205 31 30MB
German Pages 170 [240] Year 1978
Richard Harprath • Papst Paul ED. als Alexander der Große
w DE
G
Beiträge zur Kunstgeschichte Herausgegeben von Günter Bandmann f , Erich Hubala, Wolfgang Schöne
Band 13
Walter de Gruyter • Berlin • New York 1978
Papst Paul III. als Alexander der Große Das Freskenprogramm der Sala Paolina in der Engelsburg von Richard Harprath
Walter de Gruyter • Berlin • New York 1978
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Harprath, Richard Papst Paul III. [der Dritte] als Alexander der Große : d. Freskenprogramm d. Sala Paolina in d. Engelsburg. — 1. Aufl. — Berlin, New York: de Gruyter 1978. (Beiträge zur Kunstgeschichte ; Bd. 13) ISBN 3-11-007020-0
(c) 1978 by Walter de Gruyter 8c Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13 Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es audi nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanisdiem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Franz Spiller, 1000 Berlin 36 Herstellung der Klischees: Klischee-Union, Berlin Umschlaggestaltung: Barbara Proksch, Frankfurt am Main Buchbinder: Lüderitz & Bauer, Berlin
Für Ria und Erna Leyendeckers
Vorwort Die vorliegende Untersuchung geht aus meinen Studien über die Nachfolge Raffaels hervor. Sie ist eine Überarbeitung der Fassung, die im November 1972 der Philosophischen Fakultät in Münster als Dissertation mit dem Thema: „Zur Ikonographie und Entstehungsgeschichte der Sala Paolina in der Engelsburg" vorlag. In die jetzige Form konnten auch Funde und Erkenntnisse aufgenommen werden, die ich nach der Promotion machte. Ebenso fanden Ergebnisse der inzwischen in der Sala Paolina vorgenommenen Restaurierung der Wandfresken Berücksichtigung. Für die vielfachen Hilfen und das große Verständnis, mit denen mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Georg Kauffmann, diese Forschungen angeregt und gefördert hat, möchte ich ihm sehr herzlich danken. Durch einen längeren Aufenthalt am Kunsthistorischen Institut in Florenz und an der Bibliotheca Hertziana in Rom konnte ich meine Kenntnisse der italienischen Kunst des 16. Jahrhunderts wesentlich vertiefen. Diese Studienzeit in Italien verdanke ich Stipendien der Italienischen Regierung, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und des Kunsthistorischen Institutes in Florenz. Das Thema der Arbeit ergab sich aus einem Referat, das ich 1971 auf dem Sommerkursus über das Kunstpatronat der Farnese an der Bibliotheca Hertziana halten durfte. Für fördernde Anregungen sei den beiden Kursus-Leitern, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Lötz und Herrn Prof. Dr. Kurt W. Forster, bestens gedankt. Auch Herrn Dr. Eraldo Gaudioso vom Museo Nazionale di Castel Sant'Angelo bin ich für viele offene Gespräche, Führungen durch sonst unzugängliche Räume der Engelsburg und aufschlußreiche Informationen über die jüngsten Restaurierungen zu großem Dank verpflichtet. Außerdem sei hier folgenden Damen und Herren für ihre freundliche Hilfe bei Besuchen von Zeichnungskabinetten und Archiven sowie für nützliche Diskussionen und Hinweise gedankt: Roseline Bacou, Reinhold Baumstark, Anna Maria Corvo, Gino Corti, Georg Daltrop, Bernice Davidson, Bernhard Degenhart, Cesare D'Onofrio, Peter Dreyer, Catherine Dumont, Erik Fischer, Anna Forlani Tempesti, Christian Geelhaar, John A. Gere, Erich Hubala, Irene Hueck, Sabine Jacob, Herbert Keutner, Elisabeth Kieven, Julian Kliemann, Dieter Kuhrmann, Rolf Kultzen, Christopher Lloyd, Ulrich Middeldorf, Hans und Ursula Mielke, Sandra Moschini Marconi, Konrad Oberhuber, Anna Maria Petrioli Tofani, Rudolf Preimesberger, Wolfgang Pro-
Vorwort
VIII
haska, Rolf Quednau, Deoclecio Redig de Campos, Pierre Rosenberg, A. H. Scott-Eliot, Annegrit Schmitt, Elisabeth Schroeter, Michael Semff, John Shearman, Matthias Winner, Wolfgang Wolters, Anchise Tempestini, Richard Tuttle und Renate Uhlenhaut. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die die Drucklegung der Arbeit ermöglichte, gilt mein besonderer Dank. Ohne die vorbildliche Betreuung durch die Mitarbeiter des Verlags Walter de Gruyter hätte das Buch in dieser Form nicht erscheinen können. Folgende Abbildungen, deren Vorlagen ich der Freundlichkeit von Frau Dr. Filippa M. Aliberti Gaudioso verdanke, geben den Zustand der Wandfresken in der Sala Paolina nach der 1973 abgeschlossenen Restaurierung wieder: 15, 16, 17, 18, 19, 20, zi, 24, 25, z6, 27, 28 und 29. August 1977
R.H.
Inhaltsverzeichnis Vorwort EINLEITUNG
r
BESCHREIBUNG DER LAGE DES RAUMES UND SEINES DEKORATIONSSYSTEMS
j
R E K O N S T R U K T I O N DES A B L A U F S V O N B A U U N D A U S S T A T T U N G DER S A L A P A O L I N A A U F G R U N D DER Z A H L U N G S DOKUMENTE Vorbemerkungen Beschreibung der Quellen ASR, Camerale I 1293, Tesoreria segreta, entrata e uscita ASR, Commissariato delle soldatesche e galere, busta 1 j , fase. 9 ( = A ) ASR, Commissariato delle soldatesche e galere, busta 19, fase. 8 ( = B) ASR, Commissariato delle soldatesche e galere, busta 15, fase. 10 ( = C) Zum Auswahlprinzip der im Anhang abgedruckten Zahlungs-Urkunden Fixierbare Arbeitsvorgänge bei der Dekoration der Sala Paolina
9 9 9 10 10 11 11 12 14
D A S B I L D P R O G R A M M DER FRESKEN U N D SEIN B E Z U G A U F P A U L III Vorbemerkungen Inschriften und Impressen Die Alexander-Bilder der Decke I: Alexander d. Gr. begegnet dem Hohenpriester II: Alexander d. Gr. im Tempel von Jerusalem . . III: Alexander d. Gr. verbrennt seinen eigenen Troß IV: Alexander d. Gr. kämpft gegen den Inderkönig Porus V : Alexander d. Gr. gibt den Befehl zum Schiffsbau V I : Alexander d. Gr. zieht in Babylon ein Die Alexander-Monochromien der "Wände V I I : Alexander d. Gr. läßt die Werke Homers in einem kostbaren Kasten aus der Beute des Darius aufbewahren VIII: Alexander d. Gr. löst den Gordischen Knoten
17 17 20 27 27 29 30 31 33 35 37
37 39
X
Inhaltsverzeichnis
IX: Alexander d. Gr. begnadigt die Familie des Darius X : Alexander d. Gr. versöhnt zwei Freunde . . . . X I : Alexander d. Gr. weiht Altäre Die sechs Paulus-Tondi XVI: XVII: XVIII: XIX:
Die Bekehrung des hl. Paulus Der hl. Paulus predigt vor den Juden Der hl. Paulus predigt vor den Heiden Die Bekehrung des Proconsuls Sergius Paulus und die Blendung des Elymas X X : Das Opfer in Lystra X X I : Das Martyrium des hl. Paulus
40 41 43 46 46 47 48 49 50 50
Die vier Kardinaltugenden in Nischen und die zwölf allegorischen Figuren der Supraporten X I I : Temperantia X I I I : Prudentia X I V : Fortitudo X V : Iustitia X X I I und X X I I I : Fides und Religio . X X I V und X X V : Ecclesia und Concordia X X V I und X X V I I : Zwei Musen X X V I I I und X X I X : Zwei Musen X X X und X X X I : Caritas und Abundantia X X X I I und X X X I I I : Spes und Venus Coelestis
j1 52 52 J3 53 53 54 54 55 55 55
Die Figuren des Kaisers Hadrian und des Erzengels Midiael, X X X I V und X X X V
58
Das Programm der Sala Paolina, seine Gestaltungsmittel und seine Bedeutung
59
EXKURS. Die Aufstellung des Reiterstandbilds des Marc Aurel auf dem Kapitol durch Paul III. und eine Antikenverwendung bei Vasari
68
ZUR PLANUNGSGESCHICHTE DER SALA PAOLINA A N H A N D VON ZUGEHÖRIGEN Z E I C H N U N G E N
72
Zeichnungen von Perino del Vaga
72
Zeichnungen von Pellegrino Tibaldi
74
Zeichnungen von Marco Pino und anderen
77
ZUM ATTRIBUTIONSPROBLEM DER VERSCHIEDENEN DEKORATIONSTEILE
79
Inhaltsverzeichnis
BEDEUTUNG DER SALA PAOLINA UND GESCHICHTE IHRER NACHWIRKUNG
XI 83
*
ANHANG Programmquellen mit Übersetzung 89 Zahlungs-Urkunden für Perino del Vaga und Daniele da Volterra 102 Chronologische Aufstellung der Zahlungen für Arbeiten an der Sala Paolina 104 1544 104 1545 105 1546 1x4 1547 123 Bibliographie 129 Riassunto italiano 141 Fotonachweis 146 Abbildungsverzeidinis 147 Register 151 Bildtafeln (Abbildungen 1-93)
Einleitung Die Dekoration der Sala Paolina nimmt in der Entwicklungsgeschichte italienischer Raumausstattungen des 16. Jahrhunderts nach der Sala di Costantino des Vatikans und vor dem Salone des Palazzo Sacchetti einen wichtigen Platz ein. Der Raffael-Schüler Perino del Vaga konzipierte in ihr einen herrscherlichen Raum von großer künstlerischer Wirkung, in dem er seine ihm eigenen formalen Gestaltungsmittel zu einer letzten Höhe steigerte. Audi die inhaltlichen Aussagen der szenischen Bilder dieses Hauptsaales der unter Papst Paul III. ausgebauten Engelsburg dürften ihre außergewöhnliche Bedeutung haben. Die Sala Paolina ist nämlich der frühest (1545) begonnene Zyklus vor drei weiteren Raumausstattungen zur Verherrlichung der Farnese. Daher ist zu erwarten, daß sie vor der Sala di Cento Giorni Vasaris in der Cancelleria (1546), vor dem Salone Francesco Salviatis im römischen Palazzo Farnese (wohl 1549 ff.) sowie vor der Sala dei Fasti Farnesiani und der anschließenden Anticamera del Concilio im Schloß von Caprarola (1560-1566) eine besondere Originalität in ihren Allusionen auf Paul III. besitzt. In beiden Hinsichten stellen sich jedoch dem letzten Hauptwerk des Perino del Vaga, dem Vasari nach Michelangelo die längste seiner Viten gewidmet hat, noch immer ungelöste Schwierigkeiten des Verständnisses entgegen: Einerseits hat der Werkstattbetrieb Perinos die Klärung von Planungs- und Ausführungsanteilen sowie deren differenziertere Datierung vor fast unüberwindliche Aufgaben gestellt, und andererseits ist eine schlüssige inhaltliche Auslegung der szenischen Darstellungen bisher noch nicht gelungen. Diese beiden umrissenen Fragenkomplexe sollen im folgenden von vier Seiten her angegangen werden. Nach einer einführenden Beschreibung des Raumes rekonstruiert der erste Teil der Untersuchung an Hand einer erstmals vollständigen Aufstellung und einer konsequenten Auswertung aller auf die Sala Paolina bezüglichen Zahlungs-Urkunden in Zusammensicht mit den literarischen Quellen die äußere Entstehungsgeschichte des Saales und seiner Ausstattung. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Deutung der szenischen Bilder. Dabei werden die literarischen Quellen bestimmt, nach denen die Bildformulierungen gewonnen sind. Außerdem läßt sich in jeder Darstellung ein zweiter, allegorischer Bildsinn aufzeigen, der sich auf den Bauherrn Papst Paul III. unmittelbar bezieht.
2
Einleitung
Im dritten Kapitel werden mittels der bekannten und neu identifizierten Zeichnungen die Planungsgeschichte genauer verfolgt und die Beteiligung von Schülern geprüft. Mit den Ergebnissen dieser drei verschiedenen Untersuchungen kann dann im letzten Abschnitt die Frage der Autorschaft an den verschiedenen Freskenteilen zugleich mit deren stilistischer Beurteilung erneut gestellt werden. - Es sei jedoch von vornherein bemerkt, daß schon eine stilkritische Analyse der früheren Fresken von Perino del V a g a fast in jedem Fall mit vergleichsweise großen Schwierigkeiten konfrontiert ist. Nicht nur immer noch unzureichende Publikation und Untersuchung erschweren die gewünschten Vergleiche, auch Autopsie und Fotografie stehen besonderen Problemen der Erhaltung, der Sichtbarkeit und Verzerrung gegenüber: Die Sockelbilder Perinos in den Loggien Raffaels sind bis zur Unkenntlichkeit zerstört, der Salone im Palazzo Baldassini in R o m stellt trotz jüngster guter Restaurierung nur noch eine Ruine dar, die Gewölbemalereien in der Cappella del Crocifisso in San Marcello al Corso und in der Cappella Pucci in der Kirche Trinità dei Monti sind nur unter sehr ungünstiger Beleuchtung zu sehen und nicht ohne Verzerrungen zu fotografieren, bei den Freskenkomplexen des in beklagenswertem Zustand befindlichen Palazzo Doria in Genua ist die Schüler-Beteiligung im einzelnen noch nicht geklärt, und der Sockel der Stanza della Segnatura ist durch Ubermalungen und frühere Restaurierungen verändert um nur einige Beispiele in chronologischer Reihenfolge zu nennen. So ist auch bei der Beurteilung der Wandmalereien in der Sala Paolina größte Umsicht angebracht, da sie jahrhundertelang durch Soldatenbesatzung, Kanonenschüsse, Feuerwerksveranstaltungen sowie frühere unsachgemäße Übermalungen und Restaurierungen erheblich gelitten haben. - Deshalb werden hier die historisch-ikonographischen Untersuchungen als Prämisse einem Versuch der Stilkritik vorangestellt. Das Schlußkapitel beschäftigt sich dann mit der form- und geistesgeschichtlichen Bedeutung der Sala Paolina sowie mit einer kurzen Geschichte ihrer Nachwirkung. - Im Anhang sind die Zahlungs-Urkunden und Quellen-Texte des Bild-Programms beigegeben. Über alle drei an der Sala Paolina hauptsächlich beteiligten Künstler, nämlich Perino del V a g a , Pellegrino Tibaldi und den Beccafumi-Schüler Marco Pino da Siena fehlen umfassende und verläßliche moderne Monographien. Für Perino del V a g a sind ersatzweise die Arbeiten von Bernice Davidson sehr hilfreich. Es handelt sich vor allem um zwei 1963 erschienene Aufsätze über die frühen Zeichnungen, eine Arbeit zum Palazzo Doria von 1959 und den Katalog zur 1966 veranstalteten Uffizien-Ausstellung von Zeichnungen des Künstlers und seines Kreises. Daneben können die Arbeiten von Maria Vittoria Brugnoli (1962) über die Fresken in der Cappella Pucci und von Pamela Askew (1956) über den Palazzo Doria herangezogen werden.
Einleitung
3
Die wichtigste Anregung für die neuere stilkritische Erforschung der Sala Paolina hat John A. Gere i960 mit einem Aufsatz über die Cappella Massimi und die Sala Paolina gegeben. Hierin wurde erstmals richtungsweisend versucht, auf Grund von Vorzeichnungen eine Aufteilung der Wandfresken zwischen Perino del Vaga und Pellegrino Tibaldi vorzunehmen. Einige kleinere, aber nicht unbedeutende Funde von Vorzeichnungen Tibaldis zur Sala Paolina gelangen 1965 Michael Hirst. Das 1945 erschienene Buch von Giuliano Briganti über den Manierismus und Pellegrino Tibaldi ist gerade hinsichtlich des Teils über die Sala Paolina überholt. Marco Pino wurde 1962 durch einen kleineren Aufsatz von Evelina Borea behandelt. Über die Louvre-Zeichnungen dieses Künstlers orientiert jetzt der 1972 erschienene Bestands-Katalog des Louvre „Vasari et son temps" von Catherine Monbeig-Goguel. Über eine mögliche Beteiligung des Girolamo Siciolante da Sermoneta an der Ausführung der Fresken in der Sala Paolina hat bisher nur Bernice Davidson (1966) gehandelt. Zur weiteren Information über Siciolante kann die Aufsatzfolge von Raffaele Bruno dienen (1973/74). Aus der Guiden-Literatur seien die ihrerzeit verdienstvollen Werke über die Engelsburg von E. Rodocanachi (1909) und Mariano Borgatti (1932) hervorgehoben. Einen umfassenden Überblick über die Formengeschichte italienischer Wandmalerei von 1520 bis 1560 bietet Catherine Dumont in ihrem Buch über Francesco Salviatis Salone im Palazzo Sacchetti von 1973, der aber für die Sala Paolina spezifiziert werden muß. Alle vorliegenden Arbeiten haben eine ikonographisdie Untersuchung der Sala Paolina vermieden, wenn man von den bescheidenen und z. T. irrigen Anfängen bei Raffaele Bruno (1970) absieht. Für die Dokumenten-Forschung zur Sala Paolina war Arturo Bertolottis Publikation von 1878 über die „Speserie segrete e pubbliche di Papa Paolo I I I " eine bedeutende Pionier-Arbeit. Heute bedarf sie jedoch einer genauen und umfassenden Überprüfung, die erst nur für den Jahrgang r 545 von Raffaele Bruno in Angriff genommen worden ist. Einige vereinzelte, neue Zahlungs-Belege hat Cesare D'Onofrio 1971 veröffentlicht. Eine Gesamtaufstellung aller Dokumente, die sich von den Arbeiten an der Engelsburg unter Paul III. erhalten haben, ist von Eraldo Gaudioso vorbereitet und befindet sich im Druck. Trotz der vorher aufgewiesenen Schwierigkeiten will die vorliegende Studie dazu beitragen, dem Spätwerk Perinos mehr Gesicht abzugewinnen und es als Summe seiner eigenen künstlerischen Möglichkeiten zu verstehen. Außerdem versucht sie, die Anfänge seiner Schüler klarer zu erarbeiten, die ihre in römischen Lehrjahren geprägte Kunst später über den Süden und Norden Italiens und bis nach Spanien verbreiteten: Marco Pino ging 1556 oder 1557 nach Neapel, um dort vornehmlich Altarbilder zu malen, und Pellegrino Tibaldi hinterließ in Bologna, Ancona und Mailand neben architektonischen Werken weltliche und kirchliche Freskendekorationen von großer Originalität. Die letzten zehn Jahre
4
Einleitung
seines Lebens verbrachte er am Hof Philipps II., wo er am Escorial als Architekt, Bildhauer und Maler tätig wurde. Besonders durch die ikonographische Untersuchung dürfte auch auf den Farnese-Papst als Bauherrn neues Licht fallen, vor allem in Hinsicht darauf, wie die Kunst seinem universalen herrscherlichen Anspruch sichtbaren Ausdruck zu verleihen hatte. Diese Untersuchung ist das Hauptziel der vorliegenden Arbeit, deswegen ist sie in die Mitte der Kapitelfolge gestellt.
Beschreibung der Lage des Raumes und seines Dekorationssystems Begibt man sich vom Erdgeschoß der Engelsburg aus über die sog. Rampa elicoidale und weiter über den Aufgang durch die Grabkammer Kaiser Hadrians und der Familie der Antonine auf einen der beiden Höfe, den Cortile dell'Angelo oder den Cortile del Teatro, so erreicht man über eine weitere Treppe den Umgang entlang des oberen Abschlusses der runden Umfassungsmauer, die auf der Südseite zur Loggia Julius' II. führt (Abb. i). Von hier aus steigt man nur noch wenige Stufen zu einem kleinen, podestartigen Vorraum mit seitlichen Nischen hinauf, der mit der Loggia ohne Türen verbunden ist. Unmittelbar darauf öffnet sich die Sala Paolina in ihrer längs-rechteckigen Erstreckung nach Norden bis gegen den antiken, quadratischen und hochragenden Kernbau des „Mausoleum Hadriani" hin. Das Fußbodenniveau des Saales liegt bereits in der Höhe der Zinnen des äußeren runden Mauerkranzes (Abb. 2) 1 . An der linken Wand öffnen sich drei große Fensternischen nach Westen, die leicht unregelmäßig verteilt sind und nach Süden eine dickere Mauerstärke zeigen. Die Nordwand hat zwei Türöffnungen (Abb. 3), von denen die linke den Zugang zum Korridor zur Sala della Biblioteca und zur Loggia Pauls III. bildet. Er führt um den antiken Kernbau herum und stellt die Verbindung zu den etwas höher gelegenen nördlichen Räumen des gleichen Geschosses her. Die rechte ist eine bemalte, aber zu öffnende Scheintür, hinter der unmittelbar das antike Mauerwerk des mittleren hochragenden Turmbaus sichtbar ist. In der Ostwand befinden sich links und rechts zwei Türen, von denen die rechte vermauert und mit einem Fresko bemalt ist. Die linke gibt den Zugang zur Camera del Perseo und von dort aus zur Camera di Amore e Psiche frei. An der südlichen Wand (Abb. 4) befindet sich als Pendant zum Eingang von der Loggia Julius' II. eine weitere Tür, die Zugang zu einem kleinen Treppenhaus gewährt, das vom Umgang in die Räume über der Loggia führt. Die Tür Öffnungen an Süd- und Nordwand, mit Ausnahme des wohl später veränderten Eingangs von der Loggia — aber samt der aufschließbaren 1
Die beiden Pläne Abb. 1 und 2 entstammen einer umfassenden, noch unveröffentlichten Vermessung der Engelsburg aus dem Jahr 1943. Sie wurde unter dem „Compilatore Capo Disegnatore Tecnico Principale Edgardo Corsana" angefertigt. - Herrn Dr. Eraldo Gaudioso verdanke ich die freundliche Genehmigung zur Publikation. Die Pläne bei Mariano Borgatti: Castel Sant' Angelo in Roma. Roma 1 9 3 1 , S. 3 3 1 , Fig. 124 und S. J03, Fig. 254 a sind kaum benutzbar, weil Maßangaben fehlen bzw. weil die Reproduktionsvorlage unter Beibehaltung der originalen Maßangabe verkleinert wiedergegeben worden ist.
6
Beschreibung der Lage des Raumes und seines Dekorationssystems
Scheintür, sind innerhalb der größeren Marmor rahmungen verkleinert und einheitlich jeweils nach außen verschoben, da die Eingangstür noch in der Nord-SüdAchse des ganzen Bauwerks (Abb. 2) liegen mußte. Außerdem passen sie sich so den etwas kleineren Türmaßen der Ostwand mehr an. Durch Scheinmalereien von gerafften Vorhängen mit den päpstlichen Wappen und Emblemen wird diese Unstimmigkeit der versetzten Türöffnung in den größeren Rahmen an Nordund Südwand geschickt verdeckt. Einen Kamin besitzt der Saal (heute) nicht (mehr); daß er früher einmal vorhanden war, ist zu vermuten (s. S. 12 ff.). Uber einem umlaufenden plastisch gearbeiteten Gebälk mit Inschrift-Fries und Konsolgesims wird die Sala Paolina oben durch ein reich ausgestaltetes Spiegelgewölbe abgeschlossen. Mit ihrer Lage zur Stadtseite, mit den Fenstern zum Borgo und Vatikan hin, mit der Angliederung der Loggia Julius' II. als Vorraum sowie durch ihre Ausdehnung und Raumhöhe war die Sala Paolina von vornherein als bedeutendster Raum bei dem Ausbau der Engelsburg unter Paul III. geplant. Dementsprechend sollte auch ihre Dekoration die anderen Ausstattungen im Castel S. Angelo übertreffen. Nach ihren äußeren Merkmalen gehört sie dem im Cinquecento geläufigen Typus der „Sala Grande" an, dem Repräsentationssaal eines anspruchsvollen offiziellen Raumkomplexes 2 . Durch die besonderen Bedingungen auf der Engelsburg mußte sie jedoch auf konventionelle Folgen von Vor- und Nebenräumen in der gleichen Geschoßhöhe weitgehend verzichten. Das Gewölbe der Sala Paolina ist höchst kunstvoll in verschiedenartige Felder aufgeteilt. In einem niedrigen, horizontal umlaufenden Band unmittelbar über dem Gesims wechseln ovale weiße Stuckreliefs mit Meerwesen in breiter goldener Umrandung, rechteckige Vogelbilder auf rotem und schwarzem Grund sowie weiße Farneselilien auf rundem Goldgrund in Quadraten gefaßt einander ab (Abb. 5). Darüber sind in der am stärksten gewölbten Zone sechs große szenische Bilder alternierend mit emblematischen Stuckreliefs in den Ecken und Groteskenfeldern in den Mitten der Langseiten mit reichster Umrahmung angebracht (Abb. 6). Der eigentliche Deckenspiegel ist ein langes Rechtedi, das bandartig von Stuckreliefs eingefaßt wird: Spielende Putten in rechteckigen Feldern auf Goldgrund werden von Ignudi-Figuren gehalten. Im vertieften Zentrum befindet sich zwischen zwei ornamentalen Paneelen das päpstliche Wappen mit den Farnese-Lilien von einer reichen Fruchtgirlande umgeben, die Tiara und Schlüssel darüber miteinbegreift; es ist aus Stein gemeißelt, vergoldet und mit der Spitze zur Nordwand orientiert. In den beiden Feldern darüber und darunter in der Längsachse ist - jeweils getrennt durch ein breites ovales Stuckrelief mit Meerwesen, das an den Seiten von einem breiten Maskenornament gehalten wird ein Groteskenbild eingelassen, 2
U b e r die R a u m f o r m der „Sala G r a n d e " im allgemeinen vgl. Christoph Luitpold F r o m m e l : D e r Römische Palastbau der Hochrenaissance. Tübingen 1 9 7 3 , 1. Bd., S. 6 6 - 7 0 .
Beschreibung der L a g e des Raumes und seines Dekorationssystems
7
das den beiden Mittelfeldern der Querachse stark ähnelt. Doch ist hier im Bildzentrum zweimal das Wappen des Kastellans Mario Ruffini gemalt, das gleichartig am Gewölbeansatz in der Mitte beider Langseiten auf dem schmalen umlaufenden Band stuckiert erscheint und von einem vergoldeten Bischofshut bekrönt wird, der (ursprünglich) Troddeln in drei Reihen an jeder Seite der Schnur besitzt (Abb. y)3. Größe und Anbringungsort der heraldischen Zeichen weisen so auf die Unterschiede zwischen dem Bauherrn und zugleich Benutzer dieses Raumes sowie dem Verantwortlichen für die Ausführung der Dekoration hin, der auch Hausherr des gesamten Gebäudes war. Das jetzige Paviment der Sala Paolina stammt aus dem Pontifikat Innozenz' X I I I . ( 1 7 2 1 - 1 7 2 4 ) , wie das in der Mitte eingefügte Wappen mit dem Datum 1724 zeigt4. Den ehemaligen Fußboden muß man sich in Ziegelsteinen vorstellen, wie er z. B. noch in der Sala della Biblioteca vorhanden ist5. Die Wände der Sala Paolina sind mit einem etwa augenhohen Sockel bemalt, der in einer rhythmischen Folge von scheinbaren Vor- und Rücksprüngen gegliedert ist. Die Außenkanten der Vorsprünge sind mit steingrauen Hermen-Karyatiden auf Voluten besetzt und rahmen ein leeres Wandfeld, vor dem oben ein Ziegenschädel befestigt ist. Darunter hängt von den Schultern der Hermen-Karyatiden eine Fruchtgirlande alles in grauer Steinmalerei. Von den Ziegenschädeln gehen durch die HermenFiguren graue bandartige Tücher zu den Sockelrücksprüngen hinüber bis zu den Rahmen der dort eingelassenen rechteckigen Meerwesen-Bilder in goldfarbener Monochromie. An der Nordwand ist vor dem Meerwesenbild ein Pavianpaar in natürlichen Farben gemalt, das sich mit Früchten beschäftigt. Diese zusätzliche Erfindung nimmt thematisch auf die rechte Scheintür Bezug, auf der zwei Diener einen Fruchtkorb von der Treppe herunterreichen. Das abschließende Gesims über den verschiedenen Sockelteilen läuft um ohne vorzuspringen. Es besitzt eine (vorgetäuschte) breite Oberfläche und gibt dem höheren Wandteil einen weiteren Raumstreifen hinter der realen Wand frei. Hier stehen über den Hermen-Karyatiden der Sockelvorsprünge jonische unkannelierte Säulen, die das Gebälk tragen. In den vier Ecken des Saales erscheinen neben ihnen geknickte Pilaster. Wie das gemalte Sockelgesims verspringt auch das plastisch gearbeitete Gebälk des oberen Wandabschlusses nicht und läuft glatt um. Der rhythmisierten Anordnung der Säulen entsprechen - ähnlich wie in der Sockelzone die Vor- und Rücksprünge - verschiedene Typen der von ihnen getrennten Wandfelder: a) Breiteres monochromes Reliefbild in Bronze-Farbe mit Rahmen, das anscheinend am Gebälk hinter einer oberen monochromen Kartusche in Gold-Farbe 3 4
5
Z u r Identifizierung des Wappens vgl. A n m . 1 8 3 . Eine farbige A u f n a h m e dieses Wappens s. bei Cesare D ' O n o f r i o : Castel S. Angelo. R o m a 1 9 7 1 , Fig. 2 3 9 . F ü r die Verlegung des originalen Fußbodens in der Sala Paolina s. die Zahlungs-Belege im A n h a n g N r . I I J , 1 2 1 , 1 2 5 , 1 3 9 und 1 4 3 , in denen v o n „lo amatonato" die R e d e ist.
8
Beschreibung der Lage des Raumes und seines Dekorationssystems
frei aufgehängt ist; es wird von seitlich herabhängenden Fruchtgirlanden begleitet und unten von zwei vorgelagerten Putten gehalten; die gedachte abschließende Wand hinter dieser Zone wird nicht eindeutig definiert; b) schmalere rundgeschlossene Figurennische auf Sockel mit monochromer Kartusche in Gold-Farbe in einem zwischen den Säulen befindlichen und etwas vortretenden Wandstück; über der Nische Inschriftkartusche, die Figur in der Nische selbst farbig gehalten; c) Supraporte mit zwei farbigen seitlichen Sitzfiguren vor monochromem goldfarbenen Medaillon in der Mitte, das auf Nord- und Südwand (in den dort leicht verbreiterten Feldern) von zwei stehenden Putten gehalten wird; d) hohe größere Rechtedsnische in einem etwas hervortretenden Wandstück; oben monochrome goldfarbene Kartusche und unten zwei vorgelagerte Putten; die Nischenfigur selbst groß und farbig; dieser Typus ist eine Variationsform, die aus a) und b) zugleich gewonnen ist. Zur besseren Übersicht über die verschiedenen Orte der Bildfelder (mit Ausnahme der Sockelbilder und der Scheintüren) ist ein Schema beigegeben, das die einzelnen Szenen und Figuren lokalisiert und benennt (Abb. 8). Auf dieses Schema beziehen sich auch mit den gleichen römischen Zahlen die Programm-Quellen, die im Anhang zu den Alexander-Szenen beigegeben sind. — Zunächst wenden wir uns jedoch der Abfolge der verschiedenen Ausstattungsarbeiten zu, soweit sie sich zeitlich festlegen lassen.
Rekonstruktion des Ablaufs von Bau und Ausstattung der Sala Paolina auf Grund der Zahlungs-Dokumente Vorbemerkungen Arturo Bertolotti hat vor nunmehr hundert Jahren in einer bewunderungswürdigen Leistung eine Reihe von Zahlungs-Belegen ediert, die viele Anhaltspunkte für die Entstehungsgeschichte der Sala Paolina und ihrer Dekoration boten6. Diese Quellenpublikation wurde von der nachfolgenden Forschung und auch in den jüngeren stilkritischen Arbeiten über die Sala Paolina benutzt, aber nicht überprüft. In jüngster Zeit galt der größere Teil der von Bertolotti veröffentlichten Zahlungs-Dokumente sogar für verloren7. Noch 1970 publizierte Raffaele Bruno nur die Dokumente, die das Jahr 1545 betreffen und verwies für die späteren Belege auf die Edition von Bertolotti8. Auf die von Eraldo Gaudioso erarbeitete und gegenwärtig im Druck befindliche Ausgabe aller Zahlungs-Belege für Arbeiten an der Engelsburg unter Paul III. kann hier nur aufmerksam gemacht werden. Eine systematische Durchsicht der Rechnungsbücher aus dem Pontifikat Pauls III. im römischen Staatsarchiv ergibt, daß Bertolotti nur einen geringen Teil der dort erhaltenen Dokumente in seine „estratti" aufgenommen hat; manches hat er fehlerhaft gelesen und einiges nur paraphrasierend - also nicht im originalen Wortlaut - wiedergegeben. Vor allem hat sich einwandfrei herausgestellt, daß die von ihm gesichteten - und nur in geringer Zahl ausgewählten Belege für die Jahre 1546 bis 1548, bzw. die entsprechenden Rechnungsbücher dafür, noch vorhanden sind.
Beschreibung der Quellen Bevor die Urkunden nun im einzelnen besprochen und im Anhang vollständig vorgelegt werden, erläutern wir den Charakter der vorgefundenen Rechnungs6
A r t u r o Bertolotti: Speserie segrete e pubbliche di Papa Paolo III. in: A t t i e memorie delle R R . deputazioni di storia patria per le provincie dell'Emilia, N . S. 3, parte 1. Modena 1 8 7 8 , S. 1 6 9 - 2 1 2 .
7
Bernice F. D a v i d s o n : Mostra di disegni di Perino del V a g a e la sua cerchia. Firenze 1966, unter N r . 52, S. 5 4 ; Catherine D u m o n t : Francesco Salviati au Palais Sacchetti de R o m e et la décoration murale italienne ( 1 J 2 0 - 1 5 6 0 ) . Genève 1 9 7 3 , S. 92, A n m . 2 1 . Raffaele B r u n o : Perin del V a g a e la sua cerchia a Castel Sant' Angelo. R o m a 1 9 7 0 .
8
10
Ablauf von Bau und Ausstattung nach den Zahlungs-Dokumenten
bücher; dann wird das Auswahlprinzip der hier im Anhang abgedruckten Belege erklärt, die Identität mit den von Bertolotti benutzten Unterlagen bewiesen und schließlich der Ablauf der Bau- und Ausstattungsarbeiten an Hand einer chronologischen Aufstellung rekonstruiert.
A S R , Camerale I 1293, Tesoreria segreta, entrata e uscita Das Rechnungsbuch des Tesoriere Segreto Piero Giovanni Aleotto ist vom i . J a n u a r 1545 bis zum 20. Mai 1548 in sehr sauberer und gut lesbarer Schrift geführt. Es enthält in zeitlicher Reihenfolge Zahlungsnotizen an Goldschmiede, Musiker, Maler, Bauleute des päpstlichen Hofes und außerdem Belege über persönliche Aufwendungen des Papstes. Die darin vermerkten Gehaltszahlungen an Perino del Vaga in der nicht unbeträchtlichen Höhe von monatlich 25 Dukaten werden fast immer mit den gleichen Worten, wie bei Bertolotti angegeben9, wiederholt. Eine Zusammenstellung (s. Anhang S. 102 f.) aller Notizen zeigt, daß Perino vom Oktober 1543 durchgehend bis zu seinem Tod mit einiger Regelmäßigkeit nachweislich ein festes Monatsgehalt bezog.
A S R , Commissariato delle soldatesche e galere, busta 1 5 , fasc. 9 ( = A ) Aus dieser Mappe wird ein Band exzerpiert, der mit der N r . 9 gezählt ist und auf dessen Umschlag eine der Aufschriften folgendermaßen lautet: „Conto del Sig. Card. Tiberio Crispi Castellano di Castel S. / Angelo per le spese occorse nella fabrica di Castel S. Ang.° del 1 5 4 J 1 0 . " E r enthält fortlaufend Zahlungsbelege an verschiedene Handwerker und Bauleute an der Engelsburg vom 23. Juni 1544 bis zum 5. April 1545, also aus der letzten Amtszeit des Kastellans Tiberio Crispi. Die Vermerke sind nach dem doppelten Buchführungssystem angelegt, die Seitenzählung in arabischen Ziffern läuft durch; abgesehen von einigen Verschiebungen ist die linke Seite die „dare"-Seite, die rechte vermerkt im allgemeinen das „hauer'". Die Leistungs- bzw. Zahlungsvermerke haben meist den gleichen Text; bei N r . 14 und 16 sind beide Versionen abgedruckt, da sie voneinander stärker differieren. Das Buch ist in zwei ausgeprägten, aber nicht immer gut lesbaren Handschriften geführt. Es wurde von Bertolotti nicht benutzt. Erst D'Onofrio hat daraus zitiert 1 1 . Es enthält Zahlungen für Bauarbeiten, die sich höchstwahrscheinlich auf die Sala Paolina beziehen (Nr. 1 - 3 , 6 und 7) sowie möglicherweise auf die Gewölbekonstruktion (Nr. 10). Auch die Zahlungen f ü r die Herstellung des päpstlichen Wappens der Decke sowie f ü r die Meißelung und Ver9 Bertolotti 1878, S. 193 und 204. 10 Dieser Band wird im Anhang mit A bezeichnet. 11 D'Onofrio 1 9 7 1 , S. 248.
Beschreibung der Quellen
11
goldung der großen umlaufenden lateinischen Inschrift (Nr. 4, 5, 8 und 9 sowie 1 1 - 1 6 ) sind darin belegt. A S R , Commissariato delle soldatesche e galere, busta 19, fasc. 8 ( = B) Die Mappe enthält einen Band, der mit der Nr. 8 gezählt ist und dessen Titel auf der Vorderseite wie folgt lautet: „Conto d'ms Mario Rufini Castellano A Castel S. Angelo per spese fatte nella fabrica 1545 1 2 ". Die Zahlungsvermerke fangen am 10. April 1545 an und reichen bis zum 31. Dezember 1545; sie betreffen Künstler, Bauleute und Handwerker an der Engelsburg. Die Notizen sind chronologisch fortlaufend eingetragen, die Seiten durchlaufend arabisch gezählt und die Auszahlungen im einfachen Buchführungsverfahren notiert. Bertolotti hat diese Quelle teilweise unter seinen „Estratti delli Conti della fabrica e monizioni di Castel Sant'Angelo in Roma" S. 205/206 exzerpiert. ASR, Commissariato delle soldatesche e galere, busta 15, fasc. 10 ( = C) Dieser Band der Mappe 15 trägt auf seiner Rückseite folgenden Titel: „LIBRO DELI DEBITORI ET CREDITORI DELA FABRICHA DI CHASTELLO SACTO ANGELO DEYPHEBO DEY F«ia.
Er ist ein Belegbuch, in dem die Zahlungen seitenweise nach einzelnen Künstlern und Handwerkern zusammengestellt sind, so daß oben am Anfang der Seiten der Name des Leistenden bzw. des Empfängers jeweils nur einmal zu erscheinen braucht. Solche ersten Notizen auf einer Seite für Perino del Vaga sind Nr. 68, 77, 81, 104 und 163. Die Vermerke sind im System der doppelten Buchführung notiert, die linken „dare"-Seiten tragen römische Ziffern, die „hauer , "-Seiten rechts arabische. Der Text auf beiden Seiten differiert häufiger, im allgemeinen sind die „dare"-Angaben der Leistungen genauer. Bei Nr. 68, 74 und 88 sind beide Fassungen zitiert, um Unklarheiten und Verwechslungen zu vermeiden. Das Buch enthält also keine primären Belege für die Kassenführung, sondern ist nach diesen nachträglich erst zusammengestellt, wie die Verweise auch angeben und die gleichbleibende Schrift beweist. Die Vermerke reichen vom 10. April 1545 bis zum 3 1 . Dezember 1549 und überschneiden sich für das Jahr 1545 mit dem vorher beschriebenen Buch. Da die Belege dort im Durchschnitt genauer spezifiziert sind, werden sie für 1545 aus jenem Band zitiert. Ab Anfang 1546 ist 12 13
Dieser Band wird im Anhang mit B bezeichnet. Dieser Band wird im Anhang mit C bezeichnet.
