ γὰρ τῆς Πελοποννήσου, ὡς τὰ τῶν Ἀθηναίων ηὐτύχει, δείσαντες οἵ τε ἐπὶ Θρᾴκης ἀφεστῶτες Ἀθηναίων καὶ Περδίκκας ἐξήγαγον τὸν στρατόν (…) Περδίκκας δὲ πολέμιος μὲν οὐκ ὢν ἐκ τοῦ φανεροῦ, φοβούμενος δὲ καὶ αὐτὸς τὰ παλαιὰ διάφορα τῶν Ἀθηναίων καὶ μάλιστα βουλόμενος Ἀρραβαῖον τὸν Λυγκηστῶν βασιλέα παραστήσασθαι. Aus der Peloponnes hatten nämlich die von Athen abgefallenen Thraker und Perdikkas das Heer geholt aus Furcht davor, dass Athens Kriegsglück zu groß sei (…) Perdikkas war zwar noch kein offener Feind, fürchtete aber doch die al-
............................................ 983 HGIÜ 106. Vgl. Mattingly 1961, 161. Er nimmt an, dass Aphytis dafür auch den gleichen Preis zahlte wie Methone. Vgl. Hornblower 1991, 106–107; Schuller 1974, 75; Meritt et al. 1950, 126– 127; Meritt 1944, 220–221 (in Aphytis habe man von den Konzessionen gegenüber Methone gehört und um die gleichen ersucht). Es zahlte sich anscheinend aus, denn von einer Revolte von Aphytis ist nichts zu erfahren, vgl. Alexander 1963, 78. 984 Thuk. 4,80,1. Vgl. Geske 2005, 128; Kallet-Marx 1993, 172: Brasidas’ Strategie, phoros mit douleia und Spartas Hilfe beim Abfall mit eleutheria gleichzusetzen, sei besonders effektiv gewesen. Zur spartanischen Strategie vgl. Kelly 1982. Zu Sparta als Seemacht im Peloponnesischen Krieg vgl. Dreher 2016, 195–199 (die Flotte sei da gewesen, aber wenig in Erscheinung getreten und wenig erfolgreich gewesen).
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ten Streitpunkte bei den Athenern und wollte sich vor allem Arrabaios, den Lynkestenherrscher, unterwerfen.985
Nach Perdikkas’ diplomatischem Kontakt mit Sparta im Vorfeld der Revolte von Poteidaia und der Militärhilfe für den spartanischen Akarnanien-Zug 429 erfolgte nun die intensivste Kooperation mit Sparta. Thukydides erwähnt, dass im Vorfeld eine makedonische Gesandtschaft in Sparta mit dem Versprechen gepunktet habe, Perdikkas werde viele Orte in der Nachbarschaft seines Reichs zu spartanischen Verbündeten machen (ὡς πολλὰ αὐτοῖς τῶν περὶ αὑτὸν χωρίων ξύμμαχα ποιήσοι).986 Die Bündnisvereinbarungen zwischen Sparta und dem Temenidenreich nennt Thukydides nicht explizit. Sie lassen sich jedoch über seinen Bericht zu den folgenden Ereignissen erschließen. Demnach hatte sich Perdikkas zu drei Punkten verpflichtet: Erstens würde er den spartanischen Truppen mittels seiner thessalischen Verbindungen eine problemlose Passage durch Thessalien ermöglichen.987 Dies ist eine für Perdikkas’ politische Netzwerke wichtige Information.988 Thukydides betont, wie schwer es war, mit einem Heer durch Thessaliens leicht zu blockierende Marschwege zu kommen.989 Der problematische Teil begann für Brasidas wohl nach der spartanischen Gründung Herakleia Trachinia, als er ein in seinen politischen Haltungen zu Sparta heterogenes Gebiet vor sich hatte, das er entsprechend schnell, wie Thukydides betont, durchquerte.990 Morgan und Archibald sprechen von ............................................ 985 Thuk. 4,79,1–2. Vgl. Kallet-Marx 1993, 170–171; De Ste. Croix 1972, 153. Zu den spartanischen Hintergedanken vgl. Kelly 1982, 52: den Feind schädigen und Heloten (Diod. 12,67,3–4. 76,1) wegschicken. Vgl. Welwei 2006, 530. In welcher offiziellen Funktion Brasidas agierte, ist nicht gewiss. Schol. Arist. Pax. 640 nennt ihn strategos. Prandi 2004, 99 zufolge war dies zwar eine athenische Bezeichnung, beschrieb aber seine Funktion gut. Zu Brasidas’ Laufbahn vgl. Cartledge 2003, 185–197. 986 Thuk. 4,83,4: 987 Thuk. 4,78,2–79,1. 988 In der Forschung wird seine Rolle jedoch mitunter komplett ausgeblendet. Vgl. Cartledge 2003, 188: Er verweist nur auf die besonderen thessalischen Freunde des Brasidas, die ihm die Passage ermöglicht hätten. Hawthorn 2014, 127 blendet Perdikkas ebenso aus und begründet die Passage-Erlaubnis für Brasidas damit, dass er Spartaner gewesen sei. Dies ist aber eine problematische Erklärung. Thessalien war kein politisch homogenes Gebilde, in dem die Führungsschichten einhellig auf Spartas Seite standen – oder auf der von Athen, wofür laut Thukydides auch eine erhebliche Tendenz bestand: Thuk. 4,78,2: Von alters her hätte diese Neigung zu Athen bestanden. Vgl. Niebergall 2004, 14; Sordi 1958, 121. Dies relativiert indes Aston 2012b, 262–263. 989 Thuk. 4,78,2. Akzeptiert als authentische Schilderung der Lage von Aston 2012b, 262, A. 50. Zur Route und den jeweiligen Einflusszonen von Perdikkas und Brasidas ausführlich: Sordi 1958, 120–131. Brasidas bekam später Probleme, als die Thessaler seiner Nachhut auf Perdikkas’ Wink hin den Weg blockierten: 989 Thuk. 4,132,2–3. Die Bedeutung wird zu Recht unterstrichen von De Ste. Croix 1972, 153. 990 Vgl. Prandi 2004, 100; Lewis 1992, 426; Sordi 1958, 126. Siehe auch Westlake 1935, 38–39. Zur möglichen Route vgl. Borza 1990, 150, 290.
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einem „peer system“ in Thessaliens Städten, in denen die führenden Familien städteübergreifend und -intern miteinander konkurrierten.991 Gemäß Morrison handelte es sich nur um führende Personen in Pharsalos, zu denen Brasidas Beziehungen hatte.992 Dies würde bedeuten, dass der restliche Weg durch Perdikkas gesichert werden musste.993 Zweitens würde Perdikkas die Hälfte der Unterhaltskosten für das spartanische Heer, gemäß Thukydides 1700 Mann,994 übernehmen,995 ein neuralgischer Punkt bei jedem Kriegszug. Die andere Hälfte werden die chalkidischen Städte bezahlt haben.996 Diese makedonischen und chalkidischen Finanzspritzen waren als Investition in eine bessere Zukunft gedacht. Drittens würde Perdikkas Brasidas und seinen Truppen militärische Unterstützung in Sachen der thrakisch-chalkidischen Städte gewähren.997 Die Spartaner werden im Gegenzug zugesagt haben, die temenidischen Interessen ............................................ 991 Morgan 2003, 87; Archibald 2000, 215. Siehe auch Aston 2012b, 263; Martin 1985, 62–63. 992 Vgl. Morrison 1942, 63–65. Er geht davon aus, dass Brasidas auch Pharsalos nach dem Bruch der Allianz mit Perdikkas auf seine Seite gezogen und gegen den Makedonenherrscher gekehrt hätte. Stamatopoulou 2009, 220 nimmt an, dass es enge Beziehungen zwischen Pharsalos und den makedonischen Herrschern erst in der 2. Hälfte des 4. Jhs. gegeben habe. Sie benennt zuvor auch freundschaftliche Beziehungen zwischen Mitgliedern von Pharsalos’ Führungsschicht mit einigen prominenten Athenern und Spartanern, ohne jedoch Namen zu nennen. In jedem Fall hätten die Netzwerke in Pharsalos nicht mit denen in Larisa oder Pherai mithalten können. Zur Verfassungsform einer „narrow oligarchy“ in Pharsalos mit den führenden Familien der Daochiden und Menoniden vgl. Decourt et al. 2004, 703. Wichtig waren zudem die Echekratiden, vgl. Morgan 2003, 87; Archibald 2000, 230. 993 Es stellt sich die Frage, zu welchen thessalischen Verbindungsleuten Perdikkas eine Nachricht gesandt hatte. Leider ist unklar, wie die Einflussgebiete in Thessalien zu seiner Zeit unter den führenden Familien verteilt waren. Aus einer Ableitung aus der Zeit des Xerxeszugs, als die Aleuaden Xerxes und seinen Truppen – unter Vermittlung von Perdikkas’ Vater Alexander – den Weg durch das Tempetal eröffnet hatten, ist mit aller gebotenen Vorsicht zu folgern, dass es die Aleuaden waren. Diese Familie kontrollierte nicht nur Larisa und Umgegend, sondern auch das Tempetal und eventuell die Perrhaibia. Vgl. Heinrichs 2017, 94. Pace Westlake 1935, 31–32, der davon ausgeht, dass die Aleuaden nicht unbedingt das Umland Larisas kontrolliert hätten. Zur Feststellung, dass es in Tripolis in Perrhaibia Namen gab, die in Makedonien sehr beliebt waren, auch landesübliche, typisch makedonische Namen, vgl. Hatzopoulos 2000, 116. Zu Thessaliens Lage zwischen Griechenland und Makedonien als Durchzugsgebiet vgl. Blum et al. 1992, 163. Morgan 2003, 23 bezeichnet die Bewohner der Perrhaibia als die perioikoi der Thessaler, deren Abhängigkeit eher ökonomisch als politisch gewesen sei. Zu diesem Begriff in Thessalien vgl. Martin 1985, 69–73. Westlake 1935, 15 charakterisiert die Perrhaibia weniger als Pufferzone denn als Einfallstor zu Obermakedonien. 994 Thuk. 4,78,1. 80,4. Davon seien 1000 laut Diod. 12,76,1 Heloten gewesen. 995 Thuk. 4,83,5. Vgl. Psoma 2009b, 109–112 zu von Perdikkas’ geprägten Münzen aus einem lynkestischen Hort, die sie für den Sold von Brasidas’ Truppen für den zweiten Lynkestis-Zug hält. Siehe auch Psoma 2016, 104: Ein Wandel des Münzstandards in der Chalkidike sei bewirkt worden, da Perdikkas seine Münzen in dem Gebiet in den Umlauf gebracht und die lokalen Prägungen beeinflusst habe. Seine chalkidischen Verbündeten hätten die monetäre makedonische Praxis für die Bezahlung von Brasidas’ Truppen adaptiert. Zu den Kategorien der Ausgaben, misthos und trophe, vgl. Psoma 2009c, 4. 996 Vgl. Hornblower 1996, 274; Lewis 1992, 426, A. 140; Borza 1990, 151; Zahrnt 1971, 58. 997 Dies wird am Beispiel von Amphipolis ersichtlich: Thuk. 4,103,3. 107,3.
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nicht zu verletzen und Perdikkas militärische Schützenhilfe bei der Bezwingung seiner Feinde – konkret des lynkestischen Lokaldynasten Arrabaios, Sohn des Bromeros – zu gewähren.998 Wichtig ist, dass offenbar ausgehandelt wurde, dass es keine Mediation, sondern ein kriegerischer Einsatz zwecks Unterwerfung sein sollte.999 Der trügerische Eindruck, Perdikkas habe Brasidas und dessen Truppen willkürlich herumkommandiert und zu Aktionen gegen Arrabaios erpresserisch genötigt,1000 liegt daran, dass Thukydides erstens über den Inhalt der Übereinkunft zwischen Sparta und Perdikkas nur mittelbar berichtet und zweitens wiederholt Brasidas’ Unwillen betont, in Lynkestis tätig zu werden. Letzteres ist jedoch offenbar ein Stilmittel in Gestalt eines literarischen Perspektivenwechsels: Thukydides lässt Brasidas in Gedanken einen Schwenk zu den athenisch-spartanischen Konflikten auf der Chalkidike machen, um zu zeigen, welche Relevanz die Lynkestis-Züge erstens für Athen und zweitens für seine eigene Berichterstattung hatten. Es bedeutet weder, dass er authentische Informationen darüber hatte, was Brasidas im Kopf herumging, noch, dass dieser sich tatsächlich so widerwillig angestellt hatte. Brasidas wird im Vorhinein gewusst haben, dass er Perdikkas diese militärische Unterstützung als Teil des Abkommens gewähren musste.1001 Insgesamt bot sich Sparta für Perdikkas als Alternative zu Athen an: Es gab keine schlechten Erfahrungen mit Ambitionen auf makedonische Einflusszonen oder Eingriffen in die Dynastiepolitik.1002 Hinzu kam die Hilfe gegen Athen und Zusage zur Unterstützung des eigenen Vorhabens der Machterweiterung in Obermakedonien – theoretisch konnte man sich in Aigai zu dieser Zeit wohl keinen besseren Bündnispartner vorstellen. Es ist daher schlüssig, wenn Perdikkas, wie Larry Tritle kommentiert, Brasidas sinnbildlich den roten ............................................ 998 Thuk. 4,79,2. 83,5. Es fragt sich angesichts der Formulierung, er habe Brasidas als Vernichter seiner Feinde geholt, die er ihm als solche angezeigt habe, die Frage, ob nur Lynkestis das Ziel gewesen war oder auch noch andere obermakedonische Dynastentümer. Zu Arrabaios’ ungriechischem, typisch lynkestischem Namen vgl. Hatzopoulos 2000, 115; Hatzopoulos 1996a, 212; Habicht 1977, 511; Kalléris 1954, 289–291. Zum Stammbaum seiner Familie siehe Heckel 2016, Stemma II. Sein negatives Perdikkas-Porträt, bei dem Politisches als Persönlichkeitsmerkmal dargestellt wird, drückt sich bei Kagan 1974, 289 auch anhand der Bewertung aus, Perdikkas habe „a private quarrel“ mit Arrabaios gehabt – es ging de facto um die Sicherung der Reichsgrenzen mit Blick auf potentielle illyrische Einfälle. 999 Thuk. 4,83,5–6. 1000 Vgl. Westlake 1968, 151. 1001 Überdies mag gerade die spartanische Einwilligung, sich innerhalb obermakedonischer Gebiete militärisch für den Temenidenherrscher zu engagieren, ein Grund gewesen sein, warum die makedonische Seite das Bündnis mit Sparta gesucht hatte. Perdikkas und sein inner circle konnten sich Athen in dieser Rolle wohl schlecht vorstellen. 1002 Vgl. Roisman 2010a, 150.
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Teppich ausrollte.1003 Insgesamt werden die Beteiligten mit der Hoffnung, wechselseitig profitieren zu können, in die Allianz gestartet sein. Es sah so aus, als würde der gemeinsame Nenner – Athens Einfluss im Operationsgebiet zu neutralisieren – dominieren und als würden die jeweiligen politischen Eigeninteressen das Bündnis nicht sprengen. Es passierte aber dennoch.
Perdikkas, Brasidas und der erste Lynkestis-Zug Angesichts von Brasidas’ Ankunft stempelten die Athener Perdikkas laut Thukydides zum Hauptverantwortlichen und erklärten ihn zum Feind.1004 Perdikkas wandte sich einem anderen Problem zu: Περδίκκας δὲ Βρασίδαν καὶ τὴν στρατιὰν εὐθὺς λαβὼν μετὰ τῆς ἑαυτοῦ δυνάμεως στρατεύει ἐπὶ Ἀρραβαῖον τὸν Βρομεροῦ Λυγκηστῶν Μακεδόνων βασιλέα ὅμορον ὄντα, διαφορᾶς τε αὐτῷ οὔσης καὶ βουλόμενος καταστρέψασθαι. Perdikkas zog, sobald er Brasidas und sein Heer empfangen hatte, gegen Arrabaios, Sohn des Bromeros und Herrscher der makedonischen Lynkesten, zu Feld, seinen Grenznachbarn, mit dem es Streit gab und den er unterwerfen wollte.1005
Über die Hintergründe und Dauer des Streits ist nichts bekannt. Die Lynkestis war ein Unruheherd und Einfalltor für die Illyrer.1006 Eventuell hatte Perdikkas auf die Sicherung und Arrondierung der Grenze seines Reichs hingearbeitet.1007 Doch ist ebenso möglich, dass die Aggression von Arrabaios ausgegangen war.1008 Klar wird aus Thukydides’ Bericht, dass Perdikkas die Lynkestis unter temenidische Kontrolle bringen wollte. Dies wird er auch bei den vorangegangenen Verhandlungen mit Sparta zum Ausdruck gebracht haben. Unter dieser Prämisse erklärt sich seine Reaktion, als Brasidas zwar mit ihm gen ............................................ 1003 Vgl. Tritle 2010, 98. 1004 Thuk. 4,82,1. 1005 Thuk. 4,83,1. 1006 Vgl. Greenwalt 2008, 91 („most direct corridor between the locus of Illyrian power“ und dem Temenidenreich); Geyer 1937b, 598. 1007 Eventuell hatte er zuvor deswegen schon Derdas gegen sich aufgebracht. Meritt et al. 1950, 317 gehen etwa davon aus, dass Derdas, Arrabaios und Philipp sich alle gleichzeitig gegen Perdikkas erhoben hätten. 1008 Vgl. Roisman 2010a, 151.
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Lynkestis zog, aber keinen einzigen Waffenstreich gegen Arrabaios führte, der Brasidas durch einen Gesandten mitteilen ließ, er würde ihn als Mediator anerkennen.1009 Zusätzlich funkten die chalkidischen Gesandten hinein, von Thukydides als Bündnispartner mit wenig allianzförderlichen Hintergedanken dargestellt: καὶ οἱ Χαλκιδέων πρέσβεις ξυμπαρόντες ἐδίδασκον αὐτὸν μὴ ὑπεξελεῖν τῷ Περδίκκᾳ τὰ δεινά, ἵνα προθυμοτέρῳ ἔχοιεν καὶ ἐς τὰ ἑαυτῶν χρῆσθαι. Auch die anwesenden chalkidischen Gesandten hatten ihm geraten, Perdikkas nicht vom Objekt seiner Angst zu befreien, damit sie ihn eher bereit fänden, sich für ihre Zwecke einsetzen zu lassen.1010
Sollte dies sich so zugetragen haben, zeichnete sich an dieser Stelle bereits ein neues Problem für die Temeniden ab: die politischen Ambitionen des chalkidischen koinon.1011 Auch der spartanische Bündnispartner erwies sich als Enttäuschung: Brasidas ging auf Arrabaios’ Verhandlungsangebot ein, vermittelte eine Versöhnung und zog das Heer ab.1012 Thukydides’ Beschreibung von Perdikkas’ Reaktion scheint Spuren des ausgehandelten Bündnisses mit Sparta widerzuspiegeln und wirkt stimmig: Περδίκκας δὲ οὔτε δικαστὴν ἔφη Βρασίδαν τῶν σφετέρων διαφορῶν ἀγαγεῖν, μᾶλλον δὲ καθαιρέτην ὧν ἂν αὐτὸς ἀποφαίνῃ πολεμίων, ἀδικήσειν τε εἰ αὐτοῦ τρέφοντος τὸ ἥμισυ τοῦ στρατοῦ ξυνέσται Ἀρραβαίῳ. Perdikkas aber sagte, er habe ihn nicht als Schlichter bei ihren Streitigkeiten geholt, sondern als Vernichter seiner Feinde, die er ihm als solche bezeichne; er handle unrecht, wenn er sich mit Arrabaios (zu Verhandlungen) treffe, während er seinerseits die Hälfte des Heers verpflege.1013
............................................ 1009 Thuk. 4,83,3. 1010 Thuk. 4,83,3. 1011 Diod. 15,19,2–3; Xen. Hell. 5,2,11–13. Vgl. Zahrnt 2007; Aich 2006, 157; Zahrnt 2006b, 131–133. 1012 Thuk. 4,83,6. 1013 Thuk. 4,83,5. Nichols 2015, 93 verweist darauf, dass Thukydides ihn mit der Formulierung, er habe ihn nicht als dikastes, sondern kathairetes geholt, eine Sprache gewählt habe, „that would describe how the Spartan judges in fact act toward the Plataeans“. Siehe auch Hornblower 1996, 274, der das Gespräch im Kern für authentisch hält. Allerdings sei Perdikkas mit „the half-
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Perdikkas hatte sich an die Abmachung gehalten, die Passage durch Thessalien ermöglicht und den versprochenen Anteil an den Unterhaltskosten bezahlt. Die spartanische Seite hatte sich im Gegenzug verpflichtet, ihm bei der militärischen Bezwingung seiner Feinde zu helfen. Demnach hatte sich Brasidas über das Abkommen hinweggesetzt und das Einvernehmen aufs Spiel gesetzt. Dies ist durch die zweimalige Verwendung von νομίζων ἀδικεῖσθαι ausgedrückt.1014 Thukydides zufolge berief Brasidas sich als Rechtfertigung auf Perdikkas’ Versprechen aus der Anbahnungsphase des Bündnisses, Orte in der Nachbarschaft seines Reichs zur Allianz mit Sparta zu bewegen. Perdikkas konterte, er habe dies nicht auf den Einflussbereich von Arrabaios bezogen, den er ihm vielmehr klar als Feind angezeigt habe.1015 Das Argument ist schlüssig. Als Perdikkas seine Gesandten nach Sparta schickte, hatte er über das lynkestische Dynastentum keine Verfügungsgewalt und konnte bezüglich dessen politischer Ausrichtung nichts versprechen. Er musste andere alliierte Städte gemeint haben. Weder Brasidas’ Verhandlungen mit Arrabaios noch seine Rechtfertigung wären somit im Rahmen der Allianzvereinbarungen gewesen, Perdikkas’ Beschwerden dagegen schon. Daraus erklärt sich Thukydides’ Hinweis, dass die Versöhnung gegen seinen Willen und im Zerwürfnis mit ihm erfolgte (ὁ δὲ ἄκοντος καὶ ἐκ διαφορᾶς ξυγγίγνεται).1016 Brasidas war nicht nur militärisch untätig geblieben, sondern hatte auch noch Arrabaios’ selbständigen Status bestätigt, den Perdikkas ihm mit seiner Hilfe hatte absprechen wollen.1017 Damit war er seinem Bündnispartner öffentlich in den Rücken gefallen und hatte dessen Lynkestis-Politik ins Unrecht gesetzt. An Arrabaios’ Hof mag man sich die Hände gerieben und an Perdikkas’ Hof Kopfschmerzen bekommen haben. Dort konnte man den Eindruck bekommen, im politischen Status abqualifiziert und der Lynkestis nicht nur gleichgesetzt, sondern sogar untergeordnet worden zu sein: Arrabaios’ Offerte ........................................................................................................................................................................... barbarian vanity of the Macedonians“ dargestellt, da er die Chalkidier unterschlug, als er sagte, er habe Brasidas in den Norden gebracht. 1014 Thuk. 4,83,5: ἀδικήσειν in Bezug auf Brasidas gegen Perdikkas; 4,83,6: νομίζων ἀδικεῖσθαι in Bezug auf Perdikkas, dem dies durch Brasidas widerfuhr. Siehe auch ähnlich Roisman 2010a, 151: Obwohl Thukydides Perdikkas wie einen Gläubiger darstelle, sei er im Recht gewesen, da Brasidas sich nicht an die Vereinbarungen gehalten habe. 1015 Thuk. 4,83,4–5. 1016 Thuk. 4,83,6. Pace Borza 1990, 151, der den Lynkestis-Zug isoliert von Vertragsabkommen nur Perdikkas’ „stubbornness“ zuschreibt. Ähnlich: Kagan 1974, 291. Auch Giuliodori 2004, 58–59 verkennt dies und geht von einem „privaten“ Übereinkommen zwischen Brasidas und Perdikkas aus. 1017 Vgl. Zahrnt 2002, 57. Dagegen erwägt er auch, dass die erzwungene Allianz Perdikkas etwas genützt habe (Zahrnt 2006a, 594).
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war erhört worden, die Forderung des spartanischen Bündnispartners Perdikkas nicht. Dies mochte so aussehen, als sei Sparta nur eine weitere griechische Polis, deren Vertreter ihre Bündnispartner nicht auf Augenhöhe, sondern wie bloße Werkzeuge behandelten. Perdikkas wird erkannt haben müssen, dass er auch in der neuen Bündniskonstellation alleine stand. Der spartanische Vertreter drehte sich die Bestimmungen so, wie sie seinen Interessen am besten passten, und die chalkidischen Städte taktierten. Arrabaios auf der anderen Seite nutzte das problematische Interessengeflecht zu seinen Gunsten aus. Wollte Perdikkas gleichzeitig das Bündnis und sein Gesicht bewahren, musste er ostentative Konsequenzen ziehen. Entsprechend verständlich wird sein Entschluss, die Versorgung von Brasidas’ Truppen auf ein Drittel herabzusenken.1018 Dieser Schritt ist daher keinesfalls, wie überwiegend gefolgert wird, mit Emotionen wie Verstimmung, Wut und Frustration zu erklären.1019 Perdikkas hielt weiterhin an dem Bündnis fest und erfüllte seine Verpflichtungen – wenn auch mit der Abstufung hinsichtlich der Versorgung. Eventuell ist die spartanische Akzeptanz seiner Maßnahme ein Zeichen dafür, dass anerkannt wurde, dass Perdikkas sich an die Abmachungen gehalten und daher das Recht hatte, sich diesen Schritt vorzubehalten.1020 Jedoch scheint Brasidas davon auch nicht in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht worden zu sein. Von Versorgungsproblemen ist nichts zu hören. Eventuell waren die Chalkidier, an der friedlichen Lösung mit Arrabaios laut Thukydides mitbeteiligt, eingesprungen.
Vom Traum zum Trauma Athens: Amphipolis Athens Augenstern im Strymongebiet, das geostrategische „Komplettpaket“ Amphipolis, bot sich als Zielscheibe für Spartas Politik, die athenische Kontrolle in Nordgriechenland zu unterlaufen, geradezu an. Es war abzusehen, dass der Domino-Effekt im athenischen Einflussnetzwerk, den die abtrünni............................................ 1018 Thuk. 4,83,6. Vgl. Tritle 2010, 97–98; Lendon 2010, 349; Geyer 1930, 66–67. Hawthorn 2014, 135 geht davon aus, dass er es sich nicht ganz mit Brasidas habe verscherzen wollen und deswegen nicht die ganze Versorgung gestrichen hatte. 1019 Das sieht auch Hawthorn 2014, 136 so. 1020 Möglicherweise war eine solche Regelung bei Ausnahmefällen auch bereits in den Abmachungen als Klausel verankert gewesen. Hornblower 1996, 274 verweist darauf, dass dies Thukydides die Möglichkeit gegeben habe, Perdikkas an Tissaphernes im Jahr 411 anzugleichen. Zu Tissaphernes bei Thukydides vgl. Wiesehöfer 2006, 667: harmlos im Vergleich zu seinem Porträt bei Xenophon.
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gen Seebundmitglieder bereits ausgelöst hatten, durch einen Abfall dieses Knotenpunkts maßgeblich verstärkt werden würde.1021 Zudem wären die Athener ihren Zugang zu wertvollen Ressourcen los.1022 Brasidas brachte im Vorfeld Akanthos und Stageiros zum Abfall1023 und landete dann den großen Coup, unterstützt von Perdikkas:1024 Amphipolis löste sich von Athen.1025 Eine tragende Säule der athenischen Kontrollpolitik über die Region war damit gefallen, die zwangsläufig Wellenbewegungen auslöste:1026 ἐχομένης δὲ τῆς Ἀμφιπόλεως οἱ Ἀθηναῖοι ἐς μέγα δέος κατέστησαν, ἄλλως τε καὶ ὅτι ἡ πόλις αὐτοῖς ἦν ὠφέλιμος ξύλων τε ναυπηγησίμων πομπῇ καὶ χρημάτων προσόδῳ, καὶ ὅτι μέχρι μὲν τοῦ Στρυμόνος ἦν πάροδος Θεσσαλῶν διαγόντων ἐπὶ τοὺς ξυμμάχους σφῶν τοῖς Λακεδαιμονίοις, τῆς δὲ γεφύρας μὴ κρατούντων, ἄνωθεν μὲν μεγάλης οὔσης ἐπὶ πολὺ λίμνης τοῦ ποταμοῦ, τὰ δὲ πρὸς Ἠιόνα τριήρεσι τηρουμένων, οὐκ ἂν δύνασθαι προελθεῖν: τότε δὲ ῥᾴδια ἤδη [ἐνόμιζεν] γεγενῆσθαι. καὶ τοὺς ξυμμάχους ἐφοβοῦντο μὴ ἀποστῶσιν. ὁ γὰρ Βρασίδας ἔν τε τοῖς ἄλλοις μέτριον ἑαυτὸν παρεῖχε, καὶ ἐν τοῖς λόγοις πανταχοῦ ἐδήλου ὡς ἐλευθερώσων τὴν Ἑλλάδα ἐκπεμφθείη. καὶ αἱ πόλεις πυνθανόμεναι αἱ τῶν Ἀθηναίων ὑπήκοοι τῆς τε Ἀμφιπόλεως τὴν ἅλωσιν καὶ ἃ παρέχεται, τήν τε ἐκείνου πραότητα, μάλιστα δὴ ἐπήρθησαν ἐς τὸ νεωτερίζειν, καὶ ἐπεκηρυκεύοντο πρὸς αὐτὸν κρύφα, ἐπιπαριέναι τε κελεύοντες καὶ βουλόμενοι αὐτοὶ ἕκαστοι πρῶτοι ἀποστῆναι. Die Einnahme von Amphipolis versetzte die Athener in große Furcht, vor allem, weil ihnen die Stadt nützlich war durch die Lieferung von Schiffsbauholz und die Entrichtung des Tributs und weil bis zum Strymon die Lakedaimonier unter dem Geleit der Thessaler Zugang zu ihren Bundesgenossen hatten. Solange sie die Brücke nicht beherrschten, konnten sie nicht weiter vordringen, da ............................................ 1021 Diod. 12,68,3. Vgl. Zahrnt 2006a, 608. 1022 Vgl. Ehrenberg 1951, 328. Er verweist darauf, dass es ein spartanisches Ziel war, den direkten Holzimport nach Athen zu unterbinden. Siehe auch Cartledge 2003, 188. 1023 Thuk. 4,84,1. 88,1–2. Vgl. Zahrnt 2006a, 593–594; Cole 1974, 67; Zahrnt 1971, 59. Zu Brasidas’ Erfolgen auf der Chalkidike und Perdikkas’ Anteil daran vgl. Geske 2005, 127–128, m. 609. Siehe auch Tritle 2010, 106. Zur strategischen Bedeutung von Akanthos und Stageira vgl. Tsigarida 2011, 150–151. 1024 Thuk. 4,103,3. 107,3. Vgl. Müller 2016, 148–149; Roisman 2010a, 150–152; Zahrnt 2006a, 593– 594; Borza 1990, 151; Hammond/Griffith 1979, 130. 1025 Thuk. 4,103,1–3. 107,2–3. Vgl. Will 2015, 34–35; Zahrnt 2006a, 594; Flensted-Jensen 2004, 819; Lewis 1992, 427–428. Eine Rolle sollen Brasidas’ moderate Kapitulationsvoraussetzungen gespielt haben (Thuk. 4,103, 2–4. 104,5. 105,2–106,1; Diod. 12,68,3). Vgl. Hornblower 1996, 56– 57; Kagan 1974, 29, 3027; Papastavrou 1965, 18; Papastavrou 1936a, 15–21. 1026 Vgl. Westlake 1968, 77, 152. Siehe auch Prandi 2004, 104.
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oberhalb der Fluss einen weit ausgedehnten See bildete und gegen Eïon zu durch Trieren geschützt war; jetzt aber, fürchteten sie, dass das leicht möglich wäre. Auch mussten sie befürchten, dass sich die Verbündeten von ihnen lossagten; denn Brasidas zeigte sich in allen Belangen sehr maßvoll und erklärte in seinen Reden immer und überall, er sei ausgesandt, um Hellas zu befreien. Kaum hatten die Städte von Amphipolis’ Fall erfahren, von seinen Versprechungen und seiner Milde, waren sie mehr als je zuvor zum Umsturz entschlossen; sie schickten heimlich Gesandtschaften an ihn ab, forderten ihn auf, zu ihnen zu kommen, und jede wollte die Erste sein, die abfiel.1027
Tiverios betont die Korrektheit von Thukydides’ Einschätzung: „And it is astonishing how quickly (…) after Brasidas captured the city (…) the Athenians essentially lost control of the area“.1028 Die Frage nach dem Flottenbauholz wurde wieder akut. Athen befand sich in ungünstiger Situation: Perdikkas war mit Sparta in Bund. Es blieb die Hoffnung auf das thrakische Holz. Wie gut die Beziehungen zum neuen Odrysenherrscher Seuthes, Perdikkas’ Schwager, waren, ist jedoch umstritten.1029 Diodor zufolge wollte Brasidas gleich die neue spartanische Position an der Holzquelle nutzen und auf dem Strymon eine Anzahl Schiffe bauen lassen.1030 Wie nachhaltig sich Brasidas’ Coup auswirken würde, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen. Trotz kontimuierlicher Versuche gewannen die Athener Amphipolis nie mehr zurück. Perdikkas’ Rolle bei Brasidas’ Schlag ins athenische Kontor wird nicht unbedeutend gewesen sein.1031 Beim Anrücken passierte Brasidas mit seinen Truppen die Gegend um den Bolbesee, wo sich Perdikkas’ herrschaftliche Domänen befanden,1032 und ließ dort Essen fassen.1033 Es wird im Anmarsch auf Amphipolis ............................................ 1027 Thuk. 4,108,1–3. Übers. H. Vretska. Zur Bezeichnung metrios für Brasidas vgl. Leppin 1999, 207–208: Es bedeute maßvoll und kalkuliert mit implizierter Überlegenheit. Zu seiner Pose als Befreier siehe Leppin 1999, 76. Siehe auch Will 2009, 15–16. 1028 Tiverios 2008, 72. Vgl. Borza 1990, 151; Kagan 1974, 302. 1029 Vgl. Cole 1974, 66. Er geht davon aus, dass die Athener es sich bei Sitalkes‘ MakedonienExpedition erst einmal auf einige Zeit mit den Odrysen verscherzt hatten und nicht auf thrakisches Holz hoffen mussten. Dagegen vgl. Bissa 2009, 124. Auch Hawthorn 136, m. A. 8 geht von einer starken Verbindung zwischen Athen und Seuthes aus. Ebenso Peter 1997, 78. Cole 1977, 30 sieht den größten Bedarf Athens an Flottenbauholz unmittelbar nach dem Verlust von Amphipolis. Psoma 2015a, 8–9 meint dagegen, dass sich Athen in dieser Zeit mit Holz aus Kleinasien (Kilikien, vgl. Theophr. Hist. Plant. 4,5,5) beholfen habe. 1030 Diod. 12,68,4. Vgl. Giuliodori 2004, 59–60: Dafür habe er von seinem Verbündeten Perdikkas makedonisches Holz bekommen. Zahrnt 2006a, 594 geht hingegen davon aus, die spartanische Einnahme von Amphipolis habe Perdikkas nichts genutzt. 1031 Ebenso sieht es Giuliodori 2004, 59. 1032 Thuk. 1,58,2. 1033 Thuk. 4,103,1.
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ebenso wie bei der Sicherung der Stadt für Brasidas ein essentieller Vorteil gewesen sein, dass die ortskundigen Makedonen auf seiner Seite waren. In Amphipolis bildeten unter anderem Befürworter von Perdikkas einen Teil der abfallwilligen Bevölkerung, die sich durchsetzen konnte.1034 Perdikkas half dann bei der Sicherung der Umgegend.1035 Entsprechend ist einzurechnen, wie sich diese Schützenhilfe auf Thukydides’ Darstellung von Perdikkas auswirkte, da der Historiograph in besonderer Weise von Amphipolis’ Verlust betroffen war. Thukydides kreuzte zeitgleich in athenischer Mission – die er nicht spezifiziert – mit sieben Schiffen vor dem nahen Thasos.1036 Als der athenische General Eukles in Amphipolis seine Hilfe anforderte,1037 kam Thukydides zu spät und konnte nur noch den Hafen, Eïon, für Athen retten.1038 In der Schockstimmung, die sich in Athen über den Verlust von Amphipolis breitmachte,1039 bekam Thukydides wohl den Prozess gemacht und musste in die Verbannung gehen.1040 Es war das Ende seiner politischen Karriere. Zwanzig Jahre verbrachte er fern der Heimat.1041 Es ist ungewiss, ob er vor seinem Tod noch einmal athenischen Boden betrat.1042 ............................................ 1034 Thuk. 4,103,3. Mari 2012, 329 geht von einer weiteren Umstrukturierung der Bevölkerung durch Brasidas nach dem Abfall von Amphipolis aus, die sie mittelbar aus Thuk. 4,105-106 herauslesen möchte: eine weitere Verringerung des athenischen Anteils. 1035 Thuk. 4,103,3. 107,3. Wahrscheinlich hatten seine ortskundigen Makedonen maßgeblichen Anteil; sie mussten um die Relevanz der Brücke wissen. 1036 Thuk. 4,104,4. Vgl. Morrison et al. 2000, 35–36. Thasos lag ungefähr eine halbe Tagesreise entfernt. Thukydides war wohl strategos (epi Thraikes), vgl. Sinitsyn 2015, 62; Sears 2013, 88; Develin 1989, 132 (Nr. 3052). Zur Lage und Geschichte von Thasos vgl. Rabadjiev 2007, 510. Thasos gehörte zu den mit Athen verbündeten Poleis, die von Zugängen zu den thrakischen Edelmetallminen profitierten (Hdt. 6,46–47), und zu den florierenden Münzprägestätten zählten, vgl. Kroll 2009, 200. Siehe auch Damyanov 2015, 299 ; Zahrnt 2015, 40. Zu Kimon und Thasos vgl. Sears 2013, 70–72. Eventuell befürchtete Thukydides, dass in Thasos eine Revolte ausbrechen könnte (wie 465, angegliedert dann wieder durch Kimon), und wollte dem vorbeugen. 1037 Vgl. Sears 2013, 88–89; Develin 1989, 132 (Nr. 1145). 1038 Thuk. 4,104,4–107,2. Vgl. Tritle 2010, 98, 106; Zahrnt 2006a, 610; Heskel 1997, 17; Kallet-Marx 1993, 174. Thasos war eine halbe Tagesreise von Amphipolis entfernt. Zu Eïon: Thuk. 1,98,1. Zu Eïon als emporion vgl. Kallet 2013b, 44–46; Hansen 1997a, 18 (eine Polis); Hansen 1997b, 103. Siehe allgemein Petropoulos 2013. Sinitsyn 2015, 63 vermutet, Thukydides sei beauftragt gewesen, die athenische Kontrolle über die thrakische Küste zu gewährleisten. 1039 Thuk. 4,108,1. 1040 Thuk. 5,26,5; Marcellin. Vit. Thuc. 55. Vgl. Will 2015, 35; Sears 2013, 88–89; Burns 2011, 521; Tritle 2010, 256; Meister 1999, 175; Hamel 1998, 144; Hansen 1975, Nr. 10. Zur Argumentation gegen die Zweifel, dass Thukydides einen Prozess bekommen beziehungsweise sich einem Prozess gestellt habe, vgl. Bauman 1990, 58–59. Es sei allerdings nicht klar, ob er in absentia verurteilt wurde. Vgl. Hamel 1998, 144: eisangelia oder euthyma, dies sei strittig. Dagegen vgl. Hansen 1975, Nr. 10 (eisangelia). Alternativ wird ein freiwilliges Exil vermutet, vgl. Sears 2013, 89; Canfora 2006a, 16–17. 1041 Er verwandte sie für seine Recherchen: Thuk. 5,26,5. 1042 Vgl. Meister 1999, 175. Die Rückkehr wird von Demetrios von Phaleron, BNJ 228, F 3 (entweder in seiner Archontenliste oder in der Schrift Kleon) und Philochoros, BNJ 328, F 137 angespro-
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Was Thukydides vor Thasos tat, wieso er von dort nicht rechtzeitig nach Amphipolis kam und weswegen er versäumte, die einzige, strategisch so wichtige Brücke zu sichern, sind ungelöste Fragen.1043 Das Problem ist, dass Thukydides’ eigener Bericht die Quelle ist; alle weiteren Berichte hängen davon ab.1044 Die Vorstellung, Thukydides sei sachlich genug gewesen, um sein persönliches Schicksal beim Schreiben auszublenden,1045 lässt sich angesichts der rechtfertigenden Tendenzen der Amhipolis-Passagen nicht aufrechterhalten.1046 Er spricht zwar von sich distanziert in auktorialer Perspektive in der dritten Person. Die Gründe, die er für den Verlust der apoikia nennt, sind aber alle nicht ihm anzulasten: Erstens stilisiert er seinen Konterpart, Brasidas, zum rhetorisch versierten Verführer und exzellenten, mit allen Wassern gewaschenen Feldherrn,1047 gegen den es schon eine Meisterleistung war, überhaupt noch Eïon gesichert zu haben.1048 Zweitens habe dieser Ausbund an Fähigkeiten sich extrem beeilt, als er erfahren habe, wer gegen ihn im Anmarsch sei: Thukydides, den er wegen seiner thrakischen connections gefürchtet habe.1049 ........................................................................................................................................................................... chen. Die Richtung, die sich für seine Rückkehr nach Athen ausspricht, datiert dies auf Kriegsende oder nach dem Sturz der Dreißig, vgl. Will 2015, 64. Eine Minderheitenmeinung ist die These, er sei bereits 411 zurück gewesen. Vgl. Christodoulou 2017, 152, m. A. 4, der sich gegen letztere Annahme wendet. Zur Gegenposition, er sei nicht mehr zurückgekehrt, vgl. etwa Hamel 1998, 144: Es sei unwahrscheinlich, dass er je wieder athenischen Boden betreten habe. Zu den unterschiedlichen Versionen über seinen Tod vgl. Canfora 2006b, 744: Ermordung in Athen; Tod im Exil in Thrakien; Tod bei Schiffbruch. Paus. 1,23,9 spricht von einer Rückberufung durch ein Psephisma des Oinobios. Vgl. Marc. Vit. Thuc. 32, basierend auf Dindymos (Ende 1. Jh. v. Chr.). Siehe dazu auch Sears 2013, 89. 1043 Vgl. Sears 2013, 88, der ihm offen die Schuld gibt. Auch Kagan 1974, 295 geht davon aus, dass er um die Bedeutung der Brücke wissen musste. Zur Diskussion, inwieweit er sich tatsächlich etwas vorzuwerfen hatte, vgl. Bauman 1990, 57–58; Kagan 1974, 295–301 mit dem Schluss, er sei in einer „legitimate mission“ in Thasos gewesen. Dies lässt die Fragen offen. Ausgehend von der Information bei Marcellin. Vit. Thuc. 55, dass er der prodosia, Verrat der Polis, angeklagt worden sei, überlegt er, ob Thukydides aus privaten Gründen vor Thasos gewesen sei, das nicht direkt von Brasidas bedroht worden sei. Ansonsten könnte es sich um eine strategische Fehlkalkulation von Thukydides gehandelt haben, dass er Amphipolis verfrüht aufgegeben habe, um Eïon zu sichern. Auch Kallet-Marx 1993, 173–174 betont den Punkt, dass zu fragen sei, wieso Thukydides es nicht rechtzeitig von Thasos aus geschafft habe, und dass er Eukles nicht die Schuld gebe. Sinitsyn 2015, 62 geht von guten Beziehungen zwischen Thasos und Thukydides’ Familie aus. 1044 Marcellinus Vit. Thuc. 46; Anon. Vit. Thuc. 3. Vgl. Bauman 1990, 57. 1045 Marcellin. Vit. Thuc. 26. Vgl. Erbse 1989, 156–157. Siehe dagegen Kallet-Marx 1993, 172–173: eine Apologie; vgl. Kallet 2013a. Ähnlich: Schneider 1974, 11–10. 1046 Vgl. Kallet-Marx 1993, 172–173; Bauman 1990, 57–58. 1047 Thuk. 4,108,2–5. Vgl. Sinitsyn 2015, 58; Hawthorn 2015, 583 Will 2015, 58; Brown Ferrario 2014, 121, 230; Burns 2011; Heilke 2004; Cartledge 2003, 188; Cawkwell 1997, 69–70; Hornblower 1996, 40–61 (der eine Angleichung an Achilles konstatiert); Edmunds 1975, 90; Westlake 1968, 147–148, 165. Brasidas gewährte den Athenern freien Abzug (Thuk. 4,105,2) 1048 Vgl. Cartledge 2003, 188; Kallet 1993, 1049 Thuk. 4,105,1: Brasidas hatte demnach erfahren, dass Thukydides Nutzrechte an thrakischen Goldbergwerken (wohl gepachtete Schürfrechte, vgl. Bissa 2009, 37–38) hatte und einer der einflussreichsten Männer auf dem Festland sei. Vgl. Sears 2013, 88. Die Bergwerke sind nicht mehr zu lokalisieren, der Name seines Vaters, Oloros, wird als thrakisch gedeutet, vgl. Will 2015, 63–
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Kallet-Marx lässt offen, ob Thukydides tatsächlich als ein besonders gefährlicher Gegner gegolten oder sich nur so dargestellt habe.1050 Drittens scheint gemäß Thukydides mittelbar Hagnon, der oikistes, Schuld gewesen zu sein, da er bei der Gründung nicht für einen ausgeglichenen oder überwiegend athenischen Bevölkerungsanteil gesorgt hatte: Die in Überzahl befindlichen lokalen Siedler wie die traditionell athen-feindlichen Leute aus Argilos hätten Amphipolis an Brasidas verraten.1051 De facto hatte ihre Ansiedlung einst sicherlich dazu gedient, den lokalen Widerstand gegen die Gründung zu verhindern. Thukydides’ literarische Behandlung der gegnerischen Beteiligten an seinem folgenschweren Scheitern vor Amphipolis in seinem Geschichtswerk insgesamt fiel diametral aus: Brasidas wurde zweckgerichtet überhöht, Perdikkas’ Bild geschwärzt. An keiner Stelle wird dies deutlicher als bei der Schilderung des zweiten Lynkestiszugs. Was scheinbar nüchtern daherkommt, ist ein Beispiel dafür, wie in griechischer Literatur ein unfähiger Feldherr dargestellt wurde.1052 Es erscheint kaum als Zufall, dass es sich um Perdikkas’ nächstes Auftreten bei Thukydides nach seinem Agieren vor Amphipolis handelt.1053
Der zweite Lynkestis-Zug oder: Thukydides’ Abqualifizierung von Perdikkas als Feldherr 423, während eines einjährigen Waffenstillstands zwischen Athen und Sparta,1054 begaben sich Perdikkas und Brasidas erneut auf Feldzug gegen die Lyn........................................................................................................................................................................... 64, der auch vermutet, dass Thukydides einen Teil seiner Kindheit und Jugend in Thrakien verbracht habe. 1050 Vgl. Kallet-Marx 1993, 174–175. Dagegen hält Will 2015, 64 den Bericht für authentisch, ebenso Kagan 1974, 296. 1051 Thuk. 4,103,4–5. 106.1; [Dem.] 12,21; Diod. 12,32,3. Vgl. Sears 2013, 78; Mari 2010, 395–396, A. 20, 407, A. 65; Brock 2009, 159; Tiverios 2008, 72; Kallet-Marx 1993, 173; Borza 1990, 136; Pesely 1989, 195–196; Isaac 1986, 38–40, 42; Hammond/Griffith 1979, 119; Kagan 1974, 294; Quinn 1964, 260–261. Schmitz 1988, 112, A. 149 verweist zudem auf die wenigen Hopliten in Amphipolis. Zu Argilos und der Beziehung zu Tragilos vgl. Tiverios 2008, 70. Gegen Thukydides’ Anschuldigung argumentiert Pesely 1989, 198, 196: „The loss of Amphipolis in 424/3 cannot fairly be blamed on Hagnon’s disposition in 437/6“. 1052 Pace Westlake 1968, 157: „Thucydides evidently found the campaign in Lyncestis interesting chiefly because of its military lessons“.Auch die These von Will 2015, 164, „Thukydides ist in seinen Schlachtbeschreibungen kühl, genau und emotionslos“, trifft hinsichtlich des Kampfgeschehens im zweiten Lynkestiszug nicht zu. Zum guten Feldherrn: Xen. Mem. 3,1,6–7. 1053 Betrachtet man Thukydides’ Berichterstattung über Perdikkas insgesamt, ergibt sich der Eindruck, dass er nur einmal in militärstrategischen Dingen wirklich erfolgreich war: eben vor Amphipolis als Schützenhilfe von Brasidas, der unaufhaltsamen Kraft. Allerdings trat Perdikkas dabei in Thukydides’ Bericht auch nur im Hintergrund in Erscheinung. 1054 Thuk. 4,117,1–119,3; Diod. 12,72,5–6. Vgl. Kagan 1974, 305. Er wurde bald wegen des Streits um Skione obsolet.
