Paragraphen zu der heiligen Geschichte [Reprint 2019 ed.] 9783111600659, 9783111225562


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Bericht. welche Bewandtnis es eigentlich mit diesen Paragraphen habe
Paragraphen zur biblischen Geschichte: §. 1 - §. 40
Paragraphen zur biblischen Geschichte: §. 41 - §. 80
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Paragraphen zu der heiligen Geschichte [Reprint 2019 ed.]
 9783111600659, 9783111225562

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Paragraphen ju der

heiligen Geschichte. .Von

Friedrich Adolph Krummacher, der H. Schrift und Gottesgelahrtl) eit Doctor.

„Ich rede also auf Menschen Welse." Röm. z,

Zur Geschichte des ersten Buchs Mose.

Berlin, Realschulbuch Handlung. 1818.

Bericht. webchs Bewandniß ts eigentlich miß diesen Paragraphen habe. hierüber kann schwerlich Jemand beut. Lese? bessere Auskunft geben, als der Verfasser selbst «nd dieses soll mit aller Aufrichtigkeit geschehen, AuS väterlichem Rechte uyd ohne Wahf hake ich dem Buche seinen Damen gegeben, Darüber hat also Niemand zu rechten. ES stutz auch in der That, obwohl jetzt gedruckt, ursprün» lich und wesentlich Paragraphen, das heißt verdollmetscht, Rehen - Br« - u,nb Randschrift. Ich habe sie bei, neben und zwischen mancherlek Amte- und Berufegeschäften geschrieben zu? eigenen Gemüthsergöyung, unh weil mir das Paragraphen- Parabeln- Parammhien« Und, wörtlein rc.- Schreiben zun; Bedürfniß und an­ dern Natur geworden ist, und ich nie ein Spiel wobei mau sitzt, habe erlernen können. Daraus wird nun der Leser schon von selbst die Menschlichkeit dieser § § abnehmen und mit Recht fließen können, daß es nicht darauf ab­ gesehen seyn könne, durch dieselben die Wissen« schüft, wje man zu sagen pflegt, weiter zu brin­ gen.

Solche verlegene Absicht ist mir tyd)t in

die Seele gekommen. Dazu hatte ich müssen den C rundtext wiegen und wägen, mrch mit Com»nentaren umschanzen, die Versionen durchmu­ stern, die Krethi und Plethi der Hähern und nie­ dern Kntik aufrufen u. f w.

Ader, die Wahr­

heit >u qestehn, ich habe nur dann und wann in die (fers vor mv* liegende Canstemfche O.uartbibel, zuweilen in die Auqusti- de Wertische Ueber» sehung, und leiten in bas Original, niemals in andere S ch icen gesehen, weil ich nicht lesen, sondern schreiben wollte.

Ich warne daher alle

gelehrte Leser, die bei dem Worte § §,

oder des­

sen krausem Zeichen an ein wissenschaftliches Gebäu denken, solche ungelesen zu lassen, um ihnen Verdruß, mir aber den Vorwurf zu ersparen: id) habe die Wissenschaft,

wer weiß wie weit,

zurückbringen wollen. Ich begehre mit der Wis­ senschaft keinen Streit zu haben, sondern will ihr, als auch einer Menschlichkeit,

neben der

meinigen gern ihren Raum gönnen. Eigentlich, die Wahrheit zu gestehn, hatte ich bei diesen §§ gar keinen Zweck, sondern schrieb — wie wenn Einer auf einem Flügel oder Harfe phantasirt und seine innere Stimmung und wech­ selnden

Seelen - und Herzenkiänge in Dur

und Moll durch die Saiten, ohne

arrrsprichk

frei doch nicht

oder vielmehr begleitet.

III

Da kam zufälliger Weise die Realfchukbuchhandlung und verlangte »on mir die reale und schukgerechte Lösung einer biblischen Aufgabe. Ich antwortete, das gehe jetzt unmöglich, doch ständen vorliegende Divertimenti zu Gebote. Als es angenommen wurde, fetzte ich das: § als musikalischen Schlüssel über dieses freie Tonspiel. Dafür mögen sie denn gelten; die Tonart und das Zeitmaaß mag der geneigte Leser ad libitum sich dazu denken. Nunzerirt habe ich die $ § meinen Landesleuten den Teutschen zu Gefallen, die ohne Zahlen nicht leben können und, wenn sie an die Sterne kommen könnten, sicherlich blecherne Straßen» und Hausnumern dranschlügen. Einer andern Menschlichkeit zu gedenken, hab' ich für unrecht erachtet, diese Paragra­ phen, eben um ihrer freispielariigen Natur willen, nach LichtenbergS Vorschrift, durch mehr­ maliges Abschreiben zu versüßen und abzuklä­ ren, und die erste Handschrift war auch größtentheilS die letzte, die zur Presse gieng. Das sage ich den Bellern und Kläffern in den Zei­ tungen zum Trost, auf daß auch diese in den Schreib- und Druckfehlern ihre Atzung finden mögen. Dem feinern Leser kann auch eine an-

IV

ieve Menschlichkeit nicht entgehn; er wird es den H§ ansehn, in welcher Tages oder Nachts« zeit sie entstanden, und somit vielleicht die Mondphasen und den Wechsel des magneti« fchen Stroms, der uns sterbliche Erdenkindee umfließt, darin bemerke-. Wer weiß nicht, wie eine kalte schaurige Dämmerstunde auf das Gemüth, selbst eines Schwerdt« und Fel­ sen-Mannes, si> gut als auf die Lungen eine» Hahns Einfluß haben möge. Und diese Pa« ragraphen sind in der That ein Leben, und zwar — wie das ganze menschliche, so lange es nicht durch den Glauben wiedergeboren uud bis an die Gränzen des Schauens verklärt ist, wohin nur wenige gelangen — ein Leben im Zwielicht und ein Hahnenruf, der den Tag verkündet. Ist doch auch die heilige Urge­ schichte selbst nichts anders. Darum stehe ich auch nicht dafür, ja ich bezweifle kaum, (denn behaupten kann ich es nicht, weil mir der besondere Inhalt und Zusammenhang des Ganzen jetzt, da id) diese Vorrede schreibe, beinah eben so fremd ist, als, dem Leser, der sie liefet) daß nicht manche §§ sich widersprechen, oder doch, wie bekanntlich die beiden Gesetze, im Geist und int Fleisch, auch im Friedenöstande, einander gegenüber

stehen werden. Diese Erscheinung würde um sd mehr ihre Menschlichkeit darthun, und te6 Buches Wahkfpmch, in der Anwendung auf den Verfasser, rechtfertigen» Diese meine Menschlichkeit und die Mensch­ lichkeiten dieser Paragraphen dem Leser vor« ab funb zu thun, hielt ich für nöthig, nicht etwa, um besondere Eigenheiten, Schwachhei­ ten und Ansichten zu entschuldigen — ich den­ ke, jeder Mensch hat das Recht ein Mensch zu seyn — sondern cm eine andere ernsterik Seite dieser Paragraphen ift ihr Licht zu stel­ len. Sie sind nämlich eine Randschrift fu ei­ ner «kalten heiligen Schrift. So vermessen es scheint- Neben und drit Mande göttlicher Schrift seine Menschliche auf­ stellen zu wollen; so hat doch mein Gewissen, trotz der Gefahr Menschlichen Irrthum göttli­ cher Wahrheit beizumischen, mir darüber nur rdenige Bedenklichkeiten und keine Vorwürfe gemacht. Ich will ja nicht, düst meine Rmch» schrift in den Text aufgenommen werde, tlnb da däb Wort GottrÄ rlNmal in dem Fleische deö Buchstaben erschienen ist, so muß es sich die menschliche Behandlung, wie das Unser Vater, welches Luther den größten Märtyrer nennt, gefallen lassen, kann auch eben so reg«

VI

tilg dadurch an Gehalt und Klarheit verlieren, als Sonne, Mond und Sterne durch die H§ d^.jSternkundigen und Sterngucker, und eben so wenig in seinem Gange gestört werden, als ehmals die großen und kleinen Lichter an des Himmels Veste durch Ptolmäus und Tycho Brahe's Systeme sich stören ließen. Sie, die heil. Schrift macht jeßt auch ihren Gang um die Erde; ich denke, es wird auch eine Zeit kommen, wo die Erde um sie, als die Central­ sonne, ihren Lauf nehmen wird^ Mit diesem Gedanken und solcher Hoff­ nung sind die §:§. geschrieben. Der Verheißung und deö Gesetzes, so wie des Cvanqelimns. Anfang und Ende, ), uyd jedes Räthsels Schlüssel und Lösung ist dem Verfasser JESUS CHRISTUS. DarUN» möchte es dieses Buches höchste Ehre seyn, wenn es den Juden uud den Heiden ein Aer­ gerniß und eine Thorheit wäre.

F. A. Krummacher.

Paragraphett jur

biblischen Geschichte.

§.

*♦

Eigentlich ist hie ganze Bibel Geschichte, «Littlich Darstellung der Erziehung des Menschenge» sch lech ts

durch

göttliche Offenbarung»

Die,

Psalmen z. B. find eben so gut Geschichte, als die historischen Angaben der Bücher Samuels und der Könige über David und seine Sangmeister.

Oder

find die Reden der Heerführer im Livius und Tacitus weniger historisch, als ihre Thaten?

Kann

überhaupt die Geschichte ihrer Bestimmung gemä­ ßer verfahren, als wenn fie die Erzeugnisse deZeitalters und der Personen, welche sie darstellt,

selbst im Leben aufführt? Wie wenig würden wie *

von David und feinem hohen Geiste wissen, wenn nicht die Geschichte feine Psalmen, gen, welche,

und diejeni­

von ihm auf- und angeregt,

ein

viel späreres Zeitalter bis zur Maccabäerzeit heevorgebracht hat, uns aufbewahrt hätte, weshalb sie auch mit Recht allesammt Davidische heißen? Kann irgend etwas

einen Menschen uns besser

kennen lehren und sein inneres Gemüth uns aus­ schließen, als sein Gebeth, sein Loblied und Klagegesalig? So sind auch Salomons Sprüche und das hohe Lied als historische Beilagen und Be­ lege zur Darstellung wichtigen

und Entwickelung

ein.es

Zeitabschnitts in der Geschichte des

Volkes Israel ju betrachte»,

Und wer könnte

verkennen, daß die hohen Weissagungen der Projchüen, ohne welche jenes herrliche Zeitalter ungänzlich verlohren wäre,

nicht minder der Ge­

schichte angehören, als z. B. die Reden eines rö­ mischen Senats bei wichtigen Zeitereignissen? So bildet die grfammte Bibel des A. T., wovon hier nur noch die Rede ist, mit Einschluß seine- An­ hanges, der Apokryphen, ein wunderbares, nicht ohne Gott zusammengefügtes Gebäude, sich beschlossene und vollendete Geschichte.

eine i« Aber

ohne vorgefaßten Plan und Absicht ist das Ganze entstanden und zusammengefügt.

Denn wie sehr

in Zeit und Verhältnissen verschieden sind die vie-

len Schreiber dieser heiligen Bücher!

Und doch

bilden sie ein solches Ganzes, als wäre es die Ge­ schichte eines Menschenlebens. Dieses ist nicht das Werk der Kunst.

Denn

die Hebräer, so lange aus Verbindung mit Grie­ chen und Römern nicht Nachahmungssucht, wie in den Büchern der Mackabaer sichtbar ist, in ihnen entstand, hatten keinen Begriff von histori­ scher Kunst.

Es fehlt ihnen sogar das Wort für

Geschichte; sie nennen sie Worte; (5 Mos. 4,9. Irrem. 1, >. u. m. O.) fein und richtig, insofern die Geschichte nichts anderes ist, alS Thatsachen in Worten dargestellt. So müssen wir auch die biblische Geschichte mhmen.

Es sind menschliche Worte;

einzige Mittel und Zeichen, die Vergangenheit wieder halten, Denkmal kann.

ohne deren keinen

das

wodurch der Mensch hervorrufen und fest­

Zutritt auch jedes andere

Sinn noch Bedeutung habe«

Das Wort ist das einzige Geschöpf des

Menschen; so wie des Menschen Seele, nach der Schrift, ein Hauch des Allmächtigen in den Erdenklos, so ist das Wort ein Hauch des menschli­ chen Mundes oder vielmehr seines Geistes in die Dinge,

wodurch er sie belebt und sich aneignet.

4 Darum fährte Sott der Herr die Thier« zu dem ersten Menschen, daß er sahe, wie er ste nennet?* (Genes. 2, iZ.) Dadurch wurden die Thiere und das Wort, das sie bezeichnete, gleiä)sam eins von dem Menschen, und erstere durch letzteres Geschöpf und Eigenthum seines Geistes» Aber das Wort» das er den Dingen anschuf, war doch nicht die Dinge selbst, sondern nur ehre geistige Aneignung und Besitznahme abseite« des nach Gottes Ebendilde erschaffenen Menschen* Also auch nennet der Mensch vergangene Er­ eignisse mit seinen, mit menschlichen Worten, und es entstehet Geschichte» Es geschiehet» was ge­ schehenwar, noch einmal, die Thatsachen erneu­ en sich vor dem Angesicht des Menschen, aber nur als Erzeugniß und Eigenthum des Menschen. Auch das Göttliche muß menschlich werden. Dieses wird es um desto einfacher nnd wür­ diger, je einfacher und kunstloser der darstellende Mensch und seine Sprache ist» und jemehr ersich des eigenen Urtheils enthalt. Solche Geschichte ist auch de» Begebenheiten aklein wahrhaft ange­ messen» indem diese ans einander hervorgehn» wie aus dem Stamm die Aeste» die Zweige, die Dlat* sfr, Und was ist der Mensch, daß er sich rich-

tenb zwischen den Urheber unb bte Würkrmstclle? I» solchem Geist- ist die biblische Geschichte geschrieben, als ob sie sich selbstgeschrieben hätt«. Sie ist eine meufchliche Schöpfung-, ein menschli­ ches Nachbild dessen, was Gott that, füget« und zuließ an den Menschen. Sie ist in allen ihren Theilen Erzeugniß solcher Zeit, wo die Darstel­ lung des Geschehenen in Wort und Schrift Be« öürfniß war für' den Menschen, also Erzeugniß einer Begeisterung., die absichtlos in sich selbstsich kund thut in Worten, wie die Nachtigall, Lerche und Amsel-zur Frühlingszeit durch Gesang, Dav« um thut auch des Verfassers Name wenig zur Sache, «»des ist von keinem sonderlichen Bo lange, ob $. B. Moses oder Salomo selbst bist Bücher geschrieben, di« mit- vollem Recht ihren Namen führen. Was wär« der Menschheit da­ durch geholfen, wenn rpir den Namen deS Man­ nes wüßten-, der das Scl>aaf gezähmt oder de» Pflug erfunden, in deren Besitz wir uns glückli­ cherweise befinden. Die alte Welt schrieb sol­ che heilsame Veranstaltungen, deren Urheber sie nicht-kannte, den Göttern zu; und ist nicht Ent­ fernung qöes Persönlich-Menschlichen Gepräge deS Göttlichen-?- So findet es sich in den heili­ gen Schriften.

6 Also würde man am richtigsten sich ausdrü­ cken; wenn man sagte, der Mensch, die Mensch­ heit habe die heiligen Schriften und deren Ge­ schichten

hervorgebracht.

menschliches Werk,

Die

Bibel ist ein

von und für Menschen in

menschlichen Zeichen gefaßt.

Das Wort Menfch-

heit bezeichnet eine Idee, eben so, wis das Wort Natur. zeichnet

Als ein Gebilde der Phantasie be­ letztere

etwa ein über den sichtbaren

Schöpfungen schwebend

und sie durchdringend

gedachtes personificirtes Wesen;

von dem ur­

theilenden Verstände möchte sie die Kraft seyn, welche die Creatur belebt und gestaltet. Lichte der höchsten Idee, tigen und dieses

In dem

nämlich des allmäch­

allgegenwärtigen Schöpfers verlischt

menschliche Gedankending,

wie vor der

reinen Gotteslehre der Pantheismus (die Allgöt­ terei - des Heidenthums.

Die Natur wäre also,

wie auch die heidnische Benennung

andeutet,

nichts anders, als das immer sich selbst aus sich selbst Gebährende in den Erscheinungen der Welt, folglich ein ewig in sich selbst zurückkehrender Cirkel, und, wie dieser, nur etwas Gedachtes, um das Unermeßliche zu theilen und zn begränzen, und dadurch es dem beschränkten und beschränken­ den Der staube naher zu bringen.

Das Wort

und der Begriff Menschheit ist ein ähnliches

Gedankenwort,

aber eilt viel höhere-, alS mit­

ten innestehend

zwischen

Natur

und Gottheit.

Die Natur erhält dann erst Lebe« und Bedeutung, wenn wir sie mit einem über dir Natur erhabe­ nen unendlichen Geiste,

der ihr-Schöpfer, Ge­

setzgeber und Regierer ist, gen.

in Verbindung brin­

So erscheinet sie uns,

und Bild des unsichtbaren,

als Werk, Zeuge von ihr selbst uner­

kannten Geistes, der Himmel und Erhe erfüllt, sie erscheint uns als ein Bor«,

in welchen heraK-

sthauend wir einzelne Strahlen des ewigen Ur# lichts sehen,

an welches zu glauben unser höch­

stes Vorrecht ist.

So steht der Mensch um so viel höher, als die Natur, als der Goist höher ist, denn di« Ma­ terie.

In der Natur erkennet er Gott,

aber

deßhalb, weil er ihn in sich selbst findet und füh­ let — weil seine Vernunft nichts anders ist, alS ein Vernehmen Gottes. de des Mrnfchen, und

fe

Hierin besteht die Wür­ reiner, und heller dieser

Glaube an Gott in dem Menschen hervortritt, de­ sto größer wird .feine Würde, desto mehr nähert er sich dem, nach dessen Ebenbilde er geschaffen ifo

Aber der Mensch ist geneigt, sich von diese« Glauben zu entfernen, und der Natur sich hinzu^

8 geben.

Daher entstand Abgötterei und Vielgöt­

terei.

Diese setzt die Natur als das höchste, an

die Stelle Gottes.

Die Abgötterei nimmt näm­

lich die ganze Natur, als einen in sich selbst zu­ rückgehenden ewigen Cirkel ohne Mittelpunkt, und indem sie, unvermögend das Ganze zu umfassen, einzelne Theile desselben als Symbole des Ganzen auswählet, erweiset fie ihnen göttliche Ehre (Sadäismus, Fetischismus, ägyptischer Thier - und Pflanzendienst) — oder fie theilet den großen Cirkrl in viele kleine, und giebt jedem feinen Mittel­ punkt. (Polytheismus.) Durch beides geräth die Menschheit, von Gott entfernt, in die Knecht­ schaft der Natur, und verliert ihre Würde, und nähert sich dadurch ihrem Untergange, nicht blos als Staat, sondern auch als Volk. Dies zeiget die Geschichte aller heidnischen Völker, besonders der hochgebildeten Griechen und Römer, deren steigende Cultur nur dazu diente, den Keim der Verwesung schneller zu entwickeln; während daS hebräische Volk alle noch so gewalt­ same Welt - und Staatenerschütterüngen überdau­ erte, und bis auf den heutigen Tag unter allen Völkern der Erde, wenn auch nur als Hülse des ehemals lebendigen Keimes fortbestehet.

Die

Geschichte nicht dieses Volkes, als eines solchen,

9 sondern

btt Menschheit

in ihrer Entwickelung

und Veredlung, ist der Inhalt der Bibel.

Sie

ist Geschichte und Typus der erziehenden Offenba­ rung Äottes an die Menschheit« Der Gang der Menschheit ist nicht ein Cirkel, wie der

Gang der Natur,

sondern eine Linie-

aber keinesweges eine gerade, wie sie seyn sollte, sondern eine krumme, schreitend.

sowohl vor - als auch rück»

Sie gleicht dem vierzigjährigem Aug

der Israeliten durch die Wüste, der durch ihre ei­ gene Schuld

so krumm und so lang wurde, ob­

gleich Jehovah den geraden Weg wollte und ih­ nen , sogar siraks durch das rothe Meerverzeich­ nete.

Der Mensch kann,

weil er frei ist,

wie

Gott, Gottes Weg« sobald er will« verlassen, und den entgegen gesetzten eigenen einschlagen. dadurch, sich wirft,

Auch

wenn er feine Krone und Würde von und sich zur Knechtschaft erniedriget,

beweiset er seine» ursprünglichen göttlichen Adel und Herkunft,

so wie aus den herrlichen Tempel-

trümmern und Statuen der untergegangenen Grie­ chen- und Römerwclt zugleich die Göttlichkeit und Naturknechtschaft

dieser

verschwundenen

Zeit

hervorleuchtet. Aber doch nicht ohne Gott gehet die Mensch­ heit ihre eigenen Wege«

Die Gottheit waltet über

10

und unter den Menschen, wie baS Gewissen und sittliche Gefühl, und der,

noch so sehr entartete

Glaube an das Göttliche in dem einzelnen Men­ schen und in allen.

Wer könnte z. B. im Homer

dieses verkennen?

Die beiden Gedichte, die sei­

nen Namen tragen, sind ihrem Inhalte nach das Product und der Abdruck eines Zeitalters.

Die

Form ist unaussprechlich schön — in dem Sinne schön, in welchem man eine Blume oder auch eia menschliches Gebäude so nennt. Götterwelt herrscht darin?

Aber welch' eine

Doll Hader, Par-

theilichkeit, Eigennutz, Selbstsucht und Bosheit. Im Grunde ist es die Natur, die irdische nämlich, wo auch unaufhörlich Eins das Andere bekämpft und verzehrt —

oder die wahrscheinlich frühere

ägyptische Vergötterung der Naturkrafte hier in vermenschlichter Form dargestellt.

Götter und

Menschen erscheinen durchaus als Spielzeug der sinnlichen,

thierischen

Triebe.

Der göttliche

Achilles ist ein Löwe, Divmedes ein Tiger, Ulys­ ses ein Fuchs — und den Helden gleichen die Göt­ ter.

Ja, selbst der edlere häusliche Stamm der

Dardaniden, der menschliche Hector roh* unter­ drückt.

Wie konnte ein solches Poem,

dessen

Ungerechtigkeit jedes unbefangene Gemüth sicher­ lich oft empört,

und dessen Göttenvelt so anstö­

ßig ist, so entzücken und selbst die Grundlage heb-

lettischer Bildung werden?

Es wurde dieses

theils freilich durch seine schöne Form und Dar­ stellung, theils durch die ihm einwohnende Ruhr, Einfalt und Unparteilichkeit, wodurch es als ei» auS sich selbst hervorgegangenes Naturprodukt erscheint, vorzüglich aber auch durch die überall hervorleuchtenden Lichtpuncte, die einen Gott über den Göttern und ein zartes sittliches Gefühl indem Menschen andeuten, und auf solche, wenngleich gemächliche und nur scheinbare Weise, den Wider­ streit des Geistigen» und Fleischlichen versöhnen. Darum konnte dieses Gedicht gleichsam die Bi­ bel der Griechen werden, und aus demselben der hohe religiöse Ernst der Tragiker, und die Philo­ sophie eines Sokrates, Pluto und Aristoteles her»orgehn. Warum wollten wir, vielleicht einseitig und ungerecht,

nicht auch in diesem Volke ein Kind

des lgroßen väterlichen Hauses, und in seiner ei­ genthümlichen Bildung, eben so gut, als in der hebräischen Cerimonien * Periode,

die Leitung

Gottes außer, und des Göttlichen in dem Men­ schen erkennen?

Dürfen wir nicht auch eine»

Sokrates, Plato u. a. für solche achte», die der Erscheinung eines Reiches Gottes harreten, und einem König der Wahrheit, der da kommen sollte,

nach ihrer Weife die Bahn bereiteten r

wie Ara-

tus und Epimenides, dem Apostel zu Athen aus Creta ihr Dichkerwort leihen und sogar der dem unbekannten Gott in letzterer Stadt geweihete Altar dem Evangelium den Eingang eröffnen mußte. Und ist nicht auch das Schöne, Wahre und Gute göttlich >

sowohl als das

Ja vielmehr, find

nicht alle drei, «pie Leib, Seele und Geist, auf das innigste verbunden,

wo sie gemeinsam er­

scheinend Aber eben dir Trennung machtauch das Schö­ ne zum Stückwerk, das nicht bleibet. chen Volkes

Des Grie­

Weg war auch ei« Fortschreiten

zum höchsten Ziele, aber es konnte nicht dahin ge­ langen , weil es eben das Schöne zum Hauptziel seiner Bestrebungen machte, dem Höchsten,

und dadurch von

von Gott und der Gottseeligkeit

entfernt wurde.

Den» das Schöne ist Form,

Leib, wie die Saiomons Herrlichkeit übertreffen­ de Lilie,

wen« auch Zeuge der VaterKebe des

Schöpfers, doch sinnlich r eS sucht eigennützig sich den Geist zu unterwerft»,

wie die Griechen die

zerstückelte Gottheit in Marmor 6i(bettn — und so sucht der Mensch,

ähnlich de« lnenfchkich-ge­

stalteten Göttern,

blos im Genuß iseinev Selbst

seine Befriedigung.

So wird denn ftin DildungS-

gäng nicht eine durch Krümmungen fortschreitende,

ein« swi den sinnlichen Mittelpüyek (daSchöne) sich windende Kreislinie, dem Ratutgange ähnlich und folglich irdisch und vergänglich, so gut wie das Ceremonienwesen der Hebräer. Doch Hat das Schöne» als nahe verwandt mit dem Höchsten, dem Wahren und Guten, wieder, wenn es seinen.Cyklus vollendet hak» das Eigen­ thümliche, daß es auf die Dauer nicht ganz befrie­ digt,

sondern alsdann eine Sehnsucht nach dem

Höheren erweckt und dem unbekannten Gott untek den bekannten einen Altar setzt.

Darum toutifrtit

auch die Griechen die vorzüglichsten Gchülft» und: das erste eigentliche Vaterland des Christeqthuyls, und ihre Sprache, jedoch, ihrer weltlich-schönen Form entkleidet, als welche der Einfalt des gött­ lichen Wortes nicht geziemen konnte, die Sprache des Evangeliums. In der Idee Gottes, oder» welches einerlei ist, in dem Glauben an Einen Gott vereinigt sich Schönheit, Wahrheit und Güte, welche zusam­ mengenommen das Heilige ausmachen, das höch­ ste Ideal der Menschheit»

Wo dieser Glaube an

Einen lebendigen Gott nicht ist,

da wandelt die

Menschheit, oder das einzelne Volk auf Abwegen, und seine Geschichte ist, wie die des vrrlohrnen Sohnes im Evangelio, demüthigend aber nicht geeignet,

den

Bund

und warnend,

Gottes mit dem

i4

Menschen ttttb die Erziehung des letzter« unter Gottes Leitung darzustellen. Denn dazu gehört nothwendig, wenn auch «och nicht Liebe, die herrlichste Frucht dieser Erziehung, doch Aner­ kennung des Erziehers und Ehrfurcht vor ihm, dem über Natur und Menschheit unendlich erhabettenen leitenden Geist. Das höchste Ziel und die Vollendung dieser Erziehung ist nichts anders, als die Erscheinung und Vereinigung Gottes in und mit der Menschheit, und dadurch dir göttliche Kindschaft, in welcher Gott vermenschlicht und durch Dankbarkeit und Liebe, ohne Gesetz, alS Vater erkanitt und verehrt wird. Dieses ist die Vollendung des Evangeliums. Die biblische Geschichte stellet diesen Gang der menschlichen Bildung, den einzig richtigen, dar. Darum heißt st« mit Recht eine heilige. Nicht, als ob fie nur heiliges enthielte, vielmehr enthält sie des unheiligen so viel und noch mehr, als je­ de andere Geschichte; ja, fiemiußte dessen mehr ent­ halten , weil die Nacht dem Lichte gegenüber desto starker hervortritt. Aber eben deswegen ist sie eine heilige, weil in derselben die höchste Idee, nämlich des! lebendigen Gottes überall waltet, mag der Mensch fie auch auffassen, wie er will, oder sich so weit von ihr entfernen, als er kann. Dir-

*5 fe höchste Idee ist in der Bibel so enthalten, wie in der Vernunft; sie gehört zu dem innersten We­ sen der heiligen Schriften, und kann eben so we­ nig in ihr irgend eine- Erweises bedürfen, das Daseyn des Lichts und der Sonne.

als

Eben so

einfach und unbefangen giebt fie auch die Geschichte der Aufnahme dieser Idee bei den Menschen,

in

der Annäherung und Entfernung zu und von der­ selben.