12
Ablauf von Bau und Ausstattung nach den Zahlungs-Dokumenten
jedoch der vorliegende Band die einzige erhaltene Quelle über Zahlungen von Arbeitsleistungen für die Engelsburg überhaupt. Audi Bertolotti hat nur dieses Rechnungsbuch gekannt. Zum Auswahlprinzip
der im Anhang abgedruckten
Zahlungs-Urkunden
Bei der Fülle der erhaltenen archivalischen Nachrichten über die Arbeiten an der Engelsburg unter dem Pontifikat Pauls III. können auch hier die Urkunden nur auszugsweise vorgelegt werden. Im Gegensatz zu Bertolotti, Bruno und D'Onofrio sind aber hier im folgenden erstmals alle Belege vollständig gesammelt, die sich mit Gewißheit auf die Sala Paolina beziehen lassen. Dazu gehört als sichere Voraussetzung die genaue Identifizierung der Räumlichkeit. In der Buchführung wird sie häufig als „salone nouo uerso banchi" (Nr. 4, 5 und 8) und als „sala noua uerso banchi" (Nr. 11—15 und 66 ff.) zum Unterschied von der „sala noua uerso prati", der jetzigen Sala della Biblioteca, bezeichnet, deren Ausstattung unter Leitung von Luzio Romano etwas früher begonnen wurde. Beide Räume heißen auch einfach kürzer „sala noua", und ohne die Nennung des Leiters der auszuführenden künstlerischen Arbeiten könnte man kaum entscheiden, um welchen der beiden Säle es sich handelt. Mit der Erwähnung Perinos zusammen kann man jedoch sicher annehmen, daß es sich um die Sala Paolina handelt. Die Sala della Biblioteca heißt auch häufiger „sala dipenta" in den Urkunden, woraus hervorgeht, daß sie bereits früher fertig war als die Sala Paolina. In zwei Fällen (Nr. 61 und 154) sind wichtige Nachrichten mit aufgenommen, die sich möglicherweise auf die Dekoration der beiden angrenzenden Zimmer beziehen, auf die Sala di Perseo und die Sala di Amore e Psiche; es sind Zahlungen für Aufbau und Abbruch eines Malergerüsts. - Vier Notizen beurkunden die Ausmalung des Verbindungskorridors zwischen der Sala Paolina und der Sala della Biblioteca (Nr. 1 1 2 , 1 1 3 , 1 1 6 und 118). Außerdem sind noch diejenigen Notizen mit aufgenommen, nach denen Perino für Arbeiten bezahlt wird, die sonst andere Maler ausgeführt haben, in der „loggia uerso prati", in deren Treppe und Korridor sowie in der „sala uecchia" ( = Sala di Apollo?; Nr. 82, 108, 109, 1 1 0 , i n und 163). Damit bestätigen sich die Vermutungen von Borgatti und Bruno nicht, daß Perino del Vaga und Luzio Romano bzw. ihre Gehilfen vollständig in getrennten Räumen gearbeitet hätten14. Aus einigen Zahlungsbelegen (Nr. i6[?] und 1 1 4 ) kann man schließen, daß die Sala Paolina früher möglicherweise einen Kamin gehabt hat. Der Standort ist 14
Mariano Borgatti: Gli affreschi dell'appartamento papale a Castel S. Angelo di Roma. In: Il Mondo Cattolico illustrato, Anno IV, fase. X I X , Milano 1902, S. 12, Anm. I; Bruno 1970, S. 9 : „In accordo col V A S A R I , i documenti dell'archivio referiscono a Perino le ,camere importanti' dell'appartamento e cioè, la .sala nova verso banchi' (Sala Paolina) e le .camere nove' (Amore e Psiche e di Perseo), e a Luzio Romano la ,sala grande' (Biblioteca) e varie stanze secondarie . . . "
Zum Auswahlprinzip der im Anhang abgedruckten Zahlungs-Urkunden
13
sehr schwer zu bestimmen wegen der vielfachen Restaurierungen der Wände in der Vergangenheit. Aber ohne Kamin ist ein solch repräsentativ ausgestatteter Hauptsaal eines päpstlichen Appartements eigentlich kaum vorstellbar. Deshalb sind hier auch alle Notizen zitiert, die sich vorher auf die Beschaffung und Bearbeitung des Marmormaterials für diesen Kamin eventuell beziehen lassen (Nr. 1 7 - 1 9 , 22, 24, 27, 28, 30, 3 1 , 33, 3 j , 37, 40, 42, 4 j , 46, 51, 53 und 55). Daß Bertolotti die gleichen Quellen benutzt hat, wird erst nach längerem Vergleichen deutlich. Schon für das Jahr 1545 zitiert er die Quelle C neben B, daher kommen seine Zusammenfassungen auch schon für 1545 zustande, wie z. B. S. 206 „In tutto sono dal 20 giugno al 6 settembre, scudi 141.80" u. ä., die dem Buch C, S. 28, 43 und 54 entnommen sind. Die erste bei Bertolotti S. 207 zitierte Zahlungsnotiz für Marco Pino entspricht nicht dem originalen Wortlaut, sondern ist eine kürzende Paraphrase, vgl. hier Nr. 58. Der zweite Zahlungsbeleg für Marco Pino vom 14. März 1546 (Nr. 74) war Bertolotti auch bekannt 15 . Aber er teilt wieder eine ziemlich veränderte — wahrscheinlich aus der „dare"- und „hauer'"Seite kontaminierte — Fassung mit 19 . Die dritte Zahlung für Marco Pino vom 22. Mai 1546 (Nr. 88) ist bisher unbekannt geblieben. Mit fortschreitender Zeit werden die Leistungsangaben in den Notizen der Quelle C immer kürzer und ungenauer. Daraus dürfen nun keine falschen Rückschlüsse gezogen werden, z. B. daß Perino nur nodi allein gemalt habe, wenn seine Gehilfen nicht ausdrücklich erwähnt werden; auch kann man aus dem Fortfall der Ortsangabe „in la uolta della sala" nicht folgern, daß sich die Bezahlung von da an auf Wandmalereien beziehe und die Deckendekoration beendet sei. Aus ähnlichen Gründen läßt sich auch für Perino del Vaga nach seinem Tod an Hand der Zahlungsbelege kein eindeutiger Nachfolger in den Arbeiten an der Sala Paolina bestimmen, da für keinen der später erwähnten Maler, wie z. B. für den von Bertolotti (S. 208) zitierten „Domenico alias il Zaga pictor fiorentino", die Sala Paolina als der Ort angegeben ist, an dem er arbeitete. Daniele da Volterra, der 16
Arturo Bertolotti: Artisti belgi e olandesi a Roma nei secoli X V I e XVTI. Firenze 1880, S. 4$. i» Diese Fassung Bertolottis zitiert auch Evelina Borea: Grazia e furia in Marco Pino. In: Paragone 1 3 , N r . i j i , 1962, S. 27 mit Anm. 6, S. 45/46. A b 1546 können die Abweichungen Bertolottis von den Vorlagen leichter erklärt werden, da nur noch die Quelle C zur Verfügung steht: In der Zahlungsnotiz vom 27. Januar 1546 bei Bertolotti S. 207 sind bei der Summe 3 Bolognini vergessen, bei der nachfolgenden Summe der ganzen Seite irrtümlidi 21 statt richtig: 89 V2 Bolognini gelesen (vgl. hier die N r . 69 und nach 76); mit der Notiz „Dal 28 marzo al 29 maggio" faßt Bertolotti S. 207 wiederum eine ganze Seite zusammen (vgl. hier N r . 7 7 - 8 4 und 87-89), läßt aber die Endsumme 3 1 1 . 9 3 Vt sc. aus; auf S. 208 bei Bertolotti muß es statt „Dal j giugno al 2 1 novembre" richtig: „al 2 1 agosto" heißen, denn es ist die Seite L X X X I I I bzw. 83 gemeint (vgl. hier N r . 9 1 - 1 0 3 ) ; weiter auf S. 208 muß es statt „Dal 30 agosto al 24 novembre" richtig: „al 24 dicembre" heißen (vgl. hier N r . 1 0 4 - 1 1 3 und 1 1 6 - 1 1 8 ) ; weiter auf S. 208 muß es statt „ 1 5 4 7 . Dal i ° gennaro al 8 maggio" richtig: „Dal 31 dicembre 1546 al 8 maggio 1 5 4 7 " heißen (vgl. hier N r . 120, 1 2 2 - 1 3 4 , 1 3 6 - 1 3 8 , 1 4 0 - 1 4 2 ) und statt „Dal 15 maggio al 2 j luglio" richtig: „al 25 septembre" (vgl. hier N r . 1 4 4 - 1 5 3 und 1 5 5 - 1 6 2 ) .
14
A b l a u f v o n Bau und Ausstattung nach den Zahlungs-Dokumenten
laut Zahlungsurkunde der Tesoreria Segreta (ASR, Camerale I 1293, p. 154 r) die Stelle Perinos übernimmt, erscheint in den folgenden Zahlungsbelegen der Engelsburg überhaupt nicht. Nur in den Rechnungsbüchern über die Ausstattung der Sala Regia ist er als Nachfolger Perinos bei dessen Projekten zu belegen (ASR, Camerale I, Fabbriche, Reg. 1 5 1 2 , p. 21 v bis 22 r). Fixierbare Arbeitsvorgänge
bei der Dekoration der Sala Paolina
Aus der chronologischen Aufstellung der Zahlungsbelege lassen sich nun folgende Arbeitsphasen der Bau- und Ausstattungsarbeiten an der Sala Paolina festlegen: 29. Juni bis 27. Juli 1544:
6. Juli bis 30. Aug. 1544: 10. Febr. bis 30. März 1545: 30. Mai 1545 bis 27. Nov. 1546:
14. Juni 1545:
19. Jan., 14. März, 22. Mai 1546:
Bezahlung von Bauarbeiten auf dem südlichen Teil des Obergeschosses der Engelsburg (Nr. 1 bis 3 und 6); Herstellung des päpstlichen Wappens für die Decke der Sala Paolina (Nr. 4, 5, 8, 9); Meißelung und Vergoldung der lateinischen Friesinschrift (Nr. 1 1 - 1 6 ) ; Arbeiten für die Beschaffung und Herstellung eines Kamins in der Sala Paolina? (Nr. 1 7 - 1 9 , 22, 24, 27, 28, 30, 33, 35, 37, 40, 42, 45, 46, J i . 53, 55, " 4 ) ; Schreinerarbeiten an der Decke; frühestes überliefertes Datum für Dekorationsarbeiten von Perino del Vaga an der Decke (Nr. 21); Drei Zahlungen für je zwei Deckenbilder mit Alexanderszenen des Marco Pino (Nr. 68, 74,
88);
29. Mai 1546: j . Dez., 3 1 . Dez. 1546, 22. Jan., 17. April, 8. Mai 1547: 20. März 1547:
Bearbeitung der Travertinstufen in den Fensternischen (Nr. 90); Verlegung des Paviments (Nr. 1 1 5 , 1 2 1 , 125, 139, 143); Letzte Erwähnung eines Gold-Kaufs von Perino del Vaga (Nr. 133);
27. März 1547:
Letzte Bezahlung von Stuckarbeiten von Perino del Vaga (Nr. 134);
28. März 1547: 16. Okt. 1547:
Anbringung von Türen und Fenstern (Nr. 135); Letzte Zahlung an Perino del Vaga für Malereien (Nr. 16 j).
Fixierbare Arbeitsvorgänge bei der Dekoration der Sala Paolina
15
Aus einer genauen Durchsicht der erhaltenen Zahlungs-Dokumente geht eindeutig hervor, daß die letzten Arbeiten an der Decke am 20. und am 27. März 1547 bezahlt worden sind, also erheblich später, als man bisher annahm17. Denn an den Wänden sind kein Stuck und keine Goldfarbe angebracht worden. Auch die bei der jüngsten Restaurierung freigelegten Stellen der Alexander-Monochromien zeigen keine Spuren von Goldauftrag. Auch dürften die Wandfresken wohl nicht vor der Anbringung der Fenster am 28. März 1547 - wenigstens nicht auf der Westseite - in Angriff genommen worden sein; und der Sockel hat wohl auch erst nach der Verlegung des Paviments bemalt werden können, die sich bis zum 8. Mai 1547 hinzog. Damit ist der Zeitraum zusammengeschrumpft, in dem Perino selbst oder die Schüler unter seiner Aufsicht die Wandfresken haben ausführen können. Ob andere Indizien auf die gleiche Tatsache hindeuten, bleibt zu klären. Dazu gehören eine Prüfung der Homogenität des Programms, die Untersuchung der Vorzeichnungen und der Versuch einer stilkritischen Aufteilung der Wandfresken nach den ausführenden Freskanten. Wenn uns auch die Zahlungs-Urkunden den angeschnittenen Fragenkomplex nur indirekt beantworten, so nimmt man doch diese Hilfe gern an. Denn vielleicht ist es nur einem Zufall zu verdanken, daß wenigstens für einen päpstlichen Repräsentationsraum der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Zahlungs-Quellen so reich erhalten sind wie für die Sala Paolina. - Immerhin ist es nicht unwahrscheinlich, daß Perinos Tod im November 1547 die Fortführung der Arbeiten in mancher Hinsicht beeinträchtigt hat. In diesem Zusammenhang sei hier abschließend das Grabepigramm Perinos in seinem originalen Wortlaut nach der Inschriftplatte im Pantheon mitgeteilt, der von den Fassungen in Vasaris erster und zweiter Vitenausgabe18 nicht unerheblich differiert, sogar in der Angabe des Todestages: D O M PERINO • BONACCVRSIO • VAGAE • FLOREN QVI • INGENIO • ET • ARTE • CLARISS EGREGIOS • PERMVLTOS • PICTORES PLASTAS • FERE • OMNES SVPERAVIT CATHARINA • PENNA • CONIVGI LAVINIA • BONACCVRSIA • PATRI IOSEPHVS • CINCIVS • BELGA « Davidson 1 9 6 6 , N r . j 2 , S. 5 4 : „ . . . si aveva l'ultimo specifico riferimento all'opera di Perino, in relazione alla volta, il giorno 2 7 gennaio 1 5 4 6 . . B r u n o 1 9 7 0 , S. 9 : „Sembra accertato che la decorazione parietale - iniziata verso la fine del 1 5 4 6 ed interrotta alla morte di Perino (ottobre 1 5 4 7 ) - sia stata proseguita e condotta a termine tra il 1 5 4 8 e gli inizi del 1 J 4 9 da Pellegrino Tibaldi." 18 A u d i M a r i o Labi>: V i t a di Perino del V a g a . Firenze 1 9 1 2 , S. 1 1 4 wiederholt in seiner Einzeledition der Vasari-Vita Perinos (in Majuskeln umgeschrieben) den W o r t l a u t der zweiten A u s gabe.
16
Ablauf von Bau und Ausstattung nach den Zahlungs-Dokumenten
SOCERO • CARISS • ET • OPT POSVERVNT V I X I T • A N N • XL VI • M III • D X X I OBIIT • XIII • K A L • NOVEMEB ANNO • CHRISTI • MDXLVII C E R T A N T E M • CVM • TE • SECVM • N A T V R A • VIDERET IRATA • IN • TENEBRAS • MISIT • ET • AD • TVMVLVM AT • TVMVLVS • SI • TE • TEGIT • ET • PERINE • TENEBRAE ET • TENEBRAE • ET • TVMVLVS • N O N • T V A • FACTA • TEGVNT 1 9 . ( = Dem allgütigen und allmächtigen Gott sei Ehre! - Ihrem Gatten, Vater und Schwiegervater Perino Buonaccorsi del Vaga aus Florenz, der durch sein Talent und seine Kunst hochberühmt war und sehr viele hervorragende Maler und fast alle Bildhauer übertraf, haben Caterina Penni, Lavinia Buonaccorsi und Josef Cincio aus Belgien dieses Denkmal gesetzt. Er hat 46 Jahre, 3 Monate und 21 Tage gelebt und starb am 20. Oktober 1547 n. Chr. Als die Natur sah, daß Du mit ihr in Wettstreit tratest, zog sie erzürnt sich ins Dunkel zu ihrem Grabe zurück. Wenn Dich, Perino, auch jetzt Erde und Dunkel bedecken, so decken sie doch Deine Werke nicht zu.)
19
Das Todesdatum Perinos am 20. Oktober IJ47 in der Angabe der Grabinschrift - und nicht am 19. Oktober wie in beiden Vasari-Ausgaben - wird bestätigt durch die Eintragung in das Register der Apostolischen Kammer, das bei der letzten Gehaltszahlung an Perino vermerkt: „ . . . 20 di ott che fu il di della sua morte . . ( A S R , Camerale I 1293, Tesoreria segreta, entrata e uscita, p. 155 r., vgl. Bertolotti 1878, S. 204). Das abschließende Epigramm der Grabtafel ist deutlich an dem Distichon Tebaldeos (oder Vincenzo Golzio: Rafaello nei documenti nelle testimonianze e nella letteratura del suo Vincenzo Golzio: Rafaello nei documenti nelle testimonianze e nelle letteratura del suo secolo. Città del Vaticano 1936, S. 119/120. Die zugehörige Büste Perinos (von Vincenzo de'Rossi?) wird noch heute in der Protomoteca Capitolina aufbewahrt; vgl. Valentino Martinelli und Carlo Pietrangeli: La Protomoteca Capitolina. Roma 196$, Nr. $8, S. 77, tav. 1 , 1 eine (fehlerhafte) Wiedergabe der Inschrift ebda.
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III. Vorbemerkungen Die Sala Paolina enthält „einen in seinen Einzelheiten noch keineswegs gedeuteten Alexanderzyklus. Warum Paul III. diesen Gegenstand wählte, der doch weder mit der Engelsburg noch mit dem Papsttum im Zusammenhang steht, hat sich die Forschung bisher nicht gefragt. Doch steht es auch hier außer Zweifel, daß der Alexanderzyklus nur als eine Projektion auf Alessandro Farnese verstanden werden kann" 20 . Die Richtigkeit dieser vorweggenommenen, aber noch ungeprüften Antwort in den entsprechenden Einzelheiten nachzuweisen, ist im folgenden Kapitel zum Ziel gewählt. Der Schlüssel zum Verständnis der Bilder in der Sala Paolina, d. h. die Gleichheit des Taufnamens Alessandro von Papst Paul III. mit dem Namen des makedonischen Welteroberers, war auch anderweitig bekannt 21 . Es kommt jetzt nur noch darauf an, ob das Analogie-Verfahren auch bei der Entschlüsselung der verschiedenen Einzelheiten erfolgreich ist. Den Sinn der Alexander-Szenen wird man also dann am ehesten deuten können, wenn man zunächst danach fragt, welche Ereignisse aus dem Leben Alexanders d. Gr. dargestellt und wie diese in der antiken Geschichtsschreibung gedeutet worden sind. Erst nach deren sicherer und vollständiger Bestimmung — und daran sind schon alle bisherigen Interpretationsversuche gescheitert - kann überlegt werden, inwiefern diese Szenen auf Paul III. übertragbar sind, was bislang überhaupt noch nicht versucht wurde. Die einzelnen Bilder dürften also jeweils doppelten Sinn enthüllen. In der Anwendbarkeit unseres Deutungsverfahrens werden wir zunächst durch die Kombination des Alexander-Zyklus mit sechs Paulus-Tondi bestärkt, die zweifelsfrei wegen des geistlichen Namenspatrons des Papstes gewählt worden
20 21
Tilman Buddensieg: Zum Statuenprogramm im Kapitolsplan Pauls III. in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 32, 1969, S. 177-228, Zitat von S. 198. John A. Gere: Taddeo Zuccaro. Chicago 1969, S. 95: „Perino del Vaga's last work before his death in 1J47 was the decoration of the top floor of the Castel Sant'Angelo for Paul III. In the Sala Paolina, the principal state-apartment, are episodes from the history of Alexander (in allusion to the Pope's baptismal name) while the frieze in the adjoining bedroom illustrates the legend of Psyche."
18
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
sind. Die Szenen aus dem Leben des Völkerapostels spielen gleichfalls auf Begebenheiten aus dem Leben Pauls III. an. Für einen ausgesprochenen Kult des Namens Alexander bei Papst Paul III. sprechen die Taufe seines Neffen, des späteren Kardinals, auf den Namen Alessandro sowie die merkwürdige Verehrung, die der Farnese-Papst seinem sonst einer allgemeinen damnatio memoriae anheimgefallenen Vorgänger Alexander VI. bewies: Dem Gedächtnis des Borgia-Papstes widmete Paul III. am Anfang N o vember (vielleicht im Zusammenhang mit dem Allerseelen-Gedenktag oder mit seinem eigenen Krönungstag am 3. November) immer besondere Aufmerksamkeit 22 ; er war ja noch von ihm zum Kardinal kreiert worden 23 . - Für Pier Luigi Farnese, den Sohn Pauls III., hat Francesco Salviati nach Vasaris Bericht (VasariMilanesi V I I , 1 5 ) um 1 5 3 7 / 3 8 oder kurz nach 1 5 5 0 eine Teppichserie mit Alexander-Taten entworfen, von der sich einer im Museum Capodimonte in Neapel erhalten hat 24 . — Aus dem Jugend-Briefwechsel des späteren Papstes mit seinen humanistischen Lehrern und Freunden läßt sich schließlich entnehmen, daß die Persönlichkeit Alexanders d. Gr. dem jungen Alessandro Farnese aus der antiken Geschichte wohl bekannt und von ihm auch objektiv bewertet wurde, was in der italienischen Renaissance nicht immer üblich war. In der Sala di Cento Giorni der Cancelleria hat Vasari rechts oben auf der Stirnwand über der Nischenfigur der „Iustitia" eine Alexanderbüste gemalt (Abb. 40), die als solche durch ihre Beischrift auf der zugehörigen Vorzeichnung 22
Bertolotti 1878, S. 179 und 197; weitere Belege im A S R , Camerale I, 1293 Tesoreria Segreta, entrata e uscita. 23 Ludwig von Pastor: Geschichte Papst Pauls I I I . (1534-1549) = Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, 5. Bd. Freiburg 1909, S. 15. Auch kam Paul III. (zu Anfang seiner Regierungszeit) im vollen päpstlichen Ornat zu den Beratungen des Konsistoriums und begründete dies mit der Sitte Alexanders VI., vgl. die Exzerpte aus den Berichten des Zeremonienmeisters Blasius de Martineiiis in der B A V , Cod. Lat. Vat. 1 2 309, fo. 128 c: „Die Veneris 20. Nouembris [ 1 5 3 4 ] fuit Consis-/torium Papa uenit cum eisdem/pluuiali, et mitra, quia ita uoluit / dicens quod antiquitus Pontifices / ita soliti erant ad Consistorium / uenire, quasi toto primo Anno / et Alexander Sextus per sex / Menses uel circa ho fecit, ipse enim fuerat creatus Cardinalis / ab Alexandro." - Eine weitere merkwürdige Ubereinstimmung mit Alexander VI., die hier vorweggenommen werden soll, zeigt eine Medaille des Borgia-Papstes, die mit ihrer Rückseite auf den Ausbau der Engelsburg (durch A. da Sangallo d. Ä.) anspielt. Auf der Vorderseite befindet sich ein bartloses Brustbild des Papstes im Pluviale nach links und die Umschrift: „ + A L E X A N D E R • V I • P O N T • M A X • I V S T • P A C I S • Q • C V L T O R " ( = Papst Alexander VI., Hüter von Gerechtigkeit und Frieden), vgl. Bauten Roms auf Münzen und Medaillen (Ausst.-Kat.), München 1973, N r . 192, S. 101/102. Diese Umschrift zeigt eine besonders enge Verwandtschaft mit den Impresen und Tugendallegorien Pauls III., auf die im Text weiter unten eingegangen wird. 24 Bruno Molajoli: Notizie su Capodimonte. Catalogo delle gallerie e del museo. Napoli 1964, Abb. 165, Text S. 1 1 2 / 1 1 3 . Die Teppichserie wird verschieden datiert: Iris Hofmeister Cheney: Francesco Salviati ( 1 5 1 0 - 1 5 6 3 ) . Ph. D. Dissertation, N e w Y o r k 1963, Microfilmed Ann Arbor 1 9 7 1 , S. 1 3 1 : um 1 J 4 3 . - Hildegard Bußmann: Vorzeichnungen Francesco Salviatis. Diss. Berlin F. U. 1969, S. 95-97, mit Anm. 1 - 8 , S. 159/160: Auftrag wahrscheinlich um 1537/1538. Detlev Heikamp: Die Arazzeria Medicea im 16. Jahrhundert. Neue Studien. In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 20, 1969, S. 3 3 - 7 4 : darin S. 37: zwischen 1537 und 1538.
Vorbemerkungen
19
im Louvre gesichert ist24". Im Fresko befindet sich über der Büste eine gemalte Inschrift mit den Worten: „SVPRA GARAMANTAS ET INDOS PROTVLIT IMPERIVM" ( = Er hat das Reich bis über die Garamanten und Inder hinaus ausgedehnt", leicht variiert nach Vergils Aeneis 6, 794/5, dort auf Augustus bezogen). - Unter Paul III. hat es jedoch keinen Gebietszuwachs des Kirchenstaates gegeben, deswegen kann hier nur auf die Erhebung von Parma und Piacenza zum Herzogtum angespielt sein, d. h. auf die Erweiterung der Hausmacht der Familie Farnese und auf ihre Beförderung zu einer europäischen Dynastie. Dieses neue Fürstentum hatte der Farnese-Papst nämlich zu Anfang der zweiten Jahreshälfte 1545 seinem eigenen Sohn Pier Luigi verliehen, dem Gonfaloniere des Kirchenstaates. Gegen den entschiedensten Widerstand im Kardinalskollegium begründete Paul III. seine Hausmachtpolitik damit, daß die beiden Städte in ihrer Grenzlage besonders gefährdet seien und tauschte dem Kirchenstaat dagegen die Orte Camerino und Nepi ein25. - Diese Deutung der von Vasari gemalten Alexanderbüste mit ihrer Inschrift wird noch verständlicher, wenn man bedenkt, daß der Kardinalnepot Alessandro Farnese die Dekoration des Saales der Cancelleria in Auftrag gegeben hatte, dem die Hervorhebung jenes Ereignisses aus seiner Familiengeschichte besonders nahelag. Daß auch Paul III. selbst die Erhöhung seiner Familie für wichtig ansah und diesbezügliche, in Allegorien verschlüsselte Darstellungen wünschte, beweist eine Medaille, die er auf dieses Ereignis von Alessandro Cesati schlagen ließ. Sie zeigt auf ihrer Rückseite den nackten Ganymed, der neben dem Adler des Zeus steht und aus einem Gefäß Ambrosia auf die Lilie der Farnese gießt. Die Inschrift lautet $ E P N H Z H N 0 2 / YAPAINEI (?) = „Er begießt (?) die Mitgift des Zeus" (die Lesung des Verbums ist nicht ganz sicher, die ersten beiden Worte sind eine Hieroglyphe für den Familiennamen Farnese) 26 . - In der Sala dei Fasti Farnesiani im Schloß von Caprarola wurde später ebenfalls ein Ereignis aus dem gleichen Zusammenhang der farnesischen Familiengeschichte dargestellt: Julius III. bestätigt Parma als Herzogtum für die Farnese (1550). - Für das Pontifikat Pauls III. blieb die Einrichtung des Herzogtums jedoch eine Episode. Nach der Ermordung Pier Luigis am 10. September 1547 sah sich der Papst gezwungen, Parma dem Kirchenstaat zurückzugeben; Piacenza hatten die Kaiserlichen bereits 24
° Paris, Louvre R F 64 verso; vgl. Catherine Monbeig-Goguel: Vasari et son temps. Paris 1972, N r . 2 1 7 , S. 166 ff., Abb. S. 168 unten. 25 Pastor V 1909, S. 5 2 5 - 5 2 9 . 26 Franco Panvini Rosati: Italienische Medaillen und Plaketten von der Frührenaissance bis zum Ende des Barock. Köln 1966 (Ausst.-Kat. Hamburg und Bremen), N r . 106, S. 53, mit Lit.; s. dort auch „Ergänzungen und Berichtigungen"; Buddensieg 1969, S. 224, Anm. 64.
20
D a s Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul I I I .
für sich genommen27. Daher wurde dieses Faktum aus der Regierungszeit des Papstes im Kanon der darstellungswürdigen Taten zunächst nadi 1547 nicht mehr berücksichtigt. In der Engelsburg tritt es (aus den letzterwähnten Gründen?) nicht in Erscheinung. Ob die Sala Paolina mit ihren Nebenräumen von dem päpstlichen Erbauer zu weiteren Zwecken als denen eines zeitweiligen außervatikanischen Wohnappartements dienen sollte, läßt sich aus den bis jetzt bekannten Urkunden und Berichten nicht entnehmen. Nicht einmal ihre Benennung scheint im Gegensatz zur „Cappella Paolina" zeitgenössisch gewesen zu sein, wie die Zahlungs-Urkunden bestätigen28. Schließlich ist es sogar unbewiesen, daß Paul III. den vollendeten Saal jemals benutzt hat. Seine Bestimmung hat Vasari am deutlichsten beschrieben, wenn er in der Erstausgabe seiner Viten sagt (II, 943): »Era Castellano di Castel Santo Agniolo, Tiberio Crispo, oggi fatto Reuerendissimo Cardinale: & come persona che si dilettaua delle nostre arti, si messe in animo, di abbellire Castello: & in quello rifece, loggie camere, & sale, & apparamenti bellissimi, per poter riceuer meglio sua Santita quando ella ci veniua29." Inschriften und Impresen Bevor wir uns der Interpretation der szenischen Bilder und der Einzelfiguren zuwenden, tun wir gut daran, nadi Inhalt und Bedeutung der Inschriften und Impresen zu fragen, denn diese liefern - anders als die nicht beschrifteten Gemälde - z. T. explizite Aussagen, deren Intentionen sich durch die Schrift andeuten oder ganz verraten. Zu beiden Seiten des Papstwappens im Zentrum der Decke sind in der Querachse Tafeln angebracht (Abb. 5), die in gleichem Text zweimal folgende Inschrift tragen: „IIAYA02 T P I T 0 2 MEHSTOS APXIEPEYZ 0EIOY AAPIANOY MNHMEION 27 28
29
Pastor V 1909, S. 6 2 0 - 6 2 2 und 6 7 3 . Z u r Bezeichnung der Sala Paolina als „salone n o u o " oder „sala n o u a " vgl. die D o k u m e n t e des Anhangs N r . 2, 4, 5, 8, 1 1 , 1 2 usw. Dagegen hieß die Cappella Paolina des Vatikan schon in den Zahlungsurkunden so, vgl. A S R , Camerale I, Fabbriche Reg. 1 $ 1 1 , p. 80 r. N o c h 1 7 2 1 w u r d e die Sala Paolina als „Sala di Castel S. A n g e l o " oder „Sala della fortezza di Castel S. A n g e l o " bezeichnet. V g l . A S R , Camerale I, Giustificazioni, busta 4 6 1 , fase. 1 2 und E . Rodocanachi: L e château Saint-Ange. Paris 1909, S. 266. Die Bezeichnung „Sala Paolina" scheint sich erst in der neueren Guiden-Literatur neben anderen Benennungen, wie „Sala del Consiglio" u. ä. durchgesetzt zu haben. In Vasaris Vitenausgabe von 1 5 6 8 heißt die entsprechende Passage (Vasari-Milanesi V 1906, S. 628) : „Essendo castellano di Castel Sant' A g n o l o Tiberio Crispo, che fu poi fatto cardinale, come persona che si dilettava delle nostre arti, si messe in animo d'abbellire il castello, ed in quello rifece logge, camere e sale ed appartamenti bellissimi, per poter ricevere meglio Sua Santità quando ella v i a n d a v a . "
Inschriften und Impreseli
21
EID AIIIY KAI 0EION ANAKTOPON METEBAAEN" ( = Paulos der Dritte, Hoherpriester, hat die Gedächtnisstätte des vergöttliditen Hadrian in einen hohen göttlichen Palast umgewandelt). Mit dichterisch klingendem Griechisch ist hier der prosaisch-nüchterne Inhalt einer Urkunden-Aussage über die Restaurierung des antiken Mausoleums Hadrians zu einem modernen Wohnpalast für den Papst ins Erhabene gesteigert. Dem Gründer des Bauwerks stellt sich der Erneuerer ebenbürtig an die Seite, wie man aus der Wiederholung des Adjektivs ftelog schließen kann. Griechische Inschriften von Päpsten waren in Rom vorher nicht geläufig; auch der Ort der Engelsburg konnte dazu keinen unmittelbaren Anlaß bieten, es sei denn, daß Paul III. an den im Mausoleum Hadrians beigesetzten Marc Aurel dachte, den griechisdi-schreibenden Philosophen-Kaiser. Jedenfalls ist die Sprache Homers schon hier sichtbarer Ausdruck dessen, daß die Hauptpersonen des Bildprogramms dieses Raumes griechisch sprachen (Alexander und Paulus) und daß der Auftraggeber der Ausstattung sich in die Welt der Hellenen sehr gut hineinzuversetzen vermochte. Die große gemeißelte lateinische Inschrift auf dem umlaufenden Fries, die nachweislich in der Folge der Ausstattungsarbeiten zuerst ausgeführt wurde (vgl. Zahlungs-Dokumente im Anhang Nr. 11-16) und die mit ihrem Beginn auf der linken Seite der Nordwand auch den Anfang und die Ableserichtung der szenischen Bildfolgen an Decke und Wänden anzugeben scheint, lautet 80 : „QVAE OLIM INTRA HANC ARCEM COLLAPSA IMPEDITA FOEDATA ERANT EA NVNC A PAVLO TERTIO PONTIFICE MAXIMO AD SOLIDAM FIRMITATEM COMMODAM VTILITATEM SVBTILEMQUE VENVSTATEM EXSTRVCTA DISPOSITA ORNATA CONSPICIVNTVR" ( = Was einst innerhalb dieser Burg verfallen, unbrauchbar und verkommen war, das erblickt man jetzt von Papst Paul III. zu solider Festigkeit, bequemer Nutzbarkeit und feiner Schönheit aufgebaut, geordnet und ausgestattet). Offenbar bezieht sich diese Restaurierungs-Inschrift auf die gesamten Ausbauarbeiten auf der Engelsburg unter Paul III. Eine äußerlich so aufwendige und textlich so ausführliche päpstliche Bauinschrift war für einen nichtsakralen Raum in Rom ohne Vorgänger. Mit den drei Gesichtspunkten „firmitas", „utilitas" und „venustas" wurde die Restaurierung den besonderen Funktionen des als „arx" bezeichneten Bauwerks auch tatsächlich gerecht. Während des Sacco di Roma so D ; e lateinische Inschrift ist von Pastor V 1909, S. 7$9, Anm. 1 nur unvollständig mitgeteilt, auch in der italienischen Ausgabe von Angelo Mercati, Roma 1959, S. 720, Anm. 1. Bei E . Rodocanachi 1909, S. 148, ist sie bis auf „commodum" statt „commodam" riditig und vollständig wiedergegeben.
22
D a s Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul I I I .
1527 war ja der spätere Farnese-Papst auch unter den Kardinälen, die mit dem damaligen Papst Clemens V I I . auf der Engelsburg von den kaiserlichen Söldnern belagert wurden 31 . Deshalb wußte er das Monument als sicheren Zufluchtsort zu schätzen und widmete seinem Zustand besondere Aufmerksamkeit. Es ist auch bekannt, daß Paul III. das Castel S. Angelo als Aufenthaltsort benutzte, wenn er den römischen Karnevalszügen zusehen wollte 32 . Auf solche oder ähnliche Zwecke mag sich die erwähnte „commoda utilitas" beziehen. Die „subtilis venustas" jedenfalls weist auf die feine, geistreiche Ausstattung des päpstlichen Appartements selbst hin. So wurde die Bau- und Restaurierungsurkunde für alle Arbeiten am Baukomplex wohl ganz bewußt auch am Höhepunkt der künstlerischen Ausstattung angebracht. In den vier Eckfeldern des Gewölbes sind je zwei gleichartige Impresen angebracht, deren Deutung zum Verständnis der übrigen Darstellungen wichtige Hinweise geben dürfte (Abb. 6). Das eine der beiden Medaillons zeigt in reicher vergoldeter Stuckrahmung ein Chamäleon und einen Delphin, die oben mit den Schwänzen zusammengebunden sind. Sie umgeben mit ihren gebogenen Leibern ein rechteckiges Täfelchen in der Mitte und kommen darunter mit ihren Köpfen zusammen. Auf dem Täfelchen liest man die Worte „ F E S T I N A L E N T E " ( = Eile mit Weile!). Die scheinbare Paradoxie dieser Devise, die von Kaiser Augustus in der Vita Suetons, Kap. 25, in der griechischen Version ajteüöe ßpaÖEug überliefert ist, wird hier auch in die bildliche Darstellung hineingenommen: Das Chamäleon, das auf der Stelle verharrt und seine Farbe wechselt, ist mit dem äußerst beweglichen und lebhaften Delphin zusammengebunden. — Daß es sich hier um die Inanspruchnahme und Versinnbildlichung einer althergebrachten politisch-diplomatischen Maxime durch Paul III. handelt, der mit Flexibilität und Beharrlichkeit seine politischen und kirchlichen Ziele auch tatsächlich durchzusetzen wußte, steht außer Frage. So hat bereits Annibal Caro diese Impresse erklärt 33 .
31 32
33
Pastor V 1909, S. 19. L e o n D o r e z : L a cour du pape Paul III d'après les registres de la tresorerie secrète. Paris 1 9 3 2 , 1. Bd., S. 2 5 8 und 260. Auch u m die Zeit des Festes Mariae Verkündigung pflegte sich der Papst in der Engelsburg aufzuhalten, vgl. die E x z e r p t e aus den Berichten der Zeremonienmeister in der B A V , C o d . Lat. V a t . 1 2 2 7 8 , p. 1 1 4 v : „Die X X V . [ M ä r z 1 $ 4 4 ] Festum annuntiationis B t e M a : / rie Virginis Papa ex C a s t r o S . " A n geli / iuit ad ecc." m S. t e Marie supra M i n e r : / uam . . und ebenda p. 1 2 6 r : „In die Annuntiationis [ 1 5 4 6 ] fuit missa s o l e m : / n i s ad ecc. , m B t e : Marie supra M i n e r : / u a m ad quam Papa ex castro sancti / Angeli equitauit." Annibal C a r o , der Sekretär des Kardinals Alessandro Farnese, erklärt in einem Brief aus R o m v o m 1 j . J a n u a r 1 5 6 3 an die Herzogin v o n U r b i n o Vittoria Farnese, die Tochter Pier Luigis und Enkelin Pauls III., die beiden Impresen des Papstes folgendermaßen: „ ( 3 ) Papa Paolo T e r z o , santa memoria, portò due imprese, la prima f u questa, d'un giglio, che è l'arme de la Casa, e d'un arcobaleno che gli sta sopra, con questo m o t t o che dice: A I K H 2 H P I O N [sic!] che vuol dire: Giglio di Giustizia, e non so che misterio v i si ascon-
Inschriften und Impreseti
23
Die Deutung des anderen Medaillons erweist sich demgegenüber als schwieriger. Die Darstellung (Abb. 6) zeigt eine Lilienstaude mit drei Blüten, darüber einen Regenbogen über Wolken und unten ein Band mit der Inschrift „ A I K H 2 K P I N O N " ( = Lilie der Gerechtigkeit). Mit Annibal Caro darf man in der Lilie die Wappenblume der Familie erkennen; weitere Verständnishilfen gibt der Sekretär des Kardinals allerdings nicht34. Ja, er gesteht sogar ausdrücklich, daß er hier nicht weiterwisse. Auch die Ikonographen des 16. Jahrhunderts liefern offenbar keine klare Information, die auf die Sinngebung der Lilie durch die Inschrift hinweist; und ebensowenig läßt sich in der altgriechischen Literatur diese Wortverbindung finden. — In der Sala di Cento Giorni hat Vasari zwischen den beiden ersten Fenstern rechts auf der Fensterwand übrigens einen Putto gemalt, der unter einem Regenbogen mit einer Lilie spielt. Auch auf den Fensterläden der Sala di Costantino im Vatikan findet sich diese Imprese Pauls III. Das Verstummen Annibal Caros könnte allerdings einen ganz bestimmten Grund haben, und zwar denjenigen, daß Papst Paul III. sich seine Impresen selbst ausgedacht oder von einem kompetenten Gelehrten hat komponieren lassen und ihnen durch Verschwiegenheit jene Rätselhaftigkeit beließ, die zu den Merkmalen von Impresen und Emblemen gehört35, so daß selbst seine engsten Vertrauten sie nicht aufzulösen wußten. Auch die moderne ikonographische Forschung hat sich - soweit wir sehen - mit dem Bedeutungsgehalt der Lilie, wie sie hier in der Imprese Pauls III. versteckt ist, nicht befaßt. Der Entschlüsselung ist man bereits ziemlich nahe, wenn man wie bei dem ersten Medaillon die Inschrift mit der bildlichen Darstellung in Einklang bringt. Der Regenbogen ist ein altes biblisches Versöhnungsmotiv und steht (wegen der Garantie des Schutzes vor Überflutung) mit der Blume in engster Verbindung. Durch die Inschrift wird die Lilie der Farnese als Sinnbild der Gerechtigkeit verstanden, d. h. einer Gerechtigkeit mit dem Akzent der Versöhnung oder der
34 35
desse sotto. Ma così questo giglio azurro, come l'arco baleno si chiama iris. Questa congiunzione de l'uno e de l'altro non veggo che s'abbia a fare con la Giustizia, e fino a ora non ho trovato chi me lo dica. (4) La seconda di Papa Paolo è questa, d'un delfino congiunto con un camaleonte. È cavata d'una che fece Augusto Imperatore, il quale poneva un delfino a v v o l t o a un'ancora, volendo inferire d'esser sollecito ad esseguire e tardo deliberare, come fanno i savi. Il sollecitare si significa con la velocità del delfino, la tardanza con la stabilità de l'ancora. Il Papa prese il camaleonte, animale tardissimo, in ¡scambio de l'ancora, ma non mise il motto. Ma s'intende che fosse il medesimo che quello d'Augusto, il quale era in G r e c o : 2 I I E Y A E B P A A E Q E e in latino: Festina lente, che voglion dire: Sollecita a bell'agio." (Annibal C a r o : Lettere familiari. Ed. A u l o Greco. Firenze 1957 - 1959 - 1961, 3 Bde., Zitat aus Brief N r . 680, 3. Bd. S. 143-147, hier S. 144.) Vgl. die Stelle in Anm. 33, bes. § 3: „e non so che misterio v i si ascondesse sotto." Z u den Merkmalen des Emblems vgl. Erwin Panofsky: Tizians Allegorie der Klugheit. Ein Nachwort. In: Sinn und D e u t u n g in der bildenden Kunst. Köln 1975, S. 1 6 7 - 1 9 1 ; darin S. 168 und A n m . 7, S. 184/185. V g l . außerdem William S. Heckscher und Karl-August Wirth: Emblem und Emblembuch. I n : Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, 5. Bd. Stuttgart 1967, Sp. 85-228, darin Sp. 100: Imprese.
24
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul I I I .