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kestis.1055 Das temenidische Ziel lässt sich erahnen: Das Gebiet sollte unter Perdikkas’ Kontrolle kommen; Arrabaios sollte eliminiert oder wenigstens abgesetzt werden. Thukydides verliert kein Wort darüber, wie es zu dem zweiten Anlauf gekommen war. Sein letzter Stand zur lynkestischen causa war, dass Brasidas der Meinung war, mit der forcierten Versöhnung zwischen Perdikkas und Arrabaios der Sache Genüge getan zu haben.1056 In der Zwischenzeit musste sich etwas ereignet haben, das zu einer Meinungsänderung geführt hatte. Entweder hatte Arrabaios die Versöhnung torpediert oder auf spartanischer Seite hatte man im Wissen, dass das Resultat des ersten Lynkestiszugs den Bündnisvereinbarungen widersprochen hatte, entschieden, dem enttäuschten Alliierten für seine erbrachten Leistungen Genüge zu tun.1057 In jedem Fall hatte sich Perdikkas trotz der Düpierung durch Brasidas bei der Arrabaios-Affäre als Bündnispartner standhaft bewährt und sollte als Zahlmeister sicherlich bei der Stange gehalten werden. In der Forschung wird die Möglichkeit, dass es sich um die Erfüllung einer Bündnisvereinbarung handelt, nicht diskutiert.1058 Als Grund für Brasidas’ Beteiligung am Lynkestiszug gilt die makedonische Finanzspritze.1059 Teilweise wird Perdikkas als regelrechter Erpresser dargestellt, der Brasidas mit Drohungen, die Heeresversorgung weiter zu kürzen oder ganz zu streichen, seinen Willen aufgezwungen habe.1060 Dabei konnte Brasidas die Kampagne nutzen, ............................................ 1055 Thuk. 4,124,1–2. Vgl. Roisman 2010a, 151. Fragt man, warum Thukydides Interesse hatte, diesen Zug zu schildern, der auf den ersten Blick wenig mit dem Peloponnesischen Krieg und mit seiner athenischen Perspektive zu tun hatte, könnte man argumentieren, dass er doch athenische Interessen berührte. Erstens war Brasidas’ Abwesenheit, wie Thukydides betont, für die Situation in Mende und Skione relevant, zweitens kam es nach dem Feldzug zu einer erneuten Allianz von Perdikkas mit Athen und drittens existiert das fragmentarische inschriftliche Zeugnis eines Friedensvertrags, bei dem Athen einen Allianzschluss zwischen Perdikkas und Arrabaios von Lynkestis offenbar als Mediator ins Werk setzte. Insofern hatten auch Thukydides’ athenische Rezipienten ein Interesse an den Ereignissen. 1056 Thuk. 4,83,3–4. 1057 Pace Giuliodori 2004, 58, die davon ausgeht, dass Arrabaios danach nicht weiter provoziert habe. Da die Quellen fehlen, lässt sich dies nicht verifizieren. 1058 Exemplarisch vgl. Hammond/Griffith 1979, 130 über Perdikkas: „he got his way, although Thucydides does not say by what means“. Das war auch nicht nötig, da er zuvor auf die Bündnisvereinbarungen zwischen Perdikkas und Sparta hingewiesen hatte (Thuk. 4,83,5–6). Borza 1987, 43 spricht sogar davon, dass Perdikkas die Freundschaft mit Brasidas auszunutzen versucht habe. Siehe auch Borza 1990, 152. 1059 Vgl. Nichols 2015, 98; Hawthorn 2014, 135 (der als zweite Möglichkeit Ratlosigkeit angibt); Prandi 2004, 101; Giuliodori 2004, 59. 1060 Vgl. Westlake 1968, 156–157. Gefolgt von Kagan 1974, 310 und Cole 1974, 68. Westlake zufolge habe Brasidas ihn vergeblich gebeten, ihm dies zu ersparen. Thukydides habe davon nichts geschrieben, um Brasidas nicht schlecht dastehen zu lassen. Dies sind Spekulationen, die zudem nicht unbedingt schlüssig sind. So kommt Brasidas als Feldherr beim zweiten Lynkestiszug auch nur teilweise gut weg (ebenso gesehen von Prandi 2004, 101). Thukydides, der ihn gegenüber den chalkidischen Städten als Demagogen darstellt (vgl. Hornblower 1996, 58), hatte kein Pro-
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um Zwänge für einen operierenden Truppenführer zu beheben. Der Zug konnte für kriegerische Ablenkung in Zeiten des Waffenstillstands sorgen, um die Disziplin und Truppenmoral nicht leiden zu lassen.1061 Zudem konnte er Plünderungen als motivierende, loyalitätserhaltende Maßnahme ermöglichen, die im Reich von Perdikkas nicht möglich waren, ebenso wenig wie in den erfolgreich zum Abfall bewogenen chalkidischen Städten – stilisierte sich Brasidas doch als Befreier von der athenischen Herrschaft. In der Lynkestis, an die Sparta nicht gebunden war, war die Bahn frei für Plünderungen, um den Soldaten ein Erfolgserlebnis zu bescheren. Es kam indes nicht zum Erfolg. Unstimmigkeiten zwischen den Feldherren sollen der Auslöser gewesen sein. Es begann demnach mit einem vorläufigen Sieg: Die Armeen standen sich auf Hügeln gegenüber und trafen sich zur Feldschlacht im Tal. Über Perdikkas’ Heer ist zu erfahren, dass es aus Makedonen bestand, die zu seinem Reich gehörten, und Hopliten aus den Städten seines Einflussbereichs.1062 Brasidas führte spartanische und chalkidische Truppen an. Insgesamt sei das Heer von vielen „Barbaren“ komplettiert worden.1063 Hatzopoulos geht davon aus, dass es sich um nicht-griechische (makedonische oder thrakische) Verbündete von Perdikkas handelte.1064 Die Kavallerieeinheiten eröffneten den Kampf; es folgten die Hopliten der Lynkesten. Daraufhin rückten auch Brasidas und Perdikkas vor und fügten dem Gegner schwere Verluste zu.1065 Da ein Temenidenherrscher üblicherweise in erster Reihe mitkämpfte,1066 fragt man sich, wieso Perdikkas nicht bei der initialen Reiterschlacht mit von der Partie war, sondern erst später in die Schlacht ging. Laut Thukydides folgte dem Sieg nichts weiter als die Errichtung eines Tropaion.1067 Dies widerspricht der – wenngleich umstrittenen – Tradition bei Pausanias, wonach die Temeniden, selbst ........................................................................................................................................................................... blem damit, seinen Stern nicht kontinuierlich so strahlend hell scheinen zu lassen wie vor Amphipolis. 1061 Vgl. Hamel 1998, 71 mit Verweis auf zwei Fälle bei Thukydides – Demosthenes und Sphakteria 425/4 sowie Kleon und Amphipolis 422/1 (4,29,2; 5,7,2) –, bei denen Generäle sich auch von dem Kampfeifer ihrer Truppen bestimmen ließen. 1062 Vgl. Hatzopoulos 1996a, 171, m. A. 1–2, 469: Die Reiterei sei mit Repräsentanten Niedermakedoniens besetzt gewesen, eventuell noch mit obermakedonischen Verbündeten; dies sei die makedonische Kerntruppe gewesen. 1063 Thuk. 4,124,1. Hatzopoulos 1996a, 108, A. 1, 171, A. 1–2 (Hopliten aus den erst später angegliederten Gebieten wie Mygdonia seien gemeint), 469, m. A. 4 („‚Thracian‘ theoretically allied contingents“). Siehe auch Sekunda 2010, 448 zu dieser Frage; Zahrnt 2006a, 594–595. 1064 Vgl. Hatzopoulos 1996a, 171, m. A. 2, 267. 1065 Thuk. 1,124,2–3. Vgl. Hammond/Griffith 1979, 130. 1066 Philipp II.: Dem. 11,22, 18,67–68; Polyain. 4,2,1; Alexander: Plut. Alex. 45,2–4. 1067 Thuk. 4,124,3–4.
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Philipp II. und Alexander III., niemals Tropaia errichtet hätten.1068 Zwei oder drei Tage verstrichen, während die Heerführer vergeblich auf das Eintreffen der illyrischen Söldner warteten, die von Perdikkas engagiert worden, aber zu Arrabaios übergelaufen waren.1069 Indirekt wird damit kritisiert, dass Perdikkas kein Gespür bewiesen, die falschen Söldner engagiert und offenbar noch so schlecht bezahlt hatte, dass sie vom Gegner leicht abzuwerben waren.1070 Laut Thukydides drängte Perdikkas darauf, vorzurücken und Arrabaios’ komai anzugreifen.1071 Brasidas, der die Lage offenbar besser einschätzen konnte, obwohl er in fremdem Gebiet operierte, stoppte ihn mit dem Hinweis auf die fehlenden Söldner. Doch auch er wird von Thukydides in dieser Passage nicht als der überragende Feldherr wie zuvor geschildert: Brasidas konzentrierte sich nicht auf seine Mission und war in Gedanken bei Mende,1072 einem wichtigen Ex-Seebundmitglied in Nachbarschaft zum Zankapfel Skione, dem die Rückeroberung durch Athen drohte.1073 Er ließ sich zudem auf einen Streit mit Perdikkas ein. Zwietracht in der militärischen Führungsspitze bei einem schwierigen Feldzug auf unbekanntem Terrain war ein Missstand, den der gute Feldherr zu vermeiden versucht hätte:
............................................ 1068 Paus. 9,40,7–9. Er berichtet von einem mythischen Vorfall: Der Reichsgründer Karanos (Protagonist einer der späteren Varianten der Aufstiegsgeschichte der Temeniden) habe nach seinem Sieg gegen den im Grenzgebiet hausenden Herrscher Kisseos nach argivischer Sitte ein Tropaion errichtet, das jedoch von einem Löwen, der aus dem Olymposgebirge herabgekommen sei, beseitigt worden sei. Der Löwe sei danach verschwunden. Karanos habe eingesehen, dass er mit einer solchen Errichtung eines Tropaion nur den Unwillen der benachbarten „Barbaren“ weckte. Deshalb verzichteten er und alle seine Nachfolger künftig darauf. Vgl. Hammond/Griffith 1979, 130, A. 2: Es dominierte demnach die griechische Tradition, somit die von Brasidas’ Truppen. Sollte die Legende um Karanos auf eine genuine makedonische Vorstellung zurückgehen und die Errichtung des Tropaion nach dem Sieg gegen Arrabaios authentisch gewesen sein, konnten Makedonen aus den nachfolgenden Ereignissen den Schluss ziehen, dass das Unheil durch die Griechen heraufbeschworen worden war, das prompt über den Zug kam. Somit wäre Perdikkas entschuldigt gewesen. 1069 Thuk. 4,124,4–125,1. Vgl. Griffith 1935, 8. Das Engagement von Söldnern sieht er für die Temeniden als eher unüblich an. Erst Philipp II. habe wieder Söldner engagiert. 1070 Als kleine Randnotiz sei auf die Feststellung von Griffith 1935, 10 verwiesen, dass nach diesem Vorfall in der Lynkestis keine Evidenz mehr zu finden ist, dass ein Temenide illyrische Söldner angeheuert hätte – bis zu Alexander III. 1071 Hornblower 1996, 393 spricht den Widerspruch zwischen den komai der Lynkestis an (erklärt von Hammond/Griffith 1972, 103: Perdikkas hätte nur die Möglichkeit gehabt, diese komai zu zerstören, wenn sich die Lynkesten in die Berge geflüchtet hätten) und ihren Hopliten, die mit der Polis verbunden gewesen seien. Ebenso Zahrnt 2006a, 595. 1072 Thuk. 4,124,4. Vgl. Tritle 2010, 106–107. Zu Mende siehe auch Zahrnt 1971, 20, A. 73. 1073 Thuk. 4,123,1–4; Diod. 12,72,7–9. Athen hatte auf den Abfall von Mende und der Nachbarstadt Skione heftig reagiert. Brasidas hatte als Vorsorgemaßnahme Frauen und Kinder nach Olynthos evakuieren lassen. Vgl. Geske 2005, 136–138; Lewis 1992, 428–429. Als Brasidas dann nach Mende kam, war es schon zu spät; Athen hatte es eingenommen und belagerte Skione (Thuk. 4,129,1–130,7. Vgl. Tritle 2010, 111. Zum Feldzug siehe Geske 2005, 136–141.
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καὶ ἐν τούτῳ διαφερομένων αὐτῶν ἠγγέλθη ὅτι οἱ Ἰλλυριοὶ μετ᾽ Ἀρραβαίου προδόντες Περδίκκαν γεγένηνται: ὥστε ἤδη ἀμφοτέροις μὲν δοκοῦν ἀναχωρεῖν διὰ τὸ δέος αὐτῶν ὄντων ἀνθρώπων μαχίμων, κυρωθὲν δὲ οὐδὲν ἐκ τῆς διαφορᾶς ὁπηνίκα χρὴ ὁρμᾶσθαι, Während sie sich darüber nicht einigten, kam die Nachricht, dass die Illyrer Perdikkas im Stich gelassen und sich Arrabaios angeschlossen hätten; daher hielten nun beide den Rückzug für gut, weil sie jene kämpferischen Männer fürchteten. Doch wegen ihrer Meinungsverschiedenheiten wurde nicht ausgemacht, wann man aufbrechen sollte.1074
Mary Nichols argumentiert, Thukydides zeige eine Kluft zwischen Brasidas’ Selbstinszenierung als Befreier der griechischen Städte und der logistischen Zwänge der Heeresversorgung auf, die ihn genötigt hätten, mit jemandem wie Perdikkas zu kooperieren. Daraufhin sei es abwärts gegangen: „His Lyncestian campaign is the beginning of the end of his Thracian one“.1075 Man einigte sich schließlich auf den Rückzug – aus dem wenig glorreichen Grund der Furcht vor dem Gegner.1076 In verantwortungsloser Unorganisiertheit wurde aber angeblich die Verständigung über den Abmarsch versäumt. Thukydides’ Erklärung, Brasidas’ und Perdikkas’ Meinungsverschiedenheiten seien schuld,1077 überzeugt nicht, da er zugleich berichtet, sie seien sich über den dringlichen Rückzug einig gewesen.1078 So fragt man sich, welche anderen Konfliktpunkte, die angesichts der unmittelbaren Bedrohung, die Thukydides so betont, doch sekundär waren, die Priorität vor der Planung des gesicherten Abzugs gewonnen haben sollten.1079 Da es bezüglich des Rückmarschs, dem Hauptpunkt ihrer ausgehandelten Agenda, keinen Streit gab, ist nicht nachzuvollziehen, wie sie vergessen haben sollten, genau diesen zu besprechen. Es war mit gegnerischen Überfällen zu rechnen; beide waren laut Thukydides ............................................ 1074 Thuk. 4,125,1. Übers. H. Vretska. 1075 Nichols 2015, 98. 1076 Thuk. 4,125,1. 1077 Thuk. 4,125,1. 1078 Thuk. 4,125,1. 1079 Thukydides sagt es nicht direkt, aber aus seinem vorangegangenen Bericht könnte man schließen, dass es um gegenseitige Schuldzuweisungen bezüglich des drohenden Scheiterns gegangen sein könnte: Perdikkas mag Brasidas vorgeworfen haben, den anfänglichen Sieg durch sein Abwarten verspielt zu haben (und vielleicht auch den ersten Lynkestiszug noch einmal aufs Tapet gebracht haben). Brasidas könnte im Gegenzug Perdikkas beschuldigt haben, die Söldneranwerbung nicht gut genug vorbereitet zu haben (und eventuell die gesenkte Versorgung seiner Truppen angesprochen haben).
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deswegen in Sorge und sollten dennoch beschlossen haben, erst einmal eine Nacht darüber zu schlafen und dann weiterzusehen, wie sie der Gefahr entkommen wollten. Dies erscheint widersprüchlich und unglaubhaft. Divenhaft schmollend sollen sich die beiden Feldherren mit ihren Truppen in möglichst weiter Distanz zueinander zur Nachtruhe begeben haben –1080 für einen koordinierten gemeinsamen Rückzug auch nicht praktisch. Es hat den Anschein, als seien die mangelnde Absprache und weite räumliche Trennung der beiden Heerlager in den Bericht hinzugefügt worden, um zu erklären, wie es zu der folgenden Szene kommen konnte: νυκτός τε ἐπιγενομένης, οἱ μὲν Μακεδόνες καὶ τὸ πλῆθος τῶν βαρβάρων εὐθὺς φοβηθέντες, ὅπερ φιλεῖ μεγάλα στρατόπεδα ἀσαφῶς ἐκπλήγνυσθαι, καὶ νομίσαντες πολλαπλασίους μὲν ἢ ἦλθον ἐπιέναι, ὅσον δὲ οὔπω παρεῖναι, καταστάντες ἐς αἰφνίδιον φυγὴν ἐχώρουν ἐπ᾽ οἴκου, καὶ τὸν Περδίκκαν τὸ πρῶτον οὐκ αἰσθανόμενον, ὡς ἔγνω, ἠνάγκασαν πρὶν τὸν Βρασίδαν ἰδεῖν(ἄπωθεν γὰρ πολὺ ἀλλήλων ἐστρατοπεδεύοντο) προαπελθεῖν. Als die Nacht hereinbrach, befiel die Makedonen und die Masse der Barbaren eine plötzliche Panik – wie sich denn große Heere oft ohne ersichtlichen Grund erschrecken – und im Glauben, die Feinde seien noch viel zahlreicher, als sie wirklich waren, und würden im nächsten Augenblick über die herfallen, traten sie zu einer überstürzten Flucht an und entwichen nach Hause. Perdikkas, der das zuerst gar nicht mitbekommen hatte, zwangen sie, als er begriff, was vorging, voraus abzuziehen, noch ehe er mit Brasidas Kontakt aufnehmen konnte. Denn sie lagerten weit voneinander entfernt.1081
Die Distanz muss beträchtlich gewesen sein und Brasidas und seine Soldaten müssen einen besonders tiefen Schlaf gehabt haben, wenn sie nicht mitbekamen, dass in der Stille der Nacht Perdikkas’ gesamtes Heer in Panik geriet, das Lager abbaute und Hals über Kopf mit Pferden, Tross, Gepäck und sogar Ochsengespannen – wie Thukydides später mitteilt –1082 losstürzte. Es ist schwer vorstellbar, wie diese Aktion leise vor sich gegangen sein sollte. Dies musste umso mehr in griechischer Perspektive zutreffen: Panische „Barbaren“, die in ............................................ 1080 Thuk. 4,125,1. 1081 Thuk. 4,125,1. Übers. H. Vretska. Zur Problematik, wen Thukydides mit barbaroi meint, vgl. Xydopoulos 2007b, 7–9, 14; Zahrnt 2006a, 595–595; Hornblower 1996, 390– 393; Borza 1990, 152, A. 53. Zur polemischen Note der Erwähnung des Aberglaubens vgl. Hornblower 1996, 394. 1082 Thuk. 4,128,4.
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heller Furcht aufbrachen, stellte man sich vermutlich nicht schweigend und auf Zehenspitzen schleichend vor – gerade angesichts des traditionellen Topos ihrer Unbeherrschtheit, Emotionalität, Hang zur Lautstärke und Unfähigkeit, Disziplin und Ordnung zu halten. Die illyrischen „Barbaren“, mit denen es Brasidas am nächsten Tag zu tun bekam, zeichneten sich jedenfalls durch gewaltigen Lärm und großes Geschrei aus.1083 Auch stellt sich die Frage, wie leise eine Kavallerie von ungefähr 1000 Reitern1084 mitten in der Nacht fliehen konnte. In der Eile des hektischen Aufbruchs blieb sicherlich keine Zeit, die Pferdehufe mit Stoff zu umwickeln. Zudem wundert man sich, wie eine so strikte Trennung der Heerlager mit der Anmutung einer Kontaktsperre bei verbündeten Truppen praktisch umsetzbar war und ob in Brasidas’ Camp wirklich ausnahmslos jeder im Tiefschlaf lag. Dramatisch zugespitzt erscheint auch die Szene, als Brasidas den nächsten Morgen ahnungslos begann und sich und sein Heer von Arrabaios’ illyrischen Söldnern umzingelt fand, die sich zum Kampf aufgestellt hatten. Sie nutzten aber ihre auf dem Silbertablett servierte Chance zum Überraschungsangriff nicht. Warum sie es versäumten, erklärt Thukydides nicht. Der Vorteil eines Überraschungsangriffs auf ein unvorbereitetes Lager muss den Söldnern als Kriegsprofis ebenso bewusst gewesen sein wie Thukydides’ Rezipienten. So schildert etwa Herodot, wie Peisistratos bei seiner dritten Rückkehr nach Athen die frühmorgendliche Sorglosigkeit des Heers bei Frühstück und Start in den Tag erfolgreich ausnutzte.1085 Bei der Schlacht von Aigospotamoi 405 führte der spartanische Befehlshaber Lysandros die lagernden Athener mit geschickten Antäuschungsmanövern solange in die Irre, bis sie ihre Wachsamkeit schleifen ließen und er sie am fünften Tag unvorbereitet erwischte.1086 Doch Arrabaios’ Truppen ließen den Moment der Überrumpelung des Gegners verstreichen. Thukydides lässt indes im Folgenden jedoch keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie Brasidas’ Heer vernichten wollten.1087 Eine Erklärung wäre, dass die illyrischen Söldner nicht auf einen handstreichartigen Überfall des Lagers setzen wollten. Sie konnten erkannt haben, dass das Heer des Gegners dezimiert war, weil sich der makedonische Teil ............................................ 1083 Thuk. 4,126,5 (Brasidas bezeichnet ihr Geschrei als unerträglich laut). 127,1. 1084 Thuk. 4,124,1. 1085 Hdt. 1,62–64. Vgl. de Libero 1996, 61–62, die indes Zweifel an der allzu großen Sorglosigkeit anmeldet. 1086 Xen. Hell. 2,1,27–28; Diod. 13,105–106; Plut. Lys. 11. Vgl. Cartledge 2003, 205. Zu römischen Beispielen des überraschenden Angriffs: Front. 3,1,1. 1087 Thuk. 4,127,-128,1.
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bereits auf dem Rückweg befand. In der Erwartung, dass Brasidas’ Truppen den Makedonen folgen würden, könnten sie beschlossen haben, diese erst in der Marschposition anzugreifen. Vielleicht rechneten sie damit, dass die Truppen dann in der Kolonne an den Flanken verwundbarer und somit insgesamt leichter aufzureiben waren. Anders lässt sich kaum erklären, dass sie Brasidas die nötige Zeit ließen, damit er über den Rückzug nachdenken, seine Truppen in Stellung bringen und sogar noch eine – wenn auch eilige –1088 Ansprache an die „Männer aus der Peloponnes“,1089 halten konnte.1090 Arrabaios’ Truppen griffen erst an, als Brasidas aufbrach. Eine alternative Erklärung wäre, dass auch diese Schilderung von Thukydides mehr von „Barbaren“-Topik als von Fakten geprägt oder zumindest stark danach geformt sein könnte. So galt es als charakteristisch für einen „Barbaren“ im Kampf, dass er dem Gegner nicht zuvorkam und die Initiative ergriff, sondern aufgrund seiner Unfähigkeit, erga mit logoi zusammenzubringen, lediglich reagieren konnte – dies meist unorganisiert, planlos, ungeordnet und zu spät.1091 Vor einer solchen topischen Folie – sollte Thukydides sie angelegt haben – erschiene das Verhalten der illyrischen Söldner jedenfalls „mustergültig“: Eigeninitiative war ihnen nicht gegeben; sie warteten stumpf ab, bis der Gegner sich rührte, um erst dann, prompt mit lautem Geschrei, zu reagieren – instinktiv statt rational und überlegt. Damit verpassten sie ihre Chance und gaben ihren Vorteil aus der Hand: Brasidas konterte Angriffe und Tücken und schaffte es, seine Leute sicher aus der Gefahrenzone zurück in Perdikkas’ Reich zu bringen.1092 So stellt es Thukydides jedenfalls dar. Auch dieses Verlaufen im Sand der Bedrohung durch Arrabaios’ Truppen, sobald die Grenze zu Perdikkas’ Reich mit Arnisa, dem als zu ihm loyal cha-
............................................ 1088 Cartledge 2003, 188 sieht dagegen die Kürze nicht als Hinweis auf Eile, sondern als „suitably laconic“ an. 1089 Leppin 1999, 204 identifiziert sie als ein Elitekorps. 1090 Thuk. 4,125–126. Vgl. Hornblower 1996, 395–400. Zur Debatte, ob er dabei eine Verfassungstypologie erstelle, vgl. Leppin 1999, 202–206: Er habe nur sagen wollen, dass sie als Peloponnesier ohnehin schon stets der Situation ausgesetzt seien, von einer Masse Fremder bedrängt zu werden. Zur Formung von Thukydides’ Reden siehe Fragoulaki 2016, 113. 1091 Anschaulich legt dies Dem. 4,40–41 dar, zwar fast ein Jahrhundert später, aber basierend auf traditionellen literarischen Topoi. Er wirft den Athenern vor, sich in der Kriegsführung gegen Philipp anzustellen wie ein barbaros beim Ringkampf. Dieser lasse sich vom Gegner kontrollieren und könne nur ungeschickt und planlos kontern. Vgl. Mader 2003, 63–64. Den Gegensatz zum planlos agierenden „Barbaren“ bildet Brasidas bei Thukydides, der erga und logos vorbildlich verbinden kann, vgl. Hornblower 1996, 395. 1092 Thuk. 4,127,2–128,3.
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rakterisierten Grenzort in Eordaia,1093 überschritten wurde, stimmt nachdenklich. Selbst an der Peripherie seines Reichs war seine Herrschaft demnach gefestigt genug, um sich wie ein Schutzmantel über die (noch) Verbündeten auszubreiten. Ihre Wut über ihre geflohenen Verbündeten ließen die spartanischen Soldaten an zurückgebliebenen Zugtieren des Trosses und verlorenem Gepäck aus.1094 Immerhin könnte dies ein indirekter Hinweis sein, dass es Brasidas bei dem Lynkestiszug auch um die Chance gegangen war, seine Soldaten plündern zu lassen. Allerdings war es nicht die erhoffte großräumigere Plünderungsaktion nach einem Erfolg, sondern nur die Notlösung im bescheidenen Rahmen. Eventuell hatten Brasidas und Perdikkas abgesprochen, aus Sicherheitsgründen ihre Truppen für den Rückzug zu trennen und nicht als schwerer manövrierbare Riesenzielscheibe gemeinsam zu gehen und Gefahr zu laufen, eingekesselt zu werden. Die Makedonen hätten dann den Marsch zuerst angetreten, um als Vorhut den Weg zu sichern, da sie sich besser auskannten als die Griechen.1095 Ob dies nun in der Nacht geschah, sei dahingestellt. Die spartanischen Truppen könnten als Nachhut und Rückendeckung nachgekommen sein. Die illyrischen Söldner mögen sich beim Angriff auf sie konzentriert haben, weswegen die Tradition aufkam, die Makedonen seien geflüchtet und hätten Brasidas’ Truppen dem Feind überlassen. Doch ist dies Spekulation. Klar wird, wie Thukydides traditionelle Stereotypen der Gegnerdiffamierung einsetzt, wie sie insbesondere von griechischen Literaten auf „Barbaren“ übertragen wurden: Feigheit, Fluchtaffinität, Unordnung, Disziplinmangel und Täuschung. Alle Verhaltensweisen, die Brasidas in seiner Truppenansprache den gegnerischen „Barbaren“ zuschreibt, werden durch Perdikkas und sein Heer personifiziert – ebenso wie durch die illyrischen Söldner:1096 ............................................ 1093 Thuk. 4,128,3. Vgl. Hammond 1995, 121; Borza 1990, 152, A. 54. Zur Lokalisierung in Eordaia vgl. Hatzopoulos/Paschidis 2004, 796 (unter der Kategorie: ‚Pre-Hellenistic Settlements not attested as poleis‘); Hatzopoulos 1996a, 94, A. 4; Borza 1990, 152, A.54 (Eordaia). 1094 Thuk. 4,125,1–128,4. 1095 Brasidas’ Truppen waren beim ersten Lynkestis-Zug gar nicht in die Lynkestis vorgedrungen (Thuk. 4,83,6). 1096 Zu der exakten Entsprechung von Redeinhalt und folgendem Kampfverhalten der Illyrer vgl. Hornblower 1996, 401. Es ist Xydopoulos 2007b, 7–9 zwar zuzustimmen, dass Thukydides, der den Begriff barbaros uneinheitlich benutzt, die Makedonen in dieser Schilderung von den barbaroi unterscheidet. Siehe auch Hornblower 1996, 390–393; Xydopoulos 2006. Doch unterscheidet er sie nicht in ihrem panischen, ungeordneten, undisziplinierten Fluchtverhalten. Diesbezüglich macht er keinen Unterschied. Zur abwertenden Darstellung siehe auch Brunt 1976, 151. Zur inkonsistenten, kontextabhängigen Verwendung von barbaros in griechischen Quellen vgl. Hall 1989, 6. Es handelte sich um ein politisiertes, ideologisches Konstrukt, das je nach Intention angewendet wurde, daher auch in sehr heterogener, nicht strikt zu klassifizierender Weise. Ethnizität ist daran schwer abzulesen.
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οὗτοι δὲ τὴν μέλλησιν μὲν ἔχουσι τοῖς ἀπείροις φοβεράν: καὶ γὰρ πλήθει ὄψεως δεινοὶ καὶ βοῆς μεγέθει ἀφόρητοι, ἥ τε διὰ κενῆς ἐπανάσεισις τῶν ὅπλων ἔχει τινὰ δήλωσιν ἀπειλῆς. προσμεῖξαι δὲ τοῖς ὑπομένουσιν αὐτὰ οὐχ ὁμοῖοι: οὔτε γὰρ τάξιν ἔχοντες αἰσχυνθεῖεν ἂν λιπεῖν τινὰ χώραν βιαζόμενοι ἥ τε φυγὴ καὶ ἡ ἔφοδος αὐτῶν ἴσην ἔχουσα δόξαν τοῦ καλοῦ ἀνεξέλεγκτον καὶ τὸ ἀνδρεῖον ἔχει (αὐτοκράτωρ δὲ μάχη μάλιστ᾽ ἂν καὶ πρόφασιν τοῦ σῴζεσθαί τινι πρεπόντως πορίσειε, τοῦ τε ἐς χεῖρας ἐλθεῖν πιστότερον τὸ ἐκφοβῆσαι ὑμᾶς ἀκινδύνως ἡγοῦνται: ἐκείνῳ γὰρ ἂν πρὸ τούτου ἐχρῶντο. Denn sie halten keine Aufstellung ein und würden sich nicht scheuen, in Bedrängnis von jeglichem Platz zu weichen; sowohl Flucht als auch Angriff hat bei ihnen den gleichen ehrenvollen Stellenwert, und ihre Tapferkeit hat etwas Unbeweisbares. Ihre Kampfweise, bei der jeder sein eigener Kommandant ist, bietet wohl leicht jemandem den Vorwand, sich auf anständige Weise zu retten. Anstatt sich ins Handgemenge zu stürzen, halten sie es für sicherer, euch aus der Entfernung gefahrlos zu erschrecken.1097
In antiker Literatur ist der Zustand des Heers Spiegelbild der Fähigkeiten des Feldherrn; von der Beschreibung der Truppenmoral kann man auf die Porträtanlage des Anführers schließen. Brasidas schaffte es, in höchster Bedrohung, verlassen von den Verbündeten, umzingelt vom zahlenmäßig überlegenen Gegner, auf fremdem Gebiet seine Truppen zu motivieren und sich im geordneten Rückzug aus der Gefahrenzone herauszukämpfen. Jeder Zug von Nachlässigkeit, Unaufmerksamkeit und Divenhaftigkeit ist in dieser Phase verschwunden. Brasidas war hellwach, auf der Höhe der Situation, bewahrte kühlen Kopf, sorgte für Disziplin und Kampfgeist, erkannte vorausschauend den Hinterhalt und erwies sich in dieser Phase des Feldzugs als vorbildlicher Stratege: „a first-class piece of professional soldiering“.1098 Seine Darstellung fällt unter anderem so positiv aus, weil Thukydides, der oft durch Vergleiche als Stilmittel Aussagen machte,1099 ihn zur Kontrastfigur zu Perdikkas gestaltet, dem schlechten Feldherrn: Erstens hatte er seine Truppen so ungenügend motiviert, dass das Gerücht von der feindlichen Riesenschar sich verbreiten und Panik auslösen konnte. Zweitens hatte er so wenig Gespür für sie, dass er erst erkannte, was vorging, als der überhastete Aufbruch ............................................ 1097 Thuk. 4,126,5. Übers. H. Vretska. 1098 Hornblower 1996, 58. Vgl. Hammond/Griffith 1972, 104–108. 1099 Vgl. Kallet 1993, 124.
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schon im Gang war. Drittens hatten sie so wenig Disziplin, dass sie wie ein Haufen kopfloser Hühner in irrationaler Furcht agierten. Viertens gelang es ihm auch nicht mehr, sie unter Kontrolle zu bringen – ein Beleg mangelnder Autorität und Führungsqualitäten. Vielmehr drückten sie ihm – dem Herrscher und Feldherrn – in einer Inversion der Befehlsstrukturen ihren Willen auf: Sie hinderten ihn daran, sich an Brasidas zu wenden, und zwangen ihn, mit ihnen zu fliehen. Wer sich von seinen Soldaten so auf der Nase herumtanzen ließ, hatte als Feldherr gründlich versagt. Eine Parallele findet sich signifikanterweise in Thukydides’ Beschreibung von Kleons Debakel vor Amphipolis, als er sich ebenfalls dem Willen seiner ungebändigten Soldaten beugte, ohne genügende Vorbereitung angriff und in sein Verderben rannte.1100 Debra Hamel stellt zudem heraus, dass Untergebene, welche die Entscheidungen ihrer Generäle (direkt oder indirekt) beeinflussen, bei Thukydides gleich vier Mal bei seiner Beschreibung der Sizilischen Expedition vorkommen.1101 Zudem mag der Rezipient noch als Kontrastfolie in Erinnerung gehabt haben, wie Brasidas selbst einen Nachtmarsch mit seinen Truppen (gegen Amphipolis) unternommen hatte: zielgerichtet, planvoll, geordnet,1102 ironischerweise mit Perdikkas im Gefolge.1103 Dennoch gilt Thukydides’ Bericht zumeist als authentisch,1104 häufig auch als Beleg für die dringende Notwendigkeit von Archelaos’ militärischen Reformen.1105 Die aufgezeigten Tendenzen mahnen indes zur Vorsicht. Thukydides wird keine makedonischen Quellen verwendet haben; es sieht vielmehr nach einseitigen, überzogenen spartanischen Informationen aus, die er mit seinem eigenen negativen Bild von Perdikkas kombinierte. Die makedonische Seite wird es sich nicht leicht gemacht haben, bevor sie den nächsten, durchaus problematischen Schritt ging: die Annäherung an ............................................ 1100 Thuk. 5,7,1–2. 1101 Vgl. Hamel 1998, 73. 1102 Thuk. 4,103,1. 1103 Thuk. 4,107,2. 1104 Vgl. Nichols 2015, 97–98; Hawthorn 2014, 135–136; Roisman 2010a, 152; Greenwalt 2010a, 282–283; Zahrnt 2006a, 594–595; Prandi 2004, 101; Giuliodori 2004, 59; Whitehorne 1994, 25; Borza 1990, 152–153; Hammond/Griffith 1979, 130–131; Kagan 1974, 310–311; Hammond/Griffith 1972, 104–108; Geyer 1937b, 599; Abel 1847, 186–187. 1105 Thuk. 2,100,2. Besonders hinsichtlich der Infanterie wird von Reformbedarf ausgegangen, vgl. Greenwalt 2015b, 41; Hatzopoulos 2011, 58; Bosworth 2010, 97; Zahrnt 2009, 9; Greenwalt 1999, 171–172; Hatzopoulos 1996a, 267, 469; Kaerst 1895a, 446–447; zudem in punkto Truppentraining und Bewaffnung: Borza 1990, 166, der jedoch zugleich einwendet, es sei nichts Ungewöhnliches gewesen, dass das makedonische Heer bei größeren militärischen Aktionen auf die Hilfe auswärtiger Einheiten setzte. Auch Sekunda 2010, 448–449 sieht Thukydides’ Lobeshymne auf Archelaos kritisch und geht eher von einem Niedergang der Infanterie unter Archelaos aus.
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Athen.1106 Als Grund wird in Anlehnung an Thukydides überwiegend ein rein persönliches Motiv von Perdikkas genannt: Verärgerung, Wut, Rachegelüste, gekränkter Stolz oder Hass auf Brasidas beziehungsweise Sparta.1107 Hammond tadelt Perdikkas sogar streng, dass er damit das Reich entscheidend geschwächt habe: „But Thucydides was correct to censure him for breaking with Sparta through his anger against Brasidas (…) for from then on he had no one to employ against Athens”.1108 Indes ist der Bündniswechsel nicht mit unbeherrschten Emotionen zu erklären. Das persönliche Zerwürfnis zwischen Perdikkas und Brasidas wird zu hoch stilisiert. Der Fokus auf die Befindlichkeiten einer Herrscherperson(a) entspricht zwar antiken Darstellungs-, Wahrnehmungs-, und Deutungsformen, doch kaum denen der faktischen Entscheidungsfindung. Gegenseitige Schuldzuweisungen, wer für das (erneute) Scheitern von Arrabaios’ Unterwerfung verantwortlich war, wird es sicherlich gegeben haben. Ausschlaggebend für das Ende des Bündnisses, dem auch die makedonischen Führungsriegen mehrheitlich zugestimmt haben werden, wird gewesen sein, dass sich der Kosten-Nutzen-Effekt nicht mehr rechnete. Offenbar war dabei Arrabaios’ Bezwingung höher veranschlagt worden als der spartanische Erfolg auf der Chalkidike, den es zu verzeichnen gab: Dafür, was in der Lynkestis erreicht worden war, war augenscheinlich selbst ein Drittel der Versorgungskosten für Brasidas’ Truppen zu viel. Vielleicht hatte man auf die Eroberung der Lynkestis gesetzt, um die Kosten ausgleichen und mögliche Kritiker des Bündnisses mit Sparta durch Beute zum Schweigen bringen zu können. Durch den Misserfolg war dies obsolet geworden. Von einem verlorenen Krieg gebeutelt, nunmehr ohne den spartanischen Alliierten, ohne Verlass auf die abgefallenen chalkidischen Städte, ohne fassbare Unterstützung von odrysischer Seite, blieb Perdikkas und seinen Führungsleuten wenig anderes übrig, als sich wieder Athen zuzuwenden.1109 Die Gegen............................................ 1106 Damit ging Makedonien einen politischen Schritt, dessen Richtung durch den folgenden NikiasFrieden sozusagen bestätigt wurde: Sparta hatte sich zwar als Alternative zu Athen angeboten, konnte dies aber langfristig nicht gewährleisten: Diod. 12,75,2. Vgl. Will 2015, 35–36; Welwei 2006, 530. 1107 Vgl. Whitehorne 1994, 25 (Hass); ebenso: Chambers 1993, 328; Borza 1990, 152–153 (Verärgerung). 1108 Hammond/Griffith 1979, 134. 1109 Geyer 1930, 70–73 nimmt an, der makedonischen Seite seien Bedenken wegen möglicher spartanischer Ambitionen auf die Chalkidike gekommen. Nach dem Friedensschluss mit Athen seien sie jedoch rasch zerstreut und wieder auf Athen projiziert worden. Indes ist nicht anzunehmen, dass die Makedonen sich darüber im Unklaren gewesen waren, wie die athenische Agenda aussah. Hawthorn 136, m. A. 8 sieht einen Grund für Athens Entschluss, sich wieder auf Perdikkas einzulassen, darin, dass dessen Schwager Seuthes wenige Wochen zuvor odrysischer
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allianz war gescheitert. Der schwierigen makedonischen Situation wird Gommes differenzierte, revidierte Lesung von Thuk. 4,128,5 gerecht. Es handelt sich um einen Gegenentwurf zur üblichen Deutung, Perdikkas habe seitdem für die Spartaner einen Hass gehegt, der seiner Gesinnung für die Athener nicht entsprochen habe, da er aufgrund von Athens Agieren in seinen Einflusszonen eigentlich Spartas natürlicher Verbündeter hätte sein müssen.1110 Gomme übersetzt stattdessen: τῶν δὲ ἀναγκαίων ξυμφόρων διαναστὰς ἔπρασσεν ὅτῳ τρόπῳ τάχιστα τοῖς μὲν ξυμβήσεται, τῶν δὲ ἀπαλλάξεται with regard to the Peloponnesians, while he had in his heart, owing to the activities of Athens, no deepseated hatred for them, he was compelled to forsake his own interests and come to terms with Athens and get rid of them.1111
Diese Lesung scheint angemessener hinsichtlich der Lage des Temenidenreichs.1112 Insgesamt kann man wohl auf Makedonien übertragen, was Kelly für Argos in jener Ära folgert: „Argive policy did not revolve around the dual poles of friendship for Athens and hatred for Sparta (…) Fifth-century Argive foreign policy, in short, can only be characterized as essentially pro-Argive“.1113
........................................................................................................................................................................... Herrscher geworden war. Auch Perdikkas sei im Bewusstsein der Allianz mit Seuthes, der athenischer Bündner gewesen sei, zu einer erneuten Verbindung mit Athen bewogen worden. Hawthorn sieht als weiteren Beleg, dass Perdikkas, als er Seuthes 418/7 nicht mehr als starken Verbündeten im Hintergrund gehabt habe, wieder von Athen abgerückt sei. Doch erstens erfolgten die Sezessionstendenzen, auf die er Bezug nimmt, wohl erst nach Seuthes’ Tod 410, vgl. Peter 1997, 80, 83. Zweitens ist unklar, wie stark Seuthes sich in athenisch-makedonische Politik involvieren ließ, davon wird nichts fassbar, vgl. Archibald 1998, 120–121; Mitchell 1997, 139–140. Er konzentrierte sich eher auf die Steigerung der Einnahmen aus Abgaben, auch vonseiten der griechischen Städte (Thuk. 2,97,3). Vgl. Peter 1997, 78–83. 1110 Zur Problematik vgl. Hornblower 1996, 402, 407–408. 1111 Gomme 1951, 136. 1112 Gegen eine strikte Abkehr von Sparta spricht zudem, dass Perdikkas sich 418/7 einem kurzlebigen Bündnis zwischen Argos und Sparta anschloss und Sparta später versuchte, die Chalkidier zur Hilfestellung zu überreden, als Athen ein Rollkommando ins Temenidenreich sandte (Thuk. 5,80,2; 6,7,3). 1113 Kelly 1974, 92, 99.
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Friedensschluss und Ruderholz Es kam zum makedonisch-athenischen Friedensschluss 423/2.1114 Mehrheitlich wird vermutet, dass sich ein Teil der Vereinbarungen auf einer Marmorstele erhalten hat, die auf der Akropolis gefunden wurde.1115 Sie dokumentiert Bündnisse zwischen Athen, Perdikkas und Arrabaios. Allerdings ist der Text stark zerstört, die Datierung daher umstritten.1116 Die Einbeziehung von Arrabaios und der Hinweis auf einen vertraglich beigelegten Konflikt deuten auf 423/2 hin.1117 So heißt es im Text: … [ὑπάρχεν δὲ χρε͂σιν ἐμ]πορίον Ἀρραβ[αίοι καὶ τοῖς χσυμ]μ̣άχοις ℎέπερ ἂν καὶ Περδ̣[ίκκαι ․․․․․․․․․․․․․․․․․․․․․․․․] [․․․․․․․․․․․․․․․ ποιέτο δὲ καὶ Ἀρραβ[αῖος πρὸς Περδίκκαν φιλίαν ․․․․․․․․] Es sollen Arrabaios und seinen Verbündeten wie auch Perdikkas die Nutzung der emporia zur Verfügung stehen (…) Ferner soll Arrhab[aios mit Perdikkas Freundschaft schließen.1118
............................................ 1114 Thuk. 4,128,4. 132,1–2; 5,6,2. Vgl. Tritle 2010, 107; Geske 2005, 140; Hammond/Griffith 1979, 131; Geyer 1930, 70. 1115 IG I3 89; HGIÜ 121; STV II 186. Die Datierung in 423/2 wird akzeptiert von Müller 2016a, 156– 158; Psoma 2015a, 4; Psoma 2014, 135; Worthington 2013a; Psoma 2012, 75; Roisman 2010a, 134; Bolmarcich 2010, 121, A. 31; Millett 2010, 485; Heinrichs/Müller 2008, 288, A. 29; Zahrnt 2006a, 596; Welwei 2006, 530; Geske 2005, 140, A. 661; Giuliodori 2004, 59–60; Masson 1998, 117; Mattingly 1996, 244–245; Baltrusch 1994, 64, m. A. 352 (es sei zugleich als Hilfe gegen Sparta zu verstehen); Borza 1990, 153–154, 293; Borza 1987, 38, 44; Meiggs, 1982, 119–120; MacDonald 1981, 145; Cole 1974, 60–61; Kagan 1974, 314, A. 28 (als Änderung gegenüber Kagan 1969, 261); Geyer 1937b, 600; Macurdy 1932, 16; Geyer 1930, 62, 70–71. Von 422 datiert auch ein anderer Vertrag Athens mit den Bottiaiern (IG I3 76; HGIÜ 122; Syll.3 89), der sie verpflichtet, dieselben Freunde und Feinde wie die Athener zu haben, die „Freund-Feind-Klausel“, vgl. Geske 2005, 140; Baltrusch 1994, 6; Steinbrecher 1985, 58–59; De Ste. Croix 1972, 298–299. Zur breiten Interpretationsmöglichkeit des Begriffs „Feind“ vgl. Will 2015, 27. Zum Erhaltungszustand von IG I3 89 vgl. Hoffman 1975b. 1116 Vgl. Bissa 2009, 114, m. A. 11 (es lasse sich nicht datieren); Figueira 1998, 424. Zu Alternativen gegenüber 423/2 siehe Blösel 2004, 128, A. 118 (circa 417–413 v. Chr); Meritt et al. 1950, 313– 314, A. 61 mit einer Frühdatierung in 426. Hammond/Griffith 1979, 134–136 votieren dagegen für 415, vgl. Hammond 1989, 73. Ganz früh, in 431: Hoffmann 1975a, 364, 377. Noch früher, ca. 440: Errington 1990, 25. King 2010, 378 verweist einerseits auf Erringtons Frühdatierung, setzt den Vertrag dann aber doch in die Zeit des Peloponnesischen Kriegs. 1117 Vgl. Roisman 2010a, 134; Mattingly 1996, 242–243; Habicht 1977, 512. Pace Hoffman 1975a, 368, der die Erwähnung von Arrabaios als wenig bedeutend einstuft und argumentiert, Arrabaios habe 423/2 weder eine Versöhnung mit Perdikkas bekommen noch gewollt. Vgl. Papastavrou 1957, 262. Allerdings gibt es keine Quellen zu Arrabaios’ Haltung nach dem zweiten Lynkestiszug. 1118 IG I3 89, Z. 56–57. Hoffman 1975a, 362 vermutet, die Athener hätten auch noch ihre Hand auf das lynkestische Holz legen wollen.