Die heilige Geschichte ist nicht, wie die

weltliche es nicht anders seyn kann, befangen in der irdischen That und Handlung, die fie darstellt, sondern fft laßt die Ereignifft der Menschenwekt und ihre Entwickelung, wie aus sich selber hervor­ gehen und fortschreiten, als ob fie die Entwicke­ lung und Geschichte eines ZratttrgewächseS untre dem Einfluß des Himmels darstellte.

So findet

sich in derselben keine Spur von Partheilichkeit oder nur persönlicher Theilnahme.

Der Vorwurf

den man ihr mehrmals gemacht hat,

daß fie den

Zweck habe, das hebräische Volk zu erheben, ver­ schwindet vor jeder Beleuchtung.

Vielmehr er­

scheint dem Kundigen überall das Gegentheil. Ver­ schweigt doch die Geschichte keinesweges die mensch­ lichen Schwachheiten und Flecken der Stammva­ ter des Volkes und seiner ersten Helden,

«ineS

Abraham, Moses, Samuel und David. Freilich gehet die Geschichte der Menschheit

i6 ln btt Geschichte eines Einzelnen, politische rundes denkenden Volkes stber. Aber das ist nicht Feh­ ler oder Einseitigkeit, von ihrer Seite, sondern ei» Vorwurf für die Menschheit, und Vorzug der Geschichte» Gab es denn irgend «in anderes Volk auf Erden, das die höchste Idee der Mensch­ heit in sich bewahrte und durch sie gebildet wurde? Und ist nicht von diesem Volk« die Höchsts Idee über aste Völker der Erde ausgegangen? Aber darum ist dennoch diese Geschichte nicht auf den engen Kreis der einzelnen Nationalität beschränkt, obwohl sie als menschliche- und natio­ nales Erzeugniß, sowohl der Mensche«, unter wel­ che« sie geschah, als deS Bodens, worauf sie ent­ sprang und ihre Darstellung empfirng, Farbe und Eigenthümlichkeit nicht verleugnet. Alles Mensch­ liche kann nur in menschlich beschränkter und na­ tionaler Form gegeben «erden. Selbst die Na­ turgewächs« bilden sich eigenthümlich klimatisch, und die Roftn von Jericho und des Thales Saarvn hatten sicherlich ihre bestmdere Form in StammBlatt und Blume, aber doch waren eck Rosen« So umfaßet auch di« heilige Geschichte das Allge­ meine in dem Besondern, und wie ans einem Baum, Hatt oder Kornhalm das Lebe« und die Bilbungskrast der Natur, so kam aus den zerstreuten Blät­ tern

i? fern dieses Buchs der Gnade der Gang der Welt­ regierung und Welterziehung von dem göttlicherleuchtetem Auge angeschauet werden, so fern wie dessen bedürfen. Und so heißt auch die Bibelgeschichte,

so

menschlich und volksthümlich sie verfaßt seyn mag, mit Recht Gottes Wort,

und ist eine Leuchte

unsers Ganges und ein Licht auf unserm Wege. Darum geziemet uns, sie als göttliches Wort mit Vertrauen,

und als ein menschliches Licht mjt

Genügsamkeit zu gebrauchen.

§.



Die biblische Geschichte

ist Geschichte der

Menschheit, als eines göttlichen, zwar von Gott abgewichenen, Geschlechts.

jedoch nicht voniGott verlassenen So füget sich überall in der Bibel

dgs Hohe zu dem Niedrigen, das Große zu dem Kleinen, das Licht zu dem Dunkel.

ist

Die Erde

nur „ein Stäublein in der Waage,"

Tropfen am Eimer,"

„ein

gegen das große Welten­

meer, das sie umgiebt;

aber dennoch auch daS

geliebte Kind des großen — altteutsch und evawgelisch als» genannten — Allvaters, der Heerschaaren,

deS Herrn

vor welchem nicht die Masse,

sondern daS Licht und der Geist Ansehen und Werth hat.

Die Erde selbst ist ein dunkles Geschöpf, doch kommt das Licht zu ihr, ohne welches sie ein tod­ ter Klumpe,

wüst und leer,

seyn würde.

Licht

war des Schöpfers erste Gabe. Warum wurde die Erde nicht ein Lichtkörper, wie das zahllose Heer der Sterne, dfe mit eige­ nem Lichte leuchten?

Eine seltsame Frage.

Ge­

nug, sie wurde es nicht, und' ihr Loos und Be­ ruf ist, daß sie das Licht empfange von oben. Zwi­ schen Licht und Finsterniß, Tag und Nacht ge­ theilt, des Lichts ermangelnd undbedürftig, ist die Erde im Zustande der Kindheit und bedarf der mütterlichen Pstege.

Mit Recht nennet die tiefe

Sprache des neuen, christlichen Kanaans, wozu unser Teutschland in Europa erkohren ist, das Gestirn, um welches sie sich bewegt und voll-wel­ chem sie Pflege und Nahrung empfängt, mitweib­ lichem Namen. Wäre die Menschheit göttlich vollendet, so würde auch ihr Wohnort ein Edel: seyn und glänzen, wie Tabor, als der verklärte Gottmensch auf dessen Gipfel stand.

Solche Ver­

wandlung ist ihr verheißen, und darnach seufzet die Kreatur; aber erst Muß die Menschheit gött­ lich werden.

Das ist ihreAufgvbe uridLhr Kampf.

Die Geschichte diefts Kampfes-zwischen Licht und Finsterniß ist die Geschichte der B'bel.

Man

»s könnte ihr die Aufschrift geben i »der,

die

Menschheit,

die Kinder Gottes auf Erden im Stande

der Erniedrigung. So steht die biblische Klio im Dunkel und in der Tiefe; sie sichet die himmlischen Heerschaamt über sich in der Ferne, leuchtend mit reinerem und eigenem Lickt —

sie höret den Klang und

Gesang der höheren Sphären über dem dunkeln und seufzenden Gange der gebundenen Erde uyd ihrer, sterblichen Bewohner, Licht,

und betrachtet dtzs

das ihr aus Erbarmen täglich, wie einem

Sklaven sein Drodtheil zugemessen wird, als Fünklein aus dem unermeßlichen Lichlstrom, h die des Erdbodens, als des Wohnsitzes der Menschen, eröffnet die Bibel. Wir viel würdi­ ger und edler ist sie als alle Kormogonieen des Al­ terthums ! Diese vermessen sich, den Ursprung der Welt, also das fiebernütürliche und was vor der Natur war, ans dem Natürlichen erklären xu wollen — durch Kampf der Elemente, durch cha­ otische Gährung, durch Änjiehung der Atome, A. s. w» Sie sind allesammt Erzeugnisse des Heidenthums, welches, von der Welt beherrscht, die höchste Idee zu verkörpern, und dann die Mate­ rie wieder zu vergöttern, und auf solche Weise 'dem Verstände die höchste Stelle zu sichern, zu gleich aber auch der Vernunft einigermaßen zu genügen oder fl« zu beschwichtigen sucht. Das Heidenthum geht aus sich selbst heraus, und etr* setzt sich in die Stelle der Gottheit, um die dem Menschen, in seiner Vernunft, gegebrnen höch?

sten Idee« in bas Gebiet der Erscheinungen zu liehen un» bem Verstaube zu unterwerfen. Dem» das ist das Wesen des Verstandes, wie auch deWlw Benennung andeutet, daß er astes andere, auch die Vernunft, vertreten und repräftntiren, und stlbst die Tiefen der Gotcheit ergründen wist, da er doch nur auf die stchlbaren Dinge rmd auf Be* griffe und Verhältnisse des gegebenen beschrankt ist, und aus stch selbst nichts hersorbringen kann. Sobald er alsd mehr wist, als das Gegebene ord«tv, hüten und bewahren, so überschreitet er sei> tte Gränzen und seine weltliche Weisheit wird Uit* verstand und Thorheit. So war es in dem denthuiz;; das erweisen dessen Kvsmogonieen. Die göttliche Erziehung der Bibel aber &e* Weckt eine Einkehr des Menschen in stch selbst. Und nicht eine weltliche und stnnliche-, sondern ei* ne religiöse und sittiiche Menschenbildung. Sa giebt- sie die Wahrheit entweder in großen einfa­ chen Ausdrücken, die oft einen tiefern Ginn ent­ halten, als der Iöglmg setzt noch zu fassen ver­ mag; oder sie stellet ihm das Göttlich-geschehene in einfacher Geschichte dar, d. h. in menschlicher Form und Gestaltung, dgmit das Göttliche da­ durch menschlich, und der Glaubt, sofern er es vermag, e,n Schauen werbe»

22

Beides geschieht in der Schöpfungsgeschichte. Der Ausspruch: „am Anfang schuf Gott Himmel und Erde" ist das Einfachste und jugleich Umfas­ sendste, das Höchste und Tiefste, was in menschli­ cher Rede gesagt werden kann.

Im Beginn der

Zeit rief Er, der vor der Zeit da war, der Ewi­ ge, dem, das nicht war, und es wurde, —die Himmel,

die Höhen der Schöpfung,

auch die niedrige,

die Erde.

und dann

Sie ward mit je­

nen, aber als ungeordnete Masse, wüst und leer. Von oben kam ihr das Licht, Ordnung, jede gute und vollkommene Gabe. Dieses und die allmählige Ausbildung des licht - und lebenlvsen Erdkörpers und die Einfüh­ rung desselben m den himmlischen Reigen erzählt die heilige Urkunde in einfacher historischer Weife, und theilet die zärtliche Wärckfamkeit in menschli­ che Tagewerke. ders fassen?

Wie könnt' es der Mensch an­

Und bestehet de>-n nicht dieser Wech­

sel des Tages und der Hacht, des Morgens und des Abends seit Anbeginn der Erde?

Erneuet

Nicht der Schöpfer immerdar dieses sein Schö­ pfungswerk, durch seine Vermililerin, die müt­ terliche Sonne,

welche den Erdentag und die

Nacht regieret,

und besonders im Frühling den

Geburts- und Schöpfuligstag ihrer irdischen Km-

der zwischen Blüthen und Düften und mit Gesang und Klang wiederholt.

Die beste Ansicht des

Weltgebaudes, dieser großen göttlichen Hirrozlytät* ist die kindliche.

Das kindliche Gemüth ist wie ein reiner ruhi­ ger Spiegel, der das einfache Leben des inwen­ digen Menschen und dessen Erscheinungen, die Ideen, rein in sich aufnimmt. Die HKchstemenschliche Idee ist Gott, wie dem Thiere der Jnstinct, so dem Menschen in der Vernunft gegeben. Die­ se fühlet er mit seinem Gemüthe, aber mit die­ sem Gefühl erwachet auch das Bedürfniß, Idee selbst festzuhalten und darzustellen. schieht durch die Sprache, aus dem Innern,

die

Das ge­

die Idee tritt hervor

es entsteht erne zweite,

eine

menschliche Schöpfung, die Sprache wird erschaf­ fend, der Mensch ein Schöpfer.

So wie er —

getrieben von dem Geiste Gottes — spricht,

so

geschieht es; die innere Anschauung seines Ge­ müthes tritt hervor in Schrift oder Rede und wird Geschichte, Darstellung des Göttlichen, Of­ fenbarung. Freilich ist die Darstellung nicht die Sache, das götkltche Würfen selbst, eben so wenig als bas bezeichnende Wort das bezeichnete Ding selbst ist; aber so wie durch das Wort dem Menschen die

Sache,

sofern er sie in, sich aufnehmen und fassen

kann, gegeben und gleichsam in ihm rrze«get, und seiner innern Anschauung dargeboten wird, so wird ihm auch das göttliche Werk, foferrr Menschen es fassen können, durch solche selbstthätige innere Schöpfung offenbaret.

Und so wie das Auge des

Menschen durch die Lichtstrahlen das Bild der Ge­ genstände empfängt, nicht aber diese selbst; (fe soll auch dqs „Wort Gottes" in der heil- Schriftbeiy Auge des inwendigen Menschen ein refleetirrndes Licht der göttlichen Wärcksamkeit werden.

Das

Bild ist auch hier so wahr und wirklich als die Sache selbst, aber freilich kommt es hier auf das Auge an; ist das Auge ein Schalk »der ein thierisches, so wird der ganze Mensch dunkel undthierisch seyn. Mur in Gottes Lichte sehen wir das Licht. Es verhalt

sich mit dem

aus

dem in­

nern Heiligthum des Menschen gebohrnen göttlichen Worte, wie mit dem Worte, wovon das gei­ stige Cvangelium redet; es wird Fleisch und woh­ net unter uns, aber nur dem vertrauten, gläubi­ gen Jünger erscheint es in seiner Herrlichkeit, Gnade und Wahrheit.

Wenn Jesus Christus

der Sohn Gottes und Maria's Sohn heißt, so ist und bleibt das Wort dasselbe in Sinn und Bedeutung, nur das wacht de» Unterschied, daß

es bork mit dem, der in einem Lichte wohnet, da niemand zukommen kann, hier aber mit einem menschlichen Wesen verbunden ist. „Gott sprach es werde Licht.' und es ward Licht" — auf wel­ che andere Weife kann dieses gleich würdig und menschlich gesagt werden? Gehört zu dem Worte, hem geflügelten, der knöcherne Gaumen und die fleischige Zunge? — Die Darstellung der Schö­ pfung ist reine Geschichte. Eie wiederholt sich an jedem Tage menschlich und irdisch, fb wie der 104« Psalm sie darstellt, denn das Göttlich begonnen^ wahret, so lange der Ewige will — aber, wie die'heilige Schrift sie darstellt, geschah sie nur tut* Mhk. §. 4« Licht war das erste« was von Gott ausging, »nd die Erde überströmte, Licht ist Gottes Kleid, es ist das Band zwischen Himmel und Erde, Zeu­ ge und Vermittler des Schöpfers« So mußte es das erste Erzeugnis der Schöpferkraft werden, dem selbst, als von Gott ausgehend, Schöpfer­ kraft einwohnet. Das Zuletzterschaffene ist der Mensch, und zwar, als nicht zur Erde gehörig, nach einem besondern Nakhschluß der Gottheit: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sey. — Daß dieser in der einfachen, wort-

kargen Urkunde umständlich aufgeführte Beschluß einen Sinn habe, wem könnte solches entgehen? Ein Heide,

Seneca, sagt: die Natur berath­

schlagte über uns, bevor sie uns bildete; wir sind nicht solch geringfügig Werk, len konnten.

Wisse,

daß wir ihr entfalr

der Mensch ist nicht ein

übereiltes und unbedachtes Gebilde. Die andere Urkunde bildet den Leib besonders ans Erde, nicht als ob der Menschenleib aus anderm Stoff, als der der Thiere, gebildet wäre; son­ dern die Geschichte erzählt dieses, als ob befrem­ det, daß auch das Ebenbild der Gottheit einen iroischen Leib trage. — Hier beginnt, sogleich bei dessen Entstehung, das unergründlich räthselhafte Wesen des menschlichen Daseyns und seiner wun­ dersamen Zusammensetzung.

Selbst die heilige

Urkunde bestehet aus zwei Stücken. — Einfach und groß sagt die erste: „Gott schuf'denMenschen ihm zum Bilde" und legt, was sonst die Weise der Bibel nicht ist, auf diese Worte einen beson­ dern Nachdruck durch die Wiederholung: „zum Bilde Gottes schuf er ihn."

Kanu die Würde

und Hoheit des Menschen kürzer und herrlicher ausgedrückt werden,

als durch dieses einfache

Wort? — Vielfältig hat Menschenweisheit ge­ klügelt, diese beschwingten Worte zu zahmen und

sie in so viele Theil« und Theilchen, als möglich, zu zerlegen^ um sie verstandrecht zu machen, auf daß überall das Stückwerk, die dunkle Scheibe (i Kor. 13, iß ) neben dem Licht erscheine. Der Mensch, gezähmt durch einseitige Cultur ist scharf­ sichtiger geworden, für die Nähe, aber leider! zugleich furz - und blödsichtiger. §. 5. Die Schöpfungsgeschichte ist die einfachste Theodicee. Des Schöpfers erste Gabe ist das Licht, in welchem die überallwirksame Schöpsungs« und Bildungskraft über das todte Chaos ausgegossen wird, gleichsam die Seele und das Leben her Erde. Es wird der Erde, wie vom Anfang, gegeben und zugemessen, und höhere Himmels­ körper sind gesetzt zu Haushaltern dieser Gnade Gottes. Wer könnte fragen, warum der Erde nicht mehr gegeben ward? Des Lichteö erste Wir­ kung war Trennung des Verschiedenartigen, Ord­ nung des Gleichartigen; die Erdmasse wurde fe­ ster Boden oder Gewässer, und ihre Lebenskraft offenbarte sich zuerst in Gestaltung der Pflanzen und Baume, der untersten Stufe lebender Wesen, in welchen zugleich Wasser und Erde durch Zufluß des Lichts zu eignem Daseyn sich bildet. In dem Boden gewurzelt erheben sie sich über dxrftlbrn

9$

sehnsüchtig nach dem Lichte;

da ward ihnen die

Sonne zur Pflegerin gegeben/; ihnen das Licht zu spenden und die Nahrung zubereiten.

Dann wer­

den die Lust und das Wasser« mit eigenen, sen Elementen'angemessenen,

die­

Geschöpfen bevöl­

kert, mit Fische« und Gevögel.

Es ist hier die­

selbe Scheidung wie zwischen Wasser und festem Lande« den.

und derselbe Gegensatz, wie zwischen bei­ Die Luft ist gleichsam das verkörperte stö­

ßige Licht, das Wajstr die verkörperte Finsterniß. Die Bewohner der erster«,

die Bögel find bene«'

des andern, wie Luft dem Wasser, Licht der Fin­ sterniß, entgegen gesetzt,

wenn fie gleich in der

Art ihrer Bewegung sich ähneln.

Die Fische sind

stumm, kalt-, von starrer Gestakt, mit weSrnförmigt» Schuppen bedeckt;

die ander» mit Tönen

begabt-, die ihre Empfindungen bezeichnen, oder^ ihre«, selbst unbewußt, sogar bis zur ftelenvollsten Melodie sich erhebe», warmblütig und zärtlicher, ja treuer ehelicher 'Liebe fähig, und dazu mit be­ wunderungswürdigen Kunsttrieben versehen; ge­ schmückt mit leichten farbigten Federn und Schwin­ gen ; und die Aierde und das Leben der Luft und der Pflanzenwelt, die sie bewohnen.

Mau könnte

beide alS Geschöpfe des Tages und der 'Nacht unterscheiden, ist.ihre

und eben durch diesen Unterschied

gemeinsame

Entsirhurrgspkriode m der

Schöpfungsgeschichte auf eine eigenthümlich tiefe Weise begründet. Di« Erschaffung, der Thierwett auf dem festen Lande wird dargestellt als »in Product der Erd«. Gott sprach:

die Erde bringe hervor lebendig«!

Thiere. Sie sind nächst den Pflanzen am genauesten mit derselben verbunden,

und, wie der Dichter

den Elephanten einen beseelten Knochenbedg nennt, allesammt beseelte kleinere oder größere Erbmassen, mit erdwärts gesenkten Köpfen,

lebende Bilder

niederer Triebe und finsterer Knechtschaft»

Die

Erbe hat sie Hervorgebrachtaus dunkelm Schoost, doch tragen sie nicht alle in gleichem: Maaßedje Spuren ihres niedern Ursprungs.

Manche, z.B.

die Kröte sind der Abscheu jedes Menschen, weil sie als Abdruck des niedrigsten und bumpfrsten Erdsinnes erscheinen, andere, wie die Assen, sind ln ihrer äußern Menschenahnlichkeit die häßlichen Bilder

knechtischer Sünde und Lasterhaftigkeit.

Andere sind die verkörperte Wuth, Grausamkeit, Habsucht, Neid, kurz die lebenden: Bilder fedeS Moralischhaßlichen, was der Mensch mit Freiheit begehen kann»

So tragen sie die Merkmale des

Ursprungs an sich, als aus.der Erde gebohrrn und zur Knechtschaft bestimmt-

Da ihnen der

göttliche Funke fehlt, so konnten sie nicht anders werhrtu.

Auf-einer höhern Stufe stehen dieienk-

gttt Thiere, welche die Urkunde bas Vieh rie«nt, die zunächst zum Dienst des Menschen bestimmten Hausthiere. Ihre Zähmung meldet keine Geschich^ U, und sie ist, nach der heiligen Urkunde sö alt, als die Schöpfung, und erscheint als ein noth wendiges Agregat der Menschheit, und feiner Würde. Wie gewisse Früchte zur Nahrung, so waren gewisse Thiere ihm zum Dienst bestimmt, imb durch göttliches Recht ihm zugesellt. Der Mensch ist gleichsam ihr Gott, und er kann, tote die Erfahrung zeugt, ihnen durch seine Nähe eine Art von Menschlichkeit, sogar von Vernunftähn­ lichkeit und sittlichem Gefühl mittheilen, auf ähn­ liche Weise, wie wenn der Mensch in dem Um­ gänge und der Gemeinschaft höherer Wesen lebte. Mit welchem seelenvollen Blick kann manches Hausthier seinen Herrn ansehen, und selbst in Noth und Schmerz ihn um Hülfe anflehen, und wie die Rosse des Patroklus, um den gefallenen Herrn, wie mit Thränen, jammern? Ein eigenes Band vereint diese Thierwelt Mit dem Menschen; beide wurden an einem Tilge erschaffen, und der Mensch gehört mit sei­ nem Körper und durch den Stoff, woraus dee Schöpfer diesen bildete, der Thierwelt an, aber er selbst bildete ihn, und hauchte ihm den Odem

3* des Lebens in seine Nase,

und so warb der

Mensch ein lebendiges Wesen. — Das Licht war das erste, der Mensch das letzte erschaffene We­ se», beide die Stellvertreter des Schöpfers; mit­ ten innen zwischen beide ordnete der Schöpfer die Natur und unterwarf sie der Herrschaft Des Meqschrn, und that denn den Ausspruch über das Ganze, daß alles gut sey. Bei diesem göttlichen Schöpfungswerke wird es, wie bei menschlichem Tagewerke Abend und Morgen; natürlich erst Abend und Nacht, und aus ihnen tritt der Morgen, die erneuete Schö­ pferkraft hervor, das Licht kommt in die Finster­ niß, und das alte Dünkel, das vor dem Lichte die chaotische Masse bedeckte,

sollte auch ferner

sein Recht über die irdische Schöpfung behaup­ ten, als bezwungen und gemildert von dem Lich­ te. Tag und Nacht, Licht und Dunkel, Geist und Leib, Odem Gottes und lebloser Staub, Herrschaft und Knechtschaft — das sind dieGrimvjäge, nach welchen der Wohnort des Menschen, die Erde gebildet und eingerichtet wurde; düS besagt und diesem entspricht die Schöpfungsur­ kunde.

Daß alles allmahlig und nach einander

hervortritt, ist ein anderer Grundzug des Jrrdischen und feinet langsamen Entwickelung jedes Gebens vom Saamenkorn bis zum Geist des Men-

32

schr«. Diese ist eitt steter Kampf gegen die der Erde einwohnende Trägheit und Schwer« und «in Streben sich über diese ju erheben. Auf der Erde ist Schnelligkeit ködtend und zerstörend; wie geschwind bewegt sich dagegen der segnende Lichtstrahl und mit welcher Eile schwingt die Sonne den ganzen Erdball durch ihre weite Bahn! — Die sechs Tage der Schöpfung sind als sol­ che, wie sich von selbst versteht, göttliche Tage, Offenbarungen des Lichts und Lebens in dem Ge­ riete der Finsterniß und des Todes. Die irdi­ schen Tage sind die fortbestehende Abbilder je­ ner göttlichen, so wie die kindliche Menschen­ sprache die göttlichen Schöpfungsworte mensch­ lich nachspricht. Wer könnte sie anders und auf würdigere Weise? Ist nicht auch das höch sie und umfassendste Wort, womit Jesus Chri­ stus den Schöpfer und Regierer der Welt, uns benennen und anbeten lehrte, zugleich das allge­ meinste, einfachste und kindlichste? §. 6

Der Schöpfungsgeschichte schließt Mt Heili­ gung des siebenten, als des Ruhetages sich an» Man hat daraus mehrmals rückwärts schließen wollen» die ganze Anordnung des Schöpfungs, wertes in sechs Tage und ritte« Ruhetag fei durch

»urch das Sabbath-Gesetz und um dessentwillen »eranlaßt und gemacht worden;

also um einen

Grund zur Heiligung des siebenten Tages zu ha­ ben,

hat die Geschichte dre Schöpfung so ein­

getheilt.

Aber wie stimmt solche Klugheit zu der

Einfalt der Darstellung? Das Gesetz der Eabbathfeier wurde erst ge­ geben in der Zeit der Gesetzgebung, aber gehei­ ligt war dieser Tag schon durch die den Men­ schen in menschlicher Weise — wie sollte sie awders? —

gegebene

Schöpfung.

Offenbarung

Dieses wird

auch

der göttlichen dann

erhellen,

wenn wir diese geschichtliche Schöpfungsurkunde — anstatt des höheren Wortes Offenbarung — nur als eine aus

der Menschheit selbst erzeugve

und gestaltete Ansicht und Darstellung des gött­ lichen Werkes erkennen und benennen wollen. Nach derselben ist der Mensch nach Gottes Bilde erschaffen, und dieses wird man doch woht »ach dem ganzen einfach erhabenen Geist dieser Geschichte

nicht von dem aus dem Staube ge­

bildeten Leibe deuten wollen.