Gnade, wie das Bild aussagt. Diese Interpretation konnte allerdings erst möglich werden, wenn ein Familienmitglied der Farnese zu höchster Amtswürde gelangt war, die von ihm die Gerechtigkeit als herrscherliche Tugend verlangte. Und dies war eben nur bei Paul III. möglich, weder vor noch nach ihm35*. Die eigentliche Erklärung dafür, warum Paul III. in der Lilie seines Familienwappens ein Sinnbild der Gerechtigkeit gesehen hat, glauben wir noch genauer angeben zu können. Sie ist in der griechischen Sprache begründet, und die Assoziation - ausgehend von der Vokabel für Lilie - ist nur hier nachvollziehbar. Schließlich ist die Inschrift deswegen in Griechisch abgefaßt, weil sie als Interpretation des zugehörigen Bildes in einer anderen Sprache gar nicht einsichtig wäre. Der Grund liegt offenbar in der etymologischen Verbindung von xpivov ( = Lilie) zu xolvw ( = ich richte, entscheide). Diese Etymologie wird zwar von der modernen Sprachforschung nicht mehr aufrecht erhalten, sie ist jedoch in einem berühmten byzantinischen Lexikon des 10. Jahrhunderts n.Chr., der sog. Suda, nachweisbar (— in der Literatur bis ca. 1930 irrtümlich als Lexikon des Suidas bezeichnet - ) , das der Farnese-Papst zweifelsohne gekannt hat. Die erste gedruckte Ausgabe dieses wichtigen Nachschlage-Kompendiums, die „editio princeps", hat nämlich sein Griechisch-Lehrer und humanistischer Freund Demetrios Chalkondylas 1 4 9 9 in Mailand besorgt36. In der Suda heißt es sub voce: „ X Q I V O V , TÖ avdog, ANÖ &ixQÍaea>g" ( = Lilie, die Blume, leitet sich von Verwelken ab) 37 . Einen optischen Beweis für die Übernahme dieser Gedankenverbindung durch Paul III. findet man an der Marmor-Figur des Erzengels Michael, die der Papst I J 4 4 von Raffaello da Montelupo für die Bekrönung der Engelsburg herstellen 85a Z. B. wählte Kardinal Alessandro Farnese für sich die Imprese des Schiffsbugs zwischen Skylla und Charybdis mit der Devise „ Ü A P A I I A Q 2 0 M E N " ( = Wir werden [an Skylla und Charybdis] vorbeisegeln), vgl. Abb. 33. Kardinal Odoardo Farnese wählte drei farbige Lilien für seine Imprese mit einem flatternden Band, auf dem die Inschrift steht „ 0 E O 0 E N A Y 3 A NOMAI" ( = Mit Gottes Hilfe wachse ich), vgl. John Rupert Martin: The Farnese Gallery. Princeton, New Jersey 196$, S. 23 und 134, Abb. 16 und 87. se Der Titel der editio princeps lautet: T O MEN IIAPON B I B A I O N , ZOYIAA • OIÄE 2 Y N T A E A M E N O I T O Y T O , A N A P E 2 2 0 Í 0 I • . . . Anno ab incarnatione MCCCC, L X X X X y i i i i . . . Mediolani impensa et dexteritate D Demetrii C h a l c o n d y l i . . . ; eine moderne Ausgabe ist: Ada Adler: Suidae Lexicón, j Bde. Leipzig 1928-1938. 3 7 Das vollständige Lemma der Suda lautet: „2429 Kpivov: TÖ avdog- áitó xf\g öiaxgiaecog. 5iö xai -tot tri5 Siaxpiaetog XÉYETCH V.QÍVOV E Ú ¡ m Q a v T O v xal XA%V ö i a j i b t T t o v . 610 xal rj xoXóxuvfta xgívov XÉ"/Etai, xal t o i g Jixmxoiig 8é XQÍva Xé-youaiv. a i r í ] 6é r) xoXóxuvda MriSixóv éottv övo|*a." Die Ubersetzung heißt: „Lilie, die Blume. Abgeleitet von Verwelken [Siáxgiaig hier = Verwelken - ist im Griechischen dasselbe Wort für die anderen primären Bedeutungen: Scheidung, Auflösung, Trennung, Unterscheidung, Differenzierung, Entscheidung, Bestimmung, juristischer Entscheid, medizinische Diagnose, Krise einer Krankheit, Ausgang einer Schlacht, Disput; vgl. H. G. Lidell und R . Scott: A. Greek-English Lexicón. Oxford 1940, S. 399]. Deswegen nennt man auch das, was mit Verwelken zu tun hat, ,bald verwelkende Lilie' und .schnell verwelkend'. Deswegen nennt man auch den Flaschenkürbis Lilie, auch die Bettler nennt man Lilien. Der Name des Kürbis selbst ist medisdi." Suidae Lexicón. Mediolani 1499, p. XXXii.
Inschriften und Impresen
25
ließ38. Panzer und Schwertgriff dieses „richtenden" Engels, der hier versöhnend sein Schwert zum Zeichen des Endes der Pest (als Erinnerung an die legendäre Erscheinung im Jahr 590) in die Scheide steckt, sind mit Farnese-Lilien besetzt3'. Eine Stütze für diese Deutung in biblischen oder patristischen Quellen hat sidi zwar bisher noch nicht nachweisen lassen40, doch zeigen Malerei und Graphik des ausgehenden Mittelalters und des 16. Jahrhunderts die Lilie bei Weltgerichts-Darstellungen in genau der gleichen symbolischen Bedeutung. Hauptsächlich in der Kunst der nordalpinen Länder ( - bei Rogier van der Weyden, Allaert du Hameel nach Hieronymus Bosch, dem sog. Meister d, Hans Memling, Derick Baegert, Pieter Bruegel d. Ä., Marten van Heemskerck, Martin Schongauer, Lucas Cranach d. Ä., Albrecht Dürer, Heinrich Satrapitanus, um nur einige Künstler zu nennen - ) begegnen die Lilie und das Schwert, die vom Haupt des Weltenrichters ausgehen; die Lilie erscheint dabei durchweg auf der Seite der Erlösten. Dieses Motiv hat anscheinend erst spät Eingang in die italienische Kunst gefunden; immerhin bringt es Jacopo Tintoretto in seinem Weltgericht in der Kirche der Madonna dell'Orto in Venedig (1562-1564) 4 1 , und in der von Giorgio Vasari und Federico Zuccaro ausgemalten Florentiner Domkuppel erscheint es gleichfalls (1570 ff., dort der Erzengel Gabriel mit der Lilie links bei Maria als Pendant zu Michael mit dem Schwert auf der anderen Seite)42. Ein früheres italienisches Gemälde, nämlich Jacobello del Fiores 1421 datiertes Triptychon der Gerechtigkeit in der Accademia zu Venedig, ehemals im Magistrato del Proprio im Dogenpalast, zeigt auf der rechten Tafel den Erzengel Gabriel mit der Lilie als Pendant zu Michael mit dem Schwert und der Seelenwaage links; beide sind auf die thronende Justitia der Mitteltafel bezogen43. Das Schriftband Gabriels bezeichnet ihn als „nuncia pacis" mit Anspielung auf die Heilsbotschaft an Maria, obwohl hier keine Verkündigung dargestellt ist und der Zeigegestus des Erzengels der Justitia auf der Mitteltafel gilt. - Diese Hinweise auf Kunstwerke mit einem Sinnzusammenhang zwischen Lilie und Gerechtigkeit, bzw. Versöhnung, außerhalb des Patronats Pauls III. 38 Zahlungs-Urkunden für die Statue an Raffaello da Montelupo hat D'Onofrio 1 9 7 1 , S. 248 veröffentlicht. 30
40
41
42
43
Die Statue von Raffaello da Montelupo wurde wegen stärkerer Beschädigung 1 7 5 2 durch diejenige von Peter Verschaffelt ersetzt, die noch heute die Engelsburg bekrönt. Die erstere steht heute im Cortile dell'Angelo der Engelsburg. Eine Abbildung s. bei D'Onofrio 1 9 7 1 , Abb. 48. Vgl. Jean Fournier: Le jugement dernier d'après le vitrail de la Cathédrale de Coutances. Paris 1964, S. 80/81. Vgl. die Abb. 93 a bei Hans Tietze: Tintoretto. Gemälde und Zeichnungen. London 1948. Im Bild des „Paradieses" in der Sala del Maggior Consiglio ( 1 5 8 8 - 1 5 9 2 ) des Dogenpalastes erscheint der Erzengel Gabriel mit der Lilie ähnlich wie im Weltgericht der Florentiner Domkuppel links neben Maria als Pendant zu Michael mit dem Schwert auf der anderen Seite, s. Tietze ebda. Klapptafel S. 242/243. Catherine Monbeig-Goguel: Vasari et son Temps. Paris 1972, Abb. S. 18 und zugehörige Zeichnung Vasaris N r . 283 ( = Louvre 2148) S. 195, Abb. S. 196. Sandra Moschini Marconi: Gallerie dell'Accademia di Venezia. Opere d'arte dei secoli X I V e X V . Roma 1955, N r . 26, S. 28/29, Abb. 26.
26
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
sollen zur Stütze der vorgebrachten Interpretation vorerst genügen. Eine umfassendere Untersuchung dieses Themenbereichs könnte sicher weitere Einsichten vermitteln (u. a. bei Lilienszeptern, Königswappen usw.). Daß die Tugend der Gerechtigkeit von dem Farnese-Papst (bzw. dem Programm-Autor Paolo Giovio) in nächster Verbindung mit Frieden und Versöhnung gesehen wird, geht auch aus der Inschrift hervor, die in der Sala di Cento Giorni unter der Allegorie der Iustitia angebracht ist: „MAIESTATIS AC DITIONI VIM TVETVR ET FIDEM CONCILIAT"44 ( = Sie [die Gerechtigkeit] beschützt die Macht von Majestät und Amtsgewalt und stellt den Glauben wieder her). Die Figur der Iustitia, der die Fähigkeit des „conciliare" zugeschrieben wird, befindet sich rechts vom Fresko „Die Völker der Erde huldigen Papst Paul III." (Abb. 40). Auch die Liegefigur der Iustitia, die der Papst von Guglielmo della Porta für sein Grabmal hat anfertigen lassen, ist von dieser Ideologie geprägt. Diese Tugend sollte die wichtigste und zugleich tiefsinnigste des gesamten Auftrags werden. Ihre gedanklich sehr vielschichtige Konzeption ist formal höchst elegant bewältigt, so daß ihr das später hinzugefügte Metallkleid optisch sogar kaum Abbruch tut. Wenn Paul III. der Gerechtigkeit unter den Kardinal-Tugenden den wichtigsten Platz einräumte, konnte er sich auf beste christliche Lehrtradition berufen, nämlich Ambrosius' „De officiis".—Auf die Iustitia des Grabmals wird an anderer Stelle zurückzukommen sein (S. 5 6 f. mit Anm. 139). - Die Gedanken von Gerechtigkeit, Gnade und Versöhnung beherrschen nicht nur die Ausstattung der Sala Paolina. Bereits am Anfang der Engelsbrücke wird auf diese Thematik hingewiesen. An den Postamenten für die Statuen der beiden Apostelfürsten, die um die Zeit des Regierungswechsels zwischen Clemens VII. und Paul III. errichtet wurden, stehen zwei Inschriften; unter der des Petrus: „ H I N C / HVMILIBVS / V E N I A " ( = Hier erhalten die Demütigen Vergebung) und unter der des Paulus: „ H I N C / RETRIBVTIO / SVPERBIS" ( = Hier erhalten die Hochmütigen Vergeltung)44". Außerdem sind am Gewölbe der Loggia Julius' II. direkt vor der Sala Paolina vier Täfelchen gemalt, die folgende Inschriften tragen: CTVS / AMOR / FIDES" (der Sinn ist wegen der Zerstörung am Anfang nicht klar), „PACIS FILIA / RELIGIO EST" ( = Die Religion ist eine Tochter des Friedens), „DEO / CONCORDIA / CORDI EST" ( = Gott liegt die Eintracht am Herzen) und „PEDIBVS DANS / OSCVLA / GAVDET" ( = Unterwerfung bedeutet Freude). „Das S von Ditioni ist im Original verlöscht", so Karl Frey: Der literarisdie Nachlaß Giorgio Vasaris. Mündien 1923, 1. Bd., unter N r . L X X X V I I I , S. 182, Anm. ***. 44» Frdl. Hinweis von Rudolf Preimesberger. - Vgl. Mark S. Weil: The History and Decoration of the Ponte S. Angelo. University Park und London 1974, S. 24 f.; die Inschriften sind bei Weil verwechselt, vgl. dort Fig. 2. 44
Die Alexander-Bilder der Decke
Die Alexander-Bilder
27
der Decke
I: Alexander d. Gr. begegnet dem Hohenpriester Der ersten Deckenszene (Abb. 9) über dem Wandfresko des Erzengels Michael liegt die Erzählung des Flavius Josephus45 über die Begegnung Alexanders d. Gr. mit dem Hohenpriester vor den Toren Jerusalems zu Grunde. Sie berichtet, daß der Hohepriester Iaddüs dem makedonischen Welteroberer zur Stadt hinaus mit Priestergefolge und einer Volksmenge entgegengezogen sei. - Die Priestergruppe ist auf Marco Pinos Bild deutlich zu erkennen: Sie trägt die Bundeslade und ist ähnlich gekleidet wie der Hohepriester selbst. Eine Gruppe von Juden mit anderen Gewändern folgt im Mittelgrund hinter der Priesterschaft. - Von der Stelle der Begegnung heißt es bei Josephus, daß man von dort aus Jerusalem und den Tempel habe sehen können. - Das Gemälde zeigt dementsprechend eine großartige, stark bewehrte Stadt im gesamten Hintergrund, und möglicherweise ist das hohe, etwas breitere Gebäude in der Mitte über den Köpfen der beiden Hauptpersonen auf einer Anhöhe über der Stadtmauer als Tempel zu deuten. — Zur Verwunderung der Juden und seiner eigenen Freunde, berichtet Josephus weiter, sei Alexander allein auf den Hohenpriester zugegangen, habe vor ihm einen Kniefall gemacht, um damit den Namen Gottes zu verehren, der auf der Mitra des Hohenpriesters auf Metall geschrieben stand, wie er dem verwirrten Freund Parmenion erklärt, und habe den Hohenpriester zuerst begrüßt. - In der Bilderfolge der Decke ist Alexander d. Gr. vor den anderen Griechen immer durch einen Kriegsmantel über der Rüstung kenntlich gemacht; in dieser Szene hat er ihn unter seine Knie gebreitet. Eine deutliche Zäsur trennt ihn von den anderen Kriegern, die wie die Juden große Verwunderung zeigen. Er allein kniet, und die anderen Griechen wollen ihm darin offensichtlich nicht folgen, auch nicht die beiden halb abgewendeten Pagen, die Helm und Schwert halten. Von einer Schrift des Namens Gottes auf der Mitra ist allerdings nichts im Bild zu erkennen. Als Ersatz für die szenisch wenig wirksamen kleinen Lettern wurde wohl die bei Josephus nicht erwähnte Bundeslade gewählt, die genau schräg oberhalb des Kopfes des Hohenpriesters in der Richtung erscheint, in der Alexander kniet.
Man wird nicht fehlgehen, wenn man in dem dargestellten Kniefall Alexanders vor dem Hohenpriester eine ähnliche Bedeutung sucht, wie sie der gleichen Szene auf der Rückseite einer Medaille Pauls III. von Alessandro Cesati aus dem Jahr 1 y45 (Abb. 41) 40 expressis verbis unterlegt ist. Dort deutet der Hohepriester 45
48
V g l . Programm-Quellen I. Bruno 1 9 7 0 , S. 5 1 zu Foto E - j o 6 8 2 gibt die Textvorlage richtig an, verwendet sie aber nicht für eine deutende Beschreibung des Bildes. G e o r g Habich: Die Medaillen der italienischen Renaissance. Stuttgart-Berlin 1 9 2 2 , S. 1 1 6 / 1 1 7 ,
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
28
v o r dem knienden A l e x a n d e r a u f einen T e m p e l im H i n t e r g r u n d , u n d die U m schrift lautet: „ O M N E S R E G E S S E R V I E N T E I " ( = A l l e K ö n i g e w e r d e n ihm dienen) 4 7 . - Bei F l a v i u s Josephus ist der K n i e f a l l s z e n e f o l g e n d e E r k l ä r u n g aus d e m M u n d A l e x a n d e r s h i n z u g e f ü g t : E r h a b e v o r h e r den H o h e n p r i e s t e r der J u d e n i m T r a u m gesehen u n d sei v o n ihm belehrt w o r d e n , w i e er die H e r r s c h a f t über A s i e n erringen könne. S o m i t bezeugt das Deckenbild genauso w i e die e r w ä h n t e M e d a i l l e die A n schauung P a u l s I I I . v o m V e r h ä l t n i s zwischen R e l i g i o n u n d M a c h t u n d zugleich die Auffassung
von seiner eigenen
w i r f t , d e m w i r d die Herrschaft
Stellung:
E r s t w e r sich G o t t v o l l s t ä n d i g u n t e r -
über die Welt
und alle Könige
garantiert.
-
Ein
ikonographischer V o r g ä n g e r f ü r M a r c o Pinos B i l d - vielleicht m i t einem anders z u interpretierenden z w e i t e n Bildsinn - ist sicherlich Michelangelos T o n d o a n der D e c k e der C a p p e l l a Sistina über der „ C u m a e i s c h e n S i b y l l e " neben der „ E r s c h a f f u n g E v a s " ( A b b . 3 0 ) 4 8 . E i n K u p f e r s t i c h , der j e t z t d e m Meister I R s zugeschrieben w i r d u n d der f r ü h e r irrtümlich als „ B e g e g n u n g des H l . A m b r o s i u s m i t d e m K a i s e r T h e o d o s i u s " gedeutet w u r d e , stellt u n z w e i f e l h a f t die gleiche S z e n e aus d e m L e b e n
47
48
Taf. L X X V I I , 7. Die Medaille ist von Alessandro Cesati, nach seiner Herkunft aus Zypern „II Grecchetto" genannt, geschnitten, wie seine griechische Signatur auf der Vorderseite bezeugt. Die Signatur Cesatis ist deutlicher erkennbar in der Umzeidinung bei Pompeo Litta: Famiglie celebri Italiane, Farnesi Duchi di Parma (1860-1868), Tav. I Medaglie Farnesiane, Abb. 4. Vgl. auch Edoardo Martinori: Annali della Zecca di Roma (Paolo III.). Roma 1 9 1 7 , N r . X X X I I I , S. 44, Abb. S. 7. Die Umschrift ist ein nur leicht verändertes Zitat aus Psalm 72 (bzw. 7 1 ) mit dem (lateinischen) Anfang: „Deus iudicium tuum regi da et iustitiam tuam filio regis . . . " - Der Vers 1 1 lautet: „Et adorabunt eum omnes reges, omnes gentes servient ei." Dieser Psalm dürfte zu den Lieblings-Gebeten Pauls III. gehört haben, wie aus unseren E r örterungen über seine Iustitia-Ideologie hervorgehen wird. Es wäre auch zu fragen, wie weit dieser Psalm Vasaris Komposition des Freskos „Die Völker der Erde huldigen Papst Paul III." in der Cancelleria (Abb. 40) inspiriert hat. Edgar Wind: Maccabean Histories in the Sistine Ceiling. In: Italian Renaissance Studies. A Tribute to the late Cecilia M. A d y edited by E. F. Jacob. London i960, S. 3 1 2 - 3 2 7 hat nachgewiesen, daß Michelangelo sich für die Komposition mehrerer Tondi der Sistina-Decke an Holzschnitten der 1493 erschienenen Bibel des Niccolò Malermi orientiert hat. Der Holzschnitt, der dem Tondo über der „Cumaea" vorgelegen hat, bezog sich unzweifelhaft auf eine Textstelle mit der Begegnung zwischen Alexander d. Gr. und dem Hohenpriester, die in diese Bibelausgabe interpoliert war. In einer weitergehenden Deutung hat Wind die zehn Tondi als allegorische Darstellungen der Zehn Gebote (in ihrer Anordnung nach der Zählung des Origines) ausgelegt. - Für unseren Tondo nahm er dabei das Dritte Gebot: „Gedenke daß Du den Sabbat heiligest!" in Anspruch. Die Darlegung von Wind ist durch Rudolf Kuhn (: Michelangelo. Die Sixtinische Decke. Berlin 1975, S. 64 f. und 149 ff.) - unter teilweisem Widerspruch - verändert wiederaufgenommen worden. Für den Tondo über der „Cumaea" schlägt er als wörtliche Lesung „König David vor Nathan" (Samuel 1 2 , 1 0 ff.) und als allegorische Deutung das Sechste und Neunte Gebot (in einer Darstellung zusammengefaßt, in der Anordnung nach der heute kanonischen Zählung) v o r ; dabei bleiben zwei Tondi übrig, die nicht mehr in die Deutung auf die Zehn Gebote einbezogen werden können. Auf die gesamte Interpretation von Wind und Kuhn zur Frage der Tondi in der Sixtinischen Decke soll hier nicht eingegangen werden. In der wörtlichen Deutung des hier herangezogenen Tondos scheint Winds Auffassung die besser fundierte und überzeugendere zu sein.
Die Alexander-Bilder der Decke
29
Alexanders d. Gr. dar (Abb. 3 1 ) und dürfte unter dem Pontifikat Pauls III. entstanden und ungefähr gleichzeitig mit der Medaille und dem Deckenbild Marco Pinos zu datieren sein49. In der deutschen und niederländischen mittelalterlichen Buchillustration der Alexander-Bücher war die Szene der Begegnung mit Iaddüs eine der beliebtesten50. Wie weit die streng historischen Darstellungen aus dem Leben Alexanders d. Gr. in der Sala Paolina im einzelnen formal von den mehr phantastischen mittelalterlichen Alexander-Darstellungen auch in italienischen Handschriften abhängig sind oder ob sie in einem gleichartigen Traditionsstrom stehen, konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht umfassend untersucht werden. Auf ein Beispiel, dem sich vermutlich noch weitere anreihen ließen, sei hier wenigstens verwiesen: Die süditalienische Handschrift des 3. Viertels des 13. Jh., die „Historia Alexandri Macedoniae regis" (der sog. Liber de proeliis) in der Leipziger Universitätsbibliothek, zeigt die Szene der Begegnung mit dem Hohenpriester auf Bl. 18 5 1 . II: Alexander d. Gr. im Tempel von Jerusalem Das zweite Bild des Deckenzyklus (Abb. io) 52 folgt in seiner Thematik der anschließenden Erzählung des Flavius Josephus53 über den Jerusalem-Besuch Alexanders: Nach der Begegnung mit dem Hohenpriester vor der Stadt sei Alexander zum Tempel gezogen, habe unter Anleitung des Hohenpriesters geopfert und der Priesterschaft seine Ehrerbietung gezeigt. - Marco Pino verquickt die beiden letzten Aussagen der Textstelle miteinander: Alexander kniet auf einer Tempelstufe vor dem weiter zum Altar hin stehenden Hohenpriester, der vor der Bundeslade im Inneren betet. - Die angefügte Episode des jüdischen Schriftstellers berichtet, daß Alexander das Buch Daniels gezeigt wurde, in dem prophezeit war, daß ein Grieche die Herrschaft der Perser zerstören werde, und diese Weissagung habe Alexander auf sich bezogen. - Am unteren linken Bildrand kniet ein Jude 48
50
51
52
53
Jay A . Levenson, Konrad Oberhuber und Jacquelyn L. Sheehan: Early Italian Engravings from the National Gallery of Art. Washington 1973, N r . 186, S. J 1 2 , Abb. S. 5 1 3 (Text von Konrad Oberhuber), mit zurückliegender Literatur. D. J. A . Ross: Illustrated Medieval Alexander-Books in Germany and the Netherlands. Cambridge 1 9 7 1 , fig. 1 J 3 , 168, 169, 1 7 1 , 186, 220, 248, 338, 4 1 8 und 419. Robert Bruck: Die Malereien in den Handschriften des Königreichs Sachsen. Dresden 1906, N r . 60, S. 1 7 6 - 2 0 0 = Leipzig, Stadtbibliothek. Mscr. N r . C C C C X V I I L Rep. II. 4 0 . 1 4 3 ; Bl. 18 „Alexander vor dem Hohenpriester der Juden" (Bruck S. 180). Vgl. Florentine Mütherich: Alexander-Roman (Historia de Preliis). Leipzig Universitätsbibliothek, Rep. II. 4 ° . 143. in: Die Zeit der Staufer. Stuttgart 1977 (Ausstellungskatalog), 1. Bd., N r . 827, S. 660 f.; dort die Datierung ins 3. Viertel des 13. Jh.s. Von Borgatti 1 9 3 1 , S. 340, Fig. 134 als „quadro di soggetto sacro" bezeichnet; Evelina Borea: Grazia e furia in Marco Pino. In: Paragone 13, N r . 1 5 1 , 1962, S. 2 4 - J 2 rechnet dieses Bild zu den „due scene con personaggi di non chiara identificazione" (S. 28). Vgl. Programm-Quellen II. Die Vorlage ist von Bruno 1970, S. J I zu Foto E - j o 681 richtig bestimmt.
30
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
in priesterlichen Gewändern, hält ein aufgeschlagenes Buch in Händen und blickt versonnen auf.
Damit ist dieses Bild in seinem Bezugsinhalt auf Paul III. eine Bekräftigung der Aussage der vorigen Szene: Wenn sich die weltliche Macht der Religion unterstellt - auch gegen Protest und Zweifel aus dem eigenen Lager, die hier deutlich dargestellt sind —, wird ihr die Gewinnung der Oberherrschaft garantiert. Ein ähnlicher Prädestinationsgedanke wird am Anfang des Paulus-Zyklus in geistlicher Version wiederbegegnen. - Hier liegt allerdings der Hauptton auf der Gewährung der Suprematie durch Gott. - Gelegentlich wurde die Szene des Tempelbesuchs auch in der mittelalterlichen Buchillustration dargestellt, auch in der bereits erwähnten italienischen Handschrift der Leipziger Stadtbibliothek 54 .
I I I : Alexander d. Gr. verbrennt seinen eigenen Troß Im dritten Bild (Abb. 11) ist eine Begebenheit aus dem Leben Alexanders d. Gr. dargestellt, die ganz besonders sinnfällig auf Paul I I I . bezogen werden kann. Als Alexander-Tat ist sie allerdings weniger geläufig und wohl sonst auch nicht dargestellt worden; deshalb ist diese Szene bis heute noch nicht wieder richtig erklärt worden55. Es handelt sich um die Verbrennung der eigenen Wagen durch Alexander, die bei Curtius Rufus und in der Alexander-Vita des Plutarch überliefert ist 58 . - Eine andere Episode mit Verbrennung von Wagen — etwa bei der Eroberung eines feindlichen Lagers — gibt es in der antiken historischen Alexander-Literatur nicht. - Anscheinend folgte die Programm-Vorlage des Malers mehr der lateinischen Quelle. In den antiken Textstellen heißt es, daß Alexander vor dem Übergang nach Indien den Heereszug beschleunigen wollte, der wegen der vielen Plünderungen mit seinem immer umfangreicher und unbeweglicher werdenden Troß nur noch mühsam vorwärts kam. Aus diesem Grund ließ er die Wagen mit dem überflüssigen Gepäck verbrennen, wobei er selber als erster seine eigene Ladung in Brand setzte und durch sein Beispiel Klagen und Bedauern bei den anderen zuvorkam. — Alexander ist im Bild wiederum durch den Mantel über der Rüstung und sein unbärtiges Gesicht erkennbar und als Protagonist deutlich auf der rechten Bild» 4 Vgl. die Handschrift in der Leipziger Stadtbibliothek, Mscr. N r . C C C C X V I I I . Rep. II. 4 0 . 143. Bl. 18' ( = Bruck 1906, S. 180). 8 5 Von Borgatti 1931, S. 341, Fig. 135 als „quadro di battaglia" erklärt; von Evelina Borea 1962, S. 2 4 - 5 2 unter die „tre scene di battaglia" gezählt (S. 2 8 ) ; von Bruno 1970, S. 51 zu Foto E - 5 0 684 folgendermaßen betitelt: „I soldati di Dario saccheggiano l'accampamento di Dario presso Isso. (Q. C . R. III, 1 1 - 2 0 ) . " [sie!] 5 6 Vgl. Programm-Quellen III.
Die Alexander-Bilder der Decke
31
hälfte herausgestellt. - Curtius Rufus spricht auch von einer großen Ebene, in der die Wagen zusammengefahren wurden, und danach sollten die Zugtiere abgeführt werden. Beides ist auf der linken Bildhälfte dargestellt.
Diese Alexander-Tat kann sich nur auf die Reformen beziehen, die Paul III. bei den Behörden seiner eigenen Kurie und beim Klerus in Rom und im Kirchenstaat, auch schon lange vor dem Zustandekommen des Konzils von Trient durchzusetzen versucht hatte57. Zu den Reformen Pauls III., die er auch schon vor dem Konzil realisiert hatte, gehörten z.B. die Verordnung des Tragens geistlicher Kleidung für die Kleriker, die Verpflichtung zum Messe-Feiern und Kommunizieren an bestimmten Tagen, das Verbot von Wirtshausbesuchen und von Teilnahme an Theater und Karneval für die Geistlichen, die Ernennung von reformwilligen Kardinälen, die Reform der kurialen Behörden (Rota, Kanzlei, Pönitentiarie und Gerichtstribunale), die Einschränkung von Pfründen-Kumulation, die Neuordnung des Predigtwesens sowie die Versuche zur Verordnung der Residenzpflicht von Bischöfen in ihren Bistümern58. In Anspielung auf seine Reformen hat der Farnese-Papst von Alessandro Cesati(?) auch eine Medaille schlagen lassen, die auf der Rückseite die Vertreibung der Händler aus dem Tempel zeigt (Abb. 45 )59. Die Unterschrift darunter lautet: „DOMVS MEA / DOMVS O R A T " ( = Mein Haus soll ein Bethaus heißen [, ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht], nach Matthäus 2 1 , 1 2 ; Markus 1 1 , 1 7 u n d Lukas 19,46). Die gleiche Szene hat auch Perino del Vaga in einer bisher unbekannten Zeichnung des Stockholmer Nationalmuseums entworfen (Abb. 46)60. Man kann verschiedene Vermutungen über ihre Zweckbestimmung anstellen; sicher ist jedoch, daß sich die Verwendung dieses Themas nur aus dem Reformgeist an der päpstlichen Kurie erklären läßt. I V : Alexander d. Gr. kämpft gegen den Inderkönig Porus Im Zusammenhang mit der Deutung der vorigen Szene erhält auch die nächste Darstellung (Abb. 12) ihren Sinn. Sie zeigt Alexander, wie er gegen den Inder57
Pastor V 1909, S. 9 6 - 1 5 3 . Vgl. auch Romolo Amaseo: Oratio habita in funere Pauli III. Pont. Max. Bologna 1563 (ed. Pompilio Amaseo), S. 36/37. 58 Pastor V 1909, S. 9 6 - 1 5 3 . 59 Martinori 1 9 1 7 , N r . X X , S. 43. 60 Stockholm, Nationalmuseum N M H 256, 1973 recto (dort unter Okända Konstnärer, S. 3 8 2 4 2 3 ) ; 1 8 7 : 2 0 9 mm; Feder, braune Tinte, über schwarzer Kreide; unten „omra" (?) beschriftet, oben rechts wohl von der Hand Perinos monogrammiert „ R v " ; aus der Sammlung De la Gardie, Prince de Ligne.
32
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
könig Porus und dessen Elefantenstreitmacht kämpft. - Die Porus-Geschichte wird von verschiedenen griechischen und lateinischen Historikern ziemlich breit erzählt: Curtius Rufus, Plutarch in seiner Alexander-Vita, Arrian und Diodor berichten z. T. übereinstimmend, daß Porus außerordentlich groß war und auch auf einem überaus großen Elefanten kämpfte 61 . - An diese Angaben hat sich der Maler wohl halten wollen, auch wenn er wegen der kaum bewältigten Landschaftsperspektive keine exakten Größenvergleiche bringen konnte. — Das Zusammentreffen ist in der Phase dargestellt, in der der Inderkönig Porus von allen Seiten angegriffen wurde, schon stärker verwundet war und nur noch kraftlos seine Pfeile verschoß, wie Curtius Rufus berichtet, dem in der Auswahl der Quellen wieder der Vorzug gegeben wurde. - Alexander tritt dem bis zur Erschöpfung kämpfenden Porus machtvoll mit gezücktem Schwert entgegen, jedoch bleibt der Ausgang des Kampfes dem Bild nach ungewiß. Die Situation ist aber so deutlich geschildert, daß man ohne weiteres glaubt, Porus müsse sich dem Alexander ergeben. - Von den antiken Quellen wissen wir allerdings, daß Alexander den König der Inder begnadigte und wieder in seine alten Rechte einsetzte.
Die Thematik dieser Schlachtszene legt es nahe, daß es sich hier um eine verkleidete Darstellung der Auseinandersetzung Pauls III. mit der protestantischen Reformation handelt. Dazu passen folgende Motive aus der Alexander-Erzählung: Der Feind ist in weiter Ferne ansässig und kämpft mit einem übermächtig an Zahl und Schlagkraft erscheinenden Heer, die Bezwingung gelingt in fairem Kampf, doch Alexander schont das Leben des feindlichen Fürsten. Ähnlich tolerant stellt auch Francesco Salviati im Salone des Palazzo Farnese den Dialog des offiziellen Vertreters des Papstes mit einem Reformator ( = Luther?) dar (Abb. 48)62. Dort ist mit Absicht hinter den Diskutierenden eine offengehaltene Tür sichtbar. Man kommt der Intention des zweiten Bildsinns wohl dann am nächsten, wenn man in der Darstellung eine Anspielung auf die Maßnahmen sieht, die
61
82
Diese Zeichnung ist ein authentischer Entwurf Perinos; das Blatt der Staatlichen Graphischen Sammlung in München 2 5 0 4 verso kann dagegen nur eine Kopie danach oder nach der ausgeführten Komposition sein. Das Münchener Blatt wurde von John A. Gere: Two late fresco cycles by Perino del Vaga: the Massimi Chapel and the Sala Paolina. In: The Burlington Magazine 1 0 2 , i 9 6 0 , S. 8 - 1 9 , darin S. 1 3 mit Anm. 1 4 und Fig. 1 3 , S. 11 (als Original) für eine Serie von Kompositionen zur Cappella Massimi, bzw. f ü r Kristallschnitte, die Giovanni Bernardi ausführen sollte, für Perino in Anspruch genommen. - An der Echtheit des Münchener Blatts hatte schon Bernice F. Davidson 1966, unter Nr. 41, S. 44, gezweifelt. Vgl. Programm-Quellen IV. Die Textquelle hat Bruno 1970, S. 49 zu Foto E - j o 683 richtig ermittelt: „Poro assalito dai soldati macedoni (Q. C. R. VIII, 14, 31)." Zur Problematik der Deutung dieser Gruppe in den Wandfresken des Salone im Palazzo Farnese vgl. Iris Hofmeister Cheney: Francesco Salviati ( 1 J 1 0 - 1 J 6 3 ) . Ph. D.-Thesis New York University 1 9 6 3 (University Microfilms, Inc., Ann Arbor, Michigan 1 9 7 1 ) , S. 3 9 8 .
Die Alexander-Bilder der Decke
33
Paul III. nach der Hinrichtung von John Fisher und Thomas Morus im Sommer I535 ieSen Heinrich VIII. von England unternommen hat. Die genaueren motivischen Parallelen ergeben sich aus der Königswürde des Gegners, seiner stattlichen Statur, seinem entfernten Reich und der außerordentlichen Langmut, die der Papst (gezwungenermaßen) bewies63, denn die Exkommunikationsbulle gegen den englischen König konnte erst im Dezember 1538 von Rom abgeschickt werden. Eine wesentliche Stütze erhält diese allegorische Deutung der AlexanderPorus-Begegnung durch die Tatsache, daß der Konflikt Pauls III. mit Heinrich VIII. auch im Schloß von Caprarola, und zwar als Historienbild ohne allegorische Verkleidung, an der Decke der Anticamera del Concilio dargestellt ist (Abb. 54). Auf dem dortigen Gewölbefresko verkündet der Papst von einem Balkon aus vor drei unterhalb knienden Personen die Bannbulle gegen den Monarchen von England. Darunter befindet sich folgende Inschrift: „HENRICO VIII • ANGLIAE R • DEPRAVATAE • RELIGIONIS CRIMINE • DAMNATO DE • COLLEGII • SENTENTIA IVS • REGIVM • ADIMIT AN • SAL • 00 DXXXVI"«4. ( = [ Papst Paul III.] erkennt Heinrich VIII., dem König von England, der vom [Heiligen] Kollegium des Verbrechens der Verunglimpfung der Religion für schuldig befunden und verurteilt worden ist, die königlichen Rechte ab, im Jahre des Heils 1536). In einer Illustration der „Historia Alexandri Macedoniae regis", dem sog. Liber de proeliis, läßt sich in der italienischen Kunst ein Vorgänger für die Alexander-Szene nachweisen85. V : Alexander d. Gr. gibt den Befehl zum Schiffsbau Auf eine weitere strategische Maßnahme Alexanders d. Gr. bezieht sich das nächste Fresko (Abb. 13), das einen Befehl zum Schiffsbau zeigt89. Der Heerführer «> Pastor V 1909, S. 680—690. - Audi Onofrio Panvinio in seiner Vita Pauls III. (in: Onofrio Panvinio, Giovanni Stringa, Antonio Cicarelli, Abraamo Bzavio, Antonio Bagatta und Girolamo Brusoni: Le vite de'Pontefici di Bartolomeo Piatina Cremonese dal Salvator nostro fino a Innocenzo XI. Veneria 168 j) vermerkt S. 517 die Exkommunikation Heinrichs VIII. von England als bedeutende Tat aus dem Pontifikat des Farnese-Papstes. 94 Diese Inschrift ist in der bisher einzigen umfassenden Publikation über die Innenausstattung des Sdilosses von Caprarola von M. Giovanni Iannoni und Enrico Maccari: II Palazzo di Caprarola in sessanta tavole incise in rame. Roma ca. 187$, sehr fehlerhaft kopiert bzw. aufgelöst worden. 85 Bruck 1906, S. 189; vgl. hier Anm. JI. •8 Das Bild wurde von Evelina Borea 1962, S. 28 mit Taf. 20 b als „battaglia navale" bezeichnet.
34
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
steht im Vordergrund auf einem fast fertigen Sdiiff; mit der Rechten deutet er nach hinten, wo auf einem Gewässer die bereits fertigen Schiffe mit Rudermannschaften besetzt sind und abfahren; mit der Linken weist er den Soldaten im Vordergrund die Arbeiten an. Auf der linken vorderen Bildhälfte wird ein Mastbaum eingesetzt, und Ruder werden transportiert; rechts sind die Soldaten dabei, mit großen Holzhämmern weitere Schiffe zusammenzusetzen. Die Arbeiten spielen sich bis zum Mittelgrund offensichtlich auf dem Land ab, denn rechts sind deutlich einige Steinbrocken und zwei herangaloppierende Reiter zu erkennen. Das Bild stellt die Vorbereitung Alexanders für die Fahrt auf dem Hydaspes bis zum Ozean dar, von der Curtius Rufus berichtet67. Die Parallelstellen in der Alexander-Vita Plutarchs (68, i), in Arrians Anabasis (6, i,i und 6) sowie bei Diodor (i 7, 89,4-5) passen nicht exakt zur Bildszene, die vielmehr wie eine direkte Illustration der Worte „navigia exaedificari iussit" bei Curtius Rufus aussieht. üFür Paul III. bedeutet diese Darstellung zweifellos eine Anspielung auf seine Unternehmungen gegen die Türken und den Piraten Chaireddin Barbarossa68. In der Anticamera del Concilio im Schloß von Caprarola findet sich an der Decke eine Darstellung, auf der Papst Paul III. der gegen Tunis aussegelnden Flotte Karls V. seinen Segen erteilt (Abb. j6). Darunter lautet die Inschrift: „PAVLVS • III • PONTIFEX • MAXIMVS CAROLVM • V • IMPERATOREM AD • OPPVGNANDVM • TVNETEM IN • AFRICAM • NAVIGANTEM FAVSTIS • PRECIBVS • PROSEQVITVR AN • SAL • 00 D X X X V " ( = [Papst Paul III.] gibt Kaiser Karl V., der nach Afrika zur Belagerung von Tunis aussegelt, das Geleit mit Gebeten um einen günstigen Ausgang, im Jahre des Heils 1535). Eine zweite Szene an der Decke der Anticamera del Concilio in Caprarola zeigt eine ähnliche Begebenheit in einer Loggia vor der Meeresküste, die mit Schiffen besät ist, jedoch ohne die Segenserteilung (Abb. 56). Gemeint ist wohl, wie die zugehörige Inschrift bestätigt, der Abschluß der Heiligen Liga zwisdien Karl V., Venedig und dem Papst gegen die Türken: „CAROLVM • V • IMP • ET VENETOS • VT • TVRCAS Bruno 1970, S. 51 zu Foto E - 5 0 685 deutet die Alexandertat richtig: „Costruzione di navi per l'attraversamento dello Hydaspe (Q- C . R . I X , 1, 3)." 87 Vgl. Programm-Quellen V . •8 Pastor V 1909, S. 1 5 4 - 2 0 9 . - Die Unternehmungen Pauls III. gegen die Türken werden audi von Amaseo 1 5 6 3 , S. 36 und 66/67 sowie von Panvinio 1 6 8 j , S. 5 1 7 gewürdigt.