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Nachdem es Perdikkas nicht gelungen war, Arrabaios mit spartanischer Hilfe auszuschalten, führte Athen eine Einigung herbei. Wie freiwillig dies von Perdikkas’ Seite aus war, ob er die Athener darum ersucht hatte, oder ob Arrabaios, wie im ersten Lynkestiszug an Brasidas, Gesandtschaften an die Athener geschickt hatte, um seinen Versöhnungswillen zu bekundet, lässt sich nicht sagen. Beide schworen, die gleichen Freunde und Feinde wie die Athener zu haben und sich ihnen gegenüber „gerecht und ohne Falsch un[d Arg“ zu verhalten.1119 Weitere Berichte über temenidisch-lynkestische Feindseligkeiten liegen für Perdikkas’ Herrschaft nicht vor.1120 Es ist ungewiss, ob dies eher die Problematik der lückenhaften Quellen als die faktische Lage der Dinge widerspiegelt. Perdikkas’ Sohn Archelaos hatte – zu einem ungewissen Zeitpunkt –1121 wieder Probleme mit einem lynkestischen Dynasten namens Arrhabaios,1122 im Bund mit einem illyrischen Herrscher.1123 In diesem Arrabaios wird entweder Perdikkas’ alter Gegner, „Perdiccas’ nemesis“,1124 vermutet oder dessen Sohn.1125 Athen verpflichtete sich in dem Friedensvertrag, keine Städte anzugreifen, über die Perdikkas herrschte.1126 Perdikkas sagte zu, er werde „niemanden Ru]derholz ausführen lassen außer Athen[er (καὶ οὐδένα κο]πέας ἐχσάγεν ἐάσο ἐὰμ μὲ Ἀθε[ναίο)“, ihnen somit ein Monopol einräumen,1127 das erneut ............................................ 1119 IG I3 89, Z. 28: πρὸς Ἀθε]ν̣αίοι δικαίος καὶ ἀδόλος κα[ὶ ἀβλαβο͂ς. Borza 1990, 154 vermutet, die Athener hätten auf den Frieden mit Arrabaios gedrängt (ähnlich: Bolmarcich 2010, 122: ein von Athen beiden aufgezwungener Frieden), weil sie nicht am Ende wie Brasidas verpflichtet werden wollten, einen Lynkestiszug mit Perdikkas zusammen zu unternehmen. Doch wäre Perdikkas vermutlich nicht in der Lage gewesen, den Athenern eine solche Klausel für eine Beteiligung an einem Lynkestiszug abzuringen. 1120 Vgl. Greenwalt 2010, 283, der davon ausgeht, dass es auch keine Konflikte mehr gegeben habe. Vgl. Kagan 1974, 314, A. 28. Borza 1990, 154 nimmt an, dass Perdikkas diesen Frieden wollte, um die Grenze zu sichern. 1121 Die Datierungen belaufen sich wahlweise auf um 410 (Geyer 1930, 94), um 400 (Schütrumpf/Gehrke 1996, 560; Borza 1990, 164; Hammond/Griffith 1979, 139; Habicht 1977, 512) oder 409–400 (Giuliodori 2004, 69). 1122 Aristot. Pol. 1311 B. 1123 Jedenfalls wird in dem bei Aristot. Pol. 1311 B genannten Sirras der illyrische Herrscher und Vater von Eurydike, der späteren Frau Amyntas’ III. vermutet: Plut. mor. 14 B; Suda s.v. s.v. Κάρανος (κ 356 Adler). Vgl. Greenwalt 2010a, 283, 286; Giuliodori 2004, 69, A. 30; Borza 1990, 164; Hammond/Griffith 1979, 139; Habicht 1977, 512. Zu Sirras siehe auch Kapetanopoulos 1994. 1124 Borza 1990, 164. 1125 Sohn von Perdikkas’ Gegner: Borza 1990, 164; Hammond/Griffith 1979, 139; Habicht 1977, 512. Perdikkas’ Gegner selbst: Giuliodori 2004, 69–70; Kaerst 1895b, 1223. Zu einem Stemma des Lynkestenhauses siehe Heckel 2016, Stemma II. 1126 Vielleicht war dies der makedonischen Seite nach den Erfahrungen mit Beroia 432 wichtig gewesen, sollte der athenische Angriff darauf kurz nach Abschluss des Friedens damals stattgefunden haben. 1127 IG I3 89, Z. 31–32. Vgl. Schuller 1974, 76. Als zweiten Nutzen, den Athen aus dem Frieden zog, sieht Geske 2005, 140 die Vermittlung einer Unterstützung von Kleons thrakischem Vorhaben
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die besondere Bedeutung des Holzbedarfs für Ruder betont.1128 Aufgrund der Länge der nötigen Baumstämme wäre erhellend, zu wissen, ob die Makedonen spezielle Kulturen angelegt hatten, um solche hohen Bäume in entsprechenden Mengen zur Verfügung zu haben, so dass an ihnen als Händler ohnehin kaum ein Weg vorbeiführte. Doch ist dies ungewiss. Inwieweit der Friedensvertrag als Diktat der überlegenen athenischen Seite gesehen werden kann, ist umstritten.1129 Ebenso herrscht Uneinigkeit, ob im Holzhandel ein Einnahmeverlust für Perdikkas einherging, weil die Athener an der Preisschraube drehten, oder ein Gewinn, weil der Hauptkunde wieder Bestellungen aufgab.1130 In jedem Fall zeigt ein athenisches Dekret von 407/6, in dem Archelaos als athenischer proxenos und euergetes geehrt wurde,1131 eine andere Art des Umgangs mit dem herrscherlichen Holzlieferanten,1132 der als Reflex des Wandels der Zeiten nach der Sizilischen Expedition gilt:1133 Archelaos wurde als ein guter Mann gelobt, der sich stets um Athen verdient gemacht habe und immer bemüht sei, alles in seiner Möglichkeit Stehende für die Polis zu tun.1134 ........................................................................................................................................................................... durch Polles, den Herrscher der Odomanten (Thuk. 5,6,2), durch Perdikkas. Das lässt sich nicht verifizieren. Archibald 1998, 121 sieht darin einen Beleg für eine formalere Beziehung zu thrakischen Ethnien. Unter Sitalkes seien die Odomanten in gewisser Weise abhängig gewesen, hätten jedenfalls zur Heerfolge verpflichtet werden können (1998, 120). Dies wäre dann auch unter Seuthes noch so gewesen. 1128 Vgl. Bissa 2009, 114; Borza 1990, 154, m. A. 58. Hoffman 1975a, 361 bezeichnet diese Klausel als den bedeutendsten Teil des Vertrags. Siehe auch Psoma 2014, 135. Kagan 1974, 314, A. 28 überlegt, dass die Athener damit gewährleisten wollten, dass keine peloponnesischen Schiffe mehr gebaut wurden. Giuliodori 2004, 60 glaubt ähnlich, dies sei die athenische Reaktion auf Brasidas’ Ansinnen nach dem Abfall von Amphipolis gewesen, Trieren auf dem Strymon zu bauen (Diod. 12,68,4). Indes ist damit zu rechnen, dass peloponnesische Städte ihre Holzquellen in Sizilien hatten. Die Begründung von Millett 2010, 485, „Perdiccas was presumably reacting to a Spartan army in the Chalcidice”, erschließt sich nicht. 1129 Athen habe die Bestimmungen diktiert: Engen 2010, 50–56, 321; MacDonald 1981, 145–146; Hammond/Griffith 1979, 139; Cole 1977, 30. Pace Giuliodori 2004, 60; Hoffmann 1975a, 368. 1130 Hoffman 1975a, 367 geht von massiven finanziellen Einbußen aus, Cole 1977, 30–31 argumentiert dagegen, vgl. Cole 1974, 70. Ebenso: Psoma 2015a, 3: Nun sei wieder Geld in die temenidische Kasse gekommen. Dies sieht auch Borza 1990, 154 so: Es habe Perdikkas’ Einkünfte stabilisiert und ihm Athen als Kunden verbürgt. Ebenso: Bissa 2009, 114. Schmitz 1988, 120 scheint davon auszugehen, dass Athen über Amphipolis ohnehin nur das Baumaterial für die Schiffe bezogen hatte, nicht aber die Ruderhölzer. 1131 IG I3 117 (= HGIÜ 150; Syll.3104). Vgl. Moloney 2014, 236, A. 30; Enge 2010, 282–283; Zahrnt 2009, 9; Samons 2000, 279–280, m. A. 128; West 1995, 238; Blackman 1990, 45–36; Borza 1987, 39; MacDonald 1981, 145. Zu den spezifischen Gründen einer Ehrung von athenischen „Wohltätern“ im 5. Jh. v. Chr. vgl. West 1995, 238. 1132 Vgl. Engen 2010, 50–56, 321; Hammond/Griffith 1979, 139. 1133 Zur Sizilischen Expedition vgl. Will 2015, 37–39; Bearzot 2013, 9–12; 15–16; Welwei 2006, 531–532. 1134 IG I3 117: Ἀρχέλαι ℎος ὄν]τι ἀνδρὶ ἀγαθο͂ι [καὶ προθύμοι ποιε͂ν ℎό τ]ι δύναται ἀγαθ[όν, καὶ ἀνθ’ ὁ͂ν εὐεργέτεκ]εν τέν τε πόλιν. Es wird davon ausgegangen, dass er verbilligte Preise gewährte (vgl. Wirth 1985, 22) oder die Ware sogar verschenkte: Engen 2010, 283 (da es keine Preisnennung gebe).
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Von Bedeutung ist der Friedensschluss zwischen Athen und Perdikkas zudem hinsichtlich makedonischer Onomastik und Dynastiepolitik.1135 Den Beschlüssen folgt eine Liste von um die achtzig makedonischen Schwurzeugen. Als Mitglieder der Temenidenfamilie sind aufgeführt: Περ̣δ̣ίκκας [Ἀλεχσάνδρο], Ἀλκέτες Ἀλεχσάνδρο, Ἀρχέλας Π̣[ερδίκκο, ․․․․․․․․․․․․․․․․․․․․․] [․․․․․], Με̣νέ̣λαος Ἀλεχσά̣[νδρ]ο, Ἀγέλαος Ἀ[λκέτο, ․․․․]υρος Ἀλκέτο, Perdikkas, [Alexanders Sohn], Alketas, Alexanders Sohn, Archelaos, P[erdikkas’ Sohn], Menelaos, Alexa[nd]ers Sohn, Agelaos, A[lketas’ Sohn, …]yros, Alketas’ Sohn 1136
Die Rekonstruktion der verlorenen Namen ist umstritten, je nach Datierung der Inschrift.1137 Meritt, Wade-Gery und McGregor, die für eine Datierung vor 433 argumentieren, ergänzen Perdikkas’ Brüder Philipp und Amyntas.1138 Bei Datierungsansätzen ab 423/2 wird angenommen, dass ihre Namen fehlen, weil sie bereits tot sind.1139 Im Anschluss an Hammond1140 schlägt Psoma eine Ergänzung mit Aëropos, Sohn des Perdikkas, vor, da der Vertrag zwischen Athen, Perdikkas und dessen Kindern (Z. 38) geschlossen worden sei, was die Existenz von mindestens zwei Söhnen voraussetzt.1141 Die obermakedonischen Lokaldynasten, unter ihnen Derdas von Elimeia, werden als basileis bezeich............................................ 1135 Zur onomastischen Bedeutung vgl. Masson 1998, 117–118: Einige der Namen sind ein harpax. Siehe auch Hoffman 1975b, 89–104. 1136 IG I3 89, Z. 60–62. In Agerros vermutet Goukowsky 1991, 47 einen Sohn von Philipp, somit einen Neffen des Perdikkas, der nicht an der Revolte seines Vaters beteiligt gewesen sei oder Vergebung erlangt habe. 1137 Zu einer Übersicht vgl. Hoffman 1975b, 100–102. 1138 Vgl. Meritt et al. 1950, 313–314, A. 61. Pace Raymond 1953, 166. 1139 Vgl. Psoma 2012, 75; Roisman 2010a, 135; Mattingly 1996, 243; Geyer 1930, 71, A. 5. Mattingly 1966, 244 argumentiert für eine Nennung von Alexander, Sohn des Alketas, da Platon ihn als späteren Konkurrenten Archelaos’ (Plat. Gorg. 471 A-B) erwähnt und von Aëropos, den er als Sohn Philipps bezeichnet, weil er später Vormund für Archelaos’ Sohn Orestes geworden sei. Die Identität dieses Vormunds ist indes umstritten, vgl. Kap. IV. 1140 Vgl. Hammond/Griffith 1979, 134–135. 1141 Vgl. Psoma 2012, 75. Zudem schließt sie sich der These von Hammond/Griffith 1979, 134 an, ebenso wie Whitehorne 1994, 20–21, wonach die Schwurzeugenliste die temenidische Thronfolge zu jener Zeit widerspiegele: Alketas stünde demnach vor Archelaos. Sie erklärt dies mit Archelaos’ jungem Alter (Psoma 2012, 75, A. 16). Es ist aber fraglich, ob es solche feste Regelungen, die meist von der Praxis überholt wurden, überhaupt in Makedonien gab. Auch erschließt sich nicht recht, wieso sie in einem attischen Dekret aufscheinen sollten. Auch Ogden 1999, 6–7 wendet sich gegen die These einer Reflexion der Thronfolge. Zur Diskussion um Perdikkas’ Sohn Aëropos siehe Kap. IV.
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net,1142 was ihre Schnittmengenstellung als Makedonen außerhalb temenidischer Kontrolle illustriert.
Perdikkas und Nikias Das Friedensgesuch war von Perdikkas’ Gesandten an Nikias, Sohn des Nikeratos, herangetragen worden, den athenischen Strategen für 423/2,1143 der sich vor dem belagerten Skione aufhielt.1144 Nikias soll daraufhin eine Probe der Verlässlichkeit von Perdikkas eingefordert haben.1145 Diese Tradition klingt nach retrospektiver Formung gemäß den konstruierten Charakterbildern beider Protagonisten: Perdikkas, der unzuverlässige Taktierer, bat um Frieden. Nikias, der abwägend-übervorsichtige, tragisch zum Scheitern Verurteilte,1146 fragte in bedachtsamer Vorsicht nach einem Vertrauensbeweis. Perdikkas lieferte das Geforderte, weil es ihm gerade selbst nützte. Später ließ er Nikias jedoch prompt im Stich, wie dieser bereits befürchtet hatte, aber dennoch nicht hatte abwenden können.1147 ............................................ 1142 Neben Arrabaios aus Lynkestis und Derdas von Elimeia wird etwa noch Pausanias (in denen allen Alexander 1962, 276, A. 29 Perdikkas’ Gegner 433–431 vermutet), Sohn des Machatas genannt (Z. 67, 69, 76). Pausanias könnte der Bruder von Derdas sein. Vgl. Garvin 2016, 350–351; Roisman 2010a, 135; Mattingly 1996, 244; Hammond/Griffith 1979, 136. 1143 Vgl. Develin 1989, 136 (Nr. 2117). Er operierte zusammen mit Nikostratos vor Mende und Skione. Zu Nikias vgl. Roisman 2013a; Geske 2005; Westlake 1968, 86–96. 1144 Strab. 7,27; Diod. 12,72,7. Die Bestrafung Skiones für den Abfall fiel herb aus (Thuk. 5,32,1; Diod. 12,72,8. 76,3). 1145 Thuk. 4,132,2. Vgl. Tritle 2010, 111. Es ist umstritten, ob es zuerst nur zu einer informellen Übereinkunft kam (etwa von Hammond/Griffith 1979, 134 aus Thuk. 4,132,1 gefolgert), welcher schnell der Friedensschluss folgte, oder ob gleich der Frieden beschlossen wurde (so Kagan 1974, 314, m. A. 28). Vgl. Geyer 1937b, 599–600: Beides sei möglich. Vielleicht erfolgte Perdikkas’ initiierte Sperre für die spartanischen Truppen nach der Übereinkunft und vor dem eigentlichen Friedensschluss. 1146 Vgl. etwa Plut. Nik. 2,3. Siehe Nikolaidis 1988, 319. Atkinson 1995, 55 überschreibt eine Studie zu Nikias beredt mit Nikias and the Fear of Failure Syndrome. Dagegen warnt Geske 2005, 12 davor, das antike Kunstbild des Nikias, geprägt durch den gescheiterten Nikias-Frieden und die Sizilische Expedition, zu adaptieren und auf seine Rolle im Archidamischen Krieg zu übertragen. Ihm zufolge stellte Nikias sich selbst als rationale, reflektierte, weise, fürsorgliche Vaterfigur für die Athener dar (Geske 2005, 76, 155, 177). 1147 Thuk. 4,132,2; 5,83,4. Vgl. Plut. Nik. 35,2. Thukydides zeichnet ein positives Bild von Nikias (vgl. Kozak 2008) – vielleicht unter anderem auch, weil Nikias kein Freund Kleons war (ein direkter Kontrast ist ersichtlich in Thuk. 4,28). Thuk. 6,8,4–15,1; 7,86,4 betont, dass Nikias gegen seinen Willen auf die Sizilische Expedition ging und sein Schicksal nicht verdient hatte. Vgl. Diod. 12,83,5–84,1. Siehe De Ste. Croix 1972, 19. Christodoulou 2017, 153–154 vermutet, Thukydides’ erzwungenes Exil und damit einhergehende Rechtfertigung des Rückzugs aus der Politik, die eine intensivere Reflektion ermöglichte, habe seine verständnisvolle Beschreibung von Nikias’ Abwehrhaltung zur Sizilischen Expedition beeinflusst. Vgl. Kallet 2001, 182: Nikias als „antithesis of Perikles“ bei Thukydides. Sein Nikias-Bild wirkt sich zugleich auf die Beurteilung von Alkibiades aus, der vermutlich mit der Agenda der Sizilischen Expedition – Neutralisierung
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Als Vertrauensbeweis wird Perdikkas’ Maßnahme gesehen, Brasidas’ spartanischer Verstärkung dank seiner thessalischen Verbindungen den Landweg sperren zu lassen, so wie er ihn einst für ihn geöffnet hatte. Thukydides betont, dass Perdikkas selbst daran gelegen gewesen war, keine Leute von Brasidas mehr in seinem Gebiet zu haben.1148 Es sei dahingestellt, ob Perdikkas sich aus Eigeninitative dazu entschloss, um seine Verhandlungsbasis gegenüber Athen zu verbessern, oder ob es ihm von athenischer Seite als Teil der Vorverhandlungen nahegelegt wurde. Die Deutung, es habe sich um eine von Nikias verlangte Gesinnungsprüfung gehandelt, wird wohl diskursive Formung gewesen sein. Cole sieht in den Jahren 423–421 die engste Bindung zwischen Perdikkas und den Athenern, in welche seine einzige bedeutende militärische Schützenhilfe für sie gefallen sei.1149 Damit muss allerdings die Sabotage der spartanischen Verstärkung gemeint sein, denn danach versanden die Spuren makedonischer Unterstützung für Athen. Thukydides erwähnt, dass Kleon im Sommer 422 Gesandte an Perdikkas schickte und ihn gemäß des Friedensabkommens – oder laut Roisman „according to Cleon’s interpretation of it“ – 1150 aufforderte, ihm mit einem Heer bei der Rückgewinnung von Amphipolis zu helfen.1151 Thukydides zufolge wartete Kleon aber nicht auf die Verstärkung. Er ließ sich den Willen seiner ungeduldigen Soldaten aufzwingen, wagte einen ........................................................................................................................................................................... der Verbindung zwischen Syrakus – Korinth und somit der Peloponnes und ihrer Versorgung mit Getreide und Flottenbauholz aus Unteritalien – einen strategisch wesentlich nachvollziehbareren Plan gehabt hatte als dargestellt. Vgl. Cartledge 2003, 195–196. 1148 Thuk. 4,132,2. Vgl. Geske 2005, 140; Hammond/Griffith 1979, 131; Geyer 1937b, 599; Hampl 1934, 45. Zu den guten temenidischen Beziehungen nach Thessalien, vor allem zu den Aleuaden, der führenden Familie in Larisa, vgl. Sprawski 2013; Roisman 2010a, 155; Graninger 2010, 309–318; Zahrnt 2009, 9; Sprawski 2005, 31–37; Blösel 2004, 123, m. A. 99; Sordi 2002, 452–453; Sordi 1958, 127, 132. Zu den Thessalern siehe auch Graninger 2010, 306–309; Beck 1997, 119– 134. Aber nicht nur zu den Aleuaden, sondern auch zu anderen factions in Larisa und Thessalien hatte Perdikkas wohl gute Beziehungen, vgl. Morrison 1942, 63. Thukydides nennt Nikonidas als seinen thessalischen Freund (4,78,2). Vgl. Aston 2012b, 263. Hornblower 1996, 103, 257–158 verweist auf die Authentizität dieses thessalischen Namens, der epigraphisch bezeugt ist, und schließt daraus, dass Thukydides lokale thessalische Informanten hatte oder eventuell sogar Nikonidas selbst kannte. Siehe auch Hornblower 2000, 136–137: Nikonidas sei außerhalb von Thessalien kein häufiger Name. Zudem nenne Thukydides (4,78,1) mit Hippolochidas einen typisch thessalischen Namen: „a suitable horsey name for an aristocratic Pharsalian“. Zum Pferd in Thessalien siehe Westlake 1935, 4. Zur Problematik bei Thukydides, dass er keine Namen seiner Informanten nennt, vgl. Will 2015, 75–77. Er vermutet Kriegsteilnehmer, Gesandte und Strategen. 1149 Vgl. Cole 1977, 31. 1150 Roisman 2010a, 153. 1151 Thuk. 5,6,2. Vgl. Lewis 1992, 430; Borza 1990, 155; Kagan 1974, 322–323. Auch an die thrakischen Odomanten unter ihrem Herrscher Polles war eine solche Aufforderung ergangen. Vgl. Archibald 1998, 120. Ebenso wie von den Makedonen hört man aber auch von ihrem Eintreffen nichts. Geske 2005, 140 geht davon aus, dass Perdikkas eine solche Übereinkunft dank seiner Beziehungen nach Thrakien während des Friedensschlusses mit Athen initiiert habe.
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mangelhaft vorbereiteten Angriff und bekam die finale Quittung.1152 Es ist umstritten, ob Perdikkas tatsächlich Truppen gesandt hatte, denen Kleons Angriff zuvorgekommen war,1153 auf Zeit gespielt und von Kleons Eile profitiert1154 oder sich am Ende gar nicht gerührt hatte.1155 Einem Gesuch von Nikias, Perdikkas solle ihn gemäß den Bündnisbedingungen militärisch unterstützen,1156 als er einen Zug in die Chalkidike und gegen Amphipolis plante, soll er nicht nachgekommen sein.1157 In Athen gab man ihm für die gescheiterte Realisierung die alleinige Schuld.1158 Thukydides erwähnt dieses Versäumnis, als er die athenische Kriegserklärung 417/6 gegen Perdikkas wegen dessen Beitritt zu einer argivisch-spartanischen Allianz behandelt: κατέκλῃσαν δὲ τοῦ αὐτοῦ χειμῶνος καὶ Μακεδόνας Ἀθηναῖοι, Περδίκκᾳ ἐπικαλοῦντες τήν τε πρὸς Ἀργείους καὶ Λακεδαιμονίους γενομένην ξυνωμοσίαν, καὶ ὅτι παρασκευασαμένων αὐτῶν στρατιὰν ἄγειν ἐπὶ Χαλκιδέας τοὺς ἐπὶ Θρᾴκης καὶ Ἀμφίπολιν Νικίου τοῦ Νικηράτου στρατηγοῦντος ἔψευστο τὴν ξυμμαχίαν καὶ ἡ στρατεία μάλιστα διελύθη ἐκείνου †ἀπάραντος †: πολέμιος οὖν ἦν. Im selben Winter blockierten die Athener Makedonien. Sie warfen Perdikkas den beschworenen Bund mit den Argivern und Lakedaimoniern vor und dass er sich nicht an das Bündnis gehalten habe, als sie sich unter der Führung des Nikias, des Sohns des Nikeratos, rüsteten, ein Heer gegen die thrakischen Chalkidier und Amphipolis einzusetzen, und dass der Kriegszug aufgegeben worden war, weil er sie im Stich gelassen hatte. Ein Feind war er also!1159
Die unterlassene Hilfeleistung wird unterschiedlich datiert, zumeist in den zeitlichen Kontext der Kriegserklärung: Nikias habe 417/6 als Stratege in der ............................................ 1152 Thuk. 5,7,1–10,9. Thukydides betont in der Schlachtbeschreibung Kleons Unfähigkeit. Vgl. Hornblower 1996, 437–439; Lewis 1992, 430: „clumsy and inexperienced“. Geske 2005, 147 wirft die Frage auf, wieso Kleon so spät erst die Verstärkung angefordert habe. 1153 Vgl. Roisman 2010a, 153; Tritle 2010, 112; Hammond/Griffith 1979, 131; Kagan 1974, 108, 323 (zugleich unterstellt er Perdikkas aber, er habe in der Situation schon wieder mit Abfallgedanken gespielt). 1154 Vgl. Geyer 1937b, 600; Geyer 1930, 73. 1155 Vgl. Zahrnt 2006a, 596; Borza 1990, 155. 1156 Vgl. Hornblower 1996, 437. 1157 Thuk. 5,83,4. 1158 Thuk. 5,83,4. 1159 Thuk. 5,83,4. Übers. H. Vretska.
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Chalkidike tätig werden und Amphipolis zurückerobern sollen.1160 Teilweise wird angenommen, der Übergang von Dion auf Akte zu den Aufständischen im Sommer 417 sei der Auslöser gewesen: Die Athener hätten Nikias entsandt, um die Konsolidierung seit 422 nicht weiter zu gefährden.1161 Inwieweit die Mission tatsächlich gestartet und erst in Thrakien abgebrochen oder noch vor Aufbruch der Truppen abgeblasen wurde, ist umstritten.1162 Als Problem erweist sich Thukydides’ weiteres Schweigen. Athenische Zahlungen für Operationen in Thrakien 418/7 und 417/6 sind zwar inschriftlich bezeugt,1163 ebenso wie Zahlungen an Nikias im Frühling 417,1164 doch ist der Zweck unklar. Zumeist wird eine kausale Verbindung zur Thukydides-Stelle gezogen.1165 Sicher ist es jedoch nicht.1166 Alternativ wird gefolgert, Thukydides’ Anschuldigung, Perdikkas habe Nikias nicht geholfen, sei ein zeitlicher Rückgriff in das Jahr 422, als Nikias noch in der Chalkidike war und gerade den Frieden mit ihm ausgehandelt hatte,1167 somit noch vor Kleons Hilfsgesuch anzusetzen. Die spätere Erwähnung sei darauf zurückzuführen, dass die Athener in ihrer Kriegserklärung ............................................ 1160 Vgl. Stickler 2010, 349; Rhodes 2006, 131; Niebergall 2004, 19–20; Hornblower 1996, 215 mit Bezug auf Thuk. 6,10,5; Chambers 1993, 331–332; Andrewes 1992, 441; Kagan 1981, 143–144; Hammond/Griffith 1979, 132, 417; Zahrnt 1971, 73; Papastavrou 1965, 18; Papastavrou 1959– 60, 213–215. Roisman 2013a; Roisman 2010a und Giuliodori 2004 hingegen erwähnen die Episode nicht. Zahrnt 2006a, 596 erwähnt sie, jedoch ohne eine Datierung, scheint jedoch nicht von 417/6 auszugehen. Millett 2010, 485 erliegt dem Irrtum, den Hauptgrund für die spätere Kriegserklärung Athens gegen Perdikkas 417/6 in der unterlassenen Waffenhilfe gegen Amphipolis zu sehen. Tatsächlich handelte es sich um sein Bündnis mit Argos und Sparta. 1161 Thuk. 5,82,1. Vgl. Stickler 2010, 349. Siehe dazu Gomme 1970, 154. 1162 Vgl. Gomme 1970, 154 mit einem Überblick. Er argumentiert dafür, dass der Zug gar nicht erst losgeschickt worden sei; darauf verweise Thukydides’ Verwendung von διαλύειν. Ebenso: Niebergall 2004, 20, m. A. 28–29; Hammond/Griffith 1979, 132–133. Papastavrou 1965, 18; Papastavrou 1959–60, 213–215 nimmt sogar an, dass Perdikkas zuerst eine Reitereinheit entsandt, dann aber wieder abgezogen habe. Chambers 1993, 332 geht anscheinend davon aus, dass die Expedition gestartet worden sei, dann aber wegen Perdikkas’ Verweigerungshaltung habe abgebrochen werden müssen. Die ausgesandten Schiffe seien für die folgende Blockade der makedonischen Küste im Winter 417/6 (Thuk. 5,83,4) genutzt worden. 1163 ML 77 (= IG I3 370), Z. 2–10; Z. 26–28. Vgl. Zahrnt 2002, 54. Als Stratege genannt ist Euthydemos, vgl. Develin 1989, 144, Nr. 1231. Darüber berichtet Thukydides ebenfalls nicht. 1164 ML 77 (= IG I3 370), Z. 18–21. Ebenfalls im gleichen Kontext sind Kallistratos und vielleicht Kleomedes (?) genannt, ML 77, Z. 21. Vgl. Develin 1989, 144–145. 1165 Vgl. ML 77, 235. Siehe auch Chambers 1993, 331–332, der keinerlei Zweifel äußert oder darauf verweist, dass der Zweck der Zahlungen nicht klar ist. Er betrachtet es als Fakt, dass sich Nikias’ Kampagne darauf bezieht; ebenso Hornblower 1996, 215; Hammond/Griffith 1979, 132; Gomme 1970, 154. Gleichfalls bezieht sich Develin 1989, 146 bei der Zuschreibung des Strategenamts an Nikias für 417/6 als Stratege in der Chalkidike nur auf Thuk. 5,83,4. 418/7 war Nikias ebenfalls Stratege (ML 77), vgl. Develin 1989, 144, aber gemäß Diod. 12,80,5 bei Kythera und Nisaia eingesetzt. 1166 Zum fragmentarischen Zustand der Quelle vgl. auch Kallet 2001, 196–197. 1167 Vgl. Geyer 1937b, 600–601; Geyer 1930, 72–73. Auch Kagan 1974, 318–319 scheint dies wohl anzunehmen.
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417/6 eine Gesamtrechnung von Perdikkas’ „Missetaten“ seit dem Friedensschluss 423/2 aufgemacht hätten. Der Bund mit Argos und Sparta sei der ausschlaggebende, jüngste Stein des Anstoßes gewesen, die ausgebliebene Hilfe für Nikias ein zweiter Anklagepunkt aus der Vergangenheit.1168 Eventuell hatte der nach Nikias benannte Frieden 421 den Vorfall überlagert und deswegen keine weiteren Konsequenzen für Perdikkas von athenischer Seite nach sich gezogen.1169 Als es jedoch erneut zu Schwierigkeiten mit dem makedonischen Bündnispartner kam, wurde diese alte Geschichte wieder aufs Tapet gebracht. Gleichgültig, zu welcher Zeit sich die makedonische Hartleibigkeit gegenüber Nikias’ Aufforderung auch ereignet haben sollte,1170 könnte die Anschuldigung auf Nikias’ Ausführungen in Athen zurückgehen, als er sich für seine Tätigkeiten bezüglich der Chalkidike rechtfertigen musste. Perdikkas’ Schuld allein wird es nicht gewesen sein, dass Nikias’ Zug scheiterte.1171 Entsprechend verweist Gomme darauf, dass μάλιστα andeute, dass es andere Schwierigkeiten neben Perdikkas’ Haltung gegeben habe, die zum Abbruch des Zugs geführt hätten.1172 In summa kann man vielleicht aus den Episoden um die fehlenden makedonischen Hilfstruppen für Kleon und Nikias ablesen, dass die makedo............................................ 1168 Vgl. Geyer 1930, 72. Ihm zufolge habe Athen Perdikkas damals nicht zur Rechenschaft gezogen, weil man ihn noch gebraucht habe. Gomme 1970, 146 betont in jedem Fall den Rückgriff in die Vergangenheit von Thukydides an dieser Stelle. 1169 Zum Nikias-Frieden (Thuk. 5,18,1–3. 7–11. 20,1; Plut. Alk. 14,2; Plut. Nik. 10,1; Diod. 12,74,5; Just. 3,7,13; StV II 188). Vgl. Will 2015, 34–36; Roisman 2013b; Welwei 2006, 530; Geske 2005, 153–161; Mosley 1973, 39–40; de Ste. Croix 1972, 115–116, 336–337; Zahrnt 1971, 66–72. Auch Hagnon, der oikistes von Amphipolis, befand sich unter den athenischen Schwurzeugen (Thuk. 5,19,2). Vgl. Pesely 1989, 204. Im Frieden wurde beschlossen, dass die Lakedaimonier den Athenern Amphipolis zurückgeben sollten (Thuk. 5,18,5). Vgl. Zahrnt 1971, 70, 72. Es nutzte nur nichts, weil sich die Einwohner weigerten (Thuk. 5,21). Vgl. Welwei 2006, 531. 1170 Plut. Comp. Nik. Crass. 2,4 erwähnt in seiner Vergleichung von Crassus und Nikias, Nikias habe nach Sicherheit und Ruhe gestrebt und sich vor Alkibiades auf der Rednerbühne – zu seinem jugendlich-energischen Gegenbild stilisiert –, vor den Lakedaimoniern in Pylos und vor Perdikkas in Thrakien gefürchtet. Daher habe er sich in die Stadt geflüchtet und dort zurückgezogen seine Mußestunden verbracht. In diesem Kontext bezieht Plutarch sich auf den Nikias-Frieden. Vgl. Nikolaidis 1988, 319. Allerdings ist bei ihm, der sein Augenmerk als Biograph auf Charakterschilderungen richtet und mit der Chronologie oftmals frei umgeht, nicht aus dieser Passage abzulesen, dass sich Perdikkas’ Versäumnis gegenüber Nikias vor dem Friedenssschluss 421 zugetragen habe. Vgl. Asirvatham 2017, 289: Sie zählt dies als die einzige Stelle in Plutarchs Werk, in der Perdikkas überhaupt genannt wird. 1171 Pace Stickler 2010, 349; Andrewes 1992, 441; Kagan 1981, 144; Hammond/Griffith 1979, 132; Zahrnt 1971, 73. Abzulehnen ist Chambers 1993, 330–334, der aus der Meldung eine ganze Argumentationskette konstruiert, wonach der politische Antagonismus zwischen Nikias und Alkibiades durch diese Haltung von Perdikkas, der Nikias den Erfolg gekostet habe, maßgeblich entschieden worden sei: Letztendlich habe dies sogar zur Sizilischen Expedition und Nikias’ unglücksseliger Beteiligung daran geführt. Dies ist überkonstruiert, mit einer Überbewertung der makedonischen Rolle in innenpolitischen athenischen Fragen. 1172 Vgl. Gomme 1970, 154. Da er den Zug in 417/6 datiert, vermutet er, dieses andere Problem könnte die Stasis in Argos mit den entsprechenden bündnispolitischen Konsequenzen gewesen sein.
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nische Regierung versuchte, manche Unannehmlichkeit auszusitzen, bis sie sich von allein erledigte.
Hermippos, Perdikkas, Lügen auf Schiffen und Gesichter des Kriegs In die bewegten 420er Jahre, „the greatest decade in Athenian comedy“,1173 wird ein Fragment der Phormophoroi des griechischen Komödiendichters Hermippos datiert, in dem er Perdikkas und Sitalkes gleichermaßen aufs Korn nimmt.1174 Über Hermippos’ Vita ist wenig bekannt, obwohl er als wichtiger Vertreter der Alten Komödie gilt.1175 Er war ein Zeitgenosse von Pherekrates, wurde von Aristophanes erwähnt,1176 soll recht produktiv gewesen sein, viermal bei den Lenaien gewonnen und schätzungsweise zwischen den 430ern bis in die 410er Jahren gewirkt haben, wobei die Zeit des Peloponnesischen Kriegs als sein Karrierehöhepunkt geschätzt wird.1177 Das politische Element gilt als dominierender Faktor in seinen Stücken.1178 Hermippos war ein Kind seiner Zeit; eine entsprechende Rolle spielte bei ihm der Peloponnesische Krieg,1179 vor dem kein zeitgenössischer athenischer Theaterbesucher die Augen verschließen konnte.1180 Der Seitenhieb gegen Perdikkas und Sitalkes ist in einen komischen Katalog eingebettet. In parodistischer Nachahmung des homerisch-epischen Stils listet eine ungewisse persona loquens in ihrem Musenanruf statt eines Schiffskatalogs für den Trojanischen Krieg diverse Güter im mediterranen Seehandel auf:1181 ............................................ 1173 Rusten 2006, 550. 1174 Vgl. Moreno 2007, 132; Borza 1990, 141, A. 23 (427); Cole 1974, 61, A. 28 (428/7); Edmonds 1957, 305, A. 1: ca. 425). Pace Gilula 2000, 82, die das Fragment nicht den Phormophoroi zuordnet, aber auf 426/25 datiert. 1175 Vgl. Storey 1990, 10, A. 28 (vor Aristophanes und Eupolis). Siehe auch Gkaras 2008, 4; Gilula 2000, 77. 1176 Aristoph. Nub. 551–559. 1177 Vgl. Gkaras 2008, 3–4, 13; Gilula 2000, 75–77. Zu Hermippos, Aspaseia und Perikles: Plut. Per. 32. 1178 Vgl. Gkaras 2008, 10–11 (auch wenn die Titel seiner Stücke dies mitunter nicht verraten); Rusten 2006, 549, der zudem auf die Einführung der Komödie in die Lenaien verweist, die auch als Plattform für solche politisch getönten Stücke galten; Gilula 2000, 76: „a typical playwright of Old Comedy in taking on political issues and making personal attacks on prominent individuals“. 1179 Vgl. Gkaras 2008, 10; Hose 2006, 674. 1180 Vgl. Carey 1993, 263. 1181 Vgl. Il. 2,484. Vgl. Davidson 2012, 27; Gkaras 2008, 127–128; Rusten 2006, 550; Gilula 2000, 81; Edmonds 1957, 305.
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ἕσπετε νῦν μοι, Μοῦσαι Ὀλύμπια δώματ᾽ ἔχουσαι, ἐξ οὗ ναυκληρεῖ Διόνυσος ἐπ᾽ οἴνοπα πόντον, ὅσσ᾽ ἀγάθ᾽ ἀνθρώποις δεῦρ᾽ ἤγαγε νηὶ μελαίνῃ. ἐκ μὲν Κυρήνης καυλὸν καὶ δέρμα βόειον ἐκ δ᾽ Ἑλλησπόντου σκόμβρους καὶ πάντα ταρίχη ἐκ δ᾽ αὖ Θετταλίας χόνδρον καὶ πλευρὰ βόεια καὶ παρὰ Σιτάλκου ψώραν Λακεδαιμονίοισι καὶ παρὰ Περδίκκου ψεύδη ναυσὶν πάνυ πολλαῖς. αἱ δὲ Συράκουσαι σῦς καὶ τυρὸν παρέχουσι καὶ Κερκυραίους ὁ Ποσειδῶν ἐξολέσειε ναυσὶν ἐπὶ γλαφυραῖς, ὁτιὴ δίχα θυμὸν ἔχουσι. ταῦτα μὲν ἐντεῦθεν ἐκ δ᾽ Αἰγύπτου τὰ κρεμαστὰ ἱστία καὶ βίβλους ἀπὸ δ᾽ αὖ Συρίας λιβανωτόν ἡ δὲ καλὴ Κρήτη κυπάριττον τοῖσι θεοῖσιν, ἡ Λιβύη δ᾽ ἐλέφαντα πολὺν παρέχει κατὰ πρᾶσιν ἡ Ῥόδος ἀσταφίδας τε καὶ ἰσχάδας ἡδυονείρους. αὐτάρ ἀπ᾽ Εὐβοίας ἀπίους καὶ ἴφια μῆλα ἀνδράποδ᾽ ἐκ Φρυγίας, ἀπὸ δ᾽ Ἀρκαδίας ἐπικούρους. αἱ Παγασαὶ δούλους καὶ στιγματίας παρέχουσι. τὰς δὲ Διὸς βαλάνους καὶ ἀμύγδαλα σιγαλόεντα Παφλαγόνες παρέχουσι τὰ γάρ τ᾽ ἀναθήματα δαιτός Φοινίκη δ᾽ αὖ καρπὸν φοίνικος καὶ σεμίδαλιν Καρχηδὼν δάπιδας καὶ ποικίλα προσκεφάλαια. Musen, Bewohner olympischer Höhen, jetzt sagt mir, wie viele Güter Dionysos, seit er das purpurne Meer überquerte, auf seinem schwärzlichen Schiff den Menschen schon brachte: Silphion aus Kyrene und Rindshaut und vom Hellespont fette Makrelen und alles Gepökelte, Grütze sodann aus Thessalien und Rippen vom Rind. Und von Sitalkes die Krätze für alle Spartaner und von Perdikkas Lügen auf vielen Schiffen. Schweine und Käse, das liefern die Syrakusaner. Hoffentlich lässt Poseidon die Kerkyrer ertrinken auf ihren bauchigen Schiffen, weil doppelt ihr Sinn ist! Soweit von dort. Aus Ägypten die fertigen Segel wie auch Papyrus, von Syrien wiederum Weihrauch
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Aber das herrliche Kreta verschafft die Zypresse den Göttern, Libyen bringt zum Verkauf an uns Elfenbein jegliche Menge. Rhodos Rosinen, getrocknete Feigen für glückliche Träume, aber von Euboia kommen die Birnen und glänzende Äpfel, Sklaven aus Phrygien und aus Arkadien Söldner.
Und Pagasai biete Sklaven und schuldig Gezeichnete, aber die Eicheln des Zeus und die schimmernden Mandeln, dies gewährt Paphlagonien; sie geben das Beiwerk zum Mahl. Aus dem phoinikischen Land stammen Dattel und Weizen und aus Karthago die Teppiche, ebenso Kissen in mehreren Farben.1182 Wie die Nennung von Papyrus aus Ägypten,1183 Weihrauch aus Syrien, Söldnern aus Arkadien1184 und „Stengeln“ aus Kyrene (Silphion)1185 zeigen, geht es um Waren, die als typisch für ihre Herkunftsorte galten und der Liste einen Realitätsbezug gaben:1186 (handelsökonomische) Markenzeichen, identitätsstiftende lokale Symbole in Gestalt von alltäglichen Waren, Delikatessen und Luxusgütern.1187 Umso derber fällt der Seitenhieb aus, wenn Sitalkes’ Krätze und Perdikkas’ Lügen (gleich noch en gros) als ihre „Spezialitäten“ genannt ............................................ 1182 F 63 K-A = Athen. 1,27 E-28 A (Übers. n. C. Friedrich). Gkaras 2008, 127 nimmt an, der Chor habe diese Worte gesprochen. Zu Dionysos’ Rolle und Assoziation mit dem Meer vgl. Davidson 2012, 27; Gkaras 2008, 130–131; Gilula 2000, 89 (Dionysos habe das Schiff zu seinem Fest in Athen gebracht); Stupperich 1999, 65–78 (Dionysos als Gott, der über das Meer gekommen sei und die Piraten bändigte: Hom. Hymn. 7). Zu einer ähnlichen Parodie des Musenanrufs bei Matron von Pitane (F 1,1–2 Olson/Sens), vgl. Hunter/Koukouzika 2015, 24. 1183 Es ist umstritten, ob das Schreibmaterial gemeint ist, Papyrus für Seile für Schiffe oder beides, vgl. Gkaras 2008, 140. Angesichts der Kriegssituation und dem vorangegangenen Hinweis auf Segeltuch könnte man für Taumaterial für die Flotte ausgehen. So auch Gilula 2000, 80. 1184 Zum militärischen Rang und Ruhm der Arkader vgl. Heinrichs 2015, 9–24. 1185 Hermippos bezeichnet die Ware nicht als σίλφιον, sondern als καυλός. Die Verbindung mit Kyrene verweist aber auf Silphion, vgl. Gkaras 2008, 132, Gilula 2000, 80. Zum kyrenischen Silphion: Theophr. Hist. Plant. 6,3; Plin. NH 22,101–106; Catull 7,4: lasarpiciferis (…) Cyrenis: ein bislang nicht identifizierter Doldenblütler, der nur in der Kyrenaika gewachsen sein soll und unter anderem als medizinisches Allheilmittel und Lebensmittel eingesetzt wurde. Die starke Nachfrage bei seltenem Vorkommen machte den Handel so erfolgreich (Plin. NH 19,39), dass, abgeleitet von dem bei Aristophanes bezeugten Ausdruck „τὸ Βάττου σίλφιον“ (Aristoph. Plut. 925), sinnbildlich für Reichtum, vermutet wird, die kyrenischen royalen Battiaden hätten sich das Vertriebsmonopol gesichert. Der Scholiast zitiert Aristoteles, wonach die Libyer die Silphionpflanze Battos I. gegeben hätten. Zu den Darstellungen auf kyrenischen Münzen vgl. Laronde 1996. Eventuell aufgrund der rigiden Bodenausbeutung begann das Silphion im ersten Jahrhundert n. Chr. rar zu werden, wie Plin. NH 19,39 und Strab. 17,3,23 bezeugen, und verschwand in der Folgezeit gänzlich. 1186 Vgl. Gkaras 2008, 129; Moreno 2007, 523; Gilula 2000, 79; Edmonds 1957, 305. Pace Braund 1994, 44, der von einer utopischen Liste ausgeht, nur weil sie auch Luxusgüter beinhaltet. Zu Essen in der attischen Komödie vgl. Hunter/Koukouzika 2015, 22. 1187 Vgl. Gkaras 2008, 141; Miller 1997, 63–65; Edmonds 1957, 305.
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wurden.1188 Die Darstellung der beiden Herrscher als Händler – kein schmeichelhafter Vergleich – verstärkte den Zug des Betrügerischen.1189 Der Seitenhieb gegen Sitalkes wird sich darauf beziehen, dass der Odrysenherrscher von athenischer und spartanischer Seite umworben worden war.1190 Ferguson spricht von Athens „diplomatic struggle with Sparta at the Court of Sitalkes“.1191 Das Tauziehen um die thrakische Gunst soll damit geendet haben, dass die spartanischen Gesandten von odrysischer Seite – gemäß Herodot durch Sitalkes, laut Thukydides durch Sadokos –1192 an Athen ausgeliefert und dort hingerichtet wurden.1193 Hermippos’ Publikum konnte darüber lachen, dass die eigene Stadt vor den odrysischen Exporten verschont blieb und das Unheil die Spartaner traf.1194 Sparta könnte ebenfalls der Lieferort von Perdikkas’ Schiffsladungen gewesen sein.1195 Als Argument gilt die Parallele, die zu Sitalkes’ Ware, auch mit einer ähnlichen Formulierung, hergestellt wird.1196 Alternativ wird jedoch an Athen gedacht,1197 wo man gemäß der Logik der Pointe Schiffsbauholz geordert und stattdessen Lügen bekommen hatte.1198 Möglich erscheint auch, dass ............................................ 1188 PCG V F 63 (= Athen. 1,27 E-28 A). Vgl. Roisman 2010a, 148; Mari 2011, 89, A. 29; Orth 2009, 145–146; Moreno 2007, 132; Fearn 2007, 123, A. 57 (Dies sei nicht nur auf Perdikkas, sondern auf die Makedonen an sich bezogen. Dies lässt sich anhand des Fragments aber nicht verifizieren); Archibald 1998, 97; Borza 1990, 141, A. 23. 1189 Vgl. Ruffing 2011, 94–95 zu Herodot. Bereits in den homerischen Epen lässt sich dies feststellen, vgl. Neumann 1979, 87. Siehe auch Lysias 23,12–15 über die betrügerischen Getreidehändler mit ihren Wucherpreisen, die Nutzen aus dem Unglück der Menschen ziehen, sich an Unheil bereichern und zur Not auch selbst Falschmeldungen des Unheils verbreiten, um die Preise erhöhen zu können. Im spezifischen Kontext des Fragments von Hermippos trifft die Feststellung, dass See- und Fernhandel in der antiken Literatur generell besser beleumdet war als lokaler Kleinhandel (so Günther 2017, 142–143, der auf das höhere Prestige von emporoi gegenüber kapeloi verweist), nicht zu. Perdikkas und Sitalkes wurden als schwarze Schafe hingestellt, ihr spezifischer Fernhandel zur See als Inbegriff von Lug und Trug. 1190 Vgl. Sears 2013, 79, A. 71; Kallet-Marx 1993, 125. 1191 Ferguson 1949, 161. Kelly 1982, 40 verweist auf den Zeitpunkt der spartanischen Gesandtschaft, mit der auch eine Offerte an Artaxerxes II. verbunden gewesen war, von dem man sich finanzielle Unterstützung für den Krieg erhoffte, datiert auf kurz nach dem Ausbruch der Seuche in Athen. 1192 Hdt. 7,1,37,1–3; Thuk. 2,67,1–3. Vasilev 2011b, 25–26 löst den Widerspruch auf: Sadokos habe im Auftrag seines Vaters gehandelt. 1193 Thuk. 2,67,4. 1194 Zur Darstellung der Spartaner in der attischen Komödie in jener Zeit vgl. Will 2009, 14 (am Beispiel von Aristoph. Ach. 5,509–511). 1195 Vgl. Gkaras 2008, 127, 137–138: Die Schiffe seien auch als Anspielung auf die Lieferungen von makedonischem Schiffsbauholz zu verstehen. Ähnlich Psoma 2015a, 8: auf die ganzen Schiffe gemünzt, die Perdikkas in Makedonien gebaut und dann exportiert habe. Zu schadenfrohem Lachen als einem Ziel der griechischen Komödie vgl. Stark 2004, 130. Am Ende sei darauf abgezielt worden, die Ehre der athenischen Bürger wiederherzustellen. 1196 Vgl. Gkaras 2008, 137. 1197 So offenbar von Fearn 2007, 123, A. 57. 1198 Vgl. Millett 2010, 485.