Er soll Gott nach­

ahmen und darstellen in Beherrschung und Ver­ schönerung der Erde,

und als Gottes Gehülfe

und Mitarbeiter soll er sich immerdar so bewei­ sen, daß dessen Bild an ihm erkannt werde. Die­ se Wahrheit liegt offenbar in dieser einfachem Gr-

Hchjchte»

Hie ist des einfachen Gewächses Kro-

tw und Blüthe. Die andere Wahrheit ist:

Gott ist der Ur­

heber der Erde und ihrer Gestaltung, so wie die ganze Welt von ihm und dnrch ihn und in ihm beste­ ht t. — Dieses erkennen wir durch den Glauben, ohne weichen unser innerer Mensch nicht zur

Ru­

he und Uebereinstimmung mtrfW) selbst gelangen kann, und wir uns

selbst wegwerfen müssen. Un­

ser Vernunft zwingt ans dieses für eben so ge­ wiss anzunehmen, als wir sinnlich überzeugt sind, Laß durch Vermittelung der Sonne uns der Tag kommt- obwohl wir das wie eben so wenig be­ greifen, als das Wesen aller Dinge und unser «»genes. — Daß Gott auch die Zeit, und in der Zeit erschuf, -ringt sich uns mit gleicher Gewiß­ heit auf,

obwohl wir auch dieses Wort nur in

menschlicher Beschränkung fassen können, und alS

et«

Stückwerk,

über welches

unsere

Vernunft

Gott als erhaben denken und fühlen muß.

Als

der Herr sprach: es werde kicht —entstand auch die Zeit, beides gleich unbegreiflich. Nachdem nun alles erschaffen war, sagt fer­ ner die Urkunde in sechs Lagen — und warum sollte es nicht in so

viel

göttlichen

Lagen, in

sechs himmlischen Pulsen — rhythmisch

bewegt

sich doch alles Große und Freie — geschehen und

vollendet seyn? — Da hörte der Allmächtige auf Zeitwesen hervorzubringen;

er rührte. Und die­

ser Ruhetag der göttlichen Allmacht und Schö­ pferkraft — dauert seitdem fort,

und wird erst

enden, wenn nach der Aussage der heil. Schrift, Himmel und Erde wie ein Gewand verwalten und vergehen, und in.einen neuey.-Himmel und eine neue

Erde werden

verwandelt werden«

Kann

man zu groß von Gott denken und ist diese Palingenesie des Weltalls nicht der Culmknationspunkt der Offenbarung und die Vollendung des Glaubens? Schwung

Ist

dieser Gedanke

des menschlichen Geistes,

der höchste so ist das

um so mehr Beweis seiner Wahrheit. Der Schöpfer rührte die Saamenkörner,



er

ruhet noch;

die seine Hand im Anfang

ausstreuete, durchdrungen von dem Anhauch sei­ nes Wortes,

keimen und wachsen und mehxe»

sich ein jegliches in feiner Art, und der Mensch, sein Ebenbild wandelt unter ihnen und schaffet nach seiner Weise.

Er wiederholt

das

Schö­

pfungswerk nach seiner Art, alle sechs Lage. Sa gebührt ihm auch, und inne werbe,

daß er seines Werkes froh

und es ansehe, ob es gut sey;

er soll den göttlichen Ruhetag in dem irdische« menschlich

wiederholen

göttlichen machen.

und

diesen

zu

einem

36 Ist Hut» dieser menschliche Sabbach,

wo er

des irdischen Schaffens sich enthalt, irdisch oder göttlich?

aus dem Fleisch uns politische Klug­

heit, oder aus dem Geist uns himmlische Weis, heit gebohren? Und wenn er letzteres, ein Erzrugniß des innern Menschen, nicht fein Ursprung dahin,

ist, gehört dann

wo die Quelle rein

und klar aus der Hand der Allmacht und Weis, heit entsprangt Und was späterhin zum heiligen Gesetz gewacht und als solches ausgesprochen wurde, war das nicht früher in dem nruerschaffetiett Menschen so gut, als das andere, mit diesem gesetzlich ausgesprochene: btt sollst deinen Vater und deine Mutter ehren? Nirgends also konnte diese Heiligung des Ruhetages einen schickliche­ ren Platz finden, als neben dem göttlichen Sab­ bathtage der Schöpfungsgeschichte.

§. 7. Eine zweite Urkunde schließt der erster« sich an,

dadurch vorzüglich kenntlich, daß ste de»

Schöpfer mit einent andern Namen

benennet;

aber auch in Geist und Wesen ist 'sie eine an­ dere.

Sie enthält eigentlich die Fortsetzung der

erster», und umfasset blos die Erde und die er­ sten Menschen, auch verbreitet sie sich über ein­ zelne Umstände,

indeß die erstere mehr in daö

Große gezeichnet und rhythmischer Beide sind sie

menschliche

zöttiichen Würkens;

gestaltet ist.

Darstellungen

eine-

man könnte die erstere die

männliche, die andere die weibliche nennen. In der letzter» ist Trennung und Verthelltpig des Ganze» und Bemerkung deS Einzelnen ohne den einfach

erhabenen Zusammenhang dex

ersten Urkunde; so die umständliche geographische Beschreibung. des ersten. Wohnorts des Menschen, der Baum der Erkenntniß, Gebrauch der Spra­ che. bei Benennung der Thiere,

und

denn die

Schöpfung hcö Weibes aus der Rippe des Man­ nes.



Vergleichung

den erscheinet dies als

mit dem vorhergehen­ fragmentarische

Zusam­

menstellung. Den

grpßren

Raum nimmt die Geschichte

der Bildung des Weibes ein — dem klügelnden Verstände eine seltsame Idee,

za ein Aergerniß

und Thorheit, darinn auch aus allen kirchliche« Trauungsformularen der neuern Zeit ohne Barm­ herzigkeit verbannt, von. den Vorfahren aber mit treuherziger Demuth, geglaubt. Aber ist sie denn für den De'.and aufge­ zeichnet und. gehört sie vor dessen Richterstuhl? der Verstand ist — mp aus deutscher Denk- und Sprachtvkisr zu reden deS Meyschen,

das geistige VermHgM

sich aus sich, selbst in die Stelle

der Dinge und Wesen, die er erforscht, zu ver­ setzen und sich mit ihnen zu identificiren.

Ver-

stehen ist der Urform nach synonym mit ver­ treten,

nur daß letzteres Wort ein Streben,

ersteres aber die schon erreichte Absicht bezeichnet. So versteht z. B. der Mensch einen Bach, d. h., «r weiß fich in dessen Stelle und Wesen, wie in «ine lebendige oder menschliche Kraft zn versetzen, leitet diese durch Kunst, wohin er will, und setzt fte in Verbindung mit zweckmäßigen Werkzeugen, und diese Kraft muß ihm sein Korn mahlen, sein Pulver bereiten, der Verstand,

fein Hol; schneiden u. bergt,,

der Geist des Menschen ist und

rvürket in dem Bache, der Mühle, dem Rade re. Aber nur, was'dem Verstände ursprünglich untergeordnet,

und dem Menschen als Werkzeug

und Mittel zu dienen bestimmt ist, kann er ver­ stehen — auch thierische und menschliche Kör­ perkraft kann er fabrikartig benutzirurnd von Pfer­ den und

Sklaven

sich ziehen und tragen, also,

selbst ruhend und herrschend sich durch jene ver­ treten und die Zwecke seines Willens durch sie bewürken lafein.

.Zur Tyrannei und zum Despotis­

mus gehört viel Verstand. Indeß

den Geist und das Gemüth eines

Menschen kann der Verstand nicht ergründen noch verstehen, solange jener nicht will.

Der Sclave

39

sann durch feine« innern Menschen unendlich er­ haben seyn über den Dränger, der den attfeftt itt Ketten und an die Ryder schmiedet. Zwar strebet der Mensch, andern in das Herz zu sehen (intu» legere) und sie nach eigenen* Maaße und Verstau-, -e ,zu messen; aber sein Irrthum wird desto, grö­ ßer, je höher der andere über ihm steht. Ei« Beispiel sey der höchste unter den Menschensöhnen. Diele maaßen sich an, ihn zu verstehe«, d. h., stmeinen sich selbst in ihn zu versetzen, also daß er ihre Person vertrete und darstelle. Sv mache» sie ihn zu einem gewöhnlichen Menschen, wie sie selbst sind, nur unter den gegebenen äußern Um­ ständen, und sprechen ihm alles ad, was sie sich selbst und andern ihres gleichen nicht beilegen dür­ fen oder an sich selbst erfahre« haben; und tyaL davon abweicht, nennen sie Täuschung, Betrug,. Volkssage. Eben so verstanden selbst feine Jün­ ger ihn anfangs nicht anders,, als daß fein Reich ein irdisches, sein Zweck ein politischer sey; sie suchten und fanden in ihm sich selbst, wie sie da­ mals dachten und waren. So muß jedesmal ba$- Urtheil der Menschen Ausfallen, wenn. sie verstehen undrichteu wollen, was nicht-Gegenstand des Verstandes; seyn kann, dessen Wärksamkeit auf Gegenstände de« Erfah­ rung und vie Verhältnisse der Dinge und EkMir

«ungttt beschrankt ist, das Innere aber nicht zu ergründen vermag. Wie vielmehr

wird dieses der Fall seyn,

wenn der Mensch sich vermißt, das göttliche Wür«ken zu verstehen und von seinem Standpuncte und nach feinem Maaße den Höchsten zu richten.

Als-

bann treten entweder grobe dogmatische Bestim­ mungen, oder Zweifel und Unglaube an di» Stelle der Wahrheit.

§. 8. Solches erfuhr auch die alte Urkunde von der Schöpfung des Weibes.

Man machte ft« entwe­

der zu einem Mahrchrn, worüber zu lächeln man sich berechtiget glaubt, oder zu einer chirurgischen Operation,

mit andern Worten: man leugnete

entweder bas Ereigniß, weil man nicht dabei ge­ wesen, oder man beurtheilte es, als ob man da­ sei gewesen, und es mit menschlichen Augen ge­ schaut und mit Handen betastet hätte. Ein drit­ ter Weg ist, daß man es für einen Mythus er­ klärt. Soll dieses heißen: es sey eine in Geschichte eingekleidete

bildliche Darstellung des „Fleisch

von meinem Fleisch und $'.

was «Möglich ist,

finen eben so vollkommen

Begriff von dem Zustande der göttlichen Men* schknnatur vor der Sünde hatten,

als wir von

der Sündhaftigkeit des jetzigen Menschen habe«. Wir sehen und.empfinden die Folgen, aber die er­ ste'Quelle ist uns, wie jeder Ursprung, verborgen und in ein nächtliches Dunkel gehüllt.

Nur die

Sünde selbst erklärt uns hie erste Lust und ihre Verführung,

und nur derjenige kann ihre @e*

schichte verstehen,

der mit der Sünde im ernst«

lichen Kampf begriffen ist, hat.

oder sie überwunden

Wie die Urform der Pflanzen - und Thier»

Welt sich stetig wiederholet,

so guch die Gestalt

der ersten Sünde. Zn dem Genuß der verbotenen Frucht gesellt sich noch immer der Wahn, daß sie den Menschen wenigstens über einige Stufen feines niedrigen Daseyns erheben, und wenn auch nur in den Au­ gen anderer Menschen, Heuchler :c,

wie z. B, den Lügner,

den Göttern näher bringen werbe*

Der „natürliche Mensch" hünket sich seiner Frei­ heit,

als eines göttlichen Vorzugs, am meisten

bewußt, wenn er seinen Begierden freien kauf

146t;

er glaubt sich immer von Neuein dem Para«

diese nahe, und selbst das flammende Schwerdtbes Cherubs reizt ihn nur zu größerem Verlangen. Das Gesetz mit seinem Schwerdt sagt ihm:

btt

wirst sterben, so du genießest,

aber die tust reder

darein: du wirst mit nichte» sterben, sondern wirst seyn wie Gott.

So ist er mit stch selbst in stetem

Zwiespalt und Widerspruch, neuem Genuß reizt.

der ihn immer zu

Nun lernt er stch selbst er­

kennen und richten; er schämt sich feiner Nackt­ heit vor dem, der ihn nackend gebildet hat, und vor andern, bk es eben so find; wie er, als ob das Fleisch zur Schuld und Sünde geworben sey und ihn verklage. — „Wer wird mich erlösen von dem Tode dieses Leibes!ruft er, sobald er von feiner ursprünglichen Höhe und im Gefühl ganz zu vertilgenden göttlichen

seiner nie

Würde in sich

selbst und auf seine Tiefe herabblickt.

Er möchte

sich vor Gott und vor sich selbst verbergen, gleich einem edeln Sklave», der von dem unwürdigen nie­ dern Fremdling in Fesseln geführt wird. — Die­ se Schaam und Scheu vor dem Höher« tritt an die Stelle der verlohrnen Unschuld, als ihr Sym­ bol und Zeichen.

Sie,

halbstnnlich und halb-

geistig, halb Schuld und Unschuld, ist es, was ihn vor Derthierung bewahren kann, und woraus, wie aus dem ersten zarten Krim, die allmähliche Vergöttlichung — Religion, Wiedervereinigung mit Gott — entsprießen soll.

Den Gefallenen,

ihres Leibes sich schämenden,

machte Gott der

Herr Röcke

von Thjsrftllen

und

zog sie ip

nen an. So wurden fle der Erde noch mehr hin­ gegeben durch die Cultur, welche nichts anders ist, als ein Kaytpf unter Sorgen und Kuminev und im Schweis des Angesichts, ein Kampf mit dem Irdischen um das Irdische. „Muß nicht dev Mensch immerdar im Streit leben und seine Tage find wie eines Tagelöhners I" Die Bedürfnisse verkündeten, daß der Mensch nicht mehr Gottes Ebenbild sey; zu dem raut auf dem Felde muß er sich bücken und von dem niedrigsten sein Leben erhalten. Selbst der Acker ist verflucht:- wenn er nicht unaufhörlich dagegen lampst, fa versperren Dornen und Disteln ihm den Weg zu seiner Nahrung? Äeberall das Schwerdt des Cherubs!- Ueberall Gewalt und Feindschaft gegen sein Leben, das er nur durch Tod, Zerstörung und Unterjochung bewahrt. Mit Ge­ walt muß er der Erde und. dem Thiere erzwingen, was er zur Nahrung und Kleidung bedarf. Sptn* Thiere erwächst es von selbst, Warum gab Jchovah's Mitleid dem Men­ sche« nicht lieber- die zarte Bedeckung des Lamms, oder das schöne wollige Haar der Angorischen Ziege, das Fell der Gazelle? Warum unterschied er ihn'dadurch so sehr von allen Thieren, daß ev ihn ohne Hülle der Luft in den Sonnenstrahlen preis gab? Ware eine solche Hülle nicht am so

mehr titte Wohlthat gewesen, Mensch,

da.überall her

selbst in dem halbthierischen Zustande

des Wilden, seine Haut entweder bekleidet, oder, wäre es auch nur mit einem Palmhlatt, verhüllt, oder tätowirt und bemalt? — Warum verschlei­ ert der Orient das ganze Weib? — Wenigstens ist diese Verhüllung Symbol der Bewahrung ei­ nes heiligen Gefühls, welches, der Schutzengel der " ischuld, des Weibes höchste Würhe beschir­ men soll. — So wie die eine Strafe, die Arbeit im Schweiß des Angesichts den Menschen ziuy Gehülfen des Schöpfers machen, fein? schlum­ mernden Kräfte im Kampf mit hem Irdischen wecken und entwickeln und vor geistigex uyd fitt-sicher Verdrrbniß, dem Zustande stehender Süm­ pfe, sichern sollte, so sollte das Bewußtseyn und Gefühl der Nacktheit und das Bedürfniß der Bekleidung die Schamhaftigkeit, als den sinnli­ chen Keim der höheren geistigen Scheu vor Gott und dem Göttlichen in ihm pflegen und bewah­ ren. —

Liegt nicht auch in der Nacktheit des

Menschen zugleich Demüthigung und Erhebung, ist sie nicht zugleich ein Zeichen feiner Niedrig­ keit und Würde?

Den feindseligen Kräften der

Natur und Elemente ohne aygehohrene Schutz­ wehr hingegeben, erscheint er als ein Pilger und Fremdling der Erde, als ein Fündling, der an-

derswo den Daker und die Heimath sucht? „Nackend sind wir von Mutterleibe gekommen, nackend werden wir wieder vyn bannen fahren." Dieser Paragraph mischet Altes und Neues und versteht sich selbst nicht ganz; so paßt er zu dem Dunkel, wovon zu reden er sich erkühnet. §. '5.

Daß über die erste Sünd?ngeschichte, bei' alP ihrer Einfalt und Wahrheit., solch Dunkel und Dämmerung schwebet, rührt zunächst daher, weil die Sünde selbst, obwohl ihr Daseyn so gewiß ist, als der Tag oder vielmehr die Nacht, zu den allerdunkelsten Dingen und Erscheinungen gehört. Ein Kind erkennet sie, und doch ist sie ein fel.r sames Räthsel. Sie ist von allem, was da ist, has einzige, wovon man sagen kann und muß: Es sollt? nicht seyn; weher von G.ott?s, noch von Menschen wegen. Ihr Ursprung ist viel schwerer zu ergründen, als die Entstehung des Himmels und der Erde und alles, was darin­ nen ist. Don waun?n stamme? sie, diese Feindin deRechts und bt$ Guten? Woher saut dieser Zwie­ spalt hem Menschengeschlecht? Wer legte has Ge­ wicht in hie ein W.agschaale^ so daß sie zum Verbotenen sich neigte? Wer oder Ms trübte den

klaren Quell? — her. Mensch nicht! Er selbst war ja der klare Quell; das Licht kann doch stch selbst nicht verdunkeln. — Gott nicht; er selbst hatte den Menschen gebildet Md von ihm kann das Böse nicht kommen. — Die Geschichte ist nur der Feiger an der Uhr; das Triebwerk liegt »m Innern verborgen. — Din ich dadurch, daß ich die äußere Erscheinung genauer erkenne und benenne, bis zum ersten Ursprung und in dasWesey der Erscheinung hindurchgedrungen l Henn wir jetzt den Gang der Sterne abmessen, berechnen und unsere Uhren darnach stellen — wissen wir darum den Ursprung und das Wesen ihres Um­ schwunges und das Band, das sie vereinet und trennet, besser zu deuten und zu lösen, als da­ mals, da sie nur noch große und kleine Lich­ ter hießen?. Centripetal- und Centrifugai-Kraft (Fug und Flucht - Kraft) sind Benennungen von Erscheinungen; eben so Sünde tytb Tugend. Aber eine Geschichte haben sie nicht, eben so wenig., als eine Pflanze eine Geschichte haben kann, die vor und mit dem hüpfenden Puncte beginne. Der Mensch kann yur. sehen rpas am Tage geschiehet, und doch ist die Nelcht die Mutter der Dinge. Die Geschichte'-kommt, wie auch ihr Name aus­ sagt, erst nach dem Ereigniß, und je geistiger dieses« desto mehr muß jette verkörpern, Sie

.

77

ftreltf/ das Glauben in ein Wissen zü verwastdein, wie ebenfalls ihr Name Historie andeutet'. Aber wie weit gehet Las Wissend Es ist nü'r ein Lasten und Fuhlen im Dunkeln, ein Wan­ deln zwischen verschlossenen Kisten uttd tasten. Hat das Licht, in welchem wir doch leben, we­ ben und sind, auch eine Geschichte? Äeine an­ dere, als die: Gott sprach, es werde Licht, und es ward Licht! und diese wiederholt sich an zedem Tage» Und wie Mit dem äußern, so ist es mit dem innern Lichte des Menschen, seinem Geiste. Er ist ein Ausfluß aus einem ewigen Urbarst. Ist die Finsterniß nur ein Nichts — nür Abwesen­ heit des LichtS — oder das alte Chaos, das im­ mer wiederkehret, und bekämpft wird? Hat das SÖunfcl auch seinen Born, dem es entquillt? — Giebt es in dem Reiche der Geister eine bekäm­ pfende Gewalt — ein Reich der Finsterniß, daS der irdischen Menschheit — diesem räthselhasttn Ainphibiost — eben so nahe und eben so noth­ wendig ist, als der Erde die Nacht? Warum ward die Erbe nicht mit ewig glänzendem Lichtgewande bekleidet, so gut, wie die Gönne — wie die Millionen Sonnen, über welche die Urne des Lichts ausgegossen wurde? — Frage den Schö­ pfer! — Düncken dir denn Du magst mit dritten Fragen vom Orion bis in die Tiefe her-

absteigen — die Unholden des mit dem Reiche der Sünde und des Frevels so innig vertrauten Dichters blos belustigende Arabesken zur Einfas­ sung der Höllengeschichte Macbeths? — dir Makbeths Weib, delnd und an den,

Denke

so wie Du sie nachtwan­

nur ihrem, Auge sichtbare»,

Blutflecken ihrer Hände waschend und auf der Bühne siehst

reibend

— als vom Körper ge­

trennten Geist mit vollem

freien

Bewußtseyn

zwischen Licht und Nacht, zwischen Himmel und Hölle schwebend und sich selber richkend— Oder Cain im Lande 3lob> wie er in jedem Gelispel das Seufzen des Bruder-Bluts hört, im Mor­ genroth

die geröthete

Stirn

des Erschlagenen

sieht — denke dir Judas, den Verräther, wie er das Geld von sich wirst, und dann auch das Le­ ben,

und wie nun sein Geist von der Erde sich

los reißend auf den geborstenen Leichnam herab­ blickt! — Wie willst du das Reich nennen, dem sie angehören?

Soll jenseits der sichtbaren be-

granzien Naturreiche daS Gebiet der Ordnung aufhören, und der Geisterwelt mangeln, was wir überall in der ^örperwelt erblicken ? Ist die Idee eines Satansreichs eine blos poetische ohne In­ halt, oder eine kleinliche, abgeschmackte, wie der Gespensterglaube, unserer jetzigen Bildung unwür­ dige, oder gar eine sich selbst zerstörende?

Siebt es

«ach dem allumfassendsten und größ­

ten, ein gehaltigrres Wort, als dieses, welches sich freilich eben so wenig, wie durch Abgötterei jenes erstere, in menschliche und körperliche Be­ schränkung einschließen laßt? gesagt und erklärt,

rotnrt du

Ist damit etwas diese Idee eine

morgenländische, babylonische, nationale nennest? — Und bist du am Ziele und an der Quelle, wenn btt die Sünde nur für ein Uebergewjcht der Sinn­ lichkeit erklärest, und somit die ganze Natur ver­ dammest? Erklärest du die Natur des Lichts, wenn btt sagst, es sey nicht Finsterniß, und der Finsterniß, sie sey nicht Licht? — Die^infache Urgeschichte derschmähet alle solche Spitzfindigkeiten; in Einfalt und Unschuld, fern von der Vermessenheit deö spä­ tern, selbst von der Sünde befangenen, Paragra, phenschreibers, steht sie an der Schwelle der Ge­ schichte der Menschen, dieser Kinder der Sünde, vir des Todes, und läßt den Fragenden fragen.

§. »6. Ist

damit

etwas ausgemacht und erklärt,

vrnn wir die Fallgeschichte einen Mythus nennen? Das Wort Mythus heißt eigentlich nichts weiter, als ein altes Wort, das dem sinnlichen Men­ schen irgend eine höhere oder verborgene Erschei­ nung in seiner sinnlichen Sprache offenbart und

go darstellt. Freilich ist auch die Schöpfnngs - und Urgeschichte ein solches altes Wort. „Jehovah Elohim" ist, wie „Gott" ein menschliches Wort — „ Gott spricht, Gott schauet sein Schöpfungs­ werk, Gott hauchet dem Menschen seinen Odem ein," — das find menschliche Worte. Welche andere sollten ^ oder könnten es den« seyn? Kann der Mensch und die Geschichte mit Engelzungcn reden? Und mußte den« der göttliche Ausspruch Blick «Mb, Anhauch in menschlichem Gaumen, menschlicher Retina und Pupille, und in fleischer­ ner Brust erzeugt und gebohren werden? Der das Äuge, di« Brust und den Mund gebildet hat, soll der nicht früher Wort und Blick und Odem gehabt habe«? Der das Ohr gepflanzt hat, sollteer nicht hören, der das Auge gebildet hat, sollte der nicht sehen? Ist daS alte Wort minder wahr, als das *ntt? Muß eine Thatsache, aus der innern Tiefe des Menschthums gegriffen und in menschliche Sprache gefaßt, dem äußern Ereigniß auö der niedern Welt an Wahrheit nachstehen? Bedarf der Reichthum und die Tiefe der innern Wahrheit auch noch der Armuth der äußern fcheinung und gemeiner Erfahrung. Stehet bas, was von der in einander dämmernden Gränze der Sinnen- und Geister- Welt historisch überliefert wird, demnach, was aufdem platten Boden der

Erde

Erbe vorgeht?

Wenn daS Wort Fleisch t»»r6f

läßt sich die Gränze bestimmen,

wo das Wort

aufhört und das Fleisch beginnt?

Kann man die

Scheidewand nachweisen, die den Geist und Kör­ per trennt? Wenn kn der alten Eriechenwelt die kust und Sinnlichkeit jeden ernstrrn Gedanken oder höhere Empfindung mit Fleisch und Plut bekleidet, und selbst der göttlichen Allmacht ein paar schwarze Augenbraunen anmalt, kann das Norm undRichtmaaß werden für eine Offenbarung, in welcher vom Anfang bis zu Ende die Stimme des Ern­ stes und der Wahrheit vorherrschet? Ist denn der hochbonnernde Stier, der die Europa ent­ führt, deren entehrten Namen unser christlicher Welttheil trägt, auch unser Gott, und die Lüge und Sünde, die ihn gekrönt hat, daö Maaß, wo­ nach wir den Herrn der Heerfchaaren, benHeiligry messen dürfen? Und wenn wir nun zene ern­ ste Geschichte der ersten Sünde ein menschliche Wort, oder,

was in

feiner Grundbedeutung

dasselbe bezeichnet, eine Sage, eine von Mund |u Mund fortgepflanzte Kunde der Urwelt nen­ nen wollten, welche den ersten immer noch fort# tvährenden Kampf des Fleisches gegen, und des­ sen ersten Sieg über den Geist in menschlicher Sprache und Geschichte und ln einfacher, einzig

S-r möglicher Weise, darstelle;

was hätten wir 6a*

durch gewonnen? Wenn wir geständen, daß diese drste Versuchnngsgeschichte nicht minder von ei­ nem dunkeln und heiligen Schleier umhüllt sey, als jene andere, welche am Eingang der Erlöfungsgeschichte der Menschheit steht; liegt deßhalb für «ns,

die wir durch einen Spiegel in dunk­

lem Worte sehen, wenige Wahrheit in dieser ein­ fachen Hieroglyphe? So wie das Wort El oh im und Jehovah, oder Gott in der tiefen, gött­ lich bewegten und erhellten Brust der Urwelt ent­ sprang,

nicht aber ersonnen ward von einem

Menschenkinde, (b ist auch jenes geschichtliche ein Wort der Offenbarung.

Daß es auch die Of­

fenbarung und die That selbst sey, möglich.

ist doch un­

Des Windes Saufen erweiset sein Da­

seyn, aber nicht dessen Ursprung und Wesen. — Wenn auch die Sonne nicht mit einem Diergcfpantt aus den Thoren der Morgenröthe heraus­ fährt, oder wie ein Bräutigam aus der Kammer hervortritt und wie rin Held ihre Dahn durch­ läuft, ist darum ihr Auf- und Niedergang weni­ ger wahr und göttlich?

Wird das Geheimniß

dadurch vernichtet oder in eine Läge verwandelt, wenn der Mensch es wagt, mit feinet Zunge es auszusprechen und

in seiner Sprache davbn zu

reden? Muß der Mensch nicht ein jegliches, was

SS ihm eigen werden soll, fit seinem Innern erschaf­ fen und gebähten,und ist nicht selbst das Work „Gott" ein Hauch seines Mundes, und erst danu, wenn er es ausgesprochen h'ak, ein tebenbiges? —

§. Äle Libelgrfchkchte

ist Offenbarung.