Die Alexander-Bilder der Decke
35
COMMVNI • SECVM • CLASSE PERSEQVANTVR • CONSILIIS • ET AVCTORITATE • PERMOVET AN • SAL • CI3 DXXXVIII" ( = [Papst Paul III.] bewegt durch seine Ratschläge und seinen Einfluß Kaiser Karl V. und die Venezianer dazu, gemeinsam mit ihm die Türken mit einer Flotte zu verfolgen, im Jahre des Heils 1538). Eine Medaille Pauls III. aus dem Jahr 1538 (Abb. 42) bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls auf die gleichen Ereignisse der Türkenkriege6'. Auf der Rückseite ist dargestellt, wie feindliche Reiter vor den Mauern Roms durch Blitze aus dem Himmel zurückgeschlagen werden. Damit dürften die Landung der Türken unter Barbarossa bei Otranto Ende Juli 1537 und ihr (unerwarteter) Rückzug gemeint sein. Eine Folge der Schreckensnachrichten waren nicht nur eine fieberhafte Rüstung im Kirchenstaat, sondern auch die Friedensvermittlung in Nizza und der Abschluß der Heiligen Liga durch den Papst 1538. Auch Romolo Amaseo erwähnt in seiner Leichenrede auf Paul III. als besonders bemerkenswerte Tat des Papstes die Maßnahmen gegen die Türken und Piraten70. VI: Alexander d. Gr. zieht in Babylon ein An letzter Stelle im Deckenzyklus malte Marco Pino den triumphalen Einzug Alexanders in Babylon (Abb. 14). Als Programmvorlage unter den antiken Schriftstellern ist hier eindeutig Curtius Rufus bestimmbar71, dem das Gemälde bis in Einzelheiten hinein folgt. Außerdem berichtet nur noch Arrian (Anabasis 3,16,3-4) kurz über den Einzug in Babylon. Der lateinische Autor erzählt, daß viele Babylonier dem Makedonenkönig entgegengezogen waren. Der Burg- und Schatzverwalter habe den Weg mit Blumen und Kränzen bestreuen lassen — wie es auf unserem Bild wiedergegeben ist. - Im Triumphzug seien Löwen und Panther in Käfigen transportiert worden — diese Tiere sind ebenfalls auf dem Fresko zu sehen, wenn auch ohne Käfige. - Dann seien die Magier mit Gesängen gefolgt - bei Marco Pino scheinen Hörner und Trompeten die Musik darzustellen. - Und nach den Babylonischen Reitern sei Alexander selbst auf einem Wagen in die Stadt eingezogen — genauso erscheint der Triumphator links am Bildrand als letzter.
Das Bild ist im Hinblick auf Paul III. nicht nur als eine allgemeine Apotheose am Ende der Szenenfolge der Decke aufzufassen, sondern als eine konkrete Allu68
Martinori 1 9 1 7 , N r . IV, S. 40. ® Amaseo 1 5 6 3 , S. 36. Vgl. audi Panvinio 168 j , S. 5 1 7 . 71 Vgl. Programm-Quellen VI. Bruno 1970, S. j i zu Foto E - j o 680 hat die Szene falsch bestimmt als: „Trionfo bacchico di Alessandro (Q. C . R . I X , 10, 2 5 - 3 0 ) . " 7
36
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
sion auf die triumphale Rückkehr nach der Friedensvermittlung von Nizza am 24. Juli ¡¡38 in Rom12. Es war die größte „profane" Veranstaltung, die zu Ehren Pauls III. abgehalten worden ist. Eine zeitgenössische Beschreibung dieses Triumpheinzuges des Papstes in Rom ist erhalten73. Darin heißt es u. a.: „Giunto N. S. alla Porta del Popolo trovò il Corpus Domini col Capitolo, et Canonici di Santo Janni Laterano, et col reverendo Monsignor Capisucco Vicario di Sua S. et li diede a basciar la Croce. N. S. pareva, che poi contemplasse la Porta del Popolo mirabilissimamente ornata et di statue e fregi, e altre pitture. In cima al frontispizio era l'arme di N. S. in mezo da man dritta era l'Arme del Popolo Romano, dalla sinistra l'Arme de illustrissimo S. Duca di Castro Capitano et Confalone della S. Chiesa; di sotto a destra l'Arme del reverendiss. Farnese; a sinistra l'Arme del / reverendiss. Santo Fiore. In faccia dell'Arco era questo titolo di lettere d'oro: PAVLO • III • PONT • MAX CVIVS • SAPIENTIA • AC • AVCTORITATE PACE • INTER • CHRISTIANOS • CONFIRMATA BELLVM • ADV • TVRCAS • SVSCEPTVM • EST S • P • Q • R AD • SPEM • FVTVRAE • VICTORIAE Dai canti del titolo delle lettere erano duoi Imperatori in habito antico di rilievo, et bene intesi. Sotto l'Imperatori erano due Donne di rilievo, ornate d'oro l'una a mano dritta con un Tempio in mano, che s'intende la S. Madre Chiesa, et l'altra la Religione. Di sotto è un S. Pietro, e un San Paulo, e in mezo alli piedi hanno Roma victoriosa, et trionfante. Dalla destra, di verso San Pietro, sono certi gran Cavallieri, che mettono in fuga un grosso exercito di Pedoni, che s'intendono gli christiani, che mettono in fuga l'infedeli. Dalla sinistra, di verso San Paulo, sono dui Navi, l'una alquanto sopra l'altra, et volendo incatenati, la sommerge che s'intende la de Christiani, che sommerge la Mahumettana. Et poi l'impresa del Papa, ch'è un ramo di Gigli con l'arco del Cielo tra e nugoli, che denota pace, et divitia. Ci sono duoi Liocorni, che bevendo in un fonte, tuffono in l'acque il Corno per securezza del veleno, / denotando che la virtù extingue la fraude, et parturisce la securezza, impresa antica della Eccellentissima Casa Farnesia". (Die Inschrift heißt in deutscher Ubersetzung: Für Papst Paul III., durch dessen 72
73
Pastor V 1909, S. 207. - Die triumphale Rüdekehr Pauls III. berichtet auch Panvinio 1685, S. J 2 2 . Vincenzo Forcella: Tornei e giostre Ingressi Trionfali e Feste Carnevalesche in Roma sotto Paolo III. Roma I88J, S. 56-58.
Die Alexander-Bilder der Decke
37
Klugheit und Einfluß nach dem Friedensschluß zwischen den Christen der Krieg gegen die Türken begonnen worden ist. Senat und Volk von Rom in der Hoffnung und mit dem Wunsch künftigen Sieges.) Diese Beschreibung zeigt nicht nur ganz ähnliche Elemente der Verherrlichung des Papstes, wie sie in der Sala Paolina ebenfalls benutzt werden (Wappen, Impresen, Inschriften, zwei Herrscherfiguren, religiöse Allegorien, die beiden Apostelfürsten und Darstellungen siegreicher Schlachten), sondern weist mit der zitierten Inschrift von der Porta del Popolo auch auf andere Leistungen Pauls III. hin, die in der Sala Paolina gleichfalls verherrlicht werden. So kann man annehmen, daß sich schon früh während seines Pontifikats ein gewisser Kanon von hervorragenden Taten herauszubilden begann, der sich zunächst in ephemeren Dekorationen niederschlug74. Nicht nur inhaltlich, sondern auch formal („di rilievo"!) sind von dorther deutliche Anregungen in die große Dekorationskunst aufgenommen worden, wie sich im folgenden zeigt. Die Alexander-Monochromien
der Wände
V I I : Alexander d. Gr. läßt die Werke Homers in einem kostbaren Kasten aus der Beute des Darius aufbewahren Die Interpretation der großen szenischen Wandfresken beginnen wir bei dem linken Bild der Ostwand neben der Durchgangstür zur Camera di Perseo (Abb. 15). An dem Thema dieser ersten Darstellung, „Alexander d. Gr. läßt die Werke Homers in einem kostbaren Kasten aus der Beute des Darius aufbewahren", brauchte man nicht mehr zu zweifeln, seit G. J . Hoogewerff das ikonographische Vorbild, nämlich eine der beiden Grisaillen unter Raffaels „Parnaß" (Abb. 32) in der Stanza della Segnatura schlüssig gedeutet hatte75. Die Gemälde im Vatikan und in der Engelsburg beruhen auf einer Episode aus der Alexander-Vita des Plutarch76. Dort heißt es, Alexander habe in einen Kasten, der für das wertvollste Stück aus der Beute des Perserkönigs Darius gehalten wurde, unter größter Verwunderung seiner Freunde die Ilias Homers zur Aufbewahrung hineinlegen lassen. Diese Szene ist vorher aucii anderswo in fürstlichen Raumdekorationen darge74
75
76
Eine spätere Konkretisierung dieses Kanons von Leistungen Pauls III. ist die prospektartige Tafel bei Panvinio 168$, S. j j j mit der Überschrift: „ P A V L I III. E X C E L E B R I F A R N E SIORVM FAMILIA PONTIFICIS MAXIMI NVMISMATA, ET MEMORIAE". G. J . Hoogewerff: Die Deutung der Grisaillen unter Raffaels Parnass. In: Monatshefte für Kunstwissenschaft 8, 191 j , S. 1 0 - 1 6 ; derselbe: A pie del Parnasso. In: Bollettino d'arte 6, 1926/1927, S. 3 - 1 4 . Die im Privatbesitz von John Gere befindliche Vorzeichnung Perinos wurde ebenso gedeutet, vgl. Gere i960, S. 16. Briganti 1945, S. 72/73 deutet die Darstellung nicht. Vgl. Programm-Quellen VII. Von Bruno 1970 ist die Szene S. $7 zu Foto E - 5 0 7 1 3 ohne Quellenangabe als „Alessandro ordina di porre in uno scrigno le opere di Omero" gedeutet.
38
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul I I I .
stellt worden: In der Sala di Cesare des Palazzo del Te in Mantua ist sie in einem Rundbild an der Decke gemalt (1530—1536 [?]) 77 , und unter den Wandbildern des Zimmers der Duchesse d'Etampes in Fontainebleau findet sich ein Fresko mit dem gleichen Thema (1544 vollendet)78. *
Eine solche Darstellung konnte nur als Huldigung auf die literarischen Neigungen des Auftraggebers, bzw. fürstlichen Raumbewohners, verstanden werden. Im Fall von Papst Paul III. war dies durchaus keine höfische Schmeichelei, denn die Erziehung durch führende Humanisten Italiens hat seine Persönlichkeit tief geprägt. Seine lateinische Korrespondenz mit den Lehrern Gregorio da Spoleto, Pomponio Leto (1428-1497) und Demetrios Chalkondylas ( 1 4 2 3 - 1 J I I ) , die nicht selten mit griechischen Zitaten und Einsprengseln verbrämt ist, zeugt von der außerordentlichen Brillanz und Wendigkeit, zu der es der junge Alessandro Farnese schon als etwa Zwanzigjähriger gebracht hatte79. Demetrios Chalkondylas, bei dem auch Angelo Poliziano sein Griechisch gelernt hat, gehörte noch zu jener berühmten Generation griechischer Gelehrter, die in den Jahrzehnten um das Florentiner Unionskonzil (1439) und den Fall Konstantinopels (1453) nach Italien gekommen waren. Er ließ 1488 in Florenz durch Demetrios Kidonios seine berühmte Homer-Ausgabe, die „editio princeps", drucken80. Alessandro Farnese war ihm in besonderer Freundschaft verbunden: Am 7. April 1489 wurde er zusammen mit Giovanni de'Medici, dem späteren Papst Leo X., und Giorgio Vespucci, Pate seines Sohnes Theseus81. Aus freundFrederick Hartt: Giulio Romano. New Häven 1958, S. 1 5 1 - 1 5 3 , Fig. 3 2 3 ; der Bildinhalt wurde dort jedoch anders erklärt: „Alexander's discovery of the Homeric books" (S. 151). 7 8 Sylvie Béguín: Rosso e Primaticcio al castello di Fontainebleau. Milano 1 9 6 5 , Abb. 3 8 / 3 9 , Text S. 6/7, mit früherer Literatur. 7 9 Die Jugendkorrespondenz des späteren Papstes Paul III., die sich in einem Codex der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen erhalten hat, wurde erst 1950 publiziert. Vgl. Arsenio Frugoni: Carteggio umanistico di Alessandro Farnese. Firenze 1950. Dieser Briefwechsel war Ludwig von Pastor noch unbekannt. Unter den insgesamt 54 Schreiben befinden sich 35 von Alessandro Farnese verfaßte Briefe. 80 Zu Demetrios Chalkondylas vgl. Angelo Badini Confalonieri und Ferdinando Gabotto: Notizie biografiche di Demetrio Calcondila. In: Giornale Ligustico 1 9 , 1 8 9 2 , S. 2 4 1 - 2 9 8 und 77
81
321-336Die Geburtsurkunde des Theseus Chalkondylas aus der Niederschrift des Vaters im Codex Parisinus 2 0 7 3 lautet: „ [ 3 ] "Exi xfj t,' TOÖ ängiXiou urjvóg, FIUÉPQ: TQÍTFI, 1 4 8 9 E T E I , OEXR|VT]G üyoijarig itepi £v8ex0tt]v rinégav, eyevvti'&t] |ioi jtaiSíov Ö.QQEV, óvo^aoftEV ©riaeúg, o eirj deícj HOÍQQI YE7VR|-Í)EV y.ai Tpacpév EÍ> itpa^ai x a t ' EÜXT|V TCÜV yovécov. S Í V T E X V O I ' I Ü H Í W E C ; M E 8 Ú « I ; Ó TOÜ AaupEvtíou ó i|rr|cpur9eÍ5 xagSiváXi?, 'AXé|av8pog $QEVÉ^T|5 v.a'i rtmoyiog Bsojioráiog" zitiert nach Badini Confalonieri und Gabotto 1 8 9 2 , S. 2 8 8 / 2 8 9 , Anm. 3 ( = Sodann am Mittwoch, den 7. April 1489, am elften Tag des Mondmonats, wurde mir ein männliches Kind geboren, das wir Theseus nannten, das durch göttliche Gnade gut zur Welt gekommen sein möge, gut aufgezogen werde und dem es gut gehen möge, so wie die Eltern es für ihn erflehen. Paten waren Giovanni de'Medici, der Sohn des Lorenzo, der zum Kardinal ernannt worden ist, Alessandro Farnese und Giorgio Vespucci). Ob es sich bei der graezisierten Namensform $QEvr|^rig für Farnese um eine von seinem Trä-
D i e Alexander-Monochromien der W ä n d e
39
schaftlichen Kontakten zu seinen Mitschülern bei den humanistischen Studien erwuchsen Alessandro Farnese vielfache Anerkennung und Ehrung. So wurde z. B. dem Papst die postume Edition der „Epitome librorum Aristotelis ethicorum" (Venedig 1544) des befreundeten Ermolao Barbaro (1453-1493) von dessen Urenkel gewidmet, und in dem 1489 verfaßten Werk des Paolo Cortese „De hominibus doctis dialogus" (gedr. 1734 in Florenz) ist einer der Dialogpartner Alessandro Farnese selbst. Unter den wissenschaftlichen und literarischen Werken, die dem späteren Papst während seines Pontifikats gewidmet wurden, ragen ferner Nikolaus Kopernikus' „De revolutionibus orbium coelestium Libri V I . " Nürnberg 1543, hervor82. Zudem scheint Paul III. noch eine besondere Beziehung zu Homer gehabt zu haben: Er berief den Drucker Antonio Blado nach Rom und veranlaßte dadurch die ab 1542 bei ihm erscheinende Ausgabe der Homer-Kommentare des EustathiosB3. Somit dürfte die allgemeine Allusion auf die humanistische Bildung außerdem noch eine konkrete Anspielung auf eine literarische Vorliebe des Papstes enthalten. — Die gleiche Szene der Aufbewahrung von Homers Ilias durch Alexander d. Gr. ist übrigens auch auf dem inneren Boden des Cofanetto Farnesiano als Relief dargestellt (Abb. 33 )84. Die humanistische Bildung zugleich mit den griechischen Sprachkenntnissen hat Romolo Amaseo, der Erzieher des Kardinals Alessandro, in seiner Leichenrede auf den verstorbenen Papst Paul III. an fünf verschiedenen Stellen hervorgehoben85. In der Sala di Cento Giorni der Cancelleria hat Vasari über dem rechten Fenster auf der Fensterwand eine Büste (ohne Insdirift) dargestellt, die nach ihrem Typus nur eine Homerbüste sein kann86.
V I I I : Alexander d. Gr. löst den Gordischen Knoten In dem etwas größeren Mittelfeld der Ostwand (Abb. 16) ist die Szene der Lösung des Gordischen Knotens dargestellt. Diese Deutung ist wohl nie bezweifelt
82 83 84
85
88
ger bewußt unterlegte E t y m o l o g i e in der Bedeutung v o n „Besonnen" (im A n k l a n g an die spätere Devise Pauls III. „Festina lente") handelt, kann nicht eindeutig entschieden werden, zumal diese A d j e k t i v f o r m im klassischen Griechisch nicht geläufig ist. Später graezisierte Paul III. seinen Familiennamen buchstäblich $agvr|cnog, was im Griechischen anscheinend überhaupt keinen Sinn gibt. Pastor V 1 9 0 9 , S. 7 4 0 / 7 4 1 . Pastor V 1 9 0 9 , S. 7 3 9 / 7 4 0 . A l d o de Rinaldis: II cofanetto Farnesiano del museo di N a p o l i . I n : Bollettino d'arte 1 7 , 1 9 2 3 / 1 9 2 4 , S. 1 4 5 - 1 6 5 ; vgl. auch Vilhelm Slomann: Rock-crystals b y G i o v a n n i Bernardi. I n : T h e Burlington Magazine 48, 1 9 2 6 , S. 9 - 2 3 . A m a s e o 1 5 6 3 , S. 7, 1 3 / 1 4 , 1 6 / 1 7 u n d 8 1 ; jedesmal werden seine Griechisch-Kenntnisse ausdrücklich hervorgehoben. - Auch Panvinio 1 6 8 5 , S. 5 1 2 erwähnt die Ausbildung des Papstes bei Griechisch-Lehrern in Florenz. Darauf machte midi freundlicherweise Julian Kliemann aufmerksam.
40
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
worden 87 ; sie fußt auf den Erzählungen bei Curtius Rufus, Plutarch und Arrian 88 . Die phrygischen Mützen, die in diesem und auch auf anderen Bildern des WandZyklus erscheinen, gehen vielleicht auf Curtius Rufus zurück, der bei dieser Szene ausdrücklich auch Phryger neben den Makedonen als Zuschauer erwähnt.
Eine Sinndeutung mit Bezug auf Paul III. ist in der Literatur bisher noch nicht erwogen worden. Dafür ist der bei allen drei Schriftstellern mitgeteilte Orakelspruch maßgebend, der demjenigen die Herrschaft über Asien, bzw. über die bewohnte Welt, versprach, der den Knoten lösen werde. Somit ist auch hier wie in der zweiten Deckenszene der Gedanke von prädestinierter Suprematie in die Form einer antiken Prophezeiung gekleidet. Daß der Oberherrschafts-Anspruch des Papstes in der Sala Paolina wiederholt so prononciert vorgetragen wird, liegt nicht nur an den politischen Problemen während des Pontifikats Pauls III., die dieser geschickt zu regeln vermochte. Auch auf religiöser Ebene wurde diese Reaktion geradezu herausgefordert, und zwar durch die protestantische Reformation. Der universelle Primat-Anspruch des Farnese-Papstes drang als Topos bis in die panegyrische Trivialliteratur ein und veranlaßte einfachere, leicht faßliche Darstellungen des gleichen Gedankens; so ist z.B. in den „Carmina anonymi in laudem Pauli III.", einem illuminierten kleinen Handschriften-Bändchen der Biblioteca Vaticana, auf fol. 23 recto eine Miniatur mit folgender Darstellung zu sehen: Der Farnese-Papst sitzt oben auf dem Glücksrad, Franz I. links auf halber Höhe, rechts Karl V. dem französischen König auf gleicher Höhe gegenüber und unten fallend eine Türkenpersonifikation. - Zur Besiegung der Türken war natürlich die Wiederherstellung der Glaubenseinheit unter den Christen unabdingbare Voraussetzung. I X : Alexander d. Gr. begnadigt die Familie des Darius Als nächstes Bild schließt sich die Begnadigung der Familie des Darius an (Abb. 17) 88 . Die Programm-Vorlage ist hier eindeutig Curtius Rufus 90 . Eine leicht veränderte Parallel-Oberlieferung findet sich zwar auch bei Diodorus Siculus (17, 3 8 , 1 - 2 ) , doch läßt sich aus unserer Darstellung sicher erschließen, daß der lateinische Text bevorzugt wurde. Dagegen hat Sodomas Gemälde des gleichen 87
88 88
80
Gere i960, S. 1 6 ; Briganti 194$, S. 72/73 deutet die Szene nidit; von Bruno 1970, S. 57 zu Foto E - 5 0 7 1 1 als „Alessandro taglia il nodo gordiano" ohne Angabe von Quellen gedeutet. Vgl. Programm-Quellen VIII. So gedeutet von Gere i960, S. 16; Briganti 194$ läßt die Darstellung unerklärt, vgl. S. 7 2 / 7 3 ; Bruno 1970 betitelt die Szene S. 57 zu Foto E - j o 709 als „Sisygambi ai piedi di Alessandro" ohne Quellenverweis. Vgl. Programm-Quellen I X .
Die Alexander-Monochromien der Wände
41
Themas in der Villa Farnesina offensichtlich nicht als Vorbild gedient (Abb. 34). Die Version der Sala Paolina hat sich neu an der Erzählung des lateinischen Autors orientiert. Dort wird die Episode berichtet, Alexander habe den jungen Sohn des Darius hochgehoben, seinen Hals umschlingen lassen und beim Anblick von dessen Furchtlosigkeit bedauert, daß Darius von dieser Charaktereigenschaft nichts an den Tag gelegt habe. - Ebendieses Nebenmotiv ist in die Darstellung mitaufgenommen worden, im Gegensatz zum Fresko der Villa Farnesina. In dem erstaunten Soldaten links ist der bei Curtius Rufus erwähnte Hephaistion zu erkennen. *
Das Bild ist eine Anspielung auf die herrscherliche Tugend der „dementia" Pauls III. Sie deutet auf einen konkreten Fall aus dem Leben des Papstes hin, nämlich auf die Begnadigung von Perugia. - Die Stadt hatte am Anfang des Jahres 1540 gegen die Erhöhung der Salzsteuer rebelliert und war in einem kurzen Feldzug im Mai unterworfen worden. Eine Abordnung von fünfundzwanzig Bewohnern konnte am Fest Peter und Paul des gleichen Jahres kniefällig mit Stricken um den Hals und in Bußkleidern die Begnadigung vom Papst erwirken91. An der Decke der Anticamera del Concilio im Schloß von Caprarola ist diese Szene als narratives Historienbild dargestellt worden. Allerdings verschiebt die zugehörige Inschrift den Sinn der „clementia"-Szene - als solche ist sie zweifelsfrei zu erkennen - zugunsten des Gedankens der Unterwerfung (Abb. 55): „PAVLVS • III • PONTIFEX • MAXIMVS PERVSIAM • POST • DEFECTIONEM AD • OFFICIVM • ATQVE OBEDIENTIAM • COMPELLIT ANNO • A • PARTV • VIRGINIS CIO D XL" ( = Papst Paul III. bringt Perugia nach dem Abfall zur Pflichterfüllung und zum Gehorsam wieder zurück im Jahr 1540 nach der Geburt der Jungfrau). Auf das gleiche Ereignis hat Paul III. eine Medaille schlagen lassen, die auf der Rückseite einen Greifen zeigt, der sich gegen eine angreifende Schlange verteidigt (Abb. 44)92. X : Alexander d. Gr. versöhnt zwei Freunde Das vorletzte Bild des Wandzyklus ist bisher völlig ungedeutet geblieben83. Es zeigt auf einem ziemlich schmalen Bild nur drei Soldaten (Abb. 18). Der vor»1 Pastor V 1909, S. 235/236. Die Unterwerfung und Begnadigung Perugias werden auch von Panvinio 168$ geschildert, S. 523. »2 Martinori 1 9 1 7 , N r . X X I X , S. 43/44.
42
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
derste füllt mit dem abgewinkelten Unterarm die ganze Bildbreite aus. Dahinter unterscheiden sich die beiden anderen Krieger auffällig durch ihr verschiedenes Alter: Der nächste ist bartlos und jung und trägt eine Löwenkappe, wie sie auch auf dem ersten Bild des Wandzyklus vorkommt (Abb. i j ) , der fernere ist älter und bärtig. Die Hauptperson im Vordergrund trägt in ihrer Linken eine Lanze und weist sich damit als Alexander aus, zudem ist sie jung, bartlos, behelmt und lang gelockt wie in den vorigen Szenen. Denn Plutarch überliefert in seiner Schrift über Isis und Osiris94, daß Lysipp den Apelles kritisiert habe, weil er Alexander in einem Gemälde einen Blitz beigab, obwohl doch die Lanze sein eigentliches Attribut sei. — Das offensichtlich gleiche Alter des nächsten Soldaten läßt nun vermuten, daß es sich um einen Jugendfreund Alexanders handelt. Mit der Rechten macht Alexander selbst eine Gebärde, die nur ein Redegestus sein kann. Das kriegerische Attribut der Lanze, lässig in der Linken gehalten, ist demgegenüber nebensächlich. Aufmerksam schauen die beiden anderen Alexander ins Gesicht; die Rechte des Jüngeren weist mit einem energischen Fingerzeig nach unten, als ob er auf einem Standpunkt beharre. Auf dem oberen Teil seines Panzers liegt die andere Hand, mit der er sein Recht zu beteuern scheint. Im Kontrast dazu steht das angespannt fragende Gesicht des Älteren im Hintergrund. Alexanders redende Gebärde bedeutet nichts anderes als Vermittlung zwischen zwei Streitenden — und tatsächlich wird in Plutarchs Alexander-Vita 95 von einem Streit zwischen Hephaistion und Krateros erzählt, den Alexander persönlich beigelegt hat. Bei Arrian ist von der Versöhnung zwischen Hephaistion und Eumenes durch Alexander die Rede. In Hinsicht auf Paul III. spielt das Bild auf die Friedensvermittlung des Papstes zwischen Karl V. und Franz I. bei Nizza im Juni 1538 an98. Die Beilegung der Feindseligkeiten zwischen den beiden wichtigsten weltlichen Fürsten der Christenheit, die Clemens V I I . in den zehn Jahren seines unglücklichen Pontifikats nicht hatte bewerkstelligen können, war ein Hauptanliegen der Politik Pauls III. Er nahm es so früh wie möglich in Angriff, um die Unternehmungen gegen den gemeinsamen äußeren Feind der Türken desto wirkungsvoller durchsetzen zu können. - Darin war die Situation Alexanders auf dem Eroberungszug im Moment des Streits seiner Freunde besonders vergleichbar. Außerdem spiegelt die Darstellung in der Wichtigkeit der Person Alexanders wiederum den päpstlichen Führungsanspruch. Eine wesentliche Stütze für diese Deutung des Bildes ist darin begründet, daß die Friedensvermittlung in Nizza auch in allen anderen Farnese-Zyklen begegnet: »3 Briganti 1945 läßt die Szene ungedeutet, vgl. S. 73 und Fig. 1 1 1 ; Bruno 1970, S. $5 schreibt zu Foto E - 5 0 702: „Storia di Alessandro non identificata." 94 95 98
Vgl. Programm-Quellen X . Vgl. Programm-Quellen X . Pastor V 1909, S. 1 9 7 - 2 0 5 .
Die Alexander-Monochromien der W ä n d e
43
In der Sala di Cento Giorni der Cancelleria (Abb. 36), im Salone des Palazzo Farnese (Abb. 48) und in der Anticamera del Concilio in Caprarola (Abb. J7) 97 . Der Komposition unseres Bildes dürfte am nächsten eine verlorene Darstellung der Friedensvermittlung entsprochen haben, die für die Rückkehr Pauls III. von Nizza an einem Ehrenbogen in Rom hergestellt worden war. In der zeitgenössischen Beschreibung des Triumph-Einzugs heißt es98: „A San Marco è un Arco bene inteso, benché non finito, et con bellissime colonne lavorate d'oro, et d'argento con un titolo di lettere d'oro: PAVLO • III • PONT • MAX OPTIMO SAPIENTISSIMOQVE PRINCIPI S • P • Q • R DICAVIT Drento all'Arco da man dritta è il Pontefice in piede in mezo fra Cesare et il Re Christianissimo, e a parlamento li esorta, et li tira alla pace." (Die Inschrift lautet übersetzt: Senat und Volk von Rom haben diesen Bogen für Papst Paul III., den besten und klügsten Fürsten, gestiftet. - Interessant ist, daß der Papst zusätzlich als „princeps", als weltlicher Fürst, bezeichnet werden kann.) Merkwürdigerweise ist dieses wichtige Ereignis aus dem Pontifikat Pauls III. in der Sala Paolina auf der kleinsten, den Alexander-Monochromien zur Verfügung stehenden Bildfläche dargestellt. Allgemein galt der Kongreß zu Nizza als bedeutendste Tat Pauls III. Romolo Amaseo nimmt in seiner Rede zum Begräbnis des Papstes zweimal Bezug darauf 9 ', und die Grabmalstatue für Paul III. ist von Guglielmo della Porta so konzipiert, daß er mit der vorgestreckten Rechten „in atto di pacificatore" erscheint (Abb. 49)100. Das Fresko Salviatis im Salone des Palazzo Farnese steigert diese Heroisierung noch dadurch, daß der Papst als zweifacher Versöhner zwischen der Szene von Nizza und dem Konzil von Trient vorgestellt wird (Abb. 48). X I : Alexander d. Gr. weiht Altäre Die letzte Szene der fingierten monochromen Reliefs (Abb. 19) sowie die zugehörigen Vor- und Nachzeichnungen (Abb. 74) sind bisher im „wörtlichen" Bild97
Die Darstellung in Caprarola (Abb. 57) ist nach den allegorisierenden Bildern der Sala Paolina und des Palazzo Farnese als (vorgeblich?) narratives Historienbild gestaltet, o b w o h l der Papst und die beiden Fürsten bei den Verhandlungen in N i z z a niemals zu dritt zusammengekommen sind. - Die Inschrift darunter lautet übersetzt: [Papst Paul III.] verbindet Kaiser K a r l V . und F r a n z von Valois, K ö n i g von Frankreich, die zu großem Schaden Europas uneins waren, im Waffenstillstand von N i z z a und versöhnt sie miteinander, im J a h r e des Heils 1 5 3 8 . »8 Forcella 1 8 8 5 , S. 6 1 . 99 A m a s e o 1 J 6 3 , S. 3 0 - 3 2 und 7 4 . - Auch Panvinio 1 6 8 5 berichtet davon, S. 5 2 1 . 100 Annibale C a r o : Lettere familiari (ed. A u l o G r e c o 1 9 5 9 ) , II, S. 1 0 4 - 1 0 7 , N r . 3 7 2 ; darauf hat schon Iris Hofmeister C h e n e y 1 9 6 3 (bzw. 1 9 7 1 ) , S. 2 J 7 / 2 5 8 mit A n m . 266 hingewiesen; vgl. auch Buddensieg 1969, A n m . 3 5 , S. 220.
44
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
sinn nodi nicht richtig erklärt oder nur ungedeutet veröffentlicht worden 101 . An eine Interpretation der allegorischen Bedeutung konnte deswegen überhaupt noch nicht gedacht werden. Zur Identifizierung der sichtbaren Darstellung kommt es darauf an, wie man die Gegenstände vorn rechts im Bild erklärt. Diese Objekte sind weder Sarkophage noch Tresorkisten - wie vorgeschlagen —, sondern offenbar Blöcke, die sowohl durch eine in die Bildtiefe hinein verlaufende wie auch durch mehrere hintereinander parallel zur Bildfläche verlaufende Fugen voneinander getrennt sind, so daß sich mehrere selbständige Körper ergeben. Hält man diese aufrecht stehenden Gebilde mit anscheinend quadratischer Grundfläche für Marmor-Altäre und befragt man die antike historische Alexander-Literatur in dieser Hinsicht, so erhält man bei Curtius Rufus, bei Diodorus Siculus und in Plutarchs AlexanderVita folgende Auskunft 102 : A m östlichsten Punkt seines Eroberungszuges, als das Heer nicht mehr weiterziehen wollte, weihte Alexander als Denkmal seiner Unternehmungen zwölf Altäre „ex quadrato saxo", wie Curtius Rufus ausdrücklich erwähnt; der lateinische Alexander-Historiker wurde unter den Quellen für das Bildprogramm wiederum bevorzugt. Daß das vorliegende Fresko sich an diese antike Überlieferung hält, wird durch den Gebetsgestus des Soldaten rechts im Hintergrund bekräftigt. Im Widerspruch zur Textvorlage enthält das Bild jedoch nur zehn Altäre, die erhaltene Vorzeichnung (Abb. 74) von Perino del Vaga zeigt dagegen 101 Briganti 194$, S. 72/73 deutet das Fresko nicht. Philip Pouncey und John Gere publizierten im Katalog der italienischen Zeichnungen des British Museum: Raphael and his circle. London 1962, S. 1 1 5 / 1 1 6 , unter N r . 195, Taf. 163 eine von Rubens überarbeitete Zeichnungs-Kopie nach dem Fresko der Sala Paolina mit dem Titel „Scene from the life of Alexander the Great". 1968 veröffentlichte Keith Andrews in: National Gallery of Scotland - Catalogue of Italian Drawings. Cambridge 1968, S. 125/126, unter N r . D 645, Fig. 839 eine Zeichnung als Kopie nach einer vermuteten verlorenen Originalzeichnung von Perino del Vaga mit dem gleichen Sujet. Die Abweichungen gegenüber dem Fresko wurden beobachtet. Das Thema wurde erklärt mit: „Alexander opening the tomb of Darius." In seiner Rezension zu diesem Katalog machte Jacob Bean in: Master Drawings 7, 1969, S. 57, Taf. 38 auf die wiedergefundene Originalzeichnung Perinos aufmerksam, die sich in der Sammlung Jan Woodner in N e w Y o r k befindet. Eine andere Deutung des Themas wurde nicht vorgeschlagen. Ein Jahr später wurde dieses Blatt Perinos auf der Ausstellung „The Age of Vasari" in Notre Dame und N e w Y o r k gezeigt. Michael Milkovich und Dean A . Porter betitelten es im Katalog: The Age of Vasari. Notre Dame, I n d i a n a - N e w Y o r k 1970, S. 80, N r . D 24: „Scene from the History of Alexander the Great." - Im zugehörigen Text heißt es: „The vibrant drawing, dramatically lit from the upper left, depicts a group of figures surrounding two sarcophagi." Bruno 1970, S. 13 nennt die Monochromie „Alessandro si impadronisce del tesoro di Dario", eine Deutung, die D'Onofrio 1971 f ü r den Titel seiner Abb. 183 wörtlich übernimmt. Im Ausstellungskatalog der Sammlung J a n Woodner (The William H . Schab Gallery Inc.:) Woodner Collection I. N e w Y o r k 1 9 7 1 , wird die Zeichnung Perinos als „ A scene from the life of Alexander the Great" (Nr. 18) ausgegeben. 102 Vgl. Programm-Quellen X I .
Die Alexander-Monochromien der Wände
45
zwölf (ein penibler Zähler kann bei der flotten Zeichenweise des Meisters auch dreizehn sehen wollen). Auf die anderen Veränderungen zwischen Entwurf und Ausführung wird weiter unten noch einmal eingegangen. *
Die monumentalen Altäre Alexanders sollten also der Nachwelt zur Erinnerung an seine Unternehmungen dienen102'. Diese Intention des Stifters und das sakrale Objekt bieten den Ansatzpunkt für die Beziehung auf Papst Paul III.: Wie in Vasaris Sala di Cento Giorni eine Szene (Abb. 35) die Bautätigkeit des Farnese-Papstes am Petersdom verherrlicht, so ist dieselbe Leistung hier in die Sinnbild-Form der Alexander-Szene gekleidet. Nicht nur durch immer neue finanzielle Maßnahmen und andere Initiativen hatte Paul III. seit Beginn seines Pontifikats den unter seinem Vorgänger Clemens V I I . zum Stillstand gekommenen Weiterbau von Sankt Peter neu belebt, audi in der Auswahl der leitenden Architekten zeigte er größtes persönliches Engagement, bis er nach dem Tod von Antonio da Sangallo d. J . durch die Berufung Michelangelos ab 1547 der Gestaltung der Peters-Basilika die entscheidende Wende gab. Ob hier auf unserem Fresko schon dieses besondere Ereignis aus der Geschichte des größten Neubaus der Renaissance miteinbegriffen ist, erscheint allerdings zweifelhaft in Anbetracht des vermutlichen Zeitpunktes der Programmkonzeption. Jedenfalls ist auf dem erwähnten Wandbild der Cancelleria eindeutig der linke Querarm des SangalloBaus in seinen Anfängen sichtbar, und im Vordergrund wird der zugehörige Grundriß gezeigt, also der im Jahr 1546 noch aktuelle Bauplan. In seiner Aufwendigkeit und Ausdehnung stand ja dieser dem Michelangeloprojekt gewiß nicht nach, und eben darauf sollte es in der Version des Freskos der Engelsburg ja ankommen. Auf der Medaille (Abb. 43), die Paul III. für das Jubiläumsjahr 1 j jo, das er nicht mehr erleben sollte, prägen ließ, erscheint ebenfalls die Fassade des Sangallo 103 . Die Medaille diente gleichzeitig zur Propaganda für das Heilige Jahr und zur Dokumentation päpstlichen Bauwillens. So scheinen die Soldaten im Hintergrund des Wandbildes der Sala Paolina (Abb. 19) mit den verschiedenen Zeigegesten, dem Drängen, Sehen-Wollen und Über-die-Schulter-Schauen das staunende ehrfürchtige Interesse von künftigen St.-Peter-Pilgern vorwegnehmen zu wollen; eine vereinzelte Gebetsgebärde gerät dabei fast zur Nebensache. Am linken Bildrand umschreitet Alexander d. Gr. als einziger außerhalb des Gedränges die Altäre und unterstreicht damit seine Rolle als Initiator. Die Unterschiede zwischen der Vorzeichnung (Abb. 74) und dem Fresko - wer sie auch immer veranlaßt haben mag — machen den allegorischen 102» Auch in der Handschriften-Illuminierung wird diese Begebenheit aus dem Leben Alexanders d. Gr. - wenn auch leidit abgewandelt, so doch mit der gleichen unterlegten Intention des Stifters - dargestellt, vgl. Bruck 1906, S. 194 ( = Bl. 86 der Leipziger Handschrift). Dort läßt Alexander eine Säule errichten mit der Inschrift: »Ego Alexander veni usque huc." los Martinori 1 9 1 7 , N r . XIII, S. 42.
46
D a s B i l d p r o g r a m m der Fresken und sein Bezug auf P a u l I I I .
Bildsinn in der ausgeführten Fassung nur noch deutlicher: Der auf dem Blatt noch betende Makedonenkönig unterscheidet sich im Gemälde wesentlich von den anderen Betenden und Bewundernden, er legt die Linke auf die Brust, und seine herabhängende Rechte greift lässig in einen Mantelbausch. Offenbar sollten dieser veränderte Gestus ebenso wie das Umschreiten andeuten, daß die Herstellung der Altäre durch seinen persönlichen Willen veranlaßt wurde. Das Interesse der Hintergrundsfiguren an den verschiedenen Einzelheiten der kunstvollen Altäre wird im Fresko noch verständlicher durch den hier hinzugefügten plastischen Schmuck, den die Blöcke im Gegensatz zu ihrer eher kargen Fassung auf der Vorzeichnung erhalten haben. Dazu zählen die antikisierenden Volutenaufsätze, deretwegen die Zwölfzahl der Altäre wohl auf zehn verringert wurde, die Omphalos-Schalen auf den Oberflächen sowie die Relief-Füllungen an den Vorderseiten. Ob das eigentlich anachronistische Detail der „Römischen "Wölfin" rechts dabei bewußt als Anspielung auf den allegorischen Bildsinn gewählt oder überhaupt als Lizenz empfunden wurde? - Von altrömischen Altären war dieses Motiv Perino oder dem Programm-Verfasser sicherlich nicht ungeläufig104. Durch die Hinzufügung der ornamentalen Details auf dem Fresko wird die Deutung des zweiten Bildsinns zusätzlich sicherer: Ein sakrales, monumentales und zugleich künstlerisches hochbedeutendes Objekt hat den Vergleichspunkt für beide Bildebenen geliefert. - Auch im Fresko des Salone im Palazzo Farnese hat Francesco Salviati eine Szene mit dem Befehl Pauls III. zum Weiterbau von Sankt Peter dargestellt (Abb. 47) 105 . An den oberen Fenstergewänden der Westseite befinden sich noch drei weitere, kleine Alexander-Szenen. Auf ihre Existenz sei hier nur hingewiesen. Sie scheinen letzte Zufügungen zu sein und waren wohl kaum von vornherein in das Programm der großen Fresken einbezogen. Im folgenden wird die Besprechung der Paulus-Tondi ( X V I - X X I ) vorgezogen, danach werden die beiden Gruppen der allegorischen Figuren ( X I I - X V und X X I I - X X X I I I ) zusammen behandelt. Die sechs Paulus-Tondi X V I : Die Bekehrung des hl. Paulus Über der Tür des Verbindungskorridors zur Sala della Biblioteca befindet sich der erste Tondo des Paulus-Zyklus mit der „Bekehrung Pauli" (Abb. 24). Das gleiche Thema hat Paul III. auch von Michelangelo 1542-1545 in der Cap104 Vgl. z . B. Salvatore A u r i g e m m a : D i e Diocletiansthermen u n d das Museo N a z i o n a l e R o m a n o . R o m a i960, N r . 3 1 $ , S. 1 3 0 / 1 3 1 : Altar aus Ostia (Inv. N r . 324), T a f . L X V . ios D i e A u f n a h m e stellte Julian Kliemann freundlicherweise zur V e r f ü g u n g .