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Hermippos meinte, dass die makedonischen Schiffe nach Athen und Sparta fuhren und beide Poleis gleichermaßen mit Lügen belieferten.1199 Immerhin konnte das schadenfrohe Lachen über den geschädigten Gegner, der auf den betrügerischen Makedonen hereingefallen war, darüber hinwegtrösten, dass es den Spartanern kaum besser ergangen war. Der Bezug zur Zeitpolitik wird zudem anhand der Korkyra-Passage im Warenkatalog deutlich: Hermippos wünscht Korkyras Schiffen gleich den Untergang durch Poseidon, der dort einen traditionellen Kultort hatte.1200 Die Datierung des Stücks hängt von den drei genannten zeitpolitischen Referenzen ab. Da Sitalkes Ende 424 starb, allgemein aber davon ausgegangen wird, dass Hermippos von ihm als lebender Person sprach und zudem auf die spartanische Gesandtschaft an seinen Hof 430 anspielte, ist damit ein zeitlicher Rahmen gegeben.1201 Das Ende von Perdikkas’ Bündnis mit Sparta fiel in die Zeit nach Sitalkes’ Tod.1202 Wäre das Stück zu verorten, als das Bündnis zwischen Perdikkas und Sparta frisch geschlossen war, wäre von einem wishful thinking aus athenischer Perspektive auszugehen, dass sich die Allianz nicht auszahlen, sondern Perdikkas die Spartaner hintergehen würde. Sollte die Komödie früher entstanden sein, könnte Hermippos auf Perdikkas’ zuvorige Kontakte mit Sparta, etwa die Entsendung einer zu spät erschienenen makedonischen Hilfstruppe 429 angespielt haben,1203 um zu kommentieren, dass von Perdikkas als Bündnispartner niemand etwas hatte. Auf den ersten Blick scheinen die „guten“ Waren zumeist nach Athen zu kommen, während die schlechten Lieferungen entweder untergehen (Korkyras Schiffe) oder nach Sparta gehen (Krätze).1204 Das konnte einem athenischen Publikum in den Zeiten des Peloponnesischen Kriegs gefallen. Zudem wurde durch die Erwähnung der vielen Luxuswaren auch der Hegemonialanspruch Athens betont – ob nun in parodistischer Weise oder nicht;1205 dies mochte im ............................................ 1199 So Gilula 2000, 79. 1200 Vgl. Gkaras 2008, 139; Pellegrino 2000, 212. Zu dem Konflikt und den daraus resultierenden Konsequenzen für Athen, Korinth und Poteidaia: Thuk. 1,23,4–55. 118. Vgl. Will 2015, 27–29, 56–58; Welwei 2006, 526; Rhodes 2006, 88–90. Die Verwünschung Korkyras wird jedoch meist entweder auf die Stasis der Polis 427–425 oder die Seeschlacht der Korkyraier gegen die Peloponnesier 427 bezogen. Thuk. 3,69–81. Vgl. Gkaras 2008, 123; Welwei 2006, 529. Von der Stasis geht aus: Gilula 2000, 79. Zu Thukydides’ Schilderung vgl. Will 2015, 58. 1201 Vgl. Gkaras 2008, 123; Gilula 2000, 79. 1202 So Wilamowitz-Moellendorff 1870, 35. Pace Gilula 2000, 79. 1203 Thuk. 2,80,7. 1204 Vgl. Gkaras 2008, 127; Gilula 2000, 79. 1205 Über die Deutung des Güterkatalogs an sich herrscht Uneinigkeit. Entweder gilt er als Parodie auf Lobpreisungen der athenischen Machtstellung (vgl. Gkaras 2008, 128; Gilula 2000, 78, 80), spezifisch auf Athens Position gegenüber seinen Seebundmitgliedern und anderen Handels-
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Auge des Betrachters liegen. Auf den zweiten Blick könnte man feststellen, dass auch bei den nach Athen verschifften Gütern nicht alles Gold ist, was glänzt. So verweist Gkaras auf Traditionen, wonach Rindsleder aus Nordafrika zwar robust ausgesehen, sich aber rasch verformt habe,1206 Makrelen teilweise als schwer verdaulich gegolten hätten,1207 die Feige, ἰσχάς, auch eine obszöne Bedeutung haben konnte und ihre alternative Bezeichnung, σῦκον, zudem die Verbindung mit συκοφάντης zugelassen habe.1208 Wäre dies als Subtext intendiert gewesen, hätte ein aufmerksamer Rezipient zwischen den Zeilen lesen und feststellen können, dass neben den offensichtlichen Unheilsgütern auch andere Mogelpackungen verschifft wurden: Eventuell war Lug und Trug nicht nur mit Schiffen aus Thrakien und Makedonien verbunden; in der Kriegssituation konnte es jeden ständig ereilen. Erhellend ist, wie das Odrysenreich und das Temenidenreich personifiziert durch ihre jeweiligen Herrscher wahrgenommen wurden. Hermippos’ Spott ist zugleich Indikator für Sitalkes’ und Perdikkas’ Prominenz im zeitgenössischen Athen.1209 Sie waren dem Theaterpublikum Begriff genug, um als Garant für Lacher zu gelten. Perdikkas wurde zwar als Spezialist für Lügen verspottet, doch ist diese Charakterisierung nicht isoliert zu betrachten, sondern im Kontext von Hermippos’ Komödienfragmenten. So wirkt relativierend, dass Betrug und Täuschung generell wichtige Themen bei Hermippos zu sein scheinen und Perdikkas nicht der einzige ist, welcher der Lüge beschuldigt wird.1210 ........................................................................................................................................................................... partnern (vgl. Rusten 2006, 550), oder als Glorifizierung von Athens wirtschaftlicher Größe: „the marketplace of Athens as a kind of epitome of the world“ (Davidson 2012, 28, A. 9). In diese Richtung geht auch die Vermutung, es sollte ein Kontrast zwischen dem reich belieferten Athen zu dem abgeschnittenen Sparta aufgezeigt werden. Vgl. Brock 2006, 95. 1206 Aristoph. Eq. 316–318. Vgl. Gkaras 2008, 133. 1207 Vgl. Gkaras 2008, 134. 1208 Vgl. Gkaras 2008, 143. 1209 Politische Akteure, die das Tagesgeschehen prägten, fanden Eingang in der Komödie: von den zeitgenössischen athenischen Politikern etwa Kleon – der ungünstig und humorlos darauf reagiert haben soll und in Folge noch mehr verspottet wurde. Vgl. Rusten 2006, 550; Wohl 2002, 92–105; Bowie 1982, 35. Siehe auch Will 2015, 34. Scholten 2003, 279 weist zwar darauf hin, wie hart es einen bekannten Athener treffen musste, wenn er vor einem großen Publikum scharf verspottet wurde. Doch traf dies auf die anderen Spottopfer ebenso zu wie auf Kleon. Bauman 1990, 49–60 charakterisiert Prozesse als besonderes politisches Mittel von Kleon und spricht von „The judicial reign of Cleon“. Auch Luk. Prometh. 2 erwähnt Kleon und die attischen Komödiendichter. Als weitere zeitgenössische athenische Spottopfer unter den Politikern sind zu nennen: Nikias, Perikles und Alkibiades. Zu Nikias in der Komödie vgl. Rodríguez Alfageme 2011; de Ste. Croix 1972, 361–362; Titchener 1988, 25–26, 46. Perikles und Alkibiades wurden auch von Hermippos (F 47; F 57) aufs Korn genommen, vgl. Gkaras 2008, 12. Zu Alkibiades allgemein in attischer Komödie siehe auch Rusten 2006, 553. Auch der oikistes von Amphipolis, Hagnon, Sohn des Nikias, wird als Spottopfer von Kratinos (K-A PCG IV F 171) vermutet, vgl. Mari 2012, 342; Pesely 1989, 191. 1210 Vgl. Gkaras 2008, 11–12. Er verspottet etwa Personen, die sich am Krieg bereicherten und solche, die sich vor ihren Pflichten drückten. Betrachtet man die Gründe für den Spott bei den
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Perdikkas erscheint somit nur als ein Repräsentant vieler Erscheinungsformen von Lug und Trug im Krieg, somit als ein Produkt seiner Zeit, die auch für Hermippos von den militärischen Auseinandersetzungen Athens geprägt war.
Perdikkas, Argos, Thukydides und kinship ties Als Thukydides Perdikkas das nächste Mal erwähnt, stellt er ihn erneut in der Rolle des untreuen Bündners dar, der ein Doppelspiel treibt.1211 418/7 trat Perdikkas einem Bündnis von Argos, neutral während des Archidamischen Kriegs geblieben,1212 und Sparta bei. Zugleich hatten die Argiver auch ihr Bündnis mit den Chalkidiern von 421 erneuert.1213 Argos’ Führungsriegen waren zwischen Befürwortern der Demokratie und einer Verbindung mit Athen sowie Befürwortern einer Oligarchie und des Anschlusses an Sparta gespalten.1214 Diese Uneinigkeit prägte die Vorgeschichte der Allianz. Im Sommer 420 hatten Sparta und Argos über einen Friedensvertrag verhandelt, doch stattdessen war, auch dank des Wirkens von Alkibiades, ein Bündnis zwischen Argos, Elis und Mantineia mit Athen erfolgt.1215 Nachdem Argos 419 gegen Epidauros vorgegangen war,1216 hatte Sparta 419/8 eine Garnison dort installiert.1217 418 hatte Sparta Truppen gegen Argos gesandt, doch es war zu einem Friedensschluss gekommen:1218 Die Richtung, die Athen und der Demokratie zuneigte, war gekippt worden. Mit spartanischer ........................................................................................................................................................................... namentlich Erwähnten, ergibt sich eine Mischung aus Äußerlichkeiten (Magerkeit; Grobheit), schlechter persönlicher Eigenschaften, die dem Ideal eines Polis-Bürgers entgegenstanden (Feigheit; Wollust; Gefräßigkeit; Geschwätzigkeit) und weiter reichenden Beschuldigungen von Betrug und Diebstahl. 1211 Thuk. 5,80,2. Vgl. Roisman 2010a, 153–154; Giuliodori 2004, 60; Hornblower 1996, 70–71; Hammond/Griffith 1979, 132; Gomme 1970, 145–146; Geyer 1930, 75. 1212 Thuk. 2,9,1. Vgl. Kelly 1974, 87, 89. 1213 Thuk. 5,31,6. 80,2. Vgl. Hornblower 2008, 204; Zahrnt 2006a, 606; Borza 1990, 155–156; Zahrnt 1971, 73; Gomme 1970, 146. 1214 Thuk. 5, 83,1. Vgl. Andrewes 1992, 434; Seager 1976, 268; Kagan 1962, 211–217. 1215 Thuk. 5,43–47; Diod. 12,77,2; Plut. Alk. 15,1. Vgl. Wolff 2010, 166; Welwei 2006, 531; Cartledge 2003, 192; Chambers 1993, 330; Andrewes 1992, 436; Kelly 1974, 95–96 (die Argiver hätten damit das kleinere Übel gewählt); Kagan 1962, 211. 1216 Thuk. 5,67. 72. 74. Der offizielle Grund war ein ausgebliebenes Opfer (Weidepacht) von Epidauros an Apollon Pythaieus. Vgl. Wolff 2010, 166. Zum Ursprung des Kults vgl. Tausend 1992, 11. Alkibiades stärkte als athenische Schützenhilfe Argos den Rücken. Vgl. Will 2015, 36. Seager 1976, 265 zufolge wollte Athen nicht zu stark involviert werden, um keine Konfrontation mit Sparta zu provozieren, aber die Sicherung von Korinth erreichen. Vgl. Kelly 1974, 96. 1217 Thuk. 5,56,2. 1218 Thuk. 5,57,1. 78; Diod. 12,80,1. Vgl. Andrewes 1992, 437–438; Seager 1976, 268; Kagan 1962, 209–217.
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Unterstützung hatten sich die Befürworter der Oligarchie und des Bündnisses mit Sparta durchgesetzt.1219 Laut Thukydides war Perdikkas’ Verhalten besonders dreist: Er schloss sich der Allianz nicht nur hinter Athens Rücken an, sondern wollte sich die Athener zugleich auch noch warmhalten.1220 Allerdings konnte Perdikkas kaum ernsthaft annehmen, dass die athenischen Informationsmöglichkeiten derart beschränkt waren, dass ein solches Bündnis geheim bleiben konnte – gerade angesichts von Alkibiades’ intensiven Engagements in Sachen Argos. Er forcierte im Hinblick auf die Unhaltbarkeit des Nikias-Friedens die Isolierung Spartas auf der Peloponnes, um die Ausgangssituation der Polis für den erneuten Konfliktausbruch zu schwächen, und war in Argos besonders aktiv.1221 Es ist unglaubhaft, dass Perdikkas gehofft haben sollte, dass Alkibiades und seinen Kreisen unbemerkt blieb, wer mit Argos paktierte. Wenn Perdikkas diesen Schritt ging, musste er sich über die Konsequenzen klar sein – den Bruch mit Athen, auch wenn Thukydides dies anders darstellt. Als Perdikkas’ Motiv, dem Bündnis beizutreten, nennt Thukydides die familiengeschichtliche Rückbesinnung: καὶ τά τε ἄλλα θυμῷ ἔφερον καὶ ἐς τὰ ἐπὶ Θρᾴκης χωρία καὶ ὡς Περδίκκαν ἔπεμψαν ἀμφότεροι πρέσβεις, καὶ ἀνέπεισαν Περδίκκαν ξυνομόσαι σφίσιν. οὐ μέντοι εὐθύς γε ἀπέστη τῶν Ἀθηναίων, ἀλλὰ διενοεῖτο, ὅτι καὶ τοὺς Ἀργείους ἑώρα: ἦν δὲ καὶ αὐτὸς τὸ ἀρχαῖον ἐξ Ἄργους. καὶ τοῖς Χαλκιδεῦσι τούς τε παλαιοὺς ὅρκους ἀνενεώσαντο καὶ ἄλλους ὤμοσαν. Auch sonst zeigten sie leidenschaftlichen Eifer, und so schickten beide ihre Gesandten in thrakische Lande und zu Perdikkas; sie gewannen ihn dafür, auch auf ihr Bündnis zu schwören. Perdikkas fiel allerdings nicht gleich von den Athenern ab, sondern dachte bloß daran, weil er die Argiver vor Augen hatte (die schon abgefallen waren), stammte er doch selbst ursprünglich aus Argos.1222 ............................................ 1219 Vgl. Wolff 2010, 167; Andrewes 1992, 439; Seager 1976, 268–269; Kagan 1962, 216. 1220 Thuk. 5,80,2. Er sei οὐ μέντοι εὐθύς abgefallen – impliziert ist: wie sonst immer. Akzeptiert von Borza 1990, 156; Geyer 1937b, 601. Es fällt auf, dass Thukydides wieder das Wort εὐθύς für einen Bündniswechsel bei Perdikkas benutzt, wie schon in 1,62,2; 4,107,3. 132,1. 1221 Vgl. Cartledge 2003, 192. 1222 Thuk. 5,80,2. Übers. H. Vretska. Vgl. Roisman 2010a, 153–154; Hornblower 1996, 70–71; Chambers 1993, 332–334 (der die Auswirkungen dieser Rolle von Perdikkas auf die athenische Politik überbewertet); Geyer 1930, 75. Geyer 1937b, 601 stellt heraus, dass es die feindselige Haltung von Argos zu Athen gewesen sei, die ihn bewogen habe. Giuliodori 2004, 60 ist dagegen ratlos, was Perdikkas motiviert haben könnte. Borza 1990, 156 nennt als mögliche Motive des
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Es fragt sich, inwieweit Thukydides tatsächlich Perdikkas’ Propaganda wiedergibt oder nur seine eigenen Überlegungen anstellt, wie Hornblower vermutet.1223 Solche – faktischen oder aus legitimatorischen Gründen konstruierten – Verbindungen waren zentral im griechischen Denken: „kinship was a powerful motivator of collective emotions, a central value of ancient Greek society, and ultimately an important factor in collective decision-making and action (…) It should be noted that such kinship ties were often taken for granted, not only by Thucydides“.1224 Auch für die makedonische Welt ist ein solches Denken anzunehmen, das sicherlich besonders dann betont wurde, wenn es politisch opportun schien. Signifikant ist, wie Argos auf die – anscheinend erstmalige – öffentliche Verkündung in Griechenland reagierte, ihre Stadt sei der Herkunftsort der makedonischen Herrscherfamilie. Alexander I. soll dafür die Plattform der olympischen Spiele gewählt haben.1225 Die Datierung der Episode, die auch teilweise als Erfindung abgelehnt wird,1226 ist umstritten.1227 Sie steht jedoch ........................................................................................................................................................................... Herrschers für den Beitritt zu der Allianz ein verstärktes Misstrauen gegenüber Athens Aktionen in Nordgriechenland, vor allem wegen des Beitritts von Herakleion und Bormiskos zum Seebund. 1223 Vgl. Hornblower 2008, 204; Hornblower 1996, 71. Er verweist zudem auf die Ähnlichkeit mit der Behauptung Alexanders I. bei Hdt. 9,45,2, vgl. Hornblower 2008, 203–204 (irrtümlich als Sohn von Perdikkas bezeichnet). Borza 1990, 156, A. 61 überlegt, ob die Argiver diese Tradition eher verbreitet hätten als Perdikkas. Dagegen nimmt Chambers 1993, 332 an, es habe sich um einen vorgeschobenen Grund von Perdikkas gehandelt. Hammond/Griffith 1979, 121, identifizieren die Behauptung als politisch effektive Propaganda von Perdikkas. Gomme 1970, 146 betont, dass Argos ansonsten in Perdikkas’ Regierung keine große Rolle gespielt habe. Die Pflege diplomatischer Bindungen mag indes schon wichtig gewesen sein. Hammond/Griffith 1979, 103 gehen von einem persönlichen Besuch Alexanders in Argos aus. Es fehlen dafür aber Belege. 1224 Fragoulaki 2016, 124–125, 118. Siehe auch Gomme 1970, 146. Thuk. 4,120,1 berichtet, dass die Bewohner von Skione auch erklärten, ihre Vorfahren seien ursprünglich aus der Peloponnes, als sie zu Brasidas überliefen. 1225 Hdt. 5,22,2; Just. 7,2,14. Zur Öffentlichkeitswirksamkeit von Verkündigungen bei panhellenischen Spielen vgl. Bowden 2003, 69; Scanlon 1997, 3, 20. 1226 Vgl. Fearn 2007, 117; Xydopoulos 2006, 54–57; Blösel 2004, 124, A. 102; Borza 1999, 10, A. 12; Greenwalt 2003, 145; Borza 1990, 111; Roos 1985. Ein Hauptargument ist dabei, dass Alexander I. nicht in den olympischen Siegerlisten erscheint. Diese sind aber in ihrer Genauigkeit erstens umstritten und zweitens sprechen Herodot und in seiner Folge Trogus-Justin nicht explizit von einem Sieg. Vgl. Scanlon 1997, 4. 1227 Sie rangiert von 505/0 bis 476. Zu einem Überblick siehe Müller 2016a, 120–121; Zahrnt 1992, 253–254; Hammond/Griffith 1979, 60. Für 505/0: Mari 2002, 31–33; Whitehorne 1994, 7; Hammond 1989, 19; Cole 1978, 39. Scanlon 1997, 4 scheint davon auszugehen. Für ein Datum vor 490: Maehler 1997, 333; Hammond/Griffith 1979, 60; Wallace 1970, 200, A. 13; Daskalakis 1970, 155; Edson 1970, 37. Für eine Datierung in die Zeit der Loslösung von Persien im Zuge der Ionischen Revolte, konkret 496: Zahrnt 2011, 766–767; Zahrnt 1992, 253–254. Das Argument, als Kurzstreckenläufer sei Alexander zu einem späteren Termin schon zu alt gewesen, könnte hinfällig sein, wenn Alexander, so wie es später Philipp II. tat (Plut. Alex. 3,8; 4,9; Plut. mor. 105 A; vgl. Mari 2002, 80–81), oder auf griechischer Seite etwa als prominente Vertreter Alkibiades und Kyniska (Thuk. 6,16,2; Plut. Alk. 11 ; Plut. Ages. 20,1–2; Paus. 3,15,1; 6,1,6; Poseidipp. Ep. 78 AB, Z. 5; vgl. Lacey 1968, 70; Mitchell 2012, 17–18), professionelle Sportler in ihrem Namen antreten ließen. Im Erfolgsfall galten dennoch die Sponsoren selbst als Sieger. Xy-
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durchaus in einer Linie mit seiner politischen Rechtfertigung als natural born Greek nach dem Xerxeszug. Als Datum wäre in dem Fall 476 anzunehmen.1228 Herodot zufolge sollte Alexander von den Wettkämpfen ausgeschlossen werden, weil nur freien Hellenen die Teilnahme erlaubt war. Daraufhin erfolgte seine programmatische Vorstellung als Grieche von der Peloponnes: Er sei Argaios, somit berechtigt zur Partizipation.1229 Argivische Repräsentanten stimmten zu.1230 Damit war der Fall klar, er und seine Familie waren nachweislich als Griechen anerkannt und wurden entsprechend von Herodot und Thukydides so gesehen.1231 Die Schützenhilfe aus Argos verweist auf bestehende Verbindungen. Wie lange dieses Netzwerk schon existierte, ob Alexander es erst kurz zuvor durch gezielte Schenkungen initiiert hatte oder auf ältere connections zurückgreifen konnte, ist ungewiss. Er wird nichts dem Zufall überlassen haben. Seine zielgerichtete Inszenierung erweckt durchaus den Verdacht, dass er zuvor nicht nur in Argos Spenden verteilt hatte. Womöglich hatte er die olympischen Wettkampfrichter extra dazu gebracht, ihm unter möglichst großem Getöse die Teilnahme zu verweigern, damit seine Gegendemonstration weite Aufmerksamkeit hatte – somit ein inszenierter Skandal. Die Rezeption bestätigt die nachhaltige Effektivität: Herodot befand die Episode für erinnerungswürdig; auch Pompeius Trogus nahm sie in seine Universalgeschichte auf und selbst den rigiden Kürzungen Justins fiel sie nicht zum Opfer.1232 Bezüglich der argivisch-temenidischen Beziehungen ist sporadisch erkennbar, dass sie gepflegt wurden. Darauf verweist das archäologische Zeugnis eines bronzenen Dreifußes, der in Grab II von Vergina-Aigai gefunden wurde.1233 Er gilt als temenidisches Familienerbstück, das als prestigeträchtig angesehen, in Ehren gehalten und schließlich als Grabbeigabe erwählt wurde.1234 Der bronzene Dreifuß, von einer Höhe von rund 60 cm, trägt am Rand ........................................................................................................................................................................... dopoulos 2007b, 8 akzeptiert den Olympia-Auftritt als historisch, legt sich aber nur auf das frühe 5. Jh. fest. Nicolet-Pierre 2002, 188–189 votiert ebenfalls für die Historizität der Teilnahme, aber ohne Datum. 1228 Vgl. Müller 2014, 157; Müller 2011, 112; Sprawski 2010, 129, 142; Kertész 2005; Rosen 1987, 31; Rosen 1979, 7; Geyer 1930, 47–48. 1229 Hdt. 8,137,1; Dies gilt als unhistorisch: Vgl. Vasilev 2012, 46; Hall 2002, 156; Iliadou 1998, 16– 19; Daskalakis 1970, 155–161. Borza 1990, 81. 1230 Hdt. 5,22,2; Just. 7,2,14. 1231 Vgl. Stoneman 2014, 6; Xydopoulos 2007b, 8. 1232 Just. 7,2,14. Bei ihm trat Alexander – im Unterschied zu Herodots Bericht – sogar gleich in mehreren Disziplinen an, die er indes nicht benennt. 1233 Vgl. Andronikos 1984, 165; Amandry 1980, 216, 234, 251. Siehe auch Hornblower 2008, 204. 1234 Vgl. Carney 2016, 114.
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eine Inschrift, die ihn als Siegespreis bei den argivischen panhellenischen Spielen für Hera ausweist: „παρ’ hέρας Ἀργείας ἐμι τõν ἀϝέθλον – Ich bin von den Wettkämpfen der argivischen Hera“.1235 Pindar erwähnt allgemein, dass es bronzene Siegestrophäen gab, ἀγὼν χάλκεος.1236 Dabei handelte es sich um Hydriai oder, wie der Fund aus Makedonien zeigt, einen Dreifuß, wie die archäologische Evidenz bestätigt, die solche bronzenen Preise mit einem entsprechenden inschriftlichen Verweis auf die Spiele in Argos aus einer Spanne zwischen 460–420 kennt.1237 Anhand der Buchstabenformen wird auf die Datierung geschlossen,1238 die zwischen 460, 450, 425 oder 410 rangiert.1239 Entsprechend werden auch verschiedene Temeniden genannt, die den Preis bei den argivischen Spielen gewonnen haben sollen: Entweder Alexander, Perdikkas oder Archelaos.1240 Miltiades Hatzopoulos zufolge war Perdikkas der Sieger, der ihn bekam.1241 Pierre Amandrys Datierung (430er-420er Jahre) führt ebenfalls zu Perdikkas.1242 Über die Intention des temenidischen Mitwirkens herrscht weitgehende Einigkeit: Es sei eine repräsentationspolitische Maßnahme gewesen, um die kinship links zwischen Argos als proklamierter temenidischer Herkunfsstätte und dem Herrscherhaus zu demonstrieren.1243 ............................................ 1235 SEG 29,652. Vgl. Hornblower 1996, 72; Amandry 1980, 216, 217, A. 14, 234, 251. Zur Frage der Beziehung zwischen Heraia und Hekatombaia in Argos vgl. Amandry 1980, 223–232. 1236 Pind. Nem. 10,22. Der Scholiast denkt, es habe sich um Bronzeschilde gehandelt, doch spricht die archäologische Evidenz dagegen, vgl. Hornblower 2004, 13. 1237 Vgl. Hornblower 2004, 13–14. Zu bronzenen Hydriai aus dem 5. Jh. v. Chr., welche die Inschrift παρ’ hέρας Ἀργείας tragen: SEG 30,1456; 39,1365; SEG 34,1061; 39,353; 39,1061; SEG 11,355; 30,366; SEG 11,355; SEG 30,367. Vgl. Amandry 1980, 211–212 (5 Exemplare), 216–217. 1238 Vgl. Hall 2002, 155, A. 131; Amandry 1980, 216, 251, der einen identischen Graveur bei der Inschrift des argivischen Preises aus Vergina und eines argivischen Preises in London feststellt und von einem Datum zu Beginn des Peloponnesischen Kriegs ausgeht. 1239 SEG 29,652. Um 450: Hatzopoulos 2011, 58; 460–450: Amandry 1980, 251; kurz nach 410: Hall 2014, 111. 1240 Alexander: Fearn 2007, 117; Hall 2002, 156; Perdikkas: Hatzopoulos 2011, 58; Archelaos: Hall 2014, 111. Kyle 2015, 224 lässt es offen. Hornblower 2008, 204 schließt auf jeden Fall auf „lively contact“ zwischen makedonischen Mitgliedern der Führungsschicht und den argivischen Agonen. Vgl. Wirth 1985, 21; Hammond/Griffith 1979, 103 mit der Vermutung eines persönlichen Besuchs Alexanders in Argos. 1241 Vgl. Hatzopoulos 2011, 58. 1242 Vgl. Amandry 1980, 251. 1243 Vgl. Kyle 2015, 224; Hornblower 2004, 14; Hall 2002, 156. Die temenidischen Herrscher werden auch in der Frühzeit vermutlich nicht selbst bei panhellenischen Spielen angetreten sein, sondern professionelle Sportler engagiert haben. Plutarchs Anekdote, wonach der junge Alexander III. es abgelehnt habe, an den olympischen Spielen teilzunehmen, weil er dort nicht gegen andere Herrscher – somit Statusangehörige – antreten könne (Plut. Alex. 4,5–6), wird zwar apokryph sein (vgl. Bowden 2017, 167), im Kern aber den Knackpunkt ansprechen. Vgl. Mari 2002, 232. Die Episode über Alexanders Teilnahme an panhellenischen Spielen als Teenager, zusammen mit Hephaistion, bei PsKall. 1,18–19, ist fiktiv. Perdikkas könnte für die Heraia in Argos einen Sportler engagiert haben, der für ihn antrat – eventuell in der Tradition seines Vaters in einem Laufwettbewerb. Zumindest ist Langlauf (dolichos) als Disziplin bei den argivischen Spielen bezeugt. Vgl. Hornblower 2004, 13.
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Das Bündnis war nur kurzlebig, da in Argos die Kräfte für eine Allianz mit Athen wieder die Oberhand gewannen und sich die Polis im Frühjahr 416 Athen erneut anschloss.1244 Alkibiades war als athenischer strategos in Argos tätig geworden und hatte geholfen, die zu Sparta geneigten argivischen Politiker zu vertreiben.1245 Athen erklärte Perdikkas 417/6 den Krieg und ließ Taten folgen: κατέκλῃσαν δὲ τοῦ αὐτοῦ χειμῶνος καὶ Μακεδόνας Ἀθηναῖοι. Im selben Winter blockierten die Athener die Makedonen.1246
Es herrscht Unklarheit, was κατέκλῃσαν für eine Art von Blockade meint.1247 Die Lesart in den MSS, Μακεδόνίας Ἀθηναῖοι Περδίκκαν, dass Perdikkas in Makedonien blockiert wurde, hat sich nicht durchgesetzt,1248 ebenso wenig wie die Alternative κατέλῃσαν (plündern).1249 Vorgeschlagen werden: eine Blockade der makedonischen Küste1250 (wenngleich deren Effektivität bezweifelt wird);1251 eine Blockade der temenidischen Häfen Therme und Pydna;1252 eine ............................................ 1244 Thuk. 5,82,5; IG I3 86. Vgl. Wolff 2010, 168; Andrewes 1992, 437–439; Seager 1976, 269; Kagan 1962, 217. Westlake 1971, 320, 324 verweist darauf, dass Thukydides die argivischen Politiker als wankelmütig, halbherzig agierend, hinterhältig, intrigant und unfähig darstelle, ohne auf die Stasis einzugehen. 1245 Thuk. 5,84,1; Diod. 12,81,2. Vgl. Develin 1989, 146–147; Seager 1976, 269. Auch 418/7 war er als athenischer Gesandter in Argos gewesen, um dort um Verbündete zu werben (Thuk. 5,61,2; 5,76,3). Vgl. Westlake 1971, 321. Es blieb in der Folge zwischen Argos und Sparta bei einem konfliktreichen Verhältnis, vgl. Wolff 2010, 168. 1246 Thuk. 5,83,4. Übers. H. Vretska. 1247 Vgl. Hornblower 2008, 214: Es gibt Debatten um den korrupten Charakter der Passage. 1248 Vgl. Hornblower 2008, 214. 1249 Vgl. Hornblower 2008, 214. 1250 Vgl. Millett 2010, 485; Chambers 1993, 332; Hammond/Griffith 1979, 132; Geyer 1937b, 602. Athenische Seekräfte waren im Norden vorhanden: ML 77. Die Zahlungen belegen Operationen im thrakischen Raum. Ob Nikias allerdings dabei war und gegen Amphipolis vorgehen sollte, ist wie erwähnt offen. 1251 Vgl. Gomme 1970, 153: „The difficulties of naval blockade with Greek warships are known (…) it is true that Macedon at this period had a short coastline and that Athens had bases very near at hand, but even a complete blockade of Macedon would be very much less effective than blockade of an island“. Ähnlich: Hornblower 2008, 214. Siehe auch Casson 1959, 102: Die leichte Bauart von Trieren sei ein Hindernis gewesen; möglich sei nur eine Isolation eines Hafens von Versorgungslieferungen über den Seeweg gewesen, aber keine Blockade einer ganzen Küstenlinie. 1252 Vgl. Schuller 1974, 12. Entgegen der älteren These, Pydna sei von Alexander I., als dessen Stadt sie bezeugt ist (Thuk. 1,137,1), erobert worden (vgl. Wirth 1985, 21; Geyer 1930, 64, in die 460er Jahre datiert), wird aktuell davon ausgegangen, dass es sich um eine makedonische Siedlung gehandelt habe: Hatzopoulos/Paschidis 2004, 806. Pydna war jedoch nicht immer unter temenidischer Kontrolle und in dem betreffenden Zeitraum vielleicht nicht mehr, vgl. Hatzopoulos 1996a, 466, 470 (während Perdikkas’ Regierung abtrünnig). Pydna wurde 411/10 von Archelaos belagert – mit athenischer Hilfe unter Theramenes, Zeichen gewandelter Zeiten (Diod. 13,49,1– 2; Xen. Hell. 1,1,12). Vgl. Hammond/Griffith 1979, 137.
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Störung der makedonischen Beziehungen zu den chalkidischen Städten;1253 eine Blockade der makedonischen Märkte;1254 eine Blockade des regionalen Handels.1255 Das Rätsel bleibt ungelöst. Anscheinend war die wie auch immer geartete Aktion ohnehin nur bedingt erfolgreich; Athen fuhr schwerere Geschütze auf, wobei sich die Sonderbehandlung Methones bezahlt machte: Über dieses Einfallstor schleuste Athen im Winter 416/5 einen speziellen Stoßtrupp aus eigenen Reitern und in Athen lebenden makedonischen Exilierten ein, die in Zentralmakedonien randalierten.1256 Es ist ungewiss, wer diese makedonischen Verbannten waren. Naheliegend ist Coles Vermutung, es seien einstige Anhänger von Philipp und Amyntas gewesen.1257 Es könnten aber auch Kritiker des Bündnisses mit Sparta von 424 beziehungsweise mit Sparta und Argos gewesen sein. Die Spartaner sollen an die Chalkidier appelliert haben, Perdikkas beizustehen, doch sie wollten eine gerade mit Athen vereinbarte Waffenruhe nicht gefährden.1258 Diese Haltung wird als Entspannung der Lage für Athen gedeutet,1259 auch wenn Thukydides Nikias für den Sommer 415 von einer noch immer unbezwungenen Chalkidike reden lässt.1260 Im Sommer 414 war Perdikkas erneut Athens Verbündeter.1261 Es ist ungewiss, wann genau die Allianz geschlossen wurde. Ihm blieb angesichts der athenischen Repressalien und der mangelnden Effektivität der spartanischen Hilfsappelle an die Chalkidier kaum eine andere Wahl.1262 Es ist umstritten, welche Seite sich von dem abermaligen Bündnis den größeren Vorteil beziehungsweise geringsten Nachteil ausrechnete.1263 Schlüsselaspekt ist die Streitfrage, ob die Athener zur Vorbereitung der Sizilischen Expedition makedoni-
............................................ 1253 Dies hatten die Athener bereits im Sommer 432 versucht (Thuk. 1,57,6. 59,2), vgl. Borza 1990, 142. 1254 Vgl. De Ste. Croix 1072, 214. 1255 Vgl. Niebergall 2004, 20. 1256 Thuk. 6,7,3. Vgl. West 2013; Borza 1990, 157; Hammond/Griffith 1979, 133; Geyer 1937b, 602. 1257 Vgl. Cole 1974, 70. Siehe auch Hammond/Griffith 1979, 136–137, A. 1: Derdas und seine Nachkommenschaft könnten dabei gewesen sein. Geyer 1937b, 601 denkt an Anhängerschaft seines Neffen Amyntas. 1258 Thuk. 6,7,4. Vgl. Borza 1990, 156–157; Zahrnt 1971, 73. 1259 Vgl. Stickler 2010, 349. 1260 Thuk. 6,10,5: εἰ Χαλκιδῆς γε οἱ ἐπὶ Θρᾴκης ἔτη τοσαῦτα ἀφεστῶτες ἀφ᾽ ἡμῶν ἔτι ἀχείρωτοί εἰσι. Vgl. Zahrnt 1971, 74. 1261 Thuk. 7,9,1. 1262 Giuliodori 2004, 61 sieht vor allem die Repressalien Athens als Grund an. 1263 Spence 2000, 259–260 glaubt, das Bündnis habe Perdikkas geholfen, sein Reich zu erhalten, als es zu schwach für militärischen Widerstand gewesen sei.
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sches Flottenbauholz benötigten1264 oder ob sie nicht auf größere Holzlieferungen angewiesen waren.1265 Perdikkas unterstützte die Athener 414 bei deren erneuten Versuch, Amphipolis zurückzuerobern.1266 Die Aktion blieb wieder vergeblich. In der abtrünnigen apoikia hatte man nach dem Ableben von Brasidas, der in der Schlacht um Amphipolis im Sommer 422 gegen Kleons Truppen tödlich verwundet worden war,1267 ein unmissverständliches Zeichen gesetzt, wie man zu Athen stand: καὶ τὸ λοιπὸν οἱ Ἀμφιπολῖται (…) ὡς ἥρωί τε ἐντέμνουσι καὶ τιμὰς δεδώκασιν ἀγῶνας καὶ ἐτησίους θυσίας, καὶ τὴν ἀποικίαν ὡς οἰκιστῇ προσέθεσαν, καταβαλόντες τὰ Ἁγνώνεια οἰκοδομήματα καὶ ἀφανίσαντες εἴ τι μνημόσυνόν που ἔμελλεν αὐτοῦ τῆς οἰκίσεως περιέσεσθαι. Die Bewohner von Amphipolis (…) opferten ihm seither als Heros und haben zu seinen Ehren Wettkämpfe und jährliche Festopfer eingeführt, betrachteten ihn auch als oikistes ihrer Siedlung. Sie rissen Hagnons Bauten nieder und beseitigten alles Vorhandene, was an ihn als oikistes erinnern konnte.1268
Brasidas, aufgrund der „Befreiung“ von Athen als soter anerkannt,1269 wurde in Amphipolis innerhalb der Stadtmauern bestattet.1270 In ihrem Kommentar zu ............................................ 1264 Vgl. Millett 2010, 485, A. 53; Mattingly 1966, 199–200; Hammond/Griffith 1979, 133; Walbank 1978, 323; Cole 1974, 70–71: Perdikkas habe sich am Vorabend der Sizilischen Expedition dieses Geschäft nicht entgehen lassen wollen. 1265 Vgl. Psoma 2015a, 10, A. 15 (die Athener hätten keine Aufrüstung der Flotte für die Sizilische Expedition benötigt; Thuk. 6,90,2–4 gehe auf eine von Alkibiades erfundene Behauptung zurück); Kallet 2001, 195 („we cannot find any evidence of major funding from Athens for the expedition“); MacDonald 1981, 144: „The Athenian fleet was strong at this time, having come through the Archidamian War with no major disasters“. 1266 Thuk. 7,9,1. ML 77, Z. 77–78 mit dem Verweis auf Zahlungen für eine Operation am Thermaischen Golf, die sich darauf beziehen mögen. Vgl. Zahrnt 2006a, 610; Zahrnt 2002, 55; Hornblower 1996, 556; Develin 1989, 153 (Stratege war Euetion); Hammond/Griffith 1979, 133; Geyer 1930, 76. 422. Niebergall 2004, 29, A. 29 geht davon aus, dass dies der 417 versandete Zug gewesen sei, der neu aufgenommen worden sei. Dies ist jedoch ungewiss. 1267 Thuk. 5,10,8–11; Diod. 12,74,2. 1268 Thuk. 5,11,1. Siehe auch Aristot. Eth. Nik. 1134 B. 1269 Mari 2012, 329, A. 7, 333 wendet sich gegen die These, soter sei als Brasidas’ Kulttitel in Amphipolis anzusehen. Es habe sich vielmehr um eine Funktionsbeschreibung behandelt, die vor dem Hintergrund des ideologisch aufgeladenen Konflikts zwischen Sparta und Athen zu verstehen sei. 1270 Thuk. 5,11,1 (vor der Agora). Vgl. Cartledge 2003, 188. Zur Lokalisierung vgl. Mari 2012, 337– 339. Sie verweist darauf, dass oikistai auch eine Bestattung und Kultopfer im Bereich der Agora erhalten konnten. Zu den archäologischen Ausgrabungen in Amphipolis, bei denen auch vielleicht, wie teilweise vermutet wird, das Heroon mit der Grabnische gefunden worden sein könnte (was indes ungewiss ist, da epigraphische Belege fehlen), vgl. Loukopoulou 2013; Mari 2012,
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dieser vieldiskutierten Passage betont Manuela Mari die Neuartigkeit eines „adoptierten“ oikistes. Zudem zeigt sie den drastischen Charakter der programmatischen Durchtrennung des Bands zwischen Mutterstadt und apoikia auf, gestaltet durch die Zerstörung von Hagnons repräsentativen Bauten, als Identifikationssymbole an sicherlich prominenter Stelle, und die Neukreation der Identitätsfigur, an die jährlich durch Spiele und Opfer erinnert wurde.1271 Zugleich argumentiert sie gegen die These, der Heroenkult für Brasidas habe einen oikistes-Kult für Hagnon abgelöst.1272 Erstens sei für diese Zeit die kultische Verehrung einer lebenden Person noch keine Option gewesen, zweitens seien mit den von Thukydides erwähnten τιμαί für Hagnon nicht-kultische Ehren in Gestalt der kommemorativen Gebäude gemeint und drittens sei unplausibel, dass die Bewohner von Amphipolis einen angeblichen Kult für Hagnon auch noch fast zwei Jahre nach dem Abfall von Athen weitergeführt und erst nach Brasidas’ Tod durch dessen Ehrung ersetzt hätten.1273 Wie Hagnon, der verleugnete oikistes, auf Amphipolis’ Bevorzugung von Brasidas reagierte, ist ungewiss.1274 Perdikkas’ Hilfe für die erfolglose athenische Amphipolis-Kampagne 414 ist seine letzte fassbare Regierungshandlung. Nicht nur er, sondern auch Amphipolis, der große Zankapfel und Stolperstein, tauchen an dieser Stelle zum letzten Mal in Thukydides’ Geschichtswerk auf. Fast scheint es symptomatisch für die enge Verknüpfung zwischen der Polis am Strymon, Athens Politik und dem Temenidenreich, die sich wie ein roter Faden durch Perdikkas’ Regierungszeit zog. Amphipolis war mehr als ein geostrategisches Objekt der Kontrollbegierde verschiedener Seiten: Amphipolis war gleichsam Verkörperung des weitreichenden Interessenskonflikts im thrakisch-makedonischen Raum ........................................................................................................................................................................... 338–339; Koukouli-Chrysanthaki 2011, 415. Jones 2010, 25 vertritt die Einzelmeinung, das Heroon sei Brasideion genannt worden. An Leistungen für die Polis erbrachte Brasidas zu Lebzeiten nach der Sicherung der Stadt eine Verstärkung der Befestigungsanlagen (Thuk. 4,102,3. 103,5; 5,10,6–7). Mari 2012, 329, m. A. 6 verweist zudem auf die Umstrukturierung der Bevölkerung und nimmt auch institutionelle Eingriffe an. 1271 Vgl. Mari 2012, 331, 333–334. Zu dem neuen Heros siehe auch Jones 2010, 1. Vgl. Brown Ferrario 2014, 230–231 (Heroisierung wie bei einem Athleten); Isaac 1986, 45. Vgl. auch Gribble 2006, 466; Cartledge 2003, 188–189. 1272 So vertreten von Hornblower 1996, 452–455; Pesely 1989, 198. Zu den vermutlichen Lebzeiten der wenig greifbaren Gestalt Hagnons vgl. Mari 2012, 342: Sie vermutet in ihm gemäß communis opinio Hagnon, den Vater des Theramenes, der noch nach 422 aktiv war. Vgl. auch Sears 2013, 79; Pesely 1989, 191, 203–209: letzter Beleg für das Jahr 411. Akzeptiert auch von Boddez 2016, 87. 1273 Vgl. Mari 2012, 340–352. Bekräftigt durch Boddez 2016, 85–87. 1274 Er lebte noch. Vgl. Lewis 1992, 430, A. 154; Pesely 1989, 198, 204. Seiner weiteren politischen Karriere, sollte er identisch mit Theramenes‘ Vater gewesen sein, scheint es jedoch nicht wirklich geschadet zu haben, vgl. Mari 2012, 342; Traill 1994, 119. Pesely 1989, 203 nimmt an, dass er sich aus politischen Kontroversen und Intrigen weitgehend herausgehalten habe.
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seit dem Abzug der Perser – und, nicht zuletzt, prägender Schlüssel zum politischen Karriere-Aus für den primären Berichterstatter Thukydides.
Perdikkas, Aristophanes und Die Vögel 414 wurde Aristophanes’ Komödie Die Vögel in Athen aufgeführt. In einer Szene wendet sich der Chor einladend an die Zuschauer: Wenn sie wollten, könnten sie sich gerne zu ihnen, den Vögeln, gesellen – denn alles, was beim Publikum als schändlich gelte, sei bei ihnen erlaubt.1275 Es folgen exemplarische Inversionen von Ordnungsmodellen wie das eines entlaufenen Sklaven und eines Sohns, der seinen Vater verprügelt, sowie eines Falls von Verrat:1276 εἰ δ᾽ ὁ Πεισίου προδοῦναι τοῖς ἀτίμοις τὰς πύλας βούλεται, πέρδιξ γενέσθω, τοῦ πατρὸς νεοττίον ὡς παρ᾽ ἡμῖν οὐδὲν αἰσχρόν ἐστιν ἐκπερδικίσαι. Wenn der Sohn des Peisias die Stadttore an die Ehrlosen verraten will, lass ihn zum Rebhuhn werden, die würdige Brut seines Vaters; unter uns ist es nicht schändlich, das Rebhuhn zu machen (sich auf die Rebhuhnart davonzumachen).1277
Aristophenes’ eigene Wortkreation ἐκπερδικίσαι verdient besondere Aufmerksamkeit: „in Aristophanes a neologism – or a rare form – is very often introduced for the sake of making a pun”.1278 Es scheint sich um ein Wortspiel mit dem Namen Perdikkas und πέρδιξ, griechisch für Rebhuhn, zu handeln.1279 Bereits im 17. Jahrhundert vom französischen Gelehrten Jacques Le Paulmier (Palmerius) de Grentemesnil als Seitenhieb auf Perdikkas und dessen Politik gegenüber Athen gedeutet, ist diese Interpretation auch in der aktuellen Debatte weit verbreitet.1280 Aristophanes, „inventive, subtle and sensitive to ............................................ 1275 Aristoph. Av. 753–756. 1276 Vgl. dazu Orfanos 1998, 131. 1277 Aristoph. Av. 766–768. Vgl. Edmonds 1957, 717. O. Weinreich übersetzt πέρδιξ hingegen mit „Zaunschlupfer“ und ἐκπερδικίσαι mit „durch Zäune schlupfen“. 1278 Schreiber 1974, 97 mit dem Beispiel von Aristoph. Av. 768, zudem Aristoph. Equ. 54–57; Av. 38. 1279 LSJ bezeugt ἐκπερδικίσαι nur für diese Stelle bei Aristophanes. Zur Doppelbödigkeit als Kennzeichen der griechischen Komödie vgl. Pöhlmann 2011, 117, 131. 1280 Zu einem Überblick vgl. Dunbar 1995, 474. Akzeptiert wird diese Interpretation von: Müller 2016a, 160; Moreno 2007, xxiii; Schreiber 1974, 97–98; Willems 1919, 309; Green 1879, 131. Da-
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combinations of associations“,1281 spielte mit dem Klang der Vogelbezeichnung und Perdikkas’ Namen, wie es sich gerade in Die Vögel anbot: „The pun on περδικίζειν and περδικκίζειν is natural“.1282 Die Vorsilbe ἐκ- beim „sich auf Rebhuhn-Art benehmen“, „das Rebhuhn machen“ (περδικ(κ)ίσαι) hatte verstärkende Wirkung.1283 Es ist anzunehmen, dass der Schauspieler das Wort so aussprach, als schreibe es sich mit einem doppelten kappa: ἐκπερδικ-κίσαι:1284 „Aristophanes would make sure that his personal references were such as to secure applause”.1285 Für Namen wie Spitznamen auf der Komödienbühne gilt zudem: „theatre manipulates their semantic duality on stage in hilarious episodes“.1286 Eine weitere Rolle für die Erkennbarkeit des Seitenhiebs mag gespielt haben, dass Perdikkas ein ganz typisch makedonischer Name war.1287 Heiterkeit bei den Zuschauern mochte sich sicherlich angesichts der Assoziationen ergeben, die sich bei der Erwähnung des πέρδιξ einstellten. In griechischer Sicht eilte dem Rebhuhn, πέρδιξ,1288 ein zweifelhafter Ruf voraus. Es galt als tückisch, listig und abgefeimt, mit dem Hang, auszuweichen.1289 Der Scholiast erläutert, dass dieser Vogel dafür bekannt gewesen sei, auf besonders ........................................................................................................................................................................... gegen sieht Dunbar 1995, 475 keine Möglichkeit für die Zuschauer, darin eine Pointe gegen Perdikkas zu erkennen, selbst wenn sie wussten, dass Hermippos ihn zuvor als Exporteur von Schiffsladungen von Lügen dargestellt hatte. Indes scheint Hermippos dabei nicht erst ein eigenes Bild kreiert, sondern auf ein bereits kursierendes Image von Perdikkas in athenischer Perspektive angespielt zu haben. Die These, wonach πέρδιξ nicht der ursprüngliche Stamm des Namens Perdikkas sei (vgl. Zahrnt 1984, 366, contra Rosen 1978, 15, A. 63), ist eine Minderheitenmeinung und kein Ausschlussargument. Zugunsten des Stamms πέρδιξ für den Namen Perdikkas vgl. Masson 1998, 119; Pape/Benseler 1959, II, 1172. 1281 Dover 1972, 77. 1282 Green 1879, 131. 1283 Vgl. Dunbar, 1995, 475. 1284 Pace Dunbar 1995, 475. Sie stellt in Abrede, dass das Publikum verstanden hätte, dass es sich um eine Spitze gegen Perdikkas gehandelt habe. Allerdings verweist sie auf die Möglichkeit, dass es doch so gewesen sein könnte, wenn es eine deutliche Aussprache mit einem doppelten kappa gegeben hätte. 1285 Hose 1940, 88. 1286 Vgl. Petrides 2005, 4–5. 1287 Vgl. Hatzopoulos 2000, 113, 116. 1288 In streng ornithologischer Klassifizierung bezeichnete es wohl eher das Steinhuhn oder Chukarhuhn, vgl. Lunczer 2009, 131; Gossen 1914, 348–350. Sie kritisieren die Übersetzungen mit „Rebhuhn“ oder „partridge“. Das eigentliche Rebhuhn Perdix perdix, grey partridge, sei nicht gemeint, sondern seine Zwillingsarten. Da es indes bei Aristophanes’ Stück nicht um eine ornithologische Expertise ging, wird in Folge die geläufige Bezeichnung als Rebhuhn im Bewusstsein der Problematik beibehalten. Als Kuriosum am Rande sei auf die Bemerkung von Babelon 1907, 1011, m. Pl. 43,1 verwiesen: Er erkennt in einer Kontrollmarke eines Obols aus Larisa aus dem frühen 5. Jh. v. Chr. auch ein Rebhuhn. Heinrichs 2017, 87, A. 34 bezeichnet dies als „rather daring“. 1289 Vgl. Storey 2011, III, 73;
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listige Weise sein Nest zu schützen: Er habe die Vogelfänger abgelenkt, indem er sich lahm gestellt und ihnen hinkend vor die Füße gerannt sei. Kaum war sein Nest außer Gefahr, gab er das Theater auf und die vermeintlich leichte Beute entkam in Windeseile.1290 Diese Vorstellung mag hinter der Assoziation von (dubioser) Lahmheit mit dem Rebhuhn gestanden haben.1291 Zugleich, in Reminiszenz an Perdix in der Mythologie – Daidalos’ begabter Lehrling, der Säge und Zirkel erfunden und den tödlichen Neid seines Lehrmeisters geweckt haben soll –1292 war mit πέρδιξ auch immer eine große Geschicklichkeit assoziiert.1293 Im Sinne von Aristophanes’ Bild des Rebhuhns besaß es eine besondere Fähigkeit im Täuschen. Athenaios gibt im 2. Jh. n. Chr. einen Überblick über die häufige Erwähnung des Rebhuhns bei griechischen Autoren, zu denen auch andere Komödiendichter des 5. Jhs. v. Chr. gehörten.1294 Der – bereits in der Antike – umstrittene, teilweise mit Aristophanes’ Zeitgenossen Pherekrates identifizierte Autor der Komödie Cheiron um die Klage der personifizierten Musik, dass ihr von zeitgenössischen Künstlern Gewalt angetan wurde,1295 spielt etwa auf die ausweichende Art des Rebhuhns mit dem Vers an: ἔξεισιν ἄκων δεῦρο πέρδικος τρόπον. Er wird dort herauskommen, unwillig wie ein Rebhuhn.1296
............................................ 1290 Schol. Aristoph. Av. 768. Vgl. Aristot. Hist. An. 613 B; Plut. Mor. 971 C-D; Ael. VH 10,3; NA 4,12. 1291 Vgl. Silver 1992, 136 mit der Vermutung, dies leite sich eventuell von Beobachtungen des Balztanzes des Vogels ab, der dabei zur Abwehr potentieller Konkurrenz eine Kralle gehoben gehalten habe. 1292 Hyg. Fab. 39. Vgl. Zimmermann 2000, 537–538; Ogden 1997, 37; Silver 1992, 136; Göber 1937, 615. Alternativ galt die Schwester des Daidalos, die Mutter des begabten Lehrlings, als die Trägerin des Namens Perdix. Vgl. Pape/Benseler 1959, 1172. Von dieser Mythentradition ausgehend, wurde auch noch Schadenfreude eins seiner Merkmale, zumindest bei Ovid. Demnach wurde Perdix beim Herabstürzen von Athena in ein Rebhuhn verwandelt (Met. 8,240–255; Diod. 4,76,4–7), das dann frohlockend der Bestattung des zu Tode gestürzten Cousins Ikaros zusah und mit den Flügeln Beifall klatschte (Ov. Met. 236–238). 1293 Vgl. Silver 1992, 136. 1294 Athen. 9,388 F-389 D. 1295 Athen. 9,388 F drückt bereits seine Zweifel an der Zuschreibung an Pherekrates aus (alternativ: ein Nikomachos). Vgl. Storey 2011, II, 410–411, 494–495 (eher skeptisch); Nesselrath 2010, 447. Für eine Zuschreibung an Pherekrates sprechen sich aus: Pöhlmann 2011, 117–131; O’Higgins 2003, 125; Dobrov 1997; Borthwick 1968; Süß 1967; Edmonds 1957, 265; Körte 1938, 1989– 1990; Gossen 1914, 353. Zu Pherekrates’ Datierung vgl. Storey 2011, II, 410 (420er Jahre); Bowie 2010,145 (Mitte der 440er Jahre). Siehe auch Willi 2010, 505–507; Borthwick 1968, 63. 1296 Athen. 9,388 F (= F 150).