Das

»Ken ist das Göttliche im Menschen, daß er Of­ fenbarungen vernehmen kann; dies Vermöge» der Vernunft ist des Menschen höchster Vorzug; es ist Verbindung mit Gott» Gottes Kind,

Der Mensch ist

aber auch in dem Zustande der

Kindheit, so lange er nicht zur Kindfchaft gelangt ist. Letzteres kann nur geschehen durch Demuth, d. h., durch das Gefühl und Bewußt­ seyn seiner Kindheit, Beschränkung»

durch Erkenntniß seiner

Daraus entspringt der Glaube-

welcher nichts anders ist, als eine durch Demuth derrdttte und rrhöhetr Vernunft, Vernehmen

GottcS.

ein innigeres

Zur Demuth gelangt er

UUr durch Erkenntniß seiner selbst und seines Zu­ standes, b. h» seines Standes zu Gütt.

Da er

NUN in dieser Hinsicht ist, was er nicht war, so geworden ist, was er nicht seyn und bleiben soll, so kann ihm jene Erkenntniß nur durch Ge­ schichte gegeben, sie mußte ihm offenbaret wer­ den» Ader die Offenbarung kann ihm nur inner-

84 lich gegeben werden, und seinem Vermögen, sei­ ner Kindheit angemessen; so wird sie sein Eigen» um und der Mensch theilet'menschlich sie mit. Mag er nun, kindlich, bas Geheimniß der jDjftn» barung als eine Geschichte, oder, männlich, die Geschichte als ein Geheimniß

der Offenbarung

nehmen: die Erkenntniß be^ Wahrheit zurGottseeljgkctt ist und bleibet der Zweck der Offenba­ rung, und der Geist ist es, der dem Buchstaben das Leben giebt.

Nicht an

dem Baum

und

Apfel, — deren auch in den heiligen Büchern nicht ferner gedacht wird — hänget die Wahr­ heit, sondern die Erkenntniß des Guten und Bo­ sen und der ewigen Kluft,

welche sie scheidet,

das ist die Angel, auf welcher das Thor sich be­ weget, woraus das Licht hervorgeht. Die geschichtliche Offenbarung der Bibel ist ein Licht auf dem Wege des Pilgers,

welches

nicht alles, aber nothdürftig das Nächste und je­ dem nach seinem besondern Bedarf den Weg er­ leuchtet, und obwohl stets dasselbe, doch in man­ cherlei Weise sich bricht dischen Dunstkreise.

und färbet in dem ir­

Zuweilen ist es

nur eine

Leuchte des Fußes im Dunkeln, die den nächsten Tritt und Fußtapfen, oder den gefährlichen Ab­ grund zeigt, und nichts weiter.

Der Mensch soll

des Lichtes dankbar und genügsam gebrauchen.

85 e()ite von demselben

Erleuchtung und Erhellung

bes Ganzen, in die Ferne wie in der Nahe, zu verlangen.

Wo auf Erden das Licht erscheint,

da bildet es auch den schatten. Muß nicht selbst die reichlich

begabte

Königin des Lichts

eine

Hälfte der Erde, und aller der andern Globen die sie zu ernähren verordnet ist, immer in Nacht und Schatten lassen? Selbst das grüne Kleid der Erde ist aus Licht und Schatten, aus Nacht und Zag gewoben, — Daß es jedem Göttlichen, so­ bald es vor den Augen des Sterblichen,,

wohl

gar in Dinte und Druckerschwärze erscheinen soll, nicht anders ergehen, könne,

zeigen auch diese

Paragraphen.

§. »8. Die Fallgeschichke - ist' der Menschengeschichte, mehr ist,

wenn

Grundstein

diese anders

der

etwas

als die Naturgeschichte eines Erdge­

wächses oder Thieres, wie-sie der Verstand des Ehstems giebt. — Woher der Zwiespalt in dem von Gott gebildeten Menschen, lein?

Der Zwiespalt

und in ihm al­

in dem Menschen,

die

Eünde, und außer ihm das tausendfache Elend! Die Vernunft vermag nicht das Räthsel zu löfbol eines andern ersten Wohnsitzes der ursprünglb chen Menschheit in einer viel vollkommnern West, wo sie Gott und der hyhern Lichtwelt viel naher standen, aber zugleich dieses Vorzugs durch horsam sich würdig machen und die ihnrn gegebn ne göttliche Kindschaft sich aneignen sollten, jedoch

93 tit Prüfung nicht bestanden.

So nun des göttli­

che» Ebenbildes verlustig, untern unter bett Rei­ nen, schuldig vor den Unschuldigen — konnte» fit da ausdauern, ohne den ewige« Vorwurf der Selbstentwürdigung und Selbstveenichkung — oder ohne in Teufel und Sükanskinber auszuarten? Das einzige Mittel ihrer Beruhigung, Rettung und Wiederherstellung war die Strafe, die Ent­ fernung aus dem reinen und Hellen Eden, wo ste sich selbst durch eigne Schuld als die Befleckten und Verbannten, ohne Würde und Anspruch er­ scheinen mußten und ihre Versetzung in ein Halb­ dunkels und halberhelltes Dorn-und Distelland, wo sie hoch erhaben über die Vernunft und sprach­ lose Pflanzen- und Thierwelt die Ersten, und, wem auch mühselige und beladene, Beherrscher der Natur und Gottes Stellvertreter und Gehül­ fen seyn konnten. War dann diese Verpflanzung in einen vorübergehenden niedrigern, aber ihrem erniedrigten Zustande angemessenen Zustand, tpo fie zugleich sich selbst erhöhen konnten, nicht eint Wohlthat, ja die höchste, die sie selbst wünschen und begehren konnten? Ist es nicht Güte dePaters, wenn er seinen weniger schulbbelasteken ^vhn in eine solche Lage versetzt, wo er, wenn ^uch auf hartem Wege, sich die Kindschaft wtrerwerben kann?

Der Cherub, brr in- dem

94

l

Menschen ist, bet Cherub des Gewisses, der Gott tit ihnen mußte sie aus ihrem Eden vertrei­ ben. Die Bakerliebe des gerechten Gottes blei­ bet ewig dieselbe; in Ihm ist kein Wechsel des LichtS and bet Finsterniß, und wen er züchtiget, den hat tt lieb. Derdammen kann Gott nicht den Menschen, sogdern nur der Mensch sich selber. $. ütz»

Die Strafe der ersten Sünderin besteht dar­ in, daß ihre Bestimmung, Mutter zn werden, Don nun an tau Schmerzen verbunden und sie der Herrschaft des Mannes unterworfen seyn soll. Also auch hier tritt ein Mißverhaltniß ein, Schmerz in Erfüllung der heiligen, geheimniß» »otten Mutterpflrcht, und Unterwerfung des Men» sehen unter den Menschen. Ersteres deutet auf «in Vorherrschen der Sinnlichkeit, oder vielmehr düs einen Mißbrauch und Mißgestaltung btrfefo den, welche allein den Schmerz — gleichsam ei» «tn Mißton, eine Verstimmung oder einen falschen Griff — zur Folge hat. Hat nicht auch der Mensch rin dunkeles Ett fühl in sich, vermöge dessen er seiner thierischen Menschwerdung sich schämt, und sie der Unschuld Md Kindheit so lang als möglich verherlt?

95 Wärmn muß bettn auch die Sinnlichkeit vvcherrfchett, auf daß ein Mensch werde? Alles geschieht bei diesem Geheimniß durch Aufhebung des Gleich­ gewichts, und wo sölches der Fall ist, da tritt körperlich der Schmerz, geistig die Schaam her­ vor, beide ein Gefühl verlorner Göttlichkeit» Bedeutsam ist der biblische Ausdruck „ er* kennen," als ob ein fortdauerndes Essen von detz Unheil bringenden Frucht dadurch angedeutet würr de. —> Aber auch noch eine andere tiefere Bedeut­ samkeit liegt in dem Worte, wie in der Sache. Es ist, als ob der Mann vor der innigsten Ber­ einigung in der Männin das ursprüngliche gött­ liche Ebenbild nur allein sehe und vermuthe, nach derselben aber, als Fleisch von seinem Fleische fte erkennend, aus seinem Irrthum gezogen wür­ de. „Mit dem Gürtel, mit dem Schleier reißt der goldene Wahn entzwei." Dieses und die Herrschaft über das Weib fällt ln eins zusammen» So auch in der heiligen Geschichte. Ist bettn das Weib weniger, als der Mann und in minderem Grade des Schöpfers Ebenbild? Auf Erden ja! Nach dem Erdenleben Urin! „Da werden sie sich nicht freuen, noch freiett lassen." Auf Erden dienet sie dem Man-, ue, als das schwächere Gefäß des unsterblichen Tristes. Diese Dienstbarkeit des Reibest ist, wie

der Unterschied des Rechts und Unrechts, Gottes und des Menschenherzens unabänderlicher und un­ bedingter Wisse und Ausspruch.

Diese Dienst­

barkeit und Demüthigung des Weibes gehet noch durch die ganze Geschichte.

Sie erscheint auch in

Maria, dem Ideal der Weiblichkeit, und wo sie, einigemal,

die zarte Granzlinie

wohlmeinend

Überschritt, ward sie von dem, welchem es allein zustand, zurechtgewiesen.

Durch den Glauben

on sie wurde das Weib — eine Zeitlang — samt der Gebenedeiten — über ihre gebührliche Würde und über den Man« durch ihzr selbst erhoben» Doch war dibses eine Zeit vorherrschender, wenn auch kraftvoller Sinnlichkeit,

die vorüberging

samt diesem Mißverhältniß.^Nur bas keine Chri­ stenthum vermag durch seine Ruhe und Einfalt, die Trennung auszugleichen und das Schwache mit dem Starken so zu vereinigen, daß das Ir­ dische und Fleischliche vor dem himnilischen und geistigen verschwindet. Die christliche Liebe ver­ schlinget die sinnliche,,wie der Sonnenschein bas Lampenlicht. Das Evangelium verbreitet zugleich aus dem Eden, dem es uns zuführt, über das Stückwerk unsers Lebens,

dessen wir uns nach

dem Verlust des erster» Edens zu schämen ha­ ben, einen milden Glanz, also daß die SchaaM, so wie die Furcht, vor dem Lichte des Evangeli­ ums

97 um< und dem Geist der Liede entfliehe«,

indem

mit dem Geiste der Kindschaft auch die Kindlich­ keit zurückkehrt, welche, — des Himmelreichs Ge­ nossin und versetzt in rin himmlisches Wesen, — nicht dessen, was ist,

sondern nur dessen,

was

flicht seyn soll, sich schämet. Das Mönch- und Nonnenthum, so wie das Celibat hat einen tiefern und ehrwürdigern Grund, als man gewöhnlich glaubt: deln,

aber es ist zu ta­

als eine verirrende Rückkehr unter den

Gehorsam des Gesetzes auS der Freiheit des Evangeliums.

Dieses spricht:

„Alles ist euer"

und „dem Reinen ist alles rein." —

§. 21. Des gefallenen Mannes Strafe ist gleich­ falls nichts anders, als des Menschen jetziger In­ stand.

So wie des Weibes Begierde zu dem

Mann ihr Abhängigkeit und Schmerzen gebiert, so wird ihm der Wunsch und das Anrecht, hie Erbe zu beherrschen und sich selbst und sein Haus t« erhalten, zu Knechtschaft, Arbeit und Beschwer­ de. Auf dem Acker ruhet der Fluch; wo er ih» vicht bezwingt, bringt er Unkraut, Dornen und Disteln: sein Leben ist ein immerwährender Streit, tote Hiob sagt, und seine Tage wie eines Tage­ löhners. Um nur zu leben, muß er bey grüßte«

7

ZHeit btS Leben- anwenden»

Wie vielfach sind

die Dinge, welche ihm, tinb blos lhrn, und de» mit ihm verbundenen Hausthieren den Schweiß aastreiben, bett Arbeits-, best Fieder - und den Angstschweiß 1

DaS Kraut des Feldes, zu wel­

chem er sich in Demuth herabbäcken muß,

seine

Ausfirat and Erndte, sein Morgen- und Abendbrod — alleü erinuert ihü, wie er der Erde ver­ banden, Unterthan und selbst nur ein Gefäß aus Erde ist. Muß er doch sogar, seinen Leib zu be­ wahren, von den Thieren das Fell, vom Schaaf die Wolle nehmen»

Und das Ende von allem

diesen Schweiß, Kummer und Mühe ist, daß er selbst wieder zu Erde und Staub wirb. Und doch hat er in diesem Zustande der Er­ niedrigung des Bewußtseyn, daß er ursprünglich ein Erhöheter, der Göttlichen (Elohim) einer ist, aber nur dadurch,

daß er weiß, was Gut und

Döse Ist, und daß ct seine Hand ausstreckt nach dem Baum des Lebens.

Aber die Erkenntniß

hat er durch Schuld gewonnen, und die Unschuld verloren. Erdenleib,

Das Böse liegt ihm nahe,

wie sein

das Gute außer dem Fleisch in der

Tiefe seines Innern verborgen.

Er hat in sich

die Neigung, das Gute, das er will, nicht zu thun, und das Böse, das er nicht will, zuthun; h ihm ist ein Kampf eines zwiefachen Gesetzes, des

99 Gesetze- in den Gliedern und d«S Gesetze- im 06 wüthe; so fühlt er sich alS ein elender MeNsch, und sehnet sich nach Erlösung von dem Leibe sol­ ches Todes, und nach einem Baum des Lebens, dessen Frucht den innern Hader stille, und den Mißlaut seines Wesens und Lebens zum Einklang versink. Aber den Eingang verwehren geheim­ nißvolle Wesen mit der Flamme des juckenden Echwrrdtes, dem Bilde der Zerstörung und Ver­ gänglichkeit. Wie darf das sündliche Fleisch ihnen sich nahen und des Lebensbaums Frucht er­ warten? Du bist Erde und sollst zu Erde wer­ det i schallet es überall, wo er wandeln und wo­ hin er blicken mag, dem Menschen entgegen, so lange er nicht wiedergebohren ist aus dem Geist und samt Christo durch den Glauben versetzt in das himmlische Wesen des unstchtbaren Edens. — Dass er dahin gelange, dazu trägt, aus Barmhr^igkrit verflucht, der Acker deS Lebens seine Dornen und Disteln; dahin sollen die Thräne sei­ nes Auges, die Schmerzen und Sorgen der Ge­ burt und Pflege, und der Schweiß feines Ange­ sichts ihn führen. §. e,s.

„Des Weibes Saamen wird der Schlange Kopf zertreten und sie wird ihn in die Ferse

Archen." ~©o kantet die Verheißung «ach dem strafenden Ausspruch des Richters.

Der

ein­

fachste Etnn dermanmgfach gedeuteten Worte ist Her einfachen Geschichte am angemessensten. Das Weib ist die Representantin der sinnlichen sünd­ haften Menschheit.

Darum heißt sie die Mütter

alles Lebendigen; ihr Eaame ist ihre Nachkom­ menschaft, also das in Sünden empfangene und gebohrrne Menschengeschlecht.

Es liegt in un­

aufhörlichem Kampfe mit dem Schlangengeschlechte, nämlich jenem, welches als das Klügste und Listigste in unserer Geschichte erscheint, und des­ sen Symbol in der Thierwelt auf dem Bauche schleicht — mit dem Reiche der Finsterniß.

In

mannigfacher, dunkler und schwarzer, oder Heller und bunter Gestalt lauert sie vor der Thür und auf dem Wege des Menschen,

ihm die Ferse zu

verwunden und seinen Wandel 'zu stören.

Aber

der Kopf wird ihr zertreten werden. —

Das

Göttliche muß den Sieg behalten, dem Fall muß eine Erlösung folgen,

das verschlossene Ede«

muß sich wieder öffnen. Den Ursprung des Dösen begreift kein mansch licher Verstand und keine Philosophie, eben so we nig, als den Ursprung der Welt und unserer Erde: aber dessen Daseyn kann eben so wenig, als das Daseyn der Welt, btjweifelt werden.

Es ist

tei Menschen Würbe und seiner geistigen Kraft angemessen, dem Ursprünge einer jeden Erschei­ nung nachzuforschen; alsdann aber erhebt er sich in das Gebiet des Göttlichen und Unendlichen, «nd waS ihm offenbaret wird, kann nur unten der Hülle des Geheimnisses mitgetheilt' und tat» gestellt werden. Die Hüllt ist zugleich das Mit­ tel, wodurch das Urierförschliche und Heilige «nd der Glaube an dasselbe dem Menschen bewahrt tpirb. Der Mensch oder das Voll, welches die. Hülle samt dem Geheimniß für eine Fabel hält «nd verwirft, sty es, «eil^ erstere ihm zu sehr ver­ körpert und anstößig erscheint, oder welk es für letzteres den Sinn verloren- hat, ist zu bedauern» Denn wo dieses der Fall ist- tritt an dir Stelle des lebendigen Gottes das blinde Schicksal, und an die Stelle der Sehnsucht nach einem bessern Heben und der Idee der Unsterblichkeit die be­ schrankte selbstsüchtige Vaterlandsliebe oder, was. Noch schlimmer ist, die nach dem Augenblick ha-, fchrnde Lust- und Weltliebe» So geschah es bei den Heiden der alten Sßtlt; ihre Fortbildung, löblich an sich selbstaber einseitig und, mit einigen Ausnahmen, »el$ kich, war nur schnellere Entwickelung des KekHrs ihres Verderbens, und aus dem GriechenRömrrvolkt verschwand je langer je mehr

102

ttber höher« Glaube tmb Gedanke, unb da sie sich blos als tut Volk, nicht aber als Menschen erkannten, unb in der flachen Welt, worin sie lebten, nichts Geheimnißvolles hatten, woran sie sich hätten aufrichten können, so konnten die Edlern bett Zustand des Verderbens nur betrauern, nicht aber zur Hoffnung einer Erlösung sich er­ heben. Diese erwächst nur aus dem Gefühl der Sündhaftigkeit vor Gott und aus der Erkennte niß des Abfalles von Gott. Beides hängt auf bas innigste zusammen; es erzeugte bei den» gläu­ bigen Volke die Propheten, in deren Weissagun­ gen oftmals, vielleicht ihrer selbst unbewußt, mit dem Weltlichen das Himmlische, mit der Gegen­ wart die Zukunft und mit der Sündhaftigkeit die Erlösung verschmolz. Und was ist denn das Christenthum anders als Vollendung des Israe­ litismus durch Vereinigung und Auflösung bei­ der Geheimniße? Die Idee des Gottes, der die Prüfung und den Fall der Urmenschheit zuließ, damit sie sich ih­ rer Freiheit und göttlichen Natur bewußt werden möchten, — welches herrlich und erhebend durch den Sieg hatte geschehen können, aber schmerzlich und demüthigend durch den Fall geschah — er­ fordert nothwendig die Idee der Erlösung. Diese Erlösung selbst kann nicht anders als

»ott Gott ausgehet, Md durch ih« gescheht». Was könnte der Mensch gehen« feine Seele zu lö­ sen? — Sie geschah in der Zeit, durch JesusChristus, des Weibes Saameu und Gottes Sohn» Von Seiten des Menschen paxd und wird sie gewonnen durch den demüthigen. Gehorsam des Glaubens, welcher nichts anders ist, als eine Derlaugnung und Entäußerung seiner selbst, nutz Hingabe au Gott. Dieser- Erlösung konnte der Mensch schon vor der Erscheinung des Sohnes Gottes im Fleisch thetlhaftig werde». Abraham glaubte und sein Glaube würd« seine Gerechtig­ keit, seine Rechtfertigung, vor Gott;, „er sehnte sich den Tag zu sehen, dessen Zukunft er glaubte, und er sah ihn." Derselben göttlichen Offenba­ rung und Hoffnung in ihrem Innern, erfreutem sich wahrscheinlich auch andere Demüthige, chi« Henoch, „der, weil er ein göttliches Leben führ­ te, von Gott hinweggenommen und nicht mehr auf Erden gesehen wurdet bis auf Simeo», wel­ cher hoffte und mit seinen Augen, sah. — Die ganze Menschheit fühlte dyfts Bedürf­ niß einer Versöhnung mit der Gottheit zugleich mit dem Glauben an ein höchstes Wrsen^ und dieses Gefühl ist der Grund tytb die Duelle dep Opfer, selbst der freiwilligen Aufopferungen ei# nzs Kodrus, Curtius, Decius, und selbst der

Menschenopfer der alten Phöniker, Deutschen und Peruaner.

Man nennet es Mythen des Kind­

heitsalters der Menschheit;

als ob durch das

Wort und die Zeitbestimmung die Sache selbst ab­ geklärt und chemisch zerlegt wäre.

Nicht in die

Zeit äußerer Bildung, sondern in die geheimniß­ volle Liefe der menschlichen Brust sollte Herabsteige«.

man

Alle Sprachen der Erde nennen das,

was

nach ewigem Gesetz unrecht und böse ist in Eefirimmgen und Handlungen freier Wesen,

ein

Abirren von dem rechten Wege und vorgesteck­ ten Ziel; die tiefe teutsche Sprache nennt es Sünde ---- Sühnde, was der Sühne bedarf. Eben so bedeutsam sind die Wörter: Vergehen, Verbrechen,

Schuld und Laster,

indem sie sich

AI# Erzeugnisse eines demüthigen und tiefen GemÜthes/und als charakteristische Eigenthümlichkekk ditfeS neuen Volkes GotteS, bewähren. Nur durch Glaube, gänzliche Hingabe an Gott (Geloben, Verloben) kann die Sühne und Erlöfungtkreicht werden.' Auch ist der Glaube nichts «ndarS, als eine durch demäthigcs -Gefühl und Bewußtseyn eigener Beschränktheit l«i d Mangel­ haftigkeit rrhöhete und vergöttlichte Vernunft, und also höher und göttlicher, als was wir Md nennen; denn auch diese ist Stückwerk, und

die Quelle giebt nicht blos das Wasser, (bittern ist auch das Wasser selbst. — Bo stehet wunderbar und heilig die Offen­ barung des Sündenfalls an dem Eingang bet Kenschengeschichke, wie vor den Trümmern eilte* geheimnißvollen Tempels

eine Ehrfurcht gebie­

tende Sphynxgestalt, deren Ursprung in die längst­ verschwundene Zeit zu versetzen man sich gedrungen^fühlt, wo die Menschen der Gottheit naher standen.

Dem Gläubigen ist von neuem der Zu­

gang zu dem Vater und zu seinem

wunderharen

Lichte geöffnet durch den Sohn. $• 25.

Nachdem nun das Thor und die Halle de* Heiligthums geöffnet ist, erblicken wir den eigent­ lichen Beginn der Menschengeschichte. uno Viehzucht

Landbau

find

die irdische Beschäftigung

der ersten Menschen,

dem Ausspruch deS Schö­

pfers gemäß,

der das zeitliche

Leben an

die

Scholle und das niedere Thierreich geknüpft hat­ te.

Die Namen der ersten Menschensöhne find

bedeutsam in Gottes Namen, und bezeichnen'ihr Wesen und Gemäthsbeschaffenheit, und find wie von einem prophetischen Geiste gebildet, der bei dem Ursprung des Menschengeschlechts und in des Nähe der Quelle um so weniger befremden

kan«, da er späterhin so oft auf ähnliche Weise sich äußert, und überhaupt die Benennung bet Marschen, so lange sie nicht blos bürgerliche Vereinzelnung (Indivihualigruyg) beabstchtet, ei» Ltjeugniß des Gemüths und der Freiheit eine menschlicht Schöpfung ist. Kai« hieß der Erstgebohrne, der Besitzer, ober Erwerber, »hm genügte die Erde und ihr Gut; der andere hieß Habel, «nb sein Name beutet ayf das Gegen» theil von jenem, denn er bezeichnet Nichtigkeit. — Er fühlte die Nichtigkeit des Irdischen,, und gelangte durch Demuth, wie »H N. T. gesagt wird, zum Glauben und zur Gerechtigkeit. Er führte das stille und beschauende Lebe» eines Hirten, sein Bryder das mühsame, berechnende Geschäft des Ackerbqus. Beide brachten Opfer, die Zeichen des Aufblicks zu Gott, aber auch der Entfernung und Geschiedenheit des Menschen von Gott und seines niederen Standortes. Ha­ bel und sein Opfer sah her Herr gnädiglich an, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädiglich an. Kain ergrimmt und schlug den Blick zur Erde» Der sündhafte Mensch steht und erkennt, wenn sein Gewissen erwacht, den ihm zürnenden, andere segnenden. Blick Gottes viel scharfer, als der unschuldige. Das Kind mit bösem Gewissen achtet schärfer auf die Mienen des Vaters und

beutet sie richtiger.

Aber auch jeder ernst« Blick

dünket ihm ein zürnender; so entsteht die heid­ nische und. knechtische Gottesfurcht.

Steht nicht

auch der Gottlose außer dem Lichte Gottes,

tu

welchem der Gottseelige — ein herrlicher Gegensatz in unserer Sprache! — wie vor dem freund­ lichen Angesicht seines DaterS unbefangen wan­ delt? — So macht jener sich einen Gott nach feinem Ebenbilds,

wie die Heiden, nicht besser,

als er selbst sich fühlt, und, nur dessen Macht fürchtend, sucht er durch eigene Gewalt und Lust sich ihm zu entziehen oder zürnend und leugnend sich selbst zum Gott zu mache«. So war KainS Sünde. Aber auch der Knecht der Sünde kan« des einmal erkannten und geglaubten Gottes nie wie­ der los werden, und auch Gott verläßt ihn nicht. So geschah auch das Wort des Herrn an Kain» als er den Neid und Brudermord in seinem Her­ zen trug.

„Warum zürnest du, und schlägst de»

Blick zur Erde? Wenn du Gutes thust, so blickest du auf, und wenn du nicht -Gutes thust, so liegt die Sünde vor deiner Thüre und lauret auf dich. Aber du herrsche über sie!" — Welche der Gott­ heit würdige Rede!