Die sechs Paulus-Tondi
47
pella Paolina106 des Vatikan malen lassen. Eine seiner Medaillen zeigt ebenfalls die Bekehrung des Völkerapostels und trägt die Umschrift: „ S A V L E S A V L E Q V I D M E P E R S E Q V E R I S " und dazu unter der Darstellung die Beischrift: „ V A S ELECTIONIS" 1 0 6 " ( = Saulus, Saulus, was verfolgst Du mich? - Gefäß der Auserwählung). — Obwohl die Umschrift der Medaille ein wörtliches Zitat der Apostelgeschichte (9,4) ist und die Bezeichnung Pauli als „Gefäß der Auserwählung" schon eine lange Tradition hat 107 , scheint das Thema der Bekehrung für Paul III. doch auch einen aktuellen Anlaß zur Selbstidentifikation gehabt zu haben.
Der Papst bezog die Darstellung der Bekehrung Pauli offenbar auf seine eigene Absage an die weltliche Karriere, die sich in den Jahren 1509 bis 1 5 1 9 vollzog, als er Bischof von Parma wurde, das uneheliche Verhältnis zur Mutter seiner Kinder aufgab und sich endlich 1 5 1 9 zum Priester weihen ließ, nachdem er schon 1493 Kardinal geworden war 108 . Der Gedanke der göttlichen Erwählung, der der Bekehrung Pauli auf der Medaille expressis verbis unterlegt ist, gilt auch für den Tondo der Sala Paolina. Eine weltliche Version dieser PrädestinationsVorstellung begegnete bereits in den Alexander-Szenen von Decke und Wänden (I, II und VIII). Durch den Vergleich mit seinem Apostel-Vorgänger rechtfertigt Paul III. seine Papstwürde gegen jeden Hinweis auf sein Vorleben. Die ikonographische Fassung des Bildthemas mit dem Sturz vom Pferd, der in der Apostelgeschichte (9, 3-7) nicht berichtet wird, mag eine Absage an den Hochmut bedeuten109, ist aber in der Paulus-Ikonographie nicht ungewöhnlich. Die Drehung des Pferdes in unserer Darstellung dürfte seitenverkehrt aus dem Teppich Raffaels für die Cappella Sistina übernommen sein. X V I I : Der hl. Paulus predigt vor den Juden Der zweite Tondo über der Scheintür der Nordwand (Abb. 24) zeigt eine Predigt des hl. Paulus vor den Juden110. Der Redende ist rechts im Bild die größte 108 Charles de Tolnay: Michelangelo V . The Final Period. Princeton i960, S. 70. »o«" Vgl. Martinori 1 9 1 7 , N r . X X X V I I , S. 45. 10' Die Bezeichnung „ V A S E L E C T I O N I S E T D O C T O R G E N T I V M " stand unter der Figur des Paulus auf dem ehemaligen Fassadenmosaik von S. Paolo fuori le mura; auf einer römischen Medaille um 1500 erscheint um den Kopf des Völkerapostels die Umschrift „ V A S E L E C T I O N I S / P A V L V S A P O S T O L V S " . - Vgl. dazu und zu weiteren Nachweisen John Shearman: Raphael's Cartoons in the Collection of Her Majesty the Queen and the Tapestries for the Sistine Chapel. London 1972, S. 62 (Anm. 104), S. 63, Fig. 32 (Medaille), S. 70 (Anm. 142) und S. 39/40. 108 Pastor V 1909, S. i j - 1 7 . 10» Ernst von Dobschütz: Die Bekehrung des Paulus. In: Repertorium für Kunstwissenschaft jo, 1929, S. 8 7 - 1 1 1 , bes. S. 1 0 8 - m . 110 Werner Gramberg: Die Düsseldorfer Skizzenbücher des Guglielmo della Porta. Berlin 1964,
48
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
Gestalt; Heiligenschein und Schwert weisen ihn als den Völkerapostel aus. Die diskutierenden, teils abweisenden Gebärden der Zuhörer lassen an eine Predigt denken, wie sie in der Apostelgeschichte 1 3 , 4 4 - 5 0 geschildert ist. Diesem biblischen Bericht entspricht die Erregung und der Widerspruch beim Publikum ohne Anzeichen von Bekehrung sowie die Gegenwart von frommen Frauen, die von den Juden aufgehetzt wurden. Wohl nicht umsonst trägt Paulus einzig in dieser Szene des Apostel-Zyklus das Schwertm. #
Die „Predigt vor den Juden" dürfte auf die Reformbemühungen Pauls III. an seiner eigenen Kurie und im Kirchenstaat anspielen, ähnlich wie die dritte Alexander-Szene der Decke (III). Paulus als der Schwertträger verbindet sich hier mit den Iustitia-Vorstellungen des Farnese-Papstes, die in den Tugendfiguren der Sala di Cento Giorni (vgl. hier S. 26), an seinem Grabmal (vgl. S. j 6), mehrfach in der Sala Paolina (vgl. X V : Iustitia, S. 53 und X X X V : Michael, S. 59) sowie bei der Interpretation seines Familien-Wappens wiederbegegnen. Damit werden die neuen Verordnungen (vgl. hier S. 31), die schließlich zum Konzil von Trient geführt haben, als gerechtfertigt vorgestellt. X V I I I : Der hl. Paulus predigt vor den Heiden Die nächste Paulus-Szene (Abb. 25) im dritten Tondo über der Tür zu den beiden östlich benachbarten Räumen des päpstlichen Appartements zeigt eine weitere Predigt des Apostels. Hier kniet das Volk anbetend vor einer göttlichen Erscheinung in den Wolken nieder, auf die Paulus hinweist. Das andere Verhalten des Auditoriums, die verschiedene Tracht der Männer, die im Gegensatz zur vorigen Szene keine Kapuzen tragen, sowie die Gegenwart von Kindern lassen den Schluß zu, daß es sich hier um eine Predigt vor den Heiden handelt. Das Motiv der göttlichen Erscheinung bei einer Paulus-Predigt ist allerdings sehr ungewöhnlich. Soweit wir sehen, lassen sich dafür weder direkte SchriftQuellen noch bildliche Parallelen finden. In der weiteren Spezifizierung der Szene muß daher mit einiger Vorsicht verfahren werden. Doch wäre es eigentlich verwunderlich, wenn unter einem Papst mit dem Namen des Völkerapostels die Paulus-Ikonographie nicht neu belebt worden wäre.
111
S. 90 deutet die Szene auf die Predigt in Athen ohne Angabe von Gründen, obwohl die für diese Darstellung sonst üblidien Götterstandbilder und Tempel - vgl. z. B. den Teppich R a f faels - fehlen. Das Predigt-Thema aus dem Leben des hl. Paulus muß dem Farnese-Papst sehr wichtig gewesen sein. Eine Zeichnung mit diesem Thema von Perino del Vaga (Uffizien 487 F, vgl. Davidson 1966, N r . 51) war für ein Pluviale Pauls III. bestimmt (Abb. 52). Die PredigtSzene selbst läßt sich dort nicht weiter bestimmen, sie sollte wahrscheinlich den Apostel und Namenspatron des Papstes allgemein als „doctor gentium" charakterisieren.
Die sedis Paulus-Tondi
49
So scheint hier die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß es sich um eine Illustration zu einem lehrhaften Passus der Areopag-Rede des hl. Paulus (Apg. 17, 24-27) handelt: Er sagt dort vor den Athenern, daß Gott, der Weltenschöpfer (hier mit der Erdkugel in der Hand dargestellt), nicht in Tempeln wohnt (hier über Wolken erscheinend) und sich nicht von Menschenhänden bedienen läßt (hier von Engeln umgeben). - Die Aeropag-Rede des Apostels Paulus gehörte auch bei den Wandteppichen Raffaels für die Cappella Sistina zu den ausgewählten Szenen der Apostelgeschichte. Jedoch lag dort eine besondere Betonung auf dem Gegensatz der wahren Religion und des Götzendienstes112. Die Akzentverschiebung könnte hier in der Beziehung auf Paul III. ihren Sinn gehabt haben.
In Hinsicht auf die aktuelle Gegenwart zur Zeit der Programmabfassung dürfte sich die „Heidenpredigt" auf die Bemühungen des Farnese-Papstes um die Rückgewinnung der vom katholischen Glauben abgefallenen Christen beziehen. Deswegen ist hier der Akzent von der Idolatrie - die den Protestanten ja nicht vorzuwerfen war - weg auf das „richtige" Verständnis Gottes, bzw. der Religion, verlagert. Das Thema des „magisterium gentium" in der Raffaelischen Version des Wandteppichs113 hat hier eine neue Nuance gewonnen. In der Sala Paolina sind mit dieser Darstellung die verschiedenen Verhandlungen des Papstes mit deutschen Fürsten, wie Joachim II. von Brandenburg, König Ferdinand und Kaiser Karl V. um eine Reunion oder Konkordie mit den Lutheranern umschrieben114. Auch die Legationen mehrerer Kardinäle, darunter des jungen Alessandro Farnese, nach Deutschland zur Vermittlung einer Reunion dürften darunter miteinbegriffen sein 115 . X I X : Die Bekehrung des Proconsuls Sergius Paulus und die Blendung des Elymas Uber der Scheintür der Ostwand ist im vierten Tondo dargestellt, wie der hl. Paulus durch die Blendung des Zauberers Elymas den Proconsul Sergius Paulus zum Glauben bekehrt (Apg. 1 3 , 6 - 1 2 ) (Abb. 26) 118 . Die gleiche Szene hatte schon Raffael in einem seiner Wandteppiche für die Cappella Sistina dargestellt 117 . An diese Komposition lehnt sich unsere Fassung im Aufbau an. * 112
Shearman 1972, S. 70. u s Shearman 1972, S. 69-72. 114 Pastor V 1909, S. 31—95, bes. S. 49 ff. und 8$ f. 115 Pastor V 1909, S. 257-279. 116 Auf die Deutung der Szene wurde ich freundlicherweise von Rolf Quednau hingewiesen. Vgl. Shearman 1972, S. 38 f. und 68 f.
50
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
Die Szene bietet in der allegorischen Ausdeutung keine großen Schwierigkeiten. Sie scheint die beiden vorhergehenden Predigt-Darstellungen ( X V I I und X V I I I ) zusammenfassen zu wollen: Paulus, bzw. der Papst, macht Irrglauben offenbar, so daß der Zugang zum wahren Glauben ermöglicht wird. Darin liegen vielleicht noch mehr als Rechtgläubigkeits- und Primatanspruch des Papsttums in Zeiten besonderer Glaubensverwirrung: Es ist durchaus denkbar, daß die Szene auch auf die Gründung der römischen Inquisition mit der Bulle vom 21. Juli 1542 anspielt 118 . X X : Das Opfer in Lystra Der fünfte Tondo über dem Haupteingang an der Südwand schildert die „Ablehnung des Stieropfers in Lystra" (Abb. 27) nach dem Bericht der Apostelgeschichte 1 4 , 1 1 - 1 8 . Gegenüber der Fassung des gleichen Themas im Teppich Raffaels und in einem eigenen Entwurf Perinos für eine Stickerei auf einem Pluviale Pauls III. (Abb. 53) 118 fehlt hier der Jünger Barnabas. Anklänge an R a f faels Komposition finden sich jedoch in der Wiedergabe des Stiers und seines knienden Halters. *
Die allegorische Aussage im Hinblick auf den Papst kann nur ein Bekenntnis zur persönlichen Bescheidenheit sein, in der die höchste kirchliche Würde immer noch als ein Dienst vor Gott aufgefaßt wird, dem allein Verehrung durch Opfer zusteht. Wahrscheinlich verbirgt sich hinter der Apostel-Szene auch eine Allusion auf die Sparsamkeit des Papstes bzw. seine kluge Finanzpolitik. Im Vergleich mit den beiden vorangegangenen Medici-Päpsten Leo X . und Clemens V I I . wußte Paul III. seine Mittel gezielter für kirchlich-religiöse und soziale Belange einzusetzen, und sein Mäzenatentum wurde von einer höchst peniblen Buchführung kontrolliert 120 . Zu dieser Deutung paßt die Konzentration der Szene auf Paulus unter Auslassung des Barnabas. X X I : Das Martyrium des hl. Paulus Das Pendant zum vorigen Tondo enthält das „Martyrium des hl. Paulus" (Abb. 27). Die Geläufigkeit der Version des gemeinsamen Todes Petri und Pauli durch Enthauptung zeigt auch ein Kupferstich des Jacopo Caraglio 121 ; sie wird 118 Pastor V 1909, S. 7 0 9 - 7 1 3 . 11 9 Uffizi 1496 E ; vgl. Philip Pouncey und John A . Gere: Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum. Raphael and his circle. London 1962, unter N r . 172, S. 103, und Bruno 1970, S. 45, Abb. 2. 120 Pastor V 1909, S. 7 2 3 - 7 2 5 . 121 Der Kupferstich Jacopo Caraglios (B. X V , S. 7 1 , N r . 8) nach Parmigianino ist abgebildet bei Arthur Ewart Popham: Catalogue of the drawings of Parmigianino. N e w H ä v e n - L o n d o n
Die allegorischen Figuren in den Nischen der Supraporten
51
auch durdi das Sockelbild der Sala di Costantino unter der „Taufe Konstantins" bekräftigt 122 . - Ungefähr gleichzeitig mit der Sala Paolina ist jedoch Michelangelos „Kreuzigung Petri" in der Cappella Paolina entstanden; danach bestanden in Rom in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts offenbar beide Versionen des Todes Petri nebeneinander. *
Die Darstellung kann als Sinnbild der aufopferungsvollen Arbeit des FarnesePapstes für die Kirche trotz seines hohen Alters und seiner anfälligen Gesundheit gelten123. Zusätzlich verstärken die beiden vorgelagerten allegorischen Frauengestalten der Spes und der Venus Coelestis ( X X X I I und X X X I I I ) den zweiten Bildsinn und weisen auf das Verständnis des Papstes von seiner eigenen esdiatologischen Bestimmung hin.
Die vier Kardinaltugenden in Nischen und die zwölf allegorischen Figuren der Supraporten Zwischen den Alexander-Monochromien auf der Ost- und Westwand befinden sidi als Nischenfiguren die auf Podesten stehenden vier Kardinaltugenden. Sie sind ebenso farbig gehalten wie die zwölf weiteren allegorischen Frauengestalten, die paarweise vor den Paulus-Tondi über den Türen sitzen. Wir behandeln diese Bilder im folgenden zusammenfassend; auf die Ausbildung ihrer Typen und ihre besondere Gestaltung hier wird nur eingegangen, wenn dies im einzelnen wichtig erscheint. In unserem Zusammenhang ist vor allem die Frage von Bedeutung, wie weit diese Allegorien den bisher vorgefundenen Sinn des Programms in den Alexander- und Paulus-Bildern ergänzen oder ob sie nichts weiter als traditionelle Zutat sind mit rein dekorativem Charakter.
1 9 7 1 , i . B d . , Fig. 19, und zeigt die Schlüssel als A t t r i b u t des ersten Apostels, der im V o r d e r grund enthauptet wird. - Diese Schlüssel fehlen jedoch auf der erhaltenen Vorlage-Zeichnung Parmigianinos im British Museum 1904 - 1 2 - 1 - 2 , und Popham ( a . a . O . , 2. Bd., Plate 1 3 j , N r . 190, und i . B d . , S. 9 2 / 9 3 ) identifiziert den hinteren Apostel, der am Bart gezerrt wird, als Petrus: „ T h e other is being dragged a w a y b y an executioner with a sheathed s w o r d . " Dementsprechend lautet bei Popham der Titel der Zeichnung auch: „ T h e m a r t y r d o m of St. Paul." - Caraglios Stich beweist aber, daß die Version des Todes Petri durch Enthauptung in R o m in der ersten H ä l f t e des 1 6 . Jahrhunderts nicht ungeläufig w a r . Z u dem Chiaroscuro mit der gleichen Darstellung nach Parmigianino v o n A n t o n i o da T r e n t o gibt Vasari in der V i t a Parmigianinos (Vasari-Milanesi V , 2 2 6 ) und in der V i t a Marcantons ( V , 4 2 2 ) beide Male den Titel „ L a Decollazione di San Pietro e San P a o l o " an. 122 V g l . A b b . bei Alessandro Marabottini: Polidoro da Caravaggio. R o m a 1 9 6 9 , T a v . X I I , fig. 1 . D e r deutlichere (seitenverkehrte) Stidi des Pier Santi Bartoli ist abgebildet bei J a c o b Hess: Kunstgeschichtliche Studien zu Renaissance und Barock. R o m a 1 9 6 7 , T a f . 1 4 6 , A b b . 3 2 . D e n Hinweis auf die Abbildungen verdanke ich Rolf Quednau. Pastor V 1 9 0 9 , S. 2 2 / 2 3 .
52
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
X I I : Temperantia Zwischen der „Hochschätzung der Werke Homers" (Abb. 15) und der „Lösung des Gordischen Knotens" (Abb. 16) steht die Nischenfigur der Temperantia (Abb. 20) und trägt als Attribut das Zaumzeug in ihrer Linken. Die Inschrift über ihr heißt: „SIT MODVS IN REBVS" ( = Maß sei in den [allen] Angelegenheiten!), die — leicht variiert - aus Horaz' Satiren stammt (x, i, 106): „Est modus in rebus, sunt certi denique fines, quos ultra citraque nequit consistere rectum" ( = Ein Maß gibt es in den Dingen, letztlich bestehen bestimmte Grenzen; darüber hinaus kann das Rechte nicht bestehen). Die zweite Hälfte des Horaz-Zitats, die zwar in der Inschrift verschwiegen ist, aber den Gebildeten am Hof Pauls III. durchaus im Gedächtnis gewesen sein dürfte, stellt interessanterweise eine gedankliche Verbindung zur Iustitia her, die sich im Lauf unserer Untersuchung als wichtigste Kardinaltugend für Paul III. herausstellen wird. Grundsätzlich ist bei den insgesamt sechzehn allegorischen Figuren zu fragen, ob sie auf die benachbarten Darstellungen unmittelbar bezogen werden können. Bei den vier Kardinaltugenden ergibt sich jedoch aus der Inkongruenz mit fünf Alexander-Szenen von vornherein eine gewisse Schwierigkeit, zumindest auf der Ostseite, wo zwei Tugenden mit drei Monochromien kombiniert sind. - Die Temperantia bezieht sich möglicherweise auf beide Bilder neben ihr: Sie kann an der Schulung durch klassische Autoren gewonnen sein (Homer-Bild) und auf die Ausübung der Oberherrschaft (Gordisdier Knoten) ausgerichtet sein; der FarnesePapst sah ja seine entscheidende Rolle in der Weltpolitik als Moderator zwischen den rivalisierenden Mächten Frankreich und Deutschland.
X I I I : Prudentia Auf die „Lösung des Gordischen Knotens" (Abb. 16) folgt vor der „Begnadigung der Familie des Darius" (Abb. 17) die Figur der Prudentia (Abb. 21) mit Doppelgesicht und einer Schlange in der Rechten. Die Inschrift über ihr heißt: „ANTE CONSVLAS POST AGAS" ( = Berate Dich zuerst, dann handle!). Die genaue Quelle dieser altrömisch klingenden Maxime ließ sich noch nicht feststellen. Eine gedankliche Nähe zur Devise Pauls III. „Festina lente!" ist jedoch unverkennbar. Die Prudentia kann sich auf beide nebenstehenden Darstellungen beziehen: Verständlich ist sie sowohl als Voraussetzung für die Lenkung der Politik (Gor-
Die allegorischen Figuren in den Nischen der Supraporten
53
discher Knoten) wie auch als Komponente der Clementia-Szene (Begnadigung Perugias). X I V : Fortitudo Rechts von der „Freundesversöhnung" (Abb. 18) befindet sich die Nischenfigur der Fortitudo (Abb. 22) mit der Lanze in den Linken, einem Löwen zu Füßen und einem Säulenstumpf, an den sie sich anlehnt. Die obere Inschrift: „MANVS FORTIVM DOMINABITVR" stammt aus dem Alten Testament, und zwar aus dem Buch der Sprüche (Vulgata, Proverbiorum 1 2 , 2 4 ) : „Manus fortium dominabitur, quae autem remissa est, tributis serviet" ( = Die Hand der Starken wird herrschen; die aber schlaff ist, wird Frondienste leisten). Die motivische Parallele der mit der Linken gehaltenen Lanze zur AlexanderFigur des nebenstehenden Bildes ist auffällig. Eine gedankliche Verbindung zu dieser Szene besteht sicherlich darin, daß Stärke nur auf Einigkeit beruhen kann.
X V : Iustitia Nach der großen mittleren Fensternische folgt vor der „Weihung der Altäre" (Abb. 19) die Allegorie der Iustitia mit Waage in der Linken und hocherhobenem Schwert in der Rechten (Abb. 23). Der Spruch ihrer Inschrift heißt: „DISCITE IVSTITIA MONITI" und ist aus Vergils Aeneis abgeleitet (6,620): „Discite iustitiam moniti et non temnere divos!" ( = Nehmt euch die Gerechtigkeit zum Vorbild, laßt euch ermahnen und verachtet die Götter nicht!). Die leichte Abwandlung hier würde: „Lernt, von der Gerechtigkeit ermahnt!" zu übersetzen sein. Ein Bezug auf die nebenstehende „Altarweihe" ist schwerlich denkbar. Aber motivisch und inhaltlich steht ihr die Figur des Erzengels Michael (Abb. 24) nahe. Darauf wird bei der Interpretation dieser Figur Bezug genommen werden. X X I I und X X I I I : Fides und Religio Die beiden weiblichen Sitzfiguren vor dem ersten Paulus-Tondo (Abb. 24) sind links als Fides mit aufgeschlagenem Buch und Kreuz sowie als Religio 124 mit 124
Gramberg 1964, S. 90 hat sich durch eine Beschädigung des Freskos am Nimbus des Trinitäts-
54
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul I I I .
einer dreieckig nimbierten T r i n i t ä t s - B ü s t e zu identifizieren. D e r kleine H u n d in der M i t t e v o r der V a s e gehört als S y m b o l der T r e u e z u r Fides.
X X I V u n d X X V : Ecclesia u n d C o n c o r d i a Ü b e r der Scheintür der N o r d w a n d sitzen links die E c c l e s i a 1 2 5 m i t geschlossenem Buch, Schlüssel u n d T i a r a s o w i e die C o n c o r d i a 1 2 8 mit einem geschlossenen u n d einem offenen P f e i l e - B ü n d e l ; bei letzterem sind mehrere P f e i l e gebrochen ( A b b . 2 4 ) . Z u diesen beiden F i g u r e n ist eine teilweise quadratierte V o r z e i c h n u n g Perinos erhalten ( A b b . 7 5 ) 1 2 7 .
X X V I und X X V I I : Z w e i Musen V o r dem T o n d o mit der „ P r e d i g t des hl. P a u l u s v o r den H e i d e n " ( A b b . 2 5 ) sitzen z w e i weibliche A l l e g o r i e n , f ü r die w i e d e r u m eine quadratierte V o r z e i c h nung Perinos erhalten ist ( A b b . 7 7 ) 1 2 8 . S i e sind m i t ihren jeweils gleichen A t t r i buten eines flötenartigen Instruments n u r sehr allgemein als M u s e n z u bestimmen. symbols irreführen lassen und deutet die Figur als „Sinnzeichen für Anti-Trinität oder in diesem Falle besser als Allegorie des Kampfes gegen die Trinität". 125 Die „Ecclesia" wurde von Gramberg 1964, S. 90 als „eine .Scientia' oder .Prudentia' also, und zwar in besonderem Hinblick auf das Wissen der Lehre Christi, zu der allein die Kirche den Schlüssel hat" gedeutet. - Für die Erklärung als „Ecclesia" vgl. jedoch Arthur Henkel und Albredit Schöne: Emblemata. Stuttgart 1967, S. 1335. 1 2 8 Gramberg 1964, S. 90 hat diese Gestalt versuchsweise als „Fortitudo eloquentiae" erklärt. Für die Richtigkeit der „Concordia"-Deutung vgl. Arthur Henkel und Albrecht Schöne 1967, S. 1512/1513. Audi die Concordia in der Nische links neben der Allegorie auf den Frieden von Nizza in der Sala di Cento Giorni Vasaris trägt ein festes Bündel Pfeile auf den Armen, und am Boden liegen gebrochene einzelne Pfeile. Die Inschrift unter ihr heißt: „RES PARVAS AVGET E T INSVPERABILES REDDIT" ( = Sie macht kleine Dinge groß und unüberwindbar). - Auch Anton Francesco Doni deutet in seinem Brief an Lelio Torelli 1547 diese Figur mit ihren Attributen so, vgl. Giovanni Bottari und Stefano Ticozzi: Raccolta di lettere sulla pittura, scultura ed architettura scritte da'piü celebri personaggi dei secoli X V , X V I e X V I I . Milano 1822-1825, 5- Bd., Nr. X X X V I I , S. 159. 1 8 7 Arthur Ewart Popham und Johannes Wilde: The Italian Drawings of the X V and X V I Centuries in the Collection of His Majesty the King at Windsor Castle. London 1949, Nr. 979, S. 342, Plate 73. - Dieses Blatt interessiert auch in ikonographischer Hinsicht, da die beiden Figuren und der freigelassene Tondo bezeichnet sind. Ob es sich um die originale Handschrift Perinos handelt, scheint in Anbetracht der falschen Benennung ausgeschlossen. Franklin W. Robinson und John T. Paoletti haben eine authentische Zeichnung Perinos veröffentlicht, die vielleicht persönliche Notizen des Künstlers trägt: Italian Drawings from the Bick Collection. Hanover, New Hampshire 1971, Nr. 4 verso. Das vorher erwähnte Blatt in Windsor bezeichnet die linke Figur als „castita", während die rechte Allegorie als „cöcordia" beschriftet ist. Vgl. dazu hier Anm. 139. »28 Davidson 1966, Nr. 53, S. 55/56, Abb. 46. Vgl. hier S. 74.
D i e allegorisdien Figuren in den Nisdien der Supraporten
55
X X V I I I und X X I X : Zwei Musen Auf der Supraporte der Sdheintür der Ostwand (Abb. 26) sind ebenfalls zwei musenartige Damen dargestellt, von denen die linke eine Lyra hält und die rechte mit einer Art von Doppelflöte und einer Maske versehen ist. Auch dafür ist eine quadratierte Vorzeichnung Perinos erhalten (Abb. 76) 129 . Nach den Attributen würde es sich im klassischen Sinn um Erato und Thalia handeln; das antike Attribut des Hirtenstabs bei Thalia ist allerdings in die Doppelflöte umgewandelt130, insofern kann die Bestimmung nicht exakt gelingen, da die Tibiae eigentlich zu Euterpe gehören. X X X und X X X I : Caritas und Abundantia Uber dem Haupteingang sitzen die Allegorien der Caritas und der Abundantia (Abb. 27); die letztere ist durch ihr Füllhorn und ein Ruderblatt ausgewiesen 131 . X X X I I und X X X I I I : Spes und Venus Coelestis Die beiden Allegorien der letzten Supraporte (Abb. 27) sind Spes und Venus coelestis132. Erstere ist durch ihre erhobenen Hände und den himmelwärts gerichteten Blick charakterisiert, letztere durch ihre Nacktheit und die Beifügung des „Amor divinus". Die turtelnden Tauben neben dem abgelegten Köcher gehören auch zu ihr. #
Obwohl die weiblichen allegorischen Figuren verschiedenen Gruppen von bekannten und oft verwendeten Sinnbildern bzw. Personifikationen angehören, verliert sich das Dekorationsprogramm auch hier keineswegs in leere, höfische Panegyrik. Ein spezifischer Bezug auf Papst Paul III. wird überall sinnfällig, so daß auch von den nicht-szenischen Teilen aus die ganze Thematik der Saalaustattung erneut transparent wird und die Einzelmotive sich zu einem durchdachten Ge129 D a v i d s o n 1966, N r . 52, S. 54/55, Abb. 43. - Vgl. hier S. 74. 130 Für die Identifizierung der Musen vgl. M a x Wegner: D i e Musensarkophage. Berlin 1966 = D i e antiken Sarkophagreliefs j . Bd., 3. Abt., S. 1 0 2 - 1 1 0 , besonders S. 101. 1 3 1 D i e beiden Allegorien sind v o n G r a m b e r g 1964, S. 90 ebenso gedeutet worden. 132 Für die D e u t u n g der „ S p e s " vgl. E d g a r Wind: Piatonic Justice, designed by Raphael, in: Journal of the Warburg and C o u r t a u l d Institutes 1, 1937/1938, S. 70. Während die D e u t u n g dieser Figur als Irdische Liebe bei G r a m b e r g 1964, S. 90 falsch ist, bestätigt sich die E r k l ä r u n g der letzten Allegorie als „Himmlische Liebe", ebda. S. 90; zur Ikonographie der Himmlischen Liebe vgl. audi Erwin P a n o f s k y : Renaissance and Renascences in Western Art. Stockholm 1960, S. 185: „we can easily see that love . . . is always engendered by a beauty whidi, by its very nature, calls the soul to G o d . . . " (zur Erklärung von M a r silio Ficino).
56
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
samtbild zusammenfügen. In ihrer antikischen Gewandung und Gestik sowie z. T. durch die lateinischen Inschriften fügen sich die Allegorien dem historischen Rahmen der Alexander- und Paulus-Bilder ein; gleichzeitig bilden sie in ihrer Weiblichkeit einen nicht zu unterschätzenden Ausgleich zu den martialischen Szenen aus dem Leben Alexanders d. Gr. an Decke und Wänden. Die Darstellung der Temperantia korrespondiert zweifellos mit der Imprese an der Decke (Abb. 6), die Chamäleon und Delphin zusammengebunden zeigt das langsamste und schnellste Tier - sowie die Devise „Festina lente!". Paul III. muß auch die Temperantia als besonders kennzeichnend für seine Fähigkeiten angesehen haben, denn er hat ein Relief Guglielmo della Portas mit ihrer Darstellung auch für sein eigenes Grabmal bestimmt133. Diese erste Tugend dürfte in unserem Zusammenhang der persönlichen Prudentia des Papstes zuzuschreiben sein, denn an seinem Grabmal hat er dieselbe Allegorie als eine der großen Liegefiguren zur Charakterisierung seiner Persönlichkeit ausgewählt (Abb. 49) 134 . Die Fortitudo neben der „Freundesversöhnung" (Abb. 18) spielt auf die Gewinnung von Stärke durch Einigkeit an, durch die gemeinsame Feinde überwunden werden können (vgl. die Szene der „Seerüstung", Abb. 13 [Türken!], über der Fortitudo an der Decke). Auch an seinem Grabmal hat Paul III. eine Fortitudo-Darstellung anbringen lassen135. Die Iustitia steht offenbar mit der Paulinischen Interpretation der Farnesischen Wappenlilie in Zusammenhang, die durch die griechische Inschrift als „Lilie der Gerechtigkeit" verstanden und unter dem versöhnungverheißenden Regenbogen dargestellt ist (Abb. 6). Am Grabmal des Farnese-Papstes hat ja ebenfalls eine Iustitia Platz gefunden 136 . In ihrer besonderen Akzentuierung mit dem erhobenen bloßen Schwert dürfte diese Allegorie hier auf das höchste Richteramt des Papstes anspielen, so wie es von Paul III. gegenüber Heinrich V I I I . von England praktiziert worden ist (vgl. das Deckenbild mit der „Schlacht Alexanders d. Gr. gegen den Inderkönig Poms", Abb. 12). Motivisch-stilistisch verraten die vier Nischenfiguren deutliche Anregung von Marcantons Tugenden in Nischen (B. X I V , p. 294/295, Nr. 388, 389, 390 und 392). Im Vergleich zu den Stichen sind die freskierten Figuren weniger bewegt, weil sie zumeist frontal und in stabileren Posen dargestellt sind. Die Allegorien sind nicht immer in unmittelbarer Beziehung auf die nebenstehenden Monochromien oder die darüber befindlichen Deckenszenen angeordnet; vielmehr spielen sie immer wieder diskursiv auf die Zentralfigur des Programms, auf Paul III., direkt an. Dies zeigt sich auch bei den Liegefiguren der Supraporten. 133
Ernst Steinmann: Das Grabmal Pauls III. in St. Peter in Rom. R o m 191 2, S. 19 f. und Taf. V I und V I I A . 134 Steinmann 1 9 1 2 , S. 22 f. und Taf. X . 135 Steinmann 1 9 1 2 , S. 20 und Taf. V I I B. 13» Steinmann 1 9 1 2 , S. 2 0 - 2 2 und Taf. VIII und I X .
Die allegorischen Figuren in den Nisdien der Supraporten
57
Fides, Religio und Ecclesia vor den Paulus-Tondi der Nordwand (letztere mit Tiara!) gewinnen besonders im Hinblick auf die Probleme der Reformation während des Pontifikats Pauls III. als Sinnbilder für den Hüter der wahren Religion an Bedeutung. Eine Darstellung der Fides befindet sich auch unter den vier Reliefs von Guglielmo della Porta, die der Papst für sein eigenes Grabmonument von dem des Bischofs di Solis übernommen hat 137 . Vor dem Tondo mit der „Judenpredigt des Völkerapostels", der Juden- und Heidenchristen miteinander versöhnte, scheint die Concordia als ganz besonders auf Paul III. abzielende Allegorie gewählt worden zu sein, und zwar nicht nur als Hinweis auf die politische Friedensvermittlung in Nizza, sondern auch auf die Bemühungen um das Zustandekommen des Konzils, das die Glaubenseinheit wiederherstellen sollte, so wie der Papst auch im Salone des Palazzo Farnese von Francesco Salviati als „pacificatore" zwischen diesen beiden Szenen dargestellt wurde (Abb. 48) 138 . Hier wäre übrigens auch zu fragen, ob die aus verschiedenartigen Symbol-Elementen zusammengesetzte (ehemals nackte!) Figur der Iustitia am Grabmal Pauls III. mit einem deutlich sichtbaren Pfeil in ihrer Linken unter dem FascesBündel nicht auch auf Einigkeit hinweist und insofern von der „Concordia" in der Engelsburg ikonographisch beeinflußt sein könnte139. Die vier „Musen" an der Ostwand spielen wie die dort befindliche Monochromie „Alexander d. Gr. läßt die Werke Homers aufbewahren" auf die literarische Bildung des Papstes an. Auf der Südseite vervollständigen Caritas und Spes die christlichen Tugenden vor den Paulus-Tondi zur obligaten Dreiheit, so wie die (weltlichen) Kardinaltugenden in ihrer kanonischen Vierzahl zwischen den Alexander-Monochromien erscheinen. Die Abundantia ist zusammen mit ihrer Kollegin Caritas eine deutliche Anspielung auf die glückliche Regierungszeit Pauls III. nach dem „KrisenPontifikat" Clemens' V I I . Die Sorge des Farnese-Papstes für die politische Sicherheit des Kirchenstaates, für die neuen urbanistischen Anlagen in Rom, für einen ausgeglichenen Staatshaushalt und für gesicherte Steuereinnahmen ermöglichte als sichtbares Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs u. a. das Wiederaufleben des römischen Karnevals sowie großartige Festveranstaltungen profanen und kirch137
Steinmann 1 9 1 2 , S. 1 9 und T a f . V B. D a ß die Attribute bei den eng verwandten Allegorien „Fides" und „ R e l i g i o " fluktuieren, dürfte bekannt sein. 138 V g l . h i e r cJ erl Exkurs, S. 68 ff. - Die beiden gefesselten knienden Figuren zu Füßen des P a p stes im Salone des Palazzo Farnese sind ein T ü r k e und ein Glaubensdissident. - D e r M e i nung von Hofmeister Cheney 1 9 6 3 ( 1 9 7 1 ) , S. 2 6 3 , daß die F a m a rechts zu den W a f f e n im Krieg gegen die Schmalkaldener Fürsten ruft, kann ich midi nicht anschließen. Die Fama soll vielmehr den Versöhnungswillen des Papstes trotz der Kriegsvorbereitungen der Protestanten bekunden, daher die offengehaltene T ü r . 139 Ein einzelner Pfeil mit seiner Spitze ist deutlich auch auf Abbildungen sichtbar, s. Steinmann 1912, T a f . V I I I . Das Bündel oberhalb ist allerdings eindeutig als Fasces-Bündel mit Beil kenntlich. - Die Nachzeichnung der „ C o n c o r d i a " in der Engelsburg von Guglielmo della Porta in den Düsseldorfer Skizzenbüchern macht eine solche Beeinflussung weiter wahrscheinlich, vgl. Gramberg 1 9 6 4 , N r . 1 5 6 , S. 89.
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
58
liehen Charakters 140 . Auch für sein Grabmal hat Paul III. Allegorien von Spes und Abundantia vorgesehen 141 ; er fand sie also für sein Pontifikat besonders charakteristisch, denn die wirtschaftliche Blüte des Kirchenstaates in seiner Regierungszeit war wohl nur der Beharrlichkeit und Zähigkeit zuzuschreiben, mit der er seine politischen Ziele, die mit den kirchlichen koinzidierten, durchzusetzen vermochte. Die Venus Coelestis als Pendant zur Caritas - beide an den Außenseiten der Südwand - ist vor dem Tondo mit dem „Martyrium Pauli" nur in der neoplatonischen Interpretation Himmlischer Liebe zu verstehen, deren Schönheit die Seele zu Gott ruft, so wie die Spes schon durch ihre Gebärde auf das Göttliche ausgerichtet ist. Damit sind - trotz der heidnischen Attribute, in denen allein man irrtümlicherweise eher Zeichen Irdischer Liebe erblicken könnte - der Bezug zur Hinrichtung Pauli und der Hinweis auf das Verständnis des Papstes von seiner eigentlichen Bestimmung und charakterlichen Haltung als Christ und als Oberhirte der Kirche deutlich gemacht142.
Die Figuren des Kaisers Hadrian und des Erzengels Michael X X X I V und X X X V : Gewissermaßen wie zwei Pole der Ausstattung erscheinen an Stirn- und Rückwand des Saales in den Mittelnischen die Figuren des Kaisers Hadrian und des Erzengels Michael. Ihre Farbigkeit und ein größerer Figurenmaßstab scheinen sie allem anderen überordnen zu wollen. Zudem durchbricht die Figur des Michael die stabile Ruhe der anderen Nischenfiguren und ist so konzipiert, als ob sie in den realen Raum von der Wand her hineinfliegen würde. Für sie ist der vorgesehene Platz tatsächlich zu klein geworden. Die Mittelnische auf der Südwand nimmt die Darstellung des Kaisers Hadrian ein (Abb. 27), der an seinen physiognomischen Zügen erkennbar ist 143 .
Die Geste, die der Kaiser mit der Linken vollzieht, ist wohl als Reverenz vor dem neuen Bauherrn zu verstehen. Mit der Rechten scheint er auf den Ort seiner Beisetzung hinzuweisen oder sich ganz allgemein sozusagen als ehemaliger Hausherr zu erkennen zu geben. Somit stellt sich der Papst indirekt als legitimer Nachfolger der römischen Imperatoren dar. 140 Pastor V
1909,
S.
24J-252.
Steinmann 1912, S. 19 und Taf. I V und V A sowie S. 23 und Taf. X I . 142 Vgl. die Identifikation von „Amor" und „Religio" bei Marsilio Ficino, nach Erwin Panofsky: Studies in Iconology. New Y o r k 1967, S. 140 f. mit Anm. 39 und 40. 14s f ü r eine Farbaufnahme der Rückwand vgl. D'Onofrio 1971, Abb. 175. In der Engelsburg selbst haben sich drei antike Marmor-Köpfe Hadrians erhalten, davon 141
Die Gestaltungsmittel des Programms und seine Bedeutung
59
Gegenüber auf der Nordwand ersdieint der Erzengel Michael (Abb. 24), als ob er vom Himmel herabschwebe. Wie in der angeblichen Erscheinung über dem Mausoleum im Jahre 590, im ersten Regierungsjahr des Papstes Gregor I., des Großen, steckt er das Schwert in die Scheide, um damit das Ende der Pest anzukündigen144. Nach dem Sacco di Roma am 6. Mai 1527 und der Tiberüberschwemmung vom 7. Oktober 1530 unter dem wenig glücklichen Pontifikat Clemens' V I I . konnte der Farnese-Papst in dem mächtigen Himmelsboten Verheißung und Bestätigung besserer Regierungszeiten erblicken. Zugleich konzentriert sich in der Figur des Verkünders der Versöhnung wiederum - wie in der eingangs (S. 24 f.) erwähnten Marmorstatue von Raffaello da Montelupo, die Paul III. zur Bekrönung der Engelsburg hatte anfertigen lassen - seine Selbstauffassung als gerechter Versöhner, die sich auch in anderen bedeutenden Monumenten und Neu-Gestaltungen seines Pontifikats manifestiert. Vor oder unter dieser Figur war wohl der vorgesehene Platz des Papstes bei offiziellen Anlässen in der Sala Paolina. Der Gedanke der gerechten Versöhnung ist am gleichen Ort in verschiedenen anderen Bildern vorbereitet, nämlich ausgehend von der Imprese mit der Lilie unter dem Regenbogen, über die Szene: Alexander d. Gr. versöhnt zwei Freunde (X), über die Predigten des Apostels Paulus vor Juden und Heiden ( X V I I und X V I I I ) bis zur Iustitia ( X V ) und Concordia ( X X V ) . Damit erweist sich die formal so aufwendige Figur des Erzengels Michael in der Mitte der Stirnwand des Saales auch als gedanklicher Höhepunkt der ganzen Ausstattung, in der antike und christliche Bildwelt von Alexander- und Paulus-Zyklus mit der VersöhnungsIdeologie des Papstes und der Geschichte des Ortes verschmelzen.