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Nach Süß’ Rekonstruktion handelt es sich bei der unwilligen Person um Achilles. Selbst ein exzellenter Musiker, sei er als Repräsentant der ruhmreichen Vorzeit als Zeuge der Anklage aus dem Hades heraufgebeten worden. Aber er sei – wie für ihn typisch – äußerst schlecht gelaunt erschienen: unwillig wie ein aufgestörtes Rebhuhn.1297 Athenaios erwähnt zudem eine weitere Negativkonnotation, die, kombiniert mit dem Aspekt der Hinterlistigkeit, die Charakterisierung des Rebhuhns unrühmlich abrundet: τὸ δὲ ζῷον ἐπὶ λαγνείας συμβολικῶς παρείληπται (…) ἐστὶ δὲ τὸ ζῷον κακόηθες καὶ πανοῦργον, ἔτι δὲ ἀφροδισιαστικόν. Das Tier wird auch als Symbol für sexuelle Triebhaftigkeit verwendet (…) Es handelt sich um ein bösartiges, tückisches und zudem sexbesessenes Tier.1298
Eventuell gehörte diese hypersexuelle Note, die Athenaios bei Aristoteles, Kallimachos und Klearchos von Soloi fand, auch schon zu Aristophanes’ Zeit zum Bild des Rebhuhns, wie teilweise angenommen wird. Es hängt davon ab, ob ein Zitat aus den Tragoidoi oder Apeleutheroi des Phrynichos zu „Kleombrotos, dem Sohn des Perdix“1299 als Hinweis auf dessen Triebhaftigkeit oder auf seine betrügerische Art gedeutet wird.1300 Wäre Hypersexualität dem Reb............................................ 1297 Vgl. Süß 1967, 28. Auch der versprochene Lohn (sieben Lesbierinnen: F 155b Edmonds = F 165 Storey) sei ihm nicht recht, er käme mürrisch und verdrießlich an. Achilles, ohnehin niemals ein Sonnenschein, äußert sich in der Tat wenig charmant: „καλόν γε δῶρον; ἑπτ᾽ἔχειν λαικαστρίας“ – „Was für ein schönes Geschenk: sieben Schlampen zu haben!“). Vgl. O’Higgins 2003, 116. Zu Achilles’ Rolle als einstiger Schüler der Titelfigur Cheiron (Eur. Iph. Aul. 926), der ihm das Lyraspiel beigebracht hatte, vgl. Pöhlmann 2011, 121. Zu Achilles als Musiker: Il. 1,189. Süß vermutet, dass in diesen Kontext auch der Pherekrates zugeschriebene Vers (F 165) gehöre, wonach der übellaunige Achilles einem anderen eine solche Ohrfeige verpasste, dass ihm Feuer aus dem Gesicht schlug. Dies sei Achilles’ Reaktion als schlagkräftiger Zeuge der Anklage auf die Vortragskunst eines seiner musikalischen Nachahmer gewesen. Vgl. Süß 1967, 30–31. Storey 2011, II, 507 sieht ebenfalls Cheiron als möglichen Kontext an. Das Ohrfeigenopfer war gemäß Süß Achilles’ selbsternannter Nachahmer Kinesias, dessen Darbietung Achilles’ ohnehin dünnen Geduldsfaden habe reißen lassen. Borthwick 1968, 63–66 vermutet, dass Kinesias’ pyrrhischer Tanz ihn in Schwierigkeiten gebracht habe. 1298 Athen. 9,389 A-B. Vgl. 9,389 B-F. Rebhühner werden als dauertriebhaft beschrieben. Die Weibchen würden demnach schwanger, wenn sie das Männchen nur riechen oder sehen würden und die Männchen ejakulierten, wenn sie die Weibchen nur hörten. Zudem würden männliche partnerlose Rebhühner gegeneinander kämpfen und der Verlierer würde dann vom Sieger oder gleich von allen anderen männlichen Rebhühnern begattet. 1299 Phrynichos, F 55 Storey = Athen. 9,389 A. Zur Datierung des Autors in die 420er Jahre vgl. Storey 2011, III, 38–40. 1300 So von Pape/Benseler 1959, 1172; Edmonds 1957, 467 („The bird is traditionally symbolically of lustfulness“); Gossen 1914, 350. Dagegen glaubt Storey 2011, III, 73, A. 1, es charakterisiere einen „proverbial deceiver“. Einen Anhaltspunkt dafür, dass Athenaios Phrynichos’ Erwähnung auch als Hinweis auf den sexuellen Charakter des Rebhuhns verstand und ebenso die folgenden zwei Komödienzitate so verortete, mag es aber geben. Zwar bringt er nach dem ersten Hinweis
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huhn schon in Aristophanes’ Zeit zugeschrieben worden, würden sich insgesamt folgende Assoziationen ergeben, die sein Publikum mit πέρδιξ haben konnten: (heim)tückische Listigkeit, Vortäuschen falscher Tatsachen – vor allem Harmlosigkeit und Wehrlosigkeit –, Unmäßigkeit, Böswilligkeit, Betrug, besondere Geschicklichkeit (in der Kunst des Vortäuschens, um sein Nest zu schützen), Devianzverhalten. Der Vogel πέρδιξ stand somit für eine trügerische, ausgefuchste Kreatur von zweifelhafter Moral und mangelnder Maßhaltung, die sich harmlos stellt, rasch entzieht, wenn sein Gegenüber schon glaubt, ihn im Griff zu haben, es dumm dastehen lässt und sein Verhalten auch noch richtig findet. Zum Zeitpunkt der Uraufführung der Vögel stand Perdikkas am Ende einer langen, wechselhaften Laufbahn. Zweifelsohne kam ihm ein recht prominenter Platz im politischen Diskurs und der öffentlichen Wahrnehmung in Athen zu. Somit erscheint völlig plausibel, dass das athenische Publikum ἐκπερδικίζειν mit Perdikkas, der gerade im fünften Bündnis auf athenischer Seite stand, in Verbindung brachte und als Seitenhieb auf ihn als „rebhuhnartig“ unzuverlässig und abgefeimt verstand:1301 „ἐκπερδικίζειν (…) is an Aristophanic fabricati........................................................................................................................................................................... auf die Triebhaftigkeit des Rebhuhns diese zwei Beispiele, die sich mit der Kürze der Silben bei perdix befassen (9,389 A). In der LCL-Edition spricht S. Douglas Olson 305, A. 130 daher von Einschüben, die nichts mit dem Aspekt der Triebhaftigkeit des Rebhuhns zu tun hätten. Aber das Rebhuhn wird jeweils in einem Atemzug mit Speisefischen genannt. In den Encheirogastores des Komödiendichters Nikophon (Ende des 5. Jhs. v. Chr. wirkend, vgl. Pellegrino 2013, 11; Storey 2011, II, 396) wird von Fischsuppe und Rebhühnern gesprochen (vgl. Pellegrino 2013, 35–36, 46–47). Storey 2011, II, 401 nennt die Möglichkeit, dass die Speisenden dabei eine Horde hungriger Zyklopen gewesen sein könnten – somit Gegenbilder zum idealen athenischen Bürger beim Speisen. Vgl. schon Edmonds 1957, 937, zudem mit dem Hinweis (937, A. f), es handle sich um einen metaphorischen Gebrauch. Bei Epicharmos’ Komastai geht es um Tintenfische und Rebhühner. Es könnte sein, dass Athenaios sich zugleich, nachdem er auf die Hypersexualität der Rebhühner eingegangen war, auf die Symbolik des Fischs im Zusammenhang von Dekadenz und symposialer Devianz bezog, die er in seinem Werk ziemlich häufig einsetzt (Athen. 8,340 E-345 A) und dabei sogar ein spezielles „Psychogramm“ von Fischessern entwickelt, vgl. Marchiori 2000, 330. So ist die Formel „Prostituierte und Edelfische“ für anstößige Dekadenz fast schon sprichwörtlich. Vgl. Davidson 1997. Zum (Edel-)Speisefisch als Luxussymbol siehe auch Marchiori 2000, 327, 329–330; Heath 2000, 342. Dem. 19,229 warf seinen Mitgesandten in Pella vor, ihre Bestechungsgelder von Philipp II. für solche Vergnügungen ausgegeben zu haben. Vgl. McDowell 2009, 298: „the characteristic purchases of lechery and gluttony“. Vgl. Plut. mor. 668 A; Athen. 8,343 E. Allgemein zum Vorwurf der Bestechlichkeit athenischer Gesandter siehe Perlman 1976. Zum Fisch als Dekadenzmerkmal beim Symposion siehe auch Vell. Pat. 2,83,3 (eine peinliche Verkleidung mit Fischschwanz bei einem Gastmahl). Sollte Athenaios an diesen Kontext von Speisefisch gedacht haben, würde es zum mit Hypersexualität assoziierten Rebhuhn thematisch passen. Eine weitere Parallele mochte sich für Athenaios von Rebhuhn und Fischessern im Kontext von Dekadenzschilderungen ergeben: Er erwähnt, dass brünstige Rebhühner mit offenem Schnabel und heraushängender Zunge herumfliegen (8,389 E-F). Ähnlich schildert er ein Merkmal des typischen ὀψοϕάγος: Er leckt sich die Lippen und zeigt seine Zunge (1,21 A-B). Vgl. Marchiori 2000, 330. Doch wird vor allem die Problematik der Fragmente bei Athenaios deutlich. Siehe dazu Pelling 2000. Zur Problematik, dass Athenaios (oder seine Zwischenquellen) zudem auch Prosa-Exzerpte durch eigene Zusätze formten, vgl. Richlin 2016, 84. 1301 Vgl. Moreno 2007, xxiii; Green 1879, 131. Pace Dunbar 1995, 475. Zu Perdikkas’ Ruf der Unzuverlässigkeit in Athen vgl. auch Fearn 2007, 123. Allerdings ist seine These, Herodots Publikum
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on whose only raison d’être is certainly as a hit at Perdiccas, Athens’ inconstant ally”.1302 Es stellt sich die Frage nach der Identität des Sohns des Peisias, der sich in verräterischer Weise des (ἐκ)περδικ(κ)ίζειν schuldig gemacht hatte. Weder über seine Person noch die Art seines Verrats noch die Identifizierung der ἀτίμοι gibt es Gewissheit.1303 Häufig gehandelt wird der Kitharoide Meles, Sohn des Peisias, allgemein ein Spottopfer attischer Komödiendichter, weil er als der schlechteste Kitharoide überhaupt verrufen war, sozusagen der athenische Troubadix.1304 Der Scholiast zieht eine mögliche Verbindung zum Hermenfrevel.1305 Doch ist nicht klar, worauf Aristophanes anspielt: „In fact, there may be many ways of ‚playing partridge‘“.1306 Dunbar vermutet eine Flucht von Verdächtigen in Sachen des Hermenfrevels an Perdikkas’ Hof.1307 Als Alternative gilt eine Deutung, orientiert an der negativ konnotierten Verbkreation ϕιλιππίζειν, „gemeinsame Sache mit Philipp (II.) machen“, wie sie bei attischen Rednern im 4. Jh. v. Chr. in Anlehnung an μηδίζειν, λακωνίζειν oder μακεδονίζειν auftaucht: (ἐκ)περδικ(κ)ίζειν, „den Perdikkas machen“, heiße „zu Perdikkas überlaufen, seine Agenda vertreten, es mit ihm zu halten“.1308 Im übertragenen Sinne könnte es auch bedeuten, dass der Sohn des Peisias in die Schule des Perdikkas gegangen war und sich als sein „Agent“ ebensolcher vermeintlich ........................................................................................................................................................................... habe wegen der Namensgleichheit auch sofort den temenidischen Gründungsvater, Perdikkas I., für einen Lügner und Betrüger gehalten, erstens schwer nachzuprüfen und zweitens etwas übertrieben. 1302 Schreiber 1974, 97–98. 1303 Vgl. Dunbar 1995, 475; Schreiber 1974, 97 („an obscure passage“); Green 1879, 130–131 (mit ἀτίμοι könnten die Spartaner gemeint sein). Basierend auf Vermutungen des Scholiasten werden verschiedene potentielle Kandidaten erwogen: ein Beteiligter am Hermenfrevel; der Kitharoide Meles oder ein Sohn des Oligarchen Peisandros (der als einer der Zetetai in die Untersuchung des Frevels eingebunden gewesen war; zu ihm vgl. Bearzot 2013, 31–38; Develin 1989, 150, Nr. 2281). Die Referenzen zur Tagespolitik, welche Aristophanes’ Zeitgenossen verstanden, lösten bereits in Plutarchs Zeit teilweise Kopfzerbrechen aus, so dass zum Goutieren ein grammatikos oder Kommentar nötig gewesen sei (mor. 712 A). Zum Zeitgeist der attischen Komödien siehe auch Hose 1940, 89. 1304 Aristoph. Av. 858; Pherekrates, Agr. F 4 (F 6 Storey); Plat. Gorg. 502 A. Akzeptiert von: Osborne/Byrne 1994, 365, Πεισίας (1); Hose 1940, 93. Siehe auch Suda s.v. Χαῖρις; Pape/Benseler 1959, 1158. 1305 Siehe auch Orfanos 1998, 131: notorisch, verräterisch und feige. Zum Hermenfrevel (Thuk. 6,27–29) und den sicherlich unzutreffenden Gerüchten, Alkibiades sei darin verwickelt gewesen, vgl. Bearzot 2013, 12–15; Wohl 2002, 21, 141, 215–223; Vickers 1994, 90; Andrewes 1992, 449–450. Alkibiades’ politische Gegner wollten ihn wohl in Verruf und auf diesem höchst symbolischen Weg zu Fall bringen. Dunbar 1995, 475 schlägt vor, er habe Freunde unter denjenigen gehabt, die mit dem Hermenfrevel assoziiert worden seien. 1306 Green 1879, 131. 1307 Vgl. Dunbar 1995, 475. 1308 Vgl. Green 1879, 131: „to play the cunning partridge thoroughly” oder „to be an out-and-out Perdiccas-lover”. Zu einem Überblick vgl. Dunbar 1995, 474.
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tückischer Verhaltensweisen bedient habe: tarnen, antäuschen, verraten, türmen – unter „Rebhühnern“ (πέρδικες) – gemeint waren Perdikkas und seine Gefolgsleute – keine Schande: Man „machte den Perdikkas“. Die Laster desjenigen anzunehmen, mit dem man heimlich kollaborierte, und sich dadurch zu entlarven, war ein Topos im athenischen politischen Diskurs. So musste sich im 4. Jh. v. Chr. etwa Aischines von Demosthenes den Vorwurf anhören, sich als vermeintlicher Agent Philipps II. spiegelbildlich genauso schändlich wie dieser verhalten zu haben, sozusagen zum Tyrannen en miniature entartet zu sein.1309 Wer auch immer der Sohn des Peisias war, irgendeine Verbindung zu Perdikkas wird Aristophanes’ Publikum zu ihm gezogen haben – ob dies nun den Tatsachen entsprach oder nur Gerüchte waren.1310 Die Nachwirkung von Aristophanes’ komischer Wortschöpfung lässt sich anhand folgender zwei Einträge in der Suda fassen: Ἐκπερδικίσαι: τὸ διαδρᾶναι. ἐκ μεταφορᾶς τῶν περδίκων, πανούργων ὄντων. ekperdikisai: Wort, das fortrennen bedeutet. Es kommt vom Sinnbild der Rebhühner, die tückische Kreaturen sind.1311 Διεκπερδικίσαι: διαδρᾶναι, ἐκφυγεῖν, ἐξαπατῆσαι. ἀπὸ τοῦ πέρδικος, πανούργου ὄντος καὶ ἀποδιδράσκοντος. Diekperdikisai: hindurchrennen, flüchten, täuschen. Es leitet sich von perdix (Rebhuhn) ab, einem tückischen und ausweichenden Wesen.1312
Das Rebhuhn, πέρδιξ, taucht noch ein zweites Mal in einer späteren Passage in Aristophanes’ Vögeln auf. Ein Herold tritt in Erscheinung, der über die in der Polis grassierende Vogel-Manie spricht, vergleichbar mit der einstigen SpartaManie.1313 Sie habe so um sich gegriffen, dass sich einige schon nach Vögeln benennen würden, etwa ein hinkender κάπηλος namens πέρδιξ.1314 Im An............................................ 1309 Dem. 19,196–198. Vgl. Aischines’ Verteidigung: 2,4. 153–155. Siehe dazu Müller 2017, 26–27; MacDowell 2000, 287–288. Vgl. Dem. 19,302–307. 311: Kaum war Aischines in Makedonien eingetroffen, sei er schon korrumpiert gewesen. Zu ihren Streitigkeiten vgl. auch Roisman 2010b, 395. 1310 Bei solchen Seitenhieben auf bekannte Personen in der Komödie war der Wiedererkennungseffekt ebenso wichtig wie die Möglichkeit für die Rezipienten, sich in ihren Einschätzungen bestätigt zu fühlen, vgl. Scholten 2003, 279. In überzeichneter Weise ließ Aristophanes seine Figuren Dinge äußern, die zeitpolitische Stimmungsbilder und Diskurse reflektierten, vgl. Carey 1993, 260. 1311 Suda s.v. Ἐκπερδικίσαι (ε 562 Adler). 1312 Suda s.v. Διεκπερδικίσαι (δ 911 Adler). Bei Hesych. δ 1213 findet sich die Form διαπερδικίσαι. 1313 Aristoph. Av. 1280–1291. Das Verb ist ὀρνιθομανέω. Vgl. LSJ: „to be bird-mad“. 1314 Aristoph. Av. 1292.
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schluss an den Scholiasten, der unter Verweis auf das antike Sprichwort τὸ Πέρδικος σκέλος, „das Bein des Perdix“, von einem Seitenhieb auf eine reale stadtbekannte Person ausgeht,1315 wird zumeist angenommen, Aristophanes verspotte einen Händler oder Kneipenwirt mit dem tatsächlichen Namen oder Spitznamen Perdix, der lahm oder vorgeblich lahm gewesen sei.1316 Allerdings ist wahrscheinlich, dass Aristophanes bei der zweiten Erwähnung des πέρδιξ an seine Pointe von zuvor anknüpfte und eine Assoziation mit Perdikkas intendierte. So kann κάπηλος einen (Straßen-)Händler oder Krämer bezeichnen, wie bei Herodot für Dareios I.,1317 aber auch einen Kneipenwirt1318 oder „dealer in petty roguery“.1319 Das Adjektiv καπηλικός steht für betrügerisch;1320 einem κάπηλος haftet häufig ein Geruch von Zwielichtigkeit an.1321 Moreno sieht in Aristophanes’ κάπηλος, der sich Rebhuhn nannte, einen Demagogen, dem eine verräterische Verbindung zu Perdikkas nachgesagt wurde, vielleicht ein Kriegsprofiteur, dessen Interessen mit denen eines Händlers verglichen worden seien: „kapeleia was a general badge of abuse instead of a technical term denoting a specific division of labour: it was an accusation of engaging in seemingly treasonable business practices, specifically in profiting from the perceived detriment of the community“.1322 Sollte diese Vermutung zutreffen, wurde auch diesem Mitbürger, der im Verdacht stand, mit Perdikkas zu sympathisieren, zugeschrieben, dessen Verhalten adaptiert zu haben: Er habe schon seinen Namen angelegt, was auf die mit dem „Rebhuhn“ assoziierten Verhaltensweisen hinwies: Lug und Trug. Spiegelbildlich mag zudem die Tätigkeit als κάπηλος gewesen sein. Hermippos hatte Perdikkas wie erwähnt als Exporteur von Schiffsladungen von Lügen ............................................ 1315 Aristoph. Av. 1292; Schol. Aristoph. Av. 1292; Suda s.v. perdikeios kara (π 1041 Adler): Περδίκειος κάρα: καὶ Περδίκειος πούς. Vgl. Ogden 1997, 37; Glei 1992, 57; Edmonds 1961, 973; Göber 1937, 615. Der zeitgenössische Parodiendichter Hegemon von Thasos (vgl. Edmonds 1957, 811) soll immer, wenn er beim Vortrag den Faden verlor, mit „Und das Bein des Perdix“ fortgefahren sein, vgl. Glei 1992, 57. 1316 Vgl. Ogden 1997, 37; Glei 1992, 57; Pape/Benseler 1959, 1172. Dunbar 1995, 640 vermutet sogar, der Krämer könne der Sohn des Peisias gewesen sein. Spitznamen und Namen haben in der Komödie jedoch keine fest voneinander getrennten Grenzen, vgl. Petrides 2005, 4. 1317 Hdt. 3,89,3 (gemäß einem persischen logos). Dies wird keinesfalls in einem positiven Sinn gesehen, vgl. Ruffing 2011, 94–95 (Handel und Händler seien bei Herodot negativ konnotiert). Vgl. generell Günther 2017, 143; Moreno 2007, 225–242. Siehe auch für den Wortgebrauch als Händler: Hdt. 1,94,1; 2,141,4 (im Unterschied zu Kriegern); Aristoph. Pax 447, 1209. 1318 Aristoph. Thes. 347. 1319 LSJ s.v. κάπηλος (3) mit Verweis auf Dem. 25,46. 1320 LSJ s.v. καπηλικός: „cheating, knavish“. 1321 Generell dazu vgl. Ruffing 2011. 1322 Moreno 2007, 233, 230, 236. Zu kapeloi bei Aristophanes: Moreno 2007, 229–236.
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charakterisiert.1323 Aristophanes’ Publikum musste jedoch nicht zwangsläufig Hermippos’ Stück gesehen und sich an die Pointe erinnert haben, um Perdikkas in einem solchen Zwielicht zu sehen. Vielmehr werden beide Komödiendichter sich an einem bestehenden zeitgenössischen Image von Perdikkas im athenischen politischen Diskurs orientiert haben. Dabei konnte angesichts der Rolle des makedonischen Flottenbauholzes für Athen nicht ausbleiben, dass Perdikkas, zu dessen politischer persona die Facette des Holzvertreibers gehörte,1324 auf der Komödienbühne mit einem κάπηλος assoziiert wurde. Aristophanes hätte demnach mit dem schon zuvor in seinen Vögeln verwendeten Motiv gespielt, wonach jemand, der mit Perdikkas gemeinsame Sache machte, seine Verhaltensweisen, die betrügerische πέρδιξ-Art, übernahm.1325 Der Hinweis, dass es sich um einen κάπηλος handelte, war eine Verstärkung des Betrugsthemas.
Perdikkas’ Ende und Erben Gegen 413 starb Perdikkas.1326 Bei einem geschätzten Geburtsdatum Mitte der 470er Jahre mag er Anfang sechzig geworden sein. Thukydides erwähnt seinen Tod nicht.1327 Zahrnt überlegt, ob er es noch vorgehabt habe und nicht mehr dazu gekommen sei.1328 Perdikkas’ Nachfolger Archelaos ist für 411/0 bereits als regierender Herrscher bei einer Kampagne vor Pydna bezeugt.1329 Perdikkas mag eines natürlichen Todes gestorben sein; anderslautende Nachrichten sind nicht bekannt,1330 was vielleicht als Anhaltspunkt gelten kann, da Morde an Temeniden von antiken Autoren als erwähnenswert empfunden wurden.1331 ............................................ 1323 Athen. 1,27 E-28 A. Vgl. Gkaras 2008, 137–138; Moreno 2007, xxiii, 230. 1324 Vgl. Bissa 2009, 37, 114; Billows 1995, 7; Cole 1978, 42; Wallace 1970, 200, A. 13. 1325 Aristoph. Av. 766–768. 1326 Vgl. Borza 1990, 134, 160; 1327 Thuk. 7,9,1. Vgl. Niebergall 2004, 23; Borza 1990, 160. 1328 Vgl. Zahrnt 2006a, 597. 1329 Diod. 13,49,1–2. Vgl. Hammond/Griffith 1979, 137; Kaerst 1895a, 446. 1330 Vgl. Worthington 2013a; Roisman 2010a, 154; Cole 1974, 71. Diod. 7,15,2 setzt den Tod zu früh an. 1331 Curt. 6,11,26 (allerdings kritisch zu sehen). Vgl. Borza 1990, 133–134. An Mordopfern sind zu nennen: Archelaos: Aristot. Pol. 1311 B; Diod. 14,37,6; Ael. VH 8,9; [Plat.] Alk. II 141D-E; Plut. mor. 768 F; Orestes: Diod. 14,37,6; Synk. 500 (Dindorf); Amyntas II.: Aristot. Pol. 1311 B; Pausanias: Diod. 14,89,2; Alexander II.: Marsyas, BNJ 135–136, F 11 ap. Athen. 14,629 D; Diod. 15,71,1; Plut. Pelop. 27; Just. 7,5,4–5; Philipp II.: Aristot. Pol. 1311B; Diod. 16,93–94,1; Just. 9,6; Plut. Alex. 10,4; Ael. VH 3,45. Oft wurde dabei sexuelle Topik ins Spiel gebracht, vgl. Moore 2005, 176–181, wohl lose modelliert anhand Vorstellungen vom Tyrannenmord und Harmodios und Aristogeiton in der verklärten Rezeption. Zu Attentatsversuchen gegen Alexander III.:
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Perdikkas war mindestens zweimal verheiratet und hinterließ mindestens zwei Söhne von unterschiedlichen Müttern; von Töchtern ist nichts zu erfahren. Mit Fehl- und Totgeburten sowie Kindersterblichkeit ist zu rechnen. Perdikkas’ Frauen treten – zumindest in der Überlieferung, was trügen könnte –1332 nicht ins Licht des politischen Parketts. Es sind nur zwei Namen bekannt: Simiche, die Mutter seines Nachfolgers Archelaos, und Kleopatra, die ihm auch einen Sohn, Aëropos laut einem Scholiasten,1333 schenkte.1334 Ogden argumentiert, dass Simiche ein Sklavinnenname sei, der aus Schmähpropaganda stamme: Sie sei eigentlich Phila gewesen, die Witwe von Perdikkas’ Vater Alexander, die Perdikkas kurz nach Herrschaftsantritt geheiratet habe, um mittels ihres Prestiges seine Legitimation zu stärken.1335 Die These beruht auf problematischen Quellen,1336 ist daher nicht zu verifizieren. Das Geburtsjahr von Archelaos liegt im Dunkeln. Um 413, als Perdikkas starb, war er mündig, doch ist schwierig, einzuschätzen, ab wann ein Temenide als mündig galt. Die Altersangaben sind oft ungewiss; zudem wurden Temeniden in unterschiedlichem Alter akklamiert.1337 Grob geschätzt lag eine Mündigkeit in den späten Teenagerjahren oder frühen Zwanzigern vor. Als Anhaltspunkt für Archelaos’ Alter gilt, dass Perdikkas 432 nicht ihn, sondern Iolaos als Stellvertreter am Hof einsetzte,1338 als er vor Poteidaia zog: Archelaos wird in der Zeit entweder noch zu jung oder noch nicht geboren gewesen sein.1339 Seine Auflistung als Schwurzeuge im Friedensvertrag zwischen Perdikkas und Athen ist eine Crux für seine Altersbestimmung, weil erstens Uneinigkeit über die Datierung herrscht, und zweitens Ungewissheit besteht, ab ........................................................................................................................................................................... Dimnos/Limnos: Curt. 6,7,2–19; Plut. Alex. 49,2–3; Hermolaos: Arr. an. 4,13,3–4; Curt. 8,6,7– 11; Vergiftungsgerüchte: Arr. an. 7,27,1–2; Plut. Alex. 75. 1332 Zur politischen Rolle von Temenidinnen vgl. Carney 2000, 3–37. 1333 Schol. Aristeid. 46,120,2: Alketas oder Meropos (Emendation: Aëropos), vgl. Hammond/Griffith 1979, 135–136. Hammond zufolge waren es zwei Söhne, Alketas und Aëropos, doch ist dies unbewiesen. An nur einen Sohn von Kleopatra, Aëropos, glaubt Psoma 2012, 75. 1334 Plat. Gorg. 471 C-D; Ael. VH 7,2. Vgl. auch Ael. Arist. 4,120,2 (Hammond/Griffith 1979 135– 136 beziehen dies auf Aëropos). Siehe Roisman 2010a, 158; Whitehorne 1994, 21; Carney 2000, 21. Carney 2017, 141 geht allgemein davon aus, dass temenidische Herrscher vor Philipp II. keine Ehen mit nicht-makedonischen Frauen geschlossen hätten, sondern mit Temenidenwitwen, Temenidinnen und Frauen aus den ober- und niedermakedonischen Führungsschichten. 1335 Ael. VH 12,43. Vgl. Ogden 2017, 183. 1336 Vgl. Kap. VI. 1337 Vielleicht kann es als ein Hinweis dienen, dass Kassander den in Amphipolis gefangenen Alexander IV. ermorden ließ, als er 14 geworden war: Diod. 19,105,2; Paus. 9,7,2; Just. 15,2,5; 16,1,15. 1338 Thuk. 1,62,2. 1339 Dies wird vermutet bei Hammond/Griffith 1979, 134: Im Jahr 432 sei er ein Teenager gewesen. Vgl. Hammond 1989, 23.
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welchem Alter man im Temenidenreich Schwurzeuge sein durfte. Entsprechend scheiden sich die Geister über Archelaos’ Geburtsdatum; Mutmaßungen belaufen sich auf Spannen zwischen 450–440 und den 430er Jahren.1340 In jedem Fall erhielt er einen plakativen Namen, mit dem ihm die Legitimation zur Herrschaft mitgegeben wurde, die wiederum auf seinen Vater abstrahlte: ‚Herrscher über ein Volk‘.1341 Da Polos in Platons Gorgias sagt, Kleopatras Sohn sei zum Zeitpunkt von Archelaos’ Herrschaftsantritt um die sieben Jahre alt gewesen,1342 wird zumeist von einer späten Ehe zwischen ihr und Perdikkas ausgegangen.1343 Whitehorne entwirft ein spekulatives Szenario, wonach Kleopatra die Tochter oder Schwester von Arrabaios gewesen sei und Perdikkas sie kurz nach dem Friedensvertrag mit Athen 423/2 geheiratet habe, um wenigstens auf diesem Wege Ruhe in die Beziehungen zur Lynkestis zu bekommen.1344 Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte in den Quellen. Auch über diese Heirat lässt sich nichts sagen. Sollte der Scholiast Recht haben, dass der Sohn von Perdikkas und Kleopatra Aëropos hieß, spricht dies für Perdikkas’ Bewahrung der väterlichen Sprachregelung hinsichtlich der temenidischen Gründungsgeschichte: Aëropos war einer der „Ur-Temeniden“ und sein Name wurde auch von einem makedonischen Herrscher im 6. Jh. v. Chr. getragen.1345
............................................ 1340 450er Jahre: Vgl. Hammond/Griffith 1979, 141: Archelaos sei zum Zeitpunkt seines Tods 399 zwischen 45 und 50 gewesen – abgeleitet davon, dass er um 400 eine Tochter im heiratsfähigen Alter hatte. Dagegen vgl. Carney 2000, 259, A. 59: eher später. 430er Jahre: Vgl. Psoma 2012, 75, A. 16; Hatzopoulos 1986, 285. 1341 Vgl. Pape/Benseler 1951, 151: „im Volke mächtig“. Siehe Psoma 2015b, 19: „Archelaus was a name with very a clear meaning, and fitted perfectly for a leading member of the Argeads“. Hatzopoulos 2000, 114 verweist auf den als typisch geltenden makedonischen Namen Laandros, der sich aus laos und aner zusammensetzt. Volk, laos, scheint demnach kein seltener makedonischer Namensbestandteil gewesen zu sein. 1342 Plat. Gorg. 471 A. Zur Problematik dieser Quellenpassage vgl. Kap. IV. 1343 Vgl. Whitehorne 1994, 21. Differenzierter: Carney 2000, 21–22. 1344 Vgl. Whitehorne 1994, 21–27. Akzeptiert von Heckel 2017, 69. Pace Carney 2000, 22. Der Name bürgt auch nicht für ihre Gehörigkeit zur Lynkestis, vgl. Fraser/Matthews 2005, 194. 1345 Hdt. 8,137,1; Just. 7,2,5–12 zu Aëropos I. (demnach war er mit Kriegsglück gegen die Illyrer assoziiert – wenn auch nur als Glücksbringer in der Babywiege am Schlachtfeldrand). Hoffmann 1906, 130–131 sieht eine Reminiszenz an den mythischen Arkaderkönig dieses Namens und an Agamemnons Mutter Aerope. Vgl. auch Zahrnt 1984, 366.
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Bleibendes Konfliktpotential: Amphipolis und Olynthos Die athenischen Führungsriegen bemühten sich in der Folgezeit weiter so kontinuierlich wie vergeblich um die Rückgewinnung von Amphipolis.1346 Entsprechend bitter war es, als die Polis 357 von den Makedonen unter Philipp II. eingenommen wurde.1347 Athen erklärte Philipp den Krieg,1348 konnte jedoch durch andere Verwicklungen keine Taten folgen lassen.1349 Alle Proteste, Anschuldigungen und Verschwörungstheorien nützten nichts – Amphipolis blieb makedonisch und wurde eine der temenidischen Hauptmünzprägestätten. Unter Philipp II. erfolgte die Verdrängung des athenischen Einflusses aus dem chalkidisch-makedonischen Küstengebiet: 348 wurde Olynthos eingenommen und zerstört; der Chalkidische Bund war passé.1350 Olynthos hatte sich zuletzt angesichts der drohenden makedonischen Gefahr hilfesuchend an Athen gewandt, doch die athenischen Truppen waren zu spät gekommen.1351 Demosthenes war Wortführer der politischen faction, die sich für ein militärisches Engagement gegen Makedonien und die Unterstützung von Olynthos eingesetzt hatte. In seinen Reden verwendete er Amphipolis als ein Konsens stiftendes Identifikationssymbol. So argumentierte er, ohne die Initialzündung der makedonischen Einnahme der apoikia hätte es Philipps weitere Expansion auf Kosten athenischer Einflusszonen nicht gegeben.1352 Dies war eine rhetorische Übertreibung, verdeutlicht jedoch, wie Demosthenes den Fall von Amphipolis zum Anschauungsbeispiel für eine athenische Politik der Versäumnis............................................ 1346 Vgl. Sears 2013, 127–128; Dreher 1995, 277; Schmitz 1988, 285–286, 299 (Athen sei wegen der günstigen Lage der Polis selbst an der Wiedereinname gescheitert); Isaac 1986, 44–47. Iphikrates versuchte die Rückgewinnung in der ersten Hälfte der 360er Jahre und wurde um die Mitte der 360er von Timotheos abgelöst, der ebenso erfolglos blieb: Dem. 23,149–152; Aischin. 2,28–29; Diod. 15,71,1. Vgl. Isaac 1986, 44 mit der minimalistischen Einschätzung, dass Athen Amphipolis nie wirklich hatte. 1347 Diod. 16,8,2; Polyain 4,2,17. Vgl. Müller 2016a, 245–246; Wirth 1985, 34. Unter Alexander III. stellte Amphipolis eine Einheit (Arr. an. 1,2,5). 1348 Aischin. 2,70; Diod. 16,8,2–3; Dem. 5,14. Vgl. Wirth 1985, 36. 1349 Vgl. Worthington 2012, 63–64; Engels 2006, 27; Wirth 1985, 36. Zum Abfall vgl. Jehne 1991, 128–129. 1350 Vgl. Cahill 2002, 46–49. 1351 Dem. 23,108–109. 150; Dem. 6,17. Philipp hatte einen Kriegsgrund, den er zumindest vorschieben konnte: Die Olynther hatten seinen beiden Halbbrüdern, die zu Beginn seiner Regierung versucht hatten, ihm den Thron streitig zu machen, Asyl gewährt und weigerten sich, sie ihm auszuliefern: Just. 8,3,10. 1352 Dem. 1,8. 12–13. Vgl. Usher 2000, 231; Badian 1995, 96; Schmitz 1988, 306. Er führte aus, Athen hätte handeln müssen, als Amphipolis damals in akuter Gefahr die Gesandten nach Athen geschickt hatte. Ob diese namentlich genannten Gesandten, Stratokles und Hierax, die Regierung von Amphipolis repräsentierten oder eine oppositionelle Fraktion, ist zudem ungewiss. Vgl. Worthington 2012, 63. Wirth 1985, 34 geht allerdings davon aus, dass sie die führende Richtung in Amphipolis repräsentierten.
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se gegenüber Philipp und Symptom innerer athenischer Schwäche und Planlosigkeit gestaltete.1353 Nach der Zerstörung von Olynthos wurde die Polis für Demosthenes zu einem zweiten Paradigma für Philipps unrechtmäßiges, skrupelloses Vorgehen mit einem Fokus auf seiner tyrannischen Versklavung von Griechen.1354 Der Krieg um Amphipolis wurde erst 346, als sich die politische Landschaft durch die schnell fortgeschrittene makedonische Expansion schon gründlich geändert hatte, durch den Philokrates-Frieden beigelegt. Athen erkannte darin unter anderem die makedonische Herrschaft über Amphipolis an. Doch setzte rasch Unzufriedenheit mit dem Frieden in Athen ein; mit der faktischen Zurückdrängung aus dem thrakisch-makedonisch-chalkidischen Raum war sich schwer abzufinden. Gerade angesichts der Ausbreitung makedonischen Einflusses im thrakischen Gebiet nach 346, die in Athen berechtigte Ängste um ihre Getreideversorgungsrouten aus dem Schwarzmeergebiet weckten, wurde der Verlust von Amphipolis an Makedonien zu einem Dreh- und Angelpunkt der Diskussion, ab wann Athen die Kontrolle über die makedonische Gefahr verloren hatte.1355 Dies zeigt, wie tief Amphipolis als athenisches Integrationssymbol im kulturellen Gedächtnis verankert war – auch wenn die apoikia nur 13 Jahre unter athenischer Kontrolle gestanden hatte. In „nostalgischer“ Perspektive wurde sie jedoch zum Sinnbild einstiger politischer Größe Athens und ihr Verlust an das aufsteigende Makedonien zwangsläufig zum Marker einer Politik der verpassten Chancen, die Uhr zurückzudrehen – in die Blütezeit des athenischen Einflusses.
Alexander I. und Perdikkas II. im griechischen Diskurs um Amphipolis unter Philipp II. In die späten 340er Jahre fällt auch der Brief des Speusippos, Leiter der platonischen Akademie in Athen,1356 an Philipp II.1357 Im Bestreben, die Konkurrenz,
............................................ 1353 Dem. 4,12. Ohne Heer und Plan wie momentan könnte Athen Amphipolis nicht übernehmen. Vgl. Dem. 19,289. Vgl. Müller 2016b, 22–26. 1354 Auf die stereotype Spitze getrieben erscheint die Unterstellung, sie seien, in Ketten gefesselt – eine Demütigung, wie sie oft geflüchteten Sklaven widerfuhr – in Philipps Weinbergen – Anspielung auf den Topos der makedonischen Trunksucht – eingesetzt worden: Aischin. 2,156. 1355 Vgl. Dmitriev 2011, 404–406; Mosley 2003, 38; Mosley 1974, 43. 1356 Diog. Laert. 4,1.
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Isokrates und dessen Schüler, zu diskreditieren,1358 vielleicht auch im Werben um temenidische Patronage,1359 empfahl Speusippos Philipp den Historiographen Antipatros von Magnesia, der die Rechtmäßigkeit von Philipps Eroberung von Amphipolis und Olynthos belegen könne: Die Gebiete gehörten den Herakliden, Philipps Familie.1360 Überdies habe Philipps Vorfahr Alexander I. das Gebiet der Edoner, somit die spätere Gründungsgegend von Amphipolis, erobert.1361 Speusippos betont, dass dies vor allem in Makedonien, sonst nicht allgemein bekannt gewesen sei. Da Herodot und Thukydides nichts davon berichten, wird zumeist auf einen makedonischen logos geschlossen,1362 entweder von Alexander I. während seiner Nachkriegs-Rechtfertigungskampagne oder von Philipp II. zur Legitimation seiner Eroberungen initiiert.1363 Bei der Suche nach einem möglichen historischen Kern wäre auf die Eroberung der Bisaltia oder zumindest von Teilen durch Alexander I. zu verweisen,1364 gemäß der Rekonstruktion von Johannes Heinrichs um 477/6, parallel zu Kimons Aktionen gegen den persischen hyparchos im emporion Eïon.1365 Von bisaltischem Gebiet war es nicht weit bis zum Platz des späteren Amphi........................................................................................................................................................................... 1357 Vgl. Natoli 2004, 26–31; Markle 1976, 92. Der Brief gilt überwiegend als authentisch, vgl. Priestley 2014, 36; Sprawski 2010, 138; Squillace 2009, 39–40; Worthington 2008, 124, 121–122; Essig 2000, 41; Trampedach 1994, 139, A. 100; Markle 1976, 96; Bickermann, Sykutris 1928. 1358 Athen. 2,60 D-E; 4,122 B; Cic. De orat. 3,141. Vgl. Engels 2003, 179–181. 1359 Vgl. Natoli 2004, 84–94; Essig 2000, 41; Trampedach 1994, 139. Natoli 2004, 21 zufolge war der Brief nicht für eine weitere athenische Öffentlichkeit, sondern spezifisch für Philipp gedacht gewesen. Vgl. Worthington 2008, 121–122. 1360 Speus. Phil. 5–6. Vgl. Müller 2016b, 32–34; Vasilev 2015, 15–16; Squillace 2011a, 109; Squillace 2004, 34–36. 1361 Speus. Phil. 7–8. Überdies wird Alexanders Rolle in den Perserkriegen geschönt. Vgl. Squillace 2017, 244 (nur die Aleuaden werden des Medismos beschuldigt); Vasilev 2015, 189–190; Natoli 2004, 77–84. Er habe Xerxes’ Gesandte, die in Makedonien Erde und Wasser forderten, getötet (Speus. Phil. 3). Vgl. Vasilev 2015, 109, 112, 153; Müller 2014, 155–156; Sprawski 2013, 56; Olbrycht 2010, 343–344; Zahrnt 2009, 8; Zahrnt 1992, 245–246; Wirth 1985, 20. Bei Herakleion habe Alexander die Griechen gerettet, indem er sie über den Medismos der Aleuaden und Thessaler informierte, so dass sie sich zurückzogen (Speus. Phil. 3–4). Vgl. Squillace 2000, 83; Helly 1995, 116. Bei Herodot handelt es sich um das Tempe-Tal (Hdt. 7,143,3; vgl. Diod. 11,2,6). Speusippos gibt Damastes von Sigeion, ebenfalls ein Historiograph des 5. Jhs. v. Chr., als zusätzliche Quelle an. Zu Damastes vgl. Meliadò 2015, 1064; Blösel 2004, 109. 1362 Vgl. Sprawski 2010, 140; Markle 1976, 94–95. 1363 Vgl. Vasilev 2015, 207–208 (Philipp II. als Urheber); Zahrnt 2011, 774–775 (Alexander I. als Erfinder); Lane Fox 2011, 350 (erfunden von Philipp II.); Sprawski 2010, 139, 142; Markle 1976, 94–95 (Alexander I.). Worthington 2008, 121 scheint eher von einer Geschichtsfälschung vonseiten des Speusippos oder Antipatros auszugehen. Dagegen glaubt Geyer 1930, 45, m. A. 2 an die Historizität. 1364 Hdt. 5,17,2. 1365 Vgl. Heinrichs 2017, 79, A. 1. Pace Xydopoulos 2016 (460er). Zu Kimons Aktionen vgl. Sears 2015, 310; Psoma 2014, 135–136; Mari 2014b, 75–91; Kallet 2013b, 44–46; Sears 2013, 71–74 (zu Boges und Eïon: 71; vgl. Archibald 1998, 114); Blamire 1989, 155–157; Steinbrecher 1985, 37– 38, 87–89; Hammond/Griffith 1979, 103.
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polis. Vielleicht war diese Eroberung in großzügiger Auslegung gemeint. Dies wäre allerdings sehr grob über den Daumen gepeilt, da Alexander kaum bis zum Gründungsort des späteren Amphipolis gekommen sein wird. Das Mündungsdelta des Strymon war dank Kimon in athenischer Hand.1366 Alexander befand sich aufgrund seiner vorangegangenen Persienpolitik gegenüber Athen noch im Zugzwang und hätte seine mühsame Aufbauarbeit gegenüber Hellas sicher nicht riskiert, indem er einen Ausfall auf athenisches Einflussgebiet unternahm.1367 Vermutlich steckte ohnehin kein makedonischer logos dahinter, sondern Speusippos oder Antipatros griffen vielmehr Elemente eines athenischen Diskurses auf und wendeten sie in eine Richtung, mit der sie Philipp zu gefallen hofften. So gibt es Evidenz, dass in zeitgenössischen griechischen Kreisen eine solche Debatte um die Erwerbungen Alexanders I. geführt wurde, eventuell losgetreten von athenischen Befürwortern einer Appeasement-Politik gegenüber Makedonien, die ihre eigene Haltung rechtfertigen wollten, und aufgegriffen und in die Gegenrichtung gekehrt von ihren Opponenten. In Philipps Brief an die Athener, enthalten im Corpus Demosthenicum, wird von Alexanders Eroberungen in der Gegend des späteren Amphipolis gesprochen.1368 Teils gilt der Brief als genuines Schreiben Philipps vom Herbst 340,1369 teils als nicht authentisch,1370 alternativ als literarische Überarbeitung von Philipps Originalschreiben.1371 Schon Didymos kannte die Zuschreibung an Anaximenes von Lampsakos,1372 die auch mehrheitlich angenommen wird –1373 ............................................ 1366 Hdt. 7,107. Vgl. Lerner 2017, 11; Sears 2015, 310; Mari 2014b, 74–91; Sears 2013, 71–74. Dagegen vermuten Hatzopoulos 1996ab, 29; Whitehorne 1994, 15; Borza 1990, 121, A. 52, 122; Hammond/Griffith 1979, 99, 102; Hammond 1989, 45; Edson 1970, 26 und Perdrizet 1910, 17– 18, A. 3, Alexander I. hätte Ennea Hodoi zwischen 478 und 477/6, vor Kimons Kampagne, erobert. Danach sei es an die thrakischen Edoner verloren gegangen. Siehe dagegen Squillace 2011a, 113. Skeptisch auch bezüglich einer solchen Eroberung: Archibald 1998, 114. 1367 Pace Kallet 2013b, 50; Mari 2014b, 87; Psoma 2014, 135–136; Picard 2006, 269–283, die von einer Situation der feindseligen Konkurrenz ausgehen. 1368 [Dem.] 12,21. 23. 1369 Vgl. Worthington 2012, 230–231; Zahrnt 2011, 774; Lane Fox 2011, 350; Squillace 2009, 58–59; Harding 2006, 217; MacDowell 2006, 361–366; Philipps 2004, 248, A. 28; Hammond 1993; Sealey 1993, 240; Zahrnt 1984, 362; Hammond, Griffith 1979, 714–715; Pohlenz 1928, 58–60. 1370 Vgl. Squillace 2017, 247; Müller 2016b, 36–38; Williams 2015; Mari 2014b, 76, A. 73; Lehmann 2004, 24; Pearson 1960, 245. 1371 Vgl. Ceccarelli 2013, 166–167; Harris 2013, 401 lässt beide Möglichkeiten – Philipp oder Anaximenes – offen. 1372 BNJ 72 F 41. Vgl. Williams 2015, 75–76; Roisman 2006, 130; Natoli 2004, 61, A. 177; Pearson 1960, 245. 1373 Vgl. Squillace 2017, 247; Williams 2015; Ceccarelli 2013, 166–167; Engels 2006, 8; Natoli 2004, 61; Pearson 1960, 245; Geyer 1930, 45. Gerade die Erwähnung Alexanders I. in verklärter Rolle spricht dafür: Anaximenes glorifizierte ihn offenbar generell, vgl. Develin 1985, 494; Brunt 1976.