Welche Sprache Gottes in

und aus dem Herzen des Menschen: Hier sehe» wir

in der heiligen Urkunde das erste Beispiel

des warnenden Gewissen-, wie eine Theodicee gleich nach dem Fall gestellt, Mn Beweise, daK Gott den sündhaften Menschen nicht verlassen habe, fvndem in feinem Innern wohne, »nd er, wenn ihn diese- nicht verdammt, jur Freudigkeit gegen Gott gelangen könne. — Der Aufblick und Niederblick stehen in der Macht des Menschen und find die Zeichen himmlischer und irdischer Abstammung. Letzteres gehört zum Leben deS Leibe-, ersteres zum Leben des Geistes. Der ir­ dische Bedarf und Erwerb und des Menschen Gang erfordert die Neigung des Hauptes und d

dje bewMderungswürdige hervorbracht«», au(. eine kurze Zeitperiode beschränkt, und verlos sich nu» nicht, nachdem das höchstmögliche ge leis sist war, der Sinn dafür und he^ Geschmack, wie überreizt und vereckelt durch künstliche Spei­ se der sinnliche, und somit auch die Hraft, toüi'f tziges zu erzeugen bei diesem Volke? Trat nicht zu gleicher Zeit a». die Stelle des Selbstgefühles und der Vaterlandsliebe Selbstsucht und tracht und Knechtüsinn, welche nur dahin wirkten, um die Zerstörung und Auflöstmg zu beschleuntr» zy».?' Ihre köstlichen Kunstschöpfungen bUeben, obwohl, in alle Welt zerstreut, großentheils bis auf unsere Zeit, und wer könnte sie ansehen, diese aus hartem Stein und Erz erschaffenen Wüthen des menschlichen Geistes und Schön-htltssrnnes — ohne mit edelm Stolz der Schöa. Pserkrast des Menschen sich zu freuen — aber auch, ohne von dem ernsten Gedanken erschüttert zu »werden: Alles Fleisch und alle Herrlichkeit bes Menschen ist wie des Grases- Blume. Nur, ttft den Willen $otte$ thut, bleibet in Ewigkeit Nur der Glaube — das Demüthig«, abep lugleich erhebende Hinwegsehen von dem verlohn denen Eden der Erde auf das wiederzugewinnen­ de — ist das einzige rrtngöttliche m dem^ Men« Gen. Auch der Glaube, war es, der jene Kunst«

gebilde der Griechenwelt erschuf — der Glaub« an eine höhere göttliche Welt, und des Menschen Gemeinschaft mit ihr.

Abev damals,

dreifache Bild des Schönen,

als das

die Eharitinuen,

nur noch durch 3 rohe Steine angedeutet wur­ de,

wohnte dieser Glaube tiefer in dem Herzen

des Menschen,

al- da er sie in Marmor dar-

pellte.

Der Glaube der heidnischen Welt ar-

Leitete

dadurch an

seiner eigenen

Zerstörung,

daß er das verschwundne Eden auf Erden dar­ pellen und sich selbst in ein sinnliches Schauen derwanbeln wollte.

So müßte auch die Begei-

perung des Künstlers, sobald sie ihr Werk voll­ bracht, sich in Lust und Selbstsucht verwandeln, wenn er nicht, wie Sokrates, sich selbst verlang, «end, von dem Schönen zum Wahren und Gu­ ten Lbergieng. Adams Nachkommen „die seinem Bilde ähn­ lich waren" sollten vor solcher Abweichung von dem Glauben, dieser eigentlichen Erb- und Ra­ dikalsünde der Menschen, schon durch die Namen Des höchsten Wesens, Jehovah, Elohim — der es über alles sinnliche Seyn und Erfassen er­ hebt — gesichert werden,

späterhin durch das

ausdrückliche Verbot, sich irgend ein Bild und Gleichniß von dem Unsichtbaren zu machen. Don Adam und Seth bis auf Noah und Sem fort-

gepflanzt erschien dieses göttliche Leben desto Hel­ ler und abstechender gegen die Derderbnlß, in welche alles Fleisch versunken war. Darum fieng man an, im Gegensatz gegen jene stch nach beut Namen Gottes zu nennen *), JehovahS Kinder im Gegensatz der Kinder her Menschen, der Erdenkinder. Letzter»! Name» fährten Kains Geschlecht, welches der Erde - und Weltlust hingegeben die Erkenntniß des lebendigen Gottes und den Glau­ ben an ihn verloren hatte. Beide kamen- durch die Vermehrung des Menschengeschlechts in Be­ rührung, auch fanden die Kainite», als Erfinder der Künste unb höherer Cultur leicht Aufnahme und Gewinn. Der Rame Söhne Gottes und der Menschen wurde wahrscheinlich bald ein bloßer Etammnamr,, wie späterhin der Name Söhne Israel, oder in »euerer Zeit der Name Christen, und verschwand allnrälig ganz, als die Söhne Gottes und die Töchter der Menschen sich gegen­ seitig vermischten. Dagegen entstanden aus die­ ser Verbindung die Ne p hi lim, die Gewalti­ gen, oder Tyrannen. Kurz, d»s ist der Inhalt dieser beginnenden Menfchengeschichte, Trachten nach Gewalt, Besitz und Genuß verderbten die Wege der Menschen; Augenlust, Fleischeslust und ') Gen. 4, 26. nach der Urberscyung de« Aquila.

128

Hoffavth wurden hi« drei Beherrscher der Welt, und dann auch, y>ft in der ganzen Weltgeschich­ te, die Zerstörer des verderbten Geschlechts. gereuete Iehovah, sie erschaffen zu haben;

Es denn

seine Gerechtigkeit foderte ihr« Vertilgung. —

§. 27. Das erste Geschlecht wurh« zerstört, In der zerrissenen Gestalt

unseres Erdbodens,

in den

Flötz- und Kalkgebirgen, in den Muschel- und Eeethierlogen,

in

den Elephanten und Mam-

muthss Knochenschichten

stehet

die Urgeschichte

der Erde und ihrer Bewohner in dunkler Schrift geschrieben. In menschlichen, za kindlichxn Buch­ staben und Worten erzählt die heilige Geschichte dieses große und

furchtbare Gottesgericht« Wel­

che Einfalt und Umständlichkeit in der Darstel­ lung,

und doch zugleich welche Enthaltsamkeit

von jeglicher Empfindung und menschlichen Zu­ sätzen,

die

bei dem

schrecklichen

Ettigniß, der

Phantasie so nahe liegen!• Dem göttlichen Gerich­ te waget die Demuth nicht drein zu reden, noch der gewaltig zerstörenden Gerechtigkeit die vor­ übergehende menschlich^ Empfindung beizumischen. So vereint sich in der Darstellung des Ereignis­ ses Ehrfurcht vor dem Richter mit herablasscnixr kindlicher Einfalt;

es

ist, als ob ein front*

mer Daker die Geschichte seinen Kindern erzählte.

Co erscheint auch Jehovah

selbst als eitt

zwar strenger und gerechter, aber zugleich als eitt dem Gerechten milder

und freundlicher Vater.

Der Geschichte die Wahrheit absprechen und sie iä das Gebiet der Dichtungen verweisen wollen —wie man im Widerspruch mit sich selbst deshalb versucht hat, weil ähnliche Sagen von einer solchen Sündflnth sich bei

andern Völkern

des Alterthums

finden, welches vielmehr zur Bestätigung dienen .sollte — das heißt Gott vermenschlichen (anthropymorphisiren), nicht aber umgekehrt. Wenn Orkane, Erdbeben, Wasserffuthen v. drrgl. in der Hand des Höchsten das sind, die Werkzeuge des Ackerbaues der Menschen,

in den Händen

für das Bestehen der physischen

Erde und der darauf wohnenden Menschheit — warum sollten sie nicht auch dem höchsten Zweck dienen können? Ist denn die Erde und die sicht­ bare Welt samt ihrer Erscheinung nicht von jeher dem steten Wechsel unterworfen? Ist sie denn et­ was. anders, als der Grund und Bolten,

auf

welchem das Höhere und Göttliche gedeihen und reifen, und das Reich Gpttes sich bilden soll? Die Sonne verfinsterte sich und die Erde krbebte bei Jesu Lode, und Paulus, den Verfolger, nach­ her der Herold der Wahrheit,

warf der Blitz

zu Boden und blendete chn, Sodom und Gomor­ rha versanken und den lügenden Ananias fam( feinem Weibe streckte ein plötzlicher Tod zu de» Füßen der Avostek. Machen sich die Ereignisse de» Welt von selbst,, wie die Blase , die auf der Was­ serfläche von dem Regentropfen entsteht und ver­ schwindet, und ist der Mensch und die Menschheit, auch nur eine solche vom Zufall gebildete Wasser­ blase? Oder ruhet, die Erde in dem Echooße einer unsichtbaren Welt, und wohnet, mit dein Sohn der Natur zu reden, hinter dem Dunkel der große Geist? — DaS erste MenschengeschtechL vor der Fluch erscheint ist der Steinschrift der »orfluthigen Geschichte wie eine große, aber durch eine» Iwiespalt zertrennte Familie, die stch durch und in sich selbst verderbte, und deshalb untergieng und untergehen mußte« Geistiges und sittliches Derdcrbniß ziehet unausbleiblich Verderbniß und Untergang des Ganzen nach sich. Das ist die große Lehre, welche die Geschichte. der Sändfluth predigt, und die ganze Menfcheugeschichte bestätigt. Welche Schaar untergegangener Völker und verschwunde­ ner Geschlechter zählet sie auf? Aufweichen Trüm­ mern der Vorzeit stehet Jetztwelt? Was erzählt die Geschichte anders als Bau und Verfall, Ver­ fall und Aufbau? — Was Gott der Herr ft$)cv that durch dir

Elemente, geschah späterhin durch vie Wege der Menschen.

Er gelobete, sagt die Urkunde, nid

«jeder durch solche Fluth die Erde und das Men scheinung des Ursprungs vielfacher Sprachen.,, auch göttlich und menschlich, d. h., ebenso, wie die Sündhaftigkeit des Menschen, leitet sie auch ftitm her ans dem Verhalten hes Menschen zu Gott und Gastes, zu dem Menschen; oder,, aus, der ersten frtim Bildung des Menschen, und — ohne welchen diese Bildung, niemals war, noch seyn. konnte, eben so wenig,, als die Erde ohn« die Sonne — aus dem Einstuß Gottes auf dieselbe. So gerathen wix aber wiederum in das Gebiet her Geheimnisse! Freilich.! —Ast denn die Sprache selbst nicht ein Geheimniß? Jg, sogar, mit Ur-laub zu. sagen, ein geister-und feenartiges. Ist ße nicht ein. tönender, aus Lust gewebter 8BagenA der hin und her schwebend des innern verborgenen Menschen Erzeugnisse zn Sagt bringt und mit», theilt *). Kennst du den Bor», woraus sie huillt, und die State, wo sie gebohrrn wird? Kann di« menschliche Weisheit etwas schaffen aus h

0 Heller dcfinirt bit (Summt: eit aem 50U0Tum p.r glottidcn* itcr.

fegey, und bann vor seinem eigenen Angeficht aus der Zerlegung seinen Urstoff und sein Desen erweii fen? — Wandeln wir denn hienieden im Schauen, »der im Glauben?---------------

§. 34. Auffallend ist, daß unter den fünf Söhnen Chtts,

des Sohnes Ham,

schaften,

tt>o sie als Völker­

oder welche- einerlei ist,

Aen erscheinen

Stammfür-

(Kap. rs, 7.> Nimrod, ^eben­

falls ein Sohn Chus, nicht mit aufgeführt wird. Nimrod

wird besonders genannt

(v. g),

und

zwar nicht als Dölkerschafts # oder Volkstammes-, sondern als Personen-Name,

als ein Held und

gewaltiger Herr, der sich Ruhm erworben und in Gesängen

gepriesen worden.

erste Eroberer und Despot.

Nimrod war der Damals konnte die

Bevölkerung der Erbe noch nicht weit vorgeschrit­ ten seyn;

denn er war ein Enkel Häms und ein

vrenckel Noahs,

von der Sündfluth also durch

die Zeit nicht sehr weit geftl)ieden,

selbst wenn

man auch diese Enkel- und Urenkelschaft nach den großen Zügen und Umrissen der Urgeschichte nicht auf den engeren Begriff unserer Tage beschranken wollte.

Damals mußte also noch eine Sprache Herr­ chen, wenn auch die einzelnen zn Volksstarnrnen

herangewachsenen Familienstämme, wie «och setzt die Araber, zertrennt lebten. Hier mattete Mm* rod, und ausgezeichnet durch Kdaft und Gewandheit des Körpers und Geistes, faßte er den Etwa schluß, der Alleinherrscher des Menschengeschlechts zu werden. Durch die Jagd, im Kampf mit den wilden Thieren war er dazu gebildet worden. Die Jagd ist eine Art von Krieg un d Kriegesübung; in ihr erwacht besonders das Gefühl der Kraft, und sobald sie, wie leicht möglich, zur Lust und Leidenschaft wird, führt sie zu Stolz, Roheit und Herrschsucht. Darum ist sie auch der Fürsten Lust, und dem Geistlichen ungeziemend *). So ging auch Nimrod von der Thierjagd zur Menschenjagd und Zwingherrschaft über, und von feinem Sinn hatte er auch seinen Namen empfan­ gen , denn „ Nimrod" heißt ein Zwingherr und Dränger. Er gründete also die erste Monarchie im Lan­ de Sinear und ihr Anfang und Hauptsitz war Babel. Der Thurm, den die Bewohner Sinear hier erbauten, mochte eine Pyramide oder eine befestigte Burg seyn; seine Höhe war bezeichnend, Mttb sollte die Kraft und Größe des Volks, mit einem Wort, dessen Erhebung andeuten. Diese-

ist auch der (Bitut unserer Thürnre, und selbst \v bti Altars, durch dessen, wenn auch geringe Er« Höhung das Opfer dach über den Erdboden erho­ ben wird.

Zugleich war eS das Zeichen des Si­

tzes der Herrschaft und der Hauptstadt« UM wel­ che das Volk wohnen sollte. Dieser Bau fällt mit Nimrods Zeitz, Wohn­ sitz und Denkungsart zusammen;

er war wohl

selbst der Urheber des ganzen Plans zur Begrün­ dung seiner Weltherrschaft.

Auf jede» Fast war

dadurch, wenn es gelang, eine Universalhrrrschaft vorbereitet und gegründet.

Nichts aber kann der

Entwickelung der Menschheit, Willen

und daher dem

Gottes mehr entgegen seyn,

Welt- und Alleinherrschaft. Frucht der Sünde.

als solche

Sie ist eine giftige

Der Despot selbst ist, auch

wenn ein Alexander und Casar, mit großen Ei­ genschaften begabt, ober wie Augustus seiner Herr, schaft mäßiglich gebraucht,

und ein Nimrod,

d. h., ein Empörer gegen Gott, und des göttli, chen und menschlichen Fluchs würdig, der bisher auch alle Tyrannen getroffen hat — Er wird und ist ein Satan in Menschengestalt, bannte Korse»

wie der ver
r das sagt dje heil. Geschichte bestimmt und virderholentlich — war seine Virtuosität, seine Tugend und Gerechtigkeit, nicht von Fletsch und Blut, sondern von Gott ihm gegeben und von ihm selber bewahret» Und dieser innere verborgene Mensch des Herzens auch geschicht­ lich in einzelnen Thaten und Gestalten, wie es die Gelegenheit. bringt, hervortritt; so verhehl« doch hhtz. Gtschichkr chm ss wenia, 1« noch we-

Niger, die Offenbarungen des Fleisches und Vin­ tes, die Menschlichkeiten, in dem Leben des Erz­ vaters.

So

erscheint

die Gerechtigkeit Abra­

hams nicht als eigenes Werk und Verdienst, son­ dern als Stärke Gottes in dem Schwachen. Auch in ihm dem hochgepriesenen und preiswürdigen Pilger der Erde zeigt sich die Nachtimb Schattenseite des lichtarmen Landes, dessen Fremdling er war; Flecken.

auch diese Sonne hat ihre

Wo Abraham in äußern Lebens- und

Familienverhältnissen nach eigener Klugheit oder dem Rath anderer Menschen handelt, da erscheint er oft schwach, ängstlich, ja sündhaft, und ver­ fehlt seine Absicht.

So bei der feigen und dop­

pelsinnigen Verstellung,

womit er seine Frau in

Aegypten nnd nachher auch bei Abimelech für sei­ ne Schwester auszieht; eben so, wo er nach Sa­ rahs Rath .durch seine Sklavin schaft sucht,

Nachkommen­

und dann Hagar und Ismael ver­

stoßen muß*).

*) Hier ließe sich eines Glaubenshelden der neuern Zeit, Luthers, eigenes Gcständniß über sich selbst als Parallele anwenden. Er schreibt von Ko< bürg an Melanchtvn, der zu Augsburg das schlimmste fürchtete: „In eigenen Sachen bi» ich schwach, ihr aber beherzter, dagegen seyd ihr in gemeinen Sachen, gleichwie ich in cige'

Man

möchte fragen:

warum überging die

Geschichte nicht diese, das Gemälde des einfachen hochherzigen Hirtenfürsten verdunkelnden Züge? Aber wozu solche Frage?

Sie stehen einmal un-

auslöschlich da, trotz unfern ästhetischen und mo# ralisirenden Theorien und Anmerkungen, und zeigen,

daß die Geschichte nicht die Absicht gehabt

habe, dem Erzvater eine Lobrede zu halten, wo­ von nicht die entfernteste Spur sich findet. Andere meinen dadurch die Sache auszuglei­ chen,

Weng sie

behaupten,

Grundsätze der Sittlichkeit

damals seyen die und Klugheit noch

nicht so strenge geschieden und sen, als in späteren Zeiten,

bestimmt gewe­

und so habe selbst

die Geschichte die Klugheit und Verstellung Abra­ hams für rühmlich gehalten.

Aber,

wo ur­

theilt denn die Geschichte, und wo zeiget sie, daß sie etwas will?

Und wie zweckwidrig wäre sie

verfahren, da Abraham seinen Zweck nicht erreich­ te^ und seine Verstellung an den Tag kam? — Andere finden schon die Spuren des neuen Jädelns in dem

alten Stammvater, und

in der That

erscheinen nicht selten in der ältesten Geschichte hie und

da die Keime des später entwickelten.

nen Sachen, und ich bin in gemeinen Sachen gesinnt, wie ihr in euren eigenen Sachen."

kübelnden Schlau - und Klugheitsfinnes. Unb — freilich ist diese Bemerkung nicht ohne Grund; Abrahams Verfahren verdient nicht Beifall, sondern Tadel; und allerdings laßt sich in dieser Zag­ haftigkeit

und

doppelsinnigen

Verstellung

der

Keim und das Sinnbild der tadelnswürdigen Ei­ genthümlichkeit des Volkes, dessen Stammvater er war, um so weniger verkennen, ha dieser — wie man will, kleine oder große — Flecken selbst dem einfachen und hohen, dem edel« und uneigennü­ tzigen

Gemüthe des Erzvaters sich beimischet.

Man siehet hier den ungerechten Haushalter, der, selbst nach dem Ausspruch seines Herrn., klüglich zu handeln gemeint hatte. Aber war denn Abraham nicht auch aus Adams Geschlecht, Blut,

in Sünde«

rin Mensch mit Fleisch und empfangen und gebohren?

Ware er vollkommen gewesen, so.hatte er der Ge­ rechtigkeit aus dem Glauben nicht bedurft, son­ dern wäre dann der Gerechte gewesen, wie Jesus Christus.

Scheidet der Glaube mit gleichsam che­

mischer Kraft das Menschttcho von hem Men­ schen?

Ist nicht der Glaube selbst menschlich,

de« Menschen reihigend, nicht aber die Schwä­ chen, wie mit einem Schlage, vertilgend?

Ju­

belten — oder, edler zu reden, hebrgisirten nicht auch Jesu Jünger,

wenn sie lange Zeit dir Auf-

17* richtung des Reiches in Israel erwarteten und sich alle an Ihm ärgerten, und selbst der, der Ihn für den Sohn des lebendigen Gottes erkannt hat­ te, dreimal jaghaft ihn verlaugnete?

Soll ein

Fehler und eine Schwachheit darum nicht mensch­ lich seyn, weil sie die Farbe und Physiognomie des Bodens und Volkes an sich tragen 7



Auch--------- es mag lächerlich scheinen und isss in der That, daß die Paragraphen, teutsche Landeskinder, gebohren *8*7, sich anmaaßen, deS Erzvaters Sache zu führen,

aber sie verfahren

auch nach Landesart — Auch waren seine Fehler und Schwachheiten nicht sowohl Früchte seineinwendigen Menschen und von demselben geheget, geliebt und erzogen, sondern vielmehr Erzeugnisse der Umstande und einer plötzlichen Zaghaftigkeit, wie sie nicht selten auch bei kräftiger unbewachter Mannhaftigkeit sich findet,

wie nach der Sage,

der Elephant vor der Maus, der Löwe vor dem -hahm sich entsetzen soll.

Und wie? was wäre es

denn, wenn Abraham zweimal in seinen, Leben laghaft gewesen und zweimal in der Verlegenheit sich verstellt hatte! — oder mit noch starkem Worten: wenn er zweimal, wältigt,

vom Fleisch über­

seinen Glauben auf einige Augenblicke

derläugnet hätte 7 Mußte denn nothwendig, Abra­

hams

Glaube damals schon zu der Vollendung

und Höhe gelangt und er selbst davon so durch­ drungen seyn, daß er sich in jeder Angelegenheit auf Gott zurückzog?

Ja, könnte man es nicht

dem, wahrlich doch sonst nicht muthlosen Erzva­ ter gleichsam zur Demuth und Ehre auslegen, wenn er hier,

in eigener häuslicher als gar $u

geringfügiger Angelegenheit, und rathen (u müssen,

sich selber helfen

irriger Weise glaubte?

Und find uns denn Abrahams Schwachheiten und Fehler als Vorbild gegeben, dem wir noch nach­ wandeln sollen?

Nicht doch, sondern sein Glau­

be, der viel mächtiger war, als seine Schwächen und Fehler,

und ihm zur Gerechtigkeit wurde.

— So gehören also seine menschlichen Schwachen wesentlich in seine Geschichte, die sich selbst wi­ dersprechen würde; wenn ft« ihn als einen Werk­ heiligen darstellen wollte.

Aber sie will nichts

in ihm und an ihm darstellen,

sondern nur ihn

selbst, Abraham, den Sohn Tharah.

§. 39. Abrahams Geschichte sein eheliches Verhältniß. Sein Weib Sara war seine Schwester von väterlicher Seite, Stiefschwester von Seiten der Mutter. Nach dem Auffallend und befremdend ist in

spätern mosaischen Gesetz war dieses Blutschande; auch scheint es der Natur und dem

menschliche"

*73 Gefühle, wenigstens dem jetzt unsrigen, eytgegen, und nach der Erfahrung und der Behaup­ tung der Naturkundigen soll eine solche Verbindüng auf die Fruchtbarkeit, wie auch bei Abraham der Fall war,

und auf die Nachkommenschaft

einen nachtheiligen Einstuß haben. In der Thierwelt verhalt dieses sich anöers, hier haben

die Grade der Abstammung

keinen

Einfluß auf Fortpflanzung und Nachkommenschaft, sondern dev Instinkt hat immer, bei völligerRcife, gleich glückliche Wörkung, und das sogenann­ te Durchkreuzen der Rassen gleicht der Veredlung des Baumes durch bas Impfen, ist also kein Ein­ wurf gegen jene Erscheinung.

Auch in der heid­

nischen alten Mythologie ist die Nähe der Ver­ wandtschaft der Brüder und Schwestern kein Hin­ derniß der Verehelichung, und selbst Zeus und Here waren Geschwister.

In dem Gefühl der

ältesten Welt muß also nichts jener Verbindung widerstrebendes gewesen seyn.

Es scheint dem­

nach dieses späterhin natürlich,, sittlich und gesetz­ lich gewordene Verbot ehelicher Verbindung der Geschwister aus der geistigen und sittlichen Aus­ bildung der Menschheit entstanden und erwachsen lu seyn; etwa auf ähnliche Weise, wie das rich­ tige Gefühl des Schönen, oder auch die genaue Drgränzung des gegenseitigen Eigenthumsrechts,

— welches j. B. sonst gut geartete Kinder, oder auch gutmüthige Wilden nicht erkennen — nur eine Frucht der höher» Cultur, und der Schei­ dung des Besttzthums, so wie dadurch noch der Menschen selbst, ist. — Je weiter die Cultur fortschreitet, um desto mehr schwindet der Jnflutet, und desto mehr tritt auch das Gesetz, und mit ihm die Sünde hervor. Sittlichkeit und Unsittlichkeit, Natur und Schaam stehen in schar­ fer Trennung gegen einander, und so wie dem Reinen alles rein ist, si> wirb dem Unreinen auch selbst das Reine zum Unreinen. So lange der natürliche und folglich unschui dige Trieb der Erzeugung in dem Menschen und nach seinem Gefühl unschuldig und rein BHelv und in dem Menschen für eben so naturgemäß und nothwendig, wie in der Pflanzen oder Tierwelt, erkannt wurde; so lange konnten auch keine sitt­ liche und gesetzliche Bestimmungen darüber (iatt finden, und das Weib war Weib, der Mann Mann, und blos das natürliche Gefühl, z. D. des verschiedenen Alters oder kindlicher und elterli­ cher Abhängigkeit und Ehrfurcht, die in der Natur gegründet sind, bestimmte das gegenseiti­ ge Verhältniß. So stand also der Verehelichung Abrahams mit Sarah, der Tochter seines Vaters, noch auch seiner, von seinem Weibe selbst ver-

i75

langten, Verbindung mit Hagar, und der spa­ teren Verheiratung nach Sarahs Tode, we­ der ein menschliches noch göttliches Gesetz, weder ein natürliches noch sittliches Gefühl entgegen. Und eben hierin auch liegt die richtigste Ent­ schuldigung Abrahams, daß er seine Gattin, vertragsweise, in der Fremde, blas als seine Schwe­ ster angab, wie sie wirklich und zunächst war. Sein Klugheit bestand also darin, daß er in sol­ chen Lagen und Umstand/n, wo man sie, als fein Weib mit Gewalt und Mord ihm rauben konnte, sei» innigeres Verhältniß zu ihr verbarg, und sie nur für ein Weib und seine Schwester erkannte. Aber so wie die Sünde durch bas Gesetz, so ist auch das Gesetz durch die Sünde geworden. Weil wir von Gott und Natur, von Einfalt und Glaube nimmer weiter abgewichen sind, so wan­ deln, weben Und regen wir uns nur innerhalb der Umzäunungslinien der Sittenlehre und des Gesetzes, und unsere eckele und feine Schaamhaftigkeit, die Begleiterin Und bas Zeichen der bändhaftigkeit, verpönt unS sogar, ganz gegen die Weise der alten Geschichte, den natürlichen Buchstaben und die Sprache. So auch ist die Verbindung der Geschlechter durch bas Gesetz der Sittlichkeit auf bas genaueste bestimmt, weil

wir Sünder sind.

Abraham war die schwester­

liche Ehe keine Sünde;

uns aber ist sie Blut­

schande. Ist denn das Sittengefetz nicht ewig? Nein! die Unschuld war eher,

als das Gesetz; und das

Gesetz wird aufhören in der Liebe. — Ist denn das Sittengesetz nicht göttlich? von Gott, geben.

Ja! Es stammt

aber den Gerechten ist kein Gesetz ge­

Hatten wir kein Gesetz, ein widerstrei­

tendes in unsern Gliedern,

so hatten wir auch

kein bekämpfendes in unserm Geiste.

Weil.jenes

nach der Herrschaft trachtet, stehet dieses gebie­ tend und verbietend

göttlich und ehrwürdig

in seinem Ursprung und Zwecke. Das Ehegefrtz,

welches für Abraham nicht

gültig war, noch seyn kennte,

ist für uns niast

blos «in bürgerliches oder mosaisches,

sondern

auch ein vollkommen sittliches und natürliches geworden.

Dafür spricht ein allgemeines Ge­

wissens - und Schamgefühl, welches so stark ist, daß unter so vielen, selbst unnatürlichen Ausar­ tungen des sinnlichen Triebes, diese Uebertretung nur höchst selten statt findet. Darum würde auch solche Verbindung,

als «ine dem Gefühl wider­

strebende Unnatur keine anderen,

als die schäd­

lichsten und verderblichsten Folgen auf die Nach" kommenschaft haben.