Das Programm der Sala Paolina, seine Gestaltungsmittel und seine Bedeutung Aus dem Vorhergehenden darf man schließen, daß das Programm für die gesamte Saalausstattung einer einheitlichen Planung entstammt. Gedankliche Brüche oder etwa Lückenbüßer und Notlösungen enthält es offenbar nicht. Perinos Tod hat sich in dieser Hinsicht anscheinend kaum ausgewirkt; die formalen Verschiedenheiten werden jedoch später noch zu erörtern sein. Für die Konsezwci in kolossalem Maßstab, vgl. M a x W e g n e r : Hadrian. Plotina, Marciana, Matidia, Sabina. Berlin 1 9 5 6 = Das Römische Herrscherbild II. A b t . , 3. Bd., S. 1 0 6 und 1 1 0 . Daran mag sich der Maler in der Sala Paolina orientiert haben, u m die Gesichtszüge des römischen Kaisers wiederzugeben.
144
Bei der letzten Restaurierung 1 9 7 2 / 1 9 7 3 ist der K r a n z in der H a n d des Kaisers fast gänzlich verschwunden. E r w a r bereits in einer früheren Restaurierung stark ergänzt worden. Das ehemalige Vorhandensein dieses motivischen Details w i r d aber durch deutliche Spuren der originalen Malerei bezeugt. - O b das M o t i v des Kranz-Reidiens noch konkreter, z. B. als eine K r ö n u n g des Papstes durch den antiken Kaiser zu deuten ist - etwa im A n k l a n g an die „ K r ö n u n g des T r a j a n " im Durchgang des Konstantins-Bogens, w o eine Victoria den Kaiser krönt - mag dahingestellt bleiben. Borgatti 1 9 3 1 , S. 84 mit A n m . 1, S. 9 1 .
60
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
quenz des Programms sprechen nicht nur der durchdachte Aufbau und die innere Folgerichtigkeit, sondern auch mehr äußere Phänomene. So ist z. B. in der griechischen Inschrift der Decke, die ja zuerst ausgestaltet wurde, Kaiser Hadrian genannt, dessen Figur in dem Teil der Wandfresken gemalt wurde, der vermutlich zu den letzten Arbeiten gehört; und die Konzeption der Michaelsfigur lehnt sich offenbar an die Marmorstatue an, die schon 1544 bei Raffaello da Montelupo in Auftrag gegeben war. Weder die Alexander- noch die Paulus-Szenen sind jedoch chronologisch „richtig" angeordnet, weder im wörtlichen noch im allegorischen Bildsinn. Sie beziehen sich wie die Einzelfiguren immer wieder auf Papst Paul III. direkt, ohne dessen Anwesenheit im Saal das Programm sozusagen unvollständig bleibt. Bei den Alexander-Szenen kommt eine zweite Ablese-Schwierigkeit hinzu: Für die Unterscheidung in „natürliche" (d. h. farbige) Deckenbilder und verfremdete, monochrome Relief-Bilder der Wände läßt sich keine triftige Begründung - es sei denn die einer höchst kultivierten manieristischen Variationsfreudigkeit finden. Sie bilden trotz ihrer Verschiedenheit eine Einheit und sollen zusammen gesehen und verstanden werden. Dieses verwirrende Spiel mit verschiedenen Realitätsgraden wiederholt sich ähnlich bei den Tugend-Figuren in den Nischen und den Figuren von Kaiser Hadrian und Erzengel Michael. Während die Kardinaltugenden mehr in ihren vorgesehenen Nischen bleiben, sprengen die beiden anderen durch größeren Maßstab und bedeutungsvollere Aktion ihren Rahmen und verlangen größere Aufmerksamkeit vom Betrachter. Noch ein weiteres optisches Vexierspiel der Gesamtdekoration haben wir bisher außer acht gelassen. Die monochromen Bildfelder der Wände, d. h. die Alexander- und Paulus-Szenen und besonders die Kartuschen-Ovale über den Alexander-Reliefs und auf den Postamenten unter den vier Kardinaltugenden sowie die Masken unter den Alexander-Reliefs, verkehren die Farbenverteilung der Decke ins Gegenteil. Dort waren die Reliefs in weißem Stuck auf goldenem Grund angebracht, und die haltenden Putten waren in Gold gefaßt. Auf den Wänden ist dies völlig anders: Die fingierten Reliefs sind in gold-ähnlicher Farbe gemalt und werden von natürlich gemalten, d. h. fleischfarbenen Putten und Ignudi gehalten. Während die szenischen Bilder an der Decke mehrfarbig gehalten sind, zeigen auf den Wänden die statuarischen Nischenfiguren diese Mehrfarbigkeit. Dadurch wird im Gesamtcharakter des Saales ein Goldton als Grundakkord erreicht (wenngleich an den Wänden keine echte Goldfarbe verwendet ist, wie auch die jüngste Restaurierung gezeigt hat). Daß mit dieser besonderen Färb wähl auf ein goldenes Zeitalter unter Paul III. angespielt werden sollte, ist mehr als wahrscheinlich, zumal in der Sala die Cento Giorni eine Inschrift auf der Stirnwand dies explicite ausspricht: AVREVM SECVLVM CONDIT QVI RECTO AEQVABILIQVE ORDINE CVNCTA DISPENSAT
Die Gestaltungsmittel des Programms und seine Bedeutung
61
( = [Paul III.] begründet ein goldenes Zeitalter, da er nach ausgewogener Ordnung alles zuteilt). - Hier ist übrigens nochmals die Gerechtigkeit als Fundament der Herrschertugenden Pauls III. herausgestellt. Eine solche Vielseitigkeit der malerischen Darstellungsweisen, in der Fiktion, Umsetzung in andere Medien und Abstufung nach verschiedenen Wirklichkeitsschichten eine große Rolle spielen, läßt sich auf die Tradition der Festapparate zurückführen. Mit den aufgehängten Festons, den rahmenhaltenden Putten, den aufgehängten Tondi und den allegorischen Figuren, die neben den Reliefs wie lebendig wirken sollen, verrät die Ausschmückung der Sala Paolina deutlich ihre Herkunft aus diesem Bereich. Die gesamte Ausstattung selbst wirkt wie die Verewigung einer ephemeren, aber besonders prachtvollen Festdekoration. Perino war in diesem Metier wohl ausgebildet. Vor allem in seiner Genueser Zeit (1528 bis 1537/38) hatte er an Fassadenmalereien und Innenraumdekorationen wie auch für Festapparate gearbeitet145. Zwei Entwürfe für Triumphbögen zum Einzug Karls V. in Genua im Oktober 1536 beweisen, wo er seinen großen voluminösen Reliefstil gewonnen hat, den auch die Sala Paolina zeigt146. Als zusätzliche römische Anregungen dürften Perino die Aurelischen Reliefs auf dem Kapitol gedient haben, unter ihnen besonders dasjenige mit der „Annahme der Unterwerfung von Barbaren durch Kaiser Marc Aurel" (Abb. 38) 147 . Aus diesem Relief hat vor allem die linke Standfigur die Konzeption der Alexanderfiguren in den Szenen V I I I und X I (Abb. 16 und 18) beeinflußt. Auch das Wulstprofil der Rahmen ist von den Aurelischen Reliefs übernommen, dort bildet allerdings die Auftrittfläche unten eine Kante als Abschluß. - Die Neuschöpfung von Antiken in der Sala Paolina wurde allerdings mit einem solchen Eifer betrieben, daß man nicht einmal bemerkte, welcher Lapsus bei den Szenen des Tempelbesuchs und der Altarweihe unterlaufen ist: Ein Stifter bei einer Altar-Einweihung oder ein Tempelbesucher in Rüstung wäre bei Griechen und Römern undenkbar. Die Relief-Darstellungen Perinos haben indessen wohl auch noch eine andere Wurzel, nämlich die Fassadenmalerei von Polidoro da Caravaggio. Unter diesen ehemals berühmten, heute aber so gut wie verlorenen Werken der römischen Kunst der 20er Jahre des Cinquecento gibt es sogar eine Fassadenausstattung, die für die Programmgestaltung in der Sala Paolina vorbildlich gewesen sein könnte. Es handelt sich um die Ausschmückung des Palazzo Gaddi, dessen Dekoration heute vollständig zerstört ist148. Eine anonyme Nachzeichnung des späten 16. Jahr145 Vgl. Pamela Askew: Perino del Vaga's Decorations for the Palazzo Doria, Genoa, in: The Burlington Magazine 98, 1956, S. 4 6 - 5 3 ; Bernice Davidson: Drawings by Perino del Vaga for the Palazzo Doria, Genoa, in: The Art Bulletin 41, 1959, S. 3 1 J - 3 2 6 . 146
148
Vgl. Courtauld Institute of Art: The Sir Anthony Blunt Collection. London 1964, N r . 34, PL 1 ; Walter Vitzthum in: Master Drawings 3, 1965, S. 406, Fig. 1 ( = Berlin, Kunstbibliothek). Vgl. hier den Exkurs S. 68 ff. Auf diese Fassade hat zuerst aufmerksam gemacht Rolf Kultzen in: Kunstchronik 16, 1963,
62
D a s Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul I I I .
hunderts bewahrt die Disposition der gesamten Fassade und zeigt zwischen den Fenstern des oberen Geschosses neun Bildfelder, von denen die beiden ersten links als „guasto" (zerstört) bezeichnet sind. Die dritte Darstellung zeigt eine nackte liegende Frau auf einem Bett, die vierte eine Geburtsszene und die fünfte die Bändigung des Bukephalos. Die sechste Szene ist eine Drei-Figuren-Komposition und stellt möglicherweise eine Freundesversöhnung Alexanders d. Gr. dar. Das siebte Bildfeld zeigt eindeutig, wie Alexander den Gordischen Knoten löst, das achte zeigt eine Schlachtszene mit einem Reiter im Vordergrund und einem Erschlagenen darunter, und das letzte Bild ist eine noch unerklärte mehrfigurige Szene. Eine Deutung des Bildzusammenhangs der ganzen Fassade und seiner Motivation ist bisher noch nicht gelungen, und es bleibt abzuwarten, ob f ü r das obere Stockwerk Einzelzeichnungen bekannt werden, die den vermutlichen Alexanderzyklus weiter klären helfen. Welcher Gelehrte am Hof Pauls I I I . f ü r die Abfassung des Programms der Sala Paolina verantwortlich war, bleibt eine offene Frage. Uber den Kardinal Tiberio Crispi, der nach Vasaris Bericht die Initiative zum Ausbau der Engelsburg während des Farnese-Pontifikats ergriff, wissen wir zuwenig. Ebenso unbekannt ist sein Nachfolger im Amt des Kastellans, Bischof Mario Ruffini, dessen Wappen in der Sala Paolina erscheint. Paolo Giovio, der das Programm f ü r die Sala di Cento Giorni Vasaris in der Cancelleria entwarf, kommt wegen seiner Voreingenommenheit gegenüber der historischen Gestalt Alexanders d. Gr. kaum in Frage; auch bahnte sich zwischen ihm und dem Papst ein Zerwürfnis an, das ihn 1548 zum Verlassen der Ewigen Stadt bewog. Zu den Vertrauten Pauls III., die am ehesten das Programm abgefaßt oder dazu beigetragen haben könnten, gehört wohl der bedeutende Humanist und Altertumsforscher Latino Giovenale Manetti ( 1 4 8 6 - 1 5 5 3 ) . E r w a r unter dem Farnese-Papst mehrfach mit diplomatischen Missionen betraut und außerdem Beauftragter f ü r die Erhaltung der Altertümer in Rom. Für den Einzug Kaiser Karls V . in Rom am 5. April 1 5 3 6 hat er das Programm entworfen, ebenso wie f ü r den Triumphzug des ersten römischen Karnevalsfestes (nach dem Sacco di Roma) am 24. Februar des gleichen Jahres, der viele allegorische Anspielungen auf den Papst in antiker Verkleidung aufwies 1 4 9 . Uber die späteren Jahre dieses Gelehrten und Diplomaten ist allerdings noch zu wenig bekannt. Eine eventuelle H i l f e zur Lösung dieser Frage, die die Saalausstattung selbst anzubieten schien, ist durch die Ergebnisse der jüngsten Restaurierung zunichte gemacht worden: Auf der Scheintür der Ostwand w a r in der halbgeöffneten Tür ein eintretender älterer Mann gemalt, der ein Buch in der Hand trug. Sowohl das
149
S. 3 3 9 - 3 4 6 , darin S. 3 4 5 mit A b b . 4, S. 3 3 6 . Eine bessere A b b i l d u n g bei D u m o n t 1 9 7 3 , A b b . 3 4 . R o l f Kultzen bin ich f ü r ausführliche Informationen über die Probleme der Fassade des Palazzo Gaddi sehr dankbar. Pastor V 1909, S. 1 7 0 - 1 7 3 und S. 2 4 6 / 2 4 7 .
Die Gestaltungsmittel des Programms und seine Bedeutung
63
Gesicht wie auch das Buch (original ein Hammer?) haben sich als spätere Ubermalungen von zerstörten Stellen erwiesen150. Daß Papst Paul III. einen wesentlichen Einfluß auf die Programmgestaltung selbst genommen hat, scheint jedoch außer Frage zu stehen. Als wahrscheinliche Zeit der Aufstellung des Programms dürften die Jahre 1544/1545 gelten, als der Innenausbau in der Sala Paolina begann. Das beherrschende Thema der gesamten Dekoration der Sala Paolina sind die Taten Alexanders d. Gr. Im Vergleich mit der Vielzahl der ausgewählten Szenen aus seinem Leben und deren künstlerischer Aufmachung wirken die Tondi mit den Ereignissen aus der Geschichte des Apostels Paulus eher beiläufig. Auch werden die bedeutenderen inhaltlichen Aussagen über Paul III. in den AlexanderSzenen gemacht. Diese Bevorzugung einer antik-heidnischen, historischen VorbildFigur als Mittel zur Darstellung eigener Taten ist in der Geschichte der Ausstattung päpstlicher Gemächer einmalig und für das religiös-politische Denken des Farnese-Papstes kennzeichnend151. Mit der Wahl seines weltlichen Namensvetters Alexander d. Gr. als Vorbild betrat Paul III. zwar das Konkurrenzfeld der anderen römischen Adelsfamilien, die ihre Paläste mit den Taten ihrer (angeblichen) Vorfahren ausschmücken ließen162, entzog sich aber gleichzeitig dieser Konkurrenz aufs geschickteste: Durch den Vergleidi mit den Taten eines einzigen Griechen, der sich ein Weltreich eroberte, konnte der Farnese-Papst sich über die römischen Ahnen-Geschichten stellen, die notwendigerweise immer nur Episoden aus der Entstehung des Imperium Romanum waren. Ein bedeutender Hinweis auf die schon früh feststellbare Selbstidentifizierung des (zwanzigjährigen) Alessandro Farnese mit Alexander d. Gr. ist dem Brief vom 20. Dezember 1488 aus Florenz an Alessandro Cortese, den älteren Bruder des Paolo Cortese, zu entnehmen. Darin entgegnet der junge Farnese dem Vorwurf des Adressaten, er studiere zuviel Griechisch und vernachlässige die lateinische Literatur, mit den Worten: „Ne vereare, obsecro, mi Cortese; ille ego sum Alexander Romanus, inquam, quem nosti, non Orbilius." ( = D u brauchst Dir wirklich keine Sorgen zu machen, lieber Cortese; ich bin jener römische Alexander - versichere ich Dir —, den Du kennst, allerdings kein Orbilius.) Obwohl 150 Freundliche mündliche Auskunft über die Befunde der letzten Restaurierung von Herrn Dr. Eraldo Gaudioso. i ' 1 Vgl. später die Figur des Aeneas für Innozenz X . bei Rudolf Preimesberger: Pontifex Romanus per Aeneam praesignatus. Die Galleria Pamphilij und ihre Fresken, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 16, 1976, S. 221-287. 152 Für den Palazzo Massimo vgl. Heinrich Wurm: Der Palazzo Massimo alle colonne. Berlin 196J, S. 264-270, Taf. j8-68. Für andere Paläste vgl. Marabottini 1969, S. 102-135 u n d Taf. C X X I V - C L X . Vgl. auch Cecilia Pericoli Ridolfini: Le case romane con facciate graffite e dipinte. Roma i960.
64
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf Paul III.
diese Formulierung in mehrfachem Sinn verstanden werden kann, ist die Gleichsetzung mit Alexander d. Gr. unabdingbarer Bestandteil der Logik in der E r widerung; durch diesen Namen wird ja gerade die Verteidigung des GriechischStudiums rein sprachlich überhaupt erst erreicht - ein mittelmäßiger römischer Grammatiker wie der von Horaz (ep. 2 , 1 , 7 1 ) erwähnte Lehrer Orbilius, will Alessandro Farnese nicht sein 1523 . Alexander d. Gr. war den Italienern der Renaissance teilweise eine ziemlich mysteriöse, ja sogar nicht selten eine ausgesprochen unsympathische Gestalt. Baldassare Castiglione ist darin eine rühmliche Ausnahme. - Noch 1 5 2 1 war der letzte italienische Alexander-Roman in Rom erschienen: Domenico Falugios „Triumpho Magno", der noch in der Tradition der mittelalterlichen AlexanderRomane steht 153 . - Bei Dante war Alexander d. Gr. unter den Tyrannen und Gewalttätigen des siebten Kreises in der Hölle anzutreffen (Inf. X I I , 107). Auch von Petrarca werden gegen den makedonischen Welteroberer schwere moralische Vorwürfe erhoben. E r sagt, daß der „Sieger über die Perser von persischen Lastern selbst besiegt" worden sei154. Als Italiener begreift Petrarca das Schicksal Alexanders darin, daß er „der geistigen und sittlichen Kraft des Römertums ermangelte" 155 . - Diese Beurteilung hat bis ins Cinquecento gewirkt: So bleibt denn auch in den „Illustrium Ymagines" des Andrea Fulvio, die 1 5 1 7 in Rom und 1 5 2 4 in Lyon erschienen, Alexander schwerer Tadel nicht erspart 158 . Noch Paolo 152» Vgl. Frugoni 1950, S. 39, Brief N r . 24. - Der frdl. Hinweis auf diese wichtige Briefstelle wird Fritz-Eugen Keller verdankt (briefl. Mitteilung vom 2. 12. 1976). 153 Zum mittelalterlichen Alexander-Roman vgl. George C a r y : The Medieval Alexander. Cambridge 1956. In den verschiedenen Varianten dieser Literatur-Gattung über Alexander d. Gr. wurden zumeist die besonders märchenhaften Episoden, wie z. B. Alexanders Hinabtauchen auf den Meeresgrund oder seine Himmelfahrt illustriert. - Ein ikonographisdier Vorgänger zu einer Alexander-Szene der Sala Paolina ist bei Cary 1956, gegenüber S. 128 abgebildet: „Alexander d. Gr. in Jerusalem" aus der Historienbibel Berlin, Staatsbibliothek MS germ. 567 c, fol. 181 b. Z u m italienischen Alexander-Roman vgl. Joachim Storost: Studien zur Alexandersage in der älteren italienischen Literatur. Halle (Saale) 193 j . Die interessanteste und wichtigste griechische Quelle (vom 3. Jh. n. Chr.) des mittelalterlichen Alexander-Romans ist erst jüngst (mit deutscher Übersetzung) ediert worden, vgl. Helmut van Thiel: Leben und Taten Alexanders von Makedonien. Darmstadt 1974. 154 Francesco Petrarca: De viris illustribus (ed. Guido Martellotti). 1 . Bd. Firenze 1964, X V , 4 (S. 59); vgl. auch X V , 1 (S. j 8 ) ; X V , 7 (S. 60); X V , 27/28 (S. 64/65); X V , 30 (S. 65/66) und X V , 43 (S. 68). 185 Zitat nach Annegrit Schmitt: Z u r Wiederbelebung der Antike im Trecento, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz 18, 1974, S. 1 6 9 - 2 1 8 , darin S. 173. 168 Andrea Fulvio: Illustrium Ymagines. Lyon 1524, fo. III verso: „Alexander Philippi Regis Macedoni f i lius uirtute et uitiis patre maior fuit: ei uin cendi ratio aperta: gerendarum rerü celeritas: palamqe fusis hostibus gaudere animo magnificus ubi exarsisset nec dilatio ultiöis nec modus: uini auidus: periculi se temere offerre: metui magis qp amari gaudes: literis apprime cultus magnae fidei liber alis parce
Die Gestaltungsmittel des Programms und seine Bedeutung
65
Giovios 1557 zu Venedig in den „Elogi" erschienene Alexander-Vita gipfelt in dem voreingenommenen Schlußsatz: „ . . . , mentre che faceua nascere una guerra dopo l'altra morì in mezzo il corso di sua uita, & ueramente con non punto crudel destino, il quale non lo fece incontrare nell'armi Romane, le quali s'egli fosse passato in Italia, fatto proua di uirtù, & di disciplina, haurebbero potuto spogliarlo della gloria prima acquistata in guerra, o ueramente torgli molto splendore di cosi gran nome" (p. 6 recto und verso) 157 . Auch der 1541 bis 1544 entstandene Alexander-Zyklus vom Primaticcio im Zimmer der Duchesse d'Etampes im Schloß von Fontainebleau bringt neben dem „Gordischen Knoten" und der „Hochschätzung von Homers Werken" mehr romanhafte und amouröse Szenen, die nicht der antiken historischen AlexanderLiteratur entstammen158. Neben den romanhaften, frei wuchernden Erzählungen und voreingenommenen Wertungen gab es in Italien auch vor der Sala Paolina schon früh ein historisches Interesse an der Gestalt Alexanders d. Gr., das z. T. noch mit Elementen der Romangattung durchsetzt war. Eine in dieser Hinsicht höchst bemerkenswerte Schilderung befindet sich im „Dittamondo" des Fazio degli Uberti, der zwischen 1350 und 1367 verfaßt sein dürfte (Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. ital. 81, fol. 129 r e c t o - 1 3 2 recto). Darin beschreibt der Autor einen fingierten Besuch in Edessa in Makedonien. Dort will er im königlichen Palast, der verlassen und verkommen war, eine Loggia gesehen haben, in der u. a. die Geschichte Alexanders d. Gr. in Marmorreliefs dargestellt war. Er gibt vor, u. a. folgende Bilder gesehen zu haben: Die Geburt Alexanders, zwei Adler zum Orient und Okzident blickend, Aristoteles als Lehrer Alexanders, die Zähmung des Bukephalos, die Besiegung des Königs Nikolaos, die Verteilung des väterlichen Erbes vor dem Ubergang nach Asien, die Belagerung von Tyrus, die Schlacht gegen Darius, die Besiegung von Gog und Magog sowie Alexanders Tod durch Gift in Babylon 159 . do uictis animus pröptus: quibus artibus cfl pater Philippus orbis imperiis fundamëta ie cisset: ipse totius operis gloria consumauit" ( = Alexander, der Sohn des Makedonenkönigs Philipp, überragte seinen V a t e r an Fähigkeiten und Lastern. E r hatte eine Methode zu siegen, die durchschaubar ist. In der Regelung v o n anstehenden Dingen w a r er äußerst schnell. Die Feinde total zu besiegen, brachte ihm innere Befriedigung, und sobald er in seinem Tatenruhm entbrannte, kannte er weder A u f schub noch M a ß in der Rache. E r w a r trunksüchtig u n d setzte sich unbesonnen Gefahren aus. D a r ü b e r daß er eher gefürchtet als geschätzt wurde, freute er sich. O b w o h l er sehr gebildet war, fühlte er sich an eingegangene bedeutende Verpflichtungen anderen gegenüber nicht gebunden und w a r geneigt, die Besiegten zu schonen. Durch die gleichen Eigenschaften, mit denen sein V a t e r Philipp die Grundlagen f ü r ein Weltreich gelegt hatte, zerstörte Alexander den R u h m des ganzen Werkes.) 157 Paolo G i o v i o : G l i elogi. V i t e brevemente scritte d'huomini illustri di guerra, antichi e moderni . . . Vinegia 1 5 5 7 . Paolo G i o v i o weiß allerdings v o n der Errichtung der A l t ä r e : „ c o n sacrò altari in testimonio della sua uittoria." (p. j verso). 158 189
Abbildungen bei Béguin 1 9 6 5 , T a f . 3 8 - 3 9 und Umschlag. Die Kenntnis dieses Literaturwerks verdanke idi A n n e g r i t Schmitt. V g l . A n n e g r i t Schmitt:
66
Das Bildprogramm der Fresken und sein Bezug auf P a u l I I I .
Aus welcher speziellen Motivation diese Schilderung entstanden ist und ob sie vielleicht sogar eine Reminiszenz vorhanderer Kunstwerke ist, wäre sehr aufschlußreich zu erfahren, kann aber hier nicht weiter verfolgt werden. Das historische Interesse an Alexander d. Gr. tauchte besonders in genealogischen und welthistorischen Übersichten auf, bei denen sich nicht selten auch mehr oder weniger phantasievolle Darstellungen unseres Herrschers finden159". Außerdem wurde seine Figur zu einem fast durchweg obligatorischen Bestandteil in den Zyklen der „Uomini famosi" oder der „Neuf preux". Monumentale italienische Zyklen dieser Art, die nachweislich die Figur des makedonischen Welteroberers enthalten haben, sind z. B. Giottos Wandbilder im Castel Nuovo in Neapel (zwischen 1329 und 1333), die „aula minor" des Palazzo Vecchio in Florenz (vor 1405), der Verbindungsgang des Palazzo Trinci zum Dom von Foligno und der umfangreiche Zyklus einer Weltchronik in der Casa Orsini in Rom (1432) 160 . Am Königskapitell des Palazzo Ducale in Venedig (Original jetzt im Lapidario) ist ein Kopf Alexanders d. Gr. dargestellt. In den Illustrationen zu Plutarchs „Vitae virorum illustrium" eines ferraresischen Miniators des i j . Jahrhunderts erscheint eine Alexanderbüste, die sich unverkennbar bereits getreu an antiken Münzen orientiert 161 . Eine solche streng historisch-antiquarische Orientierung bei Alexander-Darstellungen der Renaissance ist jedoch nicht überall anzutreffen. — Wie Robert Weiss im Begleit-Text zu einer Faksimile-Ausgabe von Andrea Fulvios „Illustrium Imagines" annimmt162, liegt für die vermeintliche Wiedergewinnung von Alexanders Bildnis bei Andrea Fulvio eine Kontamination nach einer unbeschrifteten spätrömischen Münze vor. Phantasie-Bildnisse sind auch die beiden Medaillons mit der Büste Alexander d. Gr. am Sockel der Certosa von Pavia jeweils an den beiden Strebepfeilern zu Seiten des Eingangs der Fassade (Abb. 50 und jx), die noch im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts entstanden sind163. Daß die Darstellung Alexanders d. Gr. in der Renaissance und im Manierismus überhaupt noch nicht auf der Kenntnis eines authentischen statuarischen Bildnisses beruht, bestätigt sich auch in der Sala Paolina 164 . Eine Orientierung an Herkules in einer unbekannten Zeichnung Pisanellos, in: Jahrbuch der Berliner Museen 1 7 , 1 9 7 5 , S. 5 1 - 8 6 , darin S. 58 m i t A n m . 10 und Abb. 7, S. 59. 1 5 9 " Z . B . in der „Chronologia m a g n a " des Paolino Veneto, um 1 3 2 9 . Vgl. Bernhard Degenhart und Annegrit Schmitt: Marino Sanudo und Paolino Veneto, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 14, 1 9 7 3 , S. 1 - 1 3 7 , darin S. 25 ff. m i t Abb. 98, S. 7 5 . 160 Diese Zusammenstellung ist entnommen bei Bernhard Degenhart und Annegrit Schmitt: Corpus der italienischen Zeichnungen 1 3 0 0 - 1 4 J 0 . Berlin 1968, Teil I, 2. Bd., S. 620, A n m . 2 5 ; zur Casa Orsini vgl. außerdem Fedja Anzelewsky in: V o m späten Mittelalter bis zu Jacques Louis David. (Ausst.-Kat.) Berlin 1 9 7 3 , N r . 2 7 , S. 2 1 - 2 5 , Abb. 2 7 ; und Annegrit Schmitt 1 9 7 4 , S. 1 8 3 / 1 8 4 m i t A n m . 47. 1 8 1 Mostra storica nazionale della miniatura. C a t a l o g o red. da Giovanni Muccioli. 2. Aufl., R o m a 1 9 5 4 , N r . 5 5 3 , S. 3 5 2 = Cesena, Biblioteca Malatestiana, ms. S. X V (ohne Abb.). - Die K e n n t nis der Alexander-Miniatur dieser Handschrift verdanke ich Annegrit Schmitt. 162 R o b e r t Weiss: Illustrium Imagines di Andrea Fulvio. R o m a 1 9 6 7 , S. 48/49. 163 Rossana Bossaglia: L a scultura. I n : L a Certosa di P a v i a . Milano 1968, S. 3 9 - 8 0 , bes. S. 53/54. 164 Nach den ersten wissenschaftlichen Untersuchungen v o n Egidio Quirino Visconti zu Anfang
67
Die Gestaltungsmittel des Programms und seine Bedeutung
antiken Beschreibungen der Z ü g e A l e x a n d e r s , w i e sie bei P l u t a r d i in der A l e x a n d e r - V i t a (§ 4) überliefert sind, w a r jedoch möglich. A n t i k e
Münz-Bildnisse
A l e x a n d e r s d. G r . sind f ü r die S a l a Paolina allerdings w o h l nicht zu R a t e gezogen w o r d e n , o b w o h l diese P r a x i s in Italien schon viel früher nachweisbar ist 1 6 5 . T r o t z d e m erweist sich die S a l a Paolina mit ihren Bildern als bedeutendes D o kument einer neuen historisch getreuen und positiven Sicht A l e x a n d e r s d. G r . in Italien. Diese Leistung kann nur auf
der Kenntnis
der antiken
historischen
A l e x a n d e r - L i t e r a t u r beruhen, w i e in der ikonographischen Untersuchung nachgewiesen w u r d e . E i n e m Papst, der „geläufig griechisch sprach" 1 6 6 und „auch ausw ä r t s nach seltenen lateinischen und griechischen Manuskripten suchen l i e ß " 1 6 7 konnten
die Quellen über seinen bedeutendsten
Namensvorgänger
nicht
un-
erschlossen bleiben, zumal sie bis 1 5 4 5 sämtlich in Druckausgaben zur V e r f ü g u n g standen 1 6 8 .
des vorigen Jahrhunderts über Alexander-Darstellungen der Antike folgten Friedrich Koepp: Über das Bildnis Alexanders des Großen. Berliner Winckelmanns Programm 1892; Johann Jakob Bernoulli: Die erhaltenen Darstellungen Alexanders des Großen. München 190$; Margarete Bieber: Alexander the Great in Greek and Roman Art. Chicago 1964; Tonio Hölscher: Ideal und Wirklichkeit in den Bildnissen Alexanders des Großen. Heidelberg 1971 = Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil. hist. Kl. 1971, 2. Abh. 185 Zum antiken Münzbildnis Alexanders d. Gr. vgl. Peter R . Franke und Max Hirmer: Die griechische Münze. 2. Auflage, München 1972, S. 116. Zur Frage der Identität von HeraklesKopf und Alexander-Portrait auf den Münzen heißt es dort: „Daß die gewaltige mythische Figur dieses Heros [Herakles], der als Welteroberer galt und gleich dem König unvorstellbare Mühen und Beschwerden auf sich genommen hat, naturgemäß leicht auf Alexander den Großen übertragen wurde, ist nicht verwunderlich." - S. dort die Abb. auf Taf. 1 7 2 - 1 7 3 , Nr. 569-572 „Kopf des Herakles-Alexander" ( = Münzen Alexanders) und Taf. 176, Nr. 580$82 „Kopf Alexanders d. Gr. als Zeus Ammon" ( = Prägungen des Lysimachos). Zu italienischen Zeichnungen der Neuzeit nach antiken Alexander-Münzen s. die Blätter Pisanellos (Louvre 2266 verso und 2 3 1 J ) , vgl. Annegrit Schmitt 1974, S. 198/199 und Abb. 86 und 87. 186 Pastor V 1909, S. 723. 167 Pastor V 1909, S. 739. 168 D ; e „editio princeps" des griechischen Textes von Josephus' Antiquitates Judaicae erschien 1544 in Basel. Quintus Curtius Rufus lag bereits in vier Druckausgaben von 1470, 1481, 1490 und 1 5 1 0 vor. Die griechischen Wiegendrucke von Plutarchs Vitae Parallelae erschienen 1 J 1 7 in Florenz u n d i j i 9 in Venedig, die der Moralia 1509 in Venedig und 1542 in Basel. Arrians Anabasis erschien zuerst in Griechisch 1535 zu Venedig und danach 1539 in Basel. Eine lateinische Version von Diodors Bibliotheca, Buch I - J , war 1472 in Bologna gedruckt und nachher öfter wiederaufgelegt worden.
Exkurs Die Aufstellung des Reiterstandbilds des Marc Aurel auf dem Kapitol durch Paul III. und eine Antikenverwendung bei Vasari Die folgenden Beobachtungen ergaben sich bei der Identifizierung antiker Bildquellen für die in unserem Rahmen betrachteten Kunstwerke aus dem Pontifikat Pauls III. Sie bestätigen die grundlegenden Erörterungen von Tilman Buddensieg über das „Statuenprogramm im Kapitolsplan Pauls III." 1 6 9 . Darüber hinaus können die dort gewonnenen Erkenntnisse in einigen Punkten vertieft und präzisiert werden. Die Verbringung des Bronzemonuments des Marc Aurel vom Lateran auf das Kapitol durch Paul III., die wohl am 18. Januar 1538 vonstatten gegangen ist, dürfte auch in den zeitgenössischen diplomatischen Aktivitäten am päpstlichen Hof eine wesentliche Wurzel gehabt haben170. Kurz vor der Reise vom 23. März bis 24. Juli 1538 zur Friedensvermittlung von Nizza zwischen Kaiser Karl V. und König Franz I. war die Neugestaltung des Kapitols keine zufällige Unternehmung des Papstes: Noch vor dem am 16. November 1537 in Monzon auf drei Monate zwischen den beiden mächtigsten Fürsten Europas geschlossenen Waffenstillstand hatte Paul III. eine erneute Friedensgesandtschaft vorbereitet. Am darauf folgenden 19. Dezember ernannte er Legaten für den französischen König und den deutschen Kaiser, die den Frieden sichern sollten, damit die Türkengefahr gemeinsam gebannt und ein Konzil abgehalten werden könne. Am 8. Februar 1538 war dann endlich der Abschluß der „Heiligen Liga" zwischen Karl V., Ferdinand I., Venedig und Paul III. — allerdings ohne Frankreich - gegen die Türken möglich171. So ist die Versetzung des Lateranensischen Reiters im Zusammenhang mit den Friedensbemühungen des Papstes zu verstehen, die auch schon vor dem Abschluß des zehnjährigen Waffenstillstands von Nizza recht umfangreich waren. Buddensieg hat darauf hingewiesen, daß „Gestus und Kopfhaltung der Grabmalstatue Pauls III. dem Marc Aurel sehr verwandt sind, vor allem aber von den Zeitgenossen ikonographisch präzise mit den gleichen Worten beschrieben werden: 169 Buddensieg 1969. 170
171
Zum neuerlich geklärten Zeitpunkt des Transports vgl. Paul Künzle: Die Aufstellung des Reiters vom Lateran durch Michelangelo, in: Miscellanea Bibliothecae Hertzianae. München 1 9 6 1 , S. 2 5 5 - 2 7 0 . Pastor V 1909, S. 1 9 4 - 1 9 7 .
Exkurs
69
Annibal Caro nennt Paul «in atto di pacificatore» (Lettere familiari, ed. A. Greco II, Florenz 1958, S. ioj)" 172 . Diese Deutung wird durch die bisher unbemerkt gebliebene Benutzung wesentlicher Kompositionselemente eines der Aurelisdien Reliefs auf dem Kapitol durch Vasari in der Cancellería auch im Bild belegt. Vasari hat sich in seiner nur acht Jahre nach dem Reiter-Transport entstandenen „Allegorie auf die Friedens Vermittlung von Nizza" (Abb. 36) unverkennbar von dem altrömischen Relief anregen lassen, das die „Annahme der Unterwerfung von Barbaren durch Marc Aurel" darstellt (Abb. 37 u. Abb. 38). Kaiser und Papst sind in beiden Kompositionen sitzend über die Menge erhoben und strecken ihre Rechte begnadigend und vermittelnd vor. Im Vordergrund beider Bilder befinden sich zwei am Boden kniende bärtige „Nordländer", für deren kniende Stellung bei ihrer Verbrüderung im Fresko eigentlich kein Grund — wenn nicht der einer Beeinflussung durdi das antike Monument — vorliegt. Die aufblickende Gebärde der beiden Barbaren aus dem Relief hat sich bei Vasari in den drei Köpfen unmittelbar hinter den beiden Knienden erhalten. (öl-)Baum und Vexillum im Hintergrund des Freskos sind ebenfalls ohne Kenntnis des antiken Reliefs nicht erklärbar. — Im übrigen ist die vorderste Trägerin der Sedia gestatoria eine Pax-Allegorie. Sie verbrennt mit ihrer Fackel die Waffen, auf denen links die Gestalt eines gefesselten nackten Türken hockt. Ob das Relief Marc Aurels, das schon Leo X . 151 j aus der Kirche S. Martina auf das Kapitol hatte verbringen lassen, unter dem Pontifikat Pauls III. tatsächlich bereits restauriert war, wie es Francisco d'Ollanda in seiner 1539/1540 entstandenen Zeichnung mit den zwei anderen, noch fragmentiert wiedergegebenen Aurelischen Reliefs zeigt, ist sehr zweifelhaft178. Jedenfalls konnte an der Armhaltung des Kaisers keine Unklarheit bestehen, da eine noch aus dem Quattro172
Zitat nach Buddensieg 1 9 6 9 , A n m . 3 5 , S. 2 2 0 ; vgl. auch Hofmeister C h e n e y 1 9 6 3 ( 1 9 7 1 ) , S. 2 5 7 / 2 5 8 mit A n m . 2 6 6 (allerdings ohne den Hinweis auf die M a r c Aurel-Statue). i ' 3 Elias T o r m o : Os desenhos das antigualhas que vio Francisco d'Ollanda, pintor portugués ( . . . 1 5 3 9 - 1 5 4 0 . . . ) . M a d r i d 1 9 4 0 , fol. 2 5 v., T e x t S. 1 1 6 - 1 1 8 . Francisco d'Ollanda gibt in seiner Zeichnung eine Restaurierung wieder oder hat selbst eine ideale E r g ä n z u n g erfunden, die nicht mit dem heutigen Zustand übereinstimmt und deren Einzelheiten Z w e i f e l an der Richtigkeit der Rekonstruktion a u f k o m m e n lassen. W i r bilden hier (Abb. 3 7 ) dagegen die Zeichnung f. i o 8 b aus dem C o d e x Pighianus (Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz - Staatsbibliothek, M s . L a t . Fol. 6 1 ) ab, die v o n Stephan V i n a n d Pighius in den Jahren 1 5 4 7 bis 1 5 5 5 in R o m angefertigt w u r d e und die noch den gleichen Zustand des Reliefs w i e die Zeichnung des C o d . V a t . L a t . 3 4 3 9 , f. 73 (s. A n m . 1 7 4 ) wiedergibt, vgl. J a h n : Ü b e r die Zeichnungen antiker Monumente im C o d e x Pighianus, in: Berichte über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Phil.-hist. Kl. 20, 1 8 6 8 , 8 . 1 6 1 - 2 3 5 , darin S. 1 6 2 ff. und S. 1 8 4 , N r . 4 1 . - E i n französischer oder flämischer Zeichner hat noch zwischen 1 5 7 2 und 1 5 9 5 dasselbe Relief im Treppenhaus des Konservatorenpalastes mit den gleichen Fragmentierungen auf dem Blatt der Berliner Kunstbibliothek H d Z 2 4 6 6 I abgebildet, vgl. Matthias W i n n e r : Zeichner sehen die Antike. Berlin 1 9 6 7 , N r . 1 2 , S. 2 7 - 2 9 , T a f . 7 . - Vielleicht ist unter diesen Umständen zu schließen, daß Francisco d'Ollanda die Unterwerfungs-Szene v o n den drei Aurelischen
70
Exkurs
cento stammende Zeichnung eindeutig eine Kontaktstelle des abgebrochenen Arms mit dem Hals des Pferdes zeigt174. - Eine dokumentierte Restaurierung aller drei Reliefs (durch Ruggiero Bescapé) ist erst 1595 nachweisbar. Eine Gleichsetzung des Gestus Marc Aurels von Relief und Bronzemonument lag für die Interpreten des 16. Jahrhunderts nahe, und gerade bei diesem Motiv hat sich Vasari in seiner Komposition mehr an den fast waagerecht vorgestreckten Arm des Bronzereiters gehalten, statt den fallenden Oberarm des Reliefs zu kopieren. Die heutige Archäologie lehrt jedoch, daß die beiden Denkmäler in ihrer konkreten Form recht verschiedene Gestaltungen sind: Die „Clementia"Szene des Reliefs findet draußen auf den Feldzügen - wohl während der Markomannenkriege zwischen 169 und 172 n.Chr. - statt, wie die Panzerung der Hauptfigur und ihre militärische Umgebung deutlich angeben175. Dagegen ist der Reiter des Bronzemonuments in der „bei nichtkriegerischen Anlässen üblichen Feldherrntracht, die auch bei Paraden getragen wurde", dargestellt, „und auch der alte, dem Gruß an die Truppen vorbehaltene Gestus der Adlocutio ist jetzt dadurch ins Allgemeinere und Umfassendere gewendet, daß der Kaiser in der Linken eine Kugel hält [zu ergänzen!] - das Symbol der Herrschaft über den Erdkreis. Hier ist mehr gegeben als nur ein Individualporträt oder ein Standesporträt - nämlich ein Sinnbild" 178 . - Die Symbolträchtigkeit beider antiker Monumente müssen Paul III. sowie Künstler und Gelehrte seines Hofes erkannt oder gespürt haben, denn nur sie kann die (Selbst-)Identifikation des Papstes mit dem Philosophen-Kaiser im Bild veranlaßt haben. Unter den vier Liegefiguren, die das Grabmal Pauls III. schmücken sollten, befand sich eine Pax (heute im Palazzo Farnese), die zusammen mit der Iustitia (die linke Skulptur der heutigen Aufstellung im Petersdom, Abb. 49), mit der Prudentia (die rechte Figur in St. Peter, Abb. 49) und der Abundantia (im Palazzo Farnese) in der ursprünglich geplanten Aufstellung als Freidenkmal die Bedeutung der bronzenen Sitzfigur des Verstorbenen als „pacificatore" und deren
174
175
179
Reliefs f ü r so wichtig ansah, daß er sie mit (selbst)erdachten Ergänzungen darstellte und sie so besonders hervorheben wollte. Das F o t o zur A b b . 3 7 stellte freundlicherweise A n n e g r i t Schmitt zur V e r f ü g u n g , der ich auch f ü r nützliche Informationen zu diesem Fragenkomplex herzlich danke. C o d . V a t . L a t . 3 4 3 9 , fol. 7 3 ; abgebildet bei: H . Stuart Jones: A Catalogue of A n c i e n t Sculptures preserved in the Municipal Collections of R o m e . T h e Sculptures of the Palazzo dei Conservatori. O x f o r d 1 9 2 6 , S. 26, Fig. 2, T e x t N r . 7, S. 2 5 - 2 7 . Z u r Restaurierung s. N r . 4, S. 2 0 - 2 5 . Erika Simon in: W o l f g a n g Heibig: Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in R o m . Hrsg. v o n Hermine Speier, 2. Bd., Tübingen 1966, N r . 1 4 4 4 , S. 2 5 5 - 2 6 1 . Zitate von Elfriede R . K n a u e r : D a s Reiterstandbild des Kaisers M a r c Aurel. Stuttgart 1 9 6 8 , S. 18 und S. 2 0 ; Kursivsatz und K l a m m e r v o m Verfasser. D a ß das Bronzemonument M a r c Aurels nach den Beschreibungen der „Mirabilia urbis" mit der Figur eines Königs, dessen H ä n d e auf den Rücken gebunden waren, unter dem rechten erhobenen V o r d e r h u f des P f e r des zu ergänzen sei (so Helga v o n Heintze in: Heibig 1 9 6 6 , 2. Bd., N r . 1 1 6 1 , S. 3/4) ist abzulehnen, vgl. M a x Wegner: Die Herrscherbildnisse in antoninischer Zeit. Berlin 1 9 3 9 , S. 1 9 0 / 1 9 1 und Knauer 1 9 6 8 , S. 2 1 .