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ebenso wie Anaximenes’ Autorschaft der Antwort auf den Brief.1374 Teils gilt dieser Text jedoch als genuines Schreiben von Demosthenes.1375 In Philipps Brief werden alle athenischen Ansprüche auf Amphipolis negiert, da Philipps Vorfahr Alexander I. die Gegend zuerst eingenommen habe. Die Athener seien erst danach gekommen und schon lange vertrieben gewesen, als Philipp die Stadt erobert habe. Somit sei Amphipolis zuerst und zuletzt in temenidischer Hand gewesen; die makedonische Herrschaft über die Stadt hätten die Athener im Philokrates-Frieden anerkannt.1376 In der Antwort heißt es, das athenische Eigentumrecht auf Amphipolis sei durch die athenischen progonoi begründet, die älter seien als Philipps progonoi und als alle, die jemals in Makedonien geherrscht hätten, die zudem Athen tributpflichtig gewesen seien.1377 Letzteres ist nicht zu verifizieren; es handelt sich um das rhetorische Stilmittel der Übertreibung, dem historische Genauigkeit untergeordnet wird.1378 In der dritten Olynthischen Rede, datierend um 349/8,1379 wendet Demosthenes das gleiche Prinzip der Übertreibung an, um seine athenischen Zuhörer davon zu überzeugen, dass Philipp II. ein schlagbarer Gegner sei und Makedonien sich nur durch athenische Untätigkeit so ausgebreitet habe.1380 ............................................ 1374 Didymos 11,7,14; BNJ 72 F 11a. Vgl. Williams 2015; Squillace 2011a, 114; Lane Fox 2011, 349; Goldstein 1968, 33 (Demochares könnte beide Briefe in eine Sammlung der Reden seines Onkels eingefügt haben); Sealey 1993, 239; Hammond, Griffith 1979, 714; Geyer 1930, 55 („Rede des Anaximenes“). Harding 2006, 219 zweifelt daran. Ohne Zuschreibung der Autorschaft an Anaximenes, aber auch gegen die Zuschreibung an Demosthenes: Mari 2014b, 76, A. 73. Vgl. Mari 2002, 37–44. 1375 So Worthington 2012, 230–231; Worman 2008, 229; MacDowell 2006, 366; Harris 2013, 401 nennt Demosthenes oder einen Autor aus nach-klassischer Zeit. 1376 [Dem.] 12,21–23. 1377 [Dem.] 11,16: „παρά τε γὰρ τῶν προγόνων ἐκ πλείονος χρόνου παρειλήφαμεν τὴν εὐδαιμονίαν οὐ τούτου μόνον, ἀλλὰ συνελόντι φράσαι πάντων τῶν ἐν Μακεδονίᾳ βασιλευσάντων: κἀκεῖνοι μὲν Ἀθηναίοις φόρους ἤνεγκαν, ἡ δ᾽ ἡμετέρα πόλις οὐδενί πω τῶν ἁπάντων. Denn unserer Wohlstand ist von unseren Vorfahren ererbt und aus früherer Zeit als der Wohlstand nicht nur von Philipp, sondern auch, grob gesprochen, von allen Herrschern, die jemals Makedonien regiert haben. Diese zahlten den Athenern Tribut, während unsere Polis niemals Tribut an irgendeine aller anderen politischen Mächte zahlte.“ Eine ähnliche Lobeshymne ist zu finden bei Dem. 18,202–203. 1378 Vgl. Trevett (ed.) 2011, 63, A. 34; Geyer 1930, 55. Siehe auch Borza 1987, 44. Pace Hammond/Griffith 1979, 132–133 mit der Verortung einer solchen Tributabhängigkeit in Perdikkas’ Regierungszeit. Auch Abel 1847, 170–171 glaubt an die Historizität. 1379 Vgl. Sealey 1993, 139: „a general exhortation to the Athenians to act with vigour“. 1380 Vgl. Mader 2003, 57–65: Er entwerfe das Bild einer pervertierten Welt, in der Philipp die Tatkraft usurpiert habe, die eigentlich athenischen Bürgern zustehe, während die Athener passiv zugeschaut hätten: mundus perversus mit Philipp als Athenaios transvestitus und Athenern, die weit entfernt vom Tugendideal seien, eine Szenerie mit einem satirischen Einschlag. Siehe auch Trevett 1995, 192. Vgl. allgemein auch Pearson 1981, 36–37. Allerdings setzte Philipp diese Tatkraft laut Demosthenes für Unrecht, Betrug und Raub, somit für falsche und unmoralische Ziele, ein. Vgl. etwa Dem. 2,7; 9,31 (mit besonders „‚low language‘“ für besonders massive Attacken: Trevett 1995, 187). Siehe auch Roisman 2017, 236–238.
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Demosthenes erwähnt die angebliche Tributpflicht Makedoniens unter Perdikkas bei seiner Beschwörung der ruhmreichen athenischen Vergangenheit als Kontrast zur korrumpierten Gegenwart: ἐκεῖνοι τοίνυν, οἷς οὐκ ἐχαρίζονθ᾽ οἱ λέγοντες οὐδ᾽ ἐφίλουν αὐτοὺς ὥσπερ ὑμᾶς οὗτοι νῦν, πέντε μὲν καὶ τετταράκοντ᾽ ἔτη τῶν Ἑλλήνων ἦρξαν ἑκόντων, πλείω δ᾽ ἢ μύρια τάλαντ᾽ εἰς τὴν ἀκρόπολιν ἀνήγαγον, ὑπήκουε δ᾽ ὁ ταύτην τὴν χώραν ἔχων αὐτοῖς βασιλεύς, ὥσπερ ἐστὶ προσῆκον βάρβαρον Ἕλλησι. Eure Vorfahren nun, welche die damaligen Redner im Gegensatz zu heute, nicht verzärtelten und ihnen schmeichelten, beherrschten für fünfundvierzig Jahre die Griechen als bereitwillige Untergebene. Mehr als zehntausend Talente brachten sie auf unsere Akropolis hinauf und hatten den Herrscher, der jenes Land besaß, als Untertanen, wie es das richtige Verhältnis zwischen einem Barbaren und Griechen ist.1381
Demosthenes’ Generalisierungs- und Schönfärbungstendenzen zeigen sich deutlich: Für die Hochphase des ersten attischen Seebunds unterschlägt er in „wishful thinking“1382 den Widerstand in den Reihen der Seebundmitglieder1383 und zählt Makedonien zu den abhängigen politischen Gebilden. Diese Behauptung unterstreicht seine ideologische Prämisse, dass „Barbaren“ unter griechische – spezifisch athenische – Kontrolle gehörten – so wie er es sich auch mit Philipp II. vorstellte. Die Tradition von Alexanders Eroberung der Gegend des späteren Amphipolis wird in Philipps Brief ausgeschmückt: Dort habe er „Meder“ – wohl auf dem Rückzug aus Hellas – gefangengenommen und aus ihren Verkäufen die goldene – oder eher vergoldete –1384 Statue (andrias) bezahlt, die er in Delphi stiftete.1385 Herodot bezeugt, dass ὁ Μακεδὼν Ἀλέξανδρος ὁ χρύσεος, „der ............................................ 1381 Dem. 3,24. Zu den glorreichen athenischen Vorvätern als Leitfiguren bei Demosthenes vgl. Trevett 1995, 183; Pearson 1981, 113–115, 135–136; Opitz 1976, 130. 1382 Trevett (ed.) 2011, 63, A. 32. 1383 Zudem rundet er die bei Thukydides genannte Zahl der Talente auf: Thuk. 2,13,3: 9700 Talente. Vgl. Trevett (ed.) 2011, 63, A. 33. 1384 Vgl. Zahrnt 2011, 774; Zahrnt 1984, 362; Whitehorne 1975, 109. 1385 [Dem.] 12,21: „εἴτε γὰρ τῶν ἐξ ἀρχῆς κρατησάντων γίγνεται, πῶς οὐ δικαίως ἡμεῖς αὐτὴν ἔχομεν, Ἀλεξάνδρου τοῦ προγόνου πρώτου κατασχόντος τὸν τόπον, ὅθεν καὶ τῶν αἰχμαλώτων Μήδων ἀπαρχὴν ἀνδριάντα χρυσοῦν ἀνέστησεν εἰς Δελφούς. Denn, wenn es den ursprünglichen Eroberern gehörte, haben wir dann nicht das Recht, es zu haben? Es war mein Vorfahr Alexander, der zuerst die Gegend eroberte und, aus der Beute der Meder, die er dort gefangennahm, eine goldene Statue in Delphi aufstellte.“ Markle 1976, 94 vermutet eine gemeinsame Quelle für Speusippos und [Dem.] 12. Squillace 2017, 243 zufolge war dies eine Neukreation
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goldene Alexander, der Makedone“ am gleichen Ort in Delphi wie die große Statue, finanziert von der Perserbeute von Salamis (und Artemision), stand.1386 Der raffinierte Alexander hatte es im Zuge seiner Rehabilitationskampagne nach Plataiai geschafft, sicherlich zeitnahe zur Weihung der Sieger,1387 in deren Fahrwasser seine eigene Stiftung in kausaler Nähe aufstellen zu lassen. Somit sah es so aus, als habe er faktisch gegen die Perser gekämpft – eine ziemlich unverschämte, aber offenbar nicht unwirksame Verdrehung der Tatsachen. Herodot berichtet nicht, woher Alexander das Geld für seine Weihung nahm.1388 Im Widerspruch zu seinen Historien steht auch die Behauptung, Alexander habe im Strymongebiet persische Kriegsgefangene gemacht. Herodot bezeugt explizit, dass die persischen Truppen beim Rückzug ungehindert durch makedonisches Gebiet kamen und erst von thrakischer Seite angegriffen wurden.1389 Eine ähnliche Geschichte über makedonische Attacken auf die im Rückzug befindlichen persischen Truppen findet sich noch an zwei anderen Stellen im Corpus Demosthenicum, versehen mit der chronologischen Unstimmigkeit, dass der regierende makedonische Herrscher Perdikkas statt Alexander genannt wird. So führt Demosthenes in seiner Rede Gegen Aristokrates, gehalten 352/1, aus:1390 καὶ πάλιν Περδίκκᾳ τῷ κατὰ τὴν τοῦ βαρβάρου ποτ᾽ ἐπιστρατείαν βασιλεύοντι Μακεδονίας, τοὺς ἀναχωροῦντας ἐκ Πλαταιῶν τῶν βαρβάρων διαφθείραντι καὶ τέλειον τἀτύχημα ποιήσαντι τῷ βασιλεῖ, οὐκ ἐψηφίσαντ᾽ ἀγώγιμον, ἄν τις ........................................................................................................................................................................... von Geschichte. Pace Hammond/Griffith 1979, 102, m. A. 1 mit der These, dies beruhe auf „sound information“ (ebenso für authentisch gehalten von Edson 1970, 26): Alexander habe „kinsmen of the King“ gefangen, da die persischen Hauptlager in der Nähe gewesen seien (Plut. Kim. 7,1–2), und für sie hohe Lösegeldsummen erlangt. Dies ist reine Spekulation. 1386 Hdt. 8,121,1–2. Vgl. Palagia 2017, 151; Müller 2016, 130–134; Sprawski 2013, 56; Drougou 2011, 181. 1387 Vgl. Zahrnt 2011, 774. 1388 Teilweise wird gefolgert, dass Alexander diese Statue auch aus der Perserbeute von Salamis und Artemision finanzierte, so Hatzopoulos 2011, 57; Geyer 1930, 48. Angedeutet von Scott 2014, 122, 151. Dies ist allerdings nicht möglich, da Alexander keinen Zugriff darauf haben konnte. Er war bis zuletzt auf Seiten seines persischen Oberherrn, Xerxes. Herodot impliziert auch keinesfalls, dass beide Stiftungen in Delphi aus derselben Quelle finanziert wurden. Der spätantike Autor Solinus berichtet ohne Angabe, woher die Mittel kamen, nur, dass Alexander sowohl für Apollon in Delphi als auch für Zeus in Elis goldene Statuen gestiftet habe (9,13). Tačeva 1992, 60 erwähnt die Vermutung, es sei Gold aus den Minen im Pangaiongebiet gewesen. Vgl. Hammond/Griffith 1979, 104. Es ist jedoch ungewiss, wann er genau Zugriff auf die Edelmetallminen hatte, von denen Hdt. 5,17,2 spricht. Die Weihung wird zeitnahe an Plataiai erfolgt sein. 1389 Hdt. 9,89,4. Vgl. Vassileva 2015, 324; Zahrnt 2011, 774; Philipps 2004, 248, A. 28; Markle 1976, 94–95. 1390 Vgl. Sealey 1993, 125, 130.
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ἀποκτείνῃ Περδίκκαν, ᾧ βασιλεὺς ἐχθρὸς δι᾽ ἡμᾶς ἀπεδέδεικτο, ἀλλὰ πολιτείαν ἔδωκαν μόνον. καὶ γάρ τοι τότε μὲν οὕτω τίμιον ἦν πᾶσιν ἀνθρώποις τὸ γενέσθαι πολίταις παρ᾽ ὑμῖν ὥσθ᾽ ὑπὲρ τοῦ τυχεῖν τούτου τηλικαῦθ᾽ ὑμᾶς ἀγάθ᾽ ἤθελον ποιεῖν, νῦν δ᾽ οὕτως ἄτιμον ὥστε τῶν τετυχηκότων πολλοὶ πλείω κακὰ τῶν φανερῶς ἐχθρῶν εἰσιν ὑμᾶς εἰργασμένοι. Ebenso beschlossen sie auch nicht für Perdikkas, der über Makedonien herrschte, als die Barbaren einfielen, und die Barbaren auf ihrem Rückzug von Plataiai aufrieb und damit die Niederlage des Königs komplettierte, dass, wer ihn umbrachte, von jedem gefasst werden dürfe, obwohl er sich doch die Feindschaft des Großkönigs um euretwillen zugezogen hatte; sie verliehen ihm nur das Bürgerrecht. Denn damals galt das athenische Bürgerrecht als etwas so Ehrenvolles bei allen Menschen, dass sie schon, nur um es von euch zu erhalten, bereit waren, sich um euch besonders verdient zu machen, während es heutzutage so wertlos ist, dass viele von denen, die es schon erhalten haben, euch mehr Schaden zugefügt haben als eure offenbaren Feinde.1391
In der pseudo-demosthenischen1392 Rede Peri Syntaxeos wird die gleiche Geschichte vom makedonischen Angriff erzählt, aber mit dem abgewandelten Ende, dass Perdikkas zum Dank nicht die πολιτεία, sondern ἀτέλεια erhalten habe.1393 In der Debatte um die Zuschreibung der Rede spielt dieser Unter............................................ 1391 Dem. 23,200. Vgl. Natoli 2004, 115. Als authentisch angesehen von Brock 2009, 158. Vgl. Sealey 1993, 130–131. Er sieht eine Zweiteilung bei Demosthenes’ Rede: 23,22–99 behandle Argumente bezüglich der Legalität, der andere Teil Argumente bezüglich der Zweckmäßigkeit. 1392 Dies ist die mehrheitliche Meinung, vgl. etwa Sealey 1993, 235–237. Dagegen gibt es auch Stimmen für eine Zuschreibung an Demosthenes, vgl. Trevett 1995, 191, datiert in die 350er Jahre. Ein Argument ist dabei, dass Didymos sie als authentisches Werk des Demosthenes ansieht. Ebenso als authentisch akzeptiert und in 350/49 datiert von Pearson 1981, 135. 1393 [Dem.] 13,24: „καὶ πρότερον τούτου Περδίκκᾳ τῷ κατὰ τὴν τοῦ βαρβάρου ποτ᾽ ἐπιστρατείαν βασιλεύοντι Μακεδονίας, τοὺς ἀναχωροῦντας ἐκ Πλαταιῶν τῶν βαρβάρων ἀπὸ τῆς ἥττης διαφθείραντι καὶ τέλειον τἀτύχημα ποιήσαντι τῷ βασιλεῖ, οὐκ ἐψηφίσαντο πολιτείαν, ἀλλ᾽ ἀτέλειαν ἔδωκαν μόνον, μεγάλην καὶ τιμίαν, οἶμαι, καὶ σεμνὴν τὴν αὑτῶν πατρίδ᾽ ἡγούμενοι καὶ πάσης μείζον᾽ εὐεργεσίας. νῦν δ᾽, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, φθόρους ἀνθρώπους οἰκοτρίβων οἰκότριβας, τιμὴν ὥσπερ ἄλλου του τῶν ὠνίων λαμβάνοντες, ποιεῖσθε πολίτας. Und zu einer früheren Gelegenheit, als Perdikkas, der, als die Barbaren einfielen, über Makedonien herrschte, die Barbaren bei ihrem Rückzug nach der Niederlage bei Plataiai aufrieb und damit den Unbill des Großkönigs besiegelte, verliehen sie ihm nicht das Bürgerrecht, sondern gaben ihm nur die ateleia. Denn sie betrachteten ihr eigenes Vaterland als groß, ruhmreich und ehrwürdig, wie ich meine, und als etwas, das größer war als jeder diesbezügliche Dienst. Aber heutzutage, ihr Athener, macht ihr den Abschaum der Menschheit zu Bürgern, Dienstbotensöhne von Dienstbotenvätern, und setzt einen Preis darauf aus wie auf irgendeine andere Ware.“ Die Stellungnahme von Natoli 2004, 115 zu dieser Ehre ist deutlich: „which makes no sense“. Für Hammond/Griffith 1979, 102, A. 4 ist vor allem die Erwähnung, „Perdikkas“ habe den Großkönig vernichtet, „an absurd exaggeration“. Dagegen glaubt Edson 1970, 26 an die Historizität dieser Behauptung.
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schied bei der „Dublette“ eine zentrale Rolle: Gilt er einerseits als Beleg für eine Fälschung,1394 wird er andererseits als bewusste Abwandlung in Einklang mit der jeweils unterschiedlichen Intention der Rede erklärt.1395 Die ἀτέλεια war eine besondere τιμή für Bürger, Metoiken und Fremde, die sich um eine griechische Polis besonders verdient gemacht hatten,1396 und bedeutete eine ehrenvolle Befreiung von Verpflichtungen,1397 etwa Liturgien oder Abgaben.1398 Eine ἀτέλεια wurde häufig zusammen mit der Proxenie verliehen, mitunter auch in Kombination mit dem Bürgerrecht, doch war beides nicht zwingend der Fall.1399 Keine andere literarische oder inschriftliche
............................................ 1394 Vgl. Fossey 1986, 77–78 (anachronistische Ehrung, eine Fälschung aus hellenistischer Zeit), dagegen vgl. Milns 1995. 1395 Vgl. Trevett 1995, 181–193. Siehe auch Badian 2000, 44, A. 70. 1396 Vgl. Engen 2010, 189; Oliver 2007, 30. Dem. 20,132 charakterisiert diese Ehre als exklusiver als eine Proxenie. Zu letzterer Ehre vgl. Mack 2015; Schuller 1974, 49–50. 1397 Wovon der Geehrte konkret ausgenommen wurde, variiert. Vgl. Rubinstein 2009, 115. Sie unterscheidet übergeordnet zwischen einer Honorar-ἀτέλεια und einer handlungsbezogenen ἀτέλεια, wobei die Grenzen mitunter fließend seien. Vgl. Rubinstein 2009, 115–116. Henry 1983, 241–146 teilt die Formen der ἀτέλεια in athenischen Dekreten in vier Kategorien ein: undefiniert; für Metoiken; für militärische Dienste; ἀτέλεια πάντων, „the universal or nearuniversal grant of tax exemption“ (Rubinstein 2009, 121). An finanziellen Erlässen in Athen sind etwa Befreiungen vom phoros für den Seebund bekannt, von der Metoikensteuer oder von Einund Ausfuhrzöllen: ML 65; Tod 178; Syll.3 348. Vgl. Oliver 2007, 31–32, 33–37. 1398 Vgl. Woolmer 2016, 80; Kamen 2013, 57; Engen 2010, 187–192; Oliver 2007, 30–37; Knoepfler 2001, 60; Henry 1983, 241–246; Oehler 1986. Engen 2010, 189 (zählt ca. 20 Verleihungen in Athen zwischen 6. Jh. und 4. Jh. v. Chr. für politische und militärische Verdienste). Dem. 20,20– 21 zählt circa 30 Verleihungen bis zum Jahr 355. Vgl. Henry 1983, 241–246. Siehe auch Kamen 2013, 57. Nicht nur in Athen wurde die Ehre der ἀτέλεια verliehen, sondern auch in anderen griechischen Städten. 1399 Vgl. Rubinstein 2009, 116, 120–121. Auch handelsbezogene Leistungen für die Polis konnten eine ἀτέλεια als „indicative of a desire to foster closer links with the mercantile community“ bewirken: Woolmer 2016, 79, der jedoch zugleich betont, es sei nicht um die bloße Sicherung von Ressourcenlieferungen gegangen. Insgesamt, nicht nur auf die ἀτέλεια bezogen, gibt es für athenische Ehrungen für handelsökonomische motivierte Leistungen im 5. Jh. v. Chr. nur wenige Beispiele, die alle in die Spätzeit datiert werden. Vgl. Woolmer 2016, 80, der davon ausgeht, dass es erst ab 410, als Folge der Wiederaufrüstung der Flotte solche Verleihungen gegeben habe. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Alexander I. oder Perdikkas aus handelsökonomischen Gründen infolge von Ruderholzlieferungen die ateleia in Athen bekommen hätten. Das Dekret für Archelaos 407/6 (IG I3 117) beinhaltet zwar eine Ehrung aus handelspolitischen Gründen (Lieferungen von Schiffsbauholz), aber es ist nur die Rede von der Proxenie. Vgl. Hammond/Griffith 1979, 137–139; Walbank 1978, 90. Eine ἀτέλεια für Ruderholzlieferungen bezeugt etwa das zwischen 410–407 datierte Dekret für Phanosthenes (wohl der strategos von 407/6), der die Athener beim Wiederaufbau der Flotte nach der Sizilischen Expedition mit Ruderhölzern versorgte (IG I3 183): Phanosthenes und Antiochides wird für die Lieferung von Kriegsmaterial gedankt. Ihre Leute werden zu euergetai erklärt. Der athenische demos soll denjenigen danken, die Ruderhölzer importieren und sie dabei von einer Steuer von 1 Prozent ausnehmen. Vgl. Engen 2010, 189–190; MacDonald 1981, 141–146; Walbank 1978, 313–324. Zur Datierung des Phanosthenes-Deekrets vgl. Engen 2010, 189–190; MacDonald 1981, 141–142. Ein weiteres Beispiel sind die bosporanischen Herrscher wegen Getreidelieferungen (Dem. 20,20–21). Vgl. Engen 2010, 190–191.
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Quelle bezeugt eine πολιτεία oder ἀτέλεια für Alexander oder Perdikkas.1400 Herodot erwähnt, Alexander sei ein proxenos und euergetes Athens gewesen.1401 Es ist umstritten, wie die Behauptungen im Corpus Demosthenicum zu bewerten sind,1402 zumal Uneinigkeit darüber herrscht, ob tatsächlich Perdikkas oder Alexander gemeint ist. Zumeist wird von einer Namensverwechslung ausgegangen.1403 Alternativ wird vermutet, Perdikkas habe unter der Regierung seines Vaters die erwähnte Tat vollbracht.1404 Cole vertritt die wenig überzeugende Einzelmeinung, es handle sich um eine Verwechslung mit einer Ehrung für Perdikkas während des Peloponnesischen Kriegs, um seine Neutralität oder Unterstützung zu gewährleisten, die Thukydides nicht erwähnt habe, weil sie ihm nicht wichtig genug erschienen sei.1405 ............................................ 1400 Die Ehre der πολιτεία wird meist als unhistorisch betrachtet, dagegen wird die Möglichkeit des Erhalts der ἀτέλεια diskutiert. Unhistorische politeia: Hammond/Griffith 1979, 101–102, m. A. 4 (Alexander habe sich als Gesandter des Mardonios zu verdächtig gemacht); Cole 1977, 29. Pace Trevett 1995, 181, der umgekehrt eher vom Bürgerrecht ausgeht. 1401 Hdt. 8,136,1. Vgl. Gygax 2016, 52, 59, 108. Zur „Datenbewahrung“ vgl. Rubinstein 2009, 121: In den meisten griechischen Städten wurde eine solche Ehre öffentlich verkündet und auf Registern verewigt. Zudem erinnerten sich die befreundeten Familien in den Städten daran und bewahrten auf der Basis von Familiengeschichte diese Erinnerung. Bei der Proxenie Alexanders I. wird überwiegend davon ausgegangen, dass sie, ebenso wie die des Archelaos, mit Lieferungen von Schiffsbauholz an Athen zusammenhing, vgl. Heinrichs 2017, 90, A. 41; Psoma 2015a, 2, Psoma 2014, 134; Psoma 2013a; Heinrichs/Müller 2008, 288, A. 32; Loukopoulou/Psoma 2007, 144, A. 6; Giuliodoro 2004, 44 (mit der nicht zu verifizierenden These, dies habe auch für seine Nachkommen gegolten; für Perdikkas ist eine Proxenie jedenfalls nicht bekannt); Blösel 2004, 129; Hornblower 2002, 382; Borza 1990, 130; Borza 1987, 41; Gerolymatis 1986; Hammond/Griffith 1979, 69; Cole 1978, 42; Edson 1970, 25; Wallace 1970, 199; Edson 1970, 25–26. Siehe auch Mack 2015, 115–116. 1402 Vielleicht waren die bei Herodot bezeugten Ehren für Alexander I. gemeint, da jemand, der die ἀτέλεια in Athen erhielt, als Wohltäter der Polis galt, oder aber Alexanders Proxenie schloss die ἀτέλεια ein, was indes völlig ungewiss ist. Eventuell handelte es sich auch um einen anders gelagerten chronologischen Irrtum, falls eigentlich die athenischen Ehren für Perdikkas’ Sohn Archelaos gemeint waren. Archelaos wurde für seine Holzlieferungen an Athen im Zuge des Wiederaufbaus der athenischen Flotte nach dem Sizilischen Debakel 407/6 auf Antrag des Alkibiades als euergetes geehrt: IG I3 117; ML 91; HGIÜ 150. Siehe Walbank 1978, 90. Vgl. Fragoulaki 2013, 245; Hatzopoulos 2011, 59; Roisman 2010a, 155; Engen 2010, 50–56, 321; Greenwalt 1999, 175; Borza 1990, 163; Borza 1987, 44–45; Wirth 1985, 22; Hammond/Griffith 1979, 139; Geyer 1930, 93. Zu Alkibiades als Antragsteller vgl. Engen 2010, 283; Samons 2000, 180, A. 128 Eine ἀτέλεια ist nicht bezeugt, mochte aber eventuell erfolgt sein. Explizit bezeugt ist eine ἀτέλεια nur für einen anderen Temeniden, in dem zumeist Amyntas III. vermutet wird, verliehen von Oropos: Rhodes/Osborne 2003, 371–372, Nr. 75. Er wurde zudem als euergetes und proxenos geehrt und erhielt auch die asylia. 1403 Vgl. Zahrnt 2011, 774; Natoli 2004, 115; Badian 2000, 44, A. 70; Milns 1995; Trevett 1994, 181; Hammond/Griffith 1979, 101–102, m. A. 4; Westermann 1852, 89–90, A. 200: Demosthenes habe einen menschlichen Irrtum begangen, der für seine Argumentation aber nicht weiter ins Gewicht falle. Mari 2014b, 77, A. 73 scheint es anzudeuten. 1404 Vgl. Papastavrou 1959/60, 181, A. 1. 1405 Vgl. Cole 1977, 27–29. Coles Begründung ist, dass zuvor schon Alexander I. und danach Archelaos die Proxenie zusammen mit der ἀτέλεια erhalten hätten. Indes ist bei beiden von der ἀτέλεια explizit nichts bezeugt; dies ist eine bloße Annahme.
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Doch erscheint diese Spurensuche insgesamt als ein Fischen im Trüben. Trevett kommentiert zu Demosthenes’ Schnitzern: „the Athenian orators and their audiences were singularly careless about getting historical details right. As he did not trouble to give the name of the Macedonian king correctly, he can hardly be represented as a paragon of historical accuracy“.1406 Überdies ist an den Mangel an Kenntnissen von Perdikkas’ genauen Regierungsdaten schon bei Autoren des 4. Jhs. v. Chr. zu denken, die über makedonische Geschichte schrieben, selbst beim Makedonen Marsyas von Pella und bei Theopompos, der am makedonischen Hof gewesen war. Wenn sie, die sich spezifisch mit temenidischer Vergangenheit beschäftigten, schon diesbezüglich Probleme hatten, ist es von Demosthenes, der kein Historiograph war, und dem unbekannten Verfasser von Peri Syntaxeos erst recht nicht zu erwarten. Die Erwähnungen stehen im Kontext der jeweiligen Redeintention und dienen der Untermalung eines Arguments. In Peri Syntaxeos wurde darauf abgehoben, dass früher das athenische Bürgerrecht nicht leichtfertig verliehen wurde. Demosthenes argumentierte gegen den Antrag des Aristokrates, dem umstrittenen Söldnerführer Charidemos Schutz vor Nachstellungen durch Immunität zu gewähren, indem er mit historischen Exempeln veranschaulichte, dass Charidemos bereits die höchste Ehre, das athenische Bürgerrecht, erhalten habe.1407 Der Rekurs auf den Xerxeszug ist nicht verwunderlich: Athens Beteiligung an den Siegen über die persischen Truppen war der vielbeschworene Kern des ideologischen Anspruchs, Hellas’ Schutzmacht und Inbegriff von eleutheria zu sein. Entsprechend häufig bezogen sich die attischen Redner auf die geformte
............................................ 1406 Trevett 1995, 182. Vgl. Badian 2000, 44, A. 70: „Since the Athenians obviously had no memory of those cases (else the mistake that Perdiccas was king of Macedon at the time of Xerxes’ invasion could never have been made in front of them), the speaker was free, in each case, to fashion his story in accordance with the requirement of his case”. Ähnlich: Sprawski 2013, 55; Cole 1977, 28: „It is very doubtful that anyone in the audience knew that either Alexander I or Perdikkas II had received any reward from Athens, leave it alone what it was. In these circumstances, Demosthenes could manipulate the facts (…) according to the requirements of his point.” Siehe auch Milns 1995; Westermann 1852, 90, A. 200: Es zeige, „wie wenig es den Rednern wenn das Angeführte nur bewies was es beweisen sollte, um diplomatische Genauigkeit in Nebendingen zu thun war.“ Pearson 1941, 218 spricht von „this trick of expecting his historical material to be familiar”. Es wird angenommen, dass gerade bei Gerichtsverhandlungen, insbesondere bei großen Jurys, nicht von einem fundierten historischen Wissen der Rezipienten ausgegangen werden konnte, sondern vielmehr von einer Kenntnis von Schlagworten und Paradigmen, besonders hinsichtlich athenischer Ideologie. Vgl. Milns 1995. Ihm zufolge wären für die meisten Rezipienten Ereignisse, die länger als 25 Jahre zurücklagen, schon sehr fern gewesen. Bei nichtathenischer und nicht-griechischer Geschichte habe es noch weniger Wissen gegeben. 1407 Zu einer „Charidemos-Romantik“, die im athenischen Diskurs aufgekommen sein soll, vgl. Wirth 1999, 79, A. 225.
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Erinnerung an die Perserkriege.1408 So erwähnt Demosthenes in der zweiten Philippischen Rede, dass Alexander I. im Auftrag der Perser von den Athenern vergeblich die Unterwerfung gefordert habe.1409 Laut Lykurgos verlangte er für den Großkönig Erde und Wasser und entging nur knapp der Steinigung – was auch nicht bei Herodot steht.1410 In summa ist es nicht nötig, hinter den behandelten Traditionen im Corpus Demosthenicum makedonische logoi zu vermuten.1411 Makedonische Herrscher wurden als exempla aktuell – natürlich wie stets nur in ihren Beziehungen zu Hellas –, da der Aufstieg des Temenidenreichs unter Philipp II. die Griechen zu einer Auseinandersetzung mit Makedonien zwang. Philipps Vorgänger wurden durch diese Entwicklung ebenfalls zu Referenzmarken bei innerathenischen Auseinandersetzungen, als positive oder negative Beispiele. Von den athenisch-makedonischen Beziehungen im 5. Jh. v. Chr. war hängen geblieben, dass es einen makedonischen Herrscher und eine Verbindung mit den Perser............................................ 1408 Vgl. Milns 1995 (besonders häufig, da damit Sparta bequemer als bei der Schlacht von Plataiai ausgeblendet werden konnte, auf Salamis); Pearson 1981, 26–27, 113–11; Pearson 1941, 227. 1409 Dem. 6,11. Vgl. Milns 1995. 1410 Lyk. Leokr. 71. Vgl. Hdt. 8,136–143. Vgl. Pearson 1941, 225–226. Dagegen hält Geyer 1930, 44 diese Information für authentisch. Hammond/Griffith 1979, 102, A. 4 zufolge stecke hinter Lykurgos’ Übertreibung die Erinnerung an Alexanders Entsendung als Gesandter durch Mardonios. Dieser war in der Zeit der attischen Redner noch eine bekannte persische Figur, die als Folie für die Glorifizierung der siegreichen athenischen Vorväter diente. Demosthenes erwähnt in einer Gerichtsrede von 355 Mardonios’ goldenen akinakes, der als Siegestrophäe im Schatzhaus der Akropolis aufbewahrt wurde (Dem. 24,129). Der akinakes wurde wohl erbeutet und gestiftet, nachdem Mardonios bei der Schlacht von Plataiai gefallen war (Hdt. 9,63,2–64,1; Plut. Aristid. 19,1). Pausanias, der spartanische Heerführer, übernahm Mardonios’ Zelt mit all seiner Ausstattung, das zuvor Xerxes gehört hatte (Hdt. 9,82,1). Deswegen verwundert, dass der akinakes dann in Athen geweiht worden sein soll. Wahrscheinlich wollte Demosthenes mit einem bekannten Namen eines reichen persischen Generals punkten. Ein Blick in Inventarlisten aus klassischer Zeit, die Weihegaben an griechische Heiligtümer verzeichnen, zeigt, dass akinakai dort auftauchen. Vgl. Heinrichs/Müller 2008, 301, m. A. 105; Kosmetatou 2004. Laut Demosthenes hatte der akinakes angeblich – Reflex des griechischen Topos von Persiens Luxus – das Gewicht von 300 Dareiken (ca. 2,5 kg) – recht unhandlich für ein am Oberschenkel getragenes Reiterschwert. Vgl. Kosmetatou 2004, 148, A. 41. Siehe auch Heinrichs 2017, 80, A. 5; Jones 2007, 328, Nr. 860: Die Zahl 300 sei nicht realistisch, sondern topisch. Zum griechischen Topos des in Gold schwimmenden Perserreichs vgl. Jacobs 2010; Vickers 1990. Er scheint die Angabe von 300 Dareiken für den akinakes allerdings nicht zu bezweifeln (1990, 622). In der Nachwirkung bei Ael. Arist. Panathen. 132 (Oliver) (= 174–175 LCL) im 2. Jh. n. Chr. ging es weniger brachial zu als bei Lykurgos, auch wenn Alexander I. ebenfalls nicht positiv dargestellt wurde: Die Athener beschränkten sich auf die Drohung, es würde ihn den Kopf kosten, wenn er ihnen zukünftig als ihr proxenos noch einmal einen solchen Dienst erwiese, und gewährten ihm sicheres Geleit. Offenbar handelt es sich um eine Verschmelzung von Hdt. 8,140–143; Dem. 6,1; Lyk. Leokr. 71; Plut. Arist. 10 und Thuk. 2,12,2 (über den Gesandten Melesippos und die Athener). Vgl. Oliver 1968, 125; Beecke 1908, 40–41. Zu Aelius Aristides’ unschmeichelhafter Schilderung des Makedonenherrschers vgl. Asirvatham 2008, 207, 211: „pride in Greece does not necessarily have to include Macedonian history (…) the Macedonians could appear as successors to the Persian despots in their oppression of Greece (…) Aristides makes them foils to both Greek and Roman superiority”. Vgl. Asirvatham 2017, 288–289. 1411 Vgl. Müller 2016b, 36–38. Auch Squillace 2017, 242–247 geht davon aus, dass es sich um Formungen der griechischen Autoren des 4. Jhs. v. Chr. gehandelt habe. Ebenso: Mari 2014b, 76.
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kriegen gegeben hatte. Vielleicht wurde bewusst von Perdikkas und nicht von Alexander gesprochen, weil Perdikkas als typisch makedonischer Name (und Herrschername) galt.1412
............................................ 1412 Vgl. Hatzopoulos 2000, 113. Geyer 1930, 44, A. 2 meint, dem Redner sei Perdikkas bekannter gewesen als Alexander und deswegen sei ihm der Fehler unterlaufen. Indes könnte es vielmehr sein, dass ihm der Name (und nicht der Herrscher) vertrauter gewesen war. Die Herrschaft von Philipps Bruder Perdikkas III. war der von Philipp vorangegangen. Milns 1995 geht davon aus, dass der Name Perdikkas bei den Rezipienten bekannt war.
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VI Perdikkas’ Kulturförderung und „Legende“ Perdikkas und die Patronage von Kunst und Wissenschaft Unter Alexander I. lässt sich erstmals eine Politik der Kulturförderung fassen, die sich in der Folge zu einer festen Facette der temenidischen Schauseite entwickelte.1413 Durch ihre Gesänge auf ihn bezeugen Bakchylides und Pindar Alexanders Mäzenatentum.1414 Patronage für Kunst und Wissenschaft war eine reziproke Angelegenheit. Dem Gast bot ein Monarchenhof finanzielle Vorteile, Aussicht auf Belohnungen und Ruhm sowie die Möglichkeit des intellektuellen Austauschs mit anderen Gästen. Der makedonische Gastgeber konnte sich wiederum als Patron der Künste, progressiver Förderer von wissenschaftlichen Entwicklungen und Griechenfreund profilieren, somit eine politische und kulturelle Agenda verfolgen. Aufenthalte von Künstlern, Literaten oder Wissenschaftlern am Temenidenhof werden allerdings häufig nur beiläufig in den Quellen erwähnt. Existieren detailliertere Informationen, stammen sie meist aus späterer Zeit und sind anekdotenhaft.1415
............................................ 1413 Vgl. Pownall 2017, 215–218; Moloney 2014; Hammond/Griffith 1979, 149; Edson 1970, 37. Ogden 2017, 171 nennt den Temenidenhof einen Magneten für Intellektuelle. Harder 1985, 130 tut Alexander I. Unrecht, wenn sie den Beginn der temenidischen Kulturpatronage erst mit Perdikkas beginnen lässt. 1414 Bakchyl. F 20 B; Pind. F 120 (Schol. Pind. Nem. 7,1a); F 121 (Dion. Hal. Dem. 26; 1,185 UsenerRadermacher). Vgl. Pownall 2017, 217–218; Hammond/Griffith 1979, 103. 1415 Zu den Anekdoten zu Euripides’ – in der Forschung durchaus umstrittenem – Aufenthalt in Makedonien bei Archelaos (zweifelnd: Scullion 2003, 394–395; ungewiss: Duncan 2011, 78–82; Sourvinou-Inwood 2003, 41; historisch: Pownall 2017, 220; Aston 2012b, 256, A. 37; Harder 1985, 130–131): Ael. VH 13,4; Aristot. Pol. 1311 B; zu Agathon an Archelaos’ Hof: Ael. VH 2,21; Schol. Aristoph. Ran. 86; zum Philosophen Euphraios von Oreos am Hof von Perdikkas III.: Athen. 11,506 F. 508 D-E; Speus. Phil. 12, vgl. Trampedach 1994, 93, 95; zum Flötenspieler Dorion am Hof Philipps II. (Dekadenztopoi: Schmarotzerei, Gefräßigkeit und Vorliebe für teuren Edelfisch): Mnesimachos F 10 K-A (= Athen. 8,338 B); vgl. Papachrysostomou 2008, 217, 220; zu Kallisthenes an Alexanders Hof: Berufung: Diog. Laert. 5,4–5; Val. Max. 7,2, ext.11 A. Just. 12,6,17–18; angespannte Beziehung zwischen ihm und Alexander: Arr. an. 4,14,1–2; Plut. mor. 454 D-E. 623 F; Athen. 10,434 C-D; Just 15,3,4–10; Diog. Laert. 5,5; Plut. Alex. 55,4–5; Beschuldigung der Beteiligung an der Verschwörung des Hermolaos: Plut. Alex. 55,2; Curt. 8,8,21; Just. 12,7,2–3; Arr. an. 4,14,1–2; Klatschgeschichte über Apelles an Alexanders Hof: Plin. NH 35,36; Ael. VH 12,34; zum Kitharoiden Aristonikos an Alexanders Hof: Arr. an. 4,16,7; Plut. mor. 334 F-335 A.
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Auch Perdikkas soll sich um die Patronage griechischer Künstler und Wissenschaftler bemüht haben.1416 Die Quellenbelege sind allerdings sehr spät und in ihrer Korrektheit schwierig einzuschätzen. So erwähnt neben Tzetzes (12. Jh.) die Suda (10. Jh.) den Aufenthalt des lyrischen Dichters Melanippides an Perdikkas’ Hof:1417 καὶ διατρίψας παρὰ Περδίκκᾳ τῷ βασιλεῖ ἐκεῖ τὸν βίον κατέστρεψεν. … nachdem er einige Zeit bei Perdikkas, dem König, verweilt hatte, starb er.1418
Melanippides gilt als einer der wichtigsten, progressivsten Musiker jener Epoche, der die Anzahl der Saiten der siebensaitigen Lyra erhöhte und seine Dithyramben mit freien rhythmischen Kompositionen gestaltete.1419 Er befindet sich unter den angeklagten Musikern in der Komödie Cheiron. Darin beschwert sich die Musik, eine Frau voller Blessuren, gegenüber der Dikaiosyne, mit einem – für die attische Komödie typischen – sexuellen Unterton, sie hätten ihr übel mit ihren Saiten (zweideutig konnotiert) zugesetzt:1420 Melanippides gleich mit zwölf.1421 Ein weiterer Beschuldigter war der Kitharoide Timotheos von Milet,1422 der auch wegen seiner musikalischen Innovationen polarisierte –1423 prompt noch ein Künstler, der sich unter die Fittiche eines temenidischen Patrons begab: die von Archelaos.1424 Die Annahme, dass auch Herodot an den Temenidenhof kam, entweder unter Perdikkas oder seinem Vater,1425 ist kritisch zu sehen. Sie basiert auf ............................................ 1416 Edson 1970, 39 geht davon aus, dass Perdikkas wegen seiner Kriegsverwicklungen weniger Kulturpatronage betrieben habe. Indes mag dieser Eindruck auch an den mangelnden Quellen liegen. 1417 Suda s.v. Melanippides (μ 454 Adler). Akzeptiert von Pownall 2017, 218–219; Carney 2016, 193; Hatzopoulos 2011, 58; Zimmermann 2011, 296; Roisman 2010a, 154; Geyer 1937b, 602. Zur Wertschätzung des Melanippides: Aristot. rhet. 1409 B; Xen. Mem. 1,4,3. 1418 Suda s.v. Melanippides (μ 454 Adler). Vgl. Geyer 1937b, 602. 1419 [Plut.] mor. 1141 C; Aristot. rhet. 1409 B. Vgl. Pöhlmann 2011, 118. Zu Melanippides’ Leistung vgl. Pownall 2017, 218; West 1987, 357–358. 1420 PCG fr. 155, Z. 3–7 (= 157 K = [Plut.] mor. 1141 C). Die anderen „musikalischen Missetäter“ sind Kinesias von Athen, Phrynis von Mytilene und Timotheos von Milet. Vgl. Borthwick 1968, 60–73. Zum anzüglichen Unterton der „Saite“ vgl. Pöhlmann 2011, 123–124; O’Higgins 2003, 125; Dobrov 1997; Borthwick 1968, 67–73. 1421 Vgl. Pöhlmann 2011, 123–124. 1422 PCG fr. 155, Z. 19–25 (= 157 K= [Plut.] mor. 1141 C). Vgl. Pöhlmann 2011, 130–131. 1423 Plut. mor. 238 C. Vgl. van Minnen 1997, 252. So ist der erhaltene Part der Persai mit Neologismen durchsetzt. 1424 Plut. mor. 177A; 334B. Zu Archelaos’ Kulturförderung vgl. Pownall 2017, 219–221. 1425 Alexander I.: Vasilev 2014, 9; Patterson 2010, 171; Natoli 1994, 120. Perdikkas II: Hammond/Griffith 1979, 3, 98, 649.