Nich'

>77 Nicht also bei turn Urvater des auserwätzlten Volkes, aus welchem das Heil der Welt kom­ men sollte. Sein Wesen und keben war Unschuld und Einfalt der Natur und Glaube. Dieser letz­ ter raget desto herrlicher empor, da er nicht auf dem Gesetze und dem Gefühl der Sünde btt ruhet, sondern demüthig und stark aus unbefan­ genem kindlichem Herzen sich zu Gott erhebt! §. 4°» Wundersam und herrlich, ja oftmals den kühnsten Flug der Phantasie übersteigend, sind die Wege, auf welchen Abraham seinen Glauben erprobte, doch herrscht in der Darstellung eine Einfalt und Enthaltsayrkeit, oftmals eine Nüch­ ternheit, die jeden Gedanken an vorsätzliche Dich­ tung oder Ausschmückung entfernt. Abraham stehet da als das Urbild eines blos menschlichen Erdenpilgers, wie im Gegensatz des göttlichen» der nach ihm kommen sollte. In ihm der Glau­ be des unvollkommnen Erdensohns, in dem Kom­ menden die vollendete Liebe des Gottessohns. Die Geschichte des Patriarchen meldet nicht, was spätere Nachricht aussagt *), daß Tharah, Abrahams Vater, ein Götzendiener war, und dar­ um das Gebot der Auswanderung aus abgöttischem *) (Ies. »4/ ».) 12

*78 Vattrlanbe

Gomorrhas frevelhafte Stätx

*4

Lideckt, utib der Hain blos deshalb, weil sie das Heilige und Heiligste tu höchster Einfalt und Würde, und als daS Höchste darstellt — sondern auch, weil sie das- Unheilige und Unheiligste, den Gang der Sünde tmb des Lasters in der Menschheit mit ruhiger Treue unsunparthellscher Wahrheit- nachweiset, und dje Finsternrß dem Lichte, das Satansreich bemGottesrriche gegenüberstellt. So giebt sie in der schichte eines Geschlechts und eines Voltes dir

einzig

währe mtb

umfassendste

Geschichte der

Menschheit. Ist ihr Zweck, die Erziehung der Menschheit gu« Reiche Gottes darzustellen,

so muß sie auch

«vthwendig die Menschheit in ihrer Verderbtheit, «der um mit ihr selbst zu reden, die Herrschaft und Gewalt des SataasreicheS über die Menschen in Thatsachen zu Tage lege«.

Das thut fle, indem

ile vorerst den Ursprung und Fortgang der Sünde

ttt

dem Menschengeschlecht offenbaret und ohne

Schonung beurkundet.

Und nachdem es Gottes

Wille war, ein besondere- Volk zu gründen und dasselbe von allen andern Völkern der Erde zu so»# 1>mt, und die andern Völker bis zu einem be# stimmten Ziele ihre eigenen Wege wandeln zu las­ sen; so nimmt die heilige Schrift, als/ben eine heilige,

ihrem Berufe gemäß,

nur den Faden

der Geschichte dieses Volkes auf,

nicht aber in

der Abßcht, um in dem hebräischen Volke ein Mur stervolk und Vorbild für alle andere aufzustellen, sondern um an demselben

die Verderbtheit und

Widerspenstigkeit des Menschengeschlechts zu zrigen,

und Gottes Heiligkeit,

Gerechtigkeit und

Daterliebe — vor und an dem ursprünglich gött« lichen Menschen — zu rechtfertigen, alsdann sedtte Gnade in desto herrlicherem Lichte darzustellen. Darum trscheint auch kein Volk in der Ge-

schichte so verderbt, alS daS hebräische in der hei­ ligen. Schlauheit, List und Verstellung, Selbst­ sucht, Eigennutz und Habsucht, Stolz und Ver­ zagtheit, ein unstätes Wesen, Halsstarrigkeit ge» gen daS Gute, lsteid und Verachtung anderer, Zwiespalt unter sich selbst, Wollust und Grausam­ keit — alle diese Züge begegnen uns überall in der Geschichte diese- Volkes von Anfang dis zu Ende. Aber warum? Deßhalb, «eil erstens dieses Volk zunächst und vor allen andern zu dem Rei­ che Gottes gebildet, weites das Salz der Erde werden und aus ihm das Heil kommen sollte. Und demnächst, weil dessen Geschichte die wahrste my> treueste aller Geschichten ist, und diese das­ selbe eben im Kampfe mit Gott darstellt. Ganz anders verhält es fich mit der Geschich­ te der Griechen und Römer. Diese ließ Gott ihr» eigenen Wege wandeln, nach dem tiefen Aus­ druck des Apostel-. Bei ihnen sind irdisches und geistiges Leben, Sinnlichkeit, und Religion (hier paßt der Ausdruck) im vollkommensten Eingänge und Verständniß; letzter« dienet der erster«.. Di« Dolksgötter derselben sind in sittlicher Hinsicht nichts anders,, als die perfonificirte Sinnenlusi und Sünde mit göttlicher Gewalt und Willkähr ausgerüstet. In dem einfachen Homerischen Ge-

richte erscheinen die Sitten der Götter und der galtst Olymp §iel schlechter und verderbter, die der Kämpfer in und vor Troja.

al6

Wird nicht

kvg und Trug, Hurerei, Ehebruch und Knabrnfchande,

Neid und Hinterlist und jedes Laster

durch das Beispiel der Götter selbst geheiligt, dem »atürlichen flttkchen Gefühle zum Trotz, welches, in Widerspruch mit der Götterlehre und sich selbst, denselben buhlerischen ZeuS zum Beschützer der Gastfreundschaft macht und die Bestrafung über­ müthigen Frevels und die Quaalen des bösen Ge­ wissens einer Nemesis, Adrastea und den Erinnyen anweiset, und der am mehrsten verehrten unzüch­ tigen Venus eine himmlische (Urania) zur Seite Hellt!

Darum auch,

und wegen dieses innern

Widerspruchs mit Recht,

nannten die frommen

Dater der christlichen Kirche dieses Göttrrsystem *tn Werk und Reich des Satans.

Um dieses Ur­

theil nicht zu hart zu finden, betrachte man dieses Gvtterwesen in seiner spätern Ausbildung z. B. Leim Ovid, oder in den Orgien und unzüchtigen Fe­ sten und Gebräuchen, die man diesen Göttern zur Ehre anstellte. ten

erkennet

Aus diesen und ähnlichen Früch­ man daS Wesen des Keimes und

Baumes, aus welchen sie erwuchsen. Dieser Glaube würde sich bald selbst samt den Völkern, die sich dazu bekannten, zerstört haben,

wenn nicht zum Glück für diese die Kunst sich des­ selben bemächtigt und ihn dadurch dem Gebiete der Sittlichkeit und Rechtlichkeit, so viel als mög­ lich entrückt und den Volksglauben zu einer zu« Theil blds ergötzlichen, ästhetischen Fabel gemacht hatte. So war demnach die äußere Volks * Religio« dieser beiden Völker und wurde immcrmehr eilte künstliche Beschwichtigung de- jedem Menschenherzen anerfchaffrnen Glaubensoedärfnisses. Dazu würkten Opfer, Orakel, Angurten, feierliches Gepränge, Mysterien u. dergl.; auch di« dunkle Idee einer Gesammtgvttheit, welche in der Ah­ nung und gestaltlosen Andeutung einer über beit Göttern schwebenden Gewalt, eines Schicksals, (Ate, fatum,) und die in den Wörtern „Numen, Götter, Damonium" (bei Sokrates und Plato) sich aussprach, sich aber zu einem begrün­ deten Glauben nicht erheben konnte, sondern nur in dem Fall des dringenden Bedürfnisses — wie etwa z. B. der Gedancke des väterlichen Hausebei dem verlornen Sohn — in der Seele aufstieg, um ihr kuft zu machen, gleich einem verhallende» Seufzer. Innere Religiosität, frommer Glau­ be, im eigentlichen Sinne des Worts, kann also den Griechen und Römern nicht beigelegt werden, sondern dessen Stelle vertreten, tun sic

vor btt Auslöst»«- zu bewahre«, bie Kunst, bas politische Gesetz unb bas Ehrgefühl oder die Liebe zu« Vaterland». Bei de» Römern war das letztere vorherrschend, verbunden mit zerstreuender Krie­ ges - und Eroberungssucht; bei den Griechen das erstere. Bei de« Grieche« war verfeinerte, durch dar­ auf einzig gerichtete, Grade eigene,

diesem Volke in hohe«

Geisteskraft bis zur Vollendung

getriebene Sinnlichkeit und stnnliche Bildung das Höchste.

Selbst Lacrdämon, dieses durch Ly­

kurgs kühne

und wundersame Idee zu einem

Soldatenkloster gebildete Gemeinweftn macht hier­ von keine, oder nur in so fern eine Ausnahme, als durch die Gesetzgebung alle sinnlichen Kräfte und Triebe auf Einen Punct und sinnlichen Zweck be­ schränkt und gerichtet wurden.

Athen hat die

höchste Staffel in der sinnlichen Cultur erreicht, und fie bis zur möglichsten Höhe vergeistigt.

Die

Kunst ist der Griechen Höchstes; sie ist Dergeisti-gnng des Sinnlichen und Dersinnlichung des Gei­ stigen im Menschen durch äußere Form; wodurch Gott und Mensch in eins zusammenfallen. Selbst die ernsten Dramen eines Aeschplus unb Sophokles, und die Philosophiern eines Pla­ to und Aristoteles sind nur Kunstwerke, bestimmt, theils durch künstlerische Anregung oder Erfchätt

terung des moralischen Gefühls (Gemüths oder Herzens) — theils durch kunstmäßig- (Erregung der Denkkraft und harmonische Entwickelung oder vielmehr Gestaltung des Volksglaubens — als einer roher» Maffe zu einem idealen Ganzen —* den eigenthümlichen Schönheitssinn diese- Volkes zu befriedigen und zu ergötzen.

So fällt auch

hier die Philosophie ungeachtet ihres Ernstes, der aber auch den griechischen eigentlichen Kunstwercken z. B. ihren Götterbildern in hohem Grade ei­ gen ist,

mit der Kunst in ihrem Hauptzweck zu­

sammen, und bas Wahre und Sittlichschöne, wo es, wie nicht selten, herrlich erscheinet, dienet doch nur dem Sinnlichschönen, wo dieses es for­ dert.

Auf da- innere Leben des Menschen, fas

Glauben und Gottseeligkeit, hatten diese philoso­ phischen Gebäude eben so wenig eigentliche Be­ ziehung und Einfluß, als die schönen Trmpelgedände und Götterbilder.

Als EokrateS seine re­

ligiösen Ideen, die er, wie man sagte, vom Him­ mel auf die Erde brachte, in das Leben und die Gesinnung einführen wollte, mußte er den Gift­ becher trinken.

Darum wandeln aber auch die

schändlichsten Laster, wie Paulus in dem 1 Kapi­ tel des Briefes an die Römer sie nahmhaft m-cht, dieser sinnlichen Verfeinerung und dem reinsten Kunstgeschmack ohne Scheu zur Seite,

und die

Periode der höchsten Poyendung der Kunst war auch der Anfang des. schnellen Verfalls und Un­ tergangs der Griechenwelt,

Z)ie Geschichte die­

ses Volkes ist die der Lilix des Feldes, schöner zwar als Salomo, in seiner Pracht, aber mit der Aufschrift: > %>. Petr.,, 24. Die Kunst, vor allen, die bildende, scheinet ei­ ne Art von Wollest — oder mit der Schrift zu reden — von Fleischeslust; sie neiget sich wie die­ se zu weichen religiösen Gefühlen, als geistigen Selbstgenuß und Selbsttäuschung,

womit aber

Selbstsucht und Unsittlichkeit. bestehen kann.

Nur

das Christenthum, das Glauben,.Empfindung und That vereinet, vermag es, auch die Kunst zu hei­ ligen , wie Jesus Christus die Lilie.

§- 57. Bei bey Römern kam die Kunstliehe und die Ausbildung des Schönheitsinnes erst mit dem Reichthum und- der Ueppigkeit; alles Folgen ih­ rer gewaltigen Eroberungen, wodurch sie vorerst das irdische, dann das geistige Besitzthmn. der IU# verwundenen, sich aneigneten.

Früherhin war

Vaterlandsliebe die einzige Idee ihres Lebens, verbunden mit Uebe.rmuth und Herrschsucht. — Bei den Griechen herrschte dieselbe Vaterlands­ liebe, aber gemildert theils durch das Gemüth,

theils durch die Lage, endlich auch durch dieKünstliebe dieses Volkes, und darum nicht mit jener Erobernngs- und Selbstsucht- wie bei den Rör mrrn, vereinigt. Bei den Griechen bestand sie Mehr in der Liebe zur Freiheit und Unabhängig­ keit, weil nur in solchem Zustande der Mensch Un­ gestört seines Daseyns und Lebens geniesten und feiner zwanglosen Thätigkeit fich freuen kann. Der Vaterlandsliebe war bei beiden Völker« die Religion, mit ihren Priestern, Gebräuchen, £>va> kein und Angurten, als Zucht und Dindungs» mittrl des Volks, obwohl al6 «ine in ihrem Krei, ft herrschende Kraft, untergeordnet. So ist auck bei allen poetischen und philosophischen Erzeug­ nissen, im Homer und Plato, bei Lykurg und So­ krates, bei Cicero, Virgil und TacituS, das Va­ terland die Haupt * und Grundidee, welche brr den Römern noch obendrein auf „die göttliche und ewige Hauptstadt der Welt" wie der ältere Pli» nius fie nennt, beschränkt wurde. Daß dir Jdre eines freien und unabhängigen Vaterlandes etwas begeisterndes haben müsse, liegt in der Ratur der Sache. Eie grüntet stch auf einen festen Boden, welchen man unter den Füßen hat und womit man schon durch Geburt und Abstammung verbunden ist. Jeder freie Bür­ ger ist berechtigt, ihn «ls sein Eigenthum, stch

254 selbst als einen wesentlichen Theil des Gemeinwe­ sens anzusehen.

Dieses befriedigt feinen Stolz

«ad nährt sein Selbstgefühl. Die Volksmasse, die ihn umwogt, verschlingt ihn nicht, nfie in despo­ tischen Staaten,

sondern ist vielmehr das Bild

feiner eigenen Freiheit und Herrlichkeit, und sein, des Einzelnen Wort verliert sich nicht in dem Ge­ töse der Menge.

Im Kriege kämpft er nicht für

unbekannte Zwecke, sondern für seinen Heerd und Altar, der so gut ist, als der Gesamtheerd und Al­ tar.

Volksversammlungen, Dolkswahlen, Volks­

feste und Ehren find eben so viel« Versinnlich«»gea jener Hauptidee, und Reizmittel der Phanta­ sie, sie zu beleben.

Dazu kommt, daß jeder Bär-

ger den Zutritt hat zu hohen Ehrenstellen, und Hoffnung hegen darf,

so gut, wie jeder andere,

an das Ruder gestellt zu werben.

Was könnte

der Eigenliebe mehr zusagen? Darum ist nicht zu verwundern, wenn diese Idee, vor allen in einem einfachen, nicht durch Körper- und Geistesluxus verfeinerten und zer­ streuten Volke, ausgezeichnete Tugenden und Tha­ ten der Mäßigkeit und Enthaltsamkeit, Unbestech­ lichkeit

und

Geldverachtung,

ja der heldrnmä-

thigsten Aufopferung des Lebens erzeugt,.

Denn

was ist Geld und Leben gegen eine solche mit der Muttermilch eingetränkte mit dem Lrbrn verwach-

senk, durch Kampf und Widerstand nur noch mehr delebte und veranschaulicht« Idee? — Das Lebe« für dieselbe aufopfern, ist nicht Sterben, sonder« in der ewigen Roma auf einer höhern, ja der? höchsten Ehren stufe, mit andern Mustern in adelt Seelen und Zungen des unsterblichen Volkes fort­ leben. Au- diesem Gefichkspuncte ist die Genüg­ samkeit und Unbestechlichkeit der Fabrizrund Cu» rier, dir Aufopferung eines CurtiuS, Regulus u. a. zu betrachte». preiSwärdige Thaten,

DeciuS,

Freilich herrliche,

und erfreuliche Beweise

der göttlichen Willenskraft des

von einer ein­

fachen Idee

durchdrungenen

ober

Gesinnung

Menschen J Aber es sey nun auch verstattet, zu fragen: Ist diese Idee, diese Vaterlandsliebe das Höchste und Herrlichste in dem Menschen 7 — Machen nicht Streben nach ungestörtem Besitz, freiem Ge­ nuß und Begierde nach Ruhm und Ehre, also, wenn auch in veredelter Form, Habsucht, Selbst­ sucht und Stolz den Grund und die Bestandtheile dieser gepriesenen Tugend aus,

und ihr Ziel?

Fürchteten nicht eben alle jene alte Republiken an ihren ausgezeichnetsten Männern,

und »ft mit

großem Rechte, den gewaltsamen Ausbruch jener Sündhaftigkeiten, als in der Idee selbst verbor-

-Me tittb dürch die Lebhaftigkeit und Wärm« der­ selben lei.htlich reifende verderbliche Früchte? Äkußte nicht deshalb Rom und Athen seine vor­ züglichsten Helden Mehrmals verbannen? Erjengfen nicht, nach der Geschichte, die freien Staa­ ten, nachdem sie ihre höchste Bläche erreicht, al» le jene sie selbst zerstörenden Früchte der Selbst­ sucht? Lieg? nicht «ine Selbsttäuschung zum Grün­ de, wenn «in Mensch die Verfassung des Landes, worin er geboren und erzogen ward, mag sie auch rtoch so vorzüglich seyn, für das höchste Gut und Itit höchsten Zweck, imb die Liebe zu demselben für die höchste Tugend achtet? — also auch den Zlvetk seines Daseyns in äußern veränderlichen Dinge» setzt? — Ist es denn wörtlich fb sehr ;« Lewunhern und göttlich zu nennen, wenn ein sol­ cher Patriot, von der Idee seines Vaterlandes durchdrungen, «inen Goldberg gegen einen Fuß­ breit vaterländischer Erde verschmäht? Läßt sich in solchem Falle Preis und Werth nach faufmSn, vischer Wage und Gewicht bestimmen? Ist es göttlicher, wenn eine Mutter für ihr Kind sich in die Wellett und den Tod stürzt; oder wenn ein Samoviter den verwundeten Juden in gefahrvoller tage verbindet, auf sein Pferd hebt, zur Herber­ ge führt, verpflegt und zu dem letzten Groschen auch noch seinen Kredit ihm opfert?--------Erste­ res

res sann auch die Löwin, der die Jungen geraubt sind. Auch der Adler läßt eher sein Leben, als er einem andern sein Revier abtritt. Hangt die Vater­ landsliebe — die beschränkt«, an den Boden und die gewohnte Verfassung gebundene — nicht mit ihrer Wurzel an der Scholle? Gränzt sie nicht mit einem Ende an die Thirrheit? War Cato'S freiwilliger Tod edler, als der, den die rohen Germanen in römischer Gefangenschaft mit dem verschluckten unreinen Schwamm sich gaben? Aus solchem Gesichtspunkte und im Gegen­ satz des chrisilichen Glaubens und der Demuth betrachtet, hatten die frommen Vater der christ­ lichen Kirche recht, wenn sie jene hochgrpriesenen, und allerdings als Beweise menschlicher Straft und Anlage preiswärdigen Thaten, spien« dida Vitia — „glänzende Gebrechlichkeiten" (Menschlichkeiten, nicht Laster, scewa) naimfro. Aber eben darum, durch Kunstliebe und Va­ terlandsliebe und deren Erzeugnisse und Früchte, er­ scheinen diese Völker, die Griechen und Römer, wie in einem Zustande der Vollendung, und wer­ ben auch hierin, so lange die Menschheit besieht, Muster und Vorbilder bleiben. Das sollen sie auch« Der Gottesgelehrte soll neben der heili­ gen Schrift den Homer und Plato, den Herodot, Thucydides und Tacttus, wie neben dem Buche *7

Nr Guave« Vas Buch brr Natur Itftn tmb wieMlrfett.

Seinen Schönheitssinn soll der Christ,

wenn er vermag,

bei den Griechen zu bilden,

und die Beweise menschlicher Thatkraft an den Römern zu schauen nicht verschmähen. Beruf des Menschen,

Es ist

das Menschliche in jeder

Gestalt, auch in seiner Entartung, kennen zu ler­ nen.

Darum hat auch die heilige Geschichte ei­

nen solchen Reichthum Menschkicher Charaktere und Gestaltungen aufgestellt, und der Apostel verschmahete nicht, ein schönes Wort eines griechi­ schen Dichters mit der Predigt des Evangeli-. ums zu vereinigen.

Ist nicht auch das Gefühl

Und die Erkenntniß des Schönen eben so, wie da- des

Guten und Wahren ein DorzUg des

Menschen, und wie Jesus Christus die kille zu­ gleich zu einem B«we der göttlichen Fürsorge, nicht blos für bas Bedürftige, sondern auch für das Erfreuliche, — und zum Vorbilde des kind­ lichen Vertrauens erhob, und die Schönheit der Blume pries, so sollen im Christenthum alle drei sich zu Einem verbinden. Aber auch nur in dieser Vereinigung

ist

Heil, und das Schöne wird allein durch das Hö­ here, das Wahre und Gute, geheiligt. Aber hier von waren die Griechen und Römer weit ent­ fernte

Wie in ihrem Götterglauben,

so war

ß59 4ud)

in

ihrer Kunstliebe die Sinnlichkeit bas

Höchste, und Wahrheit und sittliche Güte in bei­ den

ganz indifferent.

Wie in

ihren Gebilden

und Dichtungen (z. V. im Catull) die größten Hbscenitäten

der Kunst

keinesweges entgegen,

sondern vielmehr förderlich waren, so verstattete der Volksglaube den Göttern die gröbsten UnHttlichkeiten, z. D. dem Jupiter selbst (non ma-

gis regno ac vitiis principem nennt ihn Lactanj) Ehebruch,

Unzucht und Knabenliebe. — Mag

letztere, sogenannte griechische Liebe, in der pla­ tonischen Zusammenstellung selbst des Sokrates und Alcibiades, in den Hirten des keuschen Vir­ gils und dielen OdtzN des Horaz blos Liebe des Schönen in Knaben und Jünglingen bezeichnen: so beweiset die Sittengeschichte jener Völker auch in diesem Puncte unsere Behauptung, Kunstliebe,

daß die

wenn sie für das Höchst, gilt und

Nicht von reinem göttlichen Glauben durchdrun­ gen ist, zur Sinnenlust und Lasterliebe fuhrt.

-

Indeß kommt alles dieses bei jenen Völkern nur dann in Betrachtung,

wenn sie nicht aus

ihrem eigenen, sondern aus einem höheren Stand­ punkt angesehen

und beurtheilt werden.

Man

kann selbst von ihnen, der Wahrheit gemäß, be­ haupten,

daß sie unter allen Völkern der Erde

die höchste Vollendung erreicht haben. Aber diese

Vollendung beschrankt sich selbst durch ihre in» iure Natur, durch -ihr Princip und Ziel, als -ei# xe sinnliche, weltbürgerliche.

Unsittlichkeit und

Sünde behaupten in f-oldjev Verfassung nur ein« untergeordnete Stell«, Betracht,

und kommen in keinen

sofern sie nur auf die volksthämliche

Virtuosität keinen nachtheiligen Einfluß

haben,

so wie, Beispiels halber, bei einer durch das her»orragende kriegerische Talent des Heerführers gewonnenen Schlacht, oder bei einem durch das Genie eine- Künstlers vollendeten Bilde, oder Gebäude, beider Meister sittlicher Charaktw und Lebensweise nicht beachtet den-

noch gerichtet wer­

Sehen wir doch in dem Historiker Sallu,

stius und dem Philosophen Srneca, welche beide in der Periode des Verfalls d. h. der schnellen Entwickelung deS ianern Verderbens dcö römp sihr»

lebten,

die ernste Rüge der Laster

im» die vortreflichsten Sittenlehren Mit einem -schändlichen Leben vereinigt. Physische und weltliche Vollendung kann -statt haben ohne alle Beziehung auf daS Sittliche.

Ev

giebt ja vollendete böse Charaktere, wie Satan in Klopstocks Messias seyn mag. — So wie die Bie­ nen, welche nach der Sage Platons Lippen mit Honig tränkten, und die Wölfin, die den Grün­ der Rems säugte, physisch, so waren jene Döh

ker weltlich vollendet. Rur das Weltliche, sät Mtmirt durch Geist und Kraft, war ihr höchstes Ziel und- Streben. Dieses haben sie kn möglichst hohem Grade erreicht, und (tnb alsdann zerfallen» Rur die herrlichen Beweise ihres Sterbens, ihr rer Kraft und Kunstlieds, bauerufort, wie Wercke der Natur, und die Zeugnisse und Zeichen ih ­ res Geistes leben in ihren unsterblichen Schriften. Paragraphus tritt nach diesem Ausffuge über has kand der Griechen und Römer in die Arche zurück ohne Oelblatt, und überzeugt, daß man ihn eher für den Rahen,

den Noah ausließ, und

feine, verweichlichten Ohren nicht lieblich dünken. Le

Stimm«

für Rabengefchrei

erklären wird»

Wird er' das Oelblatt bei Israel §-



58>

Soviel leuchtet jedem Kenner b« kRensthen« -«schichte leichtlich ein, daß die Entwickelung und Bildung des hebräischen Volkes, als eines monp.theiistischen-,

das Gegentheil ist von der Ent«

Wickelung und Verfassung anderer, der heidnischen Völker, zunächst der Griechen und Römer.

Wie

man die Verfassung des ersteren eine Theokratie

«enntfr,

so kann man di« der heidnischen Völker,

als, Kosmokrgtie bezeichnen.

So

wie letztere

Pch weltlich und irdisch, extensiv und durch Ag»

gregat bildeten, fo sollten erstere göttlich und in« tensio gebildet

werden.

Die Geschichte

dieser

göttlichen Bildung, und daher eben das Geheim« nig der Bestimmung «nsers Geschlechts, ist in der heil. Schrift enthalten. Die Würdigkeit des hiezu erkohrnen einzigen Volkes, nach dessen Einseitigkeit, ja selbst das Gelingen oder Mißlingen dieser göttlichen Lrziehung an diesem Volke — kommt hiebei gar nicht iy Betracht. Jedes Volk und jeder Mensch auf Erden hat und behält seine eigene Willenskraft, fo wie seine Denk- und Körperkraft und deren freien Gebrauch, und jedes Volk hat eben so seine menschliche Bildung empfangen; irgendeine Ent, Wickelung, sie sey zum Bessern oder Schlechten (Abartung und Ausartung), liegt in dem Men­ schen, wie der Keim «t dev Pflanze.

Nur in der

Geschichte des yehraischen Volkes erscheint sie als die ergreifendste und eigenthümlichst- (nicht kö­ niglich und priesterlich theokratische, wie in Ae« gypten,

sondern) göttliche.

ker wandelten

ihre

eigenen

Alle andere Völ­ Wege;

nicht also,

aber seiner Freiheit unbeschadet, das hebräische; es wurde in strenge Zucht genoimnen. Diese Ansicht scheint d-s höchste Wesen ei­ ner Partheilichkeit zu beschuldigen auch;

Aber wenn

sobald diese Behauptung historisch, d. h./

durch die That und den Erfolg begründet-ist, ft stehet dem Menschen kein Urtheil darüber zu, i»nh ->ir find nicht befugt,

die Geschichte nach einer

felbstgeschaffevey Glaubensanalogie zu richten und zu modeln, oder zu dem Schöpfer und Erzieher des Menschengeschlechts zu sagen:

WaS machst

tut Vor asten aber muß, um dieses richtig zu faft sen, unftr Blick zunächst auf das erste aller, in der heil«.Geschichte verzeichnen, Ereignisse, den Sän* denfall. gerichtet seyn.