Exkurs
71
Gestus besonders verdeutlichen sollte 177 . Die Verwendung einer Pax-Allegorie ist bei einem Papstgrabmal der Renaissance singulär geblieben und war in ihrer Ungewöhnlichkeit noch zu Lebzeiten Pauls III. wohl sehr bewußt konzipiert worden. - Den gleichen Gestus der rediten Hand wie die Grabmalstatue zeigt die sitzende, wiederum barhäuptige Gestalt Pauls III. auf dem Fresko des Salone im Palazzo Farnese zwischen der „Friedensvermittlung von N i z z a " und dem „Konzil von Trient", die Francesco Salviati bald nach dem Tod des Papstes ausgeführt hat 178 . So hat sich unter den vom Papst mehr oder weniger selbst veranlagten Darstellungen seiner Person oder seiner Taten schon zu Lebzeiten ein Typus als „pacificatore" ausgebildet, der auch über seinen Tod hinaus fortwirkt und der an antiken Bildwerken inspiriert ist, wie Vasaris zeitgenössische Umsetzung ausdrücklich bezeugt. — Bezeichnenderweise weicht die Ehrenstatue Pauls III. (heute in S. Maria in Aracoeli, ehemals im Senatorenpalast), die der römische Senat 1543 für den Papst hat errichten lassen, mit ihrem Segensgestus von diesem Typus ab 179 . Wie häufiger beobachtet worden ist, steht der verhältnismäßig niedrige Sockel des Bronzereiters auf dem Kapitol in einem höchst durchdachten, aber nicht sogleich einsichtigen Zusammenhang mit den ihn umgebenden Bauten. Sollte der Besucher selbst vielleicht den Bezug zum Denkmal bilden und sich von der Versöhnungsgebärde, bzw. der „Adlocutio", angesprochen fühlen? - Alle anderen Darstellungen Pauls III. als „pacificatore" und auch das Relief Marc Aurels zeigen die bei dem Bronzemonument fehlende(n) Bezugsperson(en) oder verdeutlichen den Versöhnungsgestus wenigstens sinngemäß. Eine Korrelation des bronzenen Reiters zu dem als Ovalkalotte geplanten Boden und dem radialen Ausstrahlungsnetz ist jedenfalls überdeutlich. Bei dem Einzug Kaiser Karls V . nach der Eroberung von Tunis in Rom am j . A p r i l 1536 war ein Besuch des Kapitols vermieden worden, wohl weil der bedeutendste Hügel des alten Rom sich damals noch in ziemlich desolatem Zustand befand 180 . War es die Absicht des Farnese-Papstes, künftig die Herrscher der Welt auf dem Kapitol unter dem Monument eines römischen „pacator orbis" zu empfangen, mit dem er sich selbst identifizierte? - Wenn ja, dann ist die Vergewaltigung des Besuchers und seine Behinderung freier Entfaltung im Zentrum des Platzes, die Hans Sedlmayr auf dem Kapitol empfunden hat 181 , durchaus verständlich und in gewisser Weise dem Monument auch sehr angemessen. 177
Die Bezeichnung dieser in einigen Einzelheiten sehr ungewöhnlichen Allegorien geht auf Annibal Caro zurück, der an der Programmgestaltung beteiligt war, vgl. Steinmann 1912, S. 20-24. 178 Zur Datierung um 1551-1553 s. Hofmeister Cheney 1963 (1971), S. 252. 179 Werner Hager: Die Ehrenstatuen der Päpste, in: Römische Forschungen der Bibliotheca Herziana 7, Leipzig 1929, N r . 21, S. 42/43, Abb. 10; Buddensieg 1969, S. 191/192, Abb. 13, mit Anm. 36-38, S. 220 f. 180 Pastor V 1909, S. 173 und 753 f.; Buddensieg 1969, S. 180 mit Anm. 15, S. 218. 181 Hans Sedlmayr: Die Area Capitolina, in: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen 52, 1931, S. 178.
Zur Planungsgeschichte der Sala Paolina an Hand von zugehörigen Zeichnungen Nachdem die Untersuchung des Programms gezeigt hat, daß die Planung der verschiedenen Bildinhalte trotz des Todes von Perino und der Fortführung der Arbeiten danach einheitlich ist, können die Zeichnungen den eigentlichen Entwurfsvorgang und vielleicht auch die Arbeitsteilung weiter klären helfen. Wir teilen die Behandlung nach den drei hauptsächlichen Künstlern Perino del Vaga, Pellegrino Tibaldi und Marco Pino auf. Dabei werden Neuzuschreibungen eingehender erörtert; neue Beobachtungen zu bekannten Blättern werden kurz berücksichtigt. Zeichnungen von Perino del Vaga Die von Philip Pouncey und John A. Gere Perino nur mit Zweifel zugeschriebene Zeichnung182 des British Museum (Abb. 69) zeigt im Zentrum das gleiche Wappen, das an den Langseiten über dem Hauptgesims des Saales in der Mitte stukkiert ist. Es handelt sich zweifellos um das Wappen des Bischofs Mario Ruffini183, der 1545 Nachfolger als Kastellan von dem zum Kardinal kreierten Tiberio Crispi wurde. Die Entsprechung zu den beiden Groteskenfeldern mit dem gleichen Wappen in der Längsachse des Deckenspiegels (Abb. 5) ist nicht genau, und der graphische Duktus der Federzeichnung weist nur in die Nähe von Perino. *
Ein bisher unbekanntes Blatt des West-Berliner Kupferstichkabinetts184 erweist sich dagegen als frühe eigenhändige Planung Perinos für die Wandgliederung der Sala Paolina (Abb. 70). Von der Ausführung ist der Entwurf noch ziemlich weit entfernt: Die Säulen sind noch korinthisch, statt der Fruchtgehänge sind alternativ kandelaberartige Umrahmung und ornamentale Paneele gezeichnet, die 182 Philip Pouncey und John A. Gere: Italian Drawings in the Department of Prints and D r a w ings in the British Museum. Raphael and his Circle. London 1962, Nr. 183, S. 108, PL 153. 18S Zur Identifizierung des Wappens ist Philip Pouncey und John A. Gere 1962, Nr. 183, S. 108 beizupflichten. 184 Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kupferstidikabinett, K d Z 5166 recto; 256: 221 m m ; schwarze Kreide (horizontale Linie zwischen Sockel und oberem Wandteil in brauner Tinte). K u r t W. Forster wies midi zuerst auf ein unbesdiriftetes Foto nach dieser Zeichnung in der Bibliotheca Hertziana hin, und Sabine Jacob teilte später den Aufenthaltsort mit. Beiden sei an dieser Stelle herzlich f ü r ihre Hilfe gedankt.
Zeichnungen von Perino del V a g a
73
Mittelzone besteht noch aus zwei Bildfeldern übereinander, und die Rahmenhaltenden Ignudi-Putten sind sechs an der Zahl. Dodi weisen die generelle Aufteilung und die Einzelmotive wie der Ziegenschädel in der Mitte des Sockels, die Kartusche oberhalb des Hauptbildfeldes, die Masken und Bild-Halter auf den Zusammenhang mit der Sala Paolina hin. Stilistisch ist das Berliner Blatt in seiner für die Spätzeit Perinos relativ seltenen Technik der schwarzen Kreide mit dem Uffizien-Entwurf für eine Supraporte (Abb. 76) - besonders in der Schraffierung des Hintergrunds - vergleichbar. *
Die Biblioteca Reale in Turin bewahrt unter der Benennung „Scuola Fiorentina della seconda metà del Cinquecento" 185 zwei zusammengeklebte Blättdien von Perino, die er für zwei Wandzonen der Sala Paolina entworfen hat; die linke Hälfte ist für ein Feld mit einer Tugend-Nische, die rechte für eine (große?) Supraporte gedacht (Abb. 71). Die beiden kleinen Zeichnungen kommen den ausgeführten Teilen bereits recht nahe. Allerdings wird der Tondo in der Supraporte noch von vier Putten umrahmt, und das Postament der Nischenfigur zeigt noch ein rechteckiges Bildfeld. *
Fast modello-artig entspricht die „Prudentia" auf einem Blatt des New Yorker Metropolitan Museums186 dem ausgeführten Fresko (Abb. 72). Nur der Stab in der Linken ist im Wandbild weggefallen. Das weit fortgeschrittene Planungsstadium ist an der Quadratierung kenntlich. Das Blatt ist auch — möglicherweise eigenhändig — monogrammiert. *
Einer etwas früheren Entwurfsphase gehören die zwei erhaltenen und bekannten Zeichnungen für Alexander-Monochromien an. Das im Besitz von Mr. und Mrs. Gere befindliche Blatt in London 187 für die Szene mit Homers Werken (Abb. 73) zeigt noch keine Quadratierung, und seine Maße entsprechen noch nicht den Proportionen des Freskos (Abb. 15). Im ausgeführten Wandbild ist ein vertikaler Streifen aus der Mitte der Komposition in der Zeichnung ausgefallen bzw. zusammengedrängt worden. Besonders stark ist auf dem Blatt wie im Fresko die mächtige Repoussoir-Figur links herausgehoben. Der oberste horizontale Streifen 185
A l d o Bertini: I disegni Italiani della Biblioteca Reale di Torino. R o m a 1 9 5 8 = Indici e cataloghi. I disegni delle Biblioteche Italiane I, S. 62, N r . 4 9 2 II. F ü r die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung seiner Attribution und Erklärung danke ich M r . Philip Pouncey herzlich. Ebenso möchte ich den beiden Damen P r o f . M . Bersano Begey und D r . L a u r a Florio an dieser Stelle meinen D a n k für ihre Einführung in die Turiner S a m m lung und für die Erledigung meiner Fotowünsdie aussprechen. 18« J a c o b Bean und Felice Stampile: Drawings f r o m N e w Y o r k Collections I. T h e Italian Renaissance. Greenwich, Connecticut 1 9 6 5 , N r . 87, S. 5 7 , PI. 87. 187 Gere 1960, S. 1 6 mit A n m . 26.
74
Zur Planungsgesdiichte an H a n d von zugehörigen Zeichnungen
der Zeichnung ist auf der Wand fortgefallen, und als auffälligste Veränderung gegenüber dem Entwurf erscheint im Fresko ein auf dem Schnitt liegendes halboffenes Buch.
Uber die Unterschiede zwischen der Vorzeichnung (Abb. 74), die sich im Besitz von Mr. Jan Woodner, N e w York, befindet 188 und dem Fresko mit der Szene der Altarweihe (Abb. 19) ist bereits an anderer Stelle gesprochen worden (S. 45 f.). Die Zeichnung der Köpfe und Helme ist ein charakteristisches Beispiel für Perinos späten „Kräusel"-Stil in Feder-Zeichnungen. Der motivischen Entfernung von der ausgeführten Fassung entspricht das Fehlen einer Quadratierung. Das Blatt ist möglicherweise oben beschnitten, deshalb läßt sich über Proportionen von Entwurf und Ausführung nichts Bestimmtes sagen.
Die drei bekannten, erhaltenen Supraporten-Entwürfe in Windsor und in den Uffizien 189 zeigen sämtlich Qudratierung (Abb. 75,76 und 77). Die Beischriften „castita" und „cöcordia" auf dem Windsor-Blatt sind wohl nicht eigenhändig von Perino, da „castita" falsch ist (s. S. 54 mit Anm. 125). Merkwürdigerweise sind die beiden Tondi, die in der Umrandung voll gegeben werden, leer. Der WindsorEntwurf trägt hier die Beschriftung „conversi 5", die sich (irrtümlich?) nur auf den ersten Tondo beziehen kann; hier ist mit der Kuppelung von Säule und Pilaster eindeutig die rechte Wandseite mit dem zweiten Tondo gemeint, außerdem sind die allegorischen Figuren an dieser Stelle so ausgeführt. Im Unterschied zu dem Blatt in England sind die beiden Uffizien-Zeichnungen Entwürfe für die engeren Supraporten-Felder ohne Tondo-haltende Putten. Alle drei Blätter sind also fertige Entwürfe, deren Übertragung in das Großformat nichts mehr im Wege stand. Zeichnungen von Pellegrino
Tibaldi
Im Gabinetto Disegni e Stampe der Uffizien befinden sich unter dem Namen Francesco Salviatis zwei Zeichnungen mit je einem sitzenden geflügelten Engelputto (Abb. 81 und 82), die denjenigen fast wörtlich gleichen, die sich in der Sala Paolina unter dem Bild „Alexander d. Gr. weiht zwölf Altäre" (Abb. 19) befinden160. Die Attribution an Francesco Salviati ist vermutlich nur auf Grund vager 188 Frederick G. Schab: Woodner Collection I. N e w Y o r k 1971, N r . 18 mit Abb. 189 Popham und Wilde 1949, N r . 979, S. 3 4 2 ; Davidson 1966, N r . 52, S. $4/55, Fig. 43 und N r . 53, S. 5 5/56, Fig. 46. 190
Uffizi 1497 Orn (dort als Francesco Salviati); 1 7 1 : 1 9 3 m m ; Feder, braune Tinte, braun laviert, weiß gehöht (z. T. oxydiert), auf bläulichem Papier; der Rand links unterhalb der Mitte ausgerissen und ausgeschnitten, ganz aufgeklebt, bezeichnet „ 1 4 9 9 " ; F o t o : Corpus Gernsheim 1 0 7 1 3 .
Zeichnungen von Pellegrino Tibaldi
75
stilistischer Ähnlichkeiten erfolgt; die Entsprechung zu den Figuren der Fresken in der Engelsburg ist bisher noch nicht beobachtet worden. Bei eingehenden Vergleichen mit Zeichnungen von Perino ergibt sich, daß die beiden Entwürfe nicht aus seiner Hand stammen können. Dagegen lassen sie sich überzeugend in
das zeichnerische Œuvre Pellegrino Tibaldis einordnen. Wenn man die beiden Blätter z. B. mit der Zeichnung einer „Taufe Christi" aus der Teylers Stichting in Haarlem vergleicht, die ihrerseits eine Vorstudie zu einem Altarbild in A n cona 191 Tibaldis ist, so lassen sich in allen drei Blättern die gleiche A r t der scharfen Führung des Außenkonturs, die vielfach unterbrochenen Linien der Binnenzeichnung sowie die fast identische Zeichnung von Bauchnabeln und Kniepartien feststellen. Noch engere Verwandtschaft weisen die Zeichnungen mit den Blättern auf, die bereits als Entwürfe Tibaldis für die Sala Paolina bekannt sind 191 " (Abb. 78 und 79). Trotz der vielfachen Restaurierungen haben sich bei den ausgeführten Putten auch im Fresko scharfe, tief eingedrückte Außen- und Binnenkonturen erhalten, die z. B. bei den Engeln der Paulustondi in den Supraporten nicht so stark hervortreten.
Den beiden Zeichnungen der Uffizien gesellt sich ein weiteres Blatt bei, das einen Ignudo-Putto für die Rahmung des Bildes „Alexander d. Gr. löst den Gordischen Knoten" zeigt (Abb. 83). Es befindet sich in der Sammlung des Colonel J . Weld in Lulworth Manor und ist als Paolo Farinati benannt. Technik, Stil und Bestimmung verweisen jedoch auf Pellegrino Tibaldi 192 . - Diese Rahmen-Halter Uffizi 1493 O r n (dort als Francesco Salviati); 1 6 4 : 1 9 7 m m ; Feder, braune Tinte, braun laviert, weiß gehört (vielfach oxydiert), auf bläulichem Papier; der R a n d unten redits ausgerissen und ausgeschnitten, ganz aufgeklebt. 191
J- Q- v a n Regteren Altena: Les dessins italiens de la Reine Christine de Suède. Stockholm 1966, S. 74/75, pl. 41 ( = Haarlem, Teylers Stichting, inv. K . I. 76; 366 : 209 mm; Feder und Pinsel in braungrauer Tinte, braun-grau laviert). - Das zugehörige Altarbild jetzt in der Pinacoteca Civica dürfte um 1560 entstanden sein. 181» Firenze, Uffizi 607 F ; vgl. Michael H i r s t : Tibaldi around Perino, i n : T h e Burlington Magazine 107, 1965, S. 5 6 8 - 5 7 1 , mit Anm. 5, Fig. 27. Paris, Louvre 1 0 4 6 1 ; vgl. Davidson 1966, N r . 61 f., S. 61, Fig. 53 f. 1 9 2 Sammlung Colonel J . Weld, Lulworth Manor, Wareham — Dorset, England; dort als Paolo Farinati; 143 : 197 m m ; Feder, braune Tinte, braun laviert, weiß gehöht, auf bläulichem (?) Papier. Auf das Blatt, das ich nicht aus eigener Anschauung kenne, wies mich freundlicherweise Anchise Tempestini hin. Mrs. Elizabeth Weld danke ich für die bereitwillige Genehmigung der Publikation. Eine zusätzliche stilistische Stütze für die Zuschreibung an Tibaldi erhält das Blatt durch einen Vergleich der rechts befindlichen zur Hälfte ausgeführten Maske mit einem Studienblatt zum gleichen Motiv in der Sammlung Janos Scholz, das Bernice Davidson dem jungen Tibaldi zuschrieb, vgl. Konrad Oberhuber und Dean W a l k e r : Sixteenth Century Italian Drawings from the Collection of Janos Scholz. Washington 1973, N r . 48, S. 5 9 - 6 1 , Pl. 48, S. 58. - Dieses Masken-Motiv läßt sich auf einen perinesken Prototyp zurückführen, den der Raffaelschüler am Sockel der Stanza della Segnatura verwendete, vgl. unsere Abb. 65 und 67. Dazu ist die noch unveröffentlichte Zeichnung Uffizi 508 O r n eine Vorstudie. Ähnliche Masken, allerdings ohne das hintere Tuch, tauchen in der Sala Paolina oben an den sechs Paulus-Tondi auf, vgl. unsere Abb. 24, 25, 26 und 27. Möglicherweise sind die Entwürfe Tibaldis in der Sammlung Scholz dazu vorbereitende Studien.
76
Z u r Planungsgeschichte an H a n d von zugehörigen Zeichnungen
sind durchaus keine eigene Erfindung des Zeichners, die er selbständig oder nach dem Tod Perinos unabhängig gemacht haben könnte. Das Motiv war ja bereits vorgeprägt in Perinos frühem Berliner Entwurf (Abb. 70). Die drei Blätter können jedoch Hinweise zur Identifizierung des Freskanten der entsprechenden Teile der Wandgemälde liefern. *
Die Windsor-Zeichnung zur Scheintür der Nordwand (Abb. 80) ist ein großartiger Einfall des jungen Tibaldi, die schon als Erfindung ein bedeutendes Talent ausweist193. Zudem wird durch diesen Blickfang die besprochene Unregelmäßigkeit von Türöffnungen und verschobenen Türgewänden überspielt. Der Entwurf konnte nur nach Fertigstellung der Malereien im Korridor zur Sala della Biblioteca entstehen, da er diese Wandmalereien aufnimmt, um den Betrachter desto geschickter zu täuschen194. *
Eine letzte, unseres Erachtens sicher Tibaldi zuzuschreibende Zeichnung195 ist der Entwurf (Abb. 87) für ein Stuck-Oval mit Meerwesen an der Decke (Abb. 89 [3. Feld von oben rechts]). Das Fehlen des Ornament-Stabes der Umrandung, die weitere Entfernung der Figuren vom Rand und die Unterschiede bei der Ausformung der Flossenschwänze erweisen das Blatt einwandfrei als Vorzeichnung; der Stil in der Zeichnung der Haare - s. die Putto-Ignudi (Abb. 81, 82 und 83) - und im Binnenkontur - s. die Meerwesen-Ovale (Abb. 78 und 79) weisen eindeutig auf Tibaldi. Damit ist allerdings wohl auch zu folgern, daß Tibaldi schon als Stukkateur an der Decke der Sala Paolina gearbeitet hat. — Andere Zeichnungen mit Meerwesen-Ovalen, die den Stuck-Reliefs entsprechen, sind zu schwach, um als weitere Originale von seiner Hand gelten zu können. Sie sind wahrscheinlich Kopien nach Entwürfen (Abb. 90, 91 und 92)196. Das Problem wird dadurch zu193 Popham und Wilde 1949, N r . 943, S. 336. 1 M Diese Beobachtung teilte mir freundlicherweise Herr Dr. Eraldo Gaudioso mit. 185 Vgl. den Ausst.-Kat. Selections from the Drawing Collection of Mr. and Mrs. Julius S. Held. Binghampton, New Y o r k 1970, N r . 134, Text S. 26. Die Zuschreibung an Tibaldi ist Miss Bernice Davidson zu verdanken. Die Verbindung mit dem Stuck-Relief von der Decke der Sala Paolina wird dort noch nicht angegeben. — Herrn Prof. Julius S. Held danke idi für die Überlassung des Fotos. 19« Firenze, Uffizi 488 Orn, unter Schule Giulio Romanos, bezeichnet als „Giacomone da Faenza? (già Giulio Romano)"; zwei zusammenmontierte Einzelblätter mit den Gesamtmaßen 237 X 170 m m ; Feder in Braun, braun laviert, über Spuren schwarzen Stiftes. Gleichfalls eine Kopie nach Perino del Vaga oder Pellegrino Tibaldi dürfte ein Blatt der Albertina sein, vgl. Alfred Stix und Lily Fröhlich-Bum: Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der Graphischen Sammlung Albertina III. Die Zeichnungen der Toskanischen, Umbrischen und Römischen Schulen. Wien 1932, Nr. 195, S. 26 f., dort als Nachfolger des Pierino del Vaga (Abb. 88). - Auch eine Zeichnung, die unlängst im französischen Kunsthandel ausgestellt war (Abb. 90) fällt unter diese Gruppe der Nachzeichnungen; vgl. Ausstellungs-Katalog: Dessins du X V I e et du X V I I e siècle dans les collections privées françaises (Galerie Claude Aubry, Paris). Paris 1971, N r . 22 als Polidoro (Caravaggio) mit Abb. - Für die Besorgung
Zeichnungen von Marco Pino und anderen
77
sätzlich kompliziert, daß die Stuck-Reliefs der Decke stark - und oft auch falsch restauriert worden sind. Ob die drei Blätter Vorlagen von Perino oder Tibaldi wiederholen, ist sehr schwer zu entscheiden. Zeichnungen von Marco Pino und anderen Ein bisher fälschlich unter dem Namen Vasaris in den Uffizien aufbewahrtes Blatt 197 muß ein früher Entwurf Marco Pinos für das Deckenfresko „Alexander d. Gr. begegnet dem Hohenpriester" sein (Abb. 8j). Im einzelnen sind zwar motivische Unterschiede zum ausgeführten Bild evident, dodi ist die Zugehörigkeit zu dem Entwurfsvorgang zu dieser Darstellung unbestreitbar. Der tänzelnde Schritt mancher Figuren in Bild und Zeichnung stimmt fast überein. Auf die sienesische Herkunft des Zeichners weist außerdem die steile Parallelschraffur bei den Figuren links198. Der Aufbau der Personengruppen ist fast unverändert in das Fresko übernommen worden. Damit ist die bis jetzt früheste Zeichnung Marco Pinos wiedergewonnen worden, die durch die Zahlungsbelege im Anhang (Nr. 68) wohl noch in das Jahr 1545 zu datieren wäre. Vorher waren nur Blätter aus den Jahren ab i j j o bekannt 199 .
Ein zweites Blatt, das einem weiter fortgeschrittenen Entwurfsstadium angehört, dürfte ebenfalls Marco Pino zuzuschreiben sein und der Planung der Sala Paolina angehören (Abb. 86). Es tauchte 1972 aus dem Besitz von Victor Sordan im amerikanischen Kunsthandel auf, sein jetziger Aufenthaltsort ist unbekannt. Die Benennung lautete: „Circle of Taddeo Zuccaro, A scene from ancient history or mythology, a general directs the damming of a river 200 ." Beide Angaben können spezifiziert bzw. korrigiert werden. Durch Vergleiche mit den sechs Deckenbildern der Sala Paolina wird Marco Pino als Zeichner des Blatts gesichert, und die Szene dürfte die Belagerung von Tyros darstellen. Alexander d. Gr. erscheint mit dem Feldherrnmantel wie auf allen Deckenbildern; die Augenhöhlen der Soldaten in der Gruppe rechts auf der Zeichnung sinken so charakteristisch nach außen wie in den Gemälden. Wenn es sich um einen verworfenen Alternativ-Entwurf für die Decke der Sala Paolina handelt, dürfte die Szene auf die Belagerung Perugias angespielt haben, die dann des Fotos danke ich Christian Geelhaar, für die Einholung weiterer Auskünfte Annegrit Schmitt. 197 Uffizi 622 F (dort als Giorgio Vasari); 261 : 4 1 9 mm; Feder, braun-graue Tinte, braun-grau laviert. 198 Vgl. Bernhard Degenhart: Zur Graphologie der Handzeidinung, in: Ausst.-Kat. Annegrit Schmitt: Italienische Zeichnungen 1 5 . - 1 8 . Jahrhundert. München 1967, S. j - 4 8 , darin S. 20. 189 Monbeig-Goguel 1972, N r . 1 1 4 ff., S. 98 ff. 200 £) a s Blatt ist mir nur in einer Reproduktion ohne nähere Angabe des Kunsthändlers bekannt.
78
Zur Planungsgeschichte an H a n d von zugehörigen Zeichnungen
durch die „Begnadigung der Frauen des Darius" ersetzt wurde (vgl. hier S. 40 f.). Ein weiteres verworfenes Projekt für die Sala Paolina ist höchstwahrscheinlich eine Zeichnung in Windsor, die dort der Schule von Genua (16. Jh.) zugeschrieben ist (Abb. 84)201. Das Blatt stellt eine Schiffsbauszene dar und kommt mit der Figur des Kommandierenden rechts unserem Deckenfresko von Marco Pino (Abb. 13) inhaltlich nahe. Stilistisch läßt es sich jedoch mit keinem der bisher besprochenen Künstler in Verbindung bringen. Es ähnelt allerdings anderen Zeichnungen von Girolamo Siciolante da Sermoneta sehr stark, besonders in den breiten Oval-Formen von Gesichtern und der platt gequetschten Wiedergabe von tordierten Posen202. Ein Zusammenhang mit der Sala Paolina - ob als ausgeschiedener Entwurf oder als Anregung von Marco Pinos bereits fertigem Fresko - läßt sich jedenfalls nicht leugnen, zumal Girolamo als Mitarbeiter für die Ausführung der Fresken in der Sala Paolina in Frage kommt203. *
Aus dem Umkreis von Perino del Vaga stammt auch ein Blatt, das sich in der Stiftung Ratjen (ehemals Sammlung List) befindet (Abb. 93)204. Es zeigt oben zwei Tafel-Halterinnen, wie sie als Stuck-Plastiken an der Decke mehrfach begegnen (Abb. 5) und ein Meerwesen-Oval, wie es am Gewölbeansatz ebenfalls ausgeführt ist. Eine Attribution an den bislang als Zeichner noch recht wenig bekannten Luzio Romano ist möglich, wenn auch nicht vollständig gesichert205.
Die in großer Zahl erhaltenen Nachzeichnungen nach den Fresken und auch nach Entwürfen zur Sala Paolina können hier außer Betracht bleiben, da sie so gut wie keinerlei Aufschluß über den Planungsvorgang geben208. 201 P o p h a m u n d Wilde 1949, N r . 1107, S. 361, PI. 152. 202 Vgl. J o h n A . G e r e : II manierismo a R o m a . M i l a n o 1971, N r . X X V I I I , T e x t S. 85. - D a s zugehörige Fresko ist zwischen 1561 u n d 1565 ausgeführt; vgl. auch Matthias Winner in: Ausst.-Kat. V o m späten Mittelalter bis zu Jacques Louis D a v i d . Berlin 1973, N r . 52, S. 40/41, A b b . 52. 203 Bernice D a v i d s o n : S o m e E a r l y Works by G i r o l a m o Siciolante da Sermoneta, in: T h e A r t Bulletin 48, 1966, S. j 5—64, darin S. 59. 204
1 J 4 : 214 m m ; Feder, braune Tinte, braun laviert, aufgeklebt. Aus der S a m m l u n g I. O . Wessner, St. Gallen (Lugt 2562 a). 205 Vgl. D a v i d s o n 1966, N r . 72, S. 68-70, Fig. 70; ebda. N r . 73, S. 70, Fig. 72. 206 I m folgenden können nur einige Nachzeichnungen genannt werden, die sich in öffentlichen Sammlungen befinden u n d die vielleicht f ü r die Breite der Wirkungsgeschichte der Sala Paolina aufschlußreich sind: Berlin, Kunstbibliothek 3401, 3402, 3403 und 3409; vgl. Sabine J a c o b : Italienische Zeichnungen der Kunstbibliothek Berlin. Architektur und Dekoration 16. bis 18. Jahrhundert. Berlin 1975, N r . 56-59, S. 29 f., Abb. T a f . 16; Chatsworth, N r . 659; Edinburgh, N a t i o n a l Gallery of Scotland, N r . 839 und 840; O x f o r d , Christ Church 0182; U f f i z i 995 Sant., 326 Sant., 482 F., 219 Sant., 1287 verso.
Z u m Attributionsproblem der verschiedenen Dekorationsteile John A. Gere hat in seinem richtungweisenden Aufsatz über die Sala Paolina auf Grund stilistischer Analyse und neu gefundener Zeichnungen die Frage der Zuweisung der verschiedenen Freskenteile neu beantwortet und dabei frühere Ansichten wie die von Giuliano Briganti wesentlich korrigiert207. Nachdem hier die Zahlungs-Belege, die Programmgestaltung und weitere, bisher unbekannte Vorzeichnungen überprüft worden sind, kann dieses schwierige Problem von neuen Voraussetzungen aus erörtert werden. Als Vorbedingung scheint es unumgänglich, die literarischen Quellen nochmals heranzuziehen, die die stilkritische Forschung bisher benutzt hat. Bei Vasari heißt es in der zweiten Viten-Ausgabe zu dieser Frage (Vasari-Milanesi V, S. 628/629): „ . . . e così fece dipigner detta loggia a Girolamo Sermoneta, ch'è quella che volta verso i parti; che finita, fu poi il restro delle stanze dato parte a Luzio Romano; ed in ultimo le sale ed altre camere importanti fece Perino, parte di sua mano, e parte fu fatto con suoi cartoni. La sala è molto vaga e bella, lavorata di stucchi e tutta piena d'istorie romane fatte da'suoi giovani, ed assai da mano di Marco da Siena discepolo di Domenico Beccafumi; ed in certe stanze sono fregiature bellissime." — Die erste Ausgabe der Viten Vasaris unterscheidet sich in diesem Passus nur durch sehr geringfügige sprachliche Abweichungen. Von Pellegrino Tibaldi heißt es in der Vita Primaticcios (Vasari-Milanesi VII, S. 416): „Costui, dopo avere ne'suoi primi anni atteso a disegnare l'opere del Vasari che sono a Bologna nel refettorio di San Michele in Bosco, e quelle d'altri pittori di buon nome, andò a Roma l'anno 1547; dove attese insino all'anno 1550 a disegnare le cose più notabili, lavorando in quel mentre, e poi, in Castel Sant'Agnolo alcune cose d'intorno all'opere che fece Perino del Vaga." Baglione berichtet über Tibaldis römische Tätigkeit208: „Indi venne a Roma nell 1547 a ritrarre le cose più notabili di essa, & alcune opere lauorò nell'habitatione di Castel S. Angelo, & in particolare nella sala fece quel bellissimo Angelo Michele in faccia, assai piacciuto, e con gran maestria compito." Von Girolamo Siciolante da Sermoneta schreibt Vasari außerdem an anderer Stelle (Vasari-Milanesi VII, S. 571): „Vive anco in Roma, e certo è molto eccellente nella sua professione, Girolamo Siciolante da Sermoneta; del quale, sebbene si è detto alcuna cosa nella vita di Perino del Vaga, di cui fu discepolo e l'aiutò 207 208
Gere 1960, S. 1 4 - 1 9 , mit Anm. 1 9 - 3 2 , dort die frühere Literatur. Giovanni Baglione: Le vite de'pittori scultori et architetti dal Pontificato di Gregorio X I I I sino a tutto quello d'Urbano Ottavo. 2. Aufl. Roma 1649, S. 62.
80
Zum Attributionsproblem der verschiedenen Dekorationsteile
nell'opere di Castel Sant'Agnolo e molte altre, non sia però se non bene dirne anco di quanto la sua molta virtù merita veramente." Für unsere Fragestellung geht es nun darum, wie weit sich diese mehr oder weniger präzisen Angaben mit den Ergebnissen aus den vorigen Kapiteln und einer Stilkritik der verschiedenen Dekorationsteile selbst in Einklang bringen lassen. Auf Grund der überprüften Zahlungs-Dokumente hat sich ergeben, daß der bei Vasari erwähnte Marco Pino nur die sechs Deckenfresken mit den AlexanderSzenen gemalt hat. Wie die neu bestimmte Vorzeichnung (Abb. 85) nahelegt, hat er sie nach eigenem Entwurf gestaltet. - Ein anderer Künstler wird bis zum Tod Perinos in den Rechnungs-Büchern für die Sala Paolina nicht genannt. Außer der Nennung Tibaldis für den Erzengel Michael bei Baglione können hier nur die Vorzeichnungen und der Versuch einer Stilkritik an den Fresken selbst weiterhelfen. Der Abschluß der Arbeiten an der Decke und der Beginn der Wandmalereien sind mit größter Wahrscheinlichkeit in den März 1547 zu datieren (s. S. 14 f.). Die gedankliche Konsequenz des Programms und die vorliegenden Zeichnungen von Perino scheinen jedoch zu beweisen, daß sein Tod am 20. Oktober 1547 keine Planänderung der Ausführung bewirkt hat, so daß die Sala Paolina, so wie sie uns heute erhalten ist, im großen und ganzen seiner künstlerischen Planung entspricht. An weiteren neu gewonnenen Erkenntnissen muß beachtet werden, daß Pellegrino Tibaldi allem Anschein nach früher in den Werkstattbetrieb Perinos eingetreten ist, als Vasari und der aus ihm schöpfende Baglione (1547) angeben. Sein Entwurf für ein Meerwesen-Oval der Stuckreliefs an der Decke (Abb. 87) legt außerdem die Annahme nahe, daß er auch als Stukkateur an der Decke gearbeitet hat. Dies müßte vor 1547 gewesen sein; vor allem ließe sich die fundamentale Beeinflussung Tibaldis in seinem Zeichenstil durch Perino nicht erklären, wenn er nur die wenigen Monate bis zu dessen Tod bei ihm gewesen wäre. Eine stilistische Uberprüfung der verschiedenen Alexander-Monochromien hat gezeigt, daß die Szene der „Begnadigung der Frauen des Darius" (Abb. 17) ornamentaler aufgebaut ist als die anderen vier fingierten Reliefs; Helmbüsche und Füße ragen hier oben und unten fast spiegelsymmetrisch in den Wulstrahmen hinein, was die anderen Darstellungen peinlich vermeiden209. Eine diemische Analyse bei der letzten Restaurierung hat außerdem die Andersartigkeit in der Technik der weiß gehöhten Stellen im Vergleich mit den übrigen Monochromien bewiesen210. Damit hat sich die Meinung Geres bestätigt, daß Entwurf und Ausführung von Tibaldi stammen; wahrscheinlich sind sie erst nach dem Tod Perinos entstanden. 2«» Gere 1960, S. 16. 210 Freundliche mündliche Mitteilung von Herrn D r . Eraldo Gaudioso.
Zum Attributionsproblem der verschiedenen Dekorationsteile
81
Die Angabe Bagliones, daß der Erzengel Michael von Tibaldi stammt, ist durch stilkritische Vergleiche mit ähnlichen Kompositionen von seiner Hand erhärtet worden 211 . Nach den Zeichnungsfunden für die Scheintür sowie für die Ovale auf den Postamenten der Kardinaltugenden können jetzt auch drei Rahmen-Halter, die den neu bestimmten Vorzeichnungen entsprechen (Abb. 16 und 19), als Fresko-Arbeiten Tibaldis gelten. Damit dürfte das Zuschreibungsproblem dieser Putti-Ignudi allerdings noch nicht generell geklärt sein, denn sie unterscheiden sich stärker untereinander (vgl. Abb. 17 und 18). Von Perino selbst entworfene oder ausgeführte Putten sehen noch anders aus (vgl. Abb. 63); es kommt also hier noch ein weiterer Freskant in Frage. Schwieriger wird die Frage nach dem ausführenden Freskanten bei den Vorzeichnungen Perinos und den entsprechenden Wandteilen. Nach Vasaris Angaben haben wir hier damit zu rechnen, daß die Gehilfen nach Kartons des Meisters gearbeitet haben. Das Problem ist nur insoweit sicher zu beantworten, indem man sagt, daß die Ausführung der Teile am ehesten Perinos stilistischen Intentionen entsprochen haben dürfte, für die Vorzeichnungen aus dem Stadium des letzten Entwurfs, d. h. mit Quadratierung vorliegen. Dies ist bei den Supraporten des zweiten, dritten und vierten Paulus-Tondos der Fall, ebenso wie bei der Prudentia. Damit ist über die Eigenhändigkeit der Ausführung noch keine Erkenntnis gewonnen, und wir sind uns bewußt, daß die Argumentation auch von der wohl anzunehmenden Zufälligkeit des Uberlieferungsbestandes der Zeichnungen ausgeht. Wenn es überhaupt eigenhändige Werke Perinos in der Sala Paolina gibt, dann kämen auf Grund stilistischer Ähnlichkeit mit den Sockelbildern der Stanza della Segnatura (Abb. 65 und 67) die Paulus-Tondi dafür in Frage, zumindest die ersten drei (Abb. 24 und 25), obwohl für diese Kompositionen gar keine Vorzeichnungen nachweisbar sind212. Für die gesamte Südwand fehlen gleichfalls Entwürfe. Hier haben wohl Schülerhände (außer Tibaldi?) das meiste ausgeführt. Die Identifizierung des Girolamo Siciolante da Sermoneta als hier tätiger Freskant bleibt zwar nach wie vor unbewiesen, doch verraten die sitzenden Allegorien vor den Paulus-Tondi in ihrer Dicklichkeit einen anderen Geschmack als die mehr perinesken Frauentypen der vier anderen Supraporten und eine ruhigere Figurenkonzeption als diejenige Tibaldis. — Vielleicht ist von der jetzt noch im Gang befindlichen Restaurierung der Loggia Pauls III., d. i. Vasaris Loggia „che volta verso i prati" mehr Aufschluß über Girolamos frühen Freskenstil zu erhalten. Für die Meerwesen-Bilder des Sockels muß ein weiterer Freskant in Ansprudi genommen werden, denn sein Stil ist mit keinem der Maler der oberen Wand211 212
Gere i960, S. 16, mit Anm. 29, Fig. 23, S. 17. Der Flachrelief-Stil der ersten drei Paulus-Tondi kommt den dichten Szenen des Sockels der Stanza della Segnatura in ihrer gedrängten Kleinteiligkeit sehr nahe. Die dort zugehörigen Zeithnungen (Abb. 66 und 68), vgl. Davidson 1966, N r . 47, S. 4 8 - 5 0 , Fig. 40 und Pouncey und Gere 1962, N r . 174, S. IOJ, PI. 144, ähneln den bravourös hingeworfenen Paulus-Szenen sehr.