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einem späten, chronologisch wirren Hinweis in der Suda, Herodot sei nach Makedonien gereist, und der indirekten Schlussfolgerung, er habe seine Informationen zu den Temeniden von ihnen selbst erhalten.1426 Priestleys Vermutung, diese Behauptung sei eine Erfindung aus hellenistischer Zeit, ausgegangen vom Hof der Ptolemäer mit der dortigen Herodot-Wertschätzung, um die temenidischen „Ahnen“ prestigefördernd zu Herodots Patron zu machen, ist nicht unschlüssig.1427
Perdikkas und Hippokrates Auch der Arzt Hippokrates von Kos, mit seinen – grob geschätzten – Lebensdaten von ca. 460 bis um 375/0 Perdikkas’ Zeitgenosse,1428 soll an dessen Hof gewesen sein. Wie Greenwalt argumentiert, diente die Förderung von medizinwissenschaftlichen Fortschritten den Temeniden erstens dazu, die eigene ärztliche Versorgung zu verbessern, da sie ein hohes Risiko von Kriegsverletzungen trugen. Zweitens konnten sie sich damit auch als die idealen Landesschützer gerieren, die für die bessere medizinische Betreuung ihrer Reichsbevölkerung sorgten.1429 Perdikkas wäre damit der erste – zumindest in den Quellen – fassbare temendische Förderer eines griechischen Arztes.1430 Es ist unsicher, wann Hippokrates’ Aufenthalt erfolgt sein könnte und ob Perdikkas zu jenem Zeitpunkt bereits klar war, welche Rolle der Arzt in der Entwicklung der griechischen Medizin spielte. Die Tradition, wonach Hippokrates in Thessalien tätig gewesen, gestorben und begraben worden sein soll,1431 gilt zumeist als authentisch.1432 Von Thessa............................................ 1426 Hdt. 5,19–22; 7,73. 173; 8,137–139. 140, 9,44–45; Suda s.v. Herodotos (η 536 Adler). 1427 Vgl. Priestley 2014, 34–42. Zu den Methoden der hellenistischen Herrscher, über die Pflege der von den Temeniden geförderten griechischen Künstler an deren Erbe anzudocken, vgl. Müller 2017a, 130–133. 1428 Zu den Lebensdaten vgl. Zimmermann/Rengakos 2014, 296; Cojocaru 2012 (ca. 460–370); Schubert 2013. 1429 Vgl. Greenwalt 1986, 217–218. 1430 So Maisona 1992, 71; Greenwalt 1986, 217: „the Macedonian kings at least from the time of Perdiccas II consistently patronized the medical arts and attempted to keep up with the latest advancements in the field“. 1431 Vita Hipp. sec. Sor. 4, 9–11, 15; Suda s. v. Hippokrates (ι 564 Adler): demnach in Larisa. Vgl. Mili 2015, 293; Zimmermann/Rengakos 2014, 296; Schubert 2012; Pinault 1992, 15, 22, 25. Retief/Cilliers 2005, 6 setzen sein Todesdatum sogar bis 351 an. 1432 Vgl. Ogden 2017, 171; Mili 2015, 293; Zimmermann/Rengakos 2014, 296; Schubert 2013, Wall 2011, 14; Nelson 2007, 242; Retief/Cilliers 2005, 5; Jouanna 1992, 50; Pinault 1992, 12, 38; Smith 1990, 4. Als Indikator gilt, dass er einen seiner Söhne Thessalos nannte (Pseudep. 27 = Presbeutikos, Gesandtschaftsrede seines Sohns Thessalos, vgl. dazu Nelson 2007; Smith 1990, 16–17). Zu
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lien nach Makedonien war es weder geographisch noch sozio-politisch weit. Da mitunter dieselben griechischen Intellektuellen in Thessalien wie in Makedonien gefördert wurden,1433 ist nicht unwahrscheinlich, dass Hippokrates von Thessalien aus an den Hof von Perdikkas reiste.1434 Dennoch wird dieser Besuch zumeist als unhistorisch abgelehnt.1435 Gründe sind die generelle legendenhafte Verklärung von Hippokrates’ Vita und die besonders anekdotenhafte Überformung der Tradition um seinen Aufenthalt bei Perdikkas. Hinzu kommt, dass in den frühesten literarischen Zeugnissen zu Hippokrates, zwei Erwähnungen bei Platon,1436 zwar sein Bekanntheitsgrad als griechischer Arzt Bestätigung findet, nicht aber eine Verbindung zum Temenidenhof. Da diese ........................................................................................................................................................................... Thessalos vgl. Jouanna 1992, 51. Zum mythischen Thessalos, Sohn eines Herakliden, vgl. Moustaka 1983, 67. Als weiterer Indikator gilt, dass es in Thessalien eine starke Verbreitung des Asklepios-Kults gab, vgl. Mili 2015, 293; Moustaka 1983, 71–73. So vermutet Mili 2015, 293– 294, dass die Heiltätigkeit des Hippokrates als eines Asklepiaden, Ἀσκληπιὸν τὸ γένος (Vita Hipp. sec. Sor. 1), ein Auslöser für diese Kultverbreitung war, die sich etwa auch in der häufigen Darstellung des Asklepios auf thessalischen Münzen zeigte. Für Thessalien sind allerdings schon in der Ilias und einer der homerischen Hymnen Verbindungen zu Asklepios belegt: Il. 2,729– 733; Hom. Hymn. 16. Er galt als ursprünglich thessalischer Heros, der bei Trikka geboren wurde (Strab. 9,5,17), wo sich auch sein Heiligtum befand. Vgl. Männlein-Robert 2015, 343; Di Nino 2008, 168, A. 2; Nutton 2004, 103–108; Moustaka 1983, 71. Zu Asklepios auf thessalischen Münzen und zu inschriftlichen Belegen für die Verbreitung seines Kults in Thessalien vgl. Moustaka 1983, 72–73. In Athen wurde der Asklepios-Kult 420 aus Epidauros importiert. Gegen die Mehrheitsthese, wonach dies eine Reaktion auf die Seuche gewesen sei, argumentiert Wickkiser 2008, 90–96: Es sei eine strategische Aktion Athens im Peloponnesischen Krieg gewesen, um Epidauros auf der Seite zu behalten. Sie sieht generell als Ursache für die Ausbreitung des Asklepios-Kults in Griechenland die Weigerungshaltung von Ärzten, chronisch Erkrankte zu behandeln; dies sei die Spezialität von Asklepios gewesen (2008, 35–40, 58–60; 2006, 25, 29, 38). Nutton 2004, 114 dagegen sieht den Grund für die Ausbreitung des Asklepioskults darin, dass mit einer zunehmenden Professionalisierung griechischer Ärzte eine Wendung gegen „magische“ Methoden eingekehrt sei. 1433 Diog. Laert. 2,5,25 (dieses Zeugnis für eine Einladung von Sokrates durch Archelaos, Skopas von Krannon und Eurylochos von Larisa ist in der Historizität umstritten, wenn auch vorstellbar). Auch Pindar wurde sowohl von Alexander I. (Pind. F 120; F 121) als auch dem Aleuaden Thorax gefördert (Pind. Pyth. 10,69–72). Vgl. Sprawski 2013; Morgan 2003, 86. 1434 Ebenfalls halten den Besuch für historisch: Pownall 2017, 218; Ogden 2017, 170; Carney 2016, 193; Maisona 1992; Greenwalt 1986, 37; Volkmann 1972, 622; Geyer 1937b, 602. Zimmermann 2011, 296 hält ihn für möglich. Ebenso Nelson 2007, 242, A. 26: Der Besuch kann historisch gewesen sein, sei aber dann fiktionalisiert worden. Temkin 1991, 47, 49 verweist auf ein anderes Problem: die Formung der Quellenberichte gemäß dem Topos der Korruption durch ein Leben am Hof. Daher sei teilweise die verklärende Tradition aufgekommen, dass Hippokrates in seiner moralischen Tugend es grundsätzlich abgelehnt habe, an einem Hof zu verweilen, sei es nun bei Artaxerxes I. oder bei Perdikkas. 1435 Vgl. Zimmermann/Rengakos 2014, 296 („sicher unhistorisch“); Wall 2011, 13–14 („nor did he cure the plague of Athens – let alone Perdiccas of Macedonia“; denkt allerdings, dass sich sein Einfluss bis nach Makedonien ausgewirkt habe); Nelson 2007, 242, m. A. 26; Golder 2007, 24; Retief/Cilliers 2005, 5; Longrigg 1998, 41; Pinault 1992, 61; Jouanna 1992, 50 (räumt jedoch ein, dass er Beziehungen zu Perdikkas II. gehabt haben kann). Schubert 2012 erwähnt Makedonien und Perdikkas in ihrem EAH-Artikel zu Hippokrates nicht einmal. Zur kargen Evidenz zu Hippokrates vgl. Schubert 2013; Retief/Cilliers 2005, 1–2; Sherwin-White 1978, 262–263. Zur Legendenbildung vgl. Wall 2011, 13; Pinault 1992. 1436 Plat. Prot. 311 B; Phaidr. 270 C. Vgl. Zimmermann/Rengakos 2014, 295. Siehe auch Aristot. Pol. 1326 A.
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erst in späterer Zeit und in teilweise problematischen Quellen fassbar wird, herrscht Misstrauen vor. Immerhin tippt Galen das Thema en passant an.1437 In der Suda heißt es knapp: „διέτριψε δὲ ἐν Μακεδονίᾳ, φίλος ὢν σφόδρα τῷ βασιλεῖ Περδίκκᾳ.“ „Er reiste nach Makedonien, da er ein sehr enger Freund des Königs Perdikkas war.“1438
In guter Familientradition soll Hippokrates’ Sohn Thessalos angeblich später, unter Perdikkas’ Sohn Archelaos, Leibarzt geworden sein.1439 Im Presbeutikos, der Gesandtschaftsrede, die Thessalos Ende des 5. Jhs. v. Chr. in Athen gehalten haben soll,1440 begründet er seinen Aufenthalt in Makedonien damit, dass sein Vater ihn wegen einer Gastfreundschaft mit den Herrschern der Herakliden dorthin geschickt habe.1441 Eric Nelson zufolge war diese temenidische Verbindung zu den Asklepiaden, die sich ebenfalls mit Herakles assoziierten, nur ein repräsentationspolitisches Propagandaversatzstück der Schule von Kos, vermutlich erst aus antigonidischer Zeit.1442 Dennoch könnte ein wahrer Kern dahinterstecken, zumindest, was Hippokrates’ Besuch am Temenidenhof angeht.1443 Auch wenn die retrospektive Formung in diesem Fall besonders skurrile Blüten trieb, heißt das nicht, dass auszuschließen ist, dass Hippokrates bei Perdikkas war. Kritisch zu sehen ist die Geschichte, die um diesen Besuch herumgesponnen wurde: Sie diente Hippokrates’ Glorifizierung und wurde – neben der Story über seinen Sieg über die Seuche in Athen und seiner patriotisch-aufrechten Zurückweisung der Einladung des persischen „Erzfeinds“ ............................................ 1437 Galen, Med. Phil. 3. 1438 Suda s.v. Hippokrates (ι 564 Adler). Vgl. Ogden 2017, 171. Zudem heißt es, Hippokrates habe ein Haus in Thessalien gehabt. 1439 Pseudep. 27,7; Galen, Comment. in Hippocr. De Nat. Hom. i. prooem. Vgl. Jouanna 1992, 48, 51. Greenwalt 1986, 217 scheint diese Tradition indes für unhistorisch zu halten, denn er erwähnt Thessalos in seiner Studie zu den temenidischen Beziehungen zur Medizin nicht und kommentiert, der nächste Temenide, der sich nach Perdikkas um die Einladung griechischer Ärzte an den Hof bemüht habe, sei Amyntas III. gewesen. Sherwin-White 1978, 262–263 erwähnt nur, dass Hippokrates’ beide Söhne, Thessalos und Drakon, Ärzte geworden seien. Gemäß Suda s.v. Hippokrates IV (ι 567 Adler) heilte sein Enkel Hippokrates, Sohn des Drakon, sogar Roxane, die baktrische Witwe Alexanders III., bevor er von Kassander umgebracht wurde (der auch Roxane und Alexander IV. beseitigen ließ). Vgl. Nelson 2007, 242–243. 1440 Vgl. Nelson 2007, 234. 1441 Pseudep. 27,7. Vgl. Smith 1990, 4, der diese Behauptung für historisch hält. Drakon hingegen sei zum Hellespont geschickt worden. 1442 Vgl. Nelson 2007, 235–236. 1443 Vgl. Nelson 2007, 242: Es habe irgendeine Verbindung gegeben.
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Artaxerxes’ I. – zu einer seiner drei besonderen „Heldentaten“.1444 Eine ausführliche Version bietet die Vita Hippocratis secundum Soranum. Sie entstand ungefähr zwischen dem 2. bis 6. Jh. n. Chr.1445 und soll zwar auch historische Elemente beinhalten, sich aber vor allem auf die pseudepigraphen Briefe des Hippokrates stützen.1446 Über Hippokrates’ Besuch an Perdikkas’ Hof heißt es: ὡς δὲ Σωρανὸς ὁ Κῷος ἱστορεῖ, ὄνειρος αὐτῳ παρέστη κελεύων τὴν Θεσσαλῶν γῆν κατοικεῖν. τὴν δὲ σύμπασαν Ἑλλάδα θεραπεύων ἐθαυμάσθη, ὥστε καὶ ὑπὸ Περδίκκα τοῦ Μακεδόνων βασλέως φθισικοῦ νομισθέντος παρακληθέντα δημοσίᾳ πρὸς αὐτὸν ἐλθεῖν μετ’ Εὐρυφῶντος, ὃς καθ’ ἡλικίαν πρεβύτερος ἦν αὐτοῦ, καὶ σημειώσασθαι ψυχῆς εἶναι τὸ πάθος. ἤρα γὰρ μετὰ τὸν τοῦ πατρὸς Ἀλεξάνδρου θάνατον Φίλας τῆς παλλακίδος αὐτοῦ, πρὸς ἣν δηλώσαντα τὸ γεγονός, ἐπειδὴ παρεϕύλαξεν ταύτης βλεπομένης παντελῶς ἐκεῖνον τρέπεσθαι, λῦσαι μὲν τὴν νόσον, ἀνακτήσασθαι δὲ τὸν βασιλέα. Wie Soranos von Kos berichtet, erschien ihm ein Traum und bat ihn, nach Thessalien zu ziehen. Er wurde bekannt dafür, dass er ganz Griechenland heilte, und daher wurde er, als Perdikkas, der König der Makedonen, für schwindsüchtig gehalten wurde, auf öffentliche Kosten herbeigeholt und kam, zusammen mit Euryphon, der älter war als er. Er erkannte, dass es sich um ein Leiden der Seele handelte. Denn Perdikkas war nach dem Tod seines Vaters Alexander in dessen Konkubine Phila verliebt. Über (Phila) habe (der König) zu erkennen gegeben, was geschehen war, insofern nämlich (Hippokrates) beobachtete, dass (der König), wenn sie ihm (dem König) zu Augen kam, sich völlig veränderte, und so habe (Hippokrates) die Krankheit geheilt und der König sei genesen.1447
............................................ 1444 Vgl. Longrigg 1998, 48. Zur athenischen Seuche vgl. Thuk. 2,47,3–54,5 (ohne eine Erwähnung von Hippokrates’ angeblicher Großtat). Vgl. Pinault 1992, 35–60. Zu Hippokrates und Artaxerxes I.: Pseudep. 1–9. Vgl. Schubert 2013; Zimmermann 2011, 296; Golder 2007, 24; Retief/Cilliers 2005, 6; Pinault 1992, 79–93; Temkin 1991, 47, 71 (die moralische Tugend des Hippokrates werde aufgezeigt); Smith 1990, 18–20. Zu Hippokrates und Perdikkas vgl. Pownall 2017, 218 (unhistorisch, aber der Besuch von Hippokrates am temenidischen Hof sei authentisch); Müller 2006, 377; Longrigg 1998, 41; Pinault 1992, 61–78; Temkin 1991, 55. 1445 Vgl. Zimmermann 2011, 295; Pinault 1992, 28. Mattiacci 2007, 145 setzt die Vita Hippocratis in die hadrianische und ihre Vorlage in die hellenistische Zeit. 1446 Vgl. Zimmermann/Rengakos 2014, 296; Temkis 1991, 52. Es ist umstritten, ob der Autor der ursprünglichen Vita Soranos von Ephesos war. Zumeist wird dies als Irrtum betrachtet, vgl. Smith 1990, 49, m. A. 2, 51 m. A. 1 53, m. A. 3. Zögernder: Temkin 1991, 52–57. Ebenfalls skeptisch: Drummond 2013, 590. Dagegen: Ogden 2017, 171–172, m. A. 778; Schubert 2013; Retief/Cilliers 2005, 2. 1447 Vita Hipp. sec. Sor. 5. Vgl. Galen, Med. Phil. 3; Luk. Hist. Conscr. 35; Stob. 3,464. Vgl. Mattiacci 2007; Pinault 1992, 76–77; Maisona 1992; Mariotti 1966, 9–11; Mesk 1913, 378, A. 1. Zu weite-
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Der Scheinwerfer ist auf Hippokrates’ Scharfsinn und Diagnosefähigkeit gerichtet. Perdikkas spielt nur eine Statistenrolle, die aber aufgrund seines herrschaftlichen Status wichtig ist: Er verleiht Hippokrates’ Handlung Glamour und Prestige. Einen royalen Patienten vor höfischer Kulisse konnte und durfte nicht jeder behandeln. Die Liebeskrankheit inklusive der Elemente des Verbergens und Erkennens war ein beliebtes, häufig variiertes literarisches Motiv.1448 Sollte sich die Logik der Story erschließen, müsste sie zeitlich kurz nach Alexanders Tod zu verorten sein, als Perdikkas frisch im Amt war.1449 Ebenso erscheint Hippokrates als aufstrebendes junges Talent, das gleich einen diagnostischen Volltreffer landet und den älteren Kollegen aus der Konkurrenzschule von Knidos in den Schatten stellt.1450 Chronologisch ist das zeitliche Setting jedoch dubios.1451 Hippokrates wurde um ca. 460 geboren und Alexander starb um 454/0. Demnach wäre Hippokrates um die 6–10 Jahre alt gewesen, als er Perdikkas als Arzt aufsuchte und Euryphon ausstach. Ein solches Wunderkind kann er auch in der Legende nicht gewesen sein. Sollte Hippokrates den Temenidenhof besucht haben, dann in einer späteren Phase sowohl seines Lebens als auch Perdikkas’ Herrschaft – umso später anzusetzen, sollte noch eine Reisetätigkeit in Thessalien und Griechenland vorausgegangen sein. ........................................................................................................................................................................... ren Quellen vgl. Ogden 2017, 160–178. Zu Fulgentius’ und Claudians Varianten siehe Ogden 2017, 173, 175–176; Drummond 2013, 590; Tommasi Moreschini 2010, 266. Claudian (um 400 n. Chr.) nennt die Mutter Polykaste, laut Ogden 2017, 183–184 mit Reminiszenz an Ödipus’ Mutter Jokaste/Epikaste. Zudem zieht er eine Verbindung zu der Tradition um Alexander III. und dessen Geliebte Pankaste/Kampaste, die er angeblich an den verliebten Apelles abgetreten haben soll (Plin. NH 35,86–87), die er mit der Thessalerin Kallixeina gleichsetzt. Das erscheint allerdings beides recht spekulativ. Das großzügige Abtreten eines Liebesobjekts an den Verliebten scheint vielmehr ein allgemeines Motiv gewesen zu sein. Fulgentius (um 500 n. Chr.) verbindet die Geschichte mit dem Mythos um Daidalos’ Neffen Perdix, der sich in Mutter Erde verliebte. Anth. Lat. 220 beschreibt die adonishafte Schönheit des Perdikkas, der mit seinem Elfenbeinteint und den goldenen Locken selbst zum Liebesobjekt stilisiert wurde. Zum Motiv in islamischer Literatur (mit einem namenlosen Prinzen neben Hippokrates in der Hauptrolle) vgl. Pinault 1992, 105. Zum impact der Geschichte vgl. Jouanna 1992, 50–51. 1448 Vgl. Ogden 2017, 161; McNamara 2015, 309; Pinault 1992, 62, m. A. 7. Als typische Symptome Liebeskranker galten in vielfacher Kombinationsmöglichkeit: Stottern, Fieber, Schweißausbrüche, Wechseln der Gesichtsfarbe, erhöhter Puls, Schlaf- und Appetitlosigkeit, Melancholie. Vgl. McNamara 2015, 309; Pinault 1992, 65; Toohey 1992, 266–269, der als weitere Symptome Gewalttätigkeit, Bettlägerigkeit und Haarausfall nennt und zudem einen Wandel in der Beschreibung der Symptome ausmacht: Seit dem frühen Principat sei der Liebeskranke zumeist depressiv, vorher eher gewalttätig und psychotisch. Vgl. Toohey 1997, 62. Allerdings ist dies für Antiochos I. und auch Perdikkas, sollte die Vorlage hellenistisch sein (so Mattiacci 2007, 145), nicht zutreffend. Zur Bedeutung des Themas der Heilung von Liebeskrankheit in hellenistischer Literatur siehe auch Faulkner 2011, 182; Rynearson 2009; McNamara 2003/04. 1449 Vgl. Jouanna 1992, 50. 1450 Vgl. Temkin 1991, 55. 1451 Vgl. Ogden 2017, 172; Pinault 1992, 61.
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Häufig wurde die Ähnlichkeit mit der Anekdote festgestellt, wie der griechische Arzt Erasistratos den jungen Seleukiden Antiochos I. von dessen Liebeskrankheit kurierte, als dieser nach seiner jugendlichen Stiefmutter Stratonike, Demetrios Poliorketes’ Tochter, schmachtete. Erasistratos informierte Antiochos’ Vater Seleukos I., der seinen Sohn rettete, indem er ihm seine Frau abtrat.1452 Die Geschichte romantisierte die politische Heirat zwischen Stratonike und Antiochos 294/3, die, ebenso wie seine Mitregentschaft, seine Nachfolge sichern sollte.1453 Sie gilt als eine der am meisten verbreiteten hellenistischen Novellen,1454 als die berühmteste der legendenhaften Episoden um Seleukos I.1455 Indes ist ihr Entstehungsdatum unsicher. Gegen die These, es handle sich um zeitgenössische seleukidische Hofpropaganda, wird argumentiert, dies hätte Antiochos mehr geschadet als genützt und sei als spätere, indes noch hellenistische Interpolation anzusehen,1456 mit nur sehr losem Bezug zum historischen Geschehen.1457 Überwiegend gilt die Antiochos-Version als die ursprüngliche, nach deren Vorbild die Perdikkas-Variante gestaltet worden
............................................ 1452 Plut. Demetr. 38; App. Syr. 59–61; Val. Max. 5,7, ext. 1; Euseb. Chron. 94–95; Plin. NH 7,123 (Variante: Ptolemaios soll Erasistratos’ Vater Kleombrotos Geld gegeben habe, damit er Antiochos’ Leben rettete); [Luk.] Dea Syria 17–18; Luk. Salt. 58; Luk. Hist. Conscr. 35 (in Referenz zur Perdikkas-Phila-Geschichte); Luk. Icar. 15; Galen, De Praecognitione 6 (vgl. Pinault 1992, 105: Galen habe eigene Erfahrungen mit der Liebeskrankheit eingebracht); In Hippocratis Prognosticum 1; Julian, Misopogon 347 A-348 A (Antiochos heiratet Stiefmutter erst nach dem Tod seines Vaters; vgl. Malalas, Chronik 204–205). Vgl. Plischke 2016, 325–336; Toohey 1992, 270; Brodersen 1985; Homeyer 1965, 242; Mesk 1913. 1453 Zum historischen Hintergrund vgl. Plischke 2016, 332–336; Müller 2009a, 20, A. 15, 77. Sein dynastisches Prestige wurde durch die Heirat der Königsgattin gesteigert. 1454 Vgl. Müller 2006, 362. Zur Rolle von Stratonikes Vater, Demetrios Poliorketes, bei diesem Männerwechsel, vgl. Ogden 2017, 160. Zum Liebesthema als legitimierendes Element der dynastischen Selbstdarstellung hellenistischer Herrscherhäuser vgl. Müller 2017a, 128–129. 1455 Vgl. Odgen 2017, 157: Neben der Pietät des Sohns wurde die Tugend des aufopferungsbereiten Vaters hervorgehoben. Schnegg 2010, 95–96 sieht Seleukos I. bei Appians Version als die eigentliche Hauptperson an; Antiochos werde nur sekundär charakterisiert, Stratonike sei die Folie, um Seleukos zu glorifizieren. Dagegen vgl. Plischke 2016, 330, die vor allem auf die Überhöhung von Antiochos’ Ansehen verweist. Müller 2006, 375 hebt zudem auf die Unterschiede der Lösung des Problems durch Seleukos I. bei Plutarch und Appian ab: Appian habe die Pointe verdorben, Plutarch habe beschrieben, dass dafür gesorgt wurde, dass Antiochos’ Not gar nicht erst publik wurde. 1456 Vgl. Hillgruber 2010, 97; Müller 2006, 370, 372 (Datierung nicht vor der zweiten Hälfte des 3. Jhs. v. Chr.; Variation des Schwankmotivs des um seine Frau betrogenen Freunds: Hdt. 6,61,2– 63,1 zu König Ariston und Agetos’ Frau). Siehe bereits Brodersen 1985, 464–465. 1457 Vgl. Plischke 2016, 333–334: Der historische Kern sei unmöglich zu spezifizieren. Erasistratos wirkte eine Generation nach Seleukos I., vgl. Müller 2006, 370. Ogden 2017, 161 weist darauf hin, dass die Diagnose der Liebeskrankheit, möglich durch die Beobachtung des erhöhten Pulses angesichts des Liebesobjekts, darauf verweisen könnte, dass Erasistratos’ Kollege Herophilos für seine Erkenntnisse zum Puls bekannt war und Erasistratos selbst eine Abhandlung über Fiebererkrankungen geschrieben hatte.
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sein soll.1458 Hippokrates habe nicht hinter der Meisterleistung von Erasistratos zurückstehen sollen.1459 Von der Antiochos-Version leite sich auch der Name von Perdikkas’ Angebeteter Phila ab, der sonst nicht in Verbindung mit ihm und Alexander I. bezeugt ist: Phila war der Name von Stratonikes Mutter und von ihrer Tochter,1460 während für Perdikkas’ Frauen die Namen Simiche und Kleopatra bezeugt sind.1461 Allerdings hieß seine Schwester Stratonike.1462 Ob eine Verwirrung späterer Autoren vorliegt, lässt sich nicht sagen. Die Unterschiede zur Antiochos-Version gelten teilweise als logische Brüche: Perdikkas’ Geheimniskrämerei ergebe wenig Sinn, da sein Vater schon tot war und keinen Anstoß mehr an seiner Verliebtheit hätte nehmen können; zudem fehle die Heilung am Ende, indem Hippokrates ihn mit Phila zusammenbringe.1463 Vielleicht verweist dies darauf, dass es sich um eine Nachahmung der Antiochos-Version handelte: Dem informierten Leser war das Ende bekannt; er konnte es ableiten.
Perdikkas und Lukian Lukian bezieht sich in Wie man Geschichte schreibt auf die beiden Versionen. Im Kontext der Behandlung von Erscheinungsbildern und äußeren Formen, körperlich wie wortbildnerisch, zieht er als Vergleichsobjekt den abgemagerten liebeskranken Perdikkas heran: Nicht einmal größte Kunst könnte einen solchen Hungerhaken zu einem Athleten gestalten. Dabei konstatiert Lukian, die Perdikkas-Version sei die ursprüngliche: τὸν Περδίκκαν (…) εἰ δὴ οὗτός ἐστιν ὁ τῆς μητρυιᾶς ἐρασθεὶς καὶ διὰ ταῦτα κατεσκληκώς, ἀλλὰ μὴ Ἀντίοχος ὁ τοῦ Σελεύκου Στρατονίκης ἐκείνης…
............................................ 1458 Vgl. Zimmermann 2011, 296; Golder 2007, 25; Mattiacci 2007, 145, m. A. 52 (aufgrund der späten Quellen; allerdings nennt sie auch Gegenmeinungen, welche die Perdikkas-Tradition für die frühere halten); Longrigg 1998, 48; Pinault 1992, 61–77, 105 (Vermischung beider Versionen in Galens Zeit); Temkin 1991, 55; Mesk 1913, 378, A. 1. 1459 Vgl. Longrigg 1998, 41; Temkin 1991, 55. Vgl. Göder 2007, 25; Pinault 1992, 73, 77. 1460 Vgl. Pinault 1992, 71. 1461 Plat. Gorg. 471 C-D; Ael. VH 7,2. Siehe Roisman 2010a, 158; Whitehorne 1994, 21; Carney 2000, 21. 1462 Thuk. 2,101,6. 1463 Vgl. Pinault 1992, 70–71.
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Perdikkas, der, in Liebe zu seiner Stiefmutter entbrannt, zum Skelett abmagerte (er und nicht etwa Antiochos, der Sohn des Seleukos, der sich in seine Stiefmutter Stratonike verliebt hatte.1464
Lukians ironische Grundtendenz ist einzurechnen. Selbst Teil der Intellektuellenszene, macht er sich in seinem gesamten Œuvre über Scheingebildete und Pseudo-Autoritäten lustig,1465 spottet über die (verformende) Rezeption von Geschichte und historischen Personen zwecks Selbstprofilierung zeitgenössischer Historiographen und distanziert sich von Wahrheitspostulaten, Autoritätsansprüchen und Gefolgschaftsforderungen.1466 In keiner seiner Rollenmasken, hinter denen seine eigene Person unfassbar wird,1467 geriert er sich als Hüter der Wahrheit. Auch Wie man Geschichte schreiben soll ist kein Ausnahmefall: Mit ironischer Konsequenz missachtet Lukian selbst seine eigenen Ratschläge zur „richtigen“ Abfassung von Historiographie.1468 Ein Aspekt ist seine Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Nachahmern von Thukydides, einer der literarischen Ikonen der Zweiten Sophistik.1469 Gerade Thukydides, Hauptquelle für Perdikkas, schreibt nichts von Hippokrates bei Perdikkas und dessen Liebeskrankheit. Wenn Lukian im Kontext von Wie man Geschichte ............................................ 1464 Luk. Hist. Conscr. 35. Übers. H. Homeyer. Homeyer 1965, 242 zweifelt daran, dass Perdikkas II. gemeint sei, vielmehr ginge es nur um den Namen Perdikkas, der mit dem Motiv verbunden gewesen sei. Zu Perdikkas’ Schattenhaftigkeit in der Rezeption in der Zweiten Sophistik vgl. Asirvatham 2017, 289. Als Grund sieht sie die Bewertung seines Vaters Alexander I.: „no Second Sophistic author was interested in upholding Alexander I’s Hellenicity“, somit auch nicht die seines Sohns (die Thukydides noch akzeptierte). 1465 Vgl. z.B. Luk. Ikar. 29; Peregr. 15. Dafür verwendet er Theatermetaphorik. Vgl. Zweimüller 2008, 131–134, 137–140; v. Moellendorff 2006, 297, 311. 1466 Vgl. Müller 2013b, 189. Berdozzo 2011, 194–195 diagnostiziert bei Lukian einen stetigen „Argwohn“ gegenüber ikonischen Figuren. 1467 Vgl. Baumbach/von Moellendorff 2017, 13; Sidwell 2009, 117. 1468 Luk. Hist. Conscr. 7: nur Wahrheit vs. 3; 38: wo unhistorische Ereignisse wiedergegeben werden; 8; 22; 46: keine poetische Sprache versus 41; 45; 57: poetische Beschreibungen von Schlachten ausdrücklich empfohlen; 9: Geschichtsschreibung diene nur Nützlichem und Wahrem (insgesamt ist der Zweck der Geschichtsschreibung in Hist. Conscr. mehrfach unterschiedlich benannt und beziffert) vs. 13: wo Unterhaltsames eingebracht wird; 10; 13; 47: keine Lobreden und fiktive Elemente vs. 59–60: Lob und Fiktives; 13: nicht um des eigenen Vorteils Willen schreiben vs. 62: Ruhm in Nachwelt als Ziel; 14–19; 26: Kritik von Nachahmern von Thukydides und Herodot, besonders auch Anprangern einer wortwörtlichen Übernahme von Thukydides’ Seuchenbeschreibung versus 1; 34; 38; 39; 42; 54; 57: Lukian imitiert hier selbst Thukydides und Herodot und empfiehlt später noch die Adaption, unter anderem von Thukydides’ Seuchenbeschreibung; 19: keine mythischen Vergleiche vs. 49: mythischer Vergleich; 20, 27–28; 32: Kritik an mangelnder Selektionsfähigkeit vs. 56: Schwadronieren. 1469 Luk. Hist. Conscr. 2, 14–15; 18. Entsprechend sind auch Lukians Referenzen auf Perdikkas’ Zeitgenossen Brasidas und Kleon von seiner Lektüre von Thukydides’ Werk geprägt. Er spielt auf Kleons Tendenz zur Flucht an (Timon 30) und auf Brasidas‘ vorpreschende militärische Energie (Hist. Conscr. 49). Auch Nikias‘ Ende erwähnt er (Hist Conscr. 38). Zu Lukian und Thukydides allgemein siehe Billault 2010.
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schreiben soll darauf insistiert, dass die Perdikkas-Version die frühere war, während er selbst zweimal in anderen Schriften nur die Antiochos-Variante erwähnt,1470 ist doppelt Vorsicht angebracht. Was man daraus folgern kann, ist nur, dass Lukian beide Versionen kannte und er Phila als Stiefmutter, μητρυιᾶ, nicht als παλλακή, Konkubine, bezeichnete,1471 was die Parallele zur Antiochos-Version deutlicher macht. Betrachtet man Lukians Erwähnungen von makedonischen Herrschern des Temenidenreichs und der hellenistischen Reiche insgesamt, wird deutlich, dass er sie als Indikatoren und Korrektive für Missstände im Bildungswesen seiner Zeit, besonders in Historiographie und Rhetorik, benutzte. Lukian zeichnet inkonsistente, widersprüchliche Bilder der makedonischen Herrscher, je nach Kontext, und verweist dabei auf den trügerischen Charakter dieser konstruierten literarischen Porträts. So werden sie zu Mahnfiguren für ihre eigene lückenhafte, zweckgeformte, schablonenhafte Rezeption. Angesichts der persiflierend-ironischen Gestalt von Wie man Geschichte schreiben soll kann sein Kommentar zu Perdikkas’ Liebesleid nicht als Beleg dafür gelten, dass die Perdikkas-Geschichte die frühere war. Perdikkas wird zur Mahnfigur und zum Korrektiv für eine fehlgeleitete Rezeption, ohne dass es um seine Geschichte ginge – Lukian, Meister der Ironie, will in Wie man Geschichte schreiben soll keine Geschichtsschreibung betreiben.1472
Hinweise auf eine Perdikkas Romance ? Daniel Ogden zufolge war die Perdikkas-Geschichte die ursprüngliche Version, die sich von realen Ereignissen abgeleitet habe: Perdikkas habe aus Legitimationsgründen bei der Herrschaftsübernahme Phila, die Witwe seines Vaters, geheiratet.1473 Ogden vermutet in Phila den tatsächlichen Namen von Archelaos’ Mutter, den Aelian als Simiche angibt.1474 Infolge der späteren Konkurrenz zu Kleopatras Sohn Aëropos sei Phila von der gegnerischen Seite, den Anhängern Kleopatras, in übler Nachrede als Unfreie dargestellt und mit dem ............................................ 1470 Luk. Ikaromen. 15; Salt. 58 (vgl. Müller 2006, 379, A. 52: eine pantomimische Version, aber mit falscher Namensnennung); Pr. Im. 5–6 (die angeschmachtete Stratonike ist hier kahlköpfig). 1471 Vgl. Mattiacci 2007, 145, die davon ausgeht, es sei ursprünglich die Stiefmutter gewesen. 1472 Ebenfalls skeptisch: Trédé-Boulmer 2010, 196. 1473 Vgl. Ogden 2017, 181–182. Dieses ursprüngliche Motiv vermuten zumindest für die literarische Erzählung ebenso: Müller 2016a, 161–162; Mattiacci 2007, 145. Zu den politischen Vorteilen einer solchen Heirat vgl. Ogden 2011c, 102–104. 1474 Ael. VH 12,43.
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Bühnen-Sklavinnennamen Simiche belegt worden.1475 Perdikkas sei in der Nachwirkung zur liebeskranken Legendenfigur geworden, da er ein Zeitgenosse des Hippokrates war und dieser womöglich seinen Hof besucht hatte. Die Antiochos-Version sei von dieser früheren Perdikkas-Geschichte abgeleitet worden, eventuell sogar mit der Intention, eine Parallele zu den Temeniden – in dem Fall sogar mit dem Namensvetter der Gründungsfigur in Herodots Version – zu ziehen.1476 Ogdens These, dass auch Perdikkas in der frühesten Version in seine Stiefmutter verliebt war, ist plausibel.1477 Allerdings wird Philas Bezeichnung als Konkubine vermutlich nicht auf die makedonische Sprachregelung konkurrierender factions und Kleopatras makedonische Befürworter zurückgehen. Diese These hängt von der Gleichsetzung Simiches mit Phila ab, die ungewiss ist. Vielmehr lässt sich vermuten, dass das übliche Missverständnis polygamer Hofstrukturen durch monogam sozialisierte griechisch-römische Autoren Phila den legitimen Status kostete. Der Begriff παλλακή, lateinisch pelex, wurde im Sinne von Konkubine ohne Ehestand generell von griechischen und römischen Autoren für Frauen von Herrschern in polygamen Systemen gebraucht, während die vermeintlich einzige legitime Ehefrau als γυνή, lateinisch uxor, bezeichnet wurde.1478 Auf solch einer irrtümlichen Interpretation wird das Missverständnis um Philas Stand fußen. Bezüglich der beträchtlichen Nachwirkung der Geschichte spricht MarieHélène Marganne von einem regelrechten roman de Perdiccas.1479 Im Zuge literarischer Eigendynamik blieben nur die Namen Perdikkas für den Liebeskranken, die Figur des Hippokrates als weiser Arzt und die Liebeskrankheit als Grundkomponenten erhalten.1480 Ein Beispiel ist die Aegritudo Perdicae, ein spätlateinisches, anonym verfassten Epyllion in Hexametern, wohl aus der Umgebung des Dracontius im 5. Jh. n. Chr.1481 Früh zum Studieren nach Athen ............................................ 1475 Vgl. Ogden 2017, 183. 1476 Vgl. Ogden 2017,157–186. 1477 Vgl. schon Müller 2016a, 162. Somit revidierte sich Pinaults Einwand, bei Phila handle es sich nicht um die Frau des verstorbenen Herrschers, sondern „nur“ um eine Konkubine (1992, 70). 1478 Vgl. Müller 2015, 475–476. Ogden 2017, 182, m. A. 819 verweist zudem auf ihren Namen, der bei hochrangigen Damen in Makedonien bezeugt war. Allerdings gilt dies erst für die temenidische Spätzeit: eine Frau Philipps II. und die Tochter von Antipatros. 1479 Vgl. Marganne 2004a, 249; Marganne 2004b, 162. 1480 Vgl. Schetter 1991, 94, A. 4: „Konstant ist in allen Versionen der leidende Held, der den Gegenstand seiner Leidenschaft standhaft verschweigt und bis zu skeletthafter Abmagerung dahinsiecht und dessen Krankheitsursache ein Arzt (Hippokrates oder Erasistratos) diagnostiziert. Das Thema war auch (…) in Deklamationen verbreitet“. 1481 Vgl. Wassyl 2011, 101; Tommasi Moreschini 2010, 266; Jouanna 1992, 51; Schetter 1991, 94, 103.
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gegangen, kehrt der junge Perdica in seine Heimat zurück.1482 Seine Vernachlässigung des Kults für Venus und Cupido wird ihm zum Verhängnis:1483 Als er sich in einem Amor geheiligten Hain ausruht, hat er einen Traum, aufgrund dessen er sich in eine Frau verliebt, in der er zu seinem Entsetzen bei seiner Ankunft seine eigene Mutter Castalia erkennt, die er seit Ewigkeiten nicht gesehen hat.1484 Voller Kummer magert er zum Skelett ab.1485 Die besorgte, ahnungslose Mutter ruft Hippokrates herbei, der gerade in der Nähe ist, die Zeichen zwar erkennt, aber keine Heilung bewirken kann – er hätte sonst eine inzestuöse Verbindung vermitteln müssen. Er teilt Castalia mit, dass sie, die Mutter, die Ursache sei, es keine medizinischen Mittel gäbe und es eine seelische Angelegenheit sei.1486 Am Ende beschließt Perdica, Cupido eine Niederlage zu bescheren, und begeht Selbstmord.1487 Es fragt sich, wie viel Reminiszenzen an Perdikkas II. überhaupt noch beinhaltet sind, die über den bloßen Namen hinausgehen.1488 Ogden verweist darauf, dass der Name für makedonisches Lokalkolorit stehe und zudem die königliche Schwelle von Castalias Haus (regalia limina matris) sie als Königin ausweise.1489 Ein Vater taucht nicht auf;1490 explizite Hinweise auf Makedonien oder Perdicas Status gibt es nicht.1491 So ist eher von einer schattenhaften Erin............................................ 1482 Aegr. 19–21. 1483 Aegr. 15–19. 1484 Aegr. 70–100. 1485 Aegr. 134–136; 250–259. Vgl. Toohey 1992, 270–272. 1486 Aegr. 152–175, insbes. 173–174: „causa subes, mater; medicinae munera cessant. Hic animi labor est: hebeo.” 1487 Aegr. 258; 264–290. Er hängt sich auf. Deswegen argumentiert Schetter 1991, 113 gegen die These, es handle sich um einen christlichen Autor: Dies sei kein christliches Finale. Die Sünde werde nicht überwunden. Zudem vermutet er (1991, 111), das Ende, der Sieg über das Laster, sei von Lucans topisch überzogener Schilderung der inzestuösen Orgien der Arsakiden mit ihren eigenen Müttern (Luc. 8,404–411) inspiriert. Es ist fraglich, ob das nicht etwas weit hergeholt ist. 1488 Jouanna 1992, 51 vermutet dies. Drummond 2013, 590 nimmt für die Variante bei Fulgentius und Claudian (carm min. 8) eher eine Vermischung mit Daidalos’ Neffen Perdix an. Anderson 2004, 98–99 glaubt eher, dass an den Reichsgründer Perdikkas I. gedacht wurde. 1489 Aegr. 84. Vgl. Ogden 2017, 174. Zum Namen als Hinweis auf Makedonien siehe auch schon de Longpérier 1845, 460–461. Eine seltsame Verbindung stellt Speyer 2007, 142, m. A. 28 her: Ihm zufolge habe der Protagonist den makedonischen Namen erhalten, weil bekannt gewesen sei, dass die Makedonen keinen Anstoß an ödipaler Mutter-Sohn-Liebe genommen hätten (auf der Basis von Ter. Apol. 9,16–20; ad nat. 1,16,4–8). Zugleich sei damit ein Verweis auf die iranischen Magoi impliziert, die mit ihren Müttern verkehrt hätten. Abgesehen von der deutlichen Topik hinter diesen Darstellungen erschließt sich der vermutete Link zwischen Makedonen und Magoi nicht, schon gar nicht aufgrund des Namens Perdikkas. Von ihm sind – im Gegensatz zu seinem Vater – keine Allianzen mit dem Achaimenidenreich bekannt. 1490 Morelli 1920, 81 geht daher davon aus, dass Perdica Halbwaise sei. 1491 Ogden 2017, 174 liest heraus, dass Perdica selbst schon ein jugendlicher Herrscher sei oder in der Wartestellung, um seine Mutter als Regentin abzulösen. Es gibt jedoch keinerlei solche Hinweise in dem Epyllion.
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nerung an den Namen ohne Bezug zur historischen Person auszugehen, mit dem sich eine Tradition von verbotener Liebe und Aufklärung durch einen renommierten Mediziner verband.1492 Auch in der bildlichen Überlieferung werden teilweise Spuren der Perdikkas-Geschichte vermutet.1493 So wurde 1844 in Aisle bei Soissons eine 11,5 cm hohe Bronzestatuette gefunden, vermutlich eine römische Kopie eines hellenistischen Originals.1494 Sie zeigt einen bartlosen, kurzgelockten jungen Mann, der auf einem niedrigen Stuhl sitzt. Ein Gewand bedeckt seine Hüftpartie und die Beine; der nackte Oberkörper ist bis zum Skelett abgemagert, wobei die Knochenbildung anatomisch nicht ganz korrekt ist.1495 Das Gesicht ist ausgezehrt, der Mund geschlossen. Während der junge Mann am linken Fuß eine Sandale trägt, ist der rechte Fuß nackt und seltsam unförmig. Es ist umstritten, ob eine Deformierung oder ein Symptom seiner Krankheit dargestellt ist.1496 Ebenso unklar ist, ob die leicht erhobene rechte Hand mit dem Handteller nach unten andeuten soll, dass er sich den Puls messen lassen will, zumal sein Blick ein unsichtbares Gegenüber zu fixieren scheint, oder ob sich zwischen Knie und Handfläche ein verlorenes Objekt befand.1497 Mit der anderen Hand hält der junge Mann sich am Stuhl fest. Der Saum seines Hüftgewands trägt ............................................ 1492 Ähnlich konstatiert dies Homeyer 1965, 242 für Luk. Hist. Conscr. 35. 1493 Als möglicher bildlicher Reflex auf die Perdikkas-Geschichte gilt teilweise das – vielfältig diskutierte – Mosaik von Lambiridi, 1918 bei Batna in Algerien im Grabbau der Cornelia Urbanilla entdeckt und ins 3. Jh. n. Chr. datiert: Es zeigt in Medaillongestalt (Durchmesser 76 cm) die Szene einer medizinischen Konsultation. Ein junger, abgemagerter Mann sitzt einem älteren bärtigen Mann gegenüber, der ihm den Puls misst. Vgl. Grmek/Gourevitch 2000, 134–135 (weit entfernt von den historischen Gestalten; nur noch Echos der Legenden). Als eine der vielfältigen Interpretationen wird darin Perdikkas II. oder Perdica aus der Aegritudo Perdicae beziehungsweise eine Vermischung beider Figuren mit Hippokrates gesehen. Vgl. Tommasi Moreschini 2010, 266. Marganne 2004b, 161–162; Charmoux 1962; Carcopino 1922. Das Medaillon trägt die Unterschrift: „οὐκ ἤμην, ἐγενόμην, οὐκ εἰμι, οὐ μέλει μοι”, „ich war nicht, ich war, ich bin nicht, es kümmert mich nicht“. Zum epikureischen Flair siehe Tommasi Moreschini 2010, 266; Carcopino 1922. In der Vita Hippokratis dagegen erkannte Hippokrates die Liebeskrankheit bei Perdikkas nicht anhand der Plusfrequenz. Vgl. Pinault 1992, 7, 71. Indes erkennt er es in der Aegritudo Perdicae am erhöhten Pulsschlag des Patienten, wenn dessen Mutter das Zimmer betritt. Eher allgemein wird in dem Mosaik ohne spezifische Zuschreibungen ein ausgezehrter Liebeskranker gesehen, der von einem Arzt geheilt wird, vgl. von Hesberg 2002, 148. 1494 Vgl. Richter 1956, 32–34, no. 17. Sie datiert das hellenistische Original zwischen 250–100, die Kopie auf das 1. Jh. n. Chr. Die Bronzestatuette befindet sich heute in der Dumbarton Oaks Collection. Siehe Grmek/Gourevitch 2000, 133, fig. 104. Vgl. auch Marganne 2004b, 161; de Longpérier 1845, 458–459. 1495 Vgl. Grmek/Gourevitch 2000, 131, 139. Ihm fehlt das Brustbein. 1496 Vgl. Grmek/Gourevitch 2000, 133. Zu anderen Erklärungen vgl. Richter 1956, 34: erstens eine rituelle Bedeutung; zweitens ein Hinweis auf Aristophanes’ hinkenden κάπηλος in Av. 1292 oder auf den davon abgeleiteten Spitznamen Perdix für Eudamidas, weil er einen Klumpfuß hatte (nach der Redewendung das „Bein des Perdikkas“, τὸ Πέρδικος σκέλος); viertens eine Votivgabe an Asklepios mit Verweis auf das spezifische Leiden. 1497 Vgl. Richter 1956, 33, die auf ein Loch in der Hand der Statuette verweist.
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die Inschriften ΕΥΔΑΜΙΔΑΣ und ΠΕΡΔΙΚ.1498 Teilweise wird davon ausgegangen, die Bronze sei die Votivgabe eines Erkrankten oder geheilten Patienten an Asklepios, dessen Name Eudamidas, Sohn des Perdikkas, gelautet habe.1499 Alternativ wird aufgrund seines deformierten Fußes gefolgert, er sei Perdix gerufen worden, in Anlehnung an Aristophanes’ hinkenden κάπηλος πέρδιξ in den Vögeln.1500 Dies scheint allerdings ziemlich weit hergeholt. Sollte es sich nicht um die Dankesgabe eines hoffenden oder geheilten Patienten gehandelt haben, könnte sie von einem erfolgreichen Arzt stammen.1501 So erwähnt Pausanias die Bronzefigur eines abgemagerten Kranken als Weihegabe an Apollon, laut delphischer Auskunft ein Anathema des Hippokrates selbst.1502 Als dritte Möglichkeit wird erwogen, dass Eudamidas die Darstellung eines berühmten Krankheitsmotivs geweiht habe: den vor Liebeskummer elenden Perdikkas II.1503 Sollte die Statuette die Kopie eines hellenistischen Originals eines Temenidenherrschers sein, würde man sich fragen, wo das Diadem ist. Hellenistische Herrscher stellten sich mit Diadem dar und werden auch die Temeniden, da sie sich als deren Nachfolger stilisierten, mit diesem Herrschaftssymbol abgebildet haben – gleichgültig, ob dies anachronistisch war oder nicht.1504 In den Augen der hellenistischen Herrscher war es das Signum des makedonischen herrschaftlichen Rangs;1505 dies wird auch in die temenidische Vergangenheit projiziert worden sein. Das Fehlen dieses makedonischen Herrschaftssignums schließt daher die Möglichkeit eher aus, es handle sich um die Darstellung des kranken Perdikkas. ............................................ 1498 Vgl. de Longpérier 1845, 460. 1499 Vgl. Richter 1956, 34; de Longpérier 1845, 460. 1500 Vgl. Richter 1956, 34. 1501 Vgl. Männlein-Robert 2015, 352–353, die auf die Ähnlichkeit mit der Beschreibung in Ep. 95 AB und auch in Ep. 63 AB (der hagere Philitas) verweist. 1502 Paus. 10,2,6. Vgl. Männlein-Robert 2015, 352–353; Marganne 2004a, 247; Marganne 2004b, 161; Jouanna 1992, 54–55. Es wird vermutet, dass Dankesvotive in dieser Form von erfolgreichen Ärzten vielleicht öfters an Apollon oder Asklepios gestiftet wurden. Vgl. Männlein-Robert 2015, 352; Zanetto (ed.) 2008, 187; Marganne 2004a, 249; Marganne 2004b, 160–163; Richter 1956, 34; de Longpérier 1845, 459. 1503 Vgl. Marganne 2004a, 248; Marganne 2004b, 161. 1504 Es ist eine ungeklärte Streitfrage, wann die makedonischen Herrscher das Diadem als Herrschaftssignum adaptierten, ob es schon die frühen Temeniden trugen, oder ob es erst Alexander übernahm, was es bedeutete, wovon es sich ableitete, ob es die Diadochen in der Symbolik änderten. Zu einem Überblick vgl. Müller 2016a, 30–32. Aktuell zu diesen Fragen vgl. Wiesehöfer 2017, 60–61. Zu literarischen Belegen für das Diadem (alle erst für Zeiten nach 331): Plut. Ant. 54, 8; Curt. 3,3,19; 6,6,4; 10,6,4. 8,20; Arr. an. 7,22,4; Plut. Kleom. 16,7; Aem. Paul. 23,3; 33,5; Just. 12,3,8; 28,3,12; Athen. 12,335 F-336 A. 537 E-F; Polyb. 10,26,1. Diod. 17,77,5; Luc. Phars. 5,60; Herod. 1,3,1–3; Ps-Kall. 2,7,6; Polyain. 4,8,2. 1505 Arr. an. 7,9,9.