Mit diesem und durch den»

selben hat Alles Vollständige aufgehört; Schmerz, Trennung und Sünde beh«rrstl)en die Menschheit; diese fühlt, daß es nicht also seyn sollte, und seh­ net sich nach Aenderung und einem bessern Zustands sie verlangt Heil von Gott, nämlich Befreiung tzo.n den Banden der Sünde, Erhebung über das irdische Htücklverk, und dessen Knechtschaft, Mier derverernigung mit Gott, mit einem Wie­ derherstellung des göttlichen Ebenbildes ht dem Menschen. Das Ebenbild» Gottes und dessen. Dollem düng. in. dem Menschen ist und kann, als eiu tttti lorenes, nichts.anders seyn, als eine über afle.ßr* sahrung und Vorstellung erhabene Idee, eine Ah­ nung und Hoffnung, wie-die eines künftigen fteligen Lebens.

Sie fällt in eins zusammen mit

ler Idee de- vollendeten Gottesreichs.

D.kehei«

lige Geschichte, als Darstellung der Annäherung zu — zugleich auch der Entfernung von — dem­ selben kann demnach auch nicht anders als steheimnißvoll seyn.

Ist doch selbst die Sünde ihrem

Wesen nach ein Geheimniß.

Die heilige Geschick--

U ist symbolisch. Aus der Nacht muß der Lag, aus der Fin­ sterniß das Licht, aus der Sünde die Erlösung hervorgehen.

Das Gefühl und die Erkenntniß

ler Sünde, verbunden mit Sehnsucht nach Frei­ heit, ist Demuth; auS der Demuth entspringt der Glaube, die feste Zuversicht auf Gotes Hülfe mrd Beistand zur Erlösung.

Sünde und Gott, De-

annth und Vertrauen, Knechtschaft und Freiheit, Finsternist und Licht — alles dieses in dem Man­ schen.

Des Mensch»« Leben ist ein Kampf um

lie Kindschaft Gottes.

Das

der Inhalt der

heil. Geschichte. Durch einen Menschen kam die Sünde «nb Trennung in die Welt,

auch die Erlösung und

Vereinigung beginnt durch den einzelnen Men, fchen, als Vertreter und Symbol der Mensch­ heit, bis auf den Menschen in Gottessohn,

der

als das Ebenbild Gottes den Kampf und die Erlösung vollendete.

Auf Ihn deutet,

in ihm

erfüllen sich Gesetz und Propheten, auf Ihn br-

jieht sich die ganze heil. Geschichte;

sie ist fom#

tolisd) bis auf seine Erscheinung. Abraham ist das Symbol des demüthigen, harrenden Glaubens, Jakob,

das Symbol des

kämpfenden Glaubens, das bezeichnet sein nächt­ licher Kampf mit dem Unbekannten biö zum An­ bruch der Morgenröthe.

Jakob, dem durch den

Schlag auf die Hüfte bas Gelenk verrenkt wur­ de, siegte dadurch,

daß er den Göttlichen fest­

hielt und nicht eher ihn los ließ, als bis er ihn gesegnet hatte.

Der Sieg des körperlich Ueber*

wundenen und Geschwächten war der Sieg der geistigen Kraft des Ausharrens und der Stand­ haftigkeit.

Der Segen war kein anderer, als der

oft wiederholte der Nachkommenschaft. (K. 35, 10).

Er bekam den Namen Israel „weil er mit

Gott und Menschen gekämpft und obgesiegt." Don ihm bekam Abrahams und Jakobs Nach­ kommenschaft,

das hebräische Volk den hohe»,

Ehrennamen des siegreich mit Gott und Menschen kämpfenden, des Israelitischen. In diesem Sym­ bol und Ehrennamen liegt dessen ganze ©efdjid,* te.

Diese, eben dadurch mit Recht die Heilige,

stellt diesen Glaubenskampf um das Reich Got­ tes in seinem Fort- und Rückgänge dar, bis auf den Anbruch der großen Morgenröthe, des heh­ ren und herrlichen Tages,

den Abraham

in»

Leiste sah und wovon alle Propheten weissagten. So wie Israel deck Israelitischen Volkes,

so ist

dieses

Aber

des Menschenseschlechts Symbol.

eben deshalb erscheint in dieser Geschichte desto greller

die

Sünde

und

Sündhaftigkeit

und

Schwäche, sowohl des Einzelnen, selbst Jakobs und seines Hauses, als des ganzen Volkes und in demselben der Menschheit. delt neben dem Lichte, gewinnt.

Die Finsterniß wan­

bis das Licht den Sieg

Das ist die Angel dieser heiligen Ge­

schichte, der Fähen der Ariadne, der durch dieses Labyrinth

führt..

Dieser Paragraph wird den Juden ein Aer­ gerniß,

den Griechen

düncken.

Das kann

eine lächerliche Thorheit aber

der Wahrheit nicht

schaden und ist alter Weise gemäß, Israelrtcn

wird

er anders

erscheinen.

Israeliten f»"* aber keine andere, glauben,

daß

de» ächten Diese

als die da

Jesus Cbrisius der wahrhaftige

Sohn Gottes, und der Weg, die Wahrheit und das Leben sey« Der Name Christen — hier freue ich mich wieder der Sprache des gelobten teut­ schen Vaterlandes,, des Herzens der christlichen Völker, welche „Christen" allein zu sagen ver­ mag,

während alle andere Sprachen, selbst die

griechische nur Christi aner, welches der teut> fcheiz nicht fremd, aber engeren und fast .entge-

gengesetzten Sinnes ist,

sage» können — *«

Name Christ ist die Vollendung des Namens Jsraelit — es ist die Vollendung des Käm­ pfenden und Siegenden durch die göttliche Krö­ nung und Salbung; königlichen und

es ist die Benennung des

hohenpriesterlichen

des auser-

wähltrn Volks des heiligen Geschlechts *), Juden,

Die

welche Israeliten zu heißen eitel und

leichtfertig sich anmaßen, find mit Nichten Israe­ liten,

sondern Juden,. Dem achten Israeliten

wird dieser Paragraph mehr ein mit dem Geiste Engender und an der Hüfte vervenkter Buch« stabe, als ein den Geist völlig bis zur Morgen­ röthe umfassendes lebendiges Wort dünken. — Hier bekennet Paragraphus in völliger Selbst­ erkenntniß seine Schwache, und bittet das Wol­ len für das Vollbringen zu nehmen.

§. 59» Alte heidnische Völker empfiengen ihre Dil», düng durch den Staat oder durch ihr und in ihrem Gemeinwesen,

welches fie,

jedoch nicht

ohne eigne Empfänglichkeit oder auch Verschuld düng, entweder von außen empfiengen, oder, tote die Schnecke ihr Gehäuse,

aus ihrem Inner»

'e6& sichst bildet««.

Theils wurden sie durch Despo­

tismus zum Gehorsam und zur Knechtschaft ge­ zwungen, wie ia den mehrst«» astatischen Reichen, theils

gestalteten sie siel)- selbst zu einem Volk

und Vaterland« in einer freiern Verfassung, wie die Grieche« tttiil Römer: theils wählten sie ein ungebundenes, nomadisches und herumschweifendeS Leben, wie die Araber, Skythen, und Ger­ manen. Jene erster«,

di« Knechte der Zwingherr-

fchaft, verloren aste, nur in der Freiheit sich ent­ wickelnde Eigenthümlichkeit, und dienten der Er­ de.

Sie gleichen den Baurmn in einem Zuchtg«-

häge,

welche unter dem Messer und Zwang des

Gärtners alle jtt einer Gestalt erwachsen.

Sol­

che Völker sind nur als Massen und Haus«« zu betrachten,

welche durch den Willen des Allein­

herrschers in Sewegung gesetzt werden. es diesem ein, wie Nebukadnezar,

Fallt

sich in einem

gükdenenBilde aufstellen und anbeten zulassen, wie einen Gott, so fallen, sobald das Gebot erschallt, .alle Völker, Leute und Zungen nieder und beten das

Bild

an *).

Wie

den

Hausthieren der

Mensch, so ist ihnen der Despot ein Gott.

WaS

hurch die erzwungene Kraft großer Massen be-

26g tv first werde» kann, ungeheure Bauwerke, «uf? gethfirmtd Stein - und Erbmassen-, deren Haupts zweck ihr« Größe ist, und welche, wenn auch zu Trümmern verändert, eit Dauer mit der Erde selbst jtt wetteifern scheinen, beurkunden den thie­ rischen Erdensinn und die traurige Existenz sol­ cher «'ntergegangenen Völker, Wen« sie auch über sich zu den Gestirnen aufschauten, so geschah dieses nicht aus rein wissenschaftlichem Streben, sich mit jener höheren Ordnung zu befreunden, vielwenigen mit dem bewundernden Gefühle der unendlichen Weisheit, welche sie leitet — sondern sie erkannten mit darin die eiserne Nothwendig­ keit, welche diese, wie sie selbst beherrscht, und in ihrem Glanz das Abbild ihrer Herrscher, di« sich auch jetzt noch Brüder und Vettern der Sony«, des Mondes und der Sterne nennen; daher sie auch diese, wie ihre Despoten vergötterten. Bei solchem Volk, im thierischen Druck und dem dumpfen Gefühl der Knechtschaft konnte di» Idee eines Vaterlandes niemals auskommen; höchstens war ihre etwa sogenannte Vaterlandslie­ be thierische Trägheit und Gewöhnung. Die wie nach der Schnur angelegten viereckigen Städ­ te Babyloniens waren das Bild des vakerländi* scheu Pferchs, worin sie wohneten. Bet denjenigen Völkern, die sich selbst eine

freiere Verfassung nach Gesetzen bildeten, tburbe die Idee des Vaterlandes die erste und höchste, und wie der Vaterlandsliebe alle Duzenden, wurde jener selbst die Religion,

so

als deren Stü­

tze, untergeordnet. So war vor allen bei Grie­ chen und Römern, die daher auch ihre Eökker zur Erde herabzogen,

wahrend die despotischen

Völker, wie ebenfalls die Römer, nach dem Ver­ lust ihrer Freiheit und der Idee eines Vaterlan1bes,

ihre Despoten vergötterten.

Einen Mit-

telzustaNd zwischen beiden Verfassungen mochten das

phönicische

und karthagische Gemeinwesen

Hilden, wovon dem gewinnsüchtigen Handel lie­ benden Volke das Vaterland mehr als ein Schiffs­ werft uri6 Stapelplatz angesehen wurde, und da­ her den Aristokratismus und Menschenopfer — als einer költlichen V^are — herbeiführten. Das wild- und ungebundene Leben änderet, ln einzelne unabhängige Stämme gesonderter Völ­ ker, wie der Araber, wird weder vom Gesetz noch vomder Gewalt, sondern blöS von der rohen Na­ tur bestimmt und geleitet.

Es ist ein Stillstand

Menschlicher Bildung und somit auch schon ein Rückgang, dessen Beschleunigung nur das Clima, die einfache Lebensweise und ein gewisses durch Ueberlieferung und Sitte geheiligtes Recht, z. D. die Blutrache utifb das Gastrecht, wie bei de»

Arabern, oder angebohrne GUtMäthigketk, Ehrund Kraftgefähl, Zweikampfünd Aberglaube- Mt bei den Teutschen» bis zum uebergang in eine hör Here Kulturstufe oder zum völligen Untergang ei­ ne Zeitlang aufhalten können»

Denn es ist nicht

Bestimmung des Menschen, itt solchem Zustande lange zu bleiben.

Ein solches Leben sähet seiner

Natur nach zur Verthierung, zum Raube und ro­ her Gewaltthätigkeit und dann in seiner völligen Entartung zum Kannibalismus und Menschend frrsserei,

wie KrusenstetN sie untre den

wohnern der Washington«Insel fand» die nicht nue die Mitbewohner ihrer Insel, sondern auch ihre eigene Weiber und Kinder schlachten undvers zehren. Daß- solche und ähnliche Verthierung einzetz ner Menschenstämme nicht ursprünglicher Zustand» sondern Verwilderung und Verfall sey, wer könn­ te das bezweifeln? Hier würde es nur vorerst einer Zähmung, wie der wilden Thiere, bedürfen, ehe von einer Liebe zum Daterlande, oder auch nur zu dem bewohnten Boden die Rede seyn könn­ te.

Aber auch bei den viel höher stehenden Hör-

drnvölkern kann die Idee eines gemeinsamen Va­ terlandes und Gemeinwesens nur durch Unterjo­ chung, wie zum Theil durch den Mahomedanisd mus in Arabien und einigen Theilen Afrikas ges»

schah, o$tr, wie bei den Griechen und Teutschen, durch Vermischung mit andern Völkern, oder durch Vermittelung christlicher Misstonarien emporkam men. Di« Idee eines Vater- und Mutterlandes, dir Vaterlandsliebe, ist dem Meqschen zu seiner Veredlung eben so nothwendig, als Vater- und Mutterliebe dem Kinde. Anfangs erscheinet je­ ne nrtt dies« als Instinet, folglich als ein dem Menschen eingepflanzter Keim zur Entwickelung und Veredlung. Unterdrückung und Erstickung derselben durch Despotismus oder doch Verwil­ derung ist «in Frevel an der Menschheit und füßwt zur Verthierung. Bet den Thieren verschwin­ det allmahtig- der Instinkt, der die Jungen mit der Mutter verbindet. Bei dein Menschen höret «uch die instinctmäßige Liebe auf, der natürliche Keim erstirbt, wie das Saamenkorn, aber ste wird «lsdann «>,e Liebe deS HerjenS und Genrüths, oirt> umso edler und menschlicher. So auch di« Va­ terlandsliebe; st« wird bei fortschreitender E»twickelung ein Eigenthum der Vernunft nnd des Her­ zens, ein Gefühl der Dankbarkeit und Liebe, das auf erkannte Verzüge und Wohlthaten sich gründet-. Auch Jesus liebte sein Vaterland, als solches vor allen ander«, und kehrte, wenn er daraus ««Mich«» mußte, immer mit gleicher Liebe

Liebe dahin zurück.

Daterlandsliebeist wie Va­

ter- und Mutterliebe göttlich und heilig.

Aber

sie ist eben so wenig die höchste Liebe, als diese. Wer Vater und Mutter mehr liebet, denn mich, sagte Jesus, der ist meiner nicht werth. Siehe, daS find meine Mutter und meine Brüder, sagte Er, und wirs auf seine Jünger. — An und in der Liebe zu den Eltern, als den Stellvertretern Gottes bei den Kmdern,

soll die Liebe zu dem

unsichtbaren Vater erwachsen, sich bilden und er­ starken und dadurch wieder jene sich vergeistigen und veredeln. Darum ist der höchste Name Got­ tes der Name Vater im Himmel. So ist das irdische Vaterland auch nur die Basis und der Boden einer höheren Vaterlands­ liebe.

Wer in jenem das Höchste siehet,

und

seine Vaterlandsliebe auf den Versiandesbegrisf der besten Verfassung und bürgerlicher Freiheit gründet, dessen Bildung, dessen Geist und Herz ist von den engen Schranken der Selbstsucht um­ schlossen, er ist für das höhere und höchste ver­ loren.

So war es bei Griechen und Römern»

Dieser, sich selbst überlassenen Völker höchste Bildung wurde durch die Idee des Vaterlandes btwürkt.

Diese Bildung

weltliche,

war also blos

eine

im Sinn der heil. Schrift und im

Gegensatz der göttlichen. Darum war sie auch,

274 Wie die Geschichte jeugrt, dem unaufhörlich wech­ selnden Loos alles Irdischen unterworfen und ist «iner Pflanze zu vergleichen,

die, nachdem sie

ihre höchstmögliche Ausbildung in Blüthe und Frucht gewonnen,

wieder zerfällt und vergeht.

Sie gehört der Sünde, der Selbstsucht an, und folglich dem Tode.

Die Idee eines Vaterlandes

ist eine untergeordnete, ihrem Hauptbestaubthrile nach nicht Geist, sondern Fleisch, nicht göttlich, sondern menschlich (nach dem Wort» Jesu zu Petrus, der Ihn, den Meister, lebendig dem Vaterland» erhalten wollte-; sie soll nur Grund­ lage seyn;

wie der Boden,

worauf wir gehen

und stehen,

und woraus wir unsere Nahrung

ziehen, geringer ist, als das Leben, und das ir­ dische Leben, das Fleisch, geringer ist, als dec Geist. Wer sein Vaterland als das Höchste liebt, der macht das Mittel zum Zweck,

und so wie

derjenige, der den Menschen zur Knechtschaft, zum bloßen Mittel herabwürdigt, so macht er fich selbst zum Sklaven des Bodens, der ihn ge, bahr und ernährt.

So war es — noch einmal

sey es gesagt —bei den Griechen und Römern. —

§. 6o. Bei dem hebräischen Volke ist die Idee des Vaterlandes und der Vaterlandsliebe nie zu glei-

e?5 eher Herrschaft und Würde gelangt, iyie bei je­ nen andern Völkern.

Schon die Bedeutung bas Wort Him­ mel das Hohe bezeichnet,

besonders auch die

Schöpfung des Menschen,

nämlich des Leibes

aus Erde, des Geistes aus Gottes Odem, nach der heiligen Urkunde, und der überall wiederkeh­ rende Gegensatz des Himmels und der Erde deu­ ten auf die eigenthümliche Bildung dieses Vol­ kes,

welche die Idee des Vaterlandes nicht die

herrschende werden ließ. Dies wird durch des­ sen Geschichte noch mehr betätigt. Schon Abraham mußte das Land feiner Vä­ ter und Verwandtschaft verlassen,

und „gien-

aus, und wußte nid)t, wo er hinkäme, und wur­ de ein Fremdling in den» verheißnen Lande, in

einem fremden" *)♦

alsi

Nicht minder Isaach

und Jakob, welche zwar aus dem Urlande Wei­ ber nahmen, aber an eine Rückkehr dahin und bleiben in demselben nicht denken durften, doch auch

in

Canaan kein Vaterland

und

hatten,

während Jsiuaels und Esaus Nachkommen sich zu einem Volke und Vaterlande bildeten.

Mit

Recht konnten sie sich also hier und in Aegypten

*) Hrbr. »», 3. 9.

2^6

„Gäste And Fremdlinge aüf Erden" nennen mrb dadurch „;u erkennen geben, daß sie ein Vater­ land suchten" *). Selbst Moses war nur von Geburt ein Hebräer, seine erste Erziehung 'und Bildung verdankte er verhaßten Aegnptern. Die vierzigjährige ZrrfLrth 'in der Wüste war auch Nicht geeignet, die Idee eines Vaterlandes zu erwecken üft'b $U beleben, und eben so wenig, wie der Erfolg gezeigt hak, die Artheilung des Dol­ les in zwölf Stämme, die nfd)t sowohl ein pot Ptlsches Interesse, als vlelmebr nur der Glaube And die religiöse Verfassung za einem Gemein­ wesen vereinigte. Auch war das Land Canatzn, nachdem sie endlich mit Ansirengung zu 'dessen getheilten und streitigen Besitz gelangt waren ihnen zwar ein theures Land, wo, jedoch auch Inehr in der Hoffnung und Phantasie, als in der Wärklichkelt, „Milch und Honig 'floß" — Aber doch erkannten sie es nicht so wohl für ihr Ei­ genthum, als vielmehr für ein Desitzthum Jehovahs, ihnen nur aus Vergünstigung zum Wohnsitz angewiesen, so lange sie dessen sich würdig beweisen totrcbtn. Wie konnte auch die Idee eines Vaterlan­ des sich befestige» und vollenden, so laugt „och

277 anders Völker

dis e.S früher bewohnt- Kanaan

aus dem Flechte des alten Besitzes ihr Vaterland nannten?. Dieses Wortes konnten sich hie Heq hriler gax nicht, einmal bedienen) es widersprach dem Begriff» Denn rS war ttW das Land, bas Eigenthum ihrer Völker gewesene mußte doch Abraham, selbst seine Begrahnjßhöle mit Geld ec* kaufen, upd dieses als Vergünstigung und Wohl* that erkennen.

Außerdem dauerte, bis ja, späten

Zeiten der Kampf der Israeliten mit den Lanhesbewohnern fyrt, und dieser Streit selbst wax nichts anders, als ein Kampf der höher» mit her niedern, der, Gottes- Ihee mit der VaterlandsIdee, wodurch entschieden werden sollte: ob das

ntn, in welchem alle Geschichte erfüllet wurde, unb be.r alle Leidey her Menschheit ertrug,

§. 6Z. Alles geht in Josephs Geschichte anders, als die handelnde« Personen dachten uyd wellten. Ja­ kob sendet den Jüngling von Hebron nqch Cichem, em sich nach dem Zustande der Brüder und ihrer Heerden zu erkundigen, und dem Vater Nachricht jti bringen. Joseph sollte niemals zu seinem Vas­ ter nach Hebron zurückkehren, als um ihn dort zu begraben. Er findet die Brüder nicht zu 6i? chem uyd irret suchend auf dem Felde umher, Ein Mann findet ihn, und weiset ihn znrecht,, zu seinem llugluck. Da fomyit der Träumer? wap der erste Gedanke der prüder, als sie ihn sahen, und ihr Beschluß, ihn zu tsdten. Ein wildesThier sollte ihre Schuld tragen. Ruhen, drp schon einmal den Vater tixf gekrankt hatte, ver­ mochte es nicht $utn zweitenmahl r er wollte Jo­ seph retten, und gab den Rath, ihn in eine Ei­ serne, herabzulassen. Wie mochten Joseph in der Tiefe seine erhebenden Traume dünken, woran je­ ne ihn so bitter erinnerten! Haste er Glauben, fj» waren sie sein Trost; fehlte ihm dieser, seine Quqal..

Hie Geschichte stellet ihn dar, wie esu

Kamm baS zur Schlachtbank geführt wird. halten ihre Mahlzeit,

Jene

wie nach wohlvollbrach-

tem Werke; da kam ein Haufen Jfmaeliter, eine handeltreibende Aaravane vorüber.

Juda, der

mit roher Sinnlichkeit ein Gefühl für Gerechtigkeit verband, wie aus dem Vorfalle mitThamar hervorgeht, thut den Antrag, ihn nidjt zu f6b# fett — „denn er ist unser Bruder, unser Fleisch und Plut" — sondern ihn zu verkaufen. Es ge­ schieht. Rüben, der nach Vollfährung feineVorschlags stch entkernt und nicht mitgegessen hatte, findet ihn nicht, als er ihn hervorziehen will aus der Grube.

Er jammert und wehklagt; und

nach ihm der arme Vater beim Anblick des zerris­ senen blutigen Rocks seines Lieblings.

Joseph

ist todt — hieß es in dem verödeten Hause zu He­ bron; aber Gott sprach: er lebet. Der Herr war mir Iotzph in Aegypten, also baß er cm glücklicher Mann ward in dem Hause seines Herrn, und zu allem, was er that, dazu gab der Herr Glück durch ihn, und es war eitel Segen in allem, was sein Herr hatte, zu Hause

mb im Felde.

„ So Tpricht die Geschichte,'so

schien es nach menschlicher Anficht. keinesweges also.

Joseph

Aber eS war

war ein erkaufter

Sklave; tyie konnte er sich gläckserlig fühlen ge­ trennt von

dem liebevollen Vater, dem zärtltch

$97 geliebten und bei dem Gedanken an feine Thrä­ nen?

Aber die Geschichte kann und darf nicht

immer das verschloßene Innere aufschließen, und, der Wahrheit getreu, den schweigenden Mund nicht öffnen.

Nur der Glaube, und des Glau­

bens Blürhe, die Hoffnung, konnte den Schmerz der Trennung und der Knechtschaft mildern. Aber bald bedrohete eine

viel

schlimmere

Knechtschaft den schönen edelgesinnten Jüngling, die Knechtschaft der Sünde; Scheidewege.

er stand an -den»

Das Weib seines Herrn wirft

die unzüchtigen Augen auf Joseph; sie ihn zu locken und zu verführen.

täglich sucht Run giebt die

Geschichte das Wort seines Mundes und HerzenS, und erweiset dadurch, wie der höheren Prüfung und

Leitung werth

ein

solches Gemüth war.

Mit ruhiger Würde bekennet er dem Weibe daS natürliche Gefühl der Dankbarkeit gegen das Ver­ trauen und die Gute seines Herrn, um sie von ihrem schnöden Begehren abzuleiten, aber mit ttM) höherem Muthe und Selbstbewußtseyn spricht er: Wie sollt' ich ein so großes Uebel thun und wider Gott sündigen k — Und als nun die blinde Lust mit wüthiger Gewalt sich verband, da riß er sich ios, ließ sein Kleid und entfloh. Paragraph hat schier seines AmteS vergessen, und statt neben der Geschichte demüthig einher-

»93 Atgehen oder ihr ja folgen, sich mit ihr einge­ setzt. Aber ti?tr könnte den schönen hebräischen Jüngling ansehen, ohne von neuem von ihm, wenn auch das Alt« und Wohlbekannte, zu er­ zählen. Ständen alle PfeOe und Netze der Ver­ führung, alle Drohungen und Lochungen des Weibes, t»ony( sie ihn zu sahen suchte, aufge­ zeichnet, wir würden noch mehr ihn, den göttli­ chen Sieger, bewundern. Aber wozu dieses? Diel höher iß anzunehmen, daß es des Kampfes und der Selbstüberwindung gar nicht bedurfte, sondern daß der Abscheu vor dem Dösen und die Liebe Gottes in seinem Herzen stärker war, als alle Versuchung, und also der innere Friede in ihm gar nicht unterbrochen wurde. Er gewann durch dieftn Sieg nichts; denn es war nur die Zurückweisung, einer fremden Sünde und eines bösen Weibes; reines Herzens war er schon zuvor« Von einer innern Versuchung Josephs sagt die Geschichte nichts. Er gewann nichts, und schändliche Verlaumdung bei seinem Herrn, Verlust seiner Freiheit, Kerker und Bande waren die Folgen seiner Treue und Gottseligkeit. — So bewies Abrahams, Isaaks und Jakobs Verheißung sich an dem wür­ digen Abkömmling. Oder heißt es hier: So

ihr um Wohlthat willen leidet,

bas iß Segen

von Gott?

§. 66. Mit

eigenthümlich

kindlicher

Einfalt

be­

nimmt sich die hell. Geschichte bei der Darstel­ lung

der Schicksale — man darf wohl sagen —

ihres Lieblings. Sie rühmet überall dessen Glück; auch im Gefängnisse „ist der' Herr mit ihm, nei­ get seine Huld zu ihm, laßt ihn Gnade finden vor dem Aufseher des Gefängnisses,'und ju allem, was erjhüt, giebt der Herr Gedeihen." War es denn eine besondere Gnade von Gott, daß er ihn im unverschuldeten Unglück nicht ganz verließ? Ist das menschliche Leben solch ein elend und jämmerlich Ding,

daß der

Mensch nicht

den

mindesten Anspruch auf Segen und Wohlseyn machen darf? sondern jedes Sonnenblick für eine Huld des Himmels erkennen muß? War rS zuver-. wundern, daß des schönen Jünglings Unschuld und klarer Blick, und dessen Verstand und Gewandtheit einen wohlthätigen Eindruckaufeinen nicht ganz un­ menschlichen Kerkermeister machte, Gunst erwarb?

und

dessen

— sondern jeden Sonnenblick

für eine Huld des Himmels erkennen muß. Die wiederholten

Versicherungen

der Ge­

schichte von Gottes Gnade und Josephs Wohl­ seyn im Kerker, sind — .weift,, wir unS freuen

— gleichfalls Paragraphen zur Geschichte, ihr selber gemacht.

von

Hie urtheilt — und zwar

in gewisser Hinsicht gegen Joseph, der mit Recht wünscht, „daß, ihm. Barmherzigkeit geschehe und er aus diesem Hause geführt werde." Aber wer könnte rS der Geschichte verdenken? — Sie benimmt sich gleichsam wie eine Mutter, Kinder,

die dasjenige ihrer

welches von der Natur am wenigste»

begünstigt lyurde, und daher weniger, als die an­ dern beachtet wird,

am meisten zu loben und

Lessen Tugenden hervor-uheben sucht.

So muß

auch Joseph als der selbst im Gefängniß von Gott begünstigte und wie manche Mutter in

gesegnete erscheinen.

Ja,

dem angeführten bildli­

ch«» Falle, so scheint die Geschichte sich selbst zu täuschen.

Sie will

edlen Zweig aus Abra­

hams und Jakobs Stamm, nach der Verheißung als einen Gesegneten sehen, trotz Banden und Gefängniß.

Sie möcht? gerne Gott und des

Jünglings Tugend rechtfertigen, und beider Ant­ litz auch im Dunkel des KerkerS leuchten lassen. Er war glücklich — sagt sie mit eben der Einfält, womit die heil. Geschichte beim kukas von dem zwölfjährigen Jesus versichert, er nach feinem

er sey, als

Aufenthalt im Tempel wieder

nach Nazareth gieng, seinen Eltern gehorsam ge-

W was uns durch das Evangelium geworden ist» Aber das sollte also seyn, nach Gottes WillenLrst dir Schranken, dann die Freiheit drr Kinder Gottes. nicht.

— Eigennützig und selbstsüchtig war sie Segen war den Israeliten von Anfang

an verheißen, von Gott verheißen, wenn sie glans big vor Gott wandeln würden.

Sie hofften dir

Erfüllung der Verheißung von bet Gnade GotkeSwie wir Christen ein ewiges Leben.

Das ist kein

Eigennutz, sondern kindliches Vertrauen; sie hoff­ ten in den unglücklichsten Umständen am stärkstendas ist Heldenmuts sie hofften endlich, wie dis Erzväter, Und wie auch Simeon, gleichsam des Erzvater des neuen Bundes, nicht sowohl für ihö Leben und ihre Person, sondern für ihre Nachkom­ menschaft.

Diese Hoffnung war lhUen als eint

Frucht und rin Lohn ihreö Glaubens gegeben, und in ihr drr Keim zur Vollendung durch die Liebe. Aber warum war sie

auf

die Erde beschränkt?

— Weil sie das Volk Gottes auf Erden waren. Und nicht im Himmel; mit andern Worten: weil aus demselben
,Joseph

wandte sich von ihnen und weinete."



Bald

aber Überwand er seine menschlichen Gefühle und ließ Simeon binden. fallt die Brüder, seinem Sack

Ein neuer Schrecken über­

als sie das Kaufgeld jeder in

wiederfinden.

Warum

hat

uns

Gott das.gethan, rufen sie einander zu bei die*

ftt räthselhafter Erscheinung. jZakob will Benja­ min nicht entlassen, Le« einzigen Trost feines Al­ ters. Aber der weichmäthige Greis muß auch dieses letzte Opfer bringen. Wo ist jemals der Schmerz eines tiefverwunbeten Daterherzens ein­ facher Und wahrer ausgesprochen, als in dem Zögern, in den Frügen, Vorwürfe« und Klagen Jakobs. „Ich muß seyn, wie einer, der seiner Kinder -ar beraubt ist." Es war abermals ein Kampf Mit Gott, der letzte, nicht minder schwer, als Abraham- Gang nach Moriah. — Dir stei, gendr Hungrrsnvth zwingt ihn endlich, auch Ben­ jamin zu entlassen, und nun Monden als rin kinderlofte Pater in der Einsamkeit zu vertrau, re«. AIS Joseph dir voll Angst mit Benjamin Wieder erscheinenden Brüder stehet, muß er von nruem feine Thränen verbergen, aber von neuem muß er stein Herz verleugnen, und sie hart be­ handeln. Nach freundlicher Bewirkhung werden ihre Säcke gefüllt, und das Geld wieder beige­ legt, in Benjamins Sack abrr auch noch der Be­ cher Josephs. Aber kaum sind sie auf dem freu­ digen Wege zur Heimath, da werden sie einge­ holt und des schnöden Diebstahls beschuldigt und überwiesen; Benjamin soll als Sklave und Ver­ brecher zurückbleiben. — Da thut Juda seinen Mund

Mund auf «nb redet aus der Liefe seines Her­ zens. .„Seine Seetq hanget an dieses Knaben Seele.

Wie soll ich-hinaufziehen zu meinem Va­

ter, wen« der Knabe nicht mit mir ist? Jchwüra de den Jammer sehen müssen, der meinem Vater begegnen würde." Nu» tvar das Maaß voll, die Prüfung voU lendet. — Joseph kann sich nicht länger enthal­ ten, er weinet laut und spricht: Ich bm Joseph. Lebet mein Vater noch? — Die Brüder können vor'Schrecken nicht antworten.

Da vergütet die

liebevolleste Milde alle jene strenge Prüfungen. „Ich bin euer Bruder."

Bekümmert euch nicht

und denket nicht, daß ich bannn zürne, daß ihr mich verkauft habet.

Gott hat mich vor euch

her gesendet um eures Lebens willen. mich vor euch her gesandt,

Gott hat

daß er euch erhalte

auf Erden und euer Leben errette durch eine gro­ ße Errettung;

So habet ihr mich nicht her ge­

sandt, sondern Gott." Schonung, in

dieser



Welche Milde und

dreifachen

Wiederholung k

Welche Vergebung und Liebe in diesen Worten. Joseph erscheinet auch

hier

als

das

Ebenbild

des freundlichen und leutseeligen Gottes, der die Liebe selbst ist.

Kaum ist im ganzen Alten Te­

stamente ein solches Beispiel von Liebe, und nur dem stehet es nach, der unendlich höher, als Io-

seph sich bis zum Tode erniedrigte und sterbend für seine Feinde bat. — Joseph erscheinet hier alS ein von Demuth,

Glaube und Liebe durch,

drungener göttlicher Mensch. —

Sein menschli­

ches Gemüth thut fich auf und offenbart sich so eigenthümlich und zart,

daß man ihn dem Jo­

hannes des N- Bundes vergleichen möchten Aber wunderbar! wo durch ihn das hebtäi, fche Volk eine ganz andere,

der gegebenen Ver­

heißung nicht entsprechende,

neue Richtung er­

halten, nehmlich Kanaan mit einem andern Sa» (erlaube verwechseln soll, da erscheint er anders. Sein Gemüth verschließt sich und er redet mm als Knecht und Prophet des Herrn,

Und wird

auch hierin dem Lieblings) änger auf Patmos ähn­ lich.

Welche ganz andere Sprache läßt stch in

dem Gebote an den Vater vernehmen? lässet dir Joseph, dein Sohn, sagen:

„Das

Gott hat

mich zum Herrn von ganz Aegypten gesetzt; .komm herab zu mir, säume nicht.

Du sollst im Lande

Gvfen wohnen, und nahe bei mir seyn, das ünd deine Kinder und

KindeSkinder;

ich will Dich

daselbst versorgen u. s. w." — Nachdem er die­ ses, nicht als Sohn,

sondern als ein Stellver»

tretet des Höchsten ausgesprochen, wieder Benjamin und die andern

umarmt er Brüder und

Freudenthränen verkünden die Gefühle feines de»

ivrgkeii HrrzenS. — Der König, sobald er dag Ereigttiß vernommen, gebietet Joseph, was die­ ser schon angeordnet hatte,

und fügt noch Ge­

schenke hinzu- — Joseph entlaßt die Brüder mit dem Zuruf: Wege.

Nun fürchtet nichts mehr auf dem

Jakob

empfangt

die

Freudenbotschaft,

aber der so oft Getäuschte vermag es nicht, zu glau­ ben — es ergeht ihm, wie den Jüngern bei der Auftrstehung des Herrn.

Nachdem er alles ver­

nommen, und die Wagen und Geschenke sah, da lebet sein Geist auf.

Genug.'

mein Sohn Jo­

seph lebet; ich will hin und ihn sehen, bevor ich sterbe.

§. 70. Während der zehnjährigen Entfernung Jo­ sephs scheint Gott sein Antlitz vor Jakob verbor­ gen zu haben.

Er bringt diese Zelt in trauren-

der Einsamkeit zu,

und nur an Benjamin han­

get seine Seele. Kein tröstender Traum noch Ge­ sicht war ihm erschienen; Prüfung.

es war eine Zeit bttf

Nun aber, auf seinem Zuge nach Ae­

gypten, nachdem er zu Derseba geopfert, erscheint ihm Jrhvvah wieder in einem nächtlichen Ge­ sicht, verheißet ihm seinen Beistand im fremde» Lande; ja ihn wieder herauszuführen, um daß Jo­ seph dem Sterbenden die Augen zudrücken solle. In dieser Weissagung mischt sich JakvbS prrsön-

^

m

siches Schicksal mit dem seines Volkes, eben so, Wie mehrmals in der Geschichte und den Ver­ heißungen der Urväter. Das Wort: „id) will -ich wieder herausführen nach Canaan" — ward nicht an Jakob selbst erfüllt — denn die Bestat­ tung seines Leichnams in der Gruft der Vor­ väter wird doch nicht dafür gelten sollen. Auch wußte die Geschichte gut genug, daß solches nicht an Jakob selbst erfüllt werde» würbe. — Aber so, wie Abraham der glaubende, Isaak der duldende und weltfremde, so auch Jakob, der kämpfende und von Gott geleitete. Ihnen Wird die Äleissagung und Verheißung gegeben, aber nicht auf ihre Persönlichkeit oder den Zeit­ raum ihres Lebens beschränkt^ sondern, sie sind wie «in ganzes Zeitalter. Fast vier Jahrh»«-« derte verflossen, ehe die an Jakob geschehenen und die später durch ihn selbst über Mamrffe und Ephraim ausgesprochenen Verheißungen in Er­ füllung gehen konnten. Da traten dir Stämme an di« Stelle des einzelnen Stammvaters. Jakob zog nun nach Aegypten, Joseph hatte mit Bewilligung des Königs ihm Wagen und Lebensmittel zugesandt, er selbst kam dem Batet? «nkgegrn und «mpfieng ihn mit kindlicher Ehr­ furcht und Liebe. Der Greis wirb den» Könige vorgestellt, und hier antwortet er auf die Frage,

wie alt er sey:

Die Aeit meiner Wallfarth ist

hundert tutb breißij Jahre;

wenig und böse ist

die Zeit- meines Lebens, und langet nicht an die

Seit meiner Väftv in Ihrer Wallfarth. Bei näherer

Betrachtung

erscheint

dieser

Ausspruch des klagenden Erzvaters seltsam und widersprechend.

Cr hatte große Ursache, die Ta­

ge seines Lebens böse und das Leben selbst- eine Wallfarth zu nennen. es auf,

Aber um fb mehr fallt

daß er sich dennoch,

im Gefühl seiner

Alterschwäche und des herannahenden TodeS, über die Kürze des Lebens in Vergleichung mit feinen Vätern beklagt» warten sollen,

Hatte man nicht vielmehr er­ daß er mit Freude,

nachdem ec

seine Kinder wieder um fid) vereinigt sah, ben^ Ende seiner mnhseeligen Wanderschaft entgegen­ sehen und tote Simeon ausrufen würde: Ich kanir nun in Frieden von hinnen scheiden,

seit meine

Augen meine Geliebten wiedergesehen habenWar­ um sind denn diese Auserwählten GotteS, nen Gott sich inniger nahete,

de»

als allen andern,

mehr als alle, mit Herz und Seele an die Erde gebunden?

Warum trifft man auch nicht einen

sehnsüchtigen Blick- aus dem Pllgerlebcn nach ei­ nem bessern Vbtrrlande, oder auch nur nach der Erlösung und Ruh« des Tedes und Grades? Warum ist ihnen- bas lange Leven in dem von

Sott gegeben«» Lande bas Höchste,

und Wün-

schenswertheste? Beziehen sich nicht sogar darauf »ie Verheißungen Gottes zur Vergeltung eines frommen Lebens,

und Fluch und Sergen.?

Ist

ihnen nicht Ne Grube und das Scheol das En­ de aller Dinge? Spur,

Auch findet fich nirgends «n*

daß die Phantasie diese Kluft zu über­

springen und, wie bei allen andern Völker«, die von der Erde geschiedene Menschenwelt in eine Gemeinschaft mit der Gottheit und einer höher» Geisterwelt zu versetzen suchte;

welches um so

mehr zu verwundern ist, da Gott und die höhere Welt fich diesem Volke, welches, wie Jakob, oft­ mals

„Gottes Heer zu schauen,"

gewürdigt

warb, naher offenbarte, als jedem andern. Eben so wenig ist bei den Hebräern eine Spur von dem Glauben, daß der Geist des Menschen, wie »ie Aegypter gemeint haben sollen, bei dem Leichnem »«»weile,

noch anch von einer Seelenwgn-

derung. Leichtsinnig war das hebräische Volk nicht, wie die Griechen,

die in fröhlicher Gegenwart,

der fernen Zukunft nicht gedenken mochten, ober quch diese sich nach ihrer Einbildung gestalteten; sondern vielmehr zum Ernst und Trübsinn ge, neigt, der die Gegenwart verschmähend, den bes­ ser» Zustand in der ferne» Zukunft und ch»em

ander« Leben erwartet.

Aber zu solchem Trost

gelangten sie nicht. Änd was hatte denn die Erde, und das Le­ be« für eine« Jakob — um wieder auf unsern Mann,

als den Stellvertreter und die Wurzel

seines Volkes zurückzukommen — was hatte die Erbe und das Leben für ihn,

daß er sich über

die Wenigkeit seiner Jahre beklagen mochte? Es war ja von Jugend

an voll Mühseligkeit und

Plage gewesen, «nd, obwohl sein Sohn jetzt ei­ ne hohe Würde errungen hatte,

so war doch

dieses in einem fremden, von dem verheißenen weit entfernten Lande, wo er und die ©einigen als verachtete Fremdlinge und Hirten abgeson­ dert lebten,

und in welchem aus Jakobs Seele

die Sehnsucht nach jener, blos verheißenen Heiinath, nie entwich, so daß er noch kurz vor sei­ nem Tode Joseph schwören ließ, ihn in Canaan zu begraben. — Seltsames, räthselhaftes Mensthenwesen, wer mag dich ergründen!

In solchem

Dunkel hält

es schwer, Helle und klare Paragraphen zu schrei­ ben, und des in der ganzen Schrift hochgefeierlen Stammvater- inneres Leben zu erforschen. Mer vermöchte dieses und dürfte sich dessen ver­ messen?

Doch sey uns ein kühner Griff in das

dunkle Heiligthum verstattet.

§. 1u Vorerst: Don einem künftige« leie», »der Ivie wir reden, von Unsterblichkeit der Seele und selbstbewußter Fortdauer nach dem Lode wußte Jakob und sein Volk eben so wenig, als irgend ein Volk oder einzelner Mensch vor Jesus Chri­ stus, oder nach ihm ohn-e Jesus Christus. Das Verlangen nach Fortdauer ist in jedem Menschen, aber auf dieselbe Weise, wie in dem glücklichen Menschen das Verlangen nicht zu sterben, und in dem forschenden Menschen das Verlangen, in die innersten Geheimnisse der Natur einzudringen und z. B. den Geist zu ergreifen, der die Pstanze aus dem Keim gestaltet, oder, wie in dem geist­ lich gesinnten Menschen das Verlangen auf Er, den, völlig heilig und göttlich zu werde». . Aber zu allem diesen gelangt der Mensch nicht; eben so wenig auch zur Gewißheit einer Fortdauer nach diesem Leben. Sein irdischer, menschlicher Zustand spricht demselben entgegen, und alle Dernunftgründe dafür sind Täuschun­ gen des Stolzes und der Eigenliebe. Du sagst, mir ist eilt Schauder vor der Vernichtung tief in das Herz gepflanzt! — Auch der Schauder vor dem Tode und der Verwesung, und doch mußt du sterben und verwesen. Auch wirst du, wen« du dich und deinen Wuvfch recht ernsthaft

329 erforschest/

auf eine« Grund

komme»/

beste«

*t|

dich nicht sonderlich zu rühmen hast — Eigen­ liebe, Selbstsucht, Lebensgenuß.

Auch der wild?

Amerikaner glaubt, daß er sterbend in ein ande­ res Land

jenseits

der blauen Berge eingehe«

werde mit seinem Hunde,

Bogen und Pfeilen.

Freilich würfet auch hier das unvertilgliche Ge­ fühl, daß der Mensch aus einem andern Lapde stamme.

Aber diese Ahnung ist noch kein Glaube

und keine Gewißheit;

auch der Baum ist durch

Gottes Odem geworben und bleibt liegen, wie er fallt. Du sagst:

mein Geist hat die Anlagen und

den Trieb immer zu wachsen,

in die Höhe und

Tiefe zu dringen, von Angesicht zu Angesicht zu schauen — er ist ein gebundener Seraph.

Gore

muß ihn lösen und erheben; der Tod ist die Lö­ sung, dem folgt die Erhebung, die Verklarung. Ich antworte:

dein

Geist ist eines Mensche«

Geist, unter den Geistern der Erde der erste und selbst unendlich erhaben über die Seele und das geistige Wesen des Thieres.

Aber hast du nicht

schon in dieser deiner menschlichen Erhebung dei­ nen Lohn; kannst du von dem Schöpfer nun for­ dern,

daß er dich noch höher erhebe,

in einen Seraph umgestalte 1

und dich

Wie, wenn dein

Hrmd, der dich als seinen Gott kennet, ehret und

Met, tmfr fähig ist, auf deinem (Statte bet Schmerz zu verhungern, nun verlangt«, ein Mensch |o Verden — ober dich aufforderte, solches von Gott zu erbitten! berechtigt dich die gute und große Gabe zirp bessern und größer»? Wenn du ein irdischer König bist, wie du sagst, mußt du deshalb ein himmlischer, ewiger werden ? Du sagst: Es vergeht doch eigentlich nichtin der Natur, sie ist ein ewiger Zirkel, und die verwesende Pflanze wird Stoff und Bestandtheil einer neu erwachsenden. — Nuu warum nicht auch dein geistiger Theil eben so wie dein körperlicher? Ist doch eben so viel Geist als Körper in der Na­ tur; selbst in dem Schneeflöckchen und dem Salz, das nach mathematischem Gesetz fich krystalliflrt, muß ein Geist seyn, eben so wie in dem Rosen­ strauch, der die Rose, in dem Samenkörnlein, das die Aehren und dessen nährende und stärken­ de Kraft erzeugt! Wie magst du Körper und Geist unterscheiden? Warum soll der Deinige zu Gott kommen, der ihn, aber auch jene, gegeben hat? Liegt in den Vorzügen deines Geistes der Beweis und die Nothwendigkeit seiner ewigen Fortdauer und die Anwartschaft auf' größere Vorzüge? Ist dieses nicht vielmehr eine Fodervng des Stolzes und der Selbstsucht? Du sprichst, wem Gewissen, das Sittenge-

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fetz in «einem Innern gebietet Mir, ohne allje Rücksicht auf die Folgen, selbst mit Aufopferung meiner irdischen Wohlfarth und meines Lebens recht zu Handel». Dieses, Gesetz habe ich mir selbst nicht gegeben, eS ist unabhängig von mei­ nem Wollen, es ist mir von Gott eingepflanzt. Wenn ich nun diesem Gesetze alles aufopfere, Wohlfarth und Leben; woher soll Gleichgewicht, Gerechtigkeit, Vergeltung kommen, wenn nicht in einem andern Leben? Darauf antworte ich dir ersteres: Wenn das Sittengesetz des Mensche« Höchstes ist, und dn hast dieses Höchste erstrebt, so viel du vermochtest, und demselben zeitliches Gut und Wohlseyn aufgeopfert, was hast d« denn mehr gethan, als eine Pflanze, die Saft, Blatt und Blüthe opfert, um die Frucht hervor­ bringen , die ihr selbst keinen Nutzen bringt, und dann abzusterben? Was hast du mehr gethan, als rin Vater, der allrS dahin giebt, um die Zukunft seiner Kinder zu sichern, und in dev That selbst seinen Lohn findet? Mußtest du die nicht auch schon selbst genügen, wenn du dein Sitttngesktz erfüllet hattest? Würdest da nicht hingegen dieses verunreinigen, ja zerstören, wenn dn zu dem höchsten, das, wie du sagst, von dir abhängt, das geringere, ja selbst verschiedenar­ tige, den Loh» und nicht von der abhängige Fol-

gen beimischest»? Derlasgest du damit nicht, Gott solle nun dir dienen, weil du fein Dittengefetz «fället hast? Stellest du dich ßurit nicht neben Sott und zu gleiche«; Rechte? Und ist dieses nicht wieder vermessener Stolz und Selbstsucht? Aber, sagst du, Gott ist gerecht?- — Ich frag«: hast du ein Recht an Gott unb vor Gott? Darfst du, von seiner Gerechtigkeit etwas- for­ dern, das er schuldig, sey dir zu geben?- z. D. Ersatz für dein Leiden und Schieksale auf Erden, Unsterblichkeit für dein Ausdauern in einer nie­ dern Welt, ewiges geistiges Leben für das kurze irdische? Oder ist diese vergeltende Gerechtigkeit, welche, du für dich in Anspruch nimmst,

nicht

wieder ein Geschöpf deines Stolzes und deiner Eigenliebe? Bist du selbst gerecht vor Gott, und so göttlich, daß du. mit Gott reden und rechten darfst, wie mit einem menschlichen Richter, der deines gleichen ist? Und wie, wenn du nun bei deinem Streben, dem Gesetz deines Geistes ein Genüge zu leisten, und durch dasselbe ein Lazarus geworden wärest an.der Schwelle des reichen Mannes, arm und nackend und mit Schwärm bedeckt; hättest tzu dann das Recht, für dich das Gold und den Purpur und das herrliche Lebe«, und für Jenen deinen Zustand zu fordern? Ober wäre deine

6tr errungene Geisteskraft nnd Geistes würde, und der unsichtbare Purpur des Sitten­ gesetzes, welches in dir gleichsam seinen Thron aufgeschlagen, dir'nicht eben so viel werth, ülS der Pürpur, das Gold, £te Leinwand und die Tafel des Reichen? Wo nicht, so warst du wahrsich ein schlechter Tugrndhech. Warum und wo­ zu willst du beim dir Gerechtigkeit des Höchsten, in Anspruch nehmen! da wäre der Reiche, der von Gott in der Ewigkeit nichts verlangt; gro-* ßer als du. Wolltest du aber auch nichts werter» als deine Tugend und sittliche Wörde, nun so wäret ihr beide vollkommen gleich, sobald ihr be­ grabe» werdet. Verlangst du aber jenseits des Grabes den Purpur und die köstliche Leinwand so bist du,.wie Jener. Aber mit dem Sittengesetz und dessen Thron und Purpur hat es auch seine eigene Bewand« niß. Schon sein Name, so köstlich er seyn magj, deutet auf rebellische und widerstrebende Untere» thauen und fräste, und der Apostel Paulus hat die Art und Weise desselben aus der Tiefe er«, griffen und dargestellt. Er schließt feine Betracht tung mit dem Ausruf: Wer wirb mich rrtöftrr von dem-Leibe dieses Todes. Ich danke durch Jesum Christum unserm Herrn,' — (Röm. ?.)'

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Erlöset von dein Leibe des Lobes, gerecht vor Gott, heilig, wie Gott heilig ist, das muß der Mensch seyn, bevor er Anspruch machen kann auf das ewige Leben, und dessen gewiß seyn. Ich danke Gott durch Jesum Christum unsern Herrn. „Durch Jesum Christum ist Gnade und Wahrheit geworden. Niemand hat Gott je ge, sehen, der eingrbohrne Sohn, der in des Va­ ters Schooß ist, der hat es uns verkündigt." Er allein hat Leben und unvergängliches Wesen an daS Licht gebracht und dem Tode die Macht genommen. §. 72.

Bei den Vätern konnte also der bestimmte Maube an ein ewiges Leben nicht statt finden. Eben so wenig bei andern Menschen vor und außer Christo. Wenn Sokrates, dem dieses keiikesweges zur Derdamniß, sondern vielmehr zum Ldhn und Vorzug angerechnet werden soll, in feinen letzten Stunden über diesen Gegenstand Stt Plato argumentirt; so sind doch seine Decheise im Grunde nur dialektische Täuschungen Und ' Trugschlüsse, und ein, des trefflichen Lehrers allerdings würdiger Beschluß feiner Lehr­ verträge, die, wie immer durch äußere Veran­ lassungen, jetzt durch die Nähe deS Grabes her­ beigeführt werden, und mehr Dialektik als Glau*

be,

welche wieder auf eine Vergötterüng der

Seele sich gründet, erhabenern, teserkenntaiß

die vor einer reinern und

den Medfchen demüthigenden Got« verschwindet.

fährt Cicero,

Folgerechter

ver­

wenn er den Unsterblichkeirsglau-

den als tittea fußen und tröstlichen Wahn be­ trachtet,

den man dem mühseligen Erdensohn

nicht grausam nehmen solle, und Zacitus, weint er, zweifelnd,- und, nach seiner Weise, tiefsinnig sagt: „wenn anders den Manen der Frommen ein Wohnort bestimmt ist und, wie die Weisen wollen,

große Seelen nicht Mit den Körpert»

untergehenwomit zugleich die zweifelhafte Un­ sterblichkeit nur beschränkend und mit Voraus­ setzung von Seelen-Güte oder Größe postuliss wird.

Am folgerechtesten verfährt aber das Hel­

denthum, wie auch durchgängig bis auf das sen­ timentale Zeitalter desselben der Fall ist,

wenn

es gänzlich davon schweigt, oder sie nicht aner­ kennt,

und den Tod als das Ende aller Dings

betrachtet. Wollt« matt den jetzt allgemein unter best Menschen verbreiteten Glauben an ein künftigeErben,

als einen Beweis anführen,

daß diefis

Glaube in der Vernunft selbst liege,

so- läugne

tot) auch dieses.

Die Lehre von einem Ülnftige»

Etdeu »st allerdings überall verbreitet in Hütte"

tmb PaKästeü. Dies verdankt sie, selbst im Isla­ mismus, dem Evangelium, als Lehre. Aber ist drese Lehre oder Erkenntniß bei den meisten Menschen mehr a!S ein bldHs DaMa, welches ße,