82
Zum Attributionsproblem der verschiedenen Dekorationsteile
teile identisch (Abb. 1 5 - 1 9 sowie 25 und 27). Ob dafür ein „Maestro Domenico alias il Zaga pictor fiorentino" in Frage kommt, wie er in den Rechnungsbüchern genannt wird, bleibt vorerst nicht zu entscheiden, da für ihn kein Ort genannt wird, an dem er speziell gearbeitet hat 213 . Wir sind uns bewußt, daß das Problem der Attribution in der Sala Paolina in seinen Einzelheiten mit der vorliegenden Erörterung noch lange nicht gelöst ist. Wenn auch in einigen kleinen Details eine weitere Händescheidung vorgenommen werden konnte, so bleibt doch die Klärung des Programms und seiner Einheitlichkeit der größere Dienst, der der Untersuchung dieses Problemkreises erwiesen werden konnte. Nachdem der späte Werkstattbetrieb Raffaels in der gegenwärtigen Forschung erst wieder einigermaßen durchschaubar wird, geraten die vergleichbaren Fragen bei den Künstlern der Schülergeneration erst gerade zu Bewußtsein. Ob sie weiter zu klären sind, dürfte auch künftige Forschung noch zeigen.
»'» Bertolotti 1878, S. 208.
Bedeutung der Sala Paolina und Geschichte ihrer Nachwirkung Bevor man danach fragt, welchen Stellenwert die Sala Paolina innerhalb einer Ausstattungsgeschichte italienischer Repräsentationsräume des Cinquecento besitzt - nicht nur innerhalb der Wandmalerei214 —, dann ist zunächst nach den Quellen der Anregung für Perino del Vaga zu suchen. Erst nach der Feststellung von Übernahme, Verarbeitung und Neuschöpfung läßt sich Eigenwertigkeit bestimmen. Zweifellos verraten viele Einzelmotive der Wandmalereien Perinos im Hauptsaal der Engelsburg Inspiration von anderen früheren oder gleichzeitigen Raumdekorationen. So dürfte das umlaufende Säulensystem von der Sala del Mappamondo im Palazzo Venezia (aus dem Pontifikat Innozenz' VIII. 1484-1492 stammend) abgeleitet sein215. Die Tondi über den Türen gehen unverkennbar auf Michelangelos Sistina-Decke zurück; zwei von ihnen werden in der Sala Paolina (über der Eingangstür und über der Tür - „ä trompe Poeil" von Tibaldi) ähnlich mit Bändern gehalten wie dort. Die zwölf Putten neben den Tondi können aus einer Reminiszenz an die das Gebälk der ursprünglichen Flachdecke tragenden jugendlichen Figuren in der Sala di Costantino entstanden sein; diese Vermutung wird durch ihre Haltung und die Höhe ihrer Anbringung nahegelegt. Gemeinsame Quelle für beide dürften wiederum Michelangelos steingraue Putten der Throne von Sibyllen und Propheten an der Sistina-Decke sein. Die Anwesenheit von Tugend-Figuren und religiösen Allegorien war seit Raffaels Stanza della Segnatura und der Sala di Costantino ein gleichsam verpflichtender Bestandteil päpstlicher Räume geworden. Sie befinden sich in der Stanza della Segnatura auf den beiden gegenüberliegenden Fresken des „Parnaß" und der „Tugenden", und in der Sala di Costantino sind die acht Papstfiguren in ihren Nischen von Tugenden und anderen allegorischen Frauengestalten flankiert. Tugendfiguren in Nischen als Bestandteil einer repräsentativen Saaldekoration finden sich übrigens schon in der Sala degli Stucchi des Palazzo Schifanoia in Ferrara (1467, von Domenico Paris). Von den Loggien Raffaels hat Perino die vertikalen Fruchtgirlanden zwischen den Säulen und den Bronze-Chiaroscuri übernommen, die auch schon Rosso Fiorentino an den Seiten seiner großen Bildkompositionen in der Galerie von Fontainebleau verwendet hatte. Das Motiv der oben und unten in der Mitte die großen Bronze-Monochromien begleitenden Kartuschen könnte tatsächlich von der 214
Dumont 1973, S. 92-96. sis Federico Hermanin: La Sala del Mappamondo nel Palazzo di Venezia, in: Dedalo 1 1 , 1930/ 1931, S. 457-481.
84
Bedeutung der Sala Paolina und Geschichte ihrer Nachwirkung
Galerie François I er angeregt sein. Der Sockel der Sala Paolina - ob von Perino in dieser Form beabsichtigt oder nicht, bleibt fraglich - zeigt in der Verwendung von steinfarbenen Hermen und durchhängenden Girlanden eine merkwürdige motivische Ubereinstimmung mit dem Sockel von Francesco Salviatis Sala dell'Udienza des Palazzo Vecchio in Florenz, die nach neuerer Datierung 1543 begonnen und gegen Ende 1547 vollendet gewesen sein muß216. Bei derartigen Herleitungen aus fremden Werken ist jedoch außer acht gelassen, daß sich für viele Motive schon Vorformen in Perinos eigenem Werk finden lassen. Dazu sind vor allem der kürzlich restaurierte Salone des Palazzo Baldassini216" in Rom und die verschiedenen Räume des Palazzo Doria in Genua zu berücksichtigen. Die rhythmisch gegliederte Säulenarchitektur der Sala Paolina ist im Palazzo Baldassini mit seinen verschiedenen gekuppelten Pilastern und den unterschiedlichen Nischen schon vorgebildet. Auch dort sind die Figuren in verschiedenen Realitätsgraden gemalt: Die Sitzfiguren über der Mitteltür sind steinfarben und die Philosophen in den Nischen polychrom gehalten. - Leider läßt sich wegen der großen Zerstörungen das Programm nicht mehr so leicht rekonstruieren. Chiaroscuri in Bronze- oder Goldfarbe waren schließlich Perinos ureigene Domäne seit den Sockelbildern der Loggien Raffaels 217 . Während seines Florentiner Aufenthalts um 1522 hatte Perino für seinen Gastgeber Ser Raffaello di Sandro ein bronzefarbenes Bild auf Leinwand mit dem „Untergang Pharaos" gemalt; wahrscheinlich hatten schon damals die Loggien-Sockel für eine besondere Bravour-Leistung Perinos gegolten218. Nach seiner Rückkehr aus Genua war der erste größere päpstliche Auftrag wieder eine Malerei in Bronze-Chiaroscuro, nämlich der Sockel der Stanza della Segnatura 219 . — In der Sala Paolina unterscheiden sich jedoch die großen Alexander-Szenen der Wandfresken in ihrer Monumentalität von diesen fingierten Reliefs Perinos. Sie setzen die großen Heldengestalten der Loggia degli Eroi des Palazzo Doria in Genua sowie die Reliefs von den Triumphbögen für Karl V. 220 voraus und sind aus diesen mit dem schon früher von Perino meisterlich beherrschten Genre des imitierten Bronze-Reliefs zu einer neuen gesteigerten Einheit zusammengeschmolzen. Hofmeister Cheney 1963 (1971), S. 646 f., Abb. bei Dumont 1973, Fig. 95, Pl. X L I V . 216» Vgl. Frommel 1973, 2. Bd., S. 29. Die beiden von Bertini 19J8 unter N r . 492 I veröffentlichten Blättchen dürften übrigens Entwürfe Perinos für die Wandisposition des Salone im Palazzo Baldassini sein. Interessant ist dabei die thematische Verwandtschaft der Sockelbilder mit den Putten Polidoros in der Cappella di Fra Mariano in S. Silvestro al Quirinale (Abb. 60). 216
Die ausgeführten Fresken sind nur noch aus Nachstichen bekannt, vgl. z. B. G. Mariani: Description des peintures existentes dans les treize Galeries au Vatican del'immortel Raphael d'Urbin . . . R o m e 1 8 4 1 . 218 Davidson 1963, Part two, Fig. 1, S. 21. Marchese Uguccioni bin ich für eine freundliche Führung durch seine Florentiner Gemäldebestände sehr zu Dank verpflichtet. 219 Davidson 1966, zu N r . 47, S. 4 8 - j o . 220 Vgl. Anm. 146.
217
Bedeutung der Sala Paolina und Gesdiichte ihrer Nachwirkung
85
Von den anderen Farnese-Zyklen im Salone des Palazzo Farnese und im Schloß von Caprarola221 unterscheidet sich die Sala Paolina dadurch, daß die gemalten Szenen und fingierten Reliefs mitsamt den allegorischen Einzelfiguren sich einheitlich auf Paul III. beziehen. Im Palazzo Farnese und in Caprarola sind die Szenen mit dem Papst in eine mehr oder weniger umfangreiche Darstellung der Familiengeschichte eingeordnet, die in beiden Fällen früher beginnt und in Caprarola auch später endet. Von der Sala di Cento Giorni und den Fresken in Caprarola hebt sich die Sala Paolina wiederum durch ihren intimen Charakter ab, d. h. sie war zwar der Repräsentations-Saal eines päpstlichen Wohnappartments, behielt aber schon wegen ihrer Ausmaße und ihrer besonderen Lage eine persönliche Note. So benötigen die Darstellungen auch keine erklärenden Textbeischriften, wie sie in Caparola sogar noch die rein historischen, unverschlüsselten Szenen bekamen. Für die totale Ausstattungskonzeption der Sala Paolina in der mit dem Hauptthema des ikonographischen Programms in sechs Bildern an der Decke begonnen wird, scheint es außer einigen Schöpfungen Giulio Romans in Mantua, wie z.B. der Sala di Psiche (1528), Sala dei Giganti (1532-1534) im Palazzo del Te und der Sala di Troia (1538) im Palazzo Ducale zu Mantua keine früheren Beispiele zu geben. Auch die verschiedenen Dekorationselemente der Decke, an deren Ausgestaltung ja fast drei Jahre gearbeitet wurde, entziehen sich vielfach einer Herleitung aus bereits vorliegender Kunst der Renaissance. Eine gewölbte Decke von derartiger Kostbarkeit und mit soviel verschiedenartigen Einzelmotiven, die in einem höchst festlichen Akkord von Studiplastik, Gold und Malerei zusammenklingen, war in Rom neu. Eine Vorstufe dazu läßt sich wiederum in Perinos eigenem Werk finden, und zwar in der Loggia degli Eroi des Palazzo Doria in Genua (Abb. 62). In den Gewölben dieser Loggia sind Stuckfelder mit Gemälden altrömischer Heldentaten kombiniert, die in allusivem Bezug zu den Wandbildern mit den heroisierten Doria-Ahnen stehen. Uber den kleineren Türen sitzen dort Fama-Figuren, die Vorläufer der sitzenden Allegorien in den Supraporten der Sala Paolina sind (Abb. 64). - An reiner Stuckarbeit mag die Decke Perinos in der Sala Regia des Vatikan majestätischer sein, doch an künstlerischem Reichtum und in Hinsicht auf die Einbeziehung in das gesamte Raumprogramm ist die Sala Paolina überlegen und mehr in die Zukunft weisend. Vorstufen für die Verbindung von Stuck und Malerei an der Decke lassen sich in Rom bei den Loggien Raffaels und in der Loggia der Villa Madama finden222. Zum Einteilungssystem der Decke kommen auch venetische Vorbilder in Frage223. 221 Eine vierte Sala Farnese im Palazzo Comunale in Bologna konnte hier außer Betracht bleiben, da sie erst nach der Mitte des 17. Jh.s entstanden ist und nur in einem Bild auf Paul III. Bezug nimmt. 222 Renato Lefevre: Villa Madama. Roma 1973, tav. $ und 8. 22s "Wolfgang Wolters: Plastische Deckendekorationen des Cinquecento in Venedig und im Veneto Berlin 1968, S. 16 und 57/58.
86
Bedeutung der Sala Paolina und Geschichte ihrer N a c h w i r k u n g
In erster Linie dürfte der altrömische Ort den Auftraggeber (oder Programmgestalter) sowie die Künstler bestimmt haben, in der Sala Paolina antikische Reliefs, Grotesken und Tierbilder all'antica mit einem szenischen Bildprogramm zu kombinieren, das durch Alexander- und Paulusdarstellungen sowie durch die antik bezeichneten Tugenden und mit den Musen sowie schließlich durch die Hadrians- und Michaelsfigur eine dem genius loci angemessene und gleichzeitig auf die Gegenwart des Erbauers aktuell zu beziehende Raumeinheit bildet, wie sie in dieser konsequenten Allusion auf eine einzige Person mit so vielfältigen Mitteln im italienischen 16. Jahrhundert noch nicht erreicht worden war. Daß die Sala Paolina eine reiche Aufmerksamkeit gefunden hat, wird durch eine große Zahl erst in neuester Zeit bekannt gewordener Nachzeichnungen besonders nach den Bronze-Chiaroscuri bewiesen224. Auf Ubernahmen von Motiven der Sala Paolina im späteren Werk Pellegrino Tibaldis stoßen wir im Palazzo Ferretti in Ancona. Baroccis Deckenentwurf für den ersten Saal im Casino Pius' IV. in den Vatikanischen Gärten (1561—1563) verrät deutlich eine Orientierung an der Sala Paolina. Perinos Tugenden der Supraporten sind hier in die Ecken des Deckengewölbes versetzt225. Die Einbeziehung von Gemälden in eine schwere Deckenstukkatur begegnet wieder in der Galleria des Palazzo Spada, die in der Felderaufteilung von der Sala Regia abgeleitet ist. Einen AlexanderZyklus zeigt auch ein Nebensaal des Palazzo Sacchetti in Rom, der aber mehr auf die abenteuerlich-amourösen Szenen abgestimmt ist; doch ist er ohne die vorhergehende Sala Paolina nicht denkbar226. Besonders die Deckendekoration der Anticamera del Concilio in Caprarola ist inhaltlich und formal eine Nachfolgerin des Engelsburgsaales. Der ikonographischen Nachwirkung der Sala Paolina war allerdings durch die Verschlüsselung von vornherein ein schweres Hindernis gesetzt. Dennoch hat nachweislich ein weiterer römischer Auftraggeber mit dem Namen Alessandro einen Alexander-Zyklus für sich in Auftrag gegeben, der sich unverkennbar an der Engelsburg orientiert. Messer Alessandro Mattei ließ um 1560 in seinem Palazzo (jetzt Caetani) an der Via delle Botteghe Oscure von Taddeo Zuccaro und seinem Bruder Federigo eine Alexander-Folge malen, aus der die Bilder mit der „Begegnung Alexanders mit dem Hohenpriester von Jerusalem" und der „Besiegung des Porus" ihre Anregung von Marco Pinos Deckenbildern nicht verleugnen können. Ungefähr gleichzeitig malte Taddeo noch einen weiteren Alexander-Zyklus, und zwar für Signor Paolo Giordano Orsini im Castello Orsini (jetzt Odescalchi) in Bracciano. Im Nebenzimmer ist dort die Geschichte von Amor und Psyche ge224 V g l . A n m . 206. 225 Diese Beobachtungen hat schon Friedlaender 1 9 1 2 , S. $ 2 und 69 f. gemacht. Eine neuere Diskussion dieses Ausstattungskomplexes s. bei Emiliani und Gaeta Bertelä 1 9 7 4 , N r . 3 - 1 6 , bes. A b b . 3 bis 6 ; f ü r das Einteilungsschema der Felder s. eine zugehörige Vorstudie bei Gaeta Bertela 1 9 7 4 , N r . 1 ( = U f f i z i 907 E recto). 22» D u m o n t 1 9 7 3 , fig. 7 0 = pl. X X X I ; die Thematik w i r d v o n der Verfasserin nicht besprochen, vgl. S. 7 5 .
Bedeutung der Sala Paolina und Geschichte ihrer Nachwirkung
87
malt, wodurch die Orientierung an dem päpstlichen Appartement der Engelsburg wiederum zu erkennen ist227. Noch unter dem Pontifikat Alexanders V I I . studierte Pietro da Cortona (oder Francesco Grimaldi) um 1656/1657 das Dekorationsschema der Sala Paolina, um ein Gliederungssystem für die Ausgestaltung der Galleria Alessand.ro VII im Quirinalspalast zu gewinnen, wie eine Oxforder Zeichnung beweist228. Die größte Bedeutung der Sala Paolina liegt zweifellos in der Einführung der historisch-moralischen Vorbildfigur Alexanders d. Gr. als Thema für die Ausgestaltung künftiger europäischer Residenzen. So stehen z.B. die Gemälde-Folge mit Alexander-Taten von Charles Le Brun (ab 1665 bis ca. 1673) für Ludwig XIV.229 und die Alexander-Zimmer der Münchener Residenz (um 1680 bis 1684) 230 sowie Thorvaldsens mehrmals für andere Residenzen kopierter, ursprünglich zur Aufnahme Napoleons im Quirinalspalast konzipierter Alexander-Fries (1812) in diesem Traditionsstrom, der von der Engelsburg ausgeht. Audi bei Thorvaldsen ist noch ein deutlicher Akzent auf Versöhnung und Befriedung gesetzt, die der Einzug Alexanders in Babylon unter Anspielung auf den damaligen Eroberer Europas bedeuten sollte231. Obschon zeitgenössische Anspielungen in der Sala Paolina im Vergleich mit früheren päpstlichen Raumaustattungen sehr konkret werden, so ist diese zeitgeschichtliche Aktualität in - meistens typologisch motivierte - antikisch verkleidete Allegorien zurückgenommen und überhöht. In dieser Doppelstellung zwischen den mehr traditionsgebundenen Formen der Allusion und der zukunftsträchtigeren Darstellung unmittelbarer Ereignisse der Papstgeschichte und der Römischen Kirche — wie sie schon recht bald in der Sala Regia Platz finden sollte - 2 3 2 , spiegelt sich die Spannweite des Lebens Pauls III., der durch seine humanistische Prägung noch stark im Quattrocento wurzelte aber als Papst nach
Zu den beiden Zyklen vgl. John A. Gere: Taddeo Zuccari. His development studied in his drawings. Chicago 1969, S. 94 ff., Abb. 122 a-129 b. 228 Vgl. Ausst.-Kat. Paintings and drawings from Christ Church, Oxford. The Matthiesen Gallery. London 1930, N r . 13, PI. L X X X , dort als Pietro da Cortona; das Blatt wurde audi Francesco Grimaldi zugeschrieben, vgl. Norbert Wibiral: Contributi alle ricerche sul Cortonismo in Roma, in: Bolletino d'arte 45, i960, 8 . 1 2 3 - 1 6 5 , bes. S. 138/139 mit Fig. 21, S. 140. Jetzt wieder als Pietro da Cortona bei James Byam Shaw: Drawings by Old Masters at Christ Church Oxford. Oxford 1976, Nr. 614, PI. 343. - Die Galleria Alessandro VII ist später durch Ein- und Umbauten stärkstens verändert worden. 2 2 9 Ausst.-Kat. Charles Le Brun (1619-1690). Versailles 1963, Nr. 29-32. Den Literatur-Hinweis verdanke ich Reinhold Baumstark. 2 3 0 Reinhold Baumstark: Abbild und Überhöhung in der höfischen Malerei unter Henriette Adelaide und dem jungen Max Emanuel, in: Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700. Bd. I. Zur Geschichte und Kunstgeschichte der Max-Emanuel-Zeit. Hrsg. von Hubert Glaser. München 1976, S. 171-205, darin bes. S. 185 ff. 231 Vagn Poulsen: Bertel Thorvaldsen, 1768-1844, in: Dansk Kunsthistorie. 3 . B d . : Akademiet og Guldalderen. Kßbenhavn 1972, darin S. 247/248: „Alexanderfrisen". 2 3 2 Herwarth Röttgen: Zeitgeschichtliche Bildprogramme der katholischen Restauration unter Gregor X I I I . 1572-1585, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst 26, 1975, S. 89-122. 227
88
Bedeutung der Sala Paolina und Geschichte ihrer Nachwirkung
dem Ausbruch der Reformation und dem Sacco di Roma die Weichen für eine neue Politik stellen mußte, die mit stark veränderten Voraussetzungen zu redinen hatte. Von diesen Intentionen des Farnese-Papstes legen die Sala Paolina und das Wahrzeichen des versöhnenden Erzengels Michael über der Ewigen Stadt noch heute ein sichtbares und gewichtiges Zeugnis ab.
Anhang Programm-Quellen Sperrung und Kursivsatz von Originaltext und Übersetzung stammen vom Verfasser und zeigen wichtige Passagen an, nach denen die Bilder der Sala Paolina gestaltet wurden oder die f ü r ihre Deutung aufschlußreich sind. Daß eine solche Zusammenstellung von Parallelberiditen, wie sie hier vorgelegt wird, legitim ist, wird z. B. durch die vergleichende Edition des Curtius R u f u s von Henricus Petrus, Basel 1 5 4 $ , deutlich.
I: Alexander d. Gr. begegnet dem Hohenpriester Iosephus: Antiquitates Iudaicae itoXficog
ÖVTCC J T Q O E I A I
FIETA
Tiva Sacpsiv
XEY6|A£VOV.
or)|JiaivEi*
OXOJIÖV
3 2 9 - 3 3 6
cruvEßaivEV XaXöaiajv
oaa
ovo[ia
Ö Q Y V
xai
T 0 Ü
'iEQoaoXv^a
( 3 3 0 ) sixög
TCÖV
fjv
81
TT|V
Elg
xai
$oivix(üv
IJUTQEIJJEIV
x
N 0 X1 T 1
TOÜTO NETACPEQONEVOV
yäg
TE
acpopäadai. ßaaiXECüg
L E P E CO V
aXXcov &öv£öv jtoiovfievog
TCÖV
TÖ 8 E
ta
cö v
T
K a i 8iaq>EQovaav
i£QOJTQEJTR\
aav
I I ,
n v O o ^ E v o g [ 6 ¿Q^iepetig ' I a ö ö o i g ] 8° a i r t ö v [ ' A X e l j a v ö g o v ] oti
(329)
0 Ü
Trjg
JIÖQQOJ
X R| •&
0 U
g ,
{mavTT]aiv elg
TCOTOV
'EXXrivixfiv
ylüxs-
TTIV
TÖV
a
V
xai
TCÖV
TT)V
TE
auToig
;T
ÖV
E
x
E
i ft s v
axoXou-öoijVTWv
JIOXIV
StaQJiaöEiv
a.Q%i£Q£a ( X E T ' a l x i a g OOTOXECJEIV X O Y I ^ O H E V C O V , Tg iijivovg d v a u v r j a ^ E i g otpEcag TE x a i napaxEXEvaEcog, voju^cü •deig jrajznfi
Anhang
90
tt)v aTQöTEuxv jt£jtoiT)|i,Év(>5 A a g E i o v vr/.r|a£iv x a i tt]v IlEoacöv x a t a H i a e i v 8t)va|xiv vcal jtavfr' o a a x a t à voüv l a t i jxoi itpcr/cooriaEiv.'' ( 3 3 6 ) Tafit' eìjcwv jiQÒg t ò v IlaQUEvicova y.ai 8£Ìia)aàn£vog t ò v ÙQ/iEDÉa, t w v 'IouSaicov jtaQa-ftEovtcav, eìg ttjv jióXiv jtaoayivETca. I I : A l e x a n d e r d. G r . im T e m p e l von Jerusalem Iosephus: Antiquitates Iudaicae 1 1 , 336—337
(336) x a i à v E X f t r ò v e j i ì r ò I e ( ? ò v { H e i [ i è v tcp •ÖEtp x a r à àQX^O®
0 1
?
i)(f>T)YT|aiv, a Ù T Ò v
à I IO It Q E 3t(D 5 ETlfAT|(J£V. Xou
ß i ß Xou
àQxnv
è v fi r i v a
È 8 ri X o u ,
8è
(337)
àQx
i e
P^
a
ua
8 E l %flE t 0 TJ ? 8 '
a \> t ò g
Eivai
ó
tt]v
tov?
*'
toù
ìeqeì?
a V T Cp T tj 5 A a V l T)-
' E X X ti v ìd v x a t a U f l e i v
tcov
v o [i i a a g
tòv
t ri v I I e q a ü> v
armaivónEvog
t ò t e (*èv
fiadfil? àjtéXvae r ò jiXr^og, rf| 8' Èmoiiar) jiQoaxaXcaduEvog exeXevöev aùroijc; a i t E Ì a t ì a i Òcapeag a ; a v airtoi •friXcoaiv.
I I I : A l e x a n d e r d . G r . v e r b r e n n t seinen e i g e n e n T r o ß Q u i n t u s C u r t i u s R u f u s : H i s t o r i a e 6,6, (14) vix
Et,
cum
moveretur,
grave
spoliis
suas
primum,
cinas
exceptis
dium.
(ij) P l a n i t i e s
perduxerant. peraturus, cinis
face
14-17
a d m o d u m
expectantibus
erat
in
cunctis
iussit
subdita
deinde
quam quid
incendi
agmen
exercitus
referre
abduci,
ceteras
luxuriae
totius
necessariis
spatiosa
iumenta
apparatuque
iussit
vehicula deinde
suisque
sar-
in
me-
onusta
esset
im-
primum
praecepit.
(16)
sar-
Flagrabant
exurentibus dominis, quae ut intacta ex urbibus hostium raperent saepe f l a m m a s restinxerant, nullo sanguinis p r e t i u m audente deflere, c u m regias opes i d e m ignis exureret.
(x7)
Brevi
lesque
militiae
potius
quam
deinde
et a d
ratio
omnia
disciplinae
mitigavit
parati
fecisse
dolorem,
laetabantur
habi-
sarcinarum
iacturam.
Plutarch: Vita Alexandri 5 7 , 1 - 2 (1) M É X X w v öei
8È i > j t £ Q ß d X Ä , £ i v
XacpÜQcov
oioav,
aTQaxiàv
EÌg
tt)v
r^ 8 r|
a [ i ' t)(ìÉq(j a u v E a x £ v a a n É v a > v
•ù j t é j t Q T i ö e Xetjöe
Tr)v
xal
aiiToü
Tag Taig
twv
xai
tröv
Tv8ixtiv,
ßaQEiav (iEtà
èvEÌvai
icvp.
8è
Ewpa
JtXr|-
8uaxivriTov
tù>v à f i a l c o v ,
Éraigiov,
Maxe5óvwv
¿5
xai
jtpwTag t a C i a ;
xal toü
[xév Èxé-
JtQayjxaTog
t o ßot)?.£U|xa [iEi^ov ecpavi] u a ì 8 e i v ó t e q o v f j t ò EQyov. ( 2 ) òXiyoug pièv y à p r)viaa£v, oi 8e jiXeìotoi ßorj m i àXaXayncp j i e t ò Èv&ouaiaajj.oij x à [lèv à v a y x a i a Toig 8eo[i,évoig [X£TaÒÌ5ovt£5, t ò
1
8è HEQióvxa xf|g "/.psiag aìiTot y.crcay.alovTEg x a l
Gemeint ist die Stelle des Alten Testaments, Daniel 8, 20—22.
òiaq^EÌgovieg
Programm-Quellen
91
ó p ^ f j g itoti j t Q O ' & v f i i a g È v E J t i f i r t X a o a v TÒV ' A X É | a v 8 ( ) o v . ^ 8 r) 8 è XAI qp o ß e g ò g rjv X a I c u t a Q a Ì T T ) T o g x o X a o T r i g T co v jt X T] fi fi E XOVVTCÜ v.
I V : Alexander d. Gr. k ä m p f t gegen den Inderkönig Porus Quintus Curtius R u f u s : Historiae 8 , 1 4 , 1 3 (13) Beluae dispositae inter armatos speciem turrium procul fecerant; i p s e Porus humanae magnitudinis propemodum excesserat formam; m a g n i t u d i n i Pori adicere v i d e b a t u r belua, qua veh e b a t u r , t a n t u m inter ceteras eminens q u a n t o aliis ipse praestabat. Quintus Curtius R u f u s : Historiae 8,14, 30-32 (30) Ergo elephanti vulneribus tandem fatigati suos impetu sternunt et, qui rexerant eos, praecipitati in terram ab ipsis obterebantur. Itaque pecorum modo magis pavidi quam infesti ultra aciem exigebantur, (31) cum P o r u s d e s t i t u t u s a p l u r i b u s tela multo ante praeparata in circumfusos ex elephanto suo coepit ingerere, multisque eminus vulneratis expositus i p s e a d i c t u s u n d i q u e p e t e b a t u r . (32) N o v e m iam vulnera hinc tergo, illinc pectore exceperat, m u l t o q u e s a n g u i n e p r o f u s o l a n g u i d i s m a n i b u s m a gis e l a p s a q u a m e x c u s s a t e l a m i t t e b a t . Più tardi: Vita Alexandri 60,6-7 (6) O i 8 è Jt X E i 0 T 0 1 TWV 0vyyQacp£CDV ó f i o X o y o i i o i t ò v I I to Qov { i j t e Q a Ì Q o v x a T s o o ó g u v it if / co v 0 n 1 $ a fi f) TÒ f i ^ x o g i i t J t ó TOU |xr)8èv c u r o ò e l v jt Q ò g TÒV È X é c p a v T a o u f i f i e t p i q i 8 i à TÒ fi É y e d o g x a l T Ò V o y x o v T O V 0 ci) fi a T O g , (7) K C X Ì T O I f i é y i O T o g rjv ó E X é cp a g • ovveaiv 8è daufiaoTTiv èjt£8si|AT0 xai %r]88jioviav TOÙ ßounXscog, èpoa)fiévou fièv £Ti {hj|xù Toiig JtQoofiaxofiÉvcwg àfiuvófiEvog xai àvauóiiTcov, cbg 8è fjodeto ßeXcöv jdri'&ei xaì TQaufiaTuv xafivovta, 8ei0ag fir) TOQIQQV^, . . . Arrian: Anabasis 5 , 1 8 , 4 - 6 (4) IIwQog 8è fisyóXa egya èv Tfj flauti àjio&£iI;àfi£vog fir) ö u aToarr}yot), àXXà vMi OTGCMCÓTOV yevvaiou, cbg tròv TE ÌJIHEOV TÒV cpóvov "/.OCTEÌSE y.al TC5V ètaqpàvTtov Toxig [lèv atiToij jtEJtxaw.ÓTag, Tovg 8è ègrifioug tcöv f|y£|xóva)v XujrriQoùg ¡riXavaifiÉvoug, TCÜV 8è JtE^wv aiixù oi jtXEÌovg GtfioXwXgcrav, oìr/ fjjrep Aaoelo; ó fiéyag ßaoiXEiig E^aoycuv Toig cificp5 CXVTÒV Trjg cpuyf|g àjreyvój(j£i, (5) àXXà EOTE yào •ujté|j.Evé TI TCOV ' I V 8 W V èv xfj fia^xi |w£0TR|xóg, Ig TO0ÓV8E àya»viaa(XEvog, TETgcofxÉvog 8è TÒV 8 E | I Ò V ai(xov, ov 8è yufivòv fióvov E/arv èv tfi FIÀYRI àvEaTQÉqpETo (curo yàg TOV äXXou ocbfiaTog rÌQXEi aÙTw TÒ péXr] ó {>dogai; jiEQirròg OJV xaxà TE TTJV ìayvv yjxì TT]V aQfioviav, cbg VOTEQOV xaTccfiafelv Oeajfiévaig rjv), TOTE 8r) x.aì aÙTÒg àicf/ÙQEi èmoTQé^ag TÒV IXÉ-
Anhang
92 [niae... Arrian: Anabasis j, 1 9 , 1 ( 1 ) K a ì ó p i v riysTo- ' A X É i a v S g o g ò X í y o 1 g x à> v
jtQÒ TTÍ5 táí;EÜ>G £ u v
Èjuaxriaag ròv írcirov TÓ TE [x É y E H á X1 a x a
iunpaìvov,
À 8E8OU-
w a n s p ( a v ) àvr]o aya-ftòg òvSqÌ àyaftcp jiQoaéW>oi
VJIÈQ PaaiÀEÙa; xrjg aiixoij ;roòg (Baaiiia aklov xcAcòg fiya)via|xÉvog. D i o d o r u s S i c u l u s : B i b l i o t h e c a 1 7 , 88, 4 (4) ó I I c Ò Q o g xpaxíaxov
a u v 18 cb v xò y i v ó n E v o v ,
xcáv è X E c p à v x c o v ,
xaì
xExaynévog
èrti x o ü
...
D i o d o r u s S i c u l u s : B i b l i o t h e c a 1 7 , 88, 6 (6) ó ^ é v
IId)Qog fiQwixròg
x(ov x p a u | i á x o ) v
yEvó[X£vog
àycovicràfisvog E^aifxog
xaì
8ià
xò
rtXrj'&og
ÈXinoipij/RIAE x a ì JIEGIXXAAFTEIG JIEQÌ
xò •&T]QÌOV JRQÒG xrjv yrjv xaTEvé^T].
V : A l e x a n d e r d. G r . gibt den Befehl z u m Sdiiffsbau Quintus Curtius Rufus: Historiae 9 , 1 , 3 (3) A v i d i milites et p e c u n i a e et g l o r i a e , s i m u l q u i a n u m q u a m eos a d f i r m a t i o eius f e f e l l e r a t , p o l l i c e n t u r o p e r a m ; d i m i s s i s q u e c u m b o n a spe aedificari
iubet,
navigia
ex -
ut, c u m t o t a m A s i a m percucurisset, f i n e m terrarum mare
inviseret. V I : A l e x a n d e r d . G r . z i e h t in B a b y l o n ein Q u i n t u s C u r t i u s R u f u s : H i s t o r i a e j , 1, 1 9 - 2 3 (19) p l u r e s
obviam
egressi
sunt:
(20) i n t e r q u o s B a g o p h a n e s , arcis
et r e g i a e p e c u n i a e custos, ne s t u d i o a M a z a e o v i n c e r e t u r , t o t u m bus
coronisque
constraverat
iter
fiori-
argenteis altaribus utroque latere
dis-
positis, q u a e n o n t u r e m o d o , sed o m n i b u s o d o r i b u s c u m u l a v e r a t . ( 2 1 ) D o n a e u m s e q u e b a n t u r greges p e c o r u m e q u o r u m q u e ,
leones
quoque
et
pardales
c a v é i s p r a e f e r e b a n t u r . (22) M a g i d e i n d e suo m o r e c a r m e n c a n e n t e s , p o s t hos C h a l d a e i , B a b y l o n i o r u m q u e n o n v a t e s m o d o , sed e t i a m a r t i f i c e s c u m f i d i b u s sui generis i b a n t . L a u d e s hi r e g u m c a n e r e soliti, C h a l d a e i s i d e r u m m o t u s et statas v i c e s t e m p o r u m ostendere. (23) E q u i t e s d e i n d e B a b y l o n i i , suo e q u o r u m q u e c u l t u ad luxuriam magis quam ad magnificentiam exacto ultimi ibant. R e x
armatis
s t i p a t u s o p p i d a n o r u m t u r b a m p o s t ú l t i m o s p e d i t e s ire iussit: i p s e
curru
cum
93
Programm-Quellen
u r b e m ac d e i n d e r e g i a m omnem pecuniam recognovit.
i n t r a v i t . Postero die supellectilem Darei et
V I I : Alexander d. Gr. läßt die Werke Homers in einem kostbaren Kasten aufbewahren Plutarch: V i t a Alexandri 26, 1-2 (1) K i ß c ü t i o i ) ôé t i v o ç aiiTcp j t p o a E V E X ' & É v T o ç , o i j t o A u t e à é a t s p o v ovôèv è (p d v r| t o ï ç t à A a p e i o t ) x 9 1 H t i a T a * a 1 T " ? à Jt o a x e v à ç it a q a A a [i ß à v 0 v 0 1 v , f o c a t a toùç q u A o v ç 0 ti ôoxoîî] (ictÀiata ttov à i i c o v ajtouôriç eîç a v r ò x a t a i é a f l a r nohhà ôè jt 0 À X à> v
ÀeyóvTcov
xata'ôÉfxevoç.
(2)
a v t ô ç
eqpr)
x a i t a i r a [ièv
tr)v
'IXiâôa
ovx. ôXiyoi tcôv
(pQoupriaEiv
àEiomoTœv
è v t a ü d a
fiE|i.aQTupr|y.aaiv.
V I I I : Alexander d. Gr. löst den Gordischen Knoten Quintus Curtius Ruf us: Historiae 3 , 1 , 1 4 - 1 8 (14) Alexander, urbe in dicionem suam redacta, Iovis templum intrat. Vehiculum quo Gordium, Midae patrem, vectum esse constabat, aspexit, cultu haud sane a vilioribus vulgatisque usu abhorrens. (15) N o t a b i l e e r a t iugum a d s t r i c t u m c o n p l u r i b u s n o d i s in s e m e t i p s o s i n p l i c a t i s et c e l a n t i b u s n e x u s . (16) I n c o l i s d e i n d e a d f i r m a n t i b u s e d i t a m esse o r a c u l o s o r t e m , A s i a e p o t i t u r u m , qui i n e x p l i c a b i l e vinculum s o l v i s s e t , c u p i d o incessit animo sortis eius e x p l e n d a e . (17) C i r c a r e g e m e r a t e t P h r y g u m t u r b a e t M a c e d o n u m , ilia explicatione suspensa, haec sollicita ex temeraria regis fiducia, quippe series vinculorum ita adstricta, ut unde nexus inciperet quove se conderet nec ratione nec visu perspici posset; s o l v e r e a d g r e s s u s i n i e c e r a t c u r a m e i n e i n o m e n v e r t e r e t u r i r r i t u m i n c e p t u m . (18) Ille nequaquam diu luctatus cum latentibus nodis: „ N i h i l " , inquit, „interest quomodo solvantur", g l a d i o q u e r u p t i s o m n i b u s l o r i s oraculi sortem vel elusit vel implevit. Plutarch: Vita Alexandri 1 8 , 1 - 2 (1)
M e t à x a v r a I l i a i & w v t e toviç à v T W J T a v r a ç f|Q£i v.aì O g v y u r v e / e i q o v t o -
xai
r ô ç ô i o v JtóAiv, é c m a v M i ô o v t o i n a f c z t o ü yevé®^« 1 Xeyo[xévriv, j t c o Q a X a ß w v , T-qv •ôqu?ioi>|A8vtiv S ( x a | a v e l ô e (p?iOià> x o a v t a ç è v ô e ô e j i é v r i v , ÖTEUOfAEVOV
òea^iòv
ÌlJtÒ
T(DV
ß a Q ß Ó Q (0 V
x a i
lÎXOVOEV,
Xóyov Ü) Ç
¿Jt'
atiTji
T CO X l l O a V T l
Jt 1 TOV
e li (i a Q t a i ß a a i X E i y e v E o d a i t t i ç o Î x o u f i é v r i ç . (2) oî: jilv o v v 7toUioi (pam, t a r v ÔEcr^rôv rucpXàç è^óvtojv tùç à p / à ç x a l akXi]ÌMv jtoWiàxiç axoXioîç eXiyixoîç ÎOToqœpofxévœv, tòv 'AXéî;avôpov à ^ i ï i x a v o w t a X ù a a i ô i a T E f i E i v t f ) ft a x a i e 9 t ò a v v a n f i a , x a l itoXXàç 1 5 a ù r o î x o j t é v T a ç àoyàç c p a v r j v a i . 'AgiaToßauXog ô è x a l n â v u liyzi ç ç ô l a v a - ò r à t V Xvmv y E v É a { k n , è|e?ióvti toO QV-
94
Anhang
H0Ó5 TÒV iforoQa xaXovjiEvov, cp a u v e i / e t o TÒ ^ir/óòeajxov, e l d ' oikoog • u c p e ^ x i a a v n t ò v £uyóv. A r r i a n : A n a b a s i s 2 , 3, 6 - 7 JTQÒG
(6)
ero,
8è
oaxtg
TOVITOI?
8r)
TÓ8E
x a ì
^vyov
t o i
XIXJEIE
rf)5
JCEQÌ
àfià^T]?
TRJG TÒV
ÀJIALIIG
è FX v
8eanóv,
e i& -
t o i t o v
X Q r j v a 1 ä p | a 1 x f j g 'A a i a 5. ( 7 ) rjv 8è ó ÒEOJI&g EX qpXoioü x p a v u x g x a ì TOIJTOU OVTE
réXog OTJTE àoyiq lV
qpiXajv éxaTÉQtp jtaQaßori'öoiivTov jtpooEXàaag
5
AXÉÌav8pog EXOIÖOQEI TÒV ' H c p a i a r i c o v a
(pavEßüjg, E|^nÀr|xTov xaXwv x a ì (xaivófiEvov, el (ir) ( n m ^ a i v , cbg, EÓV Tig a v r a i ) TÒV 'AA.É|av8pov àcpéXriTai, ¡j,r|5év È O T I V i 8 i g 8è x a ì TOV K g a T E Q o i mxQcòg xa{hf|\|xiTO. (7) x a ì
ODvayaycòv
a ù To ù g x a ì
8iaXXai;ag
èrtdtyiaaE TÒV " A ^ a i v a
xaì
Toùg äXXoug -ÖEoüg, f) |ar|v ( i o d i a t a cpiXfilv àv-Opcimcov ànàvTcov èxEÌvovg - a v 8è jiaXiv a i a i h j T a i 8iaq>£QOfiévg, CUTOXTEVEIV àmpoTÉQovg, T} TÒV à g ^ à f i E v o v . pov
ot>8è
iiai^ovTEg
EÌJIEIV
TI
où8è
ngaJjai
jtQÒg
85EV
IIOTE-
àXXr)Xot>g
XéyovTai. Plutarch: D e Iside et Osiride 24 D =
360
( 3 6 0 ) ev 8è x a ì A v a i r o t o g ó jiXaatryg 'AJTEXXRYV ènÉ^IPATO TÒV ^coygócpov, o n TTJV 'AXE^CIVÖQOV
8 ó i; a v o v a a v.
ypäcpcüv EÌxóva x E o a u v ò v ÈVE'/EÌOIOEV, a - Ù T Ò g 8 è X ó y ^T] v , r j g T T J V
01) 8 è
EÌg
acpaipriaETai
xpóvog
à X TJ ft 1 v t | v
xaì
I8iav
95
Programm-Quellen
Arrian: Anabasis 7 , 1 3 , 1 (nach einer Lücke) T o ú t cp t