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Hippokrates, Asklepios und Ep. 95 AB des Mailänder Papyrus Eins der Epigramme des Mailänder Papyrus, gemäß communis opinio dem makedonischen Poeten Poseidippos von Pella zugeschrieben, der am Hof Ptolemaios’ II. wirkte, wird ebenfalls mit der Perdikkas-Geschichte assoziiert.1506 Eine Sektion des Papyrus, die ἰαματικά, beschäftigt sich mit wundersamen Heilungen.1507 Als ein Grund für die Themenwahl gilt der auch bei den Zeitgenossen Theokritos und Kallimachos aufgegriffene Vergleich zwischen Kunst und Heilung, „poetry as a metaphorical φάρμακον“.1508 Poseidippos, der seine eigene Kunstfertigkeit in anderen Epigrammen mit der Meisterschaft eines Bildhauers wie Lysippos, eines mantis wie Aristandros von Telmessos, Musikers wie Orpheus und Feldherrn wie Alexander verglich,1509 mag auch in den ἰαματικά auf einer Sub-Ebene den Vergleich mit den positiven Effekten seiner Fähigkeiten auf die Zuhörer intendiert haben. Die sieben Epigramme der ἰαματικά sind gemäß Irmgard Männlein-Robert bewusst in „einer rein hellenischen Sakralspäre“ inszeniert,1510 als ginge der Rezipient an Votivinschriften in einem Asklepios-Heiligtum vorbei.1511 In einem ekphrastischen Weihepigramm weiht der Arzt Medeios von Olynthos, bezeichnet als Asklepiade,1512 Apollon Pythios die Bronzestatue eines abgemagerten Kranken mit brechendem Blick, in dem kaum noch Leben steckt:
............................................ 1506 Vgl. Marganne 2004a, 245–247. 1507 Allgemein zu den ἰαματικά siehe Männlein-Robert 2015; Zimmermann/Rengakos 2014, 264; Wickkiser 2013; Karanika 2009; Klooster 2009; Di Nino 2008; Pozzi 2006; Di Nino 2005; Bing 2004; Zanetto 2002. Ich danke Francesca Angiò ganz herzlich für die hilfreichen Hinweise. 1508 Faulkner 2011, 179, 184 mit Verweis auf Kallim. Ep. 46 Pf. (= 3 Asper: die Dichtung als Allheilmittel für jegliche Krankheit) und Theokr. Id. 11,1–6, insbesondere bezüglich der Thematik der Liebeskrankheit: „we see an intricate relationship formed between medicine and the intellectual pursuit of poetry“. Siehe auch Rynearson 2009 zu Kallimachos. Ebenso gab es diese Vorstellungen bei Geschichtsschreibung und Heilung oder Philosophie und Heilung: Polyb. 3,7,4; Luk. Vitar. Auct. 8; Luk. Cat. 7. Vgl. Faulkner 2011, 184; Homeyer 1965, 174–175. 1509 Pos. Ep. 65; 31. Vgl. Müller 2016c, 189–190. 1510 Männlein-Robert 2015, 343. 1511 Vgl. Zimmermann/Rengakos 2014, 264. 1512 Damit war weniger seine Familie gemeint als die Schule der Asklepiadai, vgl. Cojocaru 2013; Schubert 2013: „a generic term or even some sort of professional title (…) Asklepiads were thus apparently doctors in general, who traced their origins back to the hero Asklepios, who was also their patron (…) The generic term was later transformed into a fictitious dynasty of Asklepiads, inclusing ancestral lines and family stories”. Siehe auch Männlein-Robert 2015, 352: im übertragenen Sinne Söhne und Nachfolger des Asklepios, demnach „professionelle Ärzte”, nicht im Sinne von Il. 4,204 und 11,614. Vgl. Di Nino 2010, 213; Wickkiser 2008, 42–61; Di Nino 2008, 171; Zanetto (ed.) 2008, 187; Smith 1990, 17.
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οἷος ὁ χάλκεος οὗτος ἐπ’ ὀστέα λεπτὸν ἀνέλκων, πνεῦμα μόγι[ς] ζωὴν ὄμματι συλλέγεται, ἐκ νούσων ἐσάου τοίους ὁ τὰ δεινὰ Λιβύσσης δήγματα φαρμάσσειν ἀσπίδος εὐρόμενος Μήδειος Λάμπωνος Ὀλύνθιος, ὧι πανάκειαν τὴν Ἀσκληπιαδῶν πᾶσαν ἔδωκε πατήρ· σοὶ δ᾿, ὦ Πύθι’ Ἄπολλον, ἑῆς γνωρίσματα τέχνης λείψανον ἀνθρώπου τόνδ᾽ ἔθετο σκελετόν. Wie diese Bronzestatue hier zum Gerippe hin dünnen Atem zieht und dabei nur mit Mühe Leben in ihrem Blick sammelt, von Krankheiten errettete solche Patienten derjenige, der gegen die schrecklichen Bisse der libyschen Natter ein Heilmittel fand, Medeios, der Sohn des Lampon, aus Olynthos, dem die Allheilkunst der Asklepiaden ganz übergeben hatte der Vater; dir aber, Apollon Pythios, stellte er als Beweis für seine Kunst
als letztes, was vom Menschen übrig bleibt, dieses Skelett hier auf.1513 Medeios aus Olynthos, Sohn des Lampon, gilt zumeist als identisch mit dem eponymen Priester Alexanders und der Theoi Adelphoi von 259/8, einem besonders hochrangigen Amt im Ptolemäerreich, das nur Mitglieder der höchsten Führungsschichten erhielten.1514 Bezüglich der Deutung des Epigramms ............................................ 1513 Pos. Ep. 95 AB. Vgl. Wickkiser 2013; Faulkner 2011, 184; Angiò 2010, 20–21; Di Nino 2010, 205–215; Klooster 2009, 65–75; Karanika 2009, 42–56; Zanetto 2008, 521–534. Die Ekphrasis der vollendet lebensechten Bronze verweist auf Poseidippos’ Fähigkeit, diese Qualität in poetischen Worten zu vermitteln. Zentral in der Diskussion zu dem Epigramm sind daher das Motiv des verschwindenden Körpers (Zimmermann/Rengakos 2014, 264; Gärtner 2008, 791), des im Tode brechenden Blicks (Karanika 2009, 42–46, gedeutet als apotropäisches Element), und der Parallele zwischen medizinischer Leistung und bildhauerischer Fertigkeit (Klooster 2009, 65– 75). Zwischen den Asklepiaden von Kos und dem Apollonheiligtum von Delphi gab es gute Verbindungen, auf die der Verfasser anspielen mag. Vgl. Männlein-Robert 2015, 352; Papalexandrou 2004, 255–258; Jouanna 1992, 33–35, 50–52; Sherwin-White 1978, 275–278, 352–356. Teilweise wird vermutet, dass die beschriebene Weihung in Delphi stattgefunden habe. Vgl. Klooster 2009, 66, A. 29; Zanetto (ed.) 2008, 187; Stewart 2007, 135–136; Papalexandrou 2004, 255–258; Bing 2002, 297. Wickkiser 2013, 625 argumentiert dagegen, ebenso wie schon Di Nino zuvor, dies sei nicht zwingend: Das Epithet Pythios verweise nicht auf die Lokalisierung, sondern auf „a prominent cultic association between Apollo Pythius and Asclepius“. Vgl. Di Nino 2010, 210. Di Nino 2008, 169 zufolge solle es nur die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Apollon und Asklepios thematisieren. 1514 BGU VI 1227; P. Petrie III 56b; P. Chic Hawara 6; P. Fam. Theb. 15. Vgl. Männlein-Robert 2015, 351–353; Faulkner 2011, 184; Di Nino 2010, 208; Di Nino 2008, 170; Zanetto (ed.) 2008, 187; Zanetto 2008, 522; Marganne 2004a, 246; Bing 2002, 297–300. Indes fokussiert der Dichter allein auf Medeios’ Tätigkeit als Arzt, ohne ihn als Priester zu identifizieren. Siehe Marganne 2004a, 245–247.
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sind zwei diametrale Hauptthesen auszumachen: Einerseits wird darin eine Ehrung für ein angesehenes Hofmitglied gesehen,1515 eventuell anlässlich dessen Rückzugs von der medizinischen Tätigkeit.1516 Poseidippos habe – analog zu seiner dichterischen Verewigung von Sostratos von Knidos und Kallikrates von Samos –1517 einen weiteren prominenten ptolemäischen Höfling in seiner poetischen „piccola ‚prosopografia tolemaica‘“1518 geehrt. Andererseits wird eine ironische Verspottung eines großspurigen Arztes mit Profilneurose vermutet: Nicht Medeios, der hochrangige Priester, sei gemeint gewesen, sondern ein fiktiver Namensvetter, der weniger die Gottheit als sich selbst gerühmt habe.1519 Zentraler Ansatzpunkt für diese Interpretation ist der Hinweis, Medeios habe ein Heilmittel gegen das Gift der libyschen Natter gefunden, deren Biss in Nordafrikas Regionen gefürchtet war.1520 Da im 3. und 2. Jh. v. Chr. teilweise angenommen wurde, dass in Ermangelung der Existenz eines Gegengifts ein solcher Biss unausweichlich zum Tod führte,1521 lautete die Folgerung, der Dichter habe Medeios augenzwinkernd als anmaßenden Aufschneider hingestellt.1522 Theoretisch wäre dies möglich. Somit würde das negative Anfangsbeispiel eines vermessenen Arztes gegen die folgenden Beispiele des (göttlichen) Heilungswirkens kontrastiert.1523 Praktisch erscheint die Deutung jedoch problematisch. So fragt man sich, wie Poseidippos’ höfische Rezipien............................................ 1515 Vgl. Di Nino 2008, 169–171; Zanetto (ed.) 2008, 187; Zanetto 2008, 532–533; Stewart 2007, 136; Bing 2002, 297, 300. 1516 Vgl. Di Nino 2010, 205, 213; Di Nino 2008, 183: „a ‚retirement epigram‘“, um den verdienten Medeios zu loben. 1517 Pos. Ep. 115 AB; 116 AB; 119 AB. 1518 Di Nino 2010, 212. 1519 Vgl. Klooster 2009, 66–74: Die erfundene Figur des Arztes trage einen sprechenden Namen: die männliche Variante von Medea, dessen Patronym passenderweise Sohn des Lampon gewesen sei, eine Variante von Helios, Vater oder Onkel der Medea. Ähnlich: Wickkiser 2013, 630–631: eine spöttische Kritik am vollmundigen Medeios (dessen Identität sie aber nicht erläutert). 1520 Zur Furcht vor den libyschen Nattern vgl. Di Nino 2010, 207. 1521 Vgl. Di Nino 2010, 207–208; Di Nino 2008, 171, m. A. 26 mit Quellenhinweisen. 1522 Vgl. Klooster 2009, 66–74; Wickkiser 2013, 630–631. Die Diskrepanz zwischen der Annahme, dass Medeios ein hochrangiges Mitglied der ptolemäischen Hofgesellschaft war und der These, dass Poseidippos ihn so kritisch verspottete, neutralisiert sie indes nicht, indem sie wie Klooster eine alternative Person rekonstruiert. Wickkiser nennt stattdessen die Möglichkeit, ein späterer Herausgeber habe dies so angeordnet, dass man diesen Subtext habe lesen können. Das löst indes immer noch nicht das Problem, dass dieser Subtext dann auch vorher in dem Epigramm enthalten gewesen sein muss. In den Weihungen aus Asklepios-Heiligtümern, die Wickkiser 2006, 27–29 systematisch untersucht hat, sind keine Schlangenbisse erwähnt. Sie weist auf Blindheit als das am häufigsten genannte Leiden hin. 1523 Ein ähnliches Vorgehen ließe sich in der Sektion der οἰωνοσκοπικά des Mailänder Papyrus feststellen: Beispiele der seherischen Fehldeutung bilden wohl die Kontrastfolie für die positive Darstellung von Alexanders Sehern, welche die Zeichen – ganz im Sinne seiner göttlich beschützten Eroberungsmission – richtig deuten. Vgl. Müller 2016c, 189. Zu den Fehldeutungen siehe auch Baumbach/Trampedach 2004, 149–150.
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ten eine Assoziation mit Medeios, Sohn des Lampon,1524 den sie als Priester Alexanders und der Theoi Adelphoi kannten, vermeiden konnten.1525 Sie werden vermutlich nicht an einen fiktiven Arzt gedacht haben, zumal Poseidippos ihn noch bezüglich seiner Herkunft als Ὀλύνθιος charakterisiert.1526 Wie die Verspottung des hochrangigen ptolemäischen Funktionärs als großmäuliger Selbstdarsteller zu erklären ist – ausgerechnet auch noch an dem Hof, an dem er diesen hohen Status erworben hatte – bleibt offen, wollte man nicht annehmen, Medeios hätte sich zuletzt unbeliebt gemacht und als Zielscheibe angeboten. Hinzu kommt, dass das Hauptargument, der Ruf der faktischen Unheilbarkeit der Biss libyscher Nattern, nicht unangreifbar ist: Es gab schon im 4. Jh. v. Chr. eine Tradition, wonach Heilmittel existierten.1527 Zudem könnte es sich weniger um ein wörtlich aufzufassendes Beispiel erfolgreicher Heilkunst handeln als um eine glorifizierende Metapher für die medizinischen Möglichkeiten des Medeios.1528 Entsprechend geht Zanetto schlüssig davon aus, dass die Schlange nicht die Grenzen medizinischen Wirkens symbolisiert habe, sondern die besondere Gunst, die Apollon dem Arzt Medeios gewährt habe.1529 In jedem Fall wird deutlich, dass dem Asklepios-Kult am ptolemäischen Hof keine unbedeutende Rolle zukam und er deswegen auch von Poseidippos in den ἰαματικά thematisiert wurde. Angesichts der immer wieder beschworenen Verbindungen zwischen Temeniden und Ptolemäern im Mailänder Papyrus könnte nicht nur die Förderung medizinischer Wissenschaft in Alexandria ein Grund gewesen sein, sondern auch – sollte die Tradition über Hippokrates’ Aufenthalt bei Perdikkas in jener Zeit bekannt gewesen sein – die ideelle Ansippung an das temenidische Haus. Perdikkas als Förderer der Asklepiaden und ihrer medizinischen skills wäre damit zum Vorläufer der ptolemäischen ............................................ 1524 Auch wenn die Lesung des Patronyms schwierig war und unter Zuhilfenahme der Ableitung vom Patronym des Priesters Alexanders und der Theoi Adelphoi Medeios rekonstruiert wurde (was einen Zirkelschluss nicht ausschließt, auch wenn mittlerweile ziemliche Sicherheit über die Rekonstruktion vorherrscht), vgl. Di Nino 2010, 208. Zum Patronym des Priesters siehe Bing 2002, 298. 1525 Zumal der Name Medeios nicht allzu häufig am ptolemäischen Hof gewesen zu sein scheint, vgl. de Meulemeester-Swinnen/Hauben 1975, 211. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Zuhörer auch noch ignorieren konnte, dass er ein Sohn des Lampon war, ist umso niedriger. 1526 Vgl. Di Nino 2010, 215: Es sei ein reales Element. Sie vergleicht es mit Poseidippos’ eigener Bezeichnung seiner Herkunft aus Pella (Ep. 118 AB, Z. 17). 1527 Aristot. Hist. An. 607 A. Vgl. Di Nino 2010, 207–208. 1528 Ebenso sieht es Di Nino 2010, 214: Es handle sich nicht um Großsprecherei, sondern um eine „funzionalità encomiastica“, welche die Fähigkeiten der Asklepiaden beschreibe. Siehe auch Di Nino 2008, 171: „a strong eulogistic motif“, das auch später als Mittel der Selbststilisierung genutzt worden sei. 1529 Vgl. Zanetto 2008, 524–525. Er geht davon aus, dass sich das Epigramm auf eine tatsächliche Weihung des Höflings Medeios beziehe.
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Bemühung um medizinische Fortschritte und den Asklepios-Kult beschworen worden.
Hippokrates, Perdikkas und das Liebesmotiv In summa war Hippokrates, nicht Perdikkas, der Katalysator für die reiche Legendenbildung um die Geschichte der Liebeskrankheit. Perdikkas war als Statist einbezogen, da sein Hof eine gute zeitgenössische Kulisse hergab. Eine Entfaltung der Legenden in hellenistischer Zeit würde zudem erklären, warum Wert auf eine temenidische Residenz gelegt wurde. Die reiche Ausschmückung muss nicht per se bedeuten, dass die Grundinformation von Hippokrates’ Besuch bei Perdikkas unhistorisch ist. Die Liebesgeschichte ist jedoch als literarische Beigabe zu negieren. Sollte Perdikkas aus legitimatorischen Gründen seine Stiefmutter geheiratet haben, vielleicht auch zwecks Erhalts der Loyalität ihrer Familie, könnte dies theoretisch durch ein offiziell propagiertes Liebesmotiv gerechtfertigt worden sein – auch wenn eine solche Verklärung in den Quellen vor allem für die hellenistische Zeit auftaucht. Praktisch ergeben sich doch gravierende Zweifel: Die Rahmenhandlung mit dem verzehrenden Dahinschwinden passt wenig ins Bild einer makedonischen Sprachregelung. Das Urteil von Josef Mesk, Perdikkas mache den Eindruck eines Weichlings,1530 ist nicht von der Hand zu weisen. Ein Temenide, der sich vor Liebeskummer zum kampfuntauglichen Skelett herunterhungerte, statt sich um Landesschutz und kriegerische Expansion zu kümmern, war kein Musterbeispiel. Solch ein Bild des Jammers entsprach weder den Erfordernissen des Reichs noch der Rollenerwartung an den Herrscher, die durch die temenidische Selbstdarstellung vorgeprägt war. Die Geschichte kann daher nicht auf eine von Perdikkas ausgehende Sprachregelung zurückgehen. Vergleicht man sie mit dem einzig bekannten temenidischen Fall, bei dem eine unbequeme Heirat offiziell mit dem Liebesmotiv verbrämt wurde – Alexander und Roxane –, zeigt sich die Diskrepanz: Der Herrscher leidet nicht stumm und wartet auf den Arzt oder Tod, sondern nimmt sich die Frau und heiratet sie.1531 Inwieweit die Perdikkas-Version der Antiochos-Geschichte vorausging, lässt sich nicht sagen. Die Existenz einer Perdikkas Romance ist nicht ersichtlich. ............................................ 1530 Mesk 1913, 378, A. 1. Er bezieht sich auf die Erwähnung bei Lukian. 1531 Plut. Alex. 47,7; Plut. mor. 332 E; Arr. an. 4,19,5; Curt. 8,4,25. Vgl. Müller 2012, 296–297.
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VII Fazit
Das Temenidenreich gehörte weder vor noch nach Perdikkas’ Herrschaft zu den global players auf der politischen Bühne der mediterranen Welt. Das scheint auch Athen – und teilweise Sparta – dem makedonischen Bündnispartner mit seiner Behandlung gezeigt zu haben. Auf sich gestellt war Perdikkas’ Makedonien kein Faktor, der die athenische Politik in Nordgriechenland ernsthaft hätte gefährden können. Eher umgekehrt bestand die Gefahr, unter athenischen Druck zu geraten, zu einem Spielball konkurrierender politischer Kräfte zu werden und zwischen divergierenden Interessen aufgerieben zu werden. Das Potential des Temenidenreichs unter Perdikkas lag in seiner Bündnispolitik, den überreichsweiten Beziehungen und damit Möglichkeiten, eine stabile, effektive Allianz gegen Athens Vordringen herzustellen. Gerade aus diesem Grund, da seine Bündnispolitik, die den jeweiligen wechselnden Anforderungen rasch angepasst werden musste, das überlebenswichtige Rückgrat Makedoniens unter Perdikkas darstellte, musste er sie flexibel, je nach Tagespolitik, anlegen. Die Wechsel reflektieren daher die politischen Entwicklungen jener Zeit. Von der Fähigkeit, sich Allianzen zu schaffen, Bündnispartner zu sichern, bestehende Netzwerke optimal zu nutzen und neue zu knüpfen, gemeinsame Interessen zu beschwören und in den Verhandlungen zu überzeugen, hing Makedoniens Position ab. Auch wenn die Allianzen auseinanderdrifteten, sobald die jeweiligen Eigeninteressen überlagernd wirkten und sich zum Sprengstoff entwickelten – die Bündnispolitik war gleichsam die Lebensader der makedonischen Regierungshandlungen in jener bewegten Zeit. Die Leistung von Perdikkas und seinen Führungsleuten war daher vor allem eine diplomatische. Genau aus diesem Grund, der regen Bündnispolitik und diplomatischen Wendigkeit, war Makedonien unter Perdikkas ein Faktor, mit dem für Athen zu rechnen war. Ein Temenide in seiner limitierten primus inter pares-Position wird ohnehin damit sozialisiert worden sein, auch begrenzte Handlungsspielräume möglichst wirksam zu nutzen, innen- und wie außenpolitisch, und dies tat Perdikkas. Davon zeugt auch der Spott, der auf der athenischen Komödienbühne über ihn ausgeschüttet wurde: Perdikkas ging mit Makedonien trotz aller Schwierigkeiten und Anstrengungen um kooperative Beihilfen einen eigenen Weg.
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Perdikkas’ politische Leistung und die seiner Führungsspitze nach Thukydides’ Sprachregelung zu beurteilen, heißt, die athenische Perspektive einzunehmen und der makedonischen nicht gerecht zu werden. Die makedonischen Bündniswechsel waren Reaktionen auf die politischen Gegebenheiten, maßgeblich bestimmt von Athens Agieren in makedonischen Einflusszonen oder deren Radius. Auf lange Sicht, bedenkt man die Dauer von Perdikkas’ Regierung von knapp vierzig Jahren und den Aspekt, dass die Allianzwechsel in bewegte Kriegszeiten fielen, erscheint ihre Anzahl nicht als exorbitant. Vielmehr ist das auf einem fiktiven Persönlichkeitskonstrukt und auf athenischer Sprachregelung basierende Zerrbild von Perdikkas als eines betrügerischen Wendehalses, der in Rekordzeit und Rekordhöhe Verträge brach, ad acta zu legen. Ebenso ist der von Thukydides vermittelte Eindruck zu relativieren, Makedoniens Heer, Verteidigungsfähigkeit und Befestigungsstandards wären unzureichenden Standards gewesen, bis Archelaos, die Lichtgestalt (zumindest in Relation zum abqualifizierten Vater), Reformen initiiert habe. Thukydides’ Werk selbst bietet Hinweise, die zu seinem Urteil im Widerspruch stehen: Unter Perdikkas konnten die Athener Pydna nicht einnehmen; sie scheiterten vermutlich auch an Beroia, und Sitalkes gelang es mit einem Heer von angeblich 150.000 Mann nicht, gegenüber den verschanzten Makedonen etwas auszurichten. Zudem erbat sich Athen mehrfach militärische Hilfe von Perdikkas’ vermeintlich so schlecht aufgestelltem Heer. Insgesamt gelang es unter seiner Regierung in schwierigen Zeiten, in denen Gefahren meist an mehreren Fronten bekämpft werden mussten, das Reich unabhängig zu halten, kein Spielball einer griechischen Polis oder des aufstrebenden Odrysenreichs zu werden, weiterhin den außenpolitischen Weg Makedoniens zu bestimmen und die äußeren Einmischungen in innen-, dynastie-, handels- und wirtschaftspolitische Belange nach Möglichkeit abzuwehren oder wenigstens zu beschränken. Es kam zu einem Arrangement mit dem Odrysenreich und den problematischen obermakedonischen Lokaldynasten, innerdynastische Konkurrenz wurde neutralisiert und am Ende konnte Perdikkas das Reich einem seiner Söhne hinterlassen. Aus makedonischer Sicht war er damit sicherlich ein erfolgreicher Herrscher – vielleicht sogar teilweise ein Retter Makedoniens durch die turbulenten Zeiten.
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IX
Appendices
Appendix 1 – Zeittafel 513
Zug Dareios’ I. gegen europäische Skythen Unterwerfung thrakischer Gebiete durch Megabazos
513/10
Akzeptanz persischer Oberhoheit durch Amyntas I. Heirat zwischen Gygaia und Bubares
ca. 510
Paralleles Hilfsangebot Amyntas’ I. und der Thessaler an Hippias
ca. 500/498/5 Herrschaftsantritt Alexanders I. 500/490er (?) Geburt der Söhne Alketas und Amyntas (?) 497
Scheitern von Aristagoras von Milets Siedlungsversuch von Myrkinos
496–492
Lösung Thrakiens und Makedoniens von der persischen Oberhoheit
492
Erneute Etablierung der persischen Oberhoheit über Thrakien und Makedonien durch Mardonios
480
Seeschlacht bei Salamis
480/79
Gouverneursposten über eine kleinasiatische Stadt für Gygaias und Bubares’ Sohn Amyntas Tätigkeit Alexanders I. als Bündnispartner und Diplomat des Xerxes im Krieg gegen den Hellenischen Bund Beginn der temenidischen Münzprägung
479
Schlacht bei Plataiai
479/78
Unbehelligter Rückzug persischer Truppen durch Makedonien Beginn der Rechtfertigungs- und Umdeutungskampagne Alexanders I. seiner Rolle in den Perserkriegen Stiftung einer goldenen Statue in Delphi, Aufstellung neben griechischer Weihung aus der Beute von Salamis und Artemision
477/6
Eroberungen in der Bisaltia (Gewinn des Zugriffs auf Edelmetallminen), parallel zu Athens Eroberungen
476 (?)
Auftritt Alexanders I. bei den Olympischen Spielen: öffentliche Deklaration argivisch-heraklidischer Herkunft
470er Jahre (?) Geburt Perdikkas’ (um 475?) und Philipps (?) 460er Jahre
Hilfestellung Alexanders I. für geflohenen Themistokles
zw. 468–460
Aufnahme vertriebener Mykenaier durch Alexander I. (?) Geburt von Menelaos (?)
298
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465 ca. 450
Vertreibung athenischer Siedler aus Ennea Hodoi durch thrakische Ethnien Tod Alexanders I., Nachfolge Perdikkas’ II. (als Alleinherrscher) Siegespreis für Perdikkas bei den argivischen Heraia (?)
447/6
Aufnahme vertriebener Histiaier durch Perdikkas
440er/430er Jahre Gründung der athenischen apoikia Brea 437/6
Gründung der athenischen apoikia Amphipolis
430er Jahre
(?) Geburt von Archelaos
433
Ende einer philia kai symmachia zwischen Perdikkas und Athen Konflikt zwischen Perdikkas und Athen, verbündet mit Philipp und Derdas Athen erhöht Druck auf Poteidaia
432
Revolte Poteidaias (Frühjahr) Ankunft athenischer Schiffe im Krieg gegen Perdikkas Athenische Einnahme von Therme; vergebliche Belagerung von Pydna Unterstützung des Abfalls von Seebundmitgliedern der Chalkidike und Bottike durch Perdikkas Bereitstellung von Siedlungsgebiet am Bolbesee durch Perdikkas Stärkung von Olynthos durch apoikismos Kurzzeitiger Friedensschluss zwischen Perdikkas und Athen Zerwürfnis zwischen Athen und Perdikkas aufgrund fortgesetzter athenischer Unterstützung Philipps und vermutlichen Angriffs Athens auf Beroia Erneute Unterstützung Poteidaias durch Perdikkas Einsetzung von Iolaos als Stellvertreter in Aigai während Perdikkas’ Kriegszug Sieg Athens vor Poteidaia und Belagerung
um 431
Beitritt Methones zum attischen Seebund
431
Friedensschluss zwischen Perdikkas und Athen, vermittelt durch Sitalkes Rückgabe von Therme an Perdikkas durch Athen
um 430
Tod Philipps
430/29
Kapitulation Poteidaias
420er Jahre
Beschwerden Methones in Athen über Perdikkas
429
Sommer: Geplante Unterstützung des spartanischen Akarnanien-Zugs durch Perdikkas Winter: Sitalkes’ Zug nach Makedonien und in die Chalkidike (30 Tage), unterstützt von Athen Gescheiterter Putschversuch von Perdikkas’ Neffen Amyntas
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299
Athens Versäumnis der Waffenhilfe für Sitalkes Bündnis zwischen Perdikkas und Sitalkes 429/8
Heirat von Perdikkas’ Schwester Stratonike mit Sitalkes’ Neffen Seuthes
425
Verspottung angeblicher odrysischer Athen-Begeisterung durch Aristophanes in Die Acharner
424
Bündnisschluss von Perdikkas und den chalkidischen Städten mit Sparta Ankunft spartanischer Truppen unter Brasidas in Nordgriechenland nach Passage durch Thessalien Perdikkas’ erster Lynkestis-Zug gegen Arrabaios mit spartanischer Unterstützung (?) Spott über Perdikkas auf attischer Komödienbühne durch Hermippos
Ende 424
Tod des Sitalkes, Nachfolge seines Neffen Seuthes I.
424/3
Amphipolis’ Abfall von Athen, bewirkt durch Brasidas, mit Perdikkas’ Unterstützung
423
Vereinbarung eines einjährigen Waffenstillstands zwischen Athen und Sparta Perdikkas’ zweiter Lynkestis-Zug gegen Arrabaios mit spartanischer Unterstützung Ende des Bündnisses mit Sparta
423/2
Friedensschluss zwischen Perdikkas und Athen gleichzeitiger (?) Friedensschluss zwischen Perdikkas und Arrabaios
422
Vergebliche Forderung nach makedonischer Waffenhilfe durch Nikias (oder 417/6?) (Vergebliche?) Forderung nach makedonischer Waffenhilfe durch Kleon für Amphipolis-Zug Tod Kleons und Brasidas’ in Folge des Kampfs um Amphipolis Ersetzung des Hagnon durch Brasidas als oikistes in Amphipolis
um 420 (?)
Geburt des Sohns von Perdikkas und Kleopatra (Aëropos?)
421
Nikias-Frieden; u.a. spartanische Anerkennung des athenischen Rechts auf Amphipolis Scheitern der Übergabe an Amphipolis’ Widerstand
418/7
Beitritt von Perdikkas zu einem kurzlebigen Bündnis zwischen Argos und Sparta
417/6
Winter: Kriegserklärung von Athen gegen Perdikkas; Verhängung einer „Blockade“
416
Erneuter Anschluss von Argos an Athen
300
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416/5
Winter: Athenische Entsendung eines Stoßtrupps über Methone nach Zentralmakedonien; vergeblicher Appell Spartas an Chalkidier, einzugreifen
414
Perdikkas im Bündnis mit Athen makedonische Hilfe für den erfolglosen athenischen Versuch der Rückeroberung von Amphipolis Uraufführung von Aristophanes’ Die Vögel
413 (?)
Tod Perdikkas’, Nachfolge Archelaos’
411/0
Erfolgreiche Belagerung Pydnas durch Archelaos mit athenischer Hilfe
399
Tod Archelaos’ (?) Ermordung seines Sohns Orestes und direkte Nachfolge des Aëropos
ab 359
Aufbau einer eigenen makedonischen Kriegsflotte
354
Eroberung von Methone unter Philipp II.
357
Eroberung von Amphipolis unter Philipp II.
348
Eroberung und Zerstörung von Olynthos unter Philipp II.; Auflösung des Chalkidischen Bunds
346
Athens Anerkennung der makedonischen Eroberung von Amphipolis im Philokrates-Frieden
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301
Appendix 2 – Herrscher der Temeniden Temenidische Herrscher in der mythischen Frühzeit (nach Herodot) Perdikkas I. (um 650 v. Chr.) Argaios Philipp I. Aëropos I. Alketas
Die historisch fassbaren Temeniden Amyntas I. (zweite Hälfte des 6. Jh.s. v. Chr. (?) – ca. 500/498/95 v. Chr.) Alexander I. (ca. 500/498/95 – ca. 450 v. Chr.) Perdikkas II. (ca. 450 – 413 v. Chr.) Archelaos (413 – 399 v. Chr.) (Orestes 399 v. Chr.; herrschte wohl nicht) Aëropos (399 – 396/5 v. Chr.) Pausanias (396/95 v. Chr.) Amyntas II. (395/94 v. Chr.) Pausanias (394/93 v. Chr.) Amyntas III. (394/3 – 370/69 v. Chr.) Alexander II. (370/69 – 368 v. Chr.) (Ptolemaios von Aloros als epitropos 368 – 365 v. Chr.) Perdikkas III. (365 – 360/59 v. Chr.) Philipp II. (360/59 – 336 v. Chr.) Alexander III. (336 – 323 v. Chr.) Philipp III. Arrhidaios (323 – 317 v. Chr.) und Alexander IV. (323 – 310 v. Chr.)
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Alketas
Philipp
Amyntas
Alexander I. ݉?
Amyntas III.
Agelaos (?) Alexander [Arep?]yros Amyntas Agerros (?) Arrhidaios
݉ Seuthes I.
Stratonike
Amyntas
Gygaia ݉ Bubares
Amyntas I. ݉?
Appendix 3 – Perdikkas’ Familie
Amyntas (?)
Amyntas
Menelaos
Perdikkas II.
Orestes
݉?; ݉ Kleopatra
Archelaos
Pausanias
Aëropos (?)
݉ Simiche (= Phila?); ݉ Kleopatra
Appendix 4 – Abbildungen Die Abbildungen erscheinen mit freundlicher Genehmigung der Inhaber der Bildrechte, bei denen ich mich herzlich für die Erlaubnis bedanke. Die Münzen sind unmaßstäblich vergrößert dargestellt.
Abb. 1: Alexander I., Tetrobol, ca. 482–478 v. Chr., 2,29g; Av. Makedonischer Reiter mit Petasos, Lanze und persischem akinakes; Rv. viergeteiltes Quadratum incusum (Foto: Archäologisches Institut der Universität zu Köln)
Abb. 2: Alexander I., Oktobol, ca. 476–460, Aigai (?), SNG Cop. 494; SNG Alpha Bank 48, 3,99 g; Av. Reiter mit Petasos und zwei Speeren neben Pferd; Rv. viergeteiltes Quadrat in Quadratum incusum, Legende: ΑΛΕΞΑΝΔΡΟ (Numismatik Lanz, München, Aukt. 128, 22.05.2006, 86, www.lanz.com)
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Abb. 3: Perdikkas II., Tetrobol, 450–414/3 v. Chr., Aigai (?), SNG ANS 37–41; SNG München 13–15, 2,02 g; Av. Laufendes Pferd n. re.; Rv. Helm mit Federbusch in inkusem Quadrat (Leu Numismatik AG, Winterthur, Web Auction 1, 25.06.2017, 253, www.leunumismatik.com)
Abb. 4 (und Av. als Coverabbildung): Perdikkas II., Tetrobol, 437/6–432/1 v. Chr., Raymond 209, second ser., 2,44 g; Av. Reiter mit Petasos im Nacken und drei Speeren (einer vermutlich nachgraviert) auf nach re. schreitendem Pferd, darunter Strauch, im Perlkranz, mehrere Partien im Stempel korrodiert, u.a. zwischen Schweif und Hinterhand des Pferds; Rv. Löwenprotome re. gelagert, Absch. per glatter Linie, in inkusem Quadrat (Foto: U. Klöppel, Aarbergen)
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Abb. 5: Derdas II. von Elimeia, Chalkous, um 380 v. Chr., Ainai (?), Liampi 1998b, Nr. 18a, 2,78g; Av. Jugendlicher Herakleskopf n. re. mit Löwenexuvie; Rv. Keule und Lanzenspitze, Legende: ΔΕΡΔΑ (Numismatik Lanz, München, Aukt. 160, 06.2015, 77, www.lanz.com)
Abb. 6: Philotas (?), Chalkous, ca. 410–380 v. Chr. (?), Obermakedonien (?), Wartenberg Philotas 1, 2,24g; Av. Jugendlicher Herakleskopf n. re. mit Löwenexuvie; Rv. rückgewandter Adler auf Blitzbündel, Legende: [ΦΙΛ]Ω (Leu Numismatik AG, Winterthur, www.leunumismatik.com)
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X
Index
Achilles 59, A. 291; 88; 96, A. 539; 178, A. 1047; 219 Adea-Eurydike 88, A. 494; 95, A. 535; 146, A. 847 Aëropos, Bruder Perdikkas’ I. 119; 120, A. 674 Aëropos I. 66, A. 351; 226, A. 1345; 302 Aëropos, Sohn Perdikkas’ II. 115; 117118; 195; 225-226; 251; 300; 303 Aëropos, Herrscher, epitropos des Orestes 88; 99, A. 552; 115-118; 195, A. 1139; 301; 302 Aischines 222 Alexander I. 14, A. 12; 15; 16-17; 20; 24; 29; 38; 42-44; 46; 47; 49, A. 224; 51; 53; 54, A. 258; 57-58; 60; 61; 67; 70, A. 380; 72, A. 395, A. 400; 73-82; 8687; 90-98; 99, A. 552; 102; 103, A. 582; 104-105; 107; 118; 122, A. 686; 128; 129, A. 727; 130; 136, A. 773; 138; 140, A. 809; 151, A. 883; 158, A. 925; 169, A. 993; 195; 209-211; 212, A. 1252; 225; 228-239; 241; 242, A. 1425; 246249; 250, A. 1464; 298-299; 302-304; Alexander II. 99, A. 552; 101, A. 556; 104; 128, A. 722; 224, A. 1331; 302 Alexander III. 14; 15; 16, A. 16; 32, A. 108; 46, A. 210; 52, A. 241; 53, A. 247; 55; 60, A. 302; 62; 63, A. 325; 65; 85, A. 473; 87, A. 482; 88-89; 91, A. 506; 95, A. 535; 97, A. 543; 98, A. 546; 99, A. 552; 100-102; 106; 118, A. 659; 147; 153; 181, A. 1066; 182, A. 1070; 211, A. 1243; 224, A. 1331; 227, A. 1347; 241, A. 1415; 245, A. 1439; 247, A. 1448; 255, A. 1504; 256-257; 258, A. 1523; 259; 260; 302 Alexander IV. 225, A. 1337; 245, A. 1439; 302
Alexander, Sohn des Alketas 112; 195, A. 1139; 303 Alexander Lynkestes 55, A. 259 Alexander I. von Epeiros 88, A. 487 Aleuas 61, A. 304 Alketas I. (Vater Amyntas’ I.) 69, A. 377; 90; 302 Alketas, Sohn Alexanders I. 39; 90-91; 98; 103; 104, A. 582-583, 585; 105-107; 111115; 136; 195; 225, A. 1333; 298; 303 Alkibiades 14; 22; 36, A. 141; 112, A. 625; 147; 166, A. 979; 196, A. 1147; 200, A. 1170-1171; 206, A. 1209; 207 m. A. 1216; 208; 209, A. 1227; 212; 214, A. 1265; 221, A. 1305; 236, A. 1402 Amyntas I. 29; 66-70; 72-75; 80, A. 450; 90-91; 93, A. 520; 94, A. 522; 105, A. 593; 116, A. 644; 139, A. 798; 298; 302; 303 Amyntas II. 46, A. 214; 99, A. 552; 107; 116, A. 644; 135, A. 769; 224, A. 1331; 302; Amyntas III. 44, A. 199; 46; 47; 49, A. 224; 52, A. 241; 53, A. 247; 56, A. 272; 58, A. 282; 65; 86; 88; 99, A. 552; 101, A. 556; 105, A. 593; 109, A. 611; 134, A. 762; 135, A. 769; 140, A. 803; 144, A. 838; 193, A. 1122; 236, A. 1402; 302; 303 Amyntas, Bruder Perdikkas’ II. 90; 98; 101, A. 556; 105-106; 136; 195; 298; 303 Amyntas, Neffe Perdikkas’ II., Sohn Philipps 45; 107-108; 134, A. 759; 148, A. 859, A. 861; 151; 154-156; 160; 213; 299; 303 Amyntas, Sohn der Stratonike und des Bubares 73; 91, A. 507; 298; 303 Amyntas, Sohn des Archelaos (?) 116, A. 644; 303
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307
Amyntas ὁ μικρός 135, A. 769 Amyntas, Sohn Perdikkas’ III. 64, A. 325 Antiochos von Orestis 54, A. 253; 153; 247, A. 1448 Antiochos I. 248-252; 260 Archelaos, Gründerfigur 59; 92 Archelaos, Sohn Perdikkas’ II. 15, A. 13; 22; 24; 34; 37-39; 47; 56; 58-59; 61; 6566; 92; 96, A. 539; 99; 100, A. 552; 101, A. 556, A. 561; 111-118; 120; 121, A. 681; 147; 189; 193-195; 211; 212, A. 1252; 224-226; 235, A. 1399; 236, A. 1402, A. 1405; 241, A. 1415; 242; 244, A. 1433; 245; 251; 262; 299; 301; 302; 303 Argaios I. 66, A. 351; 91; 302 Argaios, Prätendent gegen Amyntas III. 109, A. 611 Argaios, Prätendent gegen Philipp II. 88; 134 Aristagoras von Milet 298 Arrabaios I. von Lynkestis 19, A. 33; 36, A. 141; 54; 114; 116; 118, A. 659; 140, A. 804; 168; 170-174; 180; 182-183; 185-186; 190; 192-193; 226; 300 Arrabaios II. von Lynkestis 193 Arrhidaios, Vater Amyntas’ III. 101, A. 556; 303 Arrhidaios (Philipp III.) 88; 302 Arsinoë, Mutter Ptolemaios’ I. 93, A. 520 Artabazos 78 Artaphernes 75 Artaxerxes I. 244, A. 1434; 246 Artaxerxes II. 204, A. 1191 Asklepios 244, A. 1432; 254, A. 1496; 255-256; 257, A. 1513; 258, A. 1522; 259-260 Brasidas 14; 19-23; 29; 35-37; 44-45; 128, A. 725; 140, A. 804; 145, A. 841; 167190; 193-194; 197; 209, A. 224; 24-215; 250, A. 1469; 300 Bubares 72-74; 158, A. 925; 298; 303
308
Charidemos 237 Dareios I. 66; 70; 75; 79, A. 449; 80; 110, A. 619; 148, A. 862; 223; 298 Demetrios Poliorketes 64, A. 325; 98, A. 543; 103; 146, A. 847; 248 Demosthenes, attischer Redner 16; 42; 49, A. 224; 152; 222; 227-228; 231-238 Demosthenes, Stratege 36, A. 141; 181, A. 1061 Derdas I. von Elimeia 54; 86, A. 478; 108; 132, A. 752-753; 133; 135-136; 140; 143-144; 145, A. 839; 171, A. 1007; 195; 196, A. 1142; 213, A. 1257; 299 Derdas II. von Elimeia 52, A. 241; 306 Dionysos 119, A. 669; 202; 203, A. 1182 Dracontius 252 Drakon, Sohn des Hippokrates 245, A. 1439, A. 1441 Erasistratos 248-249; 252, A. 1480 Euripides 59; 92; 120-121; 241, A. 1415 Euryphon 246-247 Gauanes 119; 120, A. 674 Gorgias 38; 111; 112, A. 622 Gygaia, Schwester Alexanders I. 72-73; 158, A. 925; 298; 303 Gygaia, Frau Amynytas’ III. 87, A. 481 Hagnon 126; 129; 148, A. 859; 155, A. 905; 161; 179; 200, A. 1169; 206, A. 1209; 214-215; 300 Hephaistion 211, A. 1243 Herakles 44, A. 199; 52, A. 241; 54, A. 256; 60; 93; 97, A. 539; 119, A. 666; 135, A. 770; 245; 306 Hippias 60, 66-70; 75; 90; 139, A. 798; 298 Hippokrates 29; 47; 243-247; 249-250; 252253; 254, A. 1493; 255-256; 259-260 Hyllos 119, A. 666 Iolaos 86; 146-147; 225; 299 Iphikrates 227, A. 1346
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Ismenias von Theben 40-41 Isokrates 229 Kallias 141, A. 810; 148, A. 859 Kallikrates von Samos 258 Karanos, Gründerfigur 46; 182, A. 1068; Kassander 55, A. 264; 91, A. 506; 97, A. 543; 106, A. 597; 225, A. 1337; 245, A. 1439; Kimon 82; 129, A. 729; 177, A. 1036; 229-230 Kleon 36-37; 177, A. 1042; 181, A. 1061; 189; 193, A. 1127; 197-200; 206, A. 1209; 214; 250, A. 1469; 300 Kleopatra, Frau Perdikkas’ II. 112; 114, A. 638; 117-118; 225-226; 249; 251252; 300; 303 Kleopatra, Frau Archelaos’ 118 Kleopatra, Frau Philipps II. 87, A. 482; 89, A. 494; 118, A. 659 Kleopatra, Tochter Philipps II. 97, A. 543 Knemos 153-155 Lysimachos 55-56, A. 264 Mardonios 72, A. 400; 74, A. 411; 76-78; 236, A. 1400; 238, A. 1410; 298 Medeios, Sohn des Lampon 256-259 Megabazos 70; 72, A. 398; 298 Melanippides 242 Menelaos, Sohn Alexanders I. 46; 87, A. 482; 91; 93-95; 98; 101, A. 556; 104, A. 582; 105-106; 116, A. 644; 136; 195; 298; 303 Menelaos, Bruder Ptolemaios’ I. 93, A. 520 Nikias 20; 22; 36, A. 141; 39, A. 160; 145, A. 841; 190, A. 1106; 196-200; 206, A. 1209; 208; 212, A. 1250; 213; 250, A. 1469; 300 Nikonidas 61; 197, A. 1148 Nymphodoros von Abdera 148; 150
Olympias 88, A. 487; 89, A. 494; 95, A. 532; 96, A. 539; 98, A. 546; 146, A. 847 Orestes, Sohn des Archelaos 99-100, A. 552; 115-116; 195, A. 1139; 224, A. 1331; 301; 302; 303 Parmenion 52, A. 241; 54, A. 258; 87, A. 482 Pausanias, Gegner Perdikkas’ II. 54, A. 258; 144-146; 196, A. 1142; Pausanias, Temenidenherrscher 99; 100, A. 552; 107; 117; 224, A. 1331; 302; 303 Pausanias, Prätendent unter Philipp II. 109, A. 611 Pausanias, spartanischer Feldherr 238, A. 1410 Perdikkas I. 14; 15, A. 12; 24; 66, A. 351; 91-92; 101, A. 561; 119-120; 221, A. 1301; 253, A. 1488; 302 Perdikkas II. 13-29; 31-47; 49-83; 85-123; 125-239; 241-262; 299-303; 305 Perdikkas III. 14; 15, A. 12; 44, A. 199; A. 200; 51, A. 239; 53, A. 247; 56, A. 272; 58, A. 282; 60, A. 302; 99-100, A. 552; 106, A. 595; 109; 239, A. 1412; 241, A. 1415; 302 Periandros von Korinth 40; 115, A. 639 Perikles 14; 100; 121-122; 126, A. 697; 160; 196, A. 1146; 201, A. 1177; 206, A. 1209 Phanosthenes 235, A. 1399 Phila, Frau Alexanders I. (?) 86, A. 478; 245-246; 248, A. 1452; 249; 251-252; 303 Phila, Frau von Demetrios Poliorketes 64, A. 325; 98, A. 543 Philipp I. 91; 302 Philipp II. 14-16; 33-34; 46; 49-50, A. 224; 51; 52, A. 241; 53-54; 55, A. 259, A. 264; 57, A. 279; 58; 62, 63, A. 323, A. 325; 64; 85, A. 472; 86; 87, A. 482; 88, A. 494; 89; 95, A. 535; 96, A. 539; 98, A. 546; 99, A. 552; 100; 101,
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309
A. 556, A. 561; 102; 106, A. 595; 128; 134; 140, A. 804; 147; 152-153; 164165; 181, A. 1066; 182; 186, A. 1091; 209, A. 1227; 220, A. 1300; 221-222; 224, A. 1331; 225, A. 1334; 227-232; 238; 239, A. 1412; 241, A. 1415; 252, A. 1478; 301; 302 Philipp III. (siehe Arrhidaios) Philipp IV. 106, A. 597 Philipp, Bruder Perdikkas’ II. 91; 93; 98; 102-103; 104, A. 582, A. 585; 105-110; 116; 132, A. 752-753; 133-136; 139, A. 796, A. 799; 140; 141, A. 810; 144147; 148, A. 860-861; 151; 153-155; 171, A. 1007; 195; 213; 298-299; 303 Philotas, Vater Parmenions 52, A. 241 Philotas, Sohn Parmenions 32, A. 108 Phormion 148, A. 859 Pindar 42; 60; 211; 241; 244, A. 1433 Polles 194, A. 1127; 197, A. 1151 Ptolemaios von Aloros 100, A. 552; 109, A. 611; 302 Ptolemaios I. 88; 93, A. 520; 97, A. 543 Ptolemaios II. 97, A. 543; 256 Roxane 245, A. 1439; 260 Sadokos 149-150; 158; 162; 163, A. 958; 164; 204 Seleukos I. 98, A. 543; 248; 250 Simiche 16; 249; 225; 251-252; 303 Sitalkes 14; 21, A. 43; 28, A. 84; 34, A. 127; 45; 55; 108; 110; 126; 148-164; 176, A. 1029; 194, A. 1127; 201-206; 262; 299-300 Seuthes I. 21, A. 48; 28, A. 83; 45, A. 207; 55; 97-98; 157-158; 159, A. 931; 176; 190, A. 1109; 194, A. 1127; 300; 303 Seuthes III. 55, A. 264 Sokrates 39-41; 111; 112, A. 622; 113; 115, A. 639; 147; 166, A. 979; 244, A. 1433 Sostratos von Knidos 258 Speusippos 50, A. 224; 109, A. 614; 228230; 232, A. 1385
310
Stratonike, Schwester Perdikkas’ II. 45, A. 207; 95-98; 158; 159, A. 931; 300; 303 Stratonike, Tochter Demetrios’ Poliorketes 248-250; 251, A. 1470 Temenos 49; 59; 119-120 Teres 149-150 Tereus 149-150 Themistokles 81; 95, A. 531; 298 Thessalonike 91, A. 506; 97, A. 543; 106, A. 597 Thessalos, Sohn des Hippokrates 243244, A. 1432; 245 Timotheos 164, A. 969; 227, A. 1346 Timotheos von Milet 242 Tissaphernes 174, A. 1020 Xerxes 16, A. 16; 17; 40; 53; 60; 67; 70; 72-734; 76-77; 79-81; 82, A. 467; 90, A. 502; 92-93; 96, A. 539; 115, A. 639; 169, A. 993; 210; 229, A. 1361; 233, A. 1388; 237; 238, A. 1410; 298 Zeus 44-45; 59; 60, A. 302; 65; 80, A. 449; 88, A. 494; 92; 119; 120, A. 672; 203; 213, A. 1388 Zeus Hypsistos 119, A. 667